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Full text of "Geschichte der stadt Rom"

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GESCHICHTE 


DER    STADT    ROM 


IN    DREI    BÄNDEN, 


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AUF  VERANLASSUNG 

MAXIMILIANS    II. 

KÖNIGS  VON  BAYERN. 


DRITTER  BAND. 

VON     DER    RCCKVERLEOUNG    DES    H.    STUHLS    BIS    ZUR    GEGENWART. 

ERSTE  ABTHEILUNG. 

DIE    RESTAURATION. 

HIT    ZWEI    PLANEN. 


Unter  Vorbehalt  des  Reclits  der  Uebersetzuug  in  fremde  Sprachen. 


GESCHICHTE 


STADT   ROM 


ALFRED  VON   REITMONT. 


DRITTER  BAND. 

ERSTE    ABTHEILUNG. 


BERLIN,    1868. 


Nou  moriar  sed  vivam:  et  narrabo  opera 
Domini. 

Caatigans  castigavit  me  Dominus :  et  morti 
non    tradidit    me. 

Psalm.  rXVII. 


Die  Schilderung  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  in  Rom 
begonnen,  in  Florenz  fortgesetzt,  in  der  Heimat  vollendet, 
hat  mich  weiter  gefuhrt  als  ursprungliche  Absicht  war, 
obgleich  ich  mir  das  Eingehen  in  viele  Einzelheiten  der 
Diarien  und  Geschichten  versagen  musste.  Die  ausföhr- 
lichere  Behandlung,  auch  der  wissenschaftlichen  und  künst- 
lerischen Bestrebungen,  ist  aber  wol  nicht  ungerechtfer- 
tigt. Nach  langem  Stillstande  tritt  Rom  endlich  wieder 
in  die  grosse  geistige  Bewegung  ein.  Die  Natur  seines 
Antheils  an  derselben  ist  för  die  Tendenzen  des  darauf 
folgenden  glänzenden  Zeitalters  im  Guten  wie  im  Scldim- 
men  das  bestinmiende  Moment.  Die  politische  und  kirch- 
liche Geschichte  des  Papstthums  zeigt  in  den  zwischen 
Martins  V.  Rückkehr  und  dem  Tode  Alexanders  VI.  lie- 
genden dreiundachtzig  Jahren  zwei  voneinander  abwei- 
chende Strömungen,  an  welche,  so  gross  die  Unterschiede 
sind,  diejenigen  erinnern  die  in  der  nächsten  Folgezeit 
zu  Tage  treten  werden.  Man  würde  die  einen  leicht 
misverstehen  ohne  genauere  Kenntniss  der  anderen. 

Für  die  Stadt  Rom  ist  das  f&nfzehnte  Jahrhundert 
die    Epoche    des  Wiederauflebens    nach    tiefem    Verfall. 


VI 


Der  Schluss  desselben  ist  aber  zugleich  eine  Zeit  der 
Verdunklung  des  Papstthums.  Die  Folge  wird  die  mo- 
derne Stadt  auf  dem  Höhepunkt  ihres  Glanzes,  sie  wird 
des  Pontificats  Sühne  und  Wiedererhebung  zeigen.  Die 
Darstellung  dieser  Jahrhunderte,  welche  das  Zeitalter 
Leos  X.  und  die  Herrschaft  kirchlicher  Richtungen  um- 
fassen, wird  das  Werk  beenden. 

Aachen,  den  15.  August  1868. 


INHALTS  -  VERZEICHNISS. 


SIEBENTES   BUCH. 

AUSBILDUNG  DEB  PÄPSTLICHEN  MONARCHIE. 

ERSTER  ABSCHNITT. 

WIEDERHERSTELLUNG    GEISTLICHER    UND    WELTLICHER    MACHT. 

J.  1420-1471. 

Seit« 

1.  Rom  nach  dem  Schisma.    Die  alten  Monumente.    Paläste,  Kirchen, 

Wohnmigen,  Thürme 3 

2.  Volk  und  Volksgemeinde.     Finanzen.     Campagna  und  Ackerwirth- 

Schaft 22 

3.  Die  Barone  und  der  übrige  Adel.    Der  Staat 38 

4.  Kirche    und    Staaten    nach    dem    Constanzer    Concil.      Regierung 

Martins  V 56 

5.  Eugen  IV.    Colonnesiache  Händel.    Concil  zu  Base] 71 

6.  Romischer  Aufttand.    Eugen  IV.  in  Flore^nz.    Giovanni  Vitelleschi    .  88 

7.  Eugens  IV.  spätere  Jahre 99 

a    Nicolaus  V. 110 

9.    Friedrichs  ÜL  Kaiserkrönimg.    Die  Porcarische  Verschworung     .    .  119 

10.  Caüxtus  m.  und  Pius  H 126 

11.  Rom  in  seinen  Beziehungen  zu  Orient  und  Occident    Der  Kreuzzug    137 

12.  P*ul  IL 152 


Yiii  Inhalts -Verzeiclmiss. 


ZWEITER  ABSCHNITT. 

UEBERGEWICHT    POLITISCHER    TENDENZEN. 

J.  1471  -  loOß. 

Seite 

1.  Neue  Bahnen  des  Papstthiuns.    Sixtus  IV .161 

2.  Rom  beim  Tode  Sixtus'  IV.    Innoceuz  Vm 184 

3.  Bewerbung  um  das  Papstthum.    Alexander  VI.    Die  Borgia     .    .    .  199 

4.  Frankreich  in  Italien.     Der  Papst  und  Carl  VIII.     Eroberung  von 

Neapel 208 

5.  Alexander  VI.  und  die  Barone.    Cesare  Borgia.    Ludwig  XII. .    .    .  ^222 

6.  Cesare  Borgia  und  die  Romagna.    Tod  Alexanders  VI 234 

7.  Das  Cardinalcollegium  im  fünfzehnten  Jahrhundert.    I.  Von  Martin  V. 

zu  Paul  n. 251 

8.  Das  Cardinalcollegium.    11.  Von  Sixtus  IV.  zu  Alexander  VI.  .    .    .  261 

9.  Curie  und  Verwaltmig 271 


DRITTER  ABSCHNITT. 

LITERATUR    UND    KUNST    DES    FÜNFZEHNTEN    JAHRHUNDERTS. 

1.  Signatur  der  Zeit.    Ursprung  des  Humanismus  und  der  griechischen 

Studien 287 

2.  Die  Wissenschaft  und  das  Papstthum  bis  zum  Tode  Eugens  IV. .    .  305 

3.  Der  Musenhof  Nicolaus'  V.    Die  vaticanische  Bibliothek 317 

4.  Nachblüte  des  Humanismus.    Pius  H.    Die  romische  Akademie  und 

der  Bücherdruck 334 

5.  Literarische  Tendenzen  der  politischeu  Päpste 349 

6.  Wiederaufleben  künstlerischer  Thätigkeit.    Die  Zeit  Nicolaus'  V.  .    .  369 

7.  Entwicklung  der  Renaissance.    Siena  mid  Pienza 387 

8.  Pauin.  und  Sixtus  IV.    Paläste,  Kirchen,  Denkmale,  Castelle    .    .  396 

9.  Fortschreitender  Emfluss  der  antiken  Architektur 412 

10.  Sculptur   und  Malerei    im  letzten  Drittel  des  fünfzehnten  Jahrhun- 

derts      422 

11.  Rom    beim  Beginn    des   sechzehnten  Jahrfaimderts.     Die  diesseitige 

Stadt 432 

12.  Leostadt  und  Peterskirche.     Trastevere.      Bewohner,  Lebensweise, 

Umgebung 444 

ANMERKUNGEN 473 

INSCHRIFTEN 523 

CHRONOLOGISCHE  ÜBERSICHT 539 


Inhalts  -  VeiTetchnisft.  IX 

S^^AMMTAFELN: 

E«tc 559 

Montefehro-Urbino 560 

Sforza 561 

Mcdici 562 

Borgia 563 

Della  Rovera 564 

Cybo 565 

Varano 566 

ViteUi 567 

Zuafttze  zu  den  Anmerkungen  und  Inschriften 569 


R^umoiit«    Kom.   III. 


GESCHICHTE 


DER    STADT    ROM. 


lUud  te  reparat  quod  caetera  regua  resolvit, 
Ordo  renascendi  est  crescere  posse  malis. 

Rutilius  Nuxnat. 


SIEBENTES   BUCH. 


AUSBILDUNG   DER  PÄPSTLICHEN 

MONARCHIE. 


T.  Kcumont,  Rom.  III. 


ERSTER   ABSCHNITT. 

WIEDERHERSTELLUNG   GEISTLICHER   UND 

WELTUCHER   MACHT. 

J.  1490—1471. 


1. 

BOM  NACH  DEM  SCHISMA.      DIE  ALTEN  MONUMENTE. 
PALÄSTE,  KIRCHEN,    WOHNUNGEN,    THÜRME. 

»JNicht  lange  vor  seinem  Tode   —  so  erz&hlt  in  dem  Buche 
welches  den  Titel  «Geschichten  von  den  Wechseln  des  Glücks« 
fuhrt,  der  Toscaner  Poggio  Bracciolini  —  begab  sich  Papst 
Martin  seiner  leidenden  Gesundheit  wegen  aus  der  Stadt  nach 
den  Tusculaner  Hügeln.    Von  öffentlichen  Dingen  und  Geschäf- 
ten frei  besuchten  wir,  der  ehrenwerthe  Antonio  Loschi  und 
ich,  wiederholt  die  Trümmer  der  Stadt.     Indem  wir  nun  die 
GrTÖsse   der  zusammengestürzten  Gebäude   und  die  mächtigen 
Ruinen  des  alten  Rom  vor  Augen  hatten ,  ergriff  uns  Staunen 
über  den  Untei^ng  eines  solchen  Reiches,  über  einen  so  ge- 
waltigen wie  beldagenswerthen  Wechsel  des  Geschicks.     Als 
wir  so  einmal  den  capitolinischen  Hügel  hinangeritten  waren 
und  Antonio  von  der  Wanderung  müde  sich  nach  Ruhe  sehnte, 
stiegen   wir   von   den  Pferden   und   setzten    uns   inmitten    der 
Trümmer  der  tarpejischen  Burg,  bei  der  grossen  marmornen 
Thürschwelle  wie  mir  schien   irgendeines  Tempels,   umgeben 
von  meist   zerbrochenen   Säulen,   mit   dem   Blick   über   einen 
grossen  Theil  der  Stadt.  '  Da  sprach  Antonio ,  nachdem  er  eine 
Zeitlang  hie    und  dort  umhergeblickt,   seufzend  und  zugleicii 
staunend:    Wie   sehr,    o   mein   Poggio,   ist   dies    Capitol   von 
jenem  verschieden  welches  unser  Maro  besang: 

•Goldenes  jetzt,  doch  einst  unwirtlich  von  waldigem  Strauchwerk.« 

Ein  Vers  den  man  heute  umkehren  könnte,   nun  wieder  mit 
Domeni^estrüpp  bedeckt  ist  was   einst  golden  war.     Mir  fällt 


4  Poggio  Bracciolhii  über  die  Tifimmer  Roms. 

jener  Marius  ein  welcher  einmal  über  diese  Stadt  herrschte, 
wie  er,  landesflüchtig  und  arm  an  A&icas  Küste  verschlagen, 
auf  Karthagos  Trümmern  gesessen  haben  soll,  sein  eignes  und 
Karthagos  Geschick  vergleichend  und  im  Zweifel  befangen,  wel- 
cher Glückswechsel  grösser  wäre.  Ich  aber  kann  den  Unter- 
gang dieser  Stadt  mit  nichts  anderm  vergleichen,  so  sehr  über- 
ragt dies  eine  Geschick  jegliches  andere,  sei  es  der  Werke 
der  Natur,  sei  es  jener  von  Menschenhand.  Denn  wenn  du 
alle  Geschichten  Uesest,  alle  Denkmale  der  Autoren  vergleichst, 
alle  Jahrbücher  untersuchst,  wird  kein  grösserer  Wechsel  dir 
vor  Augen  treten  als  den  die  Stadt  Rom  dir  bietet,  einst  die 
grösste  und  glänzendste  welche  Lucian  nicht  eine  Stadt,  son- 
dern gleichsam  einen  Theil  des  Himmels  nannte.  Und  diese 
Stadt  liegt  nun  da,  alles  Schmuckes  bar,  wie  eine  riesige  mit 
Wunden  bedeckte  Leiche ,  die  Stadt,  Heimat  so  vieler  berühm- 
ten Männer  und  Imperatoren,  Pflegerin  so  vieler  Feldherren 
und  Fürsten ,  Mutter  so  vieler  Tugenden ,  Wissenschaften, 
Künste,  aus  welcher  kriegerische  Disciplin,  Heiligkeit  der  Sit- 
ten, heilsame  Fessel  des  Gesetzes,  Beispiele  des  Guten,  löb- 
liche Lebensregel  hervorgingen,  die  Stadt,  vormals  aller  Dinge 
Herrin,  nun  durch  das  grausame  Geschick  nicht  blos  der  Herr- 
schaft und  Majestät  beraubt,  sondern  der  Knechtschaft  anheim- 
gefallen, entstellt,  verunziert,  nur  durch  ihre  Trümmer  noch 
versunkener  Grösse  Zeugniss  bietend.  Wäre  es  nur  Verlust 
der  Herrschaft  und  Macht:  ein  solcher  Wechsel  hat  sich  im- 
mer wiederholt  und  man  hat  ihm  jederzeit  gehorchen  müssen. 
Grösseres  Leid  aber  weckt  die  Wuth  der  Zerstörung  im  Innern, 
deren  Werk  so  grausig  gewesen  ist,  dass  wenn  einer  der  alten 
Bürger  wiedererstände,  er  in  einer  andern  Stadt  zu  sein  glau- 
ben müsste ,  da  beinahe  nichts  an  das  P^hemals  erinnert.  Denn 
die  öffentlichen  und  Privatbauten  welche  den  Wettstreit  mit 
der  Ewigkeit  aufnehmen  zu  können  schienen,  sind  entweder 
ganz  untergegangen  oder  wenig  ist  übriggebUeben  von  Tempeln, 
Säulengängen,  Thermen,  Theatern,  Wasserleitungen,  Häfen, 
Palästen,  eine  ernste  Mahnung  an  die  Vergänglichkeit  der 
menschUchen  Dinge. 

Mit  Recht,  erwiederte  ich,  staunest  du  o  Antonio,  über 
solchen  Ruin.  Indem  ich  täglich  Nachforschungen  anstelle, 
kommt  meine  Verwunderung  meiner  Betrübniss  gleich.  Denn 
nicht  nur  ist  von  der  alten  Stadt  wenig  vorhanden,  sondern 


Aelteste  MoiiumeDte  und  ihre  LischriAen.  5 

dies  Wenige  ist  unvollkommen  und  zerstückt.  Von  den  Bau- 
werken aus  den  Zeiten  der  Freiheit  sind  nur  geringe  und  seltne 
Spuren  geblieben.  Auf  dem  Capitol  steht,  neuen  Gebäuden 
eingefugt  und  heute  als  Salzmagazin  gebraucht,  eine  Doppel- 
reihe von  Hallen,  deren  halbzerfressene  Inschrift,  welche  den 
Q.  Lutatius  Catulus  als  Erbauer  nennt,  auf  ehrwürdiges  Alter 
hinweist  Da  ist  in  der  Nähe  des  Capitols  das  Grrabmal  des 
C  Poblicius,  da  die  von  L.  Fabricius  erbaute  Brücke  der  Tiber- 
insel,  da  zwischen  Aventin  und  Fluss  der  von  Q.  Lentu- 
lus  Scipio  und  T.  Quinctius  Crispinus  aus  Tiburtinerstein  er- 
richtete Bogen.  Zu  diesen  älteren  Monumenten  gehört  noch 
das  sogenannte  Cimbron,  wo  man  die  Trophäen  des  Marius 
sieht,  und  am  ostiensischen  Thor  die  Pyramide,  das  ansehn- 
liche Grab  des  C.  Cestius  den  die  Inschrift  nennt,  welche 
ein  so  gelehrter  Mann  wie  Francesco  Petrarca  übersah,  indem 
er  mit  dem  Volke  dem  Bauwerk  den  Namen  des  Remusgrabes 
gab ,  während  Spätere  bei  geringenn  Wissen  im  Lesen  der  mit 
Gestrüpp  bedeckten  Buchstaben  grössern  Fleiss  anwandten. 
In  dieser  Beziehung,  fiel  Antonio  ein,  lobe  ich  deine  Sorgfalt 
und  Aufmerksamkeit,  o  Poggio,  der  du  die  Inschriften  offen t« 
lieber  und  Privatgebäude  so  in  Rom  wie  an  vielen  anderen 
Orten  gesammelt  und  in  einem  Bändchen  zusammengestellt  den 
des  Alterthums  Beflissenen  dargeboten  hast.  Ein  grosser  Dienst, 
da  Manches  we^en  Gestrüpp  und  Risse  schwer  zu  lesen  war, 
wovon  du  genaue  Abschriften  angefertigt  hast,  welcbe  über- 
dies statt  der  Originale  dienen  können,  wenn  letztere,  wie  wir 
oft  gesehn,  der  Zerstörung  durch  die  Hand  der  Römer  unter- 
liegen. Nur  die  eben  erwähnten  Werke,  fuhr  ich  fort,  sind 
uns  aus  den  Tagen  der  Freiheit  gebUeben.  Was  soll  ich  von 
der  Pracht  späterer  Zeiten  sagen,  welche  gleicherweise  der 
Zerstörung  anheimgefallen  ist?  Was  von  den  Zeiten  des 
Augustus,  der  eine  marmorne  Stadt  statt  der  aus  Ziegeln  er- 
bauten zurückzulassen  sich  rühmte,  von  den  Werken  seiner 
Freunde,  des  Agrippa,  des  Asinius  Pollio,  des  Munatius  Plau- 
ens, des  Cornelius  Baibus  und  anderer  die  in  grossen  Bauten 
miteinander  wetteiferten?« 

Und  nun  folgt  die  Aufzählung  der  grossen  Ruinen  wie  das 
fünfzehnte  Jahrhundert  sie  sah,  zum  Theil  mit  richtigen,  zum 
Theil  mit  falschen  Namen.  Das  Pantheon  prangte  noch  mit 
seinen  Balken  von  Erz;  die  Cloaca  maxima  galt  für  ein  Werk 


ß  Bauten  der  Kaisci-zeit. 

des  Augustus;  im  sogenannten  Friedenstempel  stand  die  eine 
!ftIarmorsäule  die  nachmals  die  esquilinische  Höhe  zierte.  SS. 
Cosma  e  Damiano  war  der  Tempel  desRomulus,  der  hadriani- 
sche  Doppeltempel  galt  für  den  der  Dioscuren  und  Versamm- 
lungsort des  Senats.  Die  Säulen  des  Faustinentempels  und  der 
Rundtempel  am  Tibec  standen  da  wie  heute;  Honorius'  Mauso- 
leum neben  St.  Peter  galt  für  ein  Apollo  -  Heiligthum.  Vom 
Minerventempel  sah  man  Beste  bei  der  Dominicanerkirche, 
dicht  dabei  die  Trümmer  eines  Porticus,  von  dessen  Säulen 
eine  Menge  nicht  lange  vorher  ausgegraben  und  zu  Kalk  ver- 
brannt worden  waren.  In  der  Nähe  hatte  man  bei  der  An- 
lage eines  Gartens  die  Statue  des  Nil  entdeckt  welche  alle  in 
der  Stadt  befindUchen  an  Grösse  überragte,  aber  der  Eigenthü- 
mer  des  Orts  hatte  sie  wieder  mit  Erde  bedecken  lassen  da 
der  Andrang  der  Besucher  ihm  zur  Last  ward.  Am  CUvus  ca- 
pitolinus  galt  der  Saturnustempel  mit  den  acht  Säulen  für  den 
der  Concordia.  »Als  ich  zuerst  nach  Rom  kam,  erzählt  Poggio, 
sah  ich  den  schönen  Marmorbau  beinahe  unversehrt,  nach- 
her aber  zerstörten  die  Bewohner  den  ganzen  Tempel  und 
einen  Theil  des  Porticus  indem  sie  die  Säulen  umstürzten.« 
Nicht  weit  von  dort  suchte  man  den  Tempel  derTellus,  wor- 
auf man  den  Namen  Salvatore  in  tellume  bezog.  Den  Saturnus- 
tempel mit  dem  Aerarium  verlegte  man  nach  S.  Adriano,  das 
Secretarium  Senatus  erkannte  man  in  Sta  Martina,  die  drei 
Säulen  'am  Fusse  des  Palatin  und  die  drei  anderen  am  Clivus 
(^apitolinus  galten  für  Reste  von  Caligulas  Brücke.  Die  Säulen 
des  Porticus  der  Octavia  hielt  man  für  die  Reste  eines  Heihg- 
thums  des  Mercur,  die  zwischen  Capitol  uud  Aventin  gelegene 
Kirche  S.  Niccolo  in  statera  mit  einem  Gewölbe  von  Travertin 
für  den  Tempel  des  Jupiter  Stator.  An  den  Junotempel,  heisst 
es,  erinnert  nichts  als  der  Name  von  S.  Lorenzo  in  Lucina. 
Unter  den  Thermen  zeichneten  sich  die  diocletianischen  durch 
ihre  Grösse,  die  antoninischen  vor  allen  durch  ilire  Erhaltung 
aus;  die  constantinischen ,  an  denen  man  die  Inschrift  des  M. 
Petronius  Perpenna  las,  standen  den  einen  wie  den  anderen 
beiweitem  nach.  Von  den  alexandrinischen  und  neronischen 
Thermen  sah  man  bedeutende  Reste  in  der  Nähe  des  Pan- 
theon, von  den  domitiauischen  fand  man  unansehnliche  Trüm- 
mer bei  S.  Martino.  Ausser  den  wohlerhaltenen  Triumph- 
bogen des  Titus,   Septimius  Severus  und  Constantin  war  ein 


Bauteil  der  Kaiserzeit.  7 

betrachtlicher  Theil  dessen  den  nian  gemeinsam  nach  Nerva 
und  Trajan  benannte,  »beim  Comitium«  erhalten,  auf  der  Via 
Flaminia  zwei  von  welchen  jener  bei  S.  Lorenzo  in  Lucina 
nach  den  drei  Stadtefiguren  TripoU  hiess,  mit  Sculpturen,  von 
denen  Poggio  bemerkt,  er  wundere  sich  dass  sie  der  Wuth 
der  Zerstörer  entgangen  seien.  Auf  dem  Esquilin  stand  der 
Bogen  des  GaUienus,  von  dem  des  Titus  im  grossen  Circus 
war  nichts  als  die  in  den  Gärten  ausgegrabene  Insclirift  ge- 
bUeben. 

Von  den  Wasserleitungen  diente  nur  noch  die  Virgo; 
unter  den  Ruinen  der  übrigen  zeichneten  sich  die  der  Claudia 
aus,  von  deren  Herstellung  in  der  Zeit  der  Antonine  eine  In- 
schrift Kunde  gab.  Von  dem  grössten  und  schönsten  der  Am> 
phitheater,  dem  Colosseum,  sagt  unser  Gewälirsmann,  hat 
römischer  Unverstand  den  bedeutendem  Theil  zu  Kalk  ver- 
brannt. Das  Marcellustheater  wurde  dem  JuUus  Caesar  zuge- 
scjirieben;  eine  Gruppe  Marmorsäulen  bei  demselben  hielt  man 
für  den  Porticus  eines  Jupitertempels,  während  moderne  Bau- 
ten den  Halbkreis,  ein  Gärtchen  das  Innere  einnahm.  Das 
»dritte  Amphitheater«  war  das  castrensische  bei  Sta  Croce  in 
Gerusalemme.  Vom  Circus  maximus  waren  inmitten  der  Gär- 
ten geringe  Spuren  gebheben.  Reste  des  Pompejustheaters 
sah  man  bei  Campo  di  fiore  mit  neuen  Bauten  vermengt;  mehre 
Inschriften  waren  dort  aufgefunden  worden.  Das  Mausoleum 
des  Augustus  war  in  einen  Weinberg  verwandelt  der  noch  den 
Namen  des  Erbauers  trug.  »Jenes  des  Hadrian  hat  die  römi- 
sche Zerstörungssucht  grossentheils  vernichtet,  obgleich  die 
Inschrift  über  der  Eingangsthür  noch  wohlerhalten  ist.  Das 
Volk  würde  den  Baa  von  Grund  aus  zerstört  haben  wie  es 
beschlossen  hatte ,  wäre  nicht  nach  Hinwegräumuug  der  grossen 
Steinblöcke  der  Kern  zu  fest  gewesen  für  ihre  Hände.  An 
der  appischen  Strasse  beim  zweiten  Meilenstein  sah  ich  das 
Grab  der  Caecilia  Metella  wolilerhalten  und  schön  nach  so 
vielen  Jahrhunderten:  später  fand  ich  es  grossentheils  zu  Kalk 
verbrannt.  Beim  zweiten  Meilenstein  der  ostiensischen  Strasse 
nahe  am  Flusse  steht  noch  wohlerhalten  das  aus  drei  grossen 
aufeinandergelegten  Steinblöcken  bestehende  Grabmal  des  M. 
Antonius  Lupus,  mit  der  Inschrift  welche  seine  Thaten  preist. 
Im  vatieanischen  Viertel  sieht  man  eine  mächtige  Pyramide, 
gegenwärtig  alles  Schmuckes  beraubt    Von  den  Obelisken  ist 


8  Statuen.    Foren.    Literarische  Zeugnisse. 

ein  einziger  aufrecht  stehen  gebUeben,  jener  welchen  Caligula  im 
Yatican  dem  Augustus  und  Tiberius  errichtete.  Einen  nicht 
viel  kleinern  sah  ich  im  Hippodrom  an  der  Äppia  in  vier  Stücke 
zerbrochen  liegen.  Fragmente  anderer  sind  an  verschiedenen 
Orten  aufgerichtet,  so.  auf  dem  Capitol  und  im  Bion  Pigna.« 

Die  Zahl  der  Marmorstatuen  die  man  öffentlich  aufgestellt 
sah,  war  nicht  gross.  Poggio  spricht  von  fünf  derselben,  von 
denen  vier  in  den  Constantinsthermen ,  nämlich  die  Dioscuren 
und  zwei  liegende,  die  fünfte  im  Marsfelde.  Von  Erzstatuen 
war  nur  die  beim  Lateran  stehende  des  Marc  Aurel  vorhan- 
den, welche  dem  Septimius  Severus  zugetheilt  wurde.  Der 
verwahrloste  Zustand  des  Capitols  und  des  Forums  rief  bei 
den  Verehrern  des  Alterthums  laute  Klagen  hervor:  wo  einst 
die  Sitze  der  Senatoren  standen  und  von  den  höchsten  Rieh* 
tem  Recht  gesprochen  wurde,  lagen  Düngerhaufen,  weideten 
Schweine  und  Büffel.  Der  Palatin  und  die  übrigen  Hügel  wie- 
sen nichts  auf  als  gewaltige  Trümmermassen,  Gärten  und  Vignen. 
Auf  der  Seite  wo  man  sich  das  Comitium  dachte,  sah  man 
mächtige  Mauerreste,  darüber  zwei  mit  der  Toga  bekleidete 
Marmorfiguren.  Bei  S.  Basilio  (Sta  Annunziata)  ragten  gross- 
artige Ruinen  empor,  in  denen  man  einen  Theil  des  Trajans- 
forums  zu  erkennen  glaubte,  dessen  vormalige  Pracht  man 
durch  Ammianus  Marcellinus  kannte  und  auf  welchem  die  vom 
Blitz  beschädigte  Säule  stand.  Die  Stadtmauern  zeigten  das 
Gemisch  antiker  mit  modernen  Werken,  mit  den  Resten  der 
Wasserleitungen,  mit  den  Inschriften  verschiedener  Thore,  die 
theils  den  Aquäducten  angehörten,  theils  den  Bauten  aus  Hono- 
rius^  Zeit.  So  erschien  das  alte  Rom  in  seinen  Trümmern 
einem  der  Männer,  die  für  die  Wiedererweckung  des  clas- 
sischen  Alterthums  in  erster  Reihe  thätig  gewesen  sind; 
Poggios  Schilderung,  die  ausführlichste  welche  wir  besitzen, 
legt  Zeugniss  davon  ab  wie  sehr  seit  Petrarcas  Tagen  das 
Studium  des  römischen  Bodens  fortgeschritten  war. 

Unsere  Uterarische  Kunde  von  Rom  als  Stadt  ist  übrigens 
für  diesen  ganzen  Zeitraum  von  etwa  siebzig  Jahren  äusserst 
beschränkt  und  das  Wenige  entnehmen  wir  nur  den  Schriften 
Fremder.  Fazio  degli  Uberti,  der  edle  Florentiner  den  das 
über  sein  uraltes  Gibellinengeschlecht  verhängte  Exil  durch 
ganz  Itahen  umherwandem  liess,  wie  Dante  unschuldig  an 
dem  Vorwurf  dass  er  die  Höfe  lombardischer  Gewaltherrscher 


Fazio  degli  Uberti  und  Manuel  Chiysoloras.  9 

aufsuchte ,  schildert  Rom  in  seinem  Dittamondo ,  einer  historisch- 
geographischen Weltwanderung,   die  von  der  Göttlichen  Ko- 
mödie nur  das  Versmaass  hat.    Es  ist  die  Auffassung  Petrar- 
cas welcher  zugleich  das  zum  Ueberdruss  verbrauchte  Bild  der 
ehrwürdigen  Greisid  Roma  hergegeben  hat.    In  Petrarcas  letzte 
Jahre  fallt  auch  dies  mühsame,  in  sehr  verderbter  Gestalt  auf 
uns  gekommene  Poem,  von  welchem  schon  die  Zeitgenossen 
des  Verfassers,  so  Filippo  Villani  der  diesen  mit  karakteristi- 
schem  Ausdruck  einen  Halbpoeten  nennt,  urtheilten,  sein  Haupt- 
werth  bestehe  in  den  versificirten  Sprüchwörtern  und  im  Ge- 
brauch zur  Gedächtnisshülfe  für  denkwürdige  Dinge.    Fazios 
Rom,  durch  welches  ihn,  für  den  Karakter  seiner  Dichtung 
bezeichnend,  wie  Virgil  den  Dante,  Solinus  der  Polyhistor  fahrt, 
ist  das  Rom  der  Mirabilien,  aber  mit  dem  Anflug  classischer 
Wissenschaft  und  Empfindungsweise,  welche  in  dieser  Zeit  im- 
mermehr  zum  Durchbruch  kommt.     Zu  Ende   des  vierzehnten 
Jahrhunderts,    ein  volles  Menschenalter  nach  dem  florentiner 
Dichter,    entwarf  Manuel  Chrysoloras  in  einem  Schreiben  an 
Kaiser  Johannes  Palaeologus  eine  Parallele  zwischen  Rom  und 
(^onstantinopel.    Vergebens  sucht  man  in  dieser  rhetorischen 
Darstellung  Aufschlüsse  über  römische  Topographie.    Die  nicht 
unberedte  Klage  des  gelehrten  Griechen  zeigt  jedoch,  wie  trost- 
los der  Zustand   der  tagUch  sich  mindemden  antiken  Monu- 
mente  war.      Chrysoloras,    der   erste  gebildete  Lehrer  seiner 
Sprache   und  Literatur  im  Abendlande,  klagt,   mit  Ausnahme 
der  Colosse  der  Dioscuren  stehe  kaum  eine  antike  Statue  auf- 
recht    In  Stücke  zerschlagen  wanderten  sie  in  die  Kalkgruben 
oder   Avürden   als   Mauersteine   gebraucht.     Im  Ve^leich   mit 
ihnen  seien  die  Bildwerke  glücklich  zu  preisen,  welche  zu  Stu- 
fen  und  Sockeln,   als  Steine   zum  Besteigen    der  Pferde,   als 
Krippen  in  den  Stallen  verwendet  wurden,  am  glücklichsten 
solche  die  unter  Schutt  und  Dickicht  verborgen  der  Palinge- 
nesie  harrten.     Es  ist  ein  Glück  dass  man  in  dieser  traurigen 
Zeit  nicht  an  Ausgrabungen  dachte,  denn,  wie  einer  von  Poggios 
und  Leonardo  Brunis  Freunden  Cencio  de*  Rustici  meldet,  was 
zum  Vorschein  kam  wurde  verstümmelt  oder  vernichtet.    Von 
seltsamen  Geschickeswechseln  geben  unter  anderm  die  Grab- 
cippen  aus  Augustus'  Mausoleum  Zeugniss.    Am  Brunnen  bei 
Sta  Maria  de  Uberatica  liinter  der  Apostelkirche  am  Fusse  des 
Capitols  sah  man  den  Cippus  des  Tiberius,  der  zum  Vermessen 


10  Die  Stadt  bei  Mamiiis  V.  Rückkehr.     Das  Capitol. 

diente,  ebenso  wie  andere  gleicher  Art  und  wie  man  heute 
noch  auf  dem  Capitol  den  zu  einem  Getreidemaass  ausgehöhlten 
Grabcippus  der  Agrippina,  <les  Germanicus  Gemalin  erblickt, 
dessen  Inschriften  die  Entweihung  verwilderter  Zeiten  be- 
stätigen. 

Die  vier  Decennien  des  Schismas  hatten  in  Rom  die  trau- 
rigsten Spuren  zurückgelassen.  Martin  V.  fand  die  Stadt  un- 
endlich verkommener  als  Gregor  XL  sie  gefunden  hatte.  Wie 
die  bürgerlichen  Institutionen  war  alles  Bauliche  im  tiefsten 
Verfall.  Die  Stadt  war  ruhige  schreibt  ein  Gleichzeitiger,  aber 
in  solchem  Elend,  dass  sie  kaum  das  Aussehn  einer  Stadt 
hatte.  Der  heimkehrende  Papst  zog  durch  unwegsame  Strassen 
an  verfallenen  Kirchen,  in  Trümmer  gesunkenen  oder  leeren 
Häusern ,  zwischen  einer  gleich  verkommenen  und  verwilderten 
Menge  nach  dem  Vatican.  Die  Hülfsquellen  welche  selbst  in 
der  avignonischen  Zeit  durch  päpstUche  Bewilhgungen,  zum 
Theil  auch  durch  die  von  Behörden  oder  Genossenschaften, 
Kirchen  und  anderen  Bauten  zugutegekommen,  waren  seitdem 
immer  spärlicher  geflossen,  endlich  seit  Gregors  XIL  Auszug 
ganz  versiegt,  während  die  Zerstörung  in  äusseren  und  inneren 
Kämpfen  unermüdet  fortschritt.  Das  Rom  des  Mittelalters  lag 
in  Trümmern  wie  das  alte.  Versuchen  wir  uns  ein  Bild  des 
Zustandes  seiner  vornehmsten  Gebäude  und  LocaUtäten  zu 
machen. 

Der  Mittelpunkt  der  Stadt,  das  Capitol,  stellt  sich  zuerst 
imsem  Blicken  dar.  Der  Platz  am  Fusse  des  Hügels  den  man 
heute  nach  der  Kirche  von  AraceU  benennt,  war  im  Lauf  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  wesentlich  umgestaltet  worden.  Hiezu 
hatte  unter  anderm  der  Bau  der  zu  dieser  Kirche  fülirenden 
Treppe  beigetragen,  welche  um  mehre  Stufen  weiter  vorwärts 
trat  als  heutzutage  der  Fall  ist  Der  Aufgang  zum  Capitol, 
der  sich  dort  befand  wo  diese  Treppe  beginnt  und  eine  ge- 
krümmte Linie  beschrieb,  hatte  verlegt  werden  müssen.  Die 
mittlere  Einsattlung  des  Hügels  bildete  damals  wie  jetzt  den 
capitolinischen  Platz.  Am  Ende  desselben  gegen  das  Forum 
zu  stand  der  Senatorspalast,  melirfach  verändert  seit  der  Zeit 
der  Wiederbelebung  der  städtischen  Autonomie  zu  Anfang  der 
staufischen  Epoche.  Auf  dem  Siegel  Ludwigs  des  Baiern 
welches  Roms  vornehmste  Gebäude,  die  Engelsburg  und  die 
Peterskirche,  das  Pantheon,  die  Trajanssäule,  den  Thurm  der 


CapitoUuischer  Palast  uud  Platz.  II 

Conti,  das  Capitol,  das  Colosseum,  den  Lateran,  den  Titus- 
bogen,  die*  Cestiuspyramide ,  den  Mauerkreis  und  die  Tiber- 
insel  mit  ihren  Brücken  und  Sta  Maria  in  Trasteyere  darstellt, 
sieht  man  den  Palast  mit  hohem  Erdgeschoss  und  zweitem 
Geschoss  mit  Bogenfenstern,  eingefasst  von  zwei  viereckigen 
Tliürmen.  Der  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  sah  ihn 
wesentlich  wie  Bonifaz  IX.  ihn  umgebaut  hatte,  mit  den  von 
iliin  errichteten  oder  hei^estellten  westhchen  Eckthurmen  und 
dem  gleichfalls  viereckigen  Hauptthurm  in  der  Mitte,  in  welchem 
seit  Innocenz'  III.  Zeit  die  grosse  Glocke,  die  Paterina  von 
Viterbo  hing.  Senatorswappen,  wie  manche  itaUenische  Ge- 
meindepaläste sie  noch  in  Menge  bewahren,  schmückten  die 
Wände,  scheinen  jedoch  von  der  Factionswuth  mehrfach  zer- 
stört worden  zu  sein.  In  den  Hallen  des  antiken  Tabulariums 
lagerte  das  stadtische  Salz.  Vom  Platze  aus,  an  der  Stelle 
der  heutigen  Freitreppe,  führten  zum  gewölbten  Eingang  Stufen, 
auf  denen  der  Senator  und  die  übrigen  stadtischen  Beamten 
standen  wenn  sie  das  Volk  zum  Parlament  beriefen.  Unten 
an  den  Stufen  sah  man  einen  Marmorlöwen  der  zu  den  Justiz- 
Kxecutionen  diente,  indem  vor  ihm  die  Hinrichtungen  statt- 
fanden, die  zu  geringeren  Strafen  Verurtheilten  aber  während 
der  Marktzeit,  das  Gesicht  mit  Honig  beschmiert,  rittlings  auf 
ihm  sassen.  Links  vom  Palast,  wo  man  nach  dem  Kloster 
von  Araceli  hinansteigt,  stand  der  kleine  ObeUsk  welchen  im 
Jahre  1582  das  römische  Volk  dem  Ciriaco  Mattei  schenkte, 
der  seine  caelimontanische  Villa  mit  demselben  schmückte. 
Der  Rest  des  Hügels  scheint  nur  von  Kirche  und  Kloster  von 
Araceli,  damals  weniger  umfangreich  als  heute,  und  von  den 
Trümmern  der  capitoUnischen  Arx  und  mehrer  Tempel  einge- 
nommen gewesen  zu  sein.  Gegen  das  Marcellustheater  zu  sah 
man  bis  zu  Pauls  U.  Zeit  die  Trümmer  eines  Porticus  nebst 
denen  eines  grossen  Thors,  vielleicht  desselben  auf  welches 
Poggios  Schilderung  hindeutet.  Dass  man  diese  Trümmer  wie 
die  Tempel  am  Clivus  als  Steingrube  benutzte,  ersieht  man 
aus  dem  Geschenk  welches  Johannes  XXHI.  im  Jahre  1413 
dem  Paolo  Orsini  mit  Travertinblöcken  »in  Caneparia«,  der 
liOcalität  unter  dem  südlichen  Abhänge  des  tarpejischen  Fel- 
sens machte,  und  aus  Nachrichten  über  den  Pontificat  Pauls  IL 
Schon  von  der  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  an,  als  Gegen- 
papst Anaclet  U.  den  ganzen  Raum  den  damaligen  Benedictinern 


12  '  Markt  und  Kirchen   am  Fusse  des  Capitols. 

von  Araceli  verlieh,  erstreckte  sich  der  stadtische  Markt  von 
der  Palasttreppe  an  über  den  Capitolsplatz  und  Abhang  und 
Fuss  des  Hügels.  Nachmals  erweitert  umfasste  er  den  Raum 
von  der  Ejrche  S.  Biagio,  nach  der  nahen  Treppe  »in  scalis«, 
heute  Beata  Rita  da  Cascia  am  Eingang  der  um  den  Fuss  des 
Berges  sich  herumziehenden  Via  della  Pedacchia,  über  den 
damals  grössern  Platz  von  Araceh,  einerseits  bis  zur  Kirche 
S.  Giovanni  in  Mercatello,  die  gegenwärtig  den  Namen  S.  Vq- 
nanzio  de'  Camerinesi  fuhrt,  andererseits  bis  zu  den  Trüm- 
mern des  flaminischen  Circus  wo  der  Marktthurm,  Torre  del 
mercato  stand.  Wie  in  der  Geschichte  der  Zeit  Innocenz'  VI. 
berichtet  worden  ist ,  hatte  die  Zunft  der  Kaufleute  Jurisdiction 
über  den  Marktbezirk  welcher,  soferne  der  Platz  von  Araceli 
in  Betracht  kommt,  durch  die  Häuser  der  Boccabella  heute 
Massimo,  der  Ruspoli  jetzt  Malatesta,  der  Muti  u.  A.  beschränkt 
und  im  Jahre  1477  mit  Piazza  Navona  vertauscht  worden  ist. 

Mehre  kleine  gegenwärtig  nur  zum  Theil  erhaltene  Kirchen 
lagen  am  Fusse  des  Hügels.  Ausser  S.  Biagio  sah  man  dort, 
die  Richtung  nach  Südwest  verfolgend,  S.  Salvatore  in  tellume 
am  jetzigen  Aufgang  der  Via  delle  tre  pile,  S.  Andrea  in  Men- 
tuccia,  Sta  Caterina  sub  Tarpeo  und  Sta  Maria  di  Monte  Ca- 
[)rino  heute  in  Vincis,  einst  der  Seifensiederzunft  gehörig, 
alle  drei  an  oder  bei  der  Strasse  von  Tor  de*  Specclii. 
S.  Salvatore  in  maximis  lag  gegen  Piazza  Montanara  zu,  an  der 
nach  der  Consolazione  führenden  Strasse  S.  Omobono,  Sta 
Maria  in  porticu  und  S.  Salvatore  in  statera,  beim  Severus- 
bogen  SS.  Sergio  e  Bacco.  Nun  folgte  der  mamertinische 
Kerker  als  S.  Pietro  in  carcere,  dann  S.  Niccolö  in  Chvo  Ar- 
gentario  imd  S.  Lorenzo  della  scesa,  heute  S.  Lorenzolo  an  der 
Sahta  di  Marforio.  Die  liegende  Statue  des  Flussgottes  welche 
dem  Clivus  Argentarius  seinen  modernen  Namen  gegeben  hat, 
der  Marforio  wie  dieselbe  nach  dem  Forum  Martis  oder  augusti- 
schen  Forum  hiess,  sah  man  noch  an  der  Stelle  die  sie  das 
ganze  Mittelalter  hindurch  dem  Carcer  gegenüber  einnahm, 
da  wo  eine  von  Bartolommeo  Marliano  gesetzte  Inschrift  an 
ihren  alten  Standpunkt  erinnert  welchen  sie  unter  Sixtus  V. 
mit  dem  gegenwärtigen  im  Hofe  des  capitolinischen  Museums 
vertauschte.  Der  Berg  hatte  verschiedene  Zugänge.  Ausser 
der  Treppe  von  Araceli  und  dem  neben  derselben  befindlichen 
Wege   welchen   im    sechzehnten   Jahrhundert  die   sogenannte 


Aufgänge  zum  Capitol.    Engelsburg.    Colosseum.  13 

Cordonata,  ein  breiter  Aufgang  für  Fussgänger,  zu  Ende  des 
siebzehnten  auch  der  Fahrweg  der  Tre  pile  ersetzten,  scheint 
der  st«ile  zwischen  beinahe  senkrechten  Felsenmassen  zu  den 
caffarellischen  Gärten  fulirende  Fusspfad  alt  zu  sein,  während 
die  auf  der  Südwestseite  zum  Monte  Caprino  führende  Via  de' 
Saponari  dem  sechzehnten  Jahrhundert  angehört.  Nach  Süden 
sieht  man  den  alten  Aufgang  der  Centum  gradus  mit  wel- 
chem die  im  Jahre  1582  angelegte  Via  di  Monte  Tarpeo  sicli 
vereinigt.  Der  Clivus  capitolinus,  über  welchen  der  moderne 
Fahrweg  weggeht,  scheint  noch  im  Gebrauch  gewesen  zu  sein, 
aber  vom  Campo  vaccino  aus  erstieg  man  den  Hügel  auch  auf 
dem  Pfade,  der  sich  zu  Anfang  der  Salita  di  Marforio,  den 
mamertinischen  Kerker  umgehend,  heute  mit  der  am  Severus- 
bogen  beginnenden  südlichen  Cordonata  verbindet. 

Wie  sehr  das  Hadrianische  Mausoleum  gelitten  hatte,  ist 
durch  die  Geschichte  der  Kümpfe  unter  Urban  VI.  klar  ge- 
worden. So  schlimm  aber  das  Volk  nach  der  Uebergabe  der 
Veste  durch  Pierre  Rostaing  gehaust  haben  muss,  kann  die 
Verheerung  doch  nicht  so  arg  gewesen  sein  wie  Dietrich  von 
Niem  glauben  lässt,  der  von  gänzhcher  Zerstörung  (»totalitär 
tunc  destructum«)  redet.  Denn  obgleich  noch  im  Jahre  1404, 
kurz  vor  Bonifaz'  IX.  Tode ,  der  Sturm  die  neu  erbauten  Zinnen 
und  einen  Theil  der  Mauern  niederwarf  und  in  den  letzten  Zeiten 
des  Schismas  wiederholt  um  das  Castell  gekämpft  wurde,  sah 
man  doch  noch  anderthalb  Jahrhunderte  später  einen  Theil 
der  Marmorbekleidung  und  ein  beträchtliches  Stück  des  Frieses 
mit  Stierschädeln  und  Guirlanden.  Eine  Anschauung  des  da- 
maligen Aeussern  der  Veste  zu  gewinnen  ist  schwer,  da  die 
vorhandenen  Ansichten  der  zweiten  Hälfte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  angehören,  nachdem  sie  durch  Alexander  VI.  und 
seine  Nachfolger  bedeutend  umgestaltet  worden  war.  Doch  irrt 
man  wol  nicht  in  der  Annahme,  dass  die  Hauptbefestigung 
späterer  Zeit,  die  vier  Eckthürme  von  denen  der  eine  zugleich 
den  Brückenkopf  am  Flusse  gegen  Sto.  Spirito  zu  bildete,  in 
ihrem  Ursprünge  alt  ist,  wie  denn  schon  die  Darstellung  auf 
dem  Siegel  Kaiser  Ludwigs  ein  grosses  Viereck  zeigt,  aus 
welchem  der  Bundbau  hervorragt,  der  dann  wieder  einen  vier- 
eckigen Thurm  trägt.  Von  dem  flavischen  Amphitheater  wurde 
schon  berichtet,  dass  es  in  der  avignonischen  Zeit  zur  Stein- 
grube geworden,  wahrscheinlich  durch  die  Mysterienspiele  vor 


14  Forum.    Palatin.    Flaminischer  Circus.    Lateran. 

grösserm  Ruin  bewahrt  ward.  Dass  die  Bogen  an  der  Seite 
von  Palatin  und  Caelius  in  der  Zeit  des  Schismas  vernichtet 
waren,  zeigen  die  im  Jahre  1381  gemalten  Wappen  des  Senats 
und  der  Compagnie  von  Sancta  Sanctoruin.  Von  den  Kaiser- 
palästen erhielten  sich  namenthch  auf  der  Süd-  und  Südwest- 
seite gewaltige  Trümmer,  während  der  Rest  des  Berges  zur 
Pferde-  und  Ziegen  weide  verwendet  war.  Die  Ebne  des  Fo- 
rums, am  Titusbogen  durch  die  ehemahgen  frangipanischen 
Befestigungen  abgeschlossen,  beim  Severusbogen  imd  gegen 
die  heutige  Consolazione  zu  durch  neuere  Bauten  verengt,  bot 
einen  unregelmässigen  mit  Schutt  und  Trümmern  bedeckten 
Kaum  dar.  Zwischen  Palatin  und  Caelius  lief  ein  krummer, 
durch  die  Trümmer  des  Septizoniums  und  der  Wasserleitung, 
durch  Mauern  von  Rlostergärten  eingezwängter  Pfad.  Von 
dem  flaminischen  Circus  sah  man  noch  viel  später  ansehnliche 
Reste.  Die  Mauer  des  Halbkreises  und  Theile  des  Fussbodens 
befanden  sich  in  der  Nähe  der  heutigen  Kirche  Sta  Caterina 
de*  Funari  und  der  Piazza  dell'  olmo,  wo  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert die  Matteischen  Paläste  entstanden,  deren  Bau  ihren 
vollständigen  Ruin  herbeiführte,  welchem  die  dortigen  Kalk- 
gruben, nach  denen  die  Kirche  S.  Niccolo,  heute  de'  Cesarini, 
alle  Calcare  benannt  wurde,  längst  vorgearbeitet  hatten. 

Das  vierzehnte  Jahrhundert  war  auch  den  Kirchen  ver- 
derblich gewesen.  In  welchem  Maasse  der  Lateran  wiederholt 
von  Feuersbrünsten  betroflFen  wurde  und  wie  die  französischen 
Päpste  sich  bemühten  ihn  wiederherzustellen,  ist  berichtet 
worden.  Wenn  diese  Bemühungen  für  die  Kirche  ungenügende 
Ergebnisse  erzielten,  wurden  die  anstossenden  Bauten  melir- 
undmehr  in  eine  grosse  Trümmermasse  verwandelt.  Inderüiat 
schritt  man  vom  Capitol  an  nur  auf  und  zwischen  Trümmern. 
Der  Senat  hatte  versucht  der  verlassenen  Gegend  vom  Co- 
losseum  zum  Lateran,  die  seit  dem  Jahre  1386  unter  der  Juris- 
diction der  Compagnie  von  Sancta  Sanctorum  stand,  durch 
mehrfache  Vorrechte,  Befreiung  von  Zöllen,  Verleihung  des 
Büi^errechts  an  Fremde,  Anweisung  von  Bauplätzen  aufzu- 
helfen; BewilUgungen  die  mehrmals,  zuletzt  im  Jahre  1418  be- 
stätigt wurden.  Aber  die  Ein wotmerzahl  war  spärlich;  Kirchen 
und  Klöster  nahmen  den  meisten  Raum  ein.  Nachdem  man,  die 
Via  maggiore  oder  santa  einschlagend,  die  an  das  Amphitheater 
stossenden,  zum  Theil  in  dasselbe  hineingebauten  Häuser  der 


Latcrantscher  Platz  und  Patriarchium.  15 

Annibaldi  hinter  sich  gelassen,  fand  man  das  Frauenspital  S. 
Giacomo  das  noch  unter  Papst  Eugen  IV.  vergrössert  und  erst 
im  Jahre  1815  ganz  abgetragen  wurde,  die  am  Abhang  des 
Caelius  liegende  Kirche  der  Vierzig  Heiligen,  die  Kirche  des 
)i.  Pastor  bei  S.  demente.  Von  dem  Zustand  letzterer  Kirche 
Miissen  wir  nichts;  die  der  SS.  Quattro  Coronati  war  ebenso 
verfallen  wie  die  benachbarte  von  Sto  Stefano  rotondo.  Noch 
zeigte  man  das  nach  der  »Päpstin  Johanna«  benannte  Haus.  In 
der  heutigen  Villa  Campana  stand  eine  Kapelle  von  Sta  Maria 
Imperatrice.  Nun  schritt  man  unter  dem  Arco  di  BasUe,  einem 
Bogen  der  neronischen  Wasserleitung,  durch,  liess  zur  Rechten 
das  Spital  Giovanni  Colonnas  mit  seinem  Portal  von  1348,  be- 
trat den  lateranischen  Platz.  Rechts  hatte  man  das  an  Vignen 
und  Gärten  stossende  Kloster  der  hh.  Bartolomäus  und  An- 
dreas, dessen  Stelle  das  langgedehnte  moderne  Spital  einnimmt 
uad  dem  sich  die  Kapellengruppe  mit  dem  constantinischen 
Baptisterium  in  der  Mitte  anschloss,  hnks  die  Arkadenreihe  des 
Aquäducts,  vor  sich,  nahe  bei  der  Stelle  wo  der  Obelisk  sich 
erhebt,  mehre  in  Trümmern  hegende  Bauten,  die  Kapelle  S. 
Angelo,  die  alte  päpstUche  Bibliothek,  die  Reste  des  unter 
Gregor  DL  abgetragenen  annibaldischen  Thurmes.  Der  vordere 
Theil  des  Platzes,  auf  welchem  dem  Eingang  der  heutigen 
Villa  Massimo  gegenüber  von  Sixtus  IV.  bis  zu  Paul  III.  die 
Reiterbildsäule  Marc  Aureis  stand,  hatte  die  ungefähre  Aus- 
dehnung des  gegenwärtigen,  dann  verengte  er  sich  durch 
das  Vortreten  des  Patriarchiums  welches  ihn  nach  Osten 
abschloss,  so  dass  nur  für  den  nach  Sta  Croce  in  Gerusa- 
lemme  fuhrenden  Weg  Raum  blieb,  der  Platz  vor  der  Häupt- 
fa^ade  der  Kirche  aber  mit  der  Porta  Asinaria  gewissermasscn 
isolirt  war. 

Mehr  noch  als  jetzt  bildete  somit  die  nach  Norden  blickende 
dem  rechten  Querschiff  angebaute  Seitenfronte  den  gewöhn- 
lichen Eingang  zur  Kirche.  Papst  Gregor  XI.  hatte  dieselbe  mit 
einem  prachtvollen  Marmorportal  im  Spitzbogenstil  schmücken 
lassen,  neben  welchem  man  die  Marmorlöwen^  sah,  die  bei 
dem  von  Sixtus  V.  unternommenen  Neubau  nach  dessen  Brun- 
nen auf  Piazza  di  Termini  wanderten.  Zwei  kleine  Glocken- 
thürme,  nachmals  von  PiusIV.  xungestaltet,  krönten  die  Seiten- 
fa^^e.  Zur  Linken  derselben  schloss  sich,  im  rechten  Winkel 
vortretend,   das  Patriarchium  an,  welches  den  ursprünglichen 


16  Lateranisches  Patriarchium  und  Basilika. 

Palast  der  Eaiserzeit  mit  den  Anbauten  vieler  Päpste  zu  einem 
aus  heterogenen  Theilen  bestehenden  Ganzen  verbunden  hatte. 
Zuerst  mit  der  Langseite  nach  Westen  gerichtet  der  Saal  des 
Consistoriums,  gewöhnlich  die  Basilica  Giulia  genannt  und  auch 
bei  den  Kaiserkrönungen  gebraucht,  mit  seinen  drei  der  Tra- 
dition gemäss   vom  Prätorium   Jerusalems   entlehnten  Thiiren. 
Hierauf  folgte  nach  Norden  blickend  die  Loggia  Bonifaz'  VIII. 
mit  welcher  der  grosse  Corridor  in  Verbindung  stand,  ein  läng- 
licher ebenfalls  einen  rechten  Winkel  bildender  Bau  mit  grossem 
Portal,  im  obem  Geschosse,  in  gleicher  Höhe  mit  der  Lo^a, 
ein  offener  Bogengang.    Am  Ende  des   Corridors  befand  sich 
das  Oratorium  des  h.  Silvester,  neben  demselben  die  heilige 
Treppe.    Nun  folgten  die  grosse  Treppe  und  der  Porticus  des 
Palastes,  die  Vorhalle  vor  der  Kapelle  Sancta  Sanctorum,  diese 
berühmte  Kapelle  selbst,  zu  welcher  seit  dem  Neubau  Sixtus'  V. 
die  heilige  Treppe  fiihrt.    Das  Triclinium  Leos  IE.  bildete  den 
vornehmsten  Raum   des   äussersten    östlichen  Theils   des  Pa- 
triarchiums,  dessen  Südseite  sich  dem  rechten  Ende  des  Por- 
ticus der  Hauptfagade  der  Basilika  anschloss,  während  in  der 
Mitte  ein  grosser  viereckiger  Hof  den  Raum  eines  ansehnlichen 
Theils  des  modernen  Palastes  und  des  vor  demselben  wie  vor 
der  Kirche  nach  Osten  sich  öffnenden  Platzes  einnahm.    Das 
I^angschiff  der   Kirche   war   nur   nothdürftig   hergestellt    und 
drohte  fortwährend  mit  neuem  Verfi&ll,  da  namentlich  die  süd- 
liche Mauer  beträchtlich  gewichen  war,   die  Säulen  die  Last 
nicht  mehr  zu  tragen  schienen.     In  besserm  Zustande  befanden 
sich  Querschiff  und  Tribüne,  auf  welche  von  Clemens  V.   an 
die   Sorgfalt   der   Päpste   wesentlich    gerichtet   gewesen   war. 
Vom    linken   Querschiff  aus   gelangte    man    in    den    schönen 
Klosterhof,  in  welchen  beim  Umbau  der  Kirche  im  siebzehn- 
ten Jahrhundert  zahlreiche  früher  in  letzterer  aufgestellte  Mo- 
numente gebracht  wurden,  von  denen  mehre  durch  die  Tradi- 
tion gefeiert  werden.    Dem  Chiostro  schloss  sich  westlich  das 
Klostergebäude  an,  ein  geräumiges  Viereck  mit  innerm  Hofe, 
durch  einen  schräglaufenden  Porticus  mit  der  Kapellengruppe 
verbunden  die  das  Baptisterium  umgab,  zu  welchem  die  Vor- 
halle führte  die  nach  der  anstossenden  Kapelle  des  h.  Venantius 
benannt  wird  und  deren  mächtige  Porphyrsäulen  und  Pilaster 
mit  reichem  Marmorgebälk  heutzutage  in  eine  hässUche  Wand 
eingeschlossen  sind. 


Leonina  und  Peterskirchc.  17 

So  war  der  Gebäudecomplex  beschaffen,  zu  welchem  auf 
der  Seite  wo  heute  der  schöne  moderne  Baumgang  nach  Sta 
Maria  maggiore  fuhrt,  noch  andere  Bauten  gehörten  welche 
für  die  Datarie  wie  für  die  Dienerschaft  bestÜhmt  waren.  Zahl- 
reiche kirchliche  Alterthümer,  Sculpturen,  Musive,  Monumente 
bedeutendster  Zeiten  schmückten  Basilika,  Kapellen,  Patriar- 
chium.  Aber  alles  war  im  traurigsten  Verfall,  zumeist  letzteres 
selbst  wo  seit  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  kein  Papst 
mehr  geweilt  hatte,  und  welches  den  Unbilden  durch  Zeit  und 
Menschenhände  preisgegeben  war.  An  Herstellung  und  Wohn- 
barmachung  war  nicht  zu  denken;  die  Sorge  der  Päpste  musste 
sich  auf  die  kirchUchen  Theile  beschtänken.  Die  constanti- 
nische  Residenz  der  römischen  Bischöfe  ist  seitdem  nur  noch 
auf  einzelne  Tage  von  ihnen  bewohnt  worden,  während  andere 
Paläste,  der  vaticanische  und  die  bei  der  Apostelkirche  und 
S.  Marco  sie  aufnahmen.  Aber  auch  der  Vatican  war  sehr 
verfallen.  Das  Hauptgebäude  war  das  Nicolaus'  HI.,  welches 
nach  der  Zeit  die  ims  hier  beschäftigt  von  verschiedenen 
Päpsten  erweitert  wurde.  Für  die  Leonina,  welche  schon  in 
den  Zeiten  der  kriegerischen  Römerzüge  so  oft  geUtten  hatte, 
war  das  letzte  Jahrzehnt  des  Schismas  beinahe  so  verderbUch 
gewesen  wie  das  Guiscardische  Zerstörungswerk  für  die  süd- 
liche Stadt.  Von  dem  alten  Säulengange  waren  wol  nur  die 
letzten  Spuren  erhalten.  Die  meisten  Wohnungen  lagen  in 
Trümmern,  Gärten  umgaben  alte  und  neue  Ruinen,  die  Zu- 
gänge zu  BasUika  und  Palast- waren  unregelmässig  und  schlecht, 
ihre  Umgebung  ein  planloses  Gemenge  verschiedenartigster  Bau- 
ten die  in  wüsten  Zeiten  zu  Befestigungen  hatten  dienen  müssen. 
Die  Peterskirche  hatte  sehr  gelitten.  Die  Erzthüreu  des  Vor- 
hofes waren  schon  in  Barbarossas  Zeit  zerstört  worden;  an 
der  Stelle  der  Kirche  Sta  Maria  in  turri  zur  Linken  des  Ein- 
gangs in  diesen  Vorhof  erhob  sich  in  baufälligem  Zustand  die 
Wohnung  des  Cardinal -Erzpriesters,  der  Vorhof  selbst  mit 
seinem  Quadriporticus  war  eine  Trümmerstätte.  Das  Innere 
war  begreiflicherweise  besser  erhalten,  trug  jedoch  überall  die 
Spuren  des  Alters  an  ^ich,  während  die  linke  Langseite  zu 
ernsten  Besorgnissen  Anlass  gab.  Altäre,  Monumente,  Ka- 
pellen waren  ganz  unregelmässig  angebracht,  zum  Theil  ver- 
fallen. Der  Palast  war  in  seinem  augenblicklichen  Zustande 
kaum  bewohnbar;    vor   demselben  erstreckten  sich   längs  der 

V.  KeumuBt,    Kom.  111.  9 


18  Andere  Kii*chen.    Die  Rione. 

rechten  Seite  des  Vorhofs  niedrige  Wohnungen  für  den  Clerus 
der  Basilika.  Von  den  übrigen  Kirchen  wissen  wir  wenig. 
Die  Nachrichten  über  deren  Verwahrlosung  und  theilweisen 
Verfall  am  Ende  der  avignonischen  Zeit  wie '  über  die  zahl- 
losen von  Päpsten  und  Cardinälen  im  fünfzehnten  Jahrhundert 
unternommenen  Ausbesserungen  und  Neubauten  weisen  indess 
hinlänglich  auf  ihren  Zustand  hin.  Am  besten  scheint  es  Sta 
Maria  maggiore  ergangen  zu  sein,  für  welche  wir  den  letzten 
französischen  Papst  thätig  fanden.  Mit  Ausnahme  der  grossen 
Basiliken  war  die  Mehrzahl  der  Kirchen  weit  entfernt  mit 
denen  anderer  Städte  wetteifern  zu  können,  ja  noch  um  die 
Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  scheint  Rom  in  Bezug  auf 
Schönheit  der  Kirchen  nicht  den  ersten  Rang  eingenommen  zu 
haben,  wenn  gleichzeitige  Berichte  sich  nicht  etwa  vorzugs- 
weise auf  die  Pracht  der  Ausstattung  beziehn.  Ein  grosser 
Theil  der  Schätze  der  kirchlichen  Gebäude  war  inmitten  der 
Geldnoth  des  Schismas  geschwunden. 

Die  Regionareintheilung  der  Stadt  war  mit  einigen  Ab- 
weichungen die  des  Mittelalters  geblieben.  Die  Zahl  der  Rione 
betrug  dreizehn.  Monti,  auch  Biberatica  oder  nach  den  Dioscu- 
rencolossen  genannt,  den  grössten  Theil  der  südöstlichen  Hügel 
umfassend;  Trevi,  der  östliche  Stadttheil  nebst  der  Via  lata; 
Colonna  und  Campomarzo,  der  nördliche  Theil  der  P^bne  des 
Marsfeldes  nebst  dem  Pincio;  Ponte,  das  Flussufer  gegen  die 
Engelsbrücke  zu;  Parione  zw^ischen  Piazza  Navona  und  der 
Kirche  der  Oratorianer  von  S.  Filippo  Neri;  Regola  oder  Are- 
nola,  von  der  Piazza  della  Cancellaria  und  Campo  di  fiore 
nach  dem  sandigen  Tiberufer  welches  der  Region  den  Namen 
gab ;  Sant'  Eustachio  um  die  gleichnamige  Kirche  und  die  Ro- 
tunda,  nach  Osten  an  den  Bion  Campomarzo  sich  anschliessend; 
Pigna,  die  Gegend  bei  der  grossen  Jesuitenkirche  und  dem  alten 
flaminischen  Circus;  Campitelli  vom  Fusse  des  Capitols,  das 
dieser  Rion  ebenso  wie  den  Palatin  und  den  westlichen  Tlieil 
des  CaeUus  umfasst,  bis  zum  appischen  Thore  reichend;  Sant' 
Angelo  vom  flaminischen  Circus  zum  Flussufer  gegenüber  der 
Tiberinsel;  Ripa,  das  ganze  südliche  Ufer  mit  Einschluss  des 
Aventin.  Trastevere  bildete  den  dreizehnten  und  letzten  Rion, 
die  Leostadt  blieb  ausserhalb  der  Regionareintheilung. 

Die  Geschichte  dieser  Zeit  schweigt  von  Kunstwerken,  bei- 
nahe von  Bauten  wenn  man  die  Befestigungen  des  Capitols  und 


Hospize.     Strassen.     Häuser.     Mauera.  19 

des  Castells  ausnimmt.  Die  Kirche  Sta  Maria  sopra  Minerva 
soll  zu  Anfang  dieser  Epoche  vollendet  gewesen  sein.  Mehr 
yemehmen  wir  von  milden  Stiftungen  auswärtiger  Nationen. 
Ein  Kirchlein  auf  Piazza  Farnese  erinnert  an  die  der  h.  Bri- 
gitte von  Schweden  fiir  ihre  Landsleute,  das  Collegium  zu 
St.  Thomas  von  Canterbury  an  das  im  Jahre  1398  entstandene 
englische  Hospiz,  das  nun  niclit  mehr  im  Sachsen  viertel,  son- 
dern in  der  eigentlichen  Stadt  lag.  Der  Ursprung  des  teutschen 
Hospitium  von  Sta  Maria  dell*  Anima  gehört  in  dieselbe  Zeit. 
Johann  Peters  von  Dortrecht,  päpstlicher  Sergent  d'armes  und 
seine  Ehefrau  Katharina  legten  im  Jahre  1399  den  Grund  zu 
der  in  demselben  Jahre  von  Bomfaz  IX.  bestätigten  Stiftung, 
an  welcher  sich  auch  der  mehrgenannte  päpstliche  Geheim- 
sclireiber  Dietrich  von  Niem  betheiligte.  Eine  Zeit  wie  diese, 
wenn  sie  sich  nicht  durch  Burgen  zu  schützen  suchte, 
war  auch  für  Anstalten  zum  Besten  Leidender  wie  der  gleicli 
fronimen  und  muthigen  Pilger  geeigneter  und  mehr  zu  sol- 
chen veranlasst  als  zu  Kunst-  und  Luxusbauten.  Die  Stade 
mogte  zu  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  sehr  maleriscli 
sein:  gewiss  war  sie  ebenso  unwohnhch  wie  verschieden  von 
dem  Anblick  welchen  andere  grosse  itaUenische  Städte,  Florenz 
an  der  Spitze,  darboten.  Die  Hügel  waren  meist  von  Bewoh- 
nern ausser  von  Mönchen  verlassen.  Im  Marsfelde  wie  in 
Trastevere  drängte  sich  ein  Gewirre  von  grösstentheils  engen 
krummen  ungepflasterten  Strassen  zusammen,  die  durch  die 
vorspringenden  Obergeschosse  der  meist  schlecht  und  aus 
buntestem  Material  antiker  Werke  erbauten  Häuser  noch  unbe- 
quemer und  düsterer  wurden.  Der  Mauerkreis  war  nicht  nur 
überhaupt  verfallen,  sondern  zeigte  an  mehren  Stellen  die 
Spuren  neuen  gewaltsamen  Durchbruchs.  Der  Wasserbedarf 
wurde  nothdürftag  durch  die  schadhafte  Acqua  Vergine  und 
durch  Brunnen  und  Cisternen  befriedigt.  Wie  es  mit  den  wäh- 
rend der  Abwesenheit  des  h.  Stuhls  leer  gebliebenen  officiellen 
Cardinalswohnungen  stand,  lassen  die  wiederholten  päpsthchen 
Abmahnungen  von  unbefugter  Benutzung  derselben  als  herren- 
losen Gutes  vermuthen. 

Die  Wohnungen  der  Barone  und  der  vornehmen  Bürger 
waren  lauter  Burgen.  Noch  war  die  Zahl  der  Thürme  sehr 
bedeutend,  ja  man  fuhr  fort  sie  durch  neue  zu  vermehren.  In 
unserer  Zeit  sind  so  wenige  dieser  Bauten  geblieben   dass  es 


*)  ♦ 


20  Adelswohnungen  und  Thürme. 

einigermaassen  schwer  fällt  sich  in  dieser  Beziehung  von  Born  in 
Martins  V.  Tagen  ein  Bild  zu  machen.  Von  manchen  Thürmen 
haben  verschiedene  LocaUtäten  den  Namen  entlehnt,  .wie  bei 
den  Strassen  von  Tor  Mellina,  Torre  Argentina,  Tor  de' 
Specchi,  Tor  di  Nona  der  Fall  ist,  während  diese  Thürme 
selbst  ganz  oder  grösstentheils  verschwunden  sind.  So  ist 
keine  Spur  derer  geblieben  die  an  oder  auf  dem  Capitol  stan* 
den,  wo  wir  zu  verschiedenen  Zeiten  mehre  genannt  finden. 
Zu  ihnen  gehörten  die  der  Corsi,  der  des  Kanzlers,  der  Markt- 
thum  im  flaminischen  Circus.  Von  den  Thürmen  des  Senators- 
palastes ist  die  Rede  gewesen.  Der  Hauptthurm  desselben, 
der  im  Hofe  der  strengen  Gefangnisse  (Segrete)  stand  und  an 
welchem  man  Friedrichs  IL  Inschrift  vom  mailänder  Fahnen- 
wagen las,  ist  unter  modernen  Bauten  unkenntUch  geworden. 
Andere  sind  theils  unversehrt  theils  in  ihrer  Hauptmasse 
erhalten.  Von  einigen  derselben  hat  die  mittelalterliche  Ge- 
schichte berichtet,  so  von  Tor  de'  Conti  und  delle  Mihzie, 
welche  wahrscheinlich  derselben  Papstfamilie  angehören.  An- 
dere noch  sehn  wir  vor  uns  im  Marsfelde,  in  Trastevere, 
auf  den  Hügeln.  Tor  Sanguigna,  recht  im  Herzen  des  neuen 
Rom,  giebt  dem  anstossenden  Platze  den  Namen  der  sich 
von  einer  Adelsfamilie  zweiten  Ranges  herschreibt ;  gleich  allen 
übrigen  viereckig,  imverjüngt,  von  nicht  bedeutender  Höhe, 
vielleicht  erst  kurz  vor  dem  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhun- 
derts entstanden.  Am  Ende  der  Via  delle  Botteghe  oscure 
hinter  S.  Niccolo  a'  Cesarini  gewahrt  man  mit  unscheinbaren 
Häusern  verbunden  einen  andern  solcher  Thürme,  im  Ghetto 
Reste  jener  der  Normanni,  dann  die  Torre  di  Pupito,  während 
die  denselben  benachbarten  der  Alli  und  Cerretani,  bei  der 
Pescaria  und  in  der  Nähe  von  Piazza  Campitelli  jene  der 
Spersi,  der  Alessi,  der  Cocchi,  die  Torre  Cetrangoli  hinter 
dem  Palast  Albertoni  heute  Pacca  an  demselben  Platze  u.  a. 
verschwunden  sind.  Die  Tiberinsel  hat  ihre  Thürme  verloren 
an  die  sich  Erinnerungen  an  die  Gräfin  Mathilde,  an  die  Prä- 
fecten  von  Vico  und  die  Caetani  knüpften.  Aber  von  der  Insel 
aus  sieht  man  noch  die  das  Flussufer  dominirenden  Thürme 
von  Trastevere,  den  der  Grafen  von  Anguillara  und  gegen 
Ponte  rotto  zu  jenen  der  Alberteschi- Normanni,  beide  mit  den 
Wappen  ihrer  alten  Besitzer  geschmückt  deren  eines  die  ge- 
kreuzten Aale,   das   andere   den  lilienbedeckten   Schild   zeigt. 


Adelswohnungen  und  Thürme.  21 

An  manchen  Häusern  dieses  jetzt  so  verkommenen  Viertels 
erkennt  man  noch  die  Spuren  und  Unterbauten  der  ehemaligen 
Thürme,  so  gegenüber  Sta  Ceciha  und  an  anderen  Stellen. 
Begiebt  man  sich  in  das  Innere  der  alten  Stadt,  so  sucht  man 
vergebens  am  Aufgang  zum  Palatin  nach  der  in  der  Geschichte 
der  Fehden  oftgenannten  Torre  Cartularia  der  Frangipani, 
welche  die  üeueste  Zeit  abtrug  als  sie  dem  Titusbogen  seine 
alte  Gestalt  wiedergab,  nach  dem  Thurme  der  Annibaldi  beim 
Colosseum,  nach  jenem  der  Foschi  di  Berta  auf  dem  Trajans- 
fonim.  Aber  noch  sieht  man  den  Thurm  La  Moletta  am  Ende 
des  Circus  maximus  wo  er  einen  Theil  der  frangipanischen  Be- 
festigungen bildete,  den  der  Colonna  an  der  Auffahrt  zum 
Quirinal,  den  del  Grillo  am  steilen  südlichen  Aufgang  zu  dem- 
selben Hügel,  sowie  die  Thürme  im  Viertel  der  Monti,  den 
am  YormaUgen  Palast  bei  Santi  Quattro,  jenen  bei  S.  Fran- 
cesco di  Paola  auf  dem  Esquilin,  einst  zu  einem  cesarinischen 
Palaste  gehörend  dann  zum  Glockenthurm  umgestaltet,  die  auf 
der  Höhe  der  Carinen  in  der  Nähe  von  S.  Martino  wo  man  noch 
die  Wohnungen  der  Capocci  bezeichnet  So  wenig  ist  von 
dieser  Gattung  mittelalterlicher  Bauten  geblieben. 

Es  war  anders  in  der  Zeit  von  der  hier  die  Rede  ist. 
Petrarca  verklagte  »(Jie  stolzen  Thürme,  Trotz  dem  Himmel 
bietend«.  »Wahrend  wir,  sagt  er  in  einem  der  Briefe  seines 
vorgerückten  Alters,  ungeschickte  leere  Thürme  bauen,  die 
Vergänglichkeit  unseres  Hochmuths  zu  den  Wolken  zu  erheben, 
denkt  keiner  daran  Christi  Glauben  zu  schützen  und  zu  rächen.« 
Noch  anderthalb  Jahrhunderte  nach  Petrarca  bemerkte  Fran- 
cesco Albertini,  der  erste  eigentliche  Stadtbeschreiber,  alle 
Cardinalshäuser  seien  mit  Thürmen  versehen,  wovon  auch  in 
unseren  Tagen  manche  dem  fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahr- 
hundert angehörenden  Paläste  zeugen ,  indem  sie  wie  der  vene- 
tianische,  die  von  Altemps,  Sora,  Ruspoli,  Fiano,  CaffareUi, 
die  Villa  Medici  u.  a.  entweder  Thürme  oder  eine  Tradition 
derselben  als  Belvederes  bewahren.  In  den  Zeiten  als  das 
Factionswesen  in  Allem  seinen  Ausdruck  fand,  in  Tracht,  Wap- 
pen, Bannern  u.  s.  w.,  trugen  auch  Thürme  und  Wohnungen  zur 
Kennzeichnung  der  Parteien  bei.  Die  Gibellinen  hatten  einfache 
viereckige  Zinnen  in  ungerader  Zahl,  Spitzbogen  an  Fenstern  und 
Thüren,dieGuelfen  gezackte  Zinnen  gerader  Zahl  und  Rundbogen. 
Die Thurmfenster  standen  nicht  senkrecht  übereinander,  um  den 


22  Zerstoning  der  Thünne.     Das  römisclie  Volk. 

Vertheidigem  grossem  Spielraum  zu  laissen;  das  Innere  war 
theilweise  selbst  ohne  Treppe  so  dass  man  sich  an  Seilen  auf- 
und  abliess.  Die  Umgestaltung  namentlich  des  Innern  erfolgte 
dann,  als  die  Thürme  nicht  mehr  zur  Vertheidigung  sondern 
als  Anhängsel  zu  den  Wohnungen  benutzt  wurden.  Die  Zer- 
störung der  Mehrzahl,  so  oft  versucht  ohne  durchgreifend  zu 
gelingen  sosehr  ein  Brancaleone  und  Stefaneschi  sich  mühten, 
muss  im  sechzehnten  Jahrhundert  erfolgt  sein  als  die  Stadt 
eine  neue  Gestalt  annahm.  Hier  wie  überall  wurde  den  auf 
den  Krieg  berechneten  Bauten  der  Krieg  erklärt,  und  es  giebt 
wol  nicht  viele  Orte  die  das  Beispiel  von  San  Gemignano  im 
toscanischen  Elsathale  nachamteu,  wo  noch  im  Jahre  1602  ein 
Gemeinderathsbeschluss  das  Abtragen  der  Thürme  untersagte, 
ja  die  Herstellung  der  verstümmelten  befahl.  Eine  Maassregel 
welcher  das  Bergstädtchen  auch  in  unsern  Tagen  seine  male- 
rische mittelalterliche  Erscheinung  verdankt. 


2. 

VOLK   VSD   VOLKSGKMEINDE.      FINANZEN.      CAMPAONA   UND 

ACKEBWIRTHSCHAFT.  ^ 

So  war  der  Anblick  Roms  bei  der  dauernden  Rückkelir  der 
Päpste.  Es  braucht  kaum  hinzugefügt  zu  werden  dass  Ord- 
nung und  öflFentliche  Sicherheit  mit  dem  bauUchen  Zustande 
übereinstimmten,  da  das  Factionsweseu  kaum  jemals  so  arg 
getobt  hatte  wie  in  König  Ladislaus'  Tagen,  und  polizeiUche 
Unordnung  von  politischer  Anarchie  schwer  zu  trennen  ist 
Mag  auch  der  Ausdruck  von  Schriftstellern  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts,  man  habe  sich  vergebens  nach  einer  Spur  von 
Urbanität  umgesehn  und  die  Einwohner  seien  gleich  einem  zu- 
sammengelaufenen Haufen  niedrigsten  Gesindels  erschienen, 
eine  arge  Uebertreibung  sein,  so  unterliegt  es  doch  wol  keinem 
Zweifel  dass  die  Bewohner  dieser  verkommenen  Stadt  in  Cul- 
tur,  Sitten,  Tracht,  ganzer  Erscheinung  mit  derselben  harmo- 
nirten.  In  Bonifaz'  VUI.  Tagen,  während  Rom  in  unendKch 
geordneterem  und  blühenderem  Zustande  war  als  ein  Jahrhun- 
dert später,  schalt  Dante  die  Ungestalt  römischer  Tracht  wie 
die    bäuerische    Redeweise    des   Volkes.      Welchen   Eindruck 


Florentmische  Schilderungen  des  rämischen  Volkes.  23 

dreiundzwanzig  Jahre  nach  Martms  V.  Rückkehr,  als  die  unter 
seinem  Nachfolger  vorgefallene  Umwälzung  noch  einmal  Zu- 
stande herbeigeführt  hatte  die  denen  des  Schismas  glichen, 
Stadt  und  Volk  auf  einen  Landsmann  des  Dichters  der  Gött- 
lichen Komödie  machten,  zeigt  ein  am  22.  März  1443  aus  der 
»zerrissenen  Stadt«  (»ex  Urbe  delacerata«)  an  Giovanni  de* 
Medici  Cosimos  des  Alten  Sohn  gerichtetes  Schreiben  des  Al- 
berto degÜ  Alberti.  »Vom  Zustande  der  Stadt  wirst  du  durch 
Andere  vernommen  haben,  doch  will  ich  denselben  in  Kürze 
schildern.  Eine  grosse  Menge  Bauten ,  Triumphbogen,  Paläste, 
Tempel,  Grabmäler  und  andere  Prachtgebäude  sind  vorhanden, 
aber  alle  in  Trümmern.  Tagtäglich  brennt  man  Kalk  aus  dem 
Porphyr  und  Marmor  der  alten  Werke,  was  eine  Schande 
(•yillania«)  ist.  Die  neueren  Bauten  sind  erbärmhch:  Roms 
Schönheit  besteht  in  seinen  Ruinen.  Das  Volk  von  heute,  das 
sich  römisch  nennt,  ist  in  Haltung  und  Lebensweise  himmel- 
weit verschieden  von  dem  alten.  Es  mit  Einem  Wort  zu  sagen, 
sie  erscheinen  mir  alle  wie  Kuhhirten.  Die  Frauen  sind  im 
allgemeinen  schön  von  Gesicht,  aber  am  Leibe  sehr  unreinUch, 
was  wie  ich  höre  daher  kommt,  dass  alle  in  der  Küche  be- 
schäftigt sind.  Sie  scheinen  mir  freundhch,  kommen  jedoch 
wenig  zum  Vorschein.  Einen  Ort  zum  Lustwandeln  giebt's 
nicht  und  man  geht  nur  zu  den  Stationen  und  Ablassspendun- 
gen,  die  überaus  zahlreich  sind  und  in  dieser  Fastenzeit  von 
allen  Frauen  wie  von  Unbeschäftigten  gleich  mir  besucht  wer- 
den.« In  gleicher  Weise  ja  zum  Theil  mit  denselben  Aus- 
drucken schrieb  der  florentinische  Buchhändler  Vespasiano  da 
Bisticci  über  diese  Zeit.  »Rom  war  während  der  Abwesenheit 
des  Papstes  wie  eine  Stadt  von  Kuhhirten  geworden.  Rinder 
und  Ziegen  weideten  da  wo  man  heute  die  Buden  der  Kauf- 
leute sieht.  Alles  Volk  zog  in  schweren  Mänteln  und  Stiefeln 
einher,  so  waren  sie  durch  die  Jahre  des  Bürgerkriegs  und  der 
Abwesenheit  der  Curie  verwildert.  Erst  nach  der  Rückkehr 
eines  schönen  Hofes  wuschen  und  kleideten  sie  sich  neu,  und 
hielten  den  Papst  in  grösseren  Ehren  als  je  zuvor.« 

Die  Autonomie  der  römischen  Volksgemeinde  war  weit 
mehr  durch  die  ihrer  ursprünglichen  Entwicklung  inhärirenden 
Gebrechen  zugrundegegangen,  als  durch  die  Bemühungen  der 
Päpste  Gewalt  über  die  Stadt  zu  erlangen.  Rom  hat  im  Klei- 
nen dasselbe   Beispiel   und   dieselben  Ergebnisse    dargeboten, 


24  Die  Gemeindeveifassimg  uiid  ihre  Geschicke. 

welche  man  anderwärts,  namentlich  später,  im  Grossen  erlebt 
hat.  Das  von  concurrirenden  unabhängigen  oder  nach  Unab- 
hängigkeit strebenden  Gewalten  und  Elementen  documentirte 
Unvermögen  sich  zu  einigen,  imd  durch  Einigkeit  gekräftigt  ein 
gemeinsames  Ziel,  staatUche  Ordnung  und  Gewährleistung  so 
der  allgemeinen  wie  besonderer  die  Allgemeinheit  constituiren- 
der  Interessen  zu  erstreben ,  dies  Unvermögen ,  selten  so  radical 
und  auffallend  wie  hier,  und  das  allerwärts  fühlbare  Autoritäts- 
bedürfniss  haben  den  Weg  der  Monarchie  gebahnt,  die  ohne 
jene  Factoren  schwerUch  in  gleichem  Maasse  das  Ziel  erreicht 
hätte.  Schon  die  Ereignisse  des  Jahrhunderts,  in  welchem  die 
Gemeinde  entstand,  und  deren  Verhandlungen  mit  dem  Papst- 
thum.  machten  ihre  Bestandlosigkeit  klar.  Das  ganze  dreizehnte 
Jahrhundert  war  sodann  ein  steter  Wechsel  von  Herrschaft 
kräftiger  Päpste  und  auswärtiger  Schutzherren,  während  die 
in  Ober-  und  Mittelitalien  zur  Geltung  kommenden  demokrati- 
schen Tendenzen  hier  im  Kampfe  gegen  das  Adelsregiment  un- 
geachtet einzelner  glänzenden  Erscheinungen  zu  keinem  nach- 
haltigen Siege  gelangen  konnten.  In  dem  darauf  folgenden 
Jahrhundert  bestand  die  volksthümliche  Verfassung  ebenso- 
wenig die  Probe,  obschon  ihr  durch  die  Abwesenheit  der  Päpste 
Gelegenheit  zu  stetiger  Fortbildung  geboten  \V^ar.  Die  Um- 
stände waren  ihr  doch  günstig  gewesen.  Durch  Europa  ging 
nochmals  eine  demokratische  Strömung.  Der  grosse  Principien- 
kampf  zwischen  Kaiserthum  imd  Papstthum  war  durch  das 
UnterUegen  der  Staufer  entschieden.  Die  Erneuerung  desselben 
unter  Ludwig  dem  Baier  hatte  ungeachtet  der  gewaltigen  Er- 
regung der  Geister  der  Ohnmacht  des  Kaiserthums  nicht  abge- 
holfen. Die  guelfische  Partei  war  trotz  einzelner  gibelUnischer 
Schilderhebungen,  wenn  nicht  auf  der  ganzen  Halbinsel  doch 
in  Mitte  und  Süden  herrschend,  ohne  dass  das  Papstthum  deren 
Leitung  in  der  Hand  zu  behalten  vermögt  hätte.  Nach  König 
Roberts  Tode  hatte  dies  Papstthum  auch  seine  alte  Stütze, 
das  anjousche  Königthum  verloren.  Für  ein  kräftiges  Gemein- 
wesen wäre  somit  der  Zeitpunkt  der  Consolidirung  da  gewesen. 
Die  Stadt  hatte  sich  unter  Bonifaz  VIII.  und  seinen  nächsten  Vor- 
gängern gehoben.  Ein  vom  Feudalnexus  unabhängiger  höherer 
Bürgerstand  oder  kleiner  Adel  war  emporgekommen.  Das  Ge- 
biet war  nicht  unbedeutend,  und  wenn  die  Ansprüche  des 
Landesherrn    und    der    Comune    in    Einzelfällen    miteinander 


Die  Gremeindeverfasaung  im  vierzehnten  Jahrhundert.  25 

stritten,  so  hatte  die  Stadt  grössere  Aussicht  dieselben  durch- 
zuBetzen  als  die  Päpste,  nicht  blos  wegen  der  misliebigen 
fremden  Nationalitat  der  Mehrzahl  der  kirchlichen  Verwalter. 

Inderthat  nahm  die  Stadt  mehrmals  einen  Anlauf  ihre 
büj^rliche  Verfassung  auszubauen  und  zu  sichern.  Die  Phasen 
derselben  im  vierzehnten  Jahrhundert  sind  zahlreich.  Wieder- 
holt zeigte  sich  das  ernstliche  Bestreben  des  Volkes ,  nach  dem 
namentlich  von  Florenz  ihm  gebotenen  Muster  ein  dauerhaftes 
Regiment  zu  gründen.  Mehr  denn  einmal  schien  dies  auch  zu 
gelingen.  Im  Jahre  1312  nach  Heinrichs  VII.  Abzug,  als  Ja- 
copo  Stefaneschi  als  Capitan  des  Volkes  gegen  den  Adel  ein- 
schritt, und  die  Volksrepräsentanten  das  Capitol  einnahmen 
wie  die  florentiner  Prioren  der  Zünfte  den  Palast  der  Signorie. 
Im  Jahre  1327  bei  Ludwigs  des  Baiern  Römerzug,  1347  wäh- 
rend des  Tribunats  Colas  di  Rienzo ,  vier  Jahre  später  während 
des  Rectorats  Giovanni  Cerronis,  noch  zwei  Jahre  darauf  zur 
Zeit  des  Tribunats  Francesco  Baroncellis.  Endlich  im  Sonuner 
1357  die  grösste  und  nachhaltigste  Reform,  welche  den  £in- 
fluss  des  Baronaladels  auf  das  Stadtregiment  vernichtete,  durch 
die  Wahl  eines  fremden  Senators  oder  Podesta  auf  die  alte 
Grundlage  des  italienischen  Municipalwesens  zurückging,  diesem 
den  Vorsitz  der  richterlichen  Executivgewalt  liess  und  in  den 
sieben  Reformatoren  einen  obern  Rath  angesehener  Bürger  bei- 
gab, überdies  eine  neue  demokratische  Miliz  oder  Schützen- 
gilde schuf,  deren  Vorsteher,  die  Banderesen  mit  ihren  Räthen, 
über  die  bürgerhche  Wehrkraft  verfügten,  während  ein  engerer 
und  ein  weiterer  Volksrath  die  Gesammtbürgerschaft  repräsen- 
tirten.  Die  Geschicke  dieser  Verfassung  während  der  noch 
folgenden  neunzehn  Jahre  der  avignonischen  Zeit,  und  ihren 
beinahe  vollständigen  Untergang  in  der  des  Schismas  hat  die 
Greschichte  dieser  traurigen  Epoche  dargelegt.  Die  Betrach- 
tung derselben  giebt  an  die  Hand,  dass  es  an  dem  allein 
dauerhaften  Fundament  wahrer  Demokratie ,  an  achtem  Bürger- 
sinn fehlte.  Der  Adel  war  ausgeschlossen,  die  Päpste  waren 
ferne  oder  ohnmächtig  —  die  Stadt  kam  nicht  zur  Ruhe.  Sie 
schwankte  zwischen  zwei  Extremen,  zwischen  dem  Anspruch  auf 
Weltherrschaft  und  Kaiserrecht,  wie  zur  Zeit  Heinrichs  VIL , 
Ludwigs  des  Baiem,  Colas  di  Rienzo,  und  dem  Verlangen  nach 
den  Päpsten  die  sie  nicht  entbehren  konnte.  Wären  selbst  im 
Kampfe  der  Florentiner  gegen  das  Papstthum  in  Gregors  XI. 


26  Ursachen  der  Sohwäclic  der  römischen  Verfassung. 

Tagen  —  ein  Kampf  in  welchem  Recht  und  Lauterkeit  der 
Gesinnung  keineswegs  immer  oder  auch  nur  überwiegend  auf 
Seiten  der  Angreifenden  waren ,  was  die  Schuld  des  Papstthums 
nicht  ausschliesst  —  die  Nationalitäts-  und  Unabhängigkeits- 
fragen im  Vordergrunde  gestanden,  so  würden  dennoch  die 
florentinischen  Bemühungen  zur  Behinderung  eines  Abkommens 
zwischen  der  Stadt  Rom  und  dem  Papst  ihren  Zweck  schwer- 
lich erreicht  haben. 

Rom  hatte  nämUch  das  Bewussteein  dass  es  nicht  ohne  den 
Papst  sein  konnte.  Roms  BUcke  waren  stets  nach  Avignon 
gerichtet.  Zahllos  gingen  Gesandtschaften  nach  der  Rhone- 
stadt mit  Einladungen  zur  Rückkehr.  Das  kirchhche  Interesse 
stand  im  Hintergrunde :  das  politische  und  materielle  dominirte. 
Wie  man  den  der  Stadt  fremden  Päpsten  die  höchsten  städti- 
schen Gewalten  übertrug,  so  bedurfte  man  ihrer  als  Friedens- 
stifter ininitten  der  Geschlechterkämpfe,  als  Berather,  als 
Repräsentanten  der  Autorität,  als  Quelle  des  Rechts  von 
welcher  allein  seit  dem  Sinken  der  Kaisermacht  die  örtlichen 
Behörden  der  Ausfluss  waren.  Deshalb  sind  auch  die  wieder- 
holten Versuche  der  Aufrechthaltung  oder  Wiedererlangung 
der  städtischen  Autonomie  in  der  Zeit  des  Schismas  im  Grunde 
von  so  geringer  Bedeutung,  indem  es  an  folgerichtiger  Ent- 
wicklung municipaler  Principien  fehlt,  und  man  nicht  zu  dem 
Bewusstsein  gelangt  dass  diese  wahren  Boden  haben.  Wenn  nun 
endlich  trotz  ganz  verschiedener  Vorbedingungen  die  allmälige 
demagogische  Unterwühlung  des  Fundaments  der  Freiheit  von 
Florenz  und  die  längst  fortschreitende  Vernichtung  der  bürger- 
lichen Wehrkraft  diese  mächtige  Republik  schon  um  die  Mitte 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  der  Einzelgewalt  zuführten,  so 
darf  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  die  Stadt  Rom  bei  un- 
gleich schwächeren  Grundlagen  bürgerhchen  Lebens  einer 
Herrschaft  verfiel,  deren  Berechtigung  eine  ganz  andere  war. 

Das  römische  Stadtregiment  mit  seinem  Mangel  an  Gleich- 
gewicht, an  Stetigkeit,  an  fester  Handhabung  der  Gesetze,  an 
Widerstandsfähigkeit  gegen  innere  nogh  mehr  als  äussere  feind- 
liche Einflüsse  hat  übrigens  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
auf  draussenstehende  Beobachter,  sehr  wenige  Fälle  ausge- 
nommen, keinen  günstigen  Eindruck  gemacht.  Wir  vernahmen 
die  an  Sarkasmen  streifenden  Aussprüche  florentinischer  Chro- 
nisten.   Rom,  sagt  Boccaccio,  stand  einst  in  allen  Dingen  zu 


Bartolo  von  Sassoferrato  Ober  das  römische  Stadtregiment.  27 

oberst,  heute  steht's  zu  imterst.  Die  Rechtsgelelirten  desselben 
Jahrhunderts  urtheilten  nicht  vortheilhafter.  Der  berühmteste 
Jurist  seiner  Zeit,  Bartolo  von  Sassoferrato,  welcher  die  Scho- 
lastik auch  auf  Rechts-  und  politische  Theorien  anwendend 
in  seinem  Tractat  über  städtische  Regierung  unter  den 
neueren  Autoritäten  sich  an  Thomas  Äquinas,  Dante  und 
Egidio  Colonna  hält  und  als  Formen  des  Regiments  De- 
mokratie, Aristokratie,  Monarchie  lobt,  Ochlokratie,  Oli- 
garchie und  Despotie  verwirft,  schafft  für  die  Karakteristik 
der  römischen  Zustände  eine  besondere  Kategorie.  »Es 
giebt,  sagt  er,  eine  siebente  Regierungsform,  die  sehr 
schlimme  welche  heute  in  Rom  gilt.  Der  Gewaltherrscher 
sind  dort  viele  und  sie  stehn  einander  an  Macht  gleich,  so 
dass  keiner  entschiedenen  Sieg  erringt.  Die  Gemeindeverwal- 
tung ist  nämlich  so  ohnmächtig,  dass  sie  weder  gegen  diese 
Gewaltherrscher  noch  gegen  deren  Anhänger  etwas  vermag, 
sofeme  diese  sich  nicht  freiwilhg  fügen.  Einer  solchen  Re- 
gierungsform erwähnt  Aristoteles  nicht,  und  mit  Recht,  denn 
sie  ist  ein  Monstrum.  Sie  ist  nämlich  ein  Körper  mit  einem 
gemeinsamen  schwachen  Haupt,  neben  welchem  eine  Menge  an- 
derer stärkerer  Köpfe  herauswachsen  die  mit  einander  kämpfen. 
Gottes  Wille  hat  eine  solche  ^  politische  Misgeburt  entstehn 
lassen,  die  Hinfälligkeit  aller  menschlichen  Dinge  offenbar  zu' 
machen.  Denn  Rom,  Haupt  und  Muster  staatlichen  Lebens, 
ist  so  tief  gesunken,  dass  es  nicht  die  Form  einer  Regierung 
bewahrt  die  des  Namens  würdig  wäre.« 

Nicht  berechtigter  erschien  dem  so  gründUchen  wie  scharf- 
sinnigen Rechtslehrer  das  Parteiwesen  wie  es  in  seinen  Tagen 
bestand  und  unter  alten  Namen  veränderte  Tendenzen  ver- 
steckte. »Die  Parteinamen,  fährt  er  fort,  drücken  heutzutage 
nur  Privatverhältnisse  und  Stimmungen  aus.  Einst  bezeichneten 
sie  Freunde  und  Gegner  der  Kirche,  gegenwärtig  bedient  man 
sich  ihrer  in  ganz  anderm  Sinne.  FreiHch  sehn  wir  wie  manche 
sogenannte  Guelfen  zu  den  Widersachern  des  Reiches  zählen, 
aber  dies  kommt  nur  daher  dass  sie  überhaupt  einer  partei- 
zerrissenen Stadt  angehören,  nicht  aus  eigner  Parteinahme. 
Denn  im  Allgemeinen  heisst  Dieser  Guelfe  weil  seine  Faction 
vonaltersher  den  Namen  führt,  gleicherweise  Jener  Gibelline 
ohne  dass  es  sich  dabei  im  geringsten  um  Kirche  und  Reich 
handelt,    sondern    lediglich    um    provinzielle    und    städtische 


28  Politische  Parteien.    Finanzen. 

Spaltungen.  Ja  die  Fehden  beschränken  sich  auf  einzehie  Ge- 
schlechter, ohne  dass  Papst,  Kaiser,  König,  Stadtregiment 
irgendwie  in  Betracht  kommen.«  Wenn  diese  Schilderung  über- 
haupt ihre  Berechtigung  hatte,  war  sie  vor  allen  auf  Rom  an- 
zuwenden, wo  die  politische  Zersetzung  den  höchsten  Grad 
erreicht  hatte,  und  den  FamiUenzwistigkeiten  von  Colonnesen 
und  Orsinen ,  welche  dem  stadtischen  Wesen  so  lange  das  blu- 
tige Siegel  aufgedrückt  haben,  in  den  meisten  Fällen  keine 
Spur  politischer  Principien  zugrunde  lag.  Wie  gross  aber  diese 
Zersetzung  der  alten  politischen  Verhältnisse  in  ganz  Italien 
war,  zeigt  die  florentinische  Geschichte  seit  der  Mitte  des 
vierzehnten  Jahrhunderts,  das  Verhältniss  der  guelfischen  Re- 
publik zu  Kaiser  Carl  IV.  wie  ihr  Revolutionskampf  gegen  die 
Kirche.  Wenn  man  nach  allem  diesem  die  Worte  Coluccio 
Salutatis  liest,  wie  er,  der  in  den  Jahren  1376—1377  im  Namen 
seiner  Republik  die  Römer  wider  die  Kirche  aufgehetzt  hatte, 
im  April  1404  für  dieselbe  an  Carl  VI.  von  Frankreich  schrieb, 
ihn  wider  die  Visconti  zu  stimmen,  indem  er  die  Gibelli- 
nen  als  Anhänger  der  kirchen verfolgenden  Imperatoren,  die 
Guelfen  als  sta.ndhafte  Freunde  der  Päpste  wie  der  fran- 
zösischen Krone,  Florenz  als  Haupt  und  Arm  dieser  letz- 
teren bezeichnete,  so  weiss  man  nicht  ob  man  die  tollen 
Anachronismen  oder  die  hohle  Declamation  höher  anschla- 
gen soll. 

Der  Mangel  an  fortlaufenden  namentlich  an  urkundlichen 
Nachrichten  über  die  römischen  Finanzverhältnisse  im  Mittel- 
alter, mit  Ausschluss  der  von  den  städtischen  natürlich  unab- 
hängigen kirchlichen,  macht  die  Einsicht  in  die  finanzielle 
Wirthschaft  schwierig.  Nach  der  Analogie  der  Nachbarstaaten 
dürfte  man  annehmen  dass  die  der  städtischen  Kammer  zu- 
gute kommenden  Abgaben  directe  und  indirecte  waren,  aber 
von  den  ersteren,  wenn  man  den  Antheil  der  Stadt  an  den 
Regalien  imd  die  Herdsteuer  ausnimmt,  findet  sich  lange  Zeit 
hindurch  keine  Erwähnung.  Wenn  man  jedoch  findet  dass  in 
Florenz  zur  Zeit  des  Podesta  Pietro  Stefaneschi,  welcher  mit 
einem  andern  Trasteveriner  Andrea  Romano  aus  dem  Ge- 
schlecht der  Papareschi  im  Jahre  1296  das  römische  Senatorsamt 
bekleidete  —  zwei  Männer  von  deren  Thätigkeit  eine  einst  im 
Senatorspalast  befindliche  Inschrift  Kunde  gab  die  ihrer  Vor- 
sorge für  die  städtische  Kammer  gedachte  -^  eine  Reform  der 


Florentinisches  Steuerwesen.  29 

Besteuerung  stattfand,  so  liegt  es  nahe  anzunehmen  dass  Rom 
ähnlicher  Institutionen  nicht  ermangelte,  umsomehr  als  der 
Census  altrömischen  Ursprungs  ist.  Ebenfalls  dürfte  der  Um- 
stand, dass  in  Florenz  die  anjouschen  Vicare  auf  das  Steuer- 
wesen besondem  Einfluss  hatten,  schliessen  lassen,  dass  die 
Senatsyerweser  Carls  I.  und  Roberts  solchen  Einfluss  auch  in 
Rom  übten.  So  in  Neapel  wie  in  Florenz  imd  Genua  gab  es, 
in  Neiapel  von  König  Roger,  in  Florenz  vom  eilfken  Jahrhun- 
dert an,  eine  Grund-  und  Einkommensteuer  die  unbewegUches 
wie  bewegUches  Eigenthum  umfasste,  hier  Estimo  dort  Colletta 
genannt  In  Florenz  wurden  die  Güter  abgeschätzt  indem  man 
den  Capitalwerth  nach  ihrem  niedrigst  angenommenen  Ertrag 
im  Verhältniss  von  fünf  bis  sechs  Procent  berechnete  und 
die  Steuer  zu  fiinfsechstel  höchstens  zu  einem  Procent  ansetzte. 
Bei  den  Abschätzungen  sollte  das  BilUgkeitsverfahren  vorherr- 
schen, aber  es  Uefen  mitunter  grosse  Unregelmässigkeiten  und 
viele  Klagen,  so  dass  eine  Reform  der  andern  folgte,  schon 
vom  letzten  Decennium  des  dreizehnten  Jahrhunderts  an,  wo 
ein  durch  die  Prioren  der  Zünfte  gewählter  Ausschuss  von 
zwölf  oder  vierundzwanzig  Savi  aus  allen  Ständen  die  Revision 
leiten  sollte.  Bei  dem  Pöbelaufstande  1378  war  die  Reform 
des  Estimo  eine  der  hauptsächlichsten  Forderungen  der  kleinen 
Leute.  Die  Steigerung  des  Estimo  war  vom  zweiten  Decennium 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  an  infolge  der  durch  die  grosse 
Schilderhebung  der  Gibellinen  unter  Uguccione  und  Castruccio 
veranlassten  Kämpfe  sehr  bedeutend.  Wenn  man  aber  zur 
Zeit  als  Herzog  Carl  von  Calabrien  die  Signorie  von  Florenz 
antrat,  den  Ertrag  desselben  zu  achtzigtausend  Goldgulden  an- 
gegeben findet  und  mit  den  Erfordernissen  vergleicht,  so  be- 
greift man  dass  der  Staat  ganz  andere  Hülfsquellen  haben 
mnsste.  Inderthat  begegnet  man  schon  im  letzten  Drittel  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  der  Zwangsanleihe  mit  Stiftung  des 
Staatsschuldenwesens,  später  der  Taille  der  anjouschen  Vicare 
für  den  Unterhalt  der  französischen  und  anderen  Söldner,  im 
Jahre  1343  der  Herd-  oder  Feuersteuer,  Fumanti  oder  Foca- 
tico,  womit  man  nachmals  imter  anderen  die  grossen  Kosten 
des  Krieges  gegen  Gregor  XI.  zu  bestreiten  ^  suchte.  Zur  Zeit 
Papst  Johannes'  XXII.  war  schon  ein  Versuch  der  Besteuerung 
des  Clerus  gemacht  worden.  Um  die  Mitte  des  vierzehnten 
Jahrhunderts  während  des  langen  Krieges  mit  Mastino  della 


30  Romische  Finanzen.    Steuern  und  Zölle. 

Scala  bildete  so  der  Estimo  einen  verhältnissmässig  geringen 
Theil  des  Staatseinkommens,  indem  die  dadurch  geschafften 
achtzigtausend  Goldgulden  den  Gabellen  mit  zweihunderttausend, 
der  Anleihe  mit  dreihundertfünfzigtausend  gegenüber  standen. 

Man  darf  annehmen  dass  es  in  Rom  so  ziemlich  in  glei- 
cher Weise  ging ,  wenngleich  in  minder  regelmässigem  Fortgang 
als  in  der  toscanischen  Stadt,  indem  die  Umwälzungen  in  die- 
ser letztern,  so  heftig  und  blutig  sie  theilweise  sein  mogten, 
mit  den  grossen  Wechseln  in  Rom  nicht  zu  vergleichen  waren. 
Die  römischen  Einkünfte  waren  verschiedener  Art,  aber  in  dem- 
selben Maasse  wie  die  Stellung  des  Papstes  zur  Stadtgemeinde 
in  verschiedenen  Zeiten  verschieden  war,  war  auch  das  Ver- 
hältniss  der  päpstlichen  Kammer  zur  städtischen  ungewiss. 
Von  der  Zeit  der  Wiederherstellung  des  Senats  an  machte  die 
Stadt  den  Päpsten  die.  RegaUen  nicht  nur  in  Rom,  sondern 
auch  in  den  Landstädten  streitig,  und  die  wiederholten  Com- 
promisse  zeigen  wie  wenig  die  beiderseitigen  Ansprüche  zu 
wirklichem  Austrage  kamen.  Die  (Grundsteuer,  welche  Form 
sie  immer  gehabt  haben  mag,  floss  ohne  Zweifel  in  die  städti- 
sche Kammer.  Während  in  dem  Vertrag  vom  Jahre  1188 
zwischen  Clemens  III.  und  der  Stadt  die  Rückgabe  der  Regalien 
an  erstem  stipulirt  wurde,  sollte  ein  Drittel  des  Ertrages  der 
Münze  der  städtischen  Kammer  zufliessen.  Im  Jahre  1347 
berechnete  Cola  di  Rienzo  die  Herdsteuer  im  Patrimonium 
und  Campagna  auf  100,000  Goldgulden,  auf  ebenso  viel  die 
Salzsteuer  und  die  Thor-  und  Hafensteuer,  Steuern  die  indess 
grossentheils  in  die  päpstlichen  Kassen  geflossen  zu  sein  schei- 
nen, die  dann  wol  der  Stadt  einen  An  theil  bewilligten.  Den 
Ertrag  der  Salzsteuer  in  der  Stadt  selbst  schlug  der  Tribun 
nachmals  zu  30,000  Goldgulden  an.  Die  Hauptquelle  des  Ein- 
kommens scheinen  auch  hier  die  Zölle  oder  Gabellen  gewe- 
sen zu  sein.  In  Zeiten  wo  man  kein  Thor  imd  keine  Brücke 
olme  zu  zahlen  passiren  konnte  (hatte  doch  Gregor  VII.  im 
Jahre  1080  einen  Zollthurm  an  der  Engelsbrücke  erbaut), 
mussten  diese  ansehnhchen  Ertrag  liefern,  wie  denn  noch  in 
der  zweiten  Hälfte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  die  Wache 
an  römischen  Thoren  als  einträgliches  Amt  selbst  in  perpe- 
tuum   an   Familien  verliehen  wurde. 

Von  Wein  und  anderen  Lebensmitteln,  von  Tuch,  seide- 
nen Zeugen,  Leinwand  und  Stoffen  aller  Art  wurden  Ein-  und 


Steuern  und  Zolle.  31 

Ausfolirzölle  entrichtet,  von  denen  durch  ausdrücklichen  Ver- 
trag, so  z.  B.  durch  den  mit  Bonifaz  IX.  im  August  1393  abge- 
schlossenen, Papst  und  Curie,  Kirchen,  Spitaler  und  sonstige 
Wohlthätigkeitsanstalten  frei  waren.  Die  Exemtion  zu  wahren 
mussten  aber  die  Päpste  gelegenthch  besondere  Verfügungen 
erlassen  oder  Geleitsbriefe  ausstellen ,  so  Urban  V.  im  Jahre 
1368  inbetreff  der  Einfuhrung  französischer  Weine,  und  1370 
für  freie  Ausfuhr  von  Tuch  und  anderen  Gegenständen  zum 
Gebrauch  der  Curie  im  Fall  der  Verlegung  derselben  an  einen 
andern  Ort,  Bonifaz  IX.  im  Jahre  1399  zum  Behuf  der  Herbei- 
schaffung von  Schlachtvieli  für  den  päpstUchen  Palast  Die 
Erhöhung  des  Salzpreises  und  der  Weinsteuer  war  einer  der 
Anlasse  zum  Sturze  Rienzis.  In  einer  Stadt  die  im  Verhält- 
niss  zu  ihren  Bedürfnissen  so  wenig  producirte,  mussten  die 
Zollerträge  von  der  Einfuhr  in  demselben  Maasse  beträchtlich 
sein,  wie  die  von  der  Ausfuhr  gering  waren.  Dass  aber  manche 
Zölle  nicht  gerade  bedeutend  waren  zeigt  der  Umstand,  dass 
Bonifiaz  IX.  im  Jahre  1392  den  bei  der  Isola  sacra  zu  Gunsten 
der  St.  Hippolytkirche  als  Leibgedinge  gegen  den  Zins  von 
zwei  Rebhühnern  verlieh,  dass  überhaupt  manche  Zölle  durch 
päpstliche  Concessionen  Einzelnen  oder  Klöstern  zugute  ka- 
men. Dass  Zölle  und  Steuern  schon  vor  der  Mitte  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  verpachtet  waren,  lässt  sich  naclr  dem 
Beispiel  von  Florenz  schliessen,  wo  dies  schon  in  den  Jahren 
1324  bis  1327  unter  Controle  eines  fremden  Richters  stattfand. 
Dass  die  Römer  die  florentinische  Gewandtheit  nicht  nur  in 
politischen  sondern  auch  in  finanziellen  Dingen  anerkannten, 
ergiebt  sich  schon  aus  dem  Umstände,  dass  im  September  133!) 
die  Deputirten  des  Senats  und  der  Consuln  der  Zünfte  Stefano 
Colonna,  Girolamo  Poncello  und  Matteo  Orsini  die  Signorie  von 
Florenz  ersuchten,  ihnen  zwei  oder  mehre  Bürger  zum  Aus- 
schreiben und  Einrichten  einer  Gabelle  zu  senden. 

Von  den  Landstädten  bezog  die  städtische  Kammer  den 
Tribut  auch  wol  in  Naturalleistungen,  Getreide  und  anderm, 
wenn  die  Umstände  es  nicht  vorziehn  Hessen  ihn  in  baarem 
Crelde  zu  erheben.  Dass  in  den  Wirren  des  Schismas,  inmitten 
deren  die  Päpste  zu  so  vielen  Belehnungen,  Erbpachtverleihun- 
gen, Veräusserungen  von  hegendem  imd  beweghchem  Eärchen- 
gut  schritten,  um  sich  selbst  und  ihre  Parteigenossen,  bald  die 
Diirazzesken  bald  die  Aujous  jünfl;erer  Linie  aufrecht  zu  erhalten 


32  Steuern  und  Zölle.    Zolltaiif. 

und   fremde  Hülfe   zu   erkaufen,   die  Verhältnisse  der  stadti- 
schen Kammer  nicht  glänzend  gewesen  sein  können,  liegt  auf 
der  Hand.    Ob   dieselben  durch  Creirung  des  Magistrats   der 
Conservatores  camerae  almae  Urbis,  die  zuerst  im  Jahre  1370 
als   Verweser   des   senatorischen   Amtes   erscheinen,    gehoben 
wurden,  fragt  sich,  da  die  Bestellung  dieser  Behörde  ursprüng- 
lich vielmehr  ein  politisches  Äuskunftsmittel  war.    lieber  die 
Beziehungen  der  päpstlichen  Kammer  zur  städtischen  sind  wir 
nicht  genauer   unterrichtet,   wenn   wir  die  Bestimmungen  der 
Uebereinkunft  vom  October  1404  mit  Innocenz  VII.  ausnehmen, 
welche  unter  anderm  enthielten ,  dass  die  päpstliche  Kammer 
an  den  in  den  städtischen  Magazinen  und  im  Camposalino ,  der 
bis  zu  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  zur  Salzgewinnung 
benutzten    Strandniederung    zwischen    Porto    und    Maccarese, 
lagernden  Salze  einen  Antheil  von.  1000  Rubbien  haben  sollte. 
In  die  rückständigen  Gabellen ,  zu  deren  Erstattung  die  Steuer- 
pächter verpflichtet  wurden,  sollte  die  päpstUche  sich  mit  der 
städtischen  Kammer  theilen.    Alexander  V.  wies  seinem  Statt- 
halter Cardinal  von  Sta  Prassede  monatlich  4000  Gulden  aus 
städtischen   Einkünften   an.     Dass   die   Päpste   überhaupt  bei 
den  städtischen  Gabellen  stark  betheUigt  waren,   ersieht  man 
namentlich  aus  der  Geschichte  Johannes'  XXIII.,  dessen  Zoll- 
erhöhungen dem  Volke   sehr  zur  Last  fielen,  so  dass  er  bei 
seiner  Entfernung  von  Rom  im  Jahre  1413  die  Herabsetzung 
der  Weinsteuer  verfugte.     Zu  Anfang  desselben  Jahres  hatte 
der  Papst  die  florentinischen  Wechslerhäuser  der  Bardi,  Torna- 
quinci  und  anderer  auf  den  Zoll   von  Wein  imd  Getreide  in 
Rom  angewiesen,  dessen  (Einkünfte  der  Camerlengo  Cardinal 
Antonio  von  Sta  Cecilia  ihnen  durch  die  Kämmerer  der  Ga- 
bellen  auszahlen   lassen   sollte.     Die  Steuerverwaltung   stand 
unter  dem  Gabelliere  maggiore ,  dessen  Ernennung  im  fünfzehn- 
ten Jahrhundert   durch   die  Päpste   erfolgte.      Spätere  Zeiten 
werden  uns  die  steigende  Einmischung  der  Päpste  in  das  Detail 
dieses  Verwaltungszweiges  darthun.    Ein  eigentUcher  Zolltarif, 
Statuta  gabellarum  Urbis,  liegt  uns  erst  am  Ende  des  vierzehn- 
ten Jahrhunderts  vor.     Er  wurde  von  Malatesta  de'  Malatesti, 
dem  Bruder  Carlos  Herrn  von  Rimini ,  und  den  drei  Conserva- 
toren  im  September  1398  erlassen.    Auf  die  Zölle  von  Getreide, 
Wein,  Vieh  folgen  die  von  Wollentuch,  von  welchem  fünfzig 
verschiedene  Gattungen    aufgezählt  werden  und  von  anderen 


Geldwirthschaft.    Fremde  Wechsler.  33 

Artikeln,  wie  die  beim  Verkauf  von  Grundstücken  zu  entrich- 
tende Steuer,  mit  der  Eigen thümlichkeit  einer  im  Verhältniss 
zur  Höhe  der  Kaufsumme  absteigenden  Steuerscala. 

Die  Geldwirthschaft  im  engem  Sinne  scheint  in  fremden 
Händen  gelegen  zu  haben.  Bis  zu  der  zweiten  Hälfte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  vernehmen  wir  nur  von  sehr  wenigen 
g;rosseren  römischen  Bankhäusern.  Längst  vor  der  avignoni- 
Bchen  Zeit  hing  der  päpstliche  Hof  von  florentiner  Wechslern 
ab,  den  Nachfolgern  der  Cahorsiner,  die  schon  im  dreizehn^ 
ten  Jahrhundert  gleich  schlimmen  Namen  wie  in  den  Zeiten 
Clemens'  V.  und  Johannes'  XXU.  erhalten  hatten.  Gleich  den 
französischen  und  englischen  Königen  bedienten  sich  auch  die 
Päpste  der  florentinischen  und  anderer  oberitalischen  Bankhal- 
ter, welche  im  Auslande  den  auf  die  Leihanstalten  übergegan* 
genen  Namen  Lombarden  erhielten.  Li  Zeiten  wo  in  den 
grossen  Freistädten  Italiens  der  Burgersinn  namentUch  durch 
das  Princip  der  gesetzhchen  Erforderniss  der  Arbeit  zur  Bethei- 
ligung an  den  Gemeinde -Angelegenheiten  dominirte,  entwickel- 
ten sich  dessen  Folgerungen  in  Bezug  auf  geschäftUche  Thätig- 
keit  und  Gewerbfleiss  nur  sehr  unvollkommen  in  einer  Stadt, 
die  selbst  in  der  Periode  des  üeberwiegens  der  Demokratie  zu 
keiner  nachhaltigen  Gestaltung  gelangt«.  Deshalb  stützte  sich 
nicht  blos  die  Curie  für  ihre  Geldbedurfnisse  auf  Nichtrömer,  na- 
mentlich auf  Florentiner,  während  das  Creditwesen  überhaupt,  in 
welchem  die  itaUenischen  Handelsstaaten  die  Juden  nur  theil- 
weise  ablösten,  bis  ins  sechzehnte  Jahrhundert  hinein  in  flo- 
rentinischen und  genuesischen  Händen  blieb.  So  vernehmen  wir 
häufig  von  den  fremden  Banquiers,  den  »mercatores  romanam 
curiam  sequentes«  und  ihrem  »mutare«  in  Rom  wie  in  Avignou. 
In  Rom  wo  wir  in  den  Tagen  grossartigster  Geschäfte  des 
päpstlichen  Hofes  von  den  florentinischen  Banken  noch  oft 
hören  werden,  in  Avignon  wo  heute  noch  die  florentinischen 
Ansiedelungen  manche  Spuren  zurückgelassen  haben.  Erst 
gegesi  das  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  scheinen  römi- 
sche FamiHen  in  diesen  Kreis  eingetreten  zu  sein. 

Die  Betrachtung  der  römischen  Finanzwirthschaft  im  Mittel- 
alter lässt  sich  nicht  von  jener  der  Landwirthschaft  in  der 
Campagna  trennen.  Mit  Wohl  und  Wehe  der  Stadt  hangen 
die  Zustände  der  Umgebungen  aufs  engste  zusanunen.  Man 
ermisst  leicht  wie  die  unaufhörlichen  Wechsel  in  Rom  und  das 

T.  Hcuaoiit,    Rom.    lU.  3 


34  Die  Campagna.    Rechtliche  Zustände  ihrer  Bewohner. 

unsägliche  Elend  auf  diese  Zustande  einwirkten.  Wo  von  in- 
neren Unruhen  und  bürgerlichen  Kämpfen,  von  den  Fehden 
der  Barone  untereinander  wie  mit  den  Päpsten,  mit  der  Ge- 
meinde, mit  benachbarten  Städten  die  Rede  ist,  hat  man  sich 
die  Umgebung  immer  als  mitleidend  zu  denken,  auch  wo  dies 
nicht  ausdrücklich  bezeugt  wird.  Wenn  die  römische  Cam- 
pagna in  ihrer  traurigen  Geschichte  einzelne  Lichtblicke  ge- 
habt hat,  so  verdankt  sie  diese  lediglich  der  Kirche.  Denn 
diese  war  es  die  dem  schon  unter  dem  Imperium  tiefverkom- 
menen Zustand  der  Agricultur  aufzuhelfen  versuchte,  oder  der 
Stadt  dabei  imter  die  Arme  griff.  Die  Geschichte  der  gothisch- 
longobardischen  Zeiten  hat  die  entsetzhche  Lage  der  römischen 
Umgebung  klar  gemacht.  Die  nachfolgenden  Saracenennöthe 
waren  kaum  geringer.  Unter  solchen  Umständen  ist  es  begreif- 
lich dass  selbst  in  den  gesunderen  Theilen  die  Bevölkerung 
nur  eine  kärghche  sein  konnte.  Die  rechtUchen  Verhältnisse 
dieser  Bevölkerung  waren  von  den  allgemein  herrschenden 
lange  nicht  verschieden.  Wie  die  Kirchenlehrer  bis  auf  Gre- 
gor den  Grossen  Geist  imd  Praxis  der  Gesetzgebung  in  Be- 
zug auf  den  Stand  der  Personen  dem  christUchen  Moralge- 
setz zu  unterwerfen  und  anzupassen  bemüht  waren ,  die 
Verschiedenheit  des  Personenstandes  nach  Freiheit  oder 
Knechtschaft  aber  ebenso  festhielten  wie  das  bürgerliche 
Gesetz  that;  so  bUeb  das  Kirchenrecht  diesem  Princip  treu. 
Durch  directe  oder  indirecte  Intervention  des  geistlichen  Armes 
in  die  bürgerlichen  Dinge  zum  Schutz  der  Gerechtigkeit  än- 
derte es  die  Institutionen  nicht  gewaltsam,  aber  es  bahnte  dem 
Geist  der  Billigkeit  und  Milde  den  Weg  welchen  die  Kirche 
in  ihrer  eignen  Gesetzgebung  verfolgt  hat.  Wenn  in  den  fol- 
genden Zeiten,  namentlich  vom  neunten  zum  eilften  Jahrhundert, 
statt  der  Abnahme  eine  Zunahme  der  persönlichen  Unfreiheit 
stattfand ,  deren  Formen  durch  das  Lehnwesen  grosse  Manchfal- 
tigkeit  erlangten,  so  verbesserten  sich  hinwieder  die  Zustände 
der  Un&eien  in  gleichem  Maasse.  Hierauf  hat  die  Kirche  xiicht 
minder  durch  die  Ausbildung  ihrer  Legislation  als  durch 
das  Beispiel  eigner  Praxis  wohlthätigsteu  Einfluss  geübt.  Die 
gesetzUche  Stellung  der  Unfreien,  zu  denen  der  ganze  acker- 
bauende Stand  gehörte,  war  auf  dem  Kirchengut  nicht  ver- 
schieden von  jener  der  Lehnshörigen,  auch  nicht  in  Bezug  auf 
die   Wehrdienstpflicht.       Aber    die    verhältnissmässig    grosse 


Vasallenthum.     Besitz  Verhältnisse.  35 

Mehmiig  der  directen  Unterthanen  der  Kirche  ist  für  sich 
schon  ein  Beweis  milderer  Behandlung.  Wenn  von  der  Mitte 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  an  die  Fortschritte  der  muni- 
cipalen  Freiheiten  in  Tuscien ,  Umbrien  und  einem  Theil 
der  Romagna  auch  der  Stellung  des  Landvolkes  zugute 
kamen,  so  hat  dies,  soweit  die  w^enigen  Nachrichten  Ein- 
sicht gewähren,  auf  die  römische  Umgehung  geringen  £in- 
flnss  geübt. 

Wie  anderwärts  förderte  auch  hier  die  Zunahme  der  Ort- 
schaften die  persönliche  Freiheit.  Der  Umstand  aber  dass 
eine  Menge  dieser  Ortschaften  im  Leimnexus  blieben,  auch  wol 
in  denselben  zurückkehrten ,  Hess  eine  Menge  Formen  des  Va- 
sallenthums  bestehn.  Die  Zunahme  der  Orte  im  benachbarten 
Hügel-  und  Berglande  hat  dann  zur  dauernden  Entvölkerung 
der  eigentUchen  Campagna  beigetragen.  Dass  auch  in  späten 
Zeiten  viele  Spuren  der  alten  Dienstbarkeit  blieben ,  ist  erklär- 
lich. Umsomehr  als  selbst  in  solchen  Theilen  ItaHens,  wo  dem 
Lehnswesen  systematisch  der  Krieg  gemacht  wurde,  wne  im 
florentinischen  Dominium  wo  schon  vor  Ende  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  die  freiwillige  Unterwerfung  zum  Behuf  persön- 
lichen Dienstes  untersagt,  Verkauf  von  Colonen  und  Hörigen 
ausser  an  die  Gemeinde  für  illegal  erklärt  ward,  und  wo  das 
Feld  meist  von  Freien  mit  Erbpacht  oder  Halbwinnerei  (Colonia 
parziaria)  bestellt  wurde,  eine  Menge  solcher  Spuren,  theil- 
weise  bis  zu  den  Reformen  des  jüngstverilossenen  Jahrhunderts 
fortdauerten.  Je  mehr  Ausdehnung  im  Römischen  das  Lehnswe- 
sen gewaim,  je  höher  die  Macht  der  Baronalfamilien  stieg,  um- 
somehr musste  die  neue  Clientel  des  Vasallen thums  Fuss  fassen 
welche  nicht  aus  den  römischen  Sitten  gewichen  ist.  Der 
radicale  Unterschied  zwischen  römischem  und  florentinischem 
Wesen  spricht  sich  darin  aus,  dass  dort  »vassallo« ,  hier  »ba- 
rone«  als  Schmähwort  gilt. 

Die  Besitzverhältnisse  in  der  Campagna  hatten  sich  im 
Lauf  der  Zeiten  vielfach  verändert.  Die  grossen  Patrimonien 
der  Kirche,  ihr  römisch -kaiserliches  Erbgut,  waren  allmälig 
verschwunden,  diejenigen  einzelner  Kirchen  und  Stiftungen 
waren  häufig  unsicher  und  der  Usurpation  des  Adels  blos- 
gestellt,  so  dass  das  Dominium  directum,  soferne  es  den  no- 
iXkineUen  Eigenthümern  bUeb ,  meist  von  sehr  geringem  Belange 
^'^.     Das    dreizehnte   Jahrhundert    sah   in    der   eigentUchen 


36  Ortschaften.    Genngfö^gkeit  des  Ackerbaus. 

Campagna  eine  Reihe  Ortschafken  entstehn.  Statt  wie  die  alten 
päpstlichen  Domusculten  lediglich  dem  Landbau  zu  dienen, 
waren  sie  vielleicht  ebensosehr  dem  Schutz  des  Eigenthums 
und  der  Ejiegfuhrung  überhaupt  gewidmet  und  liegen  heute 
meist  in  Trümmern,  nachdem  manche  derselben  in  der  letzten 
Zeit  ihres  Bestehns  zu  eigentlichen  Raubnestem  herabgesunken 
waren.  Den  Zustand  des  Landvolks  und  den  beständigen  Alarm 
in  der  avignonischen  Zeit  hat  Petrarca  anschauhch  geschildert: 
besser  war's  in  den  Tagen  derBretonen,  König  Ladislaus'  und 
der  Condottieren  gewiss  nicht,  im  Gegentheil  ärger.  Eine  ge- 
richthche  Urkunde  vom  Juni  1367  inbetreff  des  auf  den  Trüm- 
mern einer  Villa  der  Zeit  der  Äntonine  entstandenen ,  im  vori- 
gen Jahrhundert  durch  Badeanlagen  wiederbelebten  Ortes 
Vicarello  am  nordwestUchen  Ufer  des  Sees  von  Bracciano 
zeigt,  wie  dieser  den  Camaldulensem  von  S.  Gregorio  am  Cae- 
lius  gehörende  Ort  nicht  lange  vorher  ganz  verkommen  war. 
Vicarello,  so  erklärte  der  Richter,  sei  nach  dem  Zeugniss 
glaubwürdiger  Personen  durch  Compagnien  imd  Fehden  ganz 
zerstört  und  verödet,  unbewohnt  und  zu  einem  Casale  herab- 
gekommen ,  so  dass  es  von  der  Liste  der  der  Stadt  Rom  tribut- 
pflichtigen Castelle  zu  streichen  und  von  den  gewöhnlichen 
Steuern  zu  befreien  sei.  Wie  oft  hat  sich  dies  »reductum  ad 
casale«  wiederholt!  Solche  Zustände  wiederholten  sich  auch 
im  benachbarten  Patrimonium  und  in  Umbrien,  und  wir  finden 
dass  Gregor  XI.  im  Jahre  1377  einen  Eigenthümer  in  Todi  er- 
mächtigte, zum  Anbau  einer  infolge  der  Kriegszeiten  wüste- 
liegenden Tenute  Arbeiterfamilien  heranzuziehn  die  zugleich 
von  den  Frohnden  frei  erklärt  wurden.  Hiemit  mussten  die 
Zustände  des  Ackerbaus  zusammenhangen.  Die  zahlreichen 
Berichte  von  Hungersnoth  in  der  Stadt,  wiederholt  Anlass  zu 
Aufständen,  machen  es  klar,  dass  gerade  wie  unter  dem  Im- 
perium die  Agricultur  mehrundmehr  abgenommen  hatte,  die 
Viehzucht  überwog.  Damals  wie  heute  und  in  höherm  Grade 
noch  da  die  Einfuhr  aus  dem  Auslande  mangelte,  lieferten  die 
Strandgegenden  von  Civitavecchia  imd  Cometo  Ersatz  für  den 
Ausfall.  Bis  zu  den  letzten  Zeiten  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
vernehmen  wir  kaum  anderes  als  Klagen  über  die  Verödung 
der  Campagna,  und  wenn  der  Feldbau  auch  in  der  Hand  der 
Ztmft  der  Bovattieri  lag,  so  deutet  doch  schon  der  Name  auf 
das  Vorwalten  der  Viehzucht  hin. 


Viehzucht.    Zunft  der  Bovattieri.  37 

Der  grösste  Theil  der  Campagna  war  Weideland  geworden. 
Wie  heute  stiegen  von  den  abnizzeser  Bergen  die  grossen 
Heerden  herab  in  den  wärmeren  grasreichen  Niederungen  zu 
überwintern.  Der  Campagnenhirt  unserer  Zeit,  der  halb  in 
Feile  gekleidet  die  kälteren  Monate  auf  offnem  Felde  zubringt 
wo  Höhlenwohnungen  oder  Reisighütten  ihm  Zuflucht  bieten, 
vergegenwärtigt  uns  den  des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts: hier  ist  wenig  wenn  irgendetwas  verändert.  Den 
Abruzzesen  und  übrigen  Hirten  ertheilte  Bonifaz  IX.  am 
7.  September  1402  einen  Geleitsbrief  zu  sicherer  Benutzung 
der  Weiden  unter  Vorbehalt  der  Erlegung  des  Transitzolls 
(Peds^um)  und  der  Gabellen,  auch  für  das  Weiderecht  auf 
dem  Durchzug  durch  das  Patrimonium.  Die  Regierung  dieses 
Papstes  war  in  ihren  letzten  Zeiten  eine  Epoche  der  Ruhe  und 
des  Wohlstandes.  Er  förderte  namentlich  den  Getreidebau  zu 
welchem  er  auch  die  Würdenträger  der  Kirche  anhielt,  so  dass 
die  Feldfrucht  welche,  was  kaum  glaublich  klingt,  im  Jahre 
1338  bis  zu  42  Goldgulden  für  den  Rubbio  (2  Hektoliter 
81  Liter  metr.  M.)  gestiegen  sein  soll,  auf  weniger  als  einen 
Gulden  gefallen  wäre,  was  freilich  ebenso  dahingestellt  sein 
mag.  Die  Verwirrung  unter  den  beiden  nachfolgenden  Päpsten, 
dann  die  letzte  Krise  des  Schismas  machten  indess  diesen 
besseren  Zuständen  ein  rasches  Ende.  Während  im  Jahre  1408 
der  Rubbio  vier  Gulden  kostete ,  stieg  er  fünf  Jahre  später  auf 
achtzehn,  so  dass  man  sich  nur  durch  Einfuhr  sicilischen  Ge- 
treides half.  Im  Jahre  1414  war  auf  dem  Constanzer  Concil 
auch  vom  Anbau  der  Campagna  zur  Abhülfe  der  Noth  die  Rede. 
Dass  es  jedoch  bei  frommen  Wünschen  blieb  zeigt  der  Umstand« 
dass  im  Frühling  1417  der  entsetzlichste  Mangel  herrschte 
und  um  keinen  Preis  Brod  zu  beschaffen  war,  während  Braccio 
da  Montone  die  Ernte  hinderte,  was  zum  Abkommen  mit  dem 
Condottiere  drängte.  Aus  dem  Jahre  1407  ist  eine  auf  die 
Zunft  der  Landwirthe  (Bovattieri)  bezügliche  Urkunde  erhal- 
ten. Die  Consuln  derselben  hatten  sich  an  Cardinal  Stefa- 
neschi mit  der  Vorstellung  gewandt,  dass  eine  Reform  ihrer 
Statuten  dringend  noththue,  eine  Plenarversammlung  der  Zunft- 
mitglieder aber  wegen  ihrer  Menge  unmögHch  sei,  indem  es  bei 
solchen  Gelegenheiten  nie  ohne  ärgerliche  Vorfälle  (»sine  ma- 
teria  scandali«)  ablaufe.  Der  Cardinal  ertheilte  nun  den  vier 
Consuln   die   Befugniss   unter   Zuziehung   der  ihnen   geeignet 


38  Der  Baroualadel. 

scheinenden  Zunftgenossen  die  Statuten  zu  reformiren,  so  dass 
dieselben  nicht  blos  für  die  Gilde  selbst  sondern  auch  für  Se- 
nator und  stadtische  Beamte  bindend  sein  sollten,  unter  Auf- 
hebung aller  dawiderlautenden  Bestimmungen. 


3. 

DIE  BAKONE  UND  DER  ÜBRIGE  ADEL.   DER  STAAT. 

Die  Geschichte  der  avignonischen  Zeit  hat  an  den  Tag 
gelegt,  dass  bald  nach  der  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
der  Lehnsadel  von  der  Betheiligung  am  Stadtregiment  ausge- 
schlossen blieb.  Wäre  der  Bürgerstand  dadurch  innerUch  er- 
starkt, wären  Eintracht  und  Ruhe  erzielt,  wäre  eine  folge- 
richtige Bahn  eingehalten  worden,  so  hätte  Petrarca  Recht 
gehabt  als  er  zu  einer  solchen  Maassregel  rieth.  Aber  es  ist 
nicht  der  Fall  gewesen.  Die  römische  Comune  erlangte  keine 
wirkliche  Festigkeit,  so  dass  sie,  immer  in  sich  zerrissen  und 
immer  mit  den  anwesenden  Päpsten  hadernd  während  sie  die 
abwesenden  zurückrief,  der  Papstgewalt  um  so  rascher  unter- 
liegen musste  weil  sie  das  aristokratische  Element  ausgeschie- 
den hatte.  Der  Baronaladel  hatte  sich  für  diese  Ausschliessung 
schadlos  zu  halten  gewusst.  Er  herrschte  nicht  mehr  auf  dem 
Capitol,  aber,  bald  für  bald  wider  die  Päpste ,  bald  für  bald  wider 
fremde  Herrscher  und  Prätendenten,  erlangte  er  in  den  Tagen 
des  Schismas  nochmals  maassgebenden  Einfluss  auf  die  Ge- 
schicke der  Stadt.  Die  beständigen  Kriege  in  welche  die  Päpste 
dieser  Zeit  in  Roms  näherer  und  nächster  Umgebung  verwickelt 
waren,  und  die  Parteizerrissenheit  Neapels  mussten  den  Baronen 
zugutekommen.  Wenn  sie  die  Vortheile  mit  päpstUchen  Ne- 
poten  und  fremden  Condottieren  theilten,  so  wetteiferten  sie 
mit  jenen  wie  mit  diesen  als  Befehlshaber  von  Soldtruppen  und 
[iersönUche  Herrscher  in  den  Städten,  wälirend  sie  dieselben 
an  Zahl  und  bleibender  Bedeutung  der  Lehne  weit  übertrafen. 
Die  Beziehungen  der  römischen  Barone  zu  anderen  Comunen 
hatten  längst  vor  ihrer  AusschHessung  von  städtischen  Ange- 
legenheiten begonnen.  Schon  im  Jahre  1280  trafen  wir  Pietro 
Stefaneschi  als  Podesta  von  Florenz  und  zwölf  Jahre  später 
erscheinen    Giovanni    Colonna   und   Gentile   Orsini   unter  den 


Die  Orsini.  39 

Candidaten  für  dasselbe  Amt,  für  welches  ein  Ausschuss  von 
Wahlmännem  des  Consiglio  del  popolo  von  sechs  zu  sechs 
Monaten  vier  Namen  vorzuschlagen  pflegte.  Die  geringe  Zahl 
von  Namen  römischer  Edelleute  in  solchen  Magistraturen  ita- 
lienischer  Städte,  welche  Kechtskunde  erforderten,  deutet 
schon  darauf  hin  dass  sie  sich  meist  mit  dem  Kriegswesen 
befassten,  bürgerliche  Aemter  aber  dem  Adel  päpstUcher  Pro- 
vinzen und  des  obern  Italiens  überliessen. 

Am  höchsten  stieg  im  vierzehnten  Jahrhundert  die  Macht 
der  Orsini.  Nicht  Rom  und  der  südHche  Theil  des  Kirchen- 
staats allein  waren  ihr  Schauplatz,  sondern  gleicherweise  das 
Königreich  Neapel.  Keine  andere  römische  FamiUe  hat  sich 
in  80  viele  Zweige  getheilt,  von  denen  mehre  bis  zum  Anfang 
des  achtzehnten  Jahrhundert«  blühten  das  eine  einzige  der- 
selben fortpflanzen  sah.  In  Nicolaus*  III.  und  Bonifaz'  VIII. 
Tagen,  in  denen  Heinrichs  VII.  und  Ludwigs  des  Baiem,  in 
Colas  di  Rienzo  Zeit  und  jener  des  Schismas  haben  wir  mehre 
dieser  orsinischen  Linien  kennen  gelernt.  Nicolaus'  III.  Vaters- 
bruder Napoleone  Senator  im  Jahre  1244  war  es,  von  dem  die 
neapoHtanische  Linie  der  Grafen  von  Manupello  stanmite.  Auf 
des  Papstes  Brüder  aber  leiteten  alle  übrigen  Zweige  ihren 
Ursprung  zurück.  Auf  Rinaldo  den  Vater  des  vielgenannten 
Cardinais  Napoleone  die  Herren  von  Marino  und  Monterotondo. 
Auf  Matteo  die  von  Monte  Giordano,  welche  ^  wir  so  in  den 
letzten  Hohenstaufenzeiten  wie  unter  Heinrich  VII.  an  der 
Spitze  der  Vorkämpfer  der  anjouschen  Partei  und  nachmals 
bald  mit  bald  gegen  Rienzi  fanden.  Auf  Gentile  die  Grafen 
von  Nola  und  Pitighano  und  die  Fürsten  von  Tarent.  Auf 
Napoleone  den  jungem  alle  übrigen  Zweige  die  sich  nach 
dem  stadtischen  Campo  di  fiore,  nach  Tagliacozzo  und  Alba 
in  den  Abruzzen,  nach  Gallese,  Mentana,  Bracciano  in  der 
römischen  Campagna,  nach  Gravina,  Pacentro,  Oppido  im 
Königreich  Neapel  nannten.  Kein  anderes  der  römischen  Ge- 
schlechter hatte  so  reiche  Heiraten  gemacht.  Durch  Anastasia 
von  Montfort,  die  Tochter  des  Mörders  des  enghschen  Prinzen, 
waren  Nola  im  Königreich,  Sovana  und  Pitighano  in  der  siene- 
sischen  Maremma,  jenes  das  Erbe  ihres  Vaters  diese  das  ihrer 
Mutter  Margherita  degh  Aldobrandeschi,  zu  Ende  des  dreizehn- 
ten Jahrhunderts  an  Romano  Orsini  gekommen,  den  wir  mehr 
denn  einmal  als  König  Roberts  Stellvertreter  im  Senatorsamte 


40  Die  Orsini. 

finden,  und  dessen  Nachkommen  diese  bedeutenden  eine 
Zeitlang  mit  dem  Fürstenthum  Salemo  verbundenen  Lehne 
zum  Theil  bis  zum  siebzehnten  Jahrhundert  gehörten.  Durch 
Luise  von  Bourbon-Enghien,  die  Gemalin  Raimondello  Orsinis 
von  der  Linie  von  Nola,  kam  an  diesen  die  Grafschaft  Lecce 
nebst  anderm  Besitz  in  Terra  d*Otranto.  Der  Erwerb  des 
Fiirstenthums  Tarent  verschaJSfte  Raimondello  eine  Macht  welche 
in  den  Tagen  Ladislaus*  und  der  zweiten  Johanna  beinahe  der 
königlichen  gleichkam,  während  seine  Linie  sich  mit  den  Du- 
razzesken  wie  mit  den  Aragonesen  verschwägerte.  Die  schon 
erwähnte  Linie  von  Manupello  hatte  das  Marquisat  von  Valle 
Siciliana  in  der  Provinz  Teramo,  nach  dessen  Hauptort  sie 
sich  nannte,  durch  Heirat  Napoleone  Orsinis  mit  der  Erbtochter 
eines  Grafen  von  Chieti  erlangt,  während  an  den  Zweig  von 
Nola  durch  Verschwägerung  mit  den  Del  Balzo  ansehnliche 
Güter  in  ÄpuUen  kamen.  In  Roms  Umgebung  gehörten  den 
Orsini  ausser  den  bereits  genannten  Orten  auf  dem]  rechten 
Tiberufer  Isola  das  alte  Veji,  Santa  Severa,  Anguillara,  Tre- 
vignano,  Fiano,  Campagnano,  welches  im  Jahre  1343  von  den 
Annibaldi  für  achttausend  Goldgulden  verkauft  worden  war, 
Cesano,  in  den  Sabiner  Beiden  Anticoh  welches  von  den  staufi- 
schen D'Antiochia  an  sie  gelangt  war,  Licenza,  Vicovaro, 
Arsoli,  Castel  Madama,  an  den  Albaner  Hügeln  und  gegen  das 
3Ieer  zu  Rocca  di  Papa,  Ardea,  Astura.  In  Rom  hatten  sie 
Wohnungen  und  Burgen  in  den  Ruinen  des  Pompejustheaters, 
bei  Piazza  Navona,  an  Via  di  Monterone,  auf  Monte  Giordano, 
am  Tiberufer  des  Marsfeldes,  in  Trastevere.  In  allen  Kriegen 
und  Fehden  der  Päpste  seit  der  Mitte  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts begegnen  wir  den  Orsini,  meist  auf  päpsthcher 
Seite.  Nicola  Graf  von  Nola,  der  Verehrer  der  h.  Brigitte  von 
Schweden ,  diente  unter  Albornoz ,  schützte  Urban  V.  in  Viterbo, 
war  in  Rom  unter  Urban  VI.  beim  Beginn  des  Feldzugs  Carls 
von  Durazzo  gegen  Johanna  I.  Der  Cardinal  Tommaso  und 
dessen  Bruder  Ugolino  von  Manupello  werden  oft  genannt  in 
den  langwierigen  Fehden  im  Patrimonium  und  in  Umbrien  unter 
Urban  VI.,  zu  welchem  sie  in  arge  Misverhältnisse  geriethen. 
Um  dieselbe  Zeit  finden  wir  zwei  andere  orsinische  Brüder  auf 
Seiten  des  Gegenpapstes ,  den  Cardinal  Jacopo ,  welcher  Urban 
in  TivoU  verliess,  und  dessen  Bruder  Rinaldo ,  welcher  im  Pa- 
trimonium und  in  Umbrien  Clemens'  VH.  Fahne  aufpflanzte  und 


Die  Colonna.  41 

in  Aquila  ermordet  ward.  Hingegen  befreite  Raimondello  von 
Tarent  Urban  aus  dem  belagerten  Nocera  und  wurde  von  ihm 
zum  Bannerträger  der  Kirche  gemacht.  Paolo  Orsini  endlich, 
welcher  im  August  1416  im  Kampfe  gegen  Braccio  da  Montone 
am  Colfiorito  auf  der  Strasse  von  Umbrien  nach  den  Marken 
den  Tod  fand,  hatte  allen  Päpsten  des  Schismas  gedient  und 
sich  ebensosehr  als  tüchtiger  Kriegsmann  bewährt,  wie  er  sich 
durch  mehrfachen  Parteiwechsel  in  Übeln  Ruf  gebracht  haben 
würde,  wäre  solcher  Wechsel  nicht  Condottierenart  gewesen. 

Die  glänzendste  Zeit  der  Colonna  schien  mit  dem  alten 
Stefano  und  seinen  Söhnen  vorüber.  Die  beiden  oft^enannten 
Hauptlinien  des  Geschlechts  welche  von  Giovanni,  Markgrafen 
von  Ancona  im  Jahre  1288,  durch  dessen  Söhne  Stefano  und 
Ägapito  stammten,  die  von  Palestrina  und  Genazzano,  blühten 
in  den  Nachkommen  fort,  während  eine  dritte  Linie  Zagarolo 
im  Besitz  hatte,  jene  von  Giacomo  Sciarra  dem  wilden  Partei- 
ganger der  Zeiten  Bonifaz' VUI. ,  Heinrichs  VII.,  Ludwigs  des 
Baiem.  Bis  zum  Jahr  1357  kommen  Colonna  der  verschiedenen 
Zweige  wiederholt  als  römische  Senatoren  vor,  dann  verschwin- 
den sie  mit  den  übrigen  Baronen  um  in  den  Wirren  des  Schis- 
mas um  so  öfter  wiederzuerscheinen.  Beim  Beginn  dieser  Zeit 
sahen  die  Colonna  von  Palestrina  an  ihrer  Spitze  die  Brüder 
Giovanni  und  Niccolo,  von  denen  die  Geschichte  der  Stadt  und 
der  Päpste  nur  zu  viel  zu  erzählen  hat  bis  zu  den  letzten  Tagen 
des  Concils  von  Constanz.  Wie  unabhängig  die  Familie  da- 
stand zeigt  schon  der  eine  Umstand,  dass  Sancia  Caetani  die 
Wittwe  Stefanellos  und  Mutter  der  eben  Genannten  sich  im 
Jahre  1362  mit  Velletri  gegen  Rom  verbündete.  Wie  die  Or- 
sinen  sich  namentUch  auf  Neapel  stützten,  richteten  diese  Co- 
lonnesen  ihre  Blicke  besonders  nach  dem  mittlem  und  nörd- 
lichen Italien,  dienten  als  ächte  Condottieren  für  wie  gegen 
die  Visconti,  traten  in  genaue  Beziehungen  zur  RepubUk  Flo- 
renz die  sie  im  Jahre  1395  unter  ihre  Schutzbefohlenen  (Racco- 
Diandati)  aufnahm.  Solchen  Beziehungen  und  Dienstleistungen, 
die  mit  Angriffen  auf  Rom  und  die  Päpste  abwechselten,  ver- 
dankten sie  wenn  nicht  bleibende  Vermehrung  ihres  Land- 
besitzes doch  ansehnUchen  Erwerb,  wie  ihnen  denn  einmal 
Carrara,  Ripafratta  und  andere  Orte  der  Lunigiana  und  des 
Gebiets  von  Lucca  verpfändet  »^iirden.  Vor  dem  Ende  des 
vierzehnten  Jahrhunderts   erlosch   die   Linie   Sciarras   in   den 


42  nie  Coloima.     Die  Präfecteii  von  Vico. 

beiden  von  UrbanVI.  ernannten  Cardinälen  Agapito  und  Ste- 
fano, von  denen  der  letztere  in  wildstürmischer  Jugend  zu 
ganz  anderm  als  zu  geistlichen  Würden  berufen  schien.  Ihr 
Besitz,  darunter  Zagarolo,  wo  die  italienischen  Cardinäle  beim 
Beginn  des  Schismas  Aufnahme  gefunden  hatten,  wurde  mit 
dem  des  Zweiges  von  Palestrina  vereint.  So  besass  dieser  eine 
ganze  Reihe  Ortschaften  an  den  Abhängen  der  Sabiner  und 
Hemiker  Berge,  ausser  den  erwähnten  Gallicano,  S.  Gregorio, 
Castelnuovo  de*  monti  u.  m.  a.,  wozu  nach  der  Versöhnung 
mit  Bonifaz  IX.  das  Yicariat  in  Gallese  und  andere  Verleihungen 
kamen.  Unterdessen  machte  die  Linie  von  Genazzano  sich  nicht 
minder  bemerkhch.  Auch  sie  hatte  ansehnhchen  Grundbesitz 
längs  den  Hemiker  und  Aequer  Bergen,  von  der  Umgebung 
Palestrinas  an  gegen  das  Thal  des  Sacco  zu,  Olevano,  Cici- 
Uano ,  San  Vito ,  Pisciano ,  nebst  Rechten  in  Nepi ,  Correse  und 
anderen  Orten.  Fabrizio  hatte  im  Jahre  1373  gegen  Velletrt 
Krieg  gefuhrt;  sein  Bruder  Agapito  hatte  bei  der  Wahl  ür- 
bans  VI.  durch  seinen  Einfluss  auf  das  römische  Volk  schlim- 
meres verhütet,  sah  sich  aber  in  seinen  Bemühungen  zur  Ver- 
Innderung  des  Schismas  getäuscht.  Einer  der  Söhne,  die  ihm 
von  Caterina  Conti  geboren  wurden,  Oddo,  war  von  der  Vor- 
sehung dazu  bestimmt,  diesem  Schisma  ein  Ende  zu  machen. 
Auch  diese  Colonnesen  standen  in  Verbindung  mit  König  La- 
dislaus  welcher  einepi  ändern  Sohne  Agapitos  Giordano  im 
Jahre  1401  eine  ansehnUche  Leibrente  aussetzte.  Der  älteste 
dieser  Söhne  aber,  Lorenzo  Onofrio,  war  der  Stammvater  jener 
Colonnesen  welche,  wie  uns  der  Verlauf  dieser  Geschichte 
zeigen  wird,  im  fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahrhundert  zu 
grosser  Macht  und  hellem  Glänze  gelangten.  Die  Wohnungen 
in  Rom  waren  dieselben  geblieben  wie  in  ältesten  Zeiten,  am 
Fusse  und  Abhang  des  Quirinals  zwischen  Apostelplatz  und 
Trajans- Forum.  Die  Veste  der  Agosta  war,  wie  wir  durch 
Poggios  Schilderung  vernommen,  nicht  wiederhergestellt  worden. 
Kein  anderes  der  römischen  Geschlechter  konnte  mit  diesen 
beiden  wetteifern,  denn  das  Haus  derPräfecten  ist  ungeachtet 
des  vom  Erbamte  entlehnten  Titels  kaum  den  römischen  beizu- 
zählen, indem  es,  ungleich  den  übrigen  Baronen,  in  Rom  in 
späterer  Zeit  keinen  eigentUchen  Wohnsitz  hatte.  Sonst  gehör- 
ten die  Präfecten  zu  den  mächtigsten  päpstUchen  Lehnsträgern. 
Ihr  Abhängigkeitsverhältniss   war    meist    nur   ein  nominelles. 


Die  Präfecteii  von  Vico.    Die  Savelli.  43 

während  zuzeiten  der  grösste  Theil  des  PatrimoniumB,  ja  Land 
und  Städte  über  das  Patrimonium  hinaus,  von  Civitavecchia 
bis  Orvieto  ihnen  gehorchten,  und  ihre  Besitzungen  auf  der 
Südseite  des  Ciminischen  Berges,  um  jenes  Vico  nach  welchem 
sie  gewöhnlich  benannt  wurden,  sie  für  Päpste  und  Stadt  zu 
gefurchteten  Nachbarn  machten.  Denn  sie  waren  ein  wildes 
gewaltsames  Geschlecht,  und  die  Geschichte  der  dem  Anfang 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  vorausgegangenen  hundertfiinfzig 
Jahre  zeigt  sie  in  steten  blutigen  Kämpfen  gegen  Papstgewalt 
und  freie  Gemeinde,  wie  ihre  nachfolgende  Geschichte  bis  zu 
ilirem  Ausgange  unter  Eugen  IV.  sie  femer  zeigen  wird.  Auf 
den  Pietro  der  Zeit  Manfreds  und  Conradins,  der  noch  die 
Tiberinsel  beherrschte,  auf  den  Manfred  der  Zeit  Heinrichs  VII. 
war  Giovanni  gefolgt,  einer  der  gewaltthätigsten  und  mächtig- 
sten des  Hauses,  der  dem  Tribun  Cola  wie  dem  Cardinal  Al- 
bomoz  viel  zu  schaffen  machte;  auf  diesen  sein  Sohn  Francesco, 
der  die  Wirren  des  Schismas  ebenso  zu  benutzen  wusste  wie 
nach  seiner  in  Viterbo  1387  erfolgten  Ermordung  Giovanni 
Sciarra,  dessen  zweiter  Name  auf  Colonnasche  Verwandtschaft 
deutet.  Inderthat  waren  die  von  Vico  mit  mehren  der  edel- 
sten Geschlechter  verschwägert.  Der  Präfecturstaat  hatte  in 
verschiedenen  Zeiten  verschiedene  Grenzen  und  die  wieder- 
holten Vertrage  mit  den  Päpsten  und  der  Stadt  zeigen,  wie 
schwankend  die  Lehnsverhältnisse  waren. 

Von  den  übrigen  grossen  Baronenfamilien  hatten  mehre 
eine  bedeutende  Stellung.  Zu  diesen  gehörten  vorerst  die  Sa- 
velh.  Die  Annalen  des  römischen  Senats  weisen  auch  in  der 
ersten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  wiederholt  ihren 
Namen  auf,  die  Geschichte  der  städtischen  Kämpfe  zeigt  uns 
die  Mitglieder  dieses  Papstgeschlechts  häufig  in  das  nicht 
rastende  Factionswesen  verwickelt.  Von  der  Mitte  des  er- 
wähnten Jahrhunderts  an  bUeb  die  römische  Marschallswürde 
nebst  der  Conclave wache,  welche  zuerst  Luca  SavelU  nach 
dem  Tode  Papst  Clemens*  IV.  in  Viterbo  übertragen  worden 
war,  in  ihrer  Familie,  die  sich  um  dieselbe  Zeit  in  vier  Linien 
theilte,  welche  später  nach  den  Orten  Rignano,  Ariccia,  Al- 
l>ano,  Palombara  benannt  wurden.  Ueberdies  gehörten  ihnen 
Castcl  Savello,  Castel  Gandolfo  und  Rocca  Priora  in  den  Al- 
baner Hügeln.  Auch  die  Savelli  suchten  auswärtigen  Kriegs- 
dienst    Paolo   der   Stifter  der  Linie  von  Rignano   diente  in 


44  Die  Savelli,  Conti,  Caetani. 

Neapel  und  Mailand  wie  den  Sienesen  und  Venetianem  und 
fand  im  Jahre  1405  im  Kriege  -Venedigs  gegen  Padua  den  Tod« 
durch  Statue  und  Inschrift  in  Sta  Maria  gloriosa  de*  Frari  ge- 
ehrt. In  den  Kämpfen  während  des  Schismas  hielten  die  Sa- 
veUi  es  meist  mit  den  Colonnesen.  Ihre  vornehmste  Burg  in 
Rom  war  die  vormalige  derPierleoni  im  Marcellustheater,  eine 
andere  hatten  sie  im  Bion  Parione,  wo  noch  eine  Strasse  ihren 
Namen  trägt.  Der  mit  dem  Marschallsamte  verbundene  Ge- 
richtshof der  Familie,  Corte  Savella,  welcher  zugleich  Gefäng- 
nisse einschloss  und  in  der  heutigen  Via  di  Monserrato  bei 
dem  engUschen  CoUegium  lag,  bestand  bis  zur  Zeit  Innocenz'  X., 
der  ihn  aufhob  und  das  Gebäude  abtragen  liess,  nachdem  er 
um  die  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  die  Carceri  nuove 
an  Via  Giulia  gebaut  hatte.  Die  Conti  werden  in  den  römi- 
schen Händeln  wenig  genannt.  Aber  sie  bewahrten  ansehn- 
lichen Besitz  so  an  den  Sabiner  Bergen  wie  in  Campanien.  Dort 
Poli  und  Guadagnolo,  hier  Valmontone.  Im  Jahre  1353  hatten 
sie  durch  einen  Vertrag  mit  der  Comune  das  Dominium  in 
dem  .bis  dahin  unmittelbar  päpstlichen  Segni  erlangt,  ein  Do- 
minium welches  Papst  UrbanVI.  in  seinem  ersten  Regierungs- 
jahre den  Brüdern  Ildebrandino  und  Adenolfo  de'  Conti  be- 
stätigte ,  wie  er  es  in  Bezug  auf  das  Vicariat  in  anderen  Orten, 
inAlatri,  CoUepardo,  Guarcino,  PaUano,  Serrone  u.  s.  w.  that 
Später  brachen  Mishelligkeiten  zwischen  den  Conti  und  dem 
Papste  aus,  welcher  im  Jahre  1388  Niccolo  Valeriani  von  Pi- 
perno  mit  der  Besitznahme  der  Contischen  Lehne  und  Güter 
beauftragte.  Unter  Bonifaz  IX.  fand  indess  ein  Vergleich  statt 
und  nach  manchen  Wechseln  bestätigte  das  Concil  zu  Con- 
stanz  im  Jahre  1417  Udebrandinos  Sohne  Alto  das  Rectorat  in 
Campanien  und  Marittima  und  den  Besitz  der  von  seinen  Vor- 
fahren überkommenen  Orte.  Eine  Bestätigung  welche  Mar- 
tin V.,  zu  dessen  Wahl  Altos  Bruder  Cardinal  Lucio  mitgewirkt 
hatte,  im  Jahre  1428  unter  HinzufQgung  verschiedener  Ort- 
schaften erneuerte.  Auch  die  Caetani  erlebten  in  den  Wirren 
des  Schismas  manchen  Glückswechsel,  wie  denn  die  Geschichte 
dieser  Familie  überhaupt  von  den  Zeiten  an ,  wo  sie  in  der  Ge- 
schichte Roms  eine  Rolle  zu  spielen  beginnt,  an  solchen  Wech- 
seln Ueberfluss  gehabt  hat.  Ihre  Doppelstellung  als  neapoli- 
tanische  imd  päpstliche  Lehnträger  brachte  ihnen  Heil  und 
UnheiL    Schon  bald  nach  Bonifaz' VIII.  Tode  hatten  sie  sich 


Alberteschi,  Venturiiii.  Sordi.  Frangipani.  45 

vorzugsweise  auf  König  Robert  gestützt.  Im  Gefolge  Herzog 
Carls  von  Calabrien,  als  dieser  im  Jahre  1326  seinen  feierlichen 
Einzug  in  Florenz  hielt  das  ihn  zu  seinem  Signore  gewählt 
hatte,  finden  wir  des  Papstes  Neffen  Loffredo  Grafen  von 
Fondi;  der  König  hatte  im  März  1327  durch  schiedsrichterlichen 
Spruch  den  Vergleich  zwischen  den  Caetani  und  der  Colonna- 
schen  Partei  herbeigeführt.  Auch  nachmals  war  die  Familie 
mehrmals  in  sich  selber  uneins,  in  bald  befreundeten  bald 
feindhchen  Beziehungen  zu  den  Anjous  und  Durazzesken  ge- 
blieben. Wie  sie  in  die  Geschicke  des  Kirchenstaats  eingriff, 
hat  die  Geschichte  Onoratos  von  Fondi  gezeigt.  Die  Ver- 
schwägerung mit  den  TomacelU  zog  sie  in  das  Interesse  Boni- 
faz'  EL  Die  Linie  Giacomos,  welche  durch  Verleihung  dieses 
Papstes  zu  dem  Besitz  der  dem  Grafen  von  Fondi  genommenen 
römischen  Wohnungen  gelangt  war,  kämpfte  im  Jahre  1412 
mit  den  Orsini  far  Papst  Johannes  XXIU.  gegen  König  Ladis- 
laus.  Dieser  rächte  sich  durch  Confiscation  ihrer  Lehne  in  der 
Marittima  die  er  jedoch  im  Sommer  des  folgenden  Jahres  Gia- 
como  Caetani  und  seinem  Sohne  Cristoforo  zurückgab.  Im 
Jahre  1418  waren  diese  auch  wieder  im  Besitz  von  Fondi.  Im 
römischen  Gebiete  bewahrten  sie  ihre  Castelle  und  Landschaften 
von  den  Abhängen  des  Volsker  Gebirges  gegen  das  Meer  zu. 

Eine  Menge  römischer  Geschlechter,  welche  sich  im  frühern 
Mittelalter  bemerklich  machten,  waren  zu  Anfang  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  theils  ausgestorben  theils  dem  Erlöschen 
nahe,  theils  hatten  sie  ihre  alte  Bedeutung  verloren.  Noch 
finden  wir  um  diese  Zeit  die  Normanni  Alberteschi ,  welche  im 
Jahre  1371  Haus  und  Thurm  in  Trastevere  verkauft  hatten, 
auf  dem  etruskischen  Tiberufer  im  Besitz  von  Castel  di  Guido 
dem  alten  Lorium  imd  von  Maccarese  oder  Fregenae,  docli 
ging  dieser  Besitz  bald  an  die  Grafen  von  Anguillara  über. 
Cerveteri  gehörte  um  dieselbe  Zeit  den  Venturini  welche  nach 
der  Mitte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ausstarben.  Tor  de' 
Sordi  zwischen  TivoU  und  MonticelU  erinnert  durch  seinen 
Namen  an  die  Familie  die  es  bis  in  das  gedachte  Jahrhundert 
hinein  besass.  Das  letzte  Castell  der  nach  Friaul  vielleicht 
nach  Ungarn  übergesiedelten  Frangipani  in  Roms  Umgebung 
scheint  Nettuno  gewesen  zu  sein.  Zwar  pflanzte  sich  in 
Rom  noch  eine  ihrer  Linien  fort,  die  im  Jahre  1635  erlosch, 
aber  zu    rechter  Bedeutung   erhoben    sie    sich   nicht  wieder. 


46  Andere  Familien  und  Klöster  im  Landbesitz. 

Die  Capocci  besassen  eine  Zeitlang  Castell*  Arcione  in  der 
Nähe  von  Grotta  ferrata  welches  die  Tivolesen  vor  Martins  Y. 
Ankunft  als  Wegelageremest  zerstörten,  die  Branca  Pradca, 
damals  kein  Ort  sondern  ein  blosses  Casale,  die  Capizucclii 
zeitweilig  Castel  Gandolfo.  Weder  die  Annibaldi ,  welche  in  der 
Stadt  neben  den  Frangipani  bei  und  an  dem  Colosseum  wohn- 
ten, noch  andere  einst  vielgenannte  Geschlechter  hatten  in  der 
Campagna  grössern  Besitz.  Das  einst  so  feste,  noch  unter 
Innocenz  VII.  belagerte  annibaldische  Cast«l  Molara  scheint  um 
diese  Zeit  verlassen  und  in  Trümmer  gesunken  zu  sein,  viel- 
leicht auch  wegen  der  zunehmenden  Fieberluft  des  Thaies  in 
welchem  es  lag  gemieden.  Noch  aber  nannte  sich  nach  ihm  der 
Zweig  der  Annibaldi,  der  erst  zu  Ende  des  achtzehnten  Jahr- 
liunderts  erlosch.  Wenn  wir  von  den  obenerwähnten  Familien 
absehn,  gehörten  die  übrigen  Ortschaften  den  geistlichen  Orden, 
so  Ardea,  Castel  dell*  Osa,  Monticelli,  Riano  dem  Kloster  St. 
Paul,  Castel  Giubileo  dem  von  S.  Ciriaco,  Genzano  und  Nemi 
dem  von  S.  Anastasio ,  CastigUone  (Gabii)  den  Vallombrosanern 
von  Sta  Prassede ,  Subiaco  und  Saracinesco  der  Abtei  des  erstem 
dieser  Orte.  Der  kleinere  römische  Adel  hatte  grossentheils 
(rrundeigenthum  aber  wenige  Ortschaften.  Von  den  Baronen 
trennte  ihn  dieselbe  Scheidewand  die  noch  heute  zwischen  den 
Fürstengeschlechtern,  obgleich  grossentheils  neuern  Ursprungs, 
und  den  übrigen  Familien  besteht  von  denen  manche  älterm  Adel 
angehören.  Bei  den  nicht  zahlreichen  römischen  Historikern 
der  zweiten  Hälfte  des  vierzehnten  und  der  ersten  des  fünfzehn- 
ten Jahrhunderts  begegnen  wir  zahlreichen  Namen  von  Perso- 
nen und  Geschlechtern  die  in  städtischen  Dingen  eine  gewisse 
Bedeutung  hatten,  von  denen  jedoch  in  späteren  Zeiten  kaum 
eine  vereinzelte  Spur  gebheben  ist 

Ueberhaupt  war  das  Grosswerden  und  Verschwinden  der 
Famihen  hier  zu  jeder  Zeit  ein  auffallend  rasches.  Wenn  man 
heute  das  Verzeichniss  der  Nobili  coscritti  ansieht,  jener  sechzig 
Famihen  welche  den  capitolinischen  Adel  im  engem  Sinne  bil- 
den, so  wundert  man  sich  verhältnissmässig  wenige  alte  römi- 
sche Geschlechter  unter  ihrer  Zahl  zu  finden;  eine  Verwun- 
derung die  sich  noch  steigert  wenn  man  in  Anschlag  bringt, 
dass  manche  der  gegenwärtigen  Adelsgeschlechter  von  den 
alten  nur  die  Namen  haben.  Es  ist  hier  jedoch  immer  so 
gewesen.     Zu  Anfang  des  lunfzehnten  Jahrhunderts   war  die 


Massimi.    Biicimazza.  47 

Mehrzahl  der  nicht  baronalen  Familien  verschwunden,  die 
entweder  altem  Adel  angehörten  oder  vor  und  in  der  Ho- 
henstaufenzeit  aus  dem  hohem  Bürgerstande  aufgestiegen 
waren,  oder  aber  wenn  sie  noch  bestanden  war  wenig  von 
ilmen  die  Rede.  Doch  gab  es  begreiflicherweise  manche  Aus- 
nahmen. Zu  diesen  gehören  in  erster  Reihe  die  Massimi.  Ein 
altes  ursprünglich  römisches  Geschlecht ,  von  welchem  sich  vom 
Anfang  des  eilften  Jahrhunderts  an  zahlreiche  Spuren  finden 
und  das  sich  in  stetem  Fortschritt  in  bürgerlichen  Aemtern 
und  durch  Betriebsamkeit  wie  durch  Thätigkeit  im  gelehrten 
Fache  gehoben  hat,  bis  es  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts 
unter  den  Baronalfamilien  Platz  nahm,  auch  heute  noch  auf 
wissenschaftlichem  Felde  ehrenvoll  genannt.  Die  Massimi, 
welche  wir  von  P.  Alexanders  III.  Zeiten  an  im  Rion  Parione 
angesessen  finden,  kommen  zuerst  im  Jahre  1012  urkundlich 
vor,  mit  Leone  di  Stefano  de  Maximo  welchen  eine  Grabschrift 
in  S.  Alessio  als  Iudex  dativus  bezeichnet.  Zwei  von  ihnen, 
Beide  Massimo  de'  Massimi  genannt,  erscheinen  um  die  Mitte 
des  eilften  wie  des  zwölften  Jahrhunderts  in  Urkunden  von 
S.  Gregorio  am  Caelius.  Im  Jahre  1346  finden  wir  Andrea 
de*  Massimi  als  Palatinalrichter  und  Senatsverweser.  In  dem 
Jahrhundert,  dessen  Betrachtung  uns  hier  beschäftigt,  werden 
wir  den  Männern  dieser  Familie  wiederholt  begegnen.  Wäh- 
rend die  den  Fürstentitel  von  Arsoü  führende  Primogenitur- 
liuie  in  den  mehrfach  umgebauten  Häusern  ihrer  Vorfahren 
wohnen  blieb,  siedelte  eine  I^ebenUnie,  welche  sich  nach  dem 
vormals  savellischen  Lehn  Rignano  nennt,  nach  den  Wohnun- 
gen der  Boccabella  über,  die  von  der  Lage  derselben  am  capi- 
tolinischen  Markte  »de  Mercato«  hiessen. 

Zu  den  älteren  im  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts 
mehr  oder  minder  oft  genannten  Familien,  die  zum  Theil  heute 
noch  bestehn,  während  an  manche  derselben  nur  die  Namen 
von  Strassen  oder  Palästen  erinnern,  gehörten  die  Bucimazza. 
Kine  ärmliche  Gasse  unter  dem  westUchen  Abhänge  des  tar- 
pejiscben  Felsens  führt  ihren  Namen;  einer  von  ihnen,  durch 
Honorius  IV.  zum  Cardinalat  befördert,  starb  in  Avignon,  und 
der  Verfasser  des  Decameron  berichtet  von  Pietro  Boccamazza 
in  einer  Novelle  welche  von  der  Unsicherheit  der  römischen 
Umgebungen  um  die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  Zeug- 
niss  ablegt.    Den  Namen  der  Piazza  Montanara,  in  deren  Nähe 


48  Montanari.    Cesarini.    Mattei.    Cafiarelli  u.  a. 

Via  Bucimazza  sich  befindet,  leiten  Manche  nicht  von  dem 
Landvolk  ab  welches  dort,  auf  dem  alten  Forum  OUtorium, 
heute  noch  seinen  Mittelpunkt  für  Ackerbaubetrieb  und  Oeko- 
nomie  findet,  sondern  von  der  Familie  der  Montanari,  die  im 
vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhundert  in  stadtischen  Aemteru 
häufig  vorkommt  und  aus  welcher  die  Cesarini  hervorgingen. 
Aber  die  Montanari  hatten  ihre  Wohnungen  in  den  Ruinen 
des  flaminischen  Circus  wo  ihnen  die  Cesarini  folgten,  deren 
Glanzzeit  mit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  begann  und  deren 
Name  einer  Kirche  und  Strasse  dieser  Stadtgegend,  des  da- 
maligen Calcaranum,  gebUeben  ist.  In  der  Nähe  hatten  schon 
im  vierzehnten  Jahrhundert  die  Mattei  sich  angesiedelt,  altem 
trasteverinischen  Ursprungs,  einst  de  Papa  oder  Papareschi  wie 
Papst  Innocenz  IT.  hiess ,  dann  unter  dem  Namen  Romani  vor- 
konunend ,  endlich  Mattei  genannt  und  in  zwei  Zweige  getheilt 
von  denen  der  eine  in  Trastevere  blieb,  der  andere  im  Rion 
Sant'  Angelo  angesessene  zu  grossem  Reiehthum  und  Ansehn  ge- 
langte. Auch  die  Cafiarelli  gehörten  zu  den  alten  einheimischen 
Geschlechtern.  Ein  Stefano  di  Cafiarello  konmit  im  Jahre  1190 
unter  den  MitgUedem  des  römischen  Adels  vor;  in  der  Erzäh- 
lung von  dem  Stiergefecht  des  Jahres  1332,  in  der  Geschichte 
des  Römerzugs  Ludwigs  des  Baiern,  in  jener  der  Krönung 
Petrarcas  werden  sie  genannt.  Ihre  Wohnimgen  waren  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  an  Via  papale,  wo  im  sechzehnten 
nach  Rafiael  Sanzios  Zeichnung  der  Palast  für  sie  gebaut  ward 
welchen  Carl  V.  bewohnte.  Nicht  weit  von  dort  siedelten  sich 
unter  Martin  V.  die  Della  Valle  an,  gleichfalls  eine  Familie 
römischen  Ursprungs  deren  alte  Wohnung  an  der  SaUta  di 
Marforio  bei  Sta  Martina  lag.  Paolo  della  Valle,  Arzt  der 
Päpste  Alexander  V.  und  Martin  V. ,  war  namentlich  durch 
Cardinal  Isolanis  Gunst  reich  imd  zum  städtischen  Kauzleramt 
befördert  worden ,  und  hatte  den  Grund  zu  dem  Häusercomplex 
gelegt,  der  seinen  Namen  in  der  römischen  Topographie  ver- 
ewigt hat.  Die  Händel  der  Della  Valle  mit  den  Santacroce 
spielen  in  der  Geschichte  des  spätem  fünfzehnten  Jahrhunderts 
eine  blutige  Rolle.  Die  Santacroce,  welche  auf  altrömischen 
Ursprung  Anspruch  erheben  indem  sie  von  den  Valeriem 
stammen  wollen,  gehören  jedenfalls  zu  den  alten  einheimischen 
Adelsgeschlechtern.  Bevor  sie  den  Palast  an  Piazza  de* 
Branchi  bauten,  wohnten  sie  an  der  heutigen  Piazza  d'AraceU 


Andere  städtische  Familien.  49 

und  an  Piazza  Giudia.  Erst  in  der  Folgezeit  erscheinen  sie 
häufiger  in  der  stadtischen  Geschichte  die  von  ihren  zahl- 
reichen Fehden  zu  berichten  hat.  Die  Sanguigni,  an  welche 
noch  der  nach  ihnen  benannte  Platz  mit  dem  schon  erwähnten 
Thurme  erinnert,  kamen  im  vierzelinten  Jahrhundert  empor 
und  erscheinen  gegen  dessen  Ende  in  bürgerlichen  und  mili- 
tärischen Aemtern.  Zu  Anfang  des  folgenden  gehörten  sie  zu 
den  eifrigen  Parteigängern  König  Ladislaus',  und  Riccardo 
Sanguigni,  einer  der  beim  Ueberfall  der  Colonnesen  im  Juni 
1407  gefangenen  Führer,  wurde  auf  Befehl  Paolo  Orsiuis  hin- 
gerichtet, was  seine  Angehörigen  nur  noch  mehr  in  ihrer 
Parteinahme  bestärkte,  so  dass  Buccio  und  Pietro  Sanguigni 
sich  zwei  Jahre  später  bei  dem  Angriff  der  Königlichen  auf 
die  Engelsburg  hervorthaten.  Mit  Riccardo  Sanguigni  fanden 
damals  Galeotto  Normanni  und  Corradino  d'Antiochia  den  Tod. 
Das  Geschlecht  des  Letztern  verschwindet  auf  dem  Blutgerüst 
aus  der  römischen  Geschichte. 

Es  würde  zu  weit  fuhren ,  alle  oder  nur  die  Mehrzahl  der 
städtischen  Familien  namhaft  zu  machen  von  denen  manche 
yerschwunden ,  andere  in  spateren  Zeiten  zu  höheren  Würden 
gelangt  sind,  noch  andere  unter  veränderten  Namen  fortbe- 
stehn.  Nur  einige  derselben  mögen  noch  aufgeführt  werden; 
mehren  werden  wir  nachmals  wiederholt  begegnen.  Die 
Foschi  di  Berta,  deren  Wohnungen  mit  Thurm  und  Bogen 
auf  dem  Trajansforum  schon  erwähnt  wurden,  in  städtischen 
Aemtern  in  der  ersten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  wie 
beim  Ausgang  des  sechzehnten  vorkommend,  während  wir 
anter  Eugen  IV.  den  Cardinal  Angelotto  Foschi  finden  wel- 
cher in  der  lateranischen  Basilika,  deren  Erzpriester  er  war, 
den  Marienaltar  stiftete  und  von  einem  seiner  Leute,  den  nach 
seinem  zusammengescharrten  Golde  durstete,  im  Schlaf  er- 
schlagen wurde.  Die  Cenci,  seit  dem  eilften  Jahrhundert  ge- 
nannt und  häufig  in  bürgerlichen  Aemtern;  die  von  Pistoja 
stammenden  Cancelheri  welche  nachmals  den  Namen  Del  Bufalo 
annahmen;  die  Margani,  in  der  zweiten  Hälfte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  Herren  des  nachmals  orsinischen  Monte  Libretti 
am  Abhang  der  Sabiner  Berge,  eine  Familie  an  welche  noch 
der  Name  eines  Platzes  am  Fusse  des  capitolinischen  Hügels 
mit  Resten  alterthümlicher  Häuser  erinnert.  Die  Cardelli  kom- 
men schon  im  Jahre  1254  im  Carapomarzo  vor  wo  man  heute 

V-  Reamoat,    Rom.    III.  4 


50  Andere  städtische  Familien. 

ihre  Wohnungen  sieht  Noch  sind  die  Leni  zu  nennen,  welche 
im  Jahre  1627  in  dem  Cardinal  Giovan  Batista  Erbauer  von  S. 
Carlo  a*  Catinari  ausstarben;  die  Tebaldi  welche  Cardinäle  und 
stadtische  Kanzler  zu  den  Ihrigen  zahlten;  die  Albertoni  durch 
welche  heute  die  Altieri  fortgepflanzt  werden,  die  bereits  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  zu  den  angesehensten  stadtischen  Familien 
gehörten.  Häufig  werden  die  Serlupi  erwähnt,  welche  mit  den 
Crescentiern  zusammenhangen,  die  Astalli,  Muti,  Spexxshi,  Bussa, 
BoccapaduU,  die  Alberini  welche  um  die  Mitte  des  dreizehnten 
Jahrhimderts  in  städtischen  Aemtem  erscheinen  und  ihre  Woh- 
nungen an  Via  papale  neben  den  Caflfarelh,  andere  bei  Tor 
de'  Conti  hatten;  die  Calvi  welche  in  der  Nähe  der  Massimi 
wohnten;  die  Sinibaldi  deren  Namen  noch  Palast  und  Strasse 
in  der  Nähe  der  Rotunda  fuhren ;  die  Porcari  welche  bald  eine 
traurige  Berühmtheit  erlangen  sollten,  und  noch  lange  später 
ansehnliche  Stellung  behaupteten.  Das  alte  Trasteveriner- 
geschlecht  der  Stefaneschi  welches  mit  den  Tebaldeschi  zu- 
sammenlüng  nach  denen  eine  Strasse,  heute  de'  Cappellari 
beim  Campo  di  fiore  benannt  war;  die  Tartari  welche  zu  An- 
fang des  vierzehnten  Jahrhunderts  im  Handel  emporgekommen 
waren  und  denen  im  folgenden  die  Hälfte  von  Lunghezza,  dem 
alten  Collatia,  gehörte;  die  Musciani  die  bei  S.  Pantaleo 
wohnten  und  von  denen  zu  Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
die  Stiftung  eines  Hospitiums  ausging  an  welches  noch  der 
Name  der  Via  delle  Muratte  zwischen  Apostelplatz  und  Fon- 
tana Trevi  erinnert  —  alle  diese  FamiUen  und  zahlreiche  an- 
dere blühten  um  die  Zeit  als  das  Papstthum  seinen  alten  Sitz 
dauernd  wiedereinnahm  und  der  Verwilderung  Roms  und  seines 
Volkes  ein  Ende  machte. 

Die  Päpste  des  Schismas  hatten  sich  zwar  bemüht  die 
Ihrigen  emporzubringen,  aber  diese  Famihen  haben  für  Rom 
keine  Bedeutung  gehabt.  Die  hochstrebenden  Prignani  gingen 
bald  klägUch  unter,  die  wegen  ihrer  Habsucht  verschrieenen 
zahlreichen  Tomacelli  und  die  Cossa  gehören  Neapel,  die 
Correr  Venedig  an.  Nur  die  Mighorati  hielten  sich,  ohne  je- 
doch in  Rom  selbst  eine  RoUe  zu  spielen.  Gentile  Mighorati, 
ein  Neffe  Innocenz'  VH. ,  heiratete  Elena  Orsini  die  Tochter  Car- 
los, des  Stifters  der  Linie  von  Bracciano,  welche  nach  seinem 
Tode  im  Jahre  1433  von  Eugen  IV.  das  Lehn  Bassanello  er- 
langte und  deren  Nachkommen  gewissermaassen  in  die  orsinische 


Der  Staat.    Städte  und  Vicaiiate.  51 

Familie  aufgenommen  wurden.  Zu  diesen  gehörte  jener  Orsino 
Migliorati  Orsini,  Gemal  der  schönen  Giulia  Farnese,  welche 
in  der  Geschichte  Alexanders  VI.  nur  zu  oft  genannt  wird. 

Solcherart  waren  die  Verhältnisse  der  Stadt,  die  Zustande 
ihrer  Monumente  und  neueren  Bauten,  ilirer  Verfassung  und 
Bewohner,  ihrer  Umgehung.  Auf  den  Staat  welchen  die  Päpste 
bebeiTSchten,  möge  hier  noch  ein  fluchtiger  Blick  geworfen 
werden,  b^or  wir  zur  Erzählung  der  Begebenheiten  übergehn, 
die  der  Wiederherstellung  der  kirchlichen  Einheit  folgten. 

Wie  in  Rom  selbst,  war  die  factische  Autorität  der  Päpste 
während  des  vierzehnten  Jahrhunderts  auch  im  Kirchenstaat 
manchfaltigsten  Wechseln  unterlegen.  Der  Beginn  der  avigno- 
nischen  Zeit  fand  in  Romagna  und  Marken  zahlreiche  Vicariate 
vor.  Die  von  solcher  Familienherrschaft  unabhängigen,  dem 
directen  Dominium  der  Kirche  untergebenen  Städte  waren  mehr 
oder  minder  selbständige  Comunen  mit  städtischem  Gebiete  zu 
welchem  selbst  ansehnUche  Orte  gehörten,  mit  municipalen 
Constitutionen,  die  zwar  in  den  Grundzügen  übereinstimmten 
aber  im  Maass  der  Freiheiten  und  BewiUigungen  je  nach  älteren 
Verhältnissen  wie  nach  localer  Bedeutung  und  nach  den  Be- 
dingungen ihrer  Unterwerfung  verschieden  waren.  Auch  solche 
Städte  und  Städtchen  des  Patrimoniums  und  der  südöstli- 
chen und  südlichen  römischen  Umgebung  welche  Roms  städti- 
sche Oberhoheit  anerkannten,  verwalteten  sich  nach  eignen 
Statuten,  während  Rom  den  oder  die  obersten  Beamten  bestellte 
und  einen  Zins  in  verschiedener  Gestalt  empfing.  Das  Maass 
der  landesherrlichen  Autorität  der  Päpste  hatte  manche  Ab- 
stufungen. Kriegerische  Cardinäle  wie  Pelagrue  und  Albornoz 
dehnten  diese  Autorität  aus,  aber  mit  wechselndem  Glück. 
Bei  Urbans  V.  Rückkehr  hatte  Albornoz  den  ganzen  Kirchen- 
staat benihigt:  beim  Eintrefien  seines  Nachfolgers  Gregors  XL 
war  er  beinahe  ganz  verloren.  Die  unendhchen  Wirren  des 
Schismas  führten  dann  zu  so  zahlreichen  Veränderungen  dass 
die  päpstUchen  Provinzen  das  bunteste  Gemisch  von  Herr- 
schaften, Verfassungen,  Rechten,  Privilegien,  Usurpationen 
darboten. 

Es  war  den  Unternehmungen  Albornoz'  zugute  gekonunen, 
dass  er  den  autonomen  Neigungen  imd  Gewohnheiten  der 
Städte  Rechnung  trug  und  in  den  meisten  Fällen  sich  mit 
Wiederherstellimg  der  päpstUchen  Autorität  als  oberste  Schutz- 

4* 


52  Autouomie  der  Städte.    Fiuauzeu. 

herrschaft  begnügte.  Dabei  behielten  die  Municipien  ihre 
Statutarrechte  und  Finanzverwaltung,  ihre  Magistrate  wählten 
sie  selbst  oder,  wie  es  für  das  Podestatenamt  geschah,  präsen- 
tirten^dem  Papste  oder  seinem  Legaten  Candidaten,  waren  von 
Steuern  und  Besatzung  frei,  zahlten  nur  einen  gewöhnlich  sehr 
massigen  Lehnzins.  An  Reibungen  konnte  es  freilich  nicht 
fehlen,  namenthch  wenn  die  Legaten  oder  Rectoren  in  grösse- 
ren Städten  wie  Bologna,  Perugia  u.  a.  ihren  Wohnsitz  nah- 
men und  die  Factionen  zu  nutzen,  die  Freiheiten  zu  schmälern, 
Burgen  anzulegen,  untergebene  Ortschaften  vom  stadtischen 
Verbände  zu  lösen  suchten.  Die  Zerwürfnisse-  der  letzten 
avignonischen  Zeiten  in  Umbrien  und  Romagna  finden  in  sol- 
chen Bestrebungen  ebenso  ihre  Erklärung  wie  in  den  Versuchen 
von  Individuen  imd  Familien,  auf  Kosten  der  päpstlichen 
Suprematie  einerseits,  andrerseits  auf  Kosten  der  municipalen 
Autonomie  gross  zu  werden.  Rechnungslegung  und  Statistiken 
einzelner  Provinzen  wie  sie  z.  B.  im  Jahre  1359  von  dem 
Schatzmeister  im  Patrimonium  und  von  dem  Legaten  in  Bologna 
Cardinal  de  Grimoard  aufgestellt  wurden,  lassen  uns  in  das 
Detail  der  Verwaltung  und  des  Finanzwesens  blicken.  Wenn 
im  Zeitraum  von  neun  Jahren  von  1351  bis  1359  die  Einnahme 
im  Patrimonium  89,134  Florenen  betrug,  die  Ausgabe  81,031, 
so  ergiebt  sich  daraus  wie  beschränkt  der  Wirkungskreis  der 
C'entralregierung  war.  Die  einzelnen  Einnahmequellen  waren 
gerichtliche  Compositionen  und  Executionen,  wobei  namentÜch 
die  Güter  der  Rebellen  in  Betracht  kamen,  Castellaneien, 
Grund-  und  Feuerstellensteuer,  Militärverpflichtung  (TalUa  mili- 
tare),  worüber  uns  aus  der  Zeit  von  Urban  V.  bis  Bonifaz  IX. 
Tabellen  über  den  Status  der  einzelnen  Orte  vorUegen,  Pach- 
tungen und  Hausmiethen,  Abgaben  beim  Rectorenwechsel, 
Zölle  von  Corneto  und  Montalto.  Die  Hauptrubriken  der  Aus- 
gabe sind  Unterhalt  der  meist  fremden  Soldtruppen  und  der 
Castellane,  Beiträge  zu  den  Kosten  der  Nuntien  und  Gesandten, 
Gehalte  der  Rectoren,  Richter,  Sachwalter,  Notare,  Anlegung 
und  Ausbesserung  von  Castellen. 

Die  Zahl  der  als  Vicariate  vergebenen  Städte  und  Orte 
war  sehr  bedeutend.  So  sehr  auch  die  Päpste  diesem  System 
principiell  widerstrebten,  so  vermogten  sie  doch  einerseits  her- 
kömmliche Verhältnisse,  unter  denen  sie  z.  B.  die  Romagna 
vom  Reich  übernommen   hatten,   nicht  zu  ändern,  andrerseits 


Die  Vicariate.  53 

konnten  sie  in  ruhelosen  Zeiten  das  Aufkommen  einflussreicher 
Geschlechter  nicht  hindern,  abgesehn  davon  dass  mehre  von 
ihnen  selbst  aus  Geldnoth  oder  Familieninteressen  zu  Beleli- 
nungen  ihre  Zuflucht  nahmen.  Romagna  und  Marken,  aucli 
Umbrien  waren  mit  Vicariaten  gefüllt.  Manche  derselben, 
solche  namentlich  welche  glücklichen  Condottieren  verliehen 
\vurden,  verschwanden  ebenso  rasch  wie  sie  entstanden  waren. 
Andere,  besonders  in  den  beiden  ersteren  Provinzen,  haben 
jahrhundertelange  Dauer  gehabt,  obgleich  die  päpstlichen  Ver- 
leihungen meist  auf  eine  gewisse  Zahl  Jahre  beschränkt  waren. 
Mehre  haben  vollständige  politische  Unabhängigkeit  erlangt 
und  bis  zum  Aussterben  der  belehnten  FamiUen  bewahrt.  Die 
Namen  der  letzteren  sind  oft  genannt  worden.  Wenn  von 
denen  die  zu  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  Dante  in  der 
Romagna  aufzählte,  einige  verschwunden  oder  in  Bedeutungs- 
losigkeit gesunken  waren,  so  blühten  die  meisten  unter  Zutritt 
anderer.  Malatesten  beider  Linien,  Da  Polenta,  OrdelafB,  Alidosi, 
Manfiredi,  Feitrier,  Varani,  Vitelli  sassen  in  Rimini,  Cesena,  Fano, 
Pesaro,  in  ßavenna,  Forli,  Imola,  Faenza,  Urbino,  Camerino, 
Citta  di  Castello.  Die  Bentivogli  gewannen  und  verloren  mehr 
denn  einmal  die  Signorie  von  Bologna.  Die  Este,  päpstliche 
zugleich  und  kaiserliche  Lehnträger ,  geboten  über  einen  mäch- 
tigen Staat  der  vom  Feudalnexus  damals  nicht  viel  mehr  als 
den  Namen  bewahrt«.  Zahlreiche  andere  Geschlechter  erran- 
gen und  behaupteten  längere  oder  kürzere  Herrschaft,  oft  unter 
blutigen  Kämpfen ,  mit  und  ohne  päpstUche  Anerkennung,  somit 
nach  den  Umständen  häufig  wechselnd,  wie  die  Brancaleoni 
in  Castel  Durante  und  Massa  Trabaria,  die  Kuffreducci  in 
Fermo,  die  Fortebracci  und  die  ßaghoni  in  Perugia,  die  Trinci 
in  Fuligno,  die  Gatti  in  Viterbo,  einer  Unzahl  kleinerer  nicht 
zu  gedenken  wie  vor  allen  die  Romagna  sie  aufwies.  Die 
Mehrzahl  dieser  Geschlechter,  namentlich  der  romagnolischen, 
stand  in  einem  Schutzverhältniss  (Accomandigia)  zur  Republik 
Florenz.  Wenn  sie  beim  Eintritt  in  dasselbe  die  Bedingung 
stellten,  nicht  gegen  die  Kirche  und  ihre  Rectoren  zu  kämpfen, 
so  ergiebt  sich  doch  wie  unabhängig  sie  sich  von  den  Päp- 
sten dünkten. 

So  bot  bei  der  definitiven  Rückverlegung  des  h.  Stuhls 
nach  Rom  der  Kirchenstaat  das  bunteste  Gemisch  von  Consti- 
tutionen  und  Rechten  dar.     Wenn  die  päpstliche  Autorität  in 


54  I^ie  Vicai'iatc. 

vielen  Fallen  eine  mehr  nominelle  als  wirkliche  war,  so  war 
sie  doch  von  strengen  Rechtsformen  umgeben ,  wie  denn  über- 
haupt das  ganze  Mittelalter  hindurch  die  Form  in  vielen  Fällen 
für  die  Substanz  entschädigen  zu  müssen  schien.  Die  schon 
erwähnte  merkwürdige  Statistik  der  Romagna  unter  der  Ver- 
waltung AngeUcs  de  Grimoard  gewährt  uns  vollkommene  Ein- 
sicht in  das  Verhältniss  der  Vicare  zur  Centralregierung.  Die 
Schilderung  von  Imola  und  seinem  District  möge  zum  Beleg 
dienen.  Die  Stadt  Imola,  heisst  es,  liegt  an  der  fränkischen 
nach  Bologna  führenden  Hauptstrasse  (Strata  francigena  et 
magistra  —  Via  francesca)  in  der  Ebne.  Ihr  Bezirk  ist  überall 
vom  gleichnamigen  von  ihrer  Jurisdiction  unabhängigen  Comitat 
begrenzt.  Die  Herren  Azzo  und  Beltrando,  des  verstorbenen 
Roberto  degU  Alidosi  Söhne,  besitzen  (tenent)  Stadt  und  Bezirk 
als  vom  Herrn  Papste  auf  bestimmte  Zeit  bestellte  Vicare, 
zahlen  jährlich  der  h.  Kirche  einen  Lehnzins  von  tausend  Flo- 
renen  und  beziehen  dagegen  sämmtliche  Einkünfte.  In  der 
Stadt  auf  der  Seite  gen  Bologna  zu  liegt  ein  Castell  welches 
ein  Castellan  im  Namen  der  Kirche  mit  fünfzig  Mann  besetzt 
hält,  gegen  ein  von  den  gedachten  Herren  zahlbares  Monats- 
gehalt für  ihn  und  seine  Leute  von  226  Lire  vier  Soldi  bolog- 
neser  Währung.  Die  Stadt  zählt  1338  Feuerstellen ,  vier  Thore 
deren  Namen,  Bewachung  und  Kosten  folgen,  mehre  Villen  und 
Orte  im  District  deren  Feuerstellenzahl  mit  den  städtischen  1624 
ausmacht.  Die  Beamten  sind  folgende.  Ein  Podesta  für  die 
Justizpflege  mit  fünfzig  Ducaten  Monatsgehalt.  Er  hat  in  sei- 
nem Gefolge  einen  Richter-Stellvertreter,  einen  Notar  mit  sei- 
nem Gehülfen,  zwei  Domicellen,  zwei  Diener,  zwei  Pferde. 
Ueberdies  giebt  es  einen  Official  der  Wache  mit  zehn  Florenen 
Monatsgehalt  und  einen  Beamten  zur  Abschätzung  angerichteter 
Schäden  mit  gleichem  Diensteinkommen.  Die  Ausgaben  für  In- 
standhaltung von  Thoren,  Brücken  u.  s.  w.  können  sich  jährlich 
auf  tausend  Florenen  belaufen.  Die  von  den  Vicaren  bezogenen 
P^inkünfte  bestehn  in  der  Mahl-,  Wein-,  Schlacht-,  Brod- und 
Waagesteuer,  wie  in  der  Feuerstellen-  und  der  Gewerbe- 
und  Verbrauchsteuer.  Die  Taille,  zu  welcher  die  Stadt  ver- 
pflichtet wäre ,  ist  in  den  von  den  Vicaren  erlegten  Census  ein- 
begriffen. Die  Kammer  bezieht  die  Salzsteuer.  Der  Ertrag  der 
Steuern  ist  in  dem  Document  angegeben ,  unter  dem  Vorbehalt 
dass  das  Vicariatsverhältniss  genaue  Schätzung  nicht  zulässt 


Der  Kirchenstaat  als  Ganzes.  55 

Nun  folgt  die  Aufzählung  der  Castelle  und  Orte  des  Comitats 
mit  ihren  verschiedenen  Herren,  Lippo  und  Orsatto  di  Canta- 
gallo,  Giovanni  de' Manfredi,  Riccardo  di  Sassadello,  Alberigo 
di  Cuneo  (Barbiano)  u.  A.  Das  Comitat  hatte  eine  besondere 
Verwaltung  mit  einem  in  Imola  residirenden  Podesta  und  an- 
deren Beamten. 

Dass  in  einem  so  constituirten  Staate  Gefühl  und  Bewusst- 
sein  der  Zusammengehörigkeit  mit  ihren  Vortheilen  und  Er- 
fordernissen noch  weit  schwächer  waren,  als  wir  es  in  diesen 
Zeiten  auch  anderwärts  finden ,  liegt  auf  der  Hand.  Es  war  die 
Territorialität  in  der  engsten  und  engherzigsten  Umgrenzung 
ihres  Begriffs.  Die  Gesammtheit  verschwand  vor  dem  Indivi- 
dumn.  Nicht  nur  hatte  der  Romagnole  kein  gemeinsames  In- 
teresse mit  dem  ihm  völlig  fremden  Bewohner  des  Patrimoniums 
oder  Campaniens:  derBolognese  stand  dem  Ravennaten  ebenso 
ferne,  der  Anconitaner  dem  Fermaner,  der  Orvietaner  dem 
Viterbesen.  Es  waren  nur  Municipien  in  buntester  Abwechs- 
lung, Comunen  mit  besonderen  wenngleich  auf  derselben 
Grundlage  erwachsenen  Statuten,  unterthänige  Orte  verschie- 
den in  ihren  Beziehungen  zu  den  herrschenden  Comunen  wie 
im  Maass  der  ihnen  zustehenden  Rechte,  Signoren  mit  mehr 
oder  minder  entwickelter  Hoheit,  welche  nur  das  gemein 
hatten  dass  sie  unter  gemeinsamer  Oberhoheit  standen.  Selbst 
in  den  besten  Zeiten  hatten  die  Päpste  bei  meist  kurzen  Re- 
gierungen und  vielfachem  Systemwechsel  diese  separatistischen 
Tendenzen  nicht  zu  bemeistem  vermögt,  gewöhnlich  es  auch 
nicht  einmal  versucht.  Sie  begnügten  sich  mit  der  unentwickel- 
ten Souveränität,  deren  Beschränkungen  sie  sich  gefallen 
liessen  selbst  nachdem  sie  günstige  Erfolge  gehabt  hatten. 
Sogar  mächtige  und  energische  Päpste  nahmen  die  Ueber- 
tragung  der  Podestatenbefiignisse  in  Städten  zweiten  Ranges 
an.  Die  meisten  von  ihnen  scheuten  sich  das  Mistrauen  der 
Städte  zu  wecken,  die  in  gleichem  Maasse  auf  ihre  Rechte 
eifersüchtig  wie  infolge  steter  Parteizerrissenheit  unvermögend 
waren,  einerseits  Ruhe  zu  bewahren,  andrerseits  ihre  Freiheit 
vor  dem  Despotismus  einheimischer  Geschlechter  oder  glück- 
licher Condottieren  zu  schützen.  In  den  Zeiten,  die  uns  hier 
beschäftigen,  lag  die  politische  Entwicklung  der  Städte  zu- 
gleich mit  ihrer  wahren  und  thatkräftigen  Blüte  schon  in  der 
Vergangenheit.      Das    Verhältniss    der    Dynastenfamilien    zur 


56  Papstthuin  uud  Kirche  nach  dem  coustauzer  Concil. 

souveränen  Gewalt  schien  noch  da49  alte ,  ging  aber  schon  einer 
Umgestaltung  entgegen.  Während  grössere  Territorien  sieb 
consolidirten,  war  die  Existenz  der  kleineren  umsomehr  ge- 
fährdet, da  die  Geschichte  dieser  päpstUchen  Vicare  eine  un- 
unterbrochene Kette  von  Meutereien  gegen  die  päpstUche  Herr- 
schaft darbot,  Meutereien  gegen  welche  weder  alte  noch  neue 
Verträge  schützten.  Dass  die  Wiederbefestigung  der  päpst- 
Uchen Autorität  Versuche  herbeifuhren  musste ,  von  einer 
solchen  Lage  der  Dinge  Vortheil  zu  ziehen,  einer  poUtischen 
Ordnung  die  inderthat  nur  Unordnung  war ,  ein  Ende  zu  machen, 
dass  der  lose,  in  seiner  Gesammterscheinung  kein  positives 
Recht  noch  Princip  repräsentirende  Verband  nur  in  seinen 
Schwankungen  beständig  sein  konnte,  ist  begreiflich.  Es  kam 
fiir  die  Zukunft  des  Kirchenstaats  darauf  an,  ob  die  Päpste 
sich  durch  die  Leichtigkeit  des  Entstehns  und  Wechsels 
autonomer  Gestaltungen  zu  eignen  Versuchen  solcher  Bildun- 
gen bestimmen  lassen,  oder  aber  ob  sie  die  Stärkung  der 
souveränen  Gewalt  anstreben  würden. 

Die  Geschichte  der  Zeit  in  welche  wir  jetzt  treten,  die 
des  neuern  Papstthums,  wird  uns  beide  Tendenzen  in  ihrer 
vollständigsten  Entwicklung  und  Ausübung  zeigen. 


4. 

KmCHE   UND   STAATEN  NACH  DEM   CONSTANZES  CONCEL. 

REQIERUNO  MARTINS  V. 

»Als  nach  der  Wahl  und  Krönung  Papst  Martins  V.,  berichtet 
der  Westfale  Gobelin  Person  in  seinem  Cosmodromium ,  die  Dinge 
in  Constanz  eine  solche  Wendung  nahmen  dass  die  Aussiebt 
auf  Reformation  an  Haupt  und  Gliedern  durch  das  Concil  immer 
mehr  schwand,  wandte  sich  die  französische  Nation  an  König 
Sigmund  ihn  um  Vermittlung  beim  Papste  zu  bitten.  Aber  der 
König  erwiederte  ihnen:  Als  wir  daraufdrangen,  dass  die  Re- 
form vorgenommen  würde  bevor  man  zur  Papstwahl  schritt, 
wäret  ihr  uns  entgegen  und  wolltet  einen  Papst  haben  ehe 
man  an  die  Reform  ginge.  Nun  habt  ihr  den  Papst  den  auch 
wir  haben:  drum  wendet  euch  an  ihn  auf  dass  er  die  Reform 
unternehme,  denn  jetzt  liegt  es  nicht  an  uns  wie  es  während 
der  Erledigung  des  h.  Stuhls  an  uns  lag.«    Allerdings  war  man 


Mailiiis  V.  Rcfoiineu.  57 

vor  der  Wahl  inbetreff  mehrer  Punkte  übereingekommen.  Man 
hatte  eine  Frist  fiir  Abhaltung  künftiger  Synoden  festgesetzt, 
die  wiederholten  Versetzungen  der  Bischöfe  von  einem  zum 
andern  Sitze  wie  die  Reservationen  beschränkt,  den  künftigen 
Papst  zu  einer  gemeinschaftlich  mit  dem  Concil  vorzunehmen- 
den Reformation  verpflichtet.  Aber  dies  war  völlig  ungenügend 
sowol  im  Verhältniss  zu  den  wirklichen  zum  Theil  schreienden 
Uebelstanden,  wie  zu  den  nicht  selten  leidenschaftlich  über- 
triebenen Anklagen,  durch  welche  das  Concil,  ein  Echo  des 
Volksmunds,  den  Clerus  und  namentlich  den  römischen  Hof 
biosgestellt  hatte.  »Die  Kirche  muss  reformirt  werden  und 
zwar  ohne  Verzug,  hatte  Cardinal  d'Ailly  gesagt,  sonst  werden 
die  Uebel  welche  wir  vor  uns  sehen,  so  gross  sie  sind,  nur 
Vorlaufer  unendUch  grösserer  sein,  und  ganz  andere  Gewitter 
werden  den  Donnerschlägen  folgen,  die  unser  Ohr  getroffen 
haben.« 

Ebensowenig  konnten  die  von  Martin  V.  vor  seiner  Abreise 
aus  Teutschland  ergriffenen  partiellen  Maassregeln  den  Uebel- 
standen und  dem  tiefgefühlten  Bedürfniss  abhelfen.  Das  von 
ihm  eingesetzte  Reformationstribunal  schritt  langsam  und  schwer- 
fallig vor;  das  im  Januar  1418  vorgelegte  Reformationsdecret 
gelangte  bei  dem  Mangel  an  Eintracht  zu  keinem  Abschluss. 
Die  im  Frühling  desselben  Jahres  mit  einzelnen  Staaten  einge- 
gangenen Concordate  besserten  manches.  Die  Festsetzung  der 
Zahl  der  soviel  als  thunlich  aus  der  ganzen  Christenheit  zu 
wählenden  Cardinäle,  die  Bestimmungen  über  die  Pfründenver- 
gebungen und  die  canonischen  Wahlen,  jene  inbetreff  der  Herab- 
setzung der  Annaten,  in  Bezug  auf  den  Misbrauch  der  Ver- 
leihung grösserer  Stifter  als  Commenden,  auf  die  Beschrän- 
kung der  zu  unertniglichsten  Extremen  gesteigerten  Exconi- 
municationen  wie  der  Verschwendung  der  Indulgenzen  u.  a. 
waren  ein  wesenthcher  Fortschritt.  Ein  gleiches  war  der  Fall 
mit  den  über  einzelne  Punkte  erlassenen  Decreten,  welche  der 
Simonie  bei  den  Ordinationen,  dem  Genuss  kirchUcher  Bene- 
licien  ohne  kirchUche  Weihe ,  dem  weltlichen  Leben  und  Trei- 
ben der  Kleriker  abhelfen  sollten  und  die  seit  dem  Anfang  des 
Schismas  vorgenommenen  Exemtionen  und  Incorporationen  wie 
die  Dispensationen  von  den  für  geistliche  Aemter  gültigen  ca- 
nonischen Erfordernissen  aufhoben,  während  sie  das  Recht 
der  Einforderung  des  Zehnten  vom  Clerus  durch  den  Papst  auf 


58  Concil  und  Papstgewalt.    Radicale  Tendenzen. 

die  dringendsten  Fälle  unter  Zuziehung  des  Cardinalcollegiums 
und  des  Episkopats  des  betreffenden  Landes  beschränkten. 

So  war  der  Grund  zur  Reform  gelegt,  aber  allerdings  nur 
der  Grund.  Vonvornherein  war  der  Uebelstand  Yorhanden« 
dass  die  Punkte  nicht  durch  allgemeine  Vereinbarung  festge- 
setzt waren,  somit  keine  allgemeine  unbestrittene  Geltung  hatten. 
Ueberdies  drängte  sich  die  Frage  auf,  ob  einerseits  das  Papst- 
tlium  geneigt  sein  würde  sich  durch  Zugeständnisse  zu  binden, 
welche  bei  der  herrschenden  Stimmung  leicht  zu  seinem  Nach- 
theil angewandt  werden  konnten,  ob  man  andrerseits  Kraft  zu- 
gleich und  Selbstüberwindung  haben  würde,  die  in  Pisa  und 
Constanz  siegreichen  Grundsätze  nicht  auf  die  Spitze  zu  stellen. 
Es  ist  für  die  drei  maassgebenden  Kirchenversammlungen  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  ein  grosses  Unglück  gewesen,  dass 
durch  die  Noth  der  Umstände  und  die  Schuld  der  Menschen 
die  Autoritätsfrage,  in  den  Vordergrund  gedrängt,  nicht  nur 
andern  gleich  nothwendigen  Fragen  den  Rang  ablief  sondern 
die  Gemüther  erbitterte.  Die  kirchliche  Einheit  war  in  Con- 
stanz gerettet ,  aber  alles  war  geschehn  die  päpstliche  Monarchie 
in  ihren  Grundvesten  zu  erschüttern.  Das  Princip  des  Ueber- 
wiegens  des  Concils  war  nicht  nur  in  radicaler  Weise  behauptet 
worden,  sondern  in  solchem  Maasse  factisch  zur  Anwendung 
gelangt  dass  es  selbst  die  kirchliche  Tradition  vom  Primat  ge- 
fährdete. In  der  Zeit  des  Kampfes  hatte  man  in  Schriften, 
welche  mit  Unrecht  den  beiden  berühmtesten  französischen 
Vorfechtem  der  conciliaren  Autorität,  d'Ailly  und  Gerson,  zu- 
getheilt  worden  sind,  noch  viel  weitergehende  Mittel  zur  Wieder- 
herstellung der  Einheit  vorgebracht  und  vertheidigt,  aber  der 
gelehrte  Kanzler  der  pariser  Universität  hat  selbst  zugestanden, 
dass  die  in  Constauz  stattgefundene  Schwächung  der  Papst- 
gewalt früherer  Zeit  als  Häresie  erschienen  sein  würde.  Der 
BUtze  des  Kampfes  und  dem  Drange  der  persönlichen  Fragen 
ist  es  wol  beizumessen  dass  Niemand  sich  klar  machte,  wie 
die  Schwächung  der  Autorität  des  einen  Theils  dem  andern 
nicht  dauernd  zugute  kam.  Denn  dieselben  Tendenzen  welche 
gegen  das  Papstthum  zu  Felde  gezogen  waren,  wandten  sich 
nicht  blos  wider  den  Episkopat  und  das  ganze  geistliche  Ge- 
biet überhaupt,  sondern  erstreckten  sich  auch  auf  das  welt- 
liche, indem  sie  eine  Umwandlung  des  gesammten  öffentlichen 
Rechts  anstrebten  \md  in  radical  demokratischem  Sinne  den 


Lage  Europas  bei  Martins  V.  Rflckkehr.  59 

Schwerpunkt  der  bürgerlichen  Gesellschaft  zu  verlegen  suchten. 
Es  ist  nur  folgerichtig,  dass  die  Reaction  wider  diese  Tenden- 
zen, nachdem  sie  noch  einen  harten  Kampf  bestanden,  die  der 
Einheit  inwohnende  Kraft  sammelte,  so  dass  sie  den  Wider- 
stand besiegt  zu  haben  schien,  bis  ein  weit  heftigerer  und 
nachhaltiger  Sturm  über  sie  hereinbrach,  weil  sie  eben  die 
Zeichen  der  Zeit  verkannt  und  das  Werk  versäumt  hatte,  wel- 
ches von  einem  Concil  zum  andern  verschoben  oder  ungeschickt 
angegriffen  worden  war. 

Das  Concil  war  auseinandergegangen,  ohne  dass  rechtes 
Vertrauen  weder  zwischen  Papstthum  und  Episkopat  und 
dessen  Verbündeten,  noch  zwischen  Papstthum  und  weltlicher 
Gewalt  erzielt  worden  wäre.  Es  war  eine  nicht  blos  in  kirch- 
lichen Dingen  ernste  und  bewegte  Zeit,  als  Martin  V.  nach 
Italien  und  Rom  zurückkehrte.  Teutschland  hatte  den  Tag 
neuer  Prüfungen  anbrechen  gesehn.  Die  Flammen  des  Scheiter- 
haufens von  denen  Johannes  Huss  verzehrt  worden  war,  hatten 
in  ganz  Böhmen  gezündet.  Die  Bewegung  war  zur  Empörung 
gediehen,  bei  deren  Ausbruch  König  Wenzel  am  16.  August  14 19 
sein  trauriges  lieben  endete.  König  Sigmunds  Nachfolge  in 
Böhmen  und  seinen  Nachbarländern  steigerte  die  populäre  Ab- 
neigung wider  Den,  der  den  böhmischen  Prediger  nicht  gegen 
die  Maassregeln  der  Kirchenversammlung  geschützt  hatte,  zu 
fanatischem  Hass.  So  entbrannte  der  Hussitenkrieg,  der  vier- 
zehn Jahre  lang  alle  Anstrengungen  des  Reiches  und  der  Kirche 
zu  Schanden,  den  Riss  zwischen  Teutschen  und  Slaven  vor- 
übergehenden Versöhnungen  und  inneren  Spaltungen  zum  Trotz 
unheilbar  gemacht,  Kaiser  Carls  IV.  Werk  in  Böhmen  grossen- 
theils  vernichtet,  bis  beinahe  ans  Ende  von  Sigmunds  Regie- 
rung alles  ringsumher  mit  Blut  und  Trümmern,  Schmach  und 
Elend  gefüllt,  auch  ferne  vom  Herde  der  Opposition  eine  un- 
heilvolle Saat  zurückgelassen  hat.  Anderwärts  waren  die  Zu- 
stande kaum  trösthcher.  Der  französisch  -  englische  Krieg, 
nachdem  er  während  des  grössten  Theils  der  sonst  unheil- 
vollen Regierung  Carls  VI.  geruht,  war  in  den  letzten  Jahren 
derselben  wieder  ausgebrochen.  Heinrichs  V.  Sieg  bei  Azincourt 
erneuerte  die  Tage  von  Crecy  und  Poitiers,  und  der  im  Jahre 
1420  zwischen  England  und  Philipp  dem  Guten  Herzog  von 
Burgund  abgeschlossene  Vertrag  von  Troyes  übertrug  dem 
englischen  Königshause  die  französische  Thronfolge,  indem  er 


60  Italienische  Staaten.    Savoyen  und  Mailand. 

dem  durch  Carls  Wahnsinn  und  die  schmachvollen  Zerwürf- 
nisse in  der  königlichen  Familie  gefahrvoller  gewordenen  Kampfe 
auch  den  Karakter  eines  Bürgerkrieges  gab.  In  England  hatte 
V^ährenddessen  die  Umwälzung,  durch  welche  das  Haus  Lan- 
caster  mit  Heinrich  IV.  auf  den  Thron  gelangt  war,  den  Grund 
zu  den  Rosenkriegen  gelegt,  in  denen  nach  dem  Tode  des 
Siegers  von  Azincourt  eine  zügellose  Feudalaristokratie  Blüte 
und  Bildung  des  Landes  auf  lange  zerstörte.  In  Spanien 
gewährte  nur  das  aragonische  Reich  unter  dem  im  Jahre  1415 
seinem  Vater  Ferdinand  in  jugendUchem  Alter  gefolgten  Alfons  V. 
Aussicht  auf  Fortschritt  und  grössere  Machtentwicklung,  wäli- 
rend  Castilien  einer  Günstlingsherrschaft  mit  ihren  gewohnten 
Unruhen  und  Wechseln  verfiel.  Gerade  das  Verhältniss  Ara- 
gons  zum  Papstthum  und  zur  kirchUchen  Einheit  war  aber, 
da  König  Alfons  die  Entscheidung  des  constanzer  Concils  noch 
nicht  anerkannt  hatte,  um  so  bedenklicher  als  hiebei  auch  der 
Süden  Italiens  in  Betracht  kam. 

Italien  hatte  um  dieselbe  Zeit  wenn  nicht  grössern 
Frieden  gewonnen,  doch  inmitten  des  Sinkens  so  der  päpst- 
lichen wie  der  Reichsgewalt  in  festerer  Gestaltung  der  Staaten 
Fortschritte  gemacht.  Graf  Amadeus  VIII.  von  Savoyen  hatte 
nach  dem  Aussterben  der  Linie  der  Fürsten  von  Achaia  im 
Jahre  1418  den  italienischen  Besitz  seines  Hauses  mit  dem 
transalpinischen  verbunden,  und  herrschte  bald  darauf  vom 
Genfersee  und  vom  provenzalischen  Nizza  an  bis  Vercelli.  So 
begründete  er,  der  erste  Herzog  seiner  Familie,  eine  Macht 
welche  ungeachtet,  wenn  nicht  vielmehr  wegen  ihrer  vielfachen 
fremden  Bestandtheile ,  in  Italiens  späterer  Entwicklung  einen 
Hauptfactor  bildete,  während  er,  der  die  rastlose  Thätigkeit 
seiner  Vorfahren  mit  kluger  Berechnung,  und  Nähe  wie  Ferne 
überblickendem  politischem  Scharfsinn  vereinigte,  nach  zwei 
Seiten  hin,  nördlich  wie  südlich  von  den  Alpen,  Fronte  zu 
machen  verstand.  Der  letzte  der  Visconti,  FiUppo  Maria,  re- 
gierte seit  dem  im  Jahre  1412  erfolgten  Tode  seines  Bruders 
Giovanni  Maria  über  das  ganze  Herzogthum  Mailand  welches 
von  Vercelli  bis  an  den  Oglio,  von  den  Alpen  zeitweilig  bis 
ans  Bolognesische  \md  an  den  Apennin  der  Lunigiana  und  Gar- 
fagnana  reichte.  Mit  den  Nachbarn  zur  Rechten  und  Linken 
wie  mit  Mittelitalien  stets  im  Kriege,  der  durch  unhaltbaren 
Frieden  und   schwankende  Bündnisse  unterbrochen  immer  von 


Venedig  und  Florenz.     Die  kleinen  Staaten.  61 

neuem  begann,  ein  Gebieter  über  ein  reiches  Land  und  tüch- 
tige Heere,  deren  Führer  er  bald  heranzog  bald  von  aich  stiess 
wie  es  zu  seiner  krummen  PoUtik  und  seinem  stets  wachen  Ver- 
dacht passte,  war  der  Herzog  der  vornehmste  Repräsentant 
eines  Systems,  welches  alle  Kräfte  eines  Staates  in  Einer  Hand 
vereinigend,  ohne  Controle  aber  auch  ohne  rechte  Stütze  ausser 
im  furchtsamen  Gehorsam ,  rasch  und  schlagend  zu  wirken  ver- 
mag aber  vor  plötzUchem  Rückschlag  nicht  geschützt  ist. 

Die  Rivalität  des  Visconti  mit  seinen  venetianischen  Nach- 
barn war  unvermeidhch.  Venedig  hatte  sich  von  den  Verlusten 
des  im  Jahre  1381  beendeten  Krieges  mit  Genua  erholt  und 
seinen  Sinn  immer  melir  auf  Vergrösserung  in  Italien  wie  auf 
P>werbuDgen  an  den  gegenüberUegenden  adriatischen  Küsten 
gerichtet.  Bestrebungen  welche  den  Untergang  zweier  alten 
Fürstengeschlechter,  der  Della  Scala  von  Verona  und  der 
Carraresen  von  Padua  herbeiführten,  unablässigen  Streit  mit 
den  Visconti  um  den  Besitz  der  östlichen  Lombardei  entzün- 
deten und  nach  langen  Kämpfen  mit  König  Sigmund,  um  die 
Zeit  von  Martins  V.  Rückkehr  nach  Rom,  Friaul  und  die 
istrisch- dalmatischen  Küsten  bis  zu  den  Grenzen  Albaniens 
dem  Löwen  von  San  Marco  unterwarfen.  Venedigs  alte  Geg- 
nerin Genua  war  französischer  Herrschaft  nur  ledig  geworden, 
um  politisch  ohnmächtig  der  viscontischen  zu  verfallen.  Flo- 
renz, von  seinem  Bedränger  König  Ladislaus  erlöst,  durch  die 
Unterwerfung  Pisas  von  einem  Grrunde  steter  Aufregung  befreit, 
wörde  sich  seiner  Blüte  unter  der  Herrschaft  der  aus  dem 
grossen  Bürgerstande  hervorgegangenen  Aristokratie  der  Al- 
bizzi  erfreut  haben,  hätte  nicht  die  ewige  Besorgniss  vor  dem 
nicht  rastenden  viscontischen  Ehrgeiz  im  Verein  mit  dem  un- 
vermeidUchen  Schwanken  und  Parteiwesen,  welchem  das  be- 
dächtig sichere  Emporsteigen  der  von  der  Demokratie  getra- 
genen Medici  eine  Handhabe  bot,  eine  Spannung  unterhalten 
welche  am  Ende  zum  Ausbruch  führen  musste.  So  waren  die 
politischen  Verhältnisse  der  grösseren  Staaten  des  obern  Italiens. 
Die  kleineren,  Montf errat,  Saluzzo,  Mantua  wo  seit  Ludwigs 
des  Baiem  Zeit  die  Familie  Gonzaga  herrschte,  Ferrara  wo 
die  Este  ihr  altes  Ansehn  behaupteten,  aber  in  schwieriger 
Stellung  waren  seit  Venedig  seine  italienische  Territorialpolitik 
verfolgte,  und  die  toscanischen  Freistaaten  Lucca  und  Siena 
kamen  politisch  meist  nur  insoferne  in   Betracht,   als   sie  den 


62  Neapel  unter  Johanna  11.     Anjou  oder  Ai-agon. 

grösseren  Nachbarn  bald  als  Theilnehmer  stets  wechselnder 
Bündnisse,  bald  zu  Zielpunkten  nie  ruhender  Ländergier  dien- 
ten. Die  politischen  Verhältnisse  im  Kirchenstaat  endlich  hat 
die  Geschichte  der  letzten  Zeiten  des  Grossen  Schismas  dar- 
gelegt. 

Es  waren  die  neapolitanischen  Angelegenheiten  welche 
Martin  Y.  mehr  in  Anspruch  nahmen  als  die  im  eignen  Lande, 
nicht  blos  wegen  der  staatlichen  Beziehungen  zu  letzterm  son- 
dern auch  wegen  ihres  Zusammenhangs  mit  den  noch  in  Spanien 
dauernden  Resten  des  Schismas.  Die  Regierung  der  zweiten 
Johanna  welche  ihrem  Bruder  Ladislaus  im  Jahre  1414  nach- 
gefolgt war,  zeigte  in  ihrem  unaufhörlichen  Wechsel  von 
Giinstlingen  und  von  Politik  den  tiefen  Verfall  des  einst  so 
blühenden  aber  vonjeher  bestandlosen  Reiches  und  die  völlige 
Entartung  der  zu  Ende  gehenden  Königsfamilie.  Nach  dem 
Tode  Herzog  Wilhelms  von  Oestreich  mit  einem  französischen 
Prinzen  Jacques  de  Bourbon  Grafen  von  La  Marche  vermalt, 
hatte  Johanna  sich  mit  diesem,  der  sich  nicht  mit  einer  unter- 
geordneten Rolle  begnügen  wollte,  bald  entzw^eit  und  ihn  aus 
dem  Lande  getrieben.  Sie  hatte  sich  mit  dem  Papste  verstan- 
digt, den  Grafen  Ludwig  von  Anjou,  Sohn  des  Titularkönigs 
Ludwig  IL,  zu  ihrem  Nachfolger  angenommen,  eine  Adoption 
welche  von  Martin  V.  bestätigt  worden  war,  ohne  aber  dem 
Wankelmuth  einer  Frau,  deren  Launen  nur  von  denen  ihrer 
Umgebung  abhängig  waren,  Schranken  setzen  zu  können.  Mit 
dem  angenommenen  Sohne  unzufrieden  wie  vordem  mit  dem 
Gemal ,  entschloss  die  Königin  sich  nicht  lange  vor  des  Papstes 
Ankunft  in  Rom  zu  einem  Schritt,  welcher  nicht  blos  zwei  De- 
ccnnien  verheerender  Kämpfe  herbeiführte,  sondern  achtzig 
Jahre  später  dem  Süden  Italiens  seine  politische  Unabhängig- 
keit raubte.  Sie  widerrief  die  Adoption  indem  sie  dieselbe  auf 
Alfons  König  von  Aragon  und  Sicilien  übertrug,  der  am  7.  Juli 
1421  in  Neapel  eintraf  imd  den  Thronerbentitel  eines  Herzogs 
von  Calabrien  annahm.  Es  war  das  Signal  zu  neuem  erbitter- 
ten Kampfe  der  alten  Parteien  im  Königreich,  der  anjouschen 
und  durazzesken,  welche  letztere  zeitweilig  zu  einer  aragonesi- 
schen  wurde,  bis  eine  nochmalige  Sinnesänderung  Johannas 
den  Dingen  wiederum  eine  verschiedene  Wendung  gab. 

Sforza  Attendolo ,  seit  so  langer  Zeit  schon  in  die  neapoli- 
tanischen Angelegenheiten  verwickelt,  war  die  Hauptstütze  der 


Sforza  Attendolo  und  Bi-aooio  da  Montone.  63 

Partei  der  Anjous.  Ihm  beschloss  die  Königin  den  Einzigen 
gegenüberzustellen  welcher  als  Kriegsmann  einen  Vergleich  mit 
ilim  aushalten  konnte.  Braccio  da  Montone  verUess  nur  un- 
gerne  Umbrien,  wo  er  seine  Herrschaft  immer  fester  begrün- 
dete, aber  die  Anerbietungen  Johannas  waren  zu  lockend  und 
im  Frühling  1421  setzte  er  sich  in  Marsch,  nahm  mehre  Städte 
der  Abruzzen,  traf  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  mit  König  Alfons 
in  Neapel  ein.  Der  Empfang  der  ihm  hier  zu  Theil  ward,  über- 
traf noch  den  florentinischen,  und  mit  dem  Titel  eines  Fürsten 
von  Capua  und  Grafen  von  Foggia  vereinigte  er  jals  Grossconne- 
table  den  Oberbefehl  über  die  königlichen  Truppen.  Diese  Er- 
nennung und  der  Bruch  mit  Ludwig  von  Anjou  waren  in 
gleichem  Maasse  Anlässe  zum  Zerwürfniss  mit  dem  Papste. 
Während  aber  die  von  diesem  dem  enterbten  Thronfolger  ge- 
leistete Unterstützung  zu  keiner  Entscheidung  führte  und  der 
Krieg  im  Königreiche  sich  hinschleppte,  vermogten  andere  Um- 
stände auch  Martin  y.  zu  einer  Sinnesänderung.  Von  einer  Wieder- 
belebung des  Schismas  in  Aragon  bedroht  näherte  er  sich  dem 
Könige  Alfons.  Schon  im  Jahre  1422  wäre  eine  Ausgleichung 
zustande  gekommen ,  hätte  nicht  Johanna  in  dem  neuen  Adoptiv- 
sohn ebenso  einen  lästigen  Meister  gesehn  wie  in  dem  alten 
und,  indem  sie  nun  Alfons  verstiess,  im  Sommer  1423  Ludwig 
von  Anjou  nochmals  an  Kindesstatt  angenommen.  Es  war 
mehr  als  genug,  eine  noch  grössere  Verwirrung  und  Zerreis- 
sung  der  Parteien  herbeizufuhren.  Natürlicherweise  wurden 
die  Condottieren ,  deren  vornehmster  Schauplatz  das  reiche 
aber  jammervoll  zertretene  Land  geworden  war,  in  diese  raschen 
Umgestaltungen  hineingezogen.  Als  die  Königin  sich  dem 
Anjou  wieder  zuwandte,  trat  dessen  alter  Anhänger  Sforza 
von  neuem  an  die  Spitze  ihres  Heeres.  Er  fand  sich  einem 
ebenbürtigen  Gegner  gegenüber. 

Braccio  da  Montone,  der  die  aragonesischen  Interessen 
verfocht,  war  mehr  noch  für  die  eignen  thätig  gewesen. 
Er  hatt«  die  Verwirrung  im  Königreich  für  den  rechten  Mo- 
ment gehalten  sich  dort  einen  ansehnlichen  Staat  zu  grün- 
den, hl  Capua  besass  er  schon  den  Schlüssel  zu  Campa- 
Qien:  nun  suchte  er  Aquila,  die  Hauptstadt  der  Abruzzen  in 
seine  Gewalt  zu  bringen.  Das  Unternehmen  war  kein  leichtes. 
Die  Stadt  war  fest;  im  Lande  hatte  die  anjousche  Partei  von 
jeher  das  Uebergewicht.    Die  Belagerung  zog  sich  in  die  Länge, 


64  Sforzas  und  Braccios  Tod. 

SO  dass  sowol  die  Königin  wie  der  Papst  Zeit  gewannen  Ge- 
genwehr zu  bereiten.  Martin  V.  schien  es  eine  Lebensfrage 
für  die  Herrschaft  über  Rom.  Wenn  sein  ehrgeiziger  und 
rebellischer  Lehnsmann,  welchem  bereits  ein  ansehnlicher  Theil 
Umbriens  gehorchte,  so  das  römische  Campanien  wie  die  Mar- 
ken von  der  Verbindung  mit  dem  Süden  abschnitt,  so  war 
Rom  wie  belagert.  Schon  hatte  Braccio  gedroht,  er  werde  den 
Papst  die  Messe  für  einen  Bajocco  zu  lesen  zwingen.  Im  De- 
cember  1423  zog  Sforza  mit  königlichen  und  päpstlichen  Trup- 
pen zum  Entsatz  von  Aquila  aus.  Der  Anfang  des  Unterneli- 
mens  versprach  Erfolg.  Am  4.  Januar  1424  setzte  Sforza  mit 
seiner  Vorhut  über  die  Pescara  nahe  bei  ihrer  Mündung  und 
schlug  am  Ufer  einen  feindhchen  Heerhaufen.  Indem  er  aber 
nochmals  durch  den  Fluss  watete ,  das  Nachrücken  des  Haupt- 
heeres zu  beschleunigen,  riss  die  Strömung  ihn  mit  fort  und 
er  verschwand  auf  inuner.  Braccio  der  schon  den  Rückzug 
nach  Chieti  begonnen  hatte,  kehrte  auf  die  Nachricht  von 
diesem  Vorfall  vor  Aquila  zurück.  Aber  auch  ihn  ereilte  bald 
das  Geschick.  Der  Tod  des  Führers  hatte  das  Unternehmen 
verzögert,  nicht  es  aufgeben  lassen.  Am  2.  Juni  kam  es  unter 
den  Mauern  der  belagerten  Stadt  zum  entscheidenden  Kampfe. 
Jacopo  Caldora  und  Francesco  Sforza,  der  nachmalige  Herzog 
von  Mailand  führten  das  königUche  Heer.  Braccio  nahm  die 
Schlacht  an ;  sein  Unterfeldherr  Niccolo  Piccinino  sollte  mit  der 
Nachhut  die  Bewohner  Aquilas  in  Zaum  halten.  Dass  dieser, 
als  er  Braccio  im  Gedränge  sah,  sich  mit  in  den  Kampf  stürzte 
und  so  den  Aquilanem  den  Weg  freiUess  ihren  Feinden  in  den 
Rücken  zu  fallen,  entschied  den  Tag.  Schwer  verwundet 
wurde  Braccio  gefangen  und  starb  nach  drei  Tagen  in  der 
Stadt,  die  er  zu  der  seinigen  zu  machen  gehofft  hatte.  Lodo- 
vico  Colonna  brachte  den  Leichnam  nach  Rom:  auf  dem 
Platze  vor  S.  Lorenzo  fuori  le  mura  sah  das  Volk  den  Entseel- 
ten liegen  den  es  einst  so  sehr  gefurchtet  hatte.  Die  Freude 
der  Römer  kannte  keine  Grenzen;  sie  führten  in  den  Strassen 
Tänze  auf  und  veranstalteten  einen  grossen  Fackelzug  zum 
Hause  Giordano  Colonnas.  Im  Kirchenbann  gestorben  wurde 
Braccio  in  ungeweihter  Erde  eingescharrt,  bis  die  Erlaubniss 
ertheilt  ward  ihm  in  Perugia  ehrenvolles  Begräbniss  zu  geben. 
Mit  Braccios  Tode  war  auch  sein  Werk  zu  Ende.  Zu  Ende  Juli 
unterwarfen  sich   Perugia,   Assisi  und  die  übrigen  umbrischen 


Politische  Angelegenheiten.    Die  Colonna.  65 

Städte  der  directen  päpstlichen  Herrschaft,  während  die  Köni- 
gin Johanna  wieder  in  den  Besitz  von  Capua  gelangte. 

Von  dieser  Sorge  hefreit  hatte  Martin  V.  eine  Zeitlang 
Ruhe.  Er  benutzte  sie  dem  hartnäckigen  Kampfe  in  der  Lom- 
bardei zwischen  Filippo  Maria  Visconti  und  der  Republik  Ve- 
nedig Schranken  zu  setzen ;  eine  Vermittlung  die  nur  unvollkom- 
men gelang,  da  der  Zwist  bald  wieder  zum  Ausbruch  kam.  Im 
Jahre  1428  machte  ihm  ein  neuer  Aufstand  der  unruhigen  Bolog- 
nesen  viel  zu  schaffen ,  die  sich  erst  im  folgenden  Jahre  wieder 
fugten.  Nun  ging  aber  die  Wiederherstellung  der  päpstlichen 
Autorität  raschen  Schrittes  voran.  Citta  di  Castello,  welches 
Braccio  gehört  hatte ,  und  das  wichtige  Fermo  erkannten  diese 
Autorität  an ,  während  der  im  Jahre  1429  erfolgte  Tod  der  beiden 
mehrgenannten  Malatesten,  Carlos  des  Herrn  von  Rimini  und 
Malatestas  des  Gebieters  von  Pesaro ,  wie  der  Streit  wegen  ihrer 
Erbschaft  dem  Papste  Gelegenheit  bot  mehre  Orte,  Borgo  San 
Sepolcro,  Cervia,  Osimo,  Fano,  Senigallia,  Pergola  "viHeder  zu 
erlangen.  Die  Erfolge  Martins  V.  kamen  indess  nicht  blos  dem 
Kirchenstaate  als  solchem  zugute.  Er  vergass  seine  eigne 
Familie  nicht.  Wie  zur  Zeit  als  das  Schisma  zu  Ende  ging, 
die  Colonna  den  Orsini  an  Zahl  und  Bedeutung  der  Ort- 
schaften und  Burgen  in  Roms  Umgebung  nahe  standen ,  hat 
die  Schilderung  der  römischen  Campagna  und  des  benachbar- 
ten Hügel-  und  Berglandes  bei  Martins  V.  Rückkehr  gezeigt. 
Dieser  aber  hatte  nun  zweierlei  im  Auge:  den  Besitz  in  der 
Nähe  zu  mehren,  während  der  Erwerb  von  Lehnen  und  Wür- 
den im  Süden  mit  den  orsinischen  wetteifern  sollte.  Beides 
gelang.  Er  verschaffte  den  Seinigen  das  feste  Marino  das  den 
Orsini  gehört  hatte,  Ardea,  Nettuno,  Astura,  indem  er  sie  so 
von  den  Albaner  Hügeln  zum  Meere  mächtig  machte,  wie  sie 
es  von  diesen  Hügeln  ins  Aequer  und  Hemiker  Land  hinein 
schon  waren.  Er  verstärkte  auf  letzterer  Seite  ihre  Stellung, 
indem  erPaliano,  ihre  nachmalige  Hauptveste,  und  Serrone  für 
sie  gewann.  Er  setzte  sie  in  Besitz  von  Bassanello  im  sabini- 
schen  Tiberthal,  von  Soriano  im  Viterbesischen,  woran  sich 
80  viele  Erinnerungen  Nicolaus'  HI.  und  der  Orsini  knüpften. 
Er  befreite  die  meisten  dieser  Cas teile  von  allen  Steuerzahlun- 
gen, von  der  Salzsteuer,  von  jener  welche  die  Feuerstellen 
zahlten;  er  regelte  dann  die  Vertheilung  der  vielen  Lehne  und 
traf  Bestimmimgen  für  gemeinsamen  Familienbesitz  wie  für  die 

T.  Keamont,  Rom.    III.  5 


66  Die  Colouna.     Spanien  und  das  Schisma. 

einzelnen  Antheile  der  ihn  überlebenden  Neffen.  Die  Verheira* 
tung  seiner  Bruderstochter  Caterina  mit  Guid'  Antonio  von 
Montefeltro  Grafen  von  Urbino ,  welche  am  23.  Januar  1424  in 
Kom  gefeiert  ward,  diente  zu  dem  doppelten  Zwecke,  das  schon 
mächtige  Geschlecht  der  Feitrier  noch  fester  mit  dem  Papst- 
thum  zu  verbinden  und  den  Colonnesen  einen  weitem  Rück- 
halt zu  verschaffen. 

Während  Martin  solches  im  Kirchenstaat  bewerkstelligte, 
erlangte  er  von  der  Königin  Johanna  glänzende  Bewilligungen 
für  allerdings  nützUche  Dienste.  Von  jener  Zeit  an  gehören 
die  Colonna  Neapel  beinahe  in  gleichem  Maasse  an  wie  ihrer 
römischen  Heimat,  obgleich  mehre  der  ihnen  damals  verliehe- 
nen Lehne  bald  in  andere  Hände  kamen.  Von  des  Papstes 
beiden  Brüdern  wurde  der  eine,  Giordano,  Herzog  von  Amalfi 
und  Venosa,  Fürst  von  Salerno.  Der  andere,  Lorenzo,  ward 
Graf  von  Alba  imd  Celano  in  den  Abruzzen  und  Kämmerer 
des  sicihschen  Reiches.  Bei  des  Erstem  kinderlosem  Tode 
erhielt  Lorenzos  Sohn  Antonio  die  Belehnung  mit  Salerno, 
während  dessen  Bruder  Odoardo  Celano  und  Marsi  anheim- 
fielen, womit  er  den  Besitz  Palianos  vereinigte.  Odoardo  ist 
der  Stifter  der  Linie  welche  sich  neben  der  von  Stefanos  des 
Alten  Enkel  Stefanello  stammenden,  den  Colonna  von  Pale- 
strina  gegenwärtig  Barberini- Colonna,  in  Rom  fortgepflanzt 
hat,  gewöhnlich  nach  ihrer  Hauptveste  die  Linie  von  Paliaao 
oder  nach  ihrem  nachmaligen  neapolitanischen  Erbamte  die 
des  Grossconnetable  genannt.  Auch  das  florentinische  Büiger- 
recht  ward  den  Colonna  zu  Theil,  die  wir  früher  schon  in  Be- 
ziehung zur  RepubUk  fanden.  Das  übermüthige  florentinische 
Volk  hatte  einst  Papst  Martin  verspottet:  jetzt  war  ihm  in  den 
Händeln  mit  dem  Visconti  an  des  Papstes  Freundschaft  viel  ge- 
legen. In  den  florentinischen  Banken  sicherten  sich  die  Colonna 
durch  Geldanlagen  wider  möglichen  Glückswechsel. 

Neben  den  poUtischen  Angelegenheiten  nahmen  die  geist- 
lichen Martin  V.  unausgesetzt  in  Anspruch.  Das  Concil  hatte 
das  Schisma  besiegt  ohne  es  völlig  auszurotten  und  es  war 
wesentlich  der  Zusammenhang  des  Papstthums  mit  den  neapo- 
litanischen Thronwirren,  welcher,  indem  er  die  Interessen  des 
Königs  von  Aragon  berührte,  das  Feuer  noch  unter  der 
Asche  fortgUmmen  Hess.  Selbst  als  Pedro  de  Luna  im  Jahre 
1424  in  Paniscola  starb,    war  es   damit  noch   nicht  zu  Ende, 


Rom  unter  Maitiii  V.  67 

denn  ein  Domherr  von  Barcelona,  Gil  Sanchez  de  Muftoz,  trat 
an  Benedicts  XIII.  Stelle,  und  erst  fünf  Jahre  später  gelang 
es  den  Bemühungen  des  päpstlichen  Legaten  Cardinal  Pierre 
de  Foix  durch  Uebereinkunft  mit  König  Alfons  dem  Antipapat 
Clemens'  VIII.  ein  Ziel  zu  setzen.  Minder  glücklich  war  Martin 
in  seinen  eignen  Concilsbestrebungen ,  welche  das  in  Constanz 
unvollendet  gelassene  Werk  zum  Schluss  bringen  sollten.  Der 
erst  in  Pavia  dann  in  Siena  gemachte  Concilsversuch  hatte 
keinen  Erfolg.  Es  war  ein  Unglück,  denn  je  noth wendiger  die 
Refdhn  war,  umsomehr  steigerten  sich  Uebelstände  und  Hinder- 
nisse durch  die  Länge  der  Zeit,  und  als  der  Papst  endlich, 
durch  die  reissenden  Fortschritte  der  Häresie  in  Teutschland 
gedrängt,  am  Spätabende  seines  Lebens  eine  neue  Synode  auf 
teutschem  Boden  ausschrieb,  war  die  Stinunung  schon  eine 
solche  geworden,  dass  es  nur  des  von  seinem  Nachfolger  an 
den  Tag  gelegten  Mangels  an  Vorsicht  und  an  richtiger  Beur- 
theilung  der  Sachlage  bedurfte,  um  alles  Gewonnene  wieder 
in  Frage  zu  stellen. 

Rom  blieb  ruhig  unter  Martin  V.  Fremde  Senatoren  folg- 
ten einander  regelmässig  im  Amte,  zum  Theil  Ritter  aus 
Städten  des  Ejrchenstaats  zum  Theil  aus  anderen,  ein  Gon- 
zaga  von  Mantua,  ein  Loschi  von  Vicenza,  ein  Buondelmouti 
von  Florenz.  Emeimungen  städtischer  Beamten,  des  Schatz- 
meisters, des  Kanzlers,  der  Zunftanwalte,  der  Wegemeister, 
des  Aufsehers  über  den  Bach  Marrana  u.  a. ,  Bestätigung  von 
Privilegien  für  die  Juden,  z.  B.  für  die  Brüder  Luiz  und  Ma- 
nuel Chirurgen  in  Trastevere,  wahrscheinlich  portugiesischer 
Abstammung,  u.  s.  w.  erfolgten  durch  den  Papst.  Er  schloss 
oder  verlängerte  Waffenruhe  zwischen  Rom  und  den  Baronen, 
erweiterte  die  senatorische  Gerichtsbarkeit,  hiess  die  Verbrecher 
in  benachbarten  Ortschaften  dem  Senator  ausUefern,  erliess 
eine  Constitution  gegen  die  Kirchenräuber  in  der  Stadt,  ver- 
ordnete die  Niederschlagung  der  Strafen  denen  der  Präfect 
von  Vico  und  Genossen  verfallen  waren.  Strenge  Maassregeln 
wurden  nicht  verschmäht.  Das  Castell  Montelupo ,  ein  Räuber- 
nest, wurde  dem  Erdboden  gleichgemacht;  mehre  vornehme 
Strassenräuber  und  eine  Wegelagererbande,  welche  die  Ge- 
gend von  Monterotondo  bis  Campagnano  unsicher  machte, 
wurden  aufgeknüpft.  Eine  Menge  Erlasse  zeigen  wie  der 
Papst  im    Kirchenstaat   wirklich    als  Herr   gebot,    nicht   blos 


5* 


68  Der  Kirchenstaat  unter  Martin  V.    Sta  Franeesca  Romana. 

durch  Ausübung  solcher  Hoheitsrechte  wie  Vicariatsverlei- 
hungen  und  Bestätigungen,  Creirungen  von  Grafschaften 
wie  die  von  Toscanella  für  den  Condottiere  Tartaglia  di 
Lavello,  Münzrechtsbewilligungen  wie  die  für  Urbino  an 
Guid'  Antonio  von  Montefeltro,  sondern  auch  durch  Eingreifen 
in  das  Detail  der  Verwaltung.  Zahlreiche  Ernennungen  zu 
höheren  wie  geringeren  Aemtem  erfolgten  durch  den  Papst 
Wie  die  Rectoren  des  Patrimoniums,  Schatzmeister  in  Campanien 
und  Marittima,  Govematoren  von  Spoleto  und  Temi  wurden 
Cameralverwalter  in  Bologna^  Hauptleute  für  die  Bewacliung 
des  Apenninenpasses ,  Richter  in  Romagna  und  Marken, 
Steuerverwalter  in  Viterbo  und  Nami  u.  a.  von  Martin  V. 
direct  ernannt.  Er  verfugte  über  Getreideausfuhr  und  Saline 
in  Cometo  und  über  den  Salzcontract  in  Bologna,  bestätigte 
die  Privilegien  Terracinas,  revocirte  die  in  der  Mark  den  An- 
führern der  Truppen  gemachten  AbgabenbewiUigungen  und  die 
in  Marittima  ertheilten  Befugnisse,  gewährte  dem  Castell  Monte 
Compatri  Steuererlass  und  dem  Podesta  von  Bologna  das  Recht 
juristischer  Doctorcreirungen,  verfugte  dass  die  Comune  letz- 
terer Stadt  neben  dem*  der  apostolischen  Kammer  gezahlten 
Tribut  von  zehntausend  Goldgulden  die  Summe  von  fünftausend 
jährlich  auf  ihre  Hochschule  verwenden  sollte,  empfahl  einen 
Schulmeister  für  Ferentino.  Die  Ruhe  wurde  nicht  gestört;  in 
der  ganzen  Umgebung  Roms  herrschte  Sicherheit  die  man  lange 
nicht  gekannt  hatte.  Mit  Gold  in  der  offnen  Hand,  sagt  ein 
Annähst,  konnte  man  durchs  Land  ziehn. 

Man  begann  sich  wieder  mit  frommen  Werken  und  geist- 
lichen Dingen  zu  beschäftigen.  Die  Zeit  Martins  V.  war  die 
der  vornehmsten  Wirksamkeit  einer  der  populärsten  Heiligen, 
Sta  Franeesca  Romana.  Franeesca,  gewöhnUch  Ceccolella  ge- 
nannt, war  aus  der  angesehnen  Famihe  Bussa  und  vermalt« 
sich  jung  mit  Lorenzo  Ponziani.  Nicht  die  vielfachen  und  plötz- 
lichen Glückswechsel  welche  in  den  Wirren  des  Schismas  so 
Viele  und  auch  ihre  nächsten  Angehörigen  prüften,  waren  nöthig 
ihren  ernsten  und  frommen  Sinn  zu  wecken  und  ihre  Gedanken 
auf  Abhülfe  des  täghch  ihr  vor  Augen  tretenden  Elends  zu 
richten.  Frauen  und  Jungfrauen  höherer  Stände  schlössen  sich 
ihr  an,  Werke  der  Mildthätigkeit  mit  frommen  Uebungen  ver- 
bindend. Eine  Gemeinschaft  aus  welcher  allmälig  jene  Stif- 
tung  erwuchs   die   unter   dem  Namen  der  Oblate  di  Tor  de' 


Der  h.  Benihardin  von  Siena.  69 

Specchi  heute  noch  besteht,  im  Leben  des  römischen  Adels 
seit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  eine  nicht  unwichtige  Er- 
scheinung. Der  Name  deutet  auf  das  einfache  von  den  Ein- 
tretenden abgelegte  Gelübde,  die  Darbringung  des  eignen  Da- 
seins zu  gottseligen  Zwecken.  Der  Beiname  schreibt  sich  her 
von  dem  umfangreichen  Gebäude  am  Fusse  des  capitolinischen 
Hügels,  der  vormaligen  Wohnung  der  Familie  Specchi,  welche 
Francesca  gekauft  hatte  und  wohin  sie  die  Genossenschaft  ver- 
legte in  welche  sie,  Wittwe  geworden,  selbst  eintrat.  Hier 
starb  sie  am  9.  März  1440  sechsundfünfzigjährig,  nachdem  sie, 
gegen  Bedürftige  und  Kranke  grösste  Milde  und  Freigebigkeit 
übend,  ein  Leben  strengster  Entsagung  geführt  hatte.  Noch 
sieht  man  in  dem  grossen  Kloster  die  von  ihr  vier  Jahre  lang 
bewohnte  in  ein  Oratorium  umgewandelte  Kammer  mit  Fenstern 
im  Spitzbogenstil,  während  von  dem  alten  Hause  der  Specchi 
ein  Theil  mit  Hofraum  und  Thurm  geblieben  ist.  Sie  hatte 
ihre  Anstalt  der  geistUchen  Pflege  der  Ohvetaner  anvertraut, 
deren  Kirche  an  der  Velia  ihre  entseelte  Hülle  aufiiahm  und 
nachmals,  der  im  Jahre  1608  Heiliggesprochenen  zulieb,  ihren 
Namen  Sta  Maria  nuova  in  den  von  Sta  Francesca  Romana 
umänderte. 

Nicht  lange  nach  des  Papstes  Rückkehr  war  ein  anderer 
voiksthümUcher  Heiliger  in  Rom  aufgetreten,  einer  jener  Män- 
ner die  wie  Franciscus  von  Assisi  und  Antonius  von  Padua 
durch  das  Feuer  der  Liebe  auf  die  Massen  wirken ,  welche  sie 
an  der  Glut  des  eignen  Herzens  entzünden.  Bernhardin  von 
Siena  stammte  aus  edlem  Geschlecht  und  hatte  eine  seinem 
Stande  entsprechende  Erziehung  erhalten,  aber  der  innere 
Drang  ein  Prediger  des  armen  Lebens  Christi  zu  werden  fährte 
ihn  dem  Franciscanerorden  zu.  Als  dessen  Zustände  seinem 
Ideal  nicht  entsprachen,  verfiel  er  nicht  in  die  radicalen  Ver- 
irrungen  der  FraticeUen,  sondern  unternahm  eine  Reform  die 
unter  dem  Namen  der  stricten  Observanz  reife  Früchte  getragen 
hat.  Als  Bussprediger  in  ganz  Italien  umherziehend  fand  er 
ausserordentlichen  Zulauf,  und  wie  lange  nach  ihm  Fra  Griro- 
lamo  Savonarola  erklärte  er  dem  immermehr  verweichlichten 
und  erfindungsreichen  Wohlleben  beider  Geschlechter  den 
Krieg.  Am  25.  Juni  1421  wurde  auf  dem  Capitol  ein  grosser 
Scheiterhaufen  geschichtet,  aus  falschem  Haar  und  sonstigem 
Frauenputz,  aus  Glücksspielen,  Musikinstrumenten  und  anderm 


70  Martins  V.  Tod. 

bestehend.  Leider  wurde  drei  Tage  später  ein  anderes  Autodafe 
gehalten,  das  einer  Hexe,  wozu  ganz  Rom  herbeilief.  Bemar- 
dinos  Predigten  hatten  aber  noch  eine  andere  segenreichere 
Wirkung.  U eberall  stiftete  er  Frieden  und  Versöhnung;  man 
sah  blutige  Fehden  und  Vendetten  endigen  welche  jahrelang 
gewährt  hatten.  Der  Papst  liess  dem  Buss-  und  Friedens- 
prediger  freie  Hand,  aber  er  untersagte  ihm  aus  Besorgniss 
vor  abergläubischen  Regungen  das  Tragen  des  Symbols  des 
stralenumgebenen  Namens  Christi  mit  welchem  man  den  Heili- 
gen von  Siena  gewöhnlich  abgebildet  sieht. 

So  verUefen  Martins  V.  Regierungsjahre,  inmitten  vieler 
Sorgen  und  unablässiger  Thätigkeit  von  manchen  schönen 
Erfolgen  gekrönt,  wenn  auch  Einzelnes  mislang  was  der  Papst 
beabsichtigte.  Seine  Haltung  war  voll  Staatsklugheit  und  Be- 
wusstsein  seiner  Würde:  Niemand,  sagt  ein  Gleichzeitiger,  hatte 
dem  Cardinal  die  Lebensweisheit  und  Gewandtheit  zugetraut 
die  der  Papst  an  den  Tag  legte.  In  persönHchen  Beziehungen 
erwarb  er  sich  Zuneigung.  Von  dem  was  er  für  die  Bauten 
der  Stadt  that,  wird  noch  die  Rede  sein.  Sein  grösster  Fehler 
war  die  Sucht  nach  Geld.  Wenn  er  hierin  alle  Schranken 
überstiegen  zu  haben  scheint  und  nicht  dazu  beitrug,  der  Curie, 
welcher  er  ein  schUmmes  Beispiel  gab ,  namentlich  im  Auslande 
bessern  Ruf  zu  verschaffen,  so  sorgte  er  dabei  mehr  noch  als 
für  seine  Verwandten  für  die  Bereicherung  des  päpstUchen 
Schatzes.  Seine  eigne  Lebensweise  war  einfach.  Die  Woh- 
nung die  er  sich,  da  er  bei  seiner  Rückkehr  den  vaticanischen 
Palast  in  traurigem  Zustande  fand,  neben  der  von  ihm  umge- 
bauten Apostelkirche  an  die  Häuser  seiner  Ahnen  anstossend 
einrichtete,  erschien  dem  heiligen  Erzbischofe  von  Florenz 
Antoninus,  welcher  unter  seinem  Nachfolger  in  Rom  war,  sehr 
bescheiden.  Hier  starb  er  plötzUch,  frülier  schon  vom  Schlage 
gerührt  und  halbgelähmt,  in  der  Morgenfirühe  des  20.  Febraar 
1431  nach  dreizehnjähriger  Regierung  im  Alter  von  dreiundsech* 
zig  Jahren.  Die  lateranische  Basilika  deren  Fussboden  er  er- 
neuert hatte ,  zeigt  sein  Denkmal ,  eine  längHch  viereckige 
Lade  mit  seinem  Abbild  von  Erz  in  flachem  Relief  auf  dem 
Deckel.  Als  nach  Pins'  IX.  Rückkehr  von  Gaeta  bei  der  Her- 
stellung des  Tabernakels  Urbans  V.  und  der  Anlage  der  heu- 
tigen Confession  das  Monument  seine  Stelle  in  letzterer  erhielt 


Coiiclavo  und  Wahlcapitulatiou.  71 

gelangte  man  0a  keiher  Yollkommenen  Gewissheit  über  das 
Vorhandensein  der  sterblichen  Reste  Dessen  dem  es  errichtet 
worden  war. 


5. 

BU&EN  IV.      COLONNESISCHE   HÄNDEL.      CONCIL   Zu  BASEL. 

Am  2.  März  1431  traten  von  den  zwanzig  Cardinälen  welche 
die  römische  Kirche  damals  zählte,  die  dreizehn  in  Rom  an- 
wesenden im  Dominicanerkloster  Sta  Maria  sopra  Minerva  ins 
Conclave  welches  durch  die  hier  verabredete  Wahlcapitulation 
besondere  Bedeutung  erlangt  hat  Das  Verhältniss  des  h. 
Collegiums  zum  Papste  war  schon  mehrfach  zur  Sprache  ge- 
kommen, und  es  war  natürlich  dass  die  ConciUen  von  Pisa 
und  Constanz  vermittelst  der  auf  denselben  von  den  Cardinälen 
erlangten  Autorität  einen  Rückschlag  üben  mussten,  welchen 
die  Verhältnisse  des  avignonischen  Papstthums  und  die  Ereig- 
nisse während  des  Schismas  vorbereitet  hatten.  £s  war  die 
politische,  gewissermaassen  die  constitutionelle  Seite  des  gan- 
zen Verhältnisses  welche  in  den  Vordergrund  trat  Urban  VI. 
und  Gregor  XII.  hatten  gezeigt  dass  sie  den  Cardinälen  gegen- 
über nur  den  eignen  Willen  zur  Richtschnur  nahmen:  diesem 
war  das  Concil  von  Constanz  in  den  Weg  getreten.  Aber  die 
Regierung  Martins  V.,  so  viel  löbliches  sie  an  sich  trug,  hatte 
80  in  der  Verneinung  des  von  dem  h.  CoUegium  als  legitim 
beanspruchten  Einflusses  wie  in  der  Verwendung  der  kirch- 
lichen Einkünfte  eine  Willkür  an  den  Tag  gelegt,  welcher  die 
Wähler  für  die  Zukunft  vorbeugen  wollten.  Die  in  Sta  Maria 
sopra  Minerva  getroffenen  Verabredungen  betrafen  den  maass- 
gebenden  Einfluss  des  h.  Collegiums  auf  die  zu  bewerkstelli- 
gende Reform  der  Curie  »an  Haupt  und  Gliedern«,  auf  das 
allgemeine  Concil,  auf  den  Modus  der  Cardinais -Ernennungen. 
Sie  sicherten  den  Cardinälen  das  freie  Wort  beim  Papste,  die 
Verfugung  über  ihr  Vermögen  nach  gewöhnlichem  Recht,  die 
Hälfte  der  kirchlichen  Einnahmen.  Sie  bestimmten  endlich 
dass  alle  Feudatare  im  Kirchenstaat  imd  päpstlichen  Beamten 
zugleich  für  das  Cardinalcollegium  in  Eid  und  Pflicht  genom- 
men werden  und  in  der  Sedisvacanz  von  demselben  abhängig 
sein  sollten ,  wie  es  während  des  Concils  von  Constanz  der  Fall 


72  Wahl  Gabriel  Condulinei's.     Sau 'Giorgio  iu  Alga. 

gewesen  war,  sowie  dass  der  Papst  ohife  Zua||inmiing  des  h. 
Collegiums  keine  Staatshandlungen  von  grösserer  Tragweite 
und  bindender  Kraft  für  die  Zukunft  vornehmen  und  den  Sitz 
der  Curie  nicht  von  Rom  verlegen  sollte. 

Schon  am  ersten  Tage  des  Conclaves  einigte  man  sich 
über  diese  Punkte.  Am  zweiten  fand  die  Wahl  statt.  Sie 
fiel  auf  den  achtundvierzigj  ährigen  Cardinal  von  S.  demente 
Gabriel  Condulmer  Neffen  Papst  Gregors  XII.  Der  erste  des 
Geschlechts,  Marco  mit  Namen,  war  von  Pavia  nach  Venedig 
gekommen  und  hatte  sich  im  Tuchhandel  bereichert.  In  die 
Verschwörung  der  Quirini  und  Tiepolo  vom  Jahre  1310  ver- 
wickelt welche  zur  Befestigung  der  Herrschaft  einer  geschlosse- 
nen Aristokratie  diente,  hatte  er  das  Glück  nicht  zu  den  Be- 
straften zu  gehören.  Seinem  Urenkel  Angelo  soll  in  Aegypten 
die  Tiara  in  seinem  Hause  prophezeit  worden  sein.  Angelos 
zweite  Gattin  Beriola«Correr  gebar  ihm  gegen  1383  einen  Sohn 
Gabriel,  welcher  schon  in  seiner  Jugend  Domherr  in  Verona 
wurde.  Als  Gabriel,  so  erzählt  der  Florentiner  Vespasiano  da 
Bisticci,  den  Vater  frühe  verlor  und  sich  im  Besitze  eines  an- 
sehnlichen Vermögens  befand,  wollte  er,  von  der  Nichtigkeit 
irdischer  Dinge  durchdrungen,  die  Bande  die  ihn  an  die  Welt 
fesselten  so  viel  an  ihm  lag  lösen,  und  verschenkte  lun  Gottes- 
willen zwanzigtausend  Ducaten.  Mit  seinem  Vetter  Antonio 
Correr,  der  bereits  in  früher  Jugend  sich  durch  seinen  ernsten 
Sinn  auszeichnete,  beschloss  er  dann  der  Welt  zu  entsagen 
und  das  Joch  des  heihgen  Gehorsams  auf  sich  zu  nehmen. 
So  traten  Beide  in  das  Kloster  San  Giorgio  in  Alga. 

In  geringer  Entfernimg  westhch  von  Venedig  erhebt  sich 
aus  dem  Wasserspiegel  eine  kleine  Insel,  die  nach  dem  h. 
Georg  benannt,  welchem  die  FamiUe  Guttara  hier  im  Jahre  1228 
eine  Kirche  baute,  den  Beinamen  in  Alga  von  der  Menge  des 
Seegrases  erhielt  das  den  seichten  Boden  der  Lagune  deckt 
Der  Kirche  schloss  sich  ein  Eremitaner- Augustinerkloster  an, 
welches  Bonifaz  IX.  im  Jahre  1397  dem  Sprössling  einer  zuerst 
im  zwölften  Jahrhundert  vorkommenden  venetianischen  Fa- 
tricierfamihe  Lodovico  Barbo  als  Commende  verUeh.  Lodovico, 
damals  im  Jünglingsalter,  statt  wie  so  Manche  die  Einkünfte 
seiner  Commende  £ui  sich  selbst  zu  verwenden,  begründete 
eine  Congregation  von  seculären  Stiftsherren,  die  den  Namen 
von  der  Insel  annahmen  und  bald  in  Venedig  namentUch  unter 


San  Giorgio  iu  Alga.    Cardinal  Condulmer.  73 

dem  jüjogern  Adel  vielen  Anklang  fanden.  Als  der  Stifter  im 
Jahre  1408  die  Leitung  seiner  neuen  Schöpfung  aufgeben  musste, 
um  die  des  Klosters  Sta  Giustina  in  dem  drei  Jahre  zuyor  der 
Republik  unterworfenen  Padua  anzutreten,  folgte  ihm  als  Prior 
Lorenzo  Giustiniani,  nachmals  Venedigs  erster  Patriarch,  wel- 
chen sein  Landsmann  Alexander  YIU.  im  Jahre  1690  der  Zahl 
der  Heiligen  zuschrieb.  £r  vollendete  was  sein  Vorgänger  be- 
gonnen hattQ,  und  die  Congregation  von  S.  Giorgio  in  Alga 
entwickelte  schon  in  den  letzten  Zeiten  des  Schismas  eine 
segensreiche  Thätigkeit,  die  ihr  in  der  Kirchen-  wie  in  der 
Gelehrtengeschichte  Venedigs  den  ehrenvollsten  Namen  gemacht 
hat  Als  Cardinal  Angelo  Correr,  welcher  als  Venetianer  und  vor- 
maliger Bischof  seiner  Vaterstadt  von  dieser  Congregation  genaue 
Kenntniss  hatte ,  im  Jahre  1406  zum  Papste  gewSlilt  ward ,  be- 
scbloss  er  seinen  Neffen  Antonio  zum  Cardinal  zu  machen. 
Dieser,  so  berichtet  Vespasiano,  woUte  um  nichts  auf  der  Welt 
sein  Kloster  verlassen.  Endhch  aber  vom  Papste  genöthigt 
willigte  er  ein  unter  der  Bedingung,  dass  Messer  Gabriel  Condul- 
mer auch  den  Purpur  erhalten  sollte,  womit  der  Papst  ihm  zu 
lieb  einverstanden  war.  Es  war  die  verhängnissvolle  Cardinals- 
creation  vom  9.  Mai  1408,  in  welcher  Antonio  Correr  imd  Gabriel 
Condulmer  ernannt  wurden,  nachdem  Beide  schon  eine  Zeit- 
lang sich  bei  der  Curie  befunden  hatten.  Gregor  XU.  hatte 
Letzterm  das  Bisthum  Siena  übertragen,  ihn  jedoch,  als  die 
Bewohner  der  Stadt  Einspruch  thaten,  zum  Kammerkleriker 
und  Schatzmeister  gemacht,  in  welcher  Eigenschaft  dieser 
seinem  Oheim  nach  Lucca  gefolgt  war.  Martin  V.  hatte  dem 
Neffen  Gregors  XTT.  stets  Vertrauen  bewiesen  und  ihm  zwei 
wichtige  Legationen  übertragen,  die  der  Mark  Ancona  dann 
die  bolognesische.  Kurz  vor  Martins  Tode  war  der  Cardinal 
Condulmer  nach  Kom  gekonmieu.  Die  Wähler  waren  fast 
sämmtiich  Italiener,  wie  denn  überhaupt  während  Martins  Re- 
gierung das  Verhältniss  der  itatienischen  Cardinäle  sich  wieder 
als  ein  überwiegendes  gestaltet  hatte.  Denn  unter  den  neun- 
zehn, nach  Anderen  zwanzig  damals  lebenden  Mitghedern  des 
h.  CoUegiums  zählte  man  nur  acht  Ausländer,  drei  Franzosen 
Pierre  de  Foix  und  die  Erzbischöfe  von  Ronen  und  Arles 
Jean  de  La  Rochetaille  und  Louis  Aleman,  ebenso  viele  Spanier 
Juan  Cervantes,  Domingo  Ram  und  Alfonso  Carillo,  einen 
Soglaiider  Henry  Beaufort  Bischof  von  Winchester,  und  Hugo 


74  Papst  Eugen  IV. 

von  Lusignan  Erzbischof  von  Nicosia  Bruder  des  Königs  von 
Cypern. 

Am  12^  März  1431  wurde  Eugen  IV.  auf  den  Stufen  der 
yaticanischen  Basilika  durch  den  Cardinal  de'  Conti  gekrönt, 
worauf  die  gewohnte  Procession  nach  dem  Lateran  stattfand. 
Als  er  zum  yaticanischen  Palast  zurückgekehrt  öffentliches 
Consistorium  hielt,  ereignete  sich  der  Unfall,  dass  unter  der 
zusammengeströmten  Menge  die  Balken  nachzugeben  begannen 
und  allgemeine  Flucht  entstand  so  dass  der  Bischof  Ton  Seni- 
galUa  im  Gedränge  erdrückt  ward.  Es  war  eine  schlimme  Vor- 
bedeutung für  die  beginnende  Regierung.  Inderthat  sin«^  wenige 
Pontificate  so  ruhelos  und  gestört  gewesen,  wie  dieser.  Man 
mögte  sich  darüber  wundern  wenn  man  die  Earakterschilde- 
rung  Eugens  IV.  Uest,  wie  sie  uns  von  einem  seiner  Zeitge- 
nossen vorUegt,  der,  wenn  er  im  Allgemeinen  zum  Lobe  mehr 
als  zum  Tadel  geneigt  ist,  Personen  und  Verhältnisse  zu  gut 
kannte  und  eine  zu  ehrUche  Gesinnung  an  den  Tag  legt,  als 
dass  wir  ihm  nicht  Vertrauen  schenken  sollten.  Dieser  Mann, 
dessen  Name  schon  genannt  ward,  ist  ein  florentiner  Buch- 
händler, der  die  werthvollsten  Mittheilungen  über  die  hervor- 
ragendsten Personen  seiner  Zeit  hinterlassen  hat 

»Papst  Eugenius,  sagt  Vespasiano  da  Bisticci,  war  hoch 
von  Gestalt,  von  schönem  ehrfurchtgebietenden  Aeussern, 
mager ,  ernst  und  gemessen.  Er  machte  auf  die  Leute  in  seiner 
Gegenwart  einen  solchen  Eindruck,  dass  sie  kaum  zu  ihm  auf- 
zubhcken  wagten.  Als  er  während  seines  Aufenthalts  in  Flo- 
renz einmal  mit  seinen  Cardinälen  auf  der  neben  dem  Eingang 
zum  Kloster  Sta  Maria  Noveila  errichteten  Tribüne  stand,  wah- 
rend das  Volk  den  Platz  nicht  nur  sondern  die  benachbarten 
Strassen  füllte,  und  er  das  »Adiutorium  nostrum  in  nomine 
Domini.  begann,  vernahm  man  auf  aUen  Seiten  nichts  aU 
Schluchzen,  so  überwältigend  war  die  Majestät  des  Statthal- 
ters Christi,  welcher  in  Wahrheit  Der  schien  den  er  vorstellte. 
Seine  Lebensweise  war  die  einfachste.  Unter  seiner  Papstklei- 
dung trug  er  ein  Hemde  von  Sarsche.  Er  trank  keinen  Weiu 
sondern  Wasser  mit  Zucker  und  etwas  Zimmt.  Seine  Malzeit 
bestand  aus  einer  einzigen  Schüssel  Fleisch,  meist  gesottenes, 
nebst  Gemüse  und  Obst  die  er  hebte;  er  hatte  keine  bestimmte 
Speisestunde,  sodass  sein  Hofgesinde  stets  etwas  für  ihn  be- 
reit hielt.     Audienzen  ertheilte  er  bereitwillig  nachdem  seine 


Papst  Eugen  IV.  75 

Geschäfte  abgemacht  waren,  namentlich  Geistlichen  und  Sol- 
chen die  er  als  rechtschaffene  Leute  kannte.  Er  war  freigebig 
und  theilte  reichliche  Almosen  aus,  in  dem  Grade  dass  er 
immer  in  Schulden  war,  da  er  Geld  nicht  schätzte  und  nichts 
for  sich  behielt  Als  eines  Tags  ein  florentiner  Bürger  Feiice 
Brancacci,  arm  und  landesverwiesen ,  den  Papst  um  Unter- 
stützung bat,  liess  dieser  eine  mit  Florenen  gefüllte  Börse 
holen  und  sagte  Jenem  er  möge  nehmen  soviel  er  wolle.  Da  nun 
der  Mann  schüchtern  wenige  Goldstücke  nahm ,  sprach  Eugen 
lachend:  greift  tüchtig  zu,  ich  gebe  euch  das  Geld  gerne.  So 
verschwand  das  Geld  bei  ihm  alsbald  nachdem  es  gekommen 
war.  Eines  Tages  brachte  man  ihm  ein  Säcklein  mit  vier-  oder 
fünftausend  Florenen,  die  er  Messer  Bartolommeo  Rovarella, 
welchen  er  bei  sich  hielt,  zum  Aufheben  gab.  Da  dieser  eben 
beschäftigt  war,  steckte  er  das  Säckchen  unter  die  Matraze 
des  Bettes  des  Papstes  wo  es  mehre  Tage  liegen  blieb.  Nun 
traf  es  sich  dass  der  Papst,  während  er  in  seiner  Schlaf kam- 
mer  war,  Einem  ein  Geschenk  machen  wollte  und  von  Messer 
Bartolommeo  das  Säckchen  zurückverlangte.  Dieser  scheute 
sich,  es  aus  dem  Bette  hervorzuholen,  musste  es  aber  doch 
am  Ende  thun,  worauf  der  Papst  sehr  erziirnt  war  und  ihn 
schalt,  weil  er  die  Leute  glauben  machen  könnte  dass  er  auf 
Geld  einen  besondem  Werth  lege,  während  man  es  gering- 
schätzen müsse.  Beständig  hatte  er  vier  Klostergeistliche  bei 
sich,  zwei  Benedictiner  und  zwei  von  seinem  eignen  Orden, 
die  einander  Nachts  in  seiner  Kanuner  ablösten,  nebst  einem 
Weltpriester.  Mit  den  Vier  betete  er  das  Officium  Tag  und 
Nacht;  zur  Matutin  stand  er  immer  auf,  und  wenn  er  aus 
dem  Schlaf  erwachte,  Hess  er  sich  eins  der  Bücher  reichen  die 
neben  seinem  Bette  lagen,  und  las  eine  Stunde  und  nach  Um- 
ständen länger,  indem  er  aufrecht  sass  und  das  Buch  vor  sich 
auf  einem  Kissen  zwischen  zwei  Lichtem  liegen  hatte.  Mehre 
seiner  Verwandten,  so  GeistUche  wie  Weltliche ,  waren  zu  ihm 
gekommen.  Vom  weltlichen  Besitz  der  Kirche  erhielten  sie 
nichts,  indem  er  der  Ansicht  war,  er  könne  nicht  verschenken 
was  nicht  sein  war.  Sonst  sah  man  an  seinem  Hofe  manche 
Edelleute,  Neapolitaner  und  andere,  denen  er  ein  massiges  Ge- 
halt auszahlen  liess.« 

Man  mögte  sich  darüber  wundem,  dass  bei  so  tüchtigen 
Eigenschaften  Eugens  IV.  Regierung  so  wenig  Glück  brachte. 


76  Rom  und  der  Kirchenstaat  unter  Eugen  IV. 

Die  Schuld  lag  nicht  immer  an  ihm  noch  an  dem  Starrsinn, 
über  welchen  seine  Zeitgenossen  geklagt  haben.  Eugen  lY., 
persönlich  ein  tüchtiger  und  achtungswerther  Mann ,  hat 
als  Regent  Fehler  gehabt;  die  Ungunst  der  Umstände  stei- 
gerte sie.  Derselbe  Autor  dem  wir  die  Schilderung  Roms 
zur  Zeit  Martins  V.  verdanken,  Poggio  Bracciolini,  giebt  uns 
ein  ergreifendes  Gemälde  des  Contrastes  welchen  die  öffent- 
lichen Zustande  unter  dem  Nachfolger  dieses  Papstes  darboten. 
»Wer  hätte  geglaubt,  so  sagt  er,  dass  das  goldene  Zeitalter 
welches  Martins  V.  Weisheit  uns  zurückgebracht  hatte,  in 
solches  Elend  und  so  grossen  Ruin  verwandelt  werden  würde? 
Friede,  Ordnung,  Ruhe,  Sicherheit  der  zur  Stadt  fahrenden 
Strassen  blühten  unter  Papst  Martins  Herrschaft  in  einem 
Maasse  wie  niemand  sich  dessen  erinnerte.  Alle  Unterthanen 
blickten  auf  den  Papst  mit  Vertrauen ,  die  Stadt  Rom  wie  alle 
Städte  des  Kirchenstaats  erfreuten  sich  ungestörten  Friedens. 
Alles  gehorchte  ihm,  und  die  Christenheit  war  in  Eintracht, 
welche  gegenwärtig  so  rasch  durch  der  Menschen  oder  der 
Zeiten  Schuld  in  Hader  und  Unheil  verkehrt  worden  ist  An 
die  Stelle  des  Friedens  ist  wilder  Krieg  getreten,  statt  der 
Müsse  haben  wir  Mühseligkeiten,  statt  der  Ruhe  Erschöpfung, 
statt  des  Reichthums  Mangel,  statt  der  Sicherheit  Zwist  und 
Nachstellungen,  statt  des  Gehorsams  und  der  Treue  Empö- 
rung, nicht  in  den  päpstUchen  Dominien  blos  sondern  im  übri- 
gen Itahen.  Selten  hat  ein  Pontificat  den  Provinzen  der  römi- 
schen Kirche  so  viel  Unglück  gebracht  wie  der  von  Martins 
Nachfolger.  Verwüstete  und  geplünderte  Städte,  eingeäscherte 
Dörfer,  zertretene  Aecker,  von  Räubern  umlagerte  Strassen, 
überall  Mord  und  Brand.  Ueber  fünfzig  zugrundegerichtete 
Ortschaften,  allerwärts  Willkür  und  Grausamkeit  der  Söldner, 
Gefangene  als  Sklaven  verkauft,  die  Kerker  mit  Hungernden 
gefüllt.  Rom  von  tägUchen  Fehden  zerfleischt,  verarmt,  von 
seinen  gewohnten  Hülfsquellen  abgeschnitten,  wurde  durch 
Verzweiflung  zu  Neuerungen  und  zum  Abfall  vom  Papste  ge* 
trieben.  Schhmmer  noch  stand's  mit  Spoleto,  mit  Assisi,  mit 
den  Städten  der  Marken.  Manche  warfen  die  Schuld  allen 
Unglücks  auf  den  Papst  als  unruhig  und  kriegslustig.  Andere 
verklagten  seine  Räthe  indem  sie  ihn  selbst  für  friedfertig  aus- 
gaben. Ich  habe  in  ihm  viele  Tugenden  erkannt,  mogten  sie 
aufirichtig,  mogten  sie  blosser  Schein  sein,« 


Streit  mit  den  Coloiiiia.    AngrifT  anf  Rom.  77 

So  hatten  sich  in  kurzer  Zeit  die  Dinge  verändert.  Die 
Anlasse  zu  dieser  Veränderung  lagen  aber  theilweise  um 
manche  Jahre  rückwärts.  Die  maasslose  Begünstigung  und 
flrhöhung  der  Colonna,  diese  Schattenseite  im  Leben  Martins  V., 
trug  alsbald  ihre  schlimmen  Früchte.  Ein  Theil  des  päpstlichen 
Schatzes,  so  Kostbarkeiten  wie  baares  Geld  das  zu  einem  Unter- 
nehmen gegen  die  Türken  hatte  dienen  sollen,  befand  sich  bei 
Martins  Tode  im  Palast  bei  den  Aposteln  neben  den  colonna* 
sehen  Wohnungen,  wie  man  sagte  auch  auf  colonnaschen 
Borgen.  Die  Nepoten  hielten  nicht  nur  die  Engelsburg  be- 
setzt sondern  hatten  ihre  Castellane  in  mehren  umbrischen  und 
romagnolischen  Städten.  Nachdem  Eugen  IV.  den  h.  Stuhl 
bestiegen  hatte,  suchten  die  Colonna  sich  abzufinden.  Sie 
räumten  das  Castell  und  lieferten  einen  Theil  des  Schatzes 
aus,  angeblich  das  Ganze  desselben.  Aber  der  Papst,  wie  es 
heisst  durch  die  Cardinäle  Orsini  und  de'  Conti  gereizt,  war 
dadurch  nicht  befriedigt.  Er  Uess  den  Vicecamerlengo  und 
den  Bischof  von  Tivoli,  seines  Voi^ängers  Vertraute,  verhaf- 
ten und  eine  peinliche  Untersuchung  beginnen  die  mit  grösster 
Rücksichtslosigkeit  und  Härte  gefuhrt  wurde.  Endlich  ver- 
langte er  die  Herausgabe  der  den  Colonna  unter  der  letzten 
Regierung  verUehenen  Ortschaften.  Da  verliessen  der  Cardinal 
Prospero,  Antonio  und  Odoardo  Colonna  Rom;  Stefano  von 
Palestrina  und  andere  folgten  ihnen.  Verschiedene  Barone,  so 
die  Savelli  und  die  Caetani,  machten  mit  ihnen  gemeinsame 
Sache;  im  Innern  hatten  sie  Einverständniss.  Am  23.  April 
1431  überfielen  sie  von  Marino  kommend  unter  Leitung  Antonios 
Fürsten  von  Salemo  die  Stadt,  indem  sie  sich  mit  List  der 
Porta  S.  Sebastiano  bemächtigten  und  drangen  bis  S.  Gregorio 
vor,  während  ein  anderer  ihrer  Haufen  imter  Führung  Ste- 
fanos vom  flaminischen  Thore  her  bis  in  die  Nähe  von  S. 
Marco  gelangte.  Aber  unter  dem  Volke  fanden  sie  nicht 
den  erwarteten  Anhalt  Der  Ruf  Kirche!  Kirche!  erscholl, 
und  da  ein  päpstlicher  Soldhaufe  unter  Lodovico  und  Gio- 
vanni Mostarda  sie  angrifi*,  mussten  sie  sich  zurückziehn.  Drei- 
hundert der  Ihrigen  sollen  sie  an  Todten  und  Gefangenen 
zurückgelassen  haben;  die  Barricaden  bei  ihren  Palästen  wur- 
den von  den  Päpstlichen  erstürmt.  Doch  hielten  sie  noch 
über  einen  Monat  lang  das  appische  Thor  wo  die  Belisarischen 


78  Streit  mit  den  Colonna.    Concil  zu  Basel. 

Thürme  und  der  Drususbogen  mit  den  anschliessenden  Mauern 
zu  einer  festen  Burg  umgeschaffen  waren. 

Nun  begann  das  herkömmliche  gegenseitige  Werk  der  Ver- 
wüstung von  welchem  Rom  Jahre  hindurch  frei  gebheben  war. 
Der  Papst  liess  die  Häuser  der  Aufständischen  und  ihrer 
Freunde  verheeren,  während  diese  in  der  Campagna  wegnah- 
men oder  verbrannten  was  ihnen  in  die  Hände  fiel.  Sie  wur- 
den in  den  Bann  gethan,  ihrer  Würden  und  Lehne  verlustig 
erklärt.  Venedig  und  Florenz  standen  dem  Papste  bei,  auch 
die  Königin  Johanna,  die  doch  in  der  Erinnerung  an  Martin  V. 
einen  Anlass  zum  Wohlwollen  gegen  seine  Angehörigen  hätte 
finden  sollen,  sandte  Truppen,  die  jedoch  wie  wahre  Mieth- 
linge  zweimal  Partei  wechselten  und  Eugen  wie  seine  rebelli- 
schen Unterthanen  schweres  Geld  kosteten.  Im  Spätsommer 
wurde  Friede  geschlossen,  nachdem  ein  Versuch,  den  CoIodde 
die  Engelsbui^  in  die  Hände  zu  spielen  mislungen  war.  Die 
Brüder  und  ihre  Anhänger  unterwarfen  sich,  zahlte\i  ansehn- 
liche Summen  welche  im  Verein  mit  den  an  die  neapolitani- 
schen Condottieren  verschwendeten  ihre  Gassen  leerten,  wurden 
wieder  in  den  Besitz  ihrer  Lehne  gesetzt.  Der  Bischof  von 
Recanati  Giovanni  Vitelleschi,  welcher  am  8.  Mai  zum  Com- 
missar  bei  dem  päpstUchen  Heere  in  Campanien  ernannt  wor- 
den war,  setzte  dann  den  Kampf  gegen  den  Präfecten  Giacomo 
di  Vico  fort,  welcher  mit  der  Ruhelosigkeit  seines  Geschlechts 
auch  an  dieser  Fehde  theilgenommen  hatte,  eroberte  seine  Bur- 
gen, zwang  ihn  zur  Flucht  nach  Toscana. 

So  standen  die  Dinge  als  eine  Verwicklung  begann ,  welche 
Eugens  IV.  ganze  Regierung  zu  trüben  und  zu  verbittern  be- 
stimmt war.  Am  23.  JuU  1431  war  das  Concil  in  Basel  eröff- 
net worden ,  gemäss  der  von  Martin  V.  ungern  angenommenen, 
von  seinem  Nachfolger  bestätigten  Wahl  des  Ortes,  wo  man 
das  zu  Constanz  begonnene  Werk  zu  Ende  zu  bringen  hoffte, 
nachdem  die  italienischen  Synoden  sich  zu  dessen  FortfiibruDg 
unvermögend  erwiesen  hatten.  Sieben  Wochen  später  traf 
Cardinal  Giuliano  Cesarini,  vom  Papste  zum  Vorsitzenden  Le- 
gaten bei  der  Versanunlung  erkoren ,  aus  dem  östhchen  Teutsch- 
land ein  wo  die  hussitischen  Händel  ihn  festgehalten  hatten. 
Die  Stimmung  im  Abendlande  hatte  sich  seit  Constanz  nicht 
nur  nicht  gebessert  sondern  beiweitem  verschlimmert,  indem 
der  antipäpstUche  Geist  aus  der  Vereitlung  der  Reformprojekte 


Reich  und  Kirche  seit  dem  constanzer  Concil.  79 

wahrend  der  Regierung  Martins  V.  neue  Nahrung  geschöpft 
hatte.  Ueberdies  wollte  es  das  Unglück  dass  in  Basel  jene 
hervorragenden  Männer  fehlten,  welche  in  Constanz  bei  allem 
Eifer  far  Einheit  und  Reform  ihre  theilweise  gewagten  Prin- 
cipien  der  ausgleichenden  Praxis  untergeordnet  hatten,  und 
dass  die  baseler  Versammlung,  indem  sie  sich  auf  den  Boden 
ihrer  Vorgängerin  stellte,  die  radicale  und  maassgebende  Ver- 
schiedenheit der  Lage  nicht  in  Anschlag  brachte.  Ein  anderes 
Unglück  war  es  dass  die  Curie  vonvomherein  gegen  die  Syn- 
ode unbezwingbare  Vorurtheile  hegte  welche  durch  Zwiespalt 
im  h.  Collegium  nur  gesteigert  wurden.  Diese  Vorurtheile  waren 
es  wesentlich,  welche  kurz  nach  dem  Anfang  der  Verhandlun- 
gen in  Basel  zum  unheilvollsten  Bruch  führten. 

Ein  Rückblick  auf  die  Verhältnisse  wie  sie  sich  seit  dem 
constanzer  Concil  so  auf  geistlichem  wie  auf  weltlichem  Ge- 
biete gestaltet  hatten,  macht  es  klar  welche  unberechenbaren 
Folgen  das  Scheitern  der  von  dieser  Versammlung  angeregten 
Hoffnungen  so  in  Bezug  auf  die-  Kräftigung  der  Reichs- 
gewalt wie  auf  die  Reformation  nach  sich  zog.  In  Constanz 
hatte  man  einen  Augenblick  hoffen  dürfen,  König  Sigmund 
werde  die  Idee  der  Obrigkeit  gegenüber  der  territorialen  Zer- 
rissenheit und  der  verjährten  systematischen  Auflehnung  gegen 
Kaiser  und  Reich  wieder  zur  Geltung  bringen.  Zugleich  hatte 
man  dem  Gedanken  Raum  geben  dürfen,  das  alte  Schutzver- 
hältnisB  zur  Kirche,  dessen  Aufhören  diese  weit  über  ein  Jahr- 
hundert lang  schwer  genug  empfunden  hatte,  werde  in  einer 
den  veränderten  Umständen  entsprechenden  Weise  wiederbelebt 
werden.  So  diese  Hoffnungen  wie  jene  einer  wirkhchen  Reform 
an  Haupt  und  GUedem  waren  schon  vor  dem  Ende  des  Con- 
cils  als  gescheitert  zu  betrachten.  Die  Consequenzen  folgten 
auf  dem  Fusse.  Die  Reichsgewalt  zeigte  sich  völlig  unföhig 
deo  Sturm  zu  beschwören ,  als»  die  von  den  Reichsständen  auf 
die  Massen  übergegangene  Opposition  in  unvermeidlicher  Steige- 
rung in  wildesten  Radicalismus  ausartete.  Die  Schwächung  der 
Reichsgewalt  war  es  auch,  was  die  beiden  Bollwerke  Teutsch- 
lands gegen  den  Norden,  den  Hansebund  und  den  preussischeu 
Ordensstaat,  vollends  untergrub  und  so  zugleich  das  Sinken 
der  teutschen  Seemacht  und  das  Wachethum  Polens  förderte, 
während  in  den  westlichen  Theilen  die  Ablösung  von  Provin- 
zen sich  vollzog,  deren  längst  begonnene  Entfremdung  kaum 


80  Reich  lind  Kirche  seit  dem  constanzer  Concil. 

einen  andern  Verlauf  nehmen  konnte.  Di6  Kirche,  in  welcher 
aristokratische  Ansprüche  auf  Kosten  des  monarchischen  Ab- 
solutismus sich  geltendgemacht  hatten,  statt  ihren  innersten, 
nicht  blos  von  den  Auswüchsen  der  Papstgewalt  herrührenden 
Gebrechen  abzuhelfen ,  war  mit  dem  Verlust  der  Führung  der 
Gewissen  von  dem  Moment  an  bedroht,  wo  eine  tiefgehende 
Aufregung  das  eigentliche  Volk  ergriff.  Die  böhmische  Revo- 
lution war  zugleich  der  Ausbruch  des  blinden  Hasses  gegen 
das  Teutschthum  und  die  blutige  Nutzanwendung  der  vom 
Concil  selbst  gegen  Papst  und  Clerus  geschleuderten  Anklagen. 
Man  kann  Martin  V.  nicht  vorwerfen  er  habe  den  Ernst 
der  Lage  verkannt.  Namen  und  Persönlichkeit  der  von  ihm 
nach  Teutschland  gesandten  Legaten  sprechen  dagegen.  Aber 
dogmatische  Verhandlungen ,  wo  der  eine  Theil  das  Fundament 
des  andern  verneinte,  und  die  tiefwurzelnde  Ansicht  von  der 
Unwürdigkeit  des  Clerus  den  Boden  für  eine  Verständigung  un- 
terhöhlt hatte,  Kreuzzüge  gegen  ein  Volk,  welches  von  einer 
religiösen  Idee  fanatisirt  in  seinen  Siegen  zum  Bewusstsein  in- 
nerer Kraft  gelangt  war,  waren  gleich  ohnmächtige  Mittel  wie 
der  dem  Jahre  1422  angehörende  päpstliche  Plan  einer  Thei- 
lung  Böhmens.  Der  Papst  hatte,  als  man  in  den  Kampf  ging, 
in  seinem  Rundschreiben  an  den  während  der  Schlacht  beten- 
den Moses  erinnert,  aber  es  war  nicht  das  Glaubensheer  das 
gleich  den  Israeliten  den  Sieg  erfocht  Die  entsetzlichen  Ver- 
heerungen des  Krieges  imd  die  auch  in  Teutschland  um  sich 
greifende  gefahrvolle  Erregung  der  unteren  Stände  hätten  beim 
nahenden  Ende  von  Martins  Regierung  dem  Gedanken  einer  Wie- 
deraufnahme des  Kampfes  entgegenwirken  sollen.  Dennoch  trug 
man  sich  so  in  Rom  wie  auf  König  Sigmunds  Seite  mit  diesem 
Gedanken  zur  selben  Zeit,  wo  das  Verlangen  nach  dem  Concil 
immer  lebendiger  ward.  Ein  Verlangen  das  in  dem  in  Rom 
selbst  am  8.  November  1430  an  die  Kirchthüren  angeschlagenen, 
von  teutschen  Fürsten  ausgehenden  Programm,  worin  schon 
im  Fall  der  Weigerung  der  Curie  mit  Nöthigung  und  Obedienz- 
entziehung  gedroht  wurde,  einen  bedenklichen  Ausdruck  fand. 
GiuUano  Cesarini ,  dessen  Erhebung  zur  Cardinalswürde 
gerade  am  Tage  dieses  beunruhigenden  Anschlags  publicirt  wor- 
den war,  sollte  zugleich  den  böhmischen  Kreuzzug  und  das 
Concil  lenken,  dessen  Führung  der  Papst  ihm  am  1.  Februar 
1431,    drei   Wochen  vor   seinem   Tode,   übertrug.     Wie   der 


Cardinal  Cesariiii,  Ronig  Sigmund  und  das  Concil.  81 

Legat  den  ersten  Auftrag  ausführte,  zeigt  der  böhmische  Feldzug 
rom  folgenden  Sommer  mit  der  am  14.  August  fast  ohne  Kampf 
erlittenen,  so  furchtbaren  wie  schmachvollen  Niederlage  bei 
Tauss,  wobei  sein  Legatenkreuz  und  die  päpstliche  Kreuzzugs«* 
bulle  den  Ketzern  in  die  Hände  fielen.  Verkleidet  musste  er 
sich,  nachdem  er  den  Böhmen  entronnen,  vor  dem  Grimm  der 
Teutschen  retten  welche  über  Verrath  ihrer  Fürsten  schrieen. 

In  solcher  Verfassung  und  mit  solchen  Erfahrungen  traf 
der  Cardinal  im  September  in  Basel  ein.  Was  ihm,  der 
Teutschland  schon  von  früherm  Aufenthalt  her  kannte,  nicht 
entgangen  sein  konnte,  wurde  nun  zur  Ueberzeugung  für  die  er 
mannhaft  eingetreten  ist.  Nur  von  der  Versöhnung  der  Böh- 
men erhoffte  er  Beruhigung,  nicht  für  Böhmen  blos  sondern 
(ilr  ganz  Teutschland.  Diese  Versöhnung  konnte  nicht  ohne 
durchgreifende  Keform  des  Clerus  erzielt  werden,  die  Reform 
aber  konnte  nur  das  Concil  durchfuhren.  Er  sprach  es  aus, 
von  der  Auflösung  und  Entartung  des  Clerus  rühre  die  Er- 
bitterung der  Laien  wider  das  Kirchenthum  her.  Werde  jenen 
nicht  Abhülfe,  so  werde  die  Drohung  der  Laien  nach  Hussiten- 
art  gegen  den  Clerus  loszubrechen  zur  That  reifen.  Es  sei  die 
Schändlichkeit  dieses  letztern  worin  die  Irrthümer  wie  die  Ver- 
wegenheit der  Böhmen  Nahrung  schöpften.  Wäre  kein  allge- 
memes  Concil  versammelt,  so  müsste  man  eine  Provinzialsynode 
zusammenrufen,  sonst  werde  nach  dem  Ende  der  böhmischen 
Ketzerei  eine  andere  ausbrechen. 

Gleicher  Ansicht  wie  Giuhano  Cesarini  war  König  Sig- 
mund. Er  versuchte  nochmals  friedhche  Beilegung  und  for- 
derte die  Böhmen  auf  das  Concil  zu  beschicken.  Eine  förm- 
liche Einladung  erging  von  der  Versammlung  am  18.  October. 
Es  fehlte  ihr  nicht  an  Aussicht,  indem  nach  erfochtenem  voll- 
standigen  Siege  die  längst  divergirenden  Meinungen  der  Auf- 
standischen völlig  auseinandergingen,  und  die  mildere  Partei 
für  eine  Verständigung  war.  Unglücklicherweise  weckte  aber  der 
blosse  Beschluss  einer  Verhandlung  des  Concils  mit  den  Hus- 
siten  in  solchem  Maasse  des  Papstes  Argwohn,  man  wolle 
schon  entschiedene  Streitfragen  wieder  erneuern,  dass  die 
äusseren  Gründe  die  ihn  schon  gegen  die  Versammlung  stimm- 
ten, dadurch  entscheidend  verstärkt  wurden. 

.  Die  Zahl  der  Theilnehmer  war  äusserst  gering.    Die  Um« 
Stande  waren  wegen  drohender  Kriegsbewegungen  ungünstig, 

▼.  Rcomont,  Rom.    UI.  G 


82  Versuch  der  Verlegung  des  Concils. 

die  an  den  Papst  gelangten  Berichte  entmuthigend.  Zugleich 
drangen  die  Griechen ,  deren  Wiedervereinigung  mit  der  abend- 
ländischen Kirche  neben  der  beabsichtigten  Reform  Hauptauf- 
gabe der  Versammlung  sein  soUte,  auf  Abhaltung  derselben  in 
einer  italienischen  Stadt  Diese  sind  die  Anlässe  welche 
Eugen IV.  bewogen,  am  12.  November  1431  die  Auflösung  der 
kaum  begonnenen  baseler  Synode  und  deren  Verlegung  nach 
Bologna  zu  decretiren,  was  am  18.  December  in  schärferer 
Fassung  wiederholt  ward,  nachdem  Verhandlungen  mit  den 
Hussiten  angeknüpft  waren.  Ein  Schritt  der  das  schon  rege  Mis- 
trauen  auf's  höchste  steigerte  und  zunächst  das  Gegentheil 
von  dem  zuwegebrachte  was  in  des  Papste^s  Absicht  lag.  Denn 
nun  erhielt  die  bis  dahin  kaum  im  Entstehn  begriffene  Synode 
eigentUches  Leben  und  Kraft,  indem  die  Opposition  gegen  das 
Papstthum  in  der  Besorgniss,  dasselbe  werde  ein  italienisches 
Concil  nur  zur  Erreichung  seiner  eignen  Zwecke  benutzen, 
Nahrung  fand.  Durch  Rücksicht  auf  die  bedenkliche  Stim- 
mung in  den  transalpinischen  Ländern,  die  er  ebenso  wie  die 
Meinung  König  Sigmunds  und  anderer  Fürsten  genau  kannte, 
vielleicht  mehr  noch  als  durch  Hoffnung  auf  Ausgleichung  der 
bestehenden  Differenzen  bewogen ,  erklärte  sich  Cardinal  Cesa- 
rini  im  Januar  1432  in  einem  Schreiben  an  den  Papst  entschie- 
den gegen  die  bedenkliche  Maassregel.  Die  Auflösung  des  Con- 
cils, stellte  er  dem  Papste  vor,  sei  der  Sieg  der  Häresie,  vor 
welcher  die  Kirche  zu  fliehn  scheine  nachdem  Waffenmacht 
vor  ihr  geflohen.  Sie  sei  das  Greständniss  der  Unverbesserlich- 
keit des  Clerus,  nachdem  nun  schon  so  viele  Concihen  ohne 
Reform  vorübergegangen;  sie  sei  eine  Aufiorderung  zum  Vor- 
gehn  des  feindhchen  Laienstandes.  »Der  Menschen  Gemüther 
sind  mit  Bösem  schwanger  und  schon  beginnen  sie  das  Gift 
auszuspeien.  Raub  und  Mord  an  Klerikern  verübt  wird  ihnen 
ein  gottgefälliges  Opfer  scheinen.  Das  Concil  hemmte  sie  noch: 
wird  es  aufgelöst  so  werden  sie  alle  Zügel  schiessen  lassen. 
Alle  Schuld,  aller  Hass,  alle  Schmach  werden  auf  die  Curie 
fallen.« 

Giuliano  Cesarini  sah  das  Schisma  voraus.  Er  legte  das 
Präsidium  nieder,  aber  die  Synode  löste  sich  darum  nicht  auf 
Zwar  trat  sie  mit  Eugen  in  Unterhandlung  zum  Zweck  der 
Zurücknahme  seiner  Decrete,  aber  die  Zustinmiung  von  Für- 
sten, Bischöfen,  Doctoren  weckte  und  steigerte  von  Tag  zu 


Versuch  des  Vergleichs  zwischen  Papst  und  Concil.  83 

Tag  einen  Widerstand  der  bald  in  Trotz  ausartete.  Auf  die 
Appellation  an  einen  besser  unterrichteten  Papst  und  die  ver- 
schärfte Erklärung  der  Autorität  und  Unauflösbarkeit  der  Ver- 
sammlung folgten  die  im  April  an  Papst  und  Cardinäle  erlassene 
Aufforderung,  persönlich  oder  mittelst  Vertretung  zu  erscheinen, 
die  Androhung  des  gerichtlichen  Verfahrens  und  der  Suspen- 
sion im  Weigerungsfalle,  andere  zum  Theil  persönUch  feindselige 
und  gehässige  Scluritte.  Die  Lage  wurde  für  Papst  Eugen  umso 
bedenklicher,  da  nicht  nur. im  Cardinalcollegium  eine  Spaltung 
ausbrach,  sondern  König  Sigmund,  der  nur  von  einer  jenseit 
der  Alpen  tagenden  Eirchenversammlung  eine  Ausgleichung  der 
hussitischen  Streitigkeiten  hoffte,  sich  auf  Seiten  der  Baseler 
stellte,  deren  Uebergriffe  er  jedoch  misbilligte,  während  er 
den  schon  drohenden  äussersten  Schritten  vorzubeugen  be- 
müht war. 

So  verging  der  Rest  des  Jahres  1432,  während  das  Concil 
immermehr  Theilnahme  gewann.  Da  beschloss  Eugen  IV., 
von  dem  aufrichtigen  Wunsche  beseelt  den  Frieden  der  Kirche 
zu  erhalten  und  den  teutschen  Irrungen  ein  Ende  zu  machen, 
alles  was  von  ihm  abhing  zu  thun,  diesen  doppelten  Zweck 
zu  erreichen.  Er  hatte  gewissermaassen  im  eignen  Hause  von 
der  firühem  Spaltung  zu  schweres  Unheil  erlebt,  um  nicht  einer 
neuen  aus  dem  Wege  zu  gehen.  Im  Februar  1433  versuchte 
er  die  erste  Annäherung,  welcher  im  Juli  weitgehende  Ver- 
gleichsvorschläge folgten.  Die  Aufnahme  welche  dieselben  fan- 
den, war  nicht 'ermuthigend ;  je  versöhnlicher  der  Papst  sich 
zeigte,  umso  höher  spannte  die  Versammlung  ihre  Ansprüche, 
ungeachtet  um  dieselbe  Zeit  als  jene  Annäherung  stattfand, 
der  Versuch  einer  Ausgleichung  mit  den  Hussiten  fehlschlug. 
Dasselbe  Concil  welches  mit  dem  Papstthum  wegen  der  Auto- 
ritatsfragen  haderte,  wich  indess  nicht  von  dein  katholischen  dog- 
matischen Standpunkt  ab,  wie  Cesarini  zwei  Jahre  früher  dem 
Papste  beruhigend  vorhergesagt  hatte.  Endlich  am  15.  De- 
cember  erfolgte  der  Schritt  welcher  die  Ausgleichung  zu  sichern 
schien.  Eugen  trat  der  Synode  einfach  bei,  indem  er  deren 
Rechtmässigkeit  und  Continuität  von  ihrem  Beginn  an  aner- 
kannte, seine  Beschlüsse  gegen  dieselbe  wegen  veränderter 
Umstände  zurücknahm,  Förderung  ihres  Werkes  zusagte ,  wäh- 
rend er  zugleich  die  wider  ihn  selbst  und  den  h.  Stuhl  gerich- 
teten Beschlüsse  für  aufjgehoben  erklärte  und  deren  Widerruf 


84  König  Sigmund  und  Eugen  IV. 

vorschrieb.   Die  päpstlichen  Legaten  hatten  den  Vorsitz  wieder 
übernommen.  - 

Auf  diese  friedlichere  Wendung  der  Dinge  hatte  Konig  Sig- 
mund bestimmenden  Einfluss  geübt.  £r  hatte  sich  auf  Seiten  der 
Versammlung  gestellt  als  der  Papst  sie  verlegen  wollte,  indem 
die  teutschen  und  andere  Angelegenheiten  ihm  ein  auf  der 
Nordseite  der  Alpen  tagendes  Concil  nothwendig  erscheinen 
liessen.  Aber  die  in  Basel  immer  deutlicher  an  den  Tag  tre- 
t(inde  Tendenz,  den  in  Constanz  aufgestellten  Principien  eine 
Tragweite  zu  geben  welche  den  ganzen  Bau  der  Hierarchie  um- 
zustürzen drohte ,  hatten  bei  ihm  wie  bei  anderen  Fürsten  ernste 
Bedenken  geweckt.  Noch  andere  Gründe  bewogen  den  König 
sich  dem  Papste  zu  nähern.  Nachdem  er  zwanzig  Jahre  lang 
den  Titel  eines  römischen  Königs  getragen,  wollte  er  endlich  die 
lombardische  und  die  Kaiserkrone  empfangen  die  seit  seinem 
Vater  Niemand  getragen  hatte.  Im  Spätherbst  1431  hatte  Sig- 
mund, nun  dreiundsechzigjährig,  die  Alpen  überschritten.  Früher 
bereits  hatte  er  mit  Herzog  Filippo  Maria  das  alte  Bündniss  des 
luxemburgischen  Hauses  mit  den  Visconti  erneuert,  ohne  jedoch 
den  Herrn  von  Mailand,  der  gleich  geringes  Vertrauen  weckte 
und  empfand,  zum  zuverlässigen  Bundesgenossen  zu  machen, 
wie  es  denn  auch  schon  während  des  Aufenthalts  Sigmunds  in 
Italien  zwischen  ihnen  zum  Bruch  kam.  Am  25.  November 
empfing  der  König  in  Mailand  die  eiserne  ICrone.  Während 
des  ganzen  Jahres  1432,  das  er  theils  in  der  Lombardei  theiis 
in  Lucca  und  Siena  zubrachte ,  war  er  mit  den  steigenden  Zer- 
würfnissen zwischen  Papst  und  Concil  beschäftigt.  Noch  stand 
er  umsomehr  auf  Seite  des  letztern ,  je  weniger  er  mit  Eugens 
Haltung  in  dem  Streit  zwischen  Mailand  und  Venedig  zufrieden 
war.  Im  Frühling  1433  erreichten  endlich  die  von  seinem  ge- 
gewandten Kanzler  Caspar  Schlick  geführten  Unterhandlungen 
mit  dem  Papste  das  Ziel.  Am  15.  April,  kurz  vor  dem  Auf- 
bruch aus  Siena  wo  er  manche  unerfreuliche  Erfahrung  ge- 
macht hatte,  konnte  Sigmund  dem  Concil  die  Verständigung  mit 
dem  Papste  in  sichere  Aussicht  stellen,  nachdem  dessen  Aner- 
kennung durch  Letztern  schon  erfolgt  war.  Um  dieselbe  Zeit 
befreite  der  durch  päpstUche  Vermittlung  geschlossene  Friede 
mit  Venedig  den  König  von  schwerer  Sorge  und  unerschwing- 
lichen Ausgaben. 

So  zog  unter  besseren  Verhältnissen  Sigmund  nach  Rom. 


Kaiserkromuig  Sigmunds  von  Luxemburg.  85 

Am  21.  Mai,  dem  Himmelfahrtsfeste,  traf  er  ein.  Sechshundert 
Ritter  und  achthundert  Füsser  bildeten  sein  Gefolge ;  die  Kosten 
bestritt  der  Papst,  da  des  Königs  Seckel  wie  gewöhnlich  leer 
war.  Eine  Menge  romischer  Edlen  waren  ihm  entgegengeritten 
und  begleiteten  ihn  beim  Einzug.  Musikbanden  und  Fahnen- 
trager  waren  vorauf,  ihnen  folgten  verschiedene  Gesandtschaf- 
ten, die  stadtischen  Magistrate  in  neuen  Kleidern  von  weissem 
Tuche,  zahlreiche  Bürger  Oelzweige  in  den  Händen,  über 
hundert  Gaukler  mit  Fackeln  und  Schellen.  Ein  Jüngling  in 
purpurnem  Gewände  warf  Geld  unter  die  Menge.  Sigmund 
ritt  auf  weissem  Ross  unter  einem  Thronhimmel  vor  welchem 
die  Reichsinsignien  getragen  wurden.  Poggio  Bracciolini  schil- 
dert sein  Aeusseres.  »Seine  Miene  war  lächelnd,  sein  Aus- 
druck majestätisch  zugleich  und  anmuthig,  sodass  man  alsbald 
den  Herrscher  in  ihm  erkannte,  sein  Bart  lang  und  in's  Graue 
spielend.«  In  Pontiiicalkleidung  empfing  ihn  der  Papst  auf  den 
Stufen  von  St.  Peter.  Der  König  küsste  ihm  Fuss,  Hand  und 
Mund,  dann  gingen  sie  zur  Kirche  wo  das  Messopfer  stattfand. 
Sigmund  bezog  die  am  Vatican  belegene  Wohnung  des  Vice- 
camerlengo  Cardinais  von  Arles,  seine  Beamten  und  Diener 
wurden  in  Sto  Spirito  und  im  Borgo  untergebracht 

Zehn  Tage  später,  am  Pfingstfest,  erfolgte  die  Krönung. 
Seit  213  Jahren,  seit  Honorius  III.  und  Friedrich  II.  von  Hohen- 
staufen ,  hatte  kein  Papst  diese  Ceremonie  vollzogen.  Aus  Eugens 
Hand  empfing  Sigmund  die  Krone,  nachdem  er  vor  dem  Ein- 
tritt in  die  Kirche  den  Eid  geleistet  hatte  dessen  Form  zwischen 
ihnen  verabredet  worden  war.  Nach  beendeter  Messe  gingen 
Papst  und  Kaiser,  jener  das  Crucifix  dieser  das  Schwert  hal- 
tend, die  Stufen  der  Basilika  hinab,  wo  Eugen  sein  Maulthier 
bestieg  welches  Sigmund  drei  Schritte  weit  führte.  Dann  stieg 
er  selbst  zu  Rosse  und  so  ritten  sie  von  glänzendem  Gefolge 
begleitet  bis  an  den  Aufgang  zur  Engelsbrücke,  wo  sie  sich 
trennten.  Auf  der  Brücke  schlug  der  Kaiser  eine  Menge  Ritter, 
Italiener  wie  Teutsche  und  Andere,  dann  zog  er  zum  Lateran 
von  wo  er  Abends  nach  seiner  Wohnung  im  Vatican  zurück- 
kehrte. Die  Annahme  des  Doppeladlers  zum  Reichssiegel 
schreibt  sich  von  dieser  Krönung  her.  Bis  gegen  Mitte  August 
verweilte  Sigmund  in  Rom.  Der  geistvolle  hochgebildete  Mann 
nahm  an  der  Stadt  lebendiges  Interesse.  Sein  Führer  war  einer 
der  Ersten   in   der   grossen  Zahl  Jener,    die  wissenschaftliche 


86  Sigmund  in  Rom.    Reise  nach  Basel. 

Zwecke  mit  der  Benutzung  von  Studien  und  Entdeckungen  als 
Erwerbsquelle  verbunden  und  Reisen  und  Antiquitatensammeln 
zum  Geschäft  gemacht  haben,  Ciriaco  von  Ancona,  von  dem 
noch  wiederholt  die  Rede  sein  wird.  Der  Unermüdliche  war 
in  Siena  zum  Könige  gekommen  und  hatte  ihn  nach  Rom  be- 
gleitet, wo  er  ihm  als  Cicerone  diente.  »Mir  schien,  so  schrieb 
er  später,  es  mache  auf  das  Gemüth  des  erhabenen  Fürsten 
nicht  geringen  Eindruck,  dass  die  heutigen  Römer  die  in  ihrer 
Stadt  zerstreuten  mächtigen  und  schmuckreichen  marmornen 
Bauten,  Statuen  und  Säulen,  die  einst  mit  solchem  Aufwand, 
solcher  Pracht,  solcher  Kunst  von  Architekten  und  Bildhauern 
errichteten  Werke,  in  ihrer  schmachvoll  schmutzigen  Unwissen- 
heit tagtägUch  zu  Kalk  verbrennen,  sodass  bald  nicht  eine  Spur 
derselben  für  die  Nachwelt  bleiben  wird.  Pfui  über  solche 
Frevel!  Und  ihr,  des  romulischen  Geschlechts  ruhmvolle  Manen, 

»schaut  auf  das  Treiben  herab  und  erfleht  die  verdiente  Bestrafung!« 

Sigmunds  Verhandlungen  mit  dem  Papste  hatten  günstigsten 
Erfolg.  Während  der  Kaiser  sich  dem  Eindruck  der  achtung- 
gebietenden Persönlichkeit  Eugens  IV.  nicht  entziehn  konnte, 
gewann  dieser  eine  klarere  Anschauung  der  Lage  der  Dinge  in 
ausseritalischen  Landen.  Des  Papstes  Nachgeben  bestimmte  des 
Kaisers  Haltung,  als  dieser,  der  am  Maria  Himmelfahrtstage 
bei  dem  am  Tiber  anmuthig  gelegenen  orsinischen  Castell 
Monterotondo  gelagert,  durch  Umbrien,  Romagna  und  Tirol 
am  11.  October  1433  in  Basel  anlangte.  Er  wollte  ernstlich 
den  Frieden.  »Zu  jeder  Zeit,  schrieb  er  am  25.  October  an 
den  Bath  zu  Frankfurt,  ist  unser  kaiserlicher  Sinn  danach  ge- 
standen Frieden  und  Wohl  der  Christenheit  zu  fördern,  wes- 
halb wir  beim  Concil  von  Constanz  nicht  geringe  Mühe  auf- 
gewandt, die  Wahl  auf  Basel  als  Ort  einer  neuen  Versamm- 
lung zu  lenken,  aufdass  Eintracht  in  der  Christenheit  ge- 
schafft, die  Ketzerei  ausgerottet,  die  Reform  unternommen 
würde,  wie  denn  auch  das  gegenwärtige  h.  Concilium,  durch 
Gottes  Gnade  löblich  begonnen ,  im  h.  Geist  versammelt  ist.  So 
haben  wir  unsere  Reise  von  Lombardien  aus  beeilt  und  sind 
am  Sonntag  nach  St.  Dionysiustag  hier  angelangt,  wo  wir  eine 
solche  Menge  frommer  Prälaten  und  gelehrter  Männer  aus  allen 
Ländern  versammelt  gefunden  haben  dass  unser  kaiserliches 
Gemüth   von   grosser  Freude    erfüllt  worden   ist.     Indem  wir 


Schwierigkeit eu  des  Vergleichs  auf  dem  Concil.  87 

nun  durch  göttliche  Fügung  zu  einem  Haupt  der  Christenheit 
erhoben  sind,  geziemt  es  uns  wohl  mit  unseren  Churfursten, 
Fürsten,  Städten  und  anderen  des  h.  Reichs  Unterthanen  und 
Getreuen  auf  diesem  Concil  Einigkeit  herzustellen,  zu  rathen 
und  zu  helfen,  des  h.  Reichs  Ehre  und  Vortheil  zu  wahren 
und  nicht  zu  feiern  solang  es  noththut.« 

Aber  Sigmund  begegnete  beim  ConcU  grösseren  Schwierig- 
keiten als  beim  Papste.  Die  Versammlung  beharrte  beim  Zwangs- 
verfahren der  Citationen,  auch  als  Eugen  sich  aufrichtig  ver- 
söhnlich zeigte.  Zu  seinem  Unglück  hatte  der  Papst  sich 
mit  mehren  zum  Theil  ausgezeichneten  Mitgliedern  des  h.  Col- 
legioms,  wie  Aleman,  Capranica,  Castiglione,  Lusignan,  Carillo 
u.  a.  verfeindet,  deren  Opposition  den  Trotz  des  Concils  be- 
deutend steigerte,  welchem  damals  mehre  der  gewandtesten 
Federn,  von  Italienern  wie  von  Ultramontanen,  zu  Gebote 
standen,  unter  ihnen  die  des  Teutscben  Nicolaus  von  Cusa 
und  des  Sienesen  Enea  Silvio  Piccolomini,  der  im  Dienste 
Capranicas  die  Laufbahn  begann  die  ihn  zum  Gipfel  irdischer 
Grösse  führte.  Man  kam  zu  keiner  Einigung,  indem  das  Be- 
streben des  Concils,  nicht  nur  Eugen  IV.  persönlich  zu  de- 
müthigen  sondern  die  Autorität  des  Papstthums  immermehr 
herabzudrücken,  imi  so  sichtbarer  ward,  je  grössere  Schwierig- 
keiten den  zeitigen  Träger  dieser  Würde  umgaben.  Ein  Be- 
streben, dem  die  versuchte  Unterscheidung  zwischen  einer  all- 
gemeinen und  einer  römischen  Kirche,  welcher  letztern  man 
kaum  mehr  als  die  Stellung  eines  Patriarchats  zu  lassen  geneigt 
war,  die  gefahrlichste  Tragweite  zu  geben  drohte.  Sigmunds 
Vermittlung,  welcher  es  übrigens  um  dieselbe  Zeit  gelang  die 
Versöhnung  mit  den  Böhmen  durch  die  am  30.  November  er- 
folgte Vollziehung  der  sogenannten  Prager  Compactaten,  der 
Grundlage  für  die  kirchliche  Stellung  Böhmens,  anzubahnen, 
hatte  unter  solchen  Umständen  einen  schweren  Stand.  »Das 
Concil,  schrieb  am  28.  November  der  frankfurter  Schöff  und 
Abgeordnete  Walter  von  Schwarzenberg,  gleicht  der  Katze  die 
um  den  heissen  Brei  geht,  und  ohne  unsern  Herrn  den  Kaiser 
inrurde  aus  der  ganzen  Versammlung  nichts.  Ich  besorge  der 
Papst  wird  nicht  Folge  leisten  in  dem  Maasse  wie  man  ihm 
vorgeschrieben  hat.  Dem  Kaiser  behagt  das  Verhalten  der 
Cardinäle  und  anderer  Pfaffheit  keineswegs.  Es  ist  lücht  gut 
viel  davon  zu  sagen:  noch  mag  alles  besser  werden.«    Sigmund 


88  Eugen  IV.  und  Filippo  Maria  Visconti. 

»bekam  das  Concil  satt«  und  wollte  abziehn.  Er  mogte  zu- 
frieden sein  als  endlich  in  der  feierlichen  Sitzung  vom  5.  Fe- 
bruar 1434  die  päpstliche  Bulle  vom  15.  December  angenom- 
men ward,  freilich  auch  jetzt  mit  Verwahrungen  und  Erklärungen 
welche  die  nun  erzielte  Eintracht  keineswegs  gewährleisteten. 


6. 

RÖMISCHER  AUFSTAND.      EUGEN  IV.   IN  FLORENZ. 
GIOVANNI   VITELLESCEU. 

Ueberhaupt  erntete  Eugen  IV.  geringe  Früchte  seiner  ver- 
söhnlichen Gesinnung.  Zwar  hatte  er  ein  gutes  Einvernehmen 
mit  Kaiser  Sigmund  erzielt,  aber  dieser  war  durch  die  Anarchie 
in  Böhmen  ebenso  mattgesetzt  wie  durch  seine  anhaltende  Geld- 
noth.  Hatte  er,  der  dem  Papste  gegenüber  selbst  über  seine 
schlimmen  Hände  scherzte,  doch  nur  mit  venetianischem  Golde 
seine  Rückreise  aus  Italien  bewerkstelligen  können,  während 
er  in  Basel  so  in  die  Enge  getrieben  ward,  dass  er  ohne 
frankfurter  Subsidien  seine  Kleinodien  zu  versetzen  genöthigt 
gewesen  wäre,  woran  er  übrigens  gewohnt  war.  Die  kirch- 
lichen Zerwürfnisse  trafen  fnr  den  Papst  mit  den  ernstlichsten 
politischen  Schwierigkeiten  zusammen.  Während  seine  geist- 
liche Autorität  nahezu  negirt  wurde,  stand  seine  weltliche 
Macht  auf  dem  Spiel.  Mit  Hülfe  von  Florenz  und  Venedig 
hatte  er  den  Widerstand  der  Colonna  gebrochen,  aber  sein 
Anschluss  an  die  Repubhken  weckte  ihm  einen  Gegner,  der  in 
ganz  anderm  Maasse  gefahrlich  war  als  die  aufrührerischen 
Barone,  mit  denen  derselbe  in  Verbindung  stand.  Dieser  Geg- 
ner war  der  Herzog  von  Mailand. 

Eine  ansehnliche  Territorialmacht,  Reichthum  und  Ver- 
fügung über  die  besten  Soldheere  Italiens  fanden  sich  bei 
Filippo  Maria  Visconti  verbunden  mit  dem  von  seinen  Vor- 
gängern, namentlich  von  seinem  Vater  ererbten  rastlosen  Ehr- 
geiz, der  auch  diesen  Letzten  des  Hauses  fortwährend  an- 
spornte die  Hand  nach  einer  Königskrone  auszustrecken,  die 
er  doch  keinem  Nachfolger  seines  Geschlechts  übertragen 
konnte.  So  lange  er  noch  in  besserm  Verhältniss  zu  Sig- 
mund stand  und  dieser  in  Itahen  weilte ,  hatte  der  Herzog  den 


Die  malländisclieu  Soldlieerc  im  Kii'chenstaat.  89 

Papst  geschont.  Als  aber  der  Kaiser,  mit  den  Venetianem  ver- 
söhnt und  in  gleichem  Maasse  mit  dem  Visconti  zerfallen,  die 
Alpen  überschritt,  gewährte  Filippo  Maria  seinem  verhaltenen 
Groll  freien  Lauf.  Der  am  26.  April  1433  zu  Ferrara  zwischen  ihm 
und  Venedig  abgeschlossene  Friede  hatte  seine  Heere  ohne  Be- 
schäftigung gelassen:  das  Zerwürfhiss  zwischen  Eugen  und  dem 
Condl  bot  ihm,  der  sich  ihrer  nicht  entäussem  wollte,  einen 
erwünschten  Vorwand ,  sie  zu  gebrauchen  ohne  den  Schein  zu 
haben  dass  es  auf  sein  Anstiften  oder  seinen  Befehl  geschehe. 
Er  hielt  die  zahlreichen  Fäden  in  der  Hand  die  sich  mit  einem- 
male  bis  nach  Rom  hinein  verschlangen.  Unter  dem  Vorwande 
für  das  Concil  zu  handeln,  hetzte  er  gegen  Eugen  die  Con- 
dottieren  auf,  die  wie  immer  nur  der  Gelegenheit  zum  Beute- 
machen harrten.  Francesco  Sforza,  welchen  der  Herzog  hasste 
aber  an  sich  heranzuziehn  suchte  weil  er  ihn  nicht  vernichten 
konnte,  eroberte  den  grössten  Theil  der  Mark  Ancona.  Auch 
in  der  Umgebung  Roms  schlug  man  sich.  Die  Colonna,  welche 
sich  erst  am  30.  April  mit  Eugen  IV.  endgültig  vertragen  hatten, 
nachdem  das  frühere  Abkommen  unvollkonunen  geblieben  war, 
erhoben  sich  wieder  im  Einverständniss  mit  Niccolo  Forte- 
braccio  della  Stella  der  einst  im  päpstlichen  Dienst  gestanden, 
nun  sich  Commissar  des  Concils  und  Feldherr  der  Kirche 
nannte.  Nachdem  dieser  das  Patrimonium  gebrandschatzt, 
durchzog  er  die  Campagna,  rückte,  zehn  Tage  nach  Kaiser 
Sigmunds  Abreise,  bis  zu  den  Brücken  über  Tiber  und  Anio, 
so  dass  Rom  die  Tage  Braccios  da  Montone  wiederkehren  zu 
sehn  fürchtete,  nahm  Subiaco  und  Tivoli.  Drei  andere  Haupt- 
leute warfen  sich  auf  Umbrien.  Mehre  der  Städte  dieser  Pro- 
vinz und  des  Patrimoniums  fielen  entweder  offen  vom  Papste 
ab  oder  hielten  heimlich  zu  den  Gegnern.  Der  römische  Adel 
war  wie  gewöhnlich  getheilt.  Nur  ein  Theil  der  Orsini  und 
die  Conti  hielten  treu  zur.  Kirche. 

Die  Stadt  war  in  der  grössten  Bedrängniss.  Alles  Vieh 
war  weggetrieben,  die  Aecker  und  Vignen  verwüstet;  niemand 
wagte  sich  vor  die  Thore  hinaus.  Die  Besatzung,  welche 
llicheletto  Attendolo  mit  seiner  Soldschaar  bildete,  war  unter 
solchen  Umständen  eine  doppelt  drückende  Last.  Eugen  sah 
ein  dass  er  sich  nur  durch  Unterhandeln  aus  dieser  Noth 
retten  konnte.  Da  ein  Versuch  bei  dem  nächsten  Bedränger 
Fortebraccio  fehlschlug,  wandte  er  sich  an  Sforza.    Am  25.  März 


90  Anffltand  in  Rom. 

1434  kam  ein  Vergleich  mit  diesem  zustande.  Das  Vicariat  der 
Mark  auf  Lebenszeit  und  das  Gonfalonierat  der  Kirche  hätten 
selbst  einen  Ehrgeizigem  als  Francesco  Sforza  bestimmen  kön- 
nen. Sogleich  ging  er  ans  Werk.  Eine  starke  Schaar  sollte 
Tivoli  belagern  während  er  selbst  gegen  Montefiascone  zog. 
Aber  er  hatte  ohne  den  Visconti  gerechnet.  Als  dieser  die 
dem  Papst«  günstige  Wendung  der  Dinge  gewahrte,  beschloss 
er  dem  Sforza  ein  Hindemiss  in  den  Weg  zu  legen.  Auf  sein 
Anstiften  setzte  sich  sein  zuverlässigster  Feldherr  Niccolo 
Piccinino  in  Verbindung  mit  den  Peruginem,  welche  allerdings 
Grund  hatten  wegen  des  Ansammelns  so  zahlreicher  Truppen  in 
ihrer  Nähe  for  die  eigne  Sicherheit  besorgt  zu  werden.  Sein 
Einrücken  in  Umbrien  hemmte  Sforza  in  seinen  Bewegungen, 
und  da  Fortebraccio  zu  gleicher  Zeit  von  Viterbo  Verstärkung 
erhielt,  erstreckten  sich  die  verheerenden  Streifzüge  der  Feinde 
nochmals  bis  zu  den  Thoren  Roms. 

Hier  gährte  es  längst.  Inderthat  war  der  Zustand  ein  un- 
erträglicher geworden,  und  kaum  bedurfte  es  der  Aufhetzungen 
der  Anhänger  des  Concils  und  der  viscontischen  Parteigänger 
um  das  leidende  Volk  in  Bewegung  zu  setzen.  Der  Papst, 
welcher  wegen  der  Unsicherheit  des  Vaticans  in  den  Palast 
bei  der  Apostelkirche  gezogen  war,  wurde  in  seiner  Wohnung 
täglich  von  Klagenden  und  Hülfeverlangenden  heimgesucht. 
Er  vermogte  nicht  zu  helfen.  Die  Lage  wurde  bedenklich. 
Schon  rieth  man  Eugen  die  Stadt  zu  verlassen.  Aber  auch 
dies  hatte  seine  Schwierigkeiten ,  während  der  Papst  überhaupt 
gegen  einen  solchen  Schritt  war.  Doch  begab  er  sich  von  den 
Aposteln  nach  Trastevere,  erst  nach  S.  Grisogono  dann  nach 
Sta  Maria,  und  Hess  die  Florentiner  ersuchen,  eine  Galeere  an 
der  Tibermündung  bereit  zu  halten.  Da  die  ZudiingUchkeit 
der  Bittsteller  immer  grösser  ward,  sandte  er  sie  zu  seinem 
Neffen  dem  Cardinalcamerlengo  Francesco  Condulmer.  Von 
diesem  erhielten  sie  zur  Antwort,  sie  dächten  an  nichts  als  an 
ihre  Schafe;  die  Venetianer,  ohne  Heerden,  ständen  weit  höher  als 
sie.  Das  l^ort  ward  zum  Funken  für  den  aufgehäuften  Brenn- 
stoff. Am  Nachmittage  des  29.  Mai  brach  auf  Piazza  Colonna 
der  Aufstand  aus.  Poncelletto  de'  Veneramieri  mit  einigen 
dreissig  Genossen  gab  das  Signal.  Das  Volk  erstürmte  unter 
dem  Ruf:  Freiheit !  das  Capitol.  Die  Leute  des  Senators  leisteten 
Widerstand,  unterlagen  jedoch  und  ihr  verwundeter  Gebieter 


Eugens  IV,  Flucht  nach  Florenz.  91 

suchte  sein  Heil  in  der  Flucht  Der  alte  Magistrat  der  sieben  Re- 
formatoren, oder  wie  sie  sich  nannten  Gubernatoren  der  Freiheit, 
wurde  wieder  ins  Leben  gerufen  und  die  städtische  Autonomie 
verkündet  Die  Namen  zeigen  dass  die  Bewegung,  mogte  sie 
vom  Volke  und  dessen  Nothstande  ausgehn,  in  den  höheren 
Standen  Anhalt  hatte.  Das  Urtheil  Gleichzeitiger  über  diese 
Bewegung  wird  es  noch  klarer  machen.  Am  folgenden  Mor- 
gen ward  die  Umwälzung  vollendet  Alle  vom  Papste  einge- 
setzten Beamten  wurden  entfernt,  die  Thorwachen  sicheren 
Leuten  anvertraut,  Poncelletto  zum  Hüter  des  Capitols  ge- 
macht 

Nun  ging's  zum  Papste.  Die  Abgeordneten  der  neuen  Re- 
gierung verlangten  von  ihm  die  Anerkennung  der  städtischen 
Autonomie,  Uebergabe  der  Engelsbui^  und  Ostias.  Cardinal 
Condulmer  sollte  als  Geissei  für  die  Erfüllung  der  Bedingungen 
haften.  Eugen  lY.  sah  sich  hülflos  und  der  Muth  verUess  ihn 
gänzlich.  Er  hoffte  sich  durch  Nachgiebigkeit  zu  retten,  ver- 
sprach was  man  wollte,  gab  das  Regiment  in  der  Stadt  preis. 
Aber  er  erlangte  dadurch  nicht  einmal  dass  man  ihm  seinen 
Neffen  liess:  mit  Gewalt  wurde  Francesco  Condulmer  von  ihm 
entfernt  und  auf  dem  Capitol  in  Verwahrsam  gebracht  Der 
Papst  blieb  in  der  grössten  Bedrängniss  zurück.  Er  musste 
für  die  eigne  Freiheit  zittern,  als  die  Häupter  des  Volkes  an 
ihn  die  Forderung  stellten  nach  SS.  Apostoli  zurückzukehren. 
Der  Gefangenschaft  zog  er  die  Flucht  vor.  Am  4.  Mai  gegen 
Abend  gelang  es  ihm  die  Wachsamkeit  der  von  den  Aufstän- 
dischen gestellten  Hüter  zu  täuschen.  In  Mönchstracht,  von 
zwei  Vertrauten  begleitet,  gelangte  er  von  Sta  Maria  in  Traste- 
vere  nach  Ripagrande  wo  ein  kleines  Fahrzeug  ihn  aufnahm. 
Kaum  hatte  es  die  Anker  gelichtet,  so  wurde  die  Sache  ruch- 
bar. Bewaffnetes  Volk  suchte  dem  Schiffe  zuvorzukommen 
und  schoss  nach  demselben,  aber  der  Verfolgte  konnte  Ostia 
erreichen  wo  eine  Galeere  seiner  harrte.  Bei  Pisa  stieg  er  ans 
Land,  am  23.  Juni  ward  er  in  Florenz  mit  grossen  Ehren 
empfangen.  Wie  verschieden  waren  jedoch  die  Umstände  von 
denen,  unter  welchen  fünfzehn  Jahre  früher  sein  Vorgänger  in 
diese  Stadt  eingezogen  war! 

Die  Umwälzung  in  Rom  nahm  nun  ihren  Fortgang.  Das 
Volk  aber  sah  sich  sehr  getäuscht  in  der  Hoffnung  die  man 
ihm  vorgespiegelt  hatte ,  mit  dem  Aufhören  der  Papstherrschaft 


92  Kämpfe  um  Rom. 

werde  seine  Noth  enden.  Es  wurde  nur  noch  schlimmer.  Die 
neuen  Gewalthaber  waren  unklug  genug  gewesen  den  Papst 
zum  Aeussersten  zu  treiben  ohne  sich  der  Engelsburg  zu  ver- 
sichem.  Nun  liess  der  Castellan  Baidassar  d'Ofifida,  der  die 
Leostadt  sperrte,  sie  diesen  Irrthum  schwer  empfinden.  Die  Cam- 
pagna  war  im  jammervollsten  Zustande.  Die  sforzaschen  Haufen, 
welche  Tivoli  vergeblich  eingeschlossen  hatten,  lagerten  in  der 
Nähe  von  Porta  S.  Sebastiano  und  bei  der  Paulskirche.  Die 
Römer  erlangten  zwaj*  durch  Vertrag  deren  Abzug,  aber  Fran- 
cesco Sforza,  durch  diese  Schaaren  verstärkt,  schlug  bei  Vetralla 
den  Piccinino  und  Fortebraccio  aufs  Haupt.  Er  hätte  sie  völlig 
aufreiben  können;  da  es  jedoch  Condottierengrundsatz  war  ein- 
ander nicht  zu  vernichten,  liess  der  Sieger  Piccinino  nach  der 
Romagna  ziehn  wohin  Fihppo  Maria  und  die  dortigen  Ange- 
legenheiten ihn  riefen ,  während  Fortebraccio  auf  Bitten  der  Rö- 
mer die  Belagerung  der  Engelsburg  unternahm.  Aber  diese  Bela- 
gerung war  erfolglos;  die  Römer  waren  froh  sich  mit  Geld  ihrer 
eignen  Vertheidiger  zu  entledigen  die  nach  ümbrien  zogen. 
Ein  im  Castell  angezetteltes  Complott  hatte  keine  andere  Folge 
als  die  Gefangennehmung  mehrer  angesehenen  Römer.  Lorenzo 
Colonna,  den  die  Gewalthaber  von  Palestrina  herbeiriefen,  er- 
schien mit  einer  Vasallenschaar ,  konnte  aber  nichts  ausrichten. 
Die  Stadt  war  in  Factionen  getheilt  bei  denen  man  die  alten 
Parteinamen  wieder  vernahm,  und  die  täglich  steigende  Noth 
diente  nicht  zur  Verständigung.  Mailändische  und  baseler  Ab- 
geordnete unterhandelten;  die  päpstliche  Partei  gewann  immer 
mehr  Boden.  Spottsonette  verglichen  die  »Gentilotti«  welche 
am  Ruder  sassen  mit  unersättUchen  Fressern. 

»Ihr  habt  vernommen,  so  erzählt  ein  Gleichzeitiger,  ein 
Mann  vom  kleinen  Adel  Paolo  di  Liello  Petrone,  wie  am 
29.  Mai  der  Papst  die  Herrschaft  in  Rom  verlor  wegen  seiner 
eignen  oder  Anderer  Unwissenheit  im  Regieren  und  Verwalten. 
Da  jedoch  die  Bürger  sahen  dass  sie  von  ihren  eignen  Leuten 
noch  schlechter  regiert  wurden  als  vom  Papste,  beschlossen 
die  Besseren  von  ihnen  zu  jenem  Gehorsam  zurückzukehren 
ohne  welchen  nichts  gut  enden  kann.  Da  nun  das  Kriegsvolk 
der  Kirche  den  Borgo  S.  Pietro  besetzt  hielt,  brachten  die 
von  Trastevere  und  namenthch  Einer,  Stefano  di  Viello,  es 
dahin  dass  es  sich  des  gedachten  Rions  bemächtigte.  Als  dies 
erfolgt  war,  erhob  sich  in  Rom  der  Ruf:    Es  lebe  die  Kkche 


Roms  Rückkehr  zum  Gehorsam.     Giovanni  Vitelleschi.  93 

und  das  Volk!  Es  begann  im  Rion  Ponte  und  zog  sich  dann 
durch  die  ganze  Stadt  bis  zum  Capitol.  Nachdem  der  Camer- 
lengo (Cardinal  Conduhner)  in  Freiheit  gesetzt  worden,  er- 
nannte man  die  Beamten  im  Namen  der  Kirche.  So  währte 
das  Bürgerregiment  vom  29.  Mai  zum  26.  October,  VigiUe  von 
St.  Simon  und  Juda,  nämlich  iunf  Monate  weniger  zwei  Tage. 
Es  waren  die  Edelleute  die  regierten  und  auf  nichts  anderes 
sannen  als  zu  rauben,  Andere  zu*übervortheilen,  der  Kirche 
und  ihren  Anhängern  und  der  guelfischen  Partei  Schaden  zu- 
zufügen. Dies  nannten  sie  sich  zur  gibelUnischen  Partei  halten. 
So  wolle  Gott  die  von  der  Kirche  Gesetzten  jetzt  ihre  Sache 
besser  verstehn  lassen  als  früher,  denn  schlechte  Regierung 
ist's  was  schlechte  Gesinnung  erzeugt.« 

Die  Bischöfe  von  Recanati  und  von  Tropea  nahmen  als 
päpstliche  Bevollmächtigte  mit  sforzaschen  Truppen  Besitz  von 
der  Stadt  Der  bisherige  Castellan  der  Engelsburg  Baidassar 
de'  Baroncelli  von  Offida  wurde  zum  Senator  ernannt.  Im 
December  1435  übernahm  Giuhano  de'  Ricci  Erzbischof  von 
Pisa  als  Gubernator  und  Vicecamerlengo  für  den  beim  Papste 
befindlichen  Cardinal  Conduimer  die  Leitung  der  aus  den 
Wechselbeziehungen  zwischen  der  Kirche  und  der  Stadt  sich 
ergebenden  Geschäfte.  Die  oberste  Verwaltung  lag  jedoch  in 
der  Hand  des  Bischofs  von  Recanati  welchen  der  Papst  zum 
Patriarchen  von  Alexandrien  und  zum  Erzbischofe  von  Florenz 
erhoben,  zum  Legaten  in  Rom  und  im  Patrimonium  gemacht 
hatte.  Giovanni  Vitelleschi  war  von  angesehener,  aus  FuUgno 
stammender  in  Corneto  ansässiger  Familie.  Im  Jahre  1377 
hatte  Gregor  XI.  dem  Senator  von  Rom  Gomez  d'Albornoz  und 
den  Conservatoren  aufgetragen,  Giacomo  Vitelleschi  genannt 
Ser  Guido  und  dessen  Söhne  Angelo  und  Guiduccio,  welche 
wegen  unrechtmässiger  Besitzergreifung  eines  Ortes  im  Corne- 
tanischen  verurtheilt  worden  waren,  nach  geschehener  Unter- 
werfung derselben  zu  restituiren  und  die  Sentenz  in  den  Büchern 
der  Kammer  zu  löschen.  Dieser  Giacomo  wird  Giovannis 
Crrossvater  gewesen  sein.  Nachdem  Dieser  die  ersten  Jugend- 
jahre in  seiner  Vaterstadt  verbracht,  widmete  er  sich  in  Bo- 
logna der  Rechtswissenschaft.  Nach  Hause  zurückgekehrt  und 
Beschäftigung  suchend  trat  er  als  Schreiber  in  den  Dienst 
Angelo  Tartaglias,  eines  der  Condottieren  zweiten  Ranges  die 
sich  neben  und  imter  Sforza  und  Braccio  geltend  zu  machen 


94  Vitelleschis  Kämpfe  in  Roms  Umgebung. 

wussten.  Da  es  in  Cometo  wie  überall  zwei  Parteien  gab 
und  jene,  zu  welcher  Vi  telleschis  Familie  gehörte,  die  schwächere 
war,  drang  er  mit  einem  von  Tartaglia  ihm  anvertrauten 
Söldnerhaufen  in  die  Stadt,  bemächtigfe  sich  der  einfluss- 
reichsten Männer  von  der  feindUchen  Faction  und  sicherte  so 
der  seinigen  das  Uebergewicht.  Dies  war  der  Beginn  der  glän- 
zenden Laufbahn  eines  Fürsten  der  Earche.  Als  Papst  Martin 
nach  Rom  gekommen  war,4)rachte  Tartaglias  Verwendung  (ur 
seinen  Schreiber  es  dahin,  dass  der  Papst  ihn,  obgleich  sehr 
ungerne,  imter  die  Zahl  seiner  Protonotare  aufnahm.  Als  einige 
Jahre  darauf  der  Cardinal  Condulmer  seiner  Gesundheit  wegen 
eine  Zeitlang  in  Viterbo  verweilte,  wusste  Vitelleschi  sosehr 
dessen  Gunst  zu  gewinnen  dass  er  ihn  immer  um  sich  hatte. 
Martin  konnte  ihn  nie  leiden,  weil  er  ihn  für  einen  Unruh- 
stifter und  Intriganten  hielt,  und  hatte  ihn  deshalb  aus  seiner 
Nähe  entfernt.  Kaum  war  aber  Condulmer  Papst  gewordeu, 
so  beschied  er  seinen  Günstling  zu  sich  und  übertrug  ihm  die 
Verwaltung  der  Mark  Ancona.  Diese  Verwaltung  war  keine 
glückliche,  so  um  seines  eignen  Handelns  willen  wie  wegen 
der  Verwicklungen  in  die  er  mit  Francesco  Sforza  gerieth. 
Aber  es  schadete  ihm  nicht  in  den  Augen  Eugens  IV. ,  der  ihm 
nach  der  in  Rom  erfolgten  Gegenrevolution  die  Statthalter- 
schaft mit  ausgedehntester  Vollmacht  übertrug. 

In  der  Stadt  war  es  ruhig,  hingegen  galt  es  die  Umgebung 
zu  sichern.  Im  Sommer  1435  zog  Vitelleschi  gegen  den  Prä- 
fecten  welcher,  aus  Toscana  zurückgekehrt,  das  Viterbesische 
wieder  beunruhigte.  Seine  eignen  Leute  scheinen  aber  des 
zuchtlosen  Treibens  müdegeworden  zu  sein,  das  dem  Bürger 
und  Landmann  nur  Ruin  brachte.  In  Vetralla  ausgeliefert  und 
nach  Soriano  geführt  wurde  Giacomo  di  Vico  auf  Befehl  des 
Patriarchen  am  28.  September  auf  dem  Platze  des  Städtchens 
enthauptet,  der  letzte  eines  Geschlechts  welches  in  Roms  An- 
nalen  so  oft  genannt  worden  ist  imd  dessen  Erbamt  im  Januar 
des  folgenden  Jahres  vom  Papste  an  Francesco  Orsini  Grafen 
von  Gravina  und  Conversano  übertragen  wurde.  Bald  sollte 
Vitelleschi  mehr  zu  thun  findea  Er  war  zeitweilig  in  Toscana, 
als  in  Rom  ein  neuer  Aufstand  versucht  wurde,  wobei  mehre 
Barone,  Colonna,  Savelli,  Conti  u.  a.  im  Bunde  mit  Führern 
von  Soldtruppen  dem  vom  Jahre  1434  her  bekannten  Pon- 
celletto    die    Hand    reichten.      Der    Anschlag    mislang,    der 


Vitelleschifl  Siege  über  die  Colonnesen  und  ihre  Anhänger.  95 

Patriarch  aber  bescbloss  des  Versuch  blutig  zu  rächen.  Im  März 
1436  ruckte  er  mit  ansehnlicher  Kriegsmacht  aus.  Beim  Ponte 
Lucaao,  bei  den  kleinen  heute  meist  in  Trümmern  liegenden 
Castellen  am  Fusse  der  Albanerhügel  begann  der  Kampf.  Eines 
üach  dem  andern  derselben  fiel  und  der  Krieg  zog  sich  immer 
mehr  südwärts,  da  der  Condottiere,  welcher  das  römische  Ge- 
biet so  oft  beunruhigt  imd  auch  jetzt  den  Baronen  Hülfe  ge- 
leistet hatte,  Antonio  da  Pontedera,  sich  gegen  die  neapoUta- 
nische  Grenze  gewandt  hatte.  Bei  Piperno  am  südlichen  Ende 
der  Volsker  Berge  vernichtete  der  Patriarch  Antonios  Heer, 
dann  zog  er  gegen  die  Colonna.  Die  römische  MiUz,  je  ein  Mann 
für  jedes  Haus ,  verstärkte  das  päpsthche  Heer.  Die  Barone, 
deren  Schaaren  bis  Sant'  Agnese  plündernd  vorgegangen  wa- 
ren, vermogten  dem  Angriff  nicht  zu  widerstehn.  Nach  dritt- 
halb Monaten  fiel  auch  Palestiina;  Lorenzo  Colonna  musste 
froh  sein  freien  Abzug  nach  dem  Neapolitanischen  zu  erhalten. 
Der  Einzug  Vitelleschis  in  Rom  am  29.  August  war  der 
eines  Triumphators.  «Die  Caporionen,  erzählt  Paolo  Petrone, 
zogen  mit  ihren  Bannern  lyid  vielem  Volke  dem  Patriarchen 
entgegen  zum  Bogen  von  S.  Vito  (Gallienusbogen),  zugleich 
die  an  den  Spielen  des  Maria -Himmelfahrtfestes  theilnehmen- 
den  Bürger  mit  Fackeln  in  der  Hand,  mit  Pfeifern  und  der 
Procession  des  Clerus.  Als  der  Patriarch  von  St  Johann  im 
Lateran,  wo  die  Häupter  der  Apostel  ihm  gezeigt  worden  wa- 
ren, herankam  und  den  Bogen  erreichte,  wurde  ein  Baldachin 
von  schönem  Goldbrocat  über  seinem  Haupte  ausgebreitet  und 
so  zog  er  bis  S.  Lorenzo  in  Damaso.  Die  Bürger  lösten  ein- 
ander beim  Tragen  des  Baldachins  ab  und  hielten  Oelzweige 
in  den  Händen.  Die  Strassen  waren  mit  Goldstoffen  und 
anderen  schönen  Teppichen  geschmückt,  Alles  rief:  hoch 
lebe  der  Patriarch.  Bei  S.  Lorenzo  wurde  der  Baldachin  dem 
Volke  preisgegeben.  Unter  den  Bürgern  sammelte  man  gegen 
nvölfhundert  Ducaten ,  die  dem  Patriarchen  in  goldener  Schale 
von  etwa  hundert  Ducaten  Werth  überreicht  wurden.  Die 
(Konservatoren,  die  Caporionen  und  achtundfunfzig  angesehene 
Männer  (»spectabiles  viri«)  beschlossen,  am  12.  September  auf 
dem  Capitol  versanunelt,  dem  Sieger  eine  marmorne  Reiter- 
bildsäule daselbst  zu  errichten,  Roms  drittem  Vater  nach 
Romulus  (»Tertio  ab  Romulo  Romanae  Urbis  parenti«).«  So 
tief  war  Rom,  war  das  Römerthum  gesunken. 


96  Zerstörung  von  Palestrina  und  Zagarolo. 

Noch  war  der  Rache  nicht  Genüge  geleistet.  Im  Frühling 
1437  beschloss  Vitelleschi  künt^gen  Versuchen  von  Seiten  der 
Colonna  vorzubeugen,  obgleich  weder  diese  noch  die  Bewohner 
der  unglücklichen  Ortschaften  neuen  Anlass  zum  Einschreiten 
gegeben  hatten.  »Der  Patriarch,  so  erzählt  ein  Chronist  der 
mitthätig  war  bei  dem  grausen  Werke,  sandte  aus  Rom  Maurer 
und  Arbeiter,  zwölf  for  jeden  Rion,  die  Stadt  Palestrina  zu 
verbrennen,  das  Mauerwerk  abzutragen,  die  Fundamente  aus 
der  Tiefe  zu  reissen,  alles  unbewohnbar  ja  dem  Erdboden 
gleichzumachen.  So  geschah's  und  Viele  aus  den  Umgebungen 
halfen  und  einen  ganzen  Monat  hindurch  währte  das  Treiben, 
bis  alles  verbraimt,  abgetragen,  herausgerissen,  unbewohnbar 
und  dem  Boden  gleichgemacht  war.«  Auch  die  Domkirche 
wurde  zerstört  welche  einst  verschont  geblieben  war.  Nach 
(/ometo,  Vitelleschis  Heimat,  wanderten  die  Glocken,  brachte 
man  die  ReUquien,  und  an  seinem  schönen  Palaste,  der  halb* 
verfallen  jetzt  den  Soderini  gehört,  bezeichnet  man  die  reichen 
marmornen  Thürpfosten  als  einen  Rest  der  pränestiner  Kirche. 
Die  Burg  von  San  Pietro  oberhalb  der  Stadt  theilte  dasselbe 
Geschick  und  scheint  von  jener  Zeit  an  verlassen  geblieben  zu 
sein.  Die  colonnaschen  und  savellischen  Ortschaften  an  den 
Albanerhügeln  waren  schon  zu  Anfang  des  Krieges  grossen- 
theils  in  Flammen  aufgegangen.  So  schuf  der  Patriarch  auf 
Roms  Ostseite  eine  Einöde.  Der  Papst  aber  ehrte  ihn  wie  die 
Römer.  Am  9.  August  des  gedachten  Jahres  1437  ernannte  er 
ihn  zum  Cardinal  von  S.  Lorenzo  in  Damaso.  Der  Senat  er- 
theilte  seinen  Landsleuten  den  Cornetanern  das  Bürgerrecht 
und  stiftete  die  jährhche  Darbringung  eines  silbernen  Kelches 
in  Sta  Maria  Araceli  am  Tage  des  h.  Ludwig,  an  welchem  Vi- 
telleschi bei  Piperno  gesiegt  hatte.  Anderthalb  Jahre  später 
bekam  dieser  nochmals  in  der  Umgebung  zu  thun.  Lorenzo 
Colonna  hatte  sich  Zagarolos  bemächtigt,  wurde  aber  vom 
Cardinal  belagert,  gefangen,  der  Ort  verbraimt.  Auch  diesmal 
waren  die  Römer,  der  ewigen  Unruhen  durch  die  Barone 
müde,  wieder  auf  seiner  Seite  weil  er  Ordnimg  hielt  Selbst 
seine  Grausamkeit  verziehen  sie  ihm:  »er  war  gleichsam  ge- 
zwungen grausam  zu  sein,  sagt  Paolo  Petrone,  denn  Rom  und 
die  Umgebung  waren  so  verderbt,  dass  bei  Tag  und  Nacht 
Bürger  und  Bauern  raubten  und  mordeten.«  Wie  war  es  an- 
ders geworden  seit  Martins  V.  Tode ! 


Vitelleschis  Ende.  97 

Fünf  Jahre  lang  hielt  sich  der  Patriarch  —  so  nannte  man 
ihn  gewöhnlich  auch  nach  seiner  Erhebung  zum  Cardinalat  — 
in  seiner  hohen  Stellung  und  in  Papst  Eugens  Gunst.  Er  war ' 
in  Rom  allmächtig,  gebot  über  ansehnliche  Soldschaaren  die 
ihm  weit  mehr  als  dem  Papste  gehorchten,  hatte  eine  Menge 
Vesten  bis  in  ümbrien  hinein  in  seiner  Hut.  Seine  Gegner 
aber  mehrten  sich  mit  seinen  Erfolgen:  so  Francesco  Sforza 
wie  Venedig  und  Florenz  waren  wider  ihn.  Die  Florentiner 
wussten  dass  er  sie  hasste  weil  sie  ihn  einst  in  üblen  Leumund 
gebracht,  als  habe  er  in  den  Parteiungen  ihrer  Stadt  die  Hand 
im  Spiele  gehabt.  Der  Papst  wurde  bearbeitet  und  dem  Herrn 
begann's  vor  dem  Diener  zu  bangen.  Warum  sollte  Vitelleschi, 
unter  dem  Cardinalspurpur  nichts  als  ein  Condottiere,  nicht 
versuchen  was  andere  Condottieren  versucht  hatten,  einen 
eignen  Staat  zu  gründen?  Er  wurde  eines  Einverständnisses 
mit  dem  Herzog  von  Mailand  und  Niccolo  Piccinino  beschul- 
digt. Briefe  in  Geheimschrift  wollte  man  aufgefangen  haben. 
Ob  die  Anklage  Grund  hatte,  ob  sie  eine  Intrigue  war,  niemand 
weiss  es.  An  den  Castellan  der  Engelsburg,  den  paduaner  Rit- 
ter Antonio  Rido  erging  von  Florenz  aus  Befehl  sich  des  Patriar- 
chen zu  bemächtigen.  Ein  schlimmer  Intrigant  dessen  Name  in 
dem  des  von  ihm  begonnenen  Palastes  fortlebt,  Luca  Pitti,  Sohn 
jenes  Bonaccorso  welcher  Ruprecht  von  der  Pfalz  verlockt 
hatte,  brachte  von  Cosimo  de'  Medici  dazu  vorgeschlagen  den 
geheimen  Befehl  nach  Rom.  Es  war  im  März  1440.  Vitelleschi 
hatte  alles  zu  einem  neuen  Feldzug  nach  Umbrien  bereitet,  wo 
er  zu  Ende  des  vorhergegangenen  Jahres  FuUgno  genommen 
und  mit  dem  Letzten  des  dort  mächtigen  Hauses  der  Trinci  es 
geradeso  wie  mit  dem  Letzten  derer  von  Vico  gemacht  hatte. 
Er  wollte  sich  bei  seinem  Abzug  mit  dem  Castellan  auf  der 
Engelsbrücke  besprechen.  Rido  stellte  sich  ein,  hess  aber, 
als  er  die  Truppen  des  Cardinais  schon  jenseit  sah,  rasch 
die  beiden  Aufgänge  zur  Brücke  sperren  und  forderte  Vitel- 
leschi auf  sich  zu  ergeben.  Dieser  von  wenigen  der  Seini- 
gen begleitet  setzte  über  die  Kette  die  ihm  den  Weg  versperrte, 
in  der  Hoffnung  seine  Schaar  noch  zu  erreichen.  Aber  im 
Handgemenge  ward  er  vom  Rosse  gerissen  und  am  Knie,  an 
der  Hand,  am  Schlaf  verwundet  in  das  Castell  geschleppt. 
Die  Seinigen  wollten  seine  Befreiung  versuchen  aber  man  wusste 
sie  zu  beschwichtigen.     Vierzehn  Tage   darauf,    am    2.  April, 

t.  kruuauut,     Koni.     III.  7 


98  Vitelleschi  und  Enge«  IV. 

war  der  Gefangene  todt.  Man  wusste  nicht  ob  er  seinen  "Wun- 
den oder  der  Gemüthsbewegung  erlegen  war,  oder  ob  man 
seineu  Tod  beschleunigt  hatte.  Er  selbst  soll  an  Gift  geglaubt 
und  es  der  Madonna  Girolama  Orsini  gesagt  haben,  die  ihn 
im  Kerker  durch  die  Aussicht  baldiger  Befreiung  zu  trösten 
suchte. 

In  der  Nacht  wurde  die  Leiche  auf  einfacher  Bahre  ohne 
alle  Ehrenbezeugungen  nach  Sta  Maria  sopra  Minerva  geschafft, 
im  blossen  Wamms  ohne  Unterkleid  noch  Strümpfe.  So  lag 
Roms  Beherrscher  da  wie  einer  der  Aermsten.  »Ich  weiss 
nicht,  schreibt  Paolo  Petrone,  ob  es  ein  Gottesgericht  war. 
Er  war  grausam,  jähzornig,  eitel,  der  Sinnenlust  fröhnend. 
Aber  er  erhielt  uns  in  Frieden  und  Ueberfluss.  So  betrauerte 
der  grössere  Theil  des  Volkes  seinen  Tod.  In  Geistlichem  und 
Weltlichem  galt  er  mehr  als  der  Papst.  Die  Seinigen  berei- 
cherte er  sehr:  alle  Cometaner,  sie  mogten  sein  wie  sie  woll- 
ten, erhielten  Aemter  und  Geld.  Ob  der  Papst  seinen  Tod 
befohlen  und  ob  er  ihn  verdient  hat,  ist  mir  nicht  bekannt. 
Grosse  Dinge  verlangen  grosse  Meister.  Aber  für  den  Papst  und 
seinen  Staat  that  und  mühte  er  sich  viel.«  Die  Florentiner 
glaubten  an  Vitelleschis  Schuld  wie  an  des  Papstes  Entschluss, 
sich  seiner  auf  alle  Weise  zu  entledigen.  »Der  Patriarch,  sagt 
Giovanni  Cavalcanti,  der  uns  so  oft  in  das  innere  Getriebe 
dieser  intriguenreichen  Zeit  blicken  lässt,  sah  sich  durch  das 
Gevvirre  von  Bündnissen,  Freundschaften,  Verabredungen  und 
all  den  Schein  und  das  unwahre  Vorgeben  in  der  Freiheit 
seiner  Bewegungen  völlig  gehemmt.  So  verstandigte  er  sich 
so  heimlich  er  vermogte  mit  Niccolö  Piccinino  und  den  floren- 
tinischen  Verbannten,  zu  deren  Unglück  er  einst  selber  mitge- 
wirkt hatte.  Das  Verständuiss  kam  zu  Ohren  Derer  die  an 
der  Spitze  unseres  Staates  standen ;  sie  waren  es  welche 
den  Papst  bewogen  des  Patriarchen  Tod  zu  beschUessen.  Für 
unsere  Ausgewanderten  war  es  ein  neues  Leid:  dem  Papste 
aber  zog  es  öffentlichen  Tadel  zu.« 

Das  Vermögen  das  der  Patriarch  hinterliess,  soll  sich  auf 
dreihunderttausend  Goldgulden  belaufen  haben,  wovon  er,  so 
lieisst  es,  den  grössten  Theil  dem  Papste  vermachte.  Eugen 
hielt  es  für  nöthig,  in  -einem  Breve  an  die  Landsleute  des  Ver- 
storbenen die  Schuld  auf  ein  Misverstandniss  in  der  Ausfuli- 
rung  des  dem  Castellan  ertheilten  Befehls  zu  schieben.    Von 


Lodovico  Scarampi.     Antonio  Rido.     Eugen  IV.  in  Florenz.  99 

einer  Beschuldigung  gegen  den  Todten  ist  nicht  die  Rede: 
Vitelleschi  wie  Rido  sind  dem  Papste  »geliebte  Söhne«.  Aber 
Jener  endete  im  Kerker ,  Dieser  erhielt  von  Eugen  IV.  ansehn- 
lichen Landbesitz,  die  Iieutige  Tenuta  Campomorto  in  der 
Campagna,  und  ein  päpstlicher  Erlass  vom  1.  August  desselben 
Jahres  ermächtigte  ihn  selbst  zum  Strafverfahren  gegen  Geist- 
liche in  Stadt  und  Umgebung.  Auf  die  Nachricht  von  der  Ge- 
fangennehmung war  der  Patriarch  von  Aquileja,  der,  Paduaner 
Lodovico  Scarampi  Mezzarota  nach  Rom  beordert  worden. 
»Da  er  beiden  Theilen  eng  befreundet  war,  schrieb  Eugen  an 
die  Cometaner,  hofften  wir  er  werde  die  Sache  leicht  beilegen.« 
Aber  Scarampi  traf  erst  am  zweiten  Tage  nach  Vitelleschis 
Ende  in  der  Stadt  ein,  deren  Verwaltung  er  als  Camerlengo 
der  Kirche  mit  derselben  Autorität  übernahm  wie  sein  Vorgän- 
ger sie  ausgeübt  hatte.  Die  von  Letzterm  besetzt  gehaltenen 
Orte  öflbeten  päpstlichen  Bevollmächtigten  die  Thore.  Kein 
Denkmal  erinnert  in  Rom  an  den  gewaltigen  Patriarchen,  der 
in  seiner  Vaterstadt  die  Ruhestätte  fand.  Wol  aber  sieht  man 
in  Sta  Francesca  Romana  neben  dem  Seiteneingang  das  mit 
einem  Reiterbildniss  in  Relief  geschmückte  Monument  des 
Mannes  der  ihn  niederwarf  und  als  Condottiere  Nicolaus'  V, 
starb. 


7. 

EUGENS  IV.  SFlTEBE  JAHRE. 

Während  diese  Dinge  in  Rom  vor  sich  gingen  verbrachte 
Papst  Eugen  seine  Tage  inmitten  unablässiger  Geschäfte  und 
schwerer  Sorgen.  Diese  waren  so  politische  wie  kirchhche. 
Wohin  er  blickte,  erfolgten  Wechsel  und  vollzogen  sich  Ereig- 
nisse, deren  Endergebnisse  unberechenbar  waren.  Kaum  in 
Florenz  angelangt  wo  man  ihn  aufs  ehrenvollste  empfing,  war 
er  dort  Zeuge  der  folgenreichen  Umwälzung,  welche  das  viel- 
jährige Regiment  der  dem  Papste  befreundeten  Albizzi  und  der 
streng  guelfischen  grossen  Familien  stürzte,  und  Cosimo  de' 
Medici  an  die  Spitze  des  Staates  stellte:  ein  Scheinsieg  volks- 
thümlicher  Interessen  der  mit  der  Alleingewalt  eines  Geschlechts 
endigte.  So  der  Papst  wde  sein  in  Florenz  anwesender  Günst- 
ling Vitelleschi  waren  in  diese  Irrungen  hineingezogen  worden, 


7' 


100  Eugen  IV.  in  den  italienischen  Winsen. 

und  Rinaldo  degli  Albizzi  schrieb  der  Einmischung  des  Erstem 
im  entscheidenden  Moment  seinen  Sturz  zu.  Eugen  musste 
von  dem  ins  Exil  Ziehenden  das  vorwurfsvolle  Wort  hören: 
er  wundere  sich  nicht  über  sein  Geschick,  aber  er  hätte  sich 
hüten  sollen,  den  Verheissungen  Dessen  zu  trauen  der  sich 
selber  zu  schützen  ohnmächtig  gewesen  sei,  denn  wer  den 
eignen  Ruin  verschulde  vermöge  einem  Andern  nicht  zu  helfen. 
Im  folgenden  Jahre,  1435,  beendete  Johanna  11.  ihre  einund- 
zwanzigjährige unheilvolle  Regierung.  Ludwig  III.  von  Anjou 
war  ihr  im  Tode  vorausgegangen  und  sie  hatte  an  seiner  Statt 
seinen  in  Burgund  in  der  Gefangenschaft  befindlichen  Bru- 
der zum  Nachfolger  angenommen,  den  »bon  Roi  Rene«  der 
französischen  Poeten  und  Historiker.  Eine  Adoption  welche 
Alfons  von  Aragon  nicht  an  der  endhchen  Eroberung  des 
Königreichs  hinderte ,  aber  dessen  Beruhigung  noch  auf  Jahre 
hinausschob,  umsomehr  als  der  Papst,  welcher  anfangs  das 
Heimfalbrecht  nach  dem  Erlöschen  des  Geschlechts  Carls  von 
Anjou  allen  Ernstes  geltend  zu  machen  versuchte  und  Vitel- 
leschi  zum  Statthalter  Neapels  ernannte,  für  Rene  Partei  nahm 
und  erst  im  Jahre  1443  den  siegreichen  Alfons  anerkannte. 

In  der  Romagna  währten  die  Unruhen  fort  welche  in  den 
Intriguen  des  Herzogs  von  Mailand  und  den  Unternehmungen 
der  bald  für  bald  wider  ihn,  den  Papst,  die  Venetianer  und 
Florentiner  kämpfenden  Condottieren  gleiche  Nahrung  fanden, 
wie  in  der  Unzufriedenheit  Bolognas  und  anderer  Städte  mit 
den  päpstlichen  Befehlshabern.  Im  Jahre  1435  fand  zwar  ein 
Vergleich  zwischen  Eugen  und  Fihppo  Maria  statt,  aber  nicht 
manche  Jahre  vergingen  so  standen  Romagna  und  Marken  wie- 
der in  Flanunen,  und  der  bethörte  Papst  wurde  selber  zum 
Werkzeug  der  Ränke  des  Visconti  imd  seines  Hasses  gegen 
Francesco  Sforza,  welcher  damals  freihch  die  Mark  Ancona 
verlor,  aber  die  Sache  der  Anjous  in  sein  Unglück  hineinzog, 
von  welchem  er  sich  erholte,  jene  nicht.  An  allen  diesen 
Kämpfen  und  Wirren  in  ItaUen  nahm  Eugen  IV.  Antheil.  Im 
Jahre  1439  während  des  heftigen  ganz  Oberitalien  erfüllenden 
Kampfes  hatte  der  Papst  nicht  weniger  als  viertausendzwei- 
hundert Reiter  in  seinem  Dienst,  abgesehn  vom  Fussvolk. 
Die  Cardinäle  von  TagUacozzo  und  Acciapacci,  der  Graf  von 
Anguillara,  Paolo  Annibaldi  della  Molara,  ein  Römer  Don  Ga- 
briele   und    Andere    befehligten    seine    Schaaren.      Ueberdies 


Neue  Schwierigkeiten  mit  dem  Concil.  101 

beschäftigten  ihn  die  Angelegenheiten  des  Auslandes.  Nicht  im- 
mer konnte  er  sich  eines  Erfolges  seiner  Vermittelung  freuen 
wie  jenes  heim  Congresse  von  Arras  im  Jahre  1435,  wo  die 
Versöhnung  zwischen  Carl  VII.  und  Philipp  von  Burgund  den 
Hoffiiongen  Englands  in  Frankreich  den  Todesstoss  gah. 
Eugen  IV.  war  hierin  glücklicher  als  einst  sein  Vorgänger  Martin 
gewesen  war,  als  dieser  in  dem  französisch- englischen  Kriege 
zu  vermitteln  versucht  hatte.  Es  war  um  die  Zeit  des  Todes 
der  beiden  streitenden  Könige  Carl  VI.  und  Heinrich  V.  (1422) 
gewesen,  eine  Zeit  in  welcher  der  Krieg  den  furchtharsten 
Höhepunkt  erreicht  hatte  und  Englands  Sieg  gesichert  schien, 
bis  das  Nationalgefuhl  zu  mächtigem  Durchhruch  kam  und 
Jeanne  d'Arc  von  Domremy  das  heinahe  verzweifelnde  Frank- 
reich rettete. 

Diese  politischen  Angelegenheiten  waren  jedoch  gering- 
fügig im  Vergleich  mit  den  Nöthen  in  kircliHchen  Dingen,  in 
denen  der  grösste  Theil  von  Eugens  Regierung  verfloss.  Das 
grosse  und  schwierige  Werk  von  Constanz  war  mit  Ruin  be- 
droht Trotz  vorübergehender  Versöhnung  hatte  das  Mistrauen 
zwischen  Papst  und  Concü  immer  fortgewälirt.  Im  Jahre  1434 
hatten  die  beiden  Parteien  sich  einander  genähert  und  auch 
die  Unterhandlungen  inbetreff  der  Einigung  mit  der  orientali- 
schen Kirche,  waren*  eingeleitet  worden.  Jemehr  aber  in  der 
baseler  Versammlung  die  radicalen  Meinungen  überwogen, 
umso  unvermeidlicher  wurde  der  Bruch.  Die  in  der  ersten 
Hälfte  des  folgenden  Jahres  1435  nicht  ohne  heftige  Opposi- 
tion noch  ohne  Eingriffe  in  die  Autorität  der  Legaten  durch- 
gesetzten Beschlüsse,  welche  die  Annaten  und  die  nicht  im 
Kirchenrecht  begründeten  Reservationen  aufhoben  so  wie  dem 
Misbrauch  des  Interdicts  Schranken  setzten,  endUch  die  am 
25.  März  1436  getroffenen  Verfügungen  über  Cardinalat,  Con- 
cia ve,  Wahl,  Eid,  Eigenschaften,  Glaubensbekenntniss ,  Regie- 
rungspflichten des  Papstes  mussten  das  Papstthum  umsomehr 
zum  Widerstand  herausfordern,  da  Eugen  gerade  um  diese 
Zeit  in  Italien  wieder  freiere  Hand  erhielt.  Denn  nun  waren 
nicht  nur  die  Quellen  der  Einkünfte  der  römischen  Kirche  und 
ihre  mehrundmehr  ausgedehnte  Verfügung  über  die  geistlichen 
Würden,  sondern  die  Autorität  überhaupt  ernstlich  bedroht. 
Die  Synode  schadete  sich  selbst  indem  sie  kluger  Mässigung 
vergass ,    ihre   Befugnisse   überschritt ,   unbestreitbare   Rechte 


1 02  Bnu'li  zwischen  Papst  und  Concil.     Felix  V. 

des  Primats  antastete,  inbetreff  der  Gelderhebungen  in  Incon- 
sequenzen  verfiel,  sich  in  eine  Menge  heterogener  Geschäfte 
verwickelte,  kurz  das  Maass  ihrer  wirkUchen  Autorität  nicht 
zu  Rathe  hielt,  während  sie  gegen  die  des  Papstthums  den 
Krieg  führte.  Eine  Menge  hinundhergehender  Gesandtschaften 
brachten  nichts  zuwege. 

Der  Streit  über  den  Ort  der  Zusammenkunft  mit  den  grie- 
chischen Prälaten  erweiterte  den  Bruch.  Die  Abmahnungen 
Kaiser  Sigmunds  der  am  Abende  seines  Lebens  das  Werk 
seiner  früheren  Jahre  wieder  in  Frage  gestellt  sah,  waren  ver- 
gebhch.  Am  31.  JuU  1437  erfolgte  die  Vorladung  des  Papstes 
und  der  Cardinäle,  am  24.  Januar  1438  dessen  Suspension. 
Die  teutschen  Churfursten,  die  drohende  Gefahr  ermessend, 
hatten  auf  beiden  Seiten  Einhalt  zu  thun  versucht,  indem  sie 
das  Concil  von  seiner  Willkür,  den  Papst  von  Widerspruch 
und  Verlegungsprojecten  abzubringen,  Einigung  zur  Wahl  einer 
neuen  nichtitalienischen  Stadt  herbeizuführen  suchten.  Es  war 
vergebens.  Zugleich  aber  war  der  Höhepunkt  der  Autorität 
des  Concils  überschritten.  Die  weltlichen  Gewalten  eigneten 
sich  von  den  Reformdecreten  so  viel  an  als  ihnen  geeignet 
schien,  hatten  jedoch  keine  Lust  das  Concil  in  seinen  extremen 
Schritten  zu  unterstützen,  Die  mit  jedem  Tage  an  Zahl  wie 
an  Zustimmung  geschmälerte  Versammlung  schritt  nichtsdesto- 
weniger auf  dem  eingeschlagenen  unheilvollen  Wege  fort.  Am 
25.  Juni  1439  erklärte  sie  Eugens  Absetzung,  wählte  am  17.  No- 
vember desselben  Jahres  Herzog  Amadeus  von  Savoyen  zum 
Gegenpapste.  Ein  Cardinal,  Louis  Aleman  Erzbischof  von 
Arles,  und  zweiunddreissig  Bischöfe  und  andere  Wähler  waren 
die  Urheber  des  neuen  Schismas. 

Der  Frevel  rächte  sich  an  denen  die  ihn  begingen.  In 
demselben  Maasse  wie  die  Baseler  verloren,  gewann  Eugen. 
Selbst  Solche  die  wenig  mit  ihm  harmonirten,  hielten  zu  ihm 
weil  sie  den  Radicalismus  und  neue  Spaltung  fürchteten.  Am 
18.  April  1436  war  der  Papst  von  Florenz,  wo  er  kurz  vorher 
den  seit  anderthalb  Jahrhunderten  im  Bau  begriffenen  Dom 
Sta  Maria  del  Fiore  feierlich  geweiht  hatte,  nach  Bologna  ge- 
gangen. Im  October  1437  hatte  er  das  Concil  nach  Ferrara 
verlegt.  Ein  am  17.  Januar  folgenden  Jahres  zwischen  dem 
Cardinal  Francesco  Condulmer  und  dem  estensischen  Kanzler 
Agostino  de  Villa  in  Bologna  geschlossener  Vertrag  zeigt,  wie 


Coiiril  von  Fcriiira  -  Florenz.     KaiNor  SigiiiimdM  Tod.  103 

bei  solchen  AnlässeD  alles  genau  bestimmt  wurde.  So  sollten 
vier  Commissare  mit  der  Taxirung  der  Wohnungen,  der  Lebens- 
mittel, des  Pferdefutters  beauftragt  werden,  Preistabellen  wur- 
den veröffentUcht,  Buden  für  den  Kleinhandel  eingerichtet, 
Regeb  für  das  Miethen  der  Betten  vorgeschrieben.  Der  Mark- 
graf verpflichtete  sich  keine  aussergewöhnlichen  Abgaben  zu 
fordern  und  für  ordentliche  Polizei  und  Sicherheit  der  Strassen 
Sorge  zu  tragen.  Im  Februar  traf  Johannes  Paläologus,  in  der 
officiellen  Sprache  »Imperator  Romeo rum«,  in  E'errara  ein.  Die 
in  dieser  Stadt  ausgebrochene  Seuche  veranlasste  die  Ueber- 
siedlung  der  Synode  nach  Florenz,  wo  ihre  Sitzungen  im  Ja- 
nuar 1439  begannen  und  am  6.  Juli  die  Vereinigung  der  occi- 
dentalischen  Kirche  mit  der  des  Orients  proclamirt  ward.  Das 
florentinische  Archiv  bewahrt  zwei  Exemplare  der  feierhchen 
Urkunde  welche  die  Unterschriften  der  Theilnehmer  an  dem 
grossen  Friedenswerke  trägt. 

Dies  Werk  welches  man  damals  für  ein  wirkUches  und 
dauerndes  zu  halten  sich  befugt  glauben  durfte,  war  die  Ant- 
wort Eugens  IV.  auf  das  von  seinen  Gegnern  heraufbeschwo- 
rene Schisma.  Am  4.  September  wurde  die  Excommunication 
dieser  Letzteren  verkündet.  Dennoch  nahm  Herzog  Amadeus 
die  auf  ihn  gefallene  Wahl  an.  Der  Mann  der  nach  langer 
und  erfolgreicher  Regierung  derselben  entsagt,  sich  in  die  Ein- 
samkeit zurückgezogen  hatte  um  sein  Leben  zwischen  geist- 
lichen Uebungen  und  der  Aufsicht  über  die  Handlungen  seines 
Sohnes  und  Nachfolgers  zu  theilen ,  hatte  den  Muth  die  Fackel 
religiöser  Zwietracht  zu  ergreifen.  »Die  ganze  Welt  war  voll 
Staunens  darüber,  sagt  Leonardo  Aretino,  dass  ein  so  hoch- 
gestellter Fürst  sich  einem  angefochtenen  Papstthum  unterzog, 
während  schon  das  allgemein  gültige  Papstthum  eine  so  schwere 
Last  ist.«  Kaiser  Sigmund  hatte  das  neue  Schisma  nicht  er- 
lebt. Er  war  am  19.  December  1437  gestorben,  nachdem  die 
vier  letzten  Jahre  seines  Lebens  einen  wesentlichen  Umschwung 
der  Dinge  in  Böhmen  herbeigeführt  hatten,  wo  nach  der  An- 
nahme der  Compactaten  die  widerstrebende  extreme  Partei 
vernichtet  und  Sigmunds  Anerkennung  erlangt  worden  war. 
Die  kurze  Regierung  seines  Nachfolgers  Albrecht  IL  von  Habs- 
burg, durch  das  Erbrecht  seiner  Gemalin  Elisabeth  von  Luxem- 
burg König  von  Ungarn  und  Böhmen ,  endigte  drei  Wochen  vor 
der  baseler  Papstwahl.     Die  Obedienz  welche  Felix  V.  fand, 


104  Folgen  des  Concils.    Rom  und  Cai'dinal  Searampi. 

war  zwar  eine  unbedeutende  Minorität,  welche  auch  auf  das 
seinem  Ende  entgegeneilende  Concil  einwirken  musste.  Aber 
die  Annahme  der  baseler  Reformbeschlüsse  in  Teutschland, 
die  Neutralität  der  teutschen  Fürsten,  die  an  dieselben  Re- 
formprincipien  sich  anlehnende  im  Jahre  1438  zu  Bourges  ver- 
öffenthchte  pragmatische  Sanction  für  die  gallicanisch«  Kirche 
legten  an  den  Tag,  wie  die  Folgen  der  Verhältnisse  und  Ir- 
rungen des  Papstthums  im  vorhergegangenen  Jahrhundert,  die 
Nachwehen  der  grossen  Spaltung,  das  Wirken  des  in  Con- 
stanz  durchgebrochenen  Freiheitsinnes  Roms  Autorität  tief  im 
Innern  angegriffen  und  erschüttert  hatten. 

Mehr  denn  neim  Jahre  lang  blieb  Eugen  IV.  ferne  von 
Rom.  »Wegen  der  Abwesenheit  des  Papstes,  bemerkt  Paolo 
Petrone,  verfiel  unsere  Stadt  in  grosse  Armuth.«  Schon  im 
Jahre  1436  war  eine  zahlreiche  Gesandtschaft  nach  Florenz  ge- 
gangen ihn  zur  Rückkehr  zu  bewegen ,  aber  vergebens.  Selbst 
nach  dem  Schlüsse  des  Concils  verweilte  Eugen  noch  in  Flo- 
renz wo  auch  die  Wiedervereinigimg  der  Armenier  mit  der 
römischen  Kirche  stattfand,  und  wo  heute  noch  das  von  ihm 
gegründete  Collegium  Eugenianum  für  Theologiestudirende  in 
dem  Local  der  vormaligen  florentinischen  Universität  in  der 
Nähe  des  Doms  an  den  Papst  erinnert,  ünterdess  verwaltete 
der  Patriarch  von  Aquileja,  seit  dem  22.  Juni  1440  Cardinal 
von  S.  Lorenzo  in  Damaso  wie  sein  Vorgänger  Vitelleschi, 
Rom  mit  derselben  Machtvollkommenheit  wie  dieser  mit  dem 
er  manches  ähnliche  hatte.  Lodovico  Searampi,  wie  es  scheint 
aus  geringer  Familie  in  Padua,  hatte  als  Arzt  begonnen  und  als 
Kriegsmann  unter  Vitelleschi  gedient.  Wie  dieser  war  er  von 
Papst  Eugen  befördert,  zum  Erzbischof  von  Florenz,  zum  Pa- 
triarchen gemacht  worden.  Auch  dann  hatte  er  noch  Kriegs- 
dienst geleistet.  Man  schreibt  ihm  grossen  Antheil  an  dem 
Siege  bei  Anghiari  zu ,  wo  das  viscontische  Heer  unter  Niccolo 
Piccinino  ungeachtet  des  Beistandes  des  toscanischen  Gibellinen 
am  29.  Juni  1440  durch  die  von  Micheletto  Attendolo  \md  Gian 
Paolo  Orsini  befehligten  Florentiner  völlig  aufs  Haupt  ge- 
schlagen wurde.  Es  war  das  Unternehmen  um  welches  Vitel- 
leschi gewusst  haben  soll.  Searampi  lebte  in  Rom  wie  ein 
weltlicher  Fürst  mit  gewaltigem  Aufwand  und  einem  Luxus 
von  Dienern  und  Pferden  wie  ihn  der  sparsamere  Vitelleschi 
nicht  gekannt  hatte.     Er  war  ein   beherzter  Spieler.     Als  er 


Eugens  IV.  Rückkehr  nach  Rom.  105 

nach  Neapel  gesandt  ward  mit  König  Alfons  wegen  der  päpst- 
lichen Anerkennung  zu  unterhandeln,  verlor  er  in  einer  Nacht 
an  den  König  achttausend  Goldgulden.  Er  war  erst  vierzig- 
jährig als  er  zu  so  hoher  Autorität  gelangte.  Francesco  Con- 
dalmer,  zum  Vicekanzler  befördert,  hatte  ihm  das  Camerlengat 
abgetreten,  so  dass  die  Finanzverwaltung  in  seiner  Hand  lag. 
Auch  nach  des  Papstes  Rückkehr  in  seine  Hauptstadt  blieb  er 
am  Ruder. 

« 

Diese  erfolgte  zu  Anfang  des  Herbstes  1443.  Am  7.  März 
dieses  Jahres  hatte  er  Florenz  verlassen,  wo  die  einst  ihm  so 
günstige  Stimmung  in  eine  nachtheilige  umgewandelt  war. 
Ueber  Eugen  IV.  und  seinen  florentinischen  Aufenthalt  hat  ein 
l^nstem  geschwebt.  Zu  Anfang  desselben  erfolgte  das  Exil 
der  Albizzi,  an  dessen  Ende  die  Ermordung  eines  im  Dienste 
der  Republik  befindhchen  Condottiere ,  Baldaccio  von  Anghiari. 
In  einem  und  dem  andern  Falle  wurde  des  Papstes  Name  ge- 
nannt; Cosimo  de'  Medici,  so  glauben  Manche,  soll  sich  Bal- 
daccios  entledigt  haben  weil  er  sich  mit  Eugen  eingelassen 
hatte,  von  dem  man  argwohnte  dass  er  wie  einst  Vitelleschi 
auf  Zuruckfuhrung  der  Verbannten  sinne.  Gewiss  ist  dass 
das  Mistrauen  so  rege  geworden  war,  dass  die  Venetianer 
der  florentiner  Signorie  riethen,  sie  sollten  den  Papst  mit 
(rroU  und  schlimmen  Absichten  im  Herzen  nicht  ziehn  lassen. 
Leonardo  Aretino  bewog  die  Signorie  dem  Rath  nicht  zu  fol- 
gen; er  sagte,  Venedig  selbst  würde  sich  in  ähnlichem  Falle 
wol  hüten  so  zu  handeln.  An  demselben  Tage  an  welchem 
Messer  Agnolo  Acciajuoli  Eugen  IV.  meldete,  er  könne  gehn 
wann  und  wohin  er  wolle,  verliess  dieser  Florenz,  verweilte 
Jedoch  mehre  Monate  in  Lecceto  bei  Siena,  in  der  uralten  vor 
dem  Thore  von  Fontebranda  gelegenen  Augustiner -Einsiedelei, 
deren  Name  sich  von  den  Steineichen  (Quercus  ilex)  der  be- 
nachbarten Waldung  herschreibt  und  welche  auch  von  Gre- 
gor XU.  und  Martin  V.  besucht  worden  war.  Am  28.  September 
traf  er  in  Rom  ein,  wo  er  wenige  Tage  später  das  lateranische 
Concil  eröffnete  welches  eine  Fortsetzung  des  florentinischen 
sein  sollte.     Aber  dies  Concil  hat  keinen  Fortgang  gehabt. 

Eugens  IV.  letzte  Jahre  waren  insoferne  ruhiger  als  er  in 
Rom  selber  nicht  mehr  gestört  wurde.  Sonst  genoss  er  der 
Ruhe  weder  in  weltüchen  noch  in  geistlichen  Angelegenheiten. 
Denn  so  gering  auch  der  Anhang  des  Gegenpapstes  sein  mogte, 


106  Kircliliohc  und  politische  Vci'\%*ickluiigen. 

nahm  das  Schisma  doch  kein  Ende,  und  um  Teutschland  zu 
gewinnen  wo  man  noch  bei  der  Neutralität  beharrte,  musste 
Eugen  sich  kurz  vor  seinem  Tode  zu  wichtigen  Zugeständ- 
nissen entschliessen ,  die  einem  Theil  der  baseler  Beschlösse 
Anerkennung  verschafften.  Der  Anschluss  orientaüscher  Kir- 
chen, wie  der  Jakobiten  und  Kopten,  kam  neben  der  Bedeu- 
tung solcher  Differenzen  nicht  in  Betracht.  Auf  staatlichem 
Gebiete  wälirten  die  Verwicklungen  fort,  nicht  ohne  Schuld 
des  Papstes  welcher  im  Für  und  Wider  gleich  bestandlos 
war  und  sich  vermaass,  mit  den  verschlagensten  Politikem 
seiner  Zeit,  Filippo  Maria  Visconti  und  Alfons  von  Ara- 
gon, wie  mit  den  gewandtesten  und  erfindungsreichsten  Con- 
dottieren  und  Signoren,  Francesco  und  Alessandro  Sforza, 
Niccolo  Piccinino,  Sigismondo  Malatesta  von  Rimini,  Federigo 
von  Urbino  zu  wetteifern.  Es  ist  ein  verworrenes  Gewebe  von 
erfolglosen  Kämpfen  worunter  Land  und  Leute  entsetzlich 
Utten,  von  haltlosen  Bündnissen  und  unaufrichtigen  Versöli- 
,  nungen,  von  Hinterlist  und  stetem  Parteiwechsel,  ein  Treiben 
in  welchem  man  ungeme  dem  Namen  eines  Papstes  begegnet. 
Im  Frühling  1446  hatte  er  sich,  in  seiner  Begierde  Francesco 
Sforza  zu  stürzen,  mit  den  Florentinern  seinen  alten  Freunden 
so  verfeindet,  dass  diese  dem  Sforza  zu  einem  Unternehmen 
gegen  Rom  behülflich  waren.  Römische  Barone,  selbst  mehre 
Cardinäle,  wie  es  heisst  auf  Scarampis  Einfluss  eifersüchtig, 
scheinen  um  den  Anschlag  gewusst  zu  haben.  Mehre  Stadt« 
Umbriens  und  des  Patrimoniums  waren,  so  glaubte  man,  gewon- 
nen und  sollten  dem  Feinde  die  Thore  öffnen.  Dieser  setzte 
sich  auch  wirklich  gegen  Ende  Mai  in  Marsch  und  gelangte 
bis  Viterbo.  Aber  die  erwartete  Bewegung  erfolgte  nicht,  und 
da  der  Papst  unterdess  Truppen  geworben  und  nach  den  Mar- 
ken gesandt  hatte,  sah  Sforza,  welcher  Eugen  unter  Koins 
Mauern  einen  Vergleich  abzunöthigen  gehofft  hatte,  sich  in 
grösster  Gefahr  eine  Provinz  zu  verlieren,  um  deren  Besitz  er 
so  lange  mit  stetem  Wechsel  von  Glück  und  Unglück  gekämpft 
hatte.  Während  es  so  in  Italien  stand,  erUtt  im  Osten  Europas 
die  Christenheit  einen  der  furchtbarsten  Schläge  durch  den  Tag 
von  Vama,  wo  am  10.  November  1444  König  Wladislav  von 
Polen,  seit  Albrechts  Tode  Regent  von  Ungarn,  im  Kampfe 
gegen  Sultan  Murad,  den  er  durch  Vertragsbruch  zum  Kriege 
herausgefordert,   den   Tod   fand,   während   der   Cardinallegat 


Verständigung  mit  Teutschland.  107 

Giuliano  Cesarini,  der  zum  Unternehmen  gedrangt  hatte,  auf 
der  Flucht  von  den  eignen  Leuten  ermordet  ward. 

Das  Jahr  1447  war  herangekommen.  Die  Verhandlungen 
mit  Teutschland  waren  dem  Abschluss  nahegebracht,  nachdem 
drei  Jahre  früher  der  letzte  Rest  des  baseler  Conciliabulums 
geschwunden  war.  Schon  vor  Ende  1446  sah  Rom  die  Ge- 
sandtschaft in  seinen  Mauern,  welche  den  Frieden  besiegeln 
sollte.  König  Friedrich  III.,  von  der  steierischen  Linie  der, 
Habsburger,  seit  dem  2.  Februar  1440  Albrechts  IL  Nachfolger, 
wünschte  diesen  Frieden;  Eugens  Bevollmächtigte  in  Teutsch- 
land Juan  de  Carvajal,  Tommaso  da  Sarzana  und  Nicolaus 
von  Cusa,  der  vormalige  eifrige  Vertheidiger  der  conciliaren 
Ansprüche,  hatten  sich  auf  dem  frankfurter  Tage  von  1446  mit 
den  Reichsstanden  inbetreff  der  wesentlichsten  Bedingungen 
geeinigt.  Des  Königs  Geheimschreiber  Enea  Silvio  Piccolomini, 
gleich  Cusa  längst  zur  päpstlichen  Partei  übergetreten,  hatte  das 
Werk  der  Versöhnung  so  eifrig  wie  gewandt ,  freiUch  auch  durch 
Anwendung  von  Geld  gefördert.  Er  stand  nun  an  der  Spitze 
der  in  Rom  eingetroflFenen  Gesandtschaft.  Wiedereinsetzung 
der  von  Eugen  wegen  ihrer  Parteinahme  für  den  Gegenpapst 
suspendirten  Erzbischöfe  von  Cöln  und  Trier  in  ihre  Würde, 
Anerkennung  der  in  Constanz  abgegebenen  Erklärungen  hin- 
sichtlich der  Autorität  der  allgemeinen  Concilien,  Zugeständ- 
niss  der  Gültigkeit  der  baseler  Decrete  in  ihrer  in  Teutschland 
angenommenen  Fassung  inbetreff  der  Enthebung  der  teutschen 
Kirchen  von  den  Annaten  und  anderen  Lasten  unter  Vorbehalt 
einer  künftigen  Verständigung  über  eine  Entschädigung  des  h. 
Stuhls,  Zusage  der  Berufung  einer  neuen  Kirchenversammlung 
innerhalb  zehn  Jahren  in  einer  jenseit  der  Alpen  gelegenen 
Stadt:  diese  waren  die  Hauptpunkte ,  über  welche  in  Frankfurt 
im  wesentlichen  eine  Verständigung  stattgefunden  hatte.  Der 
Papst  nahm  am  6.  Februar  1447  die  vier  Artikel  an,  nicht  ohne 
inbetreff  der  Präeminenz  des  Concils  und  der  eventuellen  Zu- 
sammenberufung desselben  seine  Erklärung  so  zu  stellen  dass 
dieselbe  zu  künftigen  Reservationen  Raum  Hess.  Der  Friedens- 
schluss  wurde  festUch  begangen;  die  Nuntien  Carvajal  und 
Tommaso  da  Sarzana  waren  bereits  am  16.  December  mit  dem 
Cardinalspurpur  belohnt  worden.  Aber  schon  war  der  Papst 
krank.  Die  immerwährende  Aufregung  hatte  seine  Constitution 
unterffraben   und   das   Uebel    machte    so   rasche   Fortschritte, 


108  Eugens  IV.  Tod. 

dass  man  selbst  nicht  zum  Schlüsse  des  Versöhnungswerkes 
gelangen  zu  können  glaubte,  welches  doch  den  würdigen  Ab- 
schluss  seines  Lebens  bilden  sollte.  Dann  sank  er  rasch,  be- 
wahrte aber  die  alte  Energie  seines  Wesens.  Als  der  £n- 
bischof  von  Florenz  der  h.  Antoninus  ihm  die  Sterbesacra- 
mente  reichen  wollte,  sagte  er  zu  ihm,  es  sei  noch  nicht  an 
der  Zeit;  er  werde  ihn  zu  sich  bescheiden  wenn  er  fühle  dass 
die  Kraft  ihn  verlasse.  Braucht  man  sich  zu  wundern,  be- 
merkte König  Alfons,  dass  Der  gegen  die  ganze  Welt  gekämpft 
hat,  der  dem  Tode  den  Sieg  streitig  macht?  Der  Sterbende 
klagte  sich  selber  mancher  Handlungen  an.  >0  Gabriel, 
seufzte  er  eines  Tages,  wie  viel  besser  wäre  es  für  dein  Seelen- 
heil gewesen,  als  einfacher  Klosterbruder  zu  enden,  statt  Car- 
dinal und  Papst  geworden  zu  sein!«  Er  starb  in  der  Morgen- 
frühe des  23.  Februar  im  Alter  von  vierundsechzig  Jahren. 
Wie  er  gewünscht  wurde  er  in  der  vaticanischen  Basilika  neben 
Eugen  III.  beigesetzt.  Beim  Neubau  von  St.  Peter  brachte  man 
aber  das  von  seinem  Neffen  ihm  errichtete  Denkmal  nach  der 
Kirche  S.  Salvatore  in  Lauro ,  welche  seit  dem  Jahre  1450  durch 
Verleihung  des  Cardinais  Latino  Orsini  den  Stiftsherren  von 
S.  Giorgio  in  Alga  gehörte  und  nach  deren  Aufhebung  der 
Provinz  der  Marken  zugewiesen  wurde.  Auch  hier,  wo  das 
Monument,  der  Todte  mit  den  strengen  starren  Zügen  auf  dem 
Sarkophage  liegend,  im  Chiostro  aufgestellt  wurde,  hat  die 
römische  bauUche  Neuenmgssucht  dessen  Ruhe  gestört. 

Eugen  IV.  ist  kein  glücklicher  Papst  gewesen.  Seine  Re- 
gierung war  ein  beständiger  Kampf,  so  ohne  wie  durch  seine 
Schuld.  Auf  dem  Todesbette  klagte  er  sich  selbst  des  Man- 
gels an  Mässigung  an.  »Er  war  hochherzig,  sprach  Enea 
Silvio  zu  Friedrich  III. ,  aber  sein  grösster  Fehler  war  dass  er 
kein  Maass  kannte  und  seine  Handlimgen  nicht  durch  sein  Ver- 
mögen sondern  durch  sein  Wollen  bestimmt  wurden.«  Er  war 
heftig  und  starrsinnig,  sagt  ein  Römer  der  zur  päpstlichen 
Partei  gehörte.  Daher  die  leidenschaftUchen  rehgiösen  Cpnflicte 
die  er  wenn  er  sie  nicht  veranlasste  vermehrte ,  und  die  unseli- 
gen poUtischen  Zerwürfnisse  welche  so  grosses  Elend  über  den 
Kirchenstaat  brachten.  Sein  Leben  aber  war  rein.  Er  war 
gegen  sich  strenge ,  einfach ,  enthaltsam ,  sparsam  ausser  wo  es 
sich  um  Mildthätigkeit,  um  Vertheidigung  des  Glaubens,  um 
kirchhche  und  gemeinnützige  Bauten  handelte.    Er  kannte  den 


Römische  Stadtverwaltung  unter  Eugen  IV.  109 

Nepotismus  nicht.  In  persönlicher  Freundschaft  war  er  be- 
ständig. »Glücklich  Der,  sagt  Enea  Silvio,  dem  er  einmal 
wohlgewollt  hat.  An  das  Uebel  glaubt  er  nicht  bevor  er  es 
sieht. €  Vitelleschi  liess  er  fallen  als  er  ihn  für  schuldig  hielt. 
Wie  Martin  V.  hat  auch  er  manche  ausgezeichnete  Männer  zum 
Cardinalat  befördert  Von  dem  was  er  fiir  das  Bauwesen  und, 
obgleich  seine  eigne  Bildung  mangelhaft  war,  für  das  Unter- 
richtswesen that,  wird  noch  die  Rede  sein.  Die  Stadt  Rom 
erfreute  sich  in  seinen  letzten  Jahren  besserer  Zeiten.  »Eugens 
Tod,  schreibt  Paolo  Petrone,  war  ein  grosser  Schaden  für 
Rom,  denn  seit  seiner  Rückkehr  lebten  wir  in  Ruhe  und  Wohl- 
stand. Er  stellte  ausser  dem  päpsthchen  Palast  viele  Kirchen 
wieder  her  die  im  übelsten  Zustand  waren.  Den  Armen  er- 
theilte  er  reiche  Almosen,  vielen  mittellosen  jungen  Mädchen 
verhalf  er  zur  Ehe.«  Auch  während  seiner  Abwesenheit  be- 
theiligte er  sich  an  der  Stadtverwaltung.  So  finden  wir  im 
Jahre  1436  zahlreiche  Ernennungen  für  die  Kammer,  die  Münze, 
das  Zollwesen  u.  s.  w.  Dem  Castellan  der  Engelsburg  wurde 
damals  genau  vorgeschrieben  wie  stark  die  Mannschaft  sein 
sollte,  zwanzig  Mann  für  den  obem  Theil,  zehn  für  den 
untern  Theil  des  Castells,  acht  zur  Bewachung  der  Brücke,  nur 
zwei  für  den  Vatican,  im  ganzen  vierzig  Mann  mit  hundert- 
vierzig Goldgulden  Monatssold,  zu  welchen  für  Antonio  Rido 
und  seinen  Bruder  den  Vicecastellan  zehn  Gulden  kommen 
sollten.  Die  Custoden  der  Mauern  und  öffentlichen  Bauten, 
die  Armenanwälte  u.  a.  wurden  vom  Papste  selber  ernannt, 
Verfugungen  inbetreff  von  Weiden  und  Zöllen ,  zum  Schutz  der 
Juden  durch  Bestätigimg  ihrer  Privilegien  gegen  gerichtUche 
Decrete,  Bürgerrechtsertheilungen  u.  s.  w.  gingen  von  ihm  aus. 
Das  Senatorsamt  wurde  regelmässig  von  fremden  Edelleuten 
verwaltet.  SaUmbeni,  Petroni,  Rimbotti  aus  Siena,  Rinaldo 
degli  Albizzi,  Strozzi  und  Bonciari  aus  Florenz,  Imperiali  aus 
Genua,  Gritti  aus  Venedig,  Filangieri  von  der  sicilischen  Linie 
kommen  zum  Theil  wiederholt  vor  neben  Rittern  aus  Perugia, 
Spoleto,  Norcia,  Todi,  Temi.  Die  Stadtgeschichte  weiss 
unter  ihnen  von  keinen  Unruhen  mehr  zu  berichten. 


110  Coiiclave  und  autonome  Tendenzen. 


8. 

NICOLAUS  V. 

Auf  dem  Sterbebette  hatte  Eugen  IV.  die  strenge  Befol- 
gung des  Decrets  Gregors  X.  über  das  Conclave  anempfohlen. 
Das  Cardinalcollegium  bestand  aus  vierundzwanzig  Mitgliederu 
von  denen  achtzehn  in  Rom  anwesend  waren.  Selten  ist  es  so 
bunt  zusammengesetzt  gewesen,  denn  zu  eilf  Italienern  gesellten 
sich  vier  Spanier,  unter  ihnen  Carvajal  und  Torquemada,  zwei 
Griechen  deren  einer  Bessarion  war,  zwei  Franzosen,  und  je 
ein  Teutscher,  Engländer,  Pole,  Ungar,  Portugiese.  Während 
die  Wähler  sich  am  4.  März  1447  im  Kloster  bei  Sta  Maria 
sopra  Minerva  versammelten,  wo  der  kaiserhche  Gesandte  £nea 
Silvio  Piccolomini  mit  anderen  Gesandten  und  Prälaten  die 
Conclavewache  hielt,  mahnten  die  Umstände  an  die  Opportu- 
nität baldiger  Wahl.  In  Rom  zeigten  sich  wieder  Spuren  von 
Gährung.  In  der  Kirche  von  Araceli  fand  eine  Versammlung 
statt,  in  welcher  ein  römischer  Edelmann  Stefano  Porcari,  der 
nicht  geringen  Anhang  und  auch  ausserhalb  viele  und  achtungs- 
werthe  Verbindungen  hatte,  sich  gegen  die  Priesterherrschaft 
ausliess  und  darauf  hindeutete,  dass  Rom  nicht  so  viel  Freiheit 
und  Autonomie  besitze  wie  die  unbedeutendste  Comune.  Die 
Bemülmngen  des  Vicecamerlengo  und  die  Besorgniss  vor 
König  Alfons  von  Aragon,  der  mit  Truppen  in  TivoU  stand. 
verhinderten  einen  Ausbruch,  aber  die  Wähler  ermaassen  die 
nicht  unbedenkliche  Lage.  Am  ersten  Tage  theilten  sich  die 
Stimmen  zwischen  Prospero  Colonna  und  Domenico  Capranica; 
am  zweiten  schien  die  Wahl  Colonnas  beinahe  gesichert,  als 
der  Cardinal  von  TagUacozzo  Erzbischof  von  Tarent  den  Car- 
dinal von  Bologna  in  Vorschlag  brachte.  Torquemada  gab 
durch  seine  Stimme  den  Ausschlag.  Am  5.  März,  der  Vigilie 
des  Festes  S.  Thomas  Aquinas'  wurde  Tommaso  da  Sarzana 
zum  Papste  gewählt 

Im  Jahre  1398  wurde  nach  der  gewöhnlichen  Annahme 
einem  wenig  begüterten  Paare  Bartolommeo  und  Andreola 
Parentucelli,  wie  Einige  sagen  in  Pisa,  nach  Anderen  in  Sar- 
zana ein  Sohn  geboren,  der  im  Alter  von  neun  Jahren  den 
Vater  verlor.  Die  Mutter,  der  ein  Traum  die  künftige  Grösse 
des  Knaben   während  einer  gefahrlichen  Krankheit  desselben 


Jugendjahre  Tommasos  da  Saraana.    Niccolo  Albergati.  111 

prophezeite,  sorgte  so  gut  sie  yermogte  für  dessen  Unterwei- 
sung, so  dass  Tommaso,  den  man  nach  dem  Orte  nannte  wo  er 
entweder  zur  Welt  kam  oder  seine  Jugend  verbrachte,  sechzehn- 
jährig die  hohe  Schule  zu  Bologna  beziehn  konnte.  Hier  lag 
er  drei  Jahre  lang  den  Wissenschaften  mit  grösstem  Eifer  ob, 
so  dass  er  in  Philosophie  und  freien  Künsten  schöne  Kennt- 
nisse und  den  Magistergrad  erlangte.  Als  seine  Geldmittel  er- 
schöpft waren  kehrte  er  nach  Sarzana  heim;  da  aber  seine 
Mutter,  die  sich  wiedervermält  und  jüngere  Kinder  hatte, 
ihm  keine  Unterstützung  gewähren  konnte,  musste  er  selbst 
für  sein  ferneres  Fortkommen  sorgen.  So  ging  er  nach  Flo- 
renz, wo  er  erst  den  Söhnen  Messer  Rinaldos  degli  Älbizzi, 
dann  denen  Palla  Strozzis  Unterricht  ertheilte.  In  welcher 
Blüte  die  Wissenschaften  in  den  ersten  Decennien  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  in  Florenz  standen,  wie  grossen  Einfluss 
die  vornehmen  Familien  welche  die  Geschicke  des  Staates 
lenkten,  auf  deren  Fortschritte  ausübten,  wird  die  Geschichte 
der  geistigen  Bewegung  dieser  Zeit  klar  machen.  Maestro 
Tommaso  erübrigte  nicht  nur  so  viel  dass  er  nach  Bologna 
zurückkehren  und  sich  wieder  den  Studien,  namentlich  der 
Theologie  widmen  konnte,  sondern  er  blieb  auch  in  befreun- 
deten Beziehungen  zu  den  beiden  edlen  Geschlechtern,  zu  denen 
er  in  vertrautem  Verkehr  gestanden  war.  Als  er  Jahre  darauf 
den  Gipfel  der  Grösse  erreicht  hatte,  seine  ehemaligen  Zög- 
linge aber  von  dem  harten  Loose  der  Verbannung  betroffen 
waren,  hatte  er  die  Freude  ihnen  Gutes  thun  zu  können. 

Nachdem  Tommaso  auch  in  der  Gottesgelehrtheit  den  Ma- 
gistergrad erlangt  hatte,  zog  ihn  der  Bischof  von  Bologna 
Niccolo  Albergati  an  sich  heran.  Zwanzig  Jahre  lang  ist 
er  der  unzertrennliche  Gefahrte  und  Helfer  dieses  ausgezeich- 
neten Mannes  geblieben,  der  die  Sittenstrenge  des  Karthäu- 
sers  mit  der  Wachsamkeit  des  geistlichen  Hirten  und  der 
Thätigkeit  des  Diplomaten  vereinigte.  Von  Martin  V.  zum 
Cardinalat  erhoben  wurde  Albergati  von  Eugen  IV.  mit  den 
Legationen  nach  Frankreich  zum  Abschluss  des  Friedens 
zwischen  Carl  VII.  imd  Philipp  von  Burgund,  nach  Teutsch- 
land ,  nach  Ferrara  zum  Zweck  der  Versöhnung  zwischen  Mai- 
land und  Venedig  beauftragt.  Maestro  Tommaso  nahm  an 
diesen  Reisen  und  Unterhandlungen  Theil,  deren  Zwecke  er 
durch   seine   Gewandtheit   förderte,   während    er   den   Schatz 


112  Niccolo  Albergati.    Karaktcr  Nicolaus*  V. 

seiner  Kenntnisse  im  Umgang  mit  Gelehrten  imd  Staatsmännern 
fremder  Länder  mehrte.  Er  war  mit  dem  Cardinal  zur  Zeit 
Papst  Martins  in  Rom  gewesen.  Nach  Eugens  IV.  Flucht  be- 
gleitete er  ihn  nach  Florenz  wo  Beide  längere  Zeit  verweilten, 
worauf  sie  dem  Papst  nach  Bologna  imd  Ferrara  folgten,  mit 
ihm  nach  Florenz  zurückkehrten,  als  das  Concil  dahin  verlegt 
wurde.  Maestro  Tommaso,  in  den  Werken  der  Kirchenvater 
ungewöhnlich  bewandert,  wurde  vom  Papste  nach  der  Ver- 
einigung mit  den  Griechen  zur  Führung  der  Unterhandlung  mit 
den  orientalischen  Kirchengemeinden  gewählt,  deren  günstiger 
Erfolg  ihm  grosse  Ehre  machte.  Als  Albergati  im  Mai  1443 
in  Siena  starb ,  ernannte  er  ihn  zu  seinem  Letztwillensvollzieher. 
Der  Papst  aber  verUeh  ihm  das  Bisthum  Bologna,  eine  Ver- 
leihutig  die  ihm  keinen  Vortheil  brachte  indem  die  Stadt  sich 
gegen  den  h.  Stuhl  aufgeleimt  hatte,  und  übertrug  ihm  Lega- 
gationen  nach  Florenz,  nach  Neapel,  zweimal  nach  Teutsch- 
land. Auf  der  letzten  dieser  Gesandtschaftsreisen  war  es,  wo 
er  mit  Juan  Carvajal  Bischof  von  Placentia  und  Nicolaus  von 
Cusa  auf  dem  frankfurter  Convent  vom  September  1446  den 
Vergleich  inbetreflF  der  baseler  Decrete  und  der  teutschen 
Kirche  schloss,  der  die  langersehnte  Verständigung  herbei- 
führte. Der  Papst  sandte  den  auf  der  Rückreise  befindlichen 
beiden  Nuntien  den  rothen  Hut  nach  Viterbo  entgegen.  Die 
sienesischen  Gesandten  in  Rom  nannten  Tommaso  in  einem 
ihrer  Berichte  »einen  andern  Papst«.  Zwei  Monate  später  war 
Eugen  IV.  aus  dem  Leben  geschieden. 

Tommaso  da  Sarzana  war  eine  eigenthümliche,  reichbegabte, 
glückUche  Natur.  Einer  seiner  Zeitgenossen  der  vor  wie  nach 
seiner  Erhebung  viel  mit  ihm  umgegangen  ist,  Vespasiano  da 
Bisticci,  hat  ims  seine  Lebensbeschreibung  hinterlassen,  deren 
Einzelzüge  sich  von  selbst  zu  einem  Gesammtbilde  des  merk- 
würdigen Mannes  gestalten.  Er  war  klein  von  Gestalt,  chole- 
risch was  er  durch  seine  Besonnenheit  mässigte,  rasch  und 
ungeduldig,  denn  da  er  alles  mit  grösster  Genauigkeit  that 
wollte  er  auch  auf  einen  Wink  verstanden  sein.  Er  hatte 
dunkle  Augen,  helle  Gesichtsfarbe,  tönende  Stinune.  Für  sich 
selbst  war  er  äusserst  haushälterisch.  Als  er  einmal  als  Nuntaus 
nach  Frankreich  ging,  und  Papst  Eugen  sich  in  solcher  Ver- 
legenheit befand  dass  er  ihm  nicht  einmal  hinlängliches  Reise- 
geld geben  konnte,  liess  er,  in  Florenz  angelangt,   Cosimo  de 


Karakter  Nicolaus'  V.  113 

Medici  bitten  ihm  hundert  Goldgulden  yorzustrecken.  Cosimo 
liess  einen  Creditbrief  an  seine  sämmtlichen  Geschäftsfreunde 
ausfertigen  des  Inhalts ,  sie  sollten  Maestro  Tominaso  auszahlen 
was  immer  er  verlange.  Mit  Mühe  war  er  zur  Annahme  zu 
bewegen;  als  er  zurückkehrte,  hatte  er  zweihundert  Gul- 
den gebraucht  und  es  schien  ihm  viel,  und  er  entschloss  sich 
ongeme  noch  hundert  zu  nehmen  um  seine  Weiterreise  nach 
Rom  bewerkstelligen  zu  können.  Gegen  Andere  war  er  frei- 
gebig: was  er  hatte  gehörte  nicht  ihm.  Geiz  und  Kleinlichkeit 
war  ihm  unbekannt,  selbst  bevor  er  grössere  Mittel  hatte  was 
viele  Jahre  hindurch  der  Fall  war,  da  er  ausser  dem  päpst- 
lichen Subdiaconat  von  welchem  er  dreihundert  Scudi  bezog 
nur  ein  paar  unbedeutende  Pfründen  hatte,  sein  Bisthum  aber 
ihm  nichts  einbrachte.  Er  vertraute  auf  sein  gutes  Glück  und 
dachte  es  könne  ihm  doch  nicht  fehlen.  Er  pflegte  zu  sagen, 
komme  er  je  in  Wohlstand  so  werde  er  für  zwei  Dinge  Geld 
ausgeben,  für  Bücher  und  Bauten.  Selbst  als  er  arm  war, 
wollte  er  nur  schöne  Bücher  haben,  und  die  Abschriften  die 
er  besorgen  liess  waren  alle  trefflich.  Er  selbst  schrieb  eine 
sehr  schöne  Hand  die*  zwischen  antiker  und  modemer  Form 
die  Mitte  hielt,  und  kaum  Irgendeiner  that  es  ihm  darin  zuvor. 
Die  Bücher  deren  er  sich  bediente  versah  er  mit  reichlichen 
Anmerkungen.  Er  begleitete  nie  den  Cardinal  auf  seinen  Le- 
gationen ausserhalb  Itahens  ohne  Bücher  mitzubringen.  Von 
der  Literatur  hatte  er  ausgedehnte  Kenntniss;  keiner  verstand 
sich  gleich  ihm  darauf  eine  Bibliothek  zu  ordnen.  Als  Cosimo 
de'  Medici  die  Bibhothek  von  San  Marco  anlegte,  bat  er  Maestro 
Tommaso  ihm  einen  Plan  für  dieselbe  zu  entwerfen.  Nach 
diesem  Plan  wurden  die  BibUotheken  in  San  Marco  und  der 
Abtei  von  Fiesole,  jene  des  Herzogs  von  Urbino  und  Alessandro 
Sforzas  von  Pesaro  geordnet.  Seine  Kenntnisse  waren  so  gründ- 
lich wie  vielseitig,  sein  Gedächtniss  unvergleichlich.  Nicht  nur 
war  er  in  den  Wissenschaften  ungewöhnlich  erfahren ,  sondern 
sein  Urtheil  über  poUtische  und  administrative  Dinge  war  so 
scliarf  und  richtig,  als  wenn  er  von  Kindheit  an  zu  grossen 
Dingen  erzogen  worden  wäre.  Wenn  er  mit  Jemandem  über 
eine  Sache  sprach,  so  schien  es  diesem  als  habe  er  sich  nie 
mit  etwas  anderm  befasst. 

Ein  Feind  von  Aeusserlichkeiten   und  Ceremonien  wurde 
er  rasch   mit  den  Leuten   vertraut,    auch    als    er  zu  höheren 

▼.  Ketnnont ,  Rom.   Ul.  g 


114  Lateranische  Procession. 

Würden  aufgestiegen  war.  Seine  Anspruchslosigkeit  kam  seiner 
Höflichkeit  gegen  Alle  gleich,  die  ihn  den  Bischof  oder  Nun- 
tius besuchten.  Er  war  gerade,  offenherzig,  ein  Gegner  aller 
Heuchelei  und  Heuchler;  nie  sagte  er  etwas  was  ihm  nicht 
Ernst  war.  Gegen  Alle  war  er  freundlich.  Er  war  heiter  und 
gesprachig;  keiner  schied  von  ihm  unbefriedigt.  Der  Umgang 
mit  so  vielen  würdigen  und  ausgezeichneten  Männern  und  der 
Verkehr  an  Höfen  war  ihm  zugute  gekommen.  Seine  Art  zu 
reden  war  immer  verbindhch.  Sein  Hauswesen  war  gut  geord- 
net. Seine  Dienstleute  waren  alle  Teutsche  oder  Franzosen. 
Die  Italiener,  sagte  er,  hätten  immer  ihren  Sinn  auf  etwas 
anderes  und  höheres  gerichtet,  während  Franzosen  und  Teutsche 
sich  mit  dem  wozu  man  sie  verwende  begnügten,  sich  um  ande- 
res nicht  kümmerten,  auch  im  niedrigsten  Dienste  zufrieden  und 
treu  wären.  Sein  Tisch  war  einfach  und  er  war  sehr  enthalt- 
sam und  massig;  Wein  trank  er  nur  stark  mit  Wasser  gemischt 
und  massig,  imd  wenn  er  feine  Weine  kommen  Hess,  so  war*s 
fuir  die  Prälaten  und  Herren  aus  Frankreich,  Teutschland  uud 
England  die  er  auf  seinen  Reisen  gekannt  hatte,  und  gegen 
welche  er  sich  gastfrei  bewies  wenn  sie  nach  Rom  kamen. 

So  war  der  Mann  welcher  aus  dem  kurzen  Conclave  in 
der  Minerva  als  Eugens  Nachfolger  hervorging,  ohne  Eabale 
noch  Parteimanöver,  zur  Verwunderung  Vieler ,  am  meisten  zu 
seiner  eignen,  da  er  einer  der  jüngsten  Cardinäle  und  ohne 
persönUchen  Anhang  in  Rom  war.  Der  neue  Papst  nahm  den 
Namen  Nicolaus  an,  in  dankbarer  Erinnerung  an  seinen  viel- 
jährigen Gönner  Albergati.  Am  19.  März  krönte  ihn  vor  der 
vaticanischen  Basilika  derselbe  Prospero  Colonna  welcher  der 
höchsten  Würde  so  nahe  gestanden  war.  Die  Procession  nach 
dem  Lateran  war  glänzend.  Vorauf  ritten  die  Hofleute,  die 
städtischen  Beamten,  die  Barone;  die  Pferde  der  Achte,  Bischöfe 
und  Cardinäle  trugen  weisse  Decken.  Von  zahlreichen  bren- 
nenden Wachsfackeln  umgeben  wurde  das  h.  Altarsacrament 
getragen,  dann  folgten  drei  Banner  und  ein  Sonnenschirm. 
Der  Papst  ritt  ein  weisses  Ross,  in  der  Linken  trug  er  die 
goldene  Rose,  mit  der  Rechten  ertheilte  er  den  Segen.  Bei 
Monte  Giordano  standen  die  Abgeordneten  der  Judengemeinde, 
ihr  Gesetz  überreichend.  Nach  der  kirchlichen  Ceremonie  in 
der  Laterankirche  und  nachdem  den  Cardinälen,  Prälaten, 
Gesandten  Gold-  und  Silbermünzen  zugestellt  worden,   fand 


Fremde  Gesandtschaften  bei  Nicolaus  V.  115 

das  Gastmal  statt,  wobei  der  Papst  im  Palast,  alle  Uebrigen 
in  der  Chorherrenwohnung  speisten.  Die  kaiserlichen  Gesandten 
£nea  Silvio  Piccolomini  und  Procop  von  Rabstein  waren  die 
Gäste  Cardinal  Carvajals.  Es  war  Nacht  bevor  man  den  Va- 
tican  wieder  erreichte.  Drei  Monate  später,  am  Vorabend  des 
Johannesfestes  zog  Papst  Nicolaus  noch  einmal  mit  grosser 
Pracht  zum  Lateran  wo  er  Messe  las,  worauf  im  Herzen  der 
alten  Stadt  von  der  Kirche  der  h.  Cosmas  und  Damian  zum 
Constantinsbogen  ein  Preisrennen  stattfand. 

Längere  Zeit  wälirten  die  Ceremonien  und  die  Glückwunsch- 
Audienzen  der  fremden  Botschafter.  Die  ersten  waren  die  des 
romischen  Königs,  dann  folgten  jene  der  übrigen  Fürsten,  end- 
lich die  italienischen.  Neben  den  Gesandten  von  Mailand,  Ve- 
nedig und  Genua,  von  Florenz  und  Siena  sah  man  die  von 
Bologna  und  Perugia;  König  Alfons,  zu  dem  der  Papst  un- 
mittelbar nach  seiner  Wahl  die  Cardinäle  Condulmer  und 
Scarampi  beordert  hatte,  liess  sich  alsbald  durch  vier  Bot- 
schafter vertreten,  welche  ein  Abkommen  mit  dem  h.  Stuhl 
herbeizuführen  beauftragt  waren.  Besonders  guter  Aufnahme 
erfreute  sich  die  florentinische  Gesandtschaft:  Nicolaus  V.  wollte 
kundgebeu  welchen  Werth  er  auf  Fortdauer  seiner  persön- 
lichen freundschaftlichen  Beziehungen  zur  Repubhk  legte.  Die 
Florentiner  hatten  ehrenwerthe  Männer  gesandt,  Neri  Capponi, 
Agnolo  Acciajuoli,  Giannozzo  Manetti,  Piero  de'  Medici  Co- 
simos  Sohn  unter  ihnen.  Mit  hundertzwanzig  Pferden  waren  sie 
eingezogen;  die  Cardinäle  hatten  sie  empfangen  und  Alles  war 
hinausgeströmt  sie  zu  sehn,  wie  sie  einherritten  in  ihren  langen 
carmesinrothen  Gewändern  mit  pelzbesetzten  o£fenen  Aermeln, 
mit  zwölf  jungen  Begleitern  in  Anzügen  von  Carmesindamast 
mit  Pelzverbrämung.  Messer  Giannozzo  Manetti  hielt  die  Anrede, 
welche  über  eine  Stunde  währte:  der  Papst,  heisst  es,  war  so 
in  sich  gekehrt  dass  er  zu  schlafen  schien,  als  aber  jener  endete, 
antwortete  er  Punkt  für  Punkt  mit  grosser  Gewandtheit  auf 
die  lange  Rede.  Vespasiano,  hatte  er  am  Tage  vorher  zu 
seinem  alten  Bekannten  dem  Buchhändler  gesagt,  der  zur 
Audienz  gekommen  war  und  den  er  bei  sich  behalten  hatte  — 
Vespasiano,  würden  die  Florentiner  sich  haben  träumen  lassen, 
der  arme  Priester  werde  Papst  werden?  »Ich  erwiederte  ihm, 
das  Volk  werde  des  Glaubens  sein ,  es  sei  imi  seiner  Tugenden 
willen  geschehn  und  auf  dass  Italien  der  Friede  wiedergegeben 

8' 


116  Nicolaus'  V.  FriedeuspolitiL 

würde.  Drauf  Er:  ich  bete  zu  Gott  dass  er  mir  die  Gnade 
gewähre,  dasjenige  ins  Werk  zu  setzen  was  meine  Seele  erfüllt 
Nämlich  während  meines  Pontificats  keine  Waffe  zu  gebrauchen, 
als  jene  welche  Christus  mir  zu  meinem  Schutze  gegeben  hat, 
sein  heiliges  E^reuz.« 

Mit  solchen  Gesinnungen  und  Absichten  trat  Nicolaus  Y. 
die  Regierung  an ,  und  er  hat  sie  auf  welthchem  wie  auf  geist- 
lichem Gebiete  bethätigt.  Er  ist  ein  Friedensfurst  gewesen 
nach  dem  Vorgange  Dessen  welcher  Petrus  die  Schlüssel  über- 
geben hatte,  die  er  als  sein  Wappenzeichen  annahm  wie  man 
es  noch  an  Roms  Mauern  und  anderwärts  erbUckt,  mit  der 
Devise:  Paratum  cor  meum  Dens«  Er  hielt  Umzüge  mit  dem 
ganzen  Clerus,  von  Gott  Frieden  zu  erflehen;  er  selbst  schrieb 
die  Litaneien  auf.  Nicht  blos  die  eigne  Gesinnung,  auch  das 
warnende  Beispiel  der  Verwirrung  in  welcher  während  der 
beinahe  ganzen  Dauer  von  Eugens  Regierung  der  Elirchenstaat 
sich  befunden  hatte,  musste  Nicolaus  V.  auf  ein  verschiedenes 
System  hinweisen.  Er  beschloss  von  Anfang  an  mit  den  Feu- 
dataren  des  h.  Stuhls  eine  Verständigung  einzuleiten  die  ihm 
nach  aussen  hin  freie  Hand  lassen  würde.  So  vertrug  er  sich 
mit  Federigo  von  Montefeltro,  Alessandro  Sforza,  Antonio 
Ordelaffi,  Rodolfo  und  GiuUo  da  Varano ,  Nello  Baghoni, 
Sigismondo  Malatesta  und  dessen  Söhnen  Roberto  und  Mala- 
testa,  indem  er  ihnen  die  Vicariate  von  Urbino,  Pesaro,  Forli, 
Camerino ,  Spello ,  Rimini  und  dazu  gehörigen  Orten  theils  be- 
stätigte theils  verlieh.  Das  Papstthum  ward  dadurch  keines- 
wegs vor  Feindseligkeiten  seiner  Lehnträger  gesichert,  zunächst 
aber  der  Friede  hergestellt.  Das  Vicariat  der  Estensen  in  Fer- 
rara  wurde  für  Markgraf  Borso  bestätigt,  der  dann  vom  Reich 
den  Titel  eines  Herzogs  von  Modena  und  Reggio  erhielt 
Venedig  musste  im  Besitz  von  Ravenna  gelassen  werden,  in 
den  es  sich  im  Jahre  1441  auf  Kosten  der  Polentanen  gesetzt 
hatte.  Mehre  Barone  der  Umgebung  Roms,  Lorenzo  Colonna, 
die  SavelU,  Orso  Orsini,  der  Graf  von  Anguillara,  mehre  Orte 
die  sich  vergangen  hatten  wurden  wieder  zu  Gnaden  ange- 
nonunen.  Der  anconitaner  Mark,  der  Stadt  Fermo  u.  a.  i^ur- 
den  die  alten  Constitutionen  bestätigt,  neue  Freiheiten  bewil- 
ligt. So  beruhigte  Nicolaus  V.  den  eignen  Staat.  Der  Lehnzins 
war  in  den  meisten  Fällen  unbedeutend  und  mag  wie  ehemals 
unregelmässig    eingezahlt  worden   sein,    aber  die   apostoUscbe 


Tod  Filippo  Maria  Viscoutis.  117 

Kammer  bezog  vonaltershet  unter  verschiedenen  Titeln  nicht 
unbetriLchtUche  Einkünfte  aus  den  Provinzen.  Der  wiederholte 
Aufenthalt  welchen  der  Papst  in  diesen  Provinzen  nahm,  in 
Umbrien,  in  den  Marken  u.  s.  w.,  bestärkte  das  gute  Einver- 
nehmen. 

Währenddessen  suchte  Nicolaus  seine  friedliche  Gesinnung 
auch  in  den  Verhältnissen  zu  den  italienischen  Staaten  geltend- 
zumachen.  Bei  Eugens  IV.  Tode  war  die  ganze  Halbinsel  in 
Bewegung  und  ein  bald  darauf  stattfindendes  Ereigniss  steigerte 
im  ersten  Moment  die  Verwirrung,  während  es  für  die  Folge- 
zeit Ausgangspunkt  ruhigerer  Entwicklung  wurde.  Am  15.  Juli 
1447  starb  plotzUch  Filippo  Maria  Visconti.  Er  hatte  als  Erbe 
der  Politik  seines  Vaters ,  welchem  er  an  intriganter  Ruhelosig- 
keit, nicht  an  grossartiger  Thatkraft  gleichkam,  den  Staat,  der 
bei  dessen  Tode  in  Trümmer  zu  gehn  drohte ,  wiederhergestellt 
und  seine  Hand  wie  dieser  stets  nach  MittelitaUen  ausgestreckt. 
Sein  Leben  war  ein  beständiger  Kampf  mit  Nachbarn  und 
Femen,  ein  beständiges  Aufbieten  der  Bänke  erfindungsreich- 
ster Politik,  ein  beständiger  Wechsel  von  Feindschaft  und 
Freundschaft.  Mehr  als  Einer  hatte  er  das  Condottierenwesen 
lebendig  erhalten  und  in  seinen  äussersten  Consequenzen  sich 
entwickeln  lassen,  er  der  selber  nie  ein  Schwert  gezogen  hatte 
aber  stets  Schaaren  bereit  hielt,  sie  bald  nach  dieser  bald  nach 
jener  Seite  zu  werfen,  eingestanden  oder  verschwiegen,  selbst 
die  Einen  gegen  die  Andern  gebrauchend  wofern  es  seine  Zwecke 
zu  fördern  schien.  Die  geübtesten  und  gefurchtetsten  Feldherren 
der  Zeit  hatte  er  von  der  Kriegsbühne  verschwinden  gesehn, 
Alberigo  da  Barbiano,  Facino  Cane,  Sforza  Attendolo ,  Braccio 
da  Montone,  Niccolo  Fortebraccio ,  Niccolö  Piccinino,  Francesco 
Carmagnola  u.  A. ;  kaum  einer  von  ihnen  war  natürlichen  Todes 
gestorben.  Den  besten  der  Ueberlebenden ,  Francesco  Sforza, 
hatte  er  wechselweise  an  sich  zu  ziehn  und  zu  verderben  und 
wieder  zu  heben  versucht.  Auch  nachdem  er  ihm  seine  Tocbter 
Bianca  Maria  vermalt,  hatte  er  ihn  im  Bunde  mit  Papst  Eugen 
und  König  Alfons  bekämpft,  ihm,  als  die  Mark  schon  verloren 
war,  wieder  die  Hand  geboten,  kurz  vor  seinem  Ende  vergebens 
mit  ihm  sich  zu  vertragen  gewünscht. 

Filippo  Maria  starb  ohne  männliche  und  rechtmässige 
Nachkommen.  Auf  das  Herzogthum  Mailand  machten  König 
Alfons  den  er  zu  seinem  Erben   eingesetzt,    der  Herzog  von 


118  Francesco  Sforza.     Kiroblichc  Angelegenheiten. 

Savoyen  und  der  von  Orleans  als  Sohn  einer  Visconti  An- 
spruch. Die  Mailänder  erklärten  sich  für  frei ,  Como ,  Alessan- 
dria, Novara  hielten  zu  ihnen,  aher  Pavia  wollte  allein  stehn, 
Lodi  und  Piacenza  gaben  sich  an  Venedig,  und  das  Ende  des 
Haders  und  des  Krieges  war,  dass  die  ambrosianische  Repu- 
blik nach  drei  Jahren  sich  der  Herrschaft  des  Feldherm  fugen 
musste,  den  sie  selbst  herbeigerufen  hatte.  Mailand  hat  kei- 
nen Grund  gehabt  es  zu  bereuen.  Denn  die  Regierungszeit 
Francesco  Sforzas  gehört  zu  seinen  glückUchsten  Epochen,  und 
es  war  dieser  kriegerische  Herzog  der  endlich  den  Frieden 
in  Italien  herstellte,  nachdem  sein  unkriegerischer  Vorgänger 
dreissig  Jahre  lang  ganz  Italien  im  Kampf  erhalten  hatte.  Dem 
im  Jahre  1454  geschlossenen  Vertrag  von  Lodi  zwischen  Venedig, 
Mailand  imd  Florenz  traten  Papst  Nicolaus  und  König  Alfons 
bei.  So  begann  für  Italien  die  Zeit  der  Bündnisse  und  des  politi- 
schen Gleichgewichts ,  eine  Zeit  die  nicht  ohne  manchfache  Stö- 
rungen verlief,  aber  im  Ganzen  zwischen  den  kleinen  localen 
Kriegen  der  vorhergegangenen,  zwischen  den  grossen  europäi- 
schen der  nachfolgenden  Jahre  ein  gutes  Andenken  zurückge- 
lassen hat.  Die  glänzenden  Tage  des  Condottierenthums  waren 
zu  Ende  von  dem  Moment  an .  wo  der  glückUchste  und  weiseste 
der  Condottieren  Herr  eines  ansehnlichen  Staates  wiurde. 

Wie  Nicolaus  V.  an  dem  politischen  Friedenswerk  thäti- 
gen  Antheil  genommen  hat,  waren  seine  Bemühungen  auch  auf 
Wiederherstellung  des  kirchlichen  Friedens  gerichtet.  Auch 
hierin  hatte  er  Glück ,  sofeme  der  Westen  Europas  in  Betracht 
kommt.  Die  Namen  der  Cardinäle  deren  er  sich  als  Legaten 
bediente,  Juan  de  Carvajal,  Nicolaus  von  Cusa,  Guillaume 
d'Estouteville ,  Domenico  Capranica,  Bessarion  u.  A.  zeigen 
allein  schon,  wie  ernst  und  verständig  er  das  grosse  Werk 
ergriff.  Der  erste  Erfolg  war  das  durch  das  Aschaffenburger 
Concordat  und  dessen  am  19.  März  1448  erfolgte  Bestätigung 
mit  Teutschland  geschlossene  Abkommen.  Ein  Abkommen  von 
dem  es  allerdings  zweifelhaft  ist,  inwiefeme  es  dem  wahren 
Interesse  der  teutschen  Kirche  und  somit  in  letzter  Instanz 
auch  dem  des  Pontificats  wirklich  ent-sprach,  während  dieser 
Rückschritt  von  dem  durch  die  beiden  grossen  Concilien  Er- 
langten nachmaliger  Spaltung  den  Weg  gebahnt  hat  Ein  un- 
l)ezweifelter  Gewinn  war  das  Ende  des  Schismas.  Es  beschränkte 
sich    auf  Savoyen    und   einen  Theil    der  Schweiz,  als  König 


Rücktritt  Felix' V.    Jubeljahr  1450.  119 

Friedrich  III.  und  vor  Allen  Carl  VII.  von  Frankreich  sich  ins 
Mittel  legten.   Am  7.  April  1449  entsagte  Felix  V.  seiner  Würde 
indem  er  die  eines  Cardinallegaten  bewahrte,  während  zugleich 
drei  seiner  Cardinäle  bestätigt  wurden.    Unter  ihnen  war  Louis 
Aleman  Erzbischof  von  Arles ,  einst  die  Stütze  des  Baseler  Con- 
cils,   ein  Mann  von   ebenso  grosser  Energie  wie  von  ernster 
Frömmigkeit,    der    seinen    bestimmenden   Antheil    am    letzten 
Schisma  durch  seinen  tugendhaften  Lebenswandel  wiedergut- 
gemacht hat.    In  Polen,   Ungarn,  Bosnien,  Croatien,   auf  Cy- 
pem,  überall  wirkte  Nicolaus  für  den  kirchlichen  Frieden;  nur 
in  Böhmen  mislangen  Carvajals  Bemühungen  völlig.    Die  orien- 
talische Spaltung  hatte  unterdess  alsbald  nach  dem  florentiner 
Frieden  wieder  begonnen.    Welche  immer  die  persönUchen  Nei- 
gungen  der   letzt'Cn   christlichen   Beherrscher   Constantinopels 
sein  mogten,  Johannes  und  Constantin  Paläologus  waren  un- 
vermögend auch  inmitten  der  grössten  Hülflosigkeit  des  Reiches 
Clerus  und  Volk  dem  römischen  Symbolum  zu  gewinnen,  und 
bald   machte   die  furchtbare  Katastrophe   dieses  Reiches  Be- 
mühungen ein  Ende,    deren  Fruchtlosigkeit  vier   seitdem   ge- 
schwundene Jahrhunderte  documentirt  haben. 


9. 

FRIEDRICHS  m.   KAISERKRÖNUNO.      DIE   PORCARISCHE   VERSCHWÖRUNG. 

Solcherart  war  die  Wirksamkeit  Papst*  Nicolaus*  V.  inner- 
halb und  ausserhalb  seines  Staates.  Was  er  auf  geistigem 
Felde  anregte  und  schuf,  wird  Gegenstand  späterer  Betrach- 
tung sein.  Der  Friede  den  er  allerwäxts  förderte,  kam  Rom 
zugute.  Senatoren  aus  Perugia,  Citta  di  Castello,  Fermo,  aus 
Venedig  und  Verona,  aus  Neapel  und  Aquila  folgten  einander 
ohne  Unterbrechung.  Im  Jahre  1450  wurde  das  fünfte  Jubi- 
läum unter  grossem  Zulauf  gefeiert.  In  mehren  Theilen  ItaUens 
herrschten  pestartige  Krankheiten  von  denen  auch  Rom  zu 
leiden  gehabt  hat.  Schon  zwei  Jahre  zuvor  war  hier  die 
Sterbüchkeit  sehr  gross  und  veranlasste  die  gewöhnhchen  Er- 
scheinungen. Wie  Bemardino  da  Siena  predigte  Fra  Roberto 
da  Ijccce  auf  dem  Capitolsplatze  und  stiftete  zahlreiche  Ver- 
söhnungen.   Von  AraceU  bis  Sta  Maria  maggiore  Uefen  Haufen 


120  I^A^  Jubeljahr.     Friedrich  III.  m  Itaheu. 

junger  Männer,  halbentblösst  sich  geisselnd,  die  göttliche  Barm- 
herzigkeit anrufend.  Auch  im  Jubeljahr  war  es  schlimm  genug. 
Der  Papst  ging  nach  Umbrien  und  den  Marken.  Wie  einundzwan- 
zig Jahre  früher  bei  ähnlichem  Anlasse  ansteckender  Krankheit 
Martin  V.  sich  in  Ferentino  eingeschlossen  hatte,  sperrte  Nico- 
laus V.  sich  in  Fabriano  von  aller  Berührung  mit  dem  ver- 
pesteten Rom  ab.  Dennoch  war  die  Zahl  der  Pilger  in  Rom 
ungeheuer;  die  Heerstrassen  schienen  in  Jahrmärkte  verwan- 
delt. Die  weise  Einrichtung  für  den  Uebergang  über  die 
Engelsbrücke  welche  Dante  schildert,  scheint  diesmal  ausser 
Acht  gelassen  worden  zu  sein.  Denn  am  19.  December  ent- 
stand ,  wie  es  heisst  durch  ein  störrisches  Maulthier  veranlasst, 
auf  der  Brücke  ein  solches  Gedränge  dass  nach  der  geringsten 
Berechnung  gegen  neunzig  Personen  umkamen.  Zwei  Kapellen 
am  Aufgang  der  Brücke ,  wo  seit  Clemens*  VII.  Zeit  die  Apostel- 
statuen stehn ,  erinnerten  an  das  tragische  Ereigniss.  Der  Papst 
benutzte  die  Zeit  des  Ablasses  meist  zu  geistlichen  Uebungen. 
Von  Cardinälen  und  Klerikern  begleitet  sah  man  ihn,  so  lange 
er  noch  in  der  Stadt  weilte,  zu  den  Stationen  ziehn.  Er  war 
es  der  die  Fronleichnamsprocession  in  der  Leostadt  einführte, 
wobei  er  das  Allerheiligste  von  St.  Peter  bis  Porta  Castello 
trug.  Früher  pflegten  die  Päpste  in  ähnUcher  Weise  vom  La- 
teran bis  S.  demente  und  zurück  zu  ziehn. 

Ln  zweiten  Jahre  nach  dem  Jubiläum  sah  Rom  eine  neue 
Kaiserkrönung.  Friedrich  III.  war  mitten  im  Winter  über  die 
Alpen  gegangen.  Am  30.  Januar  1452  traf  er  in  Florenz  ein.  Die 
Zeiten  waren  längst  vorüber  in  denen  die  guelfische  Republik 
teutschen  Königen  ihre  Thore  verschloss.  An  Porta  S.  Gallo 
bewillkommnete  der  Kanzler  Carlo  Marsuppini  von  Arezzo  den 
künftigen  Kaiser  durch  eine  Rede,  welche  dessen  Geheim- 
schreiber  Enea  Silvio  beantwortete.  Zwei  päpstliche  Legaten 
erwarteten  ihn  und  zogen  am  6.  Februar  in  Gesellschaft  von 
vier  florentinischen  Botschaftern  mit  ihm  gen  Rom.  Zu  Siena 
angelangt  ertheilte  Friedrich  den  Legaten  die  gewohnten  Zu- 
sagen inbetreff  der  päpstlichen  Rechte.  Vor  dem  Thore  Sienas 
war  es  wo  dieser  mit  seiner  Braut  Eleonore  von  Portugal  zu- 
sammentraf. Im  Chorbüchergemach  des  Doms  von  Siena,  wo 
Bernardino  Pinturicchio  mit  Hülfe  des  jungen  Raffael  die  Ge- 
schichte Enea  Silvio  Piccolominis  in  einem  Cyclus  von  Fresken 
gemalt    hat    die    zu    den    schönsten    der   umbrischen   Schule 


Friednchs  III.  Raiserki'öimng.  121 

geboren,  ist  auch  diese  Begegnung  dargestellt  Mehre  MUIien 
vor  Rom  erwarteten  den  König  die  vornehmsten  Barone  mit 
dem  Senator,  dem  Präfecten,  den  angesehensten  päpstlichen  und 
stadtischen  Beamten.  Am  Monte  Mario  empfingen  ihn  Cardi- 
näle,  Prälaten,  Clerus.  Die  Nacht  verbrachte  er  in  der  Villa 
des  florentiner  Kaufmanns  Marco  .Spinelli,  um  am  folgenden 
Morgen,  den  9.  März,  durch  Porta  Castello  in  die  Leostadt 
einzuziehn. 

Der  Einzug  war  prachtig.  Der  Konig  schritt,  von  den 
Cardinälen  und  Würdenträgern  umgeben,  unter  einem  Thron- 
lümmel  einher,  während  das  Reichsschwert  ihm  vorgetragen 
wurde.  Auf  elfenbeinernem  Stuhle  sitzend  empfing  der  Papst 
ihn  auf  den  Stufen  der  vaticanischen  Basilika,  wo  Friedrich 
ihm  eine  reiche  Spende  Goldes  darbot.  Die  Wachen  an  den 
Tboren  wie  im  Castell  und  im  Senatorspalast  waren  verstärkt 
worden,  aber  die  Vorsicht  erwies  sich  als  unnöthig.  Friedrich 
hatte  ein  zahlreiches  Gefolge.  Der  junge  König  von  Ungarn, 
Ladislav  der  Nachgebome,  Albrechts  von  Oestreich  und  der 
luxemburgischen  Elisabeth  Sohn,  den  er  gegen  den  Willen 
und  die  Vorstellungen  jenes  Volkes  nicht  in  sein  Erbreich 
zurückkehren  hess,  und  sein  eigner  Bruder  Herzog  Albrecht 
standen  an  der  Spitze  der  Begleiter  deren  Zahl  auf  sechstau- 
send geschätzt  wird.  Friedrich  hatte  die  eiserne  Krone  weder 
in  Mailand  noch  in  Monza  empfangen  wollen,  es  heisst  weil 
dort  Krankheit  herrschte,  inderthat  wol  weil  er  dem  Nach- 
folger der  Visconti  die  Anerkennung  versagte.  So  erfolgte  am 
16.  März  zuerst  die  lombardische  Krönung,  unter  Vorbehalt 
des  Rechtes  des  Erzbischofs  von  Mailand,  dann  die  Ver- 
mälung  Friedrichs  mit  Eleonoren.  Zwei  Tage  darauf,  am 
Sonntag  Laetare ,  fand  die  Kaiserkrönung  statt  zu  welcher  man 
die  teutschen  Reichsinsignien  herbeigeschafll  hatte.  Nach  der 
Ceremonie  begleitete  der  Kaiser  den  Papst  in  die  Engelsburg, 
wo  er  eine  Menge  Edle  zu  Rittern  schlug,  und  ritt  hierauf 
nach  dem  Lateran  wo  das  Gastmal  bereitet  war.  Am  Abende 
war  er  wieder  im  Palaste  bei  St.  Peter  welchen  die  Kaiserin 
nicht  verlassen  hatte,  und  wo  er  folgenden  Tags  die  goldene 
Kose  erhielt  während  einige  nachträgUche  Bestimmungen  inbe- 
treff  des  Concordats  getroffen  wurden.  So  ging  die  letzte  rö- 
mische Kaiserkrönung  vor  sich ,  sechshundertzweiundfunfzig 
Jahre  nach  jener  Carls  des  Grossen.    Kirche  und  Reich  waren 


122  Stefano  PoiTaro. 

im  Frieden,  Rom  war  ruhig.  Aber  die  Kirche  erhob  sich 
mühsam  aus  den  schweren  Stürmen  die  sie  grossentheiis  über 
sich  selber  heraufbeschworen^  hatte,  während  das  Reich  in 
eine  Ohnmacht  verfallen  war,  zu  deren  Abhülfe  nachmals  der 
Sohn  dieses  kraftlosen  Nachfolgers  des  grossen  Carl  vergeblich 
die  unruhige  Thätigkeit  seines  ganzen  Lebens  einsetzte.  Von 
Rom  begab  sich  Friedrich  nach  Neapel  zum  Besuche  bei  König 
Alfons,  kehrte  am  23.  April  zurück  und  reiste  drei  Tage  später 
über  Florenz  in  die  Heimat  zurück,  wo  er  alsbald  in  die 
schlimmste  Lage  gerieth.  Denn  von  den  eignen  Unterthanen 
in  Wiener -Neustadt  belagert  musste  er  sich  nicht  nur  zur 
Freilassung  Ladislavs  sondern  zu  wichtigen  Zugeständnissen 
verstehn,  worauf  der  Cardinal  von  Cusa  und  Enea  Silvio  als 
päpstliche  Bevollmächtigte  den  Frieden  vermittelten. 

Inmitten  aller  dieser  Bemühungen  und  Arbeiten,  inmitten 
grosser  Unternehmungen  zur  Verschönerung  und  Befestigung 
der  Stadt,  zur  Sicherung  vieler  Orte  des  Kirchenstaats  wurde 
die  Regierung  Nicolaus'  V.  durch  ein  Ereigniss  getrübt  welches 
man  unter  einem  Herrscher  von  seinem  Karakter  am  wenigsten 
hätte  erwarten  dürfen.  Sein  Vertrauen  zu  dem  römischen 
Volke  scheint  nicht  gross  gewesen  zu  sein,  falls  nicht  das 
nachmals  von  ihm  geäusserte  Mistrauen  eben  durch  das  ge- 
dachte Ereigniss  geweckt  worden  ist.  In  der  Nähe  des  Platzes 
von  Sta  Maria  sopra  Minerva  in  dem  Vicolo  delle  Ceste  sieht 
man  das  an  den  kleinen  Platz  von  S.  Giovanni  della  Figna 
stossende  Haus  der  Porcari,  eine  den  Hofraum  abschhessende 
Mauer  mit  grossem  viereckigen  Eingang,  darüber  das  Wappen, 
ein  auf  einem  Netz  schreitendes  Schwein;  im  Hofe  eine  grosse 
Freitreppe  welche  zu  dem  Hauptgeschosse  führt,  dessen  Thüre 
mit  demselben  Wappen  bezeichnet  ist.  Die  Familie  gehörte 
zum  kleinen  Adel  und  findet  sich  in  der  zweiten  Hälfte  des 
zwölften  Jahrhunderts.  Stefano  Porcaro  wollte  von  den  Por- 
ciern  abstammen,  die  Inschrift  seines  Hauses  sprach  es  un- 
umwunden aus.  Unter  Martin  V.  war  er  befördert  worden  und 
hatte  in  Rom,  Bologna,  Florenz  ehrenvolle  Aemter  bekleidet. 
Er  hatte  wissenschaftliche  Bildung  genossen  und  stand  zu  ver- 
schiedenen der  Stimmführer  der  grossen  humanistischen  Be- 
wegung der  Zeit  in  freundschaftlichen  Beziehungen.  Zu  diesen 
gehörten  namentlich  Poggio  Bracciolini,  Gasparo  von  Verona, 
Ciriaco  von  Ancona,  Francesco  Filelfo,  Ambrogio  Traversan 


Stefano  Porcaro.  123 

die  uns  im  Verlauf  dieser  Geschichte  näher  treten  werden.  Un- 
ter des  Letztem  Briefen  befinden  sich  mehre  die  er  in  Papst 
Eugens  Zeit  an  Stefano  und  dessen  Bruder  Mariano  richtete, 
Briefe  welche  so  von  der  günstigen  Meinung  die  der  gelehrte  Ca- 
inaldulenser  von  Porcaris  Karakter  hegte ,  wie  von  dessen  ehren- 
YoUer  Stellung  in  Rom  und  Bologna  Zeugniss  geben.  »Was  du 
mir  von  deinem  Bruder  meldest,  schreibt  Traversari  an  Mariano 
Porcaro,  bestätigt  nur  Vieler  Urtheile  über  ihn,  in  dessen  Lob 
und  Bewunderung  Alle  sich  vereinigen.  Denn  ihm  namentlich 
verdankt  man,  dass  eine  st«ts  auf  Neuerungen  sinnende,  von 
den  leidenschaftlichsten  Fehden  bewegte  Stadt  (Bologna)  ruhig 
und  friedlich  geworden  ist,  indem  beide  Parteien  Einem  Manne 
vertrauten  und  sich  in  Einigkeit  vertrugen.«  Als  Filelfo,  durch 
seine  Stellung  in  Florenz  nicht  befriedigt,  nach  Rom  ging, 
empfahl  Fra  Ambrogio  ihn  an  Stefano  Porcaro.  »Er  ist  ein 
tüchtiger  und  gelehrter  Mann,  schrieb  er,  aber  in  eignen  An- 
gelegenheiten ist  er  schlecht  berathen.  Hier  konnte  er,  vom 
Staate  besoldet,  eine  gute  Stellung  gewinnen,  hätte  er  ver- 
standig sein  und  auf  Freundes  Rath  hören  wollen.  Nun  aber 
hat  er  sich  zum  Dnterrichtgeben  nach  der  Stadt  gewandt, 
welche  auch  nach  deinem  Urtheil  unter  allen  italischen 
Städten  am  wenigsten  dazu  geeignet  ist,  und  dies  gerade  in 
einer  Zeit  wo  es  dort  schlimmer  steht  als  irgendwo.«  Auch 
die  Interessen  seines  Ordens  empfahl  Traversari  dem  römischen 
Freunde,  der  sich  ihrer  beim  Papste  angenommen  zu  haben 
Hcheint 

Man  hätte  glauben  sollen,  diese  Richtung  Stefano  Porcaros 
und  der  Eifer  welchen  Nicolaus  V.  für  solche  Bestrebungen  an 
den  Tag  legte ,  hätten  ihn  für  den  Papst  gewinnen  sollen.  Aber 
die  Erinnerungen  an  das  Alterthum  liessen  ihn  ebensowenig  wie 
Cola  di  Rienzo  ruhen.  In  den  späteren  Zeiten  Eugens  IV. 
scheint  er  mehrundmehr  dem  Papstthum  und  Clerus  abgeneigt 
geworden  zu  sein.  Schon  ward  der  Rolle  erwähnt  die  er  bei 
Eugens  Tode  spielte.  Nach  Nicolaus*  Regierungsantritt  wurde 
Stefano  zum  Podesta  von  Anagni  und  Rector  von  Campanien 
ernannt,  fuhr  jedoch,  nach  Rom  zurückgekehrt,  in  dem  alten 
Treiben  fort.  Er  hielt  sich  fiir  Roms  Retter  bestimmt:  Pe- 
trarcas berühmte  Canzone  an  den  Ritter  auf  dem  tarpejischcn 
Felsen  erklärte  er  für  eine  sein  Kommen  verkündende  Prophe- 
zeiung.     Die   Reden    des   Mannes    mussten   Aufsehn   erregen, 


124  Die  Porcai'ische  Verschwoning. 

denn  er  ward  in  ehrenvolles  Exil  nach  Bologna  gesandt  und 
der  Aufsicht  Cardinal  Bessarions  empfohlen.  Aber  von  Bo- 
logna aus  unterhielt  er  Verbindungen  mit  Rom,  wo  er  unter 
Verwandten  und  Anderen  Vertraute  hatte  die  in  seiner  Ab- 
wesenheit arbeiteten,  Leute  warben,  Waffen  herbeischafften. 
Ein  gefährliches  Complott  wurde  organisirt.  Als  zu  Ende  1452 
die  Sache  reif  schien ,  wusste  Stefano  des  Legaten  Wachsamkeit 
zu  täuschen:  unerkannt  traf  er  zu  Neujahr  1453  in  Rom  ein. 
Am  Dreikönigenfeste  wollte  man  durch  Feueranlegen  im  vati- 
canischen  Palast  Verwirrung  erregen,  Papst  und  Cardin&le 
während  der  Messe  in  St.  Peter  überfallen  und  tödten,  sich 
der  Engelsburg  und  des  Capitols  bemächtigen,  die  Freiheit 
Roms  mit  Stefano  Porcaro  als  Tribun  prociamiren.  Gegen 
Vierhundert  sollen  für  den  Plan  gewonnen  worden  sein. 

Hätten  die  Verschwornen  sich  sogleich  ans  Werk  begeben 
können,  wer  weiss  ob  der  Mordanschlag  nicht  gelimgen  wäre. 
Der  dreitägige  Aufschub  aber  von  Stefanos  Eintreffen  in  der 
Stadt  bis  zum  Feste  rettete  den  Papst.  Bessarion  hatte  Zeit 
Porcaris  verdächtiges  Verschwinden  zu  melden ;  am  Abend  des 
4.  Januar  wurde  der  Camerlengo  Cardinal  Scarampi,  der  auch 
unter  Nicolaus  grossen  Einfluss  bewahrt  hatte,  von  dem  Com- 
plott benachrichtigt.  Er  verlor  keine  Zeit.  In  der  Nacht  be- 
waffnete er  seine  Leute,  etwa  sechzig  an  der  Zahl,  früh  Mor- 
gens ging  er  zum  Papste.  Im  Palast  hatte  man  Kunde  von 
der  Sache;  Bestürzung  und  Verwirrung  waren  allgemein.  Papst 
Nicolaus  war  nicht  der  Mann  für  eine  solche  Lage.  Der  Car- 
dinal machte  mit  Recht  geltend  hier  müsse  sogleich  eingeschrit^ 
ten  werden,  denn  jeder  Moment  komme  den  Verschwornen 
zugute.  Gegen  hundert  Mann  von  den  Palastwachen  und  der 
Besatzung  des  Castells  wurden  rasch  gerüstet  und  in  die  Stadt 
gesandt.  Etwa  fünfundzwanzig  der  Verschwörer  hatten  sich 
in  einem  Hause  verschanzt,  erlagen  aber  der  Uebermacht  Der 
Senator  Giacomo  de'  Lavagnoli  ein  veronesischer  Ritter  und 
der  Vicecamerlengo  und  Governatore  Niccolo  Amigdani  hatten 
sich  nach  Porcaris  Hause  begeben,  fanden  ihn  aber  nicht. 
St*efano  hatte  sich  zu  einer  seiner  Schwestern  geflüchtet, 
suchte ,  da  er  vernahm  dass  ein  Preis  auf  seinen  Kopf  gesetzt 
sei,  vermittelst  des  ihm  bekannten  Cardinais  Orsini  zu  ent- 
kommen, sah  sich  inbetreff  der  Gesinnung  desselben  getäuscht, 
floh  zu  einer  andern  Schwester  und  wurde  hier  aus  einer  Truhe 


Eindruck  der  Vei*schworiuig  auf  den  Papst.  Fall  Constantinopels.      125 

hervo^ezogen.  Am  13.  Januar  endete  er  in  Gegenwart  der 
Curie  und  vielen  Volkes  auf  den  Zinnen  der  Engelsburg  am 
Galgen.  Andere  der  Theilnehmer  am  Complott  traf  dasselbe 
Loos  auf  dem  Capitol.  Von  fremden  Städten  selbst  von  Ve- 
nedig wurden  Mitwisser  ausgeliefert.  In  Rom  scheinen  die 
Ansichten  über  die  ganze  Angelegenheit  verschiedener  Art  ge- 
wesen zu  sein.  »Wenn  ich  solche  Leute  reden  höre,  sagt 
unter  Hindeutung  auf  die  Tadler  des  Papstes  der  Florentiner 
I^on  Batista  Alberti  in  seinem  lateinischen  Commentar  über  die 
Porcarische  Verschwörung,  rühren  ihre  Gründe  mich  keineswegs. 
Ich  sehe  nur  zu  gut  wie  es  mit  den  italienischen  Angelegen- 
heiten steht;  ich  weiss  welche  Leute  es  sind,  durch  die  hier 
alles  in  Verwirrung  gerathen  ist.  Ich  gedenke  der  Zeiten 
Kugens  —  ich  habe  von  Papst  Bonifaz  vernommen  und  vom 
Misgeschick  vieler  Päpste  gelesen.  Einerseits  habe  ich  diesen 
nach  der  Herrschaft  Strebenden  unter  grunzenden  Schweinen 
aufsteigen  gesehn,  andrerseits  stand  mir  die  päpstliche  Majestät 
vor  Augen.  Niemals  ist  es  wol  vorgekommen,  dass  der  fried- 
liebendste der  Päpste  zum  Ergreifen  der  Waffen  genöthigt 
worden  ist« 

Die  Berichte  der  Zeitgenossen  stimmen  darin  überein  dass 
dies  Ereigniss  auf  des  Papstes  Gemüthsart  und  Stimmung  den 
nachtheiligsten  Einfluss  übte.  Er  wurde  trübselig,  mistrauisch, 
verschlossen,  unzugänglich.  Die  bald  darauf  erfolgte  Kata- 
strophe des  griechischen  Reiches  steigerte  seine  Nieder- 
geschlagenheit. Am  29.  Mai  1453  erstürmte  Mohammed  IL 
ConstantinopeL  Das  Entsetzen  welches  dies  Ereigniss,  sosehr 
man  es  voraussehn  konnte,  in  Italien,  in  Ungarn,  Teutschland, 
im  ganzen  christlichen  Westen  verbreitete,  war  unbeschreib- 
lich. Schon  glaubte  man  die  siegreichen  Ungläubigen  vor- 
vvärtsdringen  zu  sehn  wie  ehedem  die  Hunnen  und  Araber. 
Auf  allen  Seiten  entwarf  man  Pläne,  Widerstand  zu  leisten, 
nicht  nur  Hunyadi  der  für  den  jungen  Ladislav  Ungarn  ver- 
waltete, Alfons  von  Aragon,  Andere  die  sich  für  die  nächsten 
Bedrohten  hielten,  sondern  auch  der  Kaiser.  Man  klagte  ihn 
und  den  Papst  an,  für  Constantinopels  Rettung  unthätig  ge- 
wesen zu  sein.  Vier  Monate  nach  dem  Fall  der  Hauptstadt 
Hess  Nicolaus  V.  den  Kreuzzug  predigen.  Ein  anderer  Bern- 
hardin von  Siena,  Fra  Gio^^anni  da  Capistrano  durchzog  Teutsch- 
land und  die  roagyarifich-slavischen  Grenzlande.     Legationen, 


126  Nicolaus'  V.  Tod. 

FriedenscoDgresse ,    Reichstage ,    nichts    ward    gespart.     Die 
Folgezeit  wird  zeigen  wie  alles  im  Sand  verHef. 

Nicolaus  y.  ist  von  diesem  Tage  an  nicht  wieder  froh  ge- 
worden. Sein  geistiges  Leiden  wirkte  auf  seine  Gesundheit 
ein.  Seine  Kräfte  begannen  zu  sinken.  Er  klagte  gegen  zwei 
florentinische  Karthäuser  die  er  zu  sich  beschieden  hatte  und 
die  ihn  nicht  mehr  verliessen,  niemand  sage  ihm  die  Wahrheit 
»Fürchtete  ich  nicht  der  Welt  ein  Aergerniss  zu  geben,  setzte 
er  hinzu,  ich  legte  meine  Würde  nieder  und  würde  wieder 
Thomas  von  Sarzana.  Unter  diesem  bescheidenen  Namen  hatte 
ich  an  einem  Tage  mehr  Freude  als  jetzt  in  einem  Jahre.« 
Auch  in  seinen  Letztwillensbestimmungen  spricht  sich  seine 
trübe  Stimmung  aus.  Indem  er  der  durch  ihn  gemehrten  Be- 
festigungen der  Stadt  erwähnte  die  er  zu  vollenden  empfahl, 
bemerkte  er  wie  die  Päpste  seit  sechs  Jahrhunderten  nicht  so 
vielen  Gefahren  und  Verfolgungen  blosgestellt  gewesen  sein 
würden,  hätten  sie  sich  gegen  Angriffe  von  aussen,  gegen 
Neuerungsucht  im  Innern  besser  gesichert.  In  Nicolaus'  letzten 
Zeiten  nahm  nicht  nur  die  Unzufriedenheit  in  Rom,  wo  For- 
caris  Ideen  mehr  Theilnehmer  zählten  als  man  anfangs  ver- 
muthet  zu  haben  scheint,  in  bedenkUchem  Maasse  zu.  Es 
entstanden  auch  Unruhen  im  Patrimonium  und  im  anstossendeu 
Tlieile  Umbriens,  infolge  eines  Streites  zwischen  den  Städten 
Spoleto  und  Norcia,  in  welchen  sich  der  Graf  von  Anguillara 
mischte.  Die  endhche  definitive  Bestätigung  des  Friedens  von 
Lodi  war  die  letzte  erfreuliche  Kunde  welche  Nicolaus  V.  er- 
hielt £r  starb  in  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  März  1455.  Das 
Monument  welches  ihm  in  der  Peterskirche  errichtet  wurde, 
ist  mit  beinahe  allen  anderen  der  constantinischen  Basilika  in 
die  vaticanischen  Grotten  gewandert. 


10. 

CALIXTUS  in.  UND   PIHS  H. 


Am  4.  April  1455  nahm  das  Conclave  seinen  Anfang.  Drei 
Candidaten  von  drei  verschiedenen  Nationen  hatten  Stinunen 
unter  den  fünfzehn  Cardinälen ,  alle  drei  Männer  von  Verdienst 
und  Erfahrung,  Domenico  Capranica,  Guillaume  d'Estouteville, 


Calixtus  III.  127 

Bessarion.  Ein  vierter,  einer  vierten  Nation  angehörend,  ver- 
einigte die  Stimmen,  Alfonso  Borgia  Cardinal  von  Santi  Quattro, 
nach  Damasus  I.  und  Johannes  XXI.  der  dritte  von  der  iberi- 
schen Halbinsel  stammende  Papst.  Er  war  aus  edlem  Geschlecht 
und  zu  Xativa  in  Valencia  am  letzten  Tage  des  Jahres  1378  ge- 
boren. Ein  Mann  von  wissenschaftlicher  überwiegend  juristi- 
scher Bildung,  zuerst  vom  Gegenpapst  Benedict  XIU.  befördert, 
bei  der  Herstellung  der  Kircheneinheit  in  seinem  Heimatlande 
thätig,  von  Eugen IV.  zum  Cardinalat  erhoben,  des  Königs  Alfons 
vornehmster  Rath  als  dieser  das  Königreich  Neapel  nach  langen 
Unruhen  und  Kriegen  durch  eine  weise  Verwaltung  zu  Frieden 
und  Wohlstand  zurückführte.  Statt  eines  Humanisten  sass  nun 
ein  Rechtsgelehrter  auf  Petri  Stuhl.  Er  war,  wie  seine  Zeit- 
genossen ihn  schildern ,  verstandig  und  thätig ;  sein  Nachfolger 
nennt  ihn  in  seiner  Lebensweise  enthaltsam ,  wortkarg,  zugang- 
lich 80  weit  sein  hohes  Alter  es  erlaubte.  Seine  Erhebung 
scheint  doch  Besorgnisse  geweckt  zu  haben,  welche  die  nach- 
malige Geschichte  der  Borgia  nur  zu  sehr  bestätigte.  Als 
vom  beendigten  Conclave  heimkehrend  Domenico  Capranica 
von  einem  Manne  um  eine  milde  Gabe  angesprochen  ward  mit 
dem  Zusatz,  er  sei  eben  den  Händen  der  Catalanen  entronnen, 
erwiederte  der  Cardinal:  dann  könnt  ihr  vielmehr  uns  Almosen 
geben,  denn  wir  sind  ihnen  heute  in  die  Hände  gefallen. 

Rom  ward  zum  Kampfplatz  am  Tage  des  Regierungsantritts 
Papst  Calixtus*  HI.  Dei^  Graf  Everso  von  Anguillara  und  Na- 
poleone  Orsini  welche ,  beide  von  demselben  Stamm  aber  lange 
durch  Interessen  geschieden ,  wegen  des  Besitzes  der  Grafschaft 
Tagliacozzo  miteinander  haderten,  schlugen  sich  auf  Campo  di 
fiore;  vor  des  Papstes  Augen  wäre  es  beim  Lateran  zum  Blut- 
vergiessen  gekommen,  hätte  nicht  Cardinal  Pietro  Barbo,  schon 
im  Patrimonium  Friedensstifter,  Waffenruhe  vermittelt.  Noch 
nach  einem  Jahre  musste  der  Papst  diese  Waffenruhe  auf  sechs 
Monate  verlängern,  wie  er  im  Januar  1457  zwischen  Colonna 
und  Conti  auf  zwei  Jahre  Frieden  schloss.  Die  Regierung  Ca- 
lixtus' ni.  entsprach  sonst  glücklicherweise  diesem  bedenkhchen 
Anfange  nicht.  Denn  wenn  auch  der  Hader  unter  den  Baronen 
nie  ganz  endete,  so  wurde  doch  die  Stadt  weniger  davon  be- 
rührt Mehr  machten  dem  Papste  die  Angelegenheiten  Italiens 
zu  schaffen.  König  Alfons  hörte  nicht  auf,  einerseits  die  Re- 
publik Genua,   andrerseits   den  Herrn   von  Rimini  Sigismondo 


128  Tfirkciiki'iege.     Tod  König  Alfons*  von  Aragon. 

MalateBta  zu  bedrängen,  eine  Politik  welche  nicht  nur  dieRo- 
magna  in  neue  Unruhe  versetzte,  sondern  auch  die  anjouschen 
Pläne  wiederbelebte  und  wiederholte  Einmischung  Frankreichs 
veranlasste,  das  den  genuesischen  Boden  nur  zu  gut  kannte. 
Am  verderblichsten  aber  wurde  diese  Politik,  welche  zu  den 
von  dem  Könige  mehrfach  an  den  Tag  gelegten  Eigenschaften 
und  zu  den  Lobeserhebungen  seiner  Bewunderer  schlecht  passt, 
den  päpstlichen  Bestrebungen  die  Christenheit  zum  Kampfe 
wider  den  Halbmond  zu  vereinigen.  Hierin  lag  der  Schwer- 
punkt von  Caüxtus'  III.  Regierung.  Aber  einzelne  Erfolge,  wie 
der  Sieg  der  Ungarn  bei  Belgrad,  welcher  dem  Glaubensmuth 
des  Elreuzpredigers  Giovanni  da  Capistrano  ebenso  beizumessen 
ist  wie  der  Tapferkeit  Hunyadis,  und  Cardinal  Scarampis  glück- 
liche Expedition  mit  den  päpstlichen  Galeeren  nach  dem  Ar- 
chipel verschwanden  vor  den  Folgen  des  Ablehnens  Frankreichs 
und  Venedigs«  wie  des  Unfriedens  zwischen  dem  Kaiser  und 
Ungarn  und  der  nicht  endenden  italienischen  Zerwürfhisse.  "Wie 
in  späteren  Zeiten  PiusV.,  hat  in  diesen  Tagen  des  bedrohli- 
chen Anwachsens  der  türkischen  Macht  Calixtus  UL  die  Ehre 
der  grössten  Thätigkeit  für  das  Wohl  der  Christenheit  er- 
langt, und  die  Namen  des  beredten  Capistrano  wie  der  Car- 
dtuäle  Carvajal  und  Scarampi  glänzen  hell  in  der  Geschichte 
dieser  Kämpfe,  in  denen  grosse  Könige  so  oft  grosse  I^uheit 
an  den  Tag  legten  wenn  sie  nicht  schlimmeres  thaten.  Die 
gehobene  Feier  des  Transfigurationsfestes  und  der  englische 
Gruss  der  Tagesmitte  wurden  in  jener  Zeit  eingeführt. 

Zwei  Pontificate  waren  ohne  Nepotismus  vorübergegangen. 
Calixtus  in.  befolgte  jedoch  dies  löbliche  Beispiel  nicht  Dass 
er  zwei  Schwestersöhne  zu  Cardinälen  machte  würde  keinem 
Tadel  Raum  geben,  wäre  nicht  Rodrigo  LenzoU  Borgia  einer 
der  Beiden  gewesen.  Rodrigos  Bruder  Pedro  Luis,  dessen  Le- 
bensweise der  nachmaligen  schlimmen  Bedeutung  des  Familien- 
namens entsprochen  zu  haben  scheint,  erhielt  den  Titel  eines 
Herzogs  von  Spoleto ,  die  unter  Eugen  IV.  an  die  Orsinen  ge- 
kommene römische  Präfectur,  die  Würde  eines  Gonfaloniere 
der  Kirche,  die  Castellanei  der  Engelsbui^.  Dies  war  dem 
römischen  Baronaladel  zu  viel  und  der  alte  Unfiriede  brach 
nochmals  aus.  Da  starb  am  27.  Juni  1458  König  Alfons.  Ohne 
rechtmässige  Kinder  hatte  er  in  seinen  spanischen  Reichen  und 
in  Sicilien  seinen  Bruder  Don  Juan  zum  Nachfolger,  während 


Calixtus*  m.  Tod.  129 

er  die  von  ihm  selber  zugebrachte  Krone  Neapel  seinem  legi- 
tifflirten  Sohne  Ferrante  Hess.  Der  Papst  beschloss  die  von 
ihm  getroffene  Verfügung  nicht  anzuerkennen.  Sei  es  dass 
Calixtus  wirklich  hoffte  den  Süden  Italiens  mit  dem  Kirchen- 
staat zu  vereinigen,  sei  es  dass  er,  wie  man  ihm  vorgeworfen 
hat,  die  Absicht  hegte  seinem  Neffen,  dem  er  auch  das  Herzog- 
thum  Benevent  und  die  Grafschaft  Terracina  verheben  hatte, 
die  neapolitanische  Krone  zu  verschaffen:  genug,  er  verweigerte 
Ferrante  die  Belehnung.  Seine  Bemühungen  den  Herzog  von 
Mailand  wider  diesen  ins  Bdndniss  zu  ziehn  schlugen  fehl, 
aber  ein  neuer  Kampf  stand  bevor,  als  der  Papst  .am  6.  August 
nach  mehrwöchentlicher  Krankheit  starb.  Schon  bevor  er  ver- 
schied, war  die  Spannung  so  gross  dass  die  Cardinäle  Vorsichts- 
maassregeln  trafen.  Die  Engelsburg  hatte  catalanische  Be- 
satzung: diese  wurde  mit  Geld  abgefunden.  Kaum  war  CaUxtus 
todt,  so  tumultuirte  das  Volk  gegen  seine  Landsleute  und  Günst- 
linge, von  denen  mehre  verhaftet,  andere  getödtet  wurden.  Die 
Orsini  setzten  dem  Borgia  dermaassen  zu,  dass  er' nach  Civita- 
vecchia  floh  wo  er  nicht  lange  darauf  starb.  Es  war  wie  der 
vorwärtsgeworfene  Schatten  künftiger  Ereignisse  nach  einem 
zweiten  spanischen  Pontificat. 

Unter  solchen  Umstanden  begann  das  Wahlgeschäft.  Acht- 
zehn Mitgheder  des  h.  Collegiums  waren  in  Rom  anwesend; 
Domenicö  Capranica  war  unmittelbar  nach  dem  Papste  gestor- 
ben. Die  Wahlcapitulation  Eugens  IV.  welche  unter  Calixtus 
wenig  gefruchtet  hatte,  wurde  bestätigt  und  durch  die  Zusage 
eines  regelmässigen  Einkommens  für  die  Mitglieder  des  h.  Col- 
legiums und  die  Verpflichtung  zum  Türkenkriege  ergänzt. 
Prosper  Colonna  und  d'Estouteville  hatten  Aussicht,  aber  am 
dritten  Tage,  den  19.  August,  fiel  die  Wahl  auf  den  Cardinal 
von  Sta  Sabina  Enea  Silvio  Piccolomini. 

In  einer  Entfernung  von  drei  Millien  von  dem  Marktflecken 
San  Quirico  zur  Linken  der  von  Siena  nach  Rom  fuhrenden 
Strasse  bUckt  von  einem  nach  Südost  steil  abfallenden  Tuf- 
steinhügel,  welcher  einen  Ausläufer  der  das  Thal  der  Orcia 
ron  dem  der  Chiana  scheidenden  Höhen  bildet,  ein  Städtchen 
mit  ragenden  Bauten  auf  ein  an  den  Spuren  manchfacher  Natur- 
erscheinungen wie  an  historischen  Erinnerungen  reiches  Land 
lierab.  Hier  lag  einst  ein  Castell  Namens  Corsignano,  in  und 
bei  welchem   die  Abtei  von  S.  Salvatore   am  Mont'  Amiata  im 

V.  K«ttaeat,  Korn.   III.  9 


130  Corsignaiio  *  Pienza  luid  die  Piccoloinini. 

eilften  Jahrhundert  Landbesitz  hatte.  In  der  vormaligen  in 
geringer  Entfernung  von  den  Mauern  gelegenen,  heute  in  ein 
Oratorium  umgewandelten  Pfarrkirche ,  deren  Bauart  und  Bild- 
werke auf  das  genannte  Jahrhundert  hinweisen ,  besagt  die  In- 
schrift des  Baptisteriums  dass  hier  zwei  Päpste,  Pius  mit 
Namen,  Ohm  und  Neffe  die  Taufe  erhielten.  Auf  einem  bei 
Corsignano  gelegenen  Landhause  wurde  am  18.  October  1405 
dem  sienesischen  Edelmann  Silvio  Piccolomini  von  seiner  Ehe- 
frau Vittoria  Forteguerri  ein  Sohn  geboren,  der  nach  seinem 
Grossvater  Enea  Silvio  genannt  ward.  Als  Dieser  zur  höchsten 
Würde  der  Christenheit  emporstieg,  gedachte  er  des  Ortes,  wo 
er  das  Licht  der  Welt  erblickt  hatte,  mit  jener  warmen  Hei- 
matsliebe die  einen  Hauptzug  seines  Karakters  bildet  Schon 
als  Cardinal  hatte  er  sich  bei  der  Signorie  von  Siena  um  Be- 
willigungen zu  Gunsten  der  Bewohner  Corsignanos  verwandt: 
nun  beschloss  er  aus  dem  unansehnlichen  Castell  eine  Stadt 
zu  machen,  die  er  nach  seinem  Namen  benannte  und  am 
13.  August  1462  zu  einem  Bisthum  erhob.  Wer  heute  das 
stille  Pienza  besucht  und  sich  von  Bauten  umgeben  sieht,  die 
zu  der  nicht  über  Eilf  hundert  betragenden  Einwohnerzahl  in 
keinem  Verhältniss  stehn,  wird  durch  Dom,  Wohnungen,  Brun- 
nen, Inschriften,  Ringmauer,  vor  allem  durch  den  grossartigen 
Palast  der  Piccolomini,  von  dessen  Hofarcaden  der  Blick  nach 
der  Basaltkuppe  des  Mont*  Amiata  und  dem  steilen  Radicofani 
schweift,  bei  jedem  Schritt  an  Papst  Pius  IL  erinnert,  welchem 
alles  dies  seinen  Ursprung  verdankt. 

Die  Piccolomini,  angeblich  römischer  Herkunft,  gehorten 
zu  den  edelsten  und  zahlreichsten  Geschlechtem  Sienas.  Hit 
den  Tolomei,  Saracini,  Salimbeni  und  Malevolti  bildeten  die 
Piccolomini  jene  Fünfzahl  von  Familien,  die  zugleich  Lehne  in 
der  Landschaft  und  bis  zum  entschiedenen  Siege  der  Demo- 
kratie einen  Antheil  ja  einen  gewissen  Vorrang  an  und  in  der 
Verwaltung  besassen.  Die  vielen  Umwälzungen  dieser  ruhe- 
losesten der  toscanischen  Freistadte  und  die  Herabdrückung 
des  Adels  wie  des  reichen  Bürgerstandes  zu  Gunsten  der  klei- 
nem Mittelklasse  hatten  so  die  Piccolomini  wie  die  Forteguerri 
betroffen,  und  um  die  Zeit  von  Enea  Silvios  Geburt  scheint 
das  Eigenthum  seiner  Eltern  auf  die  Villa  zu  Corsignano  be- 
schränkt gewesen  zu  sein.  Die  ungünstigen  Umstände  wurden 
durch  die  grosse  Zahl  der  Kinder  nicht  verbessert,  doch  könnt«; 


Enea  Silvio  Piccoloiniiiis  Jugend.  131 

Silvio  im  Jahre  1421   seinen  Besitz  durch  Ankauf  von  Lände- 
reien eines  benachbarten  Benedictinerklosters  vergrössern. 

Enea  Silvio  verbrachte  seine  Jugend  meist  im  Hause  von 
Verwandten  in  Siena,  wo  ihm  freilich  die  Hochschule  be- 
schränkte Hülfsmittel  bot.  Sein  Fachstudium  war  das  des 
Rechts,  grössere  Anziehungskraft  jedoch  übte  das  der  classi- 
sehen  Literatur  auf  ihn  aus,  welchem  er  namentlich  in  Florenz 
zwei  Jahre  lang  unter  Francesco  Filelfo  oblag,  der  seinem  laugen 
Aufenthalt  in  Constantinopel  eine  Vertrautheit  mit  griechischer 
Sprache  und  Literatur  verdankte  wie  kein  Itahener  jener  Zeit 
sie  besass.  £r  hatte  sich  bereits  in  manchem  versucht  und  war 
siebenundzwanzig  Jahre  alt,  als  Cardinal  Capranica  auf  dem 
Wege  zum  baseler  Concil  durch  Siena  kam  und  ilm  zu  seinem 
Geheimschreiber  erkor.  Bei  seinem  Eintritt  in  das  grössere 
und  geschäftUche  Leben  fand  Enea  Silvio  sich  solcherart  im 
Kreise  der  Gegner  nicht  des  Papstthums  sondern  des  Papstes, 
ein  Umstand  und  ein  Unterschied,  die  auf  seine  ganze  nach- 
malige Entwicklung  und  Stellung  einen  Einfluss  geübt  haben 
den  man  nicht  gering  anschlagen  darf.  Als  Capranica  sich 
zwei  Jahre  später  mit  Eugen  IV.  versöhnte,  war  Enea  Silvio 
nicht  mehr  in  seinem  Dienste,  sondern  in  dem  des  Bischofs 
von  Freising  Nicodemo  della  Scala,  dann  in  jenem  des  Bischofs 
von  Novara  Bartolommeo  Aicardi  der  sich  in  Florenz  in  eine 
sehr  verdächtige  Intrigue  gegen  den  Papst  einUess.  Endlich 
im  Jahre  1435  gelangte  er  zu  einem  bessern  Herrn,  Niccolo 
Albergati,  wo  er  somit  Tommaso  da  Sarzana  zum  Genossen 
hatte.  Mit  Albergati  ging  er  durch  die  Rheinlande  zum  Friedens- 
congress  nach  Arras  und  wurde  von  ihm  nach  Schottland  zu 
Jakob  I.  Stuart  gesandt,  eine  nicht  gefahrlose  Mission,  so 
wegen  des  Unwetters  zur  See  wie  der  Erbitterung  halber, 
welche  der  Abfall  des  Herzogs  von  Burgund  von  dem  eng- 
lischen Bündniss  in  England  wider  den  firiedenvermittehiden 
Cardinal  geweckt  hatte.  In  Schottland  war  es  wo  Enea  Silvio 
durch  die  Erfüllung  eines  Gelübdes,  einen  Pilgergang  längs 
der  eisstarrenden  Küste,  sich  das  gichtisehe  Leiden  zuzog,  das 
ihn  nicht  wieder  verUess.  Die  Wirren  des  Concils,  welche 
namentlich  die  Angelegenheit  der  Wahl  eines  Ortes  zur  Ver- 
handlung der  Griechen -Union  zur  leidenschaftlichsten  Heftig- 
keit steigerte,  zogen  auch  Piccolomini  in  ihren  Strudel  hinein. 
Lange  in  ganz  untergeordneter  Stellung  und  unbeachtet  machte 

9* 


132  Enea  Silvios  Stellung  auf  dem  baseler  Concil. 

er  sich  durch  Talente  und  Gewandtheit,  namentlich  durch  seine 
Rednergabe  immer  mehr  bemerkUch,  gerieth  aber  in  gleichem 
Maasse  in  das  Parteitreiben  von  welchem  eine  fortgesetzte 
Thätigkeit  auf  der  baseler  Versammlung  nicht  mehr  zu  trennen 
war.  So  geschah  es  dass,  als  es  zum  Aeussersten  kam,  zur 
Suspension,  dann  zur  Absetzung  Eugens  IV. ,  endlich  zur  Wahl 
des  Gegenpapstes,  als  die  Cardinäle  mit  Ausnahme  Alemans 
und  die  Anhänger  der  Legatenpartei  Basel  verlassen  hatten, 
Enea  Silvio  blieb ,  selbständig  wenngleich  nicht  in  hervorragen- 
der Stellung  sich  an  dem  Vorgehen  betheiligte,  als*  Mitglied 
der  Gesandtschaft  des  Patriarchen  von  Aquileja  nach  Teutsch- 
land im  Jahre  1438,  wie  jener  welche  ein  Jahr  darauf  dem 
Herzog  Amadeus  von  Savoyen  in  Ripaille  die  Pseudo -Tiara 
anbieten  ging.  Sein  neues  Amt  als  Geheimschreiber  bei  der 
Curie  Felix'  V.  machte  ihm  bald  klar,  wie  das  Concil  durch 
die  Maasslosigkeit,  womit  es  die  Verfechtung  erst  seiner  Rechte 
dann  seiner  Ansprüche  bis  zum  Schisma  getrieben,  seine  eigne 
Autorität  untergraben  hatte. 

Die  spätere  Lebensgeschichte  Enea  Silvios  ist  mit  der  Ge- 
schichte der  teutschen  Kirche  und  ihres  Verhältnisses  zum 
Papstthum  aufs  innigste  verwachsen.  Von  seinen  eignen  Zeit- 
genossen an  bis  auf  unsere  Tage  hat  es  an  mehr  oder  minder  hefti- 
gen Anklagen  gegen  ihn  nicht  gefehlt.  Ein  Parteiwechsel,  unter 
welchen  Umständen  er  immer  vor  sich  gehe,  weckt  stets  üble 
Nachrede,  und  ein  Mann  der  so  viel  geschrieben  und  sich  über 
persönliche  Stimmungen  und  Erlebnisse  so  rückhaltlos  ausge- 
sprochen hat  wie  Enea  Silvio,  musste  Denen  manche  Blosse 
bieten  die  ihm  jedes  Wort,  selbst  in  vertrautesten  Briefen,  an- 
gerechnet haben  um  daraus  ein  Sündenregister  zusammenzu- 
setzen. Enea  Silvio  war  kein  reiner  und  ganzer  Karakter. 
Schon  die  unendliche  Versatilität  seines  Geistes  musste  ihn  in 
Gefahr  bringen,  wäre  er  selbst,  arm  und  ehrgeizig  und  seines 
Talents  sich  bewusst,  nicht  in  einen  Strudel  gerathen  der  auch 
Stärkere  fortriss.  Sein  nachmaliges  offnes  Geständniss,  was 
man  auch  dagegen  sagen  mag,  ist  ehrlich  gemeint.  Es  waren 
nicht  etwa  blos  persönliche  Gründe,  die  ihn  im  Jahre  1442 
bewogen  seine  Stellung  bei  Felix  V.  aufzugeben  und  die  ihm 
angebotene  in  der  Reichskanzlei  anzunehmen.  Augenblicklich 
gewann  er  wahrlich  nicht  dabei,  und,  wie  später  der  Gegen- 
papst   selbst   und    Andere,    hätte    er    sich    immer    mit    Rom 


Enea  Silvio  und  die  kirchlichen  Angelegenheiten  Teutschlands.        133 

vertragen,  seinen  Vortheil  wahren  können.  Die  Rolle  die  dieser 
Gegenpapst  spielte,  musste  ihn  vonvornherein  überzeugen  dass 
das  ganze  Werk  ein  verfehltes  war.  Die  teutschen  Zustande 
mussten  ihn  in  dieser  Ueberzeugung  bestarken.  Man  mag  in- 
betreff  der  Tragweite  der  Verständigung  zwischen  Teutschland 
und  Eugen  IV.  von  1446  —  1447  wie  der  Folgen  derselben  für 
die  teutsche  Kirche  verschiedener  Meinung  sein  —  man  mag 
an  den  zur  Herbeiführung  dieser  Verständigung  angewandten 
Mitteln  vieles  zu  tadeln  finden.  Aber  die  teutsche  Neutralität 
wäre  an  sich  schon  ein  Beharren  auf  dem  in  Basel  eingeschla- 
genen falschen  Wege  gewesen,  hätte  selbst  das  Verhalten  ein- 
zelner Churfürsten,  die  sich,  wie  die  Erzbischöfe  von  Cöln  und 
Trier,  dem  Gegenpapst  anschlössen,  nicht  mit  Anarchie  ge- 
droht. Weder  der  Churfürstenbund  von  1446,  noch  Verfahren 
und  Reden  der  Partei,  deren  Wortführer  der  talentvolle  aber 
Yöllig  maasslose  nürnberger  Rechtsgelehrte  Gregor  von  Heim- 
burg war,  würden  zu  etwas  anderm  als  zur  Verlängerung  des 
verderbhchen  und  mit  jedem  Tage  rechtloser  werdenden  Schis- 
mas gefuhrt  haben. 

Die  Lage  der  Dinge  müsste  Enea  Silvio  klar  geworden 
sein  als  er  mit  dem  päpstlichen  Nuntius  Tommaso  da  Sarzana 
im  Jahre  1445  als  Gesandter  König  Friedrichs  in  Rom  war. 
Bei  jener  Verständigung  von  1446,  welche  bei  der  Curie  noch 
auf  so  grosse  Hindernisse  stiess  da  man  hier  die  den  Teutschen 
gemachten  Zugeständnisse  für  zu  weitgehend  erachtete,  deren 
Abschluss  nebst  der  neuen  teutschen  Obedienzleistung  aber 
kurz  vor  Eugens  IV.  Tode  erfolgte,  ist  Enea  Silvio  ebenso 
betheiligt  gewesen  wie  Carvajal,  Tommaso  da  Sarzana  und 
Cusa.  Auch  an  der  fernem  Entwicklung  der  kirchliehen  An- 
gelegenheiten Teutschlands  unter  Nicolaus  V. ,  an  dem  Convent 
von  Aschaffenburg  vom  Sommer  1447  und  dem  wiener  Con- 
cordat  des  folgenden  Jahres,  wodurch  der  Curie  im  Wider- 
spruch mit  eben  erlangten  Zugeständnissen  so  auf  Wahlen  wie 
auf  Einkünfte  ein  EinÜuss  gewährt  wurde  der  später  keine 
guten  Früchte  getragen  hat,  endlich  an  der  Behandlung  der 
nicht  glucklichen  Beziehungen  des  Reiches  zu  Böhmen  und 
Ungarn  hat  er  mehr  oder  weniger  bestimmenden  Antheil  ge- 
habt, nicht  minder  an  den  politischeu  Angelegenheiten  Italiens. 
Nicolaus  V.  hatte  ihn  im  Frühling  1447  zum  Bischof  von  Triest 
ernannt,   im  Herbste   1449    ihn  nach  seiner  Vaterstadt  Siena 


134  Enca  Silvio  in  seine«  Schwächen  und  Tugenden. 

versetzt  wo  er  im  Februar  1452  dem  zur  Kaiserkrönung  ziehenden 
Könige  Friedrich  seine  Braut  Eleonore  von  Portugal  zuführte. 
Aber  erst  Calixtus  III.  ertheilte  ihm,  nachdem  er  die  seit  Con- 
stantinopels  Fall  immer  dringender  gewordene  Kreuzzugsange- 
legenheit  auf  den  teutschen  Reichstagen  und  in  Neapel  uner- 
müdet  verfochten,  am  18.  December  1456  den  rothen  Hut  Ale 
Protector  von  Teutschland  und  Ungarn  bei  der  Curie  hat  er 
während  der  noch  übrigen  Regierungszeit  Calixtus*  III.  durch 
sein  Verhalten  in  den  kirchlichen  Angelegenheiten  des  Reiches 
nicht  an  den  Tag  gelegt,  dass  seine  genaue  Kenntniss  der 
dortigen  Zustande  ihn  zu  maassgebender  Berücksichtigung  der 
wiederholt  vorgebrachten  Beschwerden  der  Nation  aufgefordert 
hätte.  Der  gewohnte  Mangel  an  Einigkeit  und  Bestand  unter 
den  Reichsständen  musste  freilich  allen  Bemühungen,  der 
Wiederholung  alter  Eingriffe  ein  Ziel  zu  setzen,  das  Einschlep- 
pen neuer  Misbräuche  zu  hindern ,  vonvornherein  jede  Aussicht 
auf  Erfolg  nehmen. 

So  war  der  Mann  welcher  im  Alter  von  dreiundfunfzig 
Jahren  den  Stuhl  Petri  bestieg.  Längst  war  seine  Gesundheit 
zerrüttet:  schon  zehn  Jahre  früher  hatte  er  sich  einen  Greis 
genannt.  Aber  in  dem  schwächlichen  Körper  waren  Lebendig- 
keit des  Geistes  und  Thatkraft  nicht  erloschen ,  sondern  grossen 
und  würdigen  Zielen  zugewandt.  Enea  Silvio  hatte  ein  viel- 
bewegtes Leben  geführt.  Er  war  den  Verlockungen  der  Sinne 
nicht  ferne  geblieben,  und  hat  es  bekannt  wie  seine  eignen 
Schriften  jugendlicher  Jahre  wider  ihn  gezeugt  haben.  Aber 
der  ungewöhnliche  Umfang  seiner  Kenntnisse,  der  Unterricht 
welchen  er  schon  vor  seinem  fünfundzwanzigsten  Jahre  und 
bevor  er  sich  irgendeine  Stellung  gemacht  hatte,  anderen  Jüng- 
lingen im  bürgerlichen  Recht  ertheilte,  die  grosse  Zahl  von 
Werken  aller  Art  die  er  von  seiner  Jugend  an  verfasst  hat 
und  von  denen  manche  nach  Jahrhunderten  bedeutenden  Werth 
bewahren,  nachdem  die  einst  hochgepriesene  Zierlichkeit  der 
Form  seiner  Reden  und  literarischen  Arbeiten  für  uns  ihren 
Reiz  verloren  hat,  die  ausserordentliche  Thätigkeit  seines  Ge- 
schäftslebens, so  unter  geistlichen  wie  unter  weltlichen  Gebietern, 
die  vielen  Reisen  die  ihn  durch  den  grössern  Theil  Europas 
führten,  alles  dies  legt  deutUch  genug  an  den  Tag,  wie  wenig 
solche  Verlockungen  über  ihn  vermogten  und  wie  immer  wieder 
seine  besseren  Regungen  siegten.    Der  Mann  der  das  Leben  in 


Piu8  n.  .  135 

allen  seinen  Formen  kennen  gelernt  und  einen  Schatz  von  Er- 
fahrungen gesammelt  hatte,  wie  keiner  seiner  Zeitgenossen  sich 
eines  ähnlichen  mit  solcher  Vielseitigkeit  des  Wissens  verbun- 
den rühmen  konnte,  ein  reicher  feiner  Geist  und  ein  Gelehrter, 
Weltmann  und  Diplomat,  an  allen  Fürstenhöfen  bekannt,  in 
alle  grossen  Angelegenheiten  seiner  Zeit  meist  als  einflussreicher 
Theilnehmer  eingeweiht,  war  eben  durch  seine  reiche  Erfah- 
rung, durch  die  Lehren  eines  vielbewegten  Lebens  auf  das 
Fundament  aller  irdischen  Dinge  hingewiesen  worden.  Er 
hatte  die  Pflichten  der  Herrscher  wie  die  Stützen  der  Herr- 
schaft kennen  gelernt,  bevor  er  zum  Herrschen  berufen  zu 
werden  erwarten  konnte.  »Die  göttliche  Gabe  des  rechten 
Regierens,  sprach  er  beim  Tode  eines  Dogen  von  Venedig, 
erlernt  nan  nicht  von  den  Philosophen:  sie  ist  nur  aus  jenen 
Tiefen  der  Seele  zu  schöpfen  in  die  man  nicht  ohne  Gott 
hinabsteigt.  Sie  beruht  auf  der  Gerechtigkeit  und  Klugheit 
die  einander  gegenseitig  mässigend  ergänzen.  Nicht  Gesetze 
und  Verträge  reichen  zur  Begründung  eines  treffhchen  Staates 
aus ,  wenn  nicht  die  weise  Leitung  und  das  Beispiel  eines  guten 
Fürsten  die  Wackern  kräftigt,  die  Schlimmen  entmuthigt.« 

Die  Wahl  Enea  Silvios,  der  den  Namen  Pius  annahm, 
wurde  vom  Volk  mit  Jubel  aufgenommen.  Es  ging  nicht  ohne 
Unordnungen  2u ,  denn  die  zügellose  Menge  plünderte  nicht  nur 
wie  gewöhnlich  die  Wohnung  des  Gewählten,  wobei  sie,  da 
wenig  Kostbarkeiten  vorhanden  waren ,  die  Bücher  und  antiken 
Monumente  wegschleppte.  Auch  die  Häuser  anderer  Cardinäle 
liefen  Gefahr.  Die  schlimme  Catalanenwirthschaft  in  Calixtus' 
letzten  Zeiten  hatte  so  traurige  Eindrücke  hinterlassen,  dass 
man  den  neuen  Herrscher  um  so  freudiger  bewillkommnete. 
Als  die  Nacht  anbrach,  waren  alle  Häuser  erleuchtet,  von 
allen  Thürmen  glänzten  weithin  die  Lichter.  In  den  Strassen 
vernahm  man  den  Jubelruf  Siena!  Siena!  und  das  Schmettern 
von  Hörnern  und  Trompeten.  Am  folgenden  Abende  ritt  der 
ganze  städtische  Adel,  Fackeln  in  der  Hand,  zum  Palast,  den 
Papst  zu  beglückwünschen.  V^om  Castell  bis  St.  Peter  füllte  der 
feierliche  Zug  den  Borgo.  Am  3.  September  1458  fand  durch 
den  Cardinal  Colonna  die  Krönung  statt,  dann  erfolgte  die  Be- 
sitznahme des  Lateran.  Auf  dem  Platz  vor  der  BasiUka  gab*s 
wilden  Lärm,  denn  das  Volk  welches  den  Zelter  des  Papstes 
nach  alter  Sitte  als  sein  Eigenthum  in  Anspruch  nahm ,  gerieth 


136  Pius  n.  und  Siena. 

bevor  Pius  die  Ejrche  erreicht  hatte  in  so  wüsten  Hader,  dass 
ein  Handgemenge  entstand  und  er  mit  Mühe  der  von  den  ge- 
zogenen Schwertern  drohenden  Gefahr  entging.  Ein  Festmal 
vereinigte  die  Cardinäle,  Gesandten  und  Barone;  es  war  Nacht 
als  der  Papst  nach  dem  Vatican  zurückkehrte. 

ZahLreiche  Gesandtschaften  trafen  in  Rom  ein.  Von  grossem 
Glänze  war  die  von  Siena.  Die  Stadt,  welche  die  Interessen 
der  Aristokratie  und  mit  den  Uebrigen  die  der  Piccolomiid  so 
schlimm  verletzt,  mit  Enea  Silvio  als  Bischof  und  Cardinal 
wiederholt  gehädert  hatte,  that  alles  sich  mit  dem  Papste  gut 
zu  stellen.  Die  Freude  über  seine  Wahl,  wie  sie  sicli  beim 
Volke  aussprach,  war  aufrichtig  imd  Pius  H.  hat  diese  An- 
hänglichkeit verdient.  Neben  dem  Namen  der  h.  Caterina, 
deren  Andenken  er  mit  dem  seinigen  imauflöslich  verbunden 
hat,  giebt  es  heute  in  Siena  keinen  so  populären  wie  Enea 
Silvio;  und  wenn  erst  vier  Jahrhunderte  nach  seiner  Erhebung 
die  Stadt  ihrem  berühmten  Sohne  ein  marmornes  Denkmal, 
das  Werk  eines  ausgezeichneten  einheimischen  Künstlers,  er- 
richtete, so  hatte  eine  andere  Kunst  ihn  dort  längst  geehrt, 
hatte  er  selber  sich  unvergängliche  Monumente  gesetzt  Bei 
seinem  Regierungsantritt  hatte  die  Stadt  inmitten  der  freudigen 
Feste,  durch  welche  sie  denselben  feierte,  zu  Gunsten  der 
Piccolomini  eine  Ausnahme  von  dem  Beschluss  der  Unzulässig- 
keit des  Adels  zum  obersten  Magistrat  gemacht.  Des  Papstes 
Verlangen  der  Ausdehnung  desselben  politischen  Rechts  auf 
den  ganzen  Adel  wurde  jedoch  abgewiesen.  Erst  als  Pius  E 
zum  Congress  nach  Mantua  zog  und  Miene  machte  Siena  nicht 
zu  berühren,  gab  der  Volksrath  widerstrebend  nach  und  zu 
Ende  Januar  1459  ging  eine  neue  Gesandtschaft  nach  Perugia 
mit  der  ertheilten  Zustimmung,  die  freilich  bei  einem  so  ruhe- 
losen Gemeinwesen  nicht  von  Dauer  war.  An  der  florentini- 
schen  Gesandtschaft  betheiligten  sich  der  fromme  Erzbischof 
Antoninus  und  Cosimos  Neffe  Pier  Francesco  de'  Medici,  der 
Stammvater  der  nachmaligen  grossherzoglichen  Linie.  In  ganz 
Italien  wurde  die  Erhebung  Enea  Silvios  von  Fürsten  und  Volk 
mit  Freuden  vernommen,  denn  man  hegte  zu  einem  so  staats- 
klugen Manne  das  Vertrauen  dass  er  sich  nach  Ejräften  für 
Frieden  und  Einigung  mühen  würde.  Und  diese  Erwartung 
hat  Pius  n.  nicht  getäuscht. 


Angelegenheiten  Neapels  und  dea  Kirchenstaats.  137 


11. 

BOX  IN  SEINEN  BEZIEHUNGEN   ZU  ORIENT   UND   OCGIDENT.' 

DER  KREUZZUO. 

Wie  Calixtus  richtete  auch  dessen  Nachfolger  sein  Haupt- 
augenmerk auf  den  Orient.  Sein  langer  Aufenthalt  in  Teutsch- 
land und  die  vertraute  Eenntniss  die  er,  wie  von  den  Welt- 
angelegenheiten  im  allgemeinen,  von  der  dortigen  Lage,  von 
dem  Karakter  des  Kaisers,  von  den  Verwicklungen  und  der 
Opposition  ib  Böhmen  und  Ungarn  erlangt  hatte,  musste  ihm 
die  Schwierigkeiten  klarmachen  die  hart  an  Unmöglichkeit 
grenzten.  Aber  die  Pflicht  des  Papstthums ,  alles  was  in  seinen 
Kräften  stand  zur  Abwendung  der  grossen  Gefahr  der  Christen- 
heit zu  versuchen,  hatte  sich  seiner  Seele  so  tief  eingeprägt, 
dass  er  mit  einem  den  alternden  und  kränklichen  Mann  aufs 
höchste  ehrenden  Eifer  ans  Werk  ging.  Was  er  für  die  Her- 
stellung des  Friedens  in  Itahen  that,  nahm  wesentlich  dies 
grosse  Unternehmen  in  Aussicht.  Sein  Vorgänger  hatte  un- 
vorsichtigerweise einen  Conflict  mit  Neapel  heraufbeschworen: 
er  that  alles  ihn  zu  beschwichtigen.  Es  ward  ihm  nicht  schwer. 
Ferraate  von  Aragon  musste  vor  allem  daran  liegen  seine  zweifel- 
hafte Legitimität  durch  die  Anerkennung  des  h.  Stuhls  zu  klä- 
ren. Die  Investitur  welche  Pius  IL  dem  Aragonesen  ertheilte 
und  seine  enge  Verbindung  mit  demselben  kamen  seiner  eignen 
Familie  zugute,  indem  damals  wie  später  des  Papstes  Schwe- 
stersöbne,  die  Todeschini  Piccolomini,  in  Neapel  zu  ansehnli- 
chem Besitz  und  Würden  gelangten.  Aber  auch  der  Gewinn 
für  den  Kirchenstaat  war  nicht  unbedeutend.  Jacopo  Piccinino 
Niccolos  Sohn,  der  das  Condottierenhandwerk  theils  im  Dienste 
von  Fürsten  theils  auf  eigne  Hand  betrieb  und  unter  dem  letz- 
ten Papste  das  Sieneserland  sehr  gequält  hatte,  schaltete  in 
Assisi  und  benachbarten  Städten  als  Gewaltherrscher.  In  an- 
deren Theilen  Umbriens  von  Narni  bis  Citta  di  Castello  zeigten 
sich  bedenkliche  Erscheinungen.  König  Ferrante  nöthigte  Pic- 
cinino die  besetzten  Städte  freizugeben;  Pius  fand  sich  mit  den 
catalanischen  Governatoren  durch  Geld  ab.  Benevent  und  Ter- 
racina  wurden  von  den  NeapoUtanern  geräumt.  In  einem  andern 
TheUe  des  Kirchenstaats   währten  freiUch   die  Unruhen  fort 


138  Coiigi'css  zu  Maiitua. 

Ferrante  trug  selbst  das  meiste  hiezu  bei,  indem  er  denselben 
Condottiere,  den  er  Umbrien  zu  verlassen  gezwungen,  gegen 
Sigismondo  Malatesta  brauchte  welcher,  bald  für  bald  gegen 
die  Aragonesen,  talentvoll  und  erfindungsreich  aber  unzuver- 
lässiger noch  als  die  meisten  dieser  Städtebeherrscher  sich  in 
einen  ungleichen  Kampf  verwickelte  aus  welchem  er  mit  Noth 
ein  sehr  geschmälertes  Dominium  rettete. 

Den  ersten  Moment  der  Ruhe  benutzte  der  Papst,  den 
alsbald  nach  seinem  Regierungsantritt  entworfenen  Plan,  die 
christlichen  Fürsten  in  Mantua  zu  einem  Congresse  zu  vereini- 
gen ,  ins  Werk  zu  setzen.  Am  22.  Januar  1459  verliess  er  Rom. 
Grosse  Vorbereitungen  waren  fiir  die  Reise  getroflfen  worden. 
Der  Cardinal  von  Cusa  blieb  als  Legat,  Antonio  Colonna  als 
Präfect  zurück.  Die  Geschäfte  der  Curie  sollten  ununterbrochen 
fortgehn.  Im  October,  nachdem  Cusa  sich  zum  Papste  begeben^ 
wurde  dem  Bischof  von  Mantua  die  Stadtverwaltung  übertragen. 
In  Perugia  verweilte  Pius  drei  Wochen ,  besuchte  sein  geliebtes 
Heimatland,  war  am  25.  April  in  Florenz,  am  27.  Mai  in  Mantua, 
überall  aufs  glänzendste  empfangen.  Aber  die  Eröffnung  der 
langersehnten  Versammlung  entsprach  seiner  Hoffnung  nicht. 
Wenige  der  Eingeladenen  waren  erschienen;  wenn  allmälig  Ge- 
sandte sich  einfanden,  waren  ihre  Aufträge  nicht  ermuthigend. 
Wenn  die  italienischen  Staaten  grossentheils  sich  zu  Hülfleistun- 
gen verstanden ,  war  vom  Auslande  wenig  oder  nichts  zu  hoffen 
und  die  den  Congress  beschickenden  Levantiner  heischten  viel- 
mehr Beistand  als  dass  sie  denselben  gebracht  hätten.  Es  war 
für  den  Papst  eine  bittere  Täuschung.  Aber  er  gab  darum  die 
Sache  nicht  auf,  und  es  wurde  beschlossen  so  Flotte  wie  Land- 
heer gegen  den  gemeinsamen  Feind  zu  rüsten.  Dem  Namen 
nach  sollte  Kaiser  Friedrich  den  Oberbefehl  fuhren ,  als  eigent- 
lichen Feldhauptmann  aber  hatte  sich  der  Papst  Albrecht  von 
Brandenburg  jungem  Sohn  des  ersten  zoUernschen  Churfiirst«n 
gedacht,  dem  er  den  historisch  gewordenen  Beinamen  Achilles 
gab.  Am  20.  Januar  1460,  kurz  nach  dem  Markgrafen,  ver- 
Uess  Pius  Mantua  und  kehrte  auf  dem  Wege  den  er  ge- 
kommen war  nach  Siena  zurück,  wo  er  gegen  gichtisches 
Leiden  in  den  Bädern  des  Landes  Heil  suchend  bis  zum 
Herbste  verweilte. 

Während  aber  Pius  II.  die  christlichen  Fürsten  zu  einigen 
suchte,  war  in  Italien  selbst  der  heftigste  Kampf  entbrannt 


Neapolitanischer  Krieg.    FeiTante  von  Aragon.  139 

Eine  neue  Unternehmung  der  anjou'schen  Partei  im  Königreich 
Neapel,  an  der  Spitze  König  Renes  Sohn  Jean  der  den  Titel 
eines  Herzogs  von  Calabrien  führte,  brachte  Ferrante  von  Ara- 
gon in  die  dringendste  Gefahr.  Es  war  eine  Schilderhebung 
des  ansehnlichsten  Theils  des  hohen  Adels  des  Königreichs. 
Die  Marzano  von  Rossano  und  Sessa,  die  Cantelmo  von  Sora, 
die  Orsini  von  Tarent,  Antonio  Caldora  und  die  Seinigen,  Ja- 
copo  Piccinino  welcher  dem  Könige  den  Rücken  wandte ,  setzten 
den  grössten  Theil  des  Landes  in  Bewegung  namentlich  die  an 
den  Kirchenstaat  grenzenden  Provinzen.  Der  Papst  und  Fran- 
cesco Sforza  leisteten  Ferrante  Beistand,  aber  die  Schlacht  am 
Sarno  am  7.  Juli  1460,  in  welcher  der  päpstliche  Heerführer 
Simonetto  fiel,  würde  Neapel  in  die  Hand  Jeans  von  Anjou 
gegeben  haben ,  hätte  dieser  den  errungenen  Vortheil  mit  Kraft 
verfolgt.  Bald  darauf  brachte  ein  von  Piccinino  über  Alessandro 
Sforza  und  Federigo  von  Montefeltro  Grafen  von  ürbino  bei 
S.  Fabiano  in  den  Abruzzen  erfochtener  Sieg  selbst  die  Umge- 
bung Roms  in  Gefahr,  indem  jener  bis  Rieti  vordrang  und  die 
SavelU  in  der  Sabina  Unruhen  erregten,  während  auch  Sigis- 
mondo  Malatesta  im  anjou'schen  Interesse  in  den  Kampf  ging. 
So  schhmm  aber  die  Sachen  fiir  Ferrante  standen,  so  gelang  es 
ihm  doch,  theils  mit  den  Waffen  theils  durch  Verträge  die  zu 
brechen  ihm  nachmals  nicht  schwer  ward,  erst  den  Krieg  an 
welchem  sich  auch  der  zu  hoch  gepriesene  Volksheld  Albaniens 
Castriota  Scanderbeg  mit  nicht  glänzendem  Erfolge  betheiligte, 
in  die  Länge  zu  ziehn,  dann  die  Gegner  zu  entzweien,  Jean 
von  Anjou  nach  Ischia  und  von  dort  nach  der  Provence  zu 
treiben,  und  einem  Kampf  ein  Ende  zu  machen  der  ihn  die 
Krone  kosten  zu  müssen  schien. 

Dieser  Kampf  ist  in  seinen  Folgen  ein  für  das  Königreich 
Neapel  unendlich  trauriger  geworden.  Das  nicht  ungerecht- 
fertigte Mistrauen  Ferrantes  gegen  den  Lehnsadel  steigerte 
nun  in  ihm  die  Tendenz  zu  tyrannischem  Schalten  und  zu  jener 
hinterhstigen  Staatskunst,  welche  auch  die  tüchtigen  Eigen- 
schaften dieses  scharfsinnigen  und  fähigen  Regenten  in  den 
Schatten  gestellt,  auf  seine  Beziehungen  zum  Ausland  verderb- 
lich eingewirkt,  im  Innern  neue  Stürme  heraufbeschworen  haben, 
die  nachmals  den  Untergang  seiner  Dynastie  wie  seines  Staates 
herbeiführten.  Die  endUchen  Erfolge  des  Königs  entschieden 
auch    über    die    Geschicke    des    Kirchenstaats.      Sigismondo 


140  Graf  Everso  von  Anguillara. 

Malatesta,  flüchtig  nach  Venedig  gelangt,  musste  sich  glücklich 
schätzen,  durch  Verwendung  der  Republik  von  seinen  bis- 
herigen Besitzungen  die  Stadt  Rimini  mit  kleinem  Gebiete  gegen 
Lehnzins  und  Heimfallsrecht  an  den  h.  Stuhl  zu  bewahren.  Die 
Ausbreitung  der  venetianischen  Besitzungen  an  der  adriatiscben 
Küste  drohte  übrigens  ein  ernsteres  Uebel  zu  werden  als  die 
Herrschaft  der  kleinen  Signoren  war. 

Auf  die  Stadt  Rom  musste  dieser  Krieg  nachtheiligen  Ein- 
fluss  äussern.    Der  vornehmste  Unruhestifter  war  hier  der  Graf 
von  Anguillara,  der  schon  unter  mehren  Päpsten  den  Frieden 
getrübt  hatte  und  sein  Gebiet  zum  Sammelpunkt  zahlreicher 
Unzufriedenen  machte.    Everso  H.  von  Anguillara  ist  eine  ka- 
rakteristische  Figur  in  der  Geschichte  des  römischen  Adels  des 
fünfzehnten    Jahrhunderts.      Von    seinem    Geschlecht,    einem 
Zweige  der  Orsini  dessen  Besitzungen  im  römischen  Tuscien 
lagen,  ist  wiederholt  die  Rede  gewesen:  heute  noch  wird  man 
an  diese  Dynasten  im  Rion  Trastevere  erinnert,  wo  ihr)s  alte 
Thurmwohnung  steht  imd  sie  im  vierten  Jahre  nach  S.  Fran- 
ciscus'   von   Assisi   Tode   seinem   Orden   Kirche   und  Kloster 
S.  Francesco  a  Ripa  schenkten,  welche  durch  den  Grafen  Pan- 
dolfo  umgebaut  worden  waren.  Everso ,  des  Grafen  Dolce  Sohn, 
repräsentirt  den  zügellosen  aber  in  seiner  Wildheit  einer  ge- 
wissen Grösse  nicht  ermangelnden  Baronaladel   in  einer  Zeit, 
in  welcher  ein  grosser  Umschwung  in  dessen  Beziehungen  zu 
Rom  und  dem  Papstthum  im  Gange  war.    Nicht  weniger  als 
achtzehn    Städte  und  Castelle  vom  Ciminischen  Berge  an  bis 
zum  Meer,  von  Ronciglione  und  Caprarola  bis  Cere  und  Santa 
Severa  gehorchten  ihm;  Vitelleschi  hatte  ihm  zur  Ablöhnung 
der  Söldner  Vico  und  Caprarola  für  7375  Goldgulden  verkauft, 
was  Eugen  IV.  nach  des  Legaten  Tode  im  August  1440  bestä- 
tigte.   Diese  grossen  Besitzungen  machten  ihn  für  Rom,  wo  er 
beträchtlichen  Anhang  hatte,   zu  einem  nicht  minder  gefahr- 
hohen   Nachbar   als   seine  Vorgänger   die   Präfecten   gewesen 
waren.     Er  war   ein   ruheloser  gewaltsamer  Mann.     Cardinal 
Ammanati  hat  ihn  geschildert  wie   er   die  Strassen   zwischen 
Rom  und  Viterbo  als  ächter  Raubritter  unsicher  machte,  Rei- 
sende in  die  Verliesse  seiner  Burgen  schleppte,  Mädchen  und 
junge  Frauen  raubte,  selbst  an  hohen  Festen  Frohndienste  er- 
zwang,   falsche   Müuze   prägte,    aller   päpstlichen   Monitorien 
spottete  und  den  Waffen  trotzte.   Unter  Nicolaus'  V.  Regierung 


Romische  Unimhen.  141 

hatte  er  mit  den  Ausgewanderten  aus  Norcia  und  anderen  um- 
brischen  Orten  gemeinsame  Sache  gemacht  und  belagerte  ge- 
dachte Stadt,  als  der  päpstliche  Protonotar  Giorgio  Cesarini 
ihn  zu  weichen  und  nach  Rieti  zu  fliehen  zwang,  von  wo  er 
dann  doch  auf  sein  eignes  Gebiet  zurückkehrte  und  neue  Mann- 
schaft sammelte,  bis  Cardinal  Barbo,  der  nachmalige  Papst 
Paul  U.,  ihn  zur  Unterwerfung  nöthigte.  Und  dieser  Mann 
machte  sich  in  der  Geschichte  der  römischen  Wohlthätigkeits- 
anstalten  einen  Namen  durch  ein  reiches  Legat  für  den  Neubau 
des  lateranischen  Spitals,  während  seine  Grabschrift  in  Sta  Maria 
maggiore,  deren  Stiftsherren  er  gleicherweise  bedachte,  ihm 
dem  Unbesiegten  Thränen  spenden  heisst.  Bald  nach  der  Zeit 
wo  Everso  seine  letztwilligen  Verfügungen  traf,  übte  er  noch- 
mals verderblichen  Einfluss  auf  die  römischen  Angelegen- 
heiten aus. 

Während  des  Papstes  Abwesenheit  in  Mantua  und  Siena 
waren  grosse  Unordnungen  in  der  Stadt  vorgefallen.  Im  Jahre 
1461  hatte  sich  unter  Führung  der  Brüder  Tiburzio  und  Va- 
leriano  von  Massa,  deren  Vater  ein  Opfer  der  Verschwörung 
Stefano  Porcaros  geworden  war,  ein  dieser  ähnliches  Complott 
gebildet,  welches  mit  dem  Unternehmen  Jacopo  Piccininos  gegen 
die  Sabina  und  mit  Bewegungen  im  Adel  namentUch  unter  den 
Colonna  und  SaveUi  zusammenhing,  seinen  vornehmsten  Halt 
jedoch  in  einigen  Familien  des  höhern  Bürgerstandes  und  in 
wüstem  Bandenwesen  hatte.  Der  Senator  Lodovico  de'  Petroni 
von  Siena  hatte  den  in  die  Stadt  eingeschlichenen  Verschwor- 
nen  und  Mitwissern  keine  entsprechende  Macht  entgegenzu- 
stellen. Aber  das  Project  scheiterte  an  der  Nichttheilnahme 
der  Massen  welche,  anfangs  unschlüssig,  durch  das  zuchtlose 
Treiben  geschreckt  wurden.  Die  entdeckten  Führer  flohen, 
hielten  sich  eine  Zeitlang  in  Orten  der  Umgebung,  kehrten  zu- 
rück um  einen  neuen  Versuch  zumachen,  wurden  ergriffen  und 
hingerichtet.  Ein  Anschlag  des  Grafen  von  Anguillara  gegen 
das  Leben  des  Papstes  im  Bunde  mit  dem  Kanzler  Piccininos 
Namens  Brocardo  scheiterte  gleichfalls.  Weder  er  noch  Ja- 
copo Savello  vermogt^n  nach  dem  Unterliegen  der  Anjous  eine 
Stellung  in  Rom  zu  behaupten.  Von  dem  päpstUchen  Feld- 
hauptmann Grafen  von  Urbino  in  dem  festen  Palombara  be- 
lagert musste  Jacopo  sich  glücklich  schätzen,  mittelst  Ueber- 
gabe   von   sieben    seiner   Burgen    Frieden    und   Verzoihunir  zu 


142  Die  römische  Umgebung.     Das  Papstthiuii  und  Frankreich. 

erlangen.  Aber  Ruhe  und  Sicherheit  der  Stadt  wurden  fort- 
während durch  solche  Leute  und  durch  die  Schaaren  ihrer 
Anhänger  und  Dienstleute  gestört,  die  ihnen  in  ihren  Lehneo 
wie  in  Rom  selbst  zu  Gebote  standen.  Eine  ganze  Reihe  von 
Erlassen  Pius'  II.  ist  der  Aufrechthaltung  oder  Wiederherstel- 
lung der  Ordnung  in  Stadt  und  Umgebungen  gewidmet,  und 
wiederholt  musste  der  Papst  gleich  seinen  Vorgängern  Waffen- 
stillstand zwischen  den  Factionen  der  Barone  und  Burger  so- 
wie zwischen  den  Baronen  und  benachbarten  Ortschaften  auch 
in  Campanien  und  Marittima  vermitteln.  Wie  wüst  es  bei  allen 
diesen  Kämpfen  und  Fehden  zuging,  zeigt  eine  im  Jahre  1455 
in  dem  ebenerwähnten  Palombara  vorgefallene  Blutthat.  Ja- 
copo  Savello  hatte  einige  seiner  Vasallen  wegen  schwerer  V^er- 
gelien  ausgewiesen.  In  seiner  Abwesenheit  überrumpelten  die 
Verbannten  die  Burg  und  ermordeten  die  beiden  jungen  Sohne 
ihres  Herrn.  Dann  liessen  sie  dem  Papste  CaUxtus  den  Besitz 
von  Palombara  anbieten,  dieser  aber  sandte  den  Cardinal  Prosper 
Colonna  hin,  welcher  von  saveUischer  Mannschaft  unterstützt 
das  Castell  nahm  wobei  die  Rädelsführer  und  Urheber  jener 
Schandthat  den  Tod  fanden. 

Kirchliche  wie  politische  Sorgen  haben  während  der  ganzen 
Regierung  Pius'  IL  nicht  aufgehört.  Frankreich,  Teutschland, 
der  Osten  nahmen  ihn  zu  gleicher  Zeit  in  Anspruch.  In  Frank- 
reich hatten  die  Bemühungen  Eugens  IV.  und  seiner  Nachfol- 
ger, König  Carl  VII.  zur  Abschaffung  der  pragmatischen  Sanction 
zu  vermögen,  bei  Ludwigs  XI.  Regierungsantritt  fortgewährt. 
Wenn  Pius  IL  im  Spätherbste  1461  ein  so  wichtiges  Zugestand- 
niss  an  das  Papstthum  erlangte,  so  erhob  sich  doch  einerseits 
in  der  galUcanischen  Kirche  und  seitens  der  pariser  Universität 
eine  so  heftige  Opposition,  andererseits  entstanden  zwischen 
der  Curie  und  der  Krone  so  arge  Verwicklungen  wegen  Juris- 
dictionsfragen ,  dass  das  neue  Zerwürfniss  schlinmier  war 
als  das  frühere  Verhältniss,  die  Streitigkeiten  umso  leiden- 
schaftlicher wurden,  jemehr  die  Parteien  sich  miteinander  zu 
versöhnen  geschienen  hatten.  Der  neue  König  hatte  zwar  er- 
klärt die  pragmatische  Sanction  laste  auf  seinem  Gewissen. 
Inderthat  aber  waren  es  politische,  selbst  finanzielle  Gründe 
die  ihn  bestimmten.  Als  seine  Hoffiaung,  den  Papst  dem  anjou- 
schen  Interesse  zu  gewinnen ,  ebensowenig  in  Erfüllung  ging  wie 
diejenige,  die  Verleihung  der  geistlichen  Benefizien  in  seine Uaud 


Böhmen  und  Teutschland.    Der  Osten.  143 

zu  bekommen,  bequemte  sein  Gewissen  sich  ganz  gut  der  Re- 
action  gegen  Rom,  welche  ihm  ohne  es  zu  wollen  die  Ausfuh- 
rung seiner  Absichten  gegen  die  Unabhängigkeit  des  Clerus 
erleichterte  die  er  gegen  päpstliche  Eingriffe  zu  schützen 
vorgab. 

Während  es  sich  hier  um  einen  Autoritätsstreit  handelte, 
galt  es  in  dem  unendlich  zerrissenen  und  wildester  Unordnung 
aoheimgefallenen  teutschen  Reiche  so  Autorität  wie  Einheit 
der  Lehre  zu  retten.  Wenn  in  der  mainzer  Bischofsfehde, 
welche  das  ganze  südwestliche  Teutschland  verheerte,  der  An- 
spruch des  Papstthums  gegen  den  Widerstand  des  Episkopats 
siegreich  durchgesetzt  ward,  so  erlebte  Pius  nicht  die  Beendi- 
gung des  Kampfes  in  Böhmen ,  wo  der  nach  dem  frühen  Tode 
von  Albrechts  Sohne  Ladislav  im  Jahre  1457  von  den  Ständen 
gewählte  König  Georg  von  Podiebrad,  um  die  päpstUche  An- 
erkennung und  den  Auschluss  seiner  katholischen  Unterthanen 
zu  erlangen,  in  der  immer  noch  schwebenden  hussitischeu 
Frage  mit  offenbarer  Zweideutigkeit  temporisirte ,  bis  der  Papst, 
des  Hinhaltens  müde,  dem  in  Böhmen  herrschenden  Aus- 
nahmezustand ein  Ende  zu  machen  beschloss  und  die  Com- 
pactaten  der  Zeit  Eugens  IV.  aufhob.  Unterdessen  währte  die 
schwache  und  schlaffe  Regierung  Friedrichs  III.  inmitten  der 
Kämpfe  der  Reichsstände,  der  Entzweiungen  in  der  eignen 
Familie,  der  wiederholten  Empörungen  der  Unterthanen  fort, 
eine  Regierung  welche  recht  dazu  geeignet  war,  dem  letzten 
Rest  kaiserlicher  Autorität  ein  Ende  zu  machen. 

So  gross  aber  diese  Bedrängnisse  waren ,  so  verschwanden 
sie  beinahe  vor  der  Noth  und  den  Gefahren  des  Orients.  Hier 
war  es  der  christliche  Glaube  selber  der  sich  mit  Vernichtung 
bedroht  sah.  Nach  Constantinopels  Fall  schien  im  ersten 
Schrecken  das  Abendland  preisgegeben.  Was  Calixtus  III. 
that,  dies  Abendland  zu  schützen,  ist  erzählt  worden.  Die 
tapfere  Vertheidigung  Belgrads  vom  Jahre  1456  hatte  den 
Fortschritten  der  Osmanen  gegen  Ungarn  einstweilen  ein  Ziel 
gesetzt,  aber  sie  hatten  sich  nach  einer  andern  Seite  hinge- 
wandt und  die  Zeit  Pius*  II.  sah  rasch  die  noch  übriggebUe- 
benen  Trümmer  des  östlichen  Reiches  schwinden.  Im  Jahre 
1460  setzte  sich  Mohammed  II.  in  Morea  fest,  wo  die  beiden 
Brüder  des  letzten  Griechenkaisers ,  die  miteinander  hadernden 
Paläologen  Demetrius  und  Thoraas,    ihre  Despotien   verloren. 


144  Vordringen  der  Türken.    Ungarn. 

Mit  Mühe  hielten  sich  die  bedrängten  Johanniter  auf  Rhodus, 
während  das  Königreich  Cypern,  wo  das  regierende  Haus  der 
Lusignan  längst  an  dem  innern  Verderben  krankte  welches  alle 
nach  dem  Orient  verpflanzten  Fürstenfamilien  angesteckt  hat, 
eine  Art  ägyptischen  Vasallenstaates  ward  der  nur  durch  die 
Gnade  des  Islam  das  Leben  fristen  zu  können  schien.  Kaum 
hatte  Pius  11.  zu  Mantua  eine  Einigung  des  Abendlandes  ver- 
sucht, so  gingen  die  kleinen  christlichen  Staaten  am  Pontus, 
Ueberbleibsel  der  griechischen  wie  der  genuesischen  Herrschaft^ 
verloren,  das  komnenische  Trapezunt  wie  Sinope.  Das  blü- 
hende Lesbos,  von  den  Türken  erobert,  machte  den  Anfaog 
unter  den  Inseln  des  aegeischen  Meeres. 

Nun  nahm  der  Strom  der  Eroberung  wieder  eine  westliche 
Richtung.  Der  Vorkämpfer  in  Albanien,  Castriota,  dessen 
Auftreten  in  Süditalien  nur  in  den  ihm  wie  seinen  Nach- 
kommen zu  Theil  gewordenen  Besitzungen  Spuren  gelassen 
hat,  schützte  sich  im  Jahre  1463  durch  ein  Abkommen,  zur 
Zeit  wo  der  ungarische  Nebenstaat  Bosnien  ein  türkisches 
Paschahk  wurde,  die  Küste  Dalmatiens  türkischen  Streifzugen 
offen  stand,  das  feste  Ragusa  zitterte.  Und  es  waren  gerade 
diese  drangsalvollen  Jahre,  in  denen  Kaiser  Friedrichs  langer 
Hader  mit  Hunyadis  Sohn  Matthias  Corvinus,  den  die  Ungarn 
nach  des  jungen  Ladislav  Tode  als  König  ausriefen ,  die  Kräfte 
dieses  Landes  spaltete  und  das  stärkste  Bollwerk  der  Chri- 
stenheit wider  den  Islam  in  geiahrlichstem  Maasse  schwächte. 
Dem  Legaten  Cardinal  Carvajal  gebührt  das  Lob,  die  wahre 
Lage  der  Dinge  wie  das  Bedürfniss  der  Christenheit  er- 
kannt und  unabhängig  von  dynastischen  Fragen,  deren  un- 
heilvolle Folgen  er  vor  sich  sah,  unablässig  verfochten,  dem 
Papste  der  Ruhm,  durch  seine  Vermittlung  wesentUch  den  im 
Jahre  1463  zu  Wiener -Neustadt  geschlossenen  Vertrag  herbei- 
geführt zu  haben,  welcher  Matthias  die  ungarische  Krone,  dem 
Hause  Habsburg  im  Fall  seines  kinderlosen  Todes  die  Nach- 
folge sicherte. 

Diese  Verwicklungen  und  Kämpfe  im  Osten  haben  in  Rom 
selbst  in  mehren  Episoden  der  Regierung  Pius'  H.  ihren  Aus- 
druck gefunden.  Nicht  alle  diese  Begegnungen,  welche  die 
unglücklichen  Erben  der  Herrscherhäuser  des  Ostens  hieher 
führten,  sind  befriedigender  Art  gewesen.  Das  Vorspiel  be- 
stand in  einer  angeblichen  Ambassade  von  Abenteurern ,  welche 


Thomas  Paläologus  und  die  Seiiiigeu  in  Rom.  145 

unter  der  Führung  eines  Franciscaners  Fra  Lodovico  von  Bo- 
logna, der  von  weiten  orientalischen  Keisen  heimkehrend  schon 
C&Uxtus  III.  getauscht  hatte,  im  Jahre  146Ü  in  Rom  erschien 
und  allgemeine  Betheiligung  des  christhchen  ja  eines  Theils 
des  nicht  christlichen  Morgenlandes  am  Kampf  gegen  die  Tür- 
ken in  Aussicht  stellte.  Anfangs  ehrenvoll  empfangen,  von 
dem  scharfbhckenden  Papste  jedoch  bald  beargwöhnt  wurden 
die  l^Iitglieder  dieser  Gesandtschaft,  die  auch  in  Frankreich 
und  anderwärts  ihr  Glück  versuchte,  nachmals  als  Betrüger 
entlarvt  Dann  kam  der  entthronte  Despot  von  Morea  Thomas 
Paläologus  hülfesuchend  in  Rom  an.  Der  Bethörte  hatte  im 
Jahre  1459  zugleich  den  mit  den  siegreichen  Türken  eingegan- 
genen Vertrag,  der  ihm  noch  einen  Theil  seines  Staates  Uess, 
gebrochen  und  seinen  Bruder  Demetrius,  der  sich  der  Ueber- 
macht  gefügt  hatte,  mit  Krieg  überzogen:  die  Folge  war  dass 
Mohammed  II.  ganz  Morea  nahm ,  und  Thomas  von  allem  ent- 
blöst  sich  glücklich  schätzen  musste,  von  Navarino  aus  nach 
Santa  Maura  und  von  dort  nach  Corfu  zu  gelangen. 

Im  Frühling  1461  kam  er  über  Ancona  nach  Rom.  Der 
Papst  nahm  ihn  ehrenvoll  auf,  wies  ihm  in  Sto  Spirito  eine 
Wohnung  an,  setzte  ihm  ein  ansehnliches  Jahi^ehalt  aus, 
schenkte  ihm  die  goldene  Rose.  An  der  flaminischen  Strasse 
in  der  Nähe  der  milvischen  Brücke  erinnert  ein  einfaches 
Tabernakel  mit  einer  Statue  des  Apostels  Andreas  an  den 
Paläologen,  dessen  Züge  die  einst  vor  der  Peterskirche  aufge- 
stellte Bildsäule  des  h.  Paulus  vergegenwärtigen  soll.  Das 
Tabernakel  steht  auf  der  Stelle,  wo  in  des  Despoten  Namen 
Cardinal  Bessarion  dem  Papste  den  von  diesem  nach  Italien 
gebrachten  Schädel  dieses  Apostels  überreichte,  der  später  in 
der  Peterskirche  niedergelegt  während  der  letzten  römischen 
Umwälzung  entwendet  und  an  den  Basteien  des  Janiculum  in 
der  Erde  vergraben  wiedergefunden  wurde,  wie  die  Inschrift 
eines  dort  gesetzten  kleinen  Monuments  verkündet.  Der  Papst 
suchte  den  Anlass  zu  benutzen,  den  ausserhalb  Ungarns  erlosche- 
nen Eifer  für  den  Kreuzzug  wiederzubeleben.  Das  unverdiente 
Lob  welches  er  dem  SprössUng  des  letzten  Kaisergeschlechtes 
spendet,  legt  dies  Bestreben  an  den  Tag.  Der  Paläologe,  in 
Hader,  Intriguen  und  tyrannischem  Schalten  ergraut,  versuchte 
in  Oberitalien  für  seine  Sache  zu  werben.  Als  es  nichts  fruch- 
tete, kehrt«  er  nach  Rom   zurück,   wo  er  den  Papst  und  das 

V.  Rcununt,    Kuia.    HI.  10 


146  Charlotte  von  Lusignan  Köiiigui  von  Cypcru. 

Schwinden  der  letzten  auf  dessen  Unternehmen  gesetzten  Hoff- 
nung um  wenige  Monate  überlebte  und  im  Mai  1465  dreiund- 
sechzigjährig  starb.  Seine  Gemalin  Caterina  Centurioni  war 
ihm  vorausgegangen.  Seine  drei  Kinder  beschied  Bessarion 
von  Ancona  wo  sie  erzogen  wurden  nach  Rom,  wo  der  altere 
Sohn  Andreas  verkommen  und  vergessen  im  Jahre  1502  starb, 
während  der  jüngere  Manuel  nach  Constantinopel  entfloh ,  wo 
er,  wie  sein  Oheim  Demetrius  in  Thracien,  unter  türkischer 
Herrschaft  endete.  Die  schöne  Tochter  Zoe  wurde  zur  Zeit 
Sixtus'  IV.  an  den  Grossfürsten  von  Moskau  verheiratet  der 
sich  anheischig  machte,  Morea  wiederzuerobern  und  seinen 
Schwägern  zurückzugeben. 

Der  Despot  von  Morea  war  nicht  der  einzige  dieser  orien- 
talischen  Fürsten  der   in   Rom   Zuflucht   fand,    eine   Zuflucht 
welche  im  Sommer  1463  auch  Castriota  Scanderbeg,  von  den 
Türken  bedrängt,  durch  eine  Gesandtschaft  nachsuchen  liess 
welche  der  Papst  in  Tivoh  empfing.    In  demselben  Jahre  mit 
dem  Paläologen  erschien  eine  Verwandte  desselben,   Charlotte 
von  Lusignan  die  Tochter  Janus'  Königs  von  Cypem  und  der 
Helena  Paläologa.   Nach  dem  Tode  ilires  Vaters  im  Jahre  1458 
als  Königin  gekrönt  hatte  sie  sich  mit  ihrem  Vetter  dem  Prin- 
zen Ludwig  von  Savoyen,   Enkel  Amadeus'  VIII.    und   Sohn 
Herzog   Ludwigs    und  Annas    von  Lusignan   vermalt,   welcher 
gleichfalls  im  October  1459  in  Nicosia  gekrönt  ward.    Aber  ein 
natürUcher   Bruder  Charlottens,   Jacob    von   Lusignan,   setzte 
sich  mit  Hülfe  des  Sultans  von  Aegypten  und  der  Venetianer 
in  den  Besitz  der  Insel,  schloss  den  Schwager  im  Castell  von 
Cerina  ein,  zwang  die  Königin  Hülfe  im  Auslande  zu  suchen. 
Der   Grossmeister   von   Rhodus   Jakob   von  MiUi,    dem  Tode 
nahe ,  vermogte  nicht  zu  helfen ;  Pius  H. ,  vor  welchem  Char- 
lotte  durch  Seeräuber   ausgeplündert  und  von  allem  entblösst 
weinend  und  um  Mannschaft  ja  um  Lebensmittel  bittend  er- 
schien, bewies  sich  theilnehmend   und    gütig  gegen  die  Ver- 
triebene wie  gegen  das  savoyische  Haus,  obgleich  er  sich  des 
Verhaltens  des  letztem  ebensowenig  zu  rühmen  hatte  wie  der 
Glaubenstreue  Cyperns.    Pius'  11.  Commentarien  schildern  das 
Aeussere    der   letzten  Lusignan.     »Sie    schien   gegen   vierund- 
zwanzig  Jahre   zu   zählen    und    war   von    Mittelgrösse.     Ilire 
Augen  waren  lebendig,  ihre  Gesichtsfarbe  gelbUch  blass,  ihre 
Rede  gewandt  und  nach  griechischer  Sitte  einem  raschen  Strom 


Charlotte  von  Lusignan.     Caterina  Königin  von  Bosnien.  147 

yergleichbar.     Sie  trug  französische  Tracht  und  hatte  könig- 
liche Haltung.«    Im  Heimatlande  ihres  Gemals  faud  die  Königin 
geringern  Beistand   als   beim  Papste,   und   nach   vergeblichen 
Anstrengungen  die  sie  nach  Rhodus  zurückführten,  sah  sie  im 
Jahre  1464  Ludwig  flüchtig,  die  ganze  Insel  in  der  Gewalt  des 
Nebenbuhlers,  welcher  sechs  Jahre  später  jene  Caterina  Cornaro 
heiratete  die  nach  seinem  und  ihres  einzigen  Sohnes  Tode  eine 
Regierung,  deren  Selbständigkeit  nur  noch  im  Namen  bestand, 
an  die  Bepublik  Venedig  abtrat.     Ludwig  von  Savoyen  starb 
nach    wiederholten   Versuchen    zur    Wiedergewinnung    seines 
Reiches   im  Jahre   1482  zu  Ripaille,    einst  seines  Grossvaters 
Lieblingsaufenthalt  am  Genfersee.    Charlotte ,  welche  unendlich 
mehr  als  ihr  trager  Gatte  die  Seele  der  Unternehmungen  ge- 
wesen und  zu  deren  Gupsten  unter  Caterinas  Herrschaft  eine 
von  den  Venetianem  unterdrückte  Verschwörung  auf  der  Insel 
angezettelt  w.orden  war,  verbrachte  ihre  letzten  Jahre  in  Rom. 
Hier  bezog  sie  im  Jahre  1481   unter  der  Regierung  Sixtus'  IV. 
eine  Wohnimg  in  der  Leostadt,    welche   vor  ihr  einer  nicht 
minder  unglückhchen  Königin  gedient  hatte.    Es  ist  der  seit 
jener  Zeit  vielfach  veränderte  Palazzo  de'  Convertendi,  welcher 
die  dem  Vatican  zugewendete   Ecke  der  Piazza  Scossacavalli 
und  des  Borgo  nuovo  bildet.    In  diesem  Hause  vermachte  sie 
im  Februar  1485   ihr  Recht  an  Cypem  ihrem  Neffen  Herzog 
CarlL  von  Savoyen,  der  Titel  imd  Wappen  annahm  welche 
bis  auf  unsere  Tage  im  savoyischen  Herrscherhause  gebheben 
sind.       Hier    starb    sie    fünfzigjährig    am   16.  Juh    1487    und 
wurde  in  der  Peterskirche  beigesetzt,  wo  heute  noch  in  den 
vaticanischen   Grotten  die  Grabschrift  an   »Karola  Hierusalem 
Cipri  et  Armenie  regina«  erinnert. 

Pius  U.  war  längst  nicht  mehr  unter  den  Lebenden,  als 
eine  andere  verjagte  Herrscherin  in  Rom  eintraf  und  bis  an 
ihr  Lebensende  verweilte,  aber  es  geschieht  ihrer  hier  Erwäh- 
nung, um  die  Reihe  dieser  Opfer  mohammedanischer  Erobe- 
rung und  christhcher  Zwietracht  im  Osten  zu  beschUessen. 
Caterina,  Tochter  eines  bosnischen  Bojaren  welcher  den  Titel 
eines  Herzogs  von  S.  Sabba  führte,  war  die  Gemahn  Stephans 
Tbomasch  des  Sohnes  Paul  Jablenovichs,  Despoten  oder  Kö- 
nigs von  Bosnien.  Die  Wirren  in  diesem  imgarischen  Vasallen- 
staate der  stets  zwischen  Katholicismus,  Manichäismus  und  Mo- 
hammedanismus schwankte,  und  der  im  Orient  unausbleibhche 

10* 


148  Caterina  von  Bosnien.     Leonardo  Tocco  Despot  von  Ana. 

Hader  in  der  Herrscherfamilie  hatten  so  dem  Papste  wie 
Matthias  Corvinus  viel  zu  schaffen  gemacht.  Der  Bruder  und 
der  eigne  Sohn  sollen  Stephan  ermordet,  die  Wittwe  sich 
mit  Mohammed  in  Einverstandniss  gesetzt  haben,  welcher  im 
Jahre  1463  mit  Heeresmacht  erschien,  an  dem  jungen  Könige 
den  Mord  rächte  aber  das  ganze  Land  der  türkischen  Bot- 
mässigkeit  unterwarf.  Caterina,  wie  es  scheint  von  den  lieber- 
lebenden  ihrer  Familie  getrennt,  begab  sich  nach  Rom,  wo 
sie  im  Jahre  1466  eintraf.  Von  päpstlicher  Unterstützung  lebt« 
sie  hier  zwölf  Jahre  lang,  die  längere  Zeit  in  einem  Hause  bei 
San  Marco,  die  beiden  letzten  Jahre  in  der  Leostadt  wo  sie 
am  25.  October  1478  starb.  In  ihrem  letzten  Willen  setzte  sie 
den  h.  Stuhl  zum  Erben  ein,  falls  nicht  ihr  überlebender  Sohn 
zum  Christenglauben  zurückkehrte.  Papst  Sixtus  IV.  nahm  aus 
den  Händen  der  Diener  der  Entschlafenen  Testament  und  In- 
signien  an  und  übergab  sie  dem  Vicekanzler.  In  Sta  Maria 
Araceli  sieht  man  das  Grab  der  länderlosen  Königin.  Auf  dem 
Stein  ist  sie  in  ganzer  Gestalt  abgebildet,  das  mit  der  Krone 
geschmückte  Haupt  auf  einem  Ruhekissen  zu  dessen  SeiteB 
zwei  Wappenschilder,  die  Hände  über  ein  Buch  gelegt,  mit 
der  Inschrift  welche  Geschlecht  und  Würde  und  ihr  auf  drei- 
undfünfzig Jahre  gebrachtes  Lebensalter  verkündet.  Zwei  Jahre 
nach  dem  Tode  der  armen  Königin  von  Bosnien  führten  die 
Umwälzungen  in  der  Levante  wiederum  einen  vertriebenen 
Fürsten  nach  Rom.  Es  war  Leonardo  Tocco  Despot  von  Arta, 
durch  Heirat  Verwandter  der  neapolitanischen  Aragonesen, 
welcher  im  Jahre  1480  mit  den  Seinigen  eine  Wohnung  bei 
den  Trümmern  des  flaminischen  Circus  bezog.  Die  Familie 
begab  sich  später  nach  Neapel  wo  sie  noch  mit  dem  Fürsten- 
titel von  Montemileto  besteht,  aber  ein  natürlicher  Sohn  Leo- 
nardos, Pandolfo,  kaufte  sich  im  Rion  Ponte  an. 

Die  Eroberung  Bosniens  und  die  Gefahr  Dalmatiens  hatten 
endlich  Venedig  zum  Entschluss  gebracht,  im  Verein  mit  dem 
Papste  und  seinen  Bundesgenossen  gegen  den  gemeinsamen 
Feind  zu  ziehn.  Schon  hatte  in  Morea  der  Kampf  begonnen, 
aber  er  konnte  zu  keiner  Entscheidung  fuhren,  wenn  nicht  der 
Angriff  zugleich  von  Norden  wie  von  Westen  geschah.  Pius  II. 
mogte  einen  Augenblick  der  Hoffnung  Raum  geben,  das  Werk 
für  welches  er  Jahre  lang  sich  gemüht,  endlich  in  grossartiger 
Weise    ausgeführt    zu    sehn.      Aber   Enttäuschung   folgte  anf 


Vorbereitungen  zum  Kreuzzug.  149 

-  Enttäuschung.     Die  feindselige  Gesinnung  welche  Ludwig  XI. 
au  den  Tag  legt«,  wurde  zwar  durch  die  vom  Herzog  von  Bur- 
gund  gezeigte  Bereitwilligkeit  einigermaassen  aufgewogen.   Aber 
Philipp  der  Gute  war  ein  alter  Mann,  in  seiner  Familie  herrschte 
Mishelligkeit,  in  seinen  Staaten  war  man  einem  Unternehmen 
in  fernen  Landen  vielmehr  abgeneigt  als  günstig.     Der  Con- 
gress  welchen  der  Papst  im  September  1463  in  Rom  eröffnete, 
war  im   ganzen    nicht   ermuthigend.      In   Italien   war   Friede, 
aber    es    zeigte    sich    geringe    Lust    so    zu    den    Leistungen 
wie   zar  Betheiligung    mit  Mannschaft.     Nur  Venedig   bewies 
guten  Willen.     AUmälig    gestalteten  sich  .die  Dinge  insoferne 
günstiger,   als  mehre   Staaten   sich   zu  den  in  Mantua  vorge- 
schriebenen   Geldleistungen    bereit    erklärten.      Im    Cardinal- 
consistorium   gewann   des  Papstes    eindringhche  Beredsamkeit 
und  die  vom  Bewusstsein  seiner  oberhirtlichen  Pflicht  erfiillte 
Darlegung  alles  dessen  was  er  während  seines  Pontificats  zur 
Erreichung  dieses  grossen  Zweckes  gethan,  auch  die  Wider- 
strebenden.   Ein  feierUcher  Aufruf  an   die  gesammte  Christen- 
heit folgte.  Pius  n.  verkündete  seinen  £ntschluss,  mit  den  Cardi- 
nälen  an  dem  Unternehmen  theilzunehmen  welches  im  Juni  des 
folgenden  Jahres  von  Ancona  aus  beginnen  sollte.    Bündnisse 
Venedigs  mit  Ungarn  und  Burgund ,  Aufrufe  an  die  Beherrscher 
Spaniens  und  Portugals,   an  die  Christen  im  Orient  verhiessen 
Förderung.     Die  Thätigkeit  der  Venetianer  war  überaus  gross, 
nachdem  im  November  der  Vorschlag   des  Dogen  Cristoforo 
Moro  dem  Papste  zu  folgen  beinahe   einstimmig   angenommen 
worden  war,  der  Doge  seine  persönliche  Theilnahme  zugesagt 
hatte.     Die  ersten  Waffenthaten  so  der  Venetianer  in  Morea 
und  auf  den  aegeischen  Inseln  wie  der  Ungarn  in  den  Donau- 
ländern steigerten  die  Hoffnung  glücklicher  Erfolge. 

So  ging  das  Jahr  1463  zu  Ende.  Aber  der  Frühling  des 
folgenden  war  wieder  herber  Enttäuschung  voll.  Während  das 
Kriegsglück  den  Venetianern  in  Griechenland  den  Rücken 
wandte,  Mohammed  Bosnien  nochmals  überflutete,  reute  den 
Dogen  seine  Zusage,  so  dass  Vettor  Pisani  im  Namen  des 
Bathes  ihm  erklären  musste  die  Ehre  der  Republik  und  die 
seinige  sei  verpfändet.  Der  Herzog  von  Burgund,  in  welchem 
Pius  den  Feldherm  zu  finden  gehofft  hatte,  von  Frankreich 
wie  von  einer  Partei  im  eignen  Lande  bearbeitet,  nahm  sein 
Versprechen  unter  Form  eines  Aufschubs  zurück;   der  Herzog 


150  Pius'  IT.  Abreise  von  Rom. 

von  Mailand ,  an  den  der  Papst  sich  ebenfalls  mit  dem  Gesuch 
um  Uebernahme  des  Oberbefehls  gewandt  hatte,  benutzte  die 
V^erlegenheit  der  Venetianer  um  sich  in  Ligurien  auszudehnen. 
Von  den  Florentinern  war  nichts  zu  erwarten.  Die  Städte  des 
Kirchenstaats  zeigten  geringe  Lust  das  Unternehmen  zu  unter- 
stützen; von  den  Cardinälen  trugen  wenige,  unter 'ihnen  Sca- 
rampi,  Bessarion,  Borgia,  Gonzaga,  Barbo  zu  den  Rüstungen 
hei.  Was  der  Papst  selbst  an  Galeeren,  an  Mannschaft  und 
Geld  aufbringen  konnte,  entsprach  einer  solchen  Expedition 
durcha^us  nicht.  Das  schlimmste  war  dass  seine  Gesundheit 
völlig  zerrüttet  waix  Im  Frühling  suchte  er  in  den  schon 
wiederholt  angewandten  Bädern  von  Petriolo  Linderung  und 
besuchte  noch  einmal  Siena,  welches  die  ihm  erwiesene  Gunst 
durch  klägliche  Lauheit  lohnte  als  es  Unterstützung  seines 
grossen  Unternehmens  galt.  Der  für  den  Anfang  desselben 
angesetzte  Termin  war  schon  verstrichen,  bevor  der  Papst  in 
Rom  wieder  eintraf.  Am  18.  Juni  nahm  er  in  der  vaticanischen 
BasiUka  das  Kreuz  und  betete  laut  für  den  Zug  mit  bewegtem 
Herzen,  denn  die  innere  Stimme  verkündete  ihm  den  Ausgang. 
So  schwach  er  sich  fühlte,  wollte  er  nicht  dass  man  davon 
redete.  An  dem  nämlichen  Tage  verUess  er  den  Vatican. 
Seine  Kräfte  waren  so  gesunken  dass  er  die  Reise  zu  Lande 
nicht  ertragen  zu  können  fürchtete.  So  bestieg  er  bei  der 
milvischen  Brücke,  wohin  ihm  Cardinäle  imd  Hof  folgten,  eine 
Barke  mit  wenigen  Begleitern,  unter  ihnen  der  Cardinal  von 
Pavia,  die  Bischöfe  von  Torcello  und  Citta  di  Castello  und 
sein  Schwestersohn  Andrea  Todeschini  Piccolomini.  Bei  Tor 
di  Quinto  bückte  er  noch  einmal  nach  Rom  zurück.  Da  lag 
die  Stadt  vor  ihm  in  langgedehnter  Linie,  zur  Rechten  der 
Vatican  mit  der  alles  überragenden  Engelsburg,  ein  Anblick 
völlig  verschieden  von  dem  Prospect  unserer  Tage,  statt  der 
zahlreichen  Kuppeln  hunderte  von  Thürmen  der  Kirchen,  Bur- 
gen, Paläste.  Lebe  wohl  Rom,  sprach  er  bewegt,  du  wirst 
mich  lebend  nicht  wiedersehn! 

Die  Fahrt  stromaufwärts  ging  äusserst  langsam.  Am  ersten 
Abende  gelangte  man  nur  bis  Castel  Giubileo ,  am  zweiten  bis 
Fiano,  am  dritten  an  den  Fuss  des  Soracte.  Vom  Kloster 
S.  Benedetto  aus  sandte  der  Papst  den  Cardinal  Carvajal  nach 
Ancona,  für  die  Ruhe  der  Stadt  und  die  Ueberfahrt  der  Kreuz- 
fahrer zu  sorgen.    Denn  Italien  war  bereits  mit  Leuten  aller 


Pius'  n.  Reise  und  Ankunft  in  Ancona.  151 

Länder  gefüllt  die  zu  dem  grossen' Unternehmen  hef beiströmten. 
Ueberall  hatte  Pius'  Aufruf  die  Völker  angeregt:  wären  Fürsten 
und  Grosse  gewesen  wie  vor  drei  Jahrhunderten,  das  ganze 
Abendland  würd.e  in  Bewegung  gerathen  sein.  Aber  es  waren 
jetzt  nur  unordentliche  Haufen  die  aus  Frankreich,  Teutsch- 
land, den  Niederlanden  herbeizogen,  meist  ohne  Waffen,  oft 
ohne  alle  Mittel.  Die  Besseren  waren  schon  in  Lombardien 
und  Venetien  umgekehrt,  da  sie  den  Stand  der  Dinge  erfuhren; 
was  weiter  zog,  war  eine  Plage  fiir  die  Länder.  In  Ancona 
fanden  die  Anlangenden  keine  Transportschiffe,  da  die  Rüstun- 
gen ganz  unzulänglich  und  verspätet  waren;  Unordnimgen  und 
Krankheiten ,  die  gewohnten  Begleiter  solcher  Menschenmassen, 
blieben  nicht  aus.  Von  Otricoli  an ,  wo  der  kranke  Papst  sich 
tragen  Hess,  traf  man  auf  viele  dieser  wüsten  Haufen,  deren 
Anblick  Pins  so  schmerzte  dass  er  die  Vorhänge  der  Sänfte 
zu  schUessen  befahl.  Wie  mogte  ihm,  als  er  so  langsam  vor- 
wärts gelangte,  die  menschliche  Ohnmacht  vor  Augen  stehn! 
Am  18.  JuU  traf  er  über  Loreto  in  Ancona  ein.  Hier  war 
grosse  Verlegenheit.  Mit  den  angelangten  und  täglich  anlan- 
genden Kreuzfahrern  war  nichts  zu  machen,  da  es  an  Schiffen 
fehlte;  man  musste  froh  sein  als  sie  abzogen.  Wäre  die  vene- 
tianische  Flotte  rechtzeitig  erschienen,  so  hätte  immer  noch 
versucht  werden  können  die  dalmatische  Küste  und  das  von 
den  Türken  bedrohte  Ragusa  zu  sichern,  wie  der  Papst  und 
Cardinal  Carvajal  beabsichtigten.  Aber  die  Tage  vergingen 
und  Pius*  Krankheit  steigerte  sich  mit  jedem  derselben.  Graf 
Federigo  von  Urbino ,  der  an  dem  Kreuzzug  hatte  theilnehmen 
sollen,  musste  zur  Aufrechthaltung  der  Ordnung  im  Kirchen- 
staat weggesandt  werden.  Noch  immer  aber  beharrte  der  Papst 
bei  seiner  Absicht. 

Endlich  nach  vierundzwanzig  Tagen  erschienen  die  vene- 
tianischen  Segel  am  Horizont.  Auf  des  Papstes  Befehl  fuhren 
seine  Galeeren  mit  den  anwesenden  Cardinälen  entgegen;  von 
dem  Fenster  seines  Gemaches  aus,  im  Bischofshofe  bei  der 
Stadt  und  Meer  beherrschenden  Kathedrale  S.  Ciriaco,  sah  er 
das  Einlaufen  der  Flotte  welche  zwanzig,  nach  Anderen  vier- 
undzwanzig  Segel  zählte.  Dann  sprach  er  seufzend:  erst  habe 
ihm  die  Flotte  gefehlt,  nun  fehle  er  der  Flotte.  Er  liess  sich 
erkundigen  ob  der  Doge  bei  der  Armada  sei.  Venetianische 
Berichterstatter  haben  gemeldet,  Neuere  ihnen  nachgeschrieben. 


152  Pius'II.  Tod. 

die  bejahende  Antwort  sei  ihm  unwillkommen  gewesen,  weil 
er  nun  seine  Zusage  persönlicher  Theilnahme  habe  erfüllen 
müssen.  Als  wenn  der  Sterbende  von  solcher  Sorge  bewegt 
gewesen  wäre!  Am  folgenden  Morgen,  den  13.  August,  sollte 
des  Dogen  Empfang  stattfinden,  als  dieser  durch  den  Cardinal 
von  Pavia  die  Nachricht  erhielt  des  Papstes  Zust-and  mache 
es  unmöglich.  Cristolbro  Moro  sandte  mistrauisch  seinen 
Arzt  den  Peruginer  Mattiolo  de'  Mattioli;  dieser  brachte  die 
Nachricht  zurück,  des  Papstes  Auflösung  sei  nahe.  Am  Abende 
des  14.  August  1464  verschied  Pius  II.  Die  Cardinäle  umstanden 
sein  Sterbelager:  ihnen  empfahl  er  den  Kreuzzug,  den  Kirchen- 
staat, seine  Angehörigen.  Sein  letztes  Wort,  die  Bitte  für 
seine  Seele  zu  beten,  war  an  Ammanati  gerichtet.  Am  Maria 
Himmelfahrttage  war  die  Leiche  in  S.  Ciriaco  ausgestellt,  dann 
brachte  man  sie  nach  Rom. 

Der  Kreuzzug  war  mit  dem  Tode  seines  Urhebers  zu  Ende. 


12. 

PAUL  II. 


Die  in  Pius'  IL  Gefolge  befindlichen  Cardinale  waren  nach 
Rom  zurückgekehrt,  nachdem  sie  dem  Dogen  von  Venedig  die 
für  den  Kreuzzug  bestimmten  Summen  eingehändigt  hatten. 
Bald  waren  neunzehn  Mitglieder  des  h.  CoUegiums  in  der  Stadt 
versammelt.  Da  die  Engelsburg  sich  im  Besitz  Antonio  Picco- 
lominis  Herzogs  von  Amalfi  befand,  dieser  aber  abwesend  war, 
empfand  man  anfangs  Scheu  das  Conclave  im  Vatican  zu  hal- 
ten, wo  man  sich  nicht  sicher  genug  erachtete,  obgleich  einer 
der  Neffen  des  verstorbenen  Papstes  sich  unter  den  Cardinälen 
befand,  ein  anderer  zugegen  war.  Doch  entschied  man  sich 
für  den  päpstlichen  Palast  welcher  am  27.  August  1464  die 
Wähler  aufnahm.  Sechs  waren  Franzosen ,  ebensoviele  Spanier. 
Bessarion  bekleidete  die  Würde  des  Decans.  Ehe  man  zur 
Wahl  schritt,  verständigte  man  sich  über  eine  Reihe  von  Ar- 
tikeln welche  für  den  künftigen  Papst  bindend  sein  sollten. 
Ausser  der  Wiederaufnahme  des  Kreuzzugsplans  und  der  Zu- 
sammenberufung des  Concils  innerhalb  dreijähriger  Frist  be- 
zogen sich  diese  Artikel  wesentlich  auf  das  CardinalcoUegium 


Wahlrapitiilatioii.     Paul  II.  153 

und  die  Eirchengewalt.  Ersteres  sollte  die  Zahl  von  vierund- 
zwanzig  Mitgliedern  nicht  übersteigen  und  keiner  unter  dem 
Älter  von  dreissig  Jahren  und  ohne  theologische  oder  Rechts- 
studien in  dasselbe  eintreten  können.  Der  Papst  sollte  nur 
Einem  seiner  Verwandten  den  rothen  Hut  geben  dürfen,  der 
Zustimmung  der  Cardinäle  zu  neuen  Ernennungen  bedürfen,  nur 
im  Consistorium  Bischöfe  creiren,  nur  unter  Beobachtung  der 
canonischen  Formen  solche  absetzen,  nichts  von  den  Besitzun- 
^en  der  Kirche  veraussern  und  ihr  Einkommen  nicht  schmä* 
lern,  ohne  Zustimmung  der  Cardinäle  weder  Krieg  erklären 
noch  Staatsverträge  schliessen ,  keinem  seiner  Angehörigen  den 
Befehl  über  die  Heeresmacht  übertragen.  Zweimal  im  Jahre 
sollte  dem  h.  CoUegium  das  Syndicat  über  die  Befolgung  dieser 
dem  Papste  jeden  Monat  vorzulesenden  Punkte  zustehn.  So 
war  die  Uebereinkunft  welche,  eine  viel  weitergehende  als  die 
nach  Martins  V.  Tode ,  die  Regierung  von  Kirche  und  Kirchen- 
staat in  eine  völlig  aristokratische  umzuwandeln  bestimmt  war  — 
mit  welchem  Erfolge,  wird  die  Folgezeit  lehren. 

Schon  am  30.  August  war  der  Papst  gewählt.  Es  war  der 
Cardinal  von  San  Marco  Pietro  Barbo.  Die  Gefälligkeit  der 
Genealogen  seiner  Zeit  hat  seine  Familie  von  den  Domitii 
Aenobarbi  abgeleitet,  aber  er  verdankte  sein  Emporkommen 
keinen  altrömischen  Reminiscenzen  sondern  dem  Bruder  seiner 
Mutter  Polissena  Cond ulmer,  Papst  Eugen  IV.  Pietro,  der 
zweite  im  Jahre  1418  gebome  Sohn  Niccolo  Barbos,  war  zum 
üandelsstande  bestimmt  und  schon  zur  Fahrt  nach  der  Levante 
bereit,  als  sein  Ohm  ihn  während  des  ferrareser  Concils  zu 
sich  berief,  ihm  tüchtige  Lehrer  gab  die  sich  später  in  kirch- 
lichen Aemtem  wie  als  Gelehrte  auszeichneten,  ihn  nachmals 
zum  Archidiaconus  von  Bologna  und  im  Jahre  1440  zum  Car- 
dinaldiakon  von  Sta  Maria  nuova  ernannte,  welche  Kirche  er 
im  Lauf  der  Zeit  mit  S.  Marco  vertauschte.  Commenden,  Bis- 
thümer,  Pfründen  fehlten  dem  Nepoten  nicht,  welchem  es  ge- 
lang die  Gunst  drei  nachfolgender  Päpste  zu  bewahren.  Der 
Cardinal  von  S.  Marco  war  ein  grosser  Herr  der  von  seinem 
fürstlichen  Einkommen  freigebigen  Gebrauch  machte,  auch 
gegen  minder  begüterte  CoUegen  wie  Enea  Silvio  und  Cusa. 
Er  begann  den  prächtigen  Palast  und  die  Herstellung  seiner 
Titelkirche  die  er  als  Papst  vollendete,  sammelte  Münzen  und 
geschnittene  Steine  an  denen  er  viel  Gefallen  hatte,  zeigte  sich, 


156  Stura  des  Hauses  von  Aiiguillai'a. 

ist.  Die  Vorstellungen  und  Reclamationen  der  Deposse- 
dirten  verstiegen  sich  zu  Drohungen  der  Berufung  an  auswär- 
tige Fürsten,  selbst  an  das  Concil.  Die  Drohungen  führten 
zu  peinlichen  Processen  und  in  ihren  Folgen  zum  Einschreiten 
gegen  eine  gelehrte  Gesellschaft,  welche  religiös  wie  poUtisch 
wol  nicht  ganz  ohne  Grund  verdächtig,  in  das  Schicksal  der 
entlassenen  und  verfolgten  Eanzleibeamten  verwickelt  ward. 
Jemehr  wirkliche  Reformgedanken  die  Handlungsweise  des 
Papstes  bestimmten,  umsoweniger  gerechtfertigt  sind  die  her* 
ben  Anklagen  wider  denselben,  was  die  Begründung  des  Vor- 
wurfs der  Härte  gegen  die  Mitglieder  des  später  von  Sixtus  IV. 
wiederhergestellten  CoUegiums '  und  ihre  literarischen  Freunde 
nicht  ausschliesst. 

Die  politischen  Ereignisse  der  Regierung  Pauls  U. ,  welche 
durch  stete  Besorgniss  vor  den  Fortschritten  der  Türken  und 
fruchtlose  Bemühungen  zur  Bildung  eines  thätigen  Bündnisses 
wider  dieselben  getrübt  wurde,  sind  für  Rom  als  Stadt  nicht 
von  grosser  Bedeutung  gewesen.  Der  Anfang  derselben  war 
jedoch  ein  wohlthätiger,  insofeme  einer  der  wesentlichsten  An- 
lässe zu  Unordnungen  aus  dem  Wege  geräumt  wurde.  Everso 
von  Anguillara,  obgleich  in  seinem  schlimmen  Treiben  behin- 
dert, hatte  Pius  11.  bis  zum  Ende  getrotzt.  Bald  nach  dem 
Papste  war  auch  er,  am  4.  September  1464,  aus  dem  Leben 
geschieden.  Seine  beiden  Söhne  Francesco  und  Deifebo  ver- 
suchten das  Treiben  des  Vaters  fortzusetzen ,  und  die  Gegenden 
vom  Abhang  des  viterbeser  Berges  bis  zur  Etruria  marittima 
befanden  sich  wieder  in  einem  Zustande  welcher  dem  unter 
dem  Hause  von  Vico  glich.  Paul  II.  beschloss  ihm  ein  Ende 
zu  machen.  Wie  Vitelleschi  gegen  Jacopo  di  Vico,  zog  der 
Cardinal  von  Sta  Cecilia  Niccolo  Forteguerri  von  Pistoja  gegen 
die  ruhelosen  Orsini.  Mehre  ihrer  Burgen  waren  durch  die 
Lage  stark  und  wohlbewahrt,  aber  eine  nach  der  andern  ge- 
rieth  in  die  Gewalt  des  Legaten.  Ronciglione,  Bieda,  Vico, 
Vetralla,  Gallese  und  andere  Orte,  sowie  Castelle  in  der  Sa- 
bina  öffneten  die  Thore.  Die  Macht  der  Grafen  war  ge- 
brochen: Forteguerris  Grabschrift  in  seiner  Titelkirche  erwähnt 
seiner  WaflFenthaten  gegen  die  »Eversaner«.  Deifebo  entkam 
durch  die  Flucht  und  wir  werden  ihm  später  noch  begegnen; 
ein  Sohn  von  ihm  wurde  ergriffen  und  endete  in  der  Engeb- 
burg.    Auch  Francesco  und  einer  seiner  Söhne  wurden  gefangen 


Statutarische  Refoim.    Malalestaschei*  Krieg.  157 

und  blieben  fünf  Jahre  im  Castell  in  Haft,  bis  der  Regie- 
rungsantritt Sixtus'  IV. ,  unter  welchem  der  Erstere  im  Jahre 
1475  starb,  ihnen  die  Freiheit  wiedergab. 

Wenn  dies  kräftige  Einschreiten  gegen  die  aufständischen 
Barone  den  Frieden  in  Rom  selbst  nur  unvollkommen  her- 
stellte, da  immer  wieder  Fehden  unter  ihnen  sowie  im  kleinen 
Adel  ausbrachen  und  Blutrache  nicht  selten  mit  grosser  Bar- 
barei ausgeübt  wurde,  so  war  es  doch  ein  wesentlicher  Ge- 
winn. Unablässig  war  der  Papst  thätig  durch  Cardinäle  und 
Prälaten  Versöhnungen  zu  schhessen.  Eine  Revision  der  Sta- 
tuten hatte  namentlich  raschere  und  bessere  Justizpflege  zum 
Zweck.  Sie  wurde  im  Jahre  1469  unter  dem  Senator  Francesco 
Aringhieri  von  Siena  vollendet.  Am  10.  Juni  gedachten  Jahres 
bestätigte  Paul  II.  die  reformirten  und  auf  seinen  Befehl  in 
einem  Bande  zusammengestellten,  in  drei  Bücher  abgetheilten 
Statuten.  Diese  Redaction  ist  es  welche ,  durch  spätere  Zusätze 
ergänzt,  den  Druckausgaben  zugrunde  hegt  die  mit  dem  Jahre 
1470—1471  beginnen,  und  an  deren  Spitze  nach  dem  Bekennt- 
niss  der  Dreieinigkeit  das  Decret  Annibales  degli  Annibaldi  aus 
Kaiser  Friedrichs  U.  Zeit  gegen  die  Ketzer  steht.  Auch  in 
dieser  Form  sind  die  römischen  Statuten  namentUch  in  Bezug 
auf  strafrechtliche  Materien  eine  unordentUche  und  unorganische 
Zusammenstellung  theilweise  obsoleter  Verordnungen. 

Von  grösserer  Bedeutung  waren  die  Ereignisse  in  der  Ro- 
magna.  Sie  wurden  durch  den  im  Jahre  1465  erfolgten  Tod 
Malatesta  Novellos  Herrn  von  Cesena,  besonders  aber  durch 
das  Hinscheiden  Sigismondos  Herrn  von  Rimini  veranlasst,  der 
am  22.  October  1468  sein  thätiges ,  leider  durch  Treubruch  und 
Grausamkeit  und  Verbrechen  mancher  Art  beflecktes  Leben 
beschloss.  In  beiden  Fällen  versuchte  Roberto  Malatesta  Sigis- 
mondos Sohn  sich  in  Besitz  der  durch  die  vorausgegangenen 
Ereignisse  sehr  geschmälerten  Reste  der  vormals  ansehnUchen 
malatestaschen  Staaten  zu  setzen,  und  entzündete  so  einen 
Krieg  der  im  Jahre  1469  fast  ganz  ItaUen  unter  die  Mauern 
Riminis  führte.  Der  Papst  und  Venedig  griffen  Roberto  an, 
welchem  die  Florentiner,  der  König  von  Neapel,  der  Herzog 
von  Mailand,  der  Graf  von  Urbino  beistanden.  Am  23.  August 
erlitt  das  päpstlich -venetianische  Heer  eine  schwere  Nieder- 
lage. Paul  IL,  der  infolge  der  Parteinahme  Ferrantes  einen 
Augenblick  die  Wiederbelebung  der  anjouschen  Ansprüche  an 


158       Friedrich  ni.  in  Rom.    Cosimos  de' Medici  ii.  Fr.  Sforza«  Tod. 

Neapel  geplant  zu  haben  scheint,  musste  sich  umsomehr  dazu 
verstehn  dem  Sieger  Rimini  zu  hissen,  da  er  inneward  dass 
seine  venetianischen  Landsleute  und  Bundesgenossen  mehr  auf 
Ausdehnung  der  eignen  Macht  in  der  Romagna  als  auf  Siche- 
rung der  päpstlichen  bedacht  waren.  Schon  war  Ravenna  im 
Besitz  der  RepubUk  deren  Fahne  zur  Zeit  des  malatestaschen 
Krieges  auch  Imola  aufsteckte. 

Rom  sah  im  Jahre  1468  Friedrich  III.  noch  einmal  in 
seinen  Mauern.  In  der  Christnacht  traf  er  ein  und  verweilte 
bis  zmn  9.  Januar  des  folgenden  Jahres.  Er  hatte  die 
Strasse  durch  Romagna  und  Marken  eingeschlagen  und  war 
von  einem  Giefolge  von  etwa  siebenhundert  Reitern  und  acht- 
hundert Füssem  begleitet.  Es  hiess  die  Reise  sei  die  Erfül- 
lung eines  Gelübdes,  während  Andere  die  Angelegenheiten 
Böhmens  und  Ungarns  zum  Anlass  derselben  machten.  Die 
Lage  in  welcher  diese  sich  befanden  und  die  geringe  Autorität 
des  Kaisers  so  im  Reiche  wie  in  seinen  Erblanden  mussten 
den  Papst  inbetreff  seiner  Kreuzzugsprojecte  tief  entmuthigen, 
denen  zu  lieb  er  doch  seinem  Groll  gegen  den  König  von 
Neapel  keine  weitere  Folge  gab,  um  die  Uneinigkeit  in  Italien 
nicht  noch  zu  mehren.  Eine  versöhnliche  Pohtik  war  um  so 
nöthiger,  da  rasch  nach  einander  die  Männer  abgingen,  deren 
reife  Erfahrung  und  grosses  Ansehen  Bürgschaften  verständi- 
ger Haltung  waren.  Cosimo  de'  Medici  war  kurz  vor  Pauls  II. 
Regierungsantritt  gestorben.  Die  fünf  Jahre  während  deren  sein 
kränklicher  Sohn  Piero  an  der  Spitze  der  Republik  Florenz  stand, 
waren  weit  entfernt  jene  ruhige  und  sichere  licitung  zu  zeigen 
welche  der  Vater  den  Angelegenheiten  gegeben  hatte,  während 
bei  Pieros  im  Jahre  1469  erfolgtem  Ableben  zwei  Jünglinge, 
die  ihre  Befähigung  erst  zu  erproben  hatten,  einen  Staat  len- 
ken sollten  in  welchem  die  Parteiungen  nie  au%ehört  hatten. 
Zwei  Jahre  nach  dem  Begründer  der  Grösse  des  mediceischen 
Hauses  starb  Francesco  Sforza,  ein  ebenso  gewandter  imd  um- 
sichtiger PoUtiker  wie  er  in  seinen  jüngeren  Jahren  ein  ausgezeich- 
neter und  glückUcher  Feldherr  gewesen  war.  Sein  Nachfolger 
Galeazzo  Maria  war  noch  weniger  im  Stande  ihn  zu  ersetzen 
als  es  bei  den  Medici  der  Fall  war.  EndUch  traf  den  Kirchen- 
staat selbst  ein  Verlust  durch  den  im  FrühUng  1471  erfolgten 
Tod  Borsos  von  Este.  Von  Rom ,  wo  Paul  U.  ihn  am  14.  April 
zum   Herzog  von   Ferrara   erhob,   brachte   er   den   Keim   der 


Tod  Borsos  von  Este.     Volksspielo  und  Pracht  des  Hofes.  159 

Krankheit  mit  die  ihn  in  kürzester  Frist  dahinraffte.  Der  beste 
der  Herrscher  dieses  Hauses ,  dessen  Regierung  im  Munde  des 
Volkes  sprüchwörtlich  als  eine  Zeit  des  Glückes  geblieben  ist. 
Der  Verlust  war  um  so  grösser,  da  die  Lage  Italiens  nicht 
bios  wegen  der  unaufhörlichen  Fehden  seiner  Fürsten  und 
Staaten  sondern  auch  durch  die  Fortschritte  der  Türken  be- 
droht war ,  welche  am  12.  Juli  des  vorhergehenden  Jahres  den 
Venetianem  das  wichtige  Negroponte  abgenommen  hatten,  ein 
Ereigniss  welches  sechs  Monate  später  zu  einem  Bündniss 
zwischen  dem  Papst,  fleapel,  Florenz  und  Mailand  führte,  zu 
dessen  Theilnehmem  auch  Herzog  Borso  gehörte. 

Es  waren  die  letzten  Ereignisse  im  Leben  Pauls  H.  Seine 
Gesundheit  schien  blühend;  seine  hohe  Statur  war  ebenso  mit 
vornehmer  Haltung  wie  mit  kräftiger  Körperbeschaffenheit 
vereint.  Er  freute  sich  des  Daseins:  nichts  ergötzte  ihn  mehr 
als  Gastmale  die  er  kirchlichen  Würdenträgern  und  Botschaf- 
tern gab  denen  er  sich  beigesellte,  und  Volksfeste  denen  er 
zuzuschauen  hebte.  Er  war  es  der  die  grossen  Faschingszüge 
von  Piazza  Navona  nach  der  flaminischen  Strasse  verlegte  die 
den  Namen  Corso  erhielt  Die  vergnügungsüchtige  Menge  war 
dem  Papste  geneigt,  der  sich  über  die  Bedenken  strengerer 
Männer,  welchen  unter  Anderen  Cardinal  Ammanati  Ausdruck 
gab,  hinwegsetzte  und  nicht  zu  merken  schien,  dass  dies  Trei- 
ben einen  kaum  minder  heidnischen  Karakter  annahm  als  die 
von  ihm  bestraften  Lucubrationen  der  Akademiker,  und  dass 
es  auf  das  Volk  beiweitem  grössern  Einfluss  übte  als  die  ge- 
lehrte Pedanterei.  Auch  seine  übermässige  Lust  an  weltUcher 
Pracht  und  Glanz  warf  man  Paul  IL  vor.  Sein  Palast  war  mit 
Statuen,  Kostbarkeiten,  Gold-  und  Silbergefassen ,  gewirkten 
Teppichen,  geschnittenen  Steinen,  seltnen  Münzen  gefüllt;  er 
selbst  Hess  treffliche  Medaillen  zum  Andenken  an  Handlimgeu 
seines  Pontificats  prägen.  Ein  Triregnum  welches  er  zu  ver- 
fertigen Auftrag  gab,  soll  mit  seiner  unerhörten  Pracht  an 
Edelsteinen  nicht  weniger  als  hundertzwanzigtausend  Gold- 
gulden gekostet  haben.  Er  verwandte  aber  das  Geld  nicht  für 
sich  allein.  Cardinäle  und  Fürsten  bedachte  er  reichUch;  er- 
steren  wenn  sie  kein  hinreichendes  Einkommen  hatten,  ge- 
währte er  eine  Rente  aus  den  Kammereinkünften;  wenigstens 
tausend  Gulden  sollte  jeder  Cardinal  besitzen.  Die  nach 
Rom  geflüchteten  Mitglieder  entthronter  Familien  der  Levante 


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IGO  Pauls  II.  Tod. 

unterstützte  er  freigebig.    Dennoch  liess  er  seinem  Nachfolger 
eine  Milüon  Goldes  zurück. 

So  hatte  Paul  II.  vielleicht  mehr  von  einem  weltlichen  als 
von  einem  Kirchenfürsten  an  sich,  aber  inmitten  dieses  zu 
weltlichen  äussern  Treibens  hielt  er  sich  frei  von  jenem  lieber- 
wiegen  politischer  Interessen,  welches  mit  seinem  Nachfolger, 
einem  Klosterbruder  und  Sohn  armer  und  niederer  Leute  be- 
gann. Pauls  Ende  war  unerwartet.  Am  Abende  des  25.  Juli 
1471  speiste  er  zu  Nacht  im  Garten  bei  San  Marco;  unbedeck- 
ten Hauptes  soll  er  seiner  Liebhaberei  an  Obst  zu  freien  Lauf 
gelassen  haben.  Am  folgenden  Morgen  fand  man  ihn  todt;  er 
hatte  sein  lieben  auf  nicht  vierundfünfzig  Jahre  gebracht  von 
denen  er  beinahe  sieben  auf  Petri  Stuhl  sass.  Sein  Neffe 
Marco  Barbo  errichtete  ihm  in  der  St.  Andreaskapelle  der 
vaticanischen  Basiüka  ein  prachtvolles  Denkmal  dessen  Inschrift 
nach  Aufzählung  seiner  löbUchen  Eigenschaften  meldet,  das- 
jenige was  er  in  schwieriger  Zeit  mit  Würde  auszuführen  un- 
vermögend gewesen  sei,  habe  er  mit  reifer  und  langsamer 
Ueberlegung  dennoch  zum  Bessern  gelenkt. 


ZWEITER   ABSCHNITT. 

XJEBERGEWICHT   POLITISCHER  TENDENZEN. 

J.  1471  -  1503. 


1. 
NEUE   BAHNEN  DES  PAPSTTHUM8.      SDCTüS  IV. 

Die  päpstliche  Macht  war  wiederbefestigt.  Mehrundmehr 
hatte  die  Stadt  Rom  sich  ihr  gefugt.  Ruhig  nahm  sie  ihre 
Senatoren  vom  Papste  an,  dessen  Ernennungsrecht  bei  zahl- 
reichen Aemtem  sie  anerkannte  und  unter  dessen  Einfluss  ihre 
Statuten  revidirt  worden  waren.  Eugen  IV.  war  für  einen  Zeit- 
raum von  414  Jahren  der  letzte  Papst  der  einem  Volksaufstand 
wich.  Die  Porcarische  Verschwörung  war  die  letzte  der  un- 
zähligen Empörungen  und  Empörungsversuche  welche  die 
comunale  Autonomie  gegen  die  Papstgewalt  zu  wahren  vor- 
gaben. Der  Staat  hatte  sich  in  seinen  alten  Formen  consoli- 
dirt.  Die  Dynastenfamilien  herrschten  in  gewohnter  Weise, 
mehre  derselben  waren  jedoch  in  augenscheinUcher  Abnahme 
begriffen.  Die  Verleihung  ganzer  Provinzen  als  päpstliches 
Vicariat,  wie  einst  die  der  Mark  als  Marquisat  für  Francesco 
Sforza  durch  Eugen  IV. ,  erfolgte  nicht  mehr.  Auch  Martin  V. 
hatte  noch  grossen  und  beinahe  unabhängigen  Herren  dieVer- 
waltung  von  Provinzen  als  Rectoren  übertragen,  so  dass  die 
Vicarien  ihnen  untergestellt  sein  sollten.  So  war  es  im  Jahre 
%  1419  für  Carlo  Malatesta,  den  standhaften  Freund  Gregors  XIL, 
mit  der  Romagna ,  für  Guid*  Antonio  von  Montefeltro  mit  Spo- 
leto  geschehn.  Aber  es  handelte  sich  dabei  nur  um  zeitliche 
Verwaltungsämter  welche  jederzeit  revocirt  werden  konnten, 
während  z.  B.  in  der  Romagna  neben  dem  Rector  der  Cardinal- 
legat  Alfonso  Carillo  fungirte.  Das  Condottierenwesen  hatte 
ebenso  die  Zeit  seines  höchsten  Glanzes  hinter  sich.  Sforzas 
Erhebung   auf  den  mailändischen  Herzogsstuhl  war   zugleich 

V.  Bcumont,    Rom.    III.  l\ 


162       Tendenzen  des  Papstthums  d.  ersten  Hälfte  d.  15.  Jahrhimdeils. 

die  Grenzscheide  zwischen  der  dominirenden  und  der  sinken- 
den Bedeutung  des  Waffenhandwerks  in  seiner  damahgen  Ge- 
staltung. Man  mogte  den  Colleonen  und  Gattamelata  Reiter- 
bildsäulen errichten,  Alessandro  und  Bosio  Sforza  mogten  sich 
im  Besitz  von  Pesaro  und  Santa  Fiora  halten  die  sie  durch 
Heirat  und  durch  das  Kriegsglück  ihres  berühmten  Bruders 
wie  durch  eigne  Tüchtigkeit  erlangt  hatten.  Zu  eigentlicher 
politischer  Bedeutung  aber  stieg  kein  neuer  Condottiere  auf, 
und  die  Piccinine  büssten  für  ihre  Versuche  auf  eigne  Hand 
Krieg  zu  führen.  Die  geographische  Lage  des  Kirchenstaats 
zog  die  Päpste  in  die  Kriege  hinein  welche  den  Norden  der 
Halbinsel  mit  dem  Süden  in  CoUision  brachten.  Das  Lehns- 
yerhältniss  Neapels  verwickelte  sie  in  die  äusseren  wie  inne- 
ren Conflicte,  welche  das  jederzeit  streitige  Thronrecht  in 
dem  Königreich  nicht  ruhen  liess.  Hatte  auch  der  Zusammen- 
hang dieser  streitigen  Rechte  mit  einem  Zweige  der  französi- 
schen KönigsfamiUe  mehrmals  fremde  Waffen  herbeigerufen« 
so  waren  doch  seit  dem  verunglückten  Römerzuge  Ruprechts 
von  der  Pfalz,  abgesehn  von  den  particulären  Beziehungen 
oberitalischer  Grenzstaaten,  namentlich  Venedigs  zum  Aus- 
lände, diese  Kriege  wie  die  mit  ihnen  zusammenhangende  Po- 
litik wesentlich  italienisch.  Die  Bemühungen  der  einsichtigsten 
Staatsmänner  der  Halbinsel,  unter  ihrer  Zahl  mehr  als  eines 
Papstes,  die  itaUenischen  Staaten  auf  sich  selbst  zu  stellen, 
hatten  zu  diesem  £rgebniss  beigetragen.  Die  Päpste  waren 
dabei  auch  von  dem  Gesichtspunkt  ausgegangen,  Italien  und 
das  Abendland  zum  Kampfe  wider  den  Islam  zu  einigen,  von 
dessen  täglich  bedrohlicherem  Fortschritt  Schaaren  von  Flüch- 
tigen die  sich  in  den  italienischen  Städten  sammelten,  unter 
ihnen  entthronte  Fürsten,  Zeugniss  gaben. 

Solche  waren  mit  Einschluss  der  geistigen  Bestrebungen 
die  Kreise,  innerhalb  deren  die  päpstliche  Thätigkeit  sich  vor- 
zugsweise bewegte,  seit  durch  die  Ueberstürzung  der  baseler 
Versammlung  die  grosse  Concilsbewegung  zu  augenbUcklichem 
Stillstand  gebracht,  der  Opposition  der  Landeskirchen  die 
Spitze  abgebrochen  schien.  Die  Bahnen  des  Papstthums  waren 
regelmässiger  geworden.  Wie  vorzeiten  drückten  die  verschie- 
denen Individualitäten  den  Dingen  verschiedenes  Gepräge  auf, 
aber  seit  Eugen  IV.  waren  grosse  Contraste  vermieden  worden. 
Der  Nepotismus,    eine  alte  Erscheinung   im  Pontificat,  unter 


Sixtus  IV.  163 

mehr  als  einem  Papste  wie  verschwunden,  unter  anderen 
wiederauflebend  ^  hatte  in  den  politischen  Verhältnissen  des 
Kirchenstaats  keinen  Wechsel  hervorgerufen.  Wo  die  Päpste 
sich  nicht  begnügten  wie  einst  Nicolaus  III.  und  Bonifaz  VIII. 
ihre  Angehörigen  vorzugsweise  in  der  römischen  Umgebung  zu 
bereichem,  oder  wo  dies  aus  irgendeinem  Grunde  unterblieb 
wie  bei  den  Piccolomini,  verschafften  sie  ihnen  neapolitanisclie 
Lehne  wozu  die  häufigen  Umwälzungen  in  diesem  Lande  Mittel 
boten.  Auf  die  innere  Gestaltung  der  päpstlichen  Territorien 
hatte  nach  einem  ephemeren  Versuche  Calixtus*  III.  der  Nepo- 
tismus bisher  keinen  bleibenden  Einfluss  geübt 

Die  Zeit  an  deren  Schwelle  wir  stehen,  sollte  alles  dies 
rerändern.  Tiefer  und  tiefer  wurde  das  Papstthum  in  die 
politischen  und  militärischen  Verwicklungen  Italiens  hineinge- 
zogen, welche  endlich  fremder  Einmischung  und  infolge  der- 
selben fremder  Präponderanz  den  Weg  bahnten.  Zugleich  be- 
gannen die  Päpste  die  territoriale  Zerrissenheit  des  Kirchenstaats 
zu  benutzen,  die  Ihrigen  auch  in  entfernteren  Provinzen  zu 
grossen  Herren  zu  machen.  Es  war  eine  klippenvolle  Bahn 
die  das  Papstthum  nach  dem  Tode  Pauls  IL  einschlug.  Ein 
Mann  geringer  Herkunft,  im  Kloster  grossgeworden ,  war  der 
erste  der  sie  betrat. 

Die  neunzehn  Cardinäle  welche  sich  am  6.  August  1471 
zur  Wahl  eines  neuen  Hauptes  der  Christenheit  versammelten, 
beschäftigten  sich  anfangs  mit  der  Revision  jener  Kapitel,  die 
so  oft  erneut,  so  selten  beobachtet  worden  sind  und  in  dem 
nun  folgenden  Pontificat  weniger  als  je  Geltung  erlangen  sollten. 
Die  Stimmen  vereinigten  sich  infolge  einer  Verabredung  zwischen 
den  Cardinälen  von  Mantua  und  Borgia  zu  Gunsten  des  Erz- 
bischofs von  Ravenna  Bartolommeo  Roverella.  Als  dieser  je- 
doch nichts  von  Versprechungen  wissen  wollte  welche  die 
Beiden  von  ihm  verlangten,  wandten  sie  sich  zu  dem  Cardinal 
von  S.  Pietro  in  vincoli,  und  dieser  war  leichter  zu  bewegen 
auf  die«  ihm  gestellten  Bedingungen  einzugehn.  Am  9.  August 
wurde  Francesco  della  Rovere  zum  Papste  gewählt  und  nannte 
sich  Sixtus  IV.  In  dem  Marktflecken  Albizzola,  in  geringer 
Entfernung  östlich  von  Savona  gelegen,  'erinnert  eine  Piazza 
Sisto  quarto  wie  eine  Contrada  dei  Papi  an  den  Mann ,  der  dem 
Namen  seines  Heimatsortes  eine  Stelle  in  der  Geschichte  ge- 
geben hat.     Francesco  della  Rovere  wurde  am  21.  Juli  1414 

n* 


164  Jugend  und  Bildung  Francescos  dcUa  Rovere. 

in  dem  Dörfchen  Pecorile  geboren,  wohin  seine  Eltern  sich 
wegen  einer  in  dem  nahen  Älbizzola  herrschenden  Seuche  ge- 
flüchtet hatten.  Nachdem  er  Papst  und  die  Seinen  gross  ge- 
worden waren,  wollte  man  den  Ursprung  derselben  von  den 
piemontesischen  Della  Rovere  herleiten  welche  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  zwölften  Jahrhimderts  als  Dynasten  von 
Vinovo  vorkommen.  Aber  Francescos  Vater  Leonardo  war 
nach  Einigen  ein  Fischer,  nach  Anderen  ein  Tuchwalker,  und 
unter  den  FamiUen  mit  denen  wir  die  des  nachmaUgen  Papstes 
verschwägert  finden,  war  jene  des  Giovanni  Basso  Notars  in 
Älbizzola  die  vornehmste.  Francesco,  der  in  frühester  Jugend 
in  den  Minoritenorden  trat,  studirte  in  Chieri,  in  Pavia,  in 
Bologna  Grammatik  und  Dialektik,  Philosophie  und  Theologie 
mit  solchem  Erfolge ,  dass  er  zwanzigjährig  auf  einem  in  Genua 
gehaltenen  Generalkapitel  Alles  in  Erstaunen  setzte.  In  Padua 
erlangte  er  den  Magistergrad,  lehrte  Theologie  an  verschiede- 
nen Universitäten,  wurde  im  Jahre  1464  Ordensgeneral,  ver- 
focht mit  so  grossem  Eifer  die  Privilegien  seines  Instituts  gegen 
Papst  Paul  U.  dass  dieser  mit  seinen  beabsichtigten  Maass- 
regeln nicht  weiter  ging,  hingegen  dem  rüstigen  Kämpfer  am 
18.  September  1467  wie  es  heisst  auf  Bessarions  Rath  den 
rothen  Hut  verlieh.  Der  Cardinal  von  S.  Pietro  in  vincoli  war 
siebenundfünfzig] ährig,  als  Guillaume  d*Estouteville  welcher 
mehr  denn  einmal  dem  Papstthum  nahe  gestanden  war  und 
es  nie  erlangen  sollte,  ihn  am  25.  August  zum  Bischof  weihte, 
worauf  Rodrigo  Borgia  ihn  auf  den  Stufen  von  St.  Peter  krönte. 
Bei  der  Besitznahme  kam  es  auf  dem  Lateranplatze  zu  argem 
Tumult,  indem  das  Volk  mit  der  päpstlichen  Garde  in  Streit 
gerieth  und  gegen  Waffen  mit  Steinen  kämpfte. 

Der  neue  Papst  erwies  sich  dankbar  gegen  diejenigen  denen 
er  seine  Erhebung  verdankte.  Cardinal  Orsini  wurde  Camer- 
lengo, Borgia  erhielt  die  Abtei  Subiaco,  Gonzaga  die  von  S. 
Gregorio.  Die  Gunstbezeigungen  richteten  sich  aber  bald  nach 
einer  andern  Seite.  ■  Sixtus  IV.  hatte  zahlreiche  Verwandte  und 
wenn  er  schon  als  Cardinal  deren  Interesse  gefördert  hatte, 
war  jetzt  die  Zeit  gekommen  sie  zu  erhöhen.  In  dem  ersten 
Consistorium  vom  15.  December  ernannte  er  zwei  CardinÜe: 
beide  waren  seine  Neffen  und  junge  Männer.  Der  eine  war 
sein  Bruderssohn  Giuhano  della  Rovere,  der  andere  Pietro 
Riario ,  Sohn  einer  seiner  Schwestern  Namens  Bianca  und  eines 


Die  Cardhiäle  Giuüano  della  Rovere  und  Pietro  Riario.  165 

Mannes  geringer  Herkunft  aus  Savona.  Die  päpstlichen  Ne* 
poten  waren  sehr  verschiedene  Naturen.  Giuliano  war  am 
5.  December  1443  in  Albizzola  geboren ,  trat  jung  in  den  Fran- 
ciscanerorden,  studirte  in  Perugia,  war  viel  in  der  Nähe  des 
Oheims  auch  nachdem  er  ein  französisches  Priorat  erhalten 
hatte.  Sixtus  IV.  machte  ihn  alsbald  nach  seiner  Erhebung 
zum  Bischof  von  Carpentras  und  ertheilte  ihm  dann  seinen 
eignen  Cardinalstitel  von  S.  Pietro  in  vincoli.  Frühe  schon 
legte  (xiuliano  della  Rovere  die  Eigenschaften  an  den  Tag, 
welche  seine  lange  und  glänzende  Laufbahn  in  der  politischen 
Geschichte  Italiens  wie  in  der  seiner  geistigen  Cultur  so  be- 
merkenswerth  gemacht  haben.  Wenn  er  gleich  den  Anderen 
von  dem  zum  System  gewordenen  Misbrauch  Vortheil  zog 
welcher  Bisthümer  und  Abteien  in  Menge  auf  dem  Haupte 
eines  Einzelnen  vereinigte,  zum  einzigen  Zweck  ihm  reiche 
Einkünfte  zu  verschaffen,  wenn  ihn  sein  Oheim  zum  Erz- 
bischof von  Avignon  dann  von  Bologna,  zum  Bischof  von 
Lausanne,  Coutances,  Yiviers,  Mende,  endlich  von  Ostia  und 
Velletri,  zum  Abt  von  Nonantola  und  Grottaferrata  machte, 
Beneficien  auf  Beneficien  häufte,  so  legte  Giuliano  so  in  der 
Verwendung  seines  Einkommens  wie  in  seiner  ganzen  Lebens- 
weise eine  Umsicht  und  einen  Ernst  an  den  Tag,  welche  ihn 
vor  manchen  Anderen  vortheilhaft  auszeichneten.  Wenn  seine 
Sitten  nicht  rein  waren ,  war  seine  Haltung  stets  voll  Anstand, 
und  alsbald  nach  seiner  Erhebung  zum  Cardinalat  begann  er 
den  schönen  Künsten,  namentlich  dem  Bauwesen,  die  Auf- 
merksamkeit zu  widmen  die  ihm  unvergänghchen  Ruhm  bereitet 
hat,  während  seine  Studien  ernsten  Dingen  zugewandt  waren, 
welche,  wenn  sie  grossentheils  ausserhalb  des  geistlichen  Be- 
reichs lagen,  ihn  zu  jener  grossartigen  Thätigkeit  befähigten 
die  schon  unter  der  Regierung  Sixtus'  IV.  ihren  Anfang  nahm. 
In  des  Papstes  Gunst  jedoch  stand  der  Cardinal  von  S. 
Pietro  in  vincoli  beiweitem  dem  Verwandten  nach,  der  an 
demselben  Tage  mit  ihm  den  rothen  Hut  erhielt.  Die  Her- 
kunft Pietro  Riarios  war  dunkel.  Dem  Franciscanerorden  an- 
gehörend war  er  vom  Cardinal  della  Rovere  in  seine  Nähe 
gezogen  und  nach  Pauls  IL  Tode  zu  seinem  Conclavegenossen 
gewählt  worden.  Seinem  Einfluss  schrieb  man  es  zu,  dass 
der  Cardinal  bei  der  Papstwahl  auf  Bedingungen  einging  die 
den  bisher  von  ihm  an  den  Tag  gelegten  Grundsätzen  wenig 


166  LnxuvS  des  Cardinais  Pietro  Riario. 

entsprachen.    Der  Nepote  wurde  alsbald  Bischof  von  Treviso 
und   dann  Cardinal  von   S.  Sisto.      An  Bisthümern  und  Com- 
menden  hatte  er  ebensowenig  Mangel   wie  Giuliano;  von  dem 
Einkommen    welches    der    Oheim    ihm    verschwenderisch   zu- 
wandte, machte  er  verschwenderischen  Gebrauch.    Es  fehlte 
ihm   nicht   an  Geist   noch  an  Gewandtheit,    wodurch  er  sich 
Sixtus'  Gunst  sicherte.     Aber  sein   Ehrgeiz  wurde  noch  vom 
Hange  zum  Luxus  übertroffen,  so  dass  er  in  ärgster  Verschleu- 
derung und  weltlichstem  Glänze  seinen  Meister  suchte.    Als  im 
Mai   1473    Eleonora    d'Aragona    König   Ferrantes    Tochter  als 
Braut  Ercoles  von   Este  in  Rom  war  und  im  Palast  bei  der 
Apostelkirche  wohnte,  gab  ihr  der  Cardinal  von  S.  Sisto  ein 
Fest  wie  man  kein  ähnUches  in  Rom  gesehn  hatte.    Der  ganze 
Apostelplatz  wurde  mit  Brettergerüsten  umgeben  welche  Loggien 
bildeten  und  mit  Tuch  bedeckt  waren,  während  man  in  der  Mitte 
zwei  grosse  Springbrunnen  angebracht  hatte.     Auch  über  dem 
Porticus  der  Kirche   war  eine  schöne  Loggia   errichtet.     Die 
Prinzessin  und  ihr  Gefolge,   der  Cardinal  und  seine  Freunde 
nahmen   an   einem    glänzenden    Bankett  Theil    welches   mehre 
tausend  Ducaten   kostete;  die  Menge   des   Silbergeschirrs  war 
so  gross ,  dass  man  nicht  geglaubt  hätte  der  Schatz  der  Kirche 
reiche  dazu  hin.     Nach   dem  Gastmal  führten  die  in  Rom  an- 
wesenden Florentiner  ein  Schauspiel  auf,   die  Geschichte  Su- 
sannas ,  an  folgenden  Tagen  die  Enthauptung  des  Täufers  und 
die  Fabel  von  einem  Juden  der  die  Hostie  geröstet  haben  sollte. 
Die  Verschwendung  in  der  Wohnung  der  Gäste  war  so  gross 
dass  man  sich  nur  vergoldeten  Hausgeräths  bediente.   Zu  irgend- 
etwas, setzt  der  Annalist  Stefano  Infessura  hinzu,    muss  der 
Reichthum  der  Kirche  dienen.     Es  sollte  nicht  lange  währen. 
Am   5.  Januar  1474,    erzählt   derselbe    Berichterstatter,   starb 
der  Cardinal  von  S.  Sisto  an  Gift.     So  nahmen  unsere  Feste 
ein  Ende,  weshalb  das  Volk  ihn  sehr  beweinte.    Er  hatte  nicht 
weniger  als  fünfhundert  Leute  in  seinem  Dienste  gehabt  und 
soll  während  seines  kurzen  Cardinalats  blos  für  seinen  Tisch 
gegen  300,000  Ducaten  ausgegeben ,  über  70,000  Ducaten  Schul- 
den und  dreihundert  Pfund  kunstvoll  gearbeiteten  Silbers  ausser 
dem  reichen  Tafel-  und  Hausgeräth  hinterlassen  haben. 

Diese  beiden  Nepoten  genügten  Sixtus  IV.  umsoweniger, 
da  er  den  einen  derselben  früh  verlor,  der  andere  sich  nicht 
immer  nach  seinem  Willen  handhaben  liess.    Im  Verlauf  der 


Päpstliche  Nepotoii.    DcUa  Rovere  und  Riario.  167 

Jahre  machte  er  den  Sohn  seiner  an  Giovanni  Basso  verhei- 
ratheten  Schwester  Luchina,   Girolamo,  dann   den  Neffen   des 
verstorbenen  Cardinais  Riario  Kaffaello  Sansoni  zu  Cardinäien, 
iadetn  er  beiden  seinen  Familiennamen  gab.  Die  weltliche  Grösse 
des  Hauses  sollte  durch  andere  Mitglieder  desselben  begründet 
werden.   Da  des  Papstes  Bruder  Rafiaello ,  Vater  des  Cardinais 
von  S.  Pietro  in  vincoli,  bejahrt  war  und  keine  Lust  zeigte  aus 
dem  Privatleben  herauszutreten,  wurde  Leonardo  della  Rovere, 
wie  es  heisst  des  Cardinals  Bruder,   zum  Präfecten  von  Rom 
erhoben,  während  der  Papst  ihm  von  König  Ferrante  die  Zu- 
sage der  Hand  einer  seiner  natürlichen  Töchter  erlangte.     Der 
Heiratscontract  war  für  den  Kirchenstaat  unvortheilhaft  genug. 
Der  Papst  bestätigte   nicht  nur  auf  immer  die  Erlasaung  des 
Lehnzinses:    er    entsagte    auch    dem   Hoheitsrecht   über   Sora 
und  Arce,   welches,   seit  Kaiser    Friedrichs  H.   Tagen   Gegen- 
stand   des    Streites    zwischen    der   Kirche    und   Neapel,    von 
den  letzten  Päpsten  mit  Erfolg  behauptet  worden  war.    König 
Ferrante  belehnte  Leonardo  della  Rovere  mit  Sora,  aber  Leo- 
nardo starb   schon   im   Jahre    1475   kinderlos   und   das   Lehn 

r 

ist  bei  der  Krone  Neapel  geblieben,  obgleich  es  anfangs  an 
Giovanni  della  Rovere,  einen  ächten  Bruder  Giulianos  kam. 
Dieser  war  von  der  gesammten  Familie  der  dauernd  glück- 
lichste in  seiner  Stellung.  Denn  Sixtus  verlieh  ihm  ausser 
der  Würde  eines  Präfecten  von  Rom  nicht  nur  die  ansehn- 
lichen Vicariate  von  SenigalUa  und  Mondayio  in  der  Mark, 
welche  vordem  Antonio  Piccolomini  Herzoge  von  Amalfi  ge- 
bort und  sich  nach  Pius*  U.  Tode  gegen  denselben  aufge- 
lehnt hatten,  sondern  brachte  auch  seine  Heirat  mit  Gio- 
vanna  von  Montefeltro,  der  Tochter  Federigos  von  ürbino 
zustande,  unter  welchem  Giovanni  das  Kriegswesen  erlernt 
hatte.  Eine  Heirat  durch  welche  das  Herzogthum  Urbino  an 
das  Geschlecht  der  della  Rovere  gekommen  ist,  das  es  bis 
zu  seinem  Aussterben  gegen  hundertfunfundzwanzig  Jahre  lang 
besessen  hat. 

Keiner  aber  von  Sixtus'  Nepoten  machte  so  viel  von  sich 
reden  wie  Girolamo  Riario  Bruder  des  Cardinals  von  S.  Sisto. 
Ihm  verlieh  der  Papst  das  Vicariat  von  Imola  das  einst  den 
Manfredi  gehört  hatte.  Ihm  verschaffte  er  die  Hand  einer  na- 
türUchen  Tochter  Galeazzo  Marias  von  Mailand  Caterina  Sforza 
mit  reicher  Mitgift.    Ihn  erhob  er  zum  Generalcapitän  der  Kirche 


168  Unternehmen  gegen  die  Türken. 

und  gestattete  ihm  auf  die  römischen  und  allgemeinen  politi- 
schen Angelegenheiten  wie  auf  seine  EntschUessungen  einen 
Einfluss,  der  die  traurigsten  Folgen  nach  sich  gezogen  hat.  An 
Prachtliebe  stand  Girolamo  seinem  Bruder  kaum  nach.  Am 
25.  April  1476  hielt  er  auf  Piazza  Navona,  in  deren  Nähe 
sein  Palast  an  Piazza  St.  ApoUinare  lag,  ein  Turnier  an  wel- 
chem zahlreiche  Italiener,  Catalanen  und  Burgunder  theibah- 
men  und  wobei  gegen  Hunderttausend  zugegen  gewesen  sein 
sollen.  Drei  Tage  währte  das  Lanzenstechen,  drei  kostbare 
Preise  waren  ausgestellt  von  denen  zwei  durch  Römer,  einer 
durch  einen  Neapolitaner  gewönnen  wurden.  So  ward  ein  Mann 
der  als  Cardinal  ein  ernstes  den  Geschäften  und  den  Wissen- 
schaften gewidmetes  Leben  geführt  hatte ,  als  Papst  in  die  Ver- 
irrungen  eines  Nepotismus  hineingezogen  der  das  bisherige 
Maass  nepotistischer  Päpste  weit  hinter  sich  liess. 

Die  Anfange  der  Regierung  Sixtus'  IV.  Uessen  sonst  hoffen 
dass  er  sich  den  Angelegenheiten  des  Orients  mit  thätigem 
Eifer  zuwenden  würde.  Alsbald  nach  seiner  Thronbesteigung 
stellte  ihm  eine  venetianische  Gesandtschaft  die  tägUch  sich 
steigernde  Gefahr  vor,  in  welche  Mohammeds  IL  Eroberungen 
die  Christenheit  brachten.  Der  neue  Papst  trug  sich  mit  der 
Idee  eines  in  Rom  zu  haltenden  allgemeinen  christUchen  Con- 
gresses  für  welche  er  zunächst  den  Kaiser  zu  gewinnen  suchte, 
sandte,  als  Friedrich  III.  statt  Roms  üdine  vorschlug,  Le- 
gaten nach  Teutschland,  Ungarn,  Frankreich,  Spanien  um  mit 
den  einzelnen  Staaten  sich  zu  verständigen,  schloss,  als  der 
Erfolg  ein  negativer  war ,  einen  Vertrag  mit  Venedig  und  Neapel, 
zum  Zweck  den  Kampf  gegen  die  türkische  Macht  zur  See  zu 
be^nen.  Pietro  Mocenigo  und  Cardinal  Oliviero  Carafa  soll- 
ten das  Geschwader  befehligen  welches  aus  etwa  hundert  Ga- 
leeren bestand.  Am  Fronleichnamstage  1472  zog  Sixtus  mit 
zahlreichem  Gefolge  nach  St.  Paul  wo  die  Armada  lag, 
segnete  Mannschaft  und  Schiffe,  ertheilte  ihnen  die  Standarten 
mit  seinem  Wappen.  Die  Expedition  blieb  nicht  ohne  einzelne 
Erfolge  im  Archipel  und  an  den  anatolischen  Küsten ,  verfehlte 
jedoch  ihren  Zweck  im  Grossen,  da  man  unterliess  sich  mit  dem 
den  Türken  feindlichen  Perserkhan  rechtzeitig  zu  gemeinsamem 
Handeln  zu  verständigen.  Im  Januar  folgenden  Jahres  sahen 
die  Romer  das  Gepränge  eines  Triumphzugs,  aber  die  fünfund- 
zwanzig   türkischen   Gefangenen    und    das    Dutzend    Rameele 


Kämpfe  in  Umbrien.    Jubeljahr.    König  Fcrrantc  in  Rom.  169 

welche  der  Cardinallegat  ihnen  vorführte,  waren  ein  geringer 
Gewinn.  Der  Papst  schien  sich  jedoch  damit  zu  begnügen. 
Zwar  gewährte  er  noch  einmal  der  den  Kampf  für  ihre  levan- 
tinischen  Besitzungen  wie  für  die  Christenheit  im  Allgemeinen 
fortsetzenden  Republik  Beistand,  aber  sein  Hauptaugenmerk 
war  auf  die  italienische  Politik  gerichtet  in  welche  die  Nepoten 
ihn  mehrundmehr  verstrickten.  Er  begann  mit  den  Unterhand- 
lungen in  Mailand,  zum  Zwecke  Girolamo  Riarios  Stellung  in 
der  Romagna  zu  begründen  und  zu  sichern.  Dann  wandte  er 
seine  Blicke  auf  Umbrien.  Eine  vom  Cardinal  della  Rovere 
geführte  Kriegsschaar  stellte  in  dem  parteizerrissenen  Todi  die 
Ruhe  her,  bezwang  das  wider  die  päpstliche  Herrschaft  em- 
pörte Spoleto,  nöthigte  Niccolo  Vitelli  Herrn  von  Citta  di 
Castello  sich  der  Kirche  zu  unterwerfen,  eine  Angelegenheit 
welche  den  Grund  zu  [dem  Zerwürfniss  des  Papstes  mit  Vi- 
tellis  Beschützerin,  der  RepubUk  Florenz  legte,  das  nachmals 
so  bittere  Früchte  trug.  Der  König  von  Neapel  welcher  in 
allen  italienischen  Verwicklungen  und  Händeln  die  Hand  hatte, 
trug  kaum  weniger  als  die  Nepoten  dazu  bei,  den  Papst  in 
das  Gewebe  einer  Politik  hineinzuziehn ,  die  an  jähen  Wechseln 
nicht  minder  reich  war,  als  einst  die  Condottierenwirthschaft 
in  ihren  blühendsten  Zeiten. 

Im  Jahre  1475  feierte  Sixtus  IV.  das  siebente  Jubiläum. 
Schon  herrschten  in  Rom  ansteckende  Krankheiten,  so  dass 
die  Pilgerzahl  beiweitem  geringer  war  als  bei  früheren  ähn- 
lichen Gelegenheiten.  Im  vorhergehenden  Frühling  hatte  ein 
nordischer  Herrscher  die  Stadt  als  Pilger  besucht,  König 
Christian  von  Dänemark,  der  mit  einem  für  diese  Zeit  gerin- 
gem Gefolge  von  etwa  himdertvierzig  Reitern  und  wenig  Ge- 
päck reiste  und  grossentheils  zu  Fusse  ging.  Ganz  anders  trat 
Konig  Ferrante  auf,  der  am  6.  Januar  in  Rom  eintraf,  wie  es 
hiess  zum  Jubiläum,  inderthat  um  mit  dem  Papste  sich  zu  be- 
sprechen wegen  eines  zwischen  Venedig,  Mailand  und  Florenz 
abgeschlossenen  Bündnisses  welches  Beiden  Sorge  machte. 
Ferrante  kam  mit  seiner  Gemalin  und  grossem  Gefolge  von 
Baronen  und  Rittern;  die  vielen  Falken  die  er  mit  sich  führte, 
berichtet  ein  Annalist,  säuberten  Stadt  und  Umgebung  von 
allen  Eulen.  Den  drei  grossen  BasiUken,  den  Conservatoren, 
Caporionen  und  Kanzlern,  den  Reformatoren  der  Universität 
machte  er  Geschenke  von  Goldbrocat  und  feinem  Tuch.    Die 


170      König  Feiraiite  und  die  Strassen  Roms.  Seuche  des  Jahres  1476. 

Merkwürdigkeiten  der  Stadt  besuchte  er  und  ward  überall 
ehrenvoll  empfangen.  »Als  er  alles  in  Augenschein  genonunen, 
erzählt  Stefano  Infessura,  begab  er  sich  nach  dem  Palast  und 
sagte  zum  Papste,  er  sei  nicht  Herr  der  Stadt  solange  die 
Portiken,  Vorbaue,  ßalcone  und  Söller  bestanden  und  die 
Strassen  so  enge  blieben.  Wäre  es  einmal  nöthig  bewaffnetes 
Volk  gegen  die  Römer  zu  brauchen,  so  würden  die  Frauen 
hinreichen  demselben  mit  Wurfgeschossen  und  Steinen  den 
Garaus  zu  machen.  Wolle  er  sich  der  Stadt  versichern,  so 
müsse  er  alle  diese  Hindernisse  wegräumen  und  die  Strassen 
breiter  machen.  Der  Papst  befolgte  den  Rath  und  von  Stund 
an  ging  er  ans  Werk  unter  dem  Vorwande,  die  Strassen  zu 
pflastern  und  den  Wohnungen  mehr  Licht  zu  verschaffen.« 
Die  Via  Sistina  der  Leostadt,  heute  Borgo  S.  Angelo,  wurde' 
im  Jubiläumsjahre  vollendet.  Die  Bulle  mittelst  welcher  Sixtus IV. 
die  Arbeiten  zur  Verschönerung  Roms  verordnete,  ist  indess  erst 
fünf  Jahre  nach  diesem  Besuch  und  Rath  König  Ferrantes  er- 
lassen worden.  Unter  denen  welche  den  Jubiläumsablass  er- 
langten befanden  sich  auch  die  beiden  länderlosen  Königinnen, 
denen  wir  in  der  Geschichte  der  Regierung  Pius'  U.  begeg- 
net sind. 

Die  Seuche  welche  Rom  bedrängte  und  durch  eine  Ueber- 
schwemmung  neue  Nahrung  erhielt,  nahm  zu  Anfang  des  Som- 
mers 1476  dermaassen  zu,  dass  Processionen  angeordnet  wurden 
und  der  Papst  die  Stadt  verliess,  in  welcher  der  Cardinal  von 
Molfetta  Giovan  Batista  Cybo  als  Legat  zurückbheb.  Der  Sena- 
torspalast wurde  geschlossen  und  am  Fusse  der  Treppe  Recht 
gesprochen.  Sixtus  verweilte  längere  Zeit  im  Patrimonium  und 
in  Umbrien,  und  kehrte  erst  zu  Ende  Octobers  nach  Rom  zu- 
rück. Das  folgende  Jahr  drohte  ein  stürmisches  zu  werden. 
In  Mailand  wurde  Galeazzo  Maria  Sforza  ermordet,  in  Neapel 
schienen  die  wieder  hervorgezogenen  Ansprüche  der  in  Spanien 
und  Sicilien  herrschenden  ächten  Aragonesen  neue  Unruhen 
veranlassen  zu  müssen.  Dort  bewahrte  momentan  eine  Regent- 
schaft für  den  minderjährigen  Giovan  Galeazzo,  hier  eine  Ver- 
schwägerung zwischen  den  beiden  miteinander  hadernden  Linien 
des  Hauses  unter  vermittelnder  Theilnahme  des  Papstes  auf 
längere  Zeit  die  Ruhe.  Das  Jahr  1478  aber  war  ein  desto  mehr 
gestörtes ,  und  Sixtus  IV.  trägt  die  schwere  Schuld  einen  Brand 
entzündet  zu  haben ,  dessen  Flammen  einen  nach  Jahrhunderten 


Vprschwöriing  der  Pn7,t\.  171 

noch  grellen  und  anklagenden  Widerschein  auf  seine  Regierung 
geworfen  haben.    (Jeher  das  Maass  der  Betheiligung  des  Papstes 
aQ  der  Verschwörung  der  Fazzi  mag  man  streiten:  dass  er  um 
die  Verschwörung  wusste  und  sie  nicht  verhinderte,  dass  seine 
Verwandten  in  dieselbe  verwickelt  waren ,  ist  eine  traurige  That- 
sache.    Cosimos  des  Alten  Enkel  Lorenzo  und  Giuliano  de'  Me- 
(lici  standen  an  der  Spitze  der  Republik  Florenz.    Diese  Re- 
pubUk  war  der  päpstlichen  Politik  in  Cittä  di  Castello,  in  der 
Romagna,  in  Mailand   in  den  Weg  getreten;  Girolamo  Riario 
fand  sich  überall,  wo  er  seine  Macht  und  seinen  Einfluss  zu 
steigern  suchte,  den  Medici  gegenüber.    Man  beschuldigte  diese 
bei  der  Widersetzlichkeit  und  den  Umtrieben  unruhiger  päpst- 
licher Lehnsleute ,  wie  Deifebo  von  Anguillara  und  Carlo  Forte- 
braccio  von  Montone,  die  Hand  im  Spiele  zu  haben.     Sixtus 
hatte  zu  Anfang  seines  Pontificats  die  Brüder  begünstigt.    ¥.t 
hatte  ihrer  römischen  Bank  die  päpstlichen  Geldgeschäfte  über- 
tragen, ihnen  die  Alaunwerke  von  Tolfa  verpachtet,  Lorenzos 
Vorliebe  für  Kunstsachen   und  Alterthümer   begünstigt.     Der 
Cardinalspurpur  scheint  Giuliano  zugedacht  gewesen   zu  sein. 
Die  ersten  Anlässe  der  dann  folgenden  Entzweiung  sind  viel- 
fach gedeutet  worden:   am  wahrscheinlichsten  hat  man  sie  in 
dem  unruhigen  Ehrgeiz  Girolamo  Riarios  zu  suchen.      Diesem 
ward  es  um  so   leichter  seinen  Oheim  völlig  umzustimmen,  da 
die  Weigerung  der  florentiner  Signorie,  den  vom  Papste  zum 
Erzbischof  von  Pisa  ernannten  Francesco  Salviati  zuzulassen, 
8ixtus  IV.  aufs  äusserste  erbitterte. 

Der  Hass  zwischen  den  Medici  und  der  Familie  der  Pazzi 
kam  den  Absichten  Riarios  zustatten.    Die  Pazzi,  angeblich  ein 
Geschlecht  von  altem  Adel  aus  dem  Valdarno,  waren  mit  den 
Medici  längst  wegen  des  überwiegenden  Einflusses  dieser  letzte- 
ren,   neuerdings  auch  wegen  Privat-  und  Geldinteressen  ver- 
feindet.    Eine  zwischen    beiden  Familien   stattgefundene   Ver- 
schwägerung hatte  deren  Verhältniss  nicht  dauernd  gebessert. 
In  Francesco  de*  Pazzi  welcher  gleich  so  manchen  seiner  Lands- 
leute in  Rom  eine  Bank  hatte,  fand  Girolamo  Riario  einen  thäti- 
gen  Theilnehmer.    Mit  der  Uebertragung  der  Geldgeschäfte  von 
den  Medici  an  ihre  Nebenbuhler  wurde  begonnen:   das  ;Ende 
der  Verhandlungen  war  ein  Complott  zum  Umsturz  der  Auto* 
ritat  welche  Cosimo  auf  seine  Nachkommen  vererbt  hatte.    Ein 
Condottiere  im  päpstlichen   Dienst  Giovan  Batista  di  Monte- 


172  Vcrscliworuiig  der  Pazzi  und  florenthiischer  Krieg. 

secco  sollte  in  Florenz  die  Ausfuhrung  leiten,  zu  welcher  die 
Pazzi  und  ihre  Freunde  die  Vorbereitungen  treffen  würden. 
Der  Papst  wurde  von  dem  Anschlag  in  Kenntniss  gesetzt.  Er 
gab  seine  Zustimmung  zu  der  beabsichtigten  Staatsveränderang, 
unter  dem  ausdrücklichen  Vorbehalt  dass  kein  Blut  ve^ossen 
werden  sollte.  Es  war  leicht  vorauszusehn  wie  man  vorkom- 
mendenfalls  diese  Weisung  befolgen  würde. 

Die  Verschwörung  der  Pazzi  ist  eins  der  bekanntesten  Er- 
eignisse der  florentinischen  Geschichte.  Die  allmälige  Vereini- 
gung der  Häupter  des  Complotts,  mit  Ausnahme  Girolamo 
Riarios,  in  der  Stadt  wohin  dessen  Neffe  der  siebzehnjährige 
Cardinal  Raffael  gesandt  ward ,  der  Beschluss  die  Brüder  Medici 
auf  ihrer  Villa  bei  Fiesole  zu  tödten ,  als  dies  nicht  gelang  der 
Angriff  auf  dieselben  während  der  in  des  Cardinais  Beisein 
celebrirten  Hochmesse  in  Sta  Maria  del  fiore^  Giulianos  Er- 
mordung, Lorenzos  Rettung,  die  Erhebung  des  Volkes  zu 
seinen  Gunsten,  die  Gefangennehmung  und  der  Tod  seiner 
Gegner:  solche  sind  die  einzelnen  Scenen  der  Tragödie  vom 
26.  April  1478.  Der  in  den  Anschlag  verwickelte  Erzbischof 
von  Pisa  hing  todt  an  einem  Fenster  des  Palastes  der  Signorie: 
Raffaello  Riario  war  ein  Gefangener.  Der  Papst,  ohne  die  Er- 
klärungen der  Republik  abzuwarten,  erklärte  die  geistlichen 
Immunitäten  für  verletzt,  belegte  das  mediceische  Eigenthum 
in  Rom  mit  Beschlag,  liess  alle  auf  päpstlichem  Territorium 
befindlichen  Florentiner  verhaften,  sprach  das  Interdict  über 
Florenz  aus,  als  die  Republik  die  Sache  der  Medici  zu  der 
ihrigen  machte.  Schon  am  12.  Mai  traf  der  Thronerbe  von 
Neapel  Herzog  Alfons  von  Calabrien  in  Rom  ein ,  um  den  Ober- 
befehl über  die  gegen  die  Florentiner  vereinten  neapolitanischen 
und  päpstlichen  Truppen  zu  übernehmen.  Florenz ,  von  seinen 
Verbündeten  schwach  unterstützt,  hatte  kein  Glück  in  diesem 
Kriege,  der  das  Land  bis  in  die  Nähe  der  Hauptstadt  ver- 
wüstete. Aber  Papst  und  Papstthum  hatten  von  demselben 
Kriege  ebensowenig  Gewinn.  Das  Papstthum  sah  im  Herzen 
Italiens  seine  Autorität  in  Frage  stellen,  das  Interdict  mis- 
achten,  an  ein  künftiges  Concil  appelUren,  einen  firemden 
Herrscher,  Ludwig  XL  von  Frankreich,  für  die  RepubUk  Par- 
tei ergreifen,  die  Concilsfrage  wieder  anregen,  beinahe  mit 
Obedienzentziehung  drohen.  Der  Papst  sah  seine  poUtischen 
Pläne  durchkreuzen,  zuerst  indem  Venedig,  eines  ungleichen 


Versöhnung  mit  Floi-enz.    Die  Türken  in  Otranto.  173 

Kampfes  müde,  sich  mit  Mohammed  11.  vertrug,  sodann  indem 
sein  eigner  Bundesgenosse  von  Neapel,  durch  Lorenzo  de' 
Medici  gewonnen,  mit  Florenz  einen  Separat&ieden  schloss. 
Demioch  wollte  Sixtus,  von  seinem  schlimmen  Neffen  bethört, 
nichts  von  Versöhnung  hören,  auch  dann  nicht  als  eine  un- 
günstige Kunde  nach  der  andern  einhef,  als  im  Mai  1480  eine 
zahlreiche  türkische  Flotte  Rhodus  angriff,  als  am  2.  August 
Otranto  in  die  Hände  der  Ungläubigen  fieL  Ganz  Italien  ge- 
rieth  in  die  entsetzlichste  Aufregung.  Schon  sah  man  den 
Feind  vor  Roms  Thoren;  es  heisst  der  Papst  habe  im  ersten 
Schrecken  nach  Avignon  fliehen  wollen.  Aber  er  ermannte 
sich  wrieder  und  rief  alle  christlichen  Fürsten  zum  Kampfe. 
Zugleich  rüstete  er,  dem  neapohtanischen  Könige  beizustehn. 
Die  Nachricht  dass  die  am  8.  September  stattgefundene  £r- 
nemiimg  Girolamo  Riarios  zum  Generalcapitan  der  Kirche  und 
die  vom  Papste  vollzogene  Fahnenweihe  die  Fortsetzung  des 
Ksunpfes  gegen  die  Florentiner  beabsichtigte,  passt  freihch 
nicht  zu  solchem  Eifer  gegen  die  Feinde  des  christlichen  Glau- 
bens. Wie  dem  sein  möge,  am  3.  December  1480  wurde  die 
RepubUk,  welche  durch  eine  feierhche  Gesandtschaft  Wieder- 
versöhnung mit  der  Kirche  nachsuchte,  zu  Gnaden  aufgenom- 
men unter  der  Bedingung,  dass  sie  an  dein  Feldzuge  gegen 
die  Türken  theilnehmen  sollte,  der  nun  den  Papst  vorzugsweise 
in  Anspruch  nahm. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1481  versammelten  sich  in  Rom  die 
Bevollmächtigten  der  italienischen  Staaten.  Die  dringende  Ge- 
fahr beschleunigte  den  Abschluss  des  Bündnisses  von  welchem 
nur  Venedig  sich  fernehielt.  Mit  dem  Reich,  Frankreich,  Un- 
garn waren  bereits  Unterhandlungen  angeknüpft.  Die  Belage- 
rung Otrantos  durch  den  Herzog  von  Calabrien  hatte  während- 
dessen begonnen.  Sie  drohte  sich  in  die  Länge  zu  ziehn  und 
den  Kampf  auf  grösserm  Schauplatz  zn  entzünden ,  als  der  am 
13.  Mai  erfolgte  plötzhche  Tod  Sultan  Mohanuneds  und  die  in 
seiner  FamiUe  ausbrechende  Uneinigkeit  den  Dingen  eine  andere 
Wendung  gaben.  In  Rom  war  die  Freude  unbeschreibÜch,  als 
die  Kunde  von  Mohammeds  Ende  anlangte:  die  ganze  Christen- 
heit, sagt  ein  Annalist,  wäre  in  seine  Gewalt  gerathen,  hätte 
Gott  nicht  geholfen.  Am  4.  Juni  hielt  der  Papst  mit  allen  Car- 
dinälen  und  dem  gesammten  Clerus  einen  feierhchen  Umzug 
dnrch  die  Leostadt,  zur  Danksagung  für  das  glückliche  Ereigniss; 


174 


Fcn'areeischer  Krieg. 


an  beiden  folgenden  Tagen  wurde  die  Pro  (Zession  wieder- 
holt. Am  13.  September  erhielt  mm  die  Nachricht  von  der 
drei  Tage  zuvor  erfolgten  Eroberung  Otrantos.  Es  wäre  <ler 
Moment  gewesen  den  Kampf  wid«:  den  Halbmond  in  der  Le- 
vante selbst  ernstlich  aufzunehmen.  Alles  hess  sich  dazu  gün- 
stig an.  Aber  kaum  war  die  nächste  Gefahr  von  Italien  abge- 
wasdt,  so  löste  sich  auch  das  Bündniss  welches  die  Bemühungen 
des  Königs  von  Neapel,  der  die  Lage  der  Dinge  richtig«  er- 
kannte als  die  übrigen,  nicht  zusammenzuhalten  vermogteu. 
Die  italienische  Uneinigkeit,  durch  die  Furcht  vor  den  Türken 
einen  Augenblick  beschwichtigt,  loderte  bald  wieder  in  hellen 
Flammen  auf,  und  Sixtus  IV.  hat  am  wenigsten  dazu  beige- 
tragen dea  Brand  zu  löschen. 

Zwischen  denselben  Mächten  welche  bei  Otranto  mitein- 
ander gegen  die  Ungläubigen  gekämpft  hatten,  brach  bald 
Hader  aus.  Der  Ehrgeiz  Girolamo  Riarios  verwickelte  den 
Papst  in  einen  Krieg,  dessen  Schauplatz  Borns  nächste  Um- 
gebung ja  Rom  selbst  ward.  Die  Wechsellalle  des  florentiai- 
schen  Krieges  hatten  Sixtus'  Verhältniss  zu  König  Feiraote 
gelöst  und  arges  Mistrauen  zwischen  Beiden  ausgesäet.  In 
demselben  Maasse  wie  er  sich  von  seinem  alten  Bunde^enossen 
entfernte,  hatte  der  Papst  sich  Venedig  genähert.  Girolamo 
suchte  von  dieser  Wendung  Nutzen  zu  ziehn.  Mit  Imola  niulit 
zufrieden  hatte  er  sich  beim  Aussterben  der  rechtmässigen 
Linie  der  Ordelaffi  Forlis  bemächtigt.  Indem  ei  sich  nun  mit 
Hülfe  Venedigs  zu  sichern  und  seinen  Besitz  zu  erweitern 
suchte,  zog  er  Sixtus  in  eine  Fehde  der  Republik  mit  Ercole 
d'Este ,  eine  Angelegenheit  in  welcher  die  Interessen  des  Kirchen- 
staats der  päpsthchen  Politik  eine  von  der  eingeschlagenen  ganz 
verschiedene  Richtung  hätten  vorschreiben  sollen.  Mailand- 
Florenz,  Neapel  ergriffen  Partei  für  den  Herzog  von  Ferrsra. 
der  Papst  erklärte  sich  für  Venedig.  Noch  standen  von  dem 
Xürkenkriege  her  die  meisten  römischen  Barone  im  Solde  Köaig 
Ferrantes,  als  der  Herzog  von  Calabrien,  seinem  Schwager  von 
Este  Hülfe  zu  leisten,  am  Tronto  erschien,  wo  Sixtus  ihm  den 
Durchzug  weigerte  und  seine  Vasallen  zurückrief. 

Es  war  im  Mai  1482.  Die  Orsinen,  an  ihrer  Spitze  \ir- 
^nio,  die  Conti  u.  A.  gehorchten  und  traten  in  päpstlichen  Dienst, 
auch  Giovanni  Colonna  von  Palestrjna.  Nicht  so  die  Colann» 
von  Paliano  und  die  SavelU,   denen   nicht  nur,  da  man  ihnen 


Kampf  mit  den  Nenpolitaiien)  in  Roms  Umgebung.  175 

nicht  traute,  ihre  festesten  Bürgen  als  Bürgschaft  abgefordert 
sondern  auch,  wie  es  heisst,  geringerer  Sold  als  den  Uebrigen 
geboten  wurde.  So  standen  die  Dinge  als  der  Herzog  von  Ca- 
labrien  in  den  Kirchenstaat  einfiel  und  bis  Grottaferrata  vor- 
rückte, während  seine  Leute  in  den  Sabiner  Bergen  plünderten. 
In  Rom  war  die  Bestürzung  gross.  Am  2.  Juni  liess  der  Papst 
die  Cardinäle  Colonna  und  Savelli  und  Mario  Savelli  in  die 
Engelsburg  bringen.  Der  savellische  Palast  wurde  der  Plünde- 
ning  preisgegeben.  Man  war  in  Rom  an  solche  Scenen  ge- 
wohnt: wenige  Wochen  vorher  hatte  der  Papst  die  Häuser 
der  Santacroce  wegen  einer  Eehde  derselben  mit  den  Della 
Valle  einreissen  lassen.  Vier  Tage  später,  am  Fronleichnams- 
feste, war  die  päpstliche  Mannschaft,  zwanzig  Fähnlein  Reiter 
mit  zahlreichem  Fussvolk,  marschbereit.  Girolamo  Riario  führte 
sie,  unter  ihm  der  Graf  Niccolö  von  Pitigliano,  Virginio  und 
Giordano  Orsini,  Giovanni  Colonna,  Giacomo  und  Andrea  de' 
Conti,  der  Gbraf  von  Mirandola  u.  A.  Die  Banner  der  Kirche 
vorauf  zogen  sie  nach  dem  Lateran  wo  sie  das  Lager  auf- 
schlugen. Die  Feinde  streiften  bis  zur  Porta  S.  Giovanni  vor 
welcher  unbedeutende  Scharmützel  stattfanden ,  plünderten  und 
verheerten  die  Felder.  Die  Bürger  gingen  in  Masse  zum  Papste, 
um  Abhülfe  des  mit  jedem  Tage  unerträglicher  werdenden  Zu- 
standes  zu  bitten.  Sie  brachten  schöne  Worte  heim,  Procla- 
mationen  verhiessen  Schadenersatz  auf  Kosten  der  Kammer, 
aber  es  blieb  bei  den  Versprechungen.  Als  die  Römer  dies 
sahen,  beschlossen  sie  was  noch  von  Getreide  auf  dem  Felde 
stand  in  der  Stadt  zu  bergen,  wurden  aber  daran  vom  Grafen 
Girolamo  gehindert,  der  sich  des  Restes  bemächtigte  um  die 
Soldforderungen  der  Seinigen  zu  befriedigen.  Fünf  Wochen 
lang  währte  solches  Treiben.  Unterdessen  lagen  die  Führer 
der  Truppen  im  Lateran,  und  spielten  Tage  lang  in  der  Sa- 
cristei  mit  Würfeln  und  Karten  auf  den  Truhen  welche  Reli- 
quien und  gottesdienstliche  Gefässe  enthielten.  Fast  niemand 
von  Andächtigen  wagte  sich  in  der  Kirche  blicken  zu  lassen. 
Am  13.  Juli  entstand  während  eines  heftigen  Sturmes  Feuer  im 
Lager,  welches  sich  vom  Thore  bis  gegen  S.  Matteo  auf  dem 
Esquilin  verbreitete.  Nicht  nur  die  Zelte  verbrannten  mit  allem 
was  darin  war,  sondern  eine  Menge  Pferde  kamen  um,  selbst 
Kranke  fanden  den  Tod  in  den  Flammen. 

Am  16.  Juli,  nachdem  die  Königlichen  unterdessen  Terracina 


176 


Treffen  bei  Campomorto. 


genommen  hatten,  brach  der  Herzog  von  Calabrien  nacli 
Ariccia  auf.  In  Rom  versuchte  namentlich  der  Cardinal  vou 
S.  Pietro  in  vincoli  den  Papst  zum  Frieden  zu  bewegen.  Als 
aber  einige  Tage  später  der  venetianische  Feldhauptmann  Ro- 
berto Malatesta,  obgleich  mit  geringer  Mannschaft,  anlangte, 
gewann  die  Kriegspartei  wieder  die  Oberhand.  Eine  Zeitlang 
zog  sich  der  Kampf  noch  hin  mit  unbedeutenden  Scharmützeln 
von  Capo  di  bove  und  den  Wasserleitungen  an  bis  zu  den  Al- 
banerhügeln.  Am  22.  August  aber,  nachdem  allmälig  venetia- 
nische Verstärkungen  angelangt  waren,  die  Stadt  Rom  selbst 
ihre  Bereitwilligkeit  zur  Hülfe  durch  die  That  bewiesen  hatte, 
erhielt  man  die  Nachricht  von  einem  entscheidenden  Siege. 

Etwa  dreissig  MiUien  von  Rom  erstreckt  sich  zwischen  den 
letzten  Ausläufern  der  Albanerhügel,   von  den  von  Citta  La- 
vigna    und   Velletri    nach   Porto    d'Anzo    führenden    Strassen 
durchschnitten,  ein  weites  waldiges  Sumpfland,  eine  ödeWild- 
niss  mit  kaum  anderen  Spuren   als  denen  der  Thätigkeit  von 
Köhlern,    ohne   grossartige  Baumpartien,    ohne    Abwechslung, 
ohne  Femsicht.     Nach   einer  dem  Apostelfursten   gewidmeten 
Kirche   und    den  zahlreichen  Canälen  welche   einst  die  Ebne 
trockenzulegen  versucht  hatten,  nannte  das  Mittelalter  den  Ort 
und  das  dort  entstandene  Castell  S.  Pietro  in  formis.    Fraugi- 
pani,    Annibaldi,     Savelli    waren    die    Besitzer    gewesen,    bis 
Eugen  IV.   den  mehrgenannten  Castellan   der  Engelsburg  An- 
tonio Rido   mit  dem  ansehnUcheu,   über  viertausend  Rubbien 
umfassenden  Grundstück  belieh,  welches  dieser  in  Nicolaus*  V 
Zeit  dem  vaticanischen  Capitel  verkaufte,  dem  die  Tenuta,  die 
grösste  der  römischen  Umgebung,  noch  heute  gehört.    Diesen 
Ort  hatte  der  Herzog  von  Calabrien,  nachdem  er  mit  Roberto 
Malatesta   das   WafTenglück   zu   versuchen    übereingekommen, 
zum   Schlachtfelde  gewählt.     Seine   Stellung  war  eine  starke, 
indem  seine  Truppen  ein  inselartig  gebildetes  Terrain  einnah- 
men, welches  in  dem  ringsumher  sumpfigen  und  mit  Gestrüpp 
bedeckten  Boden   nur  zwei  Zugänge  hatte,  deren  einen  zahl- 
reiche Bombarden  und  anderes  Geschütz  vertheidigten. 

Der  venetianische  Feldhauptmann  hatte  unter  seinen  Be- 
fehlen dreiunddreissig  Fähnlein  Reisiger  mit  vierundzwanzig 
anderen  Virginio  und  Paolo  Orsinis,  der  Grafen  von  Pitigliaflö 
und  Mirandola,  Giovanni  Colonnas  und  Giacomos  de'  Conti, 
acht    Schaaren    berittener    Bogenschützen    unter    seiner   und 


^ 


Sieg  der  Päpstlichen.    Roberto  Malatesta.  177 

Girolamo  Riarios  Fühnuag,  über  neuntausend  Füsser  nebst  Ar- 
tillerie und  Tross.  Am  Maria  Himmelfahrtstage  hatte  der  Papst 
von  einem  Fenster  des  Palastes  aus  über  diese  Truppen,  die 
unter  dem  Banner  des  h.  Marcus  und  dem  der  Schlüssel 
fochten,  auf  dem  Platz  vor  Sanct  Feter  Heerschau  gehalten. 
Um  die  siebzehnte  Stunde  des  21.  August  begann  von  der 
Seite  von  Velletri  her  der  AngriflF.  Die  Janitscharen  im  nea- 
politanischen Heere  wiesen  den  Anlauf  der  Päpstlichen  mehr- 
mals tapfer  zurück  und  diese  machten  keine  Fortschritte,  bis 
es  Giacomo  de'  Conti,  der  ohne  des  Herzogs  Vorwissen  in  der 
Nacht  zuvor  mit  seinen  Leuten  eingetroffen  war,  die  feindliche 
Stellung  zu  umgehn  gelang,  so  dass  Alfons  sich  genöthigt  sah 
seine  Linie  zurückzuziehn.  Die  vordringenden  Feinde,  welche 
nun  in  den  Bereich  der  Artillerie  gelangten,  litten  so  sehr 
durch  dieselbe,  dass  der  Sieg  längere  Zeit  zweifelhaft  blieb. 
Als  jedoch  die  Bombardiere  ilure  Geschütze  nicht  mehr  laden 
konnten  weil  das  Pulver  durch  anhaltenden  Regen  nass  ge- 
worden war,  erneute  sich  der  Angriff  mit  verdoppelter  Heftig- 
keit, bis  die  Päpstlichen  in  das  Centrum  der  neapolitanischen 
Stellung  eindrangen  und  unter  den  Reisigen,  deren. Pferde  sie 
niederstachen,  ein  arges  Gemetzel  anrichteten.  Nun  fürchtete 
der  Herzog  abgesclmitten  zu  werden  und  indem  er  den  Kampf 
fortzusetzen  befahl,  ritt  er  mit  wenigen  Begleitern  nach  Nettuno 
von  da  nach  Terracina.  So  endigte  der  Tag  mit  einem  voll- 
standigen  Siege  der  Päpstlichen  welche  viele  Gefangene  mach- 
ten. Auch  die  Zahl  der  Verwundeten  war  gross,  massig  die 
der  Todten,  obgleich  man  von  der  siebzehnten  zur  dreiund- 
zwanzigsten Stunde  gekämpft  hatte  und  obschon  der  Ort  nach 
diesem  Ereigniss  den  Namen  des  Todtenfeldes ,  Campomörto, 
erhielt.  Fahnen  und  Artillerie  fielen  in  die  Hände  des  Siegers 
der  sie  mit  den  Gefangenen  nach  Velletri  brachte. 

In  Rom  war  grosser  Jubel.  Das  Capitol,  die  Engelsbprg, 
die  Kirchen  und  die  ganze  Stadt  feierten  den  Sieg.  Am  30. 
wurden  die  gefangenen  Reisigen  eingebracht,  zweihundertsieb- 
zehn an  der  Zahl;  die  nicht  im  Castell  und  auf  dem  Capitol 
Raum  fanden,  wurden  nach  benachbarten  Burgen  gesandt. 
Roberto  Malatesta  war  erst  auf  einige  Tage  nach  Cavi  ge- 
gangen, dann  nach  Rom  gekommen,  vom  Papste  empüangen 
worden.  Er  ging  im  Hause  des  Cardinais  von  Mailand  woh- 
nen, aber  schon  am  8.  September  machte  ein  Fieber,  welches 

V.  Rvumoot,  Rum.    lU.  ^2 


178 


Friede  zwischen  dem  Papst  uud  NetpeL 


er  ohne  Zweifel  aus  der  verpesteten  Campagna  tnitfj^bncht 
hatte,  seinem  Leben  ein  Ende.  Sixtus  IV.  ehrte  den  Tapfem 
im  Tode  und  liess  ihm  in  Sanct  Peter  ein  Marmordenkm»] 
errichten.  Vielleicht  war  es  der  Verlust  des  Führers  der  ao 
der  rechten  Benutzung  des  errungenen  VortbeiU  hinderte. 
Mehre  Castelle  an  den  Albanerhügeln  kamen  zwar  in  päpst- 
liche Gewalt,  aber  die  Neapolitaner  blieben  in  der  Campagna. 
Es  war  für  Rom  und  seine  Umgebung  ein  trauriges  Jahr.  Nicht 
blos  die  WechseltuUe  des  Krieges ,  auch  Besorgnisse  vor 
wie  dererw  ach  ender  Opposition  in  Teutschland  vermogten  end- 
lich den  Papst  mit  dem  König  von  Neapel  Frieden  zu  schliesseD. 
Girolaino  Riario,  die  Seele  der  Riiegspartei,  soll  gewonneo 
worden  sein,  indem  man  ihm  auf  die  malateataschen  Lehoe 
Aussicht  machte.  Am  23.  December  1482  wurde  zwischen  dem 
Papst,  Neapel,  Florenz  und  Malland  Frieden  geschlossen.  Dem 
Herzog  von  Ferrara  wurde  sein  Staat  gesichert.  Die  Coloiuia 
und  Savelli  sahen  sich  der  Gnade  des  Papstes  anheimgegeben. 
Den  bisherigen  Bundesgenossen  desselben,  den  Venetiaaem, 
war  der  Beitritt  zu  dem  Bündniss  freigestellt,  zu  einem  Bündnisa, 
welches  eigentlich  gegen  sie  geschlossen  war,  deren  Maclit- 
zunaUme  in  der  Romagna  man  fürchtete. 

Jcmehr  die  Stadt  Rom  die  Uebel  des  Krieges  empfunden 
hatte,  umso  lebbaftere  Freude  erregte  der  Friede.  Am  Weib- 
nachtstage  zog  das  Volk  mit  den  städtischen  Beamten  von 
Capitol  aus  zum  päpstlichen  Palast,  mit  brenneoden  Fackeln, 
voraus  weissgekleidete  Knaben,  Oelzweige  in  der  Hand,  Hym- 
nen singend.  Sie  wurden  jedoch  vom  Papste  nicht  voigelassen, 
es  hiess  weil  er  den  Römern  wenig  traute.  Am  Tage  darauf 
traf  der  Herzog  von  Calabrien  ein  und  wurde  mit  grossen 
Ehren  empfangen.  Fünfzehn  Cardinäle  und  Girolamo  Risiio 
zogen  ihm  entgegen;  er  wohnte  im  p&pstUcben  Palast  und  e^ 
hielt  von  Sixtus  den  geweihten  Degen  und  Hut.  Viele  Tütken 
waren  in  seinem  Gefolge  so  dass  man  sie  in  allen  Strassen  der 
Stadt  umherwandem  sah.  Als  der  Herzog  nach  Ferrara  log, 
seinem  Schwager  von  Este  Beistand  zu  bringen,  hegleitete  ihn 
Virginio  Orsini.  Statt  dem  ßündiss  beizutreten  setzte  Venedig 
nun  den  Krieg  gegen  Ferrara  und  Mantua  fort,  ohne  sich  um 
päpstlichen  Bann  zu  kümmern.  Der  Mangel  an  Eiutncht 
zwischen  den  Verbündeten  kam  der  Bepubhk  zu  Hülfe,  so 
dass  der  am  7.  August  1484  gescblossene  Friede  von  Bagnolo 


Orsini-Colonnasche  Fehde.  179 

eben  Rollenwechsel  herbeiführte,  indem  diesmal  Siztus  IV. 
sQsehn  musste  wie  seine  Bundesgenossen  einen  für  die  Ve-* 
netianer  vortheilhaften  Vertrag  eingingen,  gegen  welchen  sein 
BevoUm&chtigter  vergebens  Einspruch  that. 

Die  Naehricht  von  dem  Frieden  von  Bagnolo  traf  den 
Papst  in  grosser  Aufregung  und  Rom  in  äusserster  Verwirrung. 
Seit  lange  hatte  man  hier  nicht  so  wüste  Scenen  erlebt  wie 
die  welche  nach  der  Verständigung  mit  König  Ferrante  statt- 
fanden. Sixtus  hatte  diese  Verständigung  durch  Gründung 
einer  B[]rche  gefeiert  welche  den  Namen  Sta  Maria  della  pace 
f&hrt,  aber  die  Stadt  genoss  die  Wohlthaten  dieser  Einigung 
nicht  Indem  Girolamo  Riario  in  dem  Hader  zwischen  den 
Orsini  und  Colonna  die  päpstliche  Autorität  zu  Gunsten  der 
ersteren  in  die  Waagschale  warf,  entzündete  er  den  Brand 
in  Rom  selbst  weit  heftiger  als  zuvor.  Die  Colonnesen 
waren  scheinbar  zu  Gnaden  angenommen  worden.  Marino 
und  andere  während  des  Krieges  besetzte  Castelle  wurden 
ihnen  zurück'gegeben ,  hingegen  sollten  sie  die  orsinische 
Grafschaft  Tagliacozzo  und  Alba,  welche  vom  Könige  con- 
fiscirt  lind  ihnen  für  vierzehntausend  Goldgulden  zugesprochen 
worden  war,  gegen  Erlegung  dieser  Summe  an  Virginio  Orsini 
herausgeben.  Die  gefangenen  Cardinäle  Colonna  und  Savelli 
sollten  in  Freiheit  gesetzt  werden.  Auf  beiden  Seiten  hinderte 
jffistrauen  die  Erfüllung  des  Vertrags.  Statt  die  Gefangenen 
zu  befreien  liess  der  Papst  sie,  da  Mariano  Sävelli  durch  Flucht 
aas  der  Engelsbuig  nach  Rocca  Priora  entkam ,  im  Rundbau  des 
Castells  in  strengere  Haft  bringen.  Lorenzo  Colonna  Martins  V. 
GrossnefTe,  nach  seinem  neapolitanischen  Hofamt  gewöhnlich 
der  Protonotar  genannt,  säumte  nun  mit  der  Herausgabe  Ta- 
gliacozzos,  da  er  den  päpstlichen  Nepoten  ganz  im  orsinischen 
Interesse  sah.  Durch  die  wiederholten  Verwendungen  zu 
Gunsten  der  Gefangenen  bewogen  gab  ihnen  Sixtus  zwar  am 
15.  November  1483  die  Freiheit  wieder  unter  grossem  Jubel 
ihrer  Anhänger  und  Freudenrufen  ia  den  Strassen,  aber  die 
Eintracht  zwischen  den  verfeindeten  Familien  wurde  dadurch 
nicht  hergestellt 

Inmitten  der  durch  diesen  verhängnissvollen  Hader  her- 
voi^erufenen  und  unterhaltenen  Aufregung  sah  Rom  in  seinen 
Mauern  einen  seltsamen  Mann,  dessen  Erscheinung  an  eine 
zwei    Jahrhunderte    rückwärts    liegende    Zeit,    an    Pier    da 

12' 


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180  S.  Fi'ancesco  di  Paola. 

j  Murrone   erinnern  konnte.     König  Ludwig  XI.  lag  todkrank  in 

seinem  Schlosse  Plessis-les -Tours  —  »er^  der  Anderen  so 
lange  und  bittere  Leiden  bereitet  hatte,  sagt  Philippe  de  Com- 
mines,  litt  nun  selber  und  um  so  schwerer  da  er  das  nicht 
gewohnt  war,  wie  es  denn  bisher  geschienen,  Europa  sei  nur 
dazu  da  ihm  zu  Willen  zu  sein«.  Während  dieser  seiner  Krank- 
heit gedachte  er  eines  calabresischen  Einsiedlers  von  welchem 
er  einst  vernommen  hatte,  und  mit  dem  Schwererkrankten 
eignen  Eifer  klammerte  er  sich  an  die  Vorstellung  an,  dass 
dieser  Mann  ihm  Hülfe  bringen  werde.  Roberto  war  der  Sohn 
gottesfurchtiger  Eltern  im  Gebiet  von  Paola  im  diesseitigen  Ca- 
labrien  und  weihte  sich  wie  es  heisst  schon  dreizehnjährig  dem 
Minoritenorden ,  indem  er  in  San  Marco  in  seinem  Heimatlande 

'    f  ins  Kloster  trat.    Eine  Pilgerfahrt  fahrte  ilm  nach  Rom  und 

I    I  Assisi,   dann   zog    er   sich  heimgekehrt  in  völlige  Einsamkeit 

!  zurück,   indem  er  in    der  Nähe  von  Paola. an  der  Küste  eine 

;    I  Felsenhöhle  zu  seinem  Aufenthalt  wählte.    Der  Ruf  der  Fröm- 

I  migkeit   und   Ascese   Francescos    di  Paola,    wie   man   ihn  als 

I    ,  Klosterbruder  nannte,  erflillte  die  Welt.     »Niemals  seit  er  dies 

Cönobitenleben  begonnen,  erzählt  Commines,  hatte  er  Fleisch 
noch  Fisch  noch  Eier  noch  Milchspeisen  noch  irgendetwas  mit 
Fett  Zubereitetes  genossen.  Nie  sah  man  einen  Mann  heiligern 
Lebens;  der  h.  Geist  schien  durch  seinen  Mund  zu  reden. 
Und  doch  war  er  kein  Studirter;  es  war  der  rechte  Verstand 
eines  einfachen  Mannes.  Seine  italienische  Sprache  kam  ihm 
allerdings  dabei  zustatten.«  Es  kostete  Mühe  bevor  der  König 
ihn  bewog  nach  Frankreich  zu  ziehn,  obgleich  der  Fürst  von 
Tarent  Sohn  des  Königs  von  Neapel  Ludwigs  Aufforderung 
unterstützte;  erst  als  er  vom  Papste  ausdrückUch  ermächtigt 
ward,  entschloss  er  sich  zu  gehn.  Im  Jahre  1483  war  er  in 
Rom.  »Alle  Cardinäle  besuchten  ihn,  dreimal  hatte  er  Audienz 
beim  Papste,  der  ihn  neben  sich  sitzen  hiess  auf  schönem 
Stuhle  drei  bis  vier  Stunden  lang,  voll  Bewunderung  ob  seiner 
verständigen  Rede,  so  dass  er  ihm  zur  Stiftung  einer  neuen 
Regel  Erlaubniss  ertheilte.«  Ebenso  verständig  zeigte  er  sich 
gegenüber  dem  Könige  der  ihm  mit  grösster  Ungeduld  entgegen- 
sah, vor  ihm  auf  die  Knie  sank,  Heilung  von  ihm  erwartete. 
Gott  hat  mir  nicht  Macht  gegeben  den  Leib  zu  heilen,  sprach 
der  Siedler ;  das  Gebet  eines  armen  Knechtes  Gottes  ist  alles 
was  ich  euch  bieten  kann.     »Ich  habe  ihn,  fahrt  Commines 


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Der  Papst  gegen  die  Colonna.  181* 

forty  mehnnals  vor  dem  gegenwärtigen  König  (Ludwig  XII.) 
und  den  Grossen  des  Reichs  reden  gehört;  Gott  schien  ihm 
einzugeben  was  er  sprach  und  darthat«  Viele  verspotteten 
den  aheiligen  Mann«,  aber  des  Kranken  Vertrauen  wich  nicht 
und  Francesco  musste  im  Schlosse  bleiben ,  stets  von  Dem  her- 
beigerufen der  »den  Tod  fürchtete  wie  nie  ein  Anderer«  und  bei 
dessen  Hinscheiden  am  29.  August  gedachten  Jahres  er  zugegen 
war.  Der  neue  König  Carl  VIII.  blieb  dem  Siedler  von  Paola 
gewogen  wie  sein  Vater.  Dieser  stiftete  bei  dem  Schlosse 
TonPlessis  ein  Kloster,  ein  anderes  zu  Amboise,  und  als  zwölf 
Jahre  nach  Ludwigs  XL  Tode  sein  Nachfolger  in  Rom  war, 
gründete  er  auf  der  Höhe  des  Pincio  Kirche  und  Kloster 
(ur  die  Minimi,  wie  man  Francescos  Ordensreform  nannte, 
jene  schöngelegene  Kirche  der  Trinita  de*  monti  welche  bis 
zur  französischen  Revolution  französischen  Klosterbrüdern  ge- 
hörte, in  deren  Mitte  der  calabresische  Siedler  am  2.  April 
1507  zu  Plessis  gestorben  war. 

Das  Jahr  1484  war  stürmisch  genug  angebrochen.  Neue 
Fehde  zwischen  den  Santacroce  und  Della  Valle,  in  welcher 
die  Orsini  für  jene,  die  Colonna  für  diese  Partei  ergriffen, 
führte  zum  Ausbruch.  Ehe  es  jedoch  in  der  Stadt  losging, 
hatte  es  schon  in  der  Campagna  begonnen.  Antonello  Savelli 
von  Albano  und  Lucio  de*  Conti  von  Montefortino  standen 
auf  colonnascher  Seite:  zum  Neujahrsgruss  Hess  der  Papst  AI* 
bano  zerstören,  wofür  Antonello  sich  rächte  indem  er  Ariccia 
anzündete.  Ueber  die  Saveller  ward  der  Bann  ausgesprochen. 
Der  Papst  befahl  sich  Lorenzo  Colonnas  zu  bemächtigen,  der 
sich  im  Palast  seines  Vetters  des  Cardinais  an  der  heutigen 
Piazza,  della  Pilotta  verschanzt  und  der  Porta  maggiore  bemäch- 
tigt hatte ,  Hülfe  von  auswärts  zu  erleichtern.  Die  Della  Valle 
und  Margani  hielten  zu  ihm;  die  Orsini  mit  den  Santacroce, 
den  Crescenzi  und  Girolamo  Tuttavilla,  dem.Nepoten  des  kurz 
vorher  verstorbenen  Cardinais  von  Ronen ,  bereiteten  sich  zum 
Angriff.  »Niemals,  sagt  ein  Gleichzeitiger  der  diese  traurigen 
Vorgänge  geschildert  hat,  sah  ich  eine  ähnliche  Verwirrung. 
Es  war  am  29.  März ;  ganz  Rom  stand  in  Waffen.  Es  hiess  sie 
wollten  den  Protonotar  in  der  Nacht  greifen;  jeder  hielt  Wache 
und  sicherte  sich  so  gut  er  konnte.  Ich  Uess  zwei  Handkarren 
voll  Steine  neben  meiner  Thüre  aufstellen  die  ich  verbarricadirte, 
and  hiess  schwere  Steine  zu  den  Fenstern  und  auf  die  Loggia 


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182  Angriff  auf  die  colonna sehen  Paläste. 

bringen.  Die  ganze  Nacht  hindurch  vemahm  man  im  Bion 
Ponte  den  Ruf:  Bär,  Bär!  und  auf  Monte  Giordano  brannten 
Wachtfeuer,  wurde  geschossen  und  in  die  Trompeten  gestossen. 
Am  folgenden  Tage  ward  es  ärger.  Der  Herr  Virginio  Orsini, 
wie  ein  Sanct  Georg  gewappnet,  ritt  durch  die  Stadt  nach  dem 
Palast  Der  Herr  Paolo  und  Herr  Geronimo  Orsini  ritten  an 
der  Spitze  ihrer  Schaaren  bei  denen  viele  junge  Römer  waren; 
der  Herr  Giorgio  Santacroce  war  wie  zum  Turnier  gerüstet 
U  eberall  hörte  man  den  Ruf:  Kirche  und  Bär.  Eine  Menge 
Leute  des  Herrn  Virginio  zogen  vorüber,  darunter  viele  Arm- 
brustschützen zu  Pferde.« 

Der  Protonotar  hatte  gegen  Trevi   zu  wie  nach  anderen 
Seiten  hin  Barricaden  aufwerfen  lassen.    Auch  die  Della  Valle 
hatten  die  zu  ihren  "Wohnungen  führende  Strasse  durch  Fässer 
voll  Erde   und    Steine   wie    durch   Balken   gesperrt  und  viel 
Volkes  zusammengezogen.    Die  Conservatoren  und  Caporionenf 
von  vielen  Bürgern  begleitet,  ritten  nach  dem  Vatican  um  mit 
dem  Papst  zu  reden  und  sich  für  Wiederherstellung  der  Ruhe 
zu  bemühen.     Sixtus  verlangte  als  erste  Bedingung,  Lorenzo 
Colonna  sollte  sich  stellen.    Als  die  Conservatoren  mit  diesem 
Bescheid  im  Palast  Colonna  eintrafen,  erklärte  der  Protonotar 
sich   bereit,   aber  die  Seinigen  wollten  ihn  nicht  ziehn  lassen. 
Auf  eine  zweite  Aufforderung  stieg  er  zu  Pferde  und  ritt  allein 
weg,   aber   bei  S.  Marcello   holten   seine  Leute  ihn   ein  und 
drohten  ihn  in  Stücke  zu  hauen  wenn  er  ginge.    So  wandte 
er   das   Ross    und   die   Conservatoren   kehrten   unverrichteter 
Dinge  zurück.    Unterdessen  hatten  die  Gegner  sich  zum  Angriff 
bereitet    Der  Graf  Girolamo  war  in  voller  Rüstung,  so  der 
Vicecamerlengo ,   Helm  auf  dem  Haupte,   Stab   in  der  Hand, 
Lione  da  Montesecco  mit  der  päpstlichen  Wache,  die  Capitols- 
wache.  Alles  war  in  Ordnung.     Auf  zwei  Wegen  zogen  sie, 
Geschütz,  Hacken«  Leitern  u.  a.  mit  sich  führend.     Von  allen 
Seiten    wurden    die    Paläste    der    Colonnesen    eingeschlossen. 
Zwei  Stunden  währte  der  Kampf  in  welchem  FiHppo  Savelli 
und  mehre  Reisige  und  andere  fielen,  dann  wurden  die  Verhau« 
überwältigt,  der  Palast  des  Cardinais  erstiegen,  der  Protonotar 
gefangen  genommen.    Wilde  Plünderung  folgte;  Allen  die  zu 
den  Colonnesen  halten  würden ,  war  der  Bann  angedroht   Auf 
dem  Wege  nach  dem  Vatican  musste  Virginio  Orsini  d«i  Ge- 
fangenen vor  dem  Grafen  Girolamd  schützen,  der  zweimal  den 


1.1   « 


Tod  Lorenzo  Colonnaa.  183 

Degen  wider  ihn  zog.  Der  Papst  liess  ihn  vor  sich  kommen, 
sprach  lange  mit  ihm,  befahl  ihn  dann  in  der  Engelsburg  ein* 
zoscbliessen,  wo  ihm  der  Process  gemacht  und  er  gefoltert 
wurde.  Am  30.  Juni  wurde  ihm  in  Gegenwart  des  Criminal* 
richters  und  des  Marschalls  vom  Capitol  der  Kopf  abge- 
schlagen: Gestandnisse  die  ihm  die  Qual  abgepresst,  hatte  er 
7or  seinem  Tode  zurückgenommen.  Man  brachte  die  Leiche 
io  einem  mit  einem  Lappen  Seidenzeug  bedeckten  Sarge  nach 
Sta  Maria  Traspontina,  von  wo  am  Abende  die  Bruder 
von  SS.  Apostoli,  S.  Marcello,  Sta  Maria  del  popolo  und 
Saat*  Agostino  sie  abholten.  Die  Dienstleute  des  Cardinais  de' 
Conti  folgten  zu  Pferde,  mit  etwa  dreissig  Fackeln;  kein  Bürger 
war  dabei.  In  der  Apostelkirche  empfing  die  Mutter  des 
Todten  Grata  de'  Conti,  von  vielen  Frauen  begleitet,  unter 
lautem^Wehklagen  die  sterblichen  Reste,  welche  durch  Stefano 
Infessura  den  Chronisten  dieser  traurigen  Zeit  und  einen  co- 
lonnaschen  Vasall  zur  Erde  bestattet  wurden.  Als  am  Vor- 
abend des  Johannesfestes  1485  Prosper  Colonna,  des  Enthaup- 
teten Vatersbrudersohn,  Frascati  überfiel  und  Girolamo  Tutta- 
villa  den  Herrn  des  Orts  zum  Gefangenen  machte,  fand  er 
unter  der  auf  mehre  tausend  Ducaten  sich  belaufenden  Beute 
Kleinodien  die  dem  Protonotar  gehört  hatten,  so  wie  eine 
Menge  Seidenstoffe  und  einen  kostbaren  Gegenstand  von  Ala- 
baster, welche  bei  der  Plünderung  des  colonnaschen  Palastes 
abhandengekommen  waren.  NatürUch  hielten  die  Sieger  sich 
nun  schadlos  und  die  Entdeckung  verbesserte  das  Loos  der 
Gefangenen  nicht. 

Es  waren  schlimme  Tage  für  Rom  und  seine  Umgebung. 
Ohne  Unterlass  erfolgten  Streitigkeiten  und  Mordtbaten.  Die 
Hauser  der  Della  Valle  wurden  auf  Befehl  des  Papstes  nieder- 
gerissen; die  ganze  Familie  jQoh  aus  Rom.  In  der  Umgebung 
wjUuie  der  Kampf  gegen  die  Castelle  der  Cobnna.  Diese 
hatten  nach  Lorenzos  Tode  Unterwerfung  und  Uebergabe 
mehrer  ihrer  Burgen  angeboten;  der  Cardinal  von  S.  Pietro  in 
vincoli  hatte  dem  Papste  dringend  zur  Versöhnung  gerathea. 
Aber  auch  diesmal  ward  sie  durch  Girolamo  Riario  und  die 
Orsinen  verhindert.  Der  Nepoto  verrechnete  sich.  Prospero 
und  Fabrizio  Colonna,  schon  ihren  künftigen  Feldherrnruhm 
verkündend,  vertheidigten  sich  tapfer.  Die  päpstUchen  Trup* 
peo  erlitten  manchen  Verlust,  so  in  Grottaferrata  welches  vq|i 


184  Sixtus-  IV.  Tod. 

den  Leuten  von  Marino  übeTfalleD  wurde.  Zwar  gingen  mehre 
Burgen  verloren  <la  die  Savelli  sich  gewinnen  liesBen,  aber 
Paliano  widerstand.  Man  liatte  schweres  Geschütz  hingebracht 
und  der  Graf  Girolamo  leitete  die  Belagerung ,  als  die  Nadi- 
richt  vom  Tode  des  Papstes  eintraf. 


ROM    BEIM   TOnE    8IXTU8'  IV.      INNOCENZ  VIIL 

Die  Aufregung  der  jüngsten  Zeit  hatte  Sixtus  IV.  in  b«- 
ständiger  Spannung  erhalten.  Neben  den  politischea  Dingen 
■  mussteu  auch  Symptome  rehgiöser  Opposition,  die  bei  den 
inimermehr  zu  Tage  tretenden  weltlichen  Richtungen  des 
Papstthums  nicht  ausbleiben  konnten,  diese  Spannung  steigeni. 
So  geringe  Bedeutung  der  im  Jalire  1482  durch  einen  Domini- 
cauerbruder.  Andrea  Zuccalmaglio  Erzbischof  von  Krain  ge- 
maclite  Versuch,  die  längst  erstorbene  Asche  des  Baseler  Con- 
cils  zu  neuer  Flamme  anzublasen,  in  der  Wirklichkeit  haben 
Itonnte,  so  zeigen  doch  die  Maaseregeln  und  Bemijhungen 
SiKtus'  IV.  bei  Kaiser,  Stadt  und  Clerua  wie  sehr  dies  blasse 
Concilsgespenst  seinen  Schlaf  störte.  Er  erlebte  das  Ende 
dieser  Angelegenheit  niclit  Am  2.  August  1484  warf  gicht- 
tisches  Leiden  ihn  danieder.  Wenige  Tage  darauf  erhielt  er 
die  Nachricht  vom  Frieden  von  Bagnolo.  Sie  brachte  ihm  deo 
Tod,  indem  er  sah  dass  er  vergebens  ganz  Italien  um  seineT 
politischen  Zwecke  willen  in  Bewegung  gebracht  hatte,  dass 
er,  der  das  Spiel  in  der  Hand  zu  halten  geglaubt  hatte,  mitt 
gesetzt  war.  Am  Abende  des  12.  August  verschied  er.  Es 
war  ein  kritischer  Moment,  inmitten  der  heftigen  Parteileiden- 
schaE^n  welche  der  Papst  und  seine  Angehörigen  entzfindct 
hatten. 

Am  folgenden  Moi^en  war  ganz  Rom  in  Waffen.  Du 
Haus  Girolamo  Itiarios  bei  Sant'  ApolUoare  oebst  dem  an- 
s tossenden  Garten  wurde  geplündert  und  verwüstet;  unter  dem 
Ruf:  Colonna  Colonna!  zerschlugen  junge  Leute  alles,  selbst 
die  marmornen  Thür-  und  Fensterpfoaten.  Auch  die  Magazine 
der  Genuesen  in  Trastevere  wurden  geplündert,  zwei  ihrer  mit 
Wein  beladenen   Schiffe    an  Ripagrande    weggenommen.    Dft 


Unruhen  in  Rom  nach  dea  Papstes  Tod.  185 

Grimm  des  Volkes  war  so  gross  gegen  sie,  weil  man  sie  be« 
schuldigte  dem  Papste  bei  seinen  druckenden  Finanzspecula-» 
tionen,  namentlich  beim  Getreidewucher  die  Hand  geboten  zu 
haben.  Castel  Giubileo,  wo  Kiarios  Gemahn  eine  Menge  Vor- 
räthe  aufgehäuft  hatte,  wurde  gestürmt  und  ausgeleert  Ein 
gleiches  geschah  mit  den  Magazinen  von  Riarios  Schwager 
Giovan  Batista  Pallavicini  und  mit  den  päpstlichen  Galeeren 
bei  Ostia.  Caterina  Riario  Sforza,  welchei  damals  schon  jene 
männliche  Gesinnung  an  den  Tag  legte  die  sie  in  nachmaliger 
schlimmer  Zeit  bewies,  war  beim  Beginn  des  Tumults  in  die 
Engelsburg  geeilt  deren  Castellan  im  Interesse  der  Familie  des 
verstorbenen  Papstes  war.  Der  Palast,  vor  dessen  Thore  man 
Verhaue  angebracht  hatte,  blieb  von  den  Wachen  besetzt, 
nachdem  Sixtus*  Leiche  mit  geringem  Gepränge  nach  St  Peter 
gebracht  worden  war. 

So  sah  es  in  der  Stadt  aus.  Im  Lager  vor  Paliano  war 
die  Yerstörung  nicht  minder  gross.  Alsbald  wurde  die  Auf- 
hebung der  Belagerung  beschlossen  und  mit  solcher  Eile  aus- 
geführt dass  man  schwere  Artillerie,  Zelte,  Munitionswagen, 
Zugvieh,  über  vierzehnhundert  BüiSel  zurücUiess.  Ein  Ausfall 
der  Belagerten,  wobei  gegen  dreihundert  der  Päpstlichen  ge- 
todtet  oder  verwimdet  wurden,  mehrte  die  Unordnung.  Schon  am 
14.  August  waren  die  Truppen  vor  Rom,  wo  sie  auf  den  Wiesen 
bei  Tor  di  Quinto  lagerten.  Aber  nach  zwei  Tagen  brachen 
sie  das  Lager  ab  und  zogen  nach  Isola  (Veji)  welches  Virginio 
Orsini  gehörte.  Girolamo  Riario  zog  mit  ihnen;  er  mogte  sich 
in  Rom  wenig  sicher  erachten.  Denn  von  allen  Seiten  ström- 
ten BewajShete  herzu,  Vasallen  der  Barone  beider  Parteien. 
Es  war  vorauszusehn  dass  es  zum  Kampf  kommen  würde,  dass 
die  Aussichten  den  Colonnesen  günstig  waren.  Cave,  Capra- 
nica,  Marino  hatten  sich  sogleich  für  ihre  alten  Herren  erklärt. 
Als  der  Cardinal  Colonna  in  Rom  einzog,  gingen  ihm  zahllose 
Bürger  und  Volk  jubelnd  entgegen;  da  sein  Palast  verbrannt 
war,  musste  er  sein  kleines  Haus  b^ziehn.  Prospero  und  Fa- 
brizio folgten;  auf  zweitausend  schätzte  man  die  Zahl  der  Be- 
waffneten die  sie  mit  sich  führten.  Der  Cardinal  SaveUi  und 
dessen  Bruder  Mariano  kamen  mit  zweihundert  Reitern.  Giu- 
liano  della  Rovere  hatte  eine  Menge  Leute  geworben  und  sich 
in  seiner  Wohnung  bei  S.  Pietro  in  vincoU  verschanzt  Die 
Orsini  welche  angegriffen  zu  werden  erwarteten,  hatten  Monte 


186 


Mussregeln  d«r  CanÜDkle  zur  Hcralellung  der  Ordnimg. 


Giordano  und  ihre  übrigen  Wohaungen  im  Bion  Ponte  be- 
festigt; bei  Nachtzeit  selbst  durchzogen  zwei  Fähnlein  R«iter 
unter  dem  Ruf:  Kirche  und  Bär!  die  aoatosaenden  Straseen. 
Beim  Ghetto  und  vor  dem  Pantheon  kam'a  zum  Streit,  doch 
ohne  den  erwarteten  allgemeinen  Kampf.  Die  Beso^niss  der 
BtL^T  war  ao  gross  dass  überall  Barticaden  aufgeworfen 
wurden,  so  dass  Reiterei  nur  au  wenigen  Stelleu  durchziebn 
konnte.  Die  Trasteveriner  hielten  ihreiseits  die  Brücken  und 
Thore  gesperrt.  Alle  Cardinslswobnungen  waren  befestigt; 
der  Palast  des  Vicekanelers  wurde  durch  eine  Bastei  vor  der 
Facade,  durch  eine  andere  auf  der  Gartenseite  vertheidigt 

In  solchem  Zustande  befand  sich  die  Stadt  als  man  die 
Ezeiiuien  Siztiu'  IV.  feierte,  an  welchem  nur  wenige  Cardinlle 
theilnahtnen.  Selbst  Giuliano  della  Rorere  fehlte.  Auf  dem 
Capitol  hielten  die  Bü^r  Rath  und  beschlossen  den  Cardi- 
nälen  Vorstellungen  zu  mächen  und  sie  zu  baldigem  Abhalten 
des  Conclaves  an  sicherm  Orte  zu  vermögen,  um  durch  die 
Wahl  eines  neuen  Papstes  der  tAgUcfa  ä^r  werdenden  Ver- 
wirrung ein  Ziel  zu  setzen.  Sie  erhielten  Ton  Allen  bemhi- 
gende  Zusagen,  aber  die  Erfüllung  war  schwer.  Noch  immer 
trafen  Bewaffnete  ein,  selbst  aus  Aquila,  aus  Norcia  und  an- 
dern Orten,  aus  Amelia  allein  fünfhundert  Füsaer  imd  zalil- 
reiche  Bogenschützen  zu  Gunsten  der  Colonneaen,  denen  auch 
Florenz  und  Siena  Beistand  gegen  den  Grafen  Girolamo  an- 
boten. Als  dieser  sah  wie  die  Sachen  standen,  unterhandelte 
er  mit  den  Cardinälen  wegen  Uebergabe  der  EngeUbuig,  für 
die  er  sich  riertausend  Goldgulden  zahlen  Uesa.  0er  Bischof 
von  Todi  sollte  im  Namen  des  h.  CoUegiums  das  Castell  be- 
setzt halten.  Nun  kamen  die  im  Palast  von  S.  Marco  versam- 
melten Cardinäle  überein,  dass  Virginio  Orsini  mit  den  Seineo 
nach  Viterbo  ziehn,  die  Colonna  nebst  den  Ihrigen  die  Stadt 
verlassen,  Giacomo  de'  Conti  die  Palastwache  abgeben  und 
sich  gleichfalls  entfernen,  zwei  Monate  lang  von  dem  Tage 
der  Krönung  de«  künftigen  Papstes  an  Waffenruhe  sein  solll«- 
Ats  so  die  Ordnung  einigermaassen  hergestellt  war,  verepracbeo 
die  in  der  Tribüne  von  St  Feter  versammelten  Cardin&le  dem 
römbchen  Volk  die  Erhaltung  seiner  Privilegien  wie  der  voq 
den  letiten  Päpsten  ihm  ertheilten  Rechte  in  Bezug  auf  die 
AuBschliessung  der  Nichtrdmer  von  st&dtiscben  Aemtem,  der 
Universität,  der  Huldigung  der  uaterth&nigen  Ortschaften u. s.w. 


Tnnoccnz  Vm.    Die  Cyho.  187 

Die  Zust&nde  in  der  Campagna  forderten  zu  raschem  einmüthi- 
gen  Handeln  auf.  AUerwärts  war  man  gerüstet.  Deifebo  delF 
Aoguillara  benutzte  die  Verwirrung  sich  in  den  Besitz  der  einst 
semem  Vater  gehörenden  Ortschaften  zu  setzen,  und  nahm 
Ronciglione,  Vetralla,  Giove  ohne  Schwertstreich.  Es  war 
hohe  Zeit  ein  Ende  zu  machen. 

Am  Tage  nachdem  das  Castell  endlich  von  den  Leuten 
des  Grafen  Girolamo  ger&umt  worden  war,  am  26.  August  1484, 
traten  fünfundzwanzig  Cardinäle  ins  Conclave.  Sie  yerstän- 
digten  sich  zuvörderst  über  mehre  Punkte  inbetreiT  der  Reform 
der  Kirche,  der  Berufung  des  Concils,  des  Türkenzugs,  dann 
begannen  sie  das  Wahlgeschäft.  Cardinal  Marco  Barbo  hatte 
anfangs  die  meiste  Aussicht,  aber  Giuliano  della  Rovere  lenkte 
die  Wahl  auf  den  Cardinal  von  Molfetta  Giovan  Batista  Cybö, 
welcher  am  29.  die  Stimmen  vereinigte.  Es  hiess  dass  er  den 
Cardinalen  ansehnliche  Versprechungen  habe  machen  müssen. 
•Bringt  man,  bemerkt  der  Annalist  Stefano  Infessura  ein  An- 
hänger der  Colonnesen,  sein  früheres  Leben  in  Anschlag,  den 
Umstand  dass  er  in  noch  jungen  Jahren  und  Genuese  ist, 
dass  die  Vorgänge  bei  der  Wahl  weit  schlimmer  waren  als 
die  im  Conclave  Sixtus*  IV.,  so  muss  man  sich  auch  auf 
schlimmere  Folgen  gefasst  machen.  Gott  gewähre  ihm  die 
Gnade  sein  Leben  zu  bessern  und  gut  zu  regieren,  was  nach 
dem  allgemeinen  ürtheil  schwer  zu  sein  scheint.« 

Dennoch  waren  die  Anfinge  des  neuen  Pontificats  besser 
als  das  Ende  des  vorausgegangenen,  obgleich  Lmocenz  VIII. 
seinem  Vorgänger  an  persönlichen  Eigenschaften  beiweitem 
nachstand.  Er  stanmite  von  genuesischer  Familie.  Fabelhafte 
Genealogien  legen  den  Cybo  asiatischen  Ursprung  bei  und  sie 
sollen  mit  den  Tomacelli  gleichen  Stammes  sein,  wie  denn  deren 
Wappen  dem  ihrigen  einverleibt  ist.  Doch  ist  nichts  gewisses 
über  sie  bekannt  bis  auf  Aran  Cybo ,  der  im  Jahre  1437  in  ge- 
nuesischen Urkunden  als  einer  der  Anzianen  vorkommt,  ob- 
gleich nicht  Genua  sondern  Rhodus  sein  Geburtsort  war.  Meist 
im  Königreich  Neapel  lebend,  wo  König  Alfons  sich  seiner  zu 
wichtigen  Auftragen  bediente,  war  er  längere  Zeit  Vorsitzender 
der  Rechnungskammer  (Sommaria)  dann  des  obersten  Gerichts- 
hofs der  Vicaria,  und  unter  Calixt  III.  im  Jahre  1455  Senator 
^OQ  Rom ,  in  welcher  Eigenschaft  er  die  Statuten  der  Wollen- 
weberzunft  als  »Graf  und  genuesischer  Ritter«  unterzeichnete. 


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188  Laterauisohe  Procession. 

Von  seiner  Gattin  Teodorina  de'  Mari,  deren  Familie  heute 
unter  Genuas  Patriciergeschlechtem  blüht,  war  ihm  im  Jahre 
1432  Giovan  Batista  geboren  worden,  der  als  junger  l^ann  am 
Hofe  der  Aragonesen  lebte.  Aus  einem  Liebesverhältniss,  es 
heisst  mit  einem  Mädchen  höhern  Standes,  hatte  dieser,  bevor 
er  in  den  geistlichen  Stand  trat,  einen  Sohn  und  eine  Tochter  — 
von  jenem  wird  noch  oft  die  Rede  sein,  diese  heiratete  in  eme 
genuesische  Familie  hinein,  deren  Name  Usodimare  an  die 
Blütezeit  des  Handels  und  der  SchiSFahrt  der  mächtigen  und 
reichen  Republik  erinnert.  Giovan  Batista  Cybö  studirte  in 
Padua  und  Rom,  erhielt  eine  Pfründe  an  der  Domkirche  von 
Capua  und  durch  Paul  ü.  im  Jahre  1467  das  Bisthum  Savona, 
das  er  unter  Sixtus  IV.  mit  Molfetta  vertauschte  nach  welchem 
er  gewöhnlich  genannt  wurde,  nachdem  er  im  Mai  1473  Car- 

1  dinalpriester  von  Sta  Balbina  geworden  war.    Er  war  ein  ge- 

schäftskundiger Mann,   hatte  Rom  als  päpstlicher  Statthalter 
verwaltet,   Legationen   nicht   ohne  Glück   vorgestanden.     Am 
12.  September  1484  wurde  Innocenz  VlII.  gekrönt.    Er  stand 
,  im  zweiundfünfzigsten  Lebensjahre. 

Die  schlimme  Zeit  hinderte  nicht  den  Glanz  der  laterani- 
schen  Besitzei^reifung.     Nach  vollzogener  Krönung  stieg  der 

i  Papst  die  Stufen  hinab  da  wo  die  Pferde  bereit  standen;  die 

Botschafter  und  die  Vornehmsten  der  Curie  entfalteten  den  Bai- 
dachin  über  ihn,  welchen  dann,  als  der  Zug  sich  in  Bewegung 
setzte,  römische  Bürger  trugen.  Die  von  dem  Cardinal  von 
Siena  geordnete  Cavalcade  eröffneten  die  Dienstleute  der  Car- 
dinäle  und  übrigen  Mitglieder  der  Curie  mit  den  Felleisen 
ihrer  Herren.  Dann  des  Papstes  Barbier  und  Koch  mit  schar- 
lachenen  Felleisen,  die  päpstliche  Dienerschaft,  die  Gentiluo- 
mini  oder  Ceremonieren  der  Curie,  die  Angehörigen  xler  Cardi- 
näle,  ein  Diener  des  Papstes  mit  dem  Schemel  zum  Besteigen 
des  Pferdes,  zwölf  Cursoren,  dreizehn  Standartenträger  der 
Rione,  die  Caporionen  und  zwei  berittene  Fahnenträger. 
Nun  ritt  der  Gonfaloniere  der  Stadt  Gabriele  de'  Cesarini  ein- 
her auf  reichgeschmücktem  Ross,  auf  dessen  Waldrappe  man 
das  S.  P^  Q.  R.  las.  In  Stahlrüstung  mit  einer  rothseidenen 
Superweste  trug  er  das  grosse  Banner  des  römischen  Volkes, 
gefolgt  von  vier  Dienern  zu  Fuss  in  Mänteln  von  Brocat,  aof 
Brust  und  Schultern  das  Monogramm  der  Stadt  Hinter  ihm 
ritten  Bernhard  von  Breidenbach  Abgesandter  des  neuen  Chur« 


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Lateranische  Procession.  Vcrsuclie  zur  Herstellung  des  Friedens.     189 

fursten*  Erzbischofs  yon  Mainz  Bertold  Grafen  von  Henneberg, 
der  Procurator  des  teutscben  Ordens  als  Gesandter  des  Hoch- 
meisters Martin  Truchsess  yon  Wetzenhausen,  der  Turcopolier 
von  Rhodus  Haupt  der  englischen  Zunge  als  Repräsentant  des 
Johanniter-Grossmeisters  Pierre  d'Aubusson,  beide  letzteren  mit 
den  Abzeichen  ihrer  Orden.  Der  Graf  von  Bagno  trug  das 
papstUche  Banner.  Zwölf  päpstliche  Stallmeister  führten 
weisse  Zelter  mit  carmesinrothen  Sammtdecken.  Auf  diese 
folgten  vier  römische  Bürger  als  Ehrenritter,  die  Kämmerer 
extra  cameram,  die  fremden  Gesandten  welche  nicht  geistlichen 
Karakter  hatten,  die  römischen  Edelleute  mit  Ausschluss  der 
aus  der  Stadt  entfernten  grossen  Barone,  der  Subdiaconus  mit 
dem  Kreuz ,  zwölf  päpstliche  Familiären  mit  brennenden  Wachs- 
kerzen vor  dem  weissen  Zelter  auf  welchem  man  unter  einem 
Baldachin  die  Monstranz  mit  der  geweihten  Hostie,  mit  dem 
Sagrista  und  dessen  Begleitern  sah.  Hinter  dem  Baldachin 
gingen  die  römischen  Bürger  Batista  degh  Arconi  und  Stefano 
di  Francesco  als  Vertreter  der  alten  Seepräfecten,  die  Sänger 
der  Kapelle,  die  päpstlichen  Scriptoren  und  Consistorialadvo- 
caten,  die  Akolythen,  Kammerkleriker,  Auditoren  der  Rota, 
der  lateinische  Subdiaconus ,  der  griechische  Diaconus  und  Sub- 
diaconus, die  auswärtigen  Aebte,  Bischöfe  und  Erzbischöfe, 
die  assistirenden  Bischöfe,  die  städtischen  Aebte,  die  Patriar- 
chen, die  Cardinaldiaconen ,  Priester  und  Bischöfe.  Der  Cardi- 
nal von  Siena  als  erster  Diaconus,  zwei  Cardinaldiaconen  zur 
Seite,  ritt  vor  dem  Papste  dessen  Zelter  der  Senator  Ranieri 
de*  Maschi  von  Rimini  und  die  Conservatoren  führten.  Der 
Marschall  oder  Soldan  der  Curie  FiUppo  de*  Canonici  von  Bo- 
logna, der  Decan  der  Rota  Antonio  de*  Grassi,  die  geheimen 
Kämmerer  Lorenzo  de*  Mari  und  Girolamo  Calagrano,  der 
Vicecamerlengo ,  die  apostolischen  Protonotare  und  einige 
andere  schlössen  den  Zug. 

Der  neue  Papst  bemühte  sich  im  Innern  und  Aeussem  den 
Frieden  wiederherzustellen.  Rom  war  in  vollständiger  Anarchie. 
Strengere  Justiz  und  Aufsicht  begannen  einigermaassen  wieder 
Ordnung  und  Ruhe  zu  schaiSen.  Die  Versöhnung  der  grossen 
Familien  sollte  diese  Ruhe  sichern,  und  Zuständen  ein  Ende 
machen  die  den  kläghchsten  Ruin  herbeizufuhren  drohten.  Der 
Papst  versuchte  als  Schiedsrichter  die  Vermittlung.  Die  Co-^ 
lonüa   nahmen    dieselbe    an,    die    Orsrni   weigerten    sich    die 


190 


ZerwQrfnisa  mit  Netpel.     Die  Sudt  AquiU. 


TerlaDgte  Bürgschaft  zu  leisten,  so  dass  das  Friedenswerk  keineo 
Boden  hatte.  Schon  im  Januar  1485  kam  es  zu  neuen  UnruheD 
in  der  nächsten  Umgebung,  indem  auf  nn  falsches  Gerücht 
von  des  Papstes  Tode  hin  die  Oraini  sich  der  Brücken  über 
Tiber  und  Anio  bemächtigten  und  nun  auch  die  Colonna  wieder 
die  Castelle  ihrer  alten  Gegner  und  der  Freunde  und  VerbüD- 
detea  derselben,  der  Tuttavilla  u.  A.  angriffen.  Nemi,  Genzano, 
Frascati,  andere  Orte  geriethen  in  die  Gewalt  Prosperoa  und 
Fabrizios  Colonna,  bis  zu  Roms  Tboren  wurde  die  Campagua 
verheert,  w&hrend  die  Conservatoren  sich  vergebhch  mühten, 
der  Papst  nur  einen  unvollkommenen  Vergleich  zwischen  den 
Colonna  und  Girolamo  Tutta.villa  zustande  brachte.  Diese 
fortwährenden  H&ndel  erlangten  grössere  Bedeutung  durch  die 
ernste  Verwicklung  in  welche  Innocenz  mit  Neapel  gerieth. 

Ferrant«  von  Aragon  hatte  nicht  nur  in  der  auswärtigen 
Politik  jenen  Geist  der  Intrigue  und  Gewissenlosigkeit  an  den 
Tag  gelegt,  welcher  &eiUch  das  Erbtheil  der  grossen  und 
kleinen  Souveiine  seiner  Zeit  geworden  war.  Saue  Herrschaft 
hatte  schlimmere  Eigenschaften.  Es  war  nicht  blos  das  Be- 
wusstsein  seiner  Illegitimit&t  welches  ihn  stachelte  sich  durch 
jedes  Mittel  zu  sichern  zu  suchen:  es  war  das  tiefwurzelnde 
Mistrauen  gegen  den  grössern  Theil  des  Feudaladels,  im  Bunde 
mit  dem  Gelüste,  die  königliche  Gewalt  auf  Kosten  der  Barone 
zu  verstärken.  Oie  Parteien  im  Adel,  so  alt  wie  die  Monarchie, 
mehrten  einerseits  seine  Besoi^iss  vor  Kronprätendenten  die 
er  nicht  nur  in  Frankreich  sondern  selbst  in  Spanien  argwöhnte, 
während  sie  andrerseits  seine  Hoffnung  steigerten  sich  concur- 
rirender  Gewalten  zu  entledigen.  In  seinem  altem  Sohn  Alfona 
fand  er  einen  Mann  der  ihn  in  seinen  schlimmsten  Gesinnungen 
und  Entwürfen  bestärkte,  aber  zugleich  die  Abneigung  gegen 
den  Vater  mehrte.  Der  Herzog  von  Calabrien,  ein  mittel- 
mässiger  Kriegsmana,  vereinigte  Ferrantes  Untugenden  mit  ge- 
ringerem Talent  als  ,dieser  besass.  »Nie,  sagt  PbiÜppe  de 
Commines,  hat  man  einen  grausamem,  schlechtem,  laster- 
haftem, gemeinem  Menschen  gesehn.«  Es  ist  nicht  zum  Ver- 
wundern wenn  es  zum  Ausbrach  kiun.  Der  im  Sommer  1485 
von  Alfons  gemachte  Versuch  sich  Aquilas,  der  unter  der 
Hoheit  der  Krone  als  selbständige  Comune  bestehenden  Haupt- 
stadt der  Abruzzen  und  des  vornehmsten  Herrn  der  Stadt, 
des    Grafen    von   Montorio    und    der    Seinigen    durch  mea 


Kampf  um  Aquila.    Der  Baroueukrieg.  191 

verr&therischen  Gewaltstreicb  zu  bemächtigen,  führte  zu  jenem 
Abfall  und  Krieg  der  Barone  welcher  mit  deren  Ruin  endete, 
aber  zugleich  in  seinen  Folgen  den  Sturz  des  Thrones  der 
neapolitanischen  Aragoneseü  nach  sich  zog. 

Die  Aquilaner  denen  es  in  einem  Volksaufstande  ihrer 
neapolitanischen  Bedränger  sich  zu  entledigen  gelang,  pflanzten 
(las  päpstliche  Banner  auf,  sandten  einen  Abgeordneten  nach 
Rom  mit  der  Erklärung,  sie  wollten  furder  keinen  andern 
Herrn  als  den  Papst.  Die  in  Melfi  versammelten  Barone  thaten 
ein  gleiches,  indem  sie  sich  zugleich  nach  Venedig  wandten 
und  um  Beistand  baten.  Innocenz  VUI.  kann  sich  inbetreff  des 
Ernstes  dei:  Lage  keiner  Täuschung  hingegeben  haben.  Sein 
Entschluss  war  bald  gefasst.  Schon  bevor  diese  Verwicklung 
eintrat,  hatte  er  sich  Venedig  wie  Florenz  genähert,  wie  es 
heiast  namentlich  durch  den  Cardinal  Giuliano  della  Rovere 
bewogen,  der  grossen  Einfluss  auf  ihn  gewonnen  hatte.  2u 
gleicher  Zeit  waren  Misverständnisse  mit  König  Ferrante  ein- 
getreten, so  wegen  des  Lehnzinses  welchen  der  Papst  wieder 
nach  alter  Weise  verlangte,  wie  wegen  des  eigenmächtigen 
Schaltens  des  Königs  in  geistlichen  Angelegenheiten.  Inno- 
cenz VUI.  nahm  erst  die  Aquilaner  in  seinen  Schutz,  sandte 
ihnen  dann  durch  die  Colonnesen  Hülfe,  erklärte  sich  für  die 
Sache  der  Barone,  verbündete  sich  mit  Venedig  welches  ihm 
unter  Roberto  da  Sanseverino  Truppen  sandte,  warb  selber 
Mannschaft,  suchte  einen  Kronprätendenten  in  einem  Enkel 
König  Ren^s  des  Guten.  Ferrante  hatte  den  Sturm  zu  be- 
schwören gesucht,  so  durch  Unterhandlung  mit  dem  Papste 
wie  mit  den  Baronen.  Als  das  Mistrauen  welches  er  einflösste 
alle  Aussicht  auf  einen  Vergleich  vernichtete,  begann  er  den 
Kampf.  Es  ist  ein  elender  Kampf  gewesen  welcher  den  Ver* 
fall  des  italienischen  Kriegswesens  an  den  Tag  legte.  Florenz, 
Mailand,  die  Orsinen  standen  dem  Könige  bei,  der  Herzog  von 
Calabrien  drang  bis  zu  den  Mauern  Roms  vor,  der  venetia- 
nische  Feldhauptmann  war  kein  Malatesta,  der  Herzog  von 
Lothringen,  Throncandidat  der  anjou'schen  Partei,  wurde  durch 
den  jungen  König  von  Frankreich  Carl  VIIL ,  seit  dem  Jahre 
1483  seines  Vaters  Ludwigs  XL  Nachfolger,  der  selbst  schon 
den  Blick  nach  Neapel  zu  wenden  begann,  an  der  beabsich- 
tigten Betheiligung  gehindert 

Innocenz  VUI.  wurde  wankelmüthig;  die  Klagen  des  Volkes, 


1 92        Krieg  <  Frieden  und  wieder  Krieg.  Der  tOrkische  Prinz  Dschenu 

die  VorsteUimgeD  der  Cardiniüe  wirkten  auf  ihn  ein.  Das  Volk 
litt  beinahe  in  gleichem  Maasse  von  Feinden  und  Vertheidigeni. 
die  in  der  Stadt  wegnahmen  was  ihnen  in  die  Hände  fiel.  Di« 
(jesandten  Maximilians  von  Oeatrflicb,  welche  sich  docli  in 
Viterbo  mit  dem  Sohne  Sansevehnos  wegen  sichern  Geleite 
verst&ndigt  hatten,  wurden  bei  Baccano  angegriffen  und  aus- 
geplündert, so  daes  sie  von  allem  entblösst  zu  Fusse  in  Rom 
eintrafen.  Im  Februar  i486  entstand  in  der  Stadt  der  ärgste 
Tumult ,  während  eine  orsinische  Scbaar  sich  unter  den  Mauern 
der  Leostadt  befand.  Es  biess  wiederum  der  Papst  sei  todt; 
da  Terschloss  man  eiUg  nicht  nur  alle  Bude»  sondern  selbst 
den  capitolini sehen  Palast.  Man  sah  Cardinäle  in  Hast  durcli 
die  Strassen  reiten  um  zu  ihren  Wohnungen  zu  gelangen;  in 
Volk  schrie  aus  Angst:  Bär!  Bär!  Alles  war  in  Auflösung. 
Endlich  am  12.  August  kam  der  Friede  zustande  unter  Mit- 
wirkung der  Gresandten  Mailands  und  CastUiens.  Die  Bedingun- 
gen waren  für  den  Papst  nicht  ungünstig.  Der  König  versprftch 
den  Zins  zu  zahlen,  Aquila  und  die  Barone  nicht  zu  bel&stdgpD. 
sich  unbeftigter  Einmischung  in  die  kirchUcben  Angel^^nheiteu 
zu  enthalten.  Kaum  aber  war  ein  Monat  vorüber,  während 
dessen  die  Otsini  nicht  aufgehört  hatten  Rom  zu  beunnihigco, 
so  war  Aquila  unterworfen,  die  vornehmsten  Barone  büsstrn 
Aufstand  und  Vertrag  mit  Gefangenschaft  und  Tod,  die  Hand 
des  Königs  lastete  schwerer  als  je  auf  der  Kirche.  Innocenz  VIIl. 
musBte  es  anhören,  dass  ein  neapoütapiscber  Gesandter  den  Lebo- 
zins  vöUig  in  Abrede  stellte  und  an  das  künftige  Concil  appel- 
Urte.  Er  erklärte  Ferrant«  des  Thrones  verlustig  und  knüpftf 
nochmals  Unterhandlungen  in  Frankreich  an,  aber  alles  verging 
wie  Staubwolken  und  nicht  lange  vor  seinem  Tode  vertrug  sieb 
der  Papst  wiederum  mit  dem  Könige,  der  seiner  weltUchen  und 
geistlichen  'Autorität  Hohn  gesprochen  hatte. 

Diese  Autorität  wurde  durch  andere  Ereignisse  auf  dii* 
Probe  gestellt.  Ein  Sohn  Mohammeds  U.,  Sultan  Bajaiet.« 
Bruder  und  Nebenbuhler  Dschem  (Zizim)  welcher  sich  nach 
Khodus  geflüchtet  hatte,  war  von  dem  Grossmeister  Pierre 
d'Aubusson  dem  Könige  Carl  VIII.  übergeben,  von  diesem  dem 
Papste  angeliefert  worden.  Am  13.  März  1489  kam  der  Gross- 
türke, wie  man  ihn  nannte,  in  Rom  an.  Von  Civitavecchia  vu 
er  nach  Ostia  gesegelt  und  kam  so  den  Strom  herauf  üf' 
Papst  sandte   ihm  ein  Ross,  brocatne  Kleider  die  ihm  wenig 


Prinz  Dschem.  193 

behagten  und  siebenhundert  Ducaten.  Als  er  ans  Land  stieg, 
empfingen  ihn  viele  vom  Hofe  unter  denen  sich  indess  keine 
Prälaten  befanden ,  dann  ritt  er  nach  dem  apostolischen  Palast 
zwischen  Franceschetto  Cybö  des  Papstes  Sohne  und  dem  ve- 
netianischen  Botschafter,  denen  sich  bald  darauf  auch  der 
Gesandte  des  babylonischen  Sultans  beigesellte.  Am  folgenden 
Tage  empfing  der  Papst  im  Consistorium  den  Ankömmling,  der 
damals  ebensowenig  zu  bewegen  war  sich  den  ihm  vorgeschrie- 
benen Ceremonien  zu  fügen ,  wie  er  sich  nachmals  dazu  hergab 
an  der  Spitze  einer  christhchen  Expedition  gegen  seine  Glaubens- 
genossen zu  kämpfen.  Wie  der  orientaUsche  Prinz  aussah  und 
sich  benahm,  schildert  am  ausführlichsten  ein  an  den  Mark- 
grafen von  Mantua  Güan  Francesco  da  Gonzaga  gerichteter 
Brief  des  Malers  Andrea  Mantegna,  welcher  damals  die  Ka- 
peUe  in  dem  päpstUchen  Gartenhause  Belvedere  mit  Fresken 
schmückte  von  denen  noch  die  Rede  sein  wird.  »Der  Bruder 
des  Türken,  so  schreibt  er,  wohnt  hier  im  Palast  unter  guter 
Aufsicht.  Der  h.  Vater  verschafft  ihm  eine  Menge  verschieden- 
artigen Zeitvertreibs,  Jagden,  Gastereien,  Musik  und  ähnUches. 
Bisweilen  kommt  er  im  neuen  Palast  speisen  wo  ich  beim  Malen 
bin,  und  für  einen  Barbaren  benimmt  er  sich  ganz  gut.  Seine 
Haltung  ist  voll  stolzer  Majestät;  selbst  in  des  Papstes  Gegen- 
wart entblösst  er  das  Haupt  nicht,  so  dass  vor  ihm  alle  Anderen 
bedeckt  bleiben.  Fünfmal  am  Tage  isst  er  und  schläft  ebenso 
oft;  vor  dem  Essen  trinkt  er  Zuckerwasser.  Sein  Gang  ist 
der  eines  Elefanten,  seine  Bewegung  zierlich  gleich  einer  ve- 
netianischen  Tonne.  Die  Seinen  loben  ihn  sehr  und  rühmen 
seine  Reitkunst;  es  ist  mögUch  aber  ich  habe  ihn  nie  in  den 
Bügel  steigen  noch  etwas  zu  Pferde  ausführen  gesehn.  Die 
Augen  hält  er  oft  halb  geschlossen.  Er  ist  von  grausamer 
Natur;  vier  Leute,  sagt  man,  hat  er  umgebracht.  Einen  dieser 
Tage  prügelte  er  einen  Dolmetsch  so,  dass  man  den  Mann 
nach  dem  Flusse  tragen  musste  ihn  wieder  zu  sich  zu  bringen. 
Es  heisst  er  gerathe  leicht  in  Wuth,  so  dass  sein  Gefolge  ihn 
sehr  fürchtet.  Er  kümmert  sich  um  nichts,  wie  Einer  der  von 
den  Dingen  nichts  versteht.  Er  schläft  angekleidet,  empfangt 
die  Leute  nach  Schneiderart  mit  gekreuzten  Beinen,  trägt  um 
den  Kopf  dreissigtausend  Ellen  Leinwand.  Seine  Beinkleider 
sind    so    weit    dass    er    sich    darin    verstecken    kann.     Sein 

V.  Reamont.  Rom.   m.  13 


194  Die  h.  Lauze.     Üemoriliaaliou  Ruins. 

Ausdruck  iet  entsetzlich,  namentlich  wenn  er  in  Zorn  ge- 
r&th*.  Der  Türke  muss  im  Vatican  eine  seltsame  Erschei- 
nung gewesen  sein.  Das  Ende  der  Geschichte  war  dass 
Innoceoz  sich  mit  Bajazet  verständigte  und  dieser  dem  Papst« 
Frieden  für  die  Christenheit  und  eine  jährUche  Zahlung  vod 
40,000  Ducatea  versprach,  wenn  er  Dschem  in  sicherm  Ver- 
wahrsam halten  wollte.  In  diesem  Verwahrsam  hat  dann  der 
osmanische  Prinz  noch  sechs  Jahre  lang  ein  elendes  Lebea 
hingeschleppt,  auch  nach  Innocenz'  Vlll.  Tode  ein  G^enstuid 
der  Besorgnisse  des  Ostens,  ein  bereit^ehaltenes  Werkzeug  der 
Pläne  des  Westens.  Innocenz  VlII.  aber  erhielt  kurz  vor  seiDem 
Tode  als  Merkmal  der  Dankbarkeit  des  türkischen  Sultans  die 
h.  Lanze,  welche  er  bei  ihrem  Anlangen  in  Rom  voa  Porta  del 
popolo  bis  zum  Vatican  in  feierlicher  Procession  trug.  Hfote 
eiue  der  rier  grossen  ReUquien  der  Peterskirche,  wo  die  unter 
dem  Monument  des  Papstes  befindliche  moderne  Inschrift,  in 
welcher  die  Bezeichnung  Bajazets  als  •Turcarum  Impenttor* 
in  >tyrannus<  umgewandelt  ist,  des  Erwerbs  dieser  Tropbü 
gedenkt,  die  man  vom  sechsten  Jahrhundert  an  in  Constan> 
tinopel  bewahrt  haben  soll  und  deren  Spitze  Ludwig  der  Hei- 
lige in  der  Sainte  Chapelle  niederlegte. 

Kurz  bevor  die  Reliquie  in  Rom  eintraf,  zu  Ende  Januars 
1492,  war  dort  die  Nachricht  von  der  Eroberung  Granadu 
angelangt  und  der  Papst  hatte  Cbx  die  Befreiung  des  lettUn 
Restes  des  Abendlandes  von  der  Herrschaft  des  Halbmonds 
durch  feierlichen  Gottesdienst  Dank  gesagt  Innocenz  VllL 
hätte  sich  solcher  Ereignisse  mehr  fireueo  dürfen,  wären  nicht 
selbst  nach  Herstellung  des  Friedens  mit  den  Nachbara  die 
Zustände  Rums  die  traurigsten  gewesen.  «In  Rom,  enihlt 
Stefano  Infessura  wo  er  vom  Jahre  1489  redet,  geschah  nichts 
Gutes.  Arge  Diebstähle,  Sacrilegien,  Mordthaten  folgten  auf- 
einander. Aus  Sta  Maria  in  Trastevere.  S.  Silvestro,  Sta  Mari> 
in  Via  und  anderen  Kirchen  wurden  kostbare  Gefasse,  fieii- 
quiarien  und  anderes  geraubt.  Es  war  leicht  Nachlass  der 
Strafen  und  Gewährleistung  der  Sicherheit,  auch  ohne  Ver- 
einbarung mit  den  Familien  der  Opfer  von  Gewaltthätigkeiten. 
vom  Papste  zu  erlangen,  wie  es  bei  den  Margani,  Crescenii. 
Del  Bufalo  u.  A.  geschah.  Wer  an  Person  und  Habe  Scha- 
den  gelitten   hatte,   sah  sich  dazu  täglich  neuen  Drohungen 


Demoralisation  Roms.    Virginio  Orsini.  195 

blosgestellt.  Ich  erzähle  was  ich  aus  eigner  Anschauung  weiss. 
Die  Stadt  war  mit  Uebelthätern  gefüllt.  Hatte  solches  Gesin- 
del irgendein  Verbrechen  begangen,  so  flüchtete  es  in  die 
Cardinalspaläste  und  hielt  sich  dort  für  sicher.  Der  Mord 
schien  eine  Kleinigkeit.  Auf  dem  Capitol  fanden  selten  Hin- 
richtungen statt,  die  Curie  des  Vicekanzlers  liess  wol  Misse- 
thäter  greifen  und  bei  Nachk  aufknüpfen.  Da  sah  man  sie 
denn  moi^ens  an  Tor  di  Nona  hangen ,  ohne  Namen  und  ohne 
Urtheilsspruch.  So  lebt  man  in  Rom  heute  unter  Innocenz*  VUI. 
Regierung.  Ein  Wirth  bei  Sta  Maria  Rotunda  tödtete  seine 
beiden  Töchter  und  einen  ehemaligen  Diener,  der  mit  der  jun- 
gem derselben  Umgang  gehabt  hatte.  Er  und  sein  Bruder 
wurden  verhaftet  und  ins  Castell  gebracht  Man  holte  den 
Nachrichter,  der  aber  die  Gefangenen  schon  in  Freiheit  gesetzt 
fand.  Es  hiess  sie  hätten  sich  mit  achthundert  Ducaten  gelöst : 
für  das  Geld  kaufte  man  keinen  Acker  der  Hakeldama  genannt 
ward.  Als  eines  Tages  der  Vicecamerlengo  gefragt  wurde 
weshalb  so  wenig  Justiz  gehandhabt  werde,  erwiederte  er  in 
meiner  Gegenwart:  Gott  will  nicht  den  Tod  des  Sünders, 
sondern  dass  er  zahle  und  lebe.  Von  da  an  bis  zum  Juni  er- 
eignete sich  in  der  Stadt  nichts  was  der  Aufzeichnung  wertli 
wäre,  als  tägliche  straflos  bleibende  Verwundungen,  Entfüh- 
rungen, Einbrüche,  Mordthaten.« 

Zustände  dieser  Art  verkünden  eine  Demoralisation  welche 
Volk  und  Vornehme  zugleich  angesteckt  hatte.  Das  päpsthche 
Ansehen  war  tief  gesunken.  Die  Gewaltthätigkeit  der  Barone 
war  aufs  höchste  gestiegen  und  der  städtische  Adel  zweiten 
Baoges  gab  ihnen  hierin  nichts  nach.  Stadt  und  Umgebungen 
waren  fortwährend  in  Gefahr  geplündert  zu  werden.  Virginio 
Orsini,  nicht  nur  .der  mächtigste  seines  Geschlechts  sondern 
unter  Sixtus  und  Innocenz  überhaupt  der  mächtigste  unter  den 
römischen  Baronen,  unter  Sixtus  meist  für,  unter  Innocenz 
gegen  den  Papst,  schaltete  wie  ein  Herrscher  im  römischen 
Tuscien  und  versetzte  Rom  in  anhaltende  Noth.  Die  Fehden 
der  grossen  Familien  waren  stets  von  Plünderung  und  Raub 
begleitet,  und  da  diese  Familien  zahlreiche  Anhänger  unter  den 
angesehenen  Bürgern  hatten,  wurde  deren  Eigenthum  in  gleichem 
Maasse  verwüstet  und  vernichtet.  Als  einmal  in  der  Nachbar- 
schaft die  Heerden  zusammengetrieben  wurden  um  sie  hinter 

13* 


196  Die  Curie.    Franceschetto  Cybo. 

Roms  Mauern  in  Sicherheit  zu  bringen,  liess  Virginio  Eigen- 
thümern  und  Magistraten  sagen,  sie  sollten  das  Vieh  gut  be- 
wachen auf  dass  er's  vorfände,  falls  man  ihn  nicht  zwingen 
wolle  die  Besitzer  mitsammt  iliren  Häusern  zu  verbrennen. 
Dieser  Generalcapitän  König  Ferrantes  drohte  eines  Tages  den 
Papst  in  den  Tiber  werfen  zu  lassen.   In  des  Papstes  Umgebung 

I  sah  es  kaum  besser  aus.     Die  J)emoraUsation  war  auch  hier 

i  eingedrungen.    Die  Käuflichkeit  der  Aemter  der  Curie,  welche 

'   .  gleich  jener  der  übrigen  Aemter  unter  Innocenz  VIII.  grosse 

Fortschritte  machte  nachdem  schon  sein  Vorgänger  in  dieser 
Hinsicht  weit  gegangen  war,  hatte  schlimme  Folgen.  Gewissen- 
loses Volk  versuchte  auf  eigne  Hand  Geschäfte  zu  machen  und 
ein   förmlicher  Handel   mit  falschen  Bullen  wurde    organisirt 

;  Ein  apostolischer  Scriptor  Domenico  von  Viterbo,  Sohn  wohl- 

I   I  habender  Leute,  stand  an  der  Spitze  der  weitverzweigten  sau- 

'  bem  Gesellschaft.     Im  Herbste  1489  wurde  die  Sache  entdeckt 

i  und  obgleich  man  sich  von  vielen  Seiten  ins  Mittel  legte  und 

•  Domenicos  Vater   fiir   dessen   Befreiung   fünftausend   Ducaten 

i    .  bot,    befahl    der   Papst   welcher   den   Scandal   namenthch  in 

Frankreich  fürchtete,  die  Hinrichtung  der  beiden  vornehmsten 
Schuldigen  welche  am  19.  October.  auf  dem  Petersplatze  de- 
gradirt  und  gehangen  wurden,  worauf  man  die  Leichen  auf 
Campo  di  fiore  verbrannte. 

Selbst  die  nächste  Umgebung  des  Papstes  gab  vielfaches 
Aergerniss.  Sein  Sohn  Franceschetto  Cybö,  wenn  er  den 
Riari  an  poUtischem  Ehrgeiz  nachstand,  war  auf  Geldgewinn 
ebenso  erpicht  wie  diese.  Während  des  neapolitanischen  Krie- 
ges  klagte  Ferrante  den  Papst  an,  sein  geheimer  Zweck  sei 
Bereicherung  Franceschettos.  Dieser  gab  sich  Unordnungen 
hin  welche  dem  Sohne  eines  Papstes  doppelt  schlecht  an- 
standen. In  Gemeinschaft  mit  Girolamo  Tuttavilla  überfiel  er 
einmal  Nachts  mit  einem  Haufen  Bewaffneter  das  Haus  eines 
i  Bürgers  auf  Campo  di  fiore ,  dessen  junge  schöne  und  ehrbare 

^  Frau  zu  rauben,  musste  jedoch  da  Lärm  entstand  mit  Schimpf 

und  Schande  abziehn.     Mit  Maddalena  de'  Medici  einer  Tochter 

^  Lorenzos  des  Erlauchten  verheiratet  hatte  er  sich  eines  mäch- 

tigen Rückhalts  versichert,  während  die  Medici  diese  Verbin- 
dung mit  den  Cybo  zur  Ausdehnung  ihrer  Finanzspeculationen 
und  ihres  Einflusses  in  Rom  benutzten.     Die  im  März  1489  dem 


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Unordnungen  in  den  höhei'en  Ständen.  197 

erst  vierzehnjährigen    zweiten   Sohne   Lorenzos   Giovanni   de' 
Medici   ertheilte  Cardinalswürde  war   ein  Pfand   der  Freund- 
schaft beider  Familien.    Franceschetto  erwarb  die  Herrschaft 
über  Anguillara   und  Cerveteri   welche    die  Nachkommen  der 
alten  Herren  nicht  zu  behaupten  vermögt  hatten,   die  er  aber 
selbst  später  an  die  Orsini  wieder  verkaufen  musste.     Als  er 
einst  im  Spiel  mit  dem  Cardinal  Baflael  Riario  vierzehntausend 
Ducaten  verlor,  eilte  er  zum  Papste  und  klagte  er  sei  hinters 
Licht  gefuhrt  worden.    Innocenz  sandte  zum  Cardinal  und  be- 
fahl ihm   mit    der   gewonnenen    Summe   zu   kommen.     Riario 
erschien,    erklärte   aber   er   habe  das   Geld  für  Maurer-   und 
Zimmermannsarbeit  an  seinem  Palast  bei  S.  Lorenzo  in  Damaso 
ausgegeben.    Als  der  Papst  auf  Forderung  der  Rückerstattung 
bestand,   verliess  der  Cardinal  die  Stadt  und  ging  nach  der 
Romagna,  wo  im  Jahre  zuvor  sein  Oheim  Graf  Girolamo  von 
drei  seiner  Hauptleute  ermordet  worden  war,  dessen  Wittwe 
Caterina  Sforza  aber  durch  ihre  Entschlossenheit  ihrem  Sohne 
die  Herrschaft  gerettet  hatte.    Der  Cardinal  de  La  Balue  verlor 
an   denselben  Riario   an   einem  Abende   achttausend  Ducaten. 
3Ian  lebte  in  Rom  in  beständiger  Unruhe.    Am  23.  September 
1490    entstand    arger  Lärm.     £s    hiess    plötzlich    der  Papst 
sei   todt;    alle   Buden    wurden   geschlossen,   Alle    die   in   den 
Vignen   oder   auf   dem  Felde   waren,    eilten  ihre  Wohnungen 
wiederzuerreichen.     Wirklich   schien  Innocenz   in  den   letzten 
Zügen    zu  liegen,   und  Franceschetto ,    seines  Endes  gewärtig, 
versuchte  sich  des  Schatzes  der  Kirche  wie  des  Prinzen  Dschem 
zu  bemächtigen ,  angeblich  um  Letztem  für  Geld  an  König  Fer- 
rante auszuliefern.     Beides  mislang.    Am  folgenden  Tage  be- 
gaben die  in  Rom  anwesenden  Cardinäle  sich  nach  dem  Palast 
wo  der  Papst  in  Lethargie  lag.     Sie  nahmen  ein  Inventar  des 
Schatzes  auf,  den  sie  sehr  geschmälert  fanden ,  da  Franceschetto 
einen  Theil  desselben  nach  Florenz  geschafft  hatte.    Was  vor- 
handen war,  wurde  der  Obhut  des  Cardinais  Savelli  anvertraut 
der  mehre  Tage  im  Palast  blieb.     In  einer  Kiste  fanden  sich 
800,000  Ducaten,    300,000  in    einer   andern   im  Castell  befind- 
lichen.   Der  Papst  erholte  sich.    Als  er  von  dem  Vorfall  ver- 
nahm, äusserte  er,  er  hoffe  diese  Herren  Cardinäle  noch  zu 
beerdigen. 

Zu  Ende  Juni  1492  war  Innocenz  VIII.  hoffnungslos  erkrankt. 


198  InnoMri'  VIII.  Tod. 

Ein  jüdischer  Arzt  versprach  ihn  gesund  zu  machen.  Du 
entsetzUche  Geheimmittel  war  ein  aus  dem  Blut  von  drei  Kna- 
ben bereiteter  Trank.  Alle  drei  erlagen  den  Folgen  der  Operation 
für  welche  man  jedem  einen  Ducaten  gegeben  hatte.  Der  Jude 
entfloh:  des  Papstes  Zustand  verachlimmerte  sich.  Der  Vicc- 
camerlengo  der  sich  nicht  in  seiner  Wohnung  zu  bleiben  ge- 
traute, verbarg  sich  mit  seinen  Leuten  und  seiner  Habe  im 
Hause  Lodovico  Matteis,  dann  im  päpstlichen  Lustschloss  Bei- 
vedere  im  vaticanischen  Garten.  Zwei  seiner  Leute  welche 
Lebensmittel  zu  holen  gegangen  waren,  wurden  in  Stücke  ge- 
hauen. In  der  Stadt  gab's  keine  Polizei  mehr;  die  Autorität 
des  Senators  war  verschwunden.  Furchtlos  gingen  Banditen 
umher:  kaum  verstrich  ein  Tag  Tind  eine  Nacht  ohne  Mord- 
tliat.  Am  22.  Juli  begaben  sich  mehre  Barone,  auf  Zureden 
des  Cardinais  von  S.  Pietro  in  vincoli  ihren  Part^ihader  in  so 
bedrängter  Zeit  hintansetzend,  Prospero  Colonna,  Giovan  Gior- 
dano  Orsini  Vir^nios  Sohn  u.  a.  nebst  mehren  angesehenen 
Büi^ern  nach  dem  Capitol ,  wo  sie  den  Conservatoren  in  Vor- 
aussicht des  Todes  des  Papstes  ihre  Dienste  anboten  und  sich 
mit  ihnen  einigten.  Drei  Tage  darauf,  am  Abende  des  St  Ja- 
kobsfestes, starb  Innocenz  VIII.  »Seine  Seele  ruhe  im  Frieden" 
setzt  der  Annalist  hinzu,  der  ein  so  düstres  Gemälde  der  rö- 
mischen Zustände  entwirft.  Kaum  war  er  todt,  so  stritten  der 
Camerlengo  und  die  städtischen  Beamten  inbetreff  der  Wahl 
der  Marschälle  für  die  Rione,  eine  Wahl  die  nach  altem  Ge- 
brauch der  Stadt  zustand,  aber  auf  Vorschlag  mehrer  Büi^r 
dem  Camerlengo  anheimgestellt  wurde.  >Man  darf  sich  nicht 
darüber  wundem,  bemerkt  derselbe  Annalist  Stefano  Infessurs, 
dass  das  römische  Gemeinwesen  so  machtlos  ist,  da  die  Römer 
selbst  um  persönlicher  Vortheile  willen  zum  Schaden  von  Stadt 
und  Gemeinwesen  handeln.« 

Innocenz  Vlll.  wurde  in  der  vaticanischen  Basilika  beerdigt. 
Hier  sieht  man  heute  das  ihm  errichtete  Denkmal  im  linken 
Seitenschiffe,  eins  der  wenigen  welche  aus  der  alten  in  die 
neue  Kirche  versetzt  worden  sind ,  während  so  manche  grössere 
und  schönere  Werke  erbarmungslos  zerstückt  in  den  vati- 
caniacben  Grotten  zwiefach  an  die  Vergänglichkeit  mensch- 
licher Dinge  mahnen. 


Conckve  von  1492.   Die  Cardiiiäle  Della  Rovere  v^d  Sforza.  199 


3. 

BEWERBUNG  UM  DAS  PAPSTTHÜM.      ALEXANDER  VI.      DIE   BOROL'i. 

»Wenn  das  Leben  Innocenz*  VIII. ,  sagt  Francesco  Guicciar- 
dini  im  Eingang  seiner  Geschichtsbucher,  für  das  allgemeine 
Beste  unnütz  war,  war  es  wenigstens  insoferne  nützlich,  in- 
dem er  durch  den  unglücklichen  Versuch  der  Einmischung 
in  den  Baronenkrieg  abgeschreckt  im  Verlauf  seines  Ponti- 
ficats  den  Sinn  auf  Kleinigkeiten  richtete,  statt  für  sich  und 
die  Seinigen  Dinge  zu  planen  welche  die  Ruhe  Italiens  stören 
konnten.« 

Dies  negative  Lob,  dessen  Grund  oder  Ungrund  dahin- 
gestellt bleiben  mag,  war  nicht  auf  den  Nachfolger  anzu- 
wenden. 

Am  6.  August  1492  gingen  dreiundzwanzig  Cardinäle  ins 
Conclave,  dessen  Wache  Cola  Caetani  und  Batista  Conti  über- 
nahmen. Der  französische  Botschafter  Jean  Villiers  de  La 
Grolaie  Abt  von  St.  Denis  wurde  zum  Gouverneur  der  Stadt 
gemacht.  Aufregung  und  Besorgniss  waren  gross.  Man  erwar- 
tete Virginio  Orsini  mit  dreihundert  Reitern;  er  sollte  in  der 
Wohnung  des  Cardinais  della  Rovere  bei  SS.  Apostoli  einkeh- 
ren. Drei  MitgUeder  des  h.  CoUegiums  traten  offen  als  Be- 
werber um  das  Papstthum  auf.  Giuhano  della  Rovere  hatte 
in  den  letzten  Zeiten  Innocenz'  VIII.  den  weitreichendsten  Ein- 
fluss  auf  die  Staatsgeschäfte  ausgeübt.  Als  er  einmal  einen 
mailändischen  Courier  aufheben  und  ihm  seine  Papiere  nehmen 
Hess,  beklagten  die  Gesandten  sich:  Ein  Papst  genüge  ihnen, 
zwei  seien  zu  viel.  Er  repräsentirte  das  französische  Interesse ; 
es  hiess  König  Carl  VIII.  habe  zweihunderttausend  Ducaten  zu 
seinen  Gunsten  in  Rom  hinterlegt,  Genua  hunderttausend.  So 
ohne  Umstände  sprach  man  von  Geld.  Die  Mitbewerber  des 
Neffen  Sixtus'  IV.  waren  Ascanio  Maria  Sforza  und  Rodrigo 
Lenzuoli  Borgia.  Ascan  Sforza,  ein  Sohn  Francescos  Herzogs 
von  Mailand,  war  im  Frühling  1484  im  Alter  von  dreissig 
Jahren  von  Sixtus  IV.  zum  Cardinaldiacon  creirt  worden.  Er 
war  ein  weltlich  gesinnter  grosser  Herr  in  geistlichem  Gewände. 
Rom  staunte  über  seinen  glänzenden  Hof  dessen  Kosten  sein 


200 


Cardinal  Rodrigo  Borgia. 


geistliches  und  weltliches  Einkommen  bestritt,  und  über  die 
Menge  Pferde ,  Hunde  und  Falken  welche  der  leideQBchafdiche 
Jagdliebhaber  unterhielt.  So  lange  die  Freundschaft  zwischen 
den  Häusern  Sforza  und  Aragon  bestand,  wurde  er  von  bei- 
den getragen,  bis  die  politischen  Wandlungen  LodoTicos  il 
Moro  ihn  ganz  in  den  Kreis  der  Interessen  dieses  ihn  wüt 
überschauenden  Bruders  zogen,  der  ihn  in  seinen  Ruin  ver- 
wickelte. 

Es  währte  nicht  lange ,  so  sahen  Della  Rovere  und  Sforza 
sich  yon  dem  dritten  Bewerber  überflügelt.  Rodrigo  Lenzuoli 
Borgia  hat  zu  eignem  Unglück  wie  zu  dem  des  Pontificats  den 
li.  Stuhl  hesti^n.  Das  Urthfil  seiner  Zeitgenossen  hat  ihn 
nicht  geschont,  aber  dies  Urtheil  ist  selbst  bei  dem  ernstesten 
und  gewiegtesten  Histonker  der  ersten  Hälfte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts,  der  den  römischen  Hof  genau  kannte,  nicht  frei 
von  Leidenschaft:  es  ist  ein  Froduct  und  Nachklang  späterer 
Ereignisse  und  Erfahrungen,  keineswegs  Ausdruck  und  Zeug- 
nisB  der  Stimmungen  und  Ansichten  der  Zeit  in  welcher  die 
Wahl  stattfand.  >Die  Nebenbuhlerschaft  zwischen  Giuliano 
della  Rovere  und  Ascanio  Sforza,  sagt  Francesco  Gruicciardini, 
verhalf  Rodrigo  Borgia  zur  höchsten  Würde.  Mehr  noch  tbst 
dies  der  ofi'entliche  Kauf  vieler  Stimmen  durch  Geld  und  Ver- 
sprechen von  Aemtern  und  Benefizien,  welcher  mit  achmacli- 
voller  Verhöhnung  evangeUscher  Vorschriften  getrieben  wurde. 
Die  allgemeine  Entrüstung  über  den  schändhchen  Handel  war 
umso  grösser,  weil  Karakter  und  Verhältnisse  des  Erwählten 
Vielen  bekannt  waren.  König  Ferrante  von  Neapel  s^te  zu 
seiner  Gemalin,  ein  Papst  sei  gewählt  zum  Unglück  für  ItaUen 
und  für  die  Christenheit.  Sein  Scharfsinn  tauschte  ihn  nicht. 
In  Alexander  VI,,  so  hiess  der  Gewählte,  vereinigten  sich  un- 
gewöhnliche Klugheit  und  Wachsamkeit,  reife  Ueberlegung, 
wunderbare  Ueberredungskunst,  Gewandtheit  und  Fähigiieit 
zur  Leitung  der  schwierigsten  Geschäfte.  Aber  diese  seine 
guten  Eigenschaften  standen  beiwoitem  den  schhmmen  aacb, 
seinem  unordentlichen  Lebenswandel,  seinem  Mangel  an  Auf- 
richtigkeit, Schamgefühl,  Wahrheit,  Treue,  Glauben,  Reli^oü, 
seiner  unersättlichen  Habsucht  und  gleich  maasslosem  Ehi^i- 
seiner  Grausamkeit,  der  glühenden  Begierde  seine  Söhne  gross- 
zumachen ,  die  zahlreich  waren  und  deren  einer  dem  Vater  im 
Bösen  nicht  nachstand,  auf  dass  schlimmen  Vorsätzen  sclilimnc 


Cardinal  Rodi*igo  Borgia.  201 

Werkzeuge  nicht  fehlen  sollten.«     Härtere  Anklagen,  bei  An- 
erkennung ungewöhnlicher  Eigenschaften,  lassen  sich  nicht  in 
wenig  Zeilen  zusammendrängen.    Beinahe  schwerer  noch  fallt 
io8  Gewicht  was  ein  anderer  Florentiner,   weit  älter  als  Guic- 
ciardini  und  mit  Rom  und  seinem  Hofe   von  Innocenz'  VIII. 
Zeit   an   vertraut,   Lorenzos   de*   Medici    Schwager   Bemardo 
Rucellai  über  Alexander  VI.  schreibt.     »Itahens  Unglück,  sagt 
er,  kam  von  einer  Seite  von  wo  es  am  wenigsten  hätte  kom- 
men sollen.    Jeder  schlimmen  That  fähig  erkaufte  Alexander  VI. 
die  höchste  Würde   mit   Gold   wie   auf  einer   Versteigerung. 
Mit  eignem   Besitz   nicht   zufrieden   richtete    er   den    gierigen 
Blick   auf  Anderer  Gut;  jedes  Mittel    war   ihm   genehm  wo- 
feme  er  sich  und  seine  vielen  Angehörigen  bereicherte,  indem 
er  die  häusliche  Unehre  durch  die  maassloseste  Begierde  nach 
Macht  erhöhte.«     Wie  immer  man   aber  über  den  Papst  und 
über  die  Mittel  und  Wege  zu  seiner  Erhebung  urtheilen  möge, 
so  muss  man  sich  hüten  anzunehmen,  als  sei  eine  solche  Mei- 
nung von  dem  Cardinal  verbreitet  gewesen  der  aus  dem  Con- 
clave   von    1492   als   Papst   hervorging.     Es   lässt   sich  nicht 
leugnen,    dieser  Cardinal  galt  für  einen  der  tüchtigsten,   und 
man    hatte    Zeit    gehabt   ihn    kennen    zu    lernen.      Dass    die 
Eigenschaften    eines    weltlichen    Herrschers    bei    der    Wahl 
die    bestimmenden    Motive    waren ,    kennzeichnet    die    ganze 
Epoche. 

Rodrigo  Lanzol,  oder  Lenzuoli  nach  italienischer  Schreib- 
art, war  am  Neujahrstage  1431  in  Xativa  bei  Valencia  geboren. 
Seine  Mutter  Isabella  war  eine  Schwester  Papst  CaUxtus'  III. 
der  ihm  seinen  Familiennamen  gab.  Anfangs  der  Rechtswissen- 
schaft obliegend ,  dann  dem  Kriegswesen  sich  widmend  wurde 
er  durch  die  Erhebung  seines  Oheims,  bei  welcher  er  vierund- 
zwanzig Jahre  zählte,  auf  andere  Bahnen  gelenkt.  Zum  Bi- 
schof von  Valencia,  dann  am  18.  September  1456  zum  Cardi- 
naldiakon  von  S.  Niccolo  in  carcere  ernannt,  erhielt  er  das 
einträglichste  Amt  der  Curie,  das  des  Vicekanzlers.  Er  hat 
es  vierunddreissig  Jahre  hindurch  verwaltet  und  mit  dessen 
Einkünften  wie  mit  anderen  die  ihm  zu  Theil  wurden,  von 
Bisthümern  und  der  Abtei  Subiaco  die  er  als  Commende  er- 
hielt, ein  ansehnUches  Vermögen  gebildet  und  mit  fürstlichem 
Glänze  gelebt.  Die  Nachrichten  über  seinen  Lebenswandel 
während  seines  langen  Cardinalats   sind  widersprechend.     Es 


204 


erfolgtem  Tode  heiratete  sie  einen  mantuaner  Edelmann  Carlo 
Canale,  welchen  wir  von  1490  an  als  Schreiber  in  der  Pöniteo- 
tiarie,  später  als  Soldan  oder  Gefängnissvogt  von  Tor  di  Nona 
iinden.  Mehre  Wohnungen  und  BesitzthQmer  Vannozzas  in 
Rom  sind  bekannt,  beim  alten  Palast  der  Cancellaria  an 
Piazza  Sforza,  auf  dem  Esquihn  wo  sie  auch  eine  Vigne  be- 
sass;  noch  im  Jahre  1506  war  die  Osteria  del  Leone,  Tor  di 
Nona  gegenüber,  ihr  Eigenthum.  Ueberdies  besass  sie  das 
Castell  von  Bieda  im  Viterbesischen ,  dessen  Signora  sie  sich 
nannte,  während  sie  den  Namen  Boi^a  ihrem  eignen  beifügte. 
Unter  Alexanders  VI.  Regierung  ist  von  Vannozza ,  die  den 
Papst  um  viele  Jahre  überlebte,  nur  ein  einziges  Mal,  aus 
Anlass  eines  tragischen  Vorfalls  in  ihrer  Familie  die  Rede. 
Vier  Söhne  und  eine  Tochter  waren  von  Rodrigo  Borgia  an- 
erkannt. Der  ält-cste,  Pedro  Luis,  ein  bei  den  Boi^a  mehr- 
mals vorkommender  Name,  wurde  durch  Verleihung  Ferdinands 
des  KathoHschen  Herzog  von  Gandia,  starb  aber  jung  und 
liatte  seinen  Bruder  Juan  in  dieser  Würde  zum  Nachfolger. 
Ceeare,  Erzbischof  von  Valencia,  wurde  im  September  14!ß 
Cardinaldiakon  von  Sta  Maria  nuova.  Für  den  jüngsten  der 
Söhne,  Juffre.  erlangte  der  Papst  von  König  Alfons  II.  von 
Neapel  die  Hand  der  natürlichen  Tochter  desselben,  Sancia 
von  Aragon  welche  das  Fürstenthum  Squillace  zur  Mitgift  er- 
hielt, während  ihrem  Gemal  der  Titel  eines  Fürsten  von  Tri- 
carico  beigelegt  wurde.     So  waren  die  Söhne  versorgt. 

Der  Name  der  Tochter  Rodrigo  Borgias  ist  welthistorisch 
geworden.  Annalisten,  Epigrammatiker,  neuere  Historiker 
haben  mit  Ro mause hreibero  und  Autoren  von  Spektakelstücken 
gewetteifert,  Lucrezia  Borgia  als  eine  der  verworfensten  ihres 
Geschlechts,  als  die  Heldin  des  Dolches  und  Giftes  danu- 
stellen.  Die  Zeit  war  schlimm  ,  der  Hof  war  schlimm ,  die  Bei- 
spiele in  der  eignen  Familie  waren  schlimm ,  aber  Lucrezia  Borgia. 
wie  immer  sie  von  der  fast  allgemeinen  Verderbniss  berührt 
worden  sein  mag,  war  weit  entfernt  solchen  bösen  Leumund 
zu  verdienen.  Die  ärgsten  Anklagen  und  Erzählungen  be- 
ruhen auf  Berichten,  deren  Uebertreibungen  und  schmubige 
Bosheit  die  Grenze  des  Glaubbaren  ja  des  Möglichen  über- 
schreiten, auf  den  Satiren  einer  Stadt  deren  Witz  vonjeher 
der  schärfste  und  einschneidendste  gewesen  ist.  Eine  Mengf 
Thatsachen  strafen  diesen  Ruf  Lügen.    Lucrezia  war  sehr  jung 


Lucrezia  Borgia.  205 

mit  einem  spanischen  Edelmann  verlobt  worden,  aber  Alexan- 
der VI.  machte  bei  seiner  Erhebung  das  Gelöbniss  rückgangig 
und  yermälte  sie  im  Frühling  1493  mit  Giovanni  Sforza  Herrn 
von  Pesaro  dem  Grossneffen  Francescos  Herzogs  von  Mailand. 
Die  Hochzeit  fand  im  vaticanischen  Palast  statt,  aber  die 
kinderlose  Ehe  wurde  nachmals  vom  Papste  gelöst  und  Lu- 
crezia weilte  längere  Zeit  in  Rom  im  Dominicanerinnenkloster 
8.  Sisto.  Wahrscheinlich  walteten  politische  Gründe  ob,  da 
Alexander  durch  die  im  Jahre  1498  erfolgte  Verleihung  ihrer 
Hand  an  den  siebzehnjährigen  Alfonso  d'Aragona  Fürsten  von 
Bisceglia,  König  Alfons'  II.  natürlichen  Sohn,  die  ihn  an  das 
Haus  Neapel  knüpfenden  Bande  in  einem  bedenkUchen  Moment 
fester  zu  ziehn  wünschte.  Der  tragische  Ausgang  dieser  Ehe, 
aus  welcher  im  Jahre  1499  ein  Sohn  Rodrigo  dann  ein  zweiter 
Juan  entspross,  ist  Lucrezia  am  wenigsten  zur  Last  zu  legen. 
Nach  ihrer  Verbindung  mit  Alfons  von  Este ,  und  nachdem  sie 
der  römischen  Atmosphäre  entrückt  war,  ist  sie  von  den  Ver- 
leumdungen die  sie  einst  verfolgten,  nicht  mehr  berührt  wor- 
den. Poetische  Lobeserhebungen  aus  Bembos,  Ariostos,  Er- 
cole  Strozzis  u.  A.  Munde,  welche,  wenn  inan  sie  nicht  streng 
beim  Worte  nehmen  will,  der  öffentlichen  Stimme  nicht  ge- 
radezu widersprochen  haben  können,  vereinigen  sich'  mit  den 
Aussprüchen  von  Staatsmännern,  Historikern,  Literaten.  Ein 
venetianischer  Botschafter  nennt  sie  verständig  und  hochsinnig. 
Von  Fremden  wurde  sie  nicht  minder  gerühmt  als  von  ItaUe- 
nern.  Als  nach  dem  Siege  bei  La  Bastida  Bayard  und  seine 
Kampfgenossen  nach  Ferrara  zurückkehrten,  wurden  sie  glän- 
zend empfangen.  »Vor  Allen,  erzählt  der  unter  dem  Namen 
des  »Loyal  Serviteur«  bekannte  Biograph  des  »Chevalier  sans 
peur  et  sans  reproche« ,  empfing  die  gute  Herzogin ,  eine  Perle 
auf  dieser  Welt,  sie  mit  wunderbarer  Freundlichkeit.  Sie  war 
schön,  gütig,  sanft,  gegen  Jeden  freundlich.  Sie  sprach  Spa- 
nisch, Italienisch,  Französisch,  Griechisch  und  etwas  gutes 
Latein  und  schrieb  alle  diese  Sprachen.  Mogte  ihr  Gemal 
noch  so  sehr  ein  weiser  und  beherzter  Fürst  sein,  nichts  ist 
so  gewiss  als  dass  diese  Dame  ihm  durch  die  Anmuth  ihres 
Wesens  grosse  und  wirkliche  Dienste  geleistet  hat.«  Lucrezia 
welche  bis  zum  Juni  1519  lebte,  war  bei  ihrer  dritten 
Vermälung  noch  in  der  Blüte  des  Alters  und  von  ein- 
nehmenden Zügen.     Pietro  Bembo   besang  ihr  goldig  blondes 


206         Alexanders  VI.  VerhSltiüss  zu  s.  Angehörigen.  Cesare  Borgia. 

Haar.  Mit  anmuthigem  Aeussem  und  weiblichem  AuBdruck 
vereinigte  sie  einen  männlichen  Geist.  Wenn  des  Vaters  Vor- 
liebe für  sie  sich  mehrfach  in  einer  Weise  äusserte  welche 
seiner  erhabenen  Würde  schlecht  anstand,  wenn  der  päpst- 
liche Palast  ja  der  Staat  in  seiner  Abwesenheit  unter  Leitang 
einer  Frau  blieben,  so  rechtfertigte  sie  diese  Vorhebe  andrer- 
seits durch  ihre  geistigen  Eigenschaften.  Gewiss,  der  vati- 
canische  Palast  und  die  Engelsburg  bieten  unter  Alezander  Yl. 
und  unter  einem  seiner  berühmtesten  Nachfolger  ein  wenig 
erbauhches  Bild,  weist  man  auch  manche  Geschichten  und 
Anekdoten  als  gemeine  Erfindungen  zurück,  und  es  ist  schon 
schUmm  genug  dass  man  in  Rom  selbst  an  solche  Erfindungen 
glaubte.  Aber  Lucrezia  Bo^ia  ist  von  der  Mehrzahl  der  auf 
sie  gehäuften  Beschuldigungen  ohne  weiteres  freizusprechen. 

Es  ist  Alexander  VI.  ergangen  wie  Sixtus  IV.  Zu  einer 
Stellung  gelangt  deren  Macht  nach  einer  Seite  hin  kaum  Gren- 
zen zu  haben  schien,  während  sie  auf  der  andern  durch  die 
Tradition  kleinhchster  Zustände  beschränkt  war,  sah  er  sich 
von  Verwandten  umgeben  welche  die  schöne  Gelegenheit  zu 
benutzen  entschlossen  waren.  Seine  Liebe  zu  seinen  Ange- 
hörigen artete  in  Schwäche  aus,  und  die  poUtischen  Verwick- 
lungen im  Grossen  wie  die  verworrenen ,  auf  unsicherm  Rechts- 
boden beruhenden  Verhältnisse  im  Innern  des  Kirchenstaats 
gaben  ihn  in  die  Hand  des  Mannes  der,  mit  scharfem  Verstände, 
mit  rastloser  Thätigkeit,  mit  unscrupulösem  Ehrgeiz,  mit  kalter 
Ueberlegung,  mit  Entschiedenheit  des  Willens  begabt,  und  vor 
keiner  Perfidie  noch  Blutthat  zurückschaudernd  wenn  es  die 
Erreichung  seiner  politischen  Zwecke  oder  die  Befriedigung 
seiner  Lüste  und  seiner  Rachsucht  galt,  den  Papst  vöUig  do- 
minirt  hat.  Das  Verhältniss  Alexanders  VJ.  zu  seinem  Sohne 
Cesare  ergiebt  sich  am  klarsten  aus  dem  uns  im  Auszug  erhal- 
tenen Bericht  eines  venetianischen  Diplomaten.  Im  Jahre  1500 
hat  Paolo  Capello,  von  Rom  heimgekehrt.  Beide  geschildert. 
»Der  Papst,  sagt  er,  ist  siebzigjährig,  scheint  aber  mit  jedem 
Tage  jünger  zu  werden.  Er  ist  von  lebendig  heitrer  Gemüths- 
art;  unerfreuliche  Gedanken  währen  bei  ihm  nie  über  die  Na<;ht 
hinaus.  In  allem  was  er  beginnt  ist  er  nur  auf  seinen  Vortheil 
bedacht  und  alle  seine  Gedanken  sind  auf  Erhöhung  der  Seini- 
gen gerichtet.  Anderes  kümmert  ihn  nicht  Geheimhalten 
kann  er  nichts:  was  er  weiss,  weiss  bald  auch  der  ganze  Hof. 


Wendung  der  italienischen  Politik.  207 

Seinen   Sohn  Cesare  furchtet  er  ebensosehr  wie  er  ihn  liebt. 
Dieser  ist  siebenundzwanzig  alt,  gross,  wohlgebaut,  ein  schöner 
Mann.     Er  ist  bis   zur  Verschwendung  freigebig,    womit  der 
Papst  nicht  einverstanden  ist.    Dieser  ist  selbst  nicht  sicher 
vor  seiner  Gewaltthätigkeit.    Unter  seinem  eignen  Mantel  er- 
dolchte   der  Sohn   seinen   vertrautesten   Diener  (Peroto):    das 
Blut  besprützte  des  Papstes  Gesicht.     Ganz  Rom  zittert  vor 
Cesare.«      £s    fragt   sich    freilich   ob   man  Capello,   der   dem 
Borgia  auch  den  Brudermord  beimisst,  überall  Glauben  schen- 
ken darf:  er  hatte  die  Dinge  nur  von  Hörensagen ,  und  gleich- 
zeitige Berichte  melden ,  Peroto  sei  im  Tiber  ertränkt  gefunden 
worden.      Doch   auch   nach  Abzug  der  hier  gewohnten  bös- 
willigen Uebertreibungen  bleibt  übergenug  den  Mann  zu  kenn- 
zeichnen,   der  mehr   als   Alexander  VI.    die   inneren   wie   die 
äusseren  Angelegenheiten  des  Kirchenstaats  gelenkt  hat. 

Die  allgemeinen  poHtischen  Ereignisse  Italiens  gesellten  sich 
dazu  das  Papstthum  auf  eine  Bahn  zu  verlocken ,  die  insoferne 
von  den  Bahnen  der  vorzugsweise  in  die  Politik  verwickelten 
Päpste  verschieden  war,  als  das  Centrum  der  neuen  Bewegung 
nicht  mehr  in  Itahen  lag.    Die  Epoche  des  Ueberwiegens  des 
Auslandes  in  Itahen  hebt  mit  Alexander  VI.  an.    Dies  Ueber- 
wiegen  begann,  nicht  minder  bezeichnend  als  verhängnissvoll, 
in  einem  Moment  wo  ItaUens  geistige  Entwicklung  die  Nation 
an  die  Spitze  fluropas  stellte,  ihr  Einfluss,  gut  und  übel,  do- 
minirend  ward,  einer   ihrer  Söhne  eine  neue  Welt  erschloss, 
das  Papstthum  auch    über  die  kirchhchen  Kreise   hinaus   als 
höchste  Autorität   angerufen    ward.      Die    Contraste   zwischen 
dieser  Herrschaft   und   den   nun   in   rascher   Folge   sich    ent- 
wickelnden   Zuständen    politischer    Unfreiheit    konnten    nicht 
schärfer  sein.    Viertehalb  Jahrhunderte  italienischer  Geschichte 
sind  dadurch  bedingt  worden. 

Wenn  die  Halbinsel  das  Mittelalter  hindurch  fremden  Ein- 
flüssen mehr  als  ein  anderes  Land  zugängtich  gewesen  ist,  so 
hatte  doch  im  Verlauf  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ein  Staaten- 
system sich  gebildet,  welches,  wenn  es  in  seiner  übermässi- 
gen Zerstücklung  und  daraus  hervorgehenden  eifersüchtigea 
Schiväche  zur  Bewahrung  innern  Friedens  wenig  zu  leisten  im 
Stande  war,  endUch  eine  Art  Waffenstillstand  und  ein  gewisses 
Gleichgewicht  herbeiführte.  Venedig,  Mailand,  Florenz,  der 
Kirchenstaat,  Neapel  waren  die  Staaten  die  liiebei  wesentlich 


Die  itAlicni scheu  Staaton  u 


I  das  Jalir  1493. 


in  Betracht  kamen.  Aber  Venedig  ausgenommen,  welches,  im 
Osten  von  der  türkischen  Macht  momentan  minder  bedroht, 
im  Innern  ruhig,  sich  in  Oberitahen  melinindmehr  ausdehnte, 
trugen  diese  Staaten  gefährliche  Keime  der  Schwäche  in  sieb. 
Mailand  hatte  seit  Francesco  Sforzas  Tode  beständige  Rück- 
schritte gemacht,  um  so  bedenklicher  je  grösser  der  Unfriede 
im  regierenden  Hause  war.  In  Florenz  hatte  der  Sieg  dei 
Demokratie  zur  Herrschaft  einer  Familie  gefuhrt,  welche,  ohuf 
positives  Recht  und  ohne  feste  Form,  nur  so  lange  eine  Ga- 
rantie der  Stetigkeit  bot  als  ein  ungewöhnlich  begabter  uod 
gewiegter  Mann  an  der  Spitze  stand,  aber  von*  dem  am  8.  April 
1492  erfolgten  Tode  Lorenzos  de'  Medici  an  allen  WecbBelu 
preisgegeben  war.  In  den  'Provinzen  des  Kirchenstaats  fand 
meist  das  umgekehrte  Verbältniss  von  Florenz  statt,  indem  die 
souveräne  Autorität  wesentlich  eine  blos  nominelle  wi^  die 
sich  mit  einer  Menge  kleiner  Gewalthaber  abfinden  musste. 
Das  Königreich  Neapel  war  ein  Fe'udalstaat,  wo  eine  von  eintm 
so  scharfsinnigen  wie  gewissenlosen  Herrscher  decimirte  aber 
nicht  bezwungene  Aristokratie  mit  umso  grösserer  Ungeduld 
des  Moments  der  Rache  harrte,  da  der  Thronfolger  ilir  wo 
mögUch  noch  verhasster  war  als  Der  welcher  das  Soepter 
trug.  Die  Insel  Sicihen  bildete'  längst  einen  Theil  eines  frem- 
den Reiches. 


So  waren  die  inneren  Verhältniese  der  Staaten  der  H»lb- 
insel,  als  die  Verwicklungen  eintraten  welche  ihrer  nationsleo 
Gestaltung  den  Untergang  gebracht  haben.  Die  ursprüngliclieu 
Anlässe  dieser  Verwicklungen  liegen  in  weiter  Feme;  seit  dem 
Unte^ang  der  Hohenstaufen  haben  sich  ihre  Spuren  wie  eine 
schleichende  Krankheit  durch  zwei  Jahrhunderte  hingezogen' 
Die  nächsten  Ursachen  waren  Aller  Augen  so  offenbar,  das» 
man  gewöhnlich  diese  allein  beachtet  bat.  Der  gewissenlose 
Ehrgeiz  Lodovico  Sforzas  Herzogs  von  Bari,  jungem  Sohn« 
Francesco  Sforzas,  der  die  für  seinen  Neffen  Gian  GaleaM" 
den  Sohn  des  ermordeten  Galeazzo  Maria  geführte  Regentscbsli 


Die  ital.  Staaten  um  das  J.  1492.    Carl  VIII.  von  Frankreich.       209 

mit  Ausschluss   desselben   und  seiner  Kinder  in    eigne   Herr- 
schaft  umzuwandeln   strebte   und  für  diese  Absicht  bei  dem 
römischen  Könige  Maximilian,  der  am  19.  August  1493  seinem 
Vater  Kaiser  Friedrich  III.  nachfolgte,  geneigtes  Gehör  fand, 
legte  den  Grund  zu  dem  Zerwürfniss  zwischen  Mailand   und 
Neapel,  welches  Italien  den  Fremden  preisgegeben  hat.    König 
Ferrante   gerieth    nicht    blos    wegen    seiner   Enkelin   Isabella, 
Gian  Galeazzos  Gemahn,  in  Zwist  mit  Lodovico  il  Moro.    Die 
verschlungenen  Fäden  der  FoHtik  dieses  ewig  ruhelosen  Mo- 
narchen zogen  sich  durch  ganz  Italien,  dessen  Staatensystem 
niemals  geringere  Gewähr  der  Stabilität  leistete,    als  in  dem 
Moment  wo  festes  Zusammenhalten  nothgethan  hätte.    Alexan- 
der VI.  verfolgte  nur  zunächstUegende  Pläne  wie  sie  ihm  frei- 
hch  von  seinen  beiden  letzten  Vorgängern  überkommen  waren. 
Er  wollte  zu  Hause  möglichst  Herr  sein  und  die  Seinigen  gross 
machen.     Alles  Andere  stand   fiir  ihn  in  zweiter  Linie.     Als 
Ferrante  ihn    zu   dominiren  suchte   indem  er  die  mächtigsten 
romischen  Barone,   nicht  die  Orsinen  blos  sondern  auch  die 
Colonna  von  Paliano  an  sein  Interesse  kettete,  was  zugleich 
die  Beziehungen  von  Florenz,  unter  dem  mit  den  Orsinen  ver- 
schwägerten Piero   de'  Medici,    Lorenzos  Sohne,    zu  Mailand 
ganzUch  änderte ,  hatte  Alexander  VI. ,  von  leichtbegreiflichem 
]^Iistrauen  gegen  den  intriganten  Nachbar  erfüllt,   sich  in   ein 
Bündniss  mit  Lodovico  und  den  Venetianern  eingelassen.    Durch 
Verheissungen   zu  Gunsten  der  Borgia  gewonnen  hatte  er  sich 
dann  Ferrante  wieder  genähert.    Nicht  minder  grosse  Unsicher- 
heit herrschte  in  der  PoUtik  der  Venetianer,  welche  weder  dem 
Papste  noch  ihrem  mailändischen  Nachbar  trauten  und  ebenso 
geringes  Vertrauen  weckten.    Die  kleineren  Staaten  hatten  keine 
Selbständigkeit,  Kleine  und  Grosse  aber  waren  gleich  unzuver- 
lässig in  Freundschaft  und  Feindschaft.   Wo  auf  die  Einzelnen 
nicht  zu  zählen  war,  leisteten  Bundnisse  keine  Gewähr.     Das 
Land  befand  sich  in  einer  Lage,  die  einem  auswärtigen  Fürsten 
die  Mittel  an  die  Hand  gab,  seiner  politischen  Unabhängigkeit 
auf  Jahrhunderte  ein  Ende  zu  machen. 

Dieser  Fürst  war  Carl  VIH.  König  von  Frankreich.  Am 
30.  August  1483  war  der  Dreizehnjährige  seinem  Vater  Ludwig  XI. 
gefolgt;  seine  Schwester  Anne  de  Beaujeu  führte  sieben  Jahre 
lang  die  Verwaltung  mit  kräftiger  Hand,  bis  der  junge  König 
si<*    selbst    übernahm    und    durch   seine  Heirat   mit  Anna  von 

V.  Reuaout,    Rom.    III.  J^ 


210       CktIVUI.  von  Fruüueldi.    Gesandiscliifl  Lodovlco  Sfoiiu. 

Bretagne  das  letzt«  grosse  Lehn  ui  die  Rrooe  brachte.  Carl  VQL, 
kleiD  und  schwächlich,  mit  dickem  Kopf  und  dünnen  Beioeo, 
machte  keinen  gunstigen  Eindruck.  »Der  König,  schrieb  im 
Jahre  1492  der  venetianische  Botschafter  Zaccaria  Contarini, 
ist  ärmlich  in  der  Erscheinung,  bässlich  von  Gesicht,  mit 
grossen  glanzlosen  Augen  die  eher  wenig  als  viel  sehn,  mit 
übermässig  starker  Adlernase,  mit  dicken  Lippen  die  er  ateU 
geößhet  hält.  Er  macht  fortwährend  mit  der  Hand  hässlicke 
krampfhafte  Beweguugen  und  ist  schleppend  in  der  Red«. 
Meiner  Meinung  nach  die  icdess  leicht  eine  falsche  sein  könnte, 
halte  ich  für  gewiss  quod  de  corpore  et  de  ingenio  parum 
yaleatt  Aber  derselbe  Botschafter  fügt  hinzu,  man  rühme  ihn 
in  Paris  wegen  seines  Eifers  und  seiner  Gewandtheit  im  Ball- 
spiel, im  Jagen  und  Turnieren  worauf  er  viele  Zeit  verwende, 
und  wegen  des  Fleisses  womit  er  sich  Jetzt  den  Staatsgeschäf- 
ten widme  die  längere  Zeit  in  fremden  Händen  gewesen  seiea 
Dieser  unscheinbare  kleine  Mann  hatte  sich  Carl  den  Grossen 
zum  Vorbilde  genommen  und  träumte  von  den  Paladinen  und 
orieatalischen  Unternehmungen.  Als  Carl  VXIL  durch  Lodovi<:o 
Sforza  in  die  italienischen  Angelegenheiten  hineingezogen  wurde, 
hatte  das  französische  Königshaus  seinen  Anspruch  auf  Neapel  , 
längst  in  Bereitschaft  gebalten.  Ludwig  XI.  betrachtete  sieb 
als  rechtmässigen  König  dieses  Landes.  Charles  du  Maine, 
durch  den  letzten  Willen  seines  Bruders  König  Rene  vom 
Jahre  1474  Titularkönig  von  SiciUen  und  Graf  von  Provence, 
hatte  im  Jahre  1481  unter  Ausschliessung  der  weibhchen  auf 
das  Haus  Lotbringen  übergegangenen  Erbansprüche  die  nif 
aufgegebenen  Rechte  der  Anjous  auf  das  Haupt  des  Königs- 
geschlechtes übertragen.  Carls  VUI.  Sinnesart  musste  ilm 
anspornen  diese  Rechte  geltendzumachen,  wäre  er  selbst  nicbt 
durch  die  vor  König  Ferrantes  furchtbarer  Verfolgung  nwh 
Frankreich  geflüchteten  neapolitanischen  Barone  anjouscber 
Partei,  an  ihrer  Spitze  die  Sanseverinen ,  zu  einem  Unteroeb- 
men  angefordert  worden ,  welchem  die  alten  Parteiungen  im 
Lande  selbst  Erfolg  verhiessen. 

So  waren  die  Umstände  als  des  Sforza  Gesandte  die  Grafen 
von  Cajazzo  und  von  Belgiojoso  bei  dem  jungen  Könige  ein- 
trafen, diesen  zum  Zuge  gegen  Neapel  zu  veranlassen,  in  dessen 
Gelingen  Lodovico  il  Moro  die  Sicherung  seiner  eignen  Ent- 
würfe   sah,    welche   die  Nachfolge   im  Heizogthum   an  Stelle 


^ 


König  Feirantes  Tod.    Alfons  IL  und  Alexander  VI.  211 

seines  kranken  Neffen  bezweckten.  Lodovico  hatte  manches 
versucht  ehe  er  sich  zu  einem  Schritt  entschloss,  über  dessen 
Gefahren  er  sich  nicht  tauschte.  Als  weder  italienische  Ver- 
bindungen noch  König  Maximilian  ihm  eine  zuverlässige  Stutze 
verhiessen,  wandte  er  sich  an  Carl  VIII.  Sein  Biindniss -Vor- 
schlag fand  hier  fruchtbaren  Boden.  Zu  Anfang  des  Jahres 
1494  war  der  italienische  Zug  eine  beschlossene  Sache.  Ver- 
trage mit  England,  mit  Spanien,  mit  MaximiUan,  für  Frank- 
reich unvortheilhaft,  sollten  für  die  grosse  Unternehmung  freie 
Hand  gewinnen.  Dies  Unternehmen  schien  Vielen  freilich  ge- 
wagt Das  südliche  Reich  war  stark  gerüstet,  die  Entfernung 
gross;  der  Marsch  eines  Heeres  schwierig.  König  Ferrante  war 
ein  Meister  in  der  Staatskunst  wie  man  sie  damals  verstand. 
Da  starb  dieser  beinahe  plötzUch  am  25.  Januar  1494.  Sein 
Nachfolger  Alfons  11.  hatte  immer  für  einen  tüchtigen  Eriegs- 
mann  gegolten,  aber  allgemeine  Abneigung  und  Mistrauen  stan- 
den ihm  im  Wege.  Bald  sollte  sich  zeigen,  in  wie  geringem 
Maasse  der  neue  König  den  Scharfsinn  und  die  Umsicht  seines 
Vorgangers  ersetzte. 

Es  musste  Alfons  vor  allem  daran  liegen  sein  Verhaltniss 
zum  Papste  ins  Klare  zu  bringen.  Am  13.  März  trafen  seine  Ge- 
sandten in  Rom  ein,  der  Erzbischof  von  Neapel  Alessandro  Carafa, 
der  Marchese  von  Gerace,  der  Graf  von  Potonza  und  Antonio 
d^Alessandro ,  welche  im  orsinischen  Palast  auf  Monte  Gior- 
daao  einkehrten,  mit  Ausnahme  des  Erzbischofs  der  bei  seinem 
Bruder  Cardinal  OUvieri  Carafa  wohnen  ging.  Bei  dem  feier- 
lichen Einzug  fehlten  die  französischen  Gesandten  und  die 
Leute  des  Cardinais  von  St  Denis.  Die  Gesandten  sollten 
zweierlei  erreichen,  die  Belehnung  mit  dem  Reiche  und  ein 
Bündniss  zwischen  Neapel  und  dem  Papste.  Geldanerbieten 
und  Versprechungen  zu  Gunsten  der  Söhne  des  Papstes  waren 
bei  diesem  der  vornehmste  Köder.  Auch  Rücksichten  anderer 
Art  bewogen  Alexander  VI.  sich  mit  dem  Könige  zu  verstan- 
digen. In  seiner  unmittelbaren  Nähe  fohlte  er  sich  nicht  sicher. 
Den  Baronen  mistraute  er.  Ebenso  gering  war  sein  Vertrauen 
zum  Cardinal  Sforza,  welcher  seinen  Einfluss  wie  seine  Mittel 
daran  setzte,  Alexander  VL  zu  einem  Verständniss  mit  seinem 
Bruder  Lodovico  zu  bestimmen  oder  zu  nöthigen.  Die  grösste 
Besorgniss  aber  flösste  dem  Papste  der  Cardinal  della  Rovere 
ein,  dessen  Feindseligkeit  sich  nie  verleugnet  hatte.     Griuliano 

14' 


212 


Alexaiidci's  VI.  liüiidiiisK  itih  Keapcl  und  Floiviiz. 


hatte  Rom  verlassea,  sich  erst  in  seiaer  Veste  Ostia  einge- 
schlössen,  dann  eine  Brigantine  bestiegen  die  ihn  nach  seiner 
Vaterstadt  Savoaa  brachte,  von  wo  er  sich  nach  Avignon  dann 
zu  Carl  VUI.  begab.  Noch  war  der  Bruch  zwischen  ihm  und 
dem  Papste  nicht  erklärt,  aber  Alexander  VI.  wusste  zu  gut 
wessen  er  sich  zu  GiuUanos  Gesinnung  zu  versehen  hatte,  um 
nicht  auf  seiner  Hut  zu  sein.  Virg^io  Orsini,  der  bei  den 
Unterhandlungen  mit  Neapel  zugegen  war,  nahm  es  auf  sich 
in  Alfons'  Namen  die  Ausheferuog  Ostias  an  den  Papst  zu  ver- 
sprechen; mit  Grottaferrata,  welches  sich  auch  für  den  Car- 
dinal hielt,  ho&te  man  leicht  fertig  xu  werden. 

So  standen  die  Dinge  als  im  Frühling  1494  eine  fraozö- 
sische  Gesandtschaft,  bei  welcher  des  Königs  einflussreichster 
Rath  Guillaume  Bri^onnet  Bischof  von  St.  Malo  und  der  Sire 
d'Aubigny  Robert  Stuart  sich  befanden,  in  Rom  anlangte.  Sie 
waren  erst  in  Venedig  dann  in  Florenz  gewesen,  ohne  ihren 
Zweck,  diese  Staaten  in  das  französische  BOndniss  zu  ziehn, 
erreicht  zu  haben.  Venedig  beharrte  bei  der  Politik  der  freien 
Hand,  Florenz  hatte  sich  mit  Neapel  verständigt.  Alexander  VI. 
wies  den  Antrf^,  den  König  mit  Neapel  zu  belehnen  zurücl: 
ohne  feierlichen  Urtheilsprucji ,  erklärte  er,  könne  die  von  ver- 
schiedenen seiner  Vorgänger  dem  Hause  Art^on  verliebe oe 
Investitur  nicht  aufgehoben  werden.  Schon  war  alles  für  die 
Krönung  Alfons'  II.  vjibereitet  welche  am  7.  Mai  durch  den 
päpstliclien  Legaten  Cardinal  von  Monreale  vollzogen  ward. 
Mit  den  schon  erwähnten  Bewilligungen  für  Juan  und  JufiW 
Borgia  ging  die  Verleihung  reicher  Benefizien  an  Cesare  Hand 
in  Hand.  Zugleich  aber  galt  es  nun  die  Rüstungen  zu  be- 
schleunigen, dem  er\varteten  Angriff  zu  begegnen,  der  lu 
Lande  wie  zur  See  stattfinden  konnte.  Des  Königs  ält«ater 
Sohn  Ferrandino  Herzog  von  Calabrien  sollte  mit  dem  Haupt- 
heere in  die  Roinagna  einrücken  wo  man  der  kleinen  Herren 
meist  sicher  zu  sein  glaubte ,  und  wo  möglich  nach  der  Lom- 
bardei vordringen,  während  Piero  de"  Medici  den  Franzosen  die 
Pässe  nacli  Toscana  verlegen ,  Virginio  Orsini  nunmehr  Gross- 
connetable  von  Neapel  und  Andere  mit  päpsthchen  und  neapo- 
litanischen Truppen  im  Anschluss  an  den  Herzog  von  Calabrieo 
das  Patrimonium  decken  würden.  Don  Federigo  d'Aragona  de* 
Königs  Bruder  lief  mit  der  ansehnlichen  neapoUtanischen  Flotte 
aus,  die  Küsten  Toscanas  und  Liguriens  zu  sichern. 


Caria  Vlll.  Feldiiig. 


213 


Sfflt  Mitte  April  war  Carl  VIII.  in  Lyon.  Hier  war  es  wo 
Uiuliano  della  Rovere  ihn  aus  der  Uoschlüssigkeit  riss,  welche 
durch  die  pectmiären  Schwierigkeiten  ebenso  gemehrt  ward 
wie  durch  des  jungen  Königs  Hang  zu  Vergnügungen.  Der 
Cardinal  von  S.  Pietro  in  vincoli  ist  es  gewesen,  der,  vielmehr 
aus  persönUcher  Abneigung  gegen  Alexander  VI.  imd  die  da- 
malige römische  Wirthschaft  als  aus  höheren  Beweggründen, 
in  diesem  entscheidenden  Moment  die  Pläne  des  Sforza  unter- 
stützte und  den  Ausschlag  zu  einem  Unternehmen  gab ,  mit 
dessen  Folgen  sein  eigner  Pontificat  zu  kämpfen  haben  sollte, 
In  der  zweiten  Hälfte  des  August  erfolgte  der  Aufbruch.  In 
zwei  Abtheilungen  ging  das  Heer  über  die  Alpen;  die  eine 
führte  der  König,  die  andere  sein  Vetter  und  Schwager  Ludwig 
von  Orleans.  Am  9.  September  war  Carl  VHI.  in  Asti  wo  Lo- 
dovico  il  Moro  ihn  aufsuchte.  So  begann  dieser  unselige  Feld- 
zug, dessen  Anlässe  die  schUmmsten  persönlichen  Motive  ge- 
wesen sind,  dessen  Et^bnisse,  nahe  wie  ferne,  keiner  von 
Denen  ahnte  die  diesen  Sturm  heraufbeschworen.  In  einem 
Maasse  welches  die  kühnsten  Erwartungen  überstieg,  begün- 
stigte das  Glück  das  französische  Unternehmen.  Don  Federigo 
hatte  an  der  liguriscben  Küste  das  entschiedenste  Unglück. 
Die  blutige  Kriegführung  der  Franzosen  und  namentUch  der 
Schweizersöldner,  eine  Kriegführung  an  die  man  in  Italien 
nicht  mehr  gewohnt  war,  versetzte  Alles  in  lebhaftesten 
Schrecken.  Dies  war  nur  der  Anfang:  es  sollte  bald  schhm- 
mer  kommen.  Der  Ausführung  des  für  den  Herzog  von  Cala- 
brien  entworfenen  Kri^gsplans  stellten  sieb  unübersteigliclie 
Hindernisse  in.  den  Weg.  In  dem  Augenblick  als  die  Franzosen 
unter  dem  Befehl  Gilberts  de  Montpensier  von  der  Lombardei 
auB  gegen  die  Romagna  vordrangen,  begann  die  Parteiung  unter 
den  römischen  Baronen.  Fabrizio  und  Prospero  Colonna  er- 
klärten sich  für  Frankreich.  Ihre  Beziehungen  zum  Cardinal 
della  Rovere  hatten  schon  früher  zu  Misverhältnissen  geführt, 
denen  ein  zeitweiliges  Abkommen  mit  dem  Papste  nicht  abge- 
holfen hatte.  Von  ungleich  grösserm  Einfluss  aber  war  ein 
anderes  Erelgniss.  Piero  de*  Medici  hatte  Florenz  in  das  auti- 
frauzösische  Bündniss  hineingezogen.  Die  einfachste  Conse- 
quenz  wäre  nun  gewesen  den  Franzosen  die  Gebirgspässe  der 
Lunigiana  zu  verlegen,  aber  es  geschah  nicht.  Als  der  König 
unbehelligt   auf   der  Südseite    der   Apenninen    angelangt   war, 


r 


214  Carl  Vin.  in  Floreni.     Schwanken  Alexanders  VI. 

Toscana  ihm  offen  stand,  war  Fiero  ine  Lager  bei  Sanana  m 
ibm  geeilt,  hatte  durch  die  franzÖBische  Macht  eischreckt  eigen- 
nt&chtig  einea  Vertrag  geschloseeo  der  den  Franzosen  die  floren- 
tiniachen  Festungen  in  die  Hand  gab ,  dadurch  in  seiner  Vater- 
stadt eine  Umwülzung  herbeigeführt  die  ihn  und  seine  Brüder 
ins  Exil  trieb.  Am  17.  November  war  Carl  VIII.  in  Florenz. 
Seine  übermässigen  Forderungen  wurden  zurückgewiesen,  aber 
die  Republik  vertrug  sich  mit  Frankreich. 

Die  Nachricht  von  den  florenünischen  Ereignissen  traf  in 
Rom  zugleich  mit  der  Proclamation  ein,  welche  den  bevor- 
stehenden Durchzug  der  Franzosen  durch  den  südlichen  Theit 
des  Kirchenstaats  verkündete,  während  sie  den  Städten  und 
dem  Lande  gute  Behandlung  und  Bezahlung  für  die  Lieferungen 
verhiess.  Des  Papstes  Besorgniss  stieg  aufs  höchste.  Den 
bisherigen  kriegerischen  Vorkehrungen  war  die  Basis  entzogen. 
Die  VertheidiguDg  der  Komagna  war  unmöglich  geworden.  Der 
Herzog  von  Calabrien  und  Virginio  Oraini  denen  sich  die  päpst- 
lichen Mannschaften  angeschlossen  hatten ,  dachten  zwar  eioea 
Augenblick  sich  in  Viterbo  halten  zu  können,  aber  die  Gefahr 
auf  ihrer  rechten  Flanke  überflügelt  zu  werden,  während  der 
Kernig  sie  von  vorne  angriff,  schreckt«  sie  mehr  als  die  Aus- 
eicht auf  erfolgreichen  Widerstand  sie  ermuthigte.  »Der  Ftoger 
Crottes,  schreibt  Philippe  deCommines,  iat  darin  zu  erkenneo, 
dase  der  König  von  Neapel  der  sich  auf  seine  Kriegserfahrung 
eo  viel  zugute  that,  sowie  sein  Sohn  und  die  in  Rom  so  mäch- 
tigen Orsini  nicht  einmal  den  Versuch  machten  dem  Vorrücken 
des  Feindes  ein  Hindemiss  in  den  Weg  zu  legen,  während 
einige  Tage  Verzögerung  vor  Vit«rbo  oder  vor  Rom  den  Ab- 
schluss  eines  dem  Könige  Carl  feindlichen  Bündnisses  hält* 
beschleunigen  können,  da  der  Herzog  von  Mailand  schon  ebenso 
schwankte  wie  die  Venetianer."  Die  Gründe  welche  Fcrran- 
dino  bewogen  Viterbo  aufzugeben,  waren  zwiefacher  Natur. 
Die  Colonnesen  machten  das  ganze  linke  Tiberufer  von  ihren 
Castellen  an  den  Hügeln  bis  zu  den  Mauern  der  Stadt  unsicher, 
während  sie  durch  den  Besitz  Ostias ,  das  sie  noch  fiir  den 
Cardinal  von  S.  Pietro  in  viucoli  behaupteten,  Rom  den  Pro- 
viant abschnitten.  Noch  mehr  aber  machte  den  Herzog  von 
Calabrien  der  Wankelmuth  des  Papstes  besorgt.  Alexander  ^1- 
wollte  bald  den  Krieg  bald  ein  Abkommen  mit  den  Franiosea 
Zugleich  rüstete  er  und  unterhandelte  mit  Cardinal  Sforza  der 


Die  Franzosen  im  Kirchenstaate. 


215 


mit  sicherm  Geleite  nach  Rom  gekommen  war.  Seine  Unruhe 
wurde  grösser  und  grösser,  als  er  von  dem  Abzüge  des  Königs 
aus  Florenz  in  Kenntniss  gesetzt  wutde.  Die  Bischöfe  von 
Concordia  und  Terni  sollten  einen  Vergleich  zwischen  Carl  VIIL, 
dem  Papste  und  dem  Könige  von  Neapel  zustandebringen,  aber 
Ersterer  erwiederte,  er  werde  nur  mit  dem  Papste  unterliandeln 
an  den  er  Louis  de  La  Tremouiile  und  den  ersten  Präsidenten 
des  pariser  Parlaments  Guillaume  de  Ganay  sandte.  Kaum  waren 
diese  in  Rom,  so  besann  sich  der  Papst  wieder  eines  andern. 
In  Rom  selbst  glaubte  er  sich  halten  zu  können.  Er  rief  den 
Herzog  von  Calabrien  nebst  den  päpstlichen  Truppen  herbei, 
lie^s  alles  bewegUche  Eigenthum,  alle  Vorräthe  des  Palastes 
imd  vieles  Getreide  in  die  Engelsbürg  bringen,  um  die  man  einen 
breiten  Graben  zu  ziehn  begann  zu  welchem  Zweck  mehre 
benachbarte  Häuser  eingerissen  wurden.  Eine  Maassregel  die 
sich  mehrmals  und  noch  in  unseren  Tagen  wiederholt  hat,  als 
wiederum  ein  französisches  Heer  sich  Rom  näherte.  Cardinal 
Sforza  und  Prosper  Colonna  der  mit  ihm  gekommen  war  wurden 
verhaftet.  Ein  gleiches  geschah  den  französischen  Gesandten 
durch  die  neapoUtanischen  Truppen,  aber  der  Papst  befahl 
sie  sogleich  in  Freiheit  zu  setzen.  Der  Herzog  von  Calabrien 
liess  die  Stadt  an  den  Stellen  befestigen  wo  der  Zustand  der 
Mauern  es  nöthig  machte. 

Währenddessen  setzte  Carl  VIIL  seinen  Zug  unbehindert 
fort.  Von  Siena  aus  überschritt  er  die  Grenze  des  Kirchen- 
staates ,  liess  Acquapendente  und  Montefiascone  hinter  sich ,  er- 
reichte Viterbo  wo  ihm  auch  das  Castell  übergeben  ward,  und 
kam  auf  der  Südseite  des  Monte  Cimino  in  Nepi  an.  Hier  traf 
der  Cardinal  von  Sanseverino  mit  neuen  Vergleichsvorschlägen 
des  Papstes  bei  ihm  ein.  Aber  auch  dann  war  Alexander  VI. 
noch  zu  keinem  festen  Entschluss  gekommen.  Bald  wollte  er 
sich  vertheidigen,  bald  sich  abfinden,  bald  die  Stadt  verlassen. 
Thränen  in  den  Augen  hatte  er  die  Cardinäle,  auf  die  er  zählen 
zu  können  glaubte,  ihm  zu  folgen  verpflichtet.  Diesem  Schwan- 
ken machte  die  Nachricht  ein  Ende,  dass  Virginio  Orsini  un- 
geachtet seines  Dienstverhältnisses  und  verwandtschaftlicher 
Beziehungen  zu  Neapel  dem  französischen  Könige  seine  Castelle 
geöffiiet  habe  und  Carl  VIIL  in  dem  festen  Bracciano  einge- 
troffen sei.  Schon  war  die  Umgebung  der  Stadt  in  der  Ge- 
walt der  Feinde.     Cometo  und  Civitavecchia  waren  von  den 


216 


1'  Rom.     Abkiniiiiicii  inil  dem  Papste. 


Franzosen  besetzt;  der  Graf  ron  Ligny  und  Ives  d'Alligre 
trafen  mit  fünfhundert  Lanzen  in  Ostia  ein,  um  die  Colonnesen 
zii  verstarken  und  den  neapolitanischen  Truppen  den  Weg 
nacli  dem  Süden  zu  verlegen.  Am  19.  December  erschienen 
die  ersten  Franzosen  am  Monte  Mario.  Sie  streiften  bis  m 
ilcn  Gräben  des  Castells  und  versuchten  wie  es  heisst  bei 
Nachtzeit  in  die  Leostadt  zu  dringen ,  während  die  Colonnesen 
auf  der  andern  Seite  angreifen  sollten.  Aber  ein  Unwetter  welche« 
die  Stromfahrt  verhinderte  rettete  Rom  aus  der  Gefahr.  Schon 
verbreitete  man  königliche  Sendschreiben  welche  für  den  Fall, 
dass  kein  Abkommen  zwischen  König  und  Papst  geschlossen 
werden  und  die  Truppen  mit  Gewalt  eindringen  würden,  den 
in  Rom  befindlichen  kaiserlichen  und  burgundiscben  Unter- 
tlianen  volle  Sicherheit  zusagten. 

Der  Papst  liess  den  Cardinal  Sforza  und  Prosper  Colonna 
in  Freiheit  setzen  und  beschloss,  so  schwer  es  ihm  wurde, 
dem  Verlangen  des  Königs  sich  zu  fügen  und  ihn  in  Rom  zu- 
zulassen, bevor  noch  ein  Vertrag  eingegangen  war.  In  der 
Nacht  nach  dem  Christfest  trafen  drei  französische  Abgeord- 
nete ein,  der  Seneschal  von  Beaucaire,  Pierre  de  Rohao 
Marschall  von  Gie  imd  De  Ganay.  Sie  gaben  dem  Papst  die 
Versicherung  dass  der  König  nichts  als  freien  Durchzug  ver- 
lange. Der  Cardinal  von  Monreale  ging  nacli  Bracciano  dae 
Zngeständniss  zu  bringen.  Der  päpstliche  Ceremonienmeister 
Johannes  Burcard,  der  Geheimschreiber  Bischof  von  Nepi,  der 
Kanzler  der  Stadt  und  mehre  angesehene  Bürger  wurden  dem 
Könige  entgegengesandt.  Sie  trafen  ihn  bei  Galera,  wo  die 
Abgeordneten  der  Büi^erschaft  ihm  die  Stadt  empfahlen.  Bei 
Borghetto  stiessen  die  venetianischen  Gesandten  zu  dem  Zuge, 
nach  ihnen  der  Cardinal  von  Benevent.  Es  war  schon  Abenil 
geworden  als  man,  am  Silvestertage  des  Jahres  1494,  das  Ila- 
minische Thor  erreichte.  In  demselben  Moment  verliess  der 
Herzog  von  Calabrien  mit  seinen  Truppen  die  Stadt  durch  die 
Porta  Appia.  Französisches  Geleite  war  ihm  für  das  päpst- 
hche  Gebiet  angeboten  worden,  aber  Ferrandino  hatte  es  mit 
den  Worten  abgelehnt,  er  scheide  da  seine  Dienste  nicht  mehr 
erfordert  seien ,  aber  sein  Degen  sei  ihm  Sicherheit  genug.  Me 
Orsini  und  ihre  Partei  scheinen  noch  im  letzten  Moment  daran 
gedacht  zu  haben,  die  Stadt  gegen  die  Franzosen  zu  halten. 
Sie  hatten  eine  Menge  Bewaffneter  herangezogen.  Gian  Giordano 


König  CnrUVIll.  Kiuzug  in  Rom. 


217 


sollte  das  Capitol  vertheidigen ,  Vir^nio  den  Palast  auf  Cainpu 
(U  (iore,  der  Graf  von  Pitigliaoo  und  Andere  Monte  Gior- 
(laao  und  den  Palast  au  Piazza  Navona,  Jacopo  de'  Conti  die 
TUürme  am  Quiriual.  Aber  sie  beschränkten  äicli  darauf  ihre 
festen  Häuser  besetzt  zu  halten:  die  Dinge  lagen  andere: als 
in  den  Tagen  Kaiser  Heinrichs  VII. 

An  der  Spitze  seines  Heeres  zog  Carl  VIII.  in  Rom  ein, 
mit  hochgehaltenem  Speer  wie  er  in  Florenz  eingerückt  war. 
Der  Zug  der  Truppen  wälirte  mehre  Stunden  lang.  Vom  Pa- 
last des  Cardinais  von  Portugal  an  der  Ecke  des  Platzes  von 
S.  Lorenzo  in  Lucina  an  brannten  Feuer  längs  der  Strasse  und 
waren  fast  alle  Häuser  erleuchtet;  das  Volk  rief:  Frankreich! 
Colonna!  Viocoli!  Das  Heer  war  in  mehre  Corps  getheilt 
worden  welche  sich  der  verschiedenen  Quartiere  der  Stadt 
versichern  sollten.  Louis  de  La  Tremouille,  wie  einst  im 
Kriege  gegen  die  Bretagne  so  bei  diesem  Zuge  stets  voran  als 
Feldherr  wie  durch  persönliche  Bravour,  führte  funfzehnhun- 
rlert  Mann  nach  dem  Palast  von  San  Marco  der  zu  des  Königs 
Au&ahme  bestimmt  war,  so  seines  ümfangs  wegen  wie  weil 
er  in  der  Nähe  der  colonnaschen  Wohnungen  lag.  Mit  einer 
j;leicli  starken  Schaar  besetzte  De  Ligny  Kirche  und  Kloster 
von  S.  Pietro  in  vincoli  mit  dem  daranstossenden  Palast  Giu- 
lianos  della  Rovere.  Der  Bailli  von  Dijon  und  der  Graf  .von 
Tajazzo  zogen  mit  sechstausend  Schweizern  und  fünfhundert 
Reitern  nach  dem  Palast  Ascanio  Sforzas.  Von  gleicher  Stärke 
waren  die  Haufen  mit  denen  der  Marschall  von  Gie  den  Monte 
Je'  Savelli  und  die  Zugänge  zum  Flusse,  Ives  d'Alligre  die  colon- 
naschen Paläste  besetzten.  Italienische  Schaaren  versicher- 
ten sich  anderer  Punkte,  so  die  Leute  der  Annibaldi  von  Mo- 
lara  des  Aventin,  die  der  Sanseveriner  des  Palastes  Capranica. 
Der  Rest  der  Truppen  unter  dem  Senescbal  von  Beaucaire 
besetzte  das  Marsfeld  um  Piazza  Saut'  Apollinare,  wo  der  Pa- 
last Cardinal  d'Estoutevilles  zum  Hauptquartier  ward.  Um  die 
zweite  Stunde  der  Nacht  erreichte  Carl  den  Palast  von  S. 
Marco.  Am  folgenden  Tage  besuchten  ihn  die  meisten  Cardi- 
uäle  welche,  so  heisst  es,  mit  geringen  Ehrenbezeugungen  von 
ihm  empfangen  wurden.  Melire  von  ihnen,  Della  Rovere, 
Sforza,  Colonna  und  Savello,  sollen  in  den  König  gedrun- 
gen sein  zur  Absetzung  Alexanders  \1.  die  Hand  zu  bieten:  ein 
Ansinnen  weichem  Carl  VIII.  wohKveishch  keine  Folge  leistete. 


I|i 


r 


218 


Vertrag  zwischen  Alexander  VI.  und  Carl  Vlll. 


Der  Papst  war  im  vaticanischen  Palast  geblieben  und  als- 
bald begannen  die  Unterhandlungen.  Als  sie  geringen  Fort- 
gang hatten,  zog  Alexander  sich  am  6.  Januar  1495  in  das  Castell 
zurück  wohin  ihm  nur  zwei  Cardinäle  Orsini  und  Carafa  folgten. 
Der  König  verläogte  die  Uebergabe  der  Burg  welche  der  Papst 
verweigerte;  zweimal  wurden  die  schweren  Bombarden  aus  dem 
Palast  von  S.  Marco  geholt  um  die  Beschiessung  zu  beginnen. 
Aber  es  lag  nicht  in  des  Einen  Absicht  den  Widerstand  zum 
äussersten  zu  treiben,  ni(;ht  in  des  Andern  Willen  das  Ziel  des 
ganzen  Kriegszugs,  Neapel,  in  zu  weite  Feme  zu  schieben. 
Die  Stadt  war  mit  einer  wüsten  Soldateska  gefüllt,  und  wenn 
die  Führer  die  ärgsten  Unordnungen  verhüteten,  hielten  sie 
doch  nur  geringe  Mannszucht.  Selbst  die  Portiken  und  Gänge 
von  Kirchen  und  Klöstern  waren  mit  trinkenden  und  spielenden 
Soldaten  und  lüderlichen  Weibern  gefüllt.  An  Lärm  und  Ge- 
fahren fehlte  es  nicht.  Von  Monte  Giordano  aus  überfiel  der 
Graf  von  PitigUano  mit  dreihundert  der  Seinigen  bei  Nachtzeit 
Sant'  ApoUinare  und  tödtete  eine  Menge  Franzosen.  Die  Leute 
der  Sanseveriner  kamen  diesen  zu  Hülfe,  das  niedere  Volk  ge- 
sellte sich  ihnen  zu;  vom  Schlagen  gings  zum  Rauben  und 
Plündern.  Der  Tumult  währte  bis  tief  in  den  Tag  hinein;  der 
König  gab  Befehl  zum  Angrifi*  auf  Monte  Giordano  und  das 
Castell.  Der  erschrockene  Papst  sandte  den  Cardinal  Carafa 
zu  Carl  VIII.  mit  der  Betheuerung,  dass  er  um  den  orsinischen 
Plan  nicht  gewusst  habe,  und  dieser  liess  sich  beschwich- 
tigen. 

Endlich  kam  am  15.  Januar  der  Vertrag  zustande.  Er 
stipulirte  die  Investitur  von  Neapel,  die  einstweilige  Ueber- 
gabe der  Vesten  von  Spoleto,  Civitavecchia  und  Terracina, 
die  Sicherstellung  der  Cardinäle  französischer  Partei,  die  Aus- 
lieferung Dschems  dessen  der  König  sich  bei  einem  beabsich- 
tigten Kreuzzuge  zu  bedienen  gedachte.  Besondere  Bestim- 
mungen betrafen  die  französischen  Parteigänger.  Der  Papst 
versprach  Allen  zu  vergeben  die  sich  dem  Könige  geneigt  er- 
wiesen und  ihm  Orte  wie  Acquapendente,  Montefiascone,  ^i- 
terbo  geöflnet  hatten,  die  in  Ungnade  gefallenen  Cardinäle  zu 
restituiren  und  sie  von  dem  ihnen  abgenommenen  Versprechen, 
ohne  päpstliche  Erlaubniss  Rom  nicht  zu  verlassen,  zu  ent- 
binden, den  Colonna,  Orsini,  Savelli,  Conti,  Vitelli,  Girolamo 
Tuttavilla   zu   verzeihen,    den  Cardinal  Colonna  zum  Legaten 


k 


CtrIsVni.  Aufenthth  in  Rom     Abzug  nach  Neapel.  219 

für  Campanien  und  Marittima,  vom  Könige  bezeichnete  Prä- 
lat«ii  zu  Gorematorea  im  Patrimouium  und  in  der  Mark,  in 
gleicher  Weise  einen  Commandanten  von  Cesena  zu  bestellen, 
den  Präfecten  von  Rom  wieder  zu  Gnaden  anzunehmen,  dem 
C&rdinal  della  Rovere  die  Legation  Arignon,  dem  Cardinal 
Savello  die  ron  Umbrien  wiederzugeben,  die  Rückgabe  dea 
Cutella  von  Ostia  an  erstem  nach  Beendigung  des  Feidzugs 
zu  geaehmigen.  Cardinal  Cesare  Borgia  sollte  den  König  als 
päpstbcher  Legat  begleiten.  Am  16.  Januar  kehrte  Alezan- 
der in  den  Patast  zurück  wo  Carl  VIII.  ihn  aufsuchte.  Im 
(■arten  trafen  sie  zusammen  ohne  das  gewohnte  Cetemooiel, 
indem  der  Papst  den  König  umarmte,  Beide  unbedeckten 
Hauptes.  An  den  n&chsten  Tagen  folgten  kirchliche  Ceremo- 
nien,  die  Unterzeichnung  des  Vertrags,  die  Huldigung  fiir 
Neapel,  die  Auslieferung  Dschems,  die  Cardinalacreirungen 
des  Bischofs  tod  St.  Malö  und  des  Bischofs  von-Mans  Phi- 
lippe de  Luzembonrg.  Während  des  Aufenthalts  des  Königs 
in  Rom  war  die  Justizpflege  in  den  Händen  seiner  Beamten, 
welche  auf  Campo  di  fiore  wie  auf  dem  Platz  im  Ghetto  Galgen 
errichtet  hatten. 

Carl  VIII.  blieb  vier  Wochen  in  der  Stadt.  Am  29.  Januar 
war  sein  Heer  marschfertig.  In  voller  Rüstung  zog  er  zum 
V'atican  vom  Papste  Abschied  zu  nehmen,  dann  ritt  er  mit 
dem  Cardinal  Borgia  gen  Marino.  Die  Cardinäle  della  Rovere, 
Colonna  und  Savelli  folgten  ihm,  bald  darauf  der  Cardinal  von 
Gurk  und  der  türkische  Prinz.  Im  colonnaschen  Palast  zu 
Marino  erhielt  der  König  am  Abende  die  Nachricht  der  Thron- 
entsagung Alfons'  n.  (Jeber  Velletri,  von  wo  der  Cardinal 
Borgia  als  Stallknecht  verkleidet  entfloh,  gings  nach  Valmon- 
tone;  Montefortino  und  Monte  San  Giovanni  welche  den  Conti 
und  dem  Marchese  di  Pescara  gehörten,  wurden  erstürmt:  et> 
war  der  einzige  Widerstand  auf  den  die  Franzosen  atiessen. 
Der  Pass  von  Ceprano  ward  von  den  Neapolitanern  geräumt. 
Schon  waren  die  Abruzzen  in  vollem  Aufstand.  Bevor  der 
König  Rom  verliess,  hatte  Aquila  das  französische  Banner  auf- 
gepflanzt, Fabrizio  Colonna  Taghacozzo  und  Alba  besetzt, 
leberall  achlugen  die  Flammen  des  Hasses  empor  welchen 
Ferrantes  und  seines  Sohnes  hinterlistige  Tyrannei  angezündet 
hatte.  Alfons,  von  seinem  bösen  Gewissen  getrieben,  war  in 
grÖBSter  Haet  nach  Sicilien  geflohen.     Der  junge  König  Ferran- 


r 


220 


Carl  VIII.  In  Nrapcl.     It allen ixHieN  BQndnm. 


diQo   vermogte   weder   Capua  noch   die  Hauptstadt  zu  lialten. 
AiQ  22.  Februar  zog  Carl  VIll.  in  Neapel  ein.     Die  FraazoseD. 


■sagte  Alexander  VI. ,  sind  mit  HoUsporen  gekommen  und  haben 
keine  andere  Mühe  gehabt,  als  gleich  Fourieren  die  Thüren 
der  Quartiere  mit  Kreide  zu  bezeichnen.  >Unaere  häusliche 
Zwietracht,  sagt  Francesco  Guicciardini ,  indem  eie  den  viel- 
gerühmten Scharfsinn  unserer  Herrscher  umnebelte,  bat  einen 
schönen  und  mächtigen  Theil  Italiens  in  fremde  Hand  gegebeu, 
zu  Schimpf  und  Hohn  des  italienischen  Kriegswesens,  zu  Aller 
Schande  und  Schaden.«  Der  llorentinische  Historiker,  wenn 
er  etwas  tiefer  in  die  Zustände  des  italienischen  Südens  ge- 
blickt hätte,  würde  jedoch  in  gleichem  Maasse  wie  die  häu.«- 
liche  Zwietracht  die  seit  lange  verrotteten  Verhältnisse  diese« 
Reichs  angeklagt  haben,  wo  zwei  Könige,  von  denen  in  Jahres- 
frist der  eine  gestorben  der  andere  entflohen  war,  die  letzten 
rechtlichen  und  moralischen  Grundlagen  des  Staates  zum  Besten 
der  Tyrannis  zerstört  hatten,  die  dann  beim  ersteu  Anlauf, 
Gewalt  gegen  Gewalt  gestellt,  zusammenbrechen  musste. 

Kaum  waren  die  Franzosen  in  Neapel ,  so  wurde  das  Büiid- 
niss  geschlossen  welches  ihnen  ihre  Eroberungen  zu  entreissen. 
wo  möglich  ihnen  den  Rückweg  abzuschneiden  zum  Zweck 
hatte.  Derselbe  Lodovico  Sforza  der  sie  gerufen,  nun  durch 
kaiserliche  Investitur  Herzog  von  Mailand,  einigte  sich  mit 
Venedig;  Maximilian  und  Ferdinand  der  KathoUsche  schlössen 
sich  an;  der  Papst,  während  er  Carl  VUI.  die  goldene  Böse 
sandte  und  inbetreff  der  Investitur  mit  ihm  unterhaadelte,  war 
auf  dem  Wege  ein  gleiches  zu  thun.  Schon  war  eine  starte 
spanische  Flotte  an  Sicihens  Küste  gelandet,  eine  Expedition 
des  flüchtigen  Ferrandino  zu  unterstützen.  Der  franzöeiBcbe 
König  war  schon  ungeduldig  in  sein  Reich  zurückzukehre n- 
Während  er  den  grössten  Theil  seines  Heeres  unter  Gilbert 
de  Hontpensier  und  d'Auhigny  in  Neapel  zurückliess,  dessen 
Krone  ihm  am  12.  Mai  aufgesetzt  wurde,  trat  er  acht  Ta^ 
später  mit  neuntausend  Mann  den  Rückzug  an.  Am  1.  Juni 
war  er  in  Rom.  Er  hatte  den  Papst  von  seinem  Kommen  he- 
nachrichtigt  und  neue  Unterhandlungen  in  Aussicht  gestellt 
Eine  Zeitlang  schien  Alexander  Vi.  willens  sich  mit  dem  Köniire 
zu  verständigen,  aber  endlich  trug  der  Verdacht  den  er  ge^n 
diesen  hegte,  vom  Zureden  der  Verbündeten  unterstützt  den 
Sieg  davon.     Am  30.  Mai  verliess   er  Rom   mit  den  Cardinälcn 


Rürkiug  der  Fmiiioscu.    Sc'lilni-Iit  lici  Fonio' 


221 


uQd  Curialen  und  zahlreichem  KriegBvolb  und  begab  sich  nach 
Orvieto.  Im  Caatell  lag  hinreichende  Besatzung;  der  Cardinal 
voD  Sant'  Anastasia  John  Morton  Erzbischof  von  Cauterbury 
blieb  in  der  Stadt,  dea  König  zu  empfangen  und  ihm  den  vati- 
canischea  Palast  zur  Wohnung  anzubieten.  Carl  nahm  das 
Anerbieten  nicht  an  und  verweilte  nur  vierundzwanzig  Stunden 
in  Rom,  ron  wo  er  nach  Toscana  weiter  zog.  Als  er  sich 
Viterbo  mberte,  begab  sich  der  Papst  nach  Perugia  in  der 
Absicht  sich  immer  weiter  zu  entfernen,  aber  der  König  hatte 
niclit  die  geringste  Absicht  ihn  zu  belästigen.  Ueber  Siena 
und  Pisa  schlug  er  die  ober  Pontremoli  nach  Parma  führende 
alte  Heerstrasse  ein  in  der  Absicht  die  Bavoyischen  Alpen  zu 
erreichen. 

Da  war  es  wo  er,  nachdem  er  den  Apennin  überstiegen, 
im  Thale  des  Taro,  wo  das  Gebii^  sich  gegen  die  parmesa- 
niscbe  Ebne  zu  abflacht,  durch  das  von  dem  Markgrafen  von 
Mantua  Francesco  Gonzaga  befehligte  viermal  stärkere  Heer 
der  Verbündeten  den  Weg  versperrt  sah.  Die  Schlacht  bei 
Fomovo  am  6.  Juli  1495  hat  nicht  über  eine  Viertelstunde  ge- 
dauert wenn  wir  Phihppe  de  Commines ,  eine  Stunde  wenn  wir 
l'raacesco  Guicciardini  Glauben  schenken  welcher  berichtet, 
»eit  langer  Zeit  sei  dies  die  erste  Schlacht  in  Italien  gewesen, 
in  der  man  mit  ernstem  Blutvergiessen  gekämpft  habe.  Drei- 
tausend blieben  auf  italienischer  Seite,  unter  ihnen  Ranuccio 
da  Famese  und  Bemardino  da  Montone  Braccioa  Enkel,  wäh- 
rend der  französische  Verlust  zweihundert  Mann  nicht  über- 
stieg. Der  König,  einen  Moment  in  Lebensgefahr,  erzwang  im 
sturmischen  Anlauf  den  Durchgang,  ohne  dass  der  Feind  ihn 
ferner  aufzuhalten  gewagt  hätte.  Francesco  Gonzaga  liess 
durch  Andrea  Mantegna  ein  Votivbild  malen  weiches  ihn  selbst 
vor  der  Madonna  knieend  darstellt,  und  diese  sogenannte  Ma- 
donna della  Vittoria  ist  heute  eine  der  Zierden  der  grossen 
Gemäldesammlung  der  französischen  Hauptstadt! 


222 


Die  Birone.     Urämische  Fehde. 


ALEXANDER  VI.   UND   DIE   BARONK      CEBABS   BOBQU,      LUDWIG  XO. 

Währenddessen  hatte  der  Kampf  im  Süden  nicht  gerastet 
Ferrandino  eroberte  das  Reich  seiner  Väter  wieder  mit  spa- 
niscber  Hülfe,  welche  der  iGroase  Capitän«  Gonaalvo  de  Cordovi 
ihm  zugeführt  hatte.  Alexander  VI. ,  nach  Rom  zurückgekehrt 
nachdem  die  Gefahr  sich  verzogen  und  sein  Plan  sich  der  Ge- 
walt in  Perugia  zu  bemächtigen  mislungen  war,  trat  dem  Bund- 
niss  gegen  Frankreich  bei  welches  io  Sta  Maria  del  popolo 
durch  Gottesdienst  gefeiert  ward.  Den  ersten  Vortheil  Ton 
der  veränderten  Lage  der  Dinge  suchte  er  den  Seinigen  zuzu- 
wenden,  und  wenn  er  diesen  bisher  CardinaUhüte  in  Heoge 
ertheilt  und  Besitzungen  im  Königreich  verschafft  hatte,  so 
begann  nun  im  Kirchenstaate  jenes  Treiben  gegen  die  Barone 
welches  die  ganze  übrige  Regierungszeit  dieses  Papstes  hin- 
durch gewährt  hat  Die  Sache  wurde  systematisch  bebriebeD: 
es  galt  den  grossen  Adel  zu  vernichten. 

Der  erste  Angriff  war  im  Jahre  1496  wider  die  Orsioi  ge- 
richtet. Sie  sollten  es  büssen  sich  einst  mit  Carl  VIII.  verständigt 
zu  haben.  Während  Ferrandino,  indem  er  der  mit  den  abzie- 
henden Franzosen  abgeschlossenen  Convention  zuwider  Virginio 
und  andere  Orsini  im  Castel  dell'  novo  verhaften  Hess,  eigae 
Unbilde  an  denselben  rächte,  diente  er  mehr  noch  dem  PapsU 
der  sich  ilirei  Besitzungen  zu  bemächtigen  trachtete.  Es  wai 
ein  regelmässiger  Krieg  wie  der  des  Patiii^chen  Vitellescbi 
gegen  die  Colonnesen,  aber  der  Herzog  von  Gandia  und  Gui- 
dubaldo  von  Montefeltro ,  Herzog  von  Urbino ,  die  Feld- 
herren Alexanders  VI.  hatten  weniger  Glöck  als  der  Legat 
Eugens  IV.  Guidubaldo,  seit  dem  Jahre  1482  Nachfolger  sei- 
nes tapfem  und  hochherzigen  Vaters  Federigo,  sah  sieb  in 
früher  Jugend  zum  Werkzeug  des  Ehrgeizes  dieser  nämücUen 
Borgia  gebraucht  die  ihn  nachmals  in  so  schwere  Gefahren 
stürzten.  Mehre  orsinische  Ortschaften  im  Patrimonium  wur- 
den genommen ,  aber  das  feste  Bracciano  widerstand  mannliaft 
unter  der  Leitung  einer  Frau,  der  Tochter  Napoleon  Oreinis 
und  Gemahn  Bartolommeos  d'Alviano,  des  nachmals  berühmten 
venetianischen  Feldhauptmanns.  Der  Herzog  von  Gandia  hatte 
den  orsinischen  Leuten  öffentlich  doppelte  Löhnung  versprecbeo 


Kim|if  bei  Soi-iaiio.     Dei-  Herzog  von  Gaiidii.  223 

lasBCD,  wenn  sie  deaertiiteo  und  Ids  päpstliche  Lager  kämen. 
Zur  Antwort  darauf  sandte  mau  ihm  aus  Bracciauo  einen  Esel, 
an  dessen  Schweif  ein  Schmähbrief  gebunden  war.  D'Alviaao, 
der  mit  den  Orsinen  gefangen  sich  aus  dem  neapolitanischen 
Castell  gerettet  hatte,  brachte  im  Verein  mit  Virginios  Sohne 
Carlo  und  Vitellozzo  ViteUi  von  Cittä  di  Castello  dem  durch 
Teutache  und  Schweizer  verstärkten  päpsthchen  Heere  bei 
Soriaoo  eine  entscheidende  Niederlage  bei.  Der  Papst  war 
krank  vor  Aufregung  und  Aerger.  Spanien  und  Venedig  ver- 
mittelten  zwischen  ihm  und  seinen  Vasallen  einen  Frieden,  der 
für  letztere  vortheilbafter  und  ehrenvoller  war  als  für  Alexan- 
(ier  VI.  Dieser  hatte  nach  dem  Kampfe  bei  Soriano  in  Neapel 
um  Beistand  nachgesucht,  und  Gonsalvo  von  Cordova  war  vom 
Könige  nach  Rom  gesandt  worden.  Da  der  Papst  ihn  nicht 
uiehr  gegen  die  Orsini  brauchen  konnte,  bediente  ec  sich  seiner 
um  dem  Cardinal  della  Rovere  die  Veste  von  Ostia  zu  neh- 
men. Als  Gonsalvo  nach  diesem  unbedeutenden  Unternehmen, 
das  kein  Blut  gekostet  hatte,  als  Triumphator  in  Rom  einzog, 
empfing  ihn  der  ganze  papstUche  Hof  mit  tausenden  vom  rö- 
mischen Volke  und  der  Papst  schenkte  ihm  die  goldene  Rose. 

Der  Plan  aus  den  orsinischen  Besitzuogea  ein  borgiasches 
l'ürsteothum  zu  schaffen  war  gescheitert  Alexander  VI.  sann 
auf  Ersatz.  Am  7.  Juni  1497  erklärte  er  im  Consistorium  dass 
er  aus  den  Städten  Benevent,  Pontecorvo  und  Terracina  mit 
ihren  Gebieten  ein  Herzogthum  gebildet  habe,  womit  er  Juan 
Boi^a  Herzog  von  Gandia  und  dessen  Nachkommen  belehne. 
Siebenundzwanzig  Cardinäle  waren  zugegen:  ein  Einziger  that 
l^inspruch,  Francesco  Todeschini  Piccolomini  NeSe  Pins'  11. 
Der  Herzog  von  Gandia  sollte  sich  der  neuen  Würde  nicht 
lange  erfreuen.  Am  14.  Juli  speisten  er  und  sein  Bruder  Cesare 
nebst  anderen  Gästen  zu  Nacht  bei  ihrer  Mutter  Vannozza  in 
deren  Vigna  bei  S,  Pietro  in  viucoli.  Nach  beendigtem  Male 
bestiegen  Alle  ihre  Maulthiere  um  zum  apostolischen  Palast 
zurückzukehren.  Man  war  bis  zur  Wohnung  des  Cardinal 
Vicekanzlers,  einst  Palazzo  Borgia,  gelangt  als  der  Herzog, 
unter  dem  Vorgeben  er  wolle  noch  ii^endeiner  Lustbarkeit 
beiwohnen,  sich  bei  seinem  Bruder  verabschiedete  und  weg- 
ritt, von  einem  einzigen  Reitknecht  und  einem  Veriarvten  be- 
gleitet, der  in  diesem  Aufzuge  unerkannt  zum  Nachtessen  ge- 
kommen  und    schon    einen    ganzen   Monat    lang    tägUcli    beim 


224 


Mord  des  Herzogs  von  Gandia. 


7 
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Herzoge  gesehn  worden  war.  Als  sie  zum  Judenplatz  gekom- 
men waren,  entliess  der  Herzog  auch  den  Reitknecht  mit  dem 
Bescheide,  er  solle  während  einer  Stunde  auf  ihn  warten, 
sodann  wenn  er  nicht  zurückkehre  sich  nach  dem  Palast  be- 
geben. Drauf  nahm  er  den  Verlarvten  hinter  sich  aufs  Maul- 
tliier  und  ritt  weg,  wohin  weiss  niemand.  Am  folgenden 
Morgen  setzten  seine  vertrauten  Diener  den  Papst  davon  in 
Kenntniss  dass  er  nicht  nach  Hause  zurückgekehrt  sei.  Alexan- 
der war  bestürzt,  hoffte  jedoch  den  Vermissten,  von  dem  er 
glaubte  dass  er  seinen  Lüsten  nachgegangen  sei,  am  Abende 
erscheinen  zu  sehen. 

Der  Abend  kam,  kein  Herzog  erschien.  Da  gerieth  der 
Papst  in  grösste  Aufregung  und  Hess  Nachforschungen  an- 
stellen. Beim  Spital  von  S.  Girolamo  degli  Schiavoni  hatte 
ein  Slavonier  Namens  Giorgio  am  Tiberufer  ein  Holzlager  bei 
welchem  er  Wache  zu  halten  pflegte.  Befragt  ob  er  in  der 
vergangenen  Nacht  niemand  erblickt,  soll  er  zur  Antwort 
gegeben  haben,  gegen  die  fünfte  Stunde  seien  zwei  Männer 
durch  das  Gässchen  zur  Linken  des  Spitals  ans  Ufer  ge- 
kommen, sich  umschauend  ob  niemand  sichtbar  sei.  Nach- 
dem sie  sich  entfernt,  seien  zwei  andere  erschienen ,  denen  auf 
ein  gegebenes  Zeichen  ein  Reiter  gefolgt  sei,  hinter  sich  auf 
dem  Schimmel  einen  Leichnam  dessen  Haupt  und  Arme  auf 
der  einen,  die  Beine  auf  der  andern  Seite  herunterhingen, 
rechts  und  links  von  Leuten  unterstützt.  An  den  Rand  des 
Wassers  gelangt  hätten  sie  den  Todten  ergriffen  und  weit 
weg  in  den  Strom  geschleudert.  Auf  die  Frage  weshalb  er 
dem  Govematore  keine  Anzeige  des  Geschehenen  gemacht 
habe,  erwiederte  der  Mann  er  habe  in  seinen  Tagen  wol  hun- 
dert Leichen  zur  Nachtzeit  in  den  Strom  werfen  gesehn,  ohne 
dass  sich  Irgendeiner  darum  gekümmert  habe.  Nun  wurden 
etwa  dreihundert  Fischer  herbeigeholt,  den  Tiber  entlang  die 
Netze  auszuwerfen.  Gegen  die  Vesperzeit  fand  man  den  Her- 
zog. Er  war  vollständig  gekleidet,  selbst  der  Mantel  fehlte 
nicht;  in  der  Geldtasche  befanden  sich  dreissig  Ducaten.  Von 
neun  Wunden  hatte  eine  ihm  die  Kehle  durchschnitten,  die 
anderen  waren  an  Kopf,  Leib  und  Beinen.  Man  legte  den 
Todten  in  eine  Barke  und  brachte  ihn  nach  dem  Castell,  wo 
er  in  Gegenwart  eines  der  päpstlichen  Ceremonienmeister  ge- 
waschen und  mit  kriegerischer  Rüstung  angethan,  sodann  auf 


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i 


Mord  des  Herzogs  von  Gandia.  225 

offner  Bahre   liegend  von    seinen   adeligen  Dienstleuten   nach 
Sta  Maria  del  popolo  getragen  ward,  wo  man  ihn  beisetzte. 

Als  der  Papst  vernahm  sein  Sohn  sei  todt  und  wie  Kehricht 
in  den  Fluss  geworfen  worden,  schloss  er  sich  in  seiner  Kam- 
mer ein  und  weinte  bitterlich«  Erst  viele  Stunden  nacher  ver- 
mogte  der  Cardinal  von  Segovia,  sein  Landsmann  und  früherer 
Majordom,  mit  einigen  anderen  Vertrauten  Einlass  zu  erlangen. 
Aber  von  Mittwoch  Abend  bis  Sonnabend  früh  nahm  Alexan- 
der VI.  nicht  die  geringste  Nahrung  zu  sich  und  legte  sich  bis 
zum  Sonntage  nicht  zur  Ruhe  nieder.  Nur  allmälig  milderte 
sich  sein  leidenschafthcher  Schmerz.  Bei  Nachtzeit  erschollen 
in  der  Engelsburg  furchtbare  Töne,  so  dass  der  päpsthche 
Hofstaat  in  Entsetzen  gerieth.  Man  sagte,  es  sei  der  Geist 
des  Ermordeten  der  umgehe.  Johannes  Burcard,  der  den  tra- 
gischen Vorfall  nebst  manchen  anderen  schlimmen  Geschich- 
ten erzählt  und  zwischen  Nachrichten  von  kirchlichen  und 
sonstigen  Ceremonien,  Kriegsthaten  und  politischen  Dingen 
einschiebt,  sagt  kein  Wort  über  die  muthmaasshchen  Thäter. 
In  Rom  aber  ging  das  dunkle  Gerücht,  Cesare  Borgia  habe 
seinen  Bruder  aus  Eifersucht  morden  lassen,  und  die  Rolle 
welche  der  nachmahge  Herzog  von  Välentinois  spielte,  hat  der 
furchtbaren  Beschuldigung  Glauben  schenken  lassen.  Die  Sache 
ist  jedoch  völlig  ungewiss  wie  so  vieles  in  dieser  Zeit.  Nach- 
richten des  venetianischen  Botschafters  Niccolo  Michiel  stellten 
sie  ganz  anders  dar.  Bei  einem  Gastmal  im  Hause  des  Cardi- 
nals  Sforza  soll  es  zwischen  dem  Herzog  von  Gandia  und 
anderen  Gästen  zu  Streit  und  ehrenrührigsten  Worten  gekom- 
men sein.  Der  Herzog  klagte  beim  Papste,  der  Papst  ver- 
langte die  Auslieferung  dessei^  der  seinen  Sohn  am  meisten 
beleidigt  hatte.  Es  war  ein  vertrauter  Mann  aus  dem  sforza- 
schen  Hofstaat.  Der  Cardinal  antwortete  er  werde  selbst  im 
Palast  erscheinen ;  der  Papst  sandte  Boten  mit  Häschern,  die 
gegen  alles  Herkommen  eindrangen  und  den  Höfling  ergriffen. 
Ascan  Maria  Hess  bitten  mit  allen  Proceduren  einzuhalten,  bis  er 
selbst  am  folgenden  Tage  über  den  Thatbestand  berichtet  habe. 
Als  er  im  Vatican  eintraf,  war  der  Verhaftete  gehängt;  es  war 
em  Mann  von  ansehnlicher  Verwandtschaft  Der  Herzog  rülimte 
sich  öffenthch  der  Rache  ungeachtet  der  Warnung  des  Papstes, 
er  möge  sich  vorsehn.  Der  fragliche  Bericht  fügt  nichts  wei- 
ter hinzu.      Andere    Nachrichten    schreiben    dem   vormaligen 

V.  Ktumont,    Koni.    lU.  15 


226 


Kirchliche  Oppositiou.     Savoiiarula. 


Gemal  Lucrezias,  dem  Sforza  von  Pesaro,  die  Anstiftung  der 
That  zu. 

Das  tragische  Ereigniss  schien  auf  Alexander  VI.  nach- 
haltigen Eindruck  zu  machen.  Ob  die  von  ihm  kundgegebene 
Absicht  der  Entsagung  seiner  Würde  ernstlich  gemeint  war, 
mag  dahingestellt  bleiben.  Dass  er  aber  an  kirchliche  Refor- 
men dachte,  ist  gewiss.  Die  Gährung  in  welche  die  Predigten 
und  Handlungen  des  Dominicaners  Fra  Girolamo  Savonarola 
Florenz  und  Toscana  versetzten,  der  Wiederhall  den  dieser 
bedenkliche  Streit  auch  in  des  Papstes  Nähe  fand,  das  Sekten- 
wesen welches  in  der  Heimat  der  Hussiten  nie  ganz  aufkörte, 
lenkten  Alexanders  Blicke  nach  auswärts.  Aber  auch  die 
römischen  Zustände  machten  i(im  zu  schaffen.  Die  Corruption 
in  den  höchsten  Ständen  des  Clerus  war  nur  zu  offenbar.  Der 
Process  und  die  Verurtheilung  des  Secretärs  der  Breven  Bar- 
tolommeo  Florio  Erzbischofs  von  Cosenza  wegen  grossartiger 
Fabrication  falscher  Bullen  legt  eine  jener  Pestbeulen  blos, 
wie  sie  in  solchen  Zeiten  nicht  fehlen  können.  Wenn  der 
Papst  den  Willen  hatte  solchem  Unwesen  zu  steuern,  so  hatte 
er  darin  keine  glückliche  Hand!  Savonarolas  Process  und 
Hinrichtung  am  23.  Mai  1498  haben  zu  den  Anklagen  gegen 
das  Papstthum  beim  Ausgang  des  fünfzehnten  Jahrhunderte« 
nur  zu  reichlichen  Stoff  geliefert.  Wenn  ein  Theil  dieser  An- 
klagen insofeme  ungerecht  ist,  als  die  leidenschaftliche  Heftig- 
keit der  ilorentiner  Factionen  an  dem  tragischen  Ende  des 
Klosterbruders  von  San  Marco  ebenso  Schuld  trug  wie  Roms 
Verfahren  gegen  denselben,  so  bleibt  noch  genug  um  die^ 
Verfahren  zu  verurtheilen ,  das  ebenso  ungerecht  wie  impoli- 
tisch war,  so  sehr  auch  Savonarola  das  damalige  Papstthum 
und  Alexander  VI.  persönlich  herausgefordert  haben  mogte. 
Das  Papstthum  hat  die  ihm  drohenden  Gefahren  nicht  erkannt 
indem  es  den  bei  seinen  Forderungen  kirchlicher  Rq^rm  m 
Volksbe>^ii8stsein  fussenden,  PoUtisches  aber  und  KSfchliches 
vermengenden  und  vom  Feuer  seiner  EinbildungsKraft  über 
alle  vernünftigen  Grenzen  hinweggerissenen  Volksredner  und 
Tribun  zum  Märtyrer,  für  Viele  zum  HeiUgen  machte.  Di« 
gegen  das  Verderben  in  Rom  ergriffenen  Maassregehi  trafen 
Einzelne  und  schwerlich  immer  die  Schuldigsten.  Die  vom 
Papste  bestellte  Reformcouunission  sah  ihr  Werk  von  Dem 
vernichten  der  sie  damit  beauftragt  hatte. 


Neapel  und  Frankreich.    Friedrich  von  Aragon.    Ludwig  XIT.       227 

Die  Thatsache  ist,  Alexanders  VI.  Gedanken  waren  bald 
\iieder  ganz  der  italienischen  Politik   und  den  Planen  zur  Er- 
höhung seiner  Angehörigen  zugewandt.    Da  aus  der  Ehe  des 
Herzogs  von  Gandia  nur  ein    nachgeborner  Sohn    blieb,    der 
Vater  des  h.  Francisco  Borgia  dessen  Tugenden  und  Wirksani- 
keit  seinen  Familiennamen  wieder  zu  Ehren  gebracht  haben ,  so 
richtete  der  Papst  anderswohin  seine  Blicke.     Cesare  Borgias 
Neigungen  und  Lebenswandel  bestimmten  ihn  zu   anderm  als 
zum  geistlichen  Stande.    Er  war  es ,  durch  welchen  die  Grösse 
des  Hauses  begründet  werden   sollte.     Wenn  der  erste  Ver- 
such auf  Schwierigkeiten  stiess,   so  führten  bald  eintretende 
Conjuncturen    zu    rascheren    Erfolgen    als    Alexander    hoffen 
konnte.    In  kurzer  Zeit  gingen  in  Italien  grosse  Wechsel  vor 
sich.     Neapels  junger  König   war   am   9.  October  1496    ohne 
Nachkommenschaft  gestorben   und  sein  Oheim  Friedrich  ihm 
nachgefolgt.     Der  Papst  hatte  ihm  die  Investitur  ertheilt  und 
Cesare  zu  seiner  Krönung  gesandt,  dann  aber  Unterhandlungen 
mit  ihm  angeknüpft  zu  dem  Zwecke,  diesem  seinem  Sohne  die 
Hand  seiner  ältesten  Tochter  Charlotte  mit  dem  Fürstcnthum 
Tarent  zu  verschaffen.    Weder  die  Betrachtung  wie  wichtig  es 
sei  sich  der  Freundschaft  des  Papstes  zu  versichern ,  noch  dio 
Vorstellungen  des   Herzogs  von  Mailand  welcher  die  Gefahr 
eines  Bruchs  mit  Alexander  erkannte,    vermogten  den   König 
die  Bewerbung  anzunehmen.     Währenddessen  aber  hatten  in 
Frankreich  die  Dinge  sich  in  einer  Weise  gestaltet  welche  den 
Bruch  doppelt  geßlhrlich  machten.    Am  7.  April  1498  starb  im 
Schlosse  von  Amboise  unerwartet  König  Carl  VIII.    Sein  Nach- 
folger Ludwig  Herzog  von  Orleans  fügte  seinem  französischen 
Königstitel  sogleich  den  von  Sicilien  und  Jerusalem  wie  jenen 
eines  Herzogs  von  Mailand  hinzu,  und  gab   somit  klar  seinen 
Entschluss  zu  erkennen,  nicht  nur  die  Rechte  der  Anjous  auf 
Neapel   sondern   auch    die   von    seiner  Grossmutter  Valentina 
Visconti  hergeleiteten  auf  die  Lombardei  geltendzumachen.    Es 
währte  nicht  lange,   so   setzte  der  neue  König  sich   mit   dem 
Papste  in  Verbindimg.    Die  politischen  Zwecke  in  Italien  waren 
nicht  die  einzigen  die  er  dabei  verfolgte.    Es  galt  zugleich  die 
Lösung  seiner   Ehe    mit  Ludwigs  XL   Tochter  Johanna,    zum 
Behuf    neuen    Ehebündnisses    mit    der   Wittwe    seines    Vor- 
gängers Anna  von  Bretagne.     Eine  Ehe  welche  alte  Neigung 

15* 


228  Ccsai'e  Büi'gia  Hei-zog  von  Yaleutiiiois. 

ihn  ebenso  suchen  Hess  wie  das  franzosische  Interesse  der 
nachhaltigen  Verbindung  der  ansehnlichsten  Provinz  mit  der 
Krone. 

Alexander  VI.  hatte  während  der  Regierung  Carls  VIII. 
momentaner  Irrungen  ungeachtet  an  dem  Bündniss  mit  dem 
Hause  Aragon  festgehalten.  Dass  er  sich  nun  von  demselben 
abwandte,  erklärt  sich  nicht  blos  durch  König  Friedrichs 
Weigerung  der  Verschwägerung,  eine  Weigerung  die  durch 
die  vom  Könige  zugegebene  Verbindung  Alfonsos  d'Aragona 
Herzogs  von  Bisceglia,  eines  natürUchen  Sohns  Alfons'  11.,  mit 
Lucrezia  Borgia  nicht  aufgewogen  ward.  Auch  die  mehnmd- 
mehr  sichtbare  innere  Schwäche  des  süditalischen  Reiches 
trug  dazu  bei ,  den  Entschluss  des  Papstes  zur  Annäherung  an 
Frankreich  zu  bestimmen.  Als  man  über  die  Bedingungen 
einig  war,  legte  Cesare  Borgia  am  13.  August  1498  den  Cardi- 
nalspurpur ab ,  an  dessen  Stelle  Ludwig  XII.  ihm  Valence  im 
Dauphine  mit  dem  Herzogstitel  verlieh.  Der  gewesene  Cardi- 
nal verzichtete,  so  heisst  es,  auf  funfunddreissigtausend  Du- 
caten  Einkünfte  von  geistlichen  Benefizien.  Einen  Monat  später 
wurde  Ludwigs  XII.  vielj  ähriger  Vertrauter  und  erster  Rath 
George  d'Amboise  Erzbischof  von  Ronen  mit  diesem  Purpur 
bekleidet,  und  der  neue  Herzog  überbrachte  ihm  den  Hut  als 
er  am  1.  October  nach  Frankreich  ging.  .  Cesare,  »unser  ge- 
liebter Sohn  der  Herzog  von  Valentinois,  so  drückt  sich  der 
Papst  in  dem  Beglaubigungschreiben  aus,  das  theuerste  was 
wir  auf  dieser  Erde  haben«,  zog  mit  fürstlichem  Glänze;  seine 
Plerde  selbst  waren  mit  Silber  beschlagen.  Ein  königlicher 
Abgesandter  Louis  de  Villeneuve  Trans ,  von  der  Familie  eines 
tapfern  Grossmeisters  von  Rhodus,  zog  mit  ihm;  Giovan  Gior- 
dano  Orsini  und  mehre  vornehme  junge  Römer  waren  in  sei- 
nem Gefolge.  Da  die  Bemühungen  König  Ludwigs,  Friedrich 
von  Neapel  zu  einer  Sinnesänderung  zu  bewegen  fehlschlugen, 
gab  er  Cesare  eine  entfernte  Verwandte  zur  Gemalin ,  Charlotte 
die  Tochter  Alains  d' Albret  (trafen  von  Dreux,  Schwester  Jo- 
hanns Königs  von  Navarra.  Zugleich  verlieh  er  ihm  ansehn- 
liches Einkommen  und  das  Commando  von  hundert  Lanzen. 
So  begann  der  Herzog  von  Valentinois  jene  Laufbahn,  die  ihn 
in  wenigen  Jahren  dem  Gipfel  seiner  Wünsche  und  kühnsten 
Hoffnungen  naheführte,  um  dann  seinen  Sturz  um  so  jäher 
erscheinen  zu  lassen. 


Bund  Alexander»  VI.  mit  Ludwig  XII.  Die  Franzosen  in  Mailand.     229 

Das  Bündniss  mit  dem  Papste  genügte  dem  französischen 
Könige  nicht  zu  einem  Unternehmen,  dessen  erster  Act  die 
Unterwerfung  der  Lombardei  sein  sollte.  Derselbe  Zwiespalt, 
der  zu  jeder  Zeit  den  Fremden  die  Thore  Italiens  erschlossen 
hat,  kam  seinen  Absichten  zu  Hülfe.  Vergebens  hatte  Lodovico 
il  Moro  sich  überall  nach  Hülfe  umgesehn.  Neapel  das  ihm 
zu  helfen  wünschte,  war  machtlos;  in  Toscana  verzehrte  der 
langwierige  durch  das  Ausland  genährte  Kampf  zwischen  Flo- 
renz und  Pisa  die  Kräfte.  Andere  waren  neutral,  noch  Andere 
feindhch.  Im  Februar  1499  sicherte  ein  Vertrag  mit  Venedig 
den  Franzosen  den  Rücken;  sechs  Monate  später  gingen  sie 
über  die  Alpen.  Noch  ein  Monat,  und  der  flüchtige  Herzog 
von  Mailand  suchte  Schutz  bei  dem  Gemal  seiner  Nichte  Kaiser 
Maximilian,  worauf  Ludwig  XU.  am  6.  October  in  die  Hauptstadt 
der  Lombardei  einzog.  Die  Eroberung  hatte  nicht  mehr  Blut 
gekostet  als  vier  Jahre  früher  die  von  Neapel,  und  wenn  das 
schöne  und  fruchtbare  Land  von  der  Alpenkette  zum  Po  mehr- 
mals Herren  gewechselt  hat,  so  hat  seine  Abhängigkeit  von 
fremder  Gewalt  noch  über  ein  Jahrhundert  länger  gewährt  als 
die  des  italischen  Südens. 

Alexander  VI.  hatte  zum  Gelingen  der  französischen  Pläne 
wesentlich  beigetragen.  £r  konnte  nun  dem  Cardinal  Ascanio 
Sforza,  der  ihm  einst  das  Heranziehn  der  Fremden  vorgewor- 
fen hatte,  nicht  mehr  mit  der  Verweisung  auf  dessen  Bruder 
den  Moro  antworten.  Der  Lohn  der  Unterstützung  ward  Cesare 
Borgia  zu  Theil.  Französische  Hülfe  gewann  ihm  ein  Fürsten- 
thum.  Es  war  nicht  schwer  dem  Unternehmen  eine  Färbung 
zu  geben,  die  das  Interesse  der  Kirche  da  erscheinen  liess  wo 
das  Interesse  einer  Nepotenfamilie  in  erster  Reihe  stand.  Das 
Verhältniss  der  Städtebeherrscher  in  der  Romagna  zu  ihrem 
Lehnsherrn  dem  Papste  hatte  zu  verschiedenen  ZeiteA  so  oft 
gewechselt  und  war  ein  so  wenig  fest  bestimmtes  und  ge- 
regeltes, dass  es  jedem  Papste  eine  bequeme  Handhabe  bot, 
wenn  er  gegen  seine  Vasallen  einschreiten  wollte.  Alexander  VI. 
beschloss  den  Augenblick  zu  benutzen  um  einen  Hauptschlag 
auszufuhren.  Nach  dem  Einzug  in  Mailand  hatte  Ludwig  XII. 
dem  Herzog  von  Valentinois  dreihundert  Lanzen  und  vier- 
tausend Schweizer  zur  Verfügung  gestellt.  In  demselben  Mo- 
nat October  erklärte  der  Papst  die  Herren  von  Rimini,  Pesaro, 
Imola,  Faenza,  ForU,  Urbino,  Camerino  wegen  nicht  entrichteten 


230  Cesaro  Borgias  Untemehmeii  gegen  die  Romagna. 

Lehnzinses  ihrer  Besitzungen  für  verlustig,  ernannte  Cesare 
Borgia  zum  Generaicapitän  der  Kirche.  Noch  wurde  die 
Sentenz  heimlich  gehalten  bis  die  Rüstungen  vollendet  waren. 
Am  18.  November  war  Cesare  ohne  dass  man  drum  wusste  im 
Vaticau;  zweitausend  Reiter  und  viertausend  Füsser  waren 
bereit.  Nun  ging  man  los,  indem  die  päpstlichen  Truppen 
sich  mit  den  französischen  in  der  Romagna  vereinigten. 

Der  erste  Angriff  galt  den  Angehörigen  Sixtus'  IV.  Otta- 
viano  Riario  Girolamos  Sohn  verlor  erst  die  Stadt  Imola  dann 
die  Burg;  gleicherw^eise  erging  es  seiner  Mutter  Caterina  Riario 
Sforza  in  Forli.  Am  14.  Januar  1500  ihusste  die  kräftige  Frau 
das  Castell  übergeben.  Sie  wurde  gefangen  nach  Rom  gebracht  j 
von  wo  man  sie  später  nach  Florenz  entliess,  den  Rest  ihrer  ^ 
Tage  in  dem  Kloster  zuzubringen,  in  welchem  Frankreichs 
nachmalige  Köni^n  Caterina  de'  Medici  einen  Theil  ihrer  Jugend 
verlebte.  Der  Anfang  war  gelungen.  Der  Erfolg  des  Unter- 
nehmens gegen  die  übrigen  Signoren  schien  jedoch  zweifelhaft, 
als  eine  plötzHche  Veränderung  in  der  Lombardei  alles  in  Frage 
stellte.  Zu  Anfang  Februar  1499  war  Lodovico  il  Moro  mit 
teutschen  und  schweizer  Truppen  im  Gebiet  von  Como  er- 
schienen. Am  5.  gedachten  Monats  zog  er  in  Mailand  ein 
unter  dem  Jubel  des  Volkes,  auf  welchem  die  französische 
Herrschaft  schwer  genug  gelastet  hatte.  Gian  Giacomo  Tri- 
vulzio ,  welcher  in  seiner  Vaterstadt  für  den  fremden  Herrscher 
befehligte,  hatte  dieselbe  geräumt  und  sich  nach  Novara  zu- 
rückgezogen; in  kurzem  war  Lodovico  beinahe  des  ganzen 
Landes  Herr.  Die  französischen  Hülfsvölker  des  Borgia  er- 
hielten Befehl  sich  mit  ihren  Landsleuten  in  Oberitalien  zu 
vereinigen. 

Der  Herzog  von  Valentinois  liess  die  Franzosen  ihre  Sache 
verfechten  so  gut  sie  konnten.  Es  unterliegt  kaum  einem 
Zweifel,  dass  er  und  der  Papst  die  Entscheidung  in  der  Lom- 
bardei abwarten  wollten  bevor  sie  sich  erklärten ,  in  der  Aus- 
sicht dass  der  Sieger,  wer  immer  er  sein  mögte,  ihrer  bedürfen 
würde.  Der  Haupttheil  der  herzoglichen  Truppen  blieb  in  den 
eroberten  Städten;  mit  dem  von  Vitellozzo  Vitelli  geführten 
Rest  brach  Cesare  nach  Rom  auf.  Der  Papst  befahl  den  Car- 
dinälen  ihm  ihre  Familiären  entgegenzusenden;  die  Cardinäle 
Orsini  und  Famese  erwarteten  ihn  in  Civita  Castellana,  der 
Cardinal  von  Capua  einige  Millien  von  der  Stadt.     Es  war  am 


Cesare  Borgia  Generalcapitän  und  Vemier  der  Kirche.  231 

26.  Februar.  Alle  fremden  Gesandten  waren  auf  den  Wiesen 
jenseit;  der  milviscben  Brücke  versammelt,  an  welcher  heute 
noch  das  Wappen  mit  dem  Stier  der  Borgia  an  die  Befesti- 
gungen erinnert  die  unter  Alexander  VI.  verstärkt  worden 
waren.  Um  die  dreiundzwanzigste  Stunde  erfolgte  der  Einzug. 
Läufer,  Gascogner,  Speerreiter  waren  mit  ihren  Fahnen  voraus, 
dann  folgten  zweihundert  Stallmeister  in  schwarzem  Sammt 
ihre  Pferde  an  der  Hand  fiihrend.  Nun  kam  der  Herzog,  bis 
zum  Knie  in  schwarzem  Sammtanzuge,  mit  einfacher  goldener 
Kette.  Unbedeckten  Hauptes  empfingen  ihn  die  Cardinäle, 
während  er  selbst  das  Barett  in  der  Hand  hielt  So  ritt  er 
zwischen  den  Cardinälen  in  die  Stadt  ein,  hinter  ihm  die  Ge- 
sandten Frankreichs ,  Spaniens,  Englands,  Venedigs,  Navarras, 
Neapels,  Savoyens  und  der  Florentiner,  zahlreiche  Pfeifer  mit 
dem  borgiaschen  Wappen  schlössen  sich  an ;  tumultuarisch 
folgten  die  Tnippen.  In  diesem  Aufzuge  gelangte  man  zum 
Valican  wo  der  Papst  den  Herzog  empfing. 

Bald  darauf,  am  vierten  Sonntag  der  Fasten,  erfolgte 
dessen  feierhche  Installation  als  Generalcapitän  und  Venner 
der  Kirche.  Alexander  begab  sich  aus  dem  Palast  nach  St. 
Peter,  Cesare  ging  vor  ihm  her.  Er  trug  ein  Gewand  von 
Brocat  das  ihm  bis  zum  Knie  reichte;  ein  päpstUcher  Schild- 
träger folgte  mit  den  Insignien  des  Venneramtes,  Mantel  und 
Barett  von  Goldbrocat  mit  HermeUnfoesatz  und  Perlen.  Der 
Papst  segnete  die  beiden  Standarten ,  die  der  Kirche  und  seine 
eigne,  nebst  dem  weissen  Commandostab ,  dann  überreichte  er 
sie  dem  Herzog  mit  den  Worten:  Nimm  die  durch  den  himm- 
lischen Segen  geheiligten  Banner,  die  den  Feinden  des  christ- 
lichen Volkes  schreckUch  sein  mögen.  Der  Herr  verleihe  dir 
die  Gnade  zu  seiner  Glorie  und  Ehre  die  Widersacher  zu  be- 
kämpfen, und  sicher  und  unversehrt  zu  bleiben.  Hierauf  über- 
gab er  ihm  die  goldene  Kose.  Nimm,  so  sprach  er,  die  Rose 
aus  unsem  Händen,  der  wir  wenngleich  ohne  unser  Verdienst 
Gottes  Statthalter  auf  Erden  sind,  die  Rose  als  Sinnbild  der 
Freude  des  zwiefachen  Jerusalem,  der  streitenden  und  siegen- 
den Kirche.  Empfange  sie,  geUebter  Sohn,  der  du  in  den 
Augen  der  Welt  edel,  mächtig,  mit  vieler  Tugend  begabt  bist 
und  ferner  durch  grössere  Tugend  ausgezeichnet  werden  mögest, 
wie  die  am  Stromesufer  gepflanzte  Rose,  welche  Gnade  der 
Herr  dir  verleihen  wolle  in  der  Fülle  seiner  Barmherzigkeit. 


232  Ende  Lodovico  Sforaas.    Jubeljahr  1500. 

Unterdessen  spielte  in  der  Lombardei  der  letzte  Act  des 
Dramas  in  welchem  den  Herzog  von  Mailand  die  Vei^eltung 
traf,  für  ihn  verdient,  ein  Unglück  für  Italien.  Hätte  er  Unter- 
stützung gefunden,  so  würde  bei  der  Abneigung  gegen  die 
Franzosen  die  Sache  eine  andere  Wendung  haben  nefamen 
können.  Aber  nur  wenige  Signoren  ausserhalb  seines  eignen 
Staates  hielten  zu  ihm.  Am  10.  April  1500  gerieth  er,  in  No- 
vara  durch  seine  Schweizersöldner  ausgeliefert,  in  die  Hände 
der  Franzosen  in  deren  Gefangenschaft  er  starb.  Als  die  Nach- 
richt von  dem  Geschick  Lodovico  il  Moros  in  Rom  anlangte, 
vernahm  man  die  ganze  Nacht  hindurch  den  Ruf:  Francia, 
Francia!  und  Bär,  Bär!  Auf  Monte  Giordano  und  bei  den 
übrigen  orsinischen  Wohnungen  brannten  Freudenfeuer.  Der 
Papst  soll  dem  Boten  hundert  Ducaten  geschenkt  haben.  Es 
war  inmitten  der  Feierlichkeiten  des  Jubiläums  welches  zu 
Weihnachten  begonnen  hatte,  bei  welcher  Gelegenheit  die  Via 
Alessandrina  der  Leostadt,  heute  Borgo  nuovo,  eröffnet  wurde. 
Zweihunderttausend  Menschen  sollen  am  Osterfeste  versammelt 
gewesen  sein  den  Segen  zu  empfangen.  Die  Ereignisse  des 
Jahres  und  die  Zustände  Roms  waren  aber  weit  davon  entfernt 
zu  der  geistlichen  Feier  zu  stimmen.  An  Kirchenfesten  fehlte 
es  nicht,  ebensowenig  an  andern  nichtkirchUchen.  Am  Jo- 
liannistage  fand  auf  dem  von  Schranken  umschlossenen  Peters- 
platz eine  Thierhetze  statt,  wobei  Cesare  Borgia  sich  durch  seine 
ausserordentUche  Gewandtheit  und  Kraft  auszeichnete.  Sechs 
Stiere  tödtete  er  indem  er  sein  Pferd  tummelte;  dem  einen 
schlug  er  mit  einem  Hiebe  den  Kopf  ab.  Die  Sicherheit  in 
der  Stadt  war  mehrfach  gefährdet.  Keine  Nacht  verging  ohne 
vier ,  fünf  Mordthat^ ;  Bischöfe  und  Prälaten  waren  unter  den 
Opfern.  Am  Morgen  des  27.  Mai  sahen  die  Römer  auf  der 
Engelsbrücke  achtzehn  am  Galgen  hängen,  unter  ihnen  Ant 
und  Wundarzt  des  lateranischen  Spitals  die  sich  in  der  Morgen- 
frühe aus  Raub  und  Mord  ein  Geschäft  machten.  Mehr  denn 
alles  aber  machten  die  Ereignisse  in  des  Papstes  eigner  Familie 
von  sich  reden. 

Alexanders  Vorhebe  für  seine  Tochter  Lucrezia  kam  dem 
Vertrauen  gleich  welches  er  in  deren  Klugheit  und  Geistes- 
gegenwart setzte.  Lucrezia  war  eine  Macht  in  Rom.  Sie  war 
Gubernatrix  der  Burg  von  Spoleto  und  von  Nepi.  Bald  werden 
wir  sie  als  Herrin  von  Sermoneta  sehn.    Ihr  Auftreten  in  der 


Lucrezia  Borgia.     Mord  dcA  Herzogs  von  Bisceglia.  233 

Stadt  entsprach  ihrer  Stellung.     Als  sie  im  August   1499  mit 
ihrem  Bruder  JuflPre  nach  Spoleto  zog,  trug  eine  Schaar  Last- 
thiere  Kostbarkeiten  und  Hausgeräth;  die  Palastwache  umgab 
sie,  der  Govematore  und  zahlreiche  Prälaten  gaben  ihr  das 
Geleite.    Von  der  Loggia  über  dem  Palastthore  sah  der  Papst 
den  Aufzug.    Am  Neujahrstage  1500  ritt  sie  mit  zweihundert 
Edeln  und  Damen  nach  dem  Lateran;  Alexander  VI.  hatte  sich 
ins  Casteli  begeben  die  Cavalcade  anzuschauen.    Die  Ehe  Lu- 
crezias   mit  Alfonso  d*Aragona  Herzog  von  BiscegUa   scheint 
Mishelligkeiten ,  nicht  zwischen  dem  Paar,  sondern  infolge  der 
Wendung  der  päpstlichen  Politik  mit   dem  Papst  und  Cesare 
herbeigeführt  zu  haben.    Alexander  VI.   übertrug  seine  Abnei- 
^ng  gegen  die  Aragonesen  auch  auf  seine  Familienbeziehungen. 
Im  Sommer  1499  war  Alfonso  ohne  Alexanders  Vorwissen  nach 
Neapel  gegangen.    Am  15.  JuU  folgenden  Jahres  ereignete  sich 
auf  dem  Petersplatz  ein  tragischer  Vorfall.     Auf  den   Stufen 
der  Basilika  wurde  der  Herzog  von  Bisceglia  von  mehren  Un- 
bekannten  überfallen   und   an  Kopf  und  Armen  schwer   ver- 
wundet.   Die  Heuchler  eilten  die  Stufen  hinab ,  wo  gegen  vierzig 
Reiter  ihrer  harrten  und  sich  mit  ihnen  nach  Porta  Pertusa 
wandten.   .Der  Verwundete  wurde  nach   seiner  und  Lucrezias 
Wohnung  im  Hause  des  Cardinais  von  Sta  Maria  in  porticu  bei 
St.  Peter  gebracht;  nach  den  Thätem  scheint  man  nicht  ge- 
forscht   zu   haben.     Seine  Gemahn   und   seine  Schwester  be- 
reiteten ihm  eigenhändig  die  Speisen  aus  Furcht  vor  Gift.    Der 
Papst  bestellte  ihm  sechzehn  Wächter  und  besuchte  ihn  mehr- 
mals; Cesare,  erzählt  der  venetianische  Botschafter,  sagte  un- 
verholen:  was  bei  Tage   nicht   geschehn  ist,   bleibt   für  den 
Abend  aufgespart.    Am  18.  August,  so  erzählt  Johannes  Bur- 
card, wurde  der  Herzog,  da  er  an  seinen  Wunden  nicht  ster- 
ben wollte,  um  die  erste  Stunde  der  Nacht  im  Bette  erdrosselt. 
Man  trug  die  Leiche  nach  St.  Peter,  wo  der  päpstliche  Schatz- 
meister  Francesco   Borgia   Papst  Calixtus'   Sohn   und   dessen 
Leute    sich   einfanden.    Der  Arzt   und  ein   Verwachsener  der 
den  Kranken  gepflegt  hatte,  wurden  ins  Casteli  gebracht  je- 
doch bald  wieder  in  Freiheit  gesetzt.    Man  wusste  sehr  wohl 
auf  wessen  Anstiften  die  That  geschehn  war.    Der  Herzog  von 
Valentinois,  berichtet  Paolo  Capello,  war  Abends  in  das  Gemach 
getreten  wo  der  Verwundete  sich  befand,  hatte  Frau  und  Schwe- 
ster entfernt  und  seinen  Vertrauten  Don  Michele  herbeigerufen 


234  Neues  Untemehmon  Ccsarp  Borgias  gegen  die  Romagna. 

der  ihn  erwürgte.  Zwölf  Tage  später  ritt  die  Wittwe  nach 
Nepi,  sich  von  den  heftigen  Gemüthsbewegungen  der  letzten 
Wochen  auszuruhn.  Ihr  Schmerz  war  nicht  erheuchelt;  des 
Papstes  Liebe  zu  ihr  scheint  damals  darüber  erkaltet  zu  sein. 
Solche  Scenen  sah  das  Jubeljahr  1500  in  Rom.  Der  Papst 
war  während  desselben  in  dringender  Lebensgefahr  infolge  des 
Einsturzes  eines  Kamins  im  Palaste.  Am  3.  November  aber 
erfolgte  eine  grosse  Ueberschwemmung,  so  dass  man  nur  in 
Barken  zum  Vatican  gelangen  konnte.  Bei  Tordinona  stürzten 
fünf  Häuser  ein,  mehre  auf  der  Tiberinsel.  Man  benutzte  den 
Anlass  den  Aufgang  zur  Engelsbrücke  durch  Wegräumen  ver- 
schiedener Bauten  freizulegen. 


6. 

CESARE  BORGIA  UND  DIE  ROHAGNA.   TOD  ALEXANDERS  VI. 

Das  Unternehmen  in  der  Romagna  hatte  eine  Zeitlang  ge- 
rastet. Ein  Bruch  Ludwigs  XII.  mit  den  Borgia,  deren  ver- 
dächtige Lauheit  der  König  verklagte,  hatte  zwar  gedroht 
aber  ihre  Freundschaft  schien  nothwendig  zur  Ausfuhnmg  der 
Pläne  gegen  Neapel,  und  Ludwig  unterdrückte  den  Groll  den 
er  im  Herzen  trug.  Französische  Hülfe  setzte  den  Herzog  von 
Valentinois  in  den  Stand,  den  Krieg  gegen  die  romagnolischen 
Signoren  wiederaufzunehmen.  In  seinem  Solde  standen  rö- 
mische Barone  aus  den  Häusern  Orsini  imd  SaveUi,  Gian 
Paolo  Baglioni  von  Perugia,  Vitellozzo  Vitelli  von  Citta  di 
Castello,  andere  Hauptleute,  denen  das  Geschick  der  Herren 
der  Romagna  einen  Spiegel  für  die  Erkenntniss  der  eignen  Zu- 
kunft hinhielt,  die  aber,  durch  das  französische  Biindniss  ge- 
schreckt, im  Anschluss  an  den  beargwöhnten  Feind  geringere 
Gefahr  zu  finden  glaubten  als  im  Widerstreben.  Die  Sfona 
von  Pesaro,  die  Malatesten  von  Rimini,  die  Manfredi  von  Faenza 
fielen.  Am  26.  April  1501  langte  die  Nachricht  von  der  Ein- 
nahme Faenzas  in  Rom  an,  wo  sie  durch  Freudenschüsse  und 
Feuer  gefeiert  wurde.  Der  siebzehnjährige  Astorre  Manfredi 
hatte  das  Castell  lange  gegen  eine  überlegene  Artillerie  Ter- 
theidigt  und,  als  er  zur  Capitulation  genöthigt  ward,  die  Sicher- 
heit der  Einwohner,    seine   eigne  Freiheit  ausbedungen.    Nach 


Cesare  Borgia  Herzog  von  Romagna.    K.  Friedrich  von  Neapel.       235 

Rom  gefuhrt  und  in  der  Engelsburg  eingesperrt,  ward  er  hier 
erdrosselt  und  seine  Leiche  verschwand  im  Tiber.  Eine  im 
vorhergehenden  September  stattgefundene  Ernennung  von  zehn 
Kardinälen  hatte  des  Papstes  Uebergewicht  im  h.  CoUegiura 
noch  verstärkt.  So  fand  dieser  keinen  Widerstand,  als  er  Ce- 
sare Borgia  zum  Herzog  von  Romagna  zu  erheben  beschloss. 
Die  eroberten  .Städte  und  Territorien  Imola,  Forli,  Rimini, 
Pesaro,  Faenza  nebst  Cesena  bildeten  das  neue  Herzogthum. 
In  Rom  fanden  die  überschwängliehsten  Freudenbezeugungen 
statt  und  die  Namen  Alexander  und  Cäsar  boten  Anlass  zu 
einer  Menge  poetischer  Comphmente  und  Lobeserhebungen, 
mit  derselben  erfindungsreichen  Leichtigkeit  und  beredten  Suade 
mit  der  man  sie  nachmals  durch  den  Roth  schleppte. 

Die  Eroberung  der  eigentlichen  Romagna  war  vollendet. 
Aber  die  Entwürfe  des  neuen  Herzogs  nahmen  hohem  Flug. 
Er  wollte  den  eben  erworbenen  Staat  abrunden :  Bologna  sollte 
seine  Hauptstadt  werden.  Indess  fand  er  nicht  nur  die  Benti- 
vogU  gerüstet,  sondern  sein  Ehrgeiz  begann  jenseit  der  Alpen 
Bedenken  zu  wecken.  Als  französische  Befehle  ihn  von  Bo- 
logna abzustehn  nöthigten,  richtete  er  seine  Blicke  auf  Toscana. 
In  Florenz,  welches  sich  in  dem  endlosen  pisaner  Krieg  ver- 
zehrte, konnte  er  bei  der  mediceischen  Partei  auf  Einverständ- 
niss  rechnen.  Als  ihm  auch  hier,  nachdem  er  den  Apennin 
schon  überschritten,  Frankreich  in  den  Weg  trat  und  er  sich 
mit  Geld  in  der  Form  florentinischen  Solddienstes  begnügen 
rausste,  warf  er  sich  auf  den  kleinen  Staat  von  Piombino.  Ua 
rief  ein  Krieg  ernsterer  Art  ihn  ab.  Die  Angelegenheiten  Neapels 
führten  eine  Verwicklung  herbei,  welche  zu  einer  der  unseligsten 
für  Italien  geworden  ist. 

Seit  dem  Sturze  der  Sforza  und  dem  Bündniss  der  Borgia 
mit  Frankreich  hatte  König  Friedrich  den  Boden  unter  seinen 
Füssen  schwanken  gefühlt.  In  seiner  Ohnmacht  hatte  er  selbst 
Iq  Constantinopel  Hülfe  gesucht  und  dadurch  dem  Papste  Waffen 
in  die  Hand  gegeben.  Zugleich  mit  Frankreich  und  mit  Spa- 
nien hatte  er  unterhandelt.  Er  ahnte  nicht  dass  um  dieselbe 
Zeit  Ferdinand  der  Katholische  und  Ludwig  XII.  sich  in  sein 
Reich  theilten,  dass  im  Augenblick  wo  ein  französisches  Heer 
unter  d'Aubigny  sich  von  der  Lombardei  aus  in  Bewegung 
setzte,  die  im  Hafen  Messinas  ankernde  angeblich  gegen  die 
Türken  bestimmte  spanische  Flotte  wider  ihn.  den  nahen  Bluts- 


236  Thoilung  Neapels  zwischen  Frankreich  und  Spanien. 

verwandten  des  Königs  zu  handeln  beordert  war.  Bald  sollte 
dem  unglücklichen  Monarchen  die  Binde  von  den  Augen  falleo. 
Als  d'Aubignys  Schaaren  über  die  päpstliche  Grenze  gingen 
und  Alles  auf  den  Ausgang  des  Kampfes  gespannt  war,  von 
dem  man  glaubte  dass  er  zwischen  dem  angreifenden  Frank- 
reich und  der  Schutzmacht  Spanien  entbrennen  müsse,  ver- 
kündeten in  Rom  die  Botschafter  beider  Mächte  den  Vertrag 
von  Granada.  Nach  Inhalt  dieses  Vertrags  sollte  das  König- 
reich der  aragonisdhen  Nebenlinie  genommen  werden,  Ferdinand 
Calabrien  und  Apulien,  Ludwig  Campanien  und  die  Abruzzen 
erhalten.  Vom  Papste  wurde  die  Investitur  des  getheilten 
Reiches  verlangt.  Das  Vorgeben  dass  der  König  von  Neapel 
sich  mit  den  Türken  in  Einverständniss  gesetzt  habe,  die  ver- 
bündeten Monarchen  Italien  vor  den  Ungläubigen  sichern  wür- 
den, sollte  dem  schnöden  Handel  christliche  Färbung  geben. 
Die  Unterhandlung  mit  Alexander  VI.  war  nicht  schwer. 
Der  Umstand  dass  die  Colonna,  Prospero  und  Fabrizio  an  ihrer 
Spitze ,  auf  König  Friedrichs  Seite  standen  und  so  eine  schöne 
Gelegenheit  sich  darbot,  auch  in  Roms  Umgebung  unter  den 
Baronen  weiter  aufzuräumen,  erleichterte  seinen  Entschluss. 
Cesare  Borgia  erhielt  Befehl  sich  mit  den  päpstUchen  Truppen 
den  Franzosen  anzuschUessen.  Im  Juni  1501  lagerte  d'Aubignys 
Heer,  zwölftausend  Füsser  und  zweitausend  Reiter  mit  sechs- 
unddreissig  Bombarden,  bei  Acqua  Traversa  jenseit  der  milvi- 
schen  Brücke.  Die  Stadt  musste  Lebensmittel  hefem  und  Ein- 
quartierung aufnehmen,  wobei  manche  sich  von  letzterer 
loskauften.  Am  28.  Juni  erfolgt^e  der  Abzug  der  Franzosen 
welchem  der  Papst  vom  Gartenhause  bei  der  Engelsburg  zu- 
sah. Nun  wurde  Friedrich  von  Aragon  der  Krone  verlustig 
erklärt.  Der  Herzog  von  Romagna  hatte  die  Belagerung  Piom- 
binos  zweien  seiner  Hauptleute  übertragen  und  war  zum  Heere 
gestossen.  Der  am  14.  JuU  erfolgte  Fall  von  Capua  inmitten 
furchtbaren  Blutbads  zog  den  Verlust  Gaetas  nach  sich.  Der 
König  glaubte  sich  in  Neapel  nicht  halten  zu  können.  Am 
4.  August  erfolgte  die  Uebergabe  der  Hauptstadt  Im  Castell 
von  Ischia  fanden  die  Reste  der  von  so  harten  Geschicken 
getroffenen  aragonischen  Königsfamilie  sich  zusammen,  dapn 
ging  Friedrich  nach  Frankreich.  Sein  Gefängniss  war  ein  König- 
reich. Dieselbe  Provinz,  die  Touraine  nahm  die  beiden  ent- 
thronten  italienischen   Herrscher   auf.     Friedrich   von   Neapel 


Kampf  gegen  die  Colonna.  237 

starb  im  Jahre  1504  in  der  anmutbigen  Hauptstadt  an  der 
Loire,  Lodovico  il  Moro  sechs  Jahre  später  in  dem  Castell 
von  Loches  in  engem  Verwahrsam.  In  Tarent  bemächtigte 
sich  Gonsalvo  von  Cordova,  der  Führer  der  spanischen  Ex- 
pedition, des  kleinen  neapolitanischen  Thronerben.  Er  legte 
auf  die  Hostie  einen  Eid  ab.  den  Prinzen  frei  ziehn  zu  lassen, 
dann  sandte  er  ihn  nach  Spanien  wo  der  Herzog  von  Cala- 
brien  gegen  fünfzig  Jahre  dem  Schein  nach  frei  gelebt  hat. 

Während  des  Krieges  der  die  Selbständigkeit  Neapels  auf 
zweiimndertdreissig  Jahre  vernichtete,  hatte  Alexander  VI.  die 
Macht  der  Colonnesen  gebrochen.  Die  traditionelle  Zwietracht 
unter  den  Baronen  hatte  ihm  das  Werk  erleichtert.  Colonna 
und  Orsini  waren  wegen  des  Besitzes  der  Grafschaften  Tagüa- 
cozzo  und  Alba  und  anderer  neapolitanischer  Lehne,  welche 
Virginio  Orsini  im  ersten  französischen  Kriege  abgesprochen 
und  am  6.  Juli  1497  von  König  Friedrich  an  Fabrizio  Colonna 
verliehen  worden  waren,  in  bittere  Feindschaft  gerathen.  Zur 
Zeit  als  der  Papst  gegen  die  Orsinen  losging,  dienten  Fabrizio 
und  Prosper  Colonna  in  seinem  Heere  mit  neapolitanischen 
Söldnern.  Ein  Jahr  später  brach  zwischen  den  beiden  grossen 
Geschlechtern  und  ihren  Anhängern  offner  Krieg  aus.  Auf  der 
einen  Seite  standen  Orsini ,  Conti  u.  a. ,  auf  der  andern  Colonna, 
Savelli,  Caetani.  Bei  Monticelli  wurden  die  ersteren,  acht- 
hundert Reiter  und  zweitausend  Füsser,  vollständig  geschlagen. 
Des  Papstes  Anerbieten  den  Frieden  zu  vermitteln  vermogte 
die  Streitenden,  sich  ohne  seine  f]inmischung  miteinander  zu 
verständigen.  Zu  spät  hatten  sie  begriffen,  wie  sie  die  Pläne 
der  Borgia  förderten  indem  sie  sich  gegenseitig  aufrieben.  In 
Tivoli  schlössen  sie  ein  Abkommen ,  indem  sie  die  beidertheili- 
gen  Eroberungen  herausgaben  imd  inbetreff  der  abruzzesischen 
Lehne  König  Friedrich  zum  Schiedsrichter  wählten,  der  im 
Jahre  1499  Tagliacozzo,  Alba,  Carsoli  den  Colonnesen  zu- 
sprach. Letztere  blieben  im  neapolitanischen  Dienste  und 
sahen  sich  somit  auch  den  Wechselfallen  des  neuen  Krieges 
gegen  den  König  blosgestellt.  Als  sie  von  dem  Bündniss 
7Avischen  Spanien  und  Frankreich  vernahmen,  hatten  sie  das 
drohende  Verderben  erkannt  und  ein  letztes  Rettungsmittel 
versucht.  Sie  hatten  sich  erboten  dem  CardinalcoUegium  die 
Schlüssel  ihrer  Castelle  zu  übergeben,  aber  der  Papst  hatte 
Einspruch  gethan  und  die  Auslieferung  selbst  verlangt.    In  die 


238  Bcsitziialmio  der  colonnjischeii  und  caetanischen  Lehne. 

Enge  getrieben  verstanden  die  Colonna  sich  auch  hiezu,  und 
der  Generalauditor  der  Kammer  nahm  von  mehren  Ortschaften 
Besij;z,  während  andere  wie  Amelia  und  Rocca  di  Papa  sich 
zu  ergeben  weigerten.  So  hörten  die  Gewaltmaassregebi  gegen 
die  MitgUeder  der  gehassten  Famihe  nicht  auf.  Der  Kirchen- 
bann wurde  über  sie  verhängt»  Cardinal  Giovanni  Colonna 
bUeb  von  demselben  frei,  verlor  aber  seine  Lehne  und  Bene- 
fizien,  unter  andern  die  reiche  Abtei  Subiaco. 

Wie  den  Colonnesen  erging  es  auch  den  Caetani  und  Savelli. 
Schon  am  12.  Februar  1500  war  Lucrezia  Borgia  in  den  Besitz 
von  Sermoneta  und  den  übrigen  catetanischen  Castellen  gelangt, 
welche  die  apostolische  Kammer,  der  sie  als  verwirkte  Lehne 
zugefallen  waren,  ihr  für  achtzigtausend  Goldgulden  verkauft 
hatte.  Ob  die  Summe  ausgezahlt  wurde,  ward  nicht  controlirt. 
Cesare  war  unzufrieden;  er  sagte  ein  Weib  könne  Sermoneta 
nicht  behaupten.  Im  Viterbesischen  mordeten  die  Anhänger 
der  Orsini  die  colonnaschen  Parteigänger;  ein  auf  päpstUchen 
Befehl  von  den  Caporionen  orsinischer  Partei  auf  dem  Capitol 
zusammenberufener  Gemeinderath  beschloss  die  Zerstörung 
Marinos  welches  von  den  Franzosen  verbrannt  wurde,  die 
unter  Aubignys  Fühnmg  auch  Cave,  Montefortino  und  andere 
Burgen  bis  zum  Liris  nahmen.  Von  den  Cardinälen  von  Ar- 
borea  und  Borgia  begleitet  zog  der  Papst  mit  fünfzig  Reitern 
und  hundert  Füssern  nach  Sermoneta.  Während  seiner  Ab- 
wesenheit führte  Lucrezia  die  Verwaltung  des  Palastes;  sie 
hatte  die  Befugniss  die  an  den  Papst  gerichteten  Briefe  zu  er- 
öffnen und  sollte  in  wichtigeren  Angelegenheiten  den  Cardinal 
von  Lissabon  zu  Rathe  ziehn.  Auch  als  Alexander  sich  zwei 
Monate  später  nach  Nepi  begab,  bheb  die  Ver\^'altung  in  Lu- 
crezias  Hand.  Alle  colonnaschen,  savellischen ,  caetanischen 
Besitzungen  waren  in  des  Papstes  Gewalt,  während  die  beiden 
tüchtigsten  der  Colonna,  Fabrizio  und  Prospero,  tapfer  aber 
unglücklich  für  König  Friedrich  kämpften,  dem  sie  nach  Iscliia 
folgten.  Aus  den  confiscirten  Lehnen  bildete  nun  der  Papst  am 
1.  October  1501,  indem  er  infolge  der  unt^rdess  veränderten 
Verhältnisse  Lucrezias  die  frühere  Verleihung  modificirte,  zwei 
Herzogthümer  für  seine  Enkel  Kodrigo  und  Juan  d'Aragona 
Borgia,  Lucrezias  Söhne.  Das  Herzogthum  Sermoneta  umfasste 
die  caetanischen,  colonnaschen,  savellischen  u.  a.  Ortschaften 
am  Süd  -  und  Westabhang  der  V^olsker  Berge  und  Albanerhügel» 


I 


Lucrczia  Borgias  Verniälung  mit  Alfons  von  Este.  239 

ausser  genanntem  Hauptorte  Ninfa,  Norma,  Cistema,  Sonnino, 
San  Feiice,  Nettuno,  Ardea,  Citta  Lavigna,  Genzano,  Nenu, 
Aibano,  Castel  Gandolfo  u.  a.  Das  Herzogthum  Nepi  er- 
streckte sich  über  die  Castelle  an  und  in  den  Herniker  und 
Aequer  Bergen  und  auf  der  Nordseite  jener  der  Volsker,  ßignano, 
Palestrina,  Zagarolo,  Genazzano,  Olevano,  Paliano,  Serrone, 
Anticoli,  CoUepardo,  Scurcola,  Supino  u.  a.  Es  wurde  gründ- 
lich aufgeräumt.  Die  beiden  Belehnten  waren  im  zartesten 
Alter.  Palestrina  gerieth  indess  erst  am  4.  Mai  1503,  kurz  vor 
des  Papstes  Tode,  in  dessen  Gewalt.  Francesco  Colonna  wurde 
mit  einem  auf  die  Alaunwerke  angewiesenen  Jahreseinkommen 
von  sechshundert  Florenen  für  sich  und  seine  Erben  abge- 
funden. 

Alles  ging  nach  Wunsch.     Am    3.  September  1501   hatte 
sich    das    drei  Monate   lang   umschlossene  Piombino    ergeben, 
dessen  Herr  Jacopo  d*  Appiano  zu  Schiffe  entfloh.    Es  war  am 
Tage  vor  einem  neuen  freudigen  Ereigniss  im  Hause  der  Borgia, 
der  Verkündigung  des  Ehegelöbnisses   zwischen  Lucrezia  und 
Alfons    von    Este    Erbprinzen    von    Ferrara.      Herzog    Ercole 
scheint  durch  den  Wunsch,  seine  Staaten  durch  eine  solche 
V^erbindung  gegen  die  borgiasche  Ländergier   zu  sichern,    zu 
diesem  Schritt  vermögt  worden  zu  sein  zu  welchem  der  Sohn 
wider  Willen   die  Einwilligung   gab.      Der  Papst   und  Cesare 
aber  mogten  in  dem  alten  Ansehn  des  Hauses  Este  eine  Stütze 
iur  den  neugeschaffenen  Staat  zu  finden  hoffen.     Die  Mitgift 
der  Braut  wurde  auf  hunderttausend  Goldgulden  festgesetzt; 
der  Lehnzins  für  Ferrara  wurde  auf  drei  Generationen  erlassen. 
Vor   den  Gesandten  Herzog  Ercoles  öffnete  Alexander  VI.   ein 
mit  Perlen  gefülltes  Coffiret  und  griff  hinein  mit  den  Worten: 
Alles  dies  ist  für  Lucrezia.    Ich  will  dass   sie  unter  den  Für- 
stinnen Italiens  die  meisten  und  schönsten  Perlen  besitzen  soll. 
Am  Sonntag  nach  der  Verlobung  ritt  Lucrezia  durch  die  Stadt 
nach   Sta  Maria  del  popolo,  vor  ihr  vier  Bischöfe,  in  ihrem 
Gefolge  gegen  dreihundert  Reiter.    Am  folgenden  Tage  durch- 
zogen  zwei  Schalksnarren   die  Strassen,    der    eine  z^  Pferde, 
welchem  die  Braut  das  Tags  zuvor  getragene  Kleid  von  Gold- 
brocat,  dreihundert   Gulden   an  Werth,  geschenkt  hatte,  der 
andere  zu  Fusse ,  dem  auch  ein  schönes  Gewand  zu  Theil  ge- 
worden war.    Sie  riefen :  es  lebe  die  durchlauchtigste  Herzogin 
von  Ferrara!     Es  lebe  Papst  Alexander!    Hoch  hoch!    Noch 


240  Ilerrscliafl  und  Heer  Cesare  Borgias. 

vier  Monate  blieb  Lucrezia  in  Rom.  Am  5.  Januar  1502  erfolgte 
ihr  Abzug  nach  Ferrara.  Ihr  Gefolge  bestand  aus  sechshundert 
Personen.  EQnter  den  Sergentsd'armes  ritt  zur  Rechten  der 
Cardinal  Erzbischof  von  Cosenza  Francesco  Borgia,  Legat  a 
latere  für  den  Kirchenstaat  während  des  Durchzugs  der  Braut 
zur  Linken  der  Cardinal  Pierluigi  Borgia,  neben  Beiden  die 
Prinzen  von  Ferrara  Ferdinando  und  Sigismondo  AlfoDSos 
Brüder.  Die  Braut  ritt  zwischen  dem  Cardinal  IppoUto  d*Este 
und  ihrem  Bruder  Cesare.  Edle  und  Hommes  d'armes  folgten. 
Viele  vornehme  Römer  nahmen  in  neuen  glänzenden  Anzügen 
von  Gold-  und  Silberbrocat  an  dem  Zuge  Theil.  So  schied 
I^ucrezia  Borgia  von  Rom  das  sie  nicht  wiedergesehn  hat 

Cesare  Borgia  hatte   die  seit  der  Eroberung  Neapels  ver- 
strichene Zeit  benutzt,  sowol  seine  Herrschaft  in  der  Romagna 
zu  befestigen  wie  durch   engern  Anschluss  an  Frankreich  fer- 
nem Erwerb  einzuleiten.     Beides  gelang  ihm.     Sein  Regiment 
in  dem  neugebildeten  Staate,  dem  alten  Schauplatz  steter  Un- 
ruhen und  Fehden,  war  das  gewaltthätigste  und  härteste,  aber 
er  schaffte  Ordnung  und  Sicherheit  und  gewann  so  das  Volk 
für  sich,  welches  die  feste  Hand  des  neuen  Herrn  leichter  er- 
trug als   das   gesetzlose  und  dabei  schwächUche  Schalten  der 
vormaligen  kleinen  Städtegebieter.    Aber  der  Herzog  sah  sehr 
wohl  ein  dass  nur  der  Name  und  der  Einfluss  Frankreichs  ihn 
vor  den  Feinden  sichern  konnten,  die  sein  rasches  Glück  widrr 
ihn  ins  Feld  gerufen  hatte,  die  Furcht  vor  seinem  schranken- 
losen Ehrgeiz  täglich  mehrte.      Auf  allen  Seiten  waren  Arg- 
wohn und  Verdacht  rege.     C/esare  hatte  nicht  nur  Solche  zu 
furchten  welche  ihm  offen  gegenüberstanden.     Er    hatte  das 
zahlreichste  und  schönste  Heer.     Mehre  der  tüchtigsten  italie- 
nischen Hauptleute  dienten  unter   ihm,    abgesehn  von  franzö- 
sischen Hülfstruppen ,  von  fremden  Söldnern.    Seine  Leibwache 
war  überaus  glänzend.     Sie   trug  prächtige  Wämser  in  seiiieu 
Farben,  roth  und  gelb,   über  die  Brust  von  der  Rechten  zur 
Linken  Schärpen  die  Schlangenschuppen  glichen  und  mit  Gold 
und  Farben  verziert  waren,    während  die   Schnallen,  welche 
die  Scheiden  der  mit  goldenem  Griff  versehenen  Degen  hielten, 
Drachenköpfen  glichen.     Dem  Glänze  der  Erscheinung  stand 
die  Tüchtigkeit  nicht  nach.    Aber  die  Treue  der  Condottieren 
war  zweifelliaft.     Das  Heer  war,  wie  gewöhnlich,   aus  Mann- 
schaften zusammengesetzt  welche  von  einzelnen  Führern  gestellt 


Cesares  Unternehmen  gegen  Toscana,  Urbino ,  Camerino.  241 

wurden.  Er  war  es  der  den  Oberbefehl  führte,  aber  viel 
mehr  als  von  ihm  hingen  die  Truppen  von  Jenen  ab,  die  sie 
geworben  und  gebildet  hatten  und  gleichsam  als  ein  Eigen- 
thum  betrachteten.  Diese  Condottieren  waren  römische  Barone 
wie  Herren  von  Städten  und  Territorien  in  Umbrien  und  der 
Mark,  und  es  war  begreiflich  dass  das  Schicksal  der  romagno- 
lischen  Signoren  wie  der  Colonna,  Caetani,  Savelli  für  sie  zum 
Schreckbild  ward. 

Das  Jahr  1502  führte  in  raschem  Wechsel  der  Dinge  die 
Entscheidung  herbei.  Im  Februar  begab  der  Papst  sich  über 
Civitavecchia  und  Cometo  nach  Piombino,  den  neugewonnenen 
Staat  zu  besichtigen  und  Cesare  damit  zu  belehnen.  Man  be- 
merkte in  Rom,  dass  zum  Dienst  auf  den  sechs  päpstlichen 
Galeeren  nicht  nur  die  zu  leichten  Strafen  Verurtheilten  ge- 
QÖthigt  sondern  selbst  Schiffer  und  Fischer  gepresst  wurden; 
der  Unwille  war  so  gross  dass  dem  rückkehrenden  Papste  nie- 
mand entgegenzog.  Piombino  sollte  ein  Mittelpunkt  für  Ope- 
rationen in  Toscana  werden ,  wo  die  Feindschaft  zwischen  Flo- 
renz und  Siena  und  der  pisaner  Krieg  eine  bequeme  Handhabe 
boten.  Der  Papst  rüstete  eifrig.  Ausser  der  erbeuteten  Artil- 
lerie der  colonnaschen  Castelle  hatte  er  auf  Ischia  die  des 
vertriebenen  Königs  erworben  und  nach  der  Engelsburg  bringen 
lassen;  kaum  ein  Viertel  des  Werthes  hatte  er  dafür  gezahlt. 
Za  Anfang  Juni  ging's  in  Toscana  los.  Ein  Angriff  auf  Arezzo, 
scheinbar  im  Interesse  der  Medici,  brachte  diese  wichtige  Stadt 
in  die  Gewalt  Vitellozzo  Vitellis  und  Pandolfo  Petruccis  Herrn 
von  Siena  der  im  Bunde  mit  Cesare  war.  Das  Einschreiten  des 
französischen  Königs ,  der  keine  Lust  hatte  die  Borgia  sich  auch 
in  Toscana  festsetzen  zu  sehen,  vermogte  aber  nochmals  den  Her- 
zog welcher,  der  Absichten  Ludwigs  nicht  sicher,  sich  persönlich 
an  dem  Unternehmen  nicht  betheiligt  hatte,  seine  Blicke  anders- 
wohin zu  wenden.  Für  das  Mislingen  diesseit  der  Apenninen 
sollte  jenseit  Ersatz  gefunden  werden.  Durch  List  und  Ver- 
rath  bemächtigte  Cesare  sich  Urbinos:  Herzog  Guidubaldo, 
welchen  das  anhängliche  aber  wehrlose  Volk  nicht  schützen 
konnte,  hatte  nur  eben  Zeit  nach  Mantua,  von  dort  nach 
Venedig  zu  flüchten.  Sein  junger  Neffe  Francesco  Maria  della 
Rovere  Herr  von  Senigallia  theilte  sein  Loos.  Wenige  Tage 
darauf  setzte  Cesare  sich  durch  heimliches  Einverstandniss  in 
den  Besitz   von   Camerino.    GiuHo   Cesare  Varano   und   seine 

V.  RcnxBOBt,   Rom.  HI.  \Q 


242  Die  Coiidottieren  gegen  Cesare  Borgia. 

beiden  Söhne  waren  nicht  so  gluckhch  wie  Guidubaldo  und 
endeten  unter  den  Händen  borgiascher  Schergen.  Urbino  und 
Camerino  wurden  dem  Herzog  von  Komagna  verUehen. 

Nun  erhob  sich  auf  allen  Seiten  der  Widerstand.    Hätte 
Italien  noch  ein  unabhängiges  Staatensystem  gehabt  wie  vor 
1494 ,  so  würde  es  in  sich  selbst  Mittel  gefunden  haben  solchem 
Treiben  Einhalt  zu  thun.     Aber  von  den  italienischen  Staaten 
hatte  nur  Venedig  politische   und  militärische  Bedeutung  und 
Venedig  sah  sich  zwischen  der  französischen  Macht  und  Kaiser 
Maximilian  eingeklemmt.     Ein  fremder  Herrscher  hielt  die  Ge- 
schicke  der  Halbinsel   in   seiner  Hand.    Als   Ludwig  XII.  im 
Sommer  1502  in  der  Lombardei  erschien,  sah  er  sich  von  Vor- 
stellungen, Klagen,  Warnungen  gegen  Cesare  Borgia  und  den 
Papst  belagert.     Der  König   war  schon  gegen  Beide  gereizt. 
Ihre  Sache  drohte  eine  ungünstige  Wendung  zu  nehmen,  als 
es  dem  Cardinal  von  Amboise  seinen  Herrn  umzustimmen  ge- 
lang.    Es    war  namentlich    der    alsbald    nach    der    Theilung 
Neapels  zwischen  Frankreich  und  Spanien  ausgebrochene  Hader 
und  darauf  folgende  Krieg,  was  Ludwig  vermogte,  Cesare  Borgia 
nicht  fallen  zu  lassen  und  ihn  nochmals  an  sein  Interesse  zu 
fesseln,  als  er  im  August  in  Mailand  ankam.    Den  venetiani- 
schen  Gesandten  welche  dem    französischen  Monarchen  vor- 
hielten, wie  wenig  es  dem  allerchristhchsten  Könige  zur  Ehre 
gereiche   einen   blutdürstigen   Mörder   und   Räuber   in   seinen 
Schutz  zu  nehmen,  erwiederte  dieser,  er  könne  den  Papst  nicht 
verhindern  über  die  Territorien  des  Kirchenstaats  nach  seinem 
Gutdünken   zu   verfügen.     Nun  beschlossen   die   Condottiereo 
Cesares,  da  sie  ganz  MittelitaUen  in  seine  Hand  gegeben  und 
sich  selber  zuerst  bedroht  sahen,  auf  eigne  Hand  einen  Ver- 
such zu  machen.    Der  Herzog  stand  im  Begriff  Bologna  anzu- 
greifen, als  er  den  Abfall  seiner  Hauptleute  und  zugleich  eine 
glückliche  Unternehmung  Guidubaidos  gegen  Urbino  vemahm 
An  der  grossen  Strasse  von  Umbrien  nach  Toscana,  auf  einer 
flachen  den  BUck  nach  dem  trasimenischen  See  gewährenden 
Erhöhung    liegt    der    kleine    Ort  La   Magione   mit  einem  im 
Viereck  gebauten  heute  eine  Comthurei  des  Johanniterordens 
bildenden  Castell.     Hier   war   es   wo  Paolo  und  der  Cardinal 
Orsini,  Vitellozzo  Vitelli,  Gian  Paolo  Baglioni,  Ohverotto  tod 
Fermo  mit  dem  Abgesandten  Pandolfo  Petruccis  Antonio  da 
Venafro  und  Hermes  Bentivoglio  dem  Sohne  des  Herrn  von 


Ueberlistung  der  Condottieren.  243 

Bologna  zuBammenkamen ,  zu  gemeinsamer  Vertbeidigung  gegen 
den  Borgia  und  zur  Unterstützung  des  Herzogs  von  Urbino 
ein  Bündniss  zu  scbliessen.  Siebenbundert  scbwere  Reiter  und 
neuntausend  Füsser  sollten  ins  Feld  gestellt,  Imola  wo  Cesare 
sieb  befand  von  den  Bentivogli  angegriffen  werden. 

Der  Herzog  von  Valentinois  erkannte  die  Gefabr,  welcbe 
durcb  die  Niederlage  eines  Tbeils  seiner  Truppen  am  Furlopass 
gemebrt  wurde.  Aber  er  verlor  die  Fassung  nicbt.  Seine 
Gegner,  statt  unmittelbar  wider  ibn  loszugebn,  verloren  die 
Zeit  mit  Unterbandlungen;  Venedig  und  Florenz  scbeuten  sieb 
Frankreicbs  wegen  ibnen  Hülfe  zu  leisten;  Charles  d*Amboise 
Herr  von  Cbaumont  fubrte  dem  Herzog  französische  Unter- 
stützung zu.  Dieser  setzte  nun  alles  ins  Werk,  das  Bündniss 
zu  sprengen  und  die  Verbündeten  zu  betbören.  Versprechun- 
gen, Erklärungen,  Anerbietungen,  Verdächtigungen  ivurden 
nicht  gespart;  der  Papst  half  mit:  er. sagte  Allen,  er  könne 
nicht  ruhig  herrschen  ohne  sich  auf  die  Orsini  zu  stützen. 
Die  Orsini  und  die  Bentivogli  waren  die  ersten  die  ins  Garn 
gingen.  Ibnen  folgte  PandoUb  Petrucci.  Nun  waren  die  Uebri- 
gen  mattgesetzt  und  mussten  sich  abfinden,  obgleich  Vitellozzo 
und  der  Baglione  es  nur  wider  Willen  und  voll  Argwohns 
thaten.  Die  Versöhnung  war  abgeschlossen;  die  Condottieren 
traten  wieder  in  Cesares  Sold,  der  Cardinal  Orsini,  sicher  ge- 
macht, kehrte  nach  Rom  zurück.  Camerino  welches  einen 
Verwandten  seines  erwürgten  Signore  gerufen  und  Cesares 
Leute  vertrieben  hatte,  sollte  zum  Gehorsam  zurückgeführt 
werden;  Guidubaldo  von  Urbino  entwich  aufs  neue,  nachdem 
er  die  kleinen  Vesten  seines  Staates  bartte  sprengen  lassen. 
Der  Herzog  von  Valentinois  kehrte  im  berzogUchen  Palast  von 
Urbino  ein  und  plünderte  ihn.  An  Silbergerätb,  Teppichen, 
Büchern  u.  a.  erbeutete  man  für  mehr  als  hundertfünfzigtau- 
sendDucaten:  D'Amboise  betbeiligte  sich  am  schnöden  Raube. 
Nach  Julius*  H.  Wahl  versprach  Cesare  das  Weggenommene 
herauszugeben  obgleich  es  zum  Theil  in  den  Besitz  des  Car- 
dinais von  Ronen  gelangt  sei;  Guidubaldo  legte  vor  allem 
Werth  auf  die  Bibliothek,  seines  Vaters  schöne  Schöpfung. 
Nur  Giovanna  Feltria  della  Rovere  hielt  noch  Senigallia  für 
ihren  kleinen  Sohn  Francesco  Maria.  Cesare  liess  sie  durcb 
Vitellozzo  und  die  Orsini  angreifen :  binnen  kurzem  waren  Stadt 

und  Castell  in  seiner  Gewalt. 

16* 


244  Tragödie  von  Senigallia. 

Als  so  die  Romagna  wieder  genommen  war,  die  Truppen 
der  Condottieren  bei  Senigallia  standen,  beschloss  der  Herzog 
von  Valentinois  seinen  Racheplan  gegen  Die  ins  Werk  zu 
setzen,  welche  ihn  so  eben  in  dringende  Gefahr  gebracht 
hatten.  Mit  der  unter  seinem  persönUchen  Befehl  gebliebenen 
Mannschaft,  deren  Stärke  jene  nicht  kannten,  zog  er  nach 
Cesena,  dann  nach  Fano.  Es  waren  gegen  fünftausend  Mann 
Infanterie,  darunter  über  tausend  Teutsche,  Gascogner,  Spanier, 
gegen  vierhundert  schwere  Reiter  (Hommes  d'armes),  dreihun- 
dert Chevaulegers ,  ungefähr  ebensoviele  Bogenschützen  und 
Lancie  spezzate  wie  man  die  kleinen  Edelleute  nannte,  welche 
zu  keiner  grössern  Condotta  gehörten  sondern  sich  dem  Feld- 
herm  zu  persönlichem  Dienste  verpflichteten,  ein  Verhältniss 
welches  Cesare  besonders  bevorzugte.  Am  30.  December  traf 
er  vor  Senigallia  ein,  wo  Vitellozzo,  Paolo  Orsini,  der  Herzog 
von  Gravina  und  Olirerotto  von  Fermo  ihn  erwarteten.  Er 
empfing  sie  freundlichst;  kaum  aber  war  er  mit  ihnen  in  die 
Stadt  eingezogen,  so  Hess  er  sie  greifen.  Zu  gleicher  Zeit 
überfielen  und  entwaffneten  seine  Truppen  Vitellozzos  und 
Oliverottos  Leute.  Diese  Beiden  wurden  am  nämlichen  Abende 
erdrosselt,  die  Orsini  im  Verwahrsam  gehalten.  Es  ist  die 
Tragödie  von  Senigallia,  welche  Niccolö  Machiavelli,  der  flo- 
rentinische  Abgesandte  bei  Cesare  Borgia,  mit  jener  Ruhe  und 
Kälte  geschildert  hat,  die  den  Vorfall  als  ein  Meisterstück 
politischen  Scharfsiims  analysirt. 

Am  Morgen  des  3.  Januar  1503  liess  Alexander  VI.  dem 
Cardinal  Orsini  die  Einnahme  der  Burg  von  Senigallia  durch 
seine  Verwandten  melden.  Der  Cardinal  ritt  nach  dem  Vatican 
seine  Glückwünsche  darzubringen;  in  des  Papstes  Gemach 
ward  er  verhaftet  und  nach  Tor  di  Nona  gebracht.  Gleiches 
Schicksal  traf  den  Protonotar  Orsini,  Giacomo  Säntacroce  und 
andere  Anhänger  der  Familie;  Paolos  Sohn  Fabio  entfloh. 
Man  schloss  dann  den  Cardinal  im  Castell  ein,  während  all 
seine  Habe  confiscirt,  Monterotondo  und  die  übrigen  orsini- 
sehen  Orte  besetzt  wurden.  Alle  Cardinäle  begaben  sich  zum 
Papste  sich  fiir  den  Gefangenen  zu  verwenden:  sie  wurden 
abgewiesen  mit  der  Bemerkung,  dass  dieser  an  der  Verschwö- 
rung der  Condottieren  gegen  den  Herzog  von  Romagna  theil- 
genommen  habe.  Giacomo  Säntacroce  wurde  gegen  eine  Caution 
von  zwanzigtausend  Goldgulden  aus  der  Haft  entlassen.    Cesare 


Noth  der  Oraini.  245 

Borgia  wandte  sich  unterdessen,  seine  Gefangenen  mit  sich 
führend,  nach  Umbrien.  üeberall  zog  der  Schrecken  seines 
Namens  vor  ihm  her.  GiuUo  VitelU  Vitellozzos  Bruder  entfloh 
aus  Citta  di  Castello,  Gian  Paolo  Baglioni  aus  Perugia.  Von 
dort  wandte  Cesare  sich  gegen  Siena:  auch  Pandolfo  Petrucci 
entwich.  In  Castel  della  Pieve  theilten  Paolo  Orsini  und  der 
Herzog  von  Gravina  das  Schicksal  Vitellozzos  und  Oliverottos. 
Das  sieneser  Land  wurde  entsetzlich  verwüstet;  die  Soldaten 
begingen  die  ärgsten  Greuel.  Nicht  besser  erging's  dem  Patri- 
monium, welches  Cesare  durchzog  um  in  der  Umgebung  Roms 
den  Ruin  der  Orsini  zu  vollenden.  Raub  und  Mishandlungen 
bezeichneten  seinen  Marsch.  Um  die  Mitte  Februar  sandte  der 
Papst  die  Bombarden  der  Engelsburg  zur  Belagerung  Braccianos, 
der  Burg  Gian  Giordano  Orsinis  welcher  im  französischen  Dienst 
im  Königreich  Neapel  stand. 

Der  gefangene  Cardinal  hatte  25,000  Goldgulden  für  seine 
Befreiung  angeboten,  der  Papst  aber,  so  lieb  ihm  das  Geld 
war,  sie  nicht  angenommen.  Er  hatte  dem  Gefangenen  sagen 
lassen,  er  solle  guten  Muthes  sein  und  for  seine  Gesundheit 
sorgen;  im  geheimen  Consistorium  aber  klagte  er  am  20.  Februar 
es  sei  der  Plan  der  Orsinen  gewesen,  Rom  anzugreifen:  die  Car- 
diaäle  mögten  sich  vorsehn.  Zwei  Tage  darauf  war  Giovan 
Batista  Orsini  todt.  Er  war  es  gewesen  der  bei  der  Papstwahl 
Rodrigo  Borgias  den  Ausschlag  gegeben  hatte,  nachdem  an* 
fanglich  Ascanio  Sforza  sein  Candidat  gewesen  war.  Man 
sprach  in  der  Stadt  überall  von  Gift.  Alexander  VI.  beauf- 
tragte einen  der  Ceremonienmeister  mit  der  Beisetzung  des 
Todten,  welcher  Erzpriester  von  Sta  Maria  maggiore  gewesen 
war.  »Ich  wollte  nichts  damit  zu  thun  haben,  schreibt  Jo- 
hannes Burcard,  wollte  auch  nichts  wissen  was  mich  nicht 
anging.« 

Es  war  vorauszusehn  dass  auch  die  letzten  der  Orsinen  bald 
erliegen  würden.  Geschah  es,  so  war  im  ganzen  Kirchenstaat 
die  Macht  der  Signoren  und  Barone  vernichtet.  Jetzt  aber 
schritt  Ludwig  XII.  zu  Gunsten  Gian  Giordanos  ein,  welcher 
Gelegenheit  gefunden  hatte  sich  in  das  belagerte  Bracciano  zu 
werfen.  Die  ungünstige  Wendung  welche  die  französischen 
Angelegenheiten  in  Neapel  nahmen,  weckte  beim  Könige  den 
Verdacht  dass  die  Uebermacht  der  Borgia  in  Mittelitalien  am 
Ende  gegen  ihn  selbst  gewandt  werden  könnte.     Cesare  fugte 


246  Andeutung  eines  politischen  Wechsels. 

sich  wider  Willen  dem  Befehl  die  Belagerung  Braccianos  auf- 
zuheben. Noch  nahm  er  den  Savelli  Palombara,  den  Orsini 
Vicovaro  und  nach  tapferer  Gegenwehr  Ceri,  sah  sich  aber 
durch  die  Venetianer  gehindert  den  kleinen  Staat  von  Pitigliano 
zu  verschlingen,  dessen  Herr  Niccolo  Orsini  Feldhauptmann 
der  Republik  war.  Seinen  niemals  aufgegebenen  Absichten  auf 
Toscana  trat  Frankreich  nochmals  in  den  Weg.  Die  Bemühun- 
gen des  Königs,  ein  Bundniss  z>Anschen  Bologna,  Florenz,  Lucca, 
Siena  zustande  zu  bringen,  waren  für  den  Papst  das  Merkmal 
eines  Wechsels  der  Dinge.  Wenn  Cesare  noch  aus  Rücksicht 
auf  Frankreich  sich  scheute,  die  von  dem  bedrängten  Pisa 
ihm  angebotene  Signorie  anzunehmen,  so  wendeten  er  und  der 
Papst  sich  doch  immer  mehr  dem  spanischen  Interesse  zu, 
namentlich  seit  der  zu  Ende  April  von  Gonsalvo  von  Cordovs 
erfochtene  Sieg  von  Cirignola  bei  Barletta  den  Franzosen  das 
ganze  Königreich  mit  Ausnahme  von  drei  festen  Plätzen  ent^ 
rissen  hatte.  Zu  einem  Entschluss  kam  man  jedoch  in  Rom 
keineswegs.  Wenn  ein  Wechsel  der  Politik  wegen  der  mehr- 
jährigen Beziehungen  zu  Frankreich  überhaupt  Bedenken  ein- 
flössen musste,  so  wurden  dieselben  dadurch  gesteigert,  dass 
ein  zahlreiches  französisches  Heer  zur  Wiedereroberung  Neapels 
heranzog  und  sich  schon  den  päpstlichen  Grenzen  näherte.  So 
war  Alles  in  Spannung  und  Ungewissheit.  Gerade  in  diese 
bewegte  Zeit  fallen  Alexanders  VI.  Bemühungen  zur  Ausfuh- 
rung eines  Projects  welches  einst  einem  Gegenpapste  in  den 
Sinn  gekommen  war.  Dies  Project  war  die  Errichtung  eines 
Königreichs,  welches  ümbrien,  Marken,  Romagna  umfassen 
sollte,  zu  Gunsten  seines  Sohnes.  Ob  die  zu  Ende  des  Früh- 
lings 1503  stattgefundene  Creation  von  neun  Cardinälen,  unter 
ihnen  fünf  Spanier,  mit  der  Absicht  zusammenhing,  für  einen 
so  ausschweifenden  Plan  die  Majorität  im  h.  CoUegium  zu  er- 
langen, mag  dahingestellt  bleiben.  Eine  höhere  Hand  griff  in 
dies  Treiben  ein  welches  alle  Grenzen  zu  überschreiten  drohte. 
Am  11.  August  erkrankte  Alexander  VI.  am  Wechselfieber 
welches  bald  einen  bösartigen  Karakter  annahm.  Als  alle 
Hoffnung  geschwunden  war,  beichtete  er  am  18.  dem  Bischöfe 
von  Culm  welcher  die  Messe  vor  ihm  las  und  ihm  das  Abend- 
mal reichte.  Fünf  Cardinäle  waren  zugegen,  die  von  Arborca, 
Cosenza,  Monreale,  Casanova  und  Constantinopel.  Um  die 
Vesperzeit    empfing    der   Papst   von    demselben   Bischöfe  die 


Tod  Alexanders  VI.  247 

letzte  Oeluug  und  rerscbied  in   seiner  Gegenwart  und  jener 
des  Datars  und  einiger  vertrauten  Diener.   Während  der  ganzen 
Krankheit,  fügt  Johannes  Burcard  hinzu,  kam  der  Herzog  nicht 
ein  einziges  mal,  noch  nannte  der  Papst  seinen  und  Lucrezias 
Namen.    Das  rasch  in  Fäulniss  übergebende  Blut,  schreibt  der 
ferraresiscbe  Gesandte   Beltrando   CostabiU,   Uess   die   Leiche 
geschwärzt  und  angeschwollen  erscheinen ,  so  dass  Leute  denen 
eine  solche  Wirkung  unbekannt  ist,  alsbald  die  Sage  von  Gift 
verbreiteten.    Diese  Sage  ist  denn  auch  mit  allem  Detail  aus- 
gemalt worden.     Cesare  Borgia,   so  heisst  es,  wollte  sich  des 
Vermögens  einiger  reichen  Cardinäle  bemächtigen  und  so  wur- 
den diese  zum  Abendessen  im  päpstlichen  Garten  beim  Belvedere 
eingeladen.    Unter  ihnen  befand  sich  Ädriano  von  Cometo,  der 
eben  erst  mit  dem  Purpur  bekleidete  gelehrte  und  gewandte 
Secretär  derBreven,  welcher  einen  Theil  der  Einkünfte  seiner 
englischen  Bisthümer  auf  den  Bau  des  schönen  Palastes  im 
Borge  verwandte,  der  ein  rühmhches  Zeugniss  seines  Kunst- 
geschmacks ablegt.     Vergifteter  Wein  war   den   bezeichneten 
Gästen  zugedacht;  der  Kellner  verwechselte  durch  Zufall  die 
Flaschen.    Der  Papst  und  sein  Sohn  tranken  das  Gift    Jener 
erlag,  diesen  rettete  seine  kräftige  Jugend.    Die  Geschichte  ist 
erfunden  wie  so  viele  andere:  Cesares  Krankheit  aber,  gleich- 
zeitig mit  der  des  Papstes,  ist  eine  Thatsache. 

So  endete  die  Regierung  Alexanders  VL  Sie  ist  für  das 
Papstthum  ein  schweres  Unglück  gewesen,  ein  um  so  schwe- 
reres weil  die  nächsten  Nachfolger,  so  hoch  sie  in  mehrfacher 
Beziehung  über  Rodrigo  Borgia  standen ,  dennoch  nicht  erkannt 
haben,  dass  das  Vorwalten  weltlicher  Tendenzen  eine  Krisis 
herbeiführen  musste,  die  den  kirchlichen  Interessen  im  Bewusst- 
sein  der  Menschheit  verderblich  zu  werden  drohte.  Alexan- 
der VL  hat  das  Papstthum  in  Miscredit  gebracht.  Es  ist  über 
ihn  und  seinen  Hof  von  Zeitgenossen  viel  gelogen,  von  Spä- 
teren viel  geschmäht  worden.  Darin  dass  man  den  Lügen 
Glauben  beimaass  und  ihn  des  Aergsten ,  auch  wenn  er  es  nicht 
begangen,  fähig  erachtete,  dass  man  selbst  die  schmutzig- 
ekelhaften Scandalhistörchen  aus  dem  Leben  in  seinem  Palaste 
für  wahr  hielt,  hegt  schon  die  Verurtheilung.  Seine  Behand- 
lung kirchlicher  Angelegenheiten  hat  zu  keinem  begründeten 
Tadel  Anlass  gegeben,  wie  denn  selbst  seine  erbittertsten 
Gegner   in   dieser  Beziehung   keine  weitergehenden  speciellen 


248.  Karakter  Alexanders  VI.  und  seiner  Regierung. 

Anklagen  gegen  ihn  formulirt  haben.  Denn  auch  Sayonarola, 
der  Alexander  VI.  heftiger  als  Irgendeiner  angriff,  hielt  sich, 
wenn  man  von  der  Beschuldigung  des  geistUchen  Aemterban- 
dels  absieht,  innerhalb  allgemeiner  wie  persönlicher  Dinge, 
indem  er  das  Concil  verlangte,  weil  Alexanders  ganzes  Leben 
Zeugniss  des  Unglaubens,  er  gar  kein  Christ,  schon  wegen 
simonistischer  Wahl  nicht  Papst,  die  Kirche  ohne  Haupt  sei; 
Anklagen  die  er  übrigens  nicht  etwa  in  Predigten  oder  tbeo- 
logischen  Schriften  sondern  in  Briefen  an  Carl  VIII.  und  an- 
dere Fürsten  aussprach.  Für  Reformen  hat  Alexander  VL 
nichts  gethan  noch  nach  seiner  ganzen  Individualität  zu  thun 
vermögt,  und  seine  weltliche  Regierung  hat  über  die  geist- 
liche einen  dunkeln  Schatten  geworfen.  Sein  Bestreben  dem 
Kirchenstaat  eine  andere  poUtische  Gestalt  zu  geben,  wäre 
an  sich  betrachtet  nicht  zu  tadeln  gewesen,  hätte  er  sich 
anderer  Mittel  bedient,  hätte  er  sich  doch  nicht  wieder  als 
letzten  Zweck  eine  Perpetuirung  des  alten  Uebels  in  neuer 
Form  vorgesetzt,  eine  aus  Scherben  mit  Blut  gekittete  Form 
geschaffen  die  bei  seinem  Tode  wieder  in  Scherben  ging.  Er- 
wägt man  andrerseits  Umstände  wie  Ereignisse  der  weltUchen 
Regierung  dieses  Papstes,  so  kann  man  sich  ohne  unbillig  zu 
sein  dem  Urtheil  nicht  verschUessen ,  dass  dieselbe  nicht  ohne 
lobenswerthe  Seiten  war.  Denn  in  einer  so  wildverworrenen 
Zeit,  in  welcher  das  itaUenische  Staatensystem  grössten  Wech- 
seln unterlag,  der  Kirchenstaat  und  Rom  selbst  wiederholt 
von  fremden  Heeren  überzogen  waren,  die  mächtigsten  Fami- 
lien an  den  Rand  des  Abgnmdes  gedrängt  grossentheils  völlig 
ihres  Besitzes  beraubt  wurden,  eine  neue  Ordnung  der  Dinge 
angestrebt  ward,  in  einer  solchen  Zeit  quälender  Besorgnisse, 
verletzter  Interessen ,  entfesselter  Leidenschaften  ist  es  in  Born 
selbst,  wo  Senatoren  ohne  Bedeutung,  meist  unbekannte  Na- 
men, einander  folgten,  ruhig  geblieben.  Nicht  eine  Spur  von 
Auflehnung  wider  einen  Papst  der  so  gewaltsam  schaltete,  so 
vieles  umstiess.  Beweis  genug  dass  seine  Regierung  nicht  auf 
dem  Volke  lastete  und,  gleich  jener  Cesare  Borgias  in  der 
Romagna,  für  ihre  principielle  Willkür  durch'  Unterdrückung 
jener  Anarchie  Ersatz  zu  leisten  suchte,  welche  Alexander  VI- 
vorgefunden  hatte. 

Das  grosse  Unglück  war  der  aller  Welt  offenbare  Hangel 
alles  sittlichen  Bewusstseins.     Alexander  VL  war  ein  Genuss- 


Rarakter  Alexanders  VI.  uiid  seiner  Regienmg.  249 

mensch  voll  unbezähmter  Sinnlichkeit,  von  Jugend  an  durchaus 
verweltlicht  und  nur  nach  Reichthum  und  Macht  strebend,  scharf- 
sinnig, gewandt,  erfinderisch,  grossartig,  glänzend  obgleich 
nicht  freigebig  mit  dem  übelerworbenen  Gelde,  ein  Herrscher 
wie  das  fünfzehnte  Jahrhundert  deren  so  manche  gebildet  hat. 
Sein  ganzes  Thun  und  Lassen  bewegte  sich  innerhalb  des  Ge- 
bietes der  Politik,  weil  er  von  der  Politik  die  Mittel  erhofl'te 
ein  Yon  allen  Beschränkungen  freies  Leben  zu  fuhren  und  die 
Seineu,  die  in  allen  seinen  Berechnungen  voranstanden,  gross- 
zomachen.  Die  Unbefangenheit  womit  er  sich  diesem  Leben 
und  Streben  hingab,  gleichsam  als  handle  er  vollkommen  nacli 
Recht  und  Pflicht,  und  seine  ganze  Haltung  im  öffentlichen 
wie  im  Privatleben  sind  bei  seinem  sonstigen  Scharfsinn  der 
deutlichste  Beweis ,  dass  höhere  moraUsche  Gesichtspunkte  wie 
die  Fähigkeit  der  Auffassung  der  aus  seiner  geistlichen  Würde 
entspringenden  Pflichten  gänzlich  ausserhalb  seines  Kreises 
lagen.  Im  Vergleich  damit  erscheint  es  fast  als  Kleinigkeit, 
dass  er  von  seinen  geistlichen  Functionen  geringste  Kennt- 
niss  hatt«. 

Es  hat  an  Protesten  nicht  gefehlt.  Die  römischen  Epi- 
gramme und  Pasquille  seiner  Zeit,  wie  deren  stillschweigende 
Anklagen,  dieUrtheile  der  unmittelbar  auf  ihn  folgenden  Epoche 
machen  umso  überwältigendem  Eindruck  wenn  man  in  Anschlag 
bringt,  wie  tief  die  Scala  der  ethischen  Grundsätze  und  An- 
forderungen inuner  noch  stand.  »Von  vielen  unredlichen  Dingen 
die  ich  zu  Rom  sah,  schrieb  ein  cölner  Patricier  Arnold  von 
Harff,  schweige  ich,  denn  es  wäre  darüber  v}el  zu  schreiben 
was  sich  nicht  passt  für  christliche  Leute.«  »Ganz  Rom,  be- 
richtet Francesco  Guicciardini  der  bei  Alexanders  Tode  ein- 
undzwanzigjährig die  Anschauungen  der  Mitlebenden  zu  ver- 
gegenwärtigen Anspruch  hat,  eilte  in  unbeschreiblicher  Freude 
nach  St.  Peter  den  Todten  zu  sehen,  den  Drachen  welcher 
mit  maasslosem  Ehrgeiz  und  verpestender  Treulosigkeit,  mit 
furchtbarer  Grausamkeit,  monströser  Lust  und  unerhörter  Hab- 
gier, mit  gleicher  Frechheit  im  Verhandeln  von  Weltlichem  und 
Geistlichem  die  ganze  Welt  vergiftet  hatte.  Und  dennoch  war 
dieser  Mann  von  der  Jugend  an  bis  zu  seinem  Ausgange  durch 
beständiges  und  beispielloses  Glück  erhöht  worden,  immer 
nach  grossen  Dingen  strebend  und  mehr  erlangend  als  er 
sich  vornahm.     Ein  gewaltiges  Beispiel  zur  Vernichtung  des 


252  Zahl  der  Mitglieder  des  h.  Collegiums. 

stets  vergeblichen  Bemühungen  letzterer  gerichtet  Das  Be- 
streben, Bedeutung  und  Selbständigkeit  der  Cardinalswürde 
zu  erhalten  und  wo  mögUch  zu  mehren,  äusserte  sich  zugleicli 
in  den  immer  wiederholten  Versuchen  die  Zahl  der  Inhaber 
derselben  zu  beschränken.  Das  lange  Schisma  würde  die  über- 
mässige Steigerung  dieser  Zahl  durch  sich  selbst  herbeigeführt 
haben,  wären  auch  nicht  so  massenhafte  Creirungen  erfolgt, 
wie  Päpste  und  Gegenpäpste,  vor  allen  Urban  VI.,  sie  zur 
Behauptung  ihrer  Stellung  vornahmen  —  ein  Uebelstand,  der 
den  nächsten  Anlass  zum  Concil  von  Pisa  gab.  Die  Kirchen- 
versammlung  zu  Constanz  hatte  die  Normalzahl  von  vierund- 
zwanzig  angenommen,  was  die  zu  Basel  bestätigte;  Mar- 
tin V.,  der  doch  den  Cardinälen  beider  Obedienzen  gerecht 
werden  musste  und  acht  vormalige  Anhänger  Benedicts  XIII., 
Spanier  und  Franzosen,  in  sein  CoUegium  aufnahm,  ist  auch 
mit  anerkennungswerther  Mässigung  verfahren,  so  dass  bei 
seinem  Tode  nur  zwanzig  Cardinäle  vorhanden  waren,  von 
denen  dreizehn  Eugen  IV.  wählten.  Dieser  glaubte  sich  wäh- 
rend der  Concilswirren  starkern  Anhang  sichern  zu  müssen 
und  hat  in  Florenz  mit  einemmale  siebzehn  Cardinäle,  im 
ganzen  vierundzwanzig  creirt,  aber  sonst  überwog  noch  längere 
Zeit  hindurch  die  beschränkende  Tendenz.  Nicolaus  V.  ernannte 
nur  sieben  Cardinäle ,  während  er  drei  von  FeUx  V.  creirte 
bestätigte,  Calixtus  III.  neun,  für  einen  kurzen  Pontificat  frei- 
Uch  genug,  Pius  11.  zwölf,  Paul  II.  vierzehn.  Vonnunan 
ging's  jedoch  anders.  Das  Verfahren  Sixtus'  IV.  gab  den  Aus- 
schlag. Unter  ihm  erfolgten  vierunddreissig  Creirungen,  unter 
InnocenzVin,  acht,  unter  Alexander  VI.  zweiund vierzig.  Noch 
bildete  das  h.  CoUegium,  «wenngleich  die  Italiener  in  Mehrzabl 
waren,  einen  aus  allen  Nationen  zusammengesetzten  Senat,  und 
die  Nothwendigkeit  der  nationalen  Vertretung  ist  namentlich 
durch  Pius  U.  betont  worden.  Dass  unter  nichtitalienischen 
Päpsten  wie  die  beiden  Borgia  manche  ihrer  Landsleute  an  die 
Reihe  kamen,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge.  Die  Cardinalstitel 
blieben  die  alten. 

Wie  zu  allen  Zeiten  haben  auch  im  fünfzehnten  Jahrhun- 
dert bedeutende  Männer  in  Menge  den  h.  Stuhl  umstanden. 
Nicht  wenige  derselben  sind  in  der  politischen  und  kirchlichen 
Geschichte  genannt  worden,  andere  werden  in  jener  der  wissen- 
schaftHchen  Bestrebungen  ihren  Platz  finden.   Die  verschiedenen 


Elemente  des  Cardinalatf;.  253 

Tendenzen  sprechen  sich  so  wie  in  den  Persönlichkeiten  der 
Päpste  in  denen  der  Cardinälfe  aus.  Der  Nachhall  der  grossen 
Concilienfragen  durchtont  die  ganze  Zeit  Martins  V.  und 
Eugens  rV.,  so  unvollständig  auch  die  Ziele  derselben  erreicht 
wurden.  Aber  schon  klangen  die  humanistischen  Tendenzen 
mächtig  durch  und  gaben  allen  Anschauungen,  das  kirchhche 
Gebiet  nicht  ausgeschlossen,  die  eigenthümliche  Signatur  die 
bis  zur  Wiederaufnahme  der  Reformbestrebungen  im  folgenden 
Jahrhundert  gewährt  hat.  Das  Ueberwiegen  des  politischen 
Elements,  wie  es  mit  Sixtus  IV.  begann  und  bald  bis  zu  ver- 
derblichem Excess  gesteigert  ward,  übte  dann  begreiflicher- 
weise auch  auf  Zusammensetzung  und  Haltung  des  Cardinal- 
coUegiums  Einfluss.  Das  Eindringen  päpsthcher  Angehörigen 
in  letzteres,  von  welchem  selbstverständlich  keine  Zeit  frei 
geblieben  ist,  beginnt  in  grösserm  Maasse  mit  Paul  IL  ,  um 
schon  unter  Sixtus  IV.  und  Alexander  VI.  bedenkliche  Ver- 
hältnisse anzunehmen.  Unter  dem  ersten  dieser  Päpste,  der 
überhaupt  auf  Aeusseres  so  hohen  Werth  legte,  beginnt  auch 
die  Steigerung  des  Glanzes  in  der  Erscheinung  und  im  Cere- 
moniel.  Zugleich  mehren  sich  im  h.  CoUegium  zwei  Elemente 
die  bisher  wenig  vertreten  waren,  beide  mit  der  Gefahr  ver- 
bunden das  Papstthum  zu  sehr  in  auswärtige  Beziehungen  hin- 
einzuziehn.  Diese  sind  die  Cardinalcreirungen  von  Ministern 
fremder  Souveräne  und  die  von  Mitgliedern  regierender  Fa- 
milien, deren  jüngere  Söhne  so  nach  Rom  gezogen  wurden, 
wo  sie  ziun  Glänze,  selten  zur  geistHchen  Haltung  des  Cardi- 
nalats  mächtig  beigetragen  und  oft  mehr  als  die  Päpste  selber 
in  städtischen  Dingen  den  Ton  angegeben  haben.  Die  immer 
mehr  sich  verbreitende  Sitte,  dass  Cardinäle  das  Protectorat 
fremder  Staaten  beim  h.  Stuhl  übernahmen  wie  sie  schon  Pro- 
tectoren  von  geistlichen  und  Ritterorden  waren,  musste  die 
Berührungen  mit  dem  Auslande  rasch  steigern.  Es  hegt  auf 
der  Hand  dass,  auch  abgesehn  von  den  unteren  Schichten 
der  Curie,  die  Zusammensetzung  derselben  aus  heterogenen 
Elementen  grosse  Verschiedenheit  in  der  Lebensweise  der  Ein- 
zelnen herbeifuhren  musste,  eine  Verschiedenheit  welche  Päpste 
selber  beklagen  aber  nicht  verhindern  konnten,  woran  übrigens 
sehr  wenige  von  ihnen  persönlich  Schuld  getragen  haben. 

Die  Verhältnisse  des  h.  Stuhls  brachten  es  währenddessen 
mit  sich,    dass   neben   den   gelehrten  Cardinälen,   neben   den 


254  Cardinäle  Martins  V.  imd  Eugens  IV. 

Theologen,  Canonisten  und  Humanisten,  neben  d«n  grossen 
Herren  aus  einbeimischen  und  fremden  Geschlechtern,  neben 
den  Nepoten,  von  denen  übrigens  manche  die  persönliche  Gunst 
die  sie  erhoben  durch  eminente  Eigenschaften  rechtfertigten  und 
überwogen,  rein  politische  Earaktere,  administrative  und  mili- 
tärische Talente  ihren  Weg  machten  weil  sie  erfordert  waren. 
Der  Reichthum  im  Cardinalcollegium,  in  der  avignoniscben 
Zeit  Anlass  so  vieler  Klagen,  steigerte  sich  durch  die  Vielzahl 
der  Beneficien,  durch  die  Vereinigung  von  Bisthümem  und 
Abteien  in  Einer  Hand  mittelst  des  verderbUchen  Commenden- 
Wesens  welchem  kein  Concil  abzuhelfen  vermögt  hatte.  Mit 
dem  Reichthum  steigerte  sich  das  weltliche  Leben  bei  Solchen, 
lur  welche  die  kirchliche  Stellung  alle  nur  keine  geistlichen 
Gesichtspunkte  bot. 

Papst  Martin  V.  hat  meist  ausgezeichneten  Männern  den 
rothen  Hut  gegeben.  Niccolo  Albergati,  Louis  Aleman,  Ar- 
duino  della  Porta,  Giuliano  Cesarini,  Domenico  Capranica  ge- 
hören zu  ihnen ;  für  Rom  sind  namentlich  die  beiden  Letzteren 
von  Bedeutung  gewesen,  während  auch  zwei  Fremde,  Carillo 
und  La  Rochetaille  sich  in  der  Baugeschichte  der  Stadt  einen 
Namen  machten.  Eine  Menge  bedeutender  Persönlichkeiten 
bietet  die  ruhelose  Zeit  Eugens  IV.  Neben  Feldherren  und 
Verwaltern  wie  Vit^lleschi  und  Scarampi ,  von  denen  der  crstere 
seine  übergrosse  Autorität  mit  dem  Tode  büsste,  letzterer  für 
sein  weltlich  freies  Leben  um  seiner  wichtigen  Dienste  willen 
Nachsicht  fand,  Theologen  wie  Juan  de  Torquemada,  Huma- 
nisten wie  Bessarion,  gewandte  und  staatskluge  Vertreter  der 
kirchlichen  Interessen  des  Papstthums  im  Auslande  wie  Tom- 
maso  Parentucelli  und  vor  Allen  Juan  de  Carvajal,  der  unter 
schwierigsten  Umständen  sein  Leben  in  Legationen,  in  Teutsch- 
land, Böhmen,  Ungarn,  im  Kampfe  gegen  überstürzende  Theo- 
rien, gegen  nationales,  oft  gerechtfertigtes  Mistrauen,  gegen 
die  hussitische  Irrlehre,  gegen  osmanischen  Andrang  zugebrachte 
seine  Körperkraft  verzehrt,  seine  Thatkraft,  seine  Festigkeit 
und  Kenntniss  der  Zustände  nie  verleugnet  hat.  Es  fehlte 
nicht  an  Solchen  die  neben  Scarampi,  zum  Theil  in  offnem 
AViderspruch  mit  ihm,  eine  grosse  Stellung  behaupteten,  wie 
Pietro  Barbo  nachmals  Paul  U.,  der  in  naheliegenden  politi- 
schen  Dingen    eine    glückliche    Hand    hatte,    Jean  Le  Jeune 


k 


Guillaume  d*£stouteville.  255 

Bischof  von   Amiens,   der  Portugiese  Martin  de  Chaves,   vor 
allen  Ändern  Guillaume  d'Estöuteville. 

Der  Name  dieses  Ausländers  ist  in  Rom,    wo  er  Bauten 
und  Kunstwerke  hinterliess,  unvergessen.     Sein  Geschlecht,  in 
Frankreich   in  Adrienne  d*£stouteville   der  Gemalin  Frangois* 
de  Bourbon  Grafen  von  Saint -Pol  in  der  zweiten  Hälfte  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  erloschen,  hat  sich  in  Neapel  fort- 
gepflanzt, wo  ihm  der  Titel  von  Herzogen  von  Calabritto  zu 
I^heil  ward.    Es  war  eine  alte  Familie  der  Normandie:  Robert 
Sire  d'Estouteville  et  de  Val-le-mont  war  unter  den  Begleitern 
Wilhelms  des  Eroberers  bei  seinem  englischen  Zuge.  Guillaiunes 
Mutter  w*ar  eine  Harcourt.   Im  ersten  Decennium  des  fünfzehn- 
ten Jahrhunderts  geboren   trat    er   in   den  Benedictinerorden, 
studine  auf  der  pariser  Universität,  wurde  Prior  von  St.  Martin- 
des-champs,  kam  schon  als  junger  Mann  nach  Rom,  wo  sich 
ihm  die  glänzendste  Laufbahn  eröffnete.     Im  Jahre  1439  gab 
ihm  Eugen  IV.  den  Cardinalspurpur   während  seines  Aufent- 
halts in  Florenz,  wo  die  Inschrift  der  im  Jahre  1452  von  ihm 
geweihten,  von  den  Medici  erbauten  Kapelle  der  Annunziata 
an  ihn   erinnert    Er   wurde   Bischof  von   Maurienne,   Digne, 
Beziers,  Erzbischof  von  Ronen  mit  welchem  Titel  er  in  Rom 
gewöhnlich  benannt  wurde;   mehre  Abteien,    darunter  Saint* 
Ouen  in  Ronen  und  Mont- St. -Michel  an  der  Küste  der  Nor- 
mandie,  Priorate,   Beneficien  aller  Art  fielen  ihm  zu;   in  der 
römischen  Hierarchie   gelangte  .er   endlich   zum  Bisthum  von 
Ostia.     Nicolaus  V.    sandte   ihn   im  Jahre   1451    als  Legat  zu 
Carl  VII.    Seine  kirchhche  Aufgabe,  die  Abschaffung  der  prag- 
matischen Sanction,  erreichte  er  ebensowenig  wie  die  politische, 
die  Versöhnung  mit  England;  aber  er  förderte  ein  gutes  Ein- 
vernehmen zwischen  dem  h.  Stuhl  und  Frankreich,  betheiligte 
sich  an  den  Reformen  der  Universität,  ehrte  seinen  Namen  in- 
dem er  die  RehabiUtirung  des  Andenkens  des  Mädchens  von 
Orleans  einleitete.    Vom  Anfang  von  Calixtus'  III.  Regierung 
an  hat  er  fast  immer  in  Rom  verweilt  in   glänzendsten  Ver- 
hältnissen, Protector  der  französischen  Krone,  seit  1477  Ca- 
merlengo  der  Kirche,  Decan  des  h.  CoUegiums.  Sein  Einkommen 
war  fürstlich  und  er  lebte  in  grossem  Stil,  ein  vielseitig  ge- 
bildeter Mann,  der  sich  für  Wissenschaften  und  Künste  inter- 
essirte.  Bei  Sant'  ApoUinare  errichtete  er  sich  einen  eines  Königs 


256  Guillaume  d'Estouteville.    Cardinftle  Nicolaus'  V. 

würdigen  Palast;  die  Fa^ade  von  Sant'  Agostino  nennt  ihn  als 
ihren  Erbauer;  Sta  Maria  maggiore  und  die  Biscbofswohnung 
zu  Ostia  zeugten  von  seiner  Freigebigkeit  die  in  gleichem  Maasse 
seinen  französischen  Kirchen  imd  Abteien  zugutekam.  Sein 
Lebenswandel  war  keineswegs  der  eines  Priesters,  wenn  die 
wider  ihn  erhobenen  Beschuldigungen  Glauben  verdienen.  Von 
einer  Römerin  aus  angesehener  Familie  Girolama  de'  Tosti  soll 
er  mehre  Kinder  gehabt  haben  welche  für  Sprösslinge  seines 
Bruders  Robert  d'Estouteville  galten;  eine  Annahme  welche 
begründete  Zweifel  weckt.  Diese  römiscben  d'Estouteville  oder 
Tuttavilla  gelangten  durcb  Schenkung  des  Vaters  oder  Ohms 
in  den  Besitz  vonNemi,  Genzano,  Citta  Lavigna,  Frascati,  ein 
Besitz  den  sie  nachmals  nicht  zu  behaupten  vermogten.  Mar- 
gberita  eine  der  Töcbter  heiratete  am  30.  December  1481  Mario 
den  Sobn  Francescos  de'  Massimi,  ihre  Scbwester  Caterina 
Sabba  den  Sohn  Lodovico  Matteis.  Der  Cardinal  ernannte  die 
beiden  Schwäher  seiner  Nichten  zu  seinen  Testamentsvoll- 
ziehern in  Gemeinschaft  mit  den  Cardinälen  Rodrigo  Borgia 
und  Arcimboldi.  Dies  Verhältniss  d'Estoutevilles  zu  den 
Massimi  lässt  eine  Nachricht  die  wir  bei  einem  gleichzeitigen 
Chronisten  finden,  doppelt  aufi'allend  erscheinen.  »Am  23.  Ja- 
nuar, so  erzählt  der  Notar  von  Nantiporto,  starb  der  Cardinal 
von  Ronen,  Camerlengo  unseres  Herrn  des  Papstes.  Vor  seinem 
Tode  beraubte  ihn  Messer  Bernardo  de'  Massimi,  der  durch 
die  Kirche  Sant'  ApoUinare  in  den  Palast  drang,  für  etwa 
30,000  Ducaten  Silbergerath  wegnahm  und  nach  Venedig 
schaffte.  Am  24.  wurde  der  arme  Cardinal  wie  im  Leben  so 
im  Tode  bestohlen.  Als  man  die  Leiche  nach  Sant'  Agostino 
trug,  gerietben  die  Kleriker  von  Sta  Maria  maggiore  mit  denen 
letzterer  Kirche  in  Streit,  indem  jene  sich  den  Goldbrocat  an- 
eignen wollten  in  welchen  der  Körper  von  Kopf  zu  Füssen  ge- 
kleidet war.  Es  entstand  der  ärgste  Lärm.  Erst  zerbläuten 
sie  einander  mit  den  Fackeln,  dann  wurden  viele  Schwerter 
gezogen,  endlicb  hob  man  den  Todten  auf  und  trug  ihn  in  die 
Sacristei.  Hier  raubte  man  ibm  die  Ringe  von  den  Fingern, 
ja,  so  heisst  es,  sogar  die  Liful  vom  Haupte.«  So  endete 
Guillaume  d'Estouteville. 

Unter  den  Cardinälen  Nicolaus'  V.  zeicbneten  sich  der  Spa- 
nier Antonio  de  la  Cerda  durcb  theologiscbe  Grelehrsamkeit, 
Nicolaus  von  Cusa,    der  freiUch  in  Rom  immer  ein  Fremder 


Latino  Orsini.    Cardinftle  Calixtus'  III.  257 

blieb,  durch  allumfassendes  Wissen  und   grosse  der   Kirche 
geleistete    Dienste,    Latino    Orsini    durch    den    Einfluss    aus, 
welchen  Abstammung,   Beichthum,    vielseitige  Th&tigksit  ihm 
verschafften.     Latino   Orsini   war    ein   Sohn   Carlos    welchem 
Martin  V.  Bracciano   zum  Lehn   gegeben  hatte,  Bruder  Napo- 
leons welcher  daselbst  das  mächtige  Castell  baute.     Er  war 
kein  Ascet  wie  Nicolaus*  ÜI.  Neffe   der  seinen  Namen   trug: 
sein  Sohn  Paolo,  derselbe  welchen  Cesare  Boi^a  mit  seinem 
Vetter  von   Gravina  in   Castel   della   Pieve    umbringen   Uess, 
erbte  Mentana  imd  andern  ansehnlichen  Besitz  in  der  Sabina. 
Seine  Jugend  war  unruhig  genug  gewesen.    Doch  wandte  er 
kirchUchen  und  gelehrten  Dingen  seinen  Sinn  zu  und  gründete 
im  Jahre  1449,  nicht  lange  nach  seiner  Cardinalcreirung ,  Kirche 
und  Kloster  S.  Salvatore  in  lauro  fiir  die  venetianische  Con- 
gregation  von  S.  Giorgio  in  Alga,  wo  man  ihm  im  siebzehnten 
Jahrhundert   ein  Denkmal   setzte  und   wohin   er   eine  schöne 
Bibliothek  vermachte,  die  bei  der  bourbonischen  Plünderung 
zugrundeging.     Erzbischof  von  Consa,  dann  von  Trani,   von 
Bari,  von  Tarent,  Abt  von  Farfa  womit  er  mehre  andere  Com- 
inenden  vereinigte,  mehrfach  zu  Legationen  gebraucht  wie  denn 
er  es  war  der  König  Ferrante  krönte ,  Cardinalbischof  von  Al- 
bano,  dann  von  Sabina  und  Frascati,  tmter  Sixtus  IV.  Camer- 
lengo, war  er  einer  der  reichsten  und  splendidesten  Cardinäle. 
Zweimal,  bei  der  Besitznahme  CaUxtus'  III.  und  jener  Sixtus'  IV., 
verhinderte  er  diffch  sein  Dazwischentreten  ärgste  Unordnung, 
^ein  Palast  von  Monte  Giordano  gUch  dem  eines  Souveräns; 
als  er  im  August  1477  auf  dem  Todesbette  lag,  besuchte  ihn 
Papst  Sixtus  und  hielt  in   seinen  Zimmern  ein  Consistorium. 
Sein  Einfluss  war  so  gross  dass  er  nach  dem  im  Jahre  1463 
«erfolgten  Tode  des  Nepoten  Martins  V.,  Prosper  Colonna,  die 
Aufiiahme  eines  Colonna  oder  SavelU  in  das  h.  CoUegium  zu 
verhindem  vermogte. 

Calixtus  III.  hat  Rodrigo  Borgia  zum  Cardinal  gemacht, 
aber  auch  Enea  Silvio  Piccolomini ,  Jakob  von  Portugal,  Richard 
Olivier  de  Longueil.  Der  portugiesische  CardinaUnfant  starb 
jung  auf  einer  Legationsreise  zu  Florenz;  die  Inschrift  seines 
Denkmals  in  S.  Miniato  al  monte,  eines  der  schönsten  Werke 
Antonio  Rossellinos,  erwähnt  seiner  trefflichen  Eigenschaften, 
»insignis  forma,  summa  pudicitia,  morum  nitor,  optima  vita«. 
Longueil  gehörte   wie  d'Estouteville  einer  vornehmen  FamiUe 

▼.  RcumoDt,  Kom.   UI.  17 


258  Olivier  de  Longiieil.    Cardinäle  Piiis'  II. 

der  Nonnandie  an  und  betheiligte  sich  gleich  ihm  an  der  Ehren« 
rettong  Jeannes  d'Arc.  Carl  VU.  schenkte  ihm  das  grosste 
Vertrauen ,  beförderte  ihn  zum  Bisthum  Coutanoea ,  stellte  ihn 
an  die  Spitze  seines  Geheimenrathes,  brauchte  ihn  zu  Am- 
bassaden,  erwirkte  ihm  den  rothen  Hut.  Seine  Opposition 
gegen  den  Gallicanismus  und  eine  erfolglose  Sendung  nach 
Rom  in  Angelegenheiten  der  neapolitanischen  Thronfolge  der 
Anjous  würde  seine  Stellung  in  seiner  Heimat  erschwert  haben« 
hätte  selbst  Ludwigs  XL  Thronbesteigung  ihn  nicht  veranlaast 
in  Rom  zu  bleiben,  wo  er  zur  Würde  eines  Cardinalbischofä 
von  Porto  aufstieg  und  die  umbrische  Legation  erhielt, 
während  deren  er  sechzigjährig  im  Sommer  1470  zu  Perugia 
starb.  »Wollte  Gott,  schreibt  Jacopo  Ammanati,  wir  hatten 
mehre  Cardinäle  von  Coutances  —  der  Kirche  würde  es  dann 
nicht  an  guten  Berathem  fehlen.  Ein  ehrwürdiger  Mann,  der 
Wissen  mit  Klugheit  und  Güte  vereint  und  im  Aussprechen 
seiner  Meinung  immer  streng  aufrichtig  ist.« 

Plus  IL  hat  manche  würdige  und  tüchtige  Männer  zum 
Cardinalat  erhoben.  Indem  er  aber  vorzugsweise  auf  admini- 
strative Talente  oder  auf  gelehrte  Bildung  sah,  hat  er  kaum 
Einen  in  das  h.  CoUegium  eingeführt,  der  eine  äusserlich  gross- 
artige StelluDg  eingenommen  hätte ,  während  kein  Römer  von 
vornehmer  Familie  durch  ihn  befördert  wurde.  Angelo  Ca- 
pranica  Domenicos  Bruder,  Bernardo  Eroli  von  Nami,  der 
Augustinergeneiml  Alessandro  Oliva,  Bartolommeo  Roverella 
brachten  ihr  Leben  in  kirchlichen  Aemtern  und  Legationen  zu; 
Jacopo  Ammanati  vereinte  damit  grosse  literarische  Thätigkeit; 
Niccolo  Forteguerri  von  Pistoja  zeichnete  sich  durch  diploma- 
tisches Geschick  aus  wie  durch  militärisches  Talent.  Francesco 
Todeschini  Piccolomini  war  ein  Nepote  der  sich  bei  keinem 
unbeliebt  machte.  Der  jung  verstorbene  vornehme  Franzose 
Louis  d' Albret  war  von  strengem  sittlichen  WandeL  Das  welt- 
lich fürstliche  Element  repräsentirte  nur  Einer,  Francesco  daGon- 
zaga,  der  Sohn  des  Markgrafen  Lodovico  von  Mantua  und  Bar- 
baras von  Brandenburg.  Vom  Türkencongresse  her  stand  Pius  II. 
in  engen  Beziehungen  zur  Familie  Gonzaga,  von  früher  schon  zu 
den  Hohenzollem.  Lodovico,  der  Mantua  und  andere  Orte  seines 
Staates  mit  schönen  Bauwerken  schmückte  und  in  Florenz  das  | 
Choroktogon  der  Annunziata  nach  Leon  Batista  Albertis  Zeich-  I 
nung  auffuhren  liess,   begegnete  sich  mit  dem  Papste  in  der 


(Kardinäle  Pauls  II.    Olivieri  Carafa.  259 

Theilnalune  ao  wi89en8cbaftlichen  und  künstlerischen  Bestre- 
bungen wie  er  überhaupt  zu  den  gebildetsten  Herren  seiner  an 
eleganter  Bildung  reichen  Zeit  gehörte.  Der  zwanzigjSlirige 
Francesco  studirte  in  Pavia  als  ihm  der  Purpur  verUehen  wurde. 
Kirchliche  Tendenzen  lagen  ihm  ferne  und  die  Bolognesen, 
denen  man  ihn  zum  Bischof  wie  zum  Legaten  gab,  klagten 
dass  er  die  Einkünfte  des  Bisthums  verschwenderisch  verthue, 
aber  sie  gehorchten  ihm  der  die  Verwaltung  mit  kraftiger  Hand 
führte.  Spiel,  Jagd,  Reiten,  Fechten  passten  mehr  zum  Edel- 
mann als  zum  Kirchenfursten,  wie  denn  sein  Hausstand  sehr 
weltliches  Gepräge  trug;  die  Literatur  liebte  er  wie  sein  Vater, 
und  durch  seine  Verwendung  erlangte  Piatina  unter  Paul  II. 
Befreiung  aus  dem  Kerker.  Angelo  Politianos  Orpheus  wurde 
bei  Gelegenheit  eines  Besuches  des  Cardinais  in  Mantua  ge- 
dichtet und  aufgeführt.  Erst  vierundvierzig  Jahre  alt  starb  Fran- 
cesco Gonzaga  im  Herbste  1483  im  Bade  La  Porretta  im  Apennin, 
der  das  Bologneserland  von  der  pistojeser  Ebne  scheidet. 

Drei  Nepoten  wurden  durch  Paul  H.  zum  Cardinalat  be- 
fördert. Der  erste  derselben,  Marco  Barbo,  trat,  was  Baulust 
und  Glanz  betrifft,  in  die  Fussstapfen  des  Oheims.  Batista 
Zeno  gehörte  mehr  seinem  Bisthum  Padua  als  Rom  an:  für 
(xiovanni  Michiel  wäre  es  ein  Glück  gewesen  hätte  auch  er  in 
Alexanders  VL  Zeit  sich  Rom  fernegehalten,  statt  in  die  borgia- 
schen  Händel  verwickelt  zu  werden  die  ihn  in  die  Engelsburg 
und  zum  Tode  durch  Gift  fahrten.  Die  beiden  bekanntesten 
Cardinäle  dieses  Papstes  sind  Olivieri  Carafa  und  Jean  de  La 
Balue.  Der  erstere,  ein  Neffe  Diomeds  des  ersten  Grafen  von 
Maddaloni  aus  seiner  grossen  Familie,  war  im  Jahre  1430  ge- 
boren. Mit  achtundzwanzig  Jahren  ward  er,  dessen  Haus 
unter  den  aragonesischen  Königen  die  ihm  viel  verdankten  viel 
vermogte ,  durch  Pius  H.  auf  den  Erzbischofstuhl  von  Neapel 
erhoben,  neun  Jahre  darauf  von  dessen  Nachfolger  mit  dem 
Purpur  bekleidet.  Er  war  Jurist,  Theolog,  Alterthumskenner, 
Staatsmann;  im  Kriegswesen  selbst  versuchte  er  sich  als  Ad- 
miral  gegen  die  Türken.  In  Rom  vertrat  er  wiederholt  inmitten 
der  Schwierigkeiten  der  wechselvollen  Pohtik  der  drei  letzten 
Päpste  des  Jahrhunderts  die  Interessen  seines  Königshauses. 
Nach  der  Unsitte  der  Zeit  cumulirte  er  mit  seinem  Erzbisthum 
Neapel,  das  er  nur  zeitweilig  besuchen  konnte,  verschiedene 
Bischofsitze,    Chieti   das    er   seinem   Vetter   dem   nachmaligen 

17* 


260  Jean  de  La  Baliie. 

Papste  Paul  IV.  abtrat,  Bimini,  Terracina,  die  berühmten  Be- 
nedictinerabteien  La  Cava  und  Montevergine  von  welcher  letz> 
tem  aus  sein  Bruder  und  Nachfolger  in  der  erzbischöflichen 
Würde,  Alessandi'o  Carafa,  die  Gebeine  des  h.  Januarius  nach 
Neapels  Cathedrale  übertrug.  In  der  Heimat  geehrt  und  ein- 
flussreich,  war  er  in  Rom  populär  wie  Wenige.  Diese  Ghinst 
verdiente  er  durch  den  Gebrauch  den  er  von  seinem  reichen 
Einkommen  machte  wie  durch  seine  Leutseligkeit  Wissen- 
schaft und  Gelehrte  unterstützte  er  reichlich;  viele  Jünglinge 
sind  durch  ihn  der  Kirche  und  ernsten  Studien  gewonnen  wor- 
den. Den  lateranischen  Domherren  baute  er  das  Kloster  neben 
Sta  Maria  della  pace,  wohin  er  auch  seine  schöne  Bücher- 
Sammlung  vermachte,  den  Dominicanern  von  Sta  Maria  sopn 
Minerva  die  Kapelle  des  h.  Thomas  von  Aquin.  Seinen  Namen 
trägt  das  Postament  der  sogenaimten  Pasquinsstatue ,  die  er 
neben  seiner  Wohnung,  dem  Palast  Francesco  Orsinis  an  Piazza 
Navona  aufstellen  liess  —  »Oliverii  Carafa  beneficio  hie  sum 
anno  salutis  MDL«  Eine  andere  Wohnung  hatte  er  auf  dem 
Quirinal.  Einundachtzig]  ährig  starb  er  hier  als  Decan  des  h. 
CoUegiums  im  Jahre  1511,  und  ruht  in  seiner  neapoUtanischen 
Cathedrale  vor  der  von  ihm  neugebauten  prächtigen  Confession, 
wo  man  seine  knieende  Marmorgestalt  und  sein  Wappen  mit 
der  Wage  sieht,  unter  dem  man  die  carafasche  Devise  liest: 
»Hoc  fac  et  vives.« 

Ein  anderer  Mann  nach  Herkunft  und  Karakter  war  Jean 
de  La  Balue,  eines  Müllers  oder  Schusters  Sohn  aus  Verdun. 
durch  Talent  und  unermüdete  Ränke  emporgekommen ,  Bischof 
von  Evreux  dann  von  Angers,  Ludwigs  XI.  Almosenier  und 
vertrauter  Rath.  Sein  Leben  gehört  Frankreich  mehr  an  als 
Rom,  wo  Paul  U.  durch  des  Königs  Drängen  bewogen  ihm 
während  der  Verhandlungen  zur  Abscliaffung  der  pragmatischen 
Sanction  im  Jahre  1467  den  Purpur  gab  und  wohin  er  sich  im 
Jahre  1480  zurückzog,  aus  dem  Eisenkäfig  im  Schlosse  zu 
Loches  entlassen ,  in  welchem  sein  von  ihm  während  der  langen 
Differenzen  mit  Carl  dem  Kühnen  schmachvoll  betrogener  und 
verrathener  Wohlthäter  ihn  eilf  Jahre  lang  eingesperrt  gehal- 
ten hatte.  Es  ist  unbegreiflich  dass  Sixtus  IV.  diesen  übel- 
berufenen Mann  als  Legat  nach  Carls  VUI.  Regierungsantritt 
nach  Frankreich  senden  konnte  und  dieser  die  Kühnheit  hatte 
in  Paris  aufzutreten,  von  wo  er  sich  jedoch  nach  des  Papstes 


Cardinftle  Sixtiis'  IV.    Die  Riari  und  Della  Rovere.  261 

Tode  eilig   entfernte,   unter  Innocenz  VIII.    zum  Rang   eines 
Cardinalbischofs  von  Älbano  dann  von  Palestrina  erhoben  und 
mit  seinem  durch  Habsucht  und  Simonie  erworbenen  Beich- 
thum  der  öffentUchen  Meinung  trotzend,  bis  er  im  Jahre  1491 
zu  Eipatransone  in  der  Mark  sein  unseUges  Leben  beschloss. 
Dem  Könige  den  er  verrieth,  hatte  er  einst  während  der  ge- 
fahrvollen inneren  Unruhen   die  man  nach  der  Vereinbarung 
des  Bien  public  benannte,  wichtige  Dienste  geleistet;  in  seiner 
Bischofstracht  hatte  er  die  Bürgergarden  geführt    Sire,  hatte 
damals  der  Grossmeister  von  Frankreich  Antoine  de  Chabanes 
ztt  Ludwig  XI.  gesagt,  gestattet  mir  dass  ich  in  Evreux  Priester 
weihen  gehe,  da  der  Bischof  von  Evreux  das  Kriegsvolk  ein- 
zuüben unternommen  hat 


8. 

DAS   CARDINALCOLLEaiUM.      n.   VON  SIXTUS  IV.   ZU   ALEXANDER  VI. 

Der  Nepotismus  im  Grossen,  politisch  wie  kircUich,  be- 
gann mit  Sixtus  IV.  PäpstUche  Verwandte  gründeten  im 
Kirchenstaat  FCirstenthümer,  während  sie  in  bisher  ungewohnter 
Zahl  in  das  CardinalcoUegium  eindrangen.  Nicht  weniger  als 
sechs  derselben  —  denn  auch  die  beiden  Della  Kovere  von 
Vinovo,  obgleich  inderthat  nur  Namensvettern  derer  von  Sa- 
vona,  sind  hier  zu  nennen  —  erhielten  den  rothen  Hut  Von 
Pietro  Riario,  GiuUano  della  Rovere,  Raffaello  Sansoni  Riario 
int  wiederholt  die  Rede  gewesen,  wird  melirfach  die  Rede  sein, 
wo  die  künstlerischen  Tendenzen  der  Zeit  betrachtet  werden. 
Das  geistUche  Element  wurde  durch  sie  nicht  repräsentirt, 
selbst  nicht  durch  GiuUano,  den  ernstesten  und  bedeutendsten 
unter  ihnen.  Sie  waren  grosse  Herren  mit  überwiegend  welt- 
lichen Interessen,  so  radical  auch  die  Verschiedenheit  ilirer 
Karaktere  sein  mogte.  Der  vierte  der  päpsthchen  Schwester- 
söhne Girolamo  Basso  della  Rovere,  Bischof  von  Loreto  und 
Recanati,  war  ein  untadelhafter  Prälat  der  die  Gunst  seines 
Oheims  ebensowenig  wie  die  seines  Vetters  JuUus  H.  mis- 
brauchte.  Von  den  beiden  anderen  starb  Cristoforo  della  Ro- 
vere alsbald  nach  seiner  Beförderuug,  während  dessen  Bruder 


262  Römische  Bai'ouc  als  Cardiiiäle.    Ascanio  Sforza. 

Domenico  in  Rom  eine  einflussreiche  Stellung  hatte  und  vor- 
zugsweise geistlichen  Interessen  gewidmet  sein  ansehniiches 
Einkommen  namentlich  für  kirchliche  Bauten  verwendete,  unter 
denen  ausserhalb  Roms  die  turiner  Cathedrale  wie  die  seines 
Bischofsitzes  Montefiascone  hervorragen. 

Manche  Ausländer  wurden  durch  Sixtus  IV.  in  das  h. 
Collegium  und  nach  Rom  gezogen.  Zu  ihnen  gehörten 
Philippe  de  Levis  Erzbischof  von  Arles  und  Philibert  Hu- 
gonet Bischof  von  Macon,  Bruder  jenes  Guillaume  Hu- 
gonet welcher  nach  'dem  Ende  Carls  des  Kühnen  von  den 
über  die  Bedrückungen  seiner  Verwaltung  empörten  Bürgern 
von  Gent  mit  dem  Tode  bestraft  wurde.  Ein  tragisches  £r- 
eigniss  welches  PhiUbert,  der  den  Herzog  mehrmals  bei  den 
Päpsten  wie  in  Neapel  vertreten  hatte,  Rom  zum  Aufenthalt  zu 
wählen  veranlasste,  wo  er  so  arm  starb  dass  die  apostolische 
Kammer  die  Kosten  der  Beerdigung  tragen  musste.  Der  Por- 
tugiese Giorgio  da  Costa  Erzbischof  von  Lissabon ,  welcher  im 
Jahre  1503  hundertjährig  starb,  galt  för  den  reichsten  Kirchen- 
fürsten  seiner  Zeit.  Unter  den  Spaniern  ragte  der  Erzbischof 
von  Toledo  Pedro  Gonzalez  de  Mendoza  hervor,  welcher  seine 
Titelkirche  Sta  Croce  in  Gerusalemme  erneuerte  aber  meist  in 
seiner  Heimat  lebte,  wo  er  sich  auch  an  den  letzten  Mauren- 
kriegen betheiligte.  Unter  den  Italienern  zeichnete  sich  Stefano 
Nardini  von  ForU,  in  seiner  Jugend  Kriegsmann  dann  im  Ver- 
waltungswesen und  in  Nuntiaturen  vielgebraucht,  durch  Bau- 
lust und  Stiftungen  aus.  Die  grossen  römischen  FamiUen  waren 
gegen  das  Ende  von  Sixtus'  Regierung  durch  mehre  Cardinäle 
vertreten,  welche  namentUch  unter  Alexander  VI.  von  den 
Stürmen  betroffen  wurden  die  auf  die  Aristokratie  eindrangen 
und  sie  zu  entwurzeln  drohten.  Giovan  Batista  Savelli,  Gio- 
vanni Colonna  Sohn  Antonios  Fürsten  von  Salemo,  der  vierte 
(^ardinal  seines  Namens,  Giovanni  Conti  von  Valmontone,  Gio- 
van Batista  Orsini  —  die  Geschichte  der  Borgia  liat  ihrer  ge- 
dacht, wie  sie,  verfolgt  und  gehetzt,  der  Eine  des  Purpurs 
beraubt  in  der  Fremde  umherirrend,  der  Andere  im  Kerker 
vergiftet,  die  entsetzliche  Zeit  auch  im  hohen  geistlichen  Stande 
repräsentiren. 

Der  vornehmste  Repräsentant  des  weltlichen  Geistes  und 
Glanzes  war  aber  Ascanio  Maria  Sforza.  Sein  Leben  ist  über- 
aus  stürmisch  gewesen;    die  Wechselfalle   welche  die  g»Dze 


Ascanio  Sforza.  '  263 

Dynastie  der  Sforza  hinundhergoworfen  und  ihren  Stifter  allein 
erhoben  haben  um  ihn  allein  nicht  wieder  jah  zu  stürzen ,  folgten 
auch  bei  ihm  Schlag  auf  Schlag.  In  die  Uneinigkeit  der  Fa- 
milie hineingezogen,  welche  bald  nach  dem  Tode  seines  ältesten 
Bruders  Galeazzo  Maria  ausbrach  und  namenüich  in  dem  Ehr- 
geiz des  andern  Bruders  Lodovico  il  Moro  Nahrung  fand, 
stand  Ascanio  Maria  Letzterm  bald  freimdhch  bald  feindUch 
gegenüber,  bis  er  bei  dem  Herannahen  der  grossen  Entschei- 
dune:  der  itaUschen  Geschicke  sich  ihm  fest  anschloss  und 
Glück  wie  Unglück  mit  ihm  theilte.  In  Rom  der  vornehmste 
Verfechter  seiner  PoUtik  und  seiner  Interessen  sah  er  sich 
auch  in  seinen  endlichen  Sturz  verwickelt,  ein  Gefangener .  im 
Schlosse  von  Bourges  aus  dem  er  entlassen  ward  um  am  Con- 
chtve  nach  Alexanders  VI.  Tode  Theil  zu  nehmen ,  von  JuUus  II. 
seinem  alten  Gegner  gegen  die  französischen  Forderungen  ge- 
schützt welche  seine  Rückkehr  in  die  Kerkerhaft  verlangten. 
Wie  ein  Sieger  war  der  Cardinal  in  Rom  eingezogen;  auf  dem 
ganzen  Wege  von  Porta  del  popolo  bis  zur  Kirche  S.  Celso 
und  dann  zu  seinem  Palaste  waren  die  Fenster  etleuchtet  und 
das  Volk  rief:  Ascan,  Ascan!  Sforza,  Sforza!  Er  war  ein 
reicher  und  glänzender  Herr.  Die  Einkünfte  von  vier  Bisthü- 
mem  und  mehren  Abteien  wie  die  des  Vicekanzleramtes  welches 
der  Preis  seiner  Zustimmung  zur  Wahl  Rodrigo  Borgias  ge- 
wesen sein  soll,  und  seiner  Apanage  verwendete  er  zu  fürst- 
lichem Hofhält  und  weltUch  grossartigem  Leben.  Nach  Alexan- 
ders VI.  Thronbesteigung  hatte  er  dessen  Palast  erhalten 
welcher  die  Wohnung  des  Vicekanzlers  blieb,  bis  diese  in  den 
Palast  Rf^ael  Riarios  verlegt  wmxI,  worauf  die  Cancellaria 
vecchia  an  die  Sforza  von  Santa  Fiora  überging  denen  sie  noch 
gehört.  Von  einem  nächtlichen  Feste  welches  Ascan  Maria 
in  der  letzten  Zeit  Innocenz'  VIII.  dem  Prinzen  von  Capua 
Ferrandino  König  Ferrantes  Enkel  gab,  sagt  der  römische 
Annalist,  wenn  er  die  Pracht  beschreiben  wollte  würde  man 
ihn  als  Märchenerzähler  verlachen.  Bei  dem  Besuch  dieses 
Prinzen  der  im  Vatican  beherbergt  wurde,  war  es  wo  das 
neapolitanische  Gefolge  Leinwand  und  alles  Tragbare  aus  den 
Zimmern  mitnahm  und  im  Borgo  das  Fleisch  verkaufte  welches 
der  Papst  ihnen  reichen  liess.  Ascanio  Maria  hatte  trotz  der 
von  Angelo  Poliziano  ihm  gespendeten  Lobsprüche  mehr  Sinn 
für  Bildung  als  Geschmack;  dass  die  Literaten  bei  ihm  aus-  und 


264  *  Cardinale  Innocenz'  VTIl.    Giovanni  de'  Medici. 

eingingen,  dass  er  offiies  Haus  hielt,  dass  auch  seinen  Kir- 
chen und  den  Armen  sein  Reichthum  zugute  kam,  lag  im 
Karakter  der  Zeit,  seines  Geschlechts  und  seiner  Stellung. 
Nach  Julius'  IL  Erhebung  ruhig  in  Rom  lebend,  wo  er  sich 
namentUch  mit  Entwürfen  zur  Befreiung  seines  Bruders  des 
Morö  aus  dem  Kerker  von  Loches  beschäftigte,  wurde  er  im 
Jahre  1505,  erst  fünfzigjährig,  wie  es  heisst  durch  eine  an- 
steckende Krankheit  hingerafft,  in  seinem  Gartenhause  bei 
S.  Girolamo  degU  Schiavoni,  kurz  nach  der  Rückkehr  Ton 
einer  Jagd,  ein  Zeitvertreib  den  er  mit  Leidenschaft  liebte. 
Sein  Denkmal  im  Chor  von  Sta  Maria  del  popolo  ist  eines  der 
schönsten  der  Uebergangszeit  von  der  Renaissance  im  strengem 
Sinne  zur  reichem  Formentwicklung  des  Cinquecento.  Papst 
JuUus  liess  es  errichten  gegenüber  dem  seines  Vetters  Girolamo 
Basso  della  Rovere.  Die  Lischrift  ehrt,  wenn  sie  wahr  und 
aufrichtig  ist,  so  den  Cardinal  wie  den  Papst.  Im  Glück  ge- 
mässigt, im  Unglück  hochsinnig,  so  wird  Ascan  Maria  ge- 
schildert, dessen  Monument  Julius  U.  errichtet  habe  einge- 
denk seiner  Tugenden,  seiner  ehrenwerthen  Fehden  vei^essend. 
Die  Zahl  von  Innocenz'  VIIL  Cardinälen  ist  nicht  gross, 
die  wenigsten  sind  für  Rom  bedeutend  gewesen.  Denn  der 
geisthche  Nepote  Lorenzo  de'  Mari  der  den  Namen  Cybo  an- 
nahm, stand  seinem  Vetter  Franceschetto  nach,  Federigo 
Sanseverino,  der  sich  namentUch  durch  seine  heftige  Oppo- 
sition gegen  Julius  IL  bekannt  machte,  hatte  in  Rom  keine 
hervorragende  Stellung,  Pierre  d'Aubusson  Grossmeister  von 
Rhodus  gehört  ganz  der  ruhmvollen  Geschichte  des  Johanniter- 
ordens  an.  So  bleibt  uns  nur  Giovanni  de'  Medici.  Das 
jugendliche  Alter  des  berühmten  Sohnes  Lorenzos  des  Er- 
lauchten erklärt  es  dass  eine  geraume  Zeit  von  ihm  nicht  die 
Rede  ist.  Innocenz  VIII.  hatte  fünftehalb  Jahre  verstreichen 
lassen  ohne  Cardinäle  zu  creiren.  Es  währte  denen  die  auf 
den  rothen  Hut  sich  Hoffnung  oder  Anspruch  machten  wie 
ihren  Angehörigen  zu  lange.  Lorenzo  de'  Medici  war  in  Fa- 
milienverbindung mit  den  Cybo  getreten.  Seine  Briefe  an  den 
ilorentinischen  Bevollmächtigten  in  Rom  Giovanni  Lanfredioi 
wie  an  den  Papst  selbst  sind  redende  Zeugnisse  der  Ungeduld, 
welche  das  Zögern  des  Letztern  mit  der  Erhöhung  von  Ange- 
hörigen und  Nahestehenden  in  ihm  weckte.  Während  er  In- 
nocenz bemerklich  machte ,  Andere  hätten  damit  nicht  gewartet 


Giovanni  de'  Medici.  265 

bis  sie  Papst  geworden  —  niemand  »ei  unsterblich,   und  ein 
Papst,  der  seine  Würde  nicht  vererben  könne,  dürfe  nur  Das 
sein  nennen  was  er  den  Seinen  zuwende,  schrieb  er  an  Lan- 
fredini,  die  Ernennung  von  Cardinälen  sollte  nicht  länger  als 
durchaus  nothwendig  verschoben  werden.     Erst  dann  werde 
lanocenz  ein  rechter  Papst  sein:  heute  sei  er  ein  Haupt  ohne 
Glieder,  von  fremden  Creaturen  umringt  statt  von  den  eignen. 
Die   künftigen    Cardin&le    sollten    wenigstens    das    Alter   von 
dreissig  Jahren  haben:   Giovanni  de*  Medici  zählte  deren  vier- 
zehn!   Der  Papst  empfand  doch  einige  Scheu;  Ascan  Sforza 
imd  Rodrigo  Borgia,  denen  daran  lag  sich  den  Gebieter  von 
Florenz  zu  verpflichten,  sollen  auf  ihn  eingewirkt  haben,  wenn 
dies  ja  grosse  Mühe   kostete.     Am   9.  März   1489   wurde   der 
Knabe  Cardinaldiakon   von   Sta  Maria  in  Domnica.     Anfangs 
sollte  es  eine  geheime  Creation  sein,   aber  sie  wurde  in  Rom 
bekannt,  in  Florenz  gefeiert.    Giovannis  Lehrer  PoUziano  fand 
sich  veranlasst  dem  Zögling  in  einem  Schreiben  an  den  Papst 
ein  Maturitätszeugniss  auszustellen,  dessen  Einhändigung  Lo- 
renzos  feiner  Tact  nicht  geeignet  erachtete.    Die  wirkUche  Ein- 
fuhrung in  das  CardinalcoUegium  wurde  des  Decorums  wegen 
allerdings  verschoben.    Giovanni  ging  nach  Pisa  seine  Studien 
auf  der  dortigen  Hochschule  fortzusetzen,  und  erst  nach  drei 
Jahren,  am  9.  März  1492,  wurden  ihm  in  der  Abtei  von  Fiesole 
die  Insignien  seiner  Würde  überreicht.     Ganz  Florenz  war  in 
Bewegung,  als  er  feierlich  einzog  und  zuerst  nach  der  Kirche 
der  Annunziata  und  dem  Dom  dann  nach  dem  mediceischen 
Palast  sich  begab.    Am  22.  März  war  er  in  Rom.     Die  erste 
Nacht  verbrachte  er  im  Kloster  von  Sta  Maria  del  popolo,  am 
folgenden  Morgen   holten   die  Cardinäle   ihn   ziur  Vorstellung 
heim  Papste  ab.    Kaum  hatte  er  Zeit  gehabt  sich  in  Rom  um- 
zusehn,  als   eine  Trauerkunde  ihn  abrief.     Am  8.  April  starb 
Lorenzo  der  Erlauchte.    Mit  dem  Titel  eines  Legaten   für  das 
Patrimonium   und   Toscana   kehrte   der   Siebzehnjährige   nach 
Florenz   zurück,   wo    die   äussere  Stellung  des  Vaters,   nicht 
dessen  Besonnenheit  und  persönliche  Autorität  auf  den  ältesten 
der  Sohne,  Piero,  überging.     Zwei  Jahre  später  erfolgte  die 
Umwälzung  welche  während  des  Zuges  Carls  VIII.  die  Medici 
aus  Florenz  vertrieb.    Giovanni ,  im  Franciscanerhabit  entflohen, 
fand  mit  seinen  beiden  Brüdern  in  Bologna  eine  Zuflucht. 

Die  verschiedenen   Versuche   der  Medici,   Florenz   ihrem 


266  Giovamii  de*  Medici. 

Einfluss  wieder  zu  unterwerfen,  schlugen  fehl.    Innocenz  VIIL 
war  todt  und   die  borgiasche  Wirthechaft  Hess   den  Cardinal 
nicht  ruhig  in  Rom  sein.    Mit  seinem  Vetter  Giulio,  demnach- 
gebornen  Sohne  des  in  der  Verschwörung  der  Pazzi  ermorde- 
ten Giuliano  und  mehren  Freunden  durchzog  er,  seinen  Rang 
nicht   mehr   verbergend,    Oberitalien,    Teutschland,   Flandern, 
Frankreich,  nicht  ohne  Abenteuer  und  Behinderung,  von  Kaiser 
Maximilian  und  Erzherzog  Philipp  empfangen,  ging  von  Mar- 
seille  die   Riviera    entlang    nach    Savona  wo   Giuliano    della 
Rovere,  gleich  ihm  vor  Alexander  VI.  aus  Rom  flüchtig,  ihn 
aufnahm,  weilte  in  Genua  bei  seinem  Schwager  Franceschetto 
Cybo.     Die  Verwicklungen   der    italienischen  Politik  während 
Ludwigs  XII.   Unternehmung  gegen  Mailand,   nachmals  gegen 
Neapel  Hessen  den  Medici  eine  Verständigung  mit  dem  Papst« 
zur  Erlangung  ihrer  Wiedereinsetzung  in  Florenz  mögUch  und 
förderlich  erscheinen.    Nach  mehrjährigem  Wanderleben  kehrte 
der  Cardinal  im  Jahre  1500  nach  Rom  zurück.    Hier  verbracht« 
er  die  noch  übrige  Zeit  des  Pontificats  Alexanders  VI.  wenig- 
stens äusserlich  in  Ruhe.     Ein  letzter  Versuch  Pieros,  seinem 
Exil  ein  Ziel  zu   setzen,  mislang;  beim  Uebersetzen  über  den 
Garigliano  fand  er   zu   Ende   1503   den  Tod.      Nur  eine  neue 
Umgestaltung   der  Lage  Italiens   konnte   den  Verbannten   die 
Thore   der   Vaterstadt  wieder   öffnen.     Der  Cardinal  hatte  in 
Rom  um  sich  vereinigt  was  ihm  aus  dem  florentinischen  Schiflf- 
bruch  zu  retten  gelungen  war.    Sein  Palast  bei  Sant'  Eustacbio 
war   mit   Statuen   und    Gemälden,    mit   schönem   Marmor  ge- 
schmückt,   vor    allem    mit    einer    kostbaren    Büchersammlung 
welche   viele   der   vom  Vater   und  ürgrossvater   gesammelten 
Handschriften    enthielt.     Literaten   und  Künstler   gingen  hier 
aus  und  ein;  Abends  vernahm  man  häufig  Musik  welche  der 
(kardinal  sehr  liebte.    Es  war  nicht  die  Haltung  und  Lebens- 
weise eines  Kirchenfürsten,   aber  durch  Würde  und  Anstand 
zeichnete  sich  der  junge  Cardinal  vor  manchen  älteren  aus. 
Giovanni  de'  Medici   hatte  von  seinem  Vater  die  poUtiscben 
wie   die    literarischen    und   künstlerischen   Tendenzen   geerbt 
aber  auch  dessen  Hang  zur  Verschwendung  welcher  so  dem 
Familienvermögen  wie  dem  des  Staates  theuer  zu  stehn  gekom- 
men war,  seine  Vergnügungssucht  die  sich  bei  ihm  mit  den 
Jahren  steigerte  und  seiner  Stellung  immer  weniger  entsprach, 
vielleicht  eine  religiöse  Indifferenz  welche  mit  seiner  Eniebung 


Cardinälc  Alexanders  VI.  267 

durch  Platoniker  und  Poeten  und  den  ihn  in  seiner  Jugend 
umgebenden  Beispielen  zusammenhing.  Er  stand  in  seinem 
achtundzwanzigsten  Lebensjahre,  als  der  Tod  Alexanders  VI. 
den  Dingen  in  Rom  und  Italien  eine  neue  Wendung  gab. 

Die  bunteste  Reihe  bilden  die  Cardinäle  Alexanders  VI. 
Nepotismus  und  Politik  hatten  bei  ihrer  Wahl  die  Oberhand: 
dass  manche  bedeutende  Männer  daraus  hervorgingen,  liegt 
an  der  ereignissreichen  Zeit  die  den  Cardinalat  seinem  höch- 
sten Glänze  entgegenfuhrte.  Fünf  Borgia  und  einer  ihrer  nahen 
V^ervvandten  Francisco  de  Loris  erhielten  den  Purpur,  neben 
ihnen  mehre  die  erst  zum  Cardinal  dann  zum  Papste  in  ge- 
nauen Beziehungen  gestanden,  zu  dessen  Hofe  gehört  hatten. 
Einer  dieser  letzteren,  Gian  Batista  Ferreri,  Datar  und  Regens 
der  Kanzlei,  war  es  der  dem  Herzog  von  Valentinois  beim 
Geldmachen  behiilflich  zu  sein  pflegte  und  zum  Lohne  von  ihm 
vergiftet  worden  sein  soll,  da  Jenen  nach  den  achtzigtausend 
Ducaten  gelüstete  die  der  Habsüchtige,  der  keinen  Pfennig 
nach  Rom  mitgebracht,  zusammengeschleppt  hatte.  Von  einem 
der  borgiaschen  Cardinäle,  Juan  Erzbischof  von  Monreale, 
eatwirft  der  venetianische  Botschafter  Paolo  Capello  kein  ein- 
nehmendes Bild.  »Monreale,  sagt  er,  ist  seit  drei  Jahren  (1497)  ^ 
mit  dem  Papst  überworfen  und  spricht  nicht  mit  ihm.  Seine 
Leidenschaft  wäre  der  Flandelsstand;  er  strebt  nur  danach 
dreissigtausend  Ducaten  in  den  Banken  zu  haben  und  damit 
zu  wuchern.  Er  ist  ein  Geizhals  dem  es  auf  einen  Ducaten 
ankommt.«  Aus  grösseren  römischen  Familien  gelangten  nur 
zwei  zum  Cardinalat,  Beide  junge  Männer  die  damals  noch 
keine  Stellung  hatten.  Der  eine  war  Alessandro  Famese,  der 
andere  Giuliano  Cesarini.  Vom  Farnese  sagte  der  böse  Leu- 
mund, die  Gunst  in  welcher  seine  Schwester,  die  »Bella 
(riuliat  der  Schandchronik,  beim  Papste  stand,  habe  seine 
Erhebung  veranlasst.  Ist  dem  so,  so  hat  er  nachmals  vollauf 
Gelegenheit  gehabt,  durch  seinen  persönlichen  Werth  und  seine 
ungewöhnlichen  Gaben  so  verdächtige  Anfange  in  Vei^essen- 
heit  zu  bringen.  Venedig  hatte  zwei  Cardinäle,  Domenico 
Grimani  eines  Dogen  Sohn  und  Marco  Comaro  Neffen  von 
Cypems  letzter  Königin.  Nur  ersterer,  von  dem  noch  die 
Rede  sein  wird,  lebte  in  Rom  wo  er  den  Palast  von  San 
Marco  bewohnte  und  eine  grosse  Stellung  hatte.  Florenz  war 
vertreten    durch    Francesco    Soderini    Bischof   von    Volterra. 


268  Adriaiio  Castellesi. 

Seine  Familie  gehörte  zu  den  angesehensten  der  Repubhk  um 
die  sie  sich  namentlich  im  fünfzehnten  Jahrhundert  verdient 
machte.  Sein  Vater  Tommaso  hatte  viel  dazu  beigetragen 
nach  dem  Tode  Cosimos  des  Alten  die  schwankende  Autorität 
der  Medici  zu  befestigen;  sein  Bruder  Piero  ist  der  einzige 
lebenslängliche  Gonfaloniere  von  Florenz  gewesen.  Der  Sturz 
desselben  durch  die  Medici  und  ihre  Freunde  in  den  letzten 
Zeiten  von  Julius'  IL  Regierung  entzündete  in-  der  Brust  Fran- 
cescos, eines  sonst  tüchtigen  und  talentvollen  Mannes,  jenen 
Hass  der  ihn  in  einen  schlimmen  Anschlag  gegen  Leo  X.  und 
ein  zweitesmal  in  Intriguen  verwickelte,  welche  ihn  in  den 
Kerker  führten  und  sein  Leben  verkürzten. 

Ein  anderer  von  Alexanders  VI.  CardinaJen  hat  ein  schlim- 
mes  Ende  genommen,  Adriano  Castellesi.     Von  ihm  wird  so 
in  der  Literar-  wie  in  der  Kunstgeschichte  die  Bede  sein:  auf 
seinen  Lebensgang   hinzuweisen  ist  aber  hier  der   Ort.    Wie 
Vitelleschi   stammte    er   aus   angesehener  Familie   der  damals 
noch  bedeutenden  und  belebten  Stadt  Cometo.    Als  Jüngling 
nach   Rom   gekommen   den  Studien   obzuliegen,    soll   er   dem 
Cardinal  Rodrigo  Borgia  empfohlen  worden  sein,  mit  dem  sein 
Vater,  in   Calixtus'  HI.  Tagen   cometanischer  Abgesandter  in 
Rom  bekannt  war.    Inuocenz  VIII.  sandte  den  jimgen  Mann  in 
Geld-    imd    politischen    Angelegenheiten    nach    England  und 
Schottland;   die  von  Heinrich  VII.  ihm  verUehenen  Bisthümer 
von  Hereford  dann  Bath  und  WeUs  sprechen  für  die  Gewandt- 
heit womit  er  die  Aufträge  ausführte.    Alexander  VI.  machte 
ihn  zum  Secretar  der  Breven,    zum  Schatzmeister,   im  Jahre 
1503  zum  Cardinalpriester  von  S.  Grisogono,  fünf  Monate  vor 
seinem  Tode  in  dessen  Scandaltradition  er  verwickelt  war.   In 
JuUus'  n.  Tagen  wandte   das  Glück  ihm  den  Rücken.    Julius, 
obgleicli  den  borgiaschen  Creaturen    abhold,   begünstigte  ihn 
eine    Zeitlang,    aber   Aeusserungen    des    Cardinais    führten  zu 
einem  Zerwürfniss  und  zu  zweimaliger  Flucht  aus  Rom.    Fünf 
Jahre  währte  seine  Abwesenheit:  erst  nach   des  Papstes  Tode 
kehrte  er  zurück.    Leo  X.  hätte  ihn ,  den  elegantesten  Latinist«n 
seiner   Zeit,    nach   seinem   Geschmack    finden    müssen,   aber 
Adriano  liess  sich  wie  Soderini  in  die  Verschwörung  des  Car- 
dinais Petrucci   gegen   den  Papst   ein   und   verschwand  nach 
deren  Entdeckung  aus  Rom.     Seiner  Würden   ward  er  ver- 
lustig erklärt;  was  aus  ihm  wurde  weiss  man  nicht    Dunkle 


Ippolito  d'Este.    Spanische  und  französische  C&rdinäle.  269 

Gerüchte  lassen  ihn  in  der  Türkei  von  einem  Diener  ermordet 
werden  den  nach  den  Schätzen  des  Herrn  gelüstete. 

Wie  unter  den  Cardinäien  Sixtus'  IV.  Ascan  Sforza,  war 
unter  denen  Alexanders  VI.  Ippolito  d'Este  Repräsentant  des 
italienischen  Principats.  Der  Sohn  Herzog  Ercoles  L,  der 
Bruder  Alfonsos  des  Gemals  der  Lucrezia,  im  Alter  von  sieben 
Jahren  von  Matthias  Corvinus  zum  Erzbischof  von  Gran  ge- 
macht was  Innocenz  VIII.  zu  stark  fand  aber  auf  des  Vaters 
Verwendung  doch  {bestätigte,  hat  weder  als  Kirchenfurst,  in 
welcher  Eigenschaft  er  Bisthümer  wie  Mailand,  Capua,  Ferrara, 
Modena,  Agram  mit  den  reichsten  Abteien  vereinte,  noch  als 
Mäcen  einen  glänzenden  Namen  hinterlassen.  Der  immens  reiche 
Cardinal,  hart,  gewaltsam,  rachsüchtig,  im  Lebenswandel  un- 
regelmässig, war  inmitten  all  seiner  PrachtUebe  der  karge  Be- 
schützer des  zu  seinen  Hofleuten  gehörenden  und  von  ihm  viel- 
gebrauchten Ariosto,  dem  er  das  Lob  der  Este  schlecht 
lohnte.  An  ihn  richtete  er  bei  der  Ueberreichung  des  Rasen- 
den Roland  die  berüchtigte  Frage,  welche  durch  das  »Messer 
Lodovico,  wo  habt  ihr  all  diesen  Unsinn  hergeholt?«  höchst 
unvollkommen  übersetzt  wird.  Was  seine  eigentliche  Bestim- 
mung war,  zeigte  IppoUto  im  Kriege  von  1509,  als  er  in  der 
schweren  über  Herzog  Alfons  hereingebrochenen  Bedrängniss 
mittelst  Durchstechens  der  Deiche  des  Po  Ferrara  vor  den 
Venetianem  rettete  die  dann  eine  entscheidende  Niederlage  er-> 
litten  —  die  Waffenthat  welche  Ariost  feiert  indem  er  sich  an 
den  »hochherzigen  Hippolyt«  wendet,  der 

»—   dem  goldnen  Löwen  dort 
Mit  solcher  Kraft  zerbrach  die  Zahn*  und  Krallen, 
Dass  er  seitdem  uns  nie  zur  Last  gefallen.« 

Dass  unter  einem  spanischen  Papste  manche  Spanier  empor- 
kamen ,  ist  natürlich.  Die  bedeutendsten  derselben  waren  Ber- 
uardino  Carvajal  und  Francisco  KemoUno.  Ersterer,  Neffe  des 
verdienten  geistlichen  Diplomaten,  hat  sich,  von  Iimocenz  VIll. 
als  Nuntius  nach  Spanien,  von  Ferdinand  und  Isabella  als 
Botschafter  an  Alexander  VI.  gesandt,  durch  die  Decken- 
malereien an  der  Tribüne  von  Sta  Croce  iu  Gerusalemme  ein 
schöneres  Denkmal  gesetzt  als  durch  seine  factiöse  Opposition 
gegen  Julius  H.  Letzterer,  von  Staatsgeschäften  zum  geist- 
lichen   Stande   übergegangen    in   welchem    er   Bisthümer   und 


272  Datarie  und  Ponitentiarie. 

Titel  von  SS.  Lorenzo  e  Damaso  Tegelmäseig  verbunden  ge- 
blieben ist,  bei  welcher  Kirche  der  Palast  der  Cancellaria  sich 
befindet.  Unter  Martin  V.  hatte  die  Zusammensetzung  des 
Kanzleipersonals  eine  festere  Gestaltung  angenommen.  Das- 
selbe umfasste  den  Stellvertreter  des  Vicekanzlers  oder  R^ens 
der  Kanzlei ,  die  Notare  deren  sieben  erste  den  Namen  aposto- 
lischer Protonotare  annahmen,  die  Abbreviatoren,  die  Script«- 
ren  der  apostolischen  Briefe,  den  Seneschal  oder  Custos,  die 
Bullatoren  oder  Plumbatoren,  die  Registratoren,  die  Sollicitato- 
ren  u.  a.,  denen  sich  die  richterlichen  Beamten,  die  Auditoren 
der  Rechtsfälle  des  Palastes  und  die  Consistorialadvocaten  an- 
schlössen. Von  mehren  dieser  Aemter  ist  wiederholt  die 
Rede  gewesen  und  sie  werden  noch  im  Zusammenhang  mit 
der  Geschichte  der  Uterarischen  Thätigkeit  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  erscheinen.  Die  namentUch  seit  Innoc^nz  VIII. 
stattgefundene  Vermehrung  der  Kanzleibeamten  durch  Creining 
zahlreicher  käuflicher  Aemter  deren  Inhaber  dann  auf  den  Er- 
trag der  Sportein  und  auf  Geschenke  angewiesen  waren,  ist 
einer  der  Krebsschäden  geworden  die  zu  dem  Miscredit  der 
Curie  namentlich  dem  Auslande  gegenüber  nicht  wenig  beige- 
tragen haben.  Eine  seltsame  Erscheinung  sind  die  türkiscli- 
levantinischen  Namen  einiger  der  Kanzleicollegien,  der  Jaui- 
tscharen,  Mamelucken,  Stradioten,  mit  denen  der  Titel  eiue^ 
Soldans  der  Curie,  ein  Titel  der  auch  im  Gefangnisswesen  vor- 
kommt, harmonirt. 

Eine  Abzweigung  der  Kanzlei  war  die  Datarie  welche  da^ 
Beneficialwesen ,  nämUch  die  eigen thchen  Gnadensachen,  die 
Pfründenverleihungen ,  die  gewöhnlichen  Dispensationen  u.  s.  w. 
umfasste.  Ihre  festere  Gestaltung  schreibt  sich  von  Martin  V. 
her.  Ein  Cardinal  als  Datar,  welcher,  Nachfolger  des  alten 
Primicerius  notariorum,  so  nach  dem  Datiren  der  Documeute 
benannt  wurde  und  später  den  Titel  eines  Prodatars  annalim, 
findet  sich  zuerst  in  Sixtus'  IV.  Zeit.  Der  Subdatar  stand  an 
der  Spitze  der  diese  Behörde  bildenden  Beamten ,  deren  Stellen 
auch  theilweise  gleich  vielen  anderen  käuflich  waren.  Die 
Ponitentiarie  war  aus  dem  im  Verlauf  der  Zeiten  immer  driu- 
gender  werdenden  Bedürfniss  der  Vertretung  des  Papstes  als 
oberster  Bischof  in  der  Spendung  des  Busssacraments  durch 
eine  dann  durch  mehre  Personen  entstanden.  Dies  geistliche 
Amt ,     welches    nachmals    auch    das    Dispensationswesen   in 


Apostolische  Kammer.  273 

bestimmten  Fallen  und  eine  ihm  ursprünglich  fremde  Jurisdiction 
umfasste,  deren  Beschränkung  endlich  noth^^ endig  erschien,  ist 
mancherlei  Wandlungen  unterworfen  gewesen ,  namentUch  unter 
Benedict  XII.  und  Sixtus  IV. ,  während  es  zu  wiederholten  Con- 
flicten  Anlass  gegeben  hat  welche  Pius  V.  zu   einer  durchgrei- 
fenden Reform  bewogen.    Ein  Grosspönitentiar  kommt  zuerst 
unter  Clemens  V.  vor.     Die  Pönitentiare  welche  anfangs   bei 
St.  Peter  wohnten,,  wie  denn  die  vaticanischen  heute  den  Pa- 
last Cardinal  Domenicos  della  Rovere  in   der  Leostadt  inne- 
haben, wurden  später  auch  den  Basiliken  von  St.  Johann  im 
Lateran  und  Sta  Maria  maggiore  zugewiesen.     Das   römische 
Vicariat,    in  Vertretung  des  Papstes  als  Bischof,   erhielt  all- 
malig  seine  festere  Gestaltung  und  wurde  mit  einem  Tribunal 
verbunden.    Es  ist  erst  unter  Papst  Paul  IV.  ein  Cardinalsamt 
geworden. 

Die  Leitung  der  apostoUschen  Kammer,  somit  der  ganzen 
Finanzverwaltung  welche  zu  den  Geschäften  des  Archidiakonats 
der  Kirche  gehörte,  war  seit  dem  Ende  des  zwölften  Jahr- 
hunderts regelmässig  dem  Camerarius  anvertraut,  der  zum  Car- 
dinal-Camerlengo  wurde.  Die  mit  der  Administration  der  Fi- 
nanzen verbimdene  Civil-  und  Criminaljurisdiction  und  die 
während  der  Sedisvacanz  dem  Camerlengo  zustehenden  Befug- 
nisse, ebensowie  die  ihm  nachmals  übertragene  Oberleitung 
der  römischen  Universität  haben  das  Camerlengat  zu  einem 
der  einflussreichsten  Posten  gemacht.  Begreiflicherweise  war 
das  Personal  ebenso  weitverzweigt  wie  die  Verwaltung  selbst. 
Der  Thesaurar  oder  Tesoriere,  in  dem  sich  die  Geschäfte  des 
Vestararius,  Arcarius,  Saccellarius  vereinigten,  als  Finanz- 
minister im  engem  Sinne,  die  Kammerkleriker,  seit  Eugen  IV. 
sieben  an  der  Zahl,  als  Directoren  der  einzelnen  Verwaltungs- 
zweige, der  Auditor  der  Kammer  mit  Jurisdiction  über  sämmt- 
liche  geisthche  wie  weltliche  Curialen,  der  Vicecamerlengo 
welcher  dann  auch  das  Amt  eines  Governatore  di  Roma  somit 
einen  Theil  der  ursprünglichen  Befugnisse  der  Stadtpräfectur 
und  die  Direction  der  städtischen  PoUzei  mit  Civil  und  Criminal- 
Gerichtsbarkeit  erhielt.  Neben  diesen  Chefs,  von  denen  der 
Tesoriere  und  der  Governatore  später  den  Vorrang  in  der  Prä- 
latur  erlangten  als  gewisse  Posten  in  derselben  regelmässig  zum 
Cardinalat  führten,  zählte  das  Camerlengat  eine  grosse  Zahl 
von  Beamten  die  man  als  Camerali  zu  bezeichnen  pflegte. 

T.  Heamoat ,  Kou.   111.  \^ 


274  Hota  roinana.     Seguatura.    Päpstliche  Hoflialtung. 

In  die  zweite  Hauptabtheilung  der  papstlichen  Aemter  ge- 
hörte vor  allen  die  Rota.  In  der  Geschichte  der  avignonischeo 
Zeit  ist  dieses  obersten  Civiljustizhofs  gedacht  worden,  der  unter 
Johannes  XXII.  seine  definitive  Gestalt  erlangte  und  für  welchen 
SLxtus  IV.  die  Zahl  der  Richter  verschiedener  Nationalitaten 
auf  zwölf  festsetzte.  Das  eigenthche  vom  Papste  relevirende 
Obertribunal,  die  Segnatura,  welcher  über  die  persönlich  vor 
das  Oberhaupt  der  Kirche  gebrachten  Rechtsfragen  und  Gnaden- 
Sachen  wie  über  Competenzconflicte,  Appellationen  und  an  die 
verschiedenen  Tribunale  zu  ertheilenden  Aufträge  zu  entscheiden 
zustand ,  gehört  ihrer  gegenwärtigen  Constitution  nach  mit 
der  Eintheilung  in  eine  Segnatura  di  giustizia  und  di  grazia 
und  ihren  Referendaren  späterer  Zeit  an.  Die  Zahl  der  Rechts- 
gelehrten  jeder  Art  und  jedes  Namens  die  diesen  Gerichtshöfen 
anhingen,  der  Agenten  und  SoUicitatoren  deren  mau  bei  der 
Curie  zur  Abmachung  der  geistlichen  Geschäfte  bedurfte,  war 
ebenso  Legion  wie  die  dieser  Geschäfte  selbst  und  der  Wege  und 
Nebenwege  die  man  zu  ihrer  Erledigung  einschlagen  musste. 

Auch  die  päpsthche  Hofhaltung  war  weitverzweigt.  Die 
Befugnisse  welche  der  Camerleugo  in  derselben  hatte,  gingen 
ebenso  wie  andere  seines  umfassenden  Amtes  an  verschiedene 
Offizialen  über,  zum  Theil  in  ziemUch  später  Zeit.  Dem  IVlaestro 
del  sacffo  Ospizio,  einem  Laien,  stand  die  Aufsicht  über  das 
Hauswesen  zu,  während  die  über  die  Paläste  und  Villen  in 
der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhundert«  an  den  Pre- 
fetto  del  palazzo  kam,  nach  Einiger  Ansicht  ein  Nachfolger 
des  alten  Vicedominus,  dessen  Würde  zugleich  die  desMajor- 
domus  umfasste,  die  aber  in  jüngster  Zeit  von  ihr  abgezweigt 
und  einem  Prälaten  ersten  Ranges  übertragen  wurde,  während 
die  Palastpräfectur  an  den  Cardinal  -  Staatssecretär  kam.  Der 
Maestro  del  sacro  palazzo  war  ursprünghch  der  theologische 
Berather  und  Prediger  des  Papstes ,  welches  letztere  Amt  später 
an  einen  Kapuziner  kam,  während  der  Maestro,  ein  Domini- 
caner, die  Büchercensur  ausübte.  Der  Uditore  war  der  Be- 
rather in  den  Rechte&ageu. 

Neben  diesen  und  solchen  denen  ihre  schon  erwähnten 
Würden  und  Aemter  eine  Stellung  am  päpstlichen  Hofe  ver- 
Uehen,  zählte  derselbe  zahlreiche  Mitglieder  die  theils  zum 
persönUchen  und  Palastdienst  theils  zur  Kapelle  gehörten,  mit 
einer  Menge  von  Abstufungen  welche  zum  Theil  späterer  Zeit 


Palastwache.    ArobaMadeu.  275 

ab  die  hier  betrachtete  aBgehören,  während  auch  heute  noch 
dieser  Hofhaltung  ein  alterthümiiches  Gepräge  geblieben  ist, 
das  zu  dem  Karakter  eines  geistlichen  Hofes  trefflich  passt. 
Dass  das  klerikale  Wesen  an  diesem  Hofe  in  den  letzten  Jahr- 
hunderten   zugenommen    hat,    dass    derselbe    in    Sixtus'  IV., 
hmocenz'  VIII.,    Alexanders  VI.    Zeiten   weit   davon   entfernt 
w^x  dem  geisthchen  Element  so  exclusive  Geltung  zu  gewäh- 
ren, wird  bei  Vergleichung  der  geschilderten  Ereignisse  mit 
denen   der  Folgezeit  klar  werden.    Die  Palastwache  (Custodia 
palatii)  war  im  Lauf  der  Zeiten  manchen  Wechseln  unterlegen. 
In  der  aidgnonischen  Zeit  scheint  sie  sehr  mangelhaft  und  von 
wenigen  Leuten  gehandhabt  worden  zu  sein;  Gregor  XI.  über- 
trug sie  im  FrühUng   1371    einem  Miuoriten   Jean  Chambaret, 
Altaristen   oder  Vorsteher  des   Oekonomats  der  Peterskirche. 
Nach  der  Rückkehr  der  Päpste  musste  sich  dies  begreiflicher- 
weise ändern.   Martin  V.  nahm  am  11.  October  1420  den  »edlen 
Mann«    Angele  de  Trisacco  mit  siebzig  Bahstaren  und  Pave- 
sanen    und    acht   Knappen    zur   Bewachung    des   Palastes    in 
Dienst.     Die  Wache   sollte   unter   der   Jurisdiction   des  Vice- 
camerlengo  stehn,    der  Hauptmann   monatlich   zwanzig  Gold- 
gulden    für   sich,    drei  für  jeden   Mann  erhalten.     Man  sieht 
dass  es  sich  hier  nicht  um  jene  Leibwachen  handelte  mit  wel- 
chen die  itahenischen  Gewaltherrscher  sich  zu  umgeben  pflegten, 
um  eine   »temble  bende  de  gensdarmes  de  soulde  a  la  guise 
des   seigneurs  d'ItaUe«    wie  Philippe  de  Commines   sich   aus- 
drücl^t.      Ueberdies   begegnen   wir  einem  Corps  vop   Sergents 
d'armes,    die   nach   einer   von  Pius  II.    bestätigten  Verfugung 
Eugens  IV.    die   Zahl   von   zwanzig   nicht   übersteigen   sollten 
und  wenigstens  zum  Theil  aus  Teutschen  bestanden.    Die  erste 
Erwähnung  der  Schweizergarde  findet  sich  im  Jahre  1448  unter 
Nicolaus  V, ,  obgleich  Andere  Sixtus  IV.  diese  Institution  bei- 
messen,   die   sich   indess  in   ihrer   gegenwärtigen  Gestalt   von 
Julius  II.  herschreibt. 

Der  Glanz  des  päpstlichen  Hofes  und  somit  der  Stadt 
wurde  durch  die  Ambassaden  sehr  erhöht.  Regelmässige 
stehende  Gesandtschaften  neuerer  Art  mit  vorherrschend  po- 
Utischen  Geschäften  kommen  erst  in  den  letzten  Zeiten  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  vor,  und  die  Venetianer  denen  über- 
haupt in  der  Geschichte  der  Entwicklung  der  Diplomatie  der 
Vorrang  gebührt,  scheinen  die  ersten  gewesen  zu  sein  welche 

18» 


276  Festliche  Aufzüge. 

sie  einrichteten.  Denn  die  stehenden  Gesandtschaften  die  wir 
schon  im  vierzehnten  Jahrhundert  in  Avignon  und  nachmaL) 
in  Rom  finden,  waren  vorzugsweise  zur  Besorgung  geistlicher 
Angelegenheiten  bestimmt,  gerade  wie  die  Missionen  der  Ritter- 
orden, der  Johanniter  und  Teutschritter  deren  Procuratoren 
beim  h.  Stuhl  mit  denen  der  geistlichen  Orden  Aehnlichkeit 
hatten,  wie  denn  jene  ebensowie  diese  unter  dem  Papste  als 
ihrem  geistlichen  Oberhaupt  standen.  Den  grössten  Glanz  ent- 
wickelten unter  den  ausserordentlichen  Sendungen  namentlich 
die  Gratulations  -  Ambassaden ,  in  denen  die  Republik  Florenz, 
welche  im  fünfzehnten  Jahrhundert  fast  alle  ihre  bedeutendsten 
und  vornehmsten  Männer  nach  Rom  sandte  i  mit  den  grössten 
Staaten  wetteiferte.  Bei  solchen  Gelegenheiten  war  die  ganze 
Stadt  in  Bewegung,  denn  der  prächtig  aufgeschirrten  Rosse, 
der  glänzenden  Kleider  und  Waffen  war  kein  Ende.  Die  Feier- 
lichkeit solcher  Aufzüge  wurde  dadurch  erhöht  dass  man  sie 
vor  der  Stadt,  auf  der  flaminischen  Strasse,  einholte;  in  spä- 
tem Zeiten  war  die  Villa  di  Papa  Giulio  der  Ort  von  welchem 
aus  der  Zug  sich  in  Bewegung  setzte.  Avignon  sah  einmal 
das  ganze  Cardinalcollegium  eine  Gesandtschaft  einholen.  Es 
war  diejenige  durch  welche  König  AlfonsIX.  von  Castilien  und 
Leon  nach  dem  glorreichen  Siege  bei  Tarifa  Benedict  Xu. 
hundert  vornehme  Gefangene  und  ebensoviele  arabische  Pferde 
nebst  einer  Menge  kostbarer  Geräthschaften  und  erbeuteter 
Fahnen  überbringen  Hess.  Von  der  Pracht  der  Aufzüge  bei 
den  Kaiserkrönungen  wie  bei  den  Besuchen  welche  grosse 
päpstliche  Lehnträger  in  Rom  abstatteten,  war  schon  die  Rede. 
So  sehr  diese  Herren  sich  zu  Hause  als  unbeschränkte  Gebieter 
betrachten  mogten,  so  sehr  bemühten  sie  sich  doch  um  päpst- 
liche Titel ,  wie  denn  nach  Borso  von  Este  welchem  Paul  IL  im 
Jahre  1471  die  ferraresische  Herzogswürde  ertheilt  hatte,  Fede- 
rigo  von  Montefeltro  durch  Verleihung  Sixtus'  IV.  im  Jahre 
1474  Herzog  von  Urbino  wurde.  Nachfolgende  Päpste  pflegten 
dann  die  Würde  zu  bestätigen.  Es  traf  sich  wol  dass  Feuda- 
tare  wie  die  Este  mit  grossen  Souveränen  an  Glanz  wetteifer- 
ten. Die  päpstliche  Diplomatie  kann  hier  nur  vorübergehend 
in  Betracht  gezogen  werden.  Bedeutung  und  Tüchtigkeit  der- 
selben entsprachen  der  Wichtigkeit  der  Geschäfte,  welche  der 
h.  Stuhl  in  allen  Ländern  zu  besorgen  hatte.  Noch  besass 
diese  Diplomatie  nicht  den  ausschliesslich  klerikalen  Karakter 


Stadt-  und  Landesverwaltimg.  277 

und  die  strenge  Gliederung  die  ihr  später  ein  .eigenthümliches 
Gepräge  gaben,  und  neben  Caxdinallegaten  und  Prälaten  als 
Nuntien  begegnen  wir  Laien  als  Repräsentanten  des  h.  Stuhls. 
Wie  CardinalcoUegium  und  Curie  überhaupt  wies  auch  diese 
Branche  in  Bezug  auf  Nationalität  die  grösste  Manchfaltigkeit 
auf,  indem  sie  die  Universalität  der  Kirche  lebendig  abspiegelte. 
Die  Verwaltung  der  Stadt  bheb  in  den  gewohnten  Formen. 
Die  Präfectur  war  kaum  mehr  als  ein  Ehrenamt.  Calixtus  III. 
übertrug  sie  seinem  Schwestersohn  Pedro  Luis  Lansol  Borgia, 
Pius  II.  nach  dessen  Tode  im  Jahre  1458  dem  Fürsten  von 
Salemo  Antonio  Colonna,  dessen  Sohn  im  Jahre  1472  nach- 
folgen soUte ,  was  aber  Sixtus  IV.  angeblich  wegen  der  Jugend 
des  Colonna  nicht  zuliess,  indem  er  seinen  Neffen  Leonardo 
della  Rovere  und  nach  dessen  im  Jahre  1475  erfolgtem  Ab- 
leben Giovanni  della  Rovere  Herrn  von  SenigalUa  zum  Prä- 
fecten  ernannte,  worauf  die  Präfectur  in  dessen  Familie  blieb. 
Das  Senatorsamt  wechselte  in  der  Regel  jährhch.  Biswei- 
len wurde  aber  der  abtretende  Senator  für  ein  zweites,  ja 
selbst  für  ein  drittes  Jahr  bestätigt,  auch  kamen  Vicesena- 
toren  wie  die  Vertretung  durch  die  Conservatoren  vor.  Noch 
finden  sich  einige  Senatoren  aus  bekannteren  Adelsfamilien  wie 
Piccolomini,  Balbiano  von  Mailand,  Euffreducci  von  Fermo, 
sowie  aus  bolognesischen  Häusern  die  nachmals  eine  gewisse 
Bedeutung  erlangten,  den  Marescotti  de'  Calvi,  de'  Grassi, 
Malvezzi,  Albergati  u.  A.  Im  allgemeinen  jedoch  lieferte  der 
kleine  Adel  aus  den  verschiedensten  itaUenischen  Städten,  na- 
mentlich aber  aus  denen  des  Kirchenstaats,  die  Repräsentanten 
der  einst  so  mächtigen  römischen  Municipahtät ,  unter  denen 
wir  meist  unbekannten  Namen  aus  Rimini,  Ancona,  Jesi,  Ascoli, 
Orvieto,  aus  Citta  di  Castello,  Narni,^  Norcia,  Veroli  u.  a.  be- 
gegnen. Die  Vornehmeren  widmeten  sich  heber  dem  Kriegs- 
dienst als  den  bürgerlichen  Aemtem  zu  denen  das  Rechtsstu- 
dium erforderlich  war.  Bestätigungen  der  Statuten  der  Zünfte 
und  dergleichen  Acte  sind  oft  die  einzigen  Zeugnisse  senatori- 
scher Thätigkeit.  Die  städtische  Finanzverwaltung  bheb  in  der 
Hand  der  Conservatoren  der  Kammer.  Die  Stadt  besass  noch 
verschiedene  Lehne  von  denen  bis  auf  die  jüngsten  Zeiten 
vier  unter  der  Baronaljurisdiction  des  römischen  Senats  blie- 
ben, MagUano  in  der  Sabina,  Corr  im  Volskerlande ,  Vitor- 
chiano  und  Barberano  im  Viterbesischen. 


278  Verwaltung.     Kiiegswcsen. 

Die  st&dtische  Autonomie  war  in  steter  Abnahme.  Die 
letzte  Rebellion,  die  gegen  Eugen  IV.,  scheint  in  dieser  Be- 
ziehung namentlich  verhängnissvoll  gewesen  zu  sein,  wie  denn 
schon  Vitelleschi  und  Scarampi  als  Signoren  schalteten.  Von 
Nicolaus  V.  an  häufen  sich  die  päpstlichen  Ernennungen  zu 
städtischen  Aemtem.  Notare  der  Conservatoren,  Appelhichter, 
Camerlenge  der  Häfen  Ripa  undRipetta,  Steuerverwalter,  Cu- 
stoden  der  Brücken  und  Thore,  Rectoren  der  städtischen 
Schulen,  Syndiken  der  Beamten,  Pächter  des  Zollamts  bei 
Sant'  Eustachio ,  Plumbirer  der  Wollentuche ,  Weinprüfer  u.  8.w. 
werden  vom  Papste  ernannt.  Auch  in  der  Umgebung  und  im 
übrigen  Staate  greifen  die  Päpste  immermehr  in  die  Verwal- 
tung ein.  Nicolaus  V.  bestimmt  dass  die  Römer  gegen  Schuld- 
ner in  Tivoli  nicht  zu  Repressalien  schreiten  dürfen ,  bevor  diese 
von  dem  Podesta  oder  Grafen  in  ihrer  Stadt  vernommen  wor- 
den sind.  Pius  II.  überträgt  dem  Govematore  von  Perugia  die 
Entscheidung  ob  eine  der  Zünfte  der  Stadt  zu  den  grossen 
oder  kleinen  zu  zählen  sei.  Sixtus  IV.  trifft  Vorsorge  für  Reini- 
gung tmd  Schiffbarmachung  des  Anio  bis  Ponte  Mammolo  und 
für  Ausbeute  der  Blei-  und  Silbererze  im  Patrimonium  durch 
Johann  Klug  aus  Freiburg  in  Sachsen.  Bestätigungen  von  Pri- 
vilegien für  grössere  und  kleinere  Orte  kommen  in  Menge  vor. 
Bemerkcnswerth  ist  eine  Bulle  Sixtus'  IV.  vom  Jahre  1478  durch 
welche  den  Legaten  in  den  Provinzen,  den  Governatoren  der 
einzelnen  Orte  und  den  übrigen  Beamten  die  genaue  Befolgung 
der  Constitutiones  Aegidianae ,  der  Verwaltungsnormen  des  Ca^ 
dinals  d'Albornoz  mit  den  Ergänzungen  der  Cardinäle  de  Gri- 
moard,  de  Cabassoie  u.  A.  eingeschärft  wird.  Diese  Bulle,  ein 
nach  einem  vollen  Jahrhundert  erlassenes  ehrenvolles  Zeugniss 
der  Thätigkeit  dieser  ayignonischen  Cardinäle.  lässt  erkennen 
wie  viel  an  der  Provinzialverwaitung  auszusetzen  war  in  Be- 
ziehung auf  Gerechtigkeitspilege,  Sportelwesen ,  Heranziehung 
der  Unterthanen  zu  den  öffentlichen  Lasten  u.  a. ,  während  der 
Papst  bekennt  dass  Beamte  aller  Classeu,  dass  selbst  Legaten 
a  latere  der  Uebergriffe  schuldig  befunden  worden  seien,  gegen 
welche  man  beim  h.  Stuhl  Klage  eingereicht  habe. 

Wie  es  mit  dem  Kjriegswesen  stand  hat  die  Geschichte  der 
Stadt  seit  dem  Ende  des  Schismas  gezeigt.  Wenn  die  fipennRn 
Banden  verschwunden  wären,  hatte  man  statt  ihrer  die  der 
Condottieren.    Cardinäle  und  Prälaten  stellten  sich  an  die  Spitze 


Finanzwesen.  279 

der  Trappen,  die  ihnen  theils  von  romischen  Baronen  theils  von 
firemden  Soldhauptleuten  zugeführt  wurden.  Umbrien  war  immer 
noch  die  Heimat  zahlreicher  Kriegsleute.     Die  Schule  Braccios 
da  Montoue,    seine  nächsten  Angehörigen   Niccolo  und   Carlo 
Fortebracci,    Niccolo    Piccinino    und    seine    Söhne   Francesco 
und  Jacopo,  Erasmo  Gattamelata,  Malatesta,  firaccio,  Astorre 
Baglioni,     Niccolo,    Paolo,    Vitellozzo    Vitelli,    Antonio    da 
Marsciano,    die    Oddi    und    della   Penna  u.   A.    gehörten    alle 
dieser  Provinz  an.     Die  Herren  im  Patrimonium  we  die  römi- 
schen Barone  stellten    das   ganze  Jahrhundert  hindurch  viele 
der  Ihrigen  ins  Feld,  die  Orsinen,  Colonna,  Savelli,  Farnesen, 
mit  ihnen  die  Herren  in  der  Romagna  und  den  Marken,  vor  allen 
die  Feitrier,  Malatesten,  Varanen.    Die  päpstlichen  Heere  waren 
gleich    denen   der  Fürsten    und  Republiken  aus  Soldschaaren 
zusammengesetzt  welche  sich  auf  bestimmte  Zeit  verpflichteten. 
Der  Kriegsdienst,  ein  Gewerbe,   keine  Pflicht,  war  frei:   öfter 
als    für  die  Päpste   haben  ihre   eignen  Unterthanen  gegen  sie 
gestritten.     Die  Kriegsleistungen   der  Orte   wurden   mit   G-eld 
abgemacht.     Als   das  Jahrhundert   zu  Ende  ging,   waren  die 
päpstlichen  Truppen  wiederum  ein  buntes  Gemisch  einheimischer 
und    fremder   Söldner,    während    die    Kriegskunst    selbst    in 
jener    Umwandlung    begriffen    war    zu    welcher    die    französi- 
schen Kriege  Anlass  und  Ausschlag  gaben. 

lieber  das  Finanzwesen  liegen  nur  unzusammenhangende 
Nachricliten  vor,  die  überdies  mehr  den  Staat  als  die  Stadt 
betreffen.  Kaum  irgendwo  sind,  wenn  auch  gelegentlich  stär- 
kere Anforderungen  an  die  Unterthanen  gestellt  wurden,  im 
Durchschnitt  so  geringe  Abgaben  gezahlt  worden,  wie  im 
Kirchenstaat:  ein  V^erhältniss  welches  bis  zum  Ende  des  vori- 
gen Jahrhunderts  gewährt  hat  und  vergleichweise  auch  heute 
noch  besteht.  Gäbe  es  nicht,  bemerkt  Philippe  de  Commines, 
die  Zwietracht  von  Colonnesen  und  Orsinen,  so  wären  die  Be- 
wohner des  Kirchenstaats  das  glücklichste  Volk  der  Welt, 
denn  sie  zahlen  weder  Taille  noch  kaum  andere  Steuern.  Dies 
ist  freilich  mit  Einschränkungen  zu  verstehen,  denn  wenn  die 
directen  Steuern  nicht  bedeutend  waren,  so  war  dies  mit  den 
indirecten  nicht  immer  der  Fall.  Die  Lehnzinse  waren  im 
ganzen  nicht  hoch,  wurden  unregelmässig  gezahlt,  oft  er- 
lassen. Die  beträchtlichsten  Hülfsmittel  kamen  aus  dem  Aus* 
land:  das  Papstthum  nährte  die  Stadt,  ja  in  gewissem  Maasse 


280  Finanzwesen. 

die  Provinzen.  Mehre  Päpste  hinterliessen  einen  gefüllten 
Schatz.  Wir  vernehmen  von  dem  Martins  V.,  der  mit  allen 
möglichen  Mitteln  gefüllt  wurde  und  zum  Zerwurfniss  seines 
Nachfolgers  mit  den  Colonna  Anlass  gab,  von  jenem  Calixtus'  111., 
Pauls  IL,  Innocenz'  VIII.  Aber  manche  Pontificate  waren  in 
finanziellen  Nöthen,  andere  zeigten  sich  zu  splendid  im  Aus- 
geben. Ersteres  begegnete  Eugen  TV,  in  unruhigster  Zeit, 
letzteres  Nicolaus  V.,  Pius  U.,  Sixtus  IV.  Bauten,  hterarische 
Arbeiten,  vor  allem  die  Tiirkenkriege  und  die  den  fremden 
Fürsten  zu  diesem  Behufe  gezahlten  Subsidien  verschlangen 
das  Einkommen.  Als  Calixtus  III.  die  prächtige  Büchersamm- 
lung  Nicolaus'  V.  sah,  äusserte  er  vorwurfsvoll  dafür  also  sei 
der  Schatz  der  Kirche  geleert  worden.  Er  hätte  aber  nicht 
vergessen  sollen,  dass  Nicolaus  nicht  blos  die  unter  seinem  Vor- 
gänger aufgehäuften  Schulden  abgetragen  hatte,  sondern  ihm 
ungeachtet  seiner  grossen  Unternehmungen  noch  Ueberschiisse 
hinterliess.  Man  versuchte  sich  auf  verschiedenartigste  Weise 
Geld  zu  verschaflTen.  Eugen  IV.  steigerte  die  Gabellen,  wo- 
durch er  die  Römer  reizte  so  dass  er  sich  am  Ende  doch  zur 
Herabsetzung  der  Weinsteuer  auf  den  alten  Bestand  veranlasst 
fand,  wie  denn  zu  Ende  seiner  Regierung  die  städtischen  Zölle 
äusserst  massig  waren.  Verkäufe  und  Verpfandungen  von  Grund- 
stücken wie  deren  Verleihung  auf  Lebenszeit  oder  auf  mehre 
Generationen  waren  ein  Nothbehelf  in  schwierigen  Zeiten.  So 
kam  Borgo  San  Sepolcro  als  Pfand  für  25,000  Goldgulden  an 
die  Repubhk  Florenz,  Vico  und  Caprarola  für  7375  an  den 
Grafen  von  AnguiUara.  Everso  von  Anguillara  hatte  der  Kam- 
mer 3333  Goldgulden  geliehen  gegen  Hypothek  auf  Nepi,  Monte- 
rosi  und  Isola.  Da  er  gegen  den  Papst  rebellirte,  wurde  er 
des  Geldes  wie  der  Hypothek  verlustig  erklärt  und  letztere 
den  Orsinen  von  Tagliacozzo  für  eine  gleiche  Summe  verliehen. 
Unter  Nicolaus  V.  brachte  das  Jubeljahr  grosse  Summen  ein: 
genaue  Bezeichnungen  fehlen,  aber  man  weiss  dass  der  Papst 
bis  zu  100,000  Goldgulden  auf  einmal  der  mediceischen  Bank 
übergeben  konnte.  Wir  haben  eine  ungefähre  Angabe  Pius'  H., 
nach  welcher  das  Jahreseinkommen  der  Kammer  sich  auf 
300,000  Goldgulden  belief,  wovon  die  Hälfte  fiir  Hof  und 
Verwaltung  gebraucht  wurden.  Der  beiweitem  grossere  Theil 
dieser  Summe  muss  aus  anderen  Ländern  gekommen  sein, 
unter  Pius'  Regierung  eröffnete  sich  eine  Finanzquelle  durch 


Alaun  werke  von  Tolfa.    Mflnzwesen.  281 

die  Entdeckung  des  alaunhaltigen  Gesteins  bei  Tolfa,  einem 
armen  Oertchen  im  vulcanischen  Hügellande  zwischen  Civita- 
vecchia  und  dem  Gebiet  von  Cometo  und  Viterbo.  Giovanni 
de  Castro  der  Sohn  Paolos  des  berühmten  Rechtsgelehrten, 
ein  Familiär  des  Papstes  und  einst  in  industriellen  Unterneh- 
mungen in  der  Levante  thätig,  war  der  Entdecker.  Der  Fund 
war  um  so  wichtiger  da  man  dadurch  der  Beziehung  dieses 
Products  aus  dem  Orient  überhoben  ward ,  der  Alaun  von  Tolfa 
sich  als  von  besonderer  Reinheit  erwies,  die  künstliche  Fabri- 
cation  dieses  Doppelsalzes  erst  späten  Zeiten  vorbehalten  war. 
Man  begrüsste  den  Fund  mit  hochfliegenden  Erwartungen.  Am 
23.  August  1461  bestätigte  der  Papst  den  von  De  Castro  mit 
der  Kammer  und  der  Stadt  Cometo  abgeschlossenen  Vertrag, 
gemäss  welchem  er  von  Je  1000  Pfund  Alaun  der  Kammer 
zwei  Goldgulden  entrichten,  von  dem  gedachter  Gemeinde  zu- 
kommenden Ertrage  aber  die  Mauern  hergestellt  und  armen 
Mädchen  Mitgift  ausgesetzt  werden  sollte.  Im  Juni  des  fol- 
genden Jahres  wurde  Biagio  Spinola  auf  zwanzig  Jahre  zum 
obersten  Verwalter  der  Alaunwerke  bestellt,  an  denen  andere 
Genuesen,  Doria,  Centurioni,  Giustiniani  u.  m.,  dann  auch  die 
Medici  sich  durch  Contracte  mit  der  Kammer  betheiligten.  Die 
öde  Umgebung  wurde  bald  belebt;  heute,  wo  die  Wichtigkeit 
der  Ausbeutung  nicht  mehr  dieselbe  ist,  hat  Tolfa  eine  Be- 
völkerung von  etwa  2500  Seelen.  Der  Ertrag  des  Alauns  stieg 
bald  auf  100,000  Goldgulden.  -  Pius  II.  nahm  an  der  Sache  den 
lebhaftesten  Antheil;  in  seiner  Gegenwart  gewann  Biagio  Spi- 
nola, der  in  Venedig  sich  gleicher  Fabrication  gewidmet  hatte, 
das  Salz  aus  dem  Gestein.  Es  freute  ihn  namenthch  dass  man 
nun  den  Ungläubigen  so  grossen  Vortheil  nicht  femer  zuzu- 
wenden brauche  ~  zum  Kriege  wider  dieselben  wurden  im 
Conclave  Pauls  U.  die  Einkünfte  der  Alumieren  bestimmt. 
Dieser  Papst  war  es,  der  nach  längeren  Streitigkeiten  mit  den 
hier  begüterten  Orsinen  Tolfa  für  17,000  Goldgulden  kaufte. 
Im  Conclave  nach  Sixtus'  IV.  Tode  wurden  die  Alaunwerke 
zur  HerbeischaSung  von  50,000  Goldgulden  für  den  Türkenkrieg 
angewiesen;  sollten  sie  es  nicht  einbringen,  so  würden  andere 
Einnahmequellen  aushelfen. 

Im  Münzwesen  scheint  grosse  Unordnung  eingerissen  zu 
sein.  Ausser  Rom  prägten  mehre  Städte  wie  namentlich  Bo- 
logna, und  grosse  ja  selbst  kleine  Feudatare  Münze,  mit  und  ohne 


282  Miinzwesen. 

päpstliche  Bewilligung,  zum  Theil  mit  kaiserlichem  Privilegimn 
wie  Lud\^ng  der  Baier  es  den  Colonna  von  Pale^trina  ertheili 
Friedrich  III.  noch  im  Jahre  1452  bestätigt  hatte.  Ueberdies 
cursirten  fremde  Münzen  namentlich  venetianische,  florenti- 
nische,  neapolitanische  im  Kirchenstaat  ohne  legal  festgestell- 
ten Werth,  abgesehn  von  dem  vielen  falschen  Gelde  welches 
theils  im  Lande  selbst  fabrizirt  theils  eingeschmuggelt  war. 
Eine  Constitution  Pauls  IL  vom  Jahre  1465  suchte  die  Müqz- 
einheit  herzustellen,  indem  nur  nach  dem  Muster  der  päpst- 
lichen Münze  zu  prägen  gestattet,  die  cursirenden  Bologniner 
und  Marchigianer  zu  einem  bestimmten  Satze  innerhalb  vier  Mo- 
naten und  nicht  darüber  von  den  Tesorieren  und  Camerlengen 
angenommen  werden,  die  Zalilungen  fortan  nur  in  päpstlicher 
Münze  geschehn  sollten.  Die  reformirten  römischen  Statuten 
von  1469  verordneten  dass  in  jedem  Rion  zwei  Mitglieder  der 
Zunft  der  Bankhalter,  Kaufleute  oder  Goldschmiede  auf  sechs 
Monate  vom  Senator  und  den  Conserv-atoren  als  Münzwardeine 
bestellt  werden  sollten.  Die  Goldmünze,  der  Fiorino  oder 
Ducat,  hatte  den  Gelialt  des  florentinischen  der  so  vielfach 
zum  Muster  gedient  hat;  sechsundneunzig  bildeten  ein  Pfiind 
Goldes.  Die  Silbermünze  waren  die  Grossi  welche  dann  von 
Innocenz  VlII.  an  verdoppelt  und  vervierfacht  wurden,  Scheide- 
münze waren  Bajocchi  und  Quattrini.  Die  päpstliche  Münze 
wie  sie  bis  auf  Pius  IX.  bestanden  hat,  wurde  unter  Julius  II. 
festgestellt,  welcher  den  Goldgulden  zu  zehn  GiuU,  vormals 
Carlini  nach  Carl  von  Anjou,  später  Paoli  nach  Paul  HI. 
prägte.  Die  Constitution  Pauls  IL  scheint  dem  üebel  doch 
nicht  abgeholfen  zuhaben,  denn  SixtusIV.  fand  sich  im  Jahre 
1476  zu  einer  ähnlichen  Maassregel  veranlasst.  Wenn  er  aber 
ein  Jahr  darauf  durch  Ertheilung  dos  Münzrechts  an  Girolamo 
Riario  für  Imola  die  schon  übergrosse  Zahl  der  Münzstatten 
noch  mehrte,  war  nicht  abzusehn  wie  rechte  Ordnung  herzu- 
stellen sein  sollte.  Von  Innocenz  VIII.  an  pflegte  mau  die  rö- 
mische Münze  auf  fünf  Jahre  zu  verpachten.  Die  Münzmeister 
wurden  vom  Papste  ernannt.  Unter  Nicolaus  V.  war  es  der 
Florentiner  Francesco  Maria  di  Francesco,  unter  Paul  II.  und 
Sixtiis  IV.  P^miliano  Orsini  von  Fuligno  und  der  Römer  Pietro 
Paolo  beigenannt  della  Zecca,  unter  Innocenz  VIII.  Antonio 
Altoviti  von  Florenz.  Die  Münzverwaltung  stand  unter  dem 
Cardinal -Camerlengo.  Unter  diesem  stand  ebenso  das  städtische 


Finanzoperationen.    Kaufliche  Aemter.    VerJusserungen.  283 

Salzamt,  dessen  Ertrag  nicht  unbedeutend  gewesen  sein  kann, 
da  eine  Menge  Städte  und  Orte  auf  dasselbe  angewiesen  waren. 
Der  Oberzöllner  des  Salzamts  bezog  ein  Fünftel  des  Gewinns. 
Auch  Cometo  hatte  ein  Salzamt. 

Die  endlosen  Kriege  in  welche  die  Päpste  seit  Sixtus  I\''. 
verwickelt  waren ,  mussten  zu  verschiedenen  Finanzoperationen 
fuhren.  Unter  gedachtem  Papste  begann  das  Creiren  von 
käuflichen  Aemtern  in  der  Curie  unter  Anweisung  auf  gewisse 
Einkommenzweige,  was  unter  Innocenz  VIII.  fortgesetzt  und 
später  in  so  erdruckendem  Uebermaass  gesteigert  wurde.  Aber 
auch  vSixtus  IV.-musste  zu  Veräusserungen  und  Verpfändungen 
sehreiten,  wie  er  denn  im  Jahre  1478  dem  Cardinal  d'Estoute- 
ville  gegen  die  zur  Unterstützung  des  römischen  Volkes  in  der 
vorausgegangenen  Hungersnoth  vorgestreckten  25,000  Goldgul- 
den die  Castelle  Frascati,  Soriano,  Gallese,  Cerveteri  u.  a.  zur 
Wiederaufbringung  der  Summe  anwies.  Die  Gabellen  wurden 
erhöht,  die  Mahlsteuer  eingeführt  oder  bedeutend  gesteigert 
da  schon  eine  Abgabe  dieser  Art  bestand.  Die  Gefahr  worin 
Italien  durch  die  Landung  der  Türken  bei  Otranto  versetzt 
ward,  forderte  zu  äusserster  Anstrengung  auf.  Der  Papst 
gestand  selbst,  der  Schatz  sei  leer,  die  Zölle  verpfändet,  die 
Unterthanen  übermässig  besteuert;  er  werde  sein  Tafelgeschirr 
und  die  Juwelen  seines  Triregnums  verkaufen,  um  zum  Kampf 
gegen  den  Feind  der  Ctiristenheit  mitzuwirken.  Die  Türken- 
noth  war  es  auch  was  im  Jahre  1500  die  Abschätzung  des 
p]inkommens  der  Cardinäle  und  der  Mitglieder  der  Curie  ver- 
anlasste ,  indem  Alexander  VI.  von  dem  geistlichen  Einkommen 
den  Zehnten  einforderte.  Eine  Operation  welche  bei  den 
crsteren  38,900,  bei  letzteren  10,792  Goldgulden  einbrachte. 
C^ardinal  Ascanio  Maria  Sforza  erschien  damals  mit  einer  Rente 
von  30,000  Goldgulden  als  reichstes  Mitglied  des  h.  CoUegiums, 
aber  diese  Summe  reprasentirte  ohne  Zweifel  keineswegs  seine 
ganze  Einnahme.  Cesare  Borgia  hatte,  wie  wir  sahen,  mehr 
als  er  den  Purpur  ablegte.  Unter  dem  genannten  Papste  be- 
reitete der  Wechsel  der  Besitzverhältnisse  in  den  Marken  und 
der  Romagna  einen  beträchtlichen  Zuwachs  des  Einkommens 
<ler  Kammer,  welcher  sich  unter  den  nachfolgenden  Regierun- 
gen steigerte. 

Werfen  \vir  nun  einen  Blick  auf  die  mit  den  römischen 
Finanzverhältnissen    enge    zusammenhangenden    Zustände    der 


284  Campagna  und  Landbaii.    Maassregeln  Sixtus'  IV. 

römischen  Umgebung  in  den  achtzig  Jahren  die  zwischen  der 
Rückkehr  der  Päpste  und  dem  Schluss  des  Jahrhunderts  liegen, 
so  gewahren  wir  die  fortschreitende  Entvölkerung  und  in  deren 
Gefolge  die  Abnahme  des  Landbaus.  In  den  Kämpfen  unter 
Eugen  IV.,  Sixtus  IV.,  Innocenz  VIII.,  Alexander  VI.  verloren 
zahlreiche  Orte,  die  selbst  noch  in  den  letzten  Zeiten  des  Schis- 
mas bestanden,  den  Rest  ihrer  Bewohner.  Päpstliche  Condot- 
tieren  und  die  Mannschaften  benachbarter  Städte  wetteiferten 
in  dem  Zerstörungswerke  mit  fremden  Heerführern.  Das  Castell 
Lariano  auf  einer  der  Höhen  des  Algidus,  ein  ewiger  Zankapfel 
zwischen  den  Annibaldi,  den  Colonna  und  der  Gemeinde  von 
Velletri,  zerstört  und  wiederaufgebaut,  wurde  auf  Befehl  Pius^U. 
im  Jahre  1463  vernichtet  und  das  Gebiet  zwischen  den  Co- 
lonnesen  und  Velletri  getheilt.  Inderthat  waren  manche  Orte 
zu  Schlupfwinkeln  für  Raubgesindel  geworden.  Sie  blieben 
seitdem  entweder  in  Trümmern  hegen  wie  man  deren  heute 
noch  manche  sieht,  oder  wurden  zu  Casali  oder  Gehöften  für 
die  Bewirthschaftung.  Diese  hatte  im  nothwendigen  Zusammen- 
hange mit  den  erwähnten  Verhältnissen  längst  den  Karakter 
angenonmien  den  sie  im  wesenthchen  heute  bewahrt.  Die 
kleinen  Eigenthümer  waren  meist  verschwunden  oder  sie  be- 
trieben die  Wirthschaft  hauptsächUch  von  der  Stadt  aus,  wo 
jedoch  die  Zunft  der  Bovattieri  sich  mehrundmehr  aus  den 
eigentUchen  Mercanti  di  campagna  oder  Pachtunternehmem  zu- 
sammengesetzt haben  muss ,  da  das  ganze  System  der  Bewirth- 
schaftung von  selber  den  Stand  der  kleinen  Eigenthümer  zer- 
störte, indem  es  bei  dem  fortschreitenden  Mangel  an  stabilen 
Arbeitern  weitläufige  Operationen  zum  Heranziehn  von  Frem- 
den nöthig  machte  welche  auf  einer  kleinen  Scala  nicht  mög- 
Uch  waren.  Es  ist  die  Zeit  in  welcher  der  Ackerbau  der 
Viehzucht  entschieden  den  Platz  räumte  und  Rom  wieder  ganz 
von  Getreidesendungen  von  aussen  abhängig  ward,  wobei  denn 
die  enormen  Preisschwankungen  nicht  ausbleiben  konnten  von 
denen  wir  von  Eugens  IV.  Regierung  an  so  oft  vernehmen. 
Hungersnoth  war  keine  Seltenheit  und  die  Päpste  sahen  sieb 
wiederholt  zu  kostspieliger  Abhülfe  genöthigt. 

Sixtus  IV.  versuchte  dem  Uebel  direct  zu  Leibe  zu  gehn. 
Die  von  ihm  getroffenen  Verfügungen  lernen  wir  aus  den  Ver- 
ordnungen Clemens*  Vü.  kennen  worin  es  heisst:  »Es  ist  lange 
her   seit   unser  Vorgänger  Papst  Sixtus  IV. ,   inbetracht  dass 


Campagna  und  Viehzucht.  285 

viele  Jahre  hindurch  die  die  Stadt  Rom  umgebende  Landschaft 
kärgliche  Ernten  von  Getreide  und  Futter  gebracht  zu  grosser 
Einbusse  und  Betrübniss  der  Einwohner,  und  in  der  Erwägung 
das8  nicht  sowol  Einflüsse  der  'Witterung  daran  Schuld  tragen, 
sondern  das  Uebel  vom  geringen  Anbau  der  Aecker  herrührt 
welche,  mn  des  vielleicht  grossem  Gewinns  willen,  von  den 
Eigenthümem   Ueber   brach   gelassen    werden    dem   Vieh    zur 
Weide  zu  dienen,  statt  sie  zu  bebauen  oder  den  Anbau  zu  ge- 
statten, das  Volk  zu  nähren  und  ihm  Unterhalt  zu  verschaffen, 
diesem  Zustande  abzuhelfen  beschloss.     So  verordnete  er  dass 
von   da  an  und  in  Zukunft  es  Allen,  die  dazu  Willen  haben, 
freistehe ,  so  im  Gebiete  unserer  genannten  Stadt  wie  im  Patri- 
monium Petri  in  Tuscien,  Campanien  und  Marittima  zu  pflügen, 
zu  ackern  und  zu  säen  auf  je  dem  dritten  Theil  jeder  Besitzung, 
mag  sie  nun  Klöstern,  Kirchen,  Kapiteln  und  Wohlthätigkeits- 
anstalten  gehören  oder  Privaten  jeglichen  Standes;   vorausge- 
setzt dass  der  welcher  den  Anbau  zu  unternehmen  wiUens  ist, 
in  Gegenwart  eigens  dazu  bestellter  Beamten  den  Eigenthümer 
um  Erlaubniss  gefragt  habe  und  von  ihm  abgewiesen  worden 
sei.«     Der   zu   erlegende  Zins   sollte  von   denselben   Beamten 
festgesetzt  werden.    Welche  Wirkung  diese  bedenkliche  Ver- 
ordnung hatte,  ergiebt  sich  aus  dem  Inhalte  der  Constitution 
Clemens'  VII.     Zwar  beschäftigten   sich   nun  Viele   mit   dem 
Feldbau  und  es  wurde  so  viel  Getreide  gewonnen,  dass  es  für 
den    Bedarf  der   Stadt   reichhch    genügte.     Die   Barone   und 
Edeln  aber  welchen  die  benachbarten  Ortschaften  so  wie  die 
meisten  Ländereien  der  Campagna  gehörten ,  hinderten  die  Ab- 
führung des  Getreides  nach  Rom  und  nöthigten  die  Landbauer, 
ihnen  den  Ertrag  ihres  Schweisses  um  niedem  Preis  zu  ver- 
kaufen um  dann  Wucher  damit  zu  treiben.    Unter  Sixtus  IV. 
begann  sodann,    wie  es  scheint,  jenes  System  des  Proviant- 
wesens welches  bis  zu  Pius'  VI.  Zeit   gewährt   und   so  arge 
finanzielle  Verwicklungen  herbeigeführt  hat.    Es  war  die  An- 
lage von  Magazinen  unter  Leitung  eines  Magistrats  der  Annona 
oder  Abondanza,  welcher  Getreide  kaufte  und  den  Bäckern  zu 
einem  bestimmten  Preise  lieferte  nach  welchem  der  Brodpreis 
festgesetzt  wurde.    Ein  vielfach  zur  Anwendung  gekommenes 
System,  welches  nicht  nur  momentane  pecuniäre  Vortheile  ge- 
üvährte  sondern  auch  das  römische  Volk  vor  Mangel  schützte, 
vrie  es  schon  unter  Sixtus'  Nachfolger  geschah  als  der  Herzog 


286  Caiiipagua  und  Viehzucht. 

von  Calabrieu  im  Jahre  1485  iu  der  Campagna  lag  und  die  Zu- 
fuhr abschnitt,  und  gleicherweise  unter  Alexander  VI. ,  welcher 
zweimal  bei  Miswachs  sicilisches  Getreide  herbeischaffen  und 
zu  massigem  Preise  verabreichen  liess.  Zugleich  aber  der  Aus- 
gangspunkt eines  ökonomischeu  Irrthums,  der  durch  nachfol- 
gende Modificationeu  des  Systems  nur  verschlimmert  worden  ist. 
Der  Einführung  der  eigentlichen  Mablsteuer  unter  Sixtus  IV. 
ist  schon  Erwähnung  geschelm. 

Die  mit  dem  Ackerbau  siegreich  concurrirende  Viehzuclit 
wurde  unter  solchen  Umstanden  für  die  römische  Umgebung 
von  immer  steigender  Wichtigkeit.  Wie  wir  im  vierzehnten 
Jahrhundert  päpstlichen  Verordnungen  in  Bezug  auf  dieselbe 
begegneten ,  so  nahm  sie  auch  jetzt  die  Verwaltung  in  Anspruch. 
Pius  II. ,  Paul  II. ,  Sixtus  IV. ,  Alexander  VI.  erliessen  Verord- 
nungen inbetreff  des  mehrfach  erwähnten  von  den  in  die 
Ebnen  des  Patrimoniums  und  in  die  Campagna  herabsteigen- 
den Heerden  zu  entrichtenden  WeidezoUs,  welcher  zugleich  zur 
Entschädigung  der  Eigenthümer  dienen  sollte,  über  deren  Län- 
dereien das  Vieh  getrieben  wurde.  Der  Ertrag  dieses  Zolls 
scheint  beträchtlich  gewesen  zu  sein.  Pius  II.  untersi^gte  im 
Jahre  1462  geistlichen  wie  weltlichen  Besitzern ,  Weideland  An- 
deren als  der  apostolischen  Kammer  zu  verkaufen,  gewährte 
aber  zugleich  einzelnen  Gemeinden  Exemtionen  für  eignen  Be- 
darf. Die  der  städtischen  Kammer  für  das  Weiderecht  zu  zah- 
lende Abgabe  wie  jene  von  der  Viehausfuhr  wurde  bei  der 
Revision  der  Statuten  vom  Jahre  1469  geregelt,  unter  wesent- 
licher Begünstigung  der  Einheimischen  im  Verhältuiss  zu  Aus- 
ländern. 


DRITTER   ABSCHNITT. 

LITERATUR  UND   KUNST   DES   FÜNFZEHNTEN 

JAHRHUNDERTS. 


1. 

8I6NATÜB  DEB  ZEIT.       URSPRUNG  DES   HUMANISMUS   UND   DER 
GRIECHISCHEN   STUDIEN.      DIE   BIBLIOTHEKEN. 

Die  schöpferische  Epoche  der  itaUenischeu  Literatur  \wr  mit 
dem  Trecento  zu  Ende.     Die  Zeitgenossen  selber  hatten  dies 
Bewusstsein.     »Mit  der  Poesie  ist  es  aus,  leer  steht  die  Höhe 
des  Parnasses,  sprach  Franco  Sacchetti  bei  Boccaccios  Tode, 
auf   allen   Seiten    blasen   die   Hörner    zum    Rückzug.      Dahin 
ist  die  schöne  Zeit:  ich  weiss  nicht  ob  sie  wiederkehrt,  doch 
jedenfalls  wird's  spät  werden«.    Das  folgende  Jahrhundert  war 
ein  rückwärts  schauendes.    Die  Tendenz  aber  war  schon  früher 
da.    Zwar  hatte  sich,  so  gross  der  Cultus  der  Dichter  der  classi- 
sehen  römischen  Zeit  bei  Dante  und  Petrarca  war,  die   italie- 
nische   Poesie   unabhängig    von   antikem    Einfluss    entwickelt, 
aber  die  Prosa  Boccaccios  war  in  römische  Fesseln  geschlagen 
worden.    Zugleich  hatten  Petrarca  und  Boccaccio  den  Grund 
zum  Werke  der  Wiederbelebung   des   classischen  Alterthums 
«gelegt.     Es  ist  natürUch    dass  ihre  Bestrebungen  fruchtbaren 
Boden  fanden.     Die  lateinische  Sprache,  so  verdorben  sie  sein 
uiogte,  war  in  der  Kirche,  in  den  Fachwissenschaften,  im  Ge- 
schäftsleben lebendig  geblieben.     Die  Literatur  erkannte  in  ihr 
immer   noch   ihr   eigentliches   Medium.     Neben   den   vulgären 
Dichtungen   entstanden  von  derselben  Hand  lateinische  Epo- 
poeen  und  Eklogen,  neben  den  Chroniken  Giovanni  Villanis  und 
Dino    Compagnis  entstanden  die  lateinischen  Geschichtswerke 
des   Mussato,  Ferreto,   Giovanni   da  Cermenate,  welche  einen 
höhern  Ton   als    den  ihrer  Vorgänger  anzuschlagen  den  An- 
spruch erhoben.    So  war  der  Richtung  welche  man  die  huma- 
nistische zu  nennen  pflegt,  der  Weg  gebahnt  —  so  lassen  sich 


288  Das  Mittelalter  und  die  classischc  Literatur. 

Petrarca  und  Boccaccio  als  die  ersten  Humanisten  bezeichnen, 
wobei  man  jedoch  den  radicalen  Unterschied  nicht  überseheu 
darf,  dass  Beide  schaffende  Geister,  ihre  Nachfolger  nur  repro- 
ductive  waren.  Die  Entwicklung  dieser  Tendenz  ist  danu 
wenngleich  eine  rasche  doch  stufenweise  gewesen.  Ein  allge- 
meiner Zug  des  Geisteslebens  kam  ihr  zu  statten. 

Die  Anschauung  des  Mittelalters  war  überwunden.  Die 
Schranken  des  Autoritätsglaubens  waren  durchbrochen.  Die 
Meinungskämpfe  der  ersten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
hatten  diesem  Glauben  ganz  andere  Wunden  geschlagen,  als 
in  den  vorhergehenden  der  Streit  zwischen  geistUcher  und 
weltlicher  Gewalt.  Das  Papstthum  hatte  seit  Bonifaz  VIII. 
seine  Stellung  nicht  zu  behaupten  verstanden.  Seine  grossen 
Aufgaben  schienen  erfüllt,  seine  neueren  Bestrebungen  verfehlt 
Die  Bahn  der  Zukunft  war  noch  keinem  Auge  klar  vorgezeicli- 
net.  Während  der  Pontificat  noch  Machtvollkommenheit  über 
die  Reiche  in  Anspruch  nahm,  hatte  die  avignonische  Epoche 
seine  Unabhängigkeit  in  Frage  gestellt,  schon  bevor  das  Schisma 
den  Primat  selbst  gefährdete.  Die  theologische  Doctrin  ging 
durch  den  Verfall  der  Scholastik  und  ihres  Lehrsystems  längst 
einer  radicalen  Umwandlung  entgegen.  Eine  der  Hauptursachen 
dieses  Verfalles,  das  Anlehnen  an  die  aristotelische  Philosophie, 
somit  das  Heranziehn  von  Zeugnissen  der  altclassischen  Welt 
für  die  kirchliche  Wissenschaft,  hängt  aufs  engste  mit  der 
ganzen  Richtung  zusammen,  welche  lange  vorbereitet  vor  dem 
Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  zum  Durchbruch  kam,  im 
folgenden  vollständig  den  Sieg  errang.  Der  Wissens-  und 
Forschungsdrang  auf  dem  Felde  der  Welterkenntniss  führte 
nothwendig  zu  einer  ganz  andern  als  der  bisherigen  Beschäfti- 
gung mit  der  alten  Literatur.  Der  letzte  Rest  frühmittelalter- 
licher Scheu  vor  einer  Gedanken  -  und  Gefuhlsiichtung  welche 
das  Christenthum  bekämpft  und  überwunden  hatte ,  eine  Scheu 
welche  bis  zur  Abneigung  gegen  das  Studium  heidnischer  Auto- 
ren gesteigert,  namentlich  auf  dem  Felde  der  ethischen  Anschau- 
ungen und  Begriffe  nur  zu  begründet  gewesen  aber  im  Laufe  der 
Zeiten  zugleich  mit  der  einst  von  ihr  drohenden  Gefahr  abge- 
schwächt worden  war,  schwand  vor  dem  neuen  Geiste.  Diese 
Tendenzen  hatten  ihre  doppelte  Seite.  Sie  konnten  zu  lebendi- 
ger Fortentwicklimg  den  Grund  legen  —  sie  konnten  destructiv 
wirken.     Sie  haben  beides  gethan.    Die  Cultur  des  fünfzehnten 


Anfüge  des  Humanisnius.    Petrarca  und  Boccaccio.  289 

JahrhuBdertB  in  welcher  die  im  vierzehnten  ausgestreute  Saat 
machtig  aufschoss,  hat  durch  das  Ergreifen  und  Beherr- 
schen der  in  halbe  Vergessenheit  gerathenen  Erbschaft  der 
antiken  Welt  den  Ideenkreis  auf  allen  Feldern  unendlich  er- 
weitert Sie  hat  aber  infolge  ihres  schrankenlosen  Hingebens 
an  gefeierte  Autoritäten,  im  Bestreben  das  Moderne  dem  Ge- 
setz des  Classischen  zu  unterwerfen,  und  in  augenfäUigem  Ver- 
wechseln von  Mitteln  und  Zweck  ein  neues  Heidenthum  ge- 
schaffen, dessen  die  Neuzeit  sich  zwar  im  Bewusstsein  der 
Nothwendigkeit  der  Durchdringung  und  Umwandlung  ethischer 
Verhältnisse  in  seinen  schhmmsten  Auswüchsen  aber  nur  müli- 
sam  und  unvollständig  entledigt  hat. 

Der  literarische  Vorratli  alter  Literatur  war  im  vierzehnten 
Jahrhundert  dürftig.  Nur  die  vornehmsten  Dichter  der  augustei- 
schen Zeit,  ein  Theil  der  Werke  der  Historiker,  Philosophen, 
Redner,  Epistolographen  nebst  einigen  Büchern  der  spätem 
Kaiserzeit  waren  aus  dem  grossen  Schiffbruch  gerettet  worden. 
Griechische  Autoren  kannte  man  nur  aus  s|)ärhchen  und  will- 
kürhchen  Uebersetzungen.  Die  Bücher  waren  theuer,  zum 
Theil  unerschwingUcIi.  Die  Zahl  der  Bibhotheken  war  gering 
und  von  den  wenigen  waren  manche  schlecht  gehalten,  wie 
man  namentUch  durch  Boccaccios  Schilderung  des  Zustandes 
jener  von  Montecassino  weiss.  Wie  sehr  gering  und  auf 
Wenige  beschränkt  die  Kenntniss  des  römischen  Alterthums 
war  (von  dem  griechischen  war  nicht  die  Rede),  hat  die  Ge- 
schichte Rienzis  gezeigt.  In  dieser  Zeit  haben  die  beiden 
grossen  Toscaner  welche  in  der  Lyrik  wie  in  der  Novelle 
den  Ton  angaben,  unendhch  fördernd  gewirkt.  Ihre  eignen 
Werke  waren  freilich  mangelhaft,  namenthch  Boccaccios  müh- 
selige Compendien  über  griechisch-römische  Mythologie,  He- 
roen des  Alterthums  und  Weltkunde.  Aber  sie  enthielten  eine 
Ftdle  gelehrten  Wissens ,  während  Petrarcas  moralphiloso- 
phische  Abhandlungen  und  vielbewunderte  Briefe  immer  noch, 
wäre  es  selbst  nur  wegen  des  in  ihnen  sichtbaren  Versuches 
der  Ausgleichung  der  im  Alterthum  wurzelnden  mit  den 
modernen  Begriffen,  Bedeutung  bewahren.  Vielleicht  mehr 
noch  als  durch  ihre  Schriften  wirkten  Beide  durch  Anregung 
ilirer  Zeitgenossen ,  so  an  König  Roberts  literarisch  gebildetem 
Hofe  wie  in  ihrer  Nähe.  Giovanni  von  Ravenna,  Petrarcas 
ungefügiger  Schüler,  der  in  Florenz  und  anderen  Städten  Latein 

T.  Reomont,    Rom.    III.  X9 


290  Coluccio     alutati. 

lehrte ,  der  florentinische  Augustinermönch  Luigi  Marsigli  wel- 
cher eine  schöne  Handschriftensammlung  zusammenbrachte  die 
er  seinem  Kloster  Sto  Spirito  schenkte,  und  literarische  mit 
theologisch -philosophischer  Bildung  verband,  namentlich  Co- 
luccio Salutati  gehörten  zu  dem  Kreise  der  dem  Einfluss  jener 
beiden  Gefeierten  am  zugänghchsten  war.  In  der  Geschichte 
der  letzten  avignonischen  Zeit  und  des  Schismas  ist  von  die- 
sem talentvollen  Manne,  welcher  in  Literatur  und  Pohtik  eine 
so  bedeutende  Stelle  einnimmt,  wiederholt  die  Rede  gewesen. 
Zu  Stignano  einem  Oertchen  im  Nievolethale  geboren,  in  Bo- 
logna gebildet  war  Coluccio  als  apostoUscher  Schreiber  in  den 
Dienst  UrbansV.  getreten,  bei  dem  er  in  Avignon  und  Eom 
weilte.  Auch  Gregor  XI.  diente  er  in  Avignon ,  trennte  sich 
jedoch  von  ihm  um  erst  in  Lucca  ein  öffentliches  Amt  zu 
übernehmen,  bis  er  im  Jahre  1375  zum  florentinischen  Kanzler 
ernannt  ward.  In  dieser  Stellung  welcher  er  durch  seine  ge- 
wandte Feder  eine  bis  dahin  unbekannte  Bedeutung  gab,  wäh- 
rend er  die  Reihe  der  berühmten  Staatsschreiber  eröfihete  die 
bis  zum  Untergang  der  Republik  eine  beinahe  ununterbrochene 
Folge  gebildet  haben,  blieb  er  bis  zu  seinem  im  Jahre  1406 
erfolgten  Tode.  Der  seinen  lateinischen  Staatsschriften  beige- 
legte Wertli  ist  begreiflicherweise  nur  an  dem  Maassstabe  der 
Zeit  zu  messen,  während  in  seinen  Deductionen  wie  in  seinen 
Invectiven,  unter  denen  die  gegen  die  Curie  Ergüssen  person- 
lichen Grolls  eines  alten  Curialisten  sehr  ähnlich  sehen,  die 
Declamation  vorwaltet  von  der  sich  auch  der  Geschäftsstil  nicht 
befreien  konnte.  Aber  die  scharfe  Dialektik  machte  auf  die 
Zeitgenossen  ebenso  Eindruck,  wie  die  fliessende  von  der 
Sprache  bisheriger  officieller  Documente  sehr  verschiedene 
Ausdrucksweise.  Seinem  durch  seine  sonstige  literarische 
Thätigkeit  verstärkten  Beispiel  ist  es  vorzugsweise  beizumessen, 
dass  bei  der  Wahl  seiner  Nachfolger  anderthalb  Jahrhunderte 
lang  schriftstellerische  Begabung  ebenso  den  Ausschlag  gah 
wie  geschäftUche  Tüchtigkeit,  und  die  florentinische  Kanzlei  in 
der  Literärgeschichte  eine  so  ehrenvolle  Rolle  spielt 

Als  das  vierzehnte  Jahrhundert  sich  seinem  Ende  näherte, 
wurde  Florenz,  Heimat  der  nationalen  Literatur,  das  Centrum 
der  von  diesen  Männern 'vorbereiteten  und  eingeleiteten  huma- 
nistischen Bewegung.  Was  in  anderen  itahenischen  Städten, 
an  den  Fürstenhöfen  namentlich ,  in  vereinzelten  Erscheinungen 


Contrast  zwischen  Florenz  und  Rom.    Signorili.  291 

auftauchte,  blühte  hier  durch  einen  Verein  von  Gleichgesinnten, 
in  welchem  edle  und  reiche  Bürger  und  Fachgelehrte  einander 
die  Hand  reichten.  Die  vomehmen  Florentiner  hatten  längst 
geistige  Thätigkeit  gepflegt.  Dante,  Guido  Cavalcanti,  Dino 
Compagni  gehörten  edelsten  Geschlechtern  an.  Der  Mäcenat 
verband  sich  mit  eigner  wissenschaftlicher  Thätigkeit.  Wäh- 
rend noch  der  bekannte  Grossseneschal  von  Neapel  Niccolo 
Acciajuoli  sich  so  wenig  über  blos  äusserhchen  Patronat  er- 
hoben zu  haben  scheint,  dass  Boccaccio  in  seinem  Unmuth 
ihn  durch  eine  vielleicht  übertriebene ,  schwerhch  aus  der  Luft 
gegriffene  Schilderung  vor  der  Nachwelt  stygmatisirt  hat,  wuchs 
jene  Generation  edler  Männer  heran,  welche  bald  selbst  Hand 
anlegten,  an  ihrer  Spitze  Messer  Palla  Strozzi,  der  wenn  nicht 
das  Glück  doch  den  Ruhm  der  grossen  Mediceer  theilte.  So 
wetteiferte  auf  diesem  vom  Geschick  begünstigten  Boden  die 
Aristokratie  der  Geburt  mit  jener  des  Geistes,  während  Wissen- 
schaft und  Kunst  nochmals  vereint  neue  Bahnen  einschlugen. 

Währenddessen  bot  Rom  einen  ganz  verschiedenen  An- 
bUck  dar. 

Die  gelehrten  Toscaner  waren  einstimmig  in  ihren  An- 
klagen römischer  Uncultur.  Mit  Petrarca  den  wir  vernommen 
haben ,  stimmt  Boccaccio  überein.  In  stärkstem  Ausdruck  sagte 
er,  wie  einst  an  der  Spitze  stehe  Rom  jetzt  zu  unterst  in  den 
Dingen  dieser  Welt.  Mit  den  Päpsten  schienen  auch  literarische 
Bestrebungen  wieder  einkehren  zu  wollen.  Aber  sie  fanden 
unfruchtbaren  Boden.  Wenn  dennoch  hier  Keime  gepflanzt 
wurden  die  in  der  auf  das  Schisma  folgenden  Zeit  aufschössen, 
so  geschah  es  meist  durch  Nichtrömer.  Der  einzige  Einhei- 
mische den  wir  gegen  den  Schluss  des  Jahrhunderts  mit  ge- 
lehrter Arbeit  beschäftigt  finden,  war  Niccolo  Signorili  Senats- 
schreiber und  Secretär  der  Brüderschaft  von  Sancta  Sanctorum. 
Martin  V.  trug  diesem  Manne  auf,  alle  Nachrichten  und  Be- 
weise über  Rechte  und  Privilegien  der  Stadt  zu  sammeln,  ein 
Auftrag,  welchen  er  durch  sein  noch  in  der  Urschrift  vorhan- 
denes Buch  »De  iuribtts  et  excellentiis  Urbis  Romae«  entsprach. 
In  demselben  findet  sich  auch  eine  topographische  Darstellung 
der  alten  Stadt,  die  nichts  anderes  als  das  mehrgenannte  Cu- 
riosum  ist,  mit  kurzen  Auszügen  aus  der  Chronik  des  Martinus 
Polonus  die  für  das  Mittelalter  eine  der  Hauptquellen  der 
Papst^eschichte   war.     Vor   diesem   Tractat   scheint   Signorili 

19* 


292  SignoriU.    Giiisto  de'  Conti.    Die  Univeraitit 

einen  andern  über  denselben  Gegenstand  aber  in  einem  Sinne 
yerfasst  zu  haben,  der  lebhaft  an  die  Ansichten  Coias  di 
Rienzo  erinnert.  Für  Rom  hatte  er  noch  eine  andere  Bedeu- 
tung. Die  Geschichte  der  Rienzischen  Zeit  hat  gezeigt  wie  die 
Kenntniss  der  Inschriften  ja  die  Fähigkeit  sie  zu  lesen  abhan- 
den gekommen  war,  wie  selbst  ein  Petrarca  denselben  kaum 
Beachtung  geschenkt  zu  haben  scheint.  Um  das  Jahr  1375 
gab  ein  Mann  sich  die  Mühe  einige  wenige  Inschriften  zu  co- 
piren.  Es  war  Giovanni  Dondi  Sohn  jenes  Giacomo,  welchem 
seine  kunstreiche  Uhr  auf  dem  Thurm  des  Gemeindepalastes 
seiner  Vaterstadt  Padua  den  Beinamen  Dali'  Orologio  eintrug, 
der  sich  auf  seine  Nachkommen  vererbt  hat,  Physiker  und 
Mechaniker,  Arzt  Gian  Galeazzo  Viscontis.  Der  erste  aber 
welcher  nach  dem  Anonymus  von  Einsiedeln  eine  Sammlung 
derselben  anlegte  war  Niccolö  Signorili,  und  diese  Sammlung 
von  »Epitaphia«  ist  nicht  nur  Vorläuferin  mehrer  noch  zu 
nennenden,  sondern  ihre  Abschriften  sind  auch  theilweise  in 
viel  spätere  Sanunlimgen  übergegangen.  Wie  die  Gelehrsam- 
keit findet  auch  die  Poesie  einen  vereinzelten  Vertreter  in  Rom 
zu  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts.  Es  ist  Giusto  de' 
Conti  von  Valmontone,  der  Verfasser  einer  unter  dem  Namen 
»La  bella  mano«  bekannten  Reihe  von  Dichtungen,  unter  den 
Petrarchesken  einer  der  anmuthigeren  obgleich  nicht  frei  von 
ilurer  Eintönigkeit  Giusto,  welchen  man  vielleicht  ohne  Grund 
der  FamiUe  Papst  Innocenz*  lU.  zugetheilt  hat  die  sich  übri- 
gens neben  ihren  anderen  Kronen  dieses  poetischen  Lorber- 
reises  nicht  zu  schämen  haben  würde,  war  Rechtsgelehrterund 
Rath  Sigismondo  Malatestas  bei  dem  er  in  Rimini  starb.  Er 
dichtete  zu  Bologna  im  Jahre  1407. 

Papst  Innocenz  VII.  hatte  die  römische  Universität  wieder 
ins  Leben  zu  rufen  versucht  Da  die  Bemühungen  der  ersten 
avignonischen  Päpste,  Bonifaz'  VIII.  Stiftung  zu  bewahren, 
deren  Verfall  zu  hindern  unvermögend  gewesen  waren,  hatte 
in  der  zweiten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  der  Senat 
sich  ins  Mittel  zu  legen  versucht.  Da  das  alte  Local  bei  Saut' 
Eustachio  zu  anderen  Zwecken  verwendet  gewesen  zu  sein 
scheint,  hatte  er  in  Trastevere  öffentliche  Schulen  errichtet, 
wo  das  Recht,  Medicin  und  Grammatik  gelehrt  wurden.  Aber 
die  VerStörung  des  Schismas  hatte  Alles  vernichtet  Nachdem 
Innocenz    zu  Anfang  seiner  am   1.  September  1406  erlassenen 


Die  Universit&t  und  Innocenz  VII.    Andere  Hochschulen.  293 

Bulle  ausgeführt,  welcher  Glanz  und  Ruhm  den  Städten  aus 
den  Hochschulen  erwachsen,  hatte  er  hinzugefügt:  »unter 
Gottes  Beistand  haben  wir  so  beschlossen,  diese  während 
längster  Zeit  hier  ganz  vernachlässigten  Studien  in  unserem 
Pontificat  zur  Stadt  zurückzufuhren  und  in  Aufnahme  zu 
bringen,  damit  die  Wissenschaft  die  Menschen  zur  Kenntniss 
der  Wahrheit  führe,  und  sie  Gott  und  den  Gesetzen  gehorchen 
lernen.«  »Rom,  fiigte  der  Papst  hinzu,  lehrt  das  von  ihm 
selbst  Erzeugte,  andere  Städte  lehren  Fremdes.«  Theologie, 
Recht,  Medicin,  Philosophie,  Physik,  Rhetorik  sollten  die 
Lehrgegenstände  bilden,  tüchtige  Professoren  herbeigerufen 
werden.  Vielleicht  bezog  sich  der  von  Innocenz  VII.  be- 
schlossene Ankauf  des  Teutschordenshauses  in  der  Leostadt 
auf  diese  Hochschule,  die  er  in  seiner  Nähe  zu  sehn  wünschen 
mogte.  In  so  stürmischer  Zeit  entsprach  jedoch  der  Erfolg 
der  löblichen  Absicht  nicht.  Wir  wissen  durch  Dietrich  von 
Niem  dass  die  Universität  verlassen  blieb.  Wie  in  Rom  war 
auch  an  anderen  Orten  diese  Zeit  den  Studien  nicht  günstig 
gewesen.  Die  berühmte  Universität  Bologna  war  seit  der  Mitte 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  in  Abnahme,  obgleich  Päpste 
wie  Innocenz  VI.  und  Gregor  XI.  und  Cardinäle  wie  Albomoz 
sich  ihrer  angenommen  hatten.  Erst  im  folgenden  Jahrhundert 
erholte  sie  sich  wieder,  ohne  jedoch  die  alte  Bedeutung  und 
Frequenz  zu  erlangen.  Pavia  war  von  einer  Reihe  widriger 
Ereignisse  betroffen  worden;  Padua  würde  imter  den,  den 
Untergang  des  Hauses  Carrara  begleitenden  Stürmen  noch  weit 
mehr  gelitten  haben,  hätten  nicht  die  Venetianer  durch  exclu- 
sive  Privilegien  Alles  aufgewandt  diese  Schule  zu  halten  und 
zu  heben.  Die  von  Pisa  hatte  die  entsetzUchen  Bedrängnisse 
der  sterbenden  Autonomie  eben  so  schwer  empfunden  wie  die 
Rivalität  von  Florenz.  Wie  diese  grossen  Schulen  hatten  auch 
die  kleineren  wechselnde  Geschicke  erlebt.  So  namentlich  die 
in  den  Provinzen  des  Kirchenstaats.  Ferrara,  vom  Markgrafen 
Alberto  von  Este  1391  eröffnet ,  war  fast  unmittelbar  darauf  ge- 
schlossen und  wiedereröffnet  worden,  ohne  längere  Zeit  hin- 
durch zu  rechtem  Leben  zu  gelangen.  Die  Schule  von  Fermo, 
von  Bonifaz  VIII.  kurz  vor  der  römischen  gestiftet,  war  immer 
unbedeutend  geblieben.  Die  von  Perugia,  von  Clemens  V.  ge- 
gründet, hatte  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  durch  ihre  be- 
rühmten Lehrer  Baldo  und  Bartolo  den  alten  Vorrang  Bolognas 


294  Päpstliche  Geheimschreiber.    Poggio  Bracciolini. 

im  Rechtsstudium  zu  erlangen  geschienen,  ohne  ihn  in  späterer 
Zeit  behaupten  zu  können. 

Rom  hatte  lange  und  schwer  durch  den  Umstand  gelitten, 
dass  während  die  Mehrzahl  der  sonst  oft  so  schlimmen  italie- 
nischen Fürstenhäuser  in  der  Pflege  der  Wissenschaften  mit  den 
beiden  noch  übriggebliebenen  grossen  Freistaaten  Venedig  und 
Florenz  wetteiferten,  das  Papstthum,  dem  diese  Pflege  selbst 
in  widrigen  Zeiten  am  Herzen  lag,  ihr  entfremdet  oder  durch 
die  Politik  abgezogen,  die  Comune  durch  eigne  Ruhelosigkeit 
ohnmächtig  war.  Als  die  Päpste  aus  Frankreich  heimkehrten, 
mussten  sie  sich  auf  Nichtrömer  stützen.  Längst  und  zwar 
schon  in  der  avignonischen  Zeit  waren  ItaUener  anderer  Pro- 
vinzen dann  auch  Fremde  als  Geheimschreiber  im  päpstlichen 
Dienste.  Mehre  derselben  sind  wiederholt  genannt  wordea 
Als  Petrarca  sich  der  mehr  denn  einmal  an  ihn  ei^angenen 
Einladung,  das  Amt  eines  apostolischen  Scriptors  zu  überneh- 
men, entzog,  seine  Freimde  Boccaccio  und  Francesco  Nelli 
Prior  der  florentinischen  Apostelkirche  ebensowenig  annahmen, 
wählte  Urban  V.  einen  andern  Freund  des  Dichters,  Francesco 
Bruni  dessen  Amtsgenosse  Coluccio  Salutati  wurde,  der  indess 
der  florentinischen  Geschichte  weit  mehr  als  der  romischen 
angehört  Der  Litei^trgeschichte  im  Allgemeinen,  namentlich 
der  Geschichte  des  Wiederaufblühens  der  classischen  Literatur 
gehören  in  noch  höherem  Grade  die  Namen  zweier  seiner 
Landsleute  denen  wir  auch  manche  Nachrichten  über  römische 
Dinge  verdanken.  Diese  sind  Poggio  Bracciolini  und  Leonardo 
Bruni. 

Poggio  war  am  1.  Februar  1380  zu  Terranova  im  obem 
Valdamo  geboren.  Heute  noch  erinnert  in  seinem  anmuthigen 
und  blühenden  heimatlichen  Thale  die  gelehrte  Gasellschaft, 
die  zu  Montevarchi  ihren  Sitz  hat,  an  den  verdienten  Huma- 
nisten der  nach  langen  Wanderungen  dieser  Heimat  wieder- 
gegeben ward.  Zu  Florenz  in  der  Schule  Giovannis  von 
Ravenna,  aus  welcher  die  berühmtesten  Philologen  der  er- 
sten Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  hervorgingen,  in 
lateinischer  und  griechischer  Literatur  gebildet,  zog  er  zu 
Anfang  1404  nach  Rom  wo  er  in  den  Dienst  des  Cardinais 
von  Bari  dann  kurz  vor  Bonifaz'  IX.  Tode  in  die  päpst- 
Uche  Kanzlei  trat,  in  welcher  damals  noch  ein  anderer  Tos- 
caner  Bartoloumieo  von  Montepulciano  Correspondent  ColuccioB 


LeoDardo  Binini.  295 

sich  befand.    Der  Ertrag  einer  solchen  Stellung  war  gering: 
Antonio   Loschi,    Poggios  College,    schreibt   einmal   er   reiche 
kaum  zur  Aufrechthaltung  der  Amtswiirde  hin.     lunocenz  VII. 
behielt  den  jungen  Toscaner  im  Dienst  und  zog  im  März  14()5 
auch    dessen  Landsmann   und  Mitschüler   Leonardo  Bruni   in 
gleicher  Eigenschaft  an   die  Curie.  N/I)ieser  im  Jahre   1369  in 
Arezzo  geboren  und  einer  Familie  höhern  Bürgerstandes  ent- 
stammt, war  wie  es  scheint  infolge  der  kriegerischen  Unruhen 
in  seiner  Vaterstadt  bei  Gelegenheit  des  Zuges  Carls  von  Du- 
razzo  jung  nach  Florenz  gekommen.     p]r  hatte  sich  dort  bei 
den  tüchtigen  Lehrern  gebildet  die  sich  in   der  toscanischeu 
Stadt    zusammenfanden ,    wohin    die    traurigen    Zustande   des 
Ostens  auch  schon  jene  gelehrten  Griechen  führten,  die  zur 
Aufnahme  ihrer  heimatlichen  Literatur  im  Abendlande  so  thätig 
beitrugen.     So   Poggio   wie   Bruni   folgten   Innocenz  VII.    auf  * 
seiner  Flucht  nach  Viterbo  welche  Letzterer  so  anschaulich 
beschrieben  hat     Mit  dem  Papste  kehrten  Beide  nach  Rom 
zurück  um  mit  dessen  Nachfolger  Gregor  XII.   nach  Lucca  zu 
ziehen,    als    die    vergeblichen    Versuche    einer    Ausgleichung 
zwischen  den  beiden  um  die  Tiara  Hadernden  begannen.    Beim 
Ausbruch  des  Zerwürfnisses    zwischen  Papst  und  Cardinälen 
verliess  Poggio   die  Curie    um  nach  Florenz    zurückzukehren, 
während  Leonardo,  obgleich  seine  Stellung  ihm  verleidet  wurde, 
mit  nach  Siena  und  Rimini  ging,  wo  er  dem  Herrn  der  Stadt 
n&he  trat,  Carlo  Malatesta,  an  welchem  Gregor  XU.  in  trüb- 
sten  Tagen  einen  standhaften  Freund   und  Sachwalter  fand. 
Aber  nicht  lange  hielt  er  es  aus  am  adriatischen  Ufer.    Ein 
Ruf  nach  seiner  Heimat  veranlasste  ihn  zur  Rückkehr,  doch 
ging  er  bald  darauf  nach  Pisa,  trat  in  den  Dienst  Alexanders  V. 
dann  Johannes'  XXITL ,  folgte  diesem  nach  Constanz  wo  dessen 
Geschicke  auch  ihn  in  mancherlei  Verlegenheit  verwickelten. 
Nochmals  heimgekehrt  blieb  er  zwar  während  des  Aufentlmlts 
Martins  V.  in  Florenz  in  dessen  Nähe,  ohne  jedoch  dem  Papste 
nach  Rom  zu  folgen,  indem  er,   mit  historischen  Arbeiten  be- 
schäftigt, aus  denen  seine  lateinische  Geschichte  von  Florenz    \ 
erwuchs,  sich  auch  den  Staatsgeschäften  widmete.    Diese  führ- 
ten ihn  im  Jalire  1426  als  Gesandten  der  Republik  nach  Rom, 
worauf  ihm   im   folgenden  Jahre   das  Kanzleramt   übertragen 
ward,   das  er  bis  zu  Anfang   1444  mit  Lob  verwaltete,  nach 
seinem  Tode  durch  ein  Denkmal  von  Antonio  Bossellinos  Hand 


296  Poggios  literarische  Entdeckungen  und  Genossen. 

geehrt  welches  zu  den  schönsten  der  an  guten   wie    an   ge- 
schmacklosen Monumenten  reichen  Kirctie  Sta  Croce  gehört 

Auch  Poggio,  zum  päpstlichen  Geheimschreiber  befördert, 
war  mit  Johannes  XXIU.  nach  Constanz  gegangen.    Die  unfrei- 
willige durch  des  Papstes  Flucht  ihm  gewährte  Müsse  benutzte 
er  zu  jenen  Wanderungen  und  Studien  deren  Ergebnisse  seinen 
Namen  mehr  als  seine  eignen  schriftstellerischen  Arbeiten  be- 
rühmt gemacht  haben.     Von  allen  Neueren    der   gliickhchste 
Handschriftenentdecker,  welchem  allein  die  alte  Literatur  Be- 
reicherungen   verdankt    die    den   Funden    von    Jahrhunderten 
gleichkommen.      Die    Kunde    von    Poggios    Entdeckungen   in 
St.  Gallen  und  anderen  Bibliotheken  setzte   die  Welt  in  Stau- 
nen.   Eine  Menge  bisher  verloren  geglaubter  Schätze  von  Lu- 
cretius  an  bis  auf  die  späteren  Schriftsteller  des  Kaiserreiches, 
christUche  nicht  ausgeschlossen,  kamen  udeder  ans  TagesUcht 
Das  Beispiel  wirkte.    Poggio  war  nicht  der  Einzige    der  sich 
solchen    Nachforschungen    widmete.      Neben   Leonardo   Bruni 
finden   wir   den   Römer    Cencio  de'  Rustici,    einen    Mann  von 
literarischen   Kenntnissen   und   poetischer  Begabung,    der  mit 
Poggio  auch  nach  dessen  Scheiden  von  der  Curie  im  freund- 
schaftlichen  Verkehr   blieb,    und    Bartolommeo    von    Monte- 
pulciano,  einen  mehr  untergeordneten  Helfer,   der  aber,  nun 
einmal  die  Richtung  gegeben  war,  nicht  ohne  Erfolge  blieb. 
Sie  gingen,  sagten  diese  Entdecker  mit  Poggios  Worten,  die 
glorreichen  Väter  aus  den  Kerkern  der  Germanen  und  Gallier 
zu  befreien   —   sie  hätten  nicht  vergessen   sollen,   dass  diese 
Kerker   die  Schätze   für   sie   gerettet   hatten.      Als  Martin  V. 
nach    Italien    heimkehrte ,     folgte    Poggio    ihm    bis    Mantua, 
nahm    aber    eine    Einladung    des    Bischofs   von   Winchester, 
Cardinal  Beaufort,  der  ihn  in  Constanz  gekannt  hatte,  nach 
England  an,  kehrte,  von   dem  dortigen  Aufenthalt  wenig  er- 
baut,  nochmals  nach  Rom  und  in  seine  alte  Stellung  zurück. 
Hier  war  es  wo  wir  ihn  kurz  vor  Martins  V.  Lebensende  Be- 
trachtungen über  die  alte  und  neue  Stadt  anstellen  sahen.   Dass 
er  eine  Sanmilung  alter  Inschriften  veranstaltet  hatte,   wissen 
wir  durch  seine  eigne  Erzählung.     Lange  schien  diese  Samm- 
lung verschwunden,  bis  es  unserer  Zeit  gelang  sie  unter  den 
vaticanischen    Handschriften    wiederaufzufinden.      Eine    Copie 
der  alten  Sammlung  des  Anonymus  von  Einsiedeln  hatte  un- 
serm  Toscaner  vorgelegen,  der  aus  ihr  entlehnte  was  im  Lauf 


Dietrich  von  Niem  und  Gobelin  Person.  297 

der  Jahrhunderte  in  Rom  verschwunden  war,  in  neuen  Ab- 
schriften hinzufugte  was  man  in  seinen  Tagen  an  römischen 
Monumenten  las.  Poggios  Abschriften  aus  dem  unbekannten 
alten  Codex  haben  dann  Anderen  gedient,  von  denen  man 
lange  nicht  begriff  wie  sie  zu  solchen  Inschriften  gelangt 
waren.  In  denselben  Kreis  gehörte  Antonio  Loschi  von  Vi- 
cenza  welcher  aus  venetianischem  Dienst  imter  Gregor  XII.  in 
den  päpstlichen  überging,  in  dem  er  bis  zu  Nicolaus'  V.  Zeit 
blieb,  worauf  er  gegen  die  Mitte  des  Jahrhunderts  hoch  be- 
jahrt starb.  Mit  Poggio  befreundet  theilte  er  dessen  literarische 
Neigungen,  wandte  sich  jedoch  vorzugsweise  der  lateinischen 
Poesie  zu. 

Auch  Ausländer  dienten  in  der  päpstlichen  Kanzlei  und 
gerade  durch  sie  sind  wir  vorzugsweise  über  die  Geschichte 
des  Schismas  unterrichtet  worden.  Dietrich  von  Niem,  in 
dieser  Geschichte  oft  genannt,  war  gegen  1348  in  dem  pader- 
bomischen  Orte  der  ihm  den  Namen  gab  (Nieheim)  geboren 
und  wurde  von  Gregor  XI.  in  Avignon  unter  die  Zahl  der 
Abbreviatoren  der  apostoUschen  Schreiben  aufgenommen.  Sie- 
ben Päpsten  hatte  er,  der  in  Rom  genau  bekannt  und  bei  der 
Gründung  des  teutschen  Hospizes  thätig  war,  gedient  bis  er 
den  flüchtigen  Johannes  XXUI.  verliess  um  nach  Constanz  zu- 
rückzukehren, wo  er  zu  Anfang  des  Sommers  1416  starb.  In 
seinen  verschiedenen  nicht  eleganten  aber  nicht  unbelebten 
Schriften  ein  aufmerksamer  und  glaubwürdiger  Berichterstatter 
über  Begebenheiten  deren  Augenzeuge  er  grossentheils  gewesen 
ist,  im  Urtheil  herbe  und  nicht  ohne  Leidenschaft  so  dass 
man  ihm  mit  Vorsicht  folgen  muss,  während  es  nur  unange- 
nehm berühren  kann  dass  der  Mann,  der  die  Päpste  des 
Schismas  und  die  Zustände  seiner  Zeit  so  scharf  tadelt,  sein 
ganzes  Leben  im  Dienst  dieser  nämlichen  Päpste  zubrachte. 
Von  geringerm  Belang  für  die  Zeitgeschichte  ist  das  Werk 
eines  Landsmanns  Dietrichs,  des  um  etwa  zehn  Jahre  jungem 
(Tobelin  Person.  Er  erlangte  seine  gelehrte  Bildung  in  Italien 
und  trat  im  Jahre  1384  in  den  Dienst  Urbans  VI.  den  er  nach 
drei  Jahren  verliess ,  nachdem  er  Zeuge  der  tragischen  Scenen 
in  Nocera  und  Genua  gewesen  war,  die  er  im  letzten  Buche 
seines  Cosmodromium  eines  Abrisses  der  Weltgeschichte  er- 
zählt hat.  Gobelin  der  in  seiner  Heimat  Decan  zu  Bielefeld 
und  Caplan  Herzog  Wilhelms  von  Berg  wurde,  war  nachmals 


298  Hermami  Dwerg.    Römische  Geschichtschreibung. 

noch  einmal  am  päpstltcben  Hofe,  da  er  im  Jabre  1410  aU 
Gesandter  seines  Herrn  zu  Johannes  XXUI.  ging.  Eine  geach- 
tete Stellung  an  der  Curie  erlangte  Hermann  Dwei^  von  Her- 
ford, welcher  bei  der  Eröffnung  des  constanzer  Concils  als 
einer  der  Notare  fungirte  und  nach  dessen  Beendigung  mit 
Martin  V.  nach  Rom  ging,  wo  er,  ein  gelehrter  Canonist,  bis 
zu  seinem  wie  es  scheint  im  Jahre  1430  erfolgten  Tode  als 
päpstlicher  Protonotar  im  Dienste  bheb. 

Von  der  specifiach  römischen  Geschichtschreibung  dieser 
Zeit  ist  wenig  zu  melden.  Die  Papstgeschichte  war  in  der 
avignonischen  Epoche  in  den  Händen  von  Ausländern  gewesen. 
Audi  während  des  Schismas  betheiligte  kein  Römer  sich  dwan. 
Die  Stadtchronik  der  Zeit  Colas  di  Rienzo  weckte  keine 
entsprechende  Nachfolge.  Das  die  Jahre  1404  bis  1417  um- 
fassende Diarium  romanum  des  Antonio  Pietro  eines  Bene- 
ficiaten  an  der  vaticanischen  Basilika,  .ohne  literarische  An- 
sprüche, hat  grössten  Werth  als  einfache  und  genaue  Bericht- 
erstattung über  die  taghchen  Ereignisse  einer  unendUch  traurigen 
Zeit  Von  geringerer  Bedeutung  ist  das  kurze  von  1370  bis 
1410  reichende  Tagebuch  des  Gentile  Delfini,  des  MitgUeds 
einer  später  oftgenannten  AdelsfamiUe.  Wie  gering  ist  alles 
dies  im  Verhältniss  zur  florentinischen  Historiographie  und 
Epistolographie  dieser  Zeit,  aus  deren  Schätzen,  aus  Cohiccios, 
Leonardo  Brunis,  Poggios,  Buonaccorso  Pittis,  Jacopo  Sal- 
viatis,  Pietro  Minerbettis  u.  A.  Werken,  wir  so  oft,  wie  für 
frühere  Zeiten  aus  den  Villani,  unsere  Kunde  von  römischen 
Dingen  schöpfen  müssen,  über  welche  selbst  Chronisten  von 
Viterbo,  Orvieto,  Perugia  und  anderen  Städten  uns  bisweilen 
besser  unterrichten  als  römische  Quellen. 

So  stand  es  mit  den  Uterarischen  Richtungen,  mit  der  Be- 
theiligung der  Päpste  an  denselben ,  mit  den  Bildungszuständen 
Roms.  Aber  noch  eine  Seite  der  wissenschafthchen  Bestre- 
bungen dieser  Zeit  bleibt  zu  betrachten. 

Die  Kenntniss  des  Griechischen  war  um  die  Mitte  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  in  ItaUen  äusserst  gering  ja  bei- 
nahe erloschen.  Die  vielfachen  poUtischen  und  Handels- 
beziehungen einerseits  Venedigs  und  Genuas,  andrerseits  des 
Königreichs  Neapel  zum  Orient,  welche  doch  eine  gewisse 
Bekanntschaft  mit  einer  klägUch  verderbten  Sprache  unter- 
halten mussten,  scheinen  auf  literarische  Kreise  keinen  Einfluss 


Griechische  Studien.     Manuol  Chrysoloras.  299 

ge&bt  zu  haben.  Auch  die  in  Itahen  befindhchen  Basilia- 
nermönche  scheinen  mit  der  griechischen  Literatur  im  engern 
Sinne  kaum  in  Verbindung  gestanden  zu  sein.  Das  Wenige 
was  man  vom  alten  Griechenthum  wusste,  war  aus  den  Werken 
römischer  Literatur  und  einigen  möglicherweise  nicht  einmal 
an  der  Quelle  geholten  mittelalterUchen  Uebersetzungen  ge- 
schöpft. Die  neuen  Anfänge  griechischer  Studien  waren  sehr 
schwach.  Die  Calabresen  Barlamo  und  Leonzio  Pilato  welche 
selbst  erst  in  Constantinopel  Grichisch  gelernt  hatten,  wurden 
die  Lehrer  von  ItaUenern.  Wenn  Petrarcas  sehnsüchtiger 
Wunsch  die  homerischen  Gesänge  in  der  Ursprache  zu  lesen 
unerfüllt  blieb,  so  erlangte  Boccaccio  eine  gewisse  Uebung  in 
dieser  Sprache,  die  auch  seinem  mythologischen  Werke,  einem 
ersten  wenn  immer  noch  so  mangelhaften  doch  verdienstUchen 
Versuche  zu  statten  kam. 

Florenz,  wo  griechische  Sprache  und  Literatur  nachmals 
voKugswreise  blühten,  ging  damals  ebenso  mit  dem  Versuch 
der  Aufnahme  des  Griechischen  in  den  gewöhnhchen  Studien- 
kreis voran  wie  am  Schlüsse   des  Jahrhunderts,   als  Manuel 
Chrysoloras  den  griechischen  Lehrstuhl  einnahm  und  erfolg- 
reicher Beschäftigung  den  Weg  bahnte.    Nicht  blos  die  gram- 
matische und  literarische  Kenntniss  seiner  Muttersprache,  auch 
seine  geachtete  persönliche  Stellung  und  die  Mission  die  ihn 
in  kirchlichen  Unionsangelegenheiten  nach  Italien  führte,  trug 
zum  glänzenden  Erfolge  dieses  Mannes  bei,   als  er  im  Jahre 
1396  während  seines  Aufenthaltes  in  Venedig  för  Florenz  ge- 
wonnen ward.     Das  Studium  des  Griechischen  in  Itahen  ist 
durch  Chrysoloras  mehr  gefördert  worden  als  durch  Irgend- 
einen.     Denn   wenn   nicht  alle   seine   Schüler  ausgezeichnete 
flellenisten  wurden,  so  hat  er  doch  alle  mit  liebe  zu  seiner 
vaterländischen  Literatur  erfüllt  und  in  dieser  Richtung   den 
mächtigsten  Anstoss  gegehen.     Nicht  in  Florenz   allein,  auch 
in  Venedig,  in  Padua  und  Mailand,  in  Rom  selbst  von.  wo  er 
an  Johannes  Paläologus  die  schon  erwähnte  Parallele  zwischen 
Rom  und  Constantinopel  richtete,  hat  Chrysoloras  gelehrt.    In 
Florenz  waren  es  grossentheils   angesehene  Männer,   so    von 
edlem  Geschlecht  wie  durch  öfientUche  Stellimg  ausgezeichnet, 
welche  seinen  Zuhörerkreis  bildeten.    Palla  Strozzi,  Giannozzo 
^lanetti,    Roberto  de'  Ricci   gehörten   zu   den  Ersteren,   imd 
wenn  Salutati  damals  ein  bejalurter  Mann  sich  ihnen  beigesellte, 


300  Studienreisen  im  Osten.     Francesco  Filelfo. 

SO  sah  man  unter  Chrysoloras'  Schülern  drei  welche  einander 
im  florentinischen  Kanzleramt  nachgefolgt  sind,  Leonardo  Bnini, 
Carlo  Marsuppini,  Poggio  Bracciolini.     Von  seiner  Lehrthätig- 
keit  in  Rom  wo  Innocenz  VII.  ihn  wol  auf  Poggios  Veranlas- 
sung  im  Jahre   1406   herief  »um  vollkommene  Kenntniss  der 
griechischen  Autoren  zu  verbreiten«,    sind  keine  Einzelheiteo 
bekannt.    Vielleicht  hinderten  die  Wirren  des  Schismas  selbst 
den  Antritt  der  Professur.     Das   dankbare  Andenken  welches 
Chrysoloras,  der  im  Jahre  1415  in  Constanz  starb,  bei  seinen 
Schülern  und  noch  bei  deren  Nachfolgern  hinterlassen  hat,  ist 
ein  ehrenvolles  Zeugniss  seines  Wissens  wie  seines  Karakters. 
Der  Gedanke  in  Constantinopel  selbst  nicht  blos  Bücher 
sondern  auch  Kenntniss  der  Sprache  zu  holen,  war  zwar  schon 
vor  Chrysoloras'  Erscheinen  in  Italien  zur  That  geworden.   Aber 
erst  mit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert,   zugleich  mit  den  die 
lateinische  Literatur  massenhaft  bereichernden  Entdeckungen, 
wurden  auch  die  Studienreisen  im  Osten  häufiger.   In  dem  auf 
das  constanzer  Concil  folgenden  Decennium,   auf  welches  wir 
hier  um   des  Zusammenhanges   willen   einen   flüchtigen  Blick 
werfen,  kehrten  Guarino  von  Verona,  Giovanni  Aurispa  von 
Noto  in  Sicilien,  Francesco  Filelfo  von  Tolentino  mit  ansehn- 
lichen Bücherschätzen  und   tüchtiger  Keimtniss    griechischer 
Sprache   und  Literatur   in  ihr  Vaterland  zurück.      Sie  haben 
hier  thätig  gewirkt,  namentUch  der  letztere  ist  inmitten  aller 
Fehden  und  Wechsel  eine  wahre  Macht  geworden.    Wie  immer 
man  über  Filelfos  Earakter  urtheilen  mag,  seine  ungewöhnliche 
Begabung  ist  nicht  in  Abrede  zu  stellen.    Er  war  als  junger 
Mann  dem  venetianischen  Botschafter  oder  Bailo  in  Constanti- 
nopel beigegeben  worden.    Noch  in  der  Blüte  der  Jahre  war 
er  mit   reichem  Schatz  an  Wissen  und  Handschriften  zurück- 
gekehrt,  um   erst  in  Venedig,   dann  in  Bologna,   endlich  in 
Florenz  zu   lehren.     Seine  Thätigkeit  war  ebenso  erstaunlich 
wie  die  Wirkung  die  er  hervorbrachte.    Nachdem  er  Homer 
und  Thucydides,    Cicero  und  Livius  erklärt,   las    er  noch  in 
Sta   Maria   del  fiore   öSentlich   über   die  Göttliche   Komödie. 
Wenige  sind  so  ruhmredig  gewesen  wie  dieser  Mann,  aber  es 
muss  doch  Wahres  daran  sein  wenn  er  von  dem  Zulauf  redet. 
»Die  ganze  Stadt  hat  sich  mir  zugewendet,  Alle  heben  mich, 
Alle   ehren  mich,   Alle  erheben  mich  in  den  HinmieL     Mein 
Name  ist  in  Aller  Munde.   Die  edelsten  Bürger,  die  vornehmsten 


Bficher-  und  Antiquitätensammler.  301 

Frauen  vergönnen  mir  den  Ehrenplatz.  Mehr  denn  vier- 
handert  Zuhörer  füllen  täglich  den  Saal,  grossentheils  hoch- 
stehende Männer  selbst  senatorischen  Ranges.«  Wie  mogte  er 
später,  nachdem  er  durch  unverbesserliche  Rastlosigkeit,  durch 
literarische  Händel,  selbst  durch  Einmischung  in  das  städtische 
Parteitreiben  diese  schöne  Stellung  ebenso  vernichtet  hatte  wie 
er  noch  andere  vernichtete,  an  die  glücklichen  Tage  zurück- 
denken, dann  namentlich  als  er,  ein  alter  Mann,  froh  sein 
musste  nach  demselben  Florenz  zurückzukehren  wo  er  sich 
einst  unmöghch  gemacht  hatte. 

Schon  hatte  das  Wanderleben  der  Hellenisten  wie  anderer 
Literaten  von  einer  zur  andern  Hochschule  begonnen.  Zugleich 
wurde  die  Erforschung  der  Büchersammlungen  und  Alterthümer 
des  Orients  in  der  Person  des  Ciriaco  PizzicoUi  von  Ancona 
zu  einem  Geschäft  wobei  Wissensdrang  und  Wanderlust  mit 
(rewinnsucht  verbunden  bereits  auf  Abwege  fahrten,  indem  so 
beim  Antiquitäten-  wie  beim  Inschriftensanuneln  Wahres  mit 
Falschem  vermengt  wurde.  In  Petrarcas  Tagen  hatte  das 
Münzsanmieln  seinen  Anfang  genommen.  Wir  wissen  durch 
ihn  selbst,  wie  er  Carl  IV.  in  Mantua  goldene  und  silberne 
Kaisermünzen  schenkte.  Die  Zeit  Eugens  IV.  mit  dem  Unions- 
concil  brachte  dann  natürUcherweise  in  die  griechischen  Stu- 
dien weit  grössere  Bewegung.  !Nicht  nur  wurde  deren  praktische 
Wichtigkeit  unendUch  gesteigert,  da  momentan  der  Schwer- 
punkt vom  literarischen  Felde  auf  das  kirchUche  verlegt  war. 
Die  Anwesenheit  so  vieler  Griechen  in  Italien,  erst  Theilneh- 
luer  an  der  Kirchenversammlung  dann  Flüchtlinge ,  begann  auch 
ihre  Sprache  mehrundmehr  zum  Gemeingut  der  Gelehrtenwelt 
zu  machen.  Bei  alledem  hat  das  Studium  derselben  lange  Zeit 
gebraucht  bevor  es  eine  gewisse  Gründhchkeit  erzielte,  und 
wenn  man  in  Anschlag  bringt  wie  schwach  es  in  neueren  Zeiten 
mit  griechischer  Sprache  und  Literatur  in  ItaHen  steht,  so 
mögte  man  zu  dem  Schlüsse  gelangen  dass  im  Geiste  beider 
etwas  Uegt,  was  dem  itahenischen  Genius  ungeachtet  des 
Wunsches  der  Aneignung  widerstrebt. 

Als  diese  Zeit  Eugens  IV.  herangekonunen  war,  hatten  die 
in  den  constanzer  Tagen  begonnenen  Entdeckungen  reife 
Früchte  getragen.  Sie  hatten  in  ganz  ItaUen  einen  Enthusias- 
mus geweckt,  der  Dem  welcher  Maass  und  Bedeutung  des 
Neuen    nach    dem    bis    dahin    Vorhandenen    abwägt,    kaum 


302  Bibliotlieken  und  Handschriftenverkehr. 

übertrieben  erscheinen  darf,  namentlich  in  Betracht  dass  die 
Kürze  der  Zeit  dies  Maass  zu  steigern  schien.    Für  die  Hasse 
der  Gebildeten  concentrirte  sich  alles  in  dem  einen  Punkte ,  in 
classischer  Erudition,  so  dass  das  Schaffen   durch  das  Wis- 
sen   verdrängt    erschien.      Mit   einemmale    glaubte    man   sich 
dem   Ziele   der   Sehnsuclit   früherer  Jahrhunderte   namentlich 
des  letzten   nahe.     Die   alte  Welt   schien  in  ihren  Schätzen 
wieder  aufzuleben.      Einen  Augenblick    mogte   man   träpmen, 
die  von    der   dunklen   Zeit    des   Untergangs   des   Westreiclis 
unter    den    Schöpfungen    des    antiken    Geistes    angerichtete 
Verwüstung  wie   die  Wirkungen   nachmaliger  Verwahrlosung 
seien  minder  gross  gewesen,  als  man  lange  befurchtet  hatt^^. 
Jemehr  die  neue  Saat  auf  fruchtbares  längst  vorbereitetes  Erd* 
reich  fiel,   umso   rascher  schoss  sie   empor.      Abgesehn  von 
directer  geistiger  Einwirkung  gaben  sich  die  nächsten  Folgen 
in  zwei  secundären  Erscheinungen  kund.    Diese  waren  die  Ver- 
mehrung  der  Zahl   der  BibUotheken  und  die  Steigerung  des 
Bücherverkehrs,    der   nun    zu  grossartigem   Geschäftsbetriebe 
wurde.   Bis  dahin  waren  die  Bibliotheken  fast  völlig  auf  Kitchen 
und  grosse  Klöster  beschränkt  und  wenig  beachtet.    Von  Pe- 
trarca und  Boccaccio  wissen  wir,  mit  welchen  MüdiBeligkeiten 
und  Kosten  sie  sich  Bücher  verschafften  und  wie  sie  zu  eigen- 
händigem Copiren  ihre  Zuflucht  nahmen.    Letzteres  war  nicht 
selten  das  einzige  Mittel  ein  correctes  Exemplar  zu  erhalten. 
Denn  nachdem  die  Klöster  die  benedictinische  und  cassiodorische 
Vorschrift  literarischer  Arbeit  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Classi- 
ker  vergessen  hatten,  war  dieselbe  in  die  Hand  meist  unwissen- 
der Leute  gegeben  die  daraus  ein  Geschäft  machten,  von  deren 
Nachlässigkeit  Petrarca  aber  einen  Begriff  giebt,  indem  er  fragt 
ob  Cicero,  Livius  und  Plinius  die  eignen  Werke  in  dieser  Ge- 
stalt erkennen  oder  nicht  vielmehr  für  Producte  von  Barbaren 
halten  würden.     Die  im  vierzehnten  Jahrhundert  wenn  nicht 
wieder  aufgekonunene  doch  in   grösserem  Maasse   entwickelte 
Fabrication  des  Lumpenpapiers,  worin  der  heute  noch  das  beste 
Papier  in  Italien  Uefemden  Stadt  Fabriano  in  der  Mark  Ancona 
der  Primat  zu  gehören  scheint,  kam  der  Bücherindustrie  zu 
Hülfe,  nicht  dem  Fleiss  der  Abschreiber.     Alles  dies   änderte 
sich  nun  mit  einem  Schlage.     Das  gemehrte  literarische  Mate- 
rial  und   die   noch    mehr    gesteigerte   Nachfrage   veranlassten 
einen  in  seiner  Art  grossartigen  Aufschwung.    Während  man 


Literarische  Bewegung.    Venedig  und  Florenz.  30 B 

im  ganzen  Morgen-  und  Abendlande  im  Staube  alter  Kloster- 
und  anderer  Sammlungen  wühlte,  beschäftigten  sich  Utera- 
risch gebildete  Männer  mit  der  Vervielfältigung  der  Hand- 
schriften wie  mit  deren  Verbreitung,  ja  mit  der  Anlage 
ganzer  Bibliotheken.  Einem  dieser  »Librai«,  dem  Florentiner 
Veepasiano  daBisticci,  welcher  im  Jahre  1421  geboren  um  die 
Mitte  des  Jahrhunderts  die  Blüte  dieses  Handels  erlebte  um 
bald  darauf  Zeuge  der  ganzlichen  Umgestaltung  desselben  durch 
die  Erfindung  des  Bücherdrucks  zu  sein,  verdanken  wir  die 
reichlichsten  und  zugleich  anziehendsten  Nachrichten  über 
Päpste  und  Fürsten,  Geistliche  und  Staatsmänner,  Literaten 
im  engem  Sinne  die  sich  an  der  grossen  Bewegung  bethei- 
ligten. 

Diese  Bewegung  verbreitete  sich  über  einen  grossen  Theil 
Italiens.  In  Venedig  zeichneten  sich  Fantino  Dandolo,  der 
zweimal  unter  Martin  V.  und  Eugen  IV.  als  Gesandter  in  Rom 
war,  Leonardo  Giustiniani,  Francesco  Barbaro,  der  eifirige  För- 
derer von  Poggios  Forschungen,  vomehmUch  aus.  An  allen 
italienischen  Fürstenhöfen  hatten  sie  Nachahmer  und  Neben- 
buhler; jeder  suchte  es  dem  andern  zuvorzuthun.  Florenz  aber 
war  der  Brennpunkt  des  neuen  Classicismus.  Wenn  man  in  den 
vordem  Hof  des  in  jüngster  umwälzender  Zeit  seinen  alten  Be- 
wohnern entzogenen  Camaldulenserklosters  der  Angeli  tritt,  so 
wird  man  durch  die  Marmorbüste  Fra  Ambrogio  Traversaris 
an  die  Tage  erinnert,  in  denen  die  angesehnsten  Männer  der 
Stadt  und  alle  gebildeten  Fremden  sich  hier  versammelten, 
über  wissenschafidiche  Gegenstände,  über  die  Werke  der 
Kirchenväter,  der  Philosophen  und  Historiker  sich  zu  bereden. 
Es  waren  die  späteren  Jahre  der  Herrschaft  der  von  der  Fa- 
milie der  Albizzi  geleiteten  neuen  Aristokratie.  Eine  Zeit  von 
welcher  der  ebengenannte  Vespasiano  sagt,  die  Stadt  die  sich 
^vider  äussere  Feinde  durch  Klugheit  und  Geld  vertheidigt,  sei 
blühender  als  je  gewesen ,  während  der  zu  grosse  Wohlstand 
schon  den  Keim  der  nachmaligen  verhängnissvollen  Neuerun- 
gen in  sich  verschlossen  habe.  Ambrogio  Traversari  war  im 
Jahre  1386  in  Portico  einem  nicht  weit  von  ForU  an  der  Grenze 
der  toscanischen  Romagna  gelegenen  Castell  geboren.  In  seinem 
vierzehnten  Jahre  trat  er  in  Florenz  in  den  Orden  von  Ca- 
maldoli  und  gehörte,  so  scheint  es,  zu  Manuel  Chrysoloras' 
Schülern.      Seine    eignen    wissenschaftlichen   Arbeiten   waren 


304  Ambrogio  Traversari,  seine  Landsleute  und  Freunde. 

vorzugsweise  den  griechischen  Kirchenvätern  und  der  grössern 
Verbreitung  ihrer  Werke  durch  lateinische  Uebertragungen 
gewidmet.  Mit  Leonardi  Bruni  galt  er  in  Florenz  für  den 
besten  Latinlsten.  Weit  schwerer  aber  fallt  der  Einfluss  ins 
Gewicht  den  er  durch  Umgang  und  Briefwechsel  mit  den  be- 
deutendsten Männern  seiner  Zeit,  durch  Anleitung  geistvoller 
Jünglinge  ausübte.  Denn  bei  ihm  entstand  eine  Art  literari- 
scher Akademie,  wie  einst  bei  MarsigU,  wie  nachmals  in  San 
Marco  und  bei  den  MedicL  PoUtische  Meinungen  und  Ten- 
denzen, worunter  sich  freihch  grossentheils  Nebenbuhlerschaft 
um  persönliche  Stellung  und  um  die  Leitung  der  städtischen 
Angelegenheiten  verbarg,  trennte  die  vomeluuen  Florentiner: 
in  der  Förderung  von  Literatur  und  Kunst  reichten  die  Gegner 
einander  die  Hand.  Rinaldo  degU  Albizzi  das  letzte  Haupt  der 
Aristokraten  hat  eine  Reihe  von  Staatspapieren  hinterlassen 
welche  einem  Machiavell  keine  Unehre  machen  würden,  und 
gab  seinen  Söhnen  Tommaso  da  Sarzana  zum  Lehrer.  Palla 
Strozzi  stand  keinem  seiner  Zeit  als  Kenner  und  selbstthätiger 
Förderer  der  alten  Literatur  nach.  Niccolo  da  Uzzano  begann 
den  Bau  eines  grossen  Universitätslocals  und  hinterUess  in 
seinem  Testament  für  dessen  Vollendung  und  Benutzung  an- 
sehnhche  Summen,  die  dann  gleich  dem  angefangenen  Bau 
selbst  zu  anderm  verwendet  wurden.  Die  Universität,  diese 
Nebenbuhlerin  der  von  dem  Unglück  der  Stadt  schwerbetroffe- 
nen pisanischen,  war  im  Jahre  1412  feierhch  wiedereröffnet 
worden  und  namentlich  durch  Palla  Strozzis  Anstrengungen 
rasch  zu  hoher  Blüte  gelangt.  Fremde  Lehrer  wurden  herbei- 
gezogen, Dantes  grosses  Gedicht  wurde  schon  seit  Boccaccios 
Tagen  öffentUch  erklärt  Dieselbe  Zeit  sah  die  Vollendung  der 
Domkuppel  durch  FiUppo  Brunellesco. 

Die  genannten  Männer  waren  die  Führer  der  Partei  welche 
im  Jahre  1434  durch  die  Medici  gestürzt  wurde.  Traversaris 
Freunde  gehörten  meistens  zu  den  Siegern.  Die  beiden  Medici 
selber,  Cosimo  und  Lorenzo,  Giovannis  d'Averardo  Söhne. 
waren  gewisseAnaassen  seine  Schüler  gewesen.  Cosimo,  kein 
Literat  sondern  frühe  in  ein  grossartiges  geschäfiliohes  und 
politisches  Leben  hineingezogen,  Papst  Johannes'  y^HT.  Be- 
gleiter auf  dem  Zuge  nach  Constanz,  was  ihm  Gelegenheit  gab 
fremde  Länder  kennen  zu  lernen,  erwarb  und  kräftigte  in 
solchem  Umgange  jene  Theiinahme  am  geistigen  Leben,  ohne 


Gelehrte  Cardinäle.  305 

welche  kein  edler  Florentiner  sein  zu  können  schien.  Zu  dem- 
selben Kreise  gehörten  Mehre  deren  Namen  mit  Ehren  genannt 
werden.  Carlo  Marsuppini  welcher  nach  seinem  Landsmann 
Bruni  das  Kanzleramt  erhielt.  Giannozzo  Manetti  angesehner 
Familie  entstammt,  in  Bezug  auf  gelehrte  Bildung  einer  der 
Hervorragendsten,  während  manche  Andere  ihm  in  glücklicher 
Verwerthung  des  Erworbenen  den  Kang  abliefen.  Niccolo 
Nicoli  der  grösste  Büchersammler  seiner  Zeit,  der  seinem  lite- 
rarischen Eifer  seine  ganze  Habe  opferte  so  dass  er  ohne  me- 
diceische  LiberaUtät  sich  in  drückender  Noth  befunden  haben 
würde.  Dieser  Kreis  war  es  in  welchen  um  das  Jahr  1418 
Tommaso  da  Sarzana  eingetreten  war,  als  er  die  Söhne  Ri- 
naldos  degli  Albizzi  und  Palla  Strozzis  unterrichtete  und  wo 
er  die  ersten  Anschauungen  gewann,  deren  bleibenden  Ein- 
druck wir  in  seiner  ganzen  nachmaligen  Thätigkeit  verfolgen 
können. 

So  waren  die  Uterarischen  Zustande  in  Florenz,  als  Papst 
Eugen  IV.  im  Mai  1434  dort  eintraf. 


2. 

DIE   WISSENSCHAFT   UND   DAS  PAPSTTHÜH   BIS    ZUM   TODE   EUOENS  IV. 

Es  liegt  auf  der  Hand  dass  die  Restauration  des  Papst- 
thums  und  die  geordneten  Verhältnisse  der  Regierung  Martins  V. 
der  Stadt  Rom  auch  in  geistiger  Beziehung  eine  von  der  vor- 
hergegangenen Zeit  wesentlich  verschiedene  Physiognomie  hatten 
geben  müssen. 

Papst  Martin  sah  einen  Kreis  ausgezeichneter  Cardinäle 
um  sich  und  mehrte  deren  Zahl  durch  die  Ernennung  tüchtiger 
Männer.  Von  den  Ersteren  gehörten  mehre  dem  Gebiete  der 
Theologie  und  Rechtswissenschaft  an.  Solche  waren  Branda 
Castiglione  Cardinal  von  Piacenza,  Antonio  Correr  Cardinal  von 
Bologna  Gregors  XII.  NefiFe,  Giovanni  Dominici  Cardinal  von 
Ragusa,  Gabriel  Condulmer  Cardinal  von  Siena,  Jacopo  Iso- 
lani  Cardinal  von  Sant'  Eustachio  einst  in  Rom  allmächtig  in 
der  letzten  Zeit  des  Concils  von  Constanz,  Alle  schon  in  der 
politischen  Geschichte  erwähnt.     Wenn  Antonio  Correr  durch 

V.  Reumout,    Kuiu.    HI.  20 


306  Giordano  Orsiiii  und  seine  Handschriften. 

die  vielen  ihm  übertragenen  geistlichen   Geschäfte  an  selbst 
thätiger  literarischer  Beschäftigung  verhindert  ward,  so  brachte 
er  doch  eine  schöne  Sammlung  von  Handschriften  zusammen, 
die  er  seinem  geliebten  Kloster  San  Giorgio  in  Alga  hinterliess. 
Der  eifrigste  Förderer  der  Literatur  war  jedoch  Giordano  Orsini 
von  Bracciano,  welchen  InnocenzYII.  im  Juni  1405  in  jener  Pro- 
motion aus  welcher  drei  Päpste  hervorgingen,  zum  Cardinal  yod 
SS.  Silvestro  e  Martino  creirt  hatte.     Er  gehörte  zu  den  reich- 
sten Cardinälen  indem  er  mit  seinem  Hausvermögen  die  Einkünfte 
seiner  zahlreichen  Pfründen  vereinigte,   und  nahm  besonders 
unter  Martin  V. ,    zu   dessen  Erhebung   er   thätig  beigetragen 
hatte,  eine  der  ersten  Stellungen  im  Cardinalat  ein,  während 
er  sich  als  Legat  in  Frankreich  und  England,  in  Venedig  und 
Teutschland,  endlich  beim  baseler  Concil  an  den  wichtigsten 
politischen  und  kirchhchen  Angelegenheiten«  betheiligte.    Sein 
Reichthum  kam  der  Wissenschaft  zugute ;  in  Rom  gab  es  keinen 
eifrigem  Bücherfreund.     Er  war   es  der  eine  Handschrift  des 
TertuUian,  in  Frankreich  wie  er  selbst  sagt  mit  gleicher  Mühe 
und  Kosten  einen  Ptolemaeus,  und   zu  Ende  1429  von  einem 
teutschen  Handschriftenhändler  Nicolaus  von  Trier  einen  Co- 
dex des  Plautus  mit  zwölf  bis  dahin  unbekannten  Komödien 
erstand.     Ein  Fund  der  die  damalige  Gelehrtenwelt  in  freu- 
digste  Aufregung   versetzte,   wovon  Poggios   Briefe    Zeugniss 
geben.    Der  Cardinal  scheint  seine  Schätze  mit  eifersüchtigem 
Auge  bewacht   zu  haben.     In  einem  Schreiben  an  Traversari 
der  den  Dionysius  Areopagita  fiir  ihn  übersetzte,  entschuldigt 
er  die  Nichtsendung  des  erbetenen  Ptolemaeus  mit  dem  Umfang 
des  Buches,  während  er  ihn  nach  Rom  einladet  wo  aUe  seine 
Handschriften  ihm  zur  Verfügung  stehn  soUten.    »Du  würdest, 
fügte  er  hinzu,  zugleich  die  heiligen  Reliquien  und  Tempel  der 
Stadt,  die  hehren  Zeugnisse  unseres  Glaubens  sehen  und  dir 
eine  Erholung  wie  die  Gelegenheit  des  Verkehrs  mit  mir  ver- 
schaffen.«    Giordano  Orsini  that  sich  auf  den  Besitz  des  Plau- 
tus etwas  zugute :  Antonio  Loschi  musste  ihm  Distichen  dichten 
die  er  dem  Titel  des  Buches  vorsetzte.    Doch  verstand  er  sich 
dazu  Abschriften  nehmen  zu  lassen.    Die  erste  erhielt  Filippo 
Maria  Visconti,    die   zweite   Lionello    von   Este;   er  vertraute 
selbst   die   kostbaren  Handschriften   so   des  Plautus  wie  des 
Tertullian  Lorenzo   de'   Medici    Cosimos   Bruder  an,  der  sie 
lange  in  Händen  behielt  während  Nicoli  sie  copirte. 


Giordano  Orsini  und  seine  Handschriften.  307 

Selbst  diese  Gewährung  vermogte  den  Grimm  der  Philologen 
nicht  zu  besänftigen,  welche  in  den  Früchten  der  Entdeckun- 
gen ein  Gemeingut  sahen.    Der  einst  vom  Cardinal  abgewiesene 
Poggio  schmähte  ihn  in  den  gewohnten  Ergüssen  seiner  Galle 
als  einen  unwürdigen  Besitzer  von  Schätzen  die  ihn  nichts  an- 
gingen.   Aeusserungen  die  stark  mit  den  Worten  contrastiren 
welche  Lapo  da  CastigUonchio,  ein  Nachkomme  des  berühmten 
Rechtsgelehrten   und    Senators   von  Rom,   bei   Ueberreichung 
seiner  Uebertragung  des  plutarchischen  Lebens  des  Pophcola 
an  den  Cardinal  richtete,  und  die  zu  hochgespannt  aber  nicht 
grundlos  sein  können.     »Des  Himmels  Gunst  scheint  dich  der 
gegenwärtigen  Zeit  verliehen  zu  haben,  durch  deinen  Schutz, 
deine  Bemühungen,  deinen  Reichthum  die  bedürftigen  Pfleger 
der  Wissenschaften  zu  unterstützen.    Du  vor  Allen  hast  nach 
so  langer  Zeit  die  Wiederbelebung  der  lateinischen  Sprache 
angestrebt   und    theilweise    erreicht.      In    schon    vorgerückten 
Jahren  hast  du  lange,  mühsame,  kostspielige  Reisen  imternom- 
men,  alte  Schriftsteller,  von  denen  mau  kaum  noch  die  Namen 
kannte,  der  Vergessenheit  entzogen.    Du  hast  solche  Schätze 
in  allen  Zweigen  gesammelt  dass  sie  für  mehr  als  eine  Stadt 
reichen  würden,  das  Studiiun  ohne  Mühe  noch  Kosten  zu  er- 
mögUchen.«    Giordano  Orsini  strafte  übrigens  Poggios  Anklagen 
Lügen.    Bei  seinem  im  Jahre  1438  im  Bade  zu  Petriolo  im  Sie- 
neserlande  erfolgten  Tode  machte  er  seine  hterarischen  Schätze 
wirkhch  zum  Gemeingut,  indem  er  sie  der  Peterskirche  zur  Ver- 
mehrung ihrer  Bibliothek  hinterliess.     Diese  Bibliothek  deren 
Ursprung  dem  Papste  Zacharias  zugesclirieben  wird,  welcher 
indess  nach  dem  Bericht  des  sogenannten  Anastasius  der  Ba- 
sihka  nur    Chorbücher   für    den   gottesdienstlichen   Gebrauch 
schenkte,  war  in  dem  alten  Secretarium  dann  in  der  mit  dem 
Winterchor  verbundenen,   an  das  Unke  SeitenscKiff  stossenden 
grössern  Sacristei  aufgestellt.     Die    orsinische  Sammlung  um- 
fasste    254  Handschriften,    meist    von    grossem   Werthe;    die 
Mehrzahl  derselben  muss  sich  heute  in  der  Vaticana  befinden 
welcher  die  Schätze  der  BibUothek  der  Peterskirche  grössten- 
theils  einverleibt  wurden.     Cardinal  Giordano  Orsini  vermachte 
der  Basihka  ebenfalls  seinen  in  Via  papale  an  der  Ecke  von  Via 
di  Monterone  gelegenen  Palast,  welcher  vor  ihm  Eigenthum 
jenes  Grafen  Niccolö  von  Nola  gewesen  war  der  mit  seinem 

20* 


308  Niccolo  Aibergati.    Giuliauo  Cesarini. 

Bruder  Napoleone  das  Karthäuserkloster  bei  Sta  Croce  in  Gera- 
salemme  gründete. 

Unter  den  von  Papst  Martin  creirten  Cardinälen   machten 
sich    der   Spanier   Domingo   Ram   Bischof  von   Osma,    Louis 
Aleman   Erzbischof  von  Arles,   Henry   Beaufort  Bischof  von 
Winchester   dann  Erzbischof  von  Canterbury   durch   wissen- 
schaftliche Tendenzen  bemerkUch  die  indess  Rom  selbst  nicht 
zugute  kamen.    Zu  den  ausgezeichnetsten  Männern  aber,  welche 
im  fünfzehnten  Jahrhundert  den  Purpur  trugen,  sind  ein  Bo- 
lognese  und  zwei  Römer  zu  zählen,  Niccolo  Albergati,  GiuUano 
Cesarini  und  Domenico  Capranica.    Alle  drei,  von  denen  schon 
in  der  Greschichte  des  Pontificats  der  ersten  Decennien  nach 
dem  constanzer  Concil    die  Rede  war,   haben  sich  nicht  so- 
wol    mit   den   schönen    Wissenschaften    beschäftigt,    als    mit 
Theologie  und  Jurisprudenz,  aber  sie  haben  doch  den  Huma- 
nismus in  seinen  bessern  Tendenzen  gefördert.     Albergati  im 
Jahre    1375   in   Bologna  geboren,    Karthäusermönch,   Bischof 
seiner  Vaterstadt  und  im  Jahre  1426  Cardinal  von  Sta  Croce 
in  Gerusalemme   bei   welcher  Kirche   damals  sein  Orden  das 
Erlöster    hatte,    vereinigte    gründUches   Wissen,    geschäftliche 
Thätigkeit  und  Gewandtheit,  von  denen  er  auf  seinen  Lega- 
tionen  in   Frankreich   und   England   wie   in    den  Wirren   des 
baseler  Concils  Proben  ablegte ,  mit  heiligem  Lebenswandel  und 
starb  im  Mai  1443  in  Siena.      Zwanzig  Jahre  lang  begleitete 
ihn  Tommaso  da  Sarzana   welchem   Enea   Silvio  Piccolomini 
sich  zugesellte.     Cesarini  gehörte  einer  bereits  erwähnten  edlen 
aber  nicht  begüterten   römischen  Famiüe  an.     Sein  Biograph 
Vespasiano  schildert  die  Armuth  in  welcher  er  sich  als  Student 
in  Perugia  befand.    Er  sammelte  Lichterstümpfchen  um  Nachts 
zu  arbeiten;  Braccios  da  Montone  Statthalter  in  Perugia,  der  Ro- 
rentiner  Bindaccio  da  Ricasoli,  schenkte  ihm  gelegentUch  ein 
Goldstück  um  seiner  Verlegenheit  abzuhelfen.    Als  er  nachmals 
zu  hohen  Würden  gelangt  war,  gedachte  er  dessen  was  er  selbst 
durchgemacht  hatte,  imd  unterstützte  viele  arme  Jünglinge  in  de- 
nen er  Talent  imd  guten  Willen  erkannte.    Lehrer  des  Kirchen- 
rechts in  Padua,  dann  in  Rom  Hausgenosse  des  Cardinais  Casti- 
glione,  den  er  auf  seiner  böhmischen  Legation  begleitete,  wurde 
er  von  Papst  Martin  befördert  und  zu  Gesandtschaften  nach 
Frankreich  und  England  gebraucht,  bis  er  zugleich  mit  Albergati 
den  rothen  Hut  erhielt.     Seine  weltberühmte  Thätigkeit  fallt  in 


Domenico  Capninica.  309 

Eugens  IV.  Zeit,  die  Leitung  des  baseler  Concils,  die  Theil- 
nahme  am  ferraresisch-florentiniscben,  die  Legation  in  Ungarn 
infolge  deren  er  in  oder  nach  der  Schlacht  bei  Varna,  welche 
herbeigeführt  zu  haben  ihm  zur  Last  gelegt  wird,  im  Jahre 
1444  den  Tod  fand.  Die  Zeitgenossen  haben  GiuUano  Cesarini 
bezeugt,  dass  er,  der  auch  die  gebräuchlichen  Geschenke  zu- 
rückwies, als  Cardinal  arm  und  in  seiner  Lebensweise  einfach 
blieb.  Von  den  Nachkommen  haben  die  Einsichtigen  und  Billi- 
gen sein  Verhalten  in  überaus  kritischen  Momenten,  als  er  sich 
zwischen  Papst  und  Concil  gestellt  sah,  als  unabhängig  und 
ehrlich  gewürdigt.  Auf  beiden  Seiten  hatte  er  Ansprüche  ab- 
zuwehren, deren  Gefahren  keiner  besser  ermaass  als  er,  wel- 
cher Rom  und  Teutschland  gleich  gut  kannte. 

Der  dritte  dieser  Cardinäle  Domenico  Capranica  war  im 
Jahre  1400  geboren.  Der  Sohn  armer  Leute  die  den  Namen 
Pantagati  mit  dem  ihres  Heimatsortes  Capranica  in  den  Her- 
niker  Bergen  vertauschten ,  that  er  sich  frühe  schon  durch  leb- 
haften Geist  und  Kenntnisse  hervor.  Li  Padua  Cesarinis  Schü- 
ler, mit  fünfundzwanzig  Jahren  Bischof  von  Fermo,  wurde  er 
bald  darauf  von  Papst  Martin  zum  Cardinalat  erhoben  aber 
nicht  pubUcirt,  ein  Umstand  welcher  sowol  seine  Ausschliessung 
vom  folgenden  Conclave  veranlasste,  weil  Capranica,  wie  der 
Teutschordensgesandte  sich  ausdrückt,  in  Rom  »ein  Blut- 
schreiber« gewesen,  wie  er  dem  neuen  Papste  den  Vor- 
wand bot,  Capranica  wegen  seiner  Verbindung  mit  den  Co- 
lonnesen  die  Bestätigung  zu  verweigern.  Folge  davon  war 
dessen  Berufung  an  das  baseler  Concil,  wohin  er  sich  in  Beglei- 
tung des  um  sechs  Jahre  Jüngern  Piccolomini  begab.  Das  Zer- 
würfniss  währte  nicht  lange  und  Cardinal  Capranica  ist  so  von 
Eugen  IV.  wie  von  seinem  Nachfolger  in  vielen  geistlichen  und 
weltlichen  Geschäften  gebraucht  worden,  während  er  selbst 
einmal  der  Papstwürde  nahe  stand.  Seine  Studien  waren  um- 
fassend, seine  Belesenheit  ungewöhnUch  namentlich  im  Kirchen- 
recht;  seine  Geschichte  des  baseler  Concils  während  der  Zeit 
in  der  er  an  demselben  Theil  nahm,  wurde  von  dem  spätem 
Historiker  dieser  Versammlung  Agostino  Patrizi  benutzt.  Zu 
seinen  Hausgenossen  gehörten  mehre  die  sich  später  einen  be- 
rühmten Namen  gemacht  haben,  so  Jacopo  Ammanati  der 
nachmaUge  Cardinal  von  Pavia  und  Biondo  Flavio  von  Forli. 
Seine  Bibliothek  umfasste  an  zweitausend  Bände ;  er  hinterliess 


310  Grcgorio  Conrer  u.  A.    Die  Universität. 

sie  bei  seinem  im  Jahre  1458  erfolgten  Tode  ebenso  wie  seine 
Wohnung  zur  Gründung  eines  CoUegiums  für  arme  dem 
Priesterstande  bestimmte  Knaben,  zu  welchem  Behufe  sein 
Bruder  Angelo,  der  gleichfalls  die  Cardinalswürde  erlangte, 
im  Jahre  1460  das  Gebäude  bei  Sta  Maria  in  Aquiro  er- 
richtete welches  noch  zu  diesem  Zwecke  dient.  Neben  die- 
sen drei  ist  noch  Martins  Neffe  Prospero  Colonna  zu  nen- 
nen der  mit  Giordano  Orsini  im  Erwerben  von  Handschriften 
wetteiferte. 

Wenn  die  schriftUchen  Arbeiten  dieser  Männer  in  Bezug 
auf  eigentliche  literarische  Bedeutung  viel  weniger  ins  Gewicht 
fallen  als  ihre  wissenschaftlichen  Tendenzen  überhaupt,  so 
vereinigte  Rom  andere  welche  grösstentheils  dem  geistlichen 
Stande  angehörend  die  Förderung  des  Studiums  der  Alten  mit 
ihrer  Nachahmung  verbanden.  Zu  ihnen  gehörte  Gregors  XU. 
Grossneffe  Gregorio  Correr,  zu  Mantua  in  der  Schule  Vittorinos 
da  Feltre  des  verdientesten  Pädagogen  seiner  Zeit  gebildet, 
wegen  seiner  Theilnahme  am  baseler  Concil  von  seinem  Ver- 
wandten Eugen  IV.  ohne  Beförderung  gelassen ,  obgleich 
er  sich  durch  Talent  und  untadelhaften  Wandel  hervorthat 
Ein  so  feiner  Kenner  der  lateinischen  Classiker  dass  eine  von 
ihm  verfasste  Komödie  noch  gegen  das  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts als  ein  Product  der  augusteischen  Zeit  gedruckt  ward; 
ein  zierhcher  Dichter,  mag  die  Nachahmung  der  Lyriker  des 
goldenen  Zeitalters  auch  das  richtige  Maass  übersteigen.  Auf 
demselben  Felde  glänzte  der  Florentiner  Leonardo  Dati,  Gior- 
dano Orsinis  dann  Francesco  Condulmers  Geheimschreiber, 
nachmals  päpstlicher  Secretär  und  Bischof  von  Massa.  Cencio 
de'  Rustici  ist  schon  als  Poggios  Mitarbeiter  erwähnt  worden. 

Martin  V.  scheint  für  die  römische  Universität  unthätig  ge- 
blieben zu  sein.  Johannes  Menghen  nachmals  Gesandter  des 
Teutschen  Ordens  klagte,  vier  Jahre  würden  kaum  reichen 
die  Doctorwürde  zu  erlangen  wegen  der  unzulängUchen  Zahl 
der  Vorlesungen  und  der  Verwendung  der  Professoren  im 
päpstUchen  Dienst,  weshalb  man  fremde  Schulen  aufsttehen 
müsse.  Eugen  IV.  nahm  sich  der  römischen  alsbald  an,  und 
ihre  Neugründung  vielmehr  als  ihre  Herstellung  ist  von  einem 
Papste  ausgegangen  dem  man  mönchisches  Wesen  zum  Vor- 
wurf macht.  Es  ist  wahr  dass  die  städtischen  Behörden  ihm 
anlagen,  aber  durch  die  am  10.  October  1431  erlassene  Bulle 


Die  ünivereitÄt  unter  Eugen  IV.  311 

und  spätere  Verfügungen   hat   er   den  Ruhm   erworben    dem 
römischen  Studienwesen  seine  eigentliche  Verfassung  gegeben 
zu  haben.    Die  Universität  wurde  in  ihren  vier  Facultäten  re- 
constituirt,  die  alte  Form  der  freien  Rectorswahl  beibehalten 
bis  die  Regierung  sich  dieselbe  im  Jahre  1458  reservirte,  die 
Studirenden    ausser    in    Capitalfallen    von    der   gewöhnhchen 
Gerichtsbarkeit  eximirt  und  von  Gabellen  befreit,  den  Inhabern 
geistlicher   Pfründen    deren  Genuss   während   der   Studienzeit 
gestattet.  Während  Eugen  den  Magistraten  aufgab  der  Anstalt 
statt  des  unpassenden  Locals  in  Trastevere  wieder  ein  mög- 
lichst in  der  Mitte  der  Stadt  gelegenes  zu  beschaffen,  wies  er 
die  Stipendien  der  Professoren  auf  die  erhöhte  Weinsteuer  an. 
Dem  Camerlengo  der   römischen  Kirche,   auch   früher   schon 
Vertreter  der  Staatsgewalt  bei  der  Hochschule,  und  vier  Re- 
formatoren, welche  jährlich  aus  zwölf  von  der  Stadt  zu  prä- 
sentirenden  Candidaten  gewählt  werden  sollten,  wurden  Ein- 
richtung   und    Aufsicht    übertragen.      Die    Universität    erhielt 
damals  ihren  Sitz  bei  Sant'  Eustachio,  vielleicht  in  demselben 
Gebäude  welches  Bonifaz  VIII.  ihr  angewiesen  hatte  und  das 
in   der  Zeit   des  Schismas   in  andere  Hände  gekommen  war. 
Nachfolgende    Päpste     vergrösserten     den    Bau,     namentUch 
Alexander  VI.    welcher  anstossende  Häuser   erwarb  imd   den 
Hof   mit   Säulengängen    anlegte,    an   welche   man   durch   den 
gegenwärtigen  grossartigen  Palast  der  Sapienza  erinnert  wird. 
Unter  den  Lehrern  war  der  im  bürgerUchen  nicht  minder  als 
im  Kirchenrecht   erfahrene  Aretiner  Antonio  Roselli   welchen 
Martin  V.  nach  Rom  gezogen  hatte,  nachdem  er  in  ehrenvollen 
Staatsämtern  und  Professor  in  Siena   gewesen   war.     Andere 
sind  zu  nennen,  unter  ihnen  Lodovico  Pontano  aus  dem  Ge- 
biete von  Spoleto   aber  in  Rom   erzogen,   von  Papst  Eugen 
zum  apostoUschen  Protonotar  ernannt  was  er  ihm  niclit   auf 
dem  baseler  Concil  vergalt,   wohin  König  Alfons  ihn  sandte 
und  wo  er  1439  in  jungen  Jahren  starb.   Es  waren  wie  früher 
namentlich  Theologie  und  Rechtswissenschaft  welche  in  Rom 
gepflegt  wurden.    Für  erstere  gründete  Eugen  eine  besondere 
Anstalt.     Unter    den    apostolischen    Schreibern    begegnen  wir 
noch  Angelo  von  Todi  von   dessen   eignen  wissenschaftlichen 
Arbeiten  man  nichts  weiss  der  sich  aber  um  die  Literatur  ein 
Verdienst  erwarb  indem  er  für  einen  talentvollen  armen  Jüng- 
ling  ein  Vermächtniss  zum   Studiren   stiftete.    Dieser  Jüngling 


312  Biondo  Flavio. 

war  Cristofano  Landino,  nachmals  eine  der  Zierden   des  flo- 
rentinischen  Gelehrtenkreises. 

Während  Eugen  IV.  so  für  die  Universität  sorgte,  zog  er 
einen  Mann  heran  dessen  Arbeiten  der  Alterthumswissenschaft 
in  engerm  Sinne  und  der  Geschichte  mehr  zugute  gekommen 
sind  als  die  Studien  aller  seiner  Zeitgenossen.  Biondo  Flavio 
war  um  das  Jahr  1388  zu  Forli  geboren.  In  seiner  Heimat  wie 
im  Venetianischen  in  öffentUchen  Aemtern,  ein  Freund  Fran- 
cesco Barbaros  welcher  die  Humanitätswissenschaft  unter  den 
Venetianern  würdig  repräsentirte,  trat  er  in  Papst  Eugens  ersten 
Jahren  als  apostolischer  Scriptor  in  die  Curie,  welche  er  zu 
Anfang  der  Regierung  von  Eugens  Nachfolger  verliess  um 
einige  Zeit  darauf  zurückzukehren,  worauf  er  bis  zu  seinem  im 
Jahre  1463  erfolgten  Tode  in  Rom  verweilte.  Biondos  grosse 
literarische  Thätigkeit  begann  zwar  erst  in  den  späteren  Jahren 
Eugens  IV.,  den  er  in  der  Zeit  der  Wirren  mannhaft  verthci- 
digte,  Früchte  zu  tragen,  aber  schon  hier  ist  auf  deren  Resul- 
tate ein  BUck  zu  werfen.  Er  war  ein  mittelmässiger  Latinist 
und  des  Griechischen  beinahe  unkundig,  wodurch  sich  wol  die 
geringe  Beachtung  erklärt  die  ilmi  bei  Nicolaus  V.  zu  Theil 
ward.  Aber  er  hat  in  einer  Zeit  welche  die  Kenntniss  der 
alten  Literatur  zwar  ausserordentlich  förderte ,  ihr  Hauptaugen- 
merk jedoch  auf  StiUstik  gerichtet  hatte,  die  reale  Seite  des 
Alterthums  fleissig  und  eingehend  erläutert,  während  er  zuerst 
die  Geschichte  des  italienischen  Mittelalters  einer  kritischen 
Sichtung  und  Darstellung  unterwarf.  Seine  »Roma  instaurata« 
die  er  um  das  Jahr  1447  Eugen  IV.  widmete ,  ist  der  erste  Ver- 
such einer  auf  eigne  Anschauung  und  auf  die  Worte  classischer 
Schriftsteller  gegründeten  Beschreibung  der  alten  Stadt;  seine 
Pius  n.  gewidmete  »Roma  triumphans«  die  erste  Bearbeitung  der 
römischen  Antiquitäten.  Wenn  das  »wiederhergestellte  Rom«, 
wie  leicht  erklärlich  ist,  so  in  Bezug  auf  Quellenkenntniss 
wie  auf  Kritik  und  Combination  viel  zu  wünschen  lässt,  so 
ist  es  doch  nicht  blos  im  Vergleich  mit  allem  bis  dahin  Ge- 
leisteten eine  höchst  merkwürdige  Arbeit,  sondern  wegen  der 
localen  Anschauungen  des  Verfassers  auch  für  spätere  Zeit 
von  grösserer  Wichtigkeit.  Es  würde  dies  in  noch  weit  höherm 
Grade  sein,  wäre  die  Schilderung  der  noch  ganz  odei:  theil- 
weise  vorhandenen  Monumente  von  der  versuchten  Recon- 
struction  derselben   mehr  getrennt.     In   einer  sonst   von  blos 


Ciriaco  von  Ancona.  313 

antiken  Gresichtspunkten  ausgehenden  Zeit  bildet  Biondo  darin 
eine  Ausnahme  von  der  Regel,  dass  er,  für  den  die  Welt- 
geschichte nicht  mit  dem  Alterthum  abschloss,  wie  Petrarca 
des  christlichen 'Rom  nicht  vergass  und  kühn  aussprach,  Roms 
Majestät  und  Herrlichkeit  habe  noch  einen  andern  und  festem 
Boden  als  die  geschwundene  Pracht  von  Capitol  und  Palatin, 
als  den  Ruhm  seiner  Consuln  und  seiner  Legionen. 

In  Eugens  ersten  Regierungsjahren  war  ein  merkwürdiger 
Mann  bei  ihm  in  Rom.  Ciriaco  PizzicoUi  von  Ancona ,  gewöhn- 
lich nach  seiner  Vaterstadt  genannt,  dessen  schon  im  Vor- 
beigehn  gedacht  ward,  ist  Prototyp  der  wandernden  Antiqui- 
täten- und  Büchersucher,  halb  Gelehrte  halb  Handelsleute, 
an  allen  Höfen  bekannt,  mit  allen  Literaten  in  Verbindung,  zu 
ihren  Lebzeiten  schon  der  Charlatanerie  bezüchtigt  und  von 
Manchen  mistrauisch  beobachtet,  während  es  verschiedenen 
ilirer  angefochtenen  Entdeckungen  infolge  späterer  Forschun- 
gen ergangen  ist  wie  der  beargwöhnten  Glaubwürdigkeit  hero- 
(lotischer  Erzählungen.  Er  war  wederholt  im  Orient,  in 
Griechenland,  Romanien,  Kleinasien,  Aegypten,  zum  Theil  aus 
eignem  Antriebe  zum  Theil  im  Auftrage  reicher  Herren,  na- 
mentlich vornehmer  Venetianer.  üeberall  stöberte  er  umher, 
bei  den  venetianischen  und  genuesischen  Dynasten  auf  griechi- 
schen Inseln,  bei  den  Lusignan  auf  Cypern,  auf  den  Trümmer- 
stätten der  Küste  loniens,  in  Alexandria.  Nach  Mesopotamien, 
Persien,  Indien  war  sein  Sinn  gerichtet.  Handschriften,  Mar- 
mor- undBroncewerke,  Münzen,  Alles  sammelte  er  und  schleppte 
auf  seinen  Kreuz  -  und  Querzügen  durch  ganz  Italien  eine  Masse 
Curiosa  mit  sich.  Auch  auf  Inschriften  ging  sein  Augenmerk 
und  die  von  ihm  veranstaltete  Sammlung  hat  ihn  in  der  Ge- 
lehrtenwelt bekannter  gemacht  als  seine  meist  verlornen  Schrif- 
ten. Er  hat  oft  fehlerhaft  copirt  und  ist  durch  Fälschungen 
getauscht  worden;  eigne  Fälschungen  sind  ihm  öfter  vorge- 
worfen als  bewiesen  worden.  Seine  römischen  Inschriften  sind 
theilweise  dem  Anonymus  Einsiedlensis  theils  SignoriUs  Auf- 
zeichnungen entlehnt.  Aber  er  musste  Rom  wo  er  mehrmals 
verweilte  gut  kennen,  wenn  er  dort  dem  Kaiser  Sigmund  zum 
Führer  dienen  konnte.  Dass  Papst  Eugen  ihn  gütig  und  theil- 
nehmend  aufnahm,  ersieht  man  aus  dem  an  denselben  gerich- 
teten langen  Schreiben,  in  welchem  er  nach  dem  Jahre  1433 
von  seinen  Wanderungen  und  Funden  Kunde  giebt,  schwatzhaft 


316  Gemistos  Plethon.    Bessarion. 

wurde  lange  sehr  überschätzt.  Ihre  Starke  war  die  Wortkritik, 
ihr  Feld  mehr  oder  minder  leidenschaftliche  Discussion  über  die 
Verdienste  ihrer  Lieblingsautoren.  Auch  die  Besten,  zu  denen 
Georgios  Gemistos  genannt  Plethon  gehörte,  haben  kaum  eine 
andere  Spur  in  der  Literärgeschichte  zurückgelassen,  als  die 
Anregung  die  von  ihnen  auf  die  Itahener  ausging,  mit  denen  sie 
in  Berührung  traten.  Plethon  war  es  dessen  erklärend  -  apolo- 
getische Studien  über  Piatos  Werke  Cosimo  de'  Medici  die 
Idee  der  platonischen  Akademie  gaben,  deren  Glanzzeit  indess 
nicht  in  seine  Tage  sondern  in  die  seines  Enkels  fallt.  Von 
allen  Griechen  welche  das  Concil  nach  Italien  zog,  ist  Bessa- 
rion  der  berühmteste  geblieben.  Der  Erzbischof  von  Nicäa,  der, 
dem  Basilianerorden  angehörend,  als  er  zur  Kirchenversamm- 
lung kam  in  der  vollen  Kraft  der  Jahre  stand  (er  war  wie  es 
scheint  1395  in  Trapezunt  geboren),  war  jedenfalls  einer  der 
hervorragendsten  unter  Denen  die  damals  das  lateinische  Sym- 
bolum  annahmen.  Ebenso  war  er  einer  der  Wenigen  welche 
ihrer  damals  ausgesprochenen  Ansicht  treu  blieben.  Schon  im 
Jahre  1439  verlieh  ihm  Eugen  IV..  den  Cardinalat  und  bis  zu 
seinem  im  Jahre  1472  in  Rom  erfolgten  Tode  ist  er  zu  den 
manchfaltigsten  Aufträgen  und  Legationen  gebraucht  worden, 
keineswegs  immer  glückUch  wie  denn  der  Schmerz  über  das 
MisUngen  der  Friedensvermittlung  zwischen  Ludwig  XI.  und 
Carl  dem  Kühnen  seinen  Tod  beschleunigt  haben  soll.  Die 
Gewandtheit  welche  Bessarion  in  der  lateinischen  Sprache  und 
im  Verkehr  mit  den  Occidentalen  erlangte,  verbunden  mit  der 
grossartigen  Bereitwilligkeit  womit  er  seine  pecuniären  Mittel 
für  wissenschaftliche  Zwecke  zur  Verfügung  stellte,  steigerte 
die  Bedeutung  dieses  Mannes  in  der  Geschichte  des  Humanis- 
mus weit  über  das  Maass  hinaus  auf  welches  seine  eigne  Be- 
gabung ihm  Anspruch  verliehen  haben  würde. 

Die  Einwirkung  des  während  der  neun  Exilsjahre  Erlebten 
und  Geschauten  auf  Eugen  IV.  und  seine  Umgebung  ist  eine 
bleibende  gewesen.  Während  er  die  kirchlichen  Angelegen- 
heiten des  Occidents  nicht  ohne  Gewandtheit  leitete,  in  jenen 
des  Orients  wenigstens  partielle  Erfolge  hatte,  hat  der  Papst 
in  dem  bei  seiner  Rückkehr  furchtbar  verwilderten  Rom  aller- 
dings mehr  für  die  Wiederherstellung  von  Ordnung  und  Wohn- 
Uchkeit  wie  für  künstlerische  Zwecke  gewirkt  als  für  die  Lite- 
ratur.    Aber  der  Anstoss  war  einmal   gegeben.     Die  Männer 


Tommaso  da  Sai*zaua  und  das  florentiner  Literatenleben.  317 

welche  Eugen  begleiteten,  theils  ältere  Mitglieder  der  Curie 
theils  neugeworbene  schufen  sich  von  selbst  einen  Wirkungs- 
kreis. Alles  war  für  rasche  allseitige  Entwicklung  vorbereitet 
als  vier  Jahre  später  Tommaso  da  Sarzana  Eugens  Nachfolger 
wurde.  Den  glücklichen  Bemühungen  für  Herstellung  des 
Friedens  in  Itahen  und  für  die  Wiedervereinigung  der  durch 
das  baseler  Schisma  abgetrennten  Theile  des  Westens,  setzte 
das  Eintreten  Roms  in  die  grosse  Bewegung  des  Humanismus 
die  BjTone  auf.  Zum  erstenmale  versuchte  sich  ein  Papst  an 
die  Spitze  der  ausserkirchlichen  Literatur  zu  stellen. 


3. 

DER  MUSENHOF  NICOLAUS' V.      DIE  VATICANISCHE    BIBLIOTHEK. 

Nicolaus  y.  schwebte  das  florentiner  Literatenwesen  als 
Muster  vor.  Er  hatte  nie  der  Zeit  vergessen  in  welcher  er 
sich  Unterredungen  über  wissenschafthche  Materien  mit  dem 
ihm  eignen  Eifer  und  mit  jener  Ungezwungenheit  hingab  die 
ein  bemerkenswerther  Zug  in  dem  Bilde  des  damaligen  repu- 
blikanisch-einfachen Lebens  ist.  »Alle  gelehrten  Männer  des 
damaligen  Florenz,  erzählt  Vespasiano,  Leonardo  imd  Carlo 
von  Arezzo,  Giannozzo  Manetti,  Poggio,  Giovanni  Aurispa, 
Gasparo  von  Bologna  u.  A.  pflegten  Morgens  wie  Abends  an 
der  Ecke  beim  Palast  (der  Signorie)  zusammenzukommen,  wo 
sie  sich  miteinander  besprachen  und  über  zahlreiche  Dinge 
verhandelten.  Nachdem  Maestro  Tommaso  den  Cardinal  (Al- 
bergati) zum  Papste  begleitet,  gesellte  er  sich  ihnen  zu.  Da 
kam  er  auf  seinem  Maulthier,  gewöhnlich  im  blauen  Anzug  mit 
zwei  einfach  gekleideten  Dienern  zu  Fusse,  denn  damals  war 
man  am  päpstUchen  Hofe  weit  entfernt  von  dem  heutigen 
Pomp.«  Oder  man  versammelte  sich  abendUch  im  Kloster  der 
Angeli  bei  Traversari,  und  die  Verhandlungen  dieser  Gelehrten- 
republik schienen  Vielen  ebenso  wichtig  wenn  nicht  wichtiger 
als  jene  des  Gemeinwesens  oder  des  Concils  worauf  sie  oft 
Bezug  nahmen.  Auch  das  Verhältniss  der  edlen  Florentiner 
zur  Literatur  war  dem  Papste  im  lebendigen  Andenken  geblie- 
ben.   Er  hatte  die  Liberalitat  Cosimos  de'  Medici  zu  einer  Zeit 


318  Florenz  und  Rom« 

kennen  gelernt,  in  der  er  obgleich  in  Würden  fortgeschritten 
nicht  von  jener  Wurde  träumte  die  ihm  beschieden  war.  Die 
Ideale  einer  Gelehrtenrepublik  welche  einst  dem  Geiste  des 
eifrigen  und  strebsamen  Literaturfireundes  und  Buchersammlers 
vorgeschwebt  haben  mogten,  beschloss  der  Papst  zu  verwirk- 
lichen. Rom  sollte  im  Grossen  werden  was  Florenz  in  be- 
schrankterem Kreise  war.  Wäre  es  einem  einzelnen  Manne 
beschieden,  Zeit,  Ort,  Umstände  so  vollständig  zu  beherrschen 
dass  diese  Beherrschung  eine  ebenso  vollständige  Umwandlung 
ermöghchte,  so  würde  die  Absicht  Nicolaus'  V.  in  Erfüllung 
gegangen  sein.  Aber  während  er  sich  des  Erreichten  freute, 
darf  man  annehmen  dass  seinem  feinen  Verständniss  dennoch 
der  Unterschied  zwischen  dem  was  vor  seiner  Seele  stand, 
und  den  Thatsachen  die  er  vor  sich  sah,  nicht  verborgen 
bleiben  konnte.  In  Florenz  war  nichts  auf  höheres  Macht- 
gebot entstanden.  Wie  die  nationale  Literatur  in  diesem  un- 
erschöpflich fruchtbaren  Boden  erzeugt  worden  war,  so  war 
ohne  äussere  Anregung  der  von  Petrarca  und  seinen  Zeit- 
genossen ausgestreute  Saame  aufgeschossen.  Die  Wiederbele- 
bung der  classischen  Bildung  war  nur  eine  der  Phasen  jenes 
vielseitigen  Geisteslebens ,  dessen  glänzende  Erscheinungen  uns 
über  so  manche  Schatten  pohtischer  und  moralischer  Zustände 
hinwegbUcken  lassen.  Um  aber  solche  Zustände  werden  und 
sich  entwickeln  zu  lassen,  bedurfte  es  eben  eines  Zusanunen- 
wirkens  von  Geistern  und  Umständen,  wie  es  nur  aus  der 
grössten  innem  Harmonie  hervorgehn  kann.  Nicht  etwa  das 
Verdienst  Einzelner,  nicht  das  der  ebenso  thätigen  wie  glück- 
lichen Medici,  die  in  vielen  Fällen  nur  ernteten  was  andere 
ausgesäet  hatten,  hat  den  Ausschlag  gegeben. 

Rom  bot  weder  einen  solchen  Boden  noch  solche  Verbält- 
nisse. Wir  vernehmen  von  einzelnen  für  die  Wissenschaft 
sich  mühenden  Cardinälen  oder  Prälaten:  wir  vernehmen  nichts 
vom  Fortschritt  der  Cultur  des  Volkes,  nichts  von  geistigen 
Regungen  im  römischen  Adel  mit  ein  paar  vereinzelten  und 
darum  unfruchtbar  gebliebenen  Ausnahmen,  nichts  von  wissen- 
schafüicher  Thätigkeit  der  Klöster,  nichts  von  gelehrten  Stif- 
tungen wenn  wir  die  theologischen  Studien  ausnehmen.  Es  war 
als  käme  die  ganze  Bildung  von  aussen.  So  fand  Nicolaus  \^. 
den  römischen  Boden  und  die  römische  Atmosphäre,  als  er 
den  päpstUchen   Hof   zu   einem  Musenhofe   zu  machen,   di^ 


Rom  und  die  humanistische  Bildung.  319 

classische  Ciiltur  in  ihre  Heimat  zurückzufuhren  versuchte.  Wenn 
Florenz  ihm  Muster  und  Maassstab  gab,  so  musste  der  Con- 
trast  zwischen  der  eigenthümlichen  Feinheit  tmd  auch  in  untere 
Schichten  eingedrungenen  Bildung  des  florentinischen  Volkes 
und  dem  Zustande  dieser  Bevölkerung  von  »Kuhhirten«,  wie  die 
Toscaner  ihre  römischen  Nachbarn  nicht  ohne  Schärfe  aber 
ebensowenig  ohne  Grund  nannten,  ein  Contrast  welchen  Jahr- 
hunderte fortgeschrittener  Cultur  zu  tilgen  gesucht  haben,  auf 
den  Papst  tiefen  Eindruck  machen.  Wo  fand  er  die  grossen 
Familien  welche  ihren  Ruhm  in  die  Förderung  der  feinem  Cultur 
und  Sitten  setzten,  Gelehrte  heranzogen,  Bücher,  Ktmstwerke, 
Antiquitäten  mit  bedeutenden  Kosten  im  In-  und  Auslande 
durch  Correspondenten  und  Reisende  sammelten,  ihre  Handels- 
beziehungen zu  literarischen  Zwecken  benutzten,  ihre  wissen- 
schaftlichen Schätze  Allen  zugängUch  machten,  schöne  Paläste 
und  Ejrchen  bauten  und  ausschmückten ,  wie  die  Albizzi,  Strozzi, 
Medici,  Acciajuoh,  Pazzi,  Rucellai,  Soderini,  Ricci,  Pandolfini 
u.  A.  thaten?  In  Rom  war  Alles  neu. zu  machen.  Es  scheint  nicht 
aLs  habe  der  Papst  unter  den  Einheimischen  grossen  Beistand 
gefunden.  Solche  die  ihm  hätten  Hülfe  leisten  können  wie  der 
in  den  Humanistenkreis  hineingezogene  Stefano  Porcari,  ge- 
riethen  in  die  republikanische  Opposition,  welche  hier  so  man- 
chen Begabten  auf  Abwege  geführt  hat  und  die  allerdings  in 
dem  neuen  literarischen  Geiste  und  seinem  Protest  gegen  bis- 
her geltende  Autoritäten,  somit  auch  gegen  die  pohtischen 
Ideen  des  Mittelalters  Nahrung  fand. 

Nicolaus  V.  musste  mit  fremden  Kräften  operiren.  Wenn 
dieser  Umstand  seiner  Wirksamkeit  die  volksthümhche  Ein- 
wirkung entzogen  hat,  so  hat  der  Papst  doch  in  der  von  ihm 
eingeschlagenen,  nach  Maassgabe  der  herrschenden  Tendenzen 
aliein  möglichen  Richtung  Bedeutendes  erreicht  und  den  Weg 
vorgezeichnet,  welchen  die  römische  Cultur  beinahe  ein  Jahr- 
hundert hindurch  eingehalten  hat.  Dass  die  literarischen  Ten- 
denzen in  dem  Moment,  wo  das  Papstthum  sich  selbstthätig 
und  bestimmend  an  der  geistigen  Bewegung  zu  betheiligen  be- 
gann, die  humanistischen  waren,  ist  für  die  Geschicke  des 
Pontificats  auch  über  die  wissenschaftUchen  Kreise  hinaus  be- 
deutsam, in  gewisser  Beziehung  verhängnissvoll  gewesen.  Als 
die  schaffende  Geisteskraft  der  Nation  nahezu  erschöpft  schien, 
warf  die   Wiederbelebung   des    classischen  Alterthums    neuen 


320  Der  Humanismus,  Autorität  und  Ethik. 

Zündstoff  in  die  Gemütber.  Die  Wissenschaft  des  Mittelalters 
fand  sich  einem  neuen  Factor  gegenüber  dessen  Wesen  sie 
geahnt,  dessen  Kraft  zu  ermessen  sie  ausser  Stande  gewesen 
war.  Eine  grosse  tiefgehende  Gährung  war  unvermeidlich. 
Ebenso  unvermeidlich  war  der  Antagonismus.  Denn  es  handelte 
sich  nicht  blos  darum  eine  Autorität  an  Stelle  einer  andern  zu 
setzen.  Vielmehr  handelte  es  sich  darum  das  Ansehen  der 
Tradition  und  die  Macht  der  Autoritäten  überhaupt  durch 
mehrundinehr  unbeschränkte  Freiheit  des  Denkens  und  Anwen- 
dung der  ethischen  Grundsätze  einer  Culturepoche  zu  ersetzen, 
deren  Fundament  ein  von  der  christlichen  verschiedenes  war. 
Diese  Consequenzen  hat  Nicolaus  V.  sich  nicht  klar  gemacht, 
als  er  ein  augusteisches  Zeitalter  träumte,  obgleich  seinem 
Scharfsinn  die  längst  erkennbare  Lage  der  Dinge  nicht  ent- 
gangen sein  konnte.  Gerade  für  das  Oberhaupt  der  Kirche 
mussten  zahlreiche  Bedenken  eintreten.  Nicht  nur  bedrohte 
der  Kampf  der  Humanisten  gegen  das  Mönchswesen,  um  wel- 
ches sich  zur  Zeit  Eugens  IV.  Alles  zu  drehen  schien,  den 
regulären  Clerus  mit  der  Vei^eistigung  des  Spottes  welchen 
das  Mittelalter  in  Schrift  und  Bild  oft  arg  genug  über  den- 
selben ausgegossen  hatte,  indem  er  Schmälerung  des  populären 
Einflusses  desselben  in  sichere  Aussicht  stellte.  Die  Principien 
des  Humanismus  begannen  auch  in  die  geistliche  Wissenschaft 
selbst  einzudringen  und  hier  ihre  zersetzende  Wirkung  zu 
äussern. 

Längst  vor  Nicolaus  V.    war    diese  zersetzende  Wirkung 
auch   auf  anderen  Gebieten   selbst  dem  blödesten  Auge  klar 
geworden.    Die  Angriffe  auf  die  Aechtheit  der  constantinischen 
Schenkung  waren  noch  das  mindest  gefahrliche  Symptom,  so 
sehr  auch    deren  Virulenz    gegen   altherkömmliche    Ansichten 
von  päpstlicher  Autorität  gerichtet  sein  mogte.     Weit  bedenk- 
licher waren  die  Erscheinungen  auf  ethischem  Gebiete.    Jede 
Scheu  wurde  beiseite  geworfen.     Die  unter  dem  Titel  »Henna- 
phroditus«   zusammengestellten  Epigramme  des  Antonio  Becca- 
delh,  nach  seinem  Geburtsorte  gewöhnlich  Panormita  genannt, 
predigten  nicht  blos  die  »Emancipation  des  Fleisches«  sondern 
ergingen   sich    mit  Behagen   in   den    ärgsten  Ausschweifungen 
abstossender  Sinnlichkeit  und  ärgsten  Schmutzes   der  antiken 
Welt,  denen  sie  neuere  Verhältnisse  und  selbst  Persönlichkei- 
ten als  Fohe  unterlegten,  indem  sie  einen  modernen  Sittenspiegel 


Die  Humauisten  in  Lob  und  Tadel.  321 

hinzuhalten   vorgaben    und    sich    ohne  Scheu  an  manche  be- 
rühmte und  hochstehende  Männer  wandten.     Es  war  um  so 
schlimmer,  weil  die  Zierlichkeit  des  Verses  dem  Autor  selbst  bei 
Solchen  Bewunderung  gewann  die  sonst  nicht  mit  ihm  harmoni- 
ren  mogten.  Nichts  half  es  dass  die  volksthümlichsten  Redner,  St. 
Bernhardin  und  Alberto  von  Sarteano ,  gegen  die  Apotheose  der 
Wollust  und  des  Heidenthums  in  die  Schranken  traten,  dass  auf 
Eugens  IV.  Befehl  das  Schandbuch  öffentUch  verbrannt  wurde. 
König  Alfons  von  Neapel  schützte  den  frechen  Poeten ,  Kaiser 
Sigmund  verlieh  ihm  den  Dichterlorbeer.    Selbst  einer  der  Väter 
des  Humanismus,  Poggio,  tadelte  Beccadellis  faunenhafte  Frech- 
heit welche    dieser   mit  der  Berufung   auf  antike  Muster  und 
auf  seinen  wie  er  sagt  anständigen  Wandel  vertheidigte.    Was 
aber  der  Sicilier  als  junger  Mann  verbrach,  verbrach  der  Tos- 
caner  als  Greis  und  ohne  den  Reiz  der  Diction  welcher  Jenen 
auszeichnete.    Denn  sein  «Liber  facetiarum«  enthält  neben  man- 
chen insipiden  Anekdoten  nicht  wenige  unanständige  die  ebenso 
wider   die   Sitte    wie   gegen   kirchliche   Dinge  gerichtet    sind. 
Es  >virft  ein  seltsames  Licht  auf  die  Zustände  in  der  päpst- 
lichen Kanzlei ,  wenn  man  erfahrt  dass  solche  Scandalgeschich- 
ten Gegenstand  der  Unterhaltung  in  einem  vertrauten  Stübchen 
waren,    wo   Poggio,    Loschi,    Cencio   und  Andere   zusammen- 
kamen und  dem  sie  den  Namen  »Bugiale«,  das  Lügennest,  ge- 
geben  hatten.     Zwei   andere   Krebsschäden  des   Humanismus 
halten  einander  die  Wagschaale.     Die  Lobeserhebungen  seiner 
Junger  sind  ebenso  schamlos  und  widerwärtig  wie  ihre  Invec- 
tiven.     Sie  versündigten  sich  wider  die  Würde  der  Literatur 
in   gleichem  Maasse   durch  bezahlte  Elogien,   wie  durch  die 
grimmigen  Klopffechtereien   die    einen   Poggio,    Filelfo,   Valla 
und  ihre  Nachtreter  berüchtigt  gemacht  und  über  diese  Leute 
um   die  Wette   eine  Flut    von  Schimpf  und  Schmutz   ausge- 
gossen haben,  welche  die  Heroen  dieser  unedlen  Kämpfe  als 
die  entsetzhchsten  Scheusale  erscheinen  lassen  müsste,  wenn 
man    sie   in   den  Ergüssen   ihrer   Galle   beim   Worte   nehmen 
wollte. 

So  war  im  Guten  und  Schlimmen  der  Humanismus  be- 
schaffen, als  Nicolaus  V.  ihn  in  ein  intimes  Verhältniss  zum 
Pontificat  brachte.  Alle  Gelehrten  der  Welt,  erzählt  Vespa- 
siano,  kamen  in  Papst  Nico  laus'  Zeit  nach  Rom  theils  aus 
eignem  Antriebe  theils  von  ihm  gerufen,  weil  er  sie  an  seinem 

T.  Krumout,  Uum.    lU.  21 


322  Die  päpstliche  Kanzlei  bei  Nicolaus'  V.  Regierungsantritt 

Hofe  zu  sehen  wünschte.  Gilt  dies  selbstverständlich  nicht 
buchstäblich,  so  bot  doch  dieser  Hof  ein  eigenthümlicbes 
Schauspiel  dar.  Nicolaus  fand  einige  Kräfte  vor,  die  meisten 
zog  er  heran.  Zu  jenen  gehörte  Poggio ,  zu  dem  er  längst  in 
Beziehung  stand  und  der  ihm  bei  seinem  Regierungsantritt 
diese  Beziehungen  in  Erinnerung  brachte,  indem  er  ihm  seinen 
durch  alte  Neigungen  und  Bemühungen  ihm  vorgezeichneten 
Beruf  vorhielt,  die  Gelehrten  zu  heben,  die  Wissenschaften 
neuzubeleben.  Poggio  ist  vom  Papste  so  im  Kampf  gegen  die 
letzten  Reste  des  baseler  Concils  wie  zu  Uebersetzungen  aus 
dem  Griechischen  gebraucht  worden,  ohne  dass  Nicolaus  den 
Veteran  der  päpstlichen  Kanzlei  zu  fesseln  vermögt  hätte. 
Denn  nach  mehr  als  vierzigjährigem  Dienst  verliess  dieser  im 
Juni  1453  Rom  um  das  florentinische  Kanzleramt  zu  überneh- 
men ,  das  er  niederlegte  um  bis  zu  seinem  am  30.  October  1459 
erfolgten  Tode  den  Rest  seiner  Tage  literarischer  Müsse,  der 
es  nicht  an  Aergerniss  fehlte,  und  dem  Familienleben  zu  wid- 
men, das  er  sich  noch  in  vorgerückten  Jahren  geschaffen 
hatte.  Antonio  Loschi  war  zwar  unter  Nicolaus  V.  noch  thätig, 
scheint  jedoch  nur  seinen  Berufsarbeiten  gelebt  zu  haben. 
Auch  Biondo  Flavio ,  der  Lodigianer  Maffeo  Vegio ,  der  Are- 
tiner  Giovanni  Tortello  waren  bereits  unter  Eugen  IV.  in  die 
Kanzlei  gekommen.  Ersterer  der  ^sich  wie  es  scheint  oline 
seine  Schuld  in  Rom  in  Feindschaften  verwickelt  hatte,  lehrte 
bei  Nicolaus'  V.  Regierungsantritt  in  Ferrara,  von  wo  er  nach 
mehren  Jahren  zu  seiner  frühern  Stelle  zurückkehrte  ohne  zu 
Einfluss  zu  gelangen.  Vegio,  um  achtzehn  Jahre  jünger  als 
Biondo,  vereinigte  mehr  als  andere  Autoren  dieser  Zeit  die 
Liebe  zum  classischen  mit  dem  Verständniss  des  christlichen 
Alterthums.  Während  er  Astyanax  und  die  Argonauten  be- 
sang und  der  Aeneis  ein  dreizehntes  Buch  hinzufügte  welches 
gelesen  wurde,  schrieb  er  Biographien  alter  und  neuer  Heili- 
gen. Eine  seiner  Arbeiten  hat  für  die  Nachwelt  Bedeutung 
bewahrt.  Es  ist  die  Beschreibung  der  Peterskirche,  die  erste 
seit  der  des  Petrus  Mallius  vom  Ende  des  zwölften  Jahrhun- 
derts. Es  war  ein  Glücksfall  dass  in  dem  Moment  wo  der 
Untergang  der  ehrwürdigen  Basilika  schon  beschlossen  war, 
ja  mit  dem  Einreissen  und  Neubau  begonnen  wurde,  ein  clas- 
sisch  gebildeter  und  zugleich  im  christlichen  Alterthum  bewan- 
derter Mann    das   Gebäude    und    seine   Monumente   beschrieb. 


Neue  Kräfte.    Lorenzo  Valla.  323 

YOD  denen  uns  in  manchen  Fällen  nur  durch  ihn  Kunde  ge- 
blieben ist  Vegio  trat  nachmals  in  den  Augustiner-Chorherren- 
orden, Tortello  wurde  unter  Nicolaus  V.  ein  wichtiger  Mann 
indem  der  Papst  ihn  zu  seinem  Bibhothekar  machte,  wozu 
seine  polyhistorische  Gelehrsamkeit  passte,  wie  er  denn  ein 
encyclopädisches  Vocabular  ausarbeitete,  eine  Geschichte  der 
Medicin  schrieb  und  das  Leben  des  h.  Athanasius  aus  dem 
Griechischen  übertrug.  Rechnet  man  nun  noch  Georgios 
Trapezimtios  hinzu  welchen  Papst  Eugen  von  Florenz,  wo  er 
sich  seiner  bei  dem  Concil  bedient  hatte,  als  Lehrer  der  Elo- 
quenz nach  Rom  berief,  so  sind  die  Männer  genannt  welche 
Nicolaus  V.  vorfand.  Mit  Ausnahme  des  mehrerwähnten  Cencio 
de*  Rustici  begegnen  wir  unter  denselben  keinem  römischen 
Namen. 

Es  ist  begreiflich  dass  diese  Kräfte  dem  neuen  Papste  ge- 
ring schienen.  Seine  Bemülmngen  neue  zu  gewinnen  legen 
an  den  Tag,  dass  er  um  des  literarischen  Zweckes  willen  über 
vieles,  vielleicht  über  zu  vieles  hinwegsah,  was  Bedenken  ein- 
zuflössen geeignet  gewesen  wäre.  Es  geschah  in  einem  Maasse 
welches  auf  das  schon  berührte  Verhältniss  des  Humanismus  zur 
bisherigen  Wissenschaft  und  zur  Kirche  nicht  ohne  Einfluss  blei- 
ben konnte.  In  keinem  Falle  war  dies  offenbarer  als  bei  der 
ersten  von  Nicolaus  V.  ausgegangenen  Berufung.  Sie  war  die 
des  Lorenzo  Valla.  Aus  römischer  Familie  stammend  aber  in 
Piacenza  geboren,  in  seiner  Jugend  eine  Zeitlang  in  Rom  wo 
er  sich  unter  Martin  V.  vergebens  um  ein  Amt  in  der  Kanzlei 
bewarb,  dann  in  Neapel,  war  Valla  schon  im  Jahre  1437  als 
(ieheimschreiber  in  den  Dienst  König  Alfons'  getreten  und  hatte 
dort  eine  Thätigkeit  entwickelt,  deren  Anstössigkeit  durch  sein 
ungewöhnliches  Talent  namenthch  durch  die  Eleganz  seiner 
lateinischen  Diction  nur  gemehrt  wurde.  Seine  vernichtende 
Streitschrift  gegen  die  damals  im  allgemeinen  noch  für  acht 
gehaltene  constantinische  Schenkung,  seine  Angriffe  auf  das 
Mönchsthum  und  bestehende  Lehrsystem  erschienen  um  so  be- 
denklicher, da  erstere  mit  ihren  gehässigen  Ausfallen  gegen 
Eugen  IV.  und  Reminiscenzen  des  baseler  Concils  im  Moment 
der  päpstüchen  Bedrängnisse  erschien ,  letztere  mit  Spuren  ver- 
dächtiger Rechtgläubigkeit  zusammenhingen.  Valla  fiihlte  sich 
in  Neapel  unter  dem  Schutze  des  Königs,  der  gerade  damals 
in  argem  Zermirfnisse  mit  dem  Papst«  lebte,  so  sicher  dass 

21* 


324  Lorenzo  Valla.    Francesco  Filelfo. 

er  nicht  nur  den  Kampf  gegen  Hierarchie  und  Mönchswesen 
fortsetzte,  sondern  der  Inquisition  Trotz  bot  und  grosses  Aergei- 
niss  erregte.  Als  dann  wie  es  scheint  FamiHeninteressen  ihm 
die  Rückkehr  nach  Rom  wünschenswerth  erscheinen  liessen, 
hatte  er  nicht  nur  eine  Apologie  an  den  schwer  beleidigten 
Eugen  gerichtet  sondern  sich  zu  förmhchem  "Widerruf  erboten, 
wodurch  er  freilich  Zusage  persönhcher  Sicherheit  erlangte, 
aber  den  Angrifien  der  vielvermögenden  geistlichen  Orden 
gegenüber  sich  in  Rom  so  unbehagUch  fühlte  dass  er  sich 
heimUch  wieder  entfernte. 

Diesen  Mann  berief  Nicolaus  V.  und  ernannte  ihn  im  Jahre 
1448  zum  apostolischen  Scriptor.     Wenn  der  Wunsch  die  Ge- 
schichte des  Thucydides  von  der  Hand  dessen,   den  man  fiir 
den  besten  Latinisten  der  Zeit  hielt,  übersetzt  zu  erbalten,  die 
Bedenken   überwog   welche  Vallas   Uterarische   Antecedentien 
wecken  mussten,    so  hat  der  Papst   allerdings  diesen  Zweck 
erreicht.     Aber   er  sah   auch  seinen  Musenhof  bald    in  einen 
literarischen  Kampfplatz  verwandelt.    Denn  Valla  gerieth  mit 
Poggio  in  einen  Federkrieg,  der  vom  literarischen  Gebiete  wie 
gewöhnHch  auf  das  der  Persönlichkeiten  übergehend  das  Maass 
des  Hasses  und  des  Schmutzes  erschöpfte  und  eine  um  so  trau- 
rigere Berühmtheit  erlangte ,  da  die  Männer  die  sich  dabei  gegen- 
seitig  nach   Herzenslust   prostituirten,    unter   den   Augen  des 
Oberhaupts  der  Kirche  fochten  und  auch  dann  nicht  ruhten, 
als  der  eine  der  beiden  Gladiatoren  nach  Florenz  gezogen  war. 
Auf  beiden  Seiten  waren  Verschiedene  in  diese  Fehde  hinein- 
gezogen worden,   während  Derjenige  Frieden  zu  stiften  ver- 
suchte  der  in   der  Kunst   der   Satire   und  Invective  für  den 
ersten  Meister  galt,  Francesco  Filelfo.     Nicolaus  V.  hatte  einst 
Diesen    der   damals    am    mailändischen    Hofe    lebte,    freund- 
lichst aufgenommen  als   er  auf  einer  Reise  nach  Neapel  durch 
Rom   kam.     Er  hatte  ihm   ein   ansehnliches  Geldgeschenk  ge- 
macht und  das  Amt  eines  apostolischen  Scriptors  angeboten, 
ein  Anerbieten  welches  er  im  Jahre  1453  zur  That  werden  Hess, 
indem  er  daran  die  Absicht  knüpfte  die  homerischen  Gesänge 
durch  Filelfo  übersetzen  zu  lassen.    Ein  Umstand  welcher  darauf 
hinweist,  dass  weder  der  auf  den  Wunsch  König  Juans  von  Casti- 
lien  von  Pier  Candido  Decembrio  gemachte  Versuch  einer  Homer- 
übertragung den  Papst  befriedigte  noch  der  des  Römers  Orazio. 
obgleich  ein  apostolisches  Scriptorenamt  de«  Letztern  weniger 


Giftnnozzo  Manctti.     Leon  Batista  Alberti.  325 

als  mittelmässige  Verse  lohnte.  Aber  der  Papst  starb,  ehe  Fi- 
lelfo  nach  Rom  und  der  Plan  zur  Ausführung  kam.  Auch  in 
anderer  Beziehung  hatte  Nicolaus  V.  an  Valla  nicht  viele  Freude. 
Denn  dieser  benutzte  die  ihm  zum  Zweck  einer  verbesserten 
Sammlung  der  alten  Papstbullen  zur  Verfugung  gestellten  hte- 
i*arischen  Hülfsmittel  des  päpstUchen  Archivs  zur  Eigänzung 
und  Bekräftigung  seiner  Schrift  über  die  constantinische  Schen- 
kung, welche,  lange  inedirt  geblieben,  im  Jahre  1520  als  Waffe 
der  teutschen  Opposition  gegen  Rom  von  Ulrich  von  Hütten 
bekannt  gemacht  ward.  Doch  zog  ihm  dies  vom  Papste,  der 
als  Gelehrter  die  von  der  Kritik  gegen  die  Aechtheit  geltend 
gemachten  Gründe  würdigen  mogte,  keine  Ahndung  zu,  so  dass 
er  unangefochten  in  Rom  blieb  wo  er  nach  seinem  wie  es 
scheint  im  Jahre  1457  erfolgten  Tode  ein  Grab  in  der  Lateran- 
kirche fand,  deren  Stiftsherr  er  war  und  wo  die  moderne 
Inschrift  ihn  als  »Rex  linguae  latinae«  preist. 

Aus  dem  florentiner  Gelehrtenkreise  lud  der  Papst  den 
Giannozzo  Manetti  zu  sich,  der  bei  seiner  Wahl  Mitglied  und 
Redner  der  florentinischen  Beglückwünschungs- Gesandtschaft 
gewesen  war.  Aber  Manetti,  dessen  Ernennung  zum  apostoli- 
schen Scriptor  in  Micolaus'  letztes  Jahr  fiel,  konnte  die  lite- 
rarischen Zwecke  seines  Gönners  kaum  fördern,  indem  seine 
Bibelübersetzung  und  seine  Apologie  des  Christenthums  wenig 
vorgerückt  waren,  als  der  Papst  starb  dessen  Leben  der  dank- 
bare Freund  schrieb.  Auch  der  Florentiner  Leon  Batista  Al- 
berti kam  nach  Rom ,  er  der  nur  grösserer  Coucentrirung  seiner 
ausserordentlichen  Geistesgaben  bedurft  hätte  um  in  der  Kunst 
den  hervorragendsten  Platz  einzunehmen,  während  auch  heute, 
abgesehn  von  seinen  vortrefflichen  Bauwerken,  in  Allem  was 
er  unternommen  ein  glänzendes  Talent  sich  kundgiebt.  Im 
Jahre  1404  in  Genua  geboren  während  des  langen  Exils  seiner 
altedlen  Famihe,  zeigte  Alberti  einen  Verein  von  Gaben  des 
Geistes  und  Körpers,  der  an  seinen  berühmtem  Landsmann 
Leonardo  da  Vinci  erinnert.  Er  war  nicht  blos  als  Verfasser 
lateinischer  poetischer  und  didaktischer  Werke  sondern  auch 
durch  den  für  Sigismondo  Malatesta  begonnenen  Bau  der 
Kirche  S.  Francesco  zu  Rimini  bekannt,  als  er  durch  Biondo 
Nicolaus  V.  vorgestellt  wurde,  dem  er  im  Jalire  1451  sein  Haupt- 
werk, die  zehn  Bücher  von  der  Architektur  widmete.  In  Rom 
anwesend  als  die  Porcarische  Verschwörung  stattfand,  hat  er 


326  Filclfo  bei  Nicolaus  V. 

diese  in  einem  lateinischen  Commentar  beschrieben.  Dass  er 
Komödien  dichtete  die  man  für  Werke  des  Plautus  hielt,  we 
es  unter  andern  seinem  gelehrten  Zeitgenossen  Albrecht  von 
Eyb,  Pius'  II.  Kämmerer  und  Archidiaconus  zu  Würzburg 
begegnete,  dessen  literarische  Bildung  eine  italienische  war, 
zeugt  für  seine  vollkommene  Beherrschung  der  Form.  Der  ita- 
lienischen oder  toscanischen  Sprache  war  er,  ausserhalb  Tos- 
canas  gross  geworden,  damals  wenig  mächtig  so  dass  er  seine 
Schriften  in  derselben  fremder  Durchsicht  unterwerfen  musste. 
Sein  in  Rom  verfasstes  nachmals  ausgefeiltes  Werk  über  das 
Vamilienwesen ,  welches  lange  einem  seiner  Landsleute  Agaolo 
Pandolfini  zugeschrieben  wurde,  zeigt  jedoch  wie  er  sich  diese 
Sprache  zu  eigen  machte  und  weit  entfernt  war  die  Nicht- 
achtung zu  theilen ,  mit  welcher  mancher  seiner  gelehrten  Zeit- 
genossen sie  behandelte. 

Von  anderen  Seiten  her  bemühte   sich  der  Papst  Solche 
an  sich   zu  ziehn  von  denen  er  Förderung  seiner  hterarischen 
Pläne    hoflFen    durfte.      Schon    ward    Filelfos    erwähnt.     Der 
Bericht  über  seinen  vorübergehenden  Besuch  in  Rom  im  Juli 
1453  zeigt,   wie  alles  geschah  den  Humanisten  den  Kopf  zu 
verdrehen.     Filelfo    war   auf   der  Reise    nach   Neapel   begrif- 
fen   und   wollte    nur   einen  Nachmittag   in  der  Stadt  verwei- 
len.    Als  er  am   folgenden  Morgen  im  BegriflF  w^ar  zu  Pferde 
zu    steigen ,     erschien    Biondo    Flavio    um    ihn    zu    bewegen 
sich  sogleich  zum  Papste  zu  begeben;    es  sei  die  passendste 
Stunde    ihn    zu    sprechen.      Auf  Filelfos    Antwort    er   habe 
Eile   und    denke  den  Besuch  auf  die  Rückkehr   zu   verschie- 
ben,   bemerkte  Biondo,    dies   gehe    nicht   an,    Nicolaus   habe 
von  seiner  Anwesenheit   vernommen  und   mit   grösstem  I-iObe 
seiner  gedacht;  nicht  zur  Ehre  blos  auch  zum  Vortheil  werde 
es  ihm  gereichen.     Dennoch  bestand  der  spröde  Gelehrte  auf 
seinem  Reiseproject  als   der  päpstliche  Geheimsch reiber  Piero 
da  Noceto  eintrat  und  ihn  endlich  beim  Arme  nahm,  ihn  zum 
Papste   zu  führen.     Die  Aufnahme  war  so  wie  die  Einladung 
erwarten  liess,  und  wenn  Filelfo  den  Anerbietungen  Nicolaus' V. 
auch  diesmal  seine  Verpflichtungen  gegen  Francesco  Sforza  ent- 
gegenstellte,  so  nahm  er  doch  einen  Beutel  mit  fünfhundert 
Ducaten  mit  als  Anerkennung  für  seine  Satiren,   die  er  nach 
Neapel  überbrachte  und  deren  Leetüre  den  Papst  entzückt  xu 
haben  scheint,  was  auch  zu  den  Zeichen  der  Zeit  gehört 


Italieiiisclie  und  fremde  Gelehrte  in  Rom.  327 

Bei  Anderen  hatte  Nicolaus  V.  bessern  Erfolg.  Zu  diesen 
gehörten  unter  den  Italienern  namentlich  Pier  Candido  Decem- 
brio,  unter  dem  letzten  Visconti  am  mailändischen  Hofe  be- 
schäftigt und  nun  in  die  päpstliche  Kanzlei  aufgenommen ,  wäh- 
rend er  sich  auch  an  den  üebersetzungsarbeiten  betheiUgte, 
und  Niccolo  Perotti  von  Sassoferrato  der  sein  Emporkommen 
besonders  Bessarion  verdankte.  Nur  zwei  römische  Gelehrte 
dieser  Zeit  finden  wir  genannt,  den  Consistorialadvocaten  Gio- 
vanni de  Miles  und  Antonio  Caffarelli,  aber  sie  scheinen  ledig- 
lich ihrem  juristischen  Berufe  gelebt  zu  haben.  Stefano  Por- 
cari  dessen  unselige  Verschwörung  so  trübe  Eindrücke  hinterliess, 
muss  jedenfalls  tüchtige  literarische  Bildung  gehabt  haben  und 
stand  mit  den  florentinischen  und  oberitalischen  Gelehrten  in 
enger  Verbindung,  während  seine  Stellung  in  Rom  eine  ange- 
sehene gewesen  zu  sein  scheint.  Von  den  Griechen  am  päpst- 
lichen Hofe  ist  Georgios  Trapezuntios  von  Kreta,  der  eine 
zuzeiten  vielbesuchte  Schule  der  Eloquenz  hielt,  schon  genannt 
worden.  Neben  ihm  zum  Theil  wider  ihn  stand  Theodoros 
Gaza  von  Thessalonich.  Beide  von  Nicolaus  als  üebersetzer 
gebraucht  vermogten  sich  in  ihrer  Stellung  nicht  zu  halten; 
der  Erstere  hat  sich  gleich  den  Lateinern  an  den  widerlichen 
Klopffechtereien  betheiligt  wobei  er  in  doppelter  Beziehung 
den  kürzern  zog.  Der  grosse  Beschützer  der  Griechen,  über- 
haupt im  ganzen  Cardinalcollegium  der  eifrigste  Beschützer  der 
Literatur,  Bessarion  verweilte  während  des  Pontificats  Nico- 
laus' V.  nicht  in  Rom  sondern  in  Bologna.  Es  mag  dahin- 
gestellt bleiben  ob  der  Papst  in  dem  Cardinal  von  Nicäa  einen 
literarischen  Nebenbuhler  erkannte  und  ihn  deshalb  ferne  hielt. 

Manche  Ausländer  wurden  durch  Roms  neuen  wissen- 
schaftlichen Glanz  angezogen  oder  nahmen  durch  andere  Um- 
stände herbeigeführt  an  solchen  Bestrebungen  Theil.  Unter 
ihnen  ragte  ein  vornehmer  Engländer  hervor,  William  Gray, 
Abgesandter  König  Heinrichs  VL ,  in  Cöln  dann  in  Padua  und 
Ferrara  unter  Guarino  von  Verona  gebildet,  als  eifriger  Büclier- 
freund  von  Vespasiano  gerühmt,  von  Nicolaus  V.  zum  Bisthum 
Ely  befördert,  wohin  er  sich  zurückzog  als  die  Verwicklungen 
des  Rosenkrieges  seine  Stellung  am  englischen  Hofe  unhaltbar 
machten.  Zu  den  gelehrten  Besuchern  Roms  gehörte  auch  jener 
Graf  von  Worcester,  welcher  nach  der  Vertreibung  König 
Eduards  IV.    durch    die   lancastersche   Partei    im   Jalire   1470 


328  Uebersetziingeii  grierhisohcr  Autoren. 

als  Connetable  des  Reichs  den  Tod  erlitt.     Die  literarischen 
Tendenzen  des  Cardinals  Beaufort  hatten  im  englischen  Adel ' 
Nachahmung  geweckt. 

Blickt  man  auf  die  Früchte  der  von  Nicolaus  V.  entwickel- 
ten Thätigkeit,  so  sind  sie  nach  einer  Seite  hin  bedeutend,  auf 
der  andern  zweifelhaft.  Der  Gewinn  war  in  gewissem  Sinne 
mehr  ein  materieller  als  ein  eigentlich  und  unmittelbar  geisti- 
ger. Der  Gelehrtenkreis  Nicolaus'  V.  hat  keine  neue  Bahnen 
eingeschlagen.  Er  hat  auch  nicht  gleich  den  Humanisten  der 
Zeit  des  constanzer  Concils ,  von  deren  erfolgreicher  Thätigkeit 
er  Zeuge  gewesen  war,  den  classischen  Bücherschatz  gemehrt. 
Die  Zahl  literarischer  Funde  ist  nicht  bedeutender  gewesen 
als  ihr  innerer  Werth.  Aber  für  Sammeln  und  Benutzen  des 
durch  die  letzten  Decennien  Gewonnenen,  für  Verbreitung  na- 
mentlich der  Kenntniss  der  Sprache  und  Literatur  deren  Vor- 
rang und  Bedeutung  in  der  Geschichte  der  Bildung  man  richtig 
erkannte  und  würdigte,  hat  dieser  Kreis  namhaftes  geleistet 
Das  vierzehnte  Jahrhundert  hatte  wie  wir  gesehen  den  Eifer 
für  griechische  Sprache  und  Literatur  geweckt,  aber  die  Kennt- 
niss beider  war  wenig  verbreitet.  Der  Drang,  diesem  Mangel 
abzuhelfen  war  vom  Anfang  des  neuen  Jahrhunderts  in  dem 
Maasse  lebendiger  geworden,  wie  die  Zahl  der  griechischen 
Handschriften  sich  mehrte.  Die  Unionsbestrebungen  hatten 
dann  zu  den  philologischen  Gründen  dieses  Bestrebens  nahe- 
liegende praktische  Anlässe  hinzugefugt,  die  in  den  Arbeiten 
toscanischer  Gelehrten  in  den  Concilszeiten  ihren  Reflex  fanden. 
Jemehr  die  Kenntniss  des  Griechischen  sich  immer  noch  auf 
Einzelne  beschränkte  und  je  unvollkommener  sie  bei  der  Mehr- 
zahl derselben  war,  umso  legitimer  war  der  Wunsch  die  griechi- 
schen Meisterwerke  durch  das  Medium  der  lateinischen  Sprache 
den  abendländischen  Nationen  zugängUch  zu  machen.  Papst 
Nicolaus  hat  auf  diesem  Felde  eine  Thätigkeit  entwickelt  und 
veranlasst  die  man  nicht  gering  anschlagen  darf,  so  unvoll- 
kommen manche  der  Arbeiten  an  sich  sein  mögen,  so  sehr  man 
in  der  Textkritik  bei  den  ersten  Schritten  stehen  blieb.  Piatons 
Werke  wurden  gewissermaassen  erst  damals  in  Italien  bekannte 
wobei  ein  grosser  Theil  des  Verdienstes  Bessarion  gehört,  wie 
immer  man  über  sein  Verständniss  des  grossen  Weltweisen 
urtheilen  mag.  Welchen  Einfluss  dieser  dann  auf  die  italie- 
nische Philosophie  und  Wissenschaft  überhaupt  ausübte,  zeigt 


Tnnerer  Werth  der  bunianistificheii  Production.  329 

die  Geschichte  der  florentiner  Akademie.  Selbst  von  Aristotele« 
kann  man  sagen  dass  das  Verständniss  seiner  Schriften  erst 
in  jener  Zeit  durchdrang,  welche  sie  in  ihrer  wahren  Gestalt 
frei  von  der  Verhüllung  des  Mittelalters  empfing.  Die  bis  da- 
hin nur  aus  Compendien  geschöpfte  Kenntniss  der  griechischen 
Geschichte  wurde  zugleich  mit  jener  der  Historiker  gefördert. 
Thucydides,  Herodot,  Diodor,  Polybius,  Xenophon,  Plutarch, 
Arrian,  Appian,  Strabo  u.  A.  wurden  um  die  Mitte  des  Jahr- 
liunderts  ganz  oder  theilweise  übertragen.  Diese  Uebertragun- 
gen  Hessen  meist  so  in  Bezug  auf  Treue  wie  auf  den  lateini- 
schen Ausdruck  viel  zu  wünschen  übrig,  aber  es  war  doch 
eine  unendliche  Bereicherung  des  wissenschaftlichen  Materials 
und  geistigen  Reichthums,  namentlich  eine  Aufforderung  zu 
voUkommnerer  Aneignung.  Von  Uebersetzungen  poetischer 
Werke  vernehmen  wir  wenig.  Mehre  der  Humanisten  wollten 
für  Dichter  gelten,  zogen  es  jedoch  vor  Verhältnisse  und  Per- 
sonen der  Gegenwart  in  ihren  Satiren  zu  geissein,  bissige 
und  nicht  selten  schmutzige  Epigramme  loszulassen,  Epen  zu 
schreiben  welche  ebensowenig  wie  die  Africa  gelesen  wurden, 
ihren  Autoren  aber  gelegentlich  Gold  und  den  Poetenlorbeer 
einbrachten,  statt  sich  an  die  schwierige  Arbeit  des  "Wieder- 
gebens  von  Dichterwerken  zu  machen.  Carlo  Marsuppini  ver- 
suchte sich  an  der  Batrachomyomachie,  aber  wir  sahen  schon 
wie  Nicolaus  V.  die  Sehnsucht  nach  einem  lateinischen  Homer 
mit  ins  Grab  nahm. 

Wenn  man  von  diesem  Gewinn  der  Verbreitung  der  griechi- 
schen Literatur  absieht,  so  stand  die  literarische  Production 
der  Zeit  ihrem  innern  Werthe  nach  in  keinem  Verhältniss  zu 
den  aufgewandten  Mitteln.  Am  grössten  aber  ist  das  Misver- 
hältniss  zu  der  Meinung,  welche  die  Humanisten  von  sich  selber 
hegten  und  ohne  Scheu  aussprachen.  Der  leichterklärliche  und 
berechtigte  Enthusiasmus ,  welchen  die  Bereicherung  des  antiken 
Bücherschatzes  weckte  und  der  sich  auf  die  Vermittler  der- 
selben erstreckte,  verdrehte  diesen  Leuten  die  Köpfe.  Sie 
glaubten  ihr  Jahrhundert  zu  dominiren.  In  gewissem  Sinne 
thaten  sie  es  wirkUch.  An  den  Höfen  machte  man  ihnen  den 
Hof  um  ihnen  dann  gelegentlich  Fusstritte  zu  geben.  Im  all- 
gemeinen wurden  sie  gefürchtet.  Die  nationale  Literatur  war 
beinahe  durch  sie  verdrängt:  die  schüchterne  Befangenheit 
der    Zeit  Dantes   und  Petrarcas   inbetreff  des  Anspruchs  der 


330  Mcimiiip  der  Huniaiiisteii  von  sich  selbst. 

Vulgarsprache  hatte  der  Misachtung  derselben  Platz  gemacht. 
Der  grössere  Irrthum  war  nun,  dass  die  Leiter  der  Bewegung 
in  vollkommenem  Verkennen  ihres  Standpunktes  und  Vermö- 
gens das  dem  Alterthum  geltende  Interesse  für  eigne  Schöpfun- 
gen in  Anspruch  nahmen.  In  ihrer  Naivität  stellten  sie  sich 
mit  den  Heroen  der  classischen  Literatur  kühn  in  eine  Reihe. 
Ihre  Verse,  Reden,  Tractate,  Briefe  erhoben  Anspruch  auf 
den  Ruhm  des  augusteischen  Zeitalters.  Filelfo  maass  sich 
ohne  Zagen  mit  Virgil  und  Cicero.  Liess  er  ihnen  im  Einzel- 
nen den  Vorrang,  so  erkannte  er  sich  im  Verein  der  Gaben 
den  Lorbeer  zu. 

»Geht  Virgil  mir  voran  in  dci-  Diclitiing  Preise,  so  steht  er 
Hinter  mir  wahrlich  zurück  in  der  rhetorischen  Kunst. 

Hat  sich  die  Palme  erkämpft  im  erhabenen  Schwünge  der  Rede 
Tullius,  lässt  er  den  Siejj;  mir  im  poetischen  Spiel. 

Rechnest  du  aber  dazu  dass  ich  beide  die  Sprachen  bemeistre, 
Hellas'  und  Romas  zug^leich,  sprich  wer  vergleichet  sich  mir.^« 

Die  Zeit  hat  über  diese  Auspriiche  gerichtet.  Die  Gesammt- 
production  der  Humanisten  hat  nur  noch  ein  culturhistorischcs 
Interesse.  An  ihre  Prosaschriften  denkt  niemand,  handelt  es 
sich  nicht  um  stoffliche  Dinge.  Ihre  Geschichtswerke  hahen 
im  Allgemeinen  nur  in  den  ihre  eigne  Zeit  betreffenden  Theilen 
bleibenden  Werth,  sind  aber  auch  in  diesen  im  Vergleich  mit  un- 
geschminkten Aufzeichnungen  in  der  Vulgarsprache,  wie  die  der 
beiden  Capponi,  Jacopo  Salviatis,  Bonaccorso  Pittis,  Giovanni 
Cavalcantis,  lauter  Florentiner,  durch  die  Nachahmung  antiker 
Form  in  ihrer  Evidenz  sehr  beeinträchtigt.  Selbst  mit  den 
florentinischen  Geschichten  Leonardo  Brunis  und  Poggios  ist 
dies  der  Fall.  Ihre  Verse  sind  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen 
nicht  blos  durch  die  lateinischen  Dichter  des  folgenden  Jahr- 
hunderts in  Schatten  gestellt,  deren  Tendenzen  wesentlich 
andere  waren.  Sie  sind  so  rasch  in  Vergessenheit  gerathen 
dass  viele  unveröffentlicht  blieben ,  als  eine  ihrer  Blütezeit  auf 
dem  Fusse  folgende  neue  Kunst  Mittel  dazu  an  die  Hand  gab. 
Ihre  kritischen  Arbeiten  endlich  fallen  so  leicht  als  möglich  ins 
(Tcwicht.  Ihren  lateinischen  Stil  haben  sie  sich  überdies  gegen- 
seitig mit  grösster  Bitterkeit  verketzert. 

Die  andere  Seite  von  Papst  Nicolaus'  V.  literarischer  Thä- 
tigkeit  war  die  des  Büchersammelns.  Sie  hängt  mit  der  Ge- 
schichte der  vaticanischen  Bibliothek  innig  zusammen. 


Päpstlicher  Bücherschatz  alter  Zeiten.  331 

Das  lateranische  Patriarchium  hatte  einen  alten  Bücher- 
schatz. Wir  wissen  dass  Gregor  IL  vor  seiner  Erhebung  die 
Aufsicht  über  denselben  führte  und  dass  u.  A.  Papst  Zacharias 
ihn  vermehrte.  Gelehrte  Päpste  deren  das  Mittelalter  so  viele 
gehabt  hat,  und  die  lateranische  Schule  bedurften  der  literari- 
schen Hülfsmittel.  Nach  genaueren  Angaben  suchen  wir  ver- 
gebens. Bei  der  Verlegung  der  Residenz  nach  Avignon  wurde 
die  päpstHche  BibUothek  zum  Theil  dahin  geschafft  und  fran- 
zösischen Bibliothekaren  anvertraut.  Die  Restitution  derselben 
nach  Beendigung  des  Schismas  war  ebenso  unvollständig  wie 
die  der  Archive.  Einzelnes  war  während  des  Concils  und 
später  an  Johannes  XXIII.  und  Martin  V.  gesandt  worden ,  wie 
aus  einer  von  letzterm  für  den  Camerlengo  p]rzbischof  von  Nar- 
bonne  ausgestellten  Bescheinigung  hervorgeht.  In  Rom  hatten 
sich  aber  unterdessen  wieder  Bücher  angesammelt.  Zeugniss 
dafür  giebt  der  befremdUche  Verkauf  von  fünfhundert  Hand- 
schriften der  Kirche  an  den  Erzbischof  von  Neapel  zu  Anfang 
der  Regierung  Gregors  XII.  Ueber  die  Vermehrung  der  Samm- 
lung durch  Martin  V.  und  Eugen  IV.  wissen  wir  wenig.  Hand- 
schriften die  einst  dem  Erstem  gehörten,  sind  bis  ins  nörd- 
liche Teutschland  verschlagen  worden.  Von  Eugens  Bibliothek 
sagt  Traversari,  er  habe  gar  nichts  was  der  Rede  werth  darin 
gefunden.  Ausser  der  eigentlichen  päpstlichen  Sammlung  gab 
es  damals  auch  die  der  Peterskirche  mit  welcher  die  schon 
erveähnte  Cardinal  Orsinis  vereinigt  wurde.  Ueberdies  befand 
sich  eine  Bibliothek  bei  der  Kirche  Sta  Cecilia  und  in  Grotta 
ferrata,  aber  Traversari  erwähnt  des  kläglichen  Zustands  der 
Handschriften  dieser  letztern.  Mit  Nicolaus  V.  begann  eine 
neue  Zeit.  Er,  der  als  Privatmann  so  viel  auf  Bücher  ver- 
wendet, für  Anderer  Sammlungen  sich  so  erfolgreich  gemülit 
Iiatte,  musste  mit  Allen  wetteifern.  Hätte  er  seine  Absichten 
vollständig  ins  Werk  setzen  können,  sagt  Vespasiano,  die 
Bibliothek  welche  er  bei  St.  Peter  für  die  ganze  Curie  anlegen 
wollte,  würde  etwas  wunderbares  geworden  sein.  Nicht  nur 
Hess  er  auf  allen  Seiten  namentlich  in  Griechenland  nach  Hand- 
schriften forschen  für  welche  er  ansehnliche  Preise  zahlte. 
Auch  auf  neue  Abschriften  verwandte  er  bedeutende  Summen. 
r>as  Geschäft  der  Scriptoren  gelangte  um  die  Mitte  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  zu  seinem  höchsten  Flor.  Je  fehlerhaf- 
ter  wie  erwähnt  die  Abschriften  gewesen   waren,   umsomehr 


332  Nicolaus'  V.  Bibliothek. 

befleissigte  man  sich  nun  der  Correctheit.  "Wahrend  tüchtige 
Männer  neue  Exemplare  lieferten,  begann  die  gelehrte  Text- 
kritik sich  geltend  zu  machen.  Der  Buchhandel  wurde  zu 
einem  blühenden  Geschäft.  Ganze  Bibliotheken  wurden  ge- 
schrieben. Durch  Vespasiano  den  thätigsten  und  kenntniss- 
reichsten  Buchhändler,  der  für  Cosimo  de'  Medici  den  Grund 
zur  laurentianischen  Bibliothek  legte,  haben  wir  die  umständ- 
liche Schilderung  des  Systems  nach  welchem  Herzog  Friedrich 
von  Urbino  seine  berühmte  Sammlung  bildete,  »die  würdigste 
welche  von  den  Zeiten  des  Alterthums  bis  auf  die  unserige  an- 
gelegt worden  ist«.  Vierzehn  Jahre  hindurch  waren  so  in 
Florenz  wie  in  Urbino  dreissig  bis  vierzig  Schreiber  für  den 
Herzog  beschäftigt.  Wie  es  sodann  mit  der  künstlerischen 
Ausschmückung  der  Bücher  durch  treffliche  Miniaturen,  mit 
der  Schönheit  des  Pergaipents,  der  Pracht  der  mit  silbernen 
und  vergoldeten  Schlössern  versehenen  Einbände  u.  a.  gehalten 
wurde ,  zeigen  die  heute  im  Vatican  aufbewahrten  urbinatischen 
Handschriften,  zeigen  andere  welche  um  diese  Zeit  entstanden, 
wo  Päpste  und  Fürsten,  Cardinäle  und  grosse  Herren,  König 
Alfons,  der  letzte  Visconti,  die  Feitrier,  Este,  Malatesten,  die 
vornehmen  Venetianer  und  Florentiner  miteinander  wetteiferten. 
Petrarca  hatte  geklagt  Bücher  seien  wieder  wie  zur  Zeit  des 
römischen  Imperiums  Luxusgegenstände  geworden.  Statt  zu 
lesen  verwende  man  sie  wie  Statuen  und  Bilder  zum  Zimmer- 
schmuck. Was  wir  aber  von  manchen  grossen  Herren  des 
(Quattrocento  wissen ,  zeigt  dass  sie  die  Bücher  auch  benutzten. 
Jedenfalls  durfte  ein  Fürstensitz  ebensowenig  ohne  Bibliothek 
sein  wie  ohne  Hofgelehrte.  Es  mag  nach  Mode  geschmeckt 
haben,  aber  es  hat  schlimmere  Moden  gegeben. 

Giovanni  Tortelli  wurde  Bibliothekar  der  Vaticana.  In 
seinem  Nicolaus  V.  gewidmeten  Tractat  über  die  Orthographie 
bestätigt  und  particularisirt  er  Vespasianos  Andeutungen  über 
des  Papstes  literarische  Projecte.  Wir  haben  ein  Verzeichnis? 
der  Bücher  welche  sich  bei  dessen  Tode  im  Schiafgemach 
vorfanden.  Mit  Ausnahme  zweier  Werke  des  Lactantius  und 
Eusebius  gehören  die  sechsundfünfzig  Bände  sämmtlich  ins 
Gebiet  der  classischen  Literatur.  Homer,  Thucydides,  Appian, 
Xenophon,  Dionysius,  Diodor  in  Uebersetzungen  von  denen 
die  Vallasche  des  peloponnesischen  Krieges  in  dem  pracht- 
volleQ  Widmungsexemplar  auf  Pergament  mit  Sammtdecke  und 


Nicolaus'  V.  Bibliothek.  333 

vergoldeten  Spangen,  Cicero,  Sallust,  Livius,  Horaz,  Virgil, 
Terenz,  Ovid,  Juvenal,  Plinius  der  ältere  und  jüngere,  Seneca 
der  Philosoph  und  der  Tragiker ,  Quintilian ,  Valerius  Maximus, 
Macrobius,  Apulejus,  Justin,  Florus,  Claudian,  Ptolemaeus, 
Columella  —  die  Namen  zeigen  wie  die  alte  Literatur  dem 
Papste  ans  Herz  gewachsen  war. 

Nach  Nicolaus'  V.  Tode  trat  ein  Stillstand  ein  während 
andere  Interessen  überwogen.  Calixt  III.  scheint  sich  um  die 
Literatur  wenig  gekümmert  zu  haben.  Die  Klagen  aber  welche 
Filelfo  wie  Vespasiano  inbetreff  der  Bibliothek  des  verstorbenen 
Papstes  anstimmen,  sind  übertrieben  wenn  nicht  ganz  imgerecht. 
Filelfo  wiederholte  nicht  blos  in  einem  Briefe  an  Enea  Silvio  Pic- 
colomini  die  von  Bessarion  vorgebrachten  Beschwerden,  son- 
dern sprach  sie  gegen  den  Papst  selber  aus ,  indem  er  ihn  darauf 
aufmerksam  machte  wie  die  öffentliche  Stimme  ihm  die  Nicht- 
achtung der  Gelehrten  seiner  Umgebimg,  die  Verschleuderung 
der  Bücher  seines  Vorgängers  zur  Last  legte.  »Als  Papst  Ca- 
iixtus,  erzählt  Vespasiano,  die  Regierung  antrat  und  so  viele 
treffliche  Bücher  sah,  von  denen  fünfhundert  in  Einbänden 
von  Carmesinsammt  mit  Silberbeschlägen  prangten,  wunderte 
er  sich  sehr,  da  er  ein  alter  Jurist  nur  geheftete  Schriftstücke 
auf  Baumwollenpapier  zu  sehen  gewohnt  war.  Statt  die  Ein- 
sicht seines  Voi^ängers  zu  beloben  sprach  er  beim  Eintritt  in 
das  Büchergemach:  seht  doch,  wofür  Der  den  Schatz  der 
Kirche  Gottes  ausgeleert  hat!  Nun  begann  er  die  griechischen 
Bücher  zu  verschleudern.  Mehre  hunderte  gab  er  dem  ru- 
tenischen  Cardinal  Isidor.  Da  dieser  vor  Alter  halbkindisch 
geworden  war,  kamen  die  Bände  in  die  Hände  der  Diener- 
schaft;. Für  CarUne  wurde  verkauft  was  Goldgulden  gekostet 
hatte.  Viele  lateinische  Bücher  gelangten  nach  Barcelona, 
theils  durch  den  Bischof  von  Vic  Papst  Calixtus'  Datar  der 
wie  ein  anderer  Papst  war,  theils  als  Geschenke  des  Pap- 
stes an  catalanische  Edelleute.«  Dieser  umständlichen  Schilde- 
rung dürfte  doch  nicht  völlig  Glauben  beizumessen  sein.  Ein- 
zelnes, wie  nach  dem  Ableben  eines  Papstes  so  oft  geschieht, 
mag  in  andere  Hände  gelangt  sein ,  aber  wir  finden  nicht  nur  den 
grössten  Theil  der  Erwerbungen  Nicolaus*  V.,  soweit  wir  sie  ver- 
folgen können,  in  der  heutigen  Vaticana  wieder,  sondern  auch 
nicht  wenige  von  seinem  Nachfolger  erstandene  Handscliriften. 


334  Plus  II.  und  der  Humanismus. 


4. 

NACHBLÜTE    DES   HUMANISMUS.      PIUS  IL      DIE   RÖMISCHE   AKADEMIK 

UND   DER  BOCHERDRUCK. 

* 

Auf  Calixtus  UI.  folgte  der  Mann  der  als  Jungling,  aU 
Tlieilnehmer  am  baseler  Concil,  als  einflussreicher  Staatsmann 
iu  fremden  Landen  in  der  Mitte  der  humanistischen  Bewegung; 
gestanden  und  deren  Förderer  in  Teutschland  gewesen  war, 
der  auch  als  Bischof  und  Cardinal  seine  wissenschaftliche 
Thätigkeit  nicht  aufgegeben  hatte  —  Pius  11.  Enea  Silvio 
Piccolomini  hatte  sich  von  Jugend  an  in  allen  Fächern  der 
Literatur  versucht,  in  mehren  derselben  mit  ungewöhnUcbem 
Glück,  in  keinem  ohne  namhaftes  Talent.  Er  ist  einer  der 
fruchtbarsten  Schriftsteller  seiner  Zeit  gewesen  und  gerade 
auf  Grund  mehrer  seiner  Schriften  sind  die  schärfsten 
Anklagen  wider  ihn  erhoben  worden.  Es  ist  nicht  wolil 
möglich  Enea  Silvio  von  allen  solchen  Anklagen  freizu- 
sprechen: gegen  willkürliche  Uebertreibung  und  gehässige 
Verketzerung  ist  er  unbedingt  zu  vertheidigen.  Wollte  man 
auch  das  Zeugniss  seines  Mitschülers  des  nachmaUgen  Bene- 
dictinerabtes  Girolamo  Agliotti  von  Arezzo  über  sein  sittUclies 
Benehmen  während  seiner  Studienzeit  in  Siena  als  verdächtig 
zurückweisen,  so  zeugen  Zahl  und  Gehalt  seiner  Schriften 
dafür  dass  er  die  Zeit  nicht  in  Ausschweifongen  vergeudete. 
Denn  wenn  man  seine  zahlreichen  und  manchfachen  Amts- 
geschäfte und  seine  vielen  Reisen  in  Anschlag  bringt,  so 
geliörten  eiserner  Fleiss  und  seltene  Arbeitskraft  dazu,  in 
einem  nicht  gerade  langen  Leben  so  gewaltigen  Stoff  zu  be- 
meistern  und  so  grosse  Formgewandtheit  zu  erlangen.  Seine 
berühmte  Novelle  Euryalus  und  Lucretia  welche  die  aienesi- 
schen  Abenteuer  Caspar  Schhcks  des  vielgenannten  Kanzlers 
Kaiser  Friedrichs  III.  schildern  soll,  ist  wol  nur  deshalb  so 
hart  angegriffen  worden  weil  sie  von  einem  nachmaUgen  Papst 
herrührt.  Denn  von  derselben,  wie  geschehn  ist,  auf  dieMo- 
ralität  ihres  Verfassers  die  härtesten  Schlüsse  ziehen,  zeugt 
von  gänzlicher  Unkenntniss  der  hterarischen  und  socialen  Zu- 
stände Italiens ,  wie  sie  sich  seit  mehr  denn  einem  Jahrhundert 
gebildet  hatten.     Ueberdies   ist   nicht   ausser  Acht   zu   lassen 


Pills  II.  als  Schriftsteller.  335 

dass  die  von  dem  florentiner  Geheimsclireiber  Alessandro 
ßracci  verfasste  italienisclie  Uebersetzung,  in  welcher  und  nicht 
im  lateinischen  Original  diese  Erzählung  man  kann  sagen  Ge- 
meingut der  Nation  wurde,  etwas  von  der  Urschrift  wesentlich 
Verschiedenes  bietet.  »Der  Verfasser,  sagt  Bracci,  Enea  Silvios 
eigne  Worte  wiederholend,  wollte  Jünghngen  und  Mädchen 
eine  Warnungstafel  darbieten:  ich  aber,  in  Betracht  dass  die 
3Iacht  der  Liebe  jedes  Bedenken  überragt  und  keine  Abmah- 
nung hilft,  habe  an  vielen  Stellen  des  Autors  Erfindung  bei- 
seitegelegt und  andere  Dinge  hinzugefügt  um  den  Reiz  zu  er- 
höhen.« Seine  Dichtungen  und  philosophirenden  Tractate 
gehen  nicht  über  die  Mittelhöhe  humanistischer  Production 
hinaus,  deren  Ansichten  und  Verhältniss  zum  Alterthum  sie  re- 
prasentiren. 

Für  uns  hegt  Enea  Silvios  wirkhche  Bedeutung  als  Schrift- 
steller in  seinen  historischen  Werken.  Bei  einigen  derselben 
wie  bei  seinen  geographisch -encyclopädischen  Arbeiten  ist  das 
stoSliche  Interesse  gegenwärtig  gering.  Andere  werden  wegen 
der  bisweilen  bestimmenden  persönlichen  Theilnahme  des  Ver- 
fassers an  den  von  ihm  erzählten  Begebenheiten  immer  Werth 
bewahren,  wenn  auch  die  Genauigkeit  des  Einzelnen  nicht 
iouner  stichhaltig  ist.  Sein  Hauptwerk  sind  die  Commentarien 
seiner  eignen  Zeit  welche  die  Begebenheiten  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  bis  zum  Jahr  1463  in  wesentlich  autobiograplii- 
scher  Form  enthalten.  Nicht  nur  als  lüstorische  Quelle  sind 
sie  bedeutend,  so  wenig  auch,  worauf  der  Verfasser  selbst 
hinweist,  im  Aneinanderreihen  der  Begebenheiten  streng  chro- 
nologische Folge  bewahrt  ist.  Sie  sind  zugleich  das  redende 
Zeugniss  eines  so  reichen  und  fruchtbaren  wie  feinen  und  ele- 
ganten Geistes,  vor  welchem  die  morahsche  Welt  wie  die  der 
Sinne  offen  liegt,  dessen  Empfänglichkeit  für  die  Schönheit 
und  karakteristische  Manchfaltigkeit  der  Natur,  dessen  richtis^e 
Schätzung  der  Bedeutung  der  £ligenthümhchkeiten  der  ver- 
schiedenen Nationen,  ihrer  Sinnesart,  Sitten,  Lebensweise, 
ihrer  Städte  und  Monumente  für  ihre  Geschichte,  durch  ge- 
lehrte Arbeiten  und  Geschäfte  nicht  beeinträchtigt  worden  sind. 
Wenn  diesem  Werke,  dem  Product  der  Papstzeit,  die  Feile 
fehlt,  so  erinnert  es  doch  oft  an  die  auch  stilistisch  vollendeten 
Arbeiten.  Jedenfalls  ist  es  eine  eigenthümlich  anziehende  Er- 
scheinung,   dieser  Mann,    der   am  Abende  eines    vielbewegten 


336  Campano  und  Aninianati. 

Lebens ,  inmitten  einer  vielbewegten  Zeit  in  welcher  er  gewisser- 
maassen  das  Centrum  bildet,  stets  kränkelnd  und  mit  Geschäf- 
ten überhäuft,  mit  grossen  Entwürfen  sich  tragend,  die  Ereig- 
nisse deren  Zeuge  oder  Leiter  er  gewesen  ist,  noch  einmal  an 
sich  vorüberziehen  lässt,  indem  er  in  Auflassimg  und  Darstel- 
lung eine  Frische  die  nur  der  Jugend  anzugehören  scheint,  mit 
dem  reifen  Urtheil  des  Alters  vereinigt. 

Die  von  Pius  IL  begünstigte  literarische  Richtung  ist  die- 
jenige der  er  selbst  sich  in  späteren  Jahren  ausschliesslich 
widmete,  nämlicli  die  historische.  Er  hatte  einst  Biondo  Fla- 
vios  Decaden,  deren  Werth  er  erkannte  während  die  Form 
ihn  nicht  befriedigte,  abgekürzt  überarbeitet  und  fortgesetzt, 
uu  überreich  «^'e»  Biondo  ihm  seine  »Roma  triumphans«.  Weim 
dieser,  der  im  Jahre  1463  in  Rom  starb,  bis  an  sein  Ende  mit 
Glücksgütern  wenig  gesegnet  war,  so  mögte  es  ungerecht  sein 
dies  dem  Papste  zur  Last  zu  legen,  der  seiner  auch  in  deu 
Commentarien  ehrenvoll  gedachte  und  einen  der  Söhne  zu  des 
Vaters  Amt  beförderte.  Die  Stellung  der  verheirateten  Mit- 
glieder der  Curie  ist  zu  jeder  Zeit  eine  unvortheilhafte  ge- 
wesen. Mehr  Glück  machte  unter  Pius  U.  ein  Mann  der  wie 
Biondo  sich  namentlich  dem  Geschichtsfach  wddmete,  obgleich 
er  in  seiner  Zeit  auch  als  Dichter  glänzte.  Giovan  Antonio 
Campano,  gegen  1427  in  Terra  di  lavoro  geboren,  unter  Valla 
in  Neapel  gebildet,  im  Jahre  1459  dem  Papste  in  Perugia  wo 
er  Eloquenz  lelirte  bekannt  geworden,  und  seitdem  an  der 
Curie,  nach  mancherlei  Schicksalen  als  Bischof  von  Teramo 
1477  in  Siena  gestorben.  Sein  Leben  Pius'  IL  und  namentlich 
das  des  Peruginers  Braccio  da  Montone  haben  nicht  blos  in 
der  Zeit  ihres  Entstehens  Beifall  gefunden.  Schwerlich  aber 
wird  man  heute  in  das  überschwängliche  Lob  einstimmen,  wo- 
mit ein  teutscher  Gelehrter  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhun- 
derts letzteres  Werk  dem  Livius  und  Sallust  gleichstellte.  Der 
eigentliche  Liebling  Pius'  II.  war  Jacopo  Ammanati,  in  Villa 
Basilica  bei  Pescia  im  toscanischen  Nievolethal  von  armen 
Eltern  geboren ,  unter  Leitung  der  Humanistenfuhrer  in  Florenz 
aufgewachsen,  im  Jahre  1450  Secretär  Domenico  Capranicas, 
in  CaUxtus'  III.  Zeit  apostolischer  Schreiber  und  einer  der 
Wenigen  welche  Pius  U.  im  Amte  liess,  als  er  bald  nach  seiner 
Erhebung  dies  Collegium  wegen  eingerissener  Misbräuche  auf- 
löste und  neubildete.      Bischof  von  Pavia  im  Frühling  1460, 


\ 


Pius  IL  uud  Filelfo.  337 

Cardinal  zu  Ende  des  folgenden  Jahres,  in  die  Familie  Picco- 
lomini  aufgenommen,  ist  Ammanati  bis  zu  Pius'  II.  letztem 
Hauche  dessen  Begleiter  geblieben.  Von  seinen  Werken  be- 
sitzen wir  die  Fortsetzung  der  Commentarien  seines  Gönners, 
welche  sich  in  Anschauungsweise  und  Darstellung  des  Vor- 
bildes nicht  ohne  Glück  hineinzufinden  versucht,  und  eine 
grosse  Zahl  fiir  die  Zeitgeschichte  wichtiger  und  vielgebrauchter 
Briefe  die  bis  zu  seinem  im  Jahre  1479  in  San  Lorenzo  am 
See  von  Bolsena  erfolgten  Tode  reichen.  So  als  Mensch  wie 
als  Gelehrter  hat  Jacopo  Ammanati  der  ihm  von  Pius  II.  zuge- 
wandten Gunst  Ehre  gemacht.  Neben  ihm,  wenngleich  bei- 
weitem nicht  in  so  hervorragender  Stellung  standen  die  Sie- 
nesen  Agostino  und  Francesco  Patrizi,  beide  namentlich  letzterer 
in  classischer  Literatur  bewandert,  in  Pius'  U.  persönlichem 
Dienst  Nicolaus  Sagundinus  von  Negroponte,  der  durch  voll- 
kommene Handhabung  beider  Sprachen  auf  dem  Unionsconcil 
Dienste  geleistet  hatte,  wurde  durch  diesen  Papst  nach  Rom 
gezogen  wo  er  1463  starb. 

Was  noch  von  den  alten  Häuptern  der  Humanisten  vor- 
handen war,  hat  bei  Pius  U.  geringe  Beachtung  gefunden.  Es 
genüge  hier  von  dem  in  Mailand  lebenden  Francesco  Filelfo 
zu  reden,  zu  dessen  Schülern  Enea  Silvio  gehört  hatte.  Er 
machte  sich  grosse  Aussichten  die  sich  auch,  nachdem  er  per- 
sönlich in  Rom  erschienen  und  auch  in  Mantua  als  Begleiter 
Francesco  Sforzas  mit  dem  Papst  in  Berührung  gekommen 
war,  durch  das  Anerbieten  einer  Stelle  in  der  päpstlichen  Se« 
cretarie  und  die  Zusicherung  einer  Pension  zu  verwirklichen 
schienen.  Als  die  Folge  seinen  Hoffnungen  nicht  entsprach, 
der  Papst  durch  den  Drang  geisthcher  wie  weltUcher  Interessen 
abgezogen  und  auch  wol  dieser  Art  des  Literatenthums  inner- 
lich entfremdet  ihn  vernachlässigte,  Empfehlungen  und  Sup- 
pliken ihn  nicht  in  Erinnerung  zu  bringen  vermogten,  verstieg 
er  sich  zu  Drohungen.  Als  die  Drohungen  wirkungslos  blie- 
ben, ergoss  er  seinen  Grimm  in  den  gewohnten  Invectiven, 
welche  stets  gesteigert  des  todten  Pius  ebensowenig  wie  des 
lebenden  schonten,  und  deren  Frechheit  endUch  ihrem  Autor 
am  meisten  schadete,  während  sie  ihn  wie  seinen  Sohn  ins 
Gefangniss  führte.  Wie  immer  mit  seiner  Stellung  unzufrieden, 
unter  Sixtus'  IV.  Regierung  selbst  noch  einmal  mit  dem  ge- 
radezu unsinnigen  Plan  der  Rückkehr  nach  Rom  sich  tragend, 

Y.  Eeumoat,   Rom.  HI.  22 


338  Nicolaus  von  Cusa. 

ungeachtet  reichlichen  Erwerbs  immer  in  Geldnoth  und  ohne 
Scheu  die  Hand  ausstreckend,  musste  Filelfo  endUch  froh  sein 
eine  von  Lorenzo  de'  Medici  ihm  angebotene  Professur  der 
griechischen  Literatur  in  Florenz  anzunehmen  und  starb  da- 
selbst im  Sommer  1481  im  dreiundachtzigsten  Jahre  seines 
Lebens,  nachdem  Alle  ihm  vorausgegangen  waren  mit  denen 
er  so  oft  gehadert  hatte.  In  seinem  ganzen  Leben  wie  in 
seinem  Nachruhm  ein  warnendes  Beispiel,  wie  die  hochge- 
spannten Ansprüche  dieser  Literatenclasse  geringe  wirkliche 
Begründung  hatten  und  ihre  Erfolge  nur  ephemere  waren. 

Während  eines  grossen  Theils  von  Pius'  11.  Regierungszeit 
lebte  in  Rom  ein  Mann,  der  von  keinem  seines  Jahrhunderts 
an  Scharfsinn  und  gründlichem  Wissen  in  den  philosophisch- 
theologischen   Doctrinen   und   im    Zusammenhang   der   Natur- 
kunde mit  der  Philosophie  übertroffen  worden  ist.     Nicolaus 
von  Cusa  hatte  nach  seinen  ersten  Studien  in  Deventer  sich 
nach  Padua  gewendet,  um  sich  dort  bürgerlichem  und  canoni- 
schem Recht  zu  widmen.     Seine  Th&tigkeit  auf  dem  baseler 
Ooncil  begann  in  einem  Sinne  der  dem  Princip  des  Papstthums 
ungeachtet  der  Anerkennung   des  Primats   in   den  Weg   trat. 
Aber  da«  Schauspiel  der  so  stürmischen  wie  radicalen  Steige- 
rung der  Grundsätze  zu  denen  er  hinneigte ,  schreckte  ihn ,  der 
schon    vonvomherein    die    Endentwicklung    des    Concils    zum 
Maassstab  fiir  dessen  Gültigkeit  gemacht  hatte,  von  dem  V"er- 
folgen  dieser  Bahn  ab.     Seine   nachmaUge    grossartige   prak- 
tische   Wirksamkeit    welche    namentlich    der   Geschichte   der 
teutschen  Kirche  angehört,   versuchte    dann    die   Versölmung 
zwischen  den  Forderungen , der  Nattonalkirchen  und  dem  Pon- 
tificat.     Eine  Versöhnung  deren  Mängel  ja  deren  Haltlosigkeit 
er  noch  in  den  letzten  Jahren  seines  thätigen  Lebens  erkannte, 
als   er  neue,   aus  dem   nationalen  Mistrauen  selbst  gegen  ver- 
ständige   Bestrebungen    Roms    entspringende    Gefahren    durch 
den  Vorschlag  einer  Generalreform    der  Kirche   abzuwenden, 
fruchtbaren  Boden  fiir  Wiedererweckung  reUgiösen  Smnes  zu 
gewinnen    suchte.     Es   war   die  Verwicklung    die    den  Abend 
seiner  Tage   verdüsterte,    der    Streit   mit   Erzherzog   Sigmund 
von   Oestreich,    w«ts    Cusa  nach    Rom   führte.      Er   war  hier 
als  Pins  II.   zum  mantuaner  Concil  zog  und  ihn  am  12.  Januar 
1458  zu  seinem  S%atthalt?er  ernannte.     Er  war  dann  im  Spät- 
sommer  1460  znrückgekehrt ,  nach   der  in  Bruneck  erduldeten 


X 


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Nicolaus  von  Ciisa.    Florenz  und  die  Platoniker.  339 

Gefangenschaft,  und  verweilte  theils  in  Rom  theiis  in  Orvieto  und 
anderwärts,  bis  der  nach  Ancona  aufbrechende  Papst  ihn  zur 
Beschleunigung  der  Rüstungen  nach  Genua  sandte,  eine  Reise 
auf  welcher  er  am  11.  August  1464  im  Bischofshofe  zu  Todi 
verschied,  vier  Tage  vor  dem  Heimgange  Pius'  II.  Sein  letzter 
Wille  gedachte  seines  Heimatsortes  wie  seiner  Titelkirche. 
Sein  Herz  ward  nach  dem  von  ihm  gegründeten  Hospiz  zu 
Cues  an  der  Mosel  gebracht,  sein  Leib  nach  S.  Pietro  in  vin- 
coli.  Eine  der  merkwürdigsten  Erscheinungen  seiner  Zeit,  der 
er  so  in  Bezug  auf  philosophische  Lehre  wie  auf  die  Entwick- 
lung der  Gesetze  des  Weltgebäudes  vorauseilte.  Repräsentant 
des  letzten  Stadiums  der  Scholastik  inmitten  des  Jahrhunderts 
der  Wiedererweckung  antiker  Systeme  und  der  Erneuerung 
des  Piatonismus,  des  Products  der  Humanitatsbildimg  an  wel- 
cher Cusa,  der  gründliche  Kenner  der  alten  Literatur,  thätigen 
Antheil  nahm.  Im  Dogma  streng  den  katholischen  Standpunkt 
behauptend,  während  er  die  Identität  des  Princips  von  Glauben 
und  Wissen  festhält  und  Autorität  und  Erfahrung  als  wesent- 
iidie  Bestandtheile  der  Vernunft  annimmt.  In  der  Politik 
ebenso  wie  Enea  Silvio  der  Vertheidiger  der  Idee  eines  rechten 
Kaisertbums ,  das  er  im  Zusammenhang  mit  der  Kirche  auf  ge- 
meinsame Uebereinstimmung  des  in  Obrigkeit  und  Unterthanen 
sich  theilenden  Volkes  gründete.  Als  Vertreter  Teutschlands 
im  Cardinalat  hat  er,  einer  der  gelehrtesten  Cardinäle  aller 
Zeiten  auch  fiirRom  eine  besondere  Bedeutung,  obgleich  seine 
wissenschaftUche  Thätigkeit  in  seiner  römischen  Zeit  durch 
die  unerfreuUchen  Ereignisse  die  ihn  hieher  gefahrt  hatten 
verkümmert  war. 

Unterdessen  waren  in  Florenz  Philosophie  und  Literatur  in 
eme  Phase  getreten  welche  in  der  Geistesentwicklung  eine  be- 
deutende ja  eine  glänzende  gewesen  ist.  Es  ist  eine  eigen- 
thümliche  Erscheinung  dass,  während  Pius  II.  die  Hoffnungen 
nicht  verwirklichte  mit  welchen  die  Humanisten  seine  Erhebung 
begrüsst  hatten,  ein  Mann  dessen  Bildung  keineswegs  eine  ge- 
lelirte  im  eigentlichen  Sinne  war,  den  ersten  Anlass  zu  einer 
Richtung  gab  welche  in  der  Geschichte  der  Philosophie  die 
^enzlinie  zwischen  Mittelalter  und  neuer  Zeit  bildet.  Das 
Interesse  welches  der  mit  Kaiser  Johannes  Paläologus  zum 
florentiner  Unionsconcil  gekommene  schon  erwähnte  Georgios 
(Temistos  Plethon   Cosimo    de*   Medici   einflösste,    führte    zij^r 

22* 


340  JQngere  Humunistcnschulc.     Romische  Antiquitäten. 

Bildung  jener  berühmten  Akademie  deren  Werk  die  Ausbildung 
des  modernen  Piatonismus  war.  Die  Entwicklung  dieses  Systems, 
welches  vielmehr  eine  Wiederbelebung  des  alexandrinischen 
Neoplatonismus  als  eine  Rückkehr  zur  eigentUchen  platonischeo 
Lehre  war,  und  in  den  Werken  seines  bedeutendsten  Vertre- 
ters ,  des  von  Cosimo  zum  philosophischen  Lehramte  erzogenen 
Marsilio  Ficino  alles  Ernstes  eine  Ausgleichung  des  Christen- 
thums  mit  seinem  erbittertsten  Gegner  der  römischen  Kaiser- 
epoche anstrebte ,  gehört  in  die  Zeit  von  Cosimos  Enkel  Lorenzo 
dem  Erlauchten.  Aber  schon  vor  dem  im  Jahre  1464  erfolgten 
Tode  Cosimos  hatte  dies  moderne  Heidenthum,  das  auch  rein 
orientalische  Anschauungen  in  seinen  Kreis  zog  und  sich  weit 
über  ItaHen  hinaus  verbreitet  hat,  im  Gegensatz  zu  den  noch 
immer  einen  Zusammenhang  mit  der  Scholastik  zu  bewahren 
suchenden  Aristotelikern  grosse  Fortschritte  gemacht.  Schon 
waren  Leon  Batista  Alberti,  Giovanni  Cavalcanti  der  die  flo- 
rentinischen  Ereignisse  seiner  Zeit  mit  der  Anschaulichkeit  und 
im  Geiste  eines  selbstbetheiligten  Parteimannes  erzählte,  Cri- 
stoforo  Landino  der  thätige  Förderer  so  der  antiken  wie  der 
nationalen  Literatur  u.  A.  thätig.  Schon  wuchsen  Die  heran 
welche  die  Symposien  in  der  schönen  Villa  zu  Careggi,  wo 
die  beiden  grossen  Mediceer  ihre  Tage  beschlossen,  so  glän- 
zend zu  machen  bestimmt  waren. 

In  Rom  ereigneten  sich  unterdess  bedeutsame  Wandlungen. 
Pius  n.  hatte  die  erste  Humanistengeneration  fast  mit  alleiniger 
Ausnahme  Filelfos  und  des  im  Jahre  1471  zu  Neapel  verstor- 
benen BeccadeUi  erlöschen  gesehn.  Eine  zweite  war  gefolgt 
und  auf  diese  wie  auf  jene  wirkten  die  florentiner  Beispiele 
ein.  Zugleich  aber  zeigte  sich  in  der  neuen  Generation  thäti- 
ges  Interesse  an  den  römischen  Antiquitäten,  von  welchem  bei 
ihren  Vorgängern,  mit  Ausnahme  Poggio  Bracciolinis ,  Biondos, 
Ciriacos  von  Ancona,  MaSeo  Vegios  kaum  eine  Spur  gewesen  war, 
während  sie,  umgeben  von  den  damals  vergleichweise  noch  so 
mächtigen  Zeugen  des  Al^rthums ,  nur  auf  die  Schriften  zu  ach- 
ten, ihren  Zusammenhang  mit  den  Monumenten  nicht  zu  ahnen 
schienen.  Vielleicht  hatte  Pius'  II.  Beispiel  in  dieser  Beziehung 
günstig  gewirkt.  Der  hervorragendste  unter  denen  die  unter 
seiner  Regierung  gross  wurden,  GiuUo  Fomponio  Leto,  ver- 
dankte der  praktischen  Beschäftigung  mit  Alterthum  und  anti- 
ker Kunst  grossentheils   die   von  ihm  in  der  Literäi^eschichte 


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i 


Pomponio  Leto.     Banolommeo  Piatina.  341 

erlangte  Bedeutung,  üeber  Herkunft  und  Geburtsjahr  dieses  an- 
geblich unrechtmässigen  Sprösslings  der  FamiUe  der  Sanseve- 
riner,  von  dessen  Namen  jedenfalls  zwei  angenommene  sind, 
weiss  man  nichts  gewisses.  In  Rom  wurde  er  Vallas  Schüler 
dann  sein  Nachfolger.  Während  er  aber  an  der  Universität 
die  Classiker  erklärte,  sie  emendirte,  Commentare  zu  ihnen 
schrieb,  widmete  er  sich  der  Untersuchung  der  Trümmer  der 
Stadt  wie  der  Alterthumswissenschaft  im  Allgemeinen  mit  einem 
Eifer  der  seine  Umgebung  und  seine  Schüler  ergriff.  Seine  auf 
dem  Quirinal  gelegene  Wohnung  wurde  zu  einem  Museum  von 
Anticaghen  aller  Art,  welche  seine  und  der  Freunde  Wande- 
rungen und  Forschungen  zu  Tage  förderten,  Inschriften, 
Sculptur-  wie  Architekturfragmente,  vieles  Andere.  In  dieser 
Anregung  praktischer  Beschäftigung  mit  dem  Alterthum  besteht 
für  das  Urtheil  der  Nachwelt  Letos  grösstes  Verdienst.  Denn 
das  im  Jahre  1515  unter  seinem  Namen  gedruckte  aber  nicht 
anzweifelhaft  ihm  gehörende  Büchlein  über  römische  Topo- 
graphie, worin,  vorausgesetzt  dass  es  von  seiner  Feder  her- 
rührt, die  älteste  Spur  eines  Gebrauchs  der  falschen  Be- 
gionarier  vorkommt  die  bis  auf  unsere  Zeit  so  grosse  Ver- 
wimmg  angerichtet  haben,  steht  Biondos  Arbeit  beiweitem 
nach.  Zu  Letos  bedeutendsten  Freunden  und  Genossen  ge- 
borten Filippo  Buonaccorsi  aus  San  Gemignano  in  Toscana, 
mehr  in  der  Literatur  der  Geschichte  Polens  als  in  der  ita- 
lienischen bekannt,  vor  allen  Anderen  aber  Piatina.  Barto- 
lommeo  Sacchi,  der  nach  seinem  Geburtsort  Piadena  im  Cre- 
monesischen  den  Namen  annahm  unter  dem  er  berühmt  geworden 
ist,  war  in  schon  reifen  Jahren  mit  dem  Cardinal  Francesco 
Gonzaga  unter  Pius*  11.  Regierung  nach  Rom  gekommen  und 
von  diesem  in  das  CoUegium  der  Abbreviatoren  aufgenommen 
worden.  Unter  seinen  Werken  hat  allein  die  Geschichte  der 
Papste  Werth  behalten.  So  problematisch  dieser  Werth  für 
ältere  Zeiten  ist,  so  hat  doch  ihr  Verfasser  in  einem  Jahr- 
hundert, das  für  historische  Kritik  noch  geringen  Sinn  hatte, 
diese  Kritik  nicht  selten  mit  Glück  angewandt.  Die  übersicht- 
liche Darstellung  wie  der  gedrängte  Stil  des  Buches,  nicht 
ohne  Kraft  noch  Eleganz,  haben  demselben  sodann  jederzeit 
viele  Leser  verschafft,  wie  sich  schon  aus  den  seit  1479,  dem 
Jahr  des  ersten  durch  Johannes  von  Cöln  und  Johannes  Manthen 
von   Gerresheim  in  Venedig   veranstalteten  Drucks,   zahlreich 


34-2  Pompouio  Leto  und  die  römische  Akademie. 

wiederholten  Ausgaben  und  mehrfachen  Fortsetzungen  ergiebt 
Die  Biographien  der  Päpste  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ge- 
winnen begreiflicherweise  erhöhte  Bedeutung,  aber  bei  ilirem 
Gebrauch  ist  Vorsicht  nöthig,  selbst  wo  es  sich  nicht  um 
Paul  II.  handelt  dessen  Schilderung  des  Verfassers  persönliche 
Stimmung  abspiegelt.  Denn  die  Regierung  dieses  Papstes  war 
es,  während  deren  ein  Sturm  ausbrach  der  im  römischen  Lite- 
ratenleben eine  tiefe  Spur  zurückgelassen  hat. 

Pomponio  Leto  und  seine  Freunde  waren  die  Hauptactoren 
in  diesem  seltsamen  Drama.  Ihr  Verein  hatte  nach  dem  Vor- 
gange der  Florentiner  jene  akademischen  Formen  angenommen, 
welche  antike  Muster  zu  repräsentiren  strebten  und  in  der 
Folge  in  ItaUen  so  behebt  geworden  sind.  Philosophie ,  Alter- 
thümer,  Literatur  waren  die  Aufgaben  dieser  Accademia  romana 
die  in  Letos  Wohnung  ihre  Sitzungen  hielt.  Ganz  dem  Alter- 
thume  hingegeben  hatten  die  MitgUeder  antike  Namen  ange- 
nommen: eine  unschuldige  Spielerei  welche  heute  noch  ita- 
lienische Akademien  unterhält,  während  sie  in  der  damals 
überhandnehmenden,  im  sechzehnten  Jahrhundert  und  auch 
später  fortgesetzten  Sitte  des  Gebrauchs  solcher  Namen,  selbst 
übelbeleumimdeter,  als  Taufnamen  eine  Parallele  fand.  Andere 
Spielereien  erschienen  ihrerzeit  bedenkHcher.  l)ie  Gesellschaft 
constituirte  sich  als  förmliches  antikisirendes  PriestercoUegium, 
an  seiner  Spitze  ein  Pontifex  maximus  zu  welcher  Würde  man 
Pomponio  Leto  erhob.  Der  Cult  des  Alterthums  mag  zu  ver- 
fänghchen  heidnischen  Riten  geführt  haben,  während  die  Ge- 
sinnung gewiss  mehr  heidnisch  als  christUch  war.  £s  war 
wol  die  öffenthche  Stimme  welche  wir  in  den  Worten  Batistas 
de*  Giudici  Bischofs  von  Ventimiglia  vernehmen,  indem  dieser 
an  Piatina  nach  dessen  Befreiung  schreibt,  man  sehe  in  ihm 
nach  Meinungen  und  Lebensweise  vielmehr  einen  Heiden  als 
einen  Christen,  halte  ihn  für  einen  Anbeter  alter  Götter  bei 
denen  er  zu  schwören  pflege,  namenthch  wenn  er  mit  Gleich- 
gesinnten verkehre  deren  Umgang  er  aufsuche.  Eine  eigen- 
thümUche  Bestätigung  der  Umstände  auf  denen  solche  Anklagen 
beruhen,  haben  die  neuesten  Nachforschungen  in  der  altchrist- 
lichen Gräberzone  gebracht.  Bis  zum  fünfzehnten  Jahrhundert 
waren  die  Cömeterien  völlig  vergessen  gebUeben,  mit  Ausnahme 
der  Katakomben  von  S.  Sebastiano  deren  Votivinschrift  sich 
in  SignoriUs  Sanunlung  findet     Mit  dem  Jahre  1433  beginnen 


Die  Akademiker  iu  den  Cönieteiien.    Papst  Paul  Ü.  343 

dann  die  Spurea  von  Besuchern,  erst  in  dam  Friedhof  des 
IWixtus  an  der  Appia,  hierauf  iu  dem  benachbarten  des  Prae- 
teitatus  und  in  dem  der  hh.  Marcellinus  und  Petrus  an  der 
Labicana.  Anfangs  sind  es  Namen  von  Minoritenbrüdern  und 
wahrscheinlich  von  Pilgern,  darunter  auch  Fremde.  Mit  einem- 
male  finden  wir  uns  unter  den  Mitgliedern  der  römischen  Aka^ 
demie.  Die  Namen  Volscus,  Uuflus,  Pomponius,  Fabius,  Fa- 
bianus,  Partenopaeus,  Histrius,  Perillus,  Calpurnius  u.  a.  sind 
an  die  Wand  geschrieben.  Sie  nennen  sich  »einmuthige  Ver- 
ehrer und  Erforscher  römischen  Alterthums  unter  der  Regie- 
rung des  Pontifex  maximus  Pomponius«.  £in  Römer  ManiUus 
Pantagathus  bezeichnet  sich  als  »Priester  der  römischen  Aka- 
demie«. Die  Jahreszahl  1475  weist  freiUch  auf  die  Zeit  Sixtus^XV. 
bin,  als  der  Sinn  dieser  Dinge  bekannt,  die  Gefahr  geschwun- 
den war.  Ohne  Zweifel  aber  wiederholte  sich  hier  vor  dem 
grossem  PubUkum  was  einst  mit  einer  Art  Geheimbündlerei 
zusammengehangen  hatte.  Diese  modernen  Heiden  suchten  in 
christlichen  Cömeterien  gewiss  nur  nach  heidnischen  Monu- 
menten. Denn  in  den  Inschriftensauunlungen  der  letzten  Zeiten 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  in  denen  Fra  Giocondos  und 
Pietro  Sabinos,  an  welchen  Pomponio  Leto  vielen  Antheil  hatte, 
finden  sich  ebensowenig  wie  in  denen  des  SignoriU  und  Ciriaco 
Cömeterial  -  Inschri  ften ,  während  das  An tiquitatenmuseum  in 
Letos  Hause  keine  christlichen  Denksteine  enthielt.  Auch  die 
von  dem  im  Jahre  1471  gestorbenen  gelehrten  Consistorial- 
advocaten  Andrea  Santacroce  den  Inschriften  und  der  Erklä- 
rung ihrer  Abkürzungen  und  Siglen  gewidmeten  Studien  l)e- 
scbräukten  sich  auf  Monumente  des  classischen  Alterthums. 

Bevor  aber  Ruhe  und  Sicherheit  zurückkehrten,  hatte  jene 
Art  Geheimbündlerei  die  römische  Genossenschaft  in  schlimme 
Tiefahr  gebracht.  Den  ersten  Anlass  gab  im  Jahre  1466  Pauls  IL 
Maassregel  gegen  das  CoUegium  der  Abbreviatoren,  durch  dessen 
Aufhebung  eine  Menge  Leute  sich  in  ihren  Interessen  geschä- 
digt fanden.  Ihre  Gegenvorstellungen  beim  Papste,  in  denen 
ihr  Wortführer  Piatina  sich  bis  zur  Drohung  der  Berufung,  an 
fremde  Monarchen  und  selbst  an  ein  Concil  verstieg,  fahrten 
statt  zur  Wiederherstellung  des  CoUegiums  zur  Verhaftung  des 
kühnen  Redners.  Aus  viermonatlicher  Gefangenschaft  in  der 
Engelsburg  befreite  ihn  nur  Verwendung  Cardinal  Gonzagas. 
Die  Verstimmung  bheb.     Ein  ansehnlicher  Theil  der  von  der 


344  Process  der  Akademiker. 

Aufhebung  Betroffenen  bestand  aus  Literaten,  und  es  unter- 
liegt  keinem  Zweifel  dass  in  ihrem  Kreise  verfängliche  Worte 
fielen.     Während  der  Carnevalsbelustigungen  des  Jahres  1469 
wurde  der  Papst  vor  einer  Verschwörung  gewarnt,  welche  von 
der  römischen  Akademie  ausgegangen  unter  römischen  Ausge- 
wanderten Verzweigungen  haben  sollte.     Die  porcarische  Ver- 
schwörung welche  auch  mit  dem  Literatenthum  und  dem  Cultus 
der  Ideen  des  alten  Römerthums  zusammenhing,  und  die  cati- 
linarische  Bande  der  Zeit  Pius'  IL   gaben   der  Beschuldigung 
einiges  Gewicht.     Der  Papst  erschrak,   die  Untersuchung  be- 
gann.    Mehre  Akademiker  waren  entflohen,   unter   ihnen  der 
unter  dem  Namen  CaUimaco  Esperiente  bekannte  Buonaccorsi, 
der  als  Urheber  des  Anschlags  bezeichnet  wurde  und  bei  den 
Jagellonen   in  Polen  einen   Schauplatz   für   die  unruhige  Ute- 
rarisch-politische Thätigkeit    seiner  späteren  Jahre    gefimden 
hat     Marcantonio   Coccio   von  Vicovaro,    der    seinem    sabini- 
schen  Heimatlande  den  sonoren  Namen  SabeUicus  entlehnt  hatte, 
scheint  entweder  durch  Flucht  oder  Versteck  der  augenblick- 
lichen Gefahr  entgangen  zu  sein,  deren  Erinnerung  ihn  nach- 
mals wol  dazu  bewog  einen  Ruf  nach  Udine  anzunehmen,  dort 
wie  in  Venedig  und  Verona  mit  classischer  Literatur  wie  mit 
der  Abfassung  seiner  venetianischen  Geschichte  beschäftigt,  die 
ihm  von  der  Republik  ein  Jahrgehalt  von  zweihundert  Ducaten, 
bei   der  Nachwelt  jedoch  nicht  den  Ruf  der  Wahrhaftigkeit 
und  Aufrichtigkeit  eintrug.    Die  Brüder  Quatracci,  einer  ange- 
sehenen FamiUe  angehörend  deren  Namen  ein  in  der  Nähe  von 
S.  Andrea  della  Valle  gelegener  kleiner  Platz  führte,  wurden 
ergriffen   und   gefoltert.     Piatina   wurde   beim   Nachtessen  im 
Hause  des  Cardinais  von  Mantua  verhaftet.    Anderen   ergings 
nicht  besser.    Pomponio  Leto  war  in  Venedig,  wo  er  bei  den 
Cornaro  Gastfreundschaft  fand.  Die  Republik  schützte  ihn  nicht 
vor  einem  venetianischen  Papst.    Ausgeliefert  wurde  er  nach 
Rom  gebracht.     Das  Gerücht  der  Verschwörung  erwies  sich 
als    grundlos.     Die   Anklage   auf  Impietät   ist   nie   vollständig 
abgewälzt  worden,  obgleich  sie  wie  der  dem  Piatina  gegebene 
Titel  eines  »Pater  Sanctissimus«  auf  blossen  Ausgeburten  jenes 
profanen    Geistes   beruhen   mogten,    der   diese    ganze    Gesell- 
schaft  dominirte   und    auf   welchen   unverfängliche   Zeugnisse 
Gleichzeitiger  schUessen  lassen.     Der  Papst  nahm  den  lebhaf- 
testen  Antheil    an    den    Verhandlungen.     In    der    Engelsburg 


i 


Piatina  und  Papst  Paul  II.  345 

wohnte  er  selbst  den  Verhören  bei,  welche  endlich  die  Be- 
schuldigung eigentlicher  Häresie  als  grundlos  erwiesen.  Die 
Akademie  wurde  aufgelöst.  Es  darf  nicht  Wunder  nehmen 
dass  sie  Besorgnisse  einflösste,  wenn  man  bedenkt  wie  nach- 
mals im  sechzehnten  Jahrhundert  das  akademische  Wesen  im 
Zusammenhang  mit  der  politischen  Opposition  stand,  wie  z.  B. 
in  Florenz  ein  eigner  nur  Eingeweihten  verständlicher  Jargon 
sich  zu  diesem  Behufe  ausbildete  und  Herzog  Cosmus  der  ge- 
ahnten Gefahr  zu  begegnen  suchte ,  indem  er  die  ofHcielle  Acca- 
(lemia  fiorentina  schuf,  ein  Mittel  welches  vor  ihm  Sixtus  IV. 
durch  öffentUche  Anerkennung  der  römischen  Akademie  ange- 
wandt hatte. 

Der  unglückhche  Piatina  blieb  ein  Jahr  im  Gefangniss,  in 
weit  strengerer  Haft  als  das  erstemal,  obgleich  er,  während 
Pomponio  Leto  sich  mit  Würde  vertheidigte ,  seinen  Ton  auf 
das  tiefste  Maass  von  Unterwürfigkeit  herabstimmte.  Man  muss 
einige  Nachsicht  mit  ihm  haben,  wenn  er  nachmals  Paul  H., 
zu  dessen  Lob  um  den  Preis  seiner  Freiheit  er  sich  erboten 
hatte,  als  einen  gegen  alle  Wissenschaft  erbitterten  Barbaren 
dargestellt  hat,  der  alle  Gelehrten  für  Ketzer  gehalten  und  die 
Römer  verwarnt  habe  die  Kinder  ihre  Zeit  beim  Studiren  ver- 
heren  ^u  lassen,  da  Lesen  und  Schreiben  fürs  Leben  hin- 
reichten. Die  ganze  Regierung  Pauls  H.  zeigt  wie  grundlos 
solche  Beschuldigungen  sind. '*' Dass  er  weder  roh  noch  unge- 
bildet war,  erkennt  man  aus  seiner  YorUebe  für  Geschichts- 
lectüre,  seinen  Sammlungen  nicht  etwa  blos  von  Kostbarkeiten 
sondern  von  alten  Münzen  und  von  antiken  Statuen  womit  er 
den  Palast  von  San  Marco  schmückte,  nicht  zu  reden  von 
seinen  grossartigen  Kunst^chöpfungen.  Dass  er  Wissenschaft 
und  Gelehrte  schützte,  ergiebt  sich  vor  allem  aus  seinen  Maass- 
regeln zu  Gunsten  der  römischen  Hochschule.  Die  schlimmen 
Finanzzustände  der  Stadt  hatten  unter  Pius  II.  eine  Verminde- 
rung des  Lehrerpersonals  veranlasst,  um  den  bleibenden  Pro- 
fessoren die  Gehalte  nicht  zu  schmälern.  Papst  Paul  erhöhte 
die  Gehalte  und  übernahm  den  Unterhalt  armer  Studirender. 
Die  im  Jahre  1469  von  ihm  verordnete  Revision  der  römischen 
Statutarrechte  gehört  zwar  mehr  in  den  administrativen  als  in 
den  literarischen  Kreis,  umsomehr  als  diese  auch  in  neuer  Ge- 
stalt anderen  z.  B.  den  florentinischen  beiweitem  nachstehen, 
ist  aber    doch    ein    Zeugniss    umfassender   Thätigkeit.      Die 


346  Griechen  in  Rom.     Der  Bücherdruck. 

griechischen  Studien  feierten  nicht.  Andronikos  KalUstos  von 
Thessalonich ,  aus  Bessarions  Kreise,  gab  um  das  Jahr  1469  grie- 
chischen Unterricht,  ging  dann  aber  nach  Florenz  von  wo  er  in 
seine  Heimat  zurückkehrte,  gleich  so  manchen  seiner  Laods- 
leute,  welche  das  Leben  unter  türkischer  Herrschaft,  mit 
welcher  sie  übrigens  längst  bekannt  waren,  ganz  erträglich 
fanden.  In  Pauls  H.  letzter  Zeit  wurde  Johannes  Argyropulos, 
der  damals  für  den  tüchtigsten  Hellenisten  in  Italien  galt,  nach 
Rom  gezogen.  £r  hatte  in  Padua,  in  Florenz,  an  anderen  Orteu 
gelehrt;  Cosimo  der  Alte  hatte  ihn  begünstigt  und  er  hatte 
nicht  nur  dessen  Enkel  Lorenzo  und  Giuhano  unterrichtet  son- 
dern auch  Andere,  Donato  Acciajuoli  und  Angelo  Poliziaoo 
welche  Zierden  der  florentiner  Gelehrtenwelt  wurden.  Was 
ihn  vermogte  Florenz  mit  Rom  zu  vertauschen  ist  nicht  be- 
kannt. Wahrscheinlich  war  es  die  nicht  zu  sättigende  Wander- 
lust dieser  Griechen,  von  der  auch  manche  ihrer  italienischeu 
Schüler  angesteckt  wurden.  Unter  der  Regierung  Innocenz*  VID. 
starb  er  in  Rom.  Als  Schriftsteller  hatte  Argyropulos  sich 
namentlich  mit  Uebersetzungen  aristotelischer  Werke  beschäf- 
tigt. Vor  ihm  war  der  Athener  Demetrios  Chalkondylas ,  sein 
Nachfolger  in  Florenz,  in  Rom  wo  aber  sein  Aufenthalt  kurz 
gewährt  zu  haben  scheint,  indem  er  erst  nach  Perugia  dann 
nach  Florenz,  endlich  schon  hochbejahrt  von  Lodovico  il  Moro 
gerufen  nach  Mailand  ging  v/o- er  im  Jahre  1511  starb.  Als 
Lehrer  wie  im  Privatleben  geschätzt  und  behebt,  in  der  Li- 
terärgeschichte  auch  dadurch  bemerkbar  dass  er  den  vornehm- 
sten Anlass  zum  ersten  Druck  des  Homer  gab ,  welcher  1488  zu 
Florenz  bei  Bernardo  und  Neri  de'  Nerli  erschien. 

Dieselbe  Zeit  sah  diejenige  Kunst  welche  in  der  Geschichte 
des  Fortschritts  der  Bildung  die  vornehmste  Rolle  spielt,  ia 
Rom  sich  einbürgern.  Der  Bücherdruck  wurde  in  dem  Moment 
erfunden  wo  die  Kunst  der  Abschreiber  ihre  höchste  Ausbil- 
dung erlangt,  in  demselben  Maasse  aber  die  Nachfrage  nach 
Büchern  sich  gesteigert  hatte.  Gleich  vielen  anderen  Erfindun- 
gen war  auch  diese  vorbereitet.  Der  Holzplattendruck  war 
schon  dem  gemehrten  Gebrauch  populärer  Werke  zu  Hülfe 
gekommen;  zu  seinen  Producten  gehörten  auch  die  Mirabiüa 
urbis  Romae.  Etwa  zehn  Jahre  nach  den  ersten  teutschen 
Drucken  mit  beweghchen  Typen  wurde  die  neue  Kunst  in 
Itaüen  eingeführt,  wo  die  Stadt  Feltre  nachmals  den  Anspruch 


}        


b 


Der  Büclierdruck.     Subiaco  und  das  Haus  der  Massimi.  347 

erhob,  durch  Pamfilo  Castaldi  dem  Mainzer  Guttenberg  voraus- 
gegangen zu  sein.  Der  Benedictinerorden  machte  sein  altes 
Vorrecht  der  Förderung  der  Wissenschaft  wieder  geltend,  in- 
dem er  Conrad  Schweinheim  und  Arnold  Pannartz  aufnahm 
welche  im  Kloster  zu  Subiaco  im  Jahre  1465  den  Lactantius 
druckten.  Zwei  Jahre  später  siedelten  Beide  nach  Rom  über, 
wo  Pietro  und  Francesco  de*  Massimi  ihnen  ein  Local  einräumten. 
Noch  sieht  man  im  Palast  Massimo  alle  Colonne  in  demjeni- 
gen Theile,  welcher  nach  den  von  Daniel  von  Volterra  oder 
Polidor  von  Caravaggio  an  der,  der  Piazza  della  posta  vecchia 
zogekehrten  Wand  gemalten  Chiaroscuro  -  Fresken  »istoriato« 
lieisst,  den  Saal  aus  welchem  im  Jahre  1467  das  erste  in  Rom 
gedruckte  Buch  hervorging.  Es  war  ein  Roms  würdiger  An- 
fang, Ciceros  Briefe  an  die  Freunde,  welchen  dann  unter  Auf- 
sicht Giovan  Andrea  Bussis  vonVigevano  Bischofs  von  Aleria 
eine  Reihe  anderer  Werke  »in  aedibus  de  Maximis«  folgte. 
Der  Bischof  apologisirte  bei  dem  Leser  für  die  allerdings  un- 
schönen Namen  der  Typographen: 

•  Lächeln  erwecken  dir  wol  raiihklingende  Namen,  die  teutschen: 
Un melodischen  Laut  mildVe  die  treffliche  Kunst.« 

Bis  zum  Schlüsse  des  Jahrhunderts  traten  in  Rom  925  Druck- 
werke ans  Licht;  unter  ihnen  tragen  die  Statuten  die  Jahres- 
zahl 1472.  Rom  ging  Venedig  und  Mailand  um  zwei,  Florenz 
und  Neapel  um  vier  Jahre  mit  dem  Biicherdruck  voraus.  Aber 
die  Drucker  waren  hier  Teutsche,  während  in  Florenz  der 
Goldschmied  Bernardo  Cennini  zu  dem  im  Jahre  1471  erschie- 
nenen Leben  der  h.  Caterina  von  ihm  selbst  gegossene  Lettern 
verwendete.  Eine  zweite  Druckerei  wurde  von  Ulrich  Hahn 
angelegt,  für  welche  Pius'  ü.  Biograph  Campano  die  Revision 
der  Texte  leitete  und  wie  Bussi  Vorreden  schrieb. 

Während  diese  beiden  teutschen  Anstalten  in  Rom  empor- 
blübten  und,  fünf  Jahre  nach  deren  Gründung,  ein  Teutscher 
Johann  Numeister  die  Ehre  hatte  in  der  umbrischen  Stadt 
Fuligno  die  erste  Ausgabe  der  Göttlichen  Komödie  zu  veran- 
stalten, wuchs  der  Mann  heran  welcher  die  italienische  Typo- 
graphie so  in  Bezug  auf  Schönheit  des  Drucks  wie  auf  Cor- 
rection  der  Texte  auf  eine  hohe  Stufe  der  Vollkommenheit 
zu  heben  bestimmt  war.  Leben  und  Thätigkeit  Aldo  Pio 
Manuzios     gehören     zwar     OberitaUen     namentlich     Venedig 


348  Aldo  Manuzio.     Francesco  Massimo. 

ungleich  mehr  an  als  Rom,  aber  er  hat  nie  vergessen  dass  er 
ein  Römer  war.  »Aldus  Romanus«  ist  seine  gewöhnliche 
Bezeichnung  und  Unterschrift,  sei  es  dass  er  die  venetiaoi- 
sche  Signorie  um  ein  Privilegium  für  seine  »griechischen 
Lettern  jeder  Art  und  grösster  Schönheit«  oder  für  seine  Aus- 
gabe der  Briefe  der  h.  Caterina  von  Siena  bittet,  »ein  wunder- 
volles Werk;  voll  des  h.  Geistes  und  nützUchster  Lehren«, 
sei  es  dass  er  mit  dem  Markgrafen  von  Mantua  und  Isabella 
Gonzaga  in  literarischen  und  persönUchen  Angelegenheiten 
verhandelt  oder  am  16.  Januar  1515  seinen  letzten  Willen  auf- 
setzt. Aldo  war  gegen  das  Jahr  1449  zu  Bassiano  einem  Oert- 
chen  im  Gebiete  von  Sezze  im  Volskerlande  geboren.  Er  er- 
zählt selbst,  wie  das  erste  Studium  der  Grammatik  nach  dem 
Lehrbuch  des  Alessandro  Villadei  ihm  einen  solchen  Wider- 
Avillen  einflösste  dass  er,  in  Rom  durch  Gasparo  da  Verona 
auf  andere  Bahnen  geführt,  durch  Ausarbeitung  einer  neuen 
Anweisung  die  Jugend  vor  der  von  ihm  selber  erduldeten 
Qual  zu  bewahren  suchte.  In  Ferrara  Schüler  Batista  Gua- 
rinos,  dann  Lehrer  Alberto  Pios  des  Sohnes  des  Grafen  von 
Carpi  dem  wir  im  Verlauf  dieser  Geschichte  noch  wiederholt 
begegnen  werden,  wurde  Aldo  durch  seine  Heirat  mit  der 
Tochter  des  Buchdruckers  Andrea  Torregiano  von  Asola  in 
den  Kreis  der  Thätigkeit  hineingezogen  in  welchem  er  um 
Literatur  und  Kunst  so  glänzende  Verdienste  erworben  hat 

Zur  Zeit  als  die  Familie  der  Massimi  sich  die  Förderung 
der  Wissenschaften  angelegen  sein  Hess ,  zählte  sie  selbst  einen 
namhaften  Gelehrten  zu  den  Ihrigen.  Es  war  Francesco  Mas- 
simo Paolos  Solm,  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  geboren, 
Ritter  und  Doctor  der  Rechte,  im  Jahre  1473  Lehrer  an  der 
von  den  Medici  wiederhergestellten  Universität  Pisa,  zu  deren 
Rector  er  im  folgenden  Jahre  gewählt  ward  und  um  die  er 
sich  so  als  Rechtslehrer  wie  durch  Beschwichtigung  der  alten 
Feindschaft  zwischen  Pisanern  und  Florentinern  so  verdient 
machte,  dass  ihm  und  seinen  Nachkommen  das  Bürgerrecht 
ertheilt  und  das  städtische  Wappen  dem  seinigen  beigegeben 
wiurde.  Zum  Podesta  von  Siena  erwählt  konnte  er  wegen 
des  Todes  seines  Vaters  das  Amt  nicht  antreten,  aber  unter 
Alexander  VI.  war  er  Rector  von  Benevent  und  starb  im  Jahre 
1498.  Eines  der  verhältnissmässig  wenigen  Mitglieder  grosserer 
römischer  FamiUen  die  sich  auf  wissenschaftlichem  Felde  einen 


's 


Niccolo  della  Vfllle.     Sixtus  IV.     Bessarion.  B49 

Namen  gemacht  haben.  Zu  diesen  gehörte  ausser  den  Santa- 
croce  und  Cafiarelli  von  denen  schon  die  Rede  war,  Niccolo 
(lella  Valle,  den  nur  ein  frühzeitiger  Tod  gehindert  zu  haben 
scheint,  unter  den  römischen  Literaten  eine  hervorragende  Stelle 
einzunehmen.  Die  schöne  Grabschrift  welche  sein  Vater  Lelio 
ihm  im  Jahre  1473  in  Sta  Maria  Araceli  setzte,  besagt  er  habe 
nie.Temandem  übelgewollt,  nie  wider  des  Vaters  Willen  gehan- 
delt, durch  Geist  und  Talent  sich  ausgezeichnet,  die  Ilias  und 
den  Hesiod  metrisch  übersetzt;  in  erster  Jugendblüte  sei  er  zu 
allgemeiner  Betrübniss  heimgegangen.  Vier  Monate  nach  seinem 
Tode  wurde  seine  unvollendete  üebersetzung  des  Homer  ge- 
druckt; der  des  Hesiod  war  diese  Ehre  schon  zu  des  Verfassers 
Lebzeiten  widerfahren  der  damals  erst  achtzehn  Jahre  zählte. 
Xiccolö  war  Doctor  des  Rechts  und  Canonicus  der  Vaticana, 
und  durch  seine  Mutter  ein  Verwandter  Cencios  de*  Rustici 
des  Genossen  und  Freundes  Poggio  Bracciolinis. 


5. 

LITERAfilSCHE   TENDENZEX  DER  POLFTISCHEN  PÄPSTE. 

Ein  gelehrter  Papst  wie  Sixtus  IV.  konnte  dem  wissen- 
schafthchen  Leben  in  Rom  nicht  fremd  bleiben.  Auf  manch- 
faltige  Weise  hat  er  dafür  gewirkt ,  denn  der  poUtische  Strudel 
in  welchen  er  hineingerieth  zog  ihn  nicht  von  den  literarischen 
Interessen  ab.  An  Zerwürfnissen  hat  es  dabei  nicht  gefehlt. 
Wie  Nicolaus  V.  scheint  auch  Sixtus  IV.  Bessarions  Stellung 
in  der  römischen  Gelehrtenwelt  nicht  ohne  Eifersucht  be- 
trachtet zu  haben.  Man  argwohnte,  um  ihn  zu  entfernen  habe 
er  ihm  die  Legation  nach  Frankreich  übertragen.  Dass  Bessa- 
rion seine  kostbare  BibHothek  nicht  Rom  oder  Bologna  son- 
dern Venedig  vermachte,  dürfte  ein  Fingerzeig  sein  dass  er 
nicht  zufrieden  war,  wenn  nicht  die  traditionelle  Vorliebe  der 
Levantiner  für  die  Marcusstadt  ihn  bestimmt  hat.  In  Rom  er- 
innert an  den  gelehrten  Griechen  nur  die  Inschrift,  die  man 
einst  an  seinem  Grabmal  in  der  von  ihm  an  der  Apostel- 
kirche gebauten  Kapelle  las,  heute  im  Chiostro  dieser  Kirche 


.i^ 


\ 


350  Niccolo  Perotti,  Si^isinondo  de*  Conti  u.  a. 

in  welcher  er  nach  seinem  wie  man  glaubt  im  November  1472 
erfolgten  Tode  beerdigt  ward  — 

»Lebend  hat  Bessarion  dies  Denkmal  gesetzt  seinem  Leibe, 
Aber  die  Seele  entilieht  hin  zum  unsterblichen  Gott.- 

Bessarions  ZögUng  und  Günstling  der  schon  genannte 
Niccolo  Perotti  Bischof  von  Manfredonia,  Uebersetzer  des  Po- 
lybius  und  Verfasser  einer  Metrik,  wurde  vielleicht  wegen 
seiner  bösen  Zunge,  vielleicht  wegen  des  durch  einige  seiner 
Schriften  veranlassten  Anstosses,  in  eine  Verfolgung  ver- 
wickelt und  nur  durch  den  Herzog  von  Urbino  vor  Schlira- 
nierem  bewahrt.  Manche  neue  Namen  kommen  unter  den  Mit- 
gliedern der  Curie  zum  Vorschein:  zum  Glänze  der  firubern 
gelangte  Keiner.  .  Es  verdient  Beachtung  dass  das  Beispiel 
Pius  II.  zur  Beschäftigung  mit  der  Zeitgeschichte  aufzufordern 
schien.  Sigismondo  de'  Conti  von  Fuligno,  seit  Pauls  II.  Zeit 
MitgUed  des  CoUegiimis  der  Abbreviatoren  und  nachmals  einer 
von  Julius' II.  Geheimschreibern,  widmete  sich  namentUch  der 
Erzählung  dessen  was  er  vom  Jahre  1475  an  erlebte.  Ein 
Werk  über  dessen  wiederholt  beabsichtigter  und  schon  begon- 
nener VeröffentUchung  ein  eigenthümhcher  Unstern  geschwebt 
hat,  so  dass  heute  Sigismondos  Name  kaum  anders  geuaiuu 
wird  als  aus  Anlass  eines  der  grossartigsten  Madonnenbilder 
Raffael  Sanzios,  der  Madonna  von  Fuligno,  die  er  dem  no«li 
jugendlichen  Meister  wenige  Jahre  bevor  er  in  Sta  Maria  Ara- 
celi  ins  Grab  gesenkt  ward,  auftrug  und  auf  welcher  man  ilin 
im  Vordergrunde  knieen  sieht.  Auch  Jacopo  Gherardi  von 
Volterra ,  von  Papst  Sixtus  an  die  Curie  gezogen ,  schrieb  naeli 
dem  Vorgange  seines  ersten  Beschützers  Cardiuals  Ammanati 
Denkwürdigkeiten  seiner  Zeit.  Mattia  Palmieri  von  Pisa  wel- 
cher 1482  als  päpstlicher  Scriptor  starb,  setzte  die  Chronik 
seines  berühmtem  Namensgenossen  des  Florentiners  Matteo 
Palmieri  fort.  Ein  anderes  Mitglied  der  Curie  Domizio  Calde- 
rini  aus  Torri  im  Veronesischen,  in  Pauls  II.  Zeit  als  Lehrer 
der  Literatur  nach  Rom  berufen  und  1478  in  wenig  vorgerück- 
tem Alter  gestorben,  widmete  sich  hingegen  ganz  den  alt^n 
Classikem  während  er  von  seinen  humanistischen  Voigangem 
auch  die  Kampflust  geerbt  zu  haben  schien. 

Für   die   römische  Akademie   und  ihre   G^nos^en  bracbte 
Sixtus'  IV.    Regierung    frohe    Tage.      Der   Papst    theilte   die 


u 

\ 


Leto  und  die  Akademie  unter  Sixtus  lY.  351 

Besorgnisse  seines  Vorgängers  nicht    Auch  mogte  er  glauben 
dass  die  ausgestandene  Angst  den  Humanisten  die  gefährUchen 
(redanken  vertrieben  habe.     Der  Cult  des  Alterthums   blühte 
mit  seinen  guten  Seiten  und  seinen  Auswüchsen  unter  einem 
3Iinoriten  auf  päpstUchem  Stuhl,   der  an  dem  Pontificat  des 
Pomponio  Leto  keinen  Anstoss  genommen  zu  haben  scheint. 
Die  Versammlungen  auf  dem  Quirinal  in  Letos  Hause  bei  den 
Constantinsthermen  wurden  glänzender  als  je.    Die  Antiquitäten- 
sanmilung  mehrte  sich ,  obgleich  durch  Leto  manches  in  fremde 
Hände   kam,    so   nach  Florenz   an  Lorenzo  de'  Medici.     Die 
Akademie  wurde  öffentlich   anerkannt:    es   war   wol  das   ein- 
fachste Mittel  sie  ungefährlich  zu  machen.   Kaiser  Friedrich  Ul. 
ermächtigte    sie   im   Jahre    1483    zu    Doctorspromoüonen    und 
Poetenkrönungen.     Der  Gründungstag  Roms,   die   sogenannten 
Palilien  des  21.  April,  wurde  hier  feierlich  begangen.    Es  war 
im  genannten  Jahre  1483  als  dies  Fest  zum   ersteninale  statt- 
fand, wobei  das  gedachte  kaiserliche  Privilegium  verlesen  ward. 
Spätere  Zeiten  sahen  dasselbe,   welches  heute  noch  von  der 
päpstlichen    archäologischen    Akademie    gefeiert    wird,     nach 
andern  Orten  verlegen,  wie  es  denn  im  Jahre  1501  in  Sta  Maria 
Araceli  und  im  nahen  Conservatorenpalast  unter  Theilnahme 
des  Senators  und  der  fremden  Gesandten  bei  grossem  Volks- 
andrang stattfand.    Von  allen  Seiten  strömten  Theilnehmer  und 
Zöglinge  des  gefeierten  Lehrers  herbei,  der  seinen  Berufspflich- 
ten mit  grösstem  Eifer   oblag  und  dessen  mündlicher  Vortrag 
seine  schriftstellerische  Bedeutung  weit  überragt  haben  muss. 
Pomponio  Leto  lebte  bis  zum  9.  Juni  1498,  so  dass  er  vollauf 
Zeit  Itatte  Zeuge  von  Zuständen  zu  sein,  wozu  das  literarische 
jnodemc  Heidenthum  mächtig  beigetragen  hatte.    Der  eifrigste 
Prediger  dieses  Heidenthums   starb  äusserUch  als  guter  Christ 
und  wurde  in  der  Kirche  S.  Salvatore  in  lauro  beigesetzt,  ob- 
^Ieich  er  sich  eine  Ruhestätte  in   einem  antiken  Monument  an 
der  Appia  gewünscht  haben  soll. 

Zu  Letos  Schülern  gehörten  Alessandro  Farnese  nachmals 
Papst  Paul  in.  und  Andrea  Fulvio  von  Palestrina,  der  als  An- 
tiquar seinen  Meister  weit  übertraf.  Unter  den  Ausländern 
befand  sich  ein  Mann  der  auf  den  Gang  der  Humanitatswis- 
senschaft  in  Teutschland  grossen  Einfluss  geübt  hat.  Es  war 
Conrad Peutinger  der  siebzehnjährig  nach  Italien  kam,  in  Padua, 
Bologna  imd  Rom  das  Recht  und  die  schönen  Wissenschaften 


352  Peutinger  und  Heuehrui  in  Rom.     Vaticanische  Bibliothek. 

studirte  und  bei  seiner  im  Jahre  1486  nach  vierjährigem 
Aufenthalt  erfolgten  Heimkehr  nach  Augsburg  einen  Schatz 
von  Kenntnissen  und  eine  Vorliebe  für  das  classische  Alter- 
thum  mitnahm,  die  seinem  ganzen  Vaterlande  zum  Nutzen  i^e- 
reichten.  Ein  Anderer  von  ungleich  grösserer  Bedeutung  für 
die  Entwicklung  teutscher  Wissenschaft,  Johann  Reuchlin, 
war  schon  ein  gemachter  Mann,  als  er,  Rath  und  Reisebegleiter 
Eberhards  von  Württemberg,  im  Jahre  1482  vor  SixtusIV.  eine 
elegante  lateinische  Rede  hielt.  Er  war  noch  zweimal  14S9 
und  1498  in  Rom,  wo  sein  letzter  Aufenthalt  mehr  als  ein  Jahr 
währte,  und  er  sich  sowol  unter  Argyropulos  dem  in  Mailand 
unter  Chalkondylas  fortgesetzten  Studium  des  Griecliischeu, 
wie  unter  einem  gelehrten  Rabbiner  dem  des  Hebräischen  wid- 
mete. Mehr  noch  aber  als  von  Rom  nahm  Reuchlin  von  Flo- 
renz die  Anschauungen  und  Eindrücke  mit,  welche  für  seine 
spätere  Uterarische  Laufbahn  bestimmend  geworden  sind,  aus 
dem  Umgange  mit  MarsiUo  Ficino  wie  mit  Pico  von  Mirandola, 
der  obgleich  um  acht  Jahre  jünger  als  der  Teutsche  durch 
ungewöhnliche  Begabung  und  Belesenheit  auf  diesen  wirkte, 
auf  dessen  cabalistische  Studien  er  nicht  ohne  Einfluss  gebUeben 
sein  mag. 

Auch  für  Bartolommeo  Piatina  begann  wieder  eine  gute 
Zeit  mit  Papst  Sixtus ,  der  ihm  die  Abfassung  der  Biographien 
seiner  Vorgänger  auftrug  und  ihn  zum  Bibliothekar  der  Vati- 
cana  machte,  welcher  bis  dahin  der  schon  genannte  Giovan 
Antonio  Bussi  vorgestanden  war.  Unmittelbar  nach  Sixtus  IV. 
Regierungsantritt  im  December  1471  war  der  Bau  des  neuen 
BibUotheklocals  in  Angriff  genommen  worden  imd  der  Cardinal 
Camerlengo  Latino  Orsini  hatte  eine  Verordnung  behufs  der 
zollfreien  Einfuhr  der  Materialien  erlassen.  Das  Local  bestand 
in  drei  gewölbten  Sälen  im  Erdgeschoss  des  Palastes,  unter 
der  gleichzeitig  erbauten  Kapelle  welche  des  Papstes  Namen 
verewigen  würde,  hätte  er  sonst  nichts  geleistet.  Seit  einem 
andern  Sixtus  sind  diese  Räume  zu  verschiedenem  Zweck  ver- 
wendet worden,  heute  unter  dem  Namen  der  F'loreria  apost^- 
lica  zimi  Aufbewahren  der  Teppiche  und  anderen  Garderobe- 
gegenstände. Im  Jahre  1475  muss  die  Einrichtung  beendet 
gewesen  sein  und  Piatina  übernahm  die  Leitung,  indem  er  am 
18.  Juh  den  Eid  ablegte,  die  ihm  anvertrauten  Bücher  in  der 
ihnen    angewiesenen    Ordnung    zu    wahren    und    über   deren 


U^^m 


Die  vaticaulsche  Bibliothek  und  Bartolommeo  Piatina.  353 

sorgsame  Verwaltung  jederzeit  Rechnung  zu  legen.    Eine  Eides- 
formel woraus  hervorgeht,  dass  die  Verzeichnisse  bereits  an- 
gefertigt waren.  In  dem  vordersten  der  mit  Fresken  geschmückten 
Säle  stellte  ein  Wandgemälde  Melozzos  von  ForU  den  Act  der 
Eröfihung  der  Bibliothek  dar.    Der  Papst  sitzt  in  einem  Lehn- 
stuhl, vor  ihm  kniet  der  zur  Aufsicht  über  die  Sammlung  Be- 
rufene.   Zu  Sixtus'  Rechten  steht  sein  Neffe  GiuUano  della  Ro- 
vere  in  der  Franciscanerordenstracht  die  er  somit  auch  als  Car- 
dinal getragen  haben  muss ,  neben  ihm  ein  anderer  Cardinal  viel- 
leicht der  Camerlengo ,  da  Sixtus  damals  keinen  andern  Nepoten 
hatte.    Hinter  Piatina  sieht  man  zwei  päpstliche  Verwandte, 
wie  man  glaubt  Giovanni  della  Rovere  Herrn  von  Senigallia 
Giulianos  Bruder,  und  Girolamo  Riario  Herrn  von  Imola.    Es 
ist  ein  lebendiges   und   karaktervolles  Werk,   welches   heute 
von  der  Wand  abgenommen  die  vaticanische  Gemäldesammlung 
scbmückt  und    dessen   künstlerischem  Werth  der  historische 
gleichsteht.     Die  Inschrift  meldet  von  Sixtus'  Verdiensten  um 
Bauten  und  Anstalten  der  Stadt. 

»Tempel  und  Fündlingsasyl,  nebst  Mauern  und  Brücken  und  Plätzen, 

Trevis  erquickender  Quell,  alles  verjüngt  sich  durch  dich! 
Schiffern  eröffnest  du  neu  die  schützenden  Häfen  der  Vorzeit, 

m 

Schirmest  mit  mächtiger  Wehr  den  vaticanischen  Berg. 
Mehr  noch  verdankt  dir  die  Stadt.    Den  Büchern  im  Staube  vergessen 
Weihest  du  würdigen  Raum,  Sixtus,  mit  ordnender  Hand.« 

Das  Büchersammeln  scheint  fiir  den  Papst  grossem  Reiz 
gehabt   zu   haben    als    die    sonstige  Förderung   der  Literatur, 
denn   es  wird  ihm  vorgeworfen  dass   er  das  Einkommen  der 
Universität  verkürzte  und  selbst  bei  der  Ernennung  der  Lehrer 
Käuflichkeit  einreissen  Uess.   Von  allen  Seiten  schaffte  er  Hand- 
schriften   und   Druckwerke    herbei;    eine    Stelle    in    Lodovico 
i\jiostos  Satiren  lässt  erkennen  wie  lange  nachher  noch   die 
Erinnerung  an  diese   seine  Thätigkeit  lebendig  bUeb.     Piatina 
war  hier  in  seinem  Element.     Nach  seinem  im  September  1481 
erfolgten  Tode  zeigte  die  ilmi  ein  Jahr  darauf  gewidmete  Ge- 
däclituissfeier  wie  hoch  man  seinen  Verlust  anschlug.     In  Sta 
Maria  maggiore  las  der  Bischof  von  Ventimigha  in  Gegenwart 
der  Mitglieder  der  Akademie   die  Messe,  nach   welcher  Poin- 
ponio  Leto  die  Kanzel  bestieg  die  Erinnerungsrede  zu  halten, 
worauf   ein  Peruginer   gleichfalls  von    der  Kanzel  Verse   zum 

V.   Reumont .   Rum.    III.  23 


354  Opposition  gegen  die  Paganisirung  der  Wissenschaft. 

Lobe  des  Todten  recitirte.  An  dieser  Verwendung  einer  Kirche 
zum  akademischen  Hörsaal  scheint  man  doch  Anstoss  genom- 
men zu  haben.  Ein  Gastmal  vereinigte  dann  die  Theilnebmer 
in  dem  Hause  welches  Piatina  sich  auf  dem  Esquilin  gebaut 
hatte .  und  das  später  vom  Cardinal  Girolamo  Basso  della  Ro- 
vere  gekauft  wurde.  Die  dabei  von  den  Akademikern  recitirten 
Verse  wurden  nachmals  von  dem  Veranstalter  des  Festes,  Pia- 
tinas Zögling  Demetrio  von  Lucca  gesammelt  und  veröffent- 
Ucht.  Schon  hatte  das  akademische  Leben  die  Formen  ange- 
nommen die  es  in  Italien  bis  auf  unsere  Tage  bewahrt  hat. 

Während  die  Paganisirung  der  Wissenschaft  in  Rom  keinen 
Anstoss  mehr  zu  erregen  schien,  war  der  Horizont  mit  schweren 
Wolken  umlagert.  Die  Geschichte  der  Regierung  Sixtus'  IV. 
hat  den  zerrissenen  Zustand  Italiens  an  den  Tag  gelegt  Die 
Unternehmungen  der  Türken ,  gegen  welche  Pierre  d'Aubusson 
Rhodus  vertheidigte  und  die  eben  damals,  im  Jahre  1481, 
wieder  aus  Otranto  verjagt  wurden,  mahnten  zum  Frieden, 
aber  Friedensschlüsse  führten  nur  zu  neuen  Kriegen.  Schon 
begann  in  Florenz  die  Opposition  gegen  das  welthch  heid- 
nische Treiben  in  Literatur  und  Leben.  Fra  Girolamo  Savona- 
rola,  damals  ein  noch  unbekannter  Mann,  durch  den  Krieg 
gegen  Herzog  Ercole  von  Este  aus  seiner  Heimat  Ferrara  nach 
Toscana  verschlagen  wo  das  Dominicanerkloster  von  San  Marco 
ihn  aufnahm ,  erhob  in  der  Kirche  San  Lorenzo  zum  erstenmal  die 
Stimme  die  der  von  den  Medici  geförderten  Richtung  so  gefähr- 
lich werden  sollte.  Er  blieb  damals  beinahe  unbeachtet,  während 
die  Menge  nach  Sto  Spirito  strömte,  wo  ein  Augustinerbruder 
Fra  Mariano  von  Genazzano  in  der  römischen  Campagna,  ein 
Günstling  Lorenzos  des  Erlauchten  Predigten  mit  dem  rhetori- 
schen Pomp  akademischer  Dissertationen  hielt.  Doch  bereits 
war  in  ihm  das  Bewusstsein  aufgestiegen  dass  die  Eleganz  der 
Worte  dem  Ernst  der  Lehre  weichen  müsse,  dass  das  Wesen 
des  Christenthums  mit  seiner  Ethik  ernstlich  bedroht  sei  In- 
dess  schritt  man  sorglos  auf  diesem  Wege  fort  Sixtus  IV.. 
der  mit  Florenz  und  den  Medici  so  leidenschaftlich  gekämpft 
hatte,  lebte  noch  als  die  Arnostadt  ihren  alten  Primat  in  der 
Literatur  mit  einem  Glänze  geltend  machte,  der  Rom  in  Schatten 
stellte,  einerseits  wesentUch  in  derselben  Richtung  in  welcher 
auch  Rom  befangen  war,  andrerseits  vom  Wehen  eines  neuen 
Geistes  belebt  von  welchem  Rom  noch  nichts  spürte. 


k 


Lorenzo  de'  Medici  und  die  nationale  Literatur.  355 

Was  unter  Cosimo  dem  Alten  ausgesäet  worden  war«  schoss 
unter  seinem  Enkel  zu  üppiger  Bl&te  auf.  Die  Herrschaft  Lo- 
renzos  de'  Medici  ist  für  Florenz  eine  yerhängnissvoUe  Glanz- 
periode gewesen.  Nicht  blos  schwand  der  Rest  von  Freiheit 
derComune,  sondern  die  Freiheit  wurde  durch  eine  fortschrei- 
tende Corruption  unmöglich  gemacht,  wie  die  Geschichte  der 
nachmaligen  Versuche  ihrer  Wiederherstellung  bewiesen  hat 
Während  Lorenzo  stufenweise  vollendete  was  Cosimo  begonnen 
hatte,  und  unter  dem  Schein  republikanischer  Formen  die  Ver- 
fassung in  demselben  Maasse  zugrunderichtete  wie  das  Ver- 
mögen seiner  Famihe,  machte  er  sich  gewissermaassen  zum 
Dictator  der  öffentlichen  Meinung.  Nicht  auf  die  PoUtik  allein 
hat  sich  dies  erstreckt:  in  geistiger  Beziehung  ist  seine  Dicta- 
tur  nicht  minder  unbeschrankt  gewesen.  Der  Mann  der  in  noch 
jungen  Jahren  das  Föderativ-  und  Gleichgewichtssystem  in 
Italien  zur  Geltung  brachte,  er  der  zur  Durchführung  seiner 
politischen  Zwecke  selbst  die  der  Stadt  auf  Treu  und  Glauben 
anvertrauten  Gelder  der  Privaten  nicht  schonte,  leitete  mit 
MarsiUo  Ficino  die  Sitzungen  der  Akademie  welche  zur  Stutze 
des  Christenthums  Piaton  und  Porphyrius,  Virgil  und  die  Si- 
byllen herbeizog,  wetteiferte  mit  Petrarca  in  lyrischen  Ge- 
dichten welche  jedenfalls  über  allen  andern  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  stehen,  stimmte  in  Carnevalsliedem  den  ausge- 
lassensten Ton  antiker  Satumalien  an,  gewährte  der  Kunst 
eben  in  seinem  Hause  erblichen  Schutz,  den  man  wie  sein 
ganzes  geistiges  Wirken  zu  hoch  gestellt  hat,  da  er  sich  mit 
dem  seines  Grossvaters  nicht  vergleichen  kann,  an  den  sich 
aber  doch  wie  an  manche  Erscheinungen  des  Lebens  dieses 
merkwürdigen  imd  ^begabten  Mannes  schöne  Erinnerungen 
heften. 

Die  nationale  Literatur  war  während  des  ganzen  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  zurückgedrängt  gewesen:  Franco  Sacchetti, 
der  noch  dessen  Anfang  erlebte,  hatte  recht  geahnt.  Nicht 
als  hätte  es  an  Männern  von  Geist  und  Talent  gefehlt  welche 
in  die  Fussstapfen  der  grossen  Trecentisten  traten,  nicht  als 
wäre  der  Sprache  welche  diese  zu  solcher  Meisterschaft  er- 
hoben, mit  einenunale  jener  Adel  und  jene  Feinheit,  Anmuth 
mit  Reichthum  vereint  verloren  gegangen,  die  sich  von  Dante 
bis  zu  Boccaccio  in  so  überraschender  Weise  entwickelt  hatten. 
Aber    einerseits    hatte    der    ganze    Ideengang    eine    Richtung 

23* 


356  Einwirkung  des  Humauismus  auf  die  Vulgai'sprache. 

genommen  die  dem  überwiegend  christUchen  Element,  welches 
bei   dem  grossen  Vater   der   italienischen  Poesie    alle  antiken 
Anschauungen  überwog  und  färbte,  schnurstracks  entgegenlief 
und  zugleich  das  nationale  Bewusstsein  ausschloss,   da  diese 
modernen  Heiden   nicht  in  dem   Sinne   antik -römisch  waren, 
wie  die  poUtischen  Träumer  vorausgegangener  Zeiten.    Andrer- 
seits  musste   die    classische  Exclusivität   der   Humanisten  am 
Ende  auch  auf  die  Sprache  einwirken,  nicht  auf  die  des  Volkes 
das   in  Toscana   namentUch   nicht   ohne    eine   volksthümliche 
Literatur   bUeb ,    sondern  auf  die  der  itaUenisch  -  schreibenden 
Gelehrten  die  sich  eine  mehr  oder  minder  neue   Sprache  zu 
schaffen  versuchten.    Weniger  als  anderswo  drang  dies  in  Tos- 
cana durch.    Aber  in  Toscana  selbst  stand  es  schlimm  genug, 
wenn  Francesco  Filelfo ,  welcher  übrigens  selber  achtundvierzig 
Gesänge  in  achtzeiligen  Stanzen  zum  Lobe  Johannes  des  Täu- 
fers dichtete,  im  December   1450  in   Sta  Maria  del  fiore  eine 
Rede  halten  musste,  Dante  gegen  seine  gelehrten  Nebenbuhler 
zu  vertheidigen  die  ihn  einen  Poeten  für  Schuster  und  Bäcker 
nannten,  wozu  unter  andern  der  eifrige  Handschriftensammler 
Niccolö  NicoU  geneigt  war;  wenn  Cino  Rinuccini,   ein  Floren- 
tiner von  vornehmem  Geschlecht,  Dante,  Petrarca,  Boccaccio 
gegen  ähnliche  wegwerfende  Urtheile  vertheidigen  musste,  wenn 
man  von  Letzteren  nichts  annehmen  wollte  als  ihre  ungünstige 
Meinung  von  jener  Sprache,  durch  deren  Gebrauch,  nicht  aber 
durch   ihre  lateinischen  Werke  sie  unsterblich  geworden  sind. 
In  welchem  Maasse  das  Bestreben ,  die  Vulgarsprache  antiken 
Gesetzen  der  Grammatik  und  Metrik  zu  unterwerfen ,  was  selbst 
Einsichtige  für   nöthig  hielten,    diese  Sprache    entstellte  und 
den  lächerlichsten  Galimatias  schuf,  zeigt  .eine  im  October  1441 
während  des  Aufenthalts  Papst  Eugens  IV.  in  Florenz  im  dor- 
tigen   Dom    stattgefundene   poetische   Preisbewerbung,    deren 
Aufgabe  das  Lob    der   wahren  Freundschaft  war.     Piero  de 
Medici   und  Leon  Batista  Alberti  hatten  die  Sache  angeregt; 
die  päpsthchen  Geheimschreiber  sollten  Preisrichter  sein:  die 
Signorie,    Gesandte,    Prälaten,    Volk    waren    anwesend.     Und 
hier  gab  Leonardo  Dati,  der  schon  genannte  nachmalige  Bischof 
von  Massa,  ein  Poem  zum  Besten,  welches  in  Hexametern  und 
sapphischen  Strophen  eine  Sprache  redet  die  von  Keinem  je 
vernommen,    von    Keinem    verstanden    worden   ist,    Latein  in 
italienischen    oder    italienisch     sein    wollenden    Worten,    ein 


^ 


Lorenzo  de'  Medici.     Angelo  Poliziano.  357 

Meisterstück  lächerlichster  Geschmacklosigkeit.    Wenn  Andere 
sich  nicht  zu  diesem  barbarischen  Unsinn  verstiegen,  welcher 
zwei  Sprachen  zugleich  ins  Gesicht  schlug,  wenn,  abgesehn  von 
eigentlich  volksthümlicher  Dichtung,  Poesie  höherer  Gattung 
einen  verschiedenen  Ton  anschlug,  so  macht  doch  Matteo  Pal- 
mieris   »Vita  civile« ,   diese  Divina  Commedia  des   fünfzehnten 
Jahrhunderts,  den  immensen  Rückschritt  klar.    Und  nicht  der 
Poesie  allein  war*s  so  ergangen.     Die  Prosa  war  noch  schlim- 
mer daran.     Diese  Gelehrten   welche  ihre  Zeit   beherrschten, 
schrieben,  wenn  sie  nicht  wie  Alberti  und  einige  andere  Flo- 
rentiner in  sich  gingen  und  ihren  grossen  Vorgängern  die  Ehre 
gaben,  das  greuUchste  Gemisch  von  Latein  und  Vulgarsprache, 
barok  und  affectirt,  ohne  Fluss,  ohne  Anmuth.     In  solchem 
Zustand  fand  Lorenzo  de'  Medici  die  entnationalisirte  Literatur. 
Wenn  seine  eignen  Werke  theilweise  vielmehr  den  Eindruck  der 
Nachahmung  der  Lyrik  des  Trecento  als  den  der  Ursprünglich- 
keit machen,  so  trug  er  doch  mächtig  dazu  bei,  den  Unterschied 
zwischen  zwei  Gattungen  Poesie,  von  denen  die  eine  vom  Volke 
nicht  verstanden  ward  weil  sie  dem  Volksgeist  entfremdet  war, 
die  andere  in  TriviaUtät  unterzugehn  drohte,  verschwinden  zu 
machen.    Die  unmittelbar  auf  ihn  folgende  Zeit  hat  dies  Ver- 
dienst einseitig  karakterisirt,   indem  sie  rülimte,  (Lorenzo  de' 
Medici  und  mit  ihm  Poliziano   hätten  sich  zuerst  wieder  von 
niedriger  und  plebejischer   Weise  zu  höherm  Fluge  erhoben. 
Der  Freund  und  Förderer  der  Platoniker  wurde  zugleich   der 
Wiedererwecker  wahrer  nationaler  Dichtung. 

Wenn  aus  dem  Kreise  Lorenzos  Keiner  hervorgegangen 
wäre  als  die  Beiden  die  seiner  innigsten  Freundschaft  genossen, 
Angelo  Pohziano  und  Luigi  Pulci ,  so  würde  dieser  Kjreis  schon 
einen  bedeutenden  Abschnitt  in  der  Geschichte  der  italienischen 
Literatur  bezeichnen.  Beide  verkünden  gleich  dem  Mediceer 
die  Poesie  des  sechzehnten  Jahrhunderts  —  Beide  sind  zu- 
gleicli  im  Guten  wie  im  Schlimmen  Zeugen  des  Einflusses  wel- 
chen der  Classicismus  auf  Geist  und  Anschauungen  geübt  hat. 
Poiizian,  der  gelehrteste  unter  den  Literaten  seiner  Zeit,  er 
dessen  Prosa  noch  an  allen  Gebrechen  krankte  welche  damals 
bei  den  Gelehrten  Mode  waren,  zeigte  sich  in  seinen  Ottaverime 
als  Meister  acht -italienischer  Metrik.  Er  verstand  in  dem  er- 
sten  melodramatischen  Versuch,  dem  Orpheus,  antike  Mythen 
mit   modernem  Faschings  treiben  vermengt  dem  hochgebildeten 


358  Pulci  und  Bojai*do. 

Publikum  mundrecht  zu  machen  und  suchte,  wie  einst  Boc- 
caccio die  Prosa,  die  Sprache  der  Poesie  classischen  Mustern 
nachzubilden;  aber  er  legte  zugleich  in  seinen  kleinen  Gedich- 
ten,   in  den  »Rispetti«   und   »Ballate«    eine  Frische,  Anmutb, 
Manchfaltigkeit    an    den   Tag,    die    nach    langer   WandeniDg 
durch    die    verschnittenen    Taxushecken   eines   Wintergartens 
wie  Frühlingsluft  auf  blumenreicher  Au  anwehen.     Pulci  ver- 
kündete das  romantische  Heldengedicht,  indem   er  die  durch 
Volksbücher  bekannt  gewordenen  Stoffe  aus  dem  Sagenkreise 
Carls  des  Grossen  poetisch  verarbeitete.    Sein  Morgante  ist  in 
seiner  voUbewussten ,  an  keine  dichterische  Regel  noch  Gesetz 
gebundenen  Beherrschung  dieser  Stoffe  ein  Gemisch  von  Ernst 
und  Ironie,  von  Christenglauben  und  Heidenthum,   von  bibh- 
sehen  Texten  und   spöttischer  Skepsis,  von  Feinheit  und  Ge- 
schmacklosigkeit, von  gesundem  Menschenverstand  und  tollem 
Unsinn,  welches  wol  als  ein  Spiegel  einer  Zeit  gelten  kann,  in 
welcher  die  mittelalterlichen  Anschauungen  des  Volkes  mit  der 
vom  Christenthum  mehrundmehr  abgewandten   gelehrten  Bil- 
dung den  grellsten  Contrast  bildeten  und  die  Reaction  gegen 
letztere  unvermeidUch  herannahte.    Wenn  bei  Pulci  das  Bur- 
leske vorherrscht,  so  geht  ein  gleichzeitiges  dichterisches  Werk, 
in  welchem  das  Wunderbare  in  den  Erfindungen  und  Schilde- 
rungen ernsthafter  auf  Wirklichkeit  und  Glaubwürdigkeit  An- 
spruch macht,  um  einen  Schritt  weiter  auf  der  epischen  Bahn. 
Der  verliebte  Roland  Matteo  Maria  Bojardos,   eines  classisch 
gebildeten  den  höchsten  Ständen  angehörenden  Mannes,  bei 
dem  im  Jahre  1494  erfolgten  Tode  seines  Verfassers  nicht  voll- 
endet, ist  das  Prototyp  der  Epopöen  des  Cinquecento,  welche 
sich  gleich  diesem  Vorbilde,  mag  das  profane  oder  das  reli- 
giöse  Element   in   ibrem   Ritterthum   vorherrschen,   von  dem 
Karakter  der  Hofpoesie  nie  ganz  freizumachen  vermögt  haben. 
Rom  war  weit  entfernt  beim  nahenden  Schluss  des  Jahr- 
hunderts mit  so  glanzenden  Erscheinungen  zu  wetteifern.   Unter 
Innocenz  VIII.  und  Alexander  VI.  blieben  die  Dinge  so  ziemlich 
in  den  alten  nun  ziemlich  ausgefahrenen  Geleisen.   Ja  eine  Ab- 
nahme von  Leben   und  Bedeutung  ist  ersichtUch.     Die  verwil- 
derten Zustande  der  Stadt  während  eines  Theils  von  Innocenz* 
Regierung,  die  fast  ausschUesslich  der  Pohtik  und  dem  Nepo- 
tismus in  seiner  crassesten  Gestalt  gewidmeten  Bestrebungen 
Alexanders  erklären  eine  solche  Erscheinung.   Jener  war  nicht 


i 


UeberschwängHchkeit  der  Poeten.  359 

ohne  literarische  Tendenzen.    Angelo  Poliziano  übersetzte  für 
ihn  Herodians  römische  Geschichte  ins  Lateinische  und    der 
Papst  lohnte  ihm  im  August  1487  die  Arbeit  durch  ein  Ge- 
schenk von  zweihundert  Ducaten,  um  ihn,  wie  er  schrieb  und 
an  Lorenzo  de' Medici  wiederholte,  in  Stand  zu  setzen  solchen 
Studien   ungestört    obzuliegen.     Eine   Gunst    welche   Polizian 
durch  eine  schöne  nicht  blos  in  der  Sprache  an  das  Alter- 
thum   erinnernde   sapphische  Ode  vergalt.      Wie  Poeten  und 
Prosaiker   selbst   bei   banalsten  Anlässen   in    profaner  Ueber- 
achwänglichkeit  wetteiferten ,  zeigt  das  Beispiel  dieses  begabte- 
sten Dichters  der  ganzen  Zeit,    von   deren  Untugenden  aber 
auch  ihm  in  Schriften  und  Leben  so  vieles  anklebte.    In  seiner 
Jugend  hatte  er  in  lateinischen  Distichen  den  Einzug  des  Car- 
dinais von  San  Sisto,  Pietro  Uiario  besungen,  welchem  sein 
Oheim  Sixtus  IV.,  damals  noch  in   gutem  Einvernehmen  mit 
den  Medici ,  das  florentiner  Erzbisthum  verliehen  hatte.    Grosse 
Dürre  hatte  geherrscht,  aber  schwere  Wolken  waren  herauf- 
gezogen und  der  Poet  schildert  wie  die  Sonne  mit  sich  selber 
kämpfte,  indem  sie  den  Einzug  gerne  mitangeschaut  hätte,  dem 
Einziehenden  aber  nicht  lästig  werden  wollte.    Da  brach  noch 
im  rechten  Moment  ein  tüchtiger  Platzregen  herein,  der  der 
Trockenheit  ein  Ende  machte,   die  Luft  erfrischte.     Das  war 
für  den  Dichter  Stoff! 

■  Wer,  o  Sixtus,  verneint  dass  du  zu  den  Göttern  gehörest. 
Da  dein  Wille  zugleich  Himmel  und  Erde  beherrscht?« 

Man  braucht  sich  nicht  über  die  Inschriften  zu  wundern 
welche  Alexander  VI.  bei  seiner  Erhebung  begrüssten,  aber 
man  kann  nicht  umhin  sich  der  »Coniuratio  Pactiana«  zu  er- 
innern welche  derselbe  Polizian  fünf  Jahre  später  schrieb.  Als 
der  Cardinal  ihm  für  die  Verse  dankte  statt  ihm  Geld  zu  ge- 
ben, erbat  er  sich  letzteres: 

■Sixtus,  ich  habe  dir  Worte  geschenkt:  es  ist  Gabe  des  Dichters; 

Dir  ziemt  klingender  Lohn:  Worte  nur  giebst  du  zurück. 
Hättest  du  recht  ihm  gelohnt,  der  dich  einst  zu  den  Göttern  gesellte, 

Zeus  schon  wärest  du  ihm  in  dem  melodischen  Wort.« 

Bonifazio  Simonetta,  Neffe  des  einst  am  sforzaschen  Hofe 
allmächtigen  Cicco  und  Verfasser  einer  Art  Kirchen-  und  Papst- 
geschichte seit  dem  h.  Petrus,  hatte  bei  Innocenz  schon  bevor  er 


360  Gelehrte  in  Rom  in  Alexanders  \^.  Zeit. 

den  h.  Stuhl  bestieg  Aufnahme  gefunden.  Als  Bartolommeo  Man- 
fredi  Piatinas  Nachfolger  im  Jahre  1484  starb,  trat  an  seine  Stelle 
Cristoforo  Persona  Prior  der  GugUelmiten  von  Sta  Balbina  auf 
dem  Aventin.  In  seiner  Jugend  hatte  er ,  ein  geborener  Römer, 
eine  literarische  Reise  nach  dem  Orient  unternommen  und  sich 
nachmals  vorzugsweise  mitUebersetzungen  griechischer  Kirchen- 
väter beschäftigt,  aber  auch  den  Byzantinern  sich  gewidmet 
indem  er  Procopius  und  Agathias  übertrug.  Von  den  nach- 
folgenden Vorstehern  der  Bibliothek  unter  denen  zwei  Spanier 
genannt  werden,  ist  wenig  bekannt  Innocenz  VIII.  scheint  in 
Bezug  auf  die  Handschriften  liberalen  Grundsätzen  gehuldigt 
zu  haben,  da  er  auf  Lorenzos  de'  Medici  Empfehlung  mehre 
derselben  an  Poliziano  lieh,  was  Raffael  Maffei  veranlasste 
sich  mit  ähnlicher  Bitte  an  Sigismondo  Conti  zu  wenden.  Die 
Bibliothek  scheint  aber  doch  durch  solche  Bewilligungen  Ver- 
luste erlitten  zu  haben. 

Zahlreiche    Gelehrte    besuchten    Rom    zu    kürzerm    oder 
dauerndem    Aufenthalt.      Zu    letzteren    gehörte    der    ebener- 
wähnte Raffael  Maffei  von  Volterra  der  erst  um  die  Zeit  des 
Todes  Leos  X.  starb,  dessen  Bildung  aber  der  hier  in  Betracht 
kommenden  Epoche  angehörte.     Ein  fleissiger  und  gewissen- 
hafter Autor  der  sich  ausser  mit  Zeitgeschichte  und  theologi- 
scher Literatur  viel  mit  römischen  Antiquitäten  beschäftigte,  in- 
dess  mit  weniger  Localanschauung  als  Pomponio  Leto  und  nicht 
mehr  Kritik  als   dieser.     Eine  bei  weitem  tüchtigere  gelehrte 
(irundlage,  obgleich  wie  alle   älteren  Arbeiten  dieser  Art  auf 
den   falschen   Regionarien  fussend,    hat  die   Topographie  des 
alten  Rom  von  einem  andern  Toscaner  Bemardo  Rucellai,  der 
indess  nicht  in  gleichem  Maasse  wie  Maffei  Gelegenheit  hatte 
Boden  und  Monumente  der  Stadt  Jalirelang  zu  studiren.    Denn 
ihn,    den   Schwager  Lorenzos   de'   Medici,    dessen   Grossvater 
Cosimo   ihn  über  der  Taufe   gehalten   hatte,    nahmen   Staats- 
geschäfte so  in   seiner  Vaterstadt  wie  auf  wiederholten  Am- 
bassaden  in  Anspruch,  während  die  platonische  Akademie,  zu 
deren    Sitzungen    er   nach    Lorenzos    Tode    seinen    berühmten 
mit    antiken    und    modernen  Monumenten    geschmückten  Gar- 
ten    (Orti    Oricellari)    öffnete,    seine    literarische    Müsse    aus- 
füllte,     .le   bestrittener    die   Verdienste    sind    welche  Rucellai 
sich  durch  staatsmännische  Thätigkeit  um  seine  Heimat  erwarb, 
umso  grössere  Anerkennung  heischen  seine  literarischen  Werke 


t 


B.  Rucellai.  B.  Fönte,  Gio.  Pico,  Adriano  Castcllesi.  361 

welche,  auch  der  gleichzeitigen  Geschichte,  namentlich  jener 
des  neapolitanischen  Zuges  Carls  VIII.  gewidmet,  his  in  den 
Anfang  der  Regierung  Leos  X.  hineinreichen  und  ein  glänzen- 
des Zeugniss  der  damals  unter  den  ersten  Standen  in  Florenz 
lierrschenden  Bildung  ablegen.  Ein  anderer  Florentiner,  Bar- 
tolommeo  Fönte,  dessen  Jugendbildung  zum  Theil  Rom  ange- 
hört, auf  Cardinal  Zenos  Veranlassung  in  Sixtus'  IV.  Zeit  nach 
Rom  als  Lehrer  berufen,  wo  er  indess  nicht  lange  verweilte, 
war  auch  eifriger  Sammler  von  Antiquitäten  und  Büchern  für 
sich  wie  für  Andere.  Schlecht  bekam  der  römische  Aufent- 
halt einem  berühmten  Mitgliede  des  florentinischen  Kreises, 
dem  »Phönix  der  Geister«,  dem  angestaunten  Wunder  sei- 
ner Zeit  aber  auch  Meister  abstruser  unnützer  Gelehrsam- 
keit. Als  Giovanni  Pico  della  Mirandola  dreiundzwanzigjährig 
im  Jahre  1486  nach  Rom  kam  und  eine  öffentliche  Disputation 
über  neunhundert  Propositionen  verkündete,  zu  denen  Magie 
und  Eabala,  Chaldäa  und  Arabien  ihr  Theil  geliefert  hatten, 
witterte  man  Ketzerei,  und  erst  Alexander  VI.  befreite  den 
jungen  Mann  zwei  Jahre  vor  seinem  frühen  Tode  von  inquisi- 
torischen Quälereien.  Die  Sitte  oder  vielmehr  die  Sucht  sol- 
cher Disputationen  war  ein  Zeichen  der  Zeit,  welche  dieselbe 
aus  dem  vorausgegangenen  Jahrhundert  überkommen  aber  sehr 
ausgebildet  hatte.  Man  stritt  mit  Leidenschaft  über  philoso- 
phische selbst  über  theologische  Gegenstande.  Galeotto  Marzio 
von  Nami  der  sich  gleich  manchen  anderen  Italienern  am  Hofe 
Matthias  Corvinus'  eine  schöne  Stellung  schuf,  hielt  in  Rom 
ein  Disputatorium  über  die  Unsterblichkeit  der  Seele,  und  in 
der  Hitze  gerieth  er,  wie  mit  und  nach  ihm  manche  Andere, 
/n  so  gewagten  Propositionen  dass  die  Inquisition  sich  darein 
mischte.  Sixtus  IV.  war  es  der  Marzio  aus  dem  Kerker  befreite. 
Der  glänzendste  Geist  des  römischen  Kreises  beim  heran- 
nahenden Schluss  des  Jahrhunderts  war  der  Cardinal  von 
('orneto.  Adriano  Castellesi  darf  für  den  elegantesten  Huma- 
nisten am  päpstUchen  Hofe  gelten.  Sein  Latein  rühmte  man 
als  ciceronisch.  Sein  an  Cardinal  Ascanio  Sforza  gerichtetes 
Lehrgedicht  von  der  Jagd  und  seine  poetische  Beschreibung 
des  Zuges  Julius'  IL  durch  die  Romagna ,  worin  Schilderungen 
der  Localität  jenen  der  Thaten  des  Papstes  mit  geschickter 
Hand  angereiht  sind,  wurden  mehrmals  und  noch  im  sieb- 
zehnten  Jahrhundert    gedruckt,    sein    dem    Cardinal   Grimani 


362  Litcrainsche  Fälschungen. 

gewidmeter  Tractat  über  den  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache 
selbst  noch  im  achtzehnten.  Für  sein  Hauptwerk  galt  das 
Buch  »von  der  wahren  Philosophie  nach  den  vier  Kirchen- 
vätern« welches  zuerst  im  Jahre  1507  erschien.  Blickt  man 
auf  die  zahlreichen  amtlichen  Beschäftigungen  und  auf  das  be- 
wegte unstäte  Leben  dieses  Mannes  zurück,  dessen  Name 
heute  noch  auf  einem  andern  als  dem  kirchUch  -  poUtischen 
oder  dem  hterarischen  Felde  genannt  wird,  so  kann  man  nicht 
umhin  die  Elasticität  seines  Geistes  wie  sein  ungemeines  Talent 
und  seine  Kenntnisse  zu  bewundern. 

Das   herrschende   Interesse   am   Alterthum  in   Geist  und 
Form,  wie  das  gewissermaassen  den  alten  Glauben  und  die  alte 
Zucht  verleugnende  fünfzehnte  Jahrhundert  sie  darbietet,  zeigte 
noch  andere  Auswüchse  als  den  verderblichen  Einfluss  den  es 
auf  Wissenschaft   und  Sitte   äusserte.     Schon  hatte  die  Zeit 
der    literarischen   Betrugereien    begonnen.      Der    Humanisten- 
epoche  gehört   die    durch  Interpolationen  bewirkte  Umwand- 
lung der  in  der  Geschichte  der  Imperatoren  erwähnten  ältesten 
topographischen  Urkunden  in  die  Texte  der  sogenannten  fal- 
schen Regionarier.     Eine  Umwandlung,    deren   ersten  Spuren 
wir   in  Biondo   Flavios,    dann   besonders  in  Pomponio  Letos 
Tagen  begegnen,  ohne  die  Theilnahme  Einzelner  mit  Gewiss- 
heit feststellen  zu  können ,  während  der  Abschluss  dieser  Texte, 
-wie  sie  bis  auf  die  neuere  Zeit  die  Topographen  irregeführt 
haben,  dem  folgenden  Jahrhundert,  Onofrio  Panvinio  und  seinen 
Zeitgenossen  beizumessen  ist.   Die  eigenthümlichste  Erscheinung 
anderer  Art  war  Fra  Annio  von  Viterbo  der  vielbesprochene 
Fälscher,   welcher  im  Jahre   1498  seine  selbstfabrizirten  Ent- 
deckungen bekanntmachte  die  nicht  weniger  als  siebzehn  an- 
gebUche  alte.  Autoren  umfassten.    Diesen  Mann  ernannte  Alexan- 
der VI.  ein  Jahr  darauf  zum  Maestro  del  sacro  Palazzo.  Frei- 
lich waren  damals  die  seine  Apokryphen  vernichtenden  Kritiken 
noch  nicht  erschieneb.    Die  ganze  literarische  Bildung  der  Zeit 
fusste  unendlich  mehr  in  einer  dahingeschwundenen  als  in  der 
wirklichen  Welt,  und  fälschte  den  Maassstab  für  die  Beurthei- 
lung  und  Schätzung  der  einen  wie  der  andern.    Während  der 
jahrhundertelang  brachliegende  Boden  Roms  und  seiner  Um- 
gebung, dessen  sichtliche  Monumente  mehrundmehr  geschwun- 
den  waren,    die    Schätze    seines   Innern    herauszugeben,  die 
dürftigen  Anschauungen  alter  Kunst  zu  mehren  begann,  ist  es 


Die  Mädchenleiche  der  Via  Appia.    Die  Epigraphik.  363 

t 

nicht  zum  Verwundem  dass  ein  Ereigniss  wie  das  vom  März 
1485  eine  Begeisterung  wecken  musste,  deren  Nachhall  wir 
selbst  ferne  von  Rom  vernehmen.  Lomhardische  Maurer  ent* 
deckten  beim  Graben  auf  dem  weiten  Trümmerfelde  an  der 
Appia  welches  den  Namen  Roma  vecchia  fuhrt,  auf  der  den 
Olivetanern  von  Sta  Maria  nuova  gehörenden  Tenuta  Statuario 
ein  antikes  Grab,  darin  einen  verzierten  Sarkophag  mit  der 
Ane  es  scheint  vollständig  erhaltenen  Leiche  eines  jungen 
Mädchens,  angeblich  mit  der  Inschrift  »lulia  Filia  Claudi«, 
eine  Inschrift  die  nicht  verhinderte  dass  man  Ciceros  Tochter 
Tullia  gefunden  zu  haben  wähnte.  »Ihr  goldenes  Haar  war 
mit  grünem  Seidenbande  zusammengehalten  und  mit  vielen  zu 
einer  Krone  geformten  Edelsteinen  geschmückt.  Der  Leib  der 
angeblich  in  einer  Flüssigkeit  lag,  war  so  wohl  erhalten  dass 
der  Tod  erst  Tages  zuvor  eingetroifen  zu  sein  schien.  Die 
Lombarden  machten  sich  mit  allen  Kostbarkeiten  davon.«  Die 
Leiche  wurde  nach  dem  Conservatorenpalast  gebracht;  gauz 
Rom  gerieth  in  Bewegung  und  Exstase.  In  Innocenz  VIII. 
scheint  Besorgniss  vor  Volksheidenthum  aufgestiegen  zu  sein, 
das  ihm  mehr  Bedenken  als  das  literarische  einflössen  mogte. 
Er  liess  die  Leiche  deren  Angesicht  übrigens  infolge  der  Be- 
rührung mit  der  Luft  alsbald  geschwärzt  ward,  zur  Nachtzeit 
vor  Porta  Pinciana  heimUch  wieder  vergraben. 

Inmitten  des  vielseitigen  Studiums  des  Alterthums  konnte 
die  Epigraphik  nicht  stationär  bleiben.  Während  Poggios  und 
Nicola  Signorilis  Sammlungen,  von  welcher  letztern  Cardinal 
Giordano  Orsini  ein  Exemplar  besass,  mehr  als  man  gestand 
benutzt  wurden ,  während  die  des  Ciriaco  Anconitano  entstand, 
begegnen  wir  andern,  auch  von  Solchen  die  nur  vorübergehend 
oder  gar  nicht  in  Rom  weilten.  Zu  diesen  gehörte  der  Vero- 
nese  Feüce  Feliciani  welchem  seine  Vorliebe  für  das  Alterthum 
den  Beinamen  des  Antiquars  eintrug,  und  der  mit  Andrea  Man- 
tegna  an  den  Ufern  des  Gardasees  nach  römischen  Spuren  zu 
forschen  liebte,  deren  dies  schöne  Gestade  so  manche  bot. 
Gleich  ihm  stützte  sich  auch  der  im  Jahre  1492  verstorbene 
Carmeliterprior  Michele  Ferrarini  im  lombardischen  Reggio  viel- 
fach auf  Signorili  und  Ciriaco.  Der  Venetianer  Giovanni  Mar- 
canova,  der  Trevisaner  Girolamo  Bologni  der  sich  nicht  mit 
dem  Copiren  der  »Epitafien«  begnügte  sondern  deren  Erklärung 
versuchte,  gingen  dem  Veronesen  Fra  Giocondo  und  Bemardo 


364  Die  Epigi'aphik.    Die  Rechtswissenschaft. 

Rucellai  voraus.  Fra  Giocondo  der  durch  Lodovico  Agnello 
Erzbischof  von  Cosenza  auf  das  römische  Alterthum  hinge- 
wiesen ward,  weilte  in  jüngeren  Jahren  lange  in  Rom  wo  er 
als  alter  Mann  den  Bau  von  St.  Peter  zu  leiten  bestimmt  war. 
Seine  Inschriftensammlung  widmete  er  Lorenzo  de*  Medici 
indem  er  bitter  klagte,  dass  ungeachtet  päpstlicher  Verbote 
das  Kalkbrennen  in  Kom  aus  antiken  Marmoren  fortwähre. 
Poliziano  der  die  Sammlung  in  Händen  hatte,  nannte  ihn  unter 
allen  Zeitgenossen  nicht  nur  den  fleissigsten  sondern  auch  den 
kundigsten  Abschreiber.  Pietro  Sabino,  der  sich  demselben 
Studium  widmete,  hing  durch  seinen  Lehrer  Sabellicus  mit 
der  römischen  Akademie  zusammen.  Das  Haupt  dieser  Akademie 
sammelte  nur  die  Originale;  nach  diesen  haben  die  Epigraphi- 
ker  des  folgenden  Jahrhunderts,  so  Mazzocchi  und  der  teutsche 
Martin  Sieder  manches  copirt.  '  Mit  jedem  Tage  mehrte  sicli 
die  Zahl  der  Inschriften,  wenngleich  manche  wieder  ver- 
schwanden. Das  einzige  Beispiel  des  unter  Sixtus  IV.  theils 
ausgegrabenen  theils  zerstörten  Herculestempels  im  Forum 
boarium  mit  seinen  heute  im  Conservatorenpalast  aufbewahrten 
Votivinschriften  genügt  um  zu  zeigen  wie  fruchtbar  der  Boden 
sich  auch  dann  erwies,  als  Nachgrabungen  nur  gelegentlich 
angestellt  wurden. 

Ausserhalb  des  eigentlich  literarischen  Kreises  und  seines 
Zusammenhangs  mit  Glauben  und  Denken  der  Nation,  hat  die 
Wiederbelebung  der  classischen   Studien   auf  eine  der  Fach- 
wissenschaften  grossen   Einfluss    geübt.     Diese   Wissenschaft 
war  die  des  Rechts.     Die  mittelalterliche  Jurisprudenz  hatte 
im  vierzehnten  Jahrhundert  ihren  Abschluss  gefunden.     Dem 
fünfzehnten  schien  nur  deren  Systematisirung  und  Erläuterung 
vorbehalten.    Die  Quellen  des  Kirchenrechts  endigten  mit  den 
Decretalen  Clemens'  V. ,   während  den  folgenden  sogenannten 
Extravaganten  Johannes*  XXII.  nie  eine   den  Documenten  der 
altern  Gesetzgebung  gleichkommende   canonische  Geltung  zu- 
erkannt ward.     Die  Arbeiten  der  gelehrten  Canonisten  bestan- 
den in  ausführlichen  Coramentaren,  während  die  systematische 
Umarbeitung  des  alten  gratianischen  Decrets    durch  Cardinal 
•Torquemada   keine    durchgreifende   praktische   Bedeutung  er- 
langte.    Das  bürgerliche  Recht  hatte  in  der  Schule   Bartolos 
von  Sassoferrato  und  Baidos  von  Perugia  die  Theorien  der 
Monarchisten,   von   denen  früher  schon    die  Lehrkanzeln  des 


Die  RcohtswisscnsohaA   in  der  Huinanisteiizeit.  365 

römischen  Rechts  auch  auf  Universitäten  in  päpstlichen  Städten 
grossentheils  dominirt  waren,  in  voller  Schärfe  entwickelt. 
Andrerseits  erfuhr  die  statutarische  Gesetzgebung,  während 
sie  ihre  mittelalterUche  Grundlage  bewahrte,  unter  zwingendem 
Einäuss  der  wissenschaftUchen  Fortschritte  so  im  bürgerlichen 
wie  im  canonischen  Recht,  eine  die  municipale  Autonomie  be- 
schränkende ,  ihren  Geist  mildernde  Umgestaltung  von  wel6her 
die  im  Jahre  1415  vollendete  Reform  der  florentiner  Statuten 
durch  Paolo  de  Castro  das  vollgültigste  Muster  bietet.  Es  ist 
ein  bemerkenswerther  Umstand  dass  die  beiden  berühmtesten 
Kenner  so  des  römischen  wie  des  Statutarrechts  in  der  Zeit 
des  Schismas  in  die  Debatten  über  den  ominösen  Kampf  der 
beiden  Päpste  hineingezogen  wurden.  Denn  Baldo  schrieb 
nicht  nur  ein  Gutachten  zur  Vertheidigung  des  Rechtes  Papst 
UrbansVI.,  sondern  wurde  auch  zugleich  mit  Johannes  de 
Lignano  von  demselben  im  Jahre  KiSO  nach  Rom  gerufen. 
Paolo  de  Castro  aber>  um  das  Ende  des  Jahrhunderts  im 
Dienste  des  Cardinais  Piero  Corsini  und  in  Paris  verweilend, 
wirkte  im  Auftrag  des  französischen  Hofes  für  die  Union,  zur 
Zeit  als  die  von  Frankreich  verfugte  Obedienzentziehung  Bene- 
dict XiU.  matt  zu  setzen  schien  und  man  Bonifaz  IX.  zu  ent* 
gegenkommenden  Schritten  zu  stimmen  versuchte. 

Der  Zustand  der  Rechtswissenschaft  war  ein  stationärer 
geworden  und  es  ^bezeichnet  denselben,  dass  die  eigentliche 
Kechtspraxis  sich  wesentUch  an  die  Arbeiten  der  Juristen  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  hielt,  an  die  des  Bolognesen  Rolan- 
dino  Passaggieri  der  letzten  Hohenstaufenzeit  und  jene  des  in 
der  Geschichte  der  Päpste  in  den  Tagen  der  anjouschen  Su- 
prematie oftgenannten  Guillaume  Durand.  Die  neue  Richtung 
der  Philosophie  durch  die  Regeneration  der  Systeme  des  Alter- 
thums  und  die  Erweckung  der  kritischen  Philologie,  die  grosse 
That  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  welches  dieselbe  voll- 
brachte als  es  das  Werk  der  kirchUchen  Reform  müde  aus  der 
lland  zu  legen  schien,  mussten  der  Rechtswissenschaft  neue 
Bahnen  anweisen,  indem  sie  auch  hier  die  Fesseln  der  mittel- 
alterlichen Schultradition  sprengten.  Es  war  die  historisch- 
kritische  Forschung  welche  zuerst  Bahn  brach.  Denn  Philo- 
logen wie  Traversari,  NicoU,  Maifeo  Vegio,  Vallau.  A.  wiesen 
auf  die  alten  Rechtsurkunden  und  die  Nothwendigkeit  der 
sprachlichen  Säuberung  und  Feststellung  der  Texte  hin.    Vegio 


366  Nationale  Literatur.    Annalisten. 

ging  in  seinem  kritisch -puristischen  Eifer  so  weit,  dass  er 
nicht  blos  die  Tradition  der  mittelalterlichen  Rechtslehrer  bei- 
seite zu  schieben  trachtete  sondern  von  den  spätrömischen  auf 
die  ältesten  Rechtsquellen  zurückgreifen  wollte.  Mehr  eine 
antiquarische  Velleität  als  ein  wirklicher  Plan ,  aber  zur  Kenu- 
Zeichnung  des  Zeitgeistes  und  als  Vorbedeutung  ähnlicher 
künftiger  Bestrebungen  auf  anderm  Felde  nicht  ohne  Interesse. 
Seltsamerweise  findet  sich  keine  Spur  der  Einwirkung  dieser 
Tendenzen  auf  einen  der  namhaftesten  Juristen  dieser  Epoche. 
Es  war  der  Aretiner  Francesco  Accolti,  von  einer  in  der  Ge- 
schichte der  Wissenschaft  mit  Ruhm  genannten  Familie,  der 
unter  Sixtus  IV.  in  Rom  lehrte  und,  wie  es  scheint  in  seinen 
Erwartungen  getäuscht,  in  der  florentinischen  Streitfrage  sich 
zu  des  Papstes  Widersachern  schaarte.  Bei  diesem  Schüler 
Filelfos  ist  von  der  Eleganz  der  philologischen  Bildung  der 
Zeit  nichts  zu  merken.  Der  philologischen  Anregung  un- 
geachtet bheb  indess  die  juristische  Wissenschaft  in  Lehrsy- 
stem und  Praxis  wesentlich  in  den  alten  ausgefahrenen  Gelei- 
sen. Erst  im  folgenden  Jahrhundert  brach  sich  die  eigentUche 
theoretische  Reform  Bahn  und  auch  dann  nur  allmälig.  Denn 
Jene  selbst  welche  diese  Reform  herbeiführten,  hielten  auf 
dem  Katheder  wie  vor  dem  Forum  noch  an  den  Systemen  fest 
die  von  ihren  Vorgängern  auf  sie  übergegangen  waren. 

Im  ganzen  fünfzehnten  Jahrhundert  scheint  die  italienische 
Literatur  in  Rom  gefeiert  zu  haben.     Was  uns  von  Aufzeich- 
nungen über  römische  Dinge  geblieben  ist,  hat  grossen  localen 
Werth,  hält  sich  aber  ganz  innerhalb  der  Schranken  kunst- 
loser Annalen,  so  dass  in  diesem  Betracht  selbst  im  Ve^leich 
mit  der  Vita  di  Cola  di  Rienzo  ein  Rückschritt  bemerklich  ist. 
Wir  besitzen  über  die  Regierung  Papst  Eugens  FV.  die  Denk- 
würdigkeiten  des  Paolo  di  Liello  Petroni  eines  päpstUch  ge- 
sinnten  angesehnen  Bürgers  aus  dem  Rion  Ponte,   dem  sich 
Stefano  Infessura  und   der   sogenannte   Notar   von   Antiporto 
oder  Nantiporto  anreihen.    Letzterer  über  dessen  Namen  man 
nichts   weiss,    erzählt   in   seinem   Diarium   die   Begebenheiten 
1481  bis  1492.    Infessura,  im  Jahre  1478  Prätor  in  Orte  nacb- 
mals  Senatsschreiber  in  Rom ,  beginnt  zwar  mit  Bonifaz  Vlli« 
aber  erst  mit  Martins  V«  und  Eugens  IV.  Tagen  gewinnt  er 
eigenthümlichen  Werth,  den  er  namentUch  für  die  Regierungen 
der  drei  letzten  Päpste  des  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1494 


Volksthümliohc  Poesie.    Passionssplele.  367 

behauptet  mit  welchem  er  endet.    Der  ächte  Repräsentant  der 
unverwüstlichen  romischen  Medisance,  hat  er  Allen  die  sich  an 
der  Scandalgeschichte  vergnügen  eben  so  reichen  wenn  nicht 
reichern  Stoff  geboten,   wie  der  vielbesprochene  Strasburger 
Johannes  Burcard,  Bischof  von  Orte  und  Ceremonienmeister 
der  päpstlichen  Kapelle  von  Innocenz  VIII.  bis  Julius  II.    Aber 
man  muss  in  der  Art  wie  bis  auf  den  heutigen  Tag  Lügen  mit 
Wahrheit  in  der  römischen  Stadtgeschichte  vermengt,  das  viele 
Erlogene  durch  das  wenige  Wahre  accreditirt  wird,  wenig  be- 
wandert sein  um  solchen  Berichterstattern  aufs  Wort  zu  glau- 
ben, mag  die  Zeit  immer  noch   so  schlimm  sein.     Die  Liud- 
prande  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  fordern  ebenso  strenge 
Kritik  wie  der  des  zehnten.     Von  römischen  Dichtern  in  der 
Vulgarsprache  sind  geringe  Spuren  geblieben.    Es  kann  nicht 
daran   gefehlt   haben.      Die   Zeit   welche    einerseits    die    aus 
sprüchwörtUchen  Redensarten,   Persönlichkeiten,   oft   banalen 
und  theilweise  heute  unverständlichen  Witzen  zusammengesetz- 
ten Burlesken  und  Capriccios  des  florentiner  Barbiers  Burchiello 
und   die  oft  imflätigen  CamevalsUeder  hervorbrachte,    andrer- 
seits die  geistUchen  Volkshymnen,  die  Mysterien  und  anderen 
Dichtungen  Feo  Belcaris  und  seiner  Nachfolger  ins  Leben  rief, 
diese  Zeit  musste  auch  in  Rom,   wo  Burchiello  im  Jahre  1448 
starb,  Blüten  treiben.    Der  römische  Volksgeist  und  Volkswitz 
hat  zu  viel  Frische,  Spitze,  EigenthümUchkeit  um  ganz  zu  rasten. 
Die  lateinischen  Epigramme  womit  man  Päpste  und  Nepoten, 
wie  bei  Alexander  VI. ,  mit  so  furchtbar  einschneidender  Schärfe 
verfolgte,  nachdem  man  sie  mit  gleicher  Maasslosigkeit  geprie- 
sen hatte,  haben  ohne  Zweifel  in  der  Volkssprache  Wieder- 
hall geweckt,  wenn  sie  hier  nicht  ihren  Ursprung  hatten.   Für 
die  bänkelsängerische  Epopöe  welche  zuerst  Pulci  mit  einem 
wenngleich  zweideutigen  Adel  ausstattete,    war  der  römische 
Boden  günstig.     Benedetto  von  Cesena  der  ein  Gedicht  von 
der  Frauenehre  in  Terzinen  schrieb ,   wurde  von  Nicolaus  V. 
zum  Dichter  gekrönt,  ob  in  Rom  selbst,  ist  freilich  nicht  be- 
kannt.   Das  Theater  hatte  mit  den  Passionsspielen  begonnen. 
Griuliano  Dati   ein   in  Rom  heimisch   gewordener  Florentiner, 
Pönitentiar   der  lateranischen  Basilika  dann  Bischof  von  San- 
leone  in  Calabrien,  verfasste  mit  dem  Römer  Bernardo  di  Ma3tro 
Antonio   und   Mariano   Particappa    für   die   Brüderschaft   des 
Gonfalone  das  älteste  jener  Mysterien  wovon  in  der  Geschichte 


368  Theatralische  Darsteihmgen. 

des  vierzehnten  Jahrhunderts  die  Rede  gewesen  ist.  Der  erst« 
Druck  ist  vom  Jahre  1501,  aber  die  Abfassung  erfolgte  viel- 
leicht nicht  lange  nach  Feo  Belcaris  Abraham  und  Isaak, 
dessen  Aufführung  in  der  Kirche  von  Cestello  zu  Florenz  144!) 
stattgefunden  hatte.  Bei  dem  mehrgenannten  cölnischen  Reisen- 
den Arnold  von  Harff  findet  sich  eine  Erwähnung  der  Dar- 
stellungen im  Colosseum  vom  Jahre  1497.  »Auf  dem  Platz 
im  alten  Palast  sahen  wir  am  Charfreitag  imseres  Herrn  Jesu 
(Christi  Passion  spielen,  Alles  von  Lebenden  mit  Geisselung. 
Kreuzigung  und  Judas'  Tod  durch  Erhängen.  Die  Darsteller 
waren  reicher  Leute  Kinder  und  es  ging  Alles  gar  ordent- 
lich und  köstUch  zu.« 

Unter  Sixtus  IV.  hatte  hier  wie  überall  in  Italien  der  Ge- 
schmack an  theatralischen  Darstellungen  reissend  zugenommen. 
Die  höchsten  Würdenträger  der  Kirche  wetteiferten   mit  ge- 
lehrten Gesellschaften.    Das  halbreligiöse  halbprofane  Volks- 
theater wetteiferte  mit  dem  classischen.    Cardinal  Pietro  Riario 
tliat  sich  durch  Begünstigung  des  erstem  hervor.    Bei  Anwesen- 
heit der  Herzogin  Eleonore  von  Ferrara  Uess  er  1473  die  Ge- 
schichte der  Susanna  dramatisch  auffuhren,  dann  aus  der  alt- 
römischen Historie  die  Ueberbringung  des  Welttributs  an  Cäsar, 
worauf  geistliche  Sujets  folgten.     Mit  grösserem  Eifer  nahm 
sich  Cardinal  Raffiael  Riario  des  lateinischen  Theaters  an,  wo- 
bei ihm  Pomponio  Letos  Akademie  zu  Hülfe  kam.    Die  Ge- 
nossen derselben  führten  sowol  classische  wie  moderne  Ko- 
mödien auf.    Anfangs  geschah  es  im  Hofe  von  Letos  Hause, 
wo  Plautus  und  Terenz  und  neuere  Dramen  gespielt  wurden, 
dann  im  »Circus«,  vielleicht  das  Colosseum  da  von  einer  Cavea 
und  von  bedecktem  Zuschauerraum  die  Rede  ist.    Im  Cameval 
1485  spielten  die  Akademiker  im  Hofe  des  vaticanischen  Pa- 
lastes ein  Drama  aus  Constantins  des  Grossen  Geschichte.   Die 
Cardinäle  waren  zugegen,    Innocenz  VIU.    schaute  aus  eineui 
Fenster  zu.     Ein   zum  päpstUchen   Hofe   gehörender  Genuese 
der  die  Hauptrolle  gab,  wurde  so  bewundert  dass  der  Nanie 
(Konstantin  ihm  bis  an   sein  Lebensende  blieb.     Auch  in  der 
Engelsburg  liess  RafTael  Riario  vor  dem  Papste  spielen;  schon 
sah  man  gemalte  Decorationen.    Als  die  Kunde  der  Eroberuns; 
Granadas  im  Jahre  1492  in  Rom  ankam,  dichtete  Carlo  \e- 
rardi  von  Cesena  Alexanders  VI.  Secretär  der  Breven  ein  diesen 
Stoff  behandelndes  Drama,   welches  Cardinal  Riario  in  seinem 


Aufaiige  der  Architektur  der  Reuaissaxice.  369 

Paläste  auffuhren  liess,  in  Gegenwart  von  Cardinälen,  Curialen 
und  zahlreichen  anderen  Zuschauern.    Das  Stück  war  in  latei- 
nischer Prosa,    der  Prolog  in    iambischen   Versen.     Von    der 
Natur  des  wahren  Uramas  hat  dasselbe ,  welchem  ein  anderes  in 
lateinischen  Hexametern  »Femandus  serbatus«  von  einem  Nefieu 
des  Autors  folgte,  indess  ebensowenig  an  sich  wie  die  latei- 
nischen dramatischen  Versuche  des  vierzehnten  Jahrhunderts, 
welche,    wenn    sie    auch    moderne    Sujets    behandeln,    kaum 
anderes  als  aneinandergereihte  Erzählungen  sind  mit  schwachen 
Versuchen  des  Dialogs.     Die  classische  Komödie  machte  dann 
die  Runde  an  den  oberitalischen  Fürstenhöfen  und  weckte  wenige 
glückliche  Nachahmer.     Das   italienische  Theater  hatte  jedoch 
bereits  begonnen.     Der  schon  erwähnte  Orpheus  Angelo  Po- 
lizianos,  wie  es  scheint  gegen  1480  auf  den  Wunsch  Cardinal 
Francesco  Gonzagas  gedichtet  und  in  Mantua  aufgeführt,   hat 
zwar  vom    eigentlichen  Drama  wenig  an   sich   während  Idyll 
und  Lyrik   vorherrschen,    enthält   aber   doch    in   Dialog   und 
Chören    die  Keime    des    spätem   Schauspiels,    das    somit  von 
einem  der   elegantesten   Geister   des    scheidenden   fünfzehnten 
Jahrhunderts  eingeführt  wurde. 


6. 

WIEDERAUFLEBEN   Kt^NSTLERISCHER   THITIGKEIT. 

DIE    ZEIT   NICOLAUS*  V. 

Lange  hatte  die  Kunst  in  Rom  gefeiert.  Als  mit  Martin  V. 
Ruhe  und  Sicherheit  zurückkehrten,  waren  auch  die  schönen 
Künste  in  deren  Gefolge.  Sie  begleiteten  den  Papst  von  Tos- 
cana  her,  wo  sie  in  voller  Blüte  und  freudiger  Entwicklung 
begriffen  waren.  Aber  diejenige  unter  ihnen  welche  zu  den 
Umwandlungen  in  Leben  und  Schaffen  im  nächsten  und  sicht- 
barsten Wechselverhältniss  steht,  die  Architektur,  brachte 
nach  Rom  die  praktische  Entwicklung  und  Anwendung  der 
Eindrücke  und  Lehren  zurück  die  sie  hier  gewonnen  hatte. 
Die  Bewegung  die  sich  auf  literarischem  Gebiete  kundgab, 
hatte  zu  gleicher  Zeit  und  in  gleichem  Maasse  die  Kunst  er- 
2:riffen.     Die  italienische  Gothik,   welche  sich  bald  nach  ihrer 

▼.  Rcumont,    Rom.    lU.  24 


370  Filippo  Bnmellesco  in  Rom. 

Einführung  auf  eine  von  den  Stilgesetzen  des  Nordens  ab- 
weichende Weise  entwickelt  und  auch  der  Schwesterkunst  der 
Malerei  gegenüber  eine  andere  Stellung  eingenommen  hatte, 
bahnte  selbst  zur  Wiederaufnahme  der  antiken  Motive  deo 
Weg.  Während  mit  Petrarca  und  Boccaccio  der  Humanismus 
auf  den  Kampfplatz  trat,  baute  Orcagna,  noch  in  Halle  uod 
Tabernakel  von  Or  San  Michele  ein  Meister  dieser  Gothik,  die 
Loggia  de'  Lanzi  in  welcher  die  antikisirende  Formbildung  ent- 
schieden den  Sieg  davonträgt.  Die  um  den  Anfang  des  fiiiif- 
zehnten  Jahrhunderts  wiedererwachte  Beschäftigung  mit  den 
altrömischen  Bauwerken  musste  dies  Streben  mächtig  fördern. 
Die  naive  Erzählung  des  anonymen  Biographen  Fihppo  Bru- 
nellescos,  welcher  diesen  noch  gesehn  hatte  obgleich  er  erst 
viele  Jahre  nach  dessen  1446  erfolgtem  Tode  geschrieben  haben 
kann,  zeigt  uns  den  grossen  Florentiner  Jahre  lang  vor  140i 
in  Rom  mit  Aufsuchen,  Vermessen,  Zeichnen  der  Bauwerke 
beschäftigt.  »Mit  seinem  geistigen  Auge,  sagt  er,  erkannte  er 
die  Regeln  der  Baukunst  der  Alten,  ihre  Symmetrie,  ihre  yoq 
der  damaligen  Praxis  verschiedenen  Gliederungen.  Er  studirte 
Disposition  und  Construction  der  Gebäude,  die  BestimmuDgeii 
der  einzelnen  Theile,  die  Bogen,  die  Ornamente,  die  musika- 
lischen Proportionen,  die  Kunst  des  Mauerwerks;  er  erforsclitt 
die  Werkzeuge  und  Gerüste  deren  die  alten  Meister  sich  be- 
dient hatten.  So  gelangte  er  zu  einer  Menge  Anschauungen 
und  Schlussfolgerungen  die  seit  dem  Alterthum  keinem  klar- 
geworden waren.«  Man  sieht  Brunellesco  und  seinen  Gefährten 
den  Bildhauer  Donatello ,  wie  sie ,  zu  Hause  mit  Gdldschmiede- 
arbeit  ihren  Unterhalt  verdienend ,  auf  ihren  Wanderungen  im 
alten  Rom  Nachgrabungen  veranstalten,  Fuss  und  Boden  ver- 
schütteter Trümmer  bloszulegen,  sodass  sie  dem  Volke  als 
Schatzgräber  erschienen,  wie  denn,  fiigt  der  Biograph  hinzo. 
inderthat  Münzen,  bisweilen  selbst  goldene,  Gemmen  und  Ca- 
meen  und  anderes  gefunden  zu  werden  pflegen. 

Auch  während  spätem  wiederholten  Aufenthalts  in  Rom 
beschäftigte  Brunellesco  sich  vorzugsweise  mit  dem  Messen 
antiker  Bauwerke  und  dem  Studium  ihrer  Wölbungen,  ein 
Studium  welches  namentUch  seine  Domkuppel  zu  erkenneo 
giebt,  die  freilich,  auch  nach  seiner  eignen  Erklärung,  auf 
ganz  anderen  Gesetzen  als  die  des  Pantheon  beruht,  während 
die  Anschauung  der  grossartigen  Basihken  für  seine  EircfaeD 


Toscanische  Architekten  in  Rom.  371 

Frucht  trug,  die  ein  Beispiel  sind  wie  ein  genialer  Mann  eine 
gegebene  Form  modificirten  Anforderungen  anzupassen  versteht. 
Seine  Zeichnungen  römischer  Bau-  und  Sculpturwerke  waren 
leichte  ohne   ängstliche  Sorgfalt   (» grossamen te«)   entworfene 
Skizzen,   wie   bald   darauf  die  des  Ciriaco  Anconitano,   dann 
jene  des  Giuliano  da  Sangallo,  des  Francesco  di  Giorgio,  des 
Bramante  und  Baidassar  Peruzzi,  welche,  so  schwer  es  bis- 
weilen ist  wirkUch  vorhandenes  von  der  Restauration  zu  schei- 
den,  fiir   die  Erkenntniss   des  Zustandes   der  Monumente  im 
iunfzehnten   Jahrhundert    vom    höchsten  Werthe   sind.     Wir 
\rissen  durch  Leon  Batista  Albertis  eigne  Worte,  wie  er  sich 
in  das  Studium  der  römischen  Bauwerke  vertiefte  und  gleich 
Brunellesco  Nachgrabungen  veranstaltete.    Die  Kunstgeschichte 
dieses   ganzen  Jahrhunderts,   namentlich    der   späteren  Zeiten 
desselben,   ist    reich    an    ähnüchen  Beispielen,   von   den  bei- 
den Veronesen   Giovan   Maria   Falconetto   und  Fra  Giocondo 
deren  Sinn  für  alte  Architektur  schon  durch  die  antiken  Mo- 
numente ihrer  Vaterstadt  geweckt  worden  war,  von  dem  Flo- 
rentiner Simon  del  Pollsyuolo  der  ein  Fragment  in  oder  an  der 
Kirche  Sta  Maria  in  Campo  Carleo  (Spolia  Christi)  zum  Vor- 
bild seines  berühmten  Gesimses  am  Palast  Strozzi  wählte ,  und 
wegen  seiner  anschaulichen  Erzählungen  von  Roms  Wunder- 
werken den  Namen  Cronaca  erhielt.     Auch  den  Malern  kam 
der  Aufenthalt  in  Rom  in  der  Art  zugute  dass  sie  die  alten 
Bauwerke    studirten.     Namentlich   von  Domenico  Ghirlandajo 
^ird  berichtet  dass  er  die  »römischen  Anticaglien«    zeichnete. 
Bogen,  Thermen,  Säulen,  ObeUsken,  Amphitheater,  nach  dem 
Augenmaass  und  ohne  Lineal  noch  Quadrant,   aber  so  richtig 
dass  man  die  Grösse  des  Colosseums  nach  einer  auf  der  Zeich- 
nung angebrachten  menschhchen  Figur  schätzen  konnte. 

Wenn  Rom  so  durch  seine  Monumente  auf  den  Umschwung 
der  Architektur  bestimmenden  Einfluss  übte,  so  erzeugte  es 
selbst  doch  keinen  namhaften  Künstler.  Die  Ehre  den  Bau- 
stil der  Renaissance  eingebürgert  zu  haben,  gehört  nament- 
lich den  Toscanem,  welche  in  Rom  zur  Anwendung  brachten 
wozu  die  Anregung  von  Rom  ausgegangen  war.  Wenn  in 
anderen  Theilen  ItaUens,  selbst  in  dem  benachbarten  Umbrien. 
die  Gothik  noch  langem  Widerstand  leistete,  bis  sie  durch 
italienische  Neuerungen  und  angebliche  Correcturen  mehrund- 
mehr  ihrem  Grundwesen  entfremdet  den  Platz  räumte,  so  war 

24* 


372  Karakter  der  roinischeu  Architektur  des  15.  Jahrhunderts. 

hier,  wo  sie  überhaupt  nur  wenig  Fuss  gefasst  hatte,  der  Sieg 
über  sie  ein  leichter  und  die  Rückkehr  zum  alten  Baustil  ent- 
schieden, obgleich  es  das  ganze  fünfzehnte  Jahrhundert  hin- 
durch namentlich  bei  Kirchenbauten  nicht  an  mittelalterlicheo 
Reminiscenzen  fehlte.  Der  Florentiner  Antonio  Filarete  den 
wir  bald  in  Rom  beschäftigt  finden  werden,  verklagte  zur  Zeit 
Pius'  n.,  welcher  ungeachtet  seines  Classicismus  den  germani- 
schen Stil  schätzte,  diesen  als  eine  ärmliche  von  Barbaren 
eingeschmuggelte  Manier.  Gelehrte  Architekten  wie  Leon  6a- 
tista  Alberti  wirkten  als  Schriftsteller  mit.  Das  Studium  der  an- 
tiken Werke  bUeb  aber  in  seinem  Einfluss  auf  die  Production 
wesentlich  ein  freies.  Wenn  das  Detail  der  römischen  Archi- 
tektur, die  allein  man  damals  kennen  lernte,  ohne  rechte  Unter- 
scheidung des  positiven  Werthes  der  verschiedenen  Epocheo 
wie  ihres  relativen  Ainspruchs  auf  Mustergültigkeit  maassgebend 
wurde,  olme  jedoch  originelle  Entwicklung  auszuschliessen,  so 
hielt  man  sich  in  der  Verwendung  solchen  Details  unabhängig 
von  gegebenen  speciellen  Vorbildern,  indem  der  Zweck  des  neuen 
Bauwerks  allein  die  Richtschnur  lieferte.  Eine  verständige 
Tendenz  welche  vorzugsweise  zur  Belebung  und  Eigenthüm- 
lichkeit  des  neuen  Stils  beigetragen,  ja  ihn  als  solchen  con- 
stituirt  hat  —  eine  Tendenz  deren  Spur  wir  selbst  da  begegnen 
wo  sie  nicht  berechtigt  ist,  in  den  von  den  Architekten  dieser 
Zeit  gemachten  Versuchen  der  Reconstruction  antiker  Gebäude. 
Die  in  Rom  erhaltenen  Bauwerke  der  Renaissance  beginneo 
erst  mit  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  so 
dass  sich  deren  Entwicklung  hier  nicht  wie  in  Florenz  verfol- 
gen lässt.  In  einer  Epoche  in  welcher  der  Centralbau,  zu 
welchem  das  Pantheon  die  eigentliche  Aufforderung  gegeben 
hatte,  um  Rom  herum  vielfach  zur  Anwendung  kam,  finden 
wir  hier,  ein  Paar  blosser  Restaurationen  ausgenommen,  nur 
Langkirchen  verschiedener  Art.  Sie  sind  nicht  wie  die  Bru- 
nellescoschen  in  Florenz  Nachahmungen  der  alten  Basilika  mit 
Säulen  und  getäfelter  Decke,  sondern,  iQit  Ausnahme  einer 
einzigen  wiederhei^estellten  (S.  Marco)  gewölbt,  mit  durch 
Halbsäulen  verstärkten  Pfeilern,  theilweise  mit  aus  dem  Acht- 
eck construirten  Kuppeln ,  mit  Kapellen  von  mehr  oder  weniger 
Tiefe,  mit  in  Stockwerke  getheilten,  durch  Pilaster  und  anti- 
kisirende  Gurt-  und  Kranzgesimse  verzierten  Fa<;^en,  an  denen 
jedoch  die  gothische  Fensterrose  nicht  selten  ist.    Der  PaUst 


Sculptur  und  Malerei.  373 

Ton  welchem  sich  hier  vor  Paul  ü.  kein  namhaftes  Beispiel 
fiadet,  geht  bald  vom  Festungsartigen  und  von  der  selten  aber 
aach  noch  im  folgenden  Jahrhundert  vorkommenden  florentiner 
Kustica  zu  den  mit  Mörtel  überzogenen  Wandflächen  oder  zu 
den  abgeglätteten  Bossagen  über,  in  letzterm  Falle  unter  An- 
wendung antikisirender  Decoration,  wie  sie  übrigens  um  die- 
selbe Zeit  auch  in  Florenz  durchdrang. 

hl  geringerem  Grade  noch  als  auf  die  Architektur  hat  Rom 
durch  einheimische  Künstler  auf  die  Entwicklung  der  beiden 
Schwesterkünste  eingewirkt  zu  einer  Zeit  als  der  Einfluss 
der  Antike,  vorerst  auf  die  Plastik,  zum  entschiedenen  Durch- 
bruch kam.  Die  toscanische  Bildhauerschule  welche  in  Jacopo 
della  Quercia,  Lorenzo  Ghiberti,  Donatello  stufenweise  die 
Gothik  abstreifte  und  sich  mit  weisem  Maasse  und  feinem 
Schönheitsinne  zu  freier  Bewegung  und  Formenfulle  ent- 
wickelte, ward  für  Rom  maassgebend,  wo  florentinische  Künst- 
ler antike  Sculptur  studirten,  aber  längere  Zeit  hindurch  keine 
Nachfolger  der  Cosmaten  auftraten.  Der  Malerei  erging  es  vom 
vierzehnten  Jahrhundert  an  wie  der  Plastik.  Von  einer  Schule 
Pietro  Cavallinis  ist  ebensowenig  die  Rede  wie  überhaupt  von 
künstlerischer  Thätigkeit  auf  diesem  Felde,  wenn  man  die  poli- 
tischen Malereien  der  Zeiten  Rienzis  und  des  Schismas  nicht 
dazu  zählen  wilL  Als  die  verflachte  Nachahmung  Giottos  nach 
langem  Sträuben  einem  frischen  Geiste  Platz  machte,  als  das 
wirkUche  Leben  in  sein  Recht  eintrat,  Naturwahrheit  nicht  nur 
die  Darstellung  der  menschlichen  Gestalt  zu  beherrschen  begann 
sondern  sich  auch  auf  die  Schauplätze  der  Handlung,  auf  die 
ganze  belebte  und  unbelebte  Welt  erstreckte,  als  die  Schule 
Masaccios  der  malerischen  Wirkung  und  naturalistischen  Karak- 
teristik  Bahn  brach,  ohne  jedoch  der  eigenthümhchen  und 
schönen  Nachblüte  der  Kunst  des  Trecento  mit  ihrem  Haupt- 
vertareter  Fra  Angelico  da  Fiesole  ihr  Recht  zu  nehmen,  stand 
Rom  ausserhalb  des  grossen  Kreises  künstlerischen  Schaffens. 

Hier  war  mit  Allem  neuzubeginnen.  Sehen  wir  wie  die 
Päpste  ihre  Aufgabe  erfassten. 

Der  Zustand  der  Stadt  Hess  zunächst  an  Herstellung  kirch- 
licher Bauten  denken.  Die  lateranische  Basilika  wurde  in  meh- 
ren Theilen  von  Martin  V.  hergestellt,  an  welchen,  wäre  selbst 
sein  Denkmal  nicht  in  derselben  vorhanden,  das  Säulenwappen 
im  Fussboden  von  Opus  Alexandrinum  im  Mittelschiffe  erineitt 


374  Bauten  und  Malerwerkc  der  Zeit  Martins  V. 

würde.  Der  Auftrag  welchen  et  am  1.  Juli  1425  dem  Antonio 
Picardi  Rector  der  Kirche  Sta  Maria  in  Campo  Carleo  und 
dem  römischen  Bürger  Niccolo  Bellini  zu  diesem  Behuf  er- 
theilte,  schloss  eine  bedenkliche  Bewilligung  ein,  welche  zu* 
gleich  von  dem  trostlosen  baulichen  Zustand  Zeugniss  giebt 
Sie  sollten  nämUch  die  Befugniss  haben,  aus  allen  verfallenen 
Kirchen,  Kapellen  und  sonstigen  gottesdienstUchen  Orten  in 
Stadt  und  Umgebung  Marmore  und  allen  sonstigen  Bedarf  für 
das  gedachte  Paviment  wegzunehmen,  unter  Aufhebung  aller 
diesem  entgegenstehenden  kirchlichen  Bestimmungen.  Die 
Apostelkirche  baute  Martin  V.  um;  von  seiner  Wohnung  neben 
derselben  war  schon  die  Rede.  Cardinäle  folgten  seinem  Bei- 
spiel wie  seiner  im  Jahre  1424  an  sie  gerichteten  Aufforderung, 
sich  ihrer  verfallenen  Titelkirchen  anzunehmen.  Eine  Inschrift 
am  Thurme  vor  Santi  Quattro  Coronati  berichtet,  wie  Alfonso 
Carillo  die  Zeit  des  wiederhergestellten  Friedens  benutzte  den 
verfallenen  Bau  zu  erneuern.  Cardinal  Jean  de  La  Rocbetaille 
Erzbischof  von  Ronen  unternahm  im  Jahre  1427  die  Restaura- 
tion von  S.  Lorenzo  in  Lucina,  welche  sein  Nachfolger  im 
Titel  Jean  Le  Jeune  de  Contay,  Bischof  von  Macon  dann  von 
Maurienne  und  burgundischer  Gesandter  in  Rom  vollendete. 
Die  Meister  dieser  Werke  werden  nicht  genannt:  ihre  Namen 
sind  der  Vergessenheit  anheimgefallen ,  während  von  den  Wer- 
ken selbst  wenig  vorhanden  ist.  Wenn  wir  auch  von  Maler- 
werken nur  wenige  und  unsichere  Spuren  finden,  sind  uns 
doch  die  Namen  der  Maler  bekannt  Gentile  da  Fabriano 
wurde  von  Martin  V.  gerufen  in  der  Laterankirche  Fresken  aus- 
zufuhren, in  denen  man  den  von  seinen  Cardinalen  umgebenen 
Papst  sah.  Auch  in  Sta  Francesca  Romana,  in  dem  rechten  Quer- 
schiff wo  nachmals  Gregors  XI.  Denkmal  sich  erhob,  führte  Gen- 
tile Wandmalereien  aus,  in  deren  Nähe  er  nach  seinem  im  Jahre 
1450  hier  erfolgten  Tode  die  letzte  Ruhestätte  fand.  Giotteske 
Nachklänge  in  der  Anmuth  der  Köpfe  finden  sich  bei  diesem 
Künstler,  dessen  Stil  Michel  Angelo  Buonarroti  mit  seinem 
Namen  vergUch,  mit  einem  Reichthum  der  Composition  und 
einer  frischen  Heiterkeit  vereint,  die  in  seinen  in  Florenz  be- 
findlichen Werken  aus  den  zwanziger  Jahren  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  die  erfreulichste  Wirkung  hervorbringen.  Nichts 
ist  von  seinen  römischen  Gemälden  geblieben,  welche  Vittore 
Pisanello  von  Verona  vollendete  und  die  frühe  schon  durch 


Masaccio.    Werke  der  Zeit  Eugens  IV.  375 

Feuchtigkeit  litten ,  wahrend  namentlich  die  Pröphetengestälten 
in  Chiaröscuro  zwischen  den  Fenstern  der  lateranischen  Basi- 
lika sehr  gerühmt  wurden.  Auch  der  grosse  Meister  der  tos- 
canischen  Malerei  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts,  er  bei 
dem  alle  Späteren  in  die  Schule  gingen,  Masaccio,  malte  in 
Rom.  In  Sta  Maria  maggiore  zeigte  man  zu  Vasaris  Zeit  eines 
seiner  Werke,  die  Madonna  mit  Heiligen,  dabei  P.  Liberius 
mit  den  Zügen  Martins  V.,  mit  der  Schaufel  den  Grundriss 
der  Kirche  auf  dem  Boden  zeichnend,  und  Sigmund  von  Luxem- 
burg. Gewöhnlich  werden  die  Fresken  in  der  Kapelle  am  linken 
Seitenschifl'  von  S.  demente,  die  Kreuzigung  und  die  Ge- 
schichte der  h.  Katharina,  Masaccio  zugeschrieben,  der  sie  für 
den  damaligen  Titular  Cardinal  Gabriel  Condulmer  ausgeführt 
haben  soll.  Aber  diese  mehrmals  wiederhergestellten  Darstel- 
lungen weisen  auf  andere  Zeit  und  andere  Hand  hin.  Wahr- 
scheinhch  geschah  es  während  des  Aufenthaltes  in  Florenz, 
dass  Martin  V.  von  Lorenzo  Ghiberti  dem  geschicktest-en  Bild- 
giesser  der  Zeit  einen  Knopf  für  das  Pluviale  und  eine  Mitra 
von  Gold  mit  zierlichen  Figuren,  durchbrochenem  Blattwerk 
und  Edelsteinen  arbeiten  liess ,  von  deren  Schönheit  man  noch 
hundertfünfzig  Jahre  später  sprach.  Im  Jahre  1427  sandte  die 
Republik  Siena  dem  Papste  zwei  silberne  eine  Elle  hohe  Engel- 
statuetten mit  emaillirtem  Fuss,  das  Werk  zwei  sienesischer 
Goldschmiede  Giovanni  Turini  und  Niccolo  di  Treguanuccio. 

Eugen  IV.  übertraf  seinen  Vorgänger  an  Thätigkeit  für 
Bauwesen  und  Kunst,  so  gross  auch  zu  Zeiten  die  Ungunst 
der  Verhältnisse  war.  Die  Brücken  der  Tiberinsel,  der  vati- 
canische  Palast,  das  lateranische  Kloster,  eine  Reihe  von 
Kirchen  wurden  von  ihm  hergestellt,  namentlich  während  der 
ruhigen  Jahre  die  seiner  Rückkehr  folgten.  Unter  seiner  Re- 
gierung entstanden  auf  dem  Janiculum  in  schönster  Lage  Kirche 
und  Kloster  von  S.  Onofrio,  von  einem  Abruzzesen  dem  sei. 
Niccolo  de  Forca  Palena  gegründet  und  seit  1446  in  der  Ob- 
hut der  Hieronymiten.  Während  seines  Aufenthaltes  in  Florenz 
Uess  auch  er  durch  Lorenzo  Ghiberti  eine  Mitra  arbeiten,  welche 
an  Trefflichkeit  der  Ausfuhrung  jener  seines  Vorgängers  gleich- 
kam, an  Pracht  sie  übertraf.  Von  einem  Maler  Giovanni  Foc- 
cora  oder  Fochetta,  der  in  Sta  Maria  sopra  Minerva  beschäftigt 
war  und  dort  des  Papstes  Bildniss  malte,  ist  nichts  weiter  be- 
kannt.   Das  bedeutendste  uns  aus  Eugens  Zeit  gebliebene  Werk 


376  Thürc  von  St.  Peter.    Filarete.    Donatello. 

ist  die  Broncethüre  von  St.  Peter.  Schon  zu  Anfang  seines 
Pontificats  soll  Papst  Eugen  den  Auftrag  zu  diesem  Werke  den 
florentinischen  Bildhauern  Antonio  Averlino  bekannt  unter  dem 
Namen  Filarete  und  Simone,  den  man  gewöhnlich  aber  ohne 
(rrund  Donatellos  Bruder  nennt,  ertheilt  haben.  Ist  dies  der 
Fall,  so  erfuhr  das  Modell  nachmals  manche  Abänderungen 
indem  einzelne  Theile  an  Ereignisse  später  Jahre,  an  das  ferra- 
reser  Concil  und  die  Wiedervereinigung  der  Kirchen  erinnern. 
Ueberaus  gross  ist  der  Abstand  zwischen  dieser  Thüre  und 
den  Grhibertischen  des  florentiner  Baptisteriums ,  von  denen 
Eugen  die  ältere  vor  Augen  hatte,  während  die  mittlere  erst 
in  seinem  Todesjahre  vollendet  ward.  Die  Vermengung  my- 
thologischer Embleme  mit  christUchen  Gegenständen  und  mit 
Scenen  des  gewöhnlichen  Lebens  ist  ebenso  störend,  wie  die 
künstlerische  Ausfuhrung  zu  wünschen  übrig  lässt.  Vasari 
hatte  wol  Recht  indem  er  bemerkte,  der  Papst,  hätte  er  sich 
umgesehn,  würde  in  Florenz  ganz  andere  Leute  gefunden  haben: 
ihm  sei  es  aber  wahrscheinlich  wie  manchen  anderen  Fürsten 
ergangen,  die  sich  auf  Kunstsachen  nicht  verstehn  oder  wenig 
darum  kümmern.  Simone  arbeitet«  auch  das  Relief  für  Mar- 
tins V.  Grabmal  im  Lateran, 'ein  Werk  welches  Donatellos 
Anwesenheit  in  Rom  veranlasst  haben  soll,  wo  er  zur  Ver- 
herrlichung der  Krönung  Kaiser  Sigmunds  verwendet  wurde. 
In  Sta  Maria  Araceli  sieht  man  eines  seiner  Werke ,  das  Denk- 
mal des  Mailänders  Giovanni  Crivelli  Archidiaconus  von  Aqui- 
leja  welches  er  mit  seinem  Namen  bezeichnete.  Simone  scheint 
in  Rom  geblieben  zu  sein,  wo  er  mehre  Schüler  um  sich  ver- 
sammelte und  sein  Leben  beschloss.  Auch  Antonio  Filarete, 
der  in  Mailand  ansehnliche  Bauten  aufgeführt  hatte,  kehrte 
hieher  zurück  wo  er  starb  und  in  Sta  Maria  sopra  Minerra 
beerdigt  wurde.  Es  muss  zur  Zeit  Pauls  IL  gewesen  sein, 
denn  im  Jahre  1464  widmete  er  Piero  de'  Medici  seinen 
Tractat  über  die  Baukunst,  in  welchem  er  klagt  dass  mehre 
seiner  für  Eugen  IV.  unternommenen  Werke  nach  dessen  Tode 
ins  Stocken  gerathen  seien.  Wie  die  eherne  Hauptthüre  der 
vaticanischen  Basilika  Hess  der  genannte  Papst  im  Jahre  1433 
hölzerne  Flügel  für  die  beiden  grösseren  Seitenthüren  mit  bild- 
lichen Darstellungen  arbeiten,  als  deren  Verfertiger  Fra  Mi- 
chele  von  Viterbo  genannt  wird. 

Auch  unter  Eugen  IV.  bauten  die  Cardinäle.    Sein  Neffe 


Bauten  von  Cardinälen.    Nicolaiis  V.  377 

Francesco  Condulmer  erneuerte  inmitten  der  Ruinen  des  Pom- 
pejustheaters  den  einst  von  den  Orsinen  aufgeführten  Palast 
der  nachmals  wieder  an  die  genannte  Familie  dann  an  die 
Pio  von  Carpi  kam,  welche  ihn  vollständig  umbauten,  so 
dass  von  Altem  keine  Spur  geblieben  ist.  Der  schon  er- 
wähnte Cardinal  Le  Jeune  vollendete  nicht  nur  die  Kirche 
S.  Lorenzo  in  Lucina  sondern  baute  den  anstossenden  Palast, 
welcher  nach  manchen  Wechseln  heute  den  Boncompagni 
Ottoboni  von  Fiano  gehört.  Dieser  Palast,  welchen  Nioolaus'  V. 
Bruder  Cardinal  Calandrini  vergrösserte ,  galt  für  den  schönsten 
Roms  nächst  dem  vaticanischen.  Nur  in  dem  grossartig  ange- 
legten Hofraum  sind  geringe  Reste  des  ursprüngUchen  Gebäudes 
geblieben,  für  welches  antike  Trümmer,  man  glaubt  domitiani- 
scher  Anlagen,  weggeräumt  wurden  und  neben  dem  auf  der 
Corsoseite  der  von  Alexander  VII.  demolirte  Marc  Aurelsbogen 
sich  erhob. 

In  die  Fusstapfen  seines  Vorgängers  tretend  hatte  Papst 
Eugen  das  mögliche  gethan  die  Stadt  aus  dem  tiefen  Ver- 
fall emporzurichten,  in  den  sie  während  seiner  Abwesen- 
heit gerathen  war.  Unter  seinem  Nachfolger  begann  wie  in 
der  Literatur  so  iu  der  Kunst  die  grossartigste  Thätigkeit 
Nicolaus  V.  eröffnet  die  Reihe  der  Päpste  welche  das  neue 
Rom  geschaffen  haben :  er  war  es  der  den  Impuls  gab ,  welchen 
widrige  Geschicke  oder  abweichende  Richtungen  momentan  zu 
hemmen ,  nicht  aufzuheben  vermögt  haben.  So  ist  seine  Wirk- 
samkeit nicht  nur  an  sich  bedeutend,  sie  ist  es  ebenso,  vielleicht 
in  erhöhtem  Maasse,  durch  die  Bahn  welche  sie  vorzeich- 
nete, durch  den  Geist  der  sie  belebte.  Auch  Papst  Nicolaus 
musste  sich  toscanischer  Künstler  bedienen.  Den  Dominicaner- 
bruder Fra  Angelico  da  Fiesole  fand  er  in  Rom  vor  wohin 
wahrscheinlich  Papst  Eugen  ihn  berufen  hatte;  Florenz  sandte 
Bemardo  Rossellino  und  Leon  Batista  Alberti.  Das  geringe 
Geschick  welches  Antonio  Filarete  in  seiner  Sanct  Petersthüre 
gezeigt  hatte,  mag  Anlass  gewesen  sein  dass  der  neue  Papst 
sich  seiner  nicht  bediente. 

Die  von  Nicolaus  V.  ausgeführten  Werke  waren  verschie- 
dener Art.  Herstellung  antiker  wie  späterer  Bauten,  Errich- 
tung neuer,  Ausschmückung  letzterer  durch  Malerei,  alles 
nahm  ihn  in  Anspruch.  Die  Acqua  Vergine,  einst  von  Papst 
Hadrian  I.  restaurirt,    war   die   einzige  Wasserleitung   welche 


378        Herstellung  der  Acqua  Vei*gine,  der  Brücken  und  Mauern. 

■ 

wenngleich  beschädigt  noch  im  Grebrauche  wät.  Sie  wurde 
im  Jahre  1450  ausgebessert,  ihre  Hauptfontane,  die  von 
Trevi,  künstlerisch  geschmückt  und  mit  einer  Inschrift  ver- 
sehn, die  Zahl  der  öffentlichen  Brunnen  gemehrt.  Der  Zu- 
gang zu  der  Stadt  wurde  zugleich  erleichtert  und  gesichert, 
was  eines  wie  das  andere  nach  den  vorausgegangenen  ruhe- 
losen Zeiten  nöthig  war.  Die  milvische  Brücke,  seit  der 
theilweisen  Zerstörung  in  Innocenz'  VII.  Zeit  in  der  Mitte  aus 
Holzwerk  bestehend,  wurde  an  diesem  Theile  unter  Benutzung 
der  stehngebliebenen  antiken  Pfeiler  von  Stein  aufgeführt. 
Zugleich  wurde  sie  auf  dem  rechten  Ufer  durch  einen  Thurm 
geschützt,  welchen  Papst  CaUxtus  III.  vollendete,  wovon  heute 
noch  dessen  Wappen,  der  Stier  der  Borgia,  Kunde  giebt 
das  unter  dem  Bogen  dieses  im  Jahre  1805  bei  Pius*  VII. 
Rückkehr  aus  Paris  umgebauten  Thurmes  angebracht  erscheint 
Die  Reste  der  alten  Brückenköpfe  wurden  wegger&nmt,  die 
Aufgänge  aber  auf  beiden  Seiten,  durch  die  kleinen  Bogen 
kenntlich,  bUeben  bis  zu  der  erwähnten  neuesten  Restauration, 
welche  deren  auf  dem  rechten  Ufer  schiefe  Richtung  in  eine 
geradlinige  umwandelte,  am  obern  Theile  von  Holz.  Auch  die 
Brücken  über  den  Anio,  dessen  Bette  zum  Zweck  des  Trans- 
ports der  Bausteine  gereinigt  und  schiflbar  gemacht  ward, 
MTurden  hergestellt  und  neubefestigt.  Die  Kriegszüge  durch 
die  Campagnain  Papst  Eugens  Zeit  hatten  neuerdings  gezeigt, 
wie  wichtig  die  Behauptung  dieser  Brücken  für  die  Stadt  war. 
Noch  bewahrt  der  Ponte  Nomentano  das  malerische  zinnen- 
gekrönte Castell  welches  Nicolaus  V.,  ältere  Befestigungen  be- 
nutzend, auf  ihm  errichtete  und  mit  seinem  Namen  und  dem 
Schlüsselvvappen  bezeichnete. 

Gleiche  Sorgfalt  wurde  den  Mauern  Roms  zu  TheiL  Sie 
waren  im  traurigsten  Zustande.  Wenn  König  Ladislaus  die 
von  seinen  Truppen  gebrochenen  Breschen  ausbessern  liess, 
so  zeigt  doch  schon  die  Leichtigkeit  womit  man  in  wenigen 
Stunden  grosse  Mauerstücke  niederlegte,  wie  schadhaft  Alles 
war.  Die  ganze  Umschliessung  der  eigentlichen  Stadt  entlang, 
vom  Flussufer  beim  flaminischen  zum  ostiensischen  Thore,  be- 
gegnet man  den  Spuren  der  Thätigkeit  Nicolaus'  V.,  dessen 
Namensinschriften  man  häufiger  Uest  als  die  irgendeines  andern 
Papstes.  Piatina  berichtet  dass  die  Restauration  der  Mauern 
im  Jahre  1451  erfolgte,  als  die  Ankunft  Kaiser  Friedrichs IIL 


Arbeiten  an  den  Befestigungen  Ti^asteveres  und  der  Leostadt.       379 

erwartet  wurde.  Die  Arbeit  legt  überall  Spuren  von  Hast  an 
den  Tag,  auch  in  der  Wahl  des  Materials,  eines  Gemenges 
von  kleinen  Tufwürfeln  mit  meist  zerbrochenen  dünnen  Zie- 
geln. Die  zum  Theil  arg  beschädigten  Thürme  heischten  drin- 
gend Verstärkung;  beim  tiburtinischen  Thore  weist  einer  der- 
selben Nicolaus'  Namen  auf.  Am  ostiensischen  Thore,  wo  in 
den  letzten  Zeiten  des  Schismas  die  Befestigungen,  in  welche 
die  Cestiuspyramide  hineingezogen  worden  war,  stark  gelitten 
hatten,  wurde  eine  bedeutende  Ausbesserung  vorgenommen. 
Nicht  minder  nahmen  Trastevere  und  die  Leostadt  den  Papst 
in  Anspruch.  Ihre  Werke  waren  ganz  unzureichend.  Die 
Befestigung  Trasteveres  war  umsomehr  von  Belang,  da  der 
städtische  Hafen  zu  diesem  Stadttheile  gehörte  dessen  Mauern 
durchgehends  hergestellt  wurden.  Die  Leonina  bedurfte  an- 
sehnlicher Werke:  Nioolaus'  V.  Ausspruch  über  die  Noth- 
wendigkeit  sich  gegen  innere  wie  äussere  Feinde  zu  sichern, 
giebt  zu  erkennnen,  dass  hier  Mühe  und  Kosten  nicht  ge- 
schont wurden.  Dasselbe  System  von  Befestigungen  umschloss 
die  aelische  Brücke,  die  Engelsburg,  den  Borgo  und  den  Va- 
tican.  Am  Aufgange  zur  Brücke  wurde  ein  Brückenkopf  an- 
gelegt; über  dieselbe  sollte  ein  Porticus  führen,  -wol  ebenso 
zum  Schutz  gegen  einen  Angriff  wie  gegen  Sonne  und  Wetter. 
Der  Mittelthurm  des  Castells  wurde  erhöht,  dasselbe  nach 
aussen  hin  so  in  der  Richtung  nach  Sto  Spirito  wie  nach  dem 
Monte  Mario  unter  Verstärkung  der  Werke  Bonifaz'  IX.  und 
Innocenz'  VII.  gesichert,  im  Innern  Gemächer  angelegt.  Die 
südliche  UmschUessungsmauer  des  Borgo,  an  Sto  Spirito  vor- 
über bis  Porta  Pertusa,  wo  nachmals  Sixtus  IV.  Platz  und 
Strasse  anlegte,  schon  in  Innocenz*  Tagen  völlig  zerfal- 
len, wurde  mit  ihren  Thürmen  und  Wehren  neugebaut.  Die 
Befestigung  des  vaticanischen  Palastes  bildete  einen  wesent- 
lichen Theil  des  Planes.  Zwei  Bollwerke  sollten  Palast  und 
Gärten  schützen,  aber  nur  einer  der  grossen  Thürme  wurde 
ausgeführt  Im  Innern  der  Stadt  ward  mit  dem  Pflastern  der 
Strassen  begonnen,  aber  erst  die  Zeit  Sixtus'  IV.  schuf  einiger- 
maassen  Ordnung  in  dem  unwegsamen  Labyrinth  welches  das 
alte  Marsfeld  eingenommen  hatte. 

Es  galt  nun  Martins  V,  und  Eugens  IV.  Werk  fortzusetzen 
und  die  verfallenen  Kirchen  zu  restauriren.  Alle  Stations- 
kirchen bedurften  ausbessernder  Hand.     Sto  Stefano  rotondo 


I  380  Kirchen-  und  Palastbauten. 

stand  ohne  Dach  mit  zertrümmerten  Musiven  und  geborstenen 
Marmorplatten.  Die  Herstellung  verkleinerte  den  grossen 
Kundbau,  indem  der  mittlere  Säulenkreis  in  Mauern  einge- 
schlossen ward  die  nun  die  Aussenseite  bildeten,  und  eine 
neue  Vorhalle,  ohne  Kücksicht  auf  die  Lage  der  alten  Tri- 
büne hinzugefügt  wurde.  S.  Teodoro  am  Palatin,  anfangs 
ausgebessert  dann  eingestürzt ,  wurde  mit  Ausnahme  der  stehn- 
gebliebenen  Tribüne  neugebaut.  Die  Restauration  der  grossen 
'  Basiliken  wurde  theils  fortgesetzt,  theils  neu  in  Angriff  genom- 

men, unter  ihnen  namentlich  die  der  Paulskirche  und  von 
S.  Lorenzo  fuori  le  mura,  welche  schon  wegen  ihrer  freien 
Lage  in  den  letzten  Zeiten  des  Schismas  vorzugsweise  gelitten 
hatten.  Während  der  Ausbesserung  von  Sta  Maria  maggiore 
wurde  der  ans  tossende  wesentlich  zur  Wohnung  der  Chorher- 
ren bestimmte  päpsthche  Palast  neugebaut.  Auch  der  Senators- 
palast erfuhr  eine  durchgängige  Umgestaltung,  mit  Bogenhallen 
am  Erdgeschosse  und  einer  Loggia,  jedoch  unter  Beibehaltung 
der  Tomacellischen  wie  der  älteren  Thürme,  so  dass  der  krie- 
gerische Karakter  welcher  ja  auch  anderen  Palästen  eigen  war, 
keineswegs  schwand.  An  der  Südseite  liest  man  Nicolaus'  V. 
Namen.  Für  den  Magistrat  der  Conservatoren  erbaute  der  Papst 
auf  dem  Capitol  den  Palast,  der  ein  Jahrhundert  später  dem 
gegenwärtigen  Platz  machte.  Eine  Wohnung  der  Conservatoren 
bestand  hier  aber  begreiflicherweise  längst;  noch  Martin  V.  hatte 
im  Jahre  1429  für  deren  Ausbesserung  Gelder  angewiesen. 

Alles  dies  verschwand  jedoch  im  Vergleich  mit  dem 
Riesenplane  für  den  Umbau  der  Leostadt  und  der  Peterskirche. 
Die  Schilderung  Roms  bei  der  Rückkehr  Martins  V.  hat  ge- 
zeigt wie  jammervoll  der  Zustand  der  Leonina  war.  Durch 
Schutt  und  Trümmer  hatte  Eugen  IV.  zwar  einen  Weg  zur 
Brücke  geführt,  aber  es  scheint  nur  wenig  gebaut  worden 
zu  sein,  obgleich  der  gedachte  Papst  auf  Cardinal  Vitelleschis 
Vorschlag  im  Jahre  1437  den  Bewohnern  auf  fünfundzwanzig 
Jahre  die  Steuern  erliess.  Nicolaus  V.  beschloss  nun  das  ganze 
vaticanische  Gebiet  umzuschaffen.  Vom  Castell  aus  sollten  drei 
geradlinige  Strassen  zu  einem  geräumigen  vor  der  Kirche  an- 
gelegten Platze  führen,  so  dass  die  mittlere  Hauptstrasse  auf 
die  BasiUka  zuging,  die  zur  Rechten  auf  den  Palast,  die  zur 
Linken  auf  die  demselben  im  Bereich  des  neronischen  Circus 
gegenüberUegenden  Bauten.    Alle  drei  waren  dem  Plane  gemäss 


Plan  fiir  den  Umbau  der  Leostadt  und  St.  Peters.  381 

von  Bogengängen  begrenzt,  mit  Kaufmannsbuden  in  verschie- 
denen Abtheilungen  für  die  einzelnen  Gewerke,  darüber  Woh- 
nungen für  die  zum  päpstlichen  Hofhalt  gehörenden  Personen, 
bei  deren  Anlage  auch  Gesundheitsrücksichten  in  Betracht  kamen, 
da  das  vaticanische  Viertel  in  Bezug  auf  die  Luft  in  üblem 
Rufe  stand.  Der  Platz  sollte  zweihundert  Ellen  in  der  Länge, 
hundert  in  der  Breite  messen,  in  der  Mitte  die  Colossalgruppe 
der  Evangehsten,  den  neronischen  ObeUsk  tragend  auf  dessen 
Spitze  die  eherne  Statue  des  Heilands  zu  stehn  kommen  würde. 
Am  Ende  des  Platzes  sollten  die  Stufen  zur  Platform 
führen,  zu  beiden  Seiten  derselben  reich  verzierte  Glocken- 
thürme ,  zwischen  ihnen  ein  V estibulum  mit  fünf  Thüren  als 
Einläse  zu  dem  mit  einem  grossen  Brunnen  geschmückten,  an 
beiden  Seiten  mit  Portiken  eingefassten  Vorhof,  auf  welchen  die 
Vorhalle  der  Kirche  folgte,  in  welche  ebensoviele  Thüren  ein- 
liessen.  Sie  war  als  fünfschiffige  Säulenbasilika  gedacht, 
mit  Kapellenreihen  längs  den  äussersten  Seitenschiffen,  mit 
einer  Gesammtlänge  von  zweihundertfünfunddreissig  Ellen, 
hundertzwanzig  Ellen  Breite  im  Langhause,  hundert  Ellen 
Höhe  mit  reichverzierter  Wölbung,  Rundfenster  an  den  Ober- 
wänden, in  der  Kreuzung  des  Lang-  und  Querschiffs  der 
Papstaltar,  in  der  im  Halbkreise  geschlossenen  Tribüne  der 
päpstliche  Thron  mit  den  Sitzen  der  Cardinäle  und  ganzen 
Curie.  Ein  Bleidach  sollte  die  Kirche  schmücken,  neben  wel- 
cher ein  grosser  Friedhof  zur  Aufnahme  so  der  Papst-  wie 
anderer  Gräber  bestimmt  war.  Dem  vaticanischen  Palast  war 
entsprechender  Umbau  zugedacht.  Eine  grossartige  Anlage, 
mit  der  Wohnung  für  den  Papst  welche  je  nach  der  Jahres- 
zeit dreigetheilt  gedacht  war,  mit  Quartieren  für  das  Cardinals- 
Collegium  und  Localen  für  die  sämmtlichen  Aemter  und  Ge- 
schäfte der  Curie,  mit  Prachtsaal  für  die  Papstkrönungen  und 
den  Empfang  von  Kaisem,  Fürsten,  Botschaftern,  mit  Räumen 
für  das  Conclave,  mit  Kapellen,  Bibhothek,  Wasserleitung, 
Gärten,  zugleich  wie  eine  Burg  gegen  äussern  Angriff  geschützt. 
So  war  der  Plan  Nicolaus'  V.,  von  welchem  uns  nur  in 
den  Aufzeichnungen  seines  Biographen  Giannozzo  Manetti  ge- 
nauere Kunde  gebheben,  welche  von  Vasari  und  allen  Späteren 
wiederholt  worden  ist  und  an  die  man  sich  wol  in  der  Haupt- 
sache halten  darf,  mag  auch  das  Einzelne  dahingestellt  bleiben, 
wie  sich  denn  die   hier  gegebenen  Maasse  der  Basilika  nicht 


382  Zerstörung  der  Aiiicischen  Grabkapelle. 

mit  den  Verhältnissen  eines  Grundrisses  vereinigen  lassen,  von 
welchem  man  annehmen  muss,  dass  er  den  Anfang  des  dama- 
ligen Neubaues  darstellt.  Man  sieht  es  handelte  sich  hier  um 
die  Anlage  einer  monumentalen  Residenz ,  wie  sie  vom  fünfzehn- 
ten Jahrhundert  an  so  manchen  Fürsten  vorgeschwebt  hat  und 
von  mehren  in  kleinerm  Maassstabe  ausgeführt  worden  ist  Der 
Sinn  für  Symmetrie,  im  Anschluss  an  die  Prachtfora  der  römi- 
schen Kaiserzeit  und  an  antike  Märkte  überhaupt,  schrieb  sol- 
chen Anlagen  Gesetze  vor,  von  denen  die  alten  Hauptplätze  ita- 
lienischer Städte  nichts  wussten  und  denen  sie  sich,  wo  es  über- 
haupt geschah,  nicht  ohne  Mühe  anbequemten.  Dass  ein  schon 
alternder  Mann  einen  solchen  Plan  von  riesigsten  Dimensionen 
ersinnen  oder  annehmen  konnte,  dürfte  in  Verwunderung 
setzen,  begegnete  man  nicht  bei  mehren  Päpsten  solcher  zum 
Uebermaass  gesteigerten ,  Zeit  wie  Mittel  ausser  Betracht  lassen- 
den Baulust.  Dass  eine  so  radicale  Umgestaltung  der  Leonina 
beabsichtigt  werden  konnte,  deutet  darauf  hin  dass  sie  grossen- 
theils  ein  Trümmerfeld  war. 

Alsbald  wurde  begonnen.  Es  war  eine  schlimme  Vorbedeu- 
tung für  die  Erfahrungen  späterer  Jahrhunderte,  dass  der  erste 
Spatenstich  für  die  neue  Peterskirche  den  Unteigang  eines 
ehrwürdigen  Denkmals  des  christlichen  Alterthums  nach  sich 
zog.  An  die  Absis  der  Basilika  stiess  die  Anicische  Grabkapelle. 
Maffeo  Vegio  der  päpstliche  Geheimschreiber  und  vaticanisclie 
Stiftsherr  erzählt,  wie  er  zur  Zeit  als  Nicolaus  V.  mit  seinem 
grossen  Entwurf  beschäftigt  war,  zufallig  in  dies  Mausoleum 
trat,  welches  verlassen  und  vergessen  gewesen  zu  sein  scheint 
und  beim  Volke  Sanct  Peters  Wohnhaus  hiess.  Er  sah  eine 
kleine  dreischiffige  Basihka  vor  sich  mit  zwölf  kostbaren 
Marmorsäulen  im  Langhause,  vier  in  der  Tribüne,  mitMusiveu 
und  Lischriften,  wie  es  scheint  ohne  Altar.  Er  copirte  die 
Inschriften:  es  waren  die  des  Sextus  Petronius  Probus  und  seiner 
Gemalin  Anicia  Faltonia.  Der  Humanist  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts fand  sich  plötzlich  in  die  Mitte  des  glänzendsten  Ge- 
schlechts der  christlichen  Aristokratie  der  theodosischen  Zeit. 
der  Freunde  der  lateinischen  Kirchenväter  wie  der  letzten 
classischen  Dichter  versetzt  —  sechs  bis  sieben  Monate  später 
war  das  Templum  Probi,  welches  über  ein  Jahrtausend  unver- 
sehrt gebheben,  von  der  Erde  verschwunden  und  nichts  war 
gerettet  als   die  Copien  der  Inschriften  und  die  Sarkophage, 


Anfang  des  Baues  der  Tribüne.     Vaticanischer  Palast.  383 

die   man  unter  dem  Marmorboden  gefunden   und  worin   das 
Gold  der  Gewänder  und  Schmucksachen  mit  Staub  vermengt 
lag.     Die  Anlage  der   neuen  Tribüne   wurde    auf  wie  jenseit 
der  Statte  begonnen  wo  einst  das  Mausoleum  stand  und  er- 
hielt sich  in  dem  Zustande,  wie  sie  bei  Nicolaus'  V.  Tode  war, 
vier  bis  fünf  Fuss  über  der  Erde ,   bis  zur  Zeit  JuUus'  IL ,  der 
einen  Augenblick  an  deren  Weiterfiihrung  gedacht  hat.  Zugleich 
nahm  man  den  Palast  in  Angriff  und  förderte  ihn  rasch.    Es  war 
der  Bau  Nicolaus'  III.  welcher  erweitert  und  umgestaltet  wurde. 
Tritt  man  heute,  die  grosse  Treppe  Pius' IX.  hinansteigend,  in 
den  Hof  von  S.  Damaso,   so  hat  man  diesen  Bau  zur  Linken, 
den  grössten  Theil  seiner  Vorderseite  durch  Bramantes  Loggien 
verdeckt,  mit  seiner  Längenseite  an  den  grossen  Hof  Julius'  IL 
stossend.    Das  erste  Geschoss  ist  in  seiner  gegenwärtigen  Ge- 
stalt von  Alexander  VI. ,  das  zweite  wesentUch  von  Nicolaus  V. 
Es  sind  die  berühmten  Stanzen  welche  nachmals  von  Raffael 
Sanzio  gemalt  wurden ,  mit  den  aastossenden  Räumen  und  der 
Kapelle  des  h.  Laurentius,  in  ihrer  baulichen  Beschaffenheit 
grossentheils  erhalten,  in  ihrer  malerischen  Ausschmückung  bis 
auf  die  Kapelle  umgestaltet,  während  die  gleichfalls  von  Nico- 
laus V.  erbaute  SacramentskapeUe  bei  den  durch  Paul  HL  vor- 
genommenen    Aenderungen    zugrunde    ging.      Die    genannten 
Wohnzimmer  zeigen  in  ihren  Verhältnissen,  im  Ebenmaass  der 
im  Halbkreis    endenden  Wände   und    des  Kreuzgewölbes   der 
Decke   einen  durchaus  würdigen  und  harmonischen  Karakter, 
während  die  ansehnlichen  Flächen  für  die  Aufnahme  umfang- 
reicher Compositionen  berechnet  erscheinen. 

Ein  Florentiner,  Bemardo  genannt,  war  der  Architekt 
dessen  der  Papst  sich  bei  diesen  grossen  Werken  so  wie  bei 
anderen  ausserhalb  Roms  bediente.  Vasari  sieht  in  ihm  den 
Bernardo  Gamberelli  genannt  RosscUino,  den  im  Jahre  1409 
gebornen  altern  Bruder  des  Bildhauers  Antonio  Rossellino,  und 
meist  ist  man  ihm  in  dieser  Annahme  gefolgt,  indem  man  dem 
Bernardo  Rossellino  auch  die  unter  Pius  U.  ausgeführten  Werke 
zuschrieb  von  denen  bald  die  Rede  sein  wird.  Der  Umstand 
dass  unter  Paul  IL  ein  anderer  florentiner  Architekt  Bernardo 
di  Lorenzo  in  Rom  auftritt,  hat  Zweifel  an  der  Begründung 
dieser  Meinung  geweckt,  wobei  es  indes.s  thunlich  erscheint 
die  Werke  Nicolaus'  V.  von  denen  seiner  Nachfolger  zu  trennen 
und  zwei  Künstler  desselben  Namens  anzunehmen.   Dass  auch 


384  Malei*\^'crke.    Fiesole.     Benozzo  Gozzoli. 

Leon  Batista  Alberti  der  im  Jahre  1472  in  Rom  starb,  hier  als 
Baukünstler  thätig  war,  ist  unbezweifelt,  obgleich  sich  kein 
Werk  von  ihm  nachweisen  lässt  Der  Papst  war  durch  Biondo 
Flavio  auf  den  genialen  Mann  aufmerksam  gemacht  wordeu 
und  scheint  sich  seiner  namentUch  bei  Arbeiten  bedient  zu 
haben ,  welche  tüchtige  mechanische  Kenntnisse  verlangten  ^vie 
die  Herstellung  des  Aquäducts.  Alberti  war  es,  der  auf  Ver- 
anlassung des  Cardinais  Prosper  Colonna  ein  antikes  Schiff 
aus  dem  See  von  Nemi  hob  in  den  es  versenkt  war. 

Auch  die  vom  Papste  herangezogenen  Maler  waren  Tosca- 
ner  und  Norditaliener.    Fra  Angehco  da  Fiesole  führte  die  Fres- 
ken in  den  beiden  vaticanischen  Kapellen  aus.     Die  der  einen 
derselben  sind  wohl  erhalten,  und  in  den  Darstellungen  aus  der 
(leschichte  der  Märtyrer  Stephan  und  Laurentius  haben  wir, 
mit  Ausnahme  des  Giottoschen  Fragments  im  Lateran,  sowol 
das   älteste,   der  Zeit  wie  dem  Autor  nach  sicher  beglaubigte 
Monument  moderner  Wandmalerei  in  Rom,  wie  einen  der  be- 
deutendsten Cyclen  dieses  Künstlers,  welcher  in  der  Richtuug. 
die  das   religiöse  Gefühl  und  das  ruhig  milde   Gemüthsleben 
selbst  auf  Kosten  der  freiem  Bewegung  und  des  Ausdrucks 
bewegterer  Affecte  überaus  glücklich  zur  Anschauung  bringt, 
stets  den  ersten  Rang  einnehmen  wird.    Weniger  gut  als  dem 
Meister  ist  es  seinem  bedeutendsten  Schüler  in  Rom  gegangen. 
Benozzo  Gozzoli,  in  welchem  das  naturaUstische  Element  über 
die  reUgiös  contemplativen  Tendenzen  Fra  AngeUcos  den  ent- 
schiedenen Sieg  davonträgt  und  der  Reichthum  der  Composi- 
tion  •  sich  zur  Ueberfalle   steigert,   malte   in    der  Kapelle  der 
Cesarini  in  AraceU  die  Geschichte  des  h.  Antonius  von  Paduau 
im  Thurm  der  Conti  in  einer  Lunett.e   die  Madonna,  aber  so 
diese  Werke  wie  die  Fresken  in  einer  Kapelle  in   Sta  Maria 
maggiore  sind  untergegangen.    Benozzo  hatte  sich  seinem  Hange 
Bildnisse  der  Zeitgenossen  anzubringen   auch  hier  hingegeben, 
und  in  Araceli  sah   man  den   Cardinal  Giuliano   Cesarini  und 
Antonio    Colonna;    als    er   nachmals   im   pisaner    Camposanto 
malte,   stellte  er  dort  den  Argyropulos  und  Piatina  dar.    Kr 
war  in  Fra  AngeUcos  Begleitung  als  dieser  im  Sommer  1447 
von  Rom  nach  Orvieto  ging,   die  Decke  in  der  Kapelle  der 
Madonna  di  S.  Brizio  zu  malen,  an  deren  Wänden  nachmals 
Luca  Signorelli  jene  grossartigen  Darstellungen  schuf  welcbe 
Michelangelo  verkünden,  und   kehrte  zwei  Jahre  später  nach 


Fiesoles'  Tod.     Piero  della  Francesca.  385 

Dmbrien  zurück  wo  *  das  kleine  Montefalco  ihm  eine  Stelle  in 
der  Kunstgeschichte  verdankt.  Fra  Angelico  aber,  der  bei 
seinem  ausserordentlichen  Fleisse  auch  Staffeleibilder  malte 
und  Chorbücher  ausschmückte ,  scheint  in  seinen  letzten  Jahren 
in  Rom  gebUeben  zu  sein,  wo  er  im  Jahre  1455,  somit  um 
dieselbe  Zeit  mit  Nicolaus  V.  starb  und  in  seiner  Ordenskirche 
der  Minerva  die  Grabstätte  fand,  mit  der  schönen  Inschrift 
welche  der  Verdienste  des  Ehrwürdigen  als  Künstler  und 
Christ  gedenkt: 

•Rechnet  als  Lob  mir  nicht  an  dass  ich  war  wie  ein  andrer  Apelles, 
Doch  dass  ich  sämmtlichen  Lohn,  Christus,  den  Deinigen  gab. 

Andere  Werke  verlangt  ja  der  Himmel  imd  andre  die  Erde; 
Mich  hat,  Johannes,  die  Stadt,  Tusciens  Blute  gehegt- 

Zu  den  Künstlern  welche  Nicolaus  V.  nach  Rom  zog, 
gehörte  Piero  della  Francesca  von  Borgo  San  Sepolcro,  einer 
von  denen  die  sich  namentlich  um  die  wissenschaftliche  Fort- 
bildung der  Malerei  verdient  gemacht  haben,  während  von 
ihren  eignen  Werken  wenig  erhalten  ist,  so  dass  vielmehr  äl- 
tere Schilderungen  und  Urtheile  als  die  eigne  Anschauung 
späterer  Zeiten  ihnen  ihre  Stelle  in  den  Annalen  der  Kunst  an- 
weisen. Seine  römischen  Arbeiten  gingen  zugrunde,  indem 
Julius  U.  sie  vernichten  liess  um  für  die  raffaelischen  Fresken 
des  Heliodorsaales  Raum  zu  gewinnen.  Pieros  Schüler  Bra-, 
mantino,  in  welchem  man  den  Mailänder  Bartolommeo  Suardi 
zu  erkennen  glaubt,  setzte  dessen  Werk  fort,  aber  jedenfalls 
in  weit  jüngerer  Zeit  als  die  hier  betrachtete.  Vasaris  Nach- 
richt dass  man  in  Bramantinos  Fresken  eine  Menge  Bildnisse 
sah,  theilweise  von  Zeitgenossen  Eugens  IV.  und  Nicolaus'  V., 
wie  Carl  VII.  von  Frankreich,  Fortebraccio,  Francesco  Car- 
inagnola,  Giovanni  Vitelleschi,  Bessarion  ti.  A.,  weckt  den 
Zweifel  ob  es  sich  hier  nicht  vielmehr  um  Piero  della  Fran- 
cesca selber  handelt,  dessen  Geübtheit  im  Portrait  man  an  den 
in  den  florentiner  üffizien  vorhandenen  Bildnissen  Herzog  Frie- 
drichs von  Urbino  und  seiner  Gemalin  erkennt.  Solcherart 
war  Papst  Nicolaus'  künstlerische  Thätigkeit  in  Rom.  Nicht 
geringer  war  sie  in  anderen  Städten  des  päpsthchen  Gebietes. 
Denn  so  im  Patrimonium  wie  in  Umbrien  und  bis  in  die 
Marken  hinein  hat  Nicolaus  V.  unermüdet  gebaut,  Mauern 
und  Vesten    hergestellt,    Marktplätze    umgeschaffen,    Kirchen 

T.  Beiunoat,   Ron.   Ul.  25 


386  Uilheile  über  Nicolaus  V.     Francesco  Orsini. 

ausgebessert,  Badehäuser  angelegt,  in  CiVitavecchia,  Viterbo, 
Civitacastellana,  Orvieto,  Narni,  Spoleto,  Assisi,  Gualdo,  Fa- 
briano,  in  welcher  letztern  Stadt,   wo   er   der  in  Rom  herr- 
schenden Krankheit   wegen   mehre  Monate   verweilte,   er  die 
Franciscanerkirche  neubauen,    den   Hauptplatz   erweitern  und 
mit  Budenhallen  umgeben  Hess.     »Wäre  diesem  Papste,  sagt 
Vasari,   der  sich  in  der  Schilderung  von  Nicolaus'  V.  Thätig- 
keit  übrigens  fast  ganz  auf  Giannozzo  Manetti  stützt,  längeres 
Leben   beschieden  gewesen,    so    würde    er   seine   grossartigen 
Entwürfe    ausgeführt   haben.     Denn    er   war   hohen  und  eot- 
schiedenen  Sinns  und  verstand  sich  auf  Alles.     Die  Künstler 
leitete   er  mehr   als  dass  er   sich    durch  sie  hätte  bestimmen 
lassen,  und  so  war  er  ein  Beispiel  wie  ein  verständiger  und 
entschlossener  Mann   die  Sachen   fördert,    indem  er  sie  ohne 
Zaudern  angreift  statt  mit  Hin-  und  Hersinnen  die  Zeit  zu  ver- 
lieren.«    Aber  die  von  einem  Papste  solchen  jedenfalls  nur  in 
zweiter   Linie    stehenden   Literessen    vorzugsweise   gewidmete 
Thätigkeit   musste   auch   Opposition   wecken.     Wie   Nicolaus 
Nachfolger  von  seinen  literarischen  Liebhabereien  dachte,  haben 
wir  gesehn.     Von   nördlichen  Ländern  kam  ernste  Mahnung. 
In  Teutschland  äusserte  sich  so  Mistrauen  wie  Unzufriedenheit, 
als  die  päpstlichen  Nuntien  zum  Türkenkriege  drängten.    Zeug- 
niss  davon  geben  die   Worte    des    volksthümlichen  Predigers 
Fra  Giovanni  da  Capistrano  welcher   für  den  Kreuzzug  sein 
Leben  einsetzte.     »Alle  Fürsten,   so   schrieb    er   dem  Papste, 
alle  Herren,  alle  Welt  sagt  einstimmig:  wie  sollen  wir  Schweiss, 
Güter,   unserer   Kinder   Brod   gegen   die   Türken    aufs  Spiel 
setzen,  wenn  der  oberste  Pontifex  in  Thürmen  und  Mauern. 
Kalk  und  Steinen  den  Schatz  des  h.  Petrus  aufgehn  lässt  den 
er  zur  Vertheidigung  des  heiUgen  Glaubens  verwenden  sollt«.* 
Unter  den  edkn  Römern  welche  um  die  Mitte  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  sich  durch  bauliche  Thätigkeit  bemerk- 
lieh  machten,   ragte  Francesco  Orsini   Graf   von  Tagliacozzo 
hervor,  welcher  in  der  Jugend  unter  dem  Befehl  seines  Vetters 
Paolo  an  den  Kämpfen  der  letzten  Zeiten   des  Schismas  theil- 
genommen  und   von  Eugen  IV.   im  Jahre   1436   die  römische 
Präfectur  erhalten  hatte.    Bei  der  Kirche  S.  Pantaleo  an  Piazza 
Navona,    wo   schon   zu  Ende  des   zwölften   Jahrhunderts  die 
Thurmwohnung  der  Familie  Mosca  stand  von  deren  Söller  aus 
bei   den   Papstumzügen   Geld   unter   die   Menge   geworfen  zu 


Palast  bei  S.  Paiitaleo.    Kirche  zu  Vicovaro.  387 

werden  pflegte,  errichtete  er  den  nachmals  umgestalteten  und 
endlich  völlig  umgebauten  Palast  mit  ragendem  Thurme,  bei 
dessen  Anlage  die  berühmte  Pasquinstatue  entdeckt  worden 
sein  soll,  die  ihren  Fundort  nicht  verlassen  hat.  Kirche  und 
Kloster  von  Sta  Maria  sopra  Minerva  wurden  von  ihm  im  Jahre 
1453  vollendet.  In  Roms  Umgebung  erinnert  an  diesen  reichen 
und  glänzenden  Mann  das  zierlichste  Bauwerk  des  Renaissance- 
stils welches  diese  Gegend  aufzuweisen  hat.  Es  ist  die  kleine 
dem  h.  Jakob  gewidmete  Kirche  in  Vicovaro,  ein  Achteck  mit 
ziemlich  flacher  Kuppel  und  reich  mit  Statuetten  und  Arabes- 
ken verziertem  Portal,  auf  den  das  Gesimse  stützenden  schlan- 
ken Pfeilern  an  der  gewissermaassen  den  Tambour  der  Kuppel 
bildenden  Attika  acht  grössere  Heiligenstatuen.  In  der  von 
emem  Bogen  mit  anbetenden  Engeln  und  dem  h.  Geist  in  Ge- 
stalt einer  Taube  eingeschlossenen  Lunette  sieht  man  ein  vor- 
treffliches lebensvolles  Relief,  in  der  Mitte  die  Madonna  mit 
dem  Kinde,  zu  beiden  Seiten  knieend  Francesco  Orsini  des 
Kirchleins  Erbauer  und  dessen  Neffe  Giovanni  Erzbischof  von 
Trani  der  es  weihte,  jener  vom  h.  Petrus,  dieser  vom  h.  Jakob 
dem  himmlischen  Schutze  empfohlen.  Ein  Schüler  Brunellescos, 
Domenico  da  Capodistria,  der  in  Vicovaro  über  der  Arbeit 
starb,  wird  als  Schöpfer  dieses  anmuthigen  Werkes  genannt, 
dessen  Plan  vielleicht  von  Brunellesco  selbst  herrührt  der  sich 
auch  anderwärts  in  Centralbauten  versuchte,  und  an  welchem 
ohne  Zweifel  mehre  Künstler  sich  betheihgt  haben. 


ENTWICKLUNG   DER   RENAISSANCE.      SIENA   UND   PIENZA. 

Nach  so  lebendigem  Schaffen  und  so  hervorragendem  An- 
theil  des  Herrschers  an  demselben  wie  es  unter  Nicolaus  V. 
der  Fall  war,  musste  die  Zeit  CaUxtus*  III.  einen  schneidenden 
Contrast  bilden.  Die  Ausbesserung  des  Mauerkreises  setzte  er 
fort;  von  der  Herstellung  von  Sta  Prisca  auf  dem  Aventin 
giebt  eine  zur  Linken  des  Hochaltars  befindUche  Inschrift 
Kunde,  welche,  indem  sie  zugleich  des  Verweilens ,  der  Lehre 
und  Taufe  des  Apostels  Petrus  und   des  Herkulesaltars   imd 

25* 


388  Calixtus  m.    Piu8  II.    Schutz  der  Monumente. 

Faunusquells ,  Evanders  und  des  Dianentempels  gedenkt,  die 
Humanistenzeit  auch  innerhalb  einer  Kirche  spiegelt.  Als  nach 
Calixtus  einer  der  glänzendsten  und  gelehrtesten  Kenner  der 
Literatur  und  Bildung  zur  Regierung  kam ,  mogte  man  in  Rom 
die  Rückkehr  grosser  Kunstthätigkeit  erwarten.  Allerdings  kam 
Papst  Pius'  IL  antiquarisches  Interesse  den  antiken  Monu- 
menten zugute.  Einst  hatte  Enea  Silvio  in  einem  schonen 
Sinngedicht  das  heillose  Treiben  der  Römer  verklagt,  indem 
er  einen  Ton  anschlug  der  an  Hildebert  von  Tours  erinnert 

»Deine  Ruinen,  o  Rom,  zu  beschauen  ist  hoher  Genuss  mir. 
In  der  gefallenen  Pracht  giebt  sich  die  einstige  kund. 

Aber  das  edle  Gestein,  aus  altem  Gemäuer  erbeutet, 

Brennet  dein  Volk  zu  Kalk,  frohnend  dem  schnöden  Gewinn. 

Ruchlose  Brut,  weim  noch  du  drei  Jahrhunderte  haustest, 
Blieb'  auch  nicht  eine  Spur  römischer  Grösse  zurück.« 

Eugen  IV.  hatte  einst  die  römischen  IGrchen  vor  frechen 
Händen  zu  schützen  gesucht :  Pius  IL  glaubte  weiter  gehn  zu 
müssen.  »Da  wir,  so  heisst  es  in  seiner  Bulle  vom  28.  April 
1462 ,  unsere  erhabene  Stadt  in  ihrer  Würde  und  ihrem  Glänze 
zu  erhalten  wünschen,  müssen  wir  namentlich  darauf  bedacht 
sein  dass  nicht  blos  die  Basiliken  und  übrigen  gqttesdieost- 
liehen  Orte  in  ihrer  Integrität  geschützt  und  bewahrt,  son- 
dern dass  gleicherweise  die  alten  Bauten  und  Trümmer  für 
die  Nachwelt  gerettet  werden.  Denn  nicht  nur  tragen  diese 
Bauwerke  zum  Glanz  und  Schmuck  der  Stadt  wesentlich  bei, 
während  sie  die  fruchtbare  Erinnerung  an  alte  Grösse  und 
Tugend  beleben,  sondern,  was  noch  höher  anzuschlagen  ist. 
diese  Trümmer  lehren  uns  eindringlicher  als  anderes  die  Ver- 
gänglichkeit menschUcher  Dinge;  sie  weisen  darauf  hin  wie 
auf  dieser  Welt  nichts  besteht,  indem  wir  die  Bauten  welche 
unsere  Ahnen  im  Vollgefühl  ihrer  Macht  und  ihres  Reichthums 
im  Wettstreit  mit  der  Ewigkeit  errichteten,  durch  Jahre  und 
Unglücksfölle  beschädigt  und  zu  Boden  gestürzt  sehn.«  lo 
diesem  zwiefachen,  des  Weltweisen  wie  des  Priesters  würdigen 
Betracht  werden  nun  im  Hinbhck  auf  frühere  päpstliche  Con- 
stitutionen wie  auf  die  städtischen  Statuten ,  mit  Rücksicht  auf 
die  Vorstellungen  der  Conservatoren  und  Caporionen,  kirch- 
liche wie  weltliche  Strafen  über  Alle  verhängt,  die  sich  in 
Rom   und   seiner  Campagna   der  Beschädigung   antiker  Beste 


Bauten  und  Sculpturen  der  Zeit  Pius*  ü.  389 

durch  Niederreissen ,  Ablösen  der  Steine ,  Kalkbrennen  schuldig 
machen,  ohne  Rücksicht  darauf  ob  diese  Reste  sich  auf  ihrem 
Grundeigenthum  befinden.  Die  Conservatoren  werden  ange- 
\viesen,  auf  die  Uebertreter  zu  fahnden,  gegen  die  Arbeiter 
einzuschreiten,  Lastthiere  und  Werkzeuge  mit  Beschlag  zu  be- 
legen. Etwaige  frühere  Bewilligungen  von  Päpsten  werden 
aufgehoben ,  während  die  neue  Verordnung  in  der  Stadt  öflFent- 
lich  ausgerufen  und  an  die  Thüren  des  capitolinischen  Palastes 
angeheftet  werden  soll.  So  verfügte  die  Constitution  Pius'  11., 
deren  Erfolg  ebenso  wie  die  Wirkung  der  von  den  städtischen 
Statuten  auf  die  Beschädigung  der  Monumente  gesetzten  Geld- 
strafe von  hundert  Florenen  grösser  gewesen  sein  würde, 
hätten  nicht  nachfolgende  Päpste  selber  wider  das  Verbot  ge- 
handelt welches  er  erliess. 

Pius'  II.  römische  Bauten  sind  nicht  zahlreich,  wie  denn 
überhaupt,  wenn  man  das  Collegium  Capranica  mit  seinen  an 
die  Gothik  mahnenden  Fenstern  ausnimmt,  wenig  aus  seiner 
Zeit  vorhanden  ist.  Die  zur  Platform  vor  der  vaticanischen 
BasiUka  führenden  Stufen  liess  er  erneuem  und  zu  Seiten  der- 
selben die  von  dem  neapolitanischen  Bildhauer  Mino  gearbei- 
teten Statuen  der  Apostel  Petrus  und  Paulus  aufstellen ,  welche 
nachmals  vor  der  neuen  Peterskirche  standen  zu  deren  colos- 
salen  Dimensionen  sie  nicht  passten,  und  im  Jahre  1847  durch 
neue  ersetzt  in  den  Corridor  der  Sacristei  gebracht  wurden. 
Welcherart  die  diesem  Papste  zugeschriebenen  Arbeiten  zur  Her- 
stellung des  vaticanischen  Vorhofes  und  jene  an  der  Confession 
waren,  lässt  sich  nicht  beurtheilen.  In  der  BasiUka  errichtete 
Pius  II.  zur  Aufnahme  des  Schädels  des  Apostels  Andreas  eine 
Kapelle,  welche  später  sein  eignes  Grabmal  und  das  seines  Neffen 
Pius'  UI.  aufnahm.  Der  römische  Bildhauer  Paolo  di  Mariano, 
gewöhnhch  Paolo  Romano  genannt,  war  bei  diesen  Arbeiten 
beschäftigt  und  heferte  auch  ein  Brustbild  des  Papstes  zum 
Schmuck  des  von  Andrea  da  Verona  und  Luca  von  Florenz 
erbauten  neuen  Thores  des  vaticanischen  Palastes,  welches 
mit  dem  Wappen  der  Piccolomini  in  vergoldetem  Erz  geziert 
war.  Derselbe  war  auch  der  Verfertiger  der  Statue  des 
Apostels  Paulus  welche  seit  Clemens'  VII.  Zeit  am  Aufgang  der 
Engelsbrücke  steht,  und  wahrscheinlich  des  Grabmals  des  Car- 
dinais Stefaneschi  in  Sta  Maria  in  Trastevere.  Ein  seltsamer 
Auftrag  für  Maestro  Paolo  war  im  Jalxre  1459  die  Anfertigung 


390  Bauten  und  Scuiptureu  Pius'  II.     Castell  von  Tivoli. 

zweier  Bildnisse  Sigismondo  Malatestas,  als  dieser  gebannt 
und  in  effigie  verbrannt  zu  werden  verurtheilt  worden  war. 
£r  scheint  der  einzige  römische  Künstler  in  Pius'  Dienste  ge- 
wesen zu  sein ,  in  welchem  wir  noch  einen  Bildhauer  Giovanni 
d' Andrea,  einen  florentinischen  Goldschmied  Simone  di  Gio- 
vanni, Schüler  Lorenzo  Ghibertis  imd  vielleicht  identisch  mit 
dem  sogenannten  Bruder  des  Donatello,  endlich  einen  Gio- 
vanni da  üdine  finden,  dessen  Gewandtheit  in  der  Sticker- 
kunst den  Anlass  zum  Beinamen  seiner  Familie  (de'  Ricamatorij 
gab  und  der  wahrscheinUch  der  Grossvater  des  berühmten 
Arabeskenmalers  der  raffaelischen  Zeit  war. 

Die  Monumente  und  Altäre  welche  ohne  Ordnimg  die 
Peterskirche  füllten,  Uess  Pius  II.  längs  den  Wänden  der 
Seitenschiffe  aufstellen;  ein  gefährliches  Beispiel  für  seine  Nach- 
folger die  mit  den  Denkmalen  seiner  wie  früherer  und  späterer 
Zeiten  schonungslos  verfahren  sind.  Neben  der  flaminischen 
Strasse  in  der  Nähe  der  milvischen  Brücke,  auf  der  Stelle  wo 
er  aus  Bessarions  Händen  das  Haupt  des  Apostels  erhielt 
liess  er  ein  von  vier  kleinen  karystischen  Marmorsäulen  ge- 
tragenes Tabernakel  errichten,  unter  welchem  die  von  z^ei 
Florentinern,  Varrone  und  Niccolö,  gearbeitete  Statue  des 
Heiligen  sich  erhebt.  Die  nämlichen  Schüler  Filaretes  waren 
bei  den  Arbeiten  in  St.  Peter  thätig ,  ebenso  in  TivoH ,  wo  der 
Papst  durch  die  Schönheit  der  Lage  angezogen ,  zugleich  aber 
durch  politische  Interessen  festgehalten  im  Sommer  1461  bei- 
nahe drei  Monate  verweilte ,  und  sowol  um  künftigen  Unruhen 
in  der  Stadt  vorzubeugen,  wie  um  die  Strasse  nach  den 
Abruzzen  zu  sichern,  eine  Burg  anlegte  die  man  mit  ihren  vier 
Rundthürmen  noch  heute  an  Porta  Sta  Croce  sieht,  leider  auf 
den  Trümmern  eines  Amphitheaters  erbaut,  deren  Zerstörung 
diesen  Freund  des  classischen  Alterthums  seinen  eignen  Grund- 
sätzen untreu  werden  liess. 

•  Guten  erwünscht,  doch  Schlimmen  verhasst  und  Stolzen  ein  ZflgeL 
Hat  mich  Pius'  Beschluss  dir,  o  mein  Tibur,  geschenkt.« 

So  steht  über  dem  Eingangsthore  des  Castells,  bezeichnend 
genug  für  seine  Bestimmung.  Zwei  Jahre  früher  hatte  Pius  ü. 
ebenfalls  die  ragende  Burg  von  Assisi  durch  ansehnüche  Werke 
verstärken  lassen. 

In  seinen  Commentarien  hat  der  Papst,  der  auch  Vicovaro 


Pius'  II.  Scliildenmg  von  Tivoli.  391 

und  Subiaco  besuchte  und  sich  von  dem  Zustand  der  Pässe 
nach  Campanien  und  den  Abruzzen  selbst  zu  überzeugen 
wünschte,  die  Aniostadt  und  ihre  Umgebung  anschaulich  ge- 
schildert »Tivoli,  sagt  er,  ist  in  zwei  Hälften  getheilt.  Der 
jenseit  des  Flusses  gelegene  Theil  welchen  eine  hölzerne  Brücke 
mit  dem  diesseitigen  verbindet,  ist  klein  und  wegen  der  Zwie- 
tracht der  Bürger  schwach  bewohnt.  In  dem  grössern  Theil 
ersetzen  Häuser  und  Felsmassen  die  Mauer.  Im  Innern  ist 
wenig  von  Bedeutung,  mit  Ausnahme  der  mit  dem  Namen 
Porta  oscura  bezeichneten  mächtigen  Wölbungen  eines  alten 
Gebäudes  (des  Herkulestempels  mit  dem  von  den  Viermännern 
Lucius  Octavius  Vitulus  und  Cajus  Rustius  Flavus  gebauten 
Strassendurchgang) ,  welches  einst  der  Eingang  zur  Stadt  nebst 
der  Zollstätte  war,  heute  den  Ochsen  zum  Stall  dient,  während 
ein  Garten  die  Höhe  des  Gewölbes  eingenommen  hat.  Auch 
sieht  man  auf  den  Felsenmassen  am  Anio  einen  von  Säulen 
getragenen  Tempel  der  Vesta  oder  einer  andern  Gottheit.  Bei 
der  heutigen  Burg  sah  man  die  Trümmer  eines  grossartigen 
Amphitheaters,  welche  fast  sämmtlich  zum  Bau  des  Castells 
verwendet  worden  sind.  Ein  Theil  der  Wasser  des  Stroms, 
zum  Zweck  der  Brunnen,  der  Mühlen  und  übrigen  Anlagen 
abgeleitet,  verleiht  der  Stadt  besondern  Schmuck.  Vor  den 
Thoren,  etwa  drei  Millien  entfernt,  legte  Kaiser  Hadrian  eine 
prächtige  Villa  an  die  einer  ganzen  Stadt  ähnUch  sah.  Noch 
sieht  man  die  hohen  Wölbungen  von  Tempeln,  halb  einge- 
gestürzte  Säle,  Säulen,  Peristile,  geräumige  Portiken,  Reste 
der  Thermen,  durch  die  Wasser  des  Anio  gespeist  welche  die 
Sommerhitze  mässigten.  Alles  hat  die  Zeit  umgewandelt  und 
vernichtet.  Zwischen  Villa  und  Stadt  erstrecken  sich  Vignen 
und  prächtige  Oelbaumwaldungen ,  Gärten  mit  schönen  Orangen- 
bäumen, köstliche  schattenreiche  Plätze.«  Wir  glauben  den 
Papst  vor  uns  zu  sehn,  wie  er  hier  mit  Cardinal en  und  Hof- 
leuten im  Freien  unter  dem  Schatten  eines  Oelbaums  Geschäfte 
verhandelte  und  sich  am  Anblick  der  schäumenden  Cascaden 
des  Anio  vergnügte. 

Das  Bild  Pius*  IL  würde  unvollständig  bleiben  ohne  die 
Schilderung  seiner  Beziehungen  zu  Siena.  Kein  Papst  ist  von 
solcher  Liebe  zu  seiner  Heimat  erfüllt  gewesen  wie  er,  und  wie 
man  ihm  die  übermässige  Begünstigimg  seiner  Angehörigen  vor- 
wirft, hat  man  ihm  auch  die  Anhänglichkeit  an  das  Sieneserland 


392  Pius  II.  und  das  Sieiieserland.     Macereto  und  Petriolo. 

zur  Last  gelegt,  gewiss  mit  ungleich  geringerer  Berechti- 
gung als  im  erstem  Fall.  Pius  IL  hat  einen  bedeutenden  Theil 
seiner  Regierungszeit  in  dem  Lande  zugebracht  in  welchem  er 
zuerst  das  Licht  der  Welt  erblickte.  Hatte  es  den  Anschein 
als  wolle  er  in  späten  Jahren  sich  dafür  entschädigen,  dass  er 
sein  früheres  und  selbst  sein  reiferes  Mannesalter  meist  in  der 
Fremde  verlebte,  so  suchte  er  dort  auch  Abhülfe  des  gichti- 
schen Leidens,  welches  ihn  seit  seiner  schottischen  Reise  in 
stets  erhöhtem  Maasse  quälte  und  vor  der  Zeit  zum  Greis 
machte.  Es  war  wahrlich  nicht  zum  Zeitvertreib  dass  er 
wiederholt  in  den  Bädern  von  Macereto  und  Petriolo  verweilte. 
Wenn  man  von  Siena  aus  dem  Lauf  der  Mersa  eines  Neben- 
stroms des  Ombrone  folgend  sich  der  Marcmma  zuwendet, 
geräth  man  in  tiefe  Waldschluchten  durch  welche  die  nach 
Grosseto  führende  Strasse  sich  windet,  traurig,  unwirtlich, 
ungesund.  Bei  einer  aus  drei  hohen  Bogen  bestehenden  in 
unseren  Tagen  neugebauten  Brücke  über  die  Mersa  gelangt 
man  hier  zu  den  jetzt  fast  verlassenen  einst  vielgebrauchten 
Schwefelquellen  von  Macereto,  welche  Kaiser  Heinrich  VII. 
keine,  Pius  U.  geringe  Linderung  brachten.  Tiefer  hinab  in 
einer  rings  von  waldigen  Höhen  umschlossenen,  von  dem  Bache 
Farma  durchströmten  wilden  Thalschlucht  liegt  Petriolo.  Das 
Castell  des  Mittelalters  ist  in  Trümmer  gesunken;  arme  Land- 
leute sind  die  einzigen  welche  die  Schwefelquellen  benutzen, 
deren  Dünste  das  von  der  Malaria  heimgesuchte  Thal  füllen 
und  zu  dem  traurigen  Eindruck  des  Ortes  beitragen.  Und  an 
diesem  Orte  war  es,  wo  Pius  IL  wiederholt  in  den  Jaliren 
1460,  1462,  zuletzt  noch  im  Frühhng  seines  Todesjahres  1464 
mit  zahlreichem  Gefolge  weilte  und  verschiedene  Bullen  aus- 
stellte, deren  letzte  die  Belehnung  der  Piccolomini  mit  Cam- 
porsevoli  betreflfen.  Zu  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  sah 
man  in  dem  Castell  noch  die  Reste  seiner  Wohnung,  welche 
von  der  Comune  von  Siena,  die  im  Jahre  1463  die  Brücke  über 
die  Farma  neubauen  liess,  eingerichtet  worden  war,  wie  den 
Stuhl  auf  dem  er  zu  sitzen  pflegte. 

Schon  wurde  Pienzas  gedacht,  wo  alles  an  Enea  Silvio 
mahnt  und  die  Stille  des  menschenleeren  Städtchens  dazu  bei- 
trägt, den  Besucher  in  den  Traum  vergangener  Tage  zu  ver- 
senken. Es  war  nicht  die  Schönheit  der  Gegend  welche  Pios 
anzog.     Die  Aussicht  nach  den  Höhen  Radicofanis  und  des 


Pii»n2ii.     Abtei  San  Salvatore.  393 

Mont*  Amiata  ist  grossartig  aber  ernst,  die  nähere  Umgebung 
erreicht  nicht  die  Anmuth  vieler  anderen  toscanischen  Land- 
schaften. Heimatsliebe  baute  die  Stadt.  Dom,  Palast  der 
Piccolomini,  Episcopium,  Canonica,  Gemeindehaus,  selbst  der 
Brunnen  des  Hauptplatzes  mit  der  Jahrzahl  1462  sind  von 
Pius  n..  welcher  nach  der  vom  Bischof  Francesco  Maria  Picco- 
lomini im  Jahre  1597  gesetzten  Inschrift  den  Dom  am  24.  August 
1462  durch  Cardinal  d'P^stouteville  weihen  liess.  Die  Cardinäle 
Ammanati  und  Gonzaga  und  andere  vom  Hofe  bauten  gleich- 
falls. Die  Miniaturen  der  Chorbücher,  von  einem  sienesischen 
Maler  Pellegrino  di  Mariano  Rossini,  stammen  wol  aus  der- 
selben Zeit.  Der  Platz  ist  nicht  regelmässig  da  bereits  frühere 
Bauten  daselbst  standen  die  man  nicht  vöUig  abgetragen  zu 
haben  scheint,  aber  man  sieht  den  einzelnen  Gebäuden  ihre 
Gleichzeitigkeit  an.  Der  Dom  zeigt  drei  Schiffe  von  gleicher 
Höhe;  der  Papst  berichtet  wie  diese  Anordnung  auf  seinen 
Wunsch  getroffen  worden  sei ,  nachdem  er  solche  Hallenkirchen 
in  Teutschland  gesehn.  Der  piccolominische  Palast  überrascht 
durch  Grossartigkeit  der  Anlage  wie  durch  zweckmässige  Ein- 
richtung und,  abgesehn  von  (der  durch  die  Loggien  der  Rück- 
seite beherrschten  weiten  Aussicht,  durch  die  schöne  Per- 
spective des  Erdgeschosses.  Der  Architekt,  Bernardo  von 
Florenz,  hatte  einen  Kostenanschlag  von  acht-  bis  zehntausend 
Goldgulden  eingereicht,  aber  die  Ausgaben  stiegen  auf  das 
Zehnfache.  Man  wollte  ihm  beim  Papste  ein  Verbrechen 
daraus  machen,  aber  dieser  belobte  ihn  dass  er  ihm  die  Höhe 
der  Summe  nicht  anfangs  entdeckt  habe.  Hätte  ich  sie  ge- 
kannt, sagte  er,  dieser  würdige  Palast  und  Tempel  würden 
nicht  entstanden  sein.  Drauf  belohnte  er  ihn  und  übertrug 
ihm  neue  Werke.  Der  Mangel  an  Festigkeit  der  Tufmassen 
hatte  schon  vor  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  einen  ge- 
fährlichen Riss  im  Dom  verschuldet. 

Auch  die  von  Pienza  aus  gegen  Süden  sichtbare  mächtige 
Trachitmasse  des  Mont'  Amiata  bewahrt  Erinnerungen  an  Pius  H. 
Wenn  man  unter  den  riesigen  Kastanienbäumen  wandelt,  welche 
dem  Plateau,  auf  dem  sich  die  vom  Longobardenkönige  Rachis 
gegründete  nachmals  den  Cisterciensern  übergebene  Abtei  San 
Salvatore  erhebt,  in  der  Sommerschwüle  erquickenden  Schatten 
spenden,  liest  man  die  Inschrift  welche  besagt,  wie  an  dieser 
Stelle  unter  dem  grössten  der  Bäume  der  Papst,  der  sich   so 


B94  Abtei  Sali  Salvatore.     Montoliveto  maggiore. 

gerne  dem  Eindruck  der  Naturschönheit  hingab,  zu  sitzen 
pflegte  und  geistliche  wie  weltliche  Angelegenheiten  erledigte. 
Es  war  im  Jahre  1462  als  Pius,  nachdem  er  Rom  wegen  der 
herrschenden  Seuche  verlassen  und  in  Viterbo  das  Bad  ge- 
braucht, dann  in  Pienza  verweilt  hatte,  die  in  reiner  gesunder 
Luft  gelegene  heute  in  ärmliche  Wohnungen  umgewandelte 
Abtei  zum  Sommeraufenthalt  wählte,  während  sein  Gefolge 
theils  in  dem  an  das  Klostergebäude  stossenden  Oertchen 
theils  in  dem  benachbarten  Pian  Castagnajo  untergebracht 
wurde.  So  hatte  er  sich  drei  Jahre  früher  in  dem  grossarti- 
gen Kloster  von  Montoliveto  maggiore  im  Gebiet  von  Asciano 
im  Sieneserlande  aufgehalten,  wo  im  Jahre  1319  der  Olive- 
tanerorden  durch  Bernardo  Tolomei  seinen  Anfang  nahm.  Mit 
jener  Anschaulichkeit  welche  von  seinem  lebendigen  Natursinn 
zeugt,  hat  Pius  die  Eigen thümhchkeit  dieser  Localität  geschil- 
dert. »Willst  du,  so  schrieb  er,  die  Gestalt  des  Hügels  kennen 
auf  welchem  das  Kloster  liegt,  so  betrachte  ein  Kastanienblatt. 
Jähe  Abhänge  und  tiefe  Schluchten  öffnen  sich  auf  allen  Seiten. 
nimmt  man  eine  schmale  Landzunge  aus,  an  deren  Beginn  ein 
durch  einen  wasserreichen  Graben  mit  Zugbrücke  geschützter 
Thurm  den  Zugang  vertheidigt.  Abschüssig  ist  die  Oberfläche 
des  Hügels  in  dessen  Mitte  sich  ein  schöner  Tempel  erhebt, 
daneben  Portiken,  Gänge,  Refectorien  mit  allen  Räumen  und 
Officinen  deren  das  Mönchsleben  bedarf.  Alles  ist  schön, 
zweckdienlich,  der  Betrachtung  werth.  ursprünglich  eine 
kleine  Stiftung,  dann  durch  des  Volkes  Frömmigkeit  erweitert 
wozu  auch  das  Geschlecht  der  Piccolomini  beitrug,  hat  die- 
selbe eine  grosse  segensreiche  Wirksamkeit  gehabt.«  Pius  IL 
sah  noch  nicht  die  prächtigen  Fresken  in  denen  Luca  Signo- 
relli  und  Giovan  Antonio  Razzi  genannt  Soddoma  die  Geschichte 
der  Olivetaner  darstellten,  aber  er  sah  die  an  Handschriften 
reiche  Bibliothek  welche  bei  der  Aufhebung  der  Abtei  in  der 
französischen  Zeit  verschleudert  wurde. 

In  Siena  begegnet  man  allerwärts  den  Spuren  Pius*  II.  Am 
29.  Juni  1461  hatte  er  der  öffentUchen  Stimme  welche  die  sie- 
nesische  Färberstochter  eine  Heilige  nannte,  in  St.  Peter  die 
Sanction  der  Kircli^  ertheilt;  in  lateinischen  Hymnen  hatte  er 
Caterina  gefeiert: 


Bauten  in  Siena.    Die  h.  Caterina.  395 

■Wer  vereint  die  Gaben  die  dir  zum  Schmuck  sind? 
Andachtsinn  und  Klugheit  mit  weisem  Maasse, 
Kraft  und  Freimuth,  Tugenden  die  dich  heben 
Hoch  in  den  Himmel.- 

Die  Stadt  Siena,  nameDtlich  aber  die  Bewohner  des  Viertels 
von  Fontebranda  liatten  »als  Söhne  Sr.  Heiligkeit«  das  Fest 
der  Canonisation  glänzend  begangen;  sie  schufen  dann,  von 
der  Signorie  unterstützt,  Caterinas  elterliches  Haus  in  das 
Oratorium  um,  dessen  geistUche  Pflege  einer  Brüderschaft  an- 
vertraut ward  und  welches  Malerei  und  Sculptur  würdig 
schmückten.  Nun  fing  Pius  selbst  in  Siena  zu  bauen  an.  Im 
Frühling  1462  begann  Antonio  Federighi  die  stattliche  Drei- 
bogenhalle welche  gemäss  der  Inschrift  »Pius  II.  Pont.  max. 
gentilibus  suis  Piccolomineis«  widmete,  gleich  andern  dieser 
Art  eine  ins  Zierliche  übersetzte  Reminiscenz  der  florentiner 
Loggia  de*  Lanzi,  welche  letzterein  ihrer  Beschränkung  so  voll- 
endet und  maassgebend  erscheint  dass  man  nicht  wol  einsieht, 
wie  Michelangelo  bei  Gelegenheit  eines  Projects  zur  Regularisi- 
rung  des  Platzes  der  Signorie  den  Rath  geben  konnte,  Orcagnas 
Bogen  um  denselben  herumzuführen.  Um  dieselbe  Zeit  baute 
Pius'  Architekt  Bernardo  für  dessen  Schwester  Caterina  den  Pa- 
last den  das  Volk  »della  papesse«  nannte,  worauf  Giacomo  und 
Andrea  Piccolomini,  wie  es  scheint  gleichfalls  nach  Bernardos 
Plan,  den  grossartigen  Palast  begannen,  der  heute  dem  Staate  ge- 
hörend und  Dicasterien  und  Archiv  enthaltend  noch  ihren  Namen 
trägt  und  erst  zu  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  vollendet 
ward,  »opera  meravigUosa  e  ne  la  cittä  dignissimo  omamento«, 
wie  es  in  einem  Bericht  der  Aedilen  von  1469  heisst.  Alles 
Bauten,  die  bei  ihrer  AehnUchkeit  mit  den  florentinischen  Pa- 
lästen der  Zeit  auch  neue  Elemente  zur  Geltung  bringen,  und 
die  bis  dahin  in  Siena  fast  durchgängige  und  in  ihrer  Art 
musterhafte  Anwendung  des  Backsteins  beschränkten.  Die 
vormaUge  Augustinersiedelei  von  Lecceto  bei  Siena,  in  welcher 
die  Tradition  den  h.  Augustinus  weilen  lässt,  die  aber  jeden- 
falls mit  den  ältesten  Erinnerungen  des  Christenthums  in  dieser 
Gegend  verwachsen  ist  und  wo  Gregor  XII. ,  Martin  V. ,  Eugen  IV. 
weilten,  nahm  Pius  H.  in  den  Schatten  ihrer  Steineichen  auf. 
Im  Chor  der  Franciscanerkirche  hess  er  seinen  Eltern  Silvio 
und  Vittoria  ein  Denkmal  errichten.  Das  Distichon  ist  von 
ihm,  die  Büsten  werden  ohne  genügenden  Grund  dem  Francesco 


396  Librcria  des  Doms  von  Siena.     Paul  II. 

di  Giorgio  zugeschrieben.  Dieser  berühmte  Landsmann  des 
Papstes,  welchem  man  einst  die  Mehrzahl  von  dessen  Bau- 
ten so  in  Siena  wie  in  Pienza  zutheilte,  hielt  sich  in  Pius 
Zeit  und  vor  wie  nach  ihm  wiederholt  in  Rom  und  dessen  Um- 
gebung auf,  wo  er  manche  alte  Monumente  zeichnete.  Aber 
es  scheint  nicht  dass  er  vom  Papste  Aufträge  erhalten  hat, 
wie  er  denn  überhaupt  im  Festungsbau  am  thätigsten  gewesen 
ist  Lebendiger  als  durch  irgendetwas  erhält  sich  Pius'  11. 
Andenken  in  Siena  durch  den  Freskencyclus  im  Chorbücher- 
gemach (Libreria)  des  Domes,  in  welchem  Francesco  Todes- 
chini Piccolomini  die  hervorragendsten  Ereignisse  im  Lebeu 
seines  grossen  Ohms  und  Vorgängers  in  der  höchsten  Würde 
der  Christenheit  darstellen  liess.  Kaum  giebt  es  eine  andere 
Schöpfung  dieser  Art,  in  welcher  Architektur  und  Malerei 
nicht  blos  in  Bezug  auf  die  Vereinigung  der  historischen  Dar- 
stellungen mit  dem  Ornament,  sondern  auch  hinsichtlich  des 
Verhältnisses  der  ersteren  zu  den  räumlichen  Bedingungen 
gleich  harmonischen  Eindruck  machen.  Eine  Harmonie  welche 
die  neueste  Zeit  leider  durch  ungeschickteste  Einschachtlung 
heterogener  Grabmonumente  zu  stören  gewagt  hat 


8. 

PAUL  n.   UND   STXTÜS  IV.      PALÄSTE,  KIRCHEN,   DENKMALE. 

CASTELLE. 

Von  den  Bauwerken  der  Päpste  seit  der  Beendigung  des 
grossen  Schismas  ist  wenig,  von  den  Malereien  mit  Ausnahme 
der  Fresken  in  S.  demente  und  der  Kapelle  Fiesoles  kaum 
irgendetwas  vorhanden.  Mit  Paul  II.  beginnt  die  Zeit  von 
deren  Thätigkeit  in  immer  steigendem  Maasse  grosse  Alonu- 
mente  zeugen. 

Gleich  am  Eingange  dieser  Zeit  steht  eines  der  mächtigsten 
Bauwerke  Roms,  der  Palast  von  San  Marco,  an  der  Stelle  eines 
von  dem  Cardinal  Giovanni  von  Anagni  bei  gedachter  Kirche  er- 
richteten Hauses.  Die  Geschichte  dieses  Riesenbaues  ist  dunkel: 
Giorgio  Vasari  hat  nur  dazu  beigetragen  sie  zu  verwirren.  Nach 
seiner   Angabe   war   es   der  Florentiner   Giuhano   da  Majaoo 


Palast  von  San  Marco.  397 

welcher  für  den  Papst  Palast  und  Kirche  baute.    Urkundlich 
ist  bekannt  dass  Paul  U.  bereits  als  Cardinal  Barbo  die  Wieder« 
herstellung  der  Sanct  Marcuskirche  und  den  Bau  des  dieselbe 
einschliessenden  Palastes  begonnen  hatte,  von   dem  ein  Theil 
schon  vollendet  und  bewohnt  war,  und  dass  im  zweiten  Jahre 
seines  Pontificats  am  25.  März  1466  zwischen  seinem  Kämmerer, 
apostolischen   Schreiber   und   Geschäftsführer   Francesco   von 
Borgo  San  Sepolcro,  in  welchem  man  irrthümUch  einen  Künst- 
ler gesehn  hat,  und  dem  florentinischen  Architekten  Bernärdo 
di  Lorenzo  ein  Contract  zur  Fortführung  dieser  Werke  abge- 
schlossen wurde.    £s  handelte  sich  hier  speciell  um  die  Wöl- 
bungen der  beiden  Seitenschiffe  der  Kirche ,  wie  um  die  Errich- 
tung der  Fagade  derselben  und  des  Bogengangs  um  den  Hofraum 
des  Palastes.     Diese,  von  denen  letzterer  in  seinem  grössten 
Theile  unvollendet  geblieben  ist,  sind  somit  jedenfalls  Schöpfun- 
gen dieses  Bernärdo,  welcher  von  Manchen  auch  für  den  Archi- 
tekten von  Pienza   gehalten   wird.     Eine  Annahme   die   nicht 
unbedingt  abzuweisen   ist,   worüber  jedoch   bei   dem  Mangel 
genauerer  Bezeichnung  bei  den  Gleichzeitigen  nicht  zur  Klar- 
heit zu   kommen   sein   dürfte.      Die  römischen  Werke  stehen 
denen  zu  Pienza  jedenfalls  nach.     Sie  sind  eine  nicht  glück- 
liche Nachahmung  des  Colosseums,   dessen  Travertinquadern 
dabei    verwendet    worden    sein    sollen,    was    nur    Tradition 
aber  kaum  zu  bezweifeln  ist.    Ein  gleiches  soll  der  Fall  ge- 
wesen sein  mit  den  Resten  eines  Porticus  und  Thores  auf  der 
dem  Marcellustheater  zugewandten  Seite  des  capitolinischen  Ber- 
ges, von  deren  Zerstörung  Francesco  di  Giorgio  berichtet  der 
sie  maass  und  zeichnete.    Die  Verhältnisse  der  unteren  auf  hohe 
Sockel  gestellten  Bogen  an  Fagade  und  Hofiraum  sind  gänzlich 
verfehlt,   die  Aneinanderreihimg  der  toscanischen  mit  der  ko- 
rinthischen Ordnung  ist  ungeschickt.    Mit  dem  Haupttheil  des 
Palastes   wie   mit   dessen   kleinem   Hofe   haben   diese   Bauten 
durchaus  nichts  gemein.    Der  Palast,  möglicherweise  von  Giu- 
lianos  da  Majano  Hand,  ist  ein  ernster  castellartiger  Bau  aus 
Bruchsteinen  mit  Kalküberwurf,  nur  an  den  Ecken  Quadern, 
im    hohen    Erdgeschosse    kleinere    schmucklose    Rundbogen- 
fenster, im  ersten  Stockwerk  viereckige  von  grossen  marmor- 
nen Fensterkreuzen  gebildete,  mit  dem  Namen  Papst  Pauls  und 
seinem  Wappen  bezeichnet,  die  Krönung  ein  stark  vortreten- 
des Consolengesimse  mit  Zinnenkranz.    Das  von  zwei  Säulen 


398  Palast  von  San  Marco. 

flankirte  reichverzierte  und  mit  antikem  Giebel  endende  Thor 
wurde  von  des  Papstes  Neffen  Cardinal  Marco  Barbo  hinzu- 
gefugt. 

Ganz  anderer  Art  ist  der  Hof  desjenigen  Theils,  welcher 
den  Namen  des  Palazzetto  führt  und  sich  im  rechten  Winkel 
dem  grössern  anschhesst,   da  wo  letztern  ein  breiter  vierecki- 
ger thurmartiger  Aufsatz,   heute   ohne  architektonische  Eigeo- 
thümlichkeit,    überragt,    welchem    gegenüber   an    der   andern 
nicht  zum  Ausbau  gekommenen  Schmalseite  ein  zweiter  Tburm 
angebracht  werden  sollte,   wie  sich  aus  einer  Denkmünze  von 
1465   ergiebt.     Zwei  Arkadengeschosse   umgeben   diesen   Hof, 
das  untere  mit  achteckigen  Pfeilern,   das  obere  mit  korintlü- 
sehen  Säulen,    darüber   eine  Zinnenkrönung,    das  Ganze   von 
anmuthiger    harmonischer    Wirkung.     Vasari    schreibt    diesen 
Hof  dem  Vellano   von  Padua   zu,    welcher   in  Pauls  H.  Zeit 
nach  Rom  gezogen  und   auch  zu  Bildhauerarbeiten  gebraucht 
wurde,  wie  man  denn  von  ihm  in  demselben  Palast  des  Papstes 
Büste,  am  Dom  zu  Perugia  dessen  Erzstatue  mit  der  Jahres- 
zahl   1467   sieht.     Aber   die    Aehnlichkeit   des    Stils   mit   den 
Werken  eines  Künstlers  von  dem  bald  die  Rede  sein   wird, 
Baccio  Pontelli,  hat  die  Muthmaassung  veranlasst,  dass  dieser 
gedachtem  Bau  nicht  fernstehn   dürfte.     Sonst  werden   noch 
andere  Architekten  genannt  die  hier  thätig  waren,   ohne  dass 
man  einzelnes  nachweisen  könnte,   Giacomo  di  Cristofano  von 
Pietrasanta,  Manfredi  d' Antonio  von  Como  u.  m.     Nicht  nur 
moderne  Sculpturen  wurden  zur  Ausschmückung  des  Palastes 
Pauls  n.  verwendet,  sondern  auch  antike  Statuen,  ja  der  Por- 
phyrsarkophag der  Constantia  welchen  aber  SixtusIV.  wieder 
nach  dem  Mausoleum  bei  Sant'  Agnese  bringen  Hess.    Der  Pa- 
last von  San  Marco,  wie  man  ihn  nannte,  diente  auch  nach 
seinem  Erbauer  Päpsten  zur  Wohnung.    Durch  Paul  HI.  ward 
er  mittelst  eines  bedeckten  Ganges  mit  einem  auf  der  Höbe 
von  AraceU  erbauten,  später  in  das  dortige  Kloster  hineinge- 
zogenen Sommerhause  verbunden,  von  Pius  IV.  im  Jahre  1564 
der  Republik  Venedig  geschenkt,  nach  welcher  dieser  gross- 
artige,   in   neuester   Zeit   leider   durch   die   Umwandlung  der 
Hälfte   der   Fenster   der   Hauptfa^ade   arg   verstümmelte  Bau 
noch  gegenwärtig  benannt  wird. 

Der  vaticanische  Palast  erhielt  unter  Paul  II.  eine  ansehn- 
liche Verschönerung.     Nach  Vasaris  Angabe  war  es  Giuliano 


Vaticanische  und  andere  Bauten.    Sculptur.    Mino  da  Fiesole.       399 

da  Majano.  der  in  dem  an  den  Vorhof  von  St.  Peter  stossen- 
(len  Theile  einen  Hof  mit  dreifaclien  Loggien,  Localen  für  die 
Datarie  und  die  Plumbatoren  und  scliönen  Gemächern  baute, 
ein  Werk  welches   das  Vorbild  des  Bramanteschen  Cortile  di 
San  Damaso  gewesen    zu   sein  scheint,   und  bei  nachmaligen 
Umänderungen    so  spurlos  verschwand,    dass  man   selbst  die 
Stelle  die   es  einnahm  nur  annähernd  anzugeben  vermag.     An 
zwei    anderen   Werken    der   Zeit    Pauls  11.,    der    am   3.  No- 
vember 1471    geweihten    Kirche   des    städtischen    Spitals   der 
Consolazione  am  Fuss  des  Capitols  und  dem  um  dieselbe  Zeit 
von  Pietro  Mellini  auf  Monte  Mario  bei  der  damals  schon  be- 
stehenden Villa  seiner  Familie  errichteten  Eirchlein  Sta  Croce, 
ist  heute  nichts  altes  gebUeben.    Von  der  vom  Papste  im  Jahre 
1465   hergestellten  Tribüne   und  Confession   der  Peterskirche 
geben  nur  Denkmünzen  Kunde.      Auch  Pauls  Schwestersohn 
Cardinal  Batista  Zeno  machte  sich  um  die  Ausschmückung  der 
Basilika  verdient.     Spuren  der  Sorge  für  Erhaltung  des  Mauer- 
kreises   zeigen   die  Thürme    am  Pincio  bei   der  Villa  Medici. 
Mehr  ist  von  Bildhauerarbeiten  vorhanden.    Unter  Paul  II.  be- 
gann in  Rom  die  Thätigkeit  des  Mannes ,  der  auf  den  Stil  der 
Ornamentik  mehr  als  Irgendeiner  Einfluss  geübt  hat  und  mit 
welchem  namentlich  für  die  Grabmäler,  von  denen  die  Kirchen 
der  Stadt  aus  verschiedenen  Zeiten  so  viele  schöne  aufweisen, 
eine  neue  Glanzepoche   beginnt.     Dieser  Mann  war  Mino  da 
Fiesole.    Vergleichen  wir  das  unglückUcherweise  nur  in  grossen 
Bruchstücken  erhaltene  Monument  welches  er  für  den  gedach- 
ten Papst  arbeitete,  mit  denen  der  drei  nächsten  Vorgänger 
desselben,  so  wird  uns  der  grosse  Fortschritt  klar.    Das  Denk- 
mal Eugens  IV.,  wie  man  es  bei  S.  Salvatore  in  lauro  sieht, 
eine  viereckige  Aedicola,   der  Todte   auf  einem  mit   Frucht- 
gewinden verzierten  Sarkophage  liegend,  über  ihm  im  Relief 
Madonna  und  Kind  zwischen  anbetenden  Engeln,  an  den  Pi- 
laste.rn  vier  HeiUgengestalten  in  Nischen,   zeigt  florentinische 
Reminiscenzen,   ist  aber  in  seiner  harten  und  beinahe  rohen 
Ausführung   weit   entfernt   von    dem  Schönheitssinn   und    der 
technischen  Fertigkeit  Donatellos,  Michelozzos,  Antonio  Ros- 
sellinos,  Desiderios  von  Settignano.    Nicolaus'  V.  Grabmal,  von 
welchem  sich  die  Todtenlade  mit  der  liegenden  Gestalt  und 
einzelne  Figuren  in  den  vaticanischen  Grotten  befindet,  scheint 
bei  ähnlicher  Disposition  weit  grossem  Umfang  gehabt  zu  haben. 


400  Grabmal  Pauls  IL 

Das  Monument  Pius'  ü.  ist  in  seiner  gegenwärtigen  Anordnung 
nicht  glücklich,  aber  es  liegt  die  Vermuthung  nahe  dass  Car- 
dinal Alessandro  Feretti,  der  es  im  Jahre  1614  in  der  von  ihm  er- 
bauten Theatinerkirche  Sant'  Andrea  della  Valle  an  einem  Pfeiler 
des  mächtigen  Mittelschiffs  über  dem  Sängerchor  aufstellen  liess, 
manches  daran  änderte,  Der  Sarkophag  mit  der  Bildsäule  des 
Todten,  die  Reliefs  über  und  unter  demselben,  auf  jenem  die 
Madonna  und  das  Kind  von  Cherubim  umgeben,  der  Papst 
knieend  mit  S.  Peter  und  S.  Paul,  auf  diesem  die  Ceremonie 
der  Uebertragung  des  Hauptes  des  h.  Andreas,  sind  ohne 
Zweifel  vom  ursprüngUchen  Monument  welches  dem  Pasquino 
von  Montepulciano ,  einem  Schüler  Filaretes,  zugeschrieben 
wird.  Ueber  die  ^^usführung  zu  urtheüen  erlaubt  die  Höhe 
nicht. 

Pauls  H.  Grabmal,  welches  Cardinal  Marco  Barbo  errichten 
Hess,  galt  für  das  schönste  in  der  alten  Peterskirche.    £s  war 
ein  grosser  Marmorbau.    Auf  hohem  Sockel  an  welchem  man 
die  drei  göttlichen  Tugenden  nebst  Reliefs  der  Schöpfung  des 
Menschen  und  des  Sündenfalls  sah,  stand  in  viereckigem  von 
Pfeilern   und   zwei   mit  Blätterwerk   verzierten    Säulen   einge- 
schlossenem Raum  der  ziemlich  einfache   Sarkophag  mit  der 
ruhenden  Gestalt  des  Papstes,  darüber  ein  Relief  mit  der  Dar- 
stellung der  Auferstehung  Christi,  das  Ganze  über  dem  Ge- 
simse  durch    einen    reichgeschmückten    Bogen    abgeschlossen 
innerhalb  dessen  in  einem  figurenreichen  Rehef  das  Weltgericht 
erschien.     Schon  in  Julius'  H.  Zeit  wurde  dies  Monument  vou 
seiner  Stelle  in  St.  Peter  entfernt,  und  Vasari  berichtet  dass 
dasselbe  unter  Schutt  liegen  blieb,  bis  einige  Venetianer  sich 
dessen  im  Jahre  1547  erbarmten  und  es  im  noch  erhaltenen  alten 
Theil  der  BasiUka  neben  der  Kapelle  Innocenz'  VUI.  wiederer- 
richteten, eine  Stelle  von  welcher  dasselbe  beim  endUchen  Aus- 
bau der  Kirche  wieder  weichen  musste,  um  fragmentarisch  in  die 
vaticanischen  Grotten  zu  wandern,  wo  das  Halbrund  des  Welt- 
gerichts von  der  lebensvollen,  so  im  Kreise  der  den  Heiland 
umgebenden  Apostel  wie  in  den  Gruppen  der  Sehgen  und  \'er- 
dammten   künstlerisch  berechneten   Composi|ion   wie  von  der 
vortrefflichen  Marmorausführung  Kunde  giebt.    Mino  da  Fie- 
sole hat  es  wie  Wenige  verstanden,  vollkommene  Naturwalir- 
heit,  durch  welche  seine  Figuren  und  Büsten  hervorragen,  mit 
grosser  ZierUchkeit  des  Ornaments  zu  vereinigen,  welches,  ohne 


Form  der  Grabmäler.  401 

seinen  plastischen  Karakter  zu  verlieren  und  in  Ueberfulle  aus- 
zuarten, mit  den  Schöpfungen  des  Pinsels  an  Manchfaltigkeit 
und  Zartheit  zu  wetteifern  scheint.  Unter  seinen  römischen 
Werken  werden  noch  das  Grabmai  des  Francesco  Tomabuoni 
in  Sta  Maria  sopra  Minerva  und  ein  reichverzierter  Altar  für 
Sta  Maria  maggiore  genannt,  welchen  Cardinal  d'Estouteville 
ausfuhren  Hess  und  von  welchem  einige  anmuthige  Reüefs 
gegenwärtig  in  der  Paramentenkammer  neben  der  Sacristei  an- 
gebracht sind. 

Die  Form  der  Grabmäler  hatte  begreiflicherweise  die  Wand- 
lungen der  Architektur  mehr  noch  als  die  der  Sculptur  mit- 
durchgemacht.   Der  antike  Sarkophag  war  auf  das  Mittelalter 
übergegangen,  indem  er,  auch  abgesehn  von  der  Verwendung 
schon  vorhandener  Werke,  mehr  die  antikisirende  Form  nach- 
ahmte als  die  Ausartung  der  christlichen  Imperatorenzeit  theilte, 
wovon  wir  in  den  Porphyrladen  der  Helena  und  Constantia  in  Rom 
und  in  dem  mit  Pilastern,  Thüren  und  die  Gestalt  eines  gewölb- 
ten Daches  nachahmendem  Deckel  versehnen  angebUchen  Sar- 
kophag des  Honorius  in  der  Grabkapelle  der  Galla  Placidia  zu 
Ravenna  Beispiele  sehen.  Die  Sitte  des  Begrabens  an  der  Aussen- 
seite  der  Kirchen  fülirte  allerlei  Modifikationen  der  Form  herbei. 
Man    brachte    die    Grabmäler,    gewöhnlich    Marmorkasten    in 
längUchem  Viereck,   entweder  auf  niederm   Untersatz  an   der 
Mauer  der  Fagade  an  und  überbaute  sie  mit  einem  Dach  oder 
Baldachin,  oder  man  stellte  sie  höher  an  der  Wand  auf  Con- 
solen.     In  Rom  finden  sich  wenigstens   heute  keine  Beispiele 
dieser  in  Mittel-  und  Oberitalien  nicht  seltnen  Anordnung.    Die 
Üachform  folgte  in   ihren  Modificationen   denen   des  Baustils 
überhaupt.     Die  Cosmatenschule  spiegelt  in  Rom   den  Ueber- 
gang  aus  der  vorgothischen  in  die  gothische  Zeit;  die  von  ihr 
mit  so  vielem   Glück  zur  Geltung  gebrachte  Form   des  Grab- 
mals erhielt  sich  im  wesentlichen  auch  später,  wenngleich  nicht 
ausschUessend.     Wenn   man    hier   keine  Beispiele  jenes    Stils 
findet  der  in  der  Lombardei  wie  in  Süditalien  heimisch  wurde, 
jene  mächtigen  zum  Theil  pyramidalischen  Bauten  von   denen 
die  Mausoleen  der  Della  Scala  in  Verona  und  die  der  Anjous 
und    Durazzesken   in   Neapel,    andrerseits    die   Laden    des    li. 
Augustin  in  Pavift  und  des  Petrus  Martyr  in  Mailand  wie   die 
Monumente  avignonischer  Päpste  Muster  bieten,  so   hat  dazu 
wol   mitgewirkt,   dass   der  Spitzbogenstil  hier   überhaupt   eine 

V.  Keumont,    Kom.    III.  26 


402  Form  der  Grabmäler.    Tliätigkeit  Sixtus'  IV. 

precäre  Existenz  hatte  und  die  Glanzepoche  dieser  gewaltigen 
Werke  mit  dem  heinahe  gänzUchen  Erlöschen  der  Kunstthatig- 
keit  in  Rom  zusammenfiel.  Dass  die  Gothik  sich  indess  nicht 
ganz  gefangen  gab,  zeigen  die  Monumente  des  Cardinais  von 
AleuQon  in  Sta  Maria  in  Trastevere  und  andere  vom  Ende  des 
vierzehnten  und  dem  Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts. 

Vonnunan  gewinnt  der  florentinische  Renaissancestil  ent- 
schieden das  Ueberge wicht.  Die  alte  Anordnung,  die  hegende 
Gestalt  auf  dem  Sarkophage,  bleibt  auch  jetzt  die  vorherr- 
schende. Ungleich  seltner  sind  schlafende  auf  einen  Arm  ge- 
stützte Figuren,  sehr  selten  sitzende,  später  auch  wol  halbauf- 
gerichtete. Sonst  findet  man  den  einfachen  Sarkophag,  über 
oder  unter  demselben  das  ReUefbild  des  Todten.  Die  Nische 
wird  von  Pilastern  eingeschlossen  welche  entweder  ein  flaches 
Gebälk  oder  einen  das  Ganze  abschhessenden  Rundbogen  tra- 
gen. Nachahmungen  von  Draperien,  ein  unplastisches  Motiv, 
erhalten  sich  lange.  Der  innere  Raum  der  Nische  ist  meist 
durch  ReUefs  ausgefüllt,  am  häufigsten  die  Madonna  zwischen 
Heiligen  oder  der  Heiland.  Die  Ornamente  der  Pfeiler  oder 
Säulen,  des  Architravs  und  des  bisweilen  reichgeschmückten 
Sarkophags  werden  inuner  belebter  in  ihrer  noch  nicht  über- 
triebenen FiUle,  wobei  Blätter-,  Blumen-  und  Rankenwerk 
sich  mit  phantastischen  Bildungen  zu  verbinden  strebt.  Neben 
den  grösseren  Monumenten  halten  auch  die  einfachen  dem 
Fussboden  oder  dem  untern  Theil  der  Wände  eingefugten 
Grabsteine,  so  mit  den  Gestalten  in  FlachreUef  wie  in  Graphit 
mit  den  Stilmodificationen  der  verschiedenen  Zeiten  wenngleich 
in  beschränkterm  Maasse  Schritt. 

Von  allen  Päpsten  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ist  in  Be- 
zug auf  die  Stadt  Sixtus  IV.  in  künstlerischem  Schaffen  der 
thätigste  gewesen.  Von  keinem  andern  vor  dem  Zeitalter 
Leos  X.  sind  so  bedeutende  Monumente  gebUeben  die  allen 
Zweigen  der  schönen  Künste  angehören.  Seine  Regierung  ist 
der  Höhepunkt  der  ganzen  Epoche.  Auch  darin  ist  er  glück- 
lich gewesen  dass  sein  Beispiel  auf  seine  Umgebung  wirkte, 
und  so  durch  gemeinsames  Streben  Rom  zum  Sammelplatz  der 
ausgezeichnetsten  Künstler  MitteUtaUens  wurde.  Wenn  die  von 
Vasari  erzählte  Anekdote  von  der  VorUebe  des  Papstes  für  die 
von  Gold  strotzenden  Gemälde  Cosimo  RosseUis  wahr  ist,  so 
war  Sixtus  IV.  kein  feiner  Kunstkenner,  aber  es  wäre  nicht 


Umwandlung  der  Strassen.  403 

das  erstemal  dass  mittelmässige  Kenner  gprosae  Werke  veran- 
lasst haben.  Seine  Thätigkeit  kam  der  Stadt  nicht  blos  durch 
Errichtung  und  Ausschmückung  von  gemeinnützigen  und  Pracht- 
bauten zugute,  sondern  auch  durch  Vorsorge  för  Wohn- 
lichkeit und  Leichtigkeit  der  Verbindung.  Wer  heute  manche 
Theile  Roms  betrachtet,  kann  sich  einen  annähernden  Begrifi 
Yon  dem  Zustande  machen  in  welchem  die  Stadt  sich  vor 
vier  Jahrhunderten  befand.  Es  war  ein  Häuserknäuel,  ohne 
Ordnung,  ohne  Licht  und  Luft,  ohne  Rücksicht  auf  die  ge- 
wöhnlichsten Bedürfnisse  einer  grossen  Stadt.  Die  Strassen, 
meist  eng  und  unregelmässig,  waren  freilich  von  Papst  Mar- 
tin V.  der  Aufsicht  von  Curatoren  überwiesen  worden ,  aber 
deren  Mühewaltung  scheint  vornehmlich  die  Instandhaltung 
des  Damms  und  den  Abfluss  des  Gewässers  berücksichtigt  zu 
haben.  Den  gründlichen  Anfang  einer  Umgestaltung  verdankt 
man  Sixtus  IV.  Zweierlei  kam  in  Betracht,  Pflasterung  und 
Erbreiterung  der  Wege.  Das  Pflaster  fehlte  bis  dahin,  einige 
von  Nicolaus  V.  verordnete  Anfange  ausgenommen,  beinahe 
völlig,  wenigstens  in  der  Mitte,  meist  auch  längs  den  Häusern. 
Indem  Papst  Sixtus  diesem  Uebelstande  abhalf,  erwarb  er  sich 
den  Ruhm  die  Stadt  aus  dem  Roth  gezogen  zu  haben  —  ein 
Unternehmen,  schwierig  genug  selbst  bei  unvollkommensten 
Resultaten.  Im  Jahre  1474  hiess  es  in  einem  Breve  an  den 
*curator  viarum«  Girolamo  de'  Giganti:  »Unter  unsem  zahl- 
losen ObUegenheiten  steht  die  für  Reinlichkeit  und  Schmuck 
unserer  erhabenen  Stadt  nicht  unten  an.  Denn  wenn  irgend- 
eine Stadt  reinlich  und  gut  gehalten  erscheinen  muss,  so  ist 
es  diese,  der  Welt  Haupt  und  der  Ort,  wo  des  Apostelfursten 
Stuhl  steht.«  Das  Pflaster  der  Engelsbrücke  MTirde  im  Jubel- 
jahre 1475  erneuert,  während  das  Thor  an  derselben  mit  neuem 
Gitter  versehn  ward.  Noch  grössere  Mühe  schuf  die  Erbreite- 
rung. König  Ferrante  von  Neapel  soll  im  Jahre  1475  den  Papst 
auf  die  immerwährende  Gefahr  eines  so  engen  Strassennetzes 
für  die  öffentliche  Sicherheit  aufmerksam  gemacht  haben.  Aber 
es  bedurfte  solcher  Mahnung  nicht:  Roms  ganze  mittelalterliche 
Geschichte,  selbst  die  der  zunächsthegenden  Zeiten  richtete 
dieselbe  an  den  Beherrscher  der  Stadt. 

Die  Bulle  vom  30.  Juni  1480,  von  den  Bauten  und  neuen 
Werken  zum  Schmuck  der  Stadt,  gewährt  eine  Anschauung 
des  Zustandes.    In  manchen Theilen,  heisst  es,  sind  die  Strassen 

26* 


404  Umwandlung  der  Strassen. 

durch  vorgebaute  Portiken,   Buden  und  Balcone   dennaassen 
enge,  dass  die  Passage  durch  dieselben  für  die  zur  Curie  ge- 
hörenden Personen  und  alle  Uebrigen  gehemmt  ist,  selbst  ab- 
gesehn   von   Jubeljahren.     Hieundda,  können    selbst    einzelne 
Reiter   einander  nicht   ausweichen.     Nicht   einmal   die  Fapst- 
strasse  von   der  Engelsbrücke  zum  südhchen  Theil  der  Stadt, 
dieser  Schauplatz  grosser  feierUcher  Cavalcaden,   war  davon 
ausgenonmien:  man  betrachte  noch  heute  die  Curve  beim  Pa- 
last der  Massimi  und  die  Enge  der  von  dem  modernen  Platz 
von  S.  Andrea   della  Valle   bis  zum  Gesu   führenden  Wege. 
Sixtus'  Befehl  ging  nun  dahin,  in  allen  besuchteren  Strassen 
die   Vorbauten   wegzuräumen,    wenigstens   an   den    Seiten  zu 
pflastern,   vorspringende   Häuser   ganz   oder   theilweise  abzu- 
tragen,   verfallene    umzubauen,    solche    an    denen    kein   hin- 
reichender Raum  bUeb  unter  Abfindung  der  Eigenthümer  in 
die   anstossenden   hineinzuziehn ,   neue   Plätze   anzulegen,  die 
vorhandenen  zu   erweitem  und  regelmässiger  zu  machen.    Der 
Camerlengo  Cardinal  d'Estouteville,   ein  gewandter  und  um- 
sichtiger Mann,   sollte   die  obere  Leitung  fuhren,   unter  üim 
zwei  Aedilen  Francesco  de'  Porcari  und  Batista  StagUa  mit  der 
Ausfuhrung  betraut  sein.    Expropriationsrecht  wurde  ihnen  yct- 
liehen,  selbst  wo  es  sich  um  Kirchen-  und  Klosterbesitz  han- 
delte.   Diese  Bulle,  welche  durch  nachfolgende  Päpste,  so  am 
2.  November  1516  durch  Leo  X.  unter  Ernennung  von  Schieds- 
richtern behufs  des  Abfindungspreises  für  die   durch  Wegrau- 
mung  einzelner  Theile  unbewohnbar  gewordenen  Häuser  be- 
stätigt ward,  brach  Bahn.    Rom  ist  in  dem  hier  wesentlich  in 
Betracht  konmienden  Theile  keine  schöne  noch  bequeme  Stadt 
geworden,  aber  es  verdankt  Sixtus  IV.  den  Uebergang  zu  einem 
mehr  civihsirten  Aeussem,   wobei  Gresundheit  und  Helle  ge- 
wannen.   Gerade  an  der  Via  papale  scheinen  zahlreiche  Cor- 
rectionen  vorgenommen  worden  zu  sein,  während  die  Legung 
des  grossentheils  aus  Ziegeln  bestehenden  Seitenpflasters  aucb 
auf  die  Regelung  der  Abzugscanäle  Einfluss  übte.    Schon  fünf 
Jahre  früher  hatte  eine  päpstliche  Bulle  die  Bauthätigkeit  io 
Stadt  und  Umgebung  durch  Vergünstigungen  für  neue  Hauser 
innerhalb  eines  Umkreises  von  zehn  Milhen  zu  fördern  gesucht. 
So  hatte  Nicolaus  V.  im  Jahre   1449  die  im  Rion  der  Monti 
zwischen   dem  Galienusbogen,   Sta   Maria   maggiore  und  Sta 
Prassede  sich  Anbauenden  von  Abgaben  befreit. 


Ponte  Sisto.    Hospiz  von  Sto  Spirito.  405 

Hierauf  wie  auf  wiederholte  Ausbesserung  der  Stadtmauern 
und  Thürme,  so  der  diesseitigen  Stadt  wie  Trasteveres,  auf 
die  Restauration  des  Aquäducts  der  Virgo  und  Verschönerung 
der  Fontane  von  Trevi  durch  Marmorarbeiten,  auf  Herstellung 
des  Corridors  der  Engelsburg,  des  Gefängnisses  von  Tordi- 
nona,  der  nomentanischen  Brücke,  des  Castells  von  Tivoli, 
auf  das  im  Jahre  1474  erneute  Verbot  des  Raubs  von  Steinen 
und  Ornamenten  in  den  Kirchen  beschränkte  sich  Sixtus'  IV. 
gemeinnützige  Thätigkeit  nicht.  Um  das  Jahr  1472  sicherte  er 
Porta  del  popolo  durch  Erbauung  der  beiden  Thürme  welche 
man  mit  modernem  Aufbau  neben  dem  modernen  Thore  sieht. 
Leider  musste  ein  antikes  Grabmal  welches  auf  dem  anstossen- 
den  Platze  stand  und  dessen  Reste  nachmals  von  Paul  IIL  weg- 
geräumt wurden,  die  Marmorquadem  zu  dem  Bau  hergeben. 
Am  29.  April  1473  legte  Sixtus  den  Grundstein  zu  der  nach 
ihm  benannten  Brücke,  welche,  neben  dem  von  Martin  V.  schon 
vor  seiner  Ankunft  in  Rom  ausgebesserten  heutigen  Ponte  rotto 
durchaus  nöthig ,  die  in  Trümmern  liegende  janiculensische  er- 
setzte und  für  das  Jubeljahr  1475  vollendet  ward,  worauf  der 
Papst  besonders  bedacht  gewesen  war  um  den  gefahrvollen  An- 
drang zur  Engelsbrücke  möglichst  zu  vermindern.  Der  Florenti- 
ner Baccio  Pontelli  war  der  Architekt  dieser  aus  vier  Bogen  be- 
stehenden nicht  schönen  aber  dauerhaften  Brücke,  deren  mehr 
denn  einmal  erneuerte  Parapete  heute  einen  gründüchen  Um- 
bau heischen.  Francesco  di  Meo  von  Florenz  imd  der  Römer 
Girolamo  Melini  lieferten  die  Marmorarbeiten.  Eine  Bulle  vom 
16.  August  1473  bestimmte,  dass  die  Geldstrafen  in  Contraven- 
tionsfallen  bezügüch  der  vom  Papste  bestätigten  Statuten  über 
Heiratsgaben,  Schmucksachen  u.  s.  w.  zu  diesem  Bau  verwen- 
det werden  sollten.  Andere  Geldmittel  sind  wol  reichlicher 
gewesen  als  diese,  so  drohend  auch  die  Phrasen  des  neuen 
Luxusgesetzes  lauten  mögen. 

Im  Jahre  1471  begann  der  Neubau  des  Hospitiums  von  Sto 
Spirito.  Der  grosse  Bau  Innocenz'  HI.  war  von  den  Stürmen 
der  Zeiten  hart  betroffen  worden ,  ja  in  den  letzten  Jahren  vor 
dem  Concil  von  Constanz  war  er  mit  völligem  Ruin  bedroht 
gewesen,  als  Neapolitaner  und  Päpstliche  um  den  Besitz  der 
Leonina  stritten,  die  Bombarden  des  Castells  sie  in  Trünmier 
schössen,  der  Glockenthurm  der  Kirche  befestigt  ward,  Paolo 
Orsini   und    der   Graf  von   Troja   in  Angriff  und   Gegenwehr 


406  Sto  Spiiito.     Baccio  Pontelli. 

Portiken  und  Süle  des  Spitals  in  eine  Burg  verwandelten,  die  un- 
glücklichen Bewohner  der  Umgebung  vor  Geschossen  und  Sol* 
datesca  in  der  anstossenden  Kirche  und  anderen  Räumen  Schutz 
suchten.  Eugen  IV.  hatte  sich  des  Spitals  angenommen  dessen 
Genossenschaft  er  der  Augustinerregel  unterwarf,  während  er 
die  Obhut  seinem  Neffen  Pietro  Barbo  übertrug.  Doch  finden 
wir  nicht  dass  Paul  II.  während  seines  Pontificats  die  Anstalt 
bedachte;  dieser  Ruhm  war  seinem  Nachfolger  vorbehalten 
w^elcher  gegen  Ende  des  Jahres  1471  den  Grrundstein  zu  dem 
neuen  Bau  legte.  Architekt  desselben  war  Baccio  Pontelli, 
dessen  sich  Sixtus  IV.  bei  allen  seinen  grossen  wie  kleineren 
Werken  bediente,  sodass  wir  ihn  während  der  ganzen  Begie- 
rungszeit dieses  Papstes  nur  einmal,  und  auch  dann  in  dessen 
Auftrage  ausserhalb  Rom  finden,  nämlich  im  Jahre  1480  in 
Assisi,  wo  er  zum  Schutze  von  Kirche  und  Kloster  des  h. 
Franciscus  die  riesigen  Widerlageu  an  der  Nordseite  baute. 
Wenig  ist  vom  Leben  und  den  Studien  Baccios  bekannt,  der 
bei  einem  florentiner  Bau-  und  Zimmermeister  Namens  Fran- 
cione  in  die  Schule  ging.  Seine  Werke  bilden  recht  eigent- 
lich den  Uebergang  zu  den  vollendeten  Schöpfungen  der  Re- 
naissance, zu  Bramante  und  seiner  Zeit.  Noch  hält  er  an 
Reminiscenzen  der  Gothik  fest,  an  Fensterrosen,  am  Kreoi- 
gewölbe  der  Schiffe ,  an  den  mit  Halbsäulen  zusammengesetzten 
Pfeilern,  während  seine  Bauten  in  anderm,  in  der  aus  dem  Acht- 
eck entwickelten  Kuppel,  in  den  mit  Vorliebe  von  ihm  ange- 
wandten achtseitigen  Pilastern  der  Portiken,  in  der  Ornaoienti- 
rung  der  Facaden  an  denen  die  ein  paarmal  vorkommenden  häss- 
lichen  Voluten  in  ihrer  gegenwärtigen  Form  schwerlich  ihm  zur 
Last  zu  legen  sind,  dem  neuen  Stil  angehören.  Sto  Spirito  ist 
Pontellis  umfassendster  Bau  und  wurde  in  fünf  Jahren  ausge- 
führt. Die  Wirkung  muss  einst  eine  ganz  andere  gewesen  sein 
bevor  die  sechsunddreissig  Bogen  des  Porticus,  welcher  do- 
rische Pilaster  mit  achtseitigen  Pfosten  zeigt,  geschlossen  und 
der  Platz  gegen  die  Engelsburg  zu  durch  die  gegenüber  er- 
richteten Bauten  eingenommen  war.  Die  hohe  achtseitige  Kup- 
pel ist  durch  Fenster  im  Spitzbogenstil  erleuchtet  Der  grosse 
Krankensaal  ist  mit  dreissig  heute  ziemlich  verblassten  Fresken 
geschmückt,  von  denen  sechs  der  Geschichte  Innocenz'  üLt 
die  übrigen  jener  Sixtus'  IV.  angehören,  von  dessen  Hand- 
lungen  sie   unter   andern    den   Neubau   des   Spitals  und  der 


Vaticanischer  Palast.    Sixtinische  Kapelle.  407 

Brücke,  den  Empfang  der  Könige  von  Neapel  und  Danemark, 
der  Königinnen  von  Bosnien  und  Cypern  darstellen.  Barto- 
lommeo  Piatina  verfasste  die  Unterschriften  der  Bilder.  Der 
Palast  welcher  zur  Wohnung  des  Directors  der  grossen  Anstalt, 
des  Commendators  von  Sto  Spirito,  dient,  und  die  Kirche 
wurden  im  sechzehnten  Jahrhundert  umgebaut^  und  von  altem 
ist  nur  der  Glockenthurm  geblieben,  ohne  Zweifel  ein  Werk 
Pontellis,  der  hier  den  Stil  der  alten  römischen  Campanilen 
mit  Glück  verjüngt  hat. 

Der  vaticanische  Palast  verdankt  Sixtus  IV.  bedeutende 
Werke.  Vom  Beginn  seiner  Regierung  an  begegnen  wir  zahl- 
reichen Verordnungen  und  Aufträgen  aller  Art  zu  diesem  Be- 
hufe,  Ankäufe  von  Balken  und  Befehle  zum  Holzfällen  im 
Gebiet  von  Velletri  für  den  grossen  Papstsaal,  Zahlungen  für 
den  Bau  der  Locale  der  Curie,  für  die  Wache,  für  Pferdeställe 
and  eine  Menge  anderer  Arbeiten,  die  nicht  immer  namentlich 
angegeben  sind.  Von  der  Bibliothek  welche  sich  von  der  ge- 
wöhnUchen  Saalconstruction  nicht  unterscheidet,  war  die  Rede. 
Ein  Erlass  inbetreff  der  Bausteine  ist  vom  Jahre  1471,  drei 
Jahre  später  wurden  die  Bücherschränke  geliefert.  Von  un- 
gleich höherer  Bedeutung  ist  die  im  Jahre  1473  begonnene 
sixtinische  Kapelle,  durch  deren  Erbauung  Baccio  PontelU  die 
doppelte  Aufgabe,  einen  einfach  edlen  und  zweckmässigen  und 
für  die  Ausschmückung  mit  grossen  Wand-  und  Deckengemälden 
geeigneten  Raum  zu  schaffen,  glückhch  gelöst  hat.  Ein  läng- 
liches Viereck,  an  den  beiden  Langseiten  eine  Doppelreihe 
korinthischer  Pilaster,  an  einer  dieser  Langseiten  Fenster  in 
der  obern,  durch  eine  auf  drei  Seiten  umlaufende  Gallerie  von 
der  untern  getrennten  Wand,  die  Decke  ein  Tonnengewölbe 
mit  breiten  Flächen,  in  den  Wandanschlüssen  mit  Lunetten 
und  Spitzbogen,  deren  Vereinigung  Michel  Angelo  zu  der 
grossartigsten  und  ideenreichsten  Malerschöpfung  der  Welt 
dienlich  gemacht  hat.  Der  Fussboden  Opus  alexandrinum ,  die 
das  Presbyterium  vom  Vorderraum  scheidenden  Marmor- 
schranken, heutzutage  leider  ohne  die  schönen  Gitter,  und  die 
Sängertribune  mit  zierUchem  maassvollen  Ornament  und  dem 
Wappen  der  Della  Rovere.  Es  ist  ein  in  sich  durchaus  voll- 
endetes, den  Anforderungen  voUkommert^entsprechendes  Werk. 
Nicht  in  gleichem  Maasse  lässt  sich  dies  von  den  von  Pontelli 
gebauten  Kirchen  sagen,  so  vieles  auch  an  denselben  zu  loben 


408  StA  Maria  dcl  popolo  und  andere  Kirchen. 

ist.     Zu  denselben  gehören  Sta  Maria  del  popolo,  im  Jahre 
1472  begonnen  und  nach  fünf  Jahren  vollendet,  dreischiffig,  mit 
achtseitiger    von    vollständigem   Tambour   getragener    Kuppel 
welche  die  erste  dieser  Art  in  Rom  ist.    Sta  Maria  della  pace, 
einschiffig  mit  Kapellen  von  geringer  Tiefe  und  grossem  Chor- 
Octogon,  welches  gewissermaassen  den  Haupttheil  des  Gebäudes 
bildet.     S.   Pietro  in  montorio,  gleichfalls  einschiffig  mit  den 
vorgenannten  ähnelnden  Kapellen,   die  Stirnseite  ein  einfaches 
hohes  durch  ein  stark  vortretendes  Gesimse  in  zwei  Geschosse 
getheiltes  Viereck,  mit  einem  Giebeldreieck,  über  der  mit  einem 
Arabeskenfriese  verzierten  Marmorthüre  eine  Fensterrose,   an 
den  Seiten  flache  Pilaster  in  zwei  Geschossen,  das  Ganze  eine 
der  ansprechendsten    und  verständigsten  Fagaden   in   der  mit 
so   vielen  überladenen  Werken  dieser  Art  prunkenden  Stadt 
umso  anmuthiger  in  der  Wirkung,  da  die  ragende  freie  La^ 
auf  dem  hier  den  schönsten  Umblick  bietenden  Janiculum  nebst 
der  zur  Platform  führenden  doppelten  Freitreppe  die  schlanke 
Form  hervortreten  lässt.     Sant'  Agostino  und  S.  Giacomo  auf 
Piazza  Navona  werden  Baccio  Pontelli  zugeschrieben.  Jedenfalls 
sind  sie  unter  dessen  Einfluss  von  Schülern  ausgeführt,  erstere 
Kirche  in  den  Jahren  1479 — 1483  von  Sebastiano  aus  Florenz 
und  Giacomo  di  Cristofano  von  Pietrasanta,   der  schon  unter 
Paul  n.  bei  dem  Bau  von  S.  Marco  thätig  war.     S.  Agostino, 
von  Cardinal  d'Estouteville  an  der  Stelle  der  vormaligen  Kirche 
S.  Trifone  erbaut,   dreischiffig  mit  hohen  durch  korinthische 
Halbsäulen  verstärkten,  ein  Kreuzgewölbe  tragenden  Pfeilern 
und  einer  Kuppel,    die  Fagade   mit   einem   grossen  und  zwei 
kleineren  Rundfenstem  schwerfällig,  im  ganzen   an  Sta  Maria 
del  popolo  erinnernd.    Die  heute  verlassene  spanische  National- 
kirche an  Piazza  Navona,  mit  flachen  an  den  Seiten  gekuppel- 
ten korinthischen  Pilastem  und   einer  gothischen   Fensterrose 
an  der  breiten ,  am  Giebelgeschoss  völlig  verunstalteten  Fagade, 
scheint  unter  Baccios  Leitung  vollendet  worden  zu  sein,  ob- 
gleich ihre  Gründung  in  die  Mitte  des  Jahrhunderts  fallt   Die 
Vorhallen  an  SS.  Apostoli  und  S.  Pietro  in  vincoli,  für  Car- 
dinal Giuliano   della  Rovere  errichtet,   zeigen  dieselben  acht- 
seitigen Pilaster  welche   dieser  Architekt  so  gerne  anwandte. 
Vielleicht  erfolgte  datnals  die  an   dem  verschiedenen  Maassc 
des  Triumphbogens  wie  an  der  Construction  des  obem  Theils 
der   Fagade    erkennbare    Erweiterung    des    Mittelschi6fs   der 


Paläste.    Abtei  Grottaferrata.  409 

esquilinischen  Kirche,  welche  den  herkömmlichen  Verhältnissen 
alter  Basihken  zu  ihrem  Nachtheil  widerstreitet. 

Andere  von  Pontelli  hergestellte  oder  umgebaute  Kirchen 
sind  im  Lauf  der  Zeiten  mehr  oder  minder  umgestaltet  worden. 
Aach  an  Palastbauten  hat  er  sich  hetheiligt  Die  unter  dem  Namen 
des  Govemo  vecchio   bekannte  gegenwärtig  sehr  verkommene 
vormalige   Residenz    des  Govematore   di   Roma   mit  schönem 
Thor  und  doppeltem  Hofe  wurde  im  Jahre  1475  für  Cardinal 
Stefano  Nardini  von  Forli  erbaut,  in  der  Nähe  eines  von  ihm 
bei  S.  Tommaso  in  Parione  gegründeten  Collegiums  für  arme 
Studirende.     Die  heutige  Wohnung  der  Pönitentiare  von  St. 
Peter  an  Piazza  Scossacavalli  im  Borgo ,  gegenüber  dem  präch* 
tigen   Palast   des    Cardinals   von    Cometo,    entstand   fiir   den 
mehrgenannten   Cardinal  Domenico    della  Rovere.     Auch  die- 
ser  Bau    an     dessen    Fensterarchitraven    man    die    Inschrift 
•Uominicus  de  Ruvere  cardinalis  s.  Clementis«  Uest,  ist  übel- 
zugerichtet  worden.      Wenn    die   Decke   eines   der   Säle   my- 
thologische und  andere  omamentale  Darstellungen,  Ceuta^ren 
und   Sirenen,    Adler   und  Greife,    mosaikartig   auf  Goldgrund 
gemalt  zeigt,  so  fragt  es  sich  ob  dieselben  von  dem  Erbauer 
des  Palastes  herrüliren  oder  vom  Cardinal  Aüdosi,  der  ihn  in 
Julius' II.  Zeit  bewohnte  und  dessen  Wappen  man  neben  dem 
der  DeUa  Rovere  und  dem  savoyischen  sieht.     Ob  Pontelli  an 
Giulianos    della  Rovere  Bau   von  Grottaferrata  Theil   gehabt 
bat,   ob   nicht   vielmehr   dessen  Landsmann  Giuliano  da  San 
Gallo  der  Meister  war,  ist  nicht  bekannt.    Das  Kloster  war 
gleich  anderen  freiUegenden  Bauten  dieser  Art  ohne  Zweifel 
auch  früher  befestigt  und  hatte  bei  manchen  Anlässen  viel  zu 
leiden    gehabt,    so   in   der  Hohenstaufenzeit  wie   unter  Papst 
Sixtus  selbst  im  neapolitanischen  Kriege,  als  der  Herzog  von 
Calabrien  hier  lagerte.     Sixtus   hatte  die  Abtei  seinem  Neffen 
als  Commende  verliehen  und  dieser  errichtete,  wie  es  scheint 
unter  Innocenz'  VIII.  Regierung,   den  heute  unversehrten  Bau, 
ein  Castell  welches  ein  Kloster   einschhesst,  mit  Gräben  und 
Basteien   nach    den  Regeln    der  damals   in  vollständiger  Um- 
wandlung begriffenen  Befestigungskunst,  Mauern,  Thürme,  Pa- 
last mit  Zinnen  gekrönt.     Das  Ganze  eine  unvergleichlich  ma- 
lerische Gebäudegruppe  am  Fuss  der  grünen  tusculaner  Hügel 
auf  einem  von  hundertjährigen  Ulmen  und  Platanen  beschatte- 
ten Plan.    Wahrscheinlich  war  auch  der  Palast  des  Cardinals 


410  Cwtell  von  Ostia. 

d'Estouteville  neben  der  Kirche  Sant'  Apollinare  ein  Werk 
Baccio  Pontellis.  Pedro  de  Luna,  der  oftgenannte  Gegenpapst. 
hatte  hier  eine  Wohnung  in  welcher  im  Jahre  1407  der  Pa- 
triarch von  Alexandria  Simon  de  Cramaud,  Haupt  der  zu 
Gregor  Xu.  gekommenen  französischen  Gesandtschaft  ein* 
kehrte.  D'Estouteville  baute  sie  um  und  brachte  hier  seine 
letzten  Jahre  zu,  worauf  erst  Cardinal  Kaffael  Riario,  dann 
zwei  andere  Nepoten  Sixtus'  lY.  Girolamo  Basso  und  Leonardo 
Grosso  della  Rovere  sie  bewohnten.  Alles  wurde  anders  unter 
Gregor  XIU.,  als  dieser  den  Palast  zum  Local  des  teutsch- 
ungarischen  Collegiums  bestimmte,  von  welchem  er  nach  wech- 
selnden Geschicken  an  das  römische  Seminar  überging. 

Nach  Sixtus'  IV.  Zeit  findet  sich  von  Baccio  Pontelli,  der 
um  das  Jahr   1491  in  Urbino,  wo  er  am  herzoghchen  Palast 
arbeitete,   gestorben   zu   sein   scheint,    keine   Kunde   in  Rom. 
Andere  Florentiner  aber  waren  hier  damals  und  später  thätig. 
Papst  Sixtus  war  noch  am  Leben ,  als  Giuliano  della  Rovere  den 
Bau  der  Citadelle  von  Ostia  begann  welchen  er  im  Jahre  i486 
beendigte.     Cardinal  d'Estouteville  hatte  den  kleinen  Ort,  wel- 
cher die  Stürme   des  Mittelalters  überstanden  hatte  und  wo 
auch  Martin  V.  einige  Arbeiten  unternommen  haben  muss ,  mit 
schwachen   Mauern    umgeben    und    den   Bau   der  Kathedrale 
Sant*  Aurea   begonnen.      Della   Rovere    beschloss   ein  Castell 
anzulegen   welches    die   alte   Strommündung    zu   schützen  im 
Stande    wäre,    gleichsam    die    Stürme    ahnend    die   so   bald 
über  ihn   selbst   hereinbrechen   sollten.     Die   grosse  Inschrift 
am   Hauptthurme    besagt:    Julian    von    Savona   Cardinal  von 
Ostia   errichtete   diese  Burg   zur  Zuflucht   aus   den   Gefahren 
der  See,  zum  Schutz  der  römischen  Campagna,  zur  Befeslägong 
Ostias  und    zur  Sicherung   der  Tibermündung,   indem   er  sie 
unter  der  Regierung  Papst  Sixtus'  IV.  seines  Ohms  begann,  unter 
Papst  Innocenz  VIII.  mittelst  Anlegung  der  durch  den  Fluss 
gefüllten  Wassergräben  auf  seine  Kosten  zu  Ende  führte,  im 
Jahre   des   Heils    1486,   im   2115.   nach  Ostias  Erbauung,  im 
2129.   nach  Ancus   deüi    Grründer   der  Stadt.     Das   Fort  tod 
Ostia,  heute  im  Winter  von   Sträflingen  bewohnt  welche  bei 
den  Ausgrabungen   im  Umkreise   der   alten  Stadt   beschädigt 
sind,  ist  in  seinem  Verfall  die  schönste  Ruine   des  spätesten 
Mittelalters  in  Roms  Umgebung.    Der  die  Spitze  des  Dreiecks 
bildende   mächtige  Hauptthurm,   welcher   die   beiden  anderen 


Giuliano  da  San  Gallo.    Castelle  von  Subiaco,  Bracciaiio  u.  a.       411 

runden  Eckthürme  und  die  gleich  denselben  von  einem  massi- 
ven Consoiengesimse  gekrönte  Mauer  überragt,  an  vielen  Stellen 
schadhaft  und  nicht  immer  geschickt  ausgebessert,  schaut  weit- 
hin über  Land,  Strom  und  See,  im  Einklang  mit  dieser  öden, 
lautlosen,  von  Schutt  und  Sanddünen  gebildeten  Niederung, 
über  welche  schlanke  Pinien  ihre  breiten  Kronen  ausbreiten, 
am  melancholischen  Ufer  des  gelben  Stroms  welchen  seltene 
Fahrzeuge  und  Fischerbarken  beleben,  nicht  ferne  von  der 
prächtigen  Pineta  von  Castel  Fusano  deren  immergrüner  Baum- 
gürtel weithin  den  durch  die  Thaten  der  Aeneis  berühmten 
Strand  umsäumt.  Architekt  dieses  schönen  Castells,  welches 
vermöge  der  Bauart  im  Innern,  wo  die  Casematten  \md  ver- 
deckten Gänge  mit  grossem  Geschick  angelegt  sind  und  der 
beschränkte  Raum  sehr  glückUch  benutzt  ist,  dem  Sachver- 
ständigen sich  empfiehlt,  war  der  Florentiner  Giuhano  Giam- 
berti  genannt  da  San  Gallo,  aus  derselben  Schule  mit  Pontelli 
hervorgegangen,  der  älteste  einer  Künstlerfamilie  welche  auch 
in  Rom  bleibende  Spuren  zurückgelassen  hat.  Schon  im  Jahre 
1472  war  Giuliano  neunundzwanzigjährig  in  Rom,  wo  wir  ihn 
noch  in  voi^erücktem  Alter  thätig  sehn  werden. 

Wenn  das  Fort  von  Ostia  einen  bedeutenden  Fortschritt 
im  Kriegsbauwesen  repräsentirt  und  noch  in  der  zweiten  Hälfte 
des  sechzehnten  Jahrhunderts  als  Muster  geltend  unter  den 
uns  erhaltenen  Werken  dieser  Art  in  Roms  Umgebung  die 
erste  Stelle  einnimmt,  so  fehlt  es  nicht  an  anderen  die  den 
Uebergang  vom  einfachen  Befestigungssystem  des  Mittelalters 
zu  dem  künstlichen  imd  complicirten  bezeichnen,  welches  mit 
der  Vervollkommnung  der  Artillerie  entstand  und  gleichen 
Schritt  hielt.  Nicolaus*  V.  Citadellen  liegen  ausserhalb  des 
Kreises  der  hier  vorzugsweise  in  Betracht  kommt,  und  die 
unter  seiner  Regierung  von  den  Colonnesen  wiederaufgerichte- 
ten Befestigungen  von  Palestrina  gehören  ebenso  dem  alten 
System  an  wie  Pius'  IL  Burg  in  Tivoli.  Zu  den  letzten  Bei- 
spielen derselben  Art  ist  wol  das  Castell  von  Subiaco  zu  zäh- 
len welches  gemäss  der  Inschrift  am  grossen  Thurme  Cardinal 
Kodrigo  Borgia  im  Jahre  1476  mit  dreifachem  Mauerkreise  neu 
baute  und  mit  Geschütz  versah,  und  die  gewaltige  Burg  von 
Bracciano  die  dem  im  Jahre  1480  gestorbenen  Napoleon  Orsini 
ihre  Entstehung  verdankt.  Ein  riesiges  dem  Castelnuovo  Neapels 
ähnelndes  Fünfeck  dessen  hohe  Rundthürme  in  die  gleich  hohe 


412  Soiistij»e  Bauwerke  Sixtus*  IV. 

mit  Zinnen  und  Consolengesimseu  gekrönte  Mauer  eingelassen 
sind,  die  zugleich  die  Wohnung  und  den  Hofraum  umschliesst, 
während  ein  breiter  Grang  längs  den  Zinnen  um  das  ganze  Ge- 
bäude läuft,  dessen  ragende  Lage  auf  der  scharfen  Kante  des 
den  schönen  See  bildenden  Kraters  die  grossartig  und  eigen- 
thümUch  malerische  Wirkung  erhöht.  Die  Folgezeit  sah  dann 
kriegerische  Bauten  neuen  Stils  entstehn.  Wie  wir  Papst 
Alexander  VL  die  Aussenwerke  der  Engelsburg  umbauen,  Ci- 
yita  Castellana  befestigen  sehn  werden ,  liess  Napoleon  Orsinis 
Sohn  Gentile  Virginio  im  Kampfe  mit  den  Borgia  im  Jahre 
1490  durch  Francesco  di  Giorgio,  den  gelehrtesten  Militar- 
architekten  seiner  Zeit,  die  heute  in  Trümmern  liegende  Burg 
von  Campagnano  errichten  und  die  Cast«lle  am  sabatinischen 
See  verstärken.  Die  zahlreichen  Zeichnungen  die  uns  von 
Werken  dieser  Art  erhalten  sind ,  welche  grossentheils  bald  in 
Trümmer  sanken  oder  umgestaltet  wurden,  geben  eine  klare 
Anschauung  von  der  Form  der  meist  niederen  Thürme  und 
dem  System  der  Basteien,  bedeckten  Gänge  und  Aussenwerke. 
die  den  Uebergang  zu  dem  modernen  Festungswesen  bilden 
welchem  sie  an  malerischem  Effect  weit  vorausgelm. 


9. 

FORTSGHREITEKDER  EINFLUSS   DER  ANTIKEN   ARCHITEKTUB. 

Die  grossartige  Thätigkeit  Sixtus'  IV. ,  von  welcher  noch 
einmal  bei  der  Besprechung  der  Malerwerke  der  Zeit  die  Rede 
sein  wird  und  woran  die  Cardinal -Camerlenge  Latino  Orsini 
und  D'Estouteville  sich  betheiligten,  hat  in  Rom  noch  andere 
0  Monumente  zurückgelassen.  Namentlich  war  das  Jubeljahr 
1475  an  Herstellungen  von  Kirchen  reich.  S.  Cosimato  und 
S.  Salvatore  in  Trastevere,  SS.  Nereo  ed  Achilleo,  SS.  Quirico 
e  Giulitta  bei  Tor  de'  Conti  u.  a.  wurden  damals  mehr  od« 
minder  umgebaut.  Zahlreiche  andere  Arbeiten  gingen  damit 
Hand  in  Hand.  Der  Palast  von  San  Marco,  die  Kapelle  Car- 
dinal Torquemadas  in  Sta  Maria  sopra  Minerva,  die  Tribnof 
der  Apostelkirche,  der  Palast  der  Sapienza,  die  Castelle  von 


Werke  Innocenz' Vin.  413 

Tivoli  und  Ronciglione,  Bauten  in  Viterbo,  Orvieto  und  an- 
deren Städten  nahmen  den  thätigen  Papst  in  Anspruch.  Dass 
er  auch  für  Erhaltung  antiker  Monumente  sorgte,  ergiebt  sich 
aus  der  in  den  Jahren  1473  und  1474  stattgefundenen  Restau- 
ration der  Marc  Äurelsstatue,  so  des  ehernen  Bildes  selbst  wie 
des  Fussgestells,  eine  Restauration  die  nicht  ohne  Belang  ge- 
wesen sein  kann,  da  sie  675  Goldgulden  kostete,  und  bei  wel- 
cher dem  Werke  ein  anderer  Platz,  immer  noch  vor  der  late- 
ranischen  Basilika,  angewiesen  wurde.  Die  am  capitolinischen 
Tabularium,  dem  damaligen  Salzmagazin,  im  Jahre  1477  vor- 
genommenen Arbeiten  förderten  ohne  Zweifel  keinen  archäolo- 
gischen Zweck,  wie  denn  die  Zerstörung  des  in  dieser  Zeit 
aufgefundenen  Rundtempelchens  des  Hercules  am  Forum  boa- 
rium,  dessen  Inschriften  man  im  Conservatorenpalaste  liest, 
au  den  Tag  legt  wie  gering  die  Reste  des  Alterthums  geachtet 
wurden ,.  wenn  man  das  Material  oder  einzelne  Theile  derselben 
anders  verwenden  konnte.  Neben  den  namhaften  Künstlern 
die  wir  unter  Slxtus  IV.  beschäftigt  fanden ,  kommen  viele  an- 
dere vor  von  denen  die  Kunstgeschichte  nichts  weiss ,  grossen- 
theils  Florentiner,  neben  ihnen  Lombarden  und  einige  Römer 
wie  andere  aus  dem  Kirchenstaat. 

Für  Sixtus'  Nachfolger  trat  derselbe  Umstand  ein  wie  bei  Ni- 
colaus' V.  Tode.  Die  Regierung  Innocenz'  VIII.  erscheint  wenig 
bedeutend,  wozu  allerdings  noch  mitwirkt  dass  die  ihm  ge- 
hörenden Werke  theils  zerstört  theils  vöUig  unkenntlich  sind. 
Ersteres  ist  der  Fontäne  des  Petersplatzes  und  der  Kirche 
Sta  Maria  in  Via  lata  begegnet,  jene  im  Jahre  1490  errichtet, 
diese  am  23.  August  des  folgenden  Jahres  begonnen,  wobei 
leider  die  Reste  eines  antiken  Bogens  abgetragen  wurden  an 
welchen  sich  die  frühere  Kirchenfa^^ade  lehnte ,  wie  denn  über- 
haupt Papst  Innocenz  an  der  Erhaltung  alter  Bauten  keinen 
grossen  Antheil  genommen  zu  haben  scheint,  indem  er  frei- 
stellte, Traverdnblöcke  zu  nehmen  wo  man  deren  fand.  Die 
Fontane  war  mit  Sculpturen  geschmückt  und  bestand  aus  zwei 
übereinander  angebrachten  runden  Schaalen:  in  ganz  Italien, 
sagt  Stefano  Infessura,  sah  man  keine  ähnliche.  Auch  die 
Arbeiten  welche  Innocenz  VIII.  in  St.  Peter,  im  Lateran  und 
anderwärts  ausführen  Uess,  sind  verschwunden.  Das  Ta- 
bernakel in  welchem  er  die  h.  Lanze  verwahrte,  ist  mit  der 
vom   Cardinal   Lorenzo  Cybo   in   St.  Peter   erbauten   Kapelle. 


416  Zerstörung  der  Meta.    Appartaniento  Borgia. 

Castellana  herrührt.  Alexanders  VI.  Namen  liest  man  noch 
heute  am  Castell,  dessen  oberer  Theil  im  Jahre  1497  durch 
einen  in  4^  Pulvermagazin  eingedrungenen  Blitz  arg  beschä- 
digt aber  von  demselben  Papste  hergestellt  ward.  Thore  und 
Thürme  an  den  zwischen  dem  Vatican  und  der  Engebburg  be- 
findhchen  Befestigungen  wurden  im  Jahre  1492  ausgebessert,  der 
den  Palast  mit  dem  Castell  verbindende  Corridor  tlieilweise  neu- 
gebaut. Die  Anlage  der  Via  Alessandrina  brachte  den  Resten 
der  sogenannten  Meta  den  Untergang.  Seit  vielen  Jahrhunder- 
ten des  Marmorschmucks  entkleidet,  seit  lange  in  ein  Vorwerk 
der  Engelsburg  umgewandelt  und  mit  Bombarden  besetzt, 
wurden  die  Trümmer  des  angeblichen  Romulus-  oder  Scipio- 
grabes  nun  dem  Erdboden  gleichgemacht  um  für  die  erste 
Strecke  der  neuen  Strasse  Raum  zu  gewinnen.  Ueber  den 
Rest  des  Platzes  verfugte  nachmals  JuUus  U.  zum  Bau  von 
Wohnungen  für  die  Sänger  der  Kapelle.  Der  vaticanische 
Palast  und  seine  Umgebung  wurden  nicht  minder  bedacht 
Innocenz'  VIII.  Brunnen  wurde  unter  Leitung  des  berühmten 
Architekten  Bramante  von  Urbino  verschönert,  die  Loggia 
der  Segenertheilung  vollendet  wie  man  sie  in  RaffaeU 
Bilde  des  Incendio  sieht.  Die  Residenz  Nicolaus'  IIl.  und 
V.  sah  neue  grossartige  Werke  entstehn.  Noch  bewahren 
die  Säle  und  Gemächer  hinter  dem  ersten  Stockwerk  der 
Loggien  als  Appartamento  Borgia  den  Namen  ihres  Erbauers, 
der  sie  auch  theilweise  durch  Malereien  schmücken  liess  worin 
Leo  X.  ihm  nachfolgte.  Auf  dem  rechten  Tiberufer  liess 
Alexander  VI.  die  Porta  Settimiana  neubauen  welche  noch  die 
von  ihm  ihr  gegebene  Gestalt  hat.  Ueberdies  erneuerte  er. 
oder  vielmehr  in  seinem  Namen  Cardinal  Juan  I^opez  von  Va- 
lencia sein  vormaliger  Geheimschreiber,  den  Brunnen  auf  dem 
Platze  vor  Sta  Maria  in  Trastevere,  welchen  Alexander  \' II. 
mit  einem  neuen  vertauschte.  In  der  eigentlichen  Stadt  wurden 
die  Kirche  S.  Niccolo  in  carcere,  Dach  und  Fussboden  von 
SS.  Apostoli  hergestellt,  die  von  Calixtus  III.  begonnene  Decke 
in  Sta  Maria  maggiore  vollendet.  Der  Tradition  zufolge  würfle 
das  erste  aus  Amerika  gesandte  Gold  zur  Ausschmückung  der 
Cassetten  gebraucht,  welche  unter  allen  römischen  Werken 
dieser  Gattung  die  zierUchsten  sind.  Von  dem  Neubau  der 
Universität  war  schon  die  Rede. 

Indessen    sind    es    nicht    die    von   Alexander  VI.    selbst 


Der  Palaststil.    Bramaiite.  417 

ausgefiihrten  "Werke  sondern  die  Schöpfungen  mehrer  Cardi- 
näle  seinerzeit,  welche  in  der  Kunstgeschichte  Epoche  bilden. 
Unter  diesen  Cardinälen  stehn  obenan  Giuliano  della  Rovere, 
Raflael  Kiario,  Adriano  Castellesi.  Alle  drei  haben  ein  be- 
wegtes Leben  geführt:  alle  drei  haben  in  Roms  politischer  und 
Hofgeschichte  nicht  minder  als  auf  künstlerischem  Gebiete 
einen  Namen  hinterlassen  und  der  erste  von  ihnen,  dem  wir 
unter  den  beiden  vorhergegangenen  Pontificaten  auf  diesem 
Gebiete  begegneten,  hat  als  Cardinal  den  Papst  verkündet. 
Inderthat  bildet  die  Kunst  der  Jahre  die  wir  hier  betrachten, 
die  ersten  Gheder  der  Kette  welche  die  Regierungszeit  JuUus'  IL 
und  Leos  X.  umschlingt.  Vor  allem  ist  dies  der  Fall  in  der 
Architektur.  Baccio  Pontelli  und  die  beiden  Sangallo  bilden 
den  Uebergang  zu  Bramante.  Mit  Bramante  aber  beginnt  der 
eigentliche  moderne  Palastbau ,  für  welchen  vonnunan  Rom  die 
vornehmsten  Muster  hergiebt.  Der  florentinische  Palaststil, 
wie  Benedetto  da  Majano  und  Giuliano  da  Sangallo  ihn  unter 
Bewahrung  seiner  Eigenthümlichkeit  in  der  Behandlung  und  Ab- 
stufung der  Bossagen ,  der  Ausbildung  der  durch  eine  Mittelsäule 
getheilten  Rundbogenfenster,  der  Markirung  der  Geschosse  zur 
höchsten  Vollendung  brachten ,  hatte  schon  in  Albertis  Werken 
durch  die  Verbindung  decorativer  Pilaster  verschiedener  Ordnun- 
gen mit  glätteren  Bossagen,  antikisirendem  Ornament  an  den 
rechtwinkligen  Thüren ,  Andeutung  des  Vierecks  in  den  Bogen- 
fenstern wie  wir  es  am  Palast  Rucellai  gewahren,  den  Uebergang 
zu  Bramantes'  Fa^ade  und  in  gleichem  Maasse  zu  dessen  Hof- 
raum vermittelt.  Das  Festungsartige  ist  an  diesen  römischen 
Palästen  verschwunden,  obgleich  das  hohe  einfache  Erd- 
geschoss  mit  den  kleinen  viereckigen  Fenstern  noch  daran 
erinnert.  Die  Bossagen  sind  abgeglättet,  die  Geschosse  durch 
vollständig  entwickelte  Gebälke  getheilt  auf  denen  die  Stilo- 
baten  der  zwischen  den  Fenstern  der  oberen  Stockwerke  paar- 
weise angebrachten  Pilaster  ruhen,  die  Fenster  des  Haupt- 
geschosses mit  geradem  Sturz  aber  mit  Rundbogen  im  Lichten. 
Der  Eindruck  des  Ganzen  ist  ein  überwiegend  ruhiger  und  har- 
monischer vermöge  der  maassvollen  Behandlung  und  der  Ver- 
meidung zu  starker  Profilirungen,  worin  bei  einem  so  mächtigen 
Bau  wie  der  Palast  Cardinal  Riarios  vielleicht  zu  weit  gegangen 
ist.  Die  Hofräume  zeigen  theils  ein  von  Pilastern  getragenes 
Hallen -Grundgeschoss,   theils  umlaufende   Säulenarkaden   von 

▼.  Reumo&i,  Rom.    IJI.  27 


418  Paläste  Riario  und  Casteilesi.    S.  Pietro  in  vincoli. 

schönstem   Effect,    wobei   Adel    und   Grossartigkeit   sich  mit 
Leichtigkeit  und  Anmuth  verbinden. 

So  sind  die  schönen  Paläste  welche  Bramante  für  die 
Cardinäle  Riario  und  Casteilesi  errichtete.  Jener,  welcher  die 
umgebaute  Kirche  S.  Lorenzo  in  Damaso  einschUesst,  wird 
heute  nach  dem  Cardinal  Vicekanzler  die  Cancellaria,  dieser 
nach  seinen  späteren  Besitzern  Giraud  oder  Torlonia  benannt 
Der  Hofraum  der  Cancellaria  ist  der  imposanteste  und  form- 
reinste Roms,  üebrigens  wurden  diese  Arbeiten  Bramantes 
unter  Alexanders  VI.  Regierung  nur  begonnen  und  sie  gehören, 
der  letztere  vielleicht  ganz ,  vielmehr  der  Zeit  Juhus'  11.  an 
als  der  seinigen.  Denn  Bramante,  welcher  sowol  in  der  Ro- 
magna  wie  in  der  Lombardei  namentlich  unter  Lodovico  U 
Moro  viel  gebaut  hatte,  kam  nicht  vor  dem  Jahre  1499  nach 
Rom ,  wo  er  von  Alexander  VL  alsbald  beschäftigt  ward.  Der 
Palast  Raffael  Riarios,  ursprünglich  vielleicht  nur  ein  Umbau 
jenes  des  Cardinais  Scarampi,  war  damals  längst  im  Bau  be- 
griffen ,  und  vielleicht  gehören  nur  Fagade  und  Hofraimi  dem  ge- 
nialen Urbinaten.  Giuliano  della  Rovere,  welcher  sich  nacbmab 
Bramantes  mit  Vorliebe  bediente ,  hatte  beim  Bau  seiner  Woh- 
nung bei  S.  Pietro  in  vincoU  Giuliano  da  Sangallo  zum  Archi- 
tekten. Sie  ist  dem  Porticus  und  Unken  Seitenschiff  der  Kirche 
angebaut  und  von  keiner  besondern  Bedeutung.  Auch  das 
Kloster  der  regulären  Chorherren  zur  Rechten  der  Basilika 
wird  demselben  Künstler  unter  Theilnahme  seines  Bruders 
Antonio  zugeschrieben,  wobei  es  freiUch  ungewiss  bleibt  ob 
der  schöne,  vom  Bauherrn  als  Cardinal  begonnene  als  Papst 
vollendete  Hof  mit  seinen  Säulenarkaden  im  Erdgeschoss  von 
den  Sangallo  oder  von  Bramante  herrührt  Der  originelle  und 
zierliche  Brunnen  mit  seinem  von  vier  ionischen  Säulen  getra- 
genen Dach  und  der  mit  Masken  und  anderen  Ornamenten  ge- 
schmückten Marmormündung,  welche  einem  viel  spätem  Künstler 
Simon  Mosca  von  Settignano  zugeschrieben  wird,  wurde  von 
Julius  n.  begonnen,  vom  Cardinal  Leonardo  Grosso  della 
Rovere,  der  auch  den  Titel  von  S.  Pietro  in  vincoli  führte, 
vollendet.  Während  alle  diese  Bauwerke  vollkonmien  erhalten 
sind,  deuten  an  dem  von  Alexander  VI.  als  Cardinal  bewohn- 
ten, bei  seiner  Erhebung  an  die  mailändischen  Sforza  dann  an 
deren  Agnaten  von  Santa  Fiora  gelangten  Palaste  nur  Arkaden- 
reste des  Hofraums  auf  dessen  vormalige  Gestalt. 


Wohnhäuser.    Verwendung  antiken  Materials.  419 

Begreiflicherweise  mussten  die  verschiedenen  Phasen  im 
Palaststil  auch  auf  den  Bau  der  gewöhnlichen  Wohnhäuser 
Einfluss  üben.  Wären  gerade  hier  die  Umwandlungen  nicht 
so  unablässig  gewesen,  so  würde  die  Parallele  mit  den  grösse- 
ren Bauten  vollständiger  geführt  werden  können  als  es  gegen- 
wärtig der  Fall  ist.  Doch  sind  in  demjenigen  Theile  der  Stadt 
welcher  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts 
vorzugsweise  gesucht  war,  einige  Häuser  dieser  Zeit  geblieben. 
Bei  Sta  Maria  della  pace  erinnert  eines  derselben  lebhaft  an 
den  florentinischen  Bossagenstil,  Rundbogenfenster,  die  beiden 
unteren  Geschosse  ohne  eine  Spur  von  Ornament,  das  dritte 
mit  ionischen  Pilastern,  während  daselbst  ein  anderes  Haus 
mit  Bossagen  im  Erdgeschoss,  Fenstern  mit  geradem  Sturz, 
ionischen  und  korinthischen  Pilastern  an  den  beiden  oberen 
Stockwerken,  schon  auf  spätere  Jahre  hindeutet.  Letzterer 
Zeit  gehört  auch  das  von  dem  Florentiner  Gio.  Federigo  Mar- 
telli,  einem  der  Abbreviatoren ,  gebaute  Haus  in  Via  dell' Orso 
mit  zierlicher  Thüre  und  geradlinigen  Fenstern ,  und  eben  dort 
ein  kleineres,  leider  neuerdings  arg  verunstaltetes  welches 
schon  an  Bramante  mahnt.  Ein  gleiches  ist  der  Fall  mit  der 
in  Via  del  Governo  hegenden  Wohnung  Gio.  Pietro  Turcis 
von  Novara,  eines  päpstlichen  Geheimschreibers,  welche  die 
Jahrszahl  1500  trägt.  Uebermässig  hoch  bei  .nur  drei  Fenstern 
Breite  macht  sie  doch  mit  den  Bossagen  des  Erdgeschosses, 
mit  flachen  toscanischen  Pilastern  an  den  oberen  und  Rund- 
bogenfenstern,  von  denen  die  des  ersten  Stockwerks  mit  ge- 
radem Sturz  gekrönt  sind,  eine  so  harmonische  wie  ruhig  an- 
muthige  Wirkung.  Die  technische  Ausführung  der  Bauten 
dieser  Epoche  ist  im  ganzen  sorgfältig.  Baccio  Pontelli  und 
Giuhano  da  Sangallo  liebten  den  Ziegelbau  und  wir  haben  von 
Beiden  Muster  tüchtiger  Behandlung.  In  Bramantes  grossen 
Werken  herrscht  der  Travertin  vor,  welcher  übrigens  auch 
von  den  Genannten  abwechselnd  mit  Marmor  an  Thüren,  Fen- 
stern, Profilirungen  gebraucht  wurde.  Die  oft  vernommene 
Klage  der  Beraubung  des  Colosseums  ist  in  diesem  Falle  wol 
schwerlich  grundlos.  Dass  man  den  Marmor  von  antiken 
Bauten  nahm,  wie  z.  B.  zum  Zweck  der  Ausschmückung  der 
Cancellaria  und  der  Kirche  S.  Lorenzo  in  Damaso  Werke 
Gordianus'  HI.  auf  der  esquihnischen  Höhe  beraubt  wurden, 
giebt  für  die  Befolgung  der  Vorschriften  Pius*  II.  den  Maassstab. 

27* 


420  Kircheiibauten.    Sta  Maria  dell*  aninia. 

Die   innere   Decoration,    wie  wir  sie  heute  erblicken,   gehört 
wesentUch  dem  folgenden  Jahrhundert  an. 

An  den  Kirchen  deren   Gründung  in   diese  Zeit  fallt,  ist 
wenig  oder  nichts  Ursprüngliches  geblieben.    Zu  diesen  gehören 
die  SS.  Trinita  de'   monti,    auf   dem   westlichen  Abhang   des 
Monte   Pincio    von    Carl  VIII.    von   Frankreich   oder  vielmehr 
vom   Cardinal  BriQonnet,  welcher  dazu  französischen  Marmor 
kommen   liess,    auf  Veranlassung  des   h.  Francesco  da  Paola 
gestiftet,    S.    Rocco   beim    Hafen    Ripetta,    eine   im   siebzehn- 
ten  Jahrhundert    vollständig    umgebaute   Brüderschaftskirche, 
Sta  Maria  di  Monserrato    die   nach   der  Vereinigung  Aragons 
mit   Castihen   im  Jahre   1495    gegründete    spanische  National- 
kirche   in    welcher    heute    Calixtus'  III.    und   Alexanders  VI. 
sterbliche   Reste  ohne   Denkmal  ruhen,  S.   Giovanni  de'  Fio- 
rentini,    im    Jahre    1488    von    einer    florentinischen    Brüder- 
schaft  angelegt,    von   Leo  X.    nach    grossartigem    Plan   neu- 
gegründet.     Auch    von    der    vom    Cardinal    Pedro    Gonzalez 
de   Mendoza    unternommenen   Herstellung   von   Sta   Croce  in 
Gerusalemme,    fiir  welche  sich   vor  ihm  Domenico   Capranica 
gemüht  hattß,  ist  wol  nichts  geblieben.     Die  zur  Erinnerung 
an  des  Apostelfürsten  Martyrthum  von  Ferdinand  und  IsabeUa 
von  Spanien  im  Hofe  des  Franciscanerklosters  bei  S.  Pietro  in 
montorio    errichtete    Kapelle    vom    Jahre    1502    ist    erhalten 
wenngleich  im  siebzehnten  Jahrhundert  stark  restaurirt    Bra- 
mante  gestaltete  sie  als  Rundtempelchen,  das  einst  vielbewun- 
dert im  Grunde  nicht  viel  anders  als  eine  zierUche  und  sinn- 
reiche Spielerei  und  nur  als  Beispiel  des  rasch  fortgeschrittenen 
Studiums  der  classischen  Architektur  von  Bedeutung  ist     Die 
durch  Cardinal  Giovanni  de'  Medici  unter  Innocenz  VHI.  begon- 
nene aber  erst  ziemlich  lange  nachher  beendigte  Restauration 
seiner  Titelkirche  Sta  Maria  in  Domnica  Uess  glückUcherweise 
deren  Basilikenform  unangetastet,  und  hatte  nur  bei  dem  Um- 
bau der  von  Pfeilern  getragenen  Vorhalle  freiere  Hand.    Von 
grösseren  Kirchen  sehn  wir  nur  Sta  Maria  dell'  anima  vor  uns, 
wie  sie  unter  Alexander  VI.  wenn  nicht  früher  begonnen,  ge- 
mäss der  Inschrift  der  FaQade  im  Jahre  1514  vollendet  ward. 
Diese  Fagade  wird  durch  drei  unverjüngte  Geschosse  gebildet, 
mit    korinthischen    Pilastem,    die    drei    Thüren    mit    gleichen 
Säulen,  im  Mittelgeschosse  Bogenfenster,  im  obern  ein  Rund- 


Wohlthätigkeits  -  Anstalten.     Lateran  und  Consolazione.  421 

fenster,  das  Detail  völlig  antikisirend,  zum  Theil  vielleicht 
später  als  das  angegebene  Jahr.  Das  Innere  zeigt  noch  den 
Kampf  der  Gothik  mit  der  modernantiken  Kunst  in  den  hohen 
durch  säulengeschmückte  Pfeiler  getragenen  Schiffen.  Die 
Meister  sind  unbekannt.  Ein  teutscher  Architekt  soll  das  Innere 
unter  modificirendem  Einfluss  sei  es  eines  der  Sangallo  oder 
Bramantes  gebaut  haben  —  Inneres  und  Stirnseite  sind  jeden- 
falls von  verschiedener  Hand.  Dass  unter  Hadrians  VI.  Regie- 
rung Baidassar  Peruzzi  an  der  Decoration  der  Fagade  Theil 
hatte,  ist  nicht  unwahrscheinlich. 

Die  bauliche  Thätigkeit  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  war  auch,  abgesehn  von  Sixtus'  IV.  grossem 
Spital,  wohlthätigen  Zwecken  gewidmet.  Graf  Everso  von 
Anguillara  verordnete  in  seinem  zu  Anfang  des  Jahres  1460 
in  der  Burg  von  Cerveteri  aufgesetzten  Letztwillen  den  Neubau 
des  lateranischen  Spitals  neben  der  Taufkapelle  unter  Hinter- 
lassung eines  ansehnlichen  Legats.  Das  gegenwärtige  um  die 
Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  errichtete  Local  hat  jenes 
vernichtet,  an  welches  nur  eine  Marmortafel  an  der  dem 
Lateranplatze  zugewandten  Langseite  erinnert,  auf  welcher 
man  das  Wappen  der  Anguillara,  zwei  gekreuzte  Aale,  als 
Helmschmuck  der  Vordertheil  eines  Ebers  mit  einem  Aal  in 
der  Schnauze,  daneben  den  Namen:  »Everso  secundo«  sieht. 
Everso,  dessen  Grabstein  mit  seiner  gewappneten  Gestalt,  das 
Senatorsbarett  auf  dem  Haupte  sich  einst  in  Sta  Maria  mag- 
giore  befand,  hatte  früher  die  Burgwohnung  seines  Geschlechts 
in  Trastevere  verstärken  lassen,  schwerlich  ahnend  dass  die 
Rolle  dieses  Geschlechts  in  Rom  bald  ausgespielt  sein  würde. 
Um  dieselbe  Zeit  wurde  die  bei  dem  Spital  gelegene  Andreas- 
kapelle hergestellt;  der  eingelegte  Marmorfussboden  bewahrt 
die  Namen  der  beiden  Guardiane  Mario  Diotajuti  und  Giovanni 
Bonadios  von  1462.  Ein  anderer  Mann,  in  der  Geschichte  be- 
kannter als  der  Graf  von  Anguillara  und  auf  grösserm  Schau- 
platz als  dieser  weit  übler  berüchtigt,  machte  sich  gleich  ihm 
auch  in  den  Annalen  der  römischen  Wohlthätigkeitsanstalten 
einen  Namen.  Es  war  Cesare  Borgia,  der  um  den  Schluss  des 
Jahrhunderts  den  Frauensaal  des  Spitals  der  Consolazione 
baute.  Die  bei  der  Erneuerung  im  Jahre  1738  gesetzte  In- 
schrift nennt  den  »Duca  Valentino«  als  Stifter.    In  dem  Gemach 


422  Sculptur.    Altäre,  Taberuakel,  Grabmäler. 

aber  welches  den  Rectoren  zum  Versammlungsorte  diente ,  liest 
man  unter  den  Namen  der  Woblthäterinnen  des  Instituts  den 
seiner  Mutter  Vannozza,  welcher  man  in  gleicher  Weise  im 
lateranischen  Hospiz  begegnet. 


■  «  >4 


10. 

SCULPTUR  UND  MALESBI  IM  LETZTEN  DRITTEL  DES  FÜNFZEHNTEN 

;rAHRfiUNDERTS. 

Die  Sculptur  des  letzten  Drittels  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts, namentUch  in  Altären  und  Grabmonumenten  thätig, 
folgt  vorzugsweise  der  Tradition  der  florentinischen  Künstler, 
unter  denen  wir  Mino  da  Fiesole  in  Rom  tonangebend  ge- 
wahrten. Noch  ist  die  schöne  Ruhe  und  Harmonie  in  der  An- 
ordnung der  Grabmäler  ungestört,  während  das  Ornament 
zierlich  und  innerhalb  verständiger  Schranken  bleibt  und  in 
den  Figuren  meisterhafte  Werke  vorkommen  die  sich  deo 
florentinischen  Denkmalen  der  beiden  Aretiner  in  Sta  Croce 
und  des  Cardinais  von  Portugal  in  S.  Miniato  al  monte  an 
die  Seite  stellen  können.  Die  Marmoraltäre  zeigen  ähnlichen 
Stil.  Einige  derselben  sind  noch  an  ihrer  ursprünglichen 
Stelle ,  andere  hat  man  beiseite  geschoben  um  sie  durch  Bau- 
ten der  Rococozeit  zu  ersetzen,  wie  es  dem  zierhchen  Taber- 
nakel von  Sta  Maria  del  popolo  ergangen  ist  welches  man 
heute  in  der  Sacristei  sieht,  während  der  Altar  der  altern 
Kapelle  Cybö  aus  derselben  Kirche  nach  S.  Cosimato  gewan- 
dert, der  vom  Cardinal  von  Cusa  zur  Aufbewahrung  der  Ket- 
ten Petri  gestiftete  Altar  gleich  so  manchen  anderen  Werken 
dieser  Art  in  Stücke  zerlegt  worden  ist.  Noch  sieht  man  in 
Sta  Maria  dellaPace,  wenngleich  nicht  mehr  an  der  ursprüng- 
lichen Stelle  das  im  Jahre  1490  von  Pasquale  da  Caravaggio 
für  Innocenz  VIII.  gearbeitete,  für  das  daselbst  aufbewahrte 
Gnadenbild  bestimmte  Tabernakel.  Die  Kirchen  welche  sich 
in  dieser  Zeit  der  besondren  Vorhebe  von  Päpsten  und  Cardi- 
nälen  erfreuten,  wie  Sant'  Agostino,  Sta  Maria  del  popolo  uod 
sopra  Minerva  u.  a.  sind  reich  an  trefflichen  Werken  dieser 
Art,  von  deren  Urhebern  selten  etwas  verlautet.    Die  Denkmale 


Monumente  Salus' IV.  und  Innocenz' Vm.  423 

des  im  Jahre  1478  verstorbenen  Cardinais  Cristoforo  della  Ro- 
vere  und  des  sieben  Jahre  später  jung  verblichenen  edlen  Rö- 
mers Marc  Antonio  Albertoni  in  der  erstem  dieser  Marienkirchen 
sind  der  besten  toscanischen  Meister  dieser  Zeit  würdig,  von 
denen  ausser   den    schon    Erwähnten    auch   Andrea  del  Ver- 
rocchio  in  Rom  thätig  war,  wo  er  in  Sta  Maria  sopra  Minerva 
das  Monument  der  Gattin  Giovan  Francesco  Tornabuonis  ar- 
beitete, welches  man  dort  vergebens  sucht,  während  ein  mehr 
lebendig  wahres   als   schönes  Relief  desselben  heute   in  der 
Gallerie  der  Uffizien  aufbewahrt  wird.     Schon  versucht  sit^h 
aber  eine  andere  minder  ansprechende  Gattung  von  Grabmonu- 
menten Bahn  zu  brechen.    Beispiele  davon  sind  die  Denkmale 
Sixtus' IV.  und  Innocenz*  VIII.  in  St.  Peter,  beide  in  Erzguss, 
Werke  des  Florentiners  Antonio  Pollajuolo,  der  wahrschein- 
lich hier  wie  bei  dem  zierlichen  für  Papst  Sixtus  im  Jahre  1477 
gearbeiteten  Schrank  für  Petri  Ketten  in  der  Sacristei  der  den- 
selben gewidmeten  Basilika  seinen  Bruder  Piero  bei  der  Aus- 
fuhrung   zum    Gehülfen   hatte.     Sixtus'  IV.   Monument,   eine 
länghch  viereckige  nach  oben  sich  verjüngende  Lade,  darauf 
des  Papstes  Gestalt   Hegend,   ringsherum   in   kleinen   Figuren 
allegorische  Darstellungen  von  Tugenden  und  Wissenschaften, 
die  Statue  ernst,  karaktervoll,  markirt,  die  Statuetten  geziert 
imd  gesucht,  wie  es  so  leicht  Denen  geschieht  die  als  Gold- 
schmiede gross  geworden  sind,  Benvenuto  Cellini  nicht  ausge- 
nommen.   Das  Monument  wurde  im  Jahre  1493  für  GiuUano 
della  Rovere  vollendet  welcher  nebst  anderen  der  Famihe  in 
demselben  neben  seinem  Oheim  ruht.     Minder  bedeutend  ist 
das  in  seiner  heutigen  Aufstellung  imvoUständige  Denkmal  Inno- 
cenz* VIII.,  welches  den  Papst  zweimal  darstellt,  sitzend  den 
Segen  ertheilend  und  todt  auf  dem  Sarkophage  ausgestreckt. 
Antonio  Pollajuolo  starb  in  Rom  im  Jahre  1498  und  fand  nebst 
seinem  Bruder  eine  Ruhestätte  in  S.  Pietro  in  vincoli,  wo  man 
Beider  ausdrucksvolle  Marmorbildnisse  unter  einem  merkwür- 
digen Gemälde  der  grossen  Pest  des  Jahres  680  sieht. 

Als  diese  Künstler  alterten  und  starben,  pochte  eine  neue 
Kunstrichtung  an  die  römischen  Thüren.  Am  25.  Juni  1496 
kam  einundzwanzigjährig  der  Sohn  eines  an  Ahnen  mehr  als 
an  Glücksgütern  reichen  florentinischen  Geschlechts  in  Rom 
an,  nicht  ahnend  dass  sein  Name  für  alle  Zeiten  vom  Na- 
men  dieser  Stadt  unzertrennlich  bleiben  sollte.    Michelangelo 


424  Michelangelo  Buonarroti.     Goldschmiedekunst. 

Buonarroti,  unter  den  Augen  Lorenzos  des  Erlauchten  au%e- 
wachsen,  traf  mit  einem  Empfehlungsbriefe  eines  andern  Medici 
ein ,  Lorenzos  des  Sohnes  Pierfrancescos ,  von  der  zweiten  Linie 
des  Hauses  welcher  die  toscanischen  Grossherzoge  entstamm- 
ten. Ein  florentiner  Handelsmann  hatte  den  Cardinal  Raffa^l 
Riario  mit  einer  von  dem  jungen  Bildhauer  gearbeiteten,  für 
antik  ausgegebenen  Statue  des  Cupido  getauscht;  die  Ent- 
deckung des  Betrugs  führte  Michelangelo  nach  Rom  und  in 
das  Haus  des  Cardinais.  Dieser  nahm  ihn  gut  auf,  schien  ihn 
beschäftigen  zu  wollen,  liess  es  bei  Worten  bewenden  und 
indem  er  sich  an  dem  betrügerischen  Kaufmann  schadlos  hielt, 
war  er  nicht  grossmüthig  genug  das  Talent  anzuerkennen  von 
dem  er  einen  so  glänzenden  Beweis  erhalten  hatte.  Aber 
Buonarroti  fand  andere  Gönner.  Wenn  die  Bildsäule  des  be- 
rauschten Bacchus  die  er  für  einen  römischen  Edelmann  Ja- 
copo  Gälli  arbeitete,  heute  im  florentiner  Museiun,  dem  ihr 
einst  gespendeten  Lob  nicht  entspricht,  so  ist  sein  zweites 
Werk  ein  Lichtblick,  die  Verkündigung  des  erreichten  Höhen- 
punktes der  modernen  Sculptur.  Es  ist  die  Gruppe  der  Pieta. 
Der  Cardinal  von  St.  Denis  Jean  de  Villiers  de  La  Grolaie 
liess  sie  ausfuhren  zum  Schmuck  des  in  die  Kapelle  der  li. 
Petronilla  umgewandelten  Mausoleums  des  Honorius,  aus  wel- 
chem sie  nach  wiederholter  Wanderung  auf  den  Altar  der 
ersten  Kapelle  des  rechten  Seitenschi IFs  von  St.  Peter  gelangte, 
wo  es  durchaus  unmöglich  ist  ihre  Schönheit  zu  geniessen. 

In  einer  Zeit  welche  so  vieles  schuf  und  anregte,  mussten 
auch  die  Nebenzweige  der  Plastik,  Goldschmiedekunst,  Stem- 
pelschneidekunst und  Niello  in  Aufnahme  kommen.    Unter  den 
namhaften  Meistern  aber  begegnen  wir  auch  in  diesen  Fächern 
fast  nur  Nichtrömern,  Toscanem  wie  Norditaüenern,  von  den 
für   die   Päpste   Martin  V.    und  Eugen  IV.    von   Ghiberti  und 
Turini  geUeferten  Werken   an,    wie   schon   unter   den  letzten 
avignonischen  Päpsten  Sienesen  mit  solchen  Arbeiten  betraut 
worden  waren.     Die  Florentiner  Andrea  del  Verrocchio  und 
die  Brüder  PoUajuoU  waren  unter  Sixtus  IV.  und  seinen  näch- 
sten Nachfolgern  thätig,   und  Ersterer  lieferte   für  die  vatica- 
nische   Kapelle   mehre    der    grossen    silbernen   Apostelfigurcn. 
Roms  Kirchen  sind  jedoch  in  Bezug  auf  die  Erhaltung  solcher 
Schätze  minder  glücklich  gewesen  als  das  florentiner  Baptiste- 
rium  oder  die  Sagrestia  de'  belU  arredi  in  Pistoja.     Unter  den 


Nielle.     Stempelschneidekiinst.  425 

zahlreichen  Goldschmieden  welche  namentlich  von  Paul  IL 
und  Sixtus  IV.  beschäftigt  wurden  und  an  Triregnen,  golde- 
nen Rosen,  Degen,  Ringen  u.  s.  w.  arbeiteten,  finden  wir  den 
Florentiner  Simone  di  Giovanni,  Pietro  d' Antonio  von  Siena, 
ßartolommeo  Tommasi  aus  Venedig,  die  Römer  Paolo  di 
Giordano,  Nardo  Corbolini,  Leonardo  Guidocci,  welche  beide 
letztem  die  Marc  Aurelstatue  restaurirten.  Zu  Vasaris  Zei- 
ten sah  man  in  römischen  Kirclien  verschiedene  emaillirtc 
Arbeiten  Antonio  Pollajuolos,  von  der  Gattung  derer  die  man 
nach  der  häufig  auf  denselben  vorkommenden  Darstellung  des 
segnenden  oder  des  todt  von  Engeln  gehaltenen  Heilands  Paci 
zu  nennen  pflegt.  Da  die  Niellirkunst  zu  diesen  zierlichen 
kleinen  Werken  in  genauester  Beziehung  stand,  ja  denselben 
ihren  für  die  Kunstgeschichte  eigenthümlichsten  Werth  ver- 
Ueü,  so  mussten  auch  deren  Erzeugnisse  sich  in  Rom  ver- 
breiten. Es  mag  dahingestellt  bleiben  ob  die  Nielle  auf  Gold- 
grund welche  Cardinal  Bessarion  dem  Kloster  von  Fönte 
Avellana,  dessen  Abt  er  war,  schenkte,  bei  seiner  Anwesen- 
heit auf  dem  Concil  zu  Florenz  dem  dortigen  Goldschmied 
Maso  Finiguerra,  dem  berühmtesten  Nielleur  seiner  Zeit  und 
angeblichen  Erfinder  der  Kupferstechkunst,  zum  Muster  ge- 
dient haben.  Dass  Papst  Paul  IL  an  diesen  Arbeiten  Geschmack 
fand,  zeigen  die  Nielle  der  Einbände  seines  Evangelienbuchs 
und  Epistolariums  welche  bis  zur  Wegschleppung  Pius'  VI. 
aus  Rom  zu  den  vaticanischen  Schätzen  gehörten,  sowie  die- 
jenigen am  Fuss  eines  Kelches  mit  dem  Wappen  der  Barbo. 
Das  Evangeliarium  scheint  ein  Geschenk  des  unseligen  Cardi- 
nais de  La  Balue  gewesen  zu  sein,  dessen  Wappen,  das  keinen 
Müllerssohn  verräth,  man  in  den  vier  Ecken  zwischen  Arabesken 
und  Kindergestalten  sieht.  Nicht  der  genannte  Papst  allein  för- 
derte diese  Kunstzweige:  seine  Nepoten  Marco  Barbo,  Batista 
Zeno,  Giovanni  Michiel  folgten  seinem  Beispiel.  Auch  an 
Nielloarbeiten  hat  Antonio  PoUajuolo  sich  betheiligt. 

Die  Wiedererweckung  der  Stempelschneidekunst  ging  mit 
der  Wiederbelebung  des  classischen  Alterthums  Hand  in  Hand. 
Die  den  trefiflichen  griechischen  und  süditalischen  Münzen  ge- 
zollte Bewunderung  führte  notliwendig  zu  deren  Nachahmung, 
welche  freilich  unmittelbar  weniger  den  im  ganzen  Mittelalter 
sehr  vernachlässigten  Münzen  selber  zugute  kam,  indem  die 
Kunst  des  Medailleurs   sich  vorzugsweise  mit  grossen  Denk- 


426  Medaillen  und  MOnzen.    Majoliken. 

und  Porträtmünzen  beschäftigte,  die  ihr  schon  der  Dimensionen 
wegen  weitem  Spielraum  gewährten.  Aber  die  neue  Richtung 
nutzte  bald  auch  der  Verkehrsmünze,  wie  denn  von  Martin  V. 
an  die  päpstliche  einen  Aufschwung  nahm  der  auch  inmitten 
der  Geschmackscorruption  späterer  Jahrhunderte  sich  nie  ganz 
verleugnet  hat.  Vittore  Pisanello,  Andrea  von  Cremona  und 
Vittore  CameUo  werden  unter  denen  genannt,  die  in  dem  Zeit- 
raum von  Martin  bis  Sixtus  IV.  so  für  Medaillen  wie  für  die 
Münze  beschäftigt  wurden.  Jedenfalls  muss  Pisanello,  welchem 
eine  Denkmünze  des  colonnaschen  Papstes  zugeschrieben  wird, 
günstigen  Einfluss  geübt  haben.  St.  Petrus,  bisweilen  mit 
St.  Paul  vereint,  oder  als  Fischer  in  der  Barke  mit  ausgeworfe- 
nem Netz,  die  päpstlichen  Schlüssel,  in  der  Umschrift  das 
Alma  Roma,  mit  dem  durch  Triregnum  und  Schlüssel  gekrön- 
ten päpstlichen  Wappen ,  wechselten  mit  anderen  Emblemen  und 
Bezeichnungen.  Schon  war  in  den  Umschriften  jene  Manch- 
faltigkeit  in  Anspielungen,  Erinnerungen,  Beziehungen  Sitte 
geworden,  welche  den  päpstUchen  Münzen  abgesehn  von  ihrem 
oft  trefi'Uchen  Gepräge  so  grossen  Reiz  verleiht.  In  die  an- 
sehnliche Reihe  Derer  welche  als  Verfertiger  von  Papst- 
medaillons mit  Sicherheit  bekannt  sind,  gehört  der  Kleriker 
Andrea  Guazzalotti  von  Prato,  welcher  von  den  letzten  Zeiten 
Nicolaus'  V.  an  viel  in  Rom  gelebt  zu  haben  scheint  und  von 
welchem  wir  Denkmünzen  des  genannten  Papstes  wie  Calix- 
tus'  UL,  Pius'  n.,  Sixtus'  IV.  besitzen,  deren  künstletiscbe 
Ausführung  der  karaktervoUen  Auffassung  der  Physiognonüe 
beiweitem  nachsteht. 

Aus  einem  Breve  Sixtus'  IV.  vom  8.  April  1478  an  Costanzo 
Sforza  Herrn  von  Pesaro  ersieht  man,  dass  er  sich  für  einen 
Kunstindustriezweig  interessirte,  welcher  damals  wennnicbt  in 
Rom  selbst  doch  in  einem  Theile  des  transapenninischen  Kirchen- 
staats reiche  Blüten  zu  treiben  begann.  Es  waren  die  Majo- 
liken, welche  mehren  Städten  des  damaligen  wie  des  nachmals 
vergrösserten  Herzogthums  Urbino  Ruhm  verliehen  haben.  Die 
Stadt  Pesaro  ging  in  diesem  Kunstzweige  den  übrigen  voraus. 
"Während  in  Florenz  die  Familie  della  Robbia,  mit  dem  im 
Jahre  1400  geborenen  Luca  beginnend,  über  ein  Jahrhundert 
lang  jene  anmuthigen  plastischen  Werke  von  gebrannter  und 
verglaster  Erde  schuf,  welche,  zum  Theil  einfach  weiss 
und   blau   zum    Theil   polychromisch,    von  Einzelfiguren  und 


Majoliken  der  Schule  von  Pesaro.  427 

Ornamenten  zu  figurenreichen  flachen  und  höheren  Reliefs  ja  zu 
Büsten  und  Statuetten  fortschreitend  hundert  Kirchen,  Woh- 
nungen, Villen  in  Toscana  zieren  und  manchem  abgelegeneu 
Orte,  manchem  einsamen  Gotteshause  durch  ihre  Lunetten, 
Friese,  Altarbilder,  manchem  Familien-  und  Gemeindepalast 
durch  ihre  prachtigen  Wappen  grossen  Reiz  verleihen,  bildete 
sich  hier  die  Kunst  der  Ceramik  in  engerm  Sinne.  Es  geschah 
in  der  Production  von  zierlichem,  so  zum  manchfaltigsten  häus- 
lichen und  kirchlichen  Gebrauch,  für  Sacristeien  wie  für  Apo- 
theken, wie  namentlich  zum  Schmuck  der  Wohnungen  und 
Prunkgemächer  bestimmten  Geräth,  vor  allem  Schüsseln  und 
Gefasse,  wobei  man  von  Arabesken,  Wappen,  anderm  Orna- 
ment zu  Köpfen  und  Figuren  überging.  Die  glänzende  und 
schillernde  Glasur  die  man  diesen  älteren  Terracotten  durch 
metalUschen  Fluss  bei  zwiefachem  Brennen  zu  geben  verstand, 
verlieh  ihnen  einen  Werth  und  eine  Eigenthümlichkeit  welche 
ilire  eigentUche  künstlerische  Bedeutung  überwogen.  Der  ge- 
steigerte doch  nothwendig  beschränkte  Gebrauch  des  Silberge- 
räths  und  die  Unbekanntschaft  mit  den  kostbaren  Porzellanen 
des  fernen  Ostens  kamen  der  Ausbildung  dieses  Industriezweigs 
zugute,  der  sich  um  die  Mitte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts 
unter  der  fördernden  Pflege  Alessandro  Sforzas  und  seines  Hau- 
ses und  unter  dem  Einfluss  der  florentinischen  Kunst  der  Della 
Robbia  nicht  wenig  hob.  Die  Darstellungen  auf  diesen  älteren 
Schüsseln  und  Vasen  sind  häufig  w*ie  die  florentiner  ReUefs  nur 
in  zwei  Farben,  weiss  auf  blauem  Fond,  zuweilen  auch  auf 
Gold-  oder  anderm  Grunde;  andere  sind  in  Naturfarben  aber 
ohne  grosse  Abwechslung.  Manche  haben  auch  Figuren  iu 
flachem  ReUef  mit  landschaftlichem  Hintergrund,  so  dass 
sie  sich  sogleich  als  decorative  Werke  zu  erkennen  geben. 
So  waren  diese  älteren  pesareser  Arbeiten,  deren  Darstel- 
lungen begreiflicherweise  dem  damaligen  Stande  der  Malerei 
entsprachen,  im  allgemeinen  aber  figurenreiche  Entwürfe  ver- 
mieden, bis  sie  im  folgenden  Jahrhundert  jenen  feineren,  sowol 
dem  Material  wie  der  künstlerischen  Ausschmückung  nach  un- 
endhch  vervollkommneten  Majoliken  Platz  machten,  welche 
eine  Menge  der  schönsten  Compositionen  der  Blütezeit  der 
Malerei  wiedergeben.  Das  erwähnte  Breve  Sixtus'  IV.,  dessen 
Wappen  man  auf  pesareser  Majoliken  sieht,  zeigt  uns  wie  da- 
mals   schon  Arbeiten   dieser  Art  nach  Rom  gesandt  wurden, 


428  Die  Malerei.     Sixtiiiische  Kapelle. 

WO  man  heute  in  fürstlichen  Häusern,  so  bei  den  Barbermi, 
den  schönsten  Prunkgefassen  späterer  Zeiten  begegnet.  iGe- 
liebter  Sohn,  schreibt  der  Papst  an  Constanzo  Sforza,  mit 
Freuden  haben  wir  die  mit  grösster  Zierlichkeit  ausgeführten 
Thongeßlsse  empfangen,  welche  du  uns  gesandt  hast  und  die 
uns  als  neue  Zeugnisse  deiner  beständigen  Ergebenheit  gegen 
uns  doppelt  werth  sind.  Wir  haben  dein  Geschenk  so  aufge- 
nommen und  es  ist  uns  so  lieb,  als  wären  diese  Gegenstände 
nicht  aus  Thon  gebildet  sondern  in  Wahrheit  von  Gold  und 
Silber.« 

Die  bedeutende  Thätigkeit  der  Malerei  in  Rom  beginnt  mit 
Sixtus  IV. ,  imd  seine  vaticanische  Kapelle  ist  der  Ort  wo  man 
von  der  Entwicklung    der   florentinischen  Kunst   der  zweiten 
Hälfte     des    fünfzehnten   Jahrhunderts    die    beste     Gesammt- 
anschauung  gewinnt,  während  die  Nebeneinanderstellung  mit 
Schöpfungen  des  vornehmsten  Repräsentanten  der  umbrischen 
Schule  neue  Gesichtspunkte  eröffnet.    Denn  zu  dem  doppelten 
Cyclus  von  Darstellungen  für  die  Wände  dieser  Kapelle,  einer- 
seits die  Geschichte  Moses,    andrerseits   das  Leben  des  Hei- 
lands,   berief    der   Papst    die   ausgezeichnetsten   toscanischen 
Künstler  nach  Rom.     Sandro  Botticelli,   Cosimo  Rosselli,  Do- 
menico  Ghirlandajo,  Luca  Signorelli,  Don  Bartolommeo  della 
Gatta  haben  hier  gemalt,    mit  ihnen  Pietro  Perugino.    Auch 
Rosseliis  Gehülfe  Piero   di  Cosimo  war  hier  thätig,  welchen 
Viele  nur  als   Lehrer  Andreas  del  Sarto   kennen,  der  indess 
ausser  durch  sein  Streben  nach  scharfer  Karakteristik  durch 
ein  damals  seltnes  Talent  für  die  Landschaft  bemerkenswerth 
ist.      Das    naturalistische    Element    welchem    schon    Beoozzo 
Gozzoli  Ausdruck  gegeben  hatte,    war   in    der  florentinischen 
Schule  zum  entschiedenen  Durchbruch  gekommen,  wenngleich 
wie  bei  Botticelli  und  nachmals  bei  seinem  Schüler  Filippin^ 
Lippi    ein   schwärmerisch   phantastischer   Zug   mit    demselben 
kämpfte,  der  nicht  ohne  Anmuth  und  Schönheit  leicht  in  Manier 
ausartete.     Keiner  der  in   der  Sixtina  beschäftigten  Toscaner 
hat  hier  seine  bedeutendsten  Werke  geschaffen,  und  man  winl 
sich  bei  Botticelli  zu  seinen  Staffeleibildern,  bei  Rosselli  nach 
Sant'  Ambrogio  in  Florenz,  bei  Ghirlandajo  nach  Sta  Maria 
Novella   und    Sta   Trinita   in    derselben    Stadt,    bei    Signorelli 
nach    Orvieto    wenden    müssen    um   sie    recht    zu    würdigen. 
während  die   römischen  Werke  überdies  an  der  Uebcrfullung 


Toscaiiische  Künstlei*.    Pietrt)  Perugiiio.  429 

mit  Figuren  und  Beiwerk  und  an  den  Mängeln  der  Luft- 
perspective  kranken  die  allerdings  in  der  Richtung  der  Zeit 
lagen.  Peruginos  Uebergabe  der  Schlüssel  an  Petrus  ist 
eins  der  tüchtigsten  Werke  des  Anfangs  seiner  reifern  Zeit, 
welches  mit  seiner  Ruhe  und  seinem  milden  Affect  der  Mehr- 
zahl der  übrigen  Fresken  gegenüber  einen  scharfen  Con- 
trast  bildet.  Wie  der  Gefühlsausdruck  und  die  Massenver- 
tkeilung  verschieden  sind,  ist  auch  der  Karakter  der  Land- 
schaft welche  von  Benozzo  an  bei  den  Florentinern  eine  Rolle 
zu  spielen  beginnt,  ein  anderer,  während  der  Einfluss  der  an- 
tikisirenden  Architektur  in  beiden  Schulen  bemerkbar  ist.  Von 
den  Florentinern  scheint  BotticelU,  welcher  auch  die  zwischen 
den  Fenstern  der  Kapelle  befindUchen  achtundzwanzig  Papst- 
iigiu'en  malte,  am  längsten  in  Rom  verweilt  zu  haben,  wie  es 
denn  heisst  er  sei  mit  der  Leitung  des  Ganzen  betraut  ge- 
wesen. Auch  Pietro  Perugino  blieb  lange  in  Rom,  wohin  er 
nach  Papst  Sixtus'  Tode  mehrmals  zurückgekehrt  sein  muss, 
da  die  Arbeiten  in  der  Kapelle  im  Jahre  1489  vollendet  worden 
zu  sein  scheinen,  seine  Spuren  jedoch  sich  hier  bis  zum  Jahre 
1495  verfolgen  lassen.  Während  zwei  seiner  Fresken  in  der 
Kapelle  weggeräumt  wurden  um  für  Buonarrotis  Weltgericht 
Raum  zu  schaffen,  seine  Malereien  in  S.  Marco  und  im  Palast 
Colonna  ebenfalls  untergingen,  sieht  man  von  seiner  Hand  die 
Decke  in  dem  nach  Raffaels  Brand  im  Borgo  benannten  Saal 
mit  allegorisch  symbolischen  Runddarstellungen  und  Arabesken 
auf  Goldgrund  welche  vorzugsweise  Bewunderung  erregten. 
Er  stand  auf  der  Sonnenhöhe  seiner  Laufbahn  als  er  dauernd 
in  seine  umbrische  Heimat  zurückkehrte  —  aus  dem  Jahre  1495 
sind  die  Himmelfahrt  Maria  in  Lyon  und  die  Pieta  im  Palast 
Pitti. 

Schon  zu  Papst  Sixtus'  Zeit  zog  Perugino  seinen  Lands- 
mann Bernardino  Pinturicchio  nach  Rom ,  wo  dieser  eine  grosse 
Tbätigkeit  entwickelt  hat  die  sich  bis  zum  Schlüsse  des  Jahr- 
hunderts erstreckte.  Die  Arbeiten  in  der  Kapelle  des  Cardinais 
Lorenzo  Cybo  in  Sta  Maria  del  popolo  und  im  Palast  des 
(ardinals  Domenico  della  Rovere  in  der  Leonina,  die  in  der 
grossen  Sala  Borgia  im  Vatican ,  im  Palast  Colonna  und  in  der 
Kngelsburg  sind  untergegangen;  zugleich  mit  letzteren  sind  die 
zahlreichen  Bildnisse  von  Zeitgenossen  verloren  welche,  unter 
ihnen   Alexander  VI,    Cesare   und    Lucrezia    Borgia,    Niccolö 


432  Anblick  der  Stadt. 

Form  und  Ausführung  vorzüglicheren  Arbeiten  in  der  Kapelle 
Strozzi  in  Sta  Maria  Novella  zu  Florenz  nicht  eben  angenehm 
berührt.  Innocenz  VIII.  ging  Leo  X.  in  dem  Gedanken  der 
Ausschmückung  von  Palast  und  Kirche  durch  gewirkte  Tep- 
piche voraus,  indem  er  im  Jahre  1484  von  den  flandrischeu 
Kaufleuten  Arnold  Straper  und  Genossen  solche  kaufte,  auf 
denen  man  die  Darstellungen  Sanct  Georgs  und  der  freieu 
Künste  sah. 


11. 

ROM  BEIM  BEOINN  DES   SECHZEHNTEN  JAHBHUNDEBTS. 

DIE   DIESSErriGE   STADT. 

Dreiundachtzig  Jahre  waren  seit  Martins  V.  Rückkehr  ver- 
flossen.   Die  Stadt  war,  sofeme  ihre  bew^ohnten  Theile  in  Be- 
tracht kamen,  eine  andere  geworden.     Aus   dem   Verfall  der 
avignonischen   Zeit   und    der    des    Schismas,    ein  Verfall  der 
nochmals  unter  Eugen  IV.   gedroht,    hatte    sie    sich   erhoben. 
Nicolaus  V.  hatte  die  Umgestaltung  begonnen,  Sixtus  IV.  mehr 
denn  ein  Anderer  dafür  gethan.     Mit  Recht  rühmte  eine  der 
Inschriften  von  ihm,  er  habe  Aedilen  und  Strassenmeister,  die 
übrigens   längst  vor  ihm  bestanden,    eingesetzt,   die  krumnieu 
Strassen  gerade,  die  formlosen  Plätze  regelmässig  zu  macheu. 
durch  Beschränkung  der  Häuser  Raum  für  die  Circulation  zu 
gewinnen.    Ueberall  hatte  er  sich  in  diesem  Sinne  gemüht,  im 
Marsfelde,  in   der  Leostadt.     Alexander  VI.  hatte  das  Werk 
fortgesetzt.    Inschriften  und  Strassennamen  erinnerten  an  Beide, 
die  Marmortafeln  am  Campo  di  fiore  und  am  südlichen  Ende 
des  Trajansforums  zu  welchem  der  Zugang  vom  Colosseum  her 
erweitert  wurde,   die  heute  nicht  mehr  üblichen  Benennungeu 
der  Via  Sistina  und  Alessandrina.     Rom  hatte  die  Wohltbat 
des    Strassenpflasters    kennen   gelernt,    so    unvollkommen  der 
Danun    von    Ziegeln    für   die    Fussgänger,    die  Pferdebahn  in 
der  Mitte  meist  von  aufgeschütteter  Erde,  gewesen  sein  ma^- 
Aber  es  fehlte  viel  daran  dass  es  gelungen  wäre,  der  Stadt  ein 
wohnUches    Aussehn   zu  geben:    an  vielen  Stellen   hat  sie  es 
selbst   heute   nicht    gewonnen.      Der    traditionelle   Mangel  au 


Piazza  Navona  luid  andere  Plätze.  433 

Reinlichkeit  war  nicht  auszurotten.  Die  Statuten  verboten  die 
Plätze  in  Kehrichthaufen  zu  verwandehi,  aber  man  weiss  was 
es  in  dieser  Beziehung  hier  mit  Verboten  auf  sich  hat.  Auf 
das  Verunreinigen  von  Piazza  Navona  wurde  Strafe  gesetzt, 
seit  der  Camerlengo  Cardinal  d'Estouteville  im  August  1477 
den  Markt  vom  Capitolsplatz  dahin  verlegt  hatte.  Dieser  Markt, 
Gemüse,  Obst,  andere  Lebensmittel  umfassend,  wurde  jeden 
Mittwoch  gehalten ;  städtische  Beamte  hielten  PoUzei  und  ver- 
hinderten das  MonopoUsiren  zum  Zweck  der  Preissteigerung. 
Der  Circus  agonalis  nährt  uns:  Leben  spriesst  wo  einst  Kampf 
wüthete,  sagte  ein  Distichon.  Noch  besteht  der  Markt,  Lebens- 
mittel und  altes  Eisen  umfassend.  Aber  auch  zu  Turnieren 
sahen  wir  Piazza  Navona  gebrauchen,  wie  den  St.  Petersplatz 
und  jenen  vor  der  Apostelkirche  zu  Stiergefechten  und  Schau- 
darstellungen. Auf  Campo  di  fiore  wo  in  den  Tagen  des 
Schismas  Truppen  lagerten  und  das  Volk  oft  zusammenhef, 
wurde  Viehmarkt  gehalten.  Zu  Eugens  IV.  Zeit  war  der  Platz 
verwildert  und  versumpft,  so  dass  er  dem  Vieh  zur  Weide 
diente;  erst  unter  Sixtus  IV.  gewann  er  eine  andere  Gestalt, 
wozu  der  Umbau  des  auf  der  Trümmerstätte  des  Pompejus- 
theaters  stehenden  orsinischen  Palastes,  nachmals  der  Neubau 
der  heutigen  Cancellaria  beitrugen. 

Die  Zahl  der  Plätze  war  gering  und  keiner  derselben  war 
schön.  Dem  Geschmack  ihrer  Zeit  huldigend  hatten  Nicolaus  V. 
und  Pius  II.  an  anderen  Orten  schöne  Anlagen  ins  Leben  ge- 
rufen: in  Rom  scheinen  sie  es,  wenn  versucht,  nicht  vermögt 
zu  haben.  Wo  man  gegenwärtig  die  Kirche  S.  Andrea  della 
Valle  mit  dem  gleichnamigen  Platze  sieht,  war  die  kleine 
Piazza  di  Siena,  so  genannt  nach  dem  Palast  des  Cardinais 
Francesco  Piccolomini,  nachmals  Papst  PiusUI.,  bei  dem  man 
damals  die  antike  Marmorgruppe  der  Grazien  sah,  die  später, 
seltsam  genug,  im  Chorbüchersaal  des  Doms  von  Siena  auf- 
gestellt ward.  In  der  Nähe  von  Navona  lag  Piazza  Lom- 
barda,  so  nach  den  oberitalischen  Ansiedlern  geheissen,  heute 
Madama  nach  Carls  V.  Tochter  Margarethe  von  Oestreicli. 
Piazza  Montanara  beim  Marcellustheater  war  wie  in  unserer 
Zeit  Sammelplatz  der  Campagnenarbeiter  und  Verkäufer  länd- 
licher. Industrieproducte.  Die  Plätze  bei  den  Häusern  der  San- 
guigni  und  bei  Sant'  ApolUnare  waren  nicht  gross;  letzterm 
hatte   der   Palast    Girolamo    Riarios,    nachmals    den   Alteuips 

▼.  Rcumont,  Rom.  m.  28 


434  Plätze.    Ueberschwemmungen. 

gehörend,  regelmässigere  Form  zu  geben  begonnen.  Der  Platz 
am  Fusse  des  capitolinischen  Hügels  erstreckte  sich  noch  über 
seine  gegenwärtigen  Grenzen  hinaus.  Das  Trajansforum  und 
Piazza  Colonna  waren  grossentheils  von  Kirchen  und  Häusern 
eingenommen.  Auf  jenem  sah  man  am  nördlichen  Ende  die 
noch  im  Bau  begriffene  Kirche  Sta  Maria  di  Loreto,  am  süd- 
lichen S.  Lorenzo  und  die  in  jüngster  Zeit  abgetragene  SU 
Maria  in  Campo  Carleo,  nahe  bei  der  Säule  S.  Bemardo.  Auf  die- 
ser stand  die  Kirche  Sant'  Andrea  de  columna  und  auf  dem  vom 
Palast  Chigi  eingenommenen  Baum  S.  Giovanni  decollato,  wäh- 
rend die  gegenüberliegende  Seite  des  Platzes  durch  die  Häuser 
der  FamiHe  Del  Bufalo  gebildet  wurde.  Piazza  di  pietra  hatte 
ihren  Namen  von  den  mächtigen  Trümmern  der  antoninischen 
Zeit  erhalten,  von  denen  noch  der  Porticus  des  Zollamtes  ge- 
blieben ist.  Den  Platz  am  Pantheon  welches  seit  Martin  V. 
auch  zu  geistlichen  Gerichtssitzungen  benutzt  wurde,  hatte 
Eugen  IV.  nothdürftig  von  den  sich  herandrängenden  Bauten 
säubern  lassen,  wobei  tiefer  Schutt  weggeschafft  worden  sein 
muss  um  zum  alten  Niveau  des  .Tempels  zu  gelangen.  Der 
lateranische  Platz  war  wesentlich  unverändert  geblieben,  abge- 
sehn  von  den  durch  den  Neubau  des  Spitals  und  die  durch 
Sixtus  IV.  der  Marc  Aurelstatue  angewiesene  neue  Stelle  ver- 
anlassten Modificationen.  Ausser  dem  Marsfelde  wo  die  Be- 
völkerung sich  mehrundmehr  zusammendrängte,  waren  der 
Quirinal,  der  Esquilin,  ein  Theil  des  CaeHus  bewohnt  Die 
Zahl  der  Einwohner  seheint  hier  jedoch  nur  schwach  gewesen 
zu  sein ;  der  im  Jahre  1386  zu  Gunsten  des  zwischen  Colosseum 
und  Lateran  liegenden  Viertels,  im  Jahre  1449  zu  Gunsten  der 
Umgebung  von  Sta  Maria  maggiore  erlassenen  Privilegien  zum 
Zweck  der  Heranziehung  von  Baulustigen  ist  schon  Erwähnung 
geschehen. 

Der  Zustand  der  Strassen  und  Plätze  wurde  durch  die 
häufigen  Ueberschwemmungen  verschlimmert.  In  der  Geschichte 
des  Mittelalters  ist  dieser  Ueberschwemmungen  wiederholt  ge- 
dacht worden:  in  den  späteren  Zeiten  ward  es  nicht  besser. 
Eine  grosse  Ueberschwemmung  erfolgte  zw^ei  Jahre  nach  der 
Rückkehr  Martins  V.  Am  29.  September  1470  stand  das  Wasser 
von  der  milvischen  Brücke  bis  zum  Marc  Aurelsbogen  am  Corso: 
einige  Wochen  später  folgten  furchtbare  Stürme.  Im  Jahre  1476 
setzte  der  Strom  die  ganze  ebne  Stadt  unter  Wasser  mid  die 


ücberschwemmungen.    Bauwesen.  435 

Feuchtigkeit  erzeugte  die  ansteckende  Krankheit  welcher  Six- 
tus  IV.  aus  dem  Wege  ging.  An  einem  Hause  in  Via  del  para- 
diso  gegenüber  dem  Palast  Massimo  erinnert  eine  von  dem  vene- 
tianiscfaen  Botschafter  Girolamo  Zorzi  gesetzte  Inschrift  dass 
im  December  1495  die  Wasser  des  Tiber  bis  dahin  reichten. 
Das  Jubeljahr  1500  sah  wiederum  in  den  Strassen  hüben  und 
drüben  Nachen  fahren.  Die  heutige  Via  del  Banco  di  Sto 
Spirito,  welche  auf  die  Engelsbrücke  zuführt,  hiess  Canal  di 
ponte  nach  den  häufigen  üeberschwemmungen.  Wer  das 
Wasser  in  den  auf  der  Ostseite  des  Corso  liegenden  Strassen, 
den  Corso  selbst  zwischen  S.  Lorenzo  in  Lucina  und  Piazza 
Colonna  in  einen  Strom  verwandelt  gesehn  hat,  wird  die  Be- 
richte von  früheren  Nöthen  nicht  für  übertrieben  halten.  Von 
dem  Strassenpflaster,  das  noch  beiweitem  nicht  allgemein  war, 
ist  die  Rede  gewesen.  Dass  Spuren  des  alten  Pflasters  sich 
tief  ins  Mittelalter  hinein  erhalten  hatten,  zeigt  ausser  dem 
Namen  von  Sta  Lucia  in  selce  die  Nachricht  dass  in  der 
Leonina  noch  unter  Innocenz  VII.  Stücke  desselben,  wol 
von  der  Via  Aurelia,  aufgerissen  und  zur  Herstellung  der 
Mauern  bei  Sto  Spirito  verwendet  wurden.  Die  Vorkehrungen 
zum  Sperren  der  Strassen  durch  Ketten  die  an  Säulenstümpfen 
befestigt  wurden,  sind  auch  in  späteren  Zeiten  geblieben  und 
dienten  in  den  Tagen  häufiger  Aufläufe  als  zweischneidiges 
Schwert  bei  Vertheidigung  und  Angriff. 

Die  Geschichte  der  Architektur  des  fünfzehnten  Jahrhun- 
derts hat  gezeigt  wie  der  bürgerliche  Baustil  in  Rom  sich  von 
der  Zeit  des  Brunellesco  zu  der  des  Bramante  entwickelte. 
So  gross  auch  seitdem  die  Umwandlungen  gewesen  sind,  an 
den  eigentUchen  Häusern  namentlich  an  denen  das  Material 
ungeachtet  des  trefflichen  Mörtels  bis  zu  unseren  Tagen  nicht 
immer  das  dauerhafteste,  das  Mauerwerk  nicht  immer  sorg- 
faltig gewesen  ist,  so  bleibt  uns  doch  genug  uns  von  damali- 
gem Bauwesen  einen  Begrifl'  zu  machen.  Neben  den  Palästen 
der  grossen  Baronenfamihen ,  die  ihren  burgartigen  Karakter 
noch  nicht  verloren  hatten  und  zum  Theil,  wie  Monte  Gior- 
dano  und  die  colonnaschen  Bauten,  manchen  Angriffen  trotzten, 
waren  zahlreiche  andere  entstanden,  besonders  von  Cardinälen 
welche  in  diesen  Zeiten  zur  Verschönerung  der  Stadt  so  viel 
beitrugen.  Schon  geschah  solcher  Erwähnung  die  mehr  oder 
minder  erhalten  sind.    Viele  aber  sind  ganz  oder  grösstentheils 

28* 


436  Wohnungen  von  Cardinälen  und  Voniehmen. 

umgebaut.     So  bei  S.  Marcello  der  Palast  Giovanni  Michiels 
Cardinalbischofs  von  Porto ,  Neflien  Pauls  II. ,  bei  Sta  Maria  m 
Via  lata  der  des  Cardinais  Niccolo  Acciapacci  Erzbischofs  von 
Capua  in  Eugens  IV.  Zeit,  von  dem  ungarischen  Cardinal  Dio- 
nysius  Zech  vollendet  und  heute  den  Doria  Pamfilj  gehörend, 
auf  dem  Quirinal  der   Palast  Cardinal   Carafas   dessen  Stelle 
zum  Theil   die  päpstliche  Residenz   einnimmt,  und  jener  Gio- 
vanni Stefano  Ferreros  von  Vercelli  Bischofs  von  Bologna,  bei 
Sta    Prassede    der    Paläst    Antoniotto    Pallavicinis    Cardinal- 
bischofs von  Albano  welchen  nachmals  Cardinal  Gabriel  Ga- 
brielli  von  Fano  vergrösserte ,  bei  Sant'  Agostino  jener  Domenico 
Capranicas  der  von  Francesco  Borgia  Erzbischof  von  Cosenza 
umgebaut  worden  war,  einer  Menge  anderer  nicht  zu  gedenken. 
Wie  in  unseren  Tagen  folgte  damals  ein  Cardinal  dem  andern 
als  Bewohner  von  Palästen,  wenn  sie  keine  Familienwohnungen 
hätten.     So  hatte   der  Palast  bei  S.  Lorenzo  in  Lucina  nach 
seinem  Erbauer  dem  Cardinal  von  Maurienne,  Filippo  Calan- 
drini  Nicolaus'  V.  Halbbruder,  Giovan  Batista  Cybö  und  den 
Cardinal  von  Lissabon  Giorgio  da  Costa  zu  Insassen.     Auch 
Paläste  grosser  Geschlechter  nalunen  Cardinäle   auf.     So  der 
orsinisclie  am  Campo  di  fiore  erst  den  Neffen  Eugens  IV.  Fran- 
cesco Condulmer  der  ilm  umbaute,   dann  den  Erzbischof  von 
Reggio  Pietro  Isualles  von  Messina   der   seine  Wohnung  mit 
Statuen    und    Gemälden    schmückte.      Nicht    minder    wurden 
päpstliche    Paläste    Cardinälen     eingeräumt.      Lorenzo    Cybo 
wohnte   im  Palast  von  S.  Marco   als   Nepote   eines   Papstes, 
nach  ihm  Domenico  Grimani  Patriarch  von  Aquileja  als  Titular 
der  anstossenden  Kirche.    Der  Cardinal  von  Monreale  wohnte 
im  Palast  bei    Sta  Sabina  wie  einst  die  savellischen  Päpste. 
Auch  Vignen  und  Gärten  besassen  die  reicheren  Kirchenfur- 
sten ,  so  Giovanni  de'  Medici  'und  Federigo  Sanseverino  auf  dem 
Abhänge  des  Quirinal  gegen  die  Subura  zu.   Die  Wichtigkeit  der 
Geschäfte,  die  Ausdehnung  der  Gerichtsbarkeit  der  geistiichen 
Tribunale,    die  Lebhaftigkeit    des    Geldverkelirs   hatten  zahl- 
reiche Individuen  und  Familien  herbeigezogen,  und  ausser  Baro- 
nen und  reichen  Cardinälen,  ausser  wohlhabenden  Edlen  zweiten 
Ranges  bauten  Angehörige  anderer  italienischen  Staaten,  Vor- 
nehme, Prälaten  und  andere  Curialen,  Geschäftsleute ,  Speculan- 
ten,  Glücksritter.   Nicht  selten  wetteiferten  ihre  Wohnungen  mit 
denen  der  grossen  Barone.  Die  Paläste  hatten  grossentheils  nach 


Kirchen  und  nationale  Stiftungen.  437 

der  Strasse  zu  offene  Portiken  mit  Säulen  oder  Pfeilern ,  einen 
gewöhnlich  von  Säulen  umgebenen  Hof,  den  man  wol  wie  bei 
Kirchen  Cbiostro  nannte  und  welchen  im  Erdgesclioss  Räume 
für  die  Besorgung  und  Verwaltung  häuslicher  Angelegenheiten 
einschlössen,    im    ersten  Geschoss    häufig   offene  Bogenhallen 
nach  dem  Hofe  zu,  auch  wenn  letzterer  im  Erdgeschoss  keine 
Colonnade  besass ,  einen  grossen  bisweilen  das  obere  Geschoss 
durchschneidenden   Saal,  oft  einen  Thurm  wie  einen  Garten, 
(leren  Zalil  jedoch  in  der  mittlem  Stadt  mehrundmehr  abnahm. 
Wie  sehr  die  Zahl  der  Kirchen  sich  gemehrt  hatte,  ist  so 
durch  die  Geschichte  der  Päpste  wie   durch  jene  der  Archi- 
tektur klar  geworden.    Manche  neue  Gotteshäuser  waren  ent- 
standen, viele  hatten  die  Stelle  älterer  eingenommen.    Mehre 
derselben  waren  mit  frommen  Stiftungen  verbundene  National- 
kirchen.   Dem  Beispiel  des  frühen  Mittelalters  folgend  fanden 
die  fremden  Nationen  sich  immer  mehr  in  Rom  als  ihrem  reli- 
giösen Centrum  zusammen,  während  sie  den  Gedanken  an  die 
Heimat  festhielten  indem  sie  ihren  Angehörigen  im  Fall  von 
Krankheit  und  Noth  eine  Zuflucht  schufen.     Wie  in  den  spä- 
teren  Zeiten    des    vierzehnten   Jahrhunderts   ein   böhmisches, 
scandinavisches,  engUsches,  teutsches  Hospiz,  schon  während 
der  Kreuzzüge  ein  vlämisches,  das  zu  S.  Giuhano,  entstanden 
waren,  entstand  im  Jahre  1417  das  portugiesische  Frauenhospiz 
zu  S.  Antonio  welches  zwanzig  Jahre  später  durch  den  Car- 
dinal Martinez  de  Chaves  umgestaltet  und  erweitert  ward,  im 
Jahre  1450   das  spanische  von  S.  Giacomo  mit  welehem  eine 
hundert  Jahre  früher  in  der  Nähe  der  heutigen  Cliiesa  nuova 
ins  Leben  getretene  Stiftung  zweier  edlen  Frauen  von  Barce- 
lona vereinigt  wurde.     Im  Jalire   1448  hatten  die  Florentiner 
während    des   Wüthens    ansteckender   Krankheit   die   Brüder- 
schaft  der   Pieta   della   nazione  fiorentina  ins  Leben  gerufen, 
welche  vom  Kapitel   von   S.  Celso  die  am  Flussufer  inmitten 
von  Gärten  gelegene  kleine   Kirche   S.  Pantaleo   erlangte,  wo 
nachmals  die  grossartige  St.  Johanneskirche  entstand.    Im  Jahre 
1471   wurde    die  Kirche  S.  Niccolö  del  tufo    den  Lombarden 
übergeben,    welche  hier  ihr  Hospiz   gründeten  und  nachmals 
die  den  h.  Ambrosius  und  Carl  Borromaeus  gewidmete  Kirche 
bauten.    Wenige  Jahre  später  erhoben  sich   auf  und  bei  dem 
von  zwei  Kirchlein   Sta  Maria  de  cellis  und   S.  Salvatore  in 
thermis    auf    den    Trümmern    der    alexandrinischen   Thermen 


438  Zünftige  uud  andere  Stiftungen. 

eingenommenen  Raum  Kirche  und  Hospiz  von  S.  Luigi  de'  Fran- 
cesi,  als  Anfang  einer  in  ihrer  Art  ansehnlichen  Stiftung  womit 
im  folgenden  Jahrhundert  das  bretagnische  Hospiz  vereint 
ward,  w^elches  einst  neben  der  von  CaUxtus  HI.  der  Bretagne 
geschenkten  kleinen  Kirche  St  Ivo  bestand.  Dieselbe  Zeit  sah 
S.  Girolamo  degli  Schiavoni  am  Hafen  von  Ripetta  gründen. 
Im  Jahre  1481  entstanden  durch  den  Schatzmeister  des  päpst- 
lichen Fiscus  Mario  Cicala  von  Genua  Kirche  und  Hospiz  von 
S.  Giovanni  de'  Genovesi  in  Trastevere.  Die  nach  der  Ver- 
einigung von  Aragon  und  Castilien  unternommene  Gründung 
von  Kirche  und  Hospiz  von  Sta  Maria  in  Monserrato  beschloss 
die  Reihe  der  Natioualstiftungen  des  fünfzehnten  Jahrhunderts. 
Ihnen  wie  denen  der  Päpste  und  Cardinäle  der  beiden  vorher- 
gegangenen Jahrhunderte  reihten  sich  neue  einheimische  an. 
Die  Apothekerzunft  errichtete  ein  Hospiz  bei  der  vormaligen 
Collegiatkirche  S.  Lorenzo  in  Miranda  am  Campo  vaccino 
welche  Martin  V.  ihr  im  Jahre  1429  überwiesen  hatte.  Der 
Stadtpräfect  Francesco  Orsini  erweiterte  das  colonnasche  Spital 
S.  Giacomo  in  Augusta,  wie  später  Everso  von  Anguillara  das 
lateranische  umbaute.  Cardinal  Juan  Torquemada  stiftete  im 
Jahre  1460  in  Sta  Maria  sopra  Minerva  die  in  unseren  Tagen 
grosse  und  thätige  Brüderschaft  der  Annunziata  für  die  Aus- 
steuer armer  Mädchen.  Des  unter  Sixtus  IV.  entstandenen 
Spitals  der  Consolazione  und  des  Antheils  Cesare  Borgias  an 
demselben  geschah  bereits  Erwähnung.  Das  Jahr  1500  sah 
am  Trajan'sforum  Kirche  und  Hospiz  der  Bäckerzunft  zu  Sta 
Maria  di  Loreto  entstehn.  In  Trastevere  hatten  längst  schon, 
es  heisst  seit  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts,  mehre 
Innungen  ein  ansehnliches  von  Gärten  umgebenes  Hospiz  bei 
welchem  nun  die  Kirche  Sta  Maria  dell'  orto  sich  erhöh,  die  in 
ihrem  modernen  Umbau  mit  überladener  Ausschmückung  der 
Zunft  der  Speise-  und  Fruchthändler  gehört,  deren  Kranken- 
haus dem  colossalen  Bau  der  Tabakverwaltung  hat  Raum 
machen  müssen. 

Begreiflicherweise  waren  die  einzelnen  Stadttheile  in  sehr 
ungleichem  Maasse  bewohnt,  selbst  abgesehn  von  den  schon 
erwähnten  südlichen  Höhen.  Der  östliche  Theil  des  Mars- 
feldes, die  Abhänge  des  Quirinal  und  Pincio  gegen  die  alte 
Via  lata  zu  waren  grossentheils  von  Gärten  eingenommen;  die 
Via  flaminia ,  der  heutige  Corso ,  begann  erst  um  die  Mitte  des 


Strassen  und  Bewohner.  439 

Jahrhunderts  sich  mit  Häusern  zu  füllen.  Das  Annunziaten- 
kloster  ausgenommen  sah  man  auf  der  Stätte  des  augusteischen 
Forums  und  jenes  des  Nerva  meist  Gärten  und  Trümmer  neben 
Sumpflachen  die  dem  Arco  de'  pantani  seinen  Namen  gegeben 
haben.  Der  päpstliche  Palast  bei  S.  Marco  und  der  des  Car- 
dinals  Acciapacci  gaben  der  Region  der  julischen  Septa  ein 
verändertes  Aussehn.  Nicht  ferne  von  ersterm  begann  die 
eigentliche  Via  papale  welche,  so  nach  den  Papstcavalcaden 
vom  Vatican  zum  Lateran  benannt,  in  ihren  einzelnen  Theilen 
aber  wie  auch  heutzutage  verschiedene  Namen  führend,  bis 
zur  Engelsbrücke  das  westliche  Marsfeld  durchschnitt.  Die 
Gegend  des  flaminischen  Circus  mit  den  auf  dessen  Trümmern 
entstandenen  Strassen,  der  Pellicceria,  den  Botteghe  oscure, 
Torre  Argentina  u.  a.  zur  Linken  lassend  durchschnitt  die  Via 
papale  das  an  die  arge  Zerstörung  antiker  Marmore  mah- 
nende Calcaranum,  zur  Rechten  den  kleinen  Platz  mit  der 
Kirche  der  Santi  Quaranta,  heute  Le  Stimmate,  und  die  nach 
der  Minerva,  der  Rotunda,  Sant'  Eustachio  führenden  Strassen, 
lieber  Piazza  di  Siena  kam  man  an  den  Häusern  der  Mas- 
simi  und  an  der  Kirche  S.  Pantaleo  vorüber,  welche  von 
Honorius  IIL  gegründet  nach  der  Familie  Muti  zubenannt 
wurde,  indem  eine  derselben  entstammte  Frau  zu  Anfang 
der  avignonischeu  Zeit  zu  ihrer  Wiederherstellung  beigetra- 
gen hatte.  Links  hess  man  die  Berlina  vecchia,  die  Stelle 
des  Prangers,  später  nach  einem  Wirthshausschilde  Via  del 
Paradiso  genannt,  den  Federviehmarkt,  Pulleria  heute  Piazza 
PoUarola,  das  Campo  di  fiore  mit  seiner  Umgebung,  dem  Platz 
bei  S.  Lorenzo  in  Damaso  und  dem  Satro.  Neben  den  Woh- 
nungen der  Gewerbtreibenden  sah  man  eine  ansehnUche  Zahl 
von  Wohnungen  edler  Geschlechter.  Denn  in  dem  zwischen 
der  heutigen  Piazza  di  Gesü  und  der  des  Pasquino,  zwischen 
dem  Campo  di  fiore  und  der  Rotunda  hegenden  Stadttheile 
zählte  man  nicht  weniger  als  drei  Paläste  der  Orsini,  die  des 
Cardinais  RaiTael  Riario,  derPichi,  Muti,  Mazzatosti,  Musciani, 
Calvi,  Grifi,  Massimi,  Della  Valle,  Buti,  Cosciari,  Cavalletti, 
Piccolomini,  Quatracci,  Paparoni,  Sinibaldi,  Porcari,  Stagni, 
CaffarelU,  Alberini  u.  m.  a.  Nicht  anders  war  es  in  dem  nord- 
westlichen Theile  des  Marsfeldes  zwischen  dem  Corso  und 
dem  Flussufer,  aufwärts  bis  gegen  S.  Lorenzo  in  Lucina  und  zur 
heutigen  Piazza  Nicosia.    Die  grossen  Kirchen  Sant'  Agostino 


440  Die  Banchi  und  der  Geld  verkehr. 

und  Sant*  Apollinare  bildeten  gewissermaassen  den  Mittelpunkt, 
der  teutschen  Stiftung  waren  die  französische  und  die  spanische 
gefolgt,  Piazza  Navona  war  seit  Sixtus  IV.  Schauplatz  regsten 
Lebens  geworden ,  die  in  gerader  Linie  von  S.  Agostino  bis  in 
die  Nähe  der  Engelsbnicke  fuhrende  Via  de'  Coronari,  beim 
Volke  wol  einfach  Via  retta  genannt,  war  eine  der  grossen 
Verkehrsarterien.  Die  Wohnungen  der  Cardinäle  d'Estouteviile, 
Capranica,  Ammanati,  die  der  Riari,  Sanguigni,  Tosti,  Cosciari, 
Meilini,  Gottifredi,  Marchegiani - Cavalieri  u.  v.  a.  erhoben  sich 
in  diesem  Bezirk  welcher  heute  noch  an  vielen  Stellen  lebhaft 
an  die  Zeit  von  der  hier  die  Rede  ist,  in  gleichem  Maasse 
wenn  nicht  mehr  noch  an  die  erste  Hälfte  des  Jahrhunderts 
erinnert  an  dessen  Schwelle  wir  stehn  bleiben. 

Der  lebendigste  Verkehr  zog  sich  vom  Capitolsplatz  gegen 
die  Engelsbrücke  hin,  zur  Linken  Via  papale  entlang,  zur 
Rechten  in  weitem  Bogen  über  San  Marco,  Rotunda,  Sant' 
Apollinare  nach  der  dem  Stromufer  folgenden  Via  Sistina, 
heute  nach  einem  alten  Wirthshaus  dell'  Orso  genannt.  Zwischen 
diesen  Grenzen  mitteninne  wohnte  die  Masse  der  Gewerbtrei- 
benden,  nach  denen  heute  noch,  recht  im  Centrum  des  Mars- 
feldes, vor  allem  im  Rion  Parione,  eine  Menge  Strassen  den 
Namen  fuhren,  an  dessen  Stelle  einst  mehre  derselben  den 
von  alten  Familien  hatten.  Der  Geldverkehr  hatte  namentlich 
die  auf  die  Brücke  zuführenden  Strassen  eingenommen,  denen 
der  Name  der  Banchi  geblieben  ist  während  gegenwärtig  nur 
die  mehrmals  umgebaute  Bank  von  Sto  Spirito ,  einst  die  päpst- 
liche Münze,  an  das  vormalige,  in  anderen  als  den  heutigen 
Kreisen  thätige  lieben  in  dieser  Gegend  erinnert.  Das  Aus- 
sehn dieser  Region  ist  sehr  verändert,  seit  JuUus  ü.  die  bei 
S.  Giovanni  de'  Fiorentini  den  Fluss  erreichende  Via  Giulia 
anlegte  und  den  weit  in  die  jetzige  Via  del  Banco  Sto  Spirito 
vortretenden  Porticus  der  Kirche  SS.  Celso  e  Giuliano  abtragen 
liess,  Clemens  Vn.  die  Münze  neubaute,  PaulIEI.  die  nach  ihm 
benannte  von  S.  Giovanni  zur  Brücke  führende  Via  Paola  er- 
öffnete. Cola  di  Rienzo  hatte  einst  bei  S.  Celso  Häuser  ein- 
reissen  lassen  um  für  den  Zugang  zur  Brücke  mehr  Raum  zu 
gewinnen,  aber  dieser  Raum  war  von  den  Buden  der  Fisch- 
und  Gemüsehändler  wie  der  Oelverkäufer  usurpirt  worden  die 
man  [später  nach  den  benachbarten  Strassen  von  Panico  und 
Tordinona  verlegte.     Selbst  der  Porticus  der  Kirche  war  mit 


Die  toscanischen  Banklialter.    Agostino  Chigi.  441 

Bänken  und  Tischen  gefüllt.  Nicolaus  V.  hatte  nach  dem  im 
Jubeljahre  1450  auf  der  Brücke  vorgefallenen  Unglück  den 
Platz  von  S.  Celso  bis  zur  Brücke  erweitern  lassen,  aber  dem 
Bedürfniss  noch  nicht  genügt.  Das  Eckhaus  zur  Linken  ehe 
man  an  die  Piazza  di  Ponte  gelangt,  da  wo  einst  der  Triumph- 
bogen Gratians  und  Theodosius'  des  Grossen  stand,  erinnert 
noch  durch  die  vielleicht  von  diesem  Bogen  herrührenden  ein- 
gemauerten antiken  Fragmente  an  die  Zeit  ifl  der  man  solche 
Reste  als  Baumaterial  benutzte. 

Hier  nun,  in  der  Nähe  der  grossen  Paläste  Fieschi  von 
Lavagna  und  Borgia  welche   nachmals    die  Namen  von  Sora 
und  Sforza  Cesarini  annahmen,   wie  der  trotzigen  Orsinenburg 
von  Monte  Giordano,    war  der'  Mittelpunkt  des  toscanischen 
Geldverkehrs.     Es  ist  schon  erwähnt  worden  dass  sich  seit  der 
avignonischen  Zeit,  zum  Theil  bereits  vor  derselben,  dieser  Ver- 
kehr grosstentheils  in  florentinischen,  dann  auch  in  genuesischen 
nänden  befand,   obgleich  auch  römische  Familien  vom  Adel, 
wie  die  Santacroce,    die  Massimi  u.  a.   im   fünfzehnten  Jahr- 
hundert Geldgeschäfte  machten.    Die  genauen  Beziehungen  der 
Päpste   seit  Martin  V.    zu    der  Republik  Florenz  waren   auch 
diesem  Verhältnisse  günstig.    Wir  sahen  wie  Nicolaus  V.   die 
päpstlichen  Geldgeschäfte  Cosimo  dem  Alten  anvertraute.    Die 
im  Jahre  1476   erfolgte  üebertragung  derselben  an  Francesco 
de'  Pazzi ,  den  Enkel  dessen  der  durch  Brunellesco  die  schöne 
Kapelle  im  Chiostro  von  Sto  Spirito  in  Florenz  bauen  Uess, 
war  einer  der  Anlässe  zu  der  Feindschaft  zwischen  den  Medici 
und   Pazzi   die   in   der   verhängnissvollen  Verschwörung   zum 
Ausbruch  kam.     Die   Ricasoli,   Martelli,   Gaddi,  Altoviti,    die 
sienesischen  Spannocchi  u.  A.  hatten  hier  xind  in  der  Nähe  ihre 
Wechselbanken.     Zu  Pius'  11.  Zeit  war  Ambrogio  Spannocchi 
Hof  banquier;  der  Papst  spottete  über  dessen  schlechte  Schrift, 
aber   er  vertraute  ihm  seine  Fonds  an,  verheh  ihm  sein  Fa- 
milienwappen ,   war  seiner  Erhebung  in  die  römische  Nobihtät 
wol  nicht  fremd. 

Ein  Mann  den  wir  in  der  Geschichte  dei'  Zeit  Julius'  IL 
und  Leos  X.  oft  und  mit  Ehren  genannt  finden  werden,  Ago- 
stino Chigi,  war  Lehrling  in  der  spannocchisciien  Bank  die 
er  nachmals  übernahm.  Schräg  gegenüber  S.  Celso  fuhrt  ein 
Thorbogen  zu  einem  kleinen  unscheinbaren  Platz,  der  vor  der 
Anlage  der  Via  Paola  etwas  geräumiger   war.     Das  grössere 


442  Die  Chigi  und  Altoviti. 

der  hier  befindlichen  Häuser  wurde  im  Jahre  1476  an  den  Sie- 
nesen  Mariauo  de'  Chigi  vermiethet,  und  hier  bestand  bis  ium 
Jahre  1528  eine  der  berühmtesten  Banken  Roms.  Mariano 
hatte  zwei  Söhne  Agostino  und  Sigismondo.  Dieser  ging  nach 
Siena  zurück  wo  er  die  Familie  fortpflanzte,  Jener  bahnte  sich 
durch  Aemter  und  glückliche  Geschäfte  den  Weg  zu  den  glän- 
zendsten Verhältnissen.  Er  trat  in  die  Curie  als  Sollicitator 
der  Breven,  Scriptor  der  apostolischen  Sendschreiben,  Cor- 
rector  der  Bullen,  zugleich  betheiligte  er  sich  an  der  Münze 
mit  den  Fugger.  Er  war  zugleich  sienesischer  Patrizier  und 
eifriger  Förderer  der  Kunst,  vornehmster  Compagnon  der 
Bank  von  Marianos  de'  Chigi  Erben.  Wie  der  Name  der 
Chigi  ist  auch  jener  der  Altoviti  mit  der  Geschichte  der 
grossen  Künstler  des  sechzehnten  Jahrhunderts  verknüpft. 
Schon  im  Jahre  1388  erscheint  Gentile  degU  Altoviti  »mer- 
cator  de  Florentia«  als  Besitzer  eines  Hauses  auf  dem  Platz 
vor  der  Engelsbrücke  mit  einem  an  den  Tiber  stossenden 
Garten.  Antonio,  dessen  Schwiegermutter  Clarenza  Cybo 
eine  Schwester  Innocenz'  VIII.  war,  und  welchem  wir  schon 
als  Meister  der  Münze  unter  diesem  Papst  begegnet  sind, 
hatte  zugleich  ein  Haus  in  der  Leostadt.  Sein  Sohn  war  der 
berühmte  Bindo,  der  den  heute  ziemlich  verkommenen  Palast 
an  der  Brücke  umbaute  und  von  dem  noch  wiederholt  die 
Rede  sein  wird.  Mehr  als  einmal  waren  so  in  der  avignoni- 
schen  Zeit  wie  später  Mitglieder  der  Familie  Altoviti  Gesandte 
der  Republik  bei  den  Päpsten  gewesen.  Ein  Sprössling  eines 
der  ältesten  florentinischen  Adelsgeschlechter  hatte  bei  S.  Celso 
sein  Haus,  Giorgio  degU  überti,  ein  Nachkomme  des  Dichters 
des  Dittamondo.  Auch  in  späterer  Zeit  werden  wir  diese 
Stadtgegend  namentlich  von  Geschäftsleuten  und  Künstlern 
aus  den  verschiedensten  Theilen  der  Halbinsel  bewohnt 
finden. 

Aber  auch  ein  Bevölkerungselement  anderer  Art  gab  es  in 
dieser  Stadtgegend.  Es  waren  die  Courtisanen,  die  »honestae 
meretrices«  wie  sie  in  den  schlimmen  Geschichten  der  Diarien 
der  Zeit,  unter  andern  bei  Burcard  vorkommen.  Die  Zahl 
derselben  wie  der  niedrigeren  Classe  der  Hetären  war  in  Rom, 
der  Stadt  der  Fremden  und  Ehelosen ,  überaus  gross  und  blieb 
ts  im  Zeitalter  Leos  X.  und  darüber  hinaus,  als  eine  arge 
Reminiscenz  altrömischer  Sittenlosigkeit ,  die  sich,  so  ferne  die 


Die  Courtisanen.  443 

verworfensten    in  Betracht  kommen,   in   anderen  italienischen 
Städten  vorzugsweise  an  die  Trüramerstätten  antiker  Amphi- 
theater und  Cirken  geheftet  zu  hahen  scheint  von  denen  hier 
die  Märtyrertraditionen   sie   vertrieben.     Wenn   im    sechzehn- 
ten Jahrhundert  eine  ganze  HetärenUteratur  sich   entwickelte, 
zu  welcher  leider  schon  vom  vierzehnten  an  Inhalt  und  Ton 
der    die    einzige    Unterhaltungslectüre   bildenden   Novellen    so 
anstössige  wie  berühmte  Vorbilder  geliefert  hatten,    so  holte 
der    schmutzige    Held    dieses    schmutzigen    Literaturzweiges, 
Pietro   Aretino,    den    Stoff  ebensosehr   wie    aus   Venedig   aus 
Rom  zu  Clemens'  VII.  Zeit.  In  dem  erwähnten  Cortile  de'  Chigi 
war  das  Haus   der  berühmtesten  Courtisane  vom  Anfang  jenes 
Jahrhunderts,  der  Ferraresin  Imperia,   der  wir  noch  begegnen 
werden  und    deren  Bildung   ihrer  Schönheit  gleichkam.      Die 
Inschrift  über  der  Thiire  war  karakteristisch :   »Beim  Eintritt 
giltTVitz  und  Verstand  —  beim  Weggehn  Geld  nur  oder  Pfand.« 
Am   Eingang   der   Leostadt   wohnten    Courtisanen   neben    den 
päpstlichen   Hofbeamten;    eine    der  schönsten,    die  Grechetta 
von  Campo  di  fiore ,  hatte  ihre  Wohnung  gegenüber  den  Mas- 
simi.    Die   mit  dem  Präfecten  Francesco  Orsini  in  wilder  Ehe 
lebende  Passarella  wurde  Mutter  eines  Grossmeisters  von  Rho- 
dus.     Frauen  denen  ihre  Liebesverhältnisse  einen  Namen  ge- 
macht haben,  hatten  Grundbesitz  in  dieser  Stadtgegend.    Von 
Vannozza  de'  Catanei  war  schon  die  Rede.    Das  Haus  Cardinal 
Ammanatis   kam    an   eine    »Freundin«    Cesare  Borgias,    Fiam- 
metta  die  Tochter  eines  Florentiners  Michele  di  Bartolommeo. 
Und  diese   »Honesta  mulier  Domina  Flammetta«,  nach  welcher 
die  von   der  Maschera  d'oro   nach  Sant'   ApoUiuare  führende 
Strasse  Piazza  Fiammetta  heisst,  stattete  eine  Kapelle  in  Sant' 
Agostino  reichlich  aus  und  ernannte  im  Jahre  1512  die  Guar- 
diane   von  Sancta  Sanctorum,    den  Prior  von  Sant'   Agostino 
und  den  Propst  von  Sta  Maria  della  pace  zu  ihren  Testaments- 
vollziehern. 

Der  Platz  vor  der  Engelsbriicke  war  wie  gesagt  durch 
Nicolaus  V.  erweitert  worden.  Seit  dem  Jahre  1488  fanden  auf 
demselben  die  Hinrichtungen  statt  welche  früher  vor  dem  Se- 
natspalast vollzogen  zu  werden  pflegten.  Zur  Linken  lagen  am 
Ufer  Nutzgärten  deren  Raum  gegenwärtig  die  florentinische 
Nationalkirche  und  die  sich  anschliessenden  Häuser  einnehmen; 
unten   am  Flusse,   bei  den  Pfeilertrümmern  der  vaticanischen 


444  Engelsbi*ucke  und  Tor  di  Noiia.     Die  Leostadt 

Brücke,  sah  man  Mühlen  nach  denen  eine  kleine  Strasse  heisst 
Die  benachbarte  Via  Lombarda,  heute  de'  Cimatori,  deutete 
auf  oberitaUsche  Ansiedler.  Zur  Rechten  des  Platzes  öflbete 
sich  längs  dem  Flusse  die  Via  di  Tordinona  welche  nach  der 
Via  Sistina  führte.  Tor  di  Nona  war  ursprüngUch  gleich 
einem  ähnlichen  Thurme  höher  hinauf  beim  heutigen  Collegio 
Clementino  eine  Veste  der  Orsini,  vielleicht  zum  Behuf  eines 
von  Nicolaus  IIL  ihnen  verliehenen  Tiberzolls.  Zu  Ende  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  war  der  Thurm  an  die  Brüderschaft 
von  Sancta  Sanctorum  gekommen,  nicht  lange  darauf  in  ein 
Gefangniss  umgewandelt  worden  an  welchem  bis  zu  der  hier 
geschilderten  Zeit  und  weit  über  dieselbe  hinaus  gebaut  wurde. 
p]s  war  ein  Thurmhaus  mit  Zinnen  und  feuchtem  Verliess. 
An  der  Brücke  standen  die  beiden  von  Nicolaus  V.  erbauten 
Kapellen,  der  Maria  Magdalena  und  den  Innocenti  gewidmete 
kleine  Rotunden,  welche,  da  sie  verfallen  waren,  Clemens  VIL 
wegräumen  und  durch  die  beiden  Apostelstatuen  ersetzen  liess. 
Die  Buden  welche  sich  auf  dieser  wie  auf  so  vielen  anderen 
Brücken  eingenistet  hatten,  waren  während  der  Kämpfe  für 
und  wider  König  Ladislaus  zerstört  worden. 


12. 

LEOSTADT  UND  PETERSKmCHE.      TRASTEVERE.      BEWOHNER, 

LEBENSWEISE,  UMGEBUNG. 

Die  Leonina  war  vonjeher  eine  Stadt  für  sich.  In  ihren 
Anfängen  war  sie  vorzugsweise  die  Stadt  der  Fremden  ge- 
wesen: im  fünfzehnten  Jahrhundert  wurde  sie  die  der  Hofleute. 
Ihre  Topographie  unterlag  grossen  Wechseln,  abgesehn  von 
den  Veränderungen  am  Castell  deren  in  der  Geschichte 
Alexanders  VI.  erwähnt  worden  ist.  Vor  der  Regierung 
Sixtus'  IV.  hatte  die  Leonina  zwei  Strassen  gehabt,  die 
Via  de'  cavalli  welche  wesentlich  die  Richtung  des  heuti- 
gen Borgo  Sto  Spirito  einhielt,  und  die  Via  santa  oder  Car- 
raria  sanctorum,  gegenwärtig  Borgo  vecchio  genannt.  Sixtus ß- 
welcher  dieser  Stadtgegend  schon  durch  den  Umbau  des  Spi- 
tals  von   Sto    Spirito    eine   grosse   Wohlthat   erzeigte,   legt« 


Strassen  der  Lcostadt.    Die  Peterskirche.  445 

wie  schon  berichtet  worden  ist  die  Via  Sistina  an,  die  sich 
vom  Thor  des  päpstlichen  Palastes  längs  der  leoninischen 
Mauer,  ältere  Gassen  erweiternd,  bis  zu  der  nahe  an  den  Grä- 
ben des  Castells  gelegenen  Kirche  Sta  Maria  Traspontina  er- 
streckte, welche  im  letzten  Drittel  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
an  ihrer  gegenwärtigen  Stelle  im  Borgo  nuovo  neugebant  wurde. 
Diesen  Borgo,  einst  Via  Alessandrina,  legt«  Alexander  VI.  an. 
Die  leoninische  Mauer  mit  dem  über  sie  geführten,  von  diesem 
Papst  hergestellten  Corridor  diente  zur  Begrenzung  auf  der 
Nordseite.  Zwischen  der  Engelsburg  und  dem  Strome  dehnte 
sich  ein  unregelmässiger  Platz  aus ,  der  mit  einem  kleinen  Hafen, 
Porto  della  Traspontina  endete.  Vor  der  Anlage  der  gedachten 
beiden  Strassen  war  der  grösste  Theil  des  Raumes  von  Gärten 
eingenommen.  Ausser  den  Kirchen  der  Fremdenscholen  und 
von  Sto  Spirito  sah  man  hier  einige  andere,  S.  Lorenzo  in 
piscibus,  S.  Giacomo  Scossacavalli  u.  s.  w.;  der  Zerstörung 
der  sogenannten  Meta  geschah  schon  Erwähnung.  Der  grösste 
Platz  war  der  bei  S.  Giacomo  Scossacavalli  damals  gewöhnlich 
nach  dem  anstossenden  Palast  Domenicos  della  Rovere  Piazza 
(lel  Cardinale  di  S.  demente  geheissen.  Er  wurde  noch  im 
letzten  Drittel  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  gebraucht,  Ziegel 
an  der  Sonne  zu  trocknen. 

Die  Bedeutung  der  Leonina  kam  ihr  von  der  Peterskirche 
und  dem  päpstlichen  Palast  Der  Ausgang  der  Regierung 
Alexanders  VI.  ist  zugleich  die  letzte  Zeit  der  alten  vati- 
canischen  Basilika  Längst  schien  sie  dem  Untergang  ge- 
weiht, aber  sei  es  dass  heilige  Scheu  die  zerstörende  Hand 
hemmte,  sei  es  dass  das  riesige  Unternehmen  schreckte,  von 
Nicolaus'  V.  Tode  an  hatten  die  Päpste  nicht  aufgehört  dem 
constantinischen  Bau  ausbessernde  und  verschönernde  Mühe- 
waltung zu  widmen.  In  den  Tagen  von  denen  hier  die  Rede 
ist,  bot  die  Peterskirche  einen  grossartig  ehrwürdigen  Bauten- 
complex  dar ,  bei  welchem  die  Einheit  des  Gedankens  über  die 
Vielartigkeit  der  Theile  beiweitem  den  Sieg  davontrug.  Wir 
haben  gesehn  wie  die  Stürme  des  Mittelalters  den  zum  Platz 
oder  der  Cortina  führenden  alten  Doppelporticus  vernichtet, 
die  Anlage  der  Via  Sistina  und  ein  Viertel] ahrhundert  später 
die  der  geradlinigen  A^ia  Alessandrina  den  Zugängen  zur  Kirche 
wesentlich  die  Form  gegeben  hatten  welche  sie  heute  bewah- 
ren, wenn  man  die  durch  Erweiterung  der  Piazza  Rusticucci 


446  Petersplatz  und  Platfonn.     Halle  der  Segenertheilung. 

veranlassten  Veränderungen  ausnimmt.  Der  Platz  auf  welchem 
einst  zwischen  den  kleinen  Kirchen  Sta  Maria  de'  Vergari  und 
S.  Gregorio  der  von  Papst  Symmachus  erbaute  Brunnen  mit  por- 
phymem  Becken ,  neuerdings  der  von  Innocenz  VIII.  errichtete 
stand,  und  der  auf  seiner  linken  oder  Südseite  an  die  theilweise 
von  modernen  Bauten  eingenommene  Trümmerstätte  des  neroni- 
schen  Circus  stiess,  reichte  wenig  hinaus  über  den  Anfang  der 
beiden  geradlinigen  Corridore  welche  die  eUiptischen  Bogengänge 
Alexanders  V^II.  mit  der  Vorhalle  der  heutigen  Basilika  verbin- 
den. Am  Ende  dieses  Platzes  führten  Stufen  auf  die  Platform 
welche  die  Kirche  trug,  seit  Papst  Symmachus'  Zeit  fünfund- 
dreissig  in  fünf  Abtheilungen ,  theils  marmorne  theils  von  Por- 
phyr und  zuletzt  unter  Papst  Pius  II.  ausgebessert,  welcher  im 
Jahre  1458  an  deren  Fuss  die  schon  erwähnten  Marmorstatuen 
der  Apostel  Petrus  und  Paulus  aufstellen  liess.  So  die  Stufeu 
wie  der  Raum  zu  dem  sie  führten,  und  der  denselben  ab- 
schliessende Vorhof  maassen  eine  Breite  von  hundertdreiund- 
dreissig  Fuss,  somit  gegen  drei  Fünftel  des  von  den  erwähnten 
modernen  Corridoren  eingeschlossenen  Raumes.  Papst  Sym- 
machus hatte  die  Stufen  an  beiden  Enden  zum  Schutze  Derer 
die  sie  auf  den  Knieen  zu  ersteigen  pflegten,  mit  einem  Dach 
versehen  lassen  welches  jedoch  unter  Benedict  XII.  im  Jahre 
1338  weggeräumt  worden  war,  indem  es  den  Effect  der  ganzen 
Anlage  störte. 

Die  mit  Marmorplatten  belegte  Platform  welche  man  mittelst 
dieser  Stufen  erreichte,  hatte  eine  Tiefe  von  fünfzig  Fuss  und 
diente  zu  feierlichen  Handlungen.  Hier  wurden  die  Päpste  ge- 
krönt, hier  empfingen  sie  die  Kaiser  und  die  zur  ErönuDg 
kommenden  römisch -teutschen  Könige  wie  andere  Souveräne 
in  feierlichem  Aufzuge,  von  hier  ertheilten  sie  dem  auf  dem 
Platz  vor  den  Stufen  versammelten  Volke  den  Segen.  Zu 
diesem  Zwecke  hatte  Papst  Innocenz  VIU.  den  Bau  der  aus 
drei  Geschossen  bestehenden,  durch  je  vier  von  Säulen  getragene 
Arkaden  gebildeten  Halle  begonnen  welche  wir  Alexander  \  1 
vollenden  sahen ,  und  die  ebensowie  Bonifaz'  VIII.  lateraniscbe 
Loggia  die  Segenertheilung  von  Nahen  xind  Fernen  besser  zu  ge- 
wahren erlaubte,  indem  sie  ihr  grössere  FeierUchkeit  verheh.  Zur 
Linken  gegenüber  dieser  Halle  stand  voxmals,  seit  Honorius  l. 
eine  Kirche  des  h.  ApoUinaris,  die  wie  es  heisst  wegen  der 
Nähe  der  Stelle  wo  den  Siegern  im  Circus  Preise  gereicht  zu 


Vorhof,  Glockeiithnrm ,  Sta  Maria  in  tunü.  447 

weiden  pflegten,  den  Namen  Palmata  führte,  falls  dieser  Name 
nicht  von  der  in  der  Nähe  vollzogenen  Palmenweihe  herrührt. 
Als  die  Kirche  verfallen  war,  wurde  sie  der  Dienerschaft  des 
Cardinal -Erzpriesters  der  Basilika  eingeräumt ,  der  in  der  Nähe 
seinen  Palast  hatte  von  welchem  sogleich  die  Rede  sein  wird. 

In  der  Mitte  des  Raumes  führten  drei  Thüren  in  den  Vor- 
hof dessen  vordere  oder  Ostseite  eine  Art  Vestibulum  bildete. 
Vier  ägyptische  Granitsäulen,  heute  an  der  Fontana  PaoUna 
auf  dem  Janiculum,  standen  an  diesen  Thüren,  welche  ur- 
sprünglich von  Erz  durch  Hadrian  I.  aus  Perugia  hierherver- 
setzt worden  waren  und  auf  denen  man  die  Namen  der  zins- 
pflichtigen Reiche,  Provinzen,  Städte  las.  Da  die  Erzthüren 
im  Lauf  der  Jahrhunderte,  namentlich  bei  der  Belagerung  der 
Basilika  durch  Friedrich  den  Rothbart  im  Jahre  1167  zu  Schaden 
gekommen  waren,  hatte  Nicolaus  V.  sie  durch  hölzerne  Flügel 
mit  Pfosten  von  parischem  Marmor  ersetzt  und  darauf  die  er- 
wähnten Namen  in  silbernen  Buchstaben  einlegen  lassen.  Trat 
man  in  den  Vorhof  ein,  so  befand  man  sich,  in  den  Tagen 
als  derselbe  noch  unversehrt  war,  in  einem  länglichen  von 
geräumigen  Säulengängen  umschlossene»  Viereck,  dessen  beide 
Langseiten  nach  aussen  hin  durch  Pfeiler  und  mit  diesen 
verbundene  Mauern  gebildet  wurden.  An  der  schon  erwähnten 
östlichen  Eintrittshalle,  von  der  doppelten  Breite  der  übrigen, 
erhoben  sich  zur  Rechten  und  Linken  ansehnliche  Bauwerke. 
Zur  Rechten  stand  der  Glockenthurm  dessen  erste  Anlage 
schwerlich  über  Papst  Zacharias,  nach  Andern  nicht  über 
Leo  IV.  hinausgeht,  obgleich  man  ihm  altern  Ursprung  zu- 
weisen möffte.  Seine  Stelle  war  da  wo  heute  vor  den  Stufen 
der  neuen  Basilika  die  Colossalstatue  des  Apostels  Paulus  steht. 
Der  Thurm  war  unter Bonifaz  VIII.  abgebrannt,  von  ihm  wieder- 
erbaut, im  December  1352  vom  Blitz  getroffen,  von  Innocenz  VI. 
und  Urban  V.  wiederhergestellt,  endlich  von  Pius  IL  ausge- 
bessert worden.  Der  metallene  Hahn  der  dessen  Spitze  bil- 
dete, befindet  sich  in  der  Sacristei  Pius'  VI.  Zur  Linken  des 
Eingangs  war  einst  die  Stelle  der  Kirche  Sta  Maria  in  turri 
oder  in  laborerio.  Der  Ursprung  derselben  scheint  dem  Ende 
des  siebenten  oder  dem  Anfang  des  achten  Jahrhunderts  an- 
zugehören, der  Neubau  Papst  Innocenz  IL  der  sie  dem  vati- 
canischen  Kapitel  überwies.  Hier  wurden  am  Palmsonntag  die 
Palmen  geweiht  die  man  dann  in  feierlichem  Umzug  nach  der 


448  Inneres  des  Vorhofs. 

Basilika  trug.  Hier  leistete  der  römische  König  nach  der  Be- 
gegnung mit  dem  Papste  auf  der  Platform  den  Eid,  treuer 
Sachwalter  der  Kirche  zu  sein,  und  wurde  unter  die  vaticaDi- 
sehen  Stiftsherren  aufgenommeu.  Die  Belagerung  des  Vaticans 
durch  Friedrich  L  wurde  Sta  Maria  in  turri  verderbUch.  Sie 
ging  in  Flammen  auf,  wälirend  das  anstossende  Nonnenkloster 
so  beschädigt  ward  dass  seine  Bewohnerinnen  es  zu  Anfang 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  ganz  verUessen.  Ein  mit  einem 
Altar  versehenes  Kapellchen  bewahrte  den  alten  Namen,  an 
dem  man  so  festhielt  dass  er  im  Jahre  1530  bei  Carls  V.  Kaiser- 
krönung in  Bologna  einem  auf  den  Stufen  von  San  Petronio 
zum  Behuf  der  Eidesleistung  errichteten  provisorischen  Kirch- 
lein beigelegt  ward.  Der  Raum  aber  nebst  der  nächsten  Um- 
gebung wurde  für  die  Errichtung  der  Wohnung  des  jeweUigeD 
Cardinal -Erzpriesters  von  St.  Peter  benutzt,  welche  Richard 
OUvier  de  Longueil  der  schon  genannte  Cardinal  von  Cou- 
tances  umbauen  und  mit  Gemälden  schmücken  Uess,  wovon 
eine  Inschrift  Kunde  gab. 

Liess  man  nun  Glockenthurm  und  Marienkirche  hinter  sich, 
so  stand  man  in  dem  die  Vorderseite  des  Vorhofs  bildenden 
Säulengang,  in  dessen  Mitte  drei  andere  mit  den  obenbeschrie- 
benen  übereinstimmende  eherne  Thüren  in  die  innere  Area 
führten.  Der  innere  Vorhof  oder  Paradisus  hatte  eine  Länge 
von  157  Fuss  bei  133  Fuss  Breite.  Zu  Anfang  mit  symboli- 
schen Bäumen,  Palmen,  Cypressen,  Oelbäumen,  Rosen  u. s. w. 
bepflanzt,  wurde  er  von  Papst  Donus  mit  Marmorplatten  be- 
legt. Der  EfiFect  dieses  grossen  von  korinthischen  Marmor- 
säulen, je  dreizehn  an  den  Langseiten,  gebildeten  Vierecks 
muss  ein  so  bedeutender  wie  schöner  gewesen  sein.  Auf  allen 
Seiten  von  Säulen  eingeschlossen  hatte  man  vor  sich  die  gold- 
stralende  den  Porticus  hoch  überragende  Fa<;ade  der  Kirche. 
Die  vier  Säulengänge ,  vonaltersher  mit  Hülfesuchenden  gelullt, 
boten  eine  Reihe  merkwürdiger  Monumente  dar,  von  denen 
indess  zur  Zeit  von  der  hier  die  Rede  ist  die  meisten  halb 
oder  ganz  zerstört  waren  und  die  blosse  Tradition  bestand. 
Gleich  zur  Linken  des  Eingangs  wies  man  auf  das  Grabmal 
Valentinians  III. ,  in  welchem  gemäss  der  Tradition  auch  dessen 
Mutter  Galla  Placidia  beigesetzt  war.  Dabei  stand  das  Monu- 
ment Kaiser  Ottos  11.,  welches  römische  Ruhelosigkeit  nicht 
unversehrt   gelassen   hatte.     Auch    die   Gräber   der  britischen 


Inneres  des  Yorhofs.    Die  Vorhalle.  449 

Könige  Cedwalla  und  Offa  zeigte  man  hier,  während  die  schöne 
Giabschrift  der  Elpis  in  die  letzte  altrömische  Kaiserzeit  zu- 
rückversetzte.   In   der  Mitte  des  freien  Mittelraums  stand  der 
von  Papst  Damasus  für  die  Pilger  und  übrigen  Andächtigen 
errichtete,   von   verschiedenen   seiner   Nachfolger  hergestellte 
und  verschönerte  Brunnen   dessen  Wasserstral   versiegt   war. 
Mit  Marmor  und  Alabaster  reich   geschmückt  hatte  er  über 
sich  ein  auf  acht  Porphyrsäulen  ruhendes  ehernes  Dach,  in  der 
Mitte  den  colossalen  broncenen  Pinienapfel,  den  man  fiir  die 
Krönung  des  Hadrians- Mausoleums  zu  halten  pflegt  und  aus 
dessen  Oefihungen  einst  Wasser  hervordrang,  nebst  zwei  Pfauen 
von  demselben  Metall.    Ein  zweiter  Brunnen  von  Erz  für  den 
gewöhnlichen  Gebrauch   stand  in  der  Nähe  des  erstem.    An 
der  Ausschmückung  des  Vorhofs  mit  Marmoren,  Musiven,  Ge- 
mälden,   Dachbalken  u.  s.  w.   hatten   eine  Menge  Päpste   ge- 
arbeitet, aber  in  den  spätem  Tagen  der  alten  Basilika  war  sein 
Crlanz  geschwunden.    Feuersbrünste  und  Kämpfe,  namentlich 
in  der  Epoche  der  Salier  und  S  tauf  er,    hatten  den  Porticua 
mehrfach  und  arg  beschädigt;  schlimmer  noch  war's  ihm  mit 
der  ganzen  Leonina   in  den  letzten  Zeiten  des  Schismas  er- 
gangen.   Als  Martin  V.  nach  Rom  ziurückkehrte,  war  der  Vor- 
hof eine  Trümmerstätte.    Einen  AugenbUck  dachte  der  Papst 
an  dessen  Wiederherstellung,  aber  die  Kosten  schreckten  ihn 
und  er  beschränkte  sich  auf  die  Ausbesserung  der  eigentUchen 
Vorhalle.    Dem  Verfall  der  Portiken  folgte  dann  rasch  deren 
Umwandlung.    Auf  der  Südostseite  entstanden  der  schon  er- 
wähnte Palast  des  Cardinal -Erzpriesters,   die  Wohnung   des 
Altaristen  oder  Vorstehers  des  Oekonomats,  die  der  Kirchen- 
diener, gegenüber,  zur  Rechten  des  Eintretenden,  die  Locale 
für  die  Datarie,  die  Rota,    die  Plumbatoren  und  andere  mit 
der  päpsthchen  Hofhaltung  verbundene  Dikasterien.     So  war 
die  ursprünglich  schöne  und  harmonische  Anlage  vöUig  umge- 
staltet. 

Nur  die  vierte,  die  eigentUche  Vorhalle  der  Kirche  bil- 
dende Seite  des  Porticus  war  stehn  gebUeben.  Zehn  Säulen 
und  zwei  Pfeiler  trugen  dieselbe,  mit  korinthischen  Kapitalen 
und  darüber  sich  wölbenden  Bogen,  über  deren  Gebälk  in  der 
Mitte  eine  sitzende  Marmorstatue  des  Apostels  Petrus  ange- 
bracht war,  die  man  heute  in  den  vaticanischen  Grotten  in 
der   Kapelle    der  Maria   Parturientium    sieht.      Trat   man   in 

V.  Beumont,   Rom.   III.  29 


460  Thüren  der  Basilika. 

diesö  mit  eherner  Mittelthüre  versehene  Säulenhalle,  so  er* 
blickte  man  längs  den  Wänden  eine  Reihe  von  Papatmonu- 
menten  vom  sechsten  zum  eilften  Jahrhundert  deren  Inschriften 
zum  Theil  erhalten  sind,  unter  ihnen  das  Monument  Gregors 
des  Grossen  in  welchem  bis  zum  Jahre  827  seine  sterblichen 
Reste  ruhten ,  Trophäen  aus  den  spanischen  und  anderen  Mau- 
ren- und  Türkenkriegen,  bis  zu  denen  Cardinal  Olivieri  Carafas, 
über  den  Säulen  zahlreiche  Darstellungen  aus  der  Apostel- 
geschichte. GiottoB  berühmtes  Musiv  der  Navicella  schmückte 
seit  Bonifaz*  VIII.  Zeit  die  Vorhalle.  Fünf  grosse  Thüren 
führten  in  das  Innere  der  Basilika.  Die  mittlere  wurde  Regia 
und  auch  dann  noch  Argentea  genannt,  als  die  von  Gr^r 
dem  Grossen  herrührende,  nach  der  Saracenenplünderung  von 
Leo  IV.  erneuerte  Bekleidung  mit  Silberplatten  in  den  Kämpfen 
zwischen  Innocenz  n.  und  Anaclet  U.  verschwunden  war,  worauf 
sie  drei  Jahrhunderte  lang  von  Holz  blieb,  bis  Eugen  IV.  die 
noch  vorhandene  Erzthüre  giessen  liess.  Ueber  dieser  Thüre 
sah  man  eine  Statue  des  Heilands  von  vergoldetem  Silb^,  vor 
derselben  eine  Porphyrplatte  welche  die  angebliche  Grabstatte 
Badas  des  Ehrwürdigen,  des  Lehrers  und  Geschichtschreibers 
der  Angelsachsen  bezeichnete,  der  aber  nie  in  Rom  gewesen 
ist  Zu  den  Seiten  der  Mittelthüre  öffneten  sich  zwei  von 
gleicher  Grfisse  mit  Holzsculpturen.  Sie  hiessen  die  Romana 
und  Ravignana,  welcher  letztere  Name  sich  von  Trasterere 
und  seinem  Ravennatenquartier  herschreibt.  Diese  drei  Thü- 
ren führten  zum  Mittelschiff.  Auch  die  Seitenschiffe  hatten 
je  eine  Thüre.  Zur  Rechten  Uess  in  das  gröss^e  die 
Porta  Guidonea  ein,  so  genannt  nach  den  Giiiden  der  Pilger, 
in  das  äussere  die  von  Alexander  VI.  im  Jahre  1500  erbaute 
Porta  Santa,  welche  die  damals  geschlossene  kleine  Porta  del 
voito  Santo  ersetate  die  ihren  Namen  von  der  Veronicareliqnie 
erhalten  hatte.  Zum  grossem  linken  Seitenschiff  führte  mit 
der  Guidonea  übereinstimmend  die  Porta  del  giudizio,  durch 
welche  man  die  Leichen  zu  tri^en  pflegte.  Es  folgte  noch 
eine  Thüre,  die  der  Paramentenkammer  in  welche  man  vom 
Porticus  aus  gelangte.  Ausser  diesen  Thüren  der  Stirnseite 
hatte  die  Kirche  deren  dreizehn  an  Langseiten  und  Qner- 
schiff,  die  zu  anstossenden  Kapellen  und  anderen  Bauten  oder 
ins  Freie  führten. 

Treten  wir  nun  ins  Innere.    Beinahe  zwölf  Jahrhunderte 


Das  Innere.    Mittelschiff.  451 

hatten  diese  ehrwürdigen  Hallen   erlebt,   alle  Geschicke  und 
Stürme  des  Pontificats  hatten  sie  mitdurchgemacht,  Triumph 
und  Fall  und  Wiedererhebung  in  raschem  Wechsel  geschaut, 
wiederholt    Schauplatz    welthistorischer    Ereignisse    in    denen 
Rom  Mittelpunkt,  die  ganze  Christen  weit  Peripherie  war.   Der 
lebendige  Earakter  dieser  grossen  Geschichte   war  der  vati- 
canischen  Basihka  aufgedrückt   Auch  in  den  Tagen  fortschrei- 
tenden Verfalls  und  ungeachtet  der  Merkmale  der  gesunkenen 
Kunst  der  Zeit  ihres  Entstehens  war  sie  ein  mächtig  impo- 
santer Bau,  ergreifender  als  in  den  Jahren  ihres  frischen  Glan- 
zes durch   die   mit  ihr   gealterten  Zeugnisse   des  Sieges   des 
Christenglaubens  über  das  Heidenthum.    Man  mogte  der  man- 
gehiden  Harmonie  der  Verhältnisse,  der  Ungleichartigkeit  der 
Materialien  vergessen,  wenn  man  sich  dem  Jahrhundert  Con- 
stantins,  Leos,  Gregors  des  Grossen,  Carls  und  Ottos,   Gre- 
gors Vn. ,   Alexanders  III.,   Innocenz'  III.   nahegerückt  fand, 
Riesenhoch  strebte   das  Mittelschiff  der  Basilika  empor,   von 
je   zweiundzwanzig   korinthischen,   keineswegs  immer   gleich- 
artigen Marmor-  und  Granitsäulen  und  vier  Pfeilern  getragen, 
mit  flachem  seit  I^icolaus  IQ.  mit  Papstbildem  in  Musiv  ge- 
schmücktem, gleich  den  Säulen  von  älteren  Bauten  entlehntem 
Marmorgebälk.     Die  darüber  sich  erhebende  Wand,   wie  bei 
allen  der  Bogen  über  den  Säulen  ermangelnden  BasiUkenbauten 
unbelebt  und  yon  übermässiger  Höhe,  war  seit  neun  Jahrhun- 
derten   mit    zwei    Reihen   Darstellungen   aus   der   Heiligenge- 
schichte geziert,  während  oben  eine  Reihe  dreitheiliger  Fen- 
ster im  Spitzbogenstil,  zwischen  denen  Geschichten  aus  dem 
Leben    der    Apostel    Petrus    und    Paulus    angebracht    waren, 
Licht  einfallen  Uess.    Die  Seitenschiffe  hatten  über  den  Säulen 
Bogen,  die  Wände  waren  ursprünglich  mit  Marmorplatten  be- 
kleidet wovon    nur  Reste    erhalten   waren.      Der   Dachstuhl 
des   Mittelschiffs    war   sichtbar,    das   Faviment    verschieden- 
artig von  Marmormusiv  und  Marmorplatten ,  im  Hauptschiff  mit 
mehren  jener  grossen  Porphyr-  und  Granitrunde,  von  denen 
das  eine,  auf  welchem  das  Gebet  über  den  zu  krönenden  Kaiser 
gesprochen  zu  werden  pflegte,  durch  die  Geschichte  Pascha- 
lis* II.  und  Heinrichs  V.  berühmt  geworden  ist. 

So  Mittelschiff  wie  Seitenschiffe  wiesen  längs  Säulenreihen  und 
Wänden  zahlreiche  Altäre,  Heiligthümer,  Monumente  auf ,  von 
den  ältesten  Zeiten  zum  fünfzehnten  Jahrhundert  herabreichend. 

29  • 


452  MoDumente  und  Reliquien. 

Hier  lagen  viele  der  Päpste  des  frühem  Mittelalters,  die  mei- 
sten der  letzten  Jahrhunderte.    Von  jenen  waren  manche  eist 
im  Lauf  späterer  Jahre  in  die  Basilika  übertragen,  zum  Tbeil 
aus  Anlass   ihrer  Canonisation  sodass   ihre   sterblichen  Reste 
unter  Altartischen  ruhten;  von  diesen  lag  die  Mehrzahl  in  prach- 
tigen Marmormonumenten,  deren  im  Verlauf  dieser  Geschichte 
Erwähnung  geschehn  ist,  bald  an   den  Wänden  der  Basilika 
wo  Pius  IL  ihnen  theilweise  neue  Plätze  anwies,  bald  in  ein- 
zelnen Kapellen.     Zu   den  ansehnlichsten  Denkmalen   späterer 
Zeiten  gehörten  jene  Nicolaus' IIL,  Bonifaz' VIII. ,  Urbans  VL, 
Nicolaus' V.,  Pius'  11.,  Pauls  IL,  Sixtus'  IV.,  Innocenz'  VIIL 
Ihnen   sollte   sich  Alexanders  VL   Grab   anreihen   —   was  ist 
heute  von  allen  diesen  Werken  geblieben,  in  denen  die  Kunst 
der  Cosmatenzeit   und   die    der   toscanischen    Quattrocentisten 
ihr  Bestes  that?  Nur  ein  Paar  sind  unversehrt,  andere  sind  nach 
neueren  Kirchen  versetzt  worden :  von  den  übrigen  sieht  man 
nichts  als  in   den  vaticanischen  Grotten  die  disiecta  membra. 
Den  Päpsten  schlössen  sich  zahlreiche  Cardinäle,  Bischöfe,  an- 
dere Würdenträger  an,  GeistUche  wie  WeltUche,  Wohlthäter  des 
grossen  Tempels  durch  Stiftungen  und  Bauten,  fremde  Herrscher 
die  in  Rom  eine  Ruhestätte  suchten  und  fanden  welche  die  eigne 
Heimat  ihnen  verweigert  hatte.     Ehrwürdige  Reliquien  deren 
Tradition  nicht  selten  in  die  entlegensten  Zeiten  zurückreichte, 
fromme  Exvota  mehrten  die  den  Altären  und  Kapellen  gezollte 
Verehrung.    Zu  der  Veronica  oder  dem  Volto  santo,  im  ganzen 
Mittelalter   vornehmstes  Ziel   der   Pilgerfahrten,   und   dem  b. 
Kreuz  waren  in  dem  Jahrhundert  an  dessen  Ausgang  wir  stehn, 
das  Haupt  des  Apostels  Andreas  und  die  h.  Lanze  gekommen, 
heute  sämmtlicli  in  den  Nischen  der  vier  Hauptpfeiler  der  Kup- 
pel niedergelegt  wo  sie  den  Gläubigen  gezeigt  zu  werden  pflegen. 
Eines  der  ältesten  und  gefeiertsten  Werke,  die  sitzende  Erz- 
statue des  Apostelfürsten,  wurde  erst  nach  der  Zeit  von  wel- 
cher hier  die  Rede  ist,  bei  der  Gründung  der  Kuppelpfeiler 
der  neuen  Basiüka,   aus    der   damals  zerstörten  anstossenden 
Klosterkirche  des  h.   Martin  hiehergebracht     Manche  Verän- 
derungen, namentlich  wie  wir  wissen  durch  und  seit  FiusD., 
waren  in  der  Anordnung  der  einzelnen  Monumente  vorgenom- 
men   worden.     Aber    die  Verschiedenheit   derselben,    im  Zu- 
sammenhang  mit   den   grossen  Wechseln  im  Kunstgeschmact 
der  vielen  seit  dem  Bau  und  der  Ausschmückung  der  Basilika 


QuerschiflT,  Confession  und  Hochaltar.  453 

verflossenen  Jahrhunderte,  veranlassten  eine  Manchfaltigkeit 
die  einen  von  dem  heutigen  ganz  verschiedenen  Eindruck 
machte. 

Das  Langhaus  der  Kirche  stand  durch  fünf  mehr  oder  min- 
der hohe  BogenöflFnungen  mit  dem  Querschiff  in  Verbindung. 
Zwei  Riesensäulen  trugen  den  Triumphbogen  des  Mittelschiffs. 
Trat  man  aus  demselben  in  das  Querschiff,  so  stand  man  vor  dem 
Presbyterium ,  an  der  Vorderseite  durch  eine  von  zwölf  in  dop- 
pelter Reihe  stehenden  gewundenen  Marmorsäulen  überragte  por- 
phyme  Brustwehr  gebildet,  mit  gleichem  Architrav  über  welchem 
das  Christusmonogramm  angebracht  war.  Diese  mit  drei  Thür- 
offhungen  versehene  Wand  bildete  zugleich  den  Eingang  zur 
Confession  die  sich  vor  dem  Hochaltar  befand.  Von  den  Schick- 
salen beider  in  traurigen  Zeiten  Roms  und  der  Kirche ,  inmitten 
saracenischer  Plünderungen  und  innerer  Bewegungen  ist  mehr- 
fach die  Rede  gewesen.  Im  Laufe  der  Jahrhunderte  war  der 
Altar  wiederholt  umgestaltet  worden;  sowie  man  ihn  damals 
sah,  gehörte  er  dem  ersten  Drittel  des  zwölften  Jahrhunderts 
an.  Auf  acht  Stufen  stieg  man  von  der  Westseite  zu  ihm  empor. 
Vier  Porphyrsäulen,  einst  mit  Silberplatten  belegt,  trugen  das 
zuletzt  unter  Paul  II.  modemisirte  marmorne  Spitzbogentaber- 
nakel, dessen  innere  silberne  Decke  in  Bonifaz'  VIII.  Tagen 
von  Rauch  und  Alter  geschwärzt  erschien.  Alle  Zeitalter 
hatten  auf  dem  Altar  und  dem  Apostelgrabe  Geschenke  ge- 
häuft, Momente  der  Verwirrung  und  Noth  sie  geraubt,  Tage 
der  Ruhe  sie  zu  ersetzen  gesucht.  Gold-  und  Silberplatten 
mit  ReUefdarstellungen  aus  der  h.  Schrift,  kostbare  ReUquiarien 
und  Kreuze,  silberne  Engelstatuen,  gewirkte  Teppiche  mit  Dar- 
stellungen des  Anthtzes  des  Heilands,  der  h.  Jungfrau,  der 
Apostel.  Noch  Sixtus  IV.  hatte  Marmorreliefs  mit  Leben  und 
Martyrthum  Petrus'  und  Paulus'  zum  Schmuck  der  Confession 
beigesteuert. 

Hinter  dem  Hochaltar  öffnete  sich  nach  Westen  der  Halb- 
kreis der  Tribüne,  in  dessen  Mitte  der  Papststuhl  stand.  Die 
nicht  weit  über  den  Anfang  der  heute  zum  Hochaltar  fuhren- 
den Stufen  hinausreichende  Tribüne  war  von  Constantin  dem 
Grossen  n^t  Musiven  geschmückt  worden ,  welche  durch  Papst 
Severin  im  siebenten  Jahrhundert  ausgebessert,  im  dreizehnten 
durch  Innocenz  IH.  durchgehends  erneuert  und  bedeutend  um- 
gestaltet wurden,   wie  sie   sich  denn  in   dieser  Emeurung  bis 


454  Tribüne  und  Musive. 

gegen  das  Ende  des  sechzehnten  Jahrhunderts  erhielten,  wo 
die  Tribüne  von  Sixtus  V.  abgetragen  ward  der  eine  kleine 
Copie  derselben  anfertigen  liess.  Die  Musive  bildeten  iwci 
Abtheilungen,  deren  untere  schmale  über  dem  senkrechten 
Theil  der  Wand  begann,  die  obere  die  concave  Wölbung  be- 
deckte. In  der  ersten  sah  man  in  der  Mitte  das  Lamm  vor 
einem  vom  Kreuze  überragten  edelsteingeschmückten  Altar 
zwischen  den  Darstellungen  von  Jerusalem  und  Betlehem  und 
den  zwölf  zu  dem  Lebeusstrome  gehenden  Lämmern,  mit  Palm- 
bäumen und  Sträuchern,  neben  dem  Kreuze  einerseits  Papst 
Innocenz  ELL,  andrerseits  eine  mit  einem  Mantel  bekleidete 
weibUche  Gestalt,  Banner  und  Schlüssel  haltend,  die  römische 
Kirche.  Die  Mitte  der  obern  Abtheilung  nahm  der  auf  dem 
Throne  sitzende  mit  einem  Purpurgewande  bekleidete  segnende 
Heiland  ein,  zwischen  den  neben  ragenden  Palmen  stehenden 
Aposteln  Petrus  und  Paulus,  zu  seinen  Füssen  die  Paradieses- 
ströme denen  sich  die  Hirsche  nahten.  Ueber  dem  Heiland 
sah  man  ein  Kreuz  unter  welchem  eine  segnende  Hand  aus 
Wolken  ragte.  Inschriften,  so  lateinische  wie  griechische,  zum 
Theil  in  Distichen ,  waren  an  verschiedenen  Stellen  des  Musivs 
zu  lesen.  An  beiden  Seiten  des  Querschifis,  welche  durch  je 
zwei  Säulen  und  ebensoviele  Pfeiler  abgetrennte  Ausladungen 
bildeten,  waren  mehre  Altäre  und  Kapellen  angebracht,  so  zur 
Linken  die  Kapelle  des  h.  Mauritius  in  welcher  die  Salbung 
des  zu  krönenden  Kaisers  stattfand,  und  die  Kapelle  Ha- 
drians  I.  mit  dem  Stuhl  Petri. 

So  war  in  seinen  Haupttheilen  das  Innere  der  BasLÜka 
beschaffen,  die  seit  den  Tagen  des  Sieges  des  Christentbums 
so  viele  Glorie  und  Feste,  so  viele  Profanirungen  undPlünde» 
rungen  erlebt  hatte,  zuletzt  im  Jahre  1413  durch  König  La- 
dislaus*  wüste  Horden,  worauf  hundertvierzehn  Jahre  lang 
Frieden  und  Ruhe  herrschten,  bis  zu  jener  Verheerung  welche, 
der  saracenischen  vergleichbar,  den  schon  im  Dmbau  begriffenen 
Tempel  durch  das  Heer  eines  römischen  Kaisers  betraf.  Frieden 
imd  Ruhe,  die  aber  doch  nicht  Beraubungen  mancher  Art  aus- 
schlössen, selbst  von  der  Hand  Solcher  die  geistliches  Gewand 
trugen,  so  dass  noch  Papst  Eugen  IV.,  das  Beispiel  seiner 
avignonischen  Vorgänger  nachahmend,  die  sogar  den  päpst- 
Uchen  Thron  nicht  schonenden  Beraubungen  mit  schweren 
Kirchenstrafen  zu  belegen  sich  genöthigt  fand. 


Nebenbauten.    Sacristei.    Kapellen.  455 

Zahlreiche  Bau|en,   ältere  wie  neuere,    umschlossen  Mf 
allen    Seiten    die  Basilika,    so    dass    nach    aussen    ihre    ut» 
spruDgliche  Gestalt  schwer   erkennbar,  ihre  Mauern   an   den 
Langseiten  überall  durchbrochen  waren.    Bei  der  Schilderung 
der  ansehnlichsten  dieser  Nebenbauten  beginnen  wir  mit  der 
alten  Sacristei,  Secretarium ,  am  linken  Ende  des  Porticus  der 
Stirnseite  aus  welchem  die  schon  erwähnte  kleine  Thüre  in 
deren   schmales   Vestibulum   führte.     Papst   Gregor  IV.    ver- 
wandelte sie  in  eine  durch  acht  Säulen  in  drei  Schiffe  getheilte 
Kapelle  mit  einer  durch  Musive  geschmückten  Absis,  in  welcher 
die  sterblichen  Reste  Gregors  des  Grossen  niedergelegt  wurden 
und  bUeben,    bis  Pius  IL   sie   nach   dem   von  ihm   erbauten 
Andreasaltar  brachte.    Unter  Sixtus  IV.  wurde  dies  Oratorium 
St.  Gregors,  wo  die  Bischofsweihe  des  neugewählten  Papstes  vor- 
genonmien  zu  werden  pflegte,  wesentlich  umgestaltet.  Als  die  Ea* 
pelle  der  Madonna  della  Febbre,  von  welcher  bald  die  Rede  sein 
wird,  als  Sacristei  der  Basihka  verwendet  wurde,  brachte  man 
das  Gnadenbild  derselben  hieher,  womit  denn  auch  der  Name 
auf  das  Oratorium  überging,  welches  zugleich  einen  kostbairen 
Schmuck  erhielt,  Buonarrotis  Gruppe  der  Pieta,  das  Geschenk 
des  Cardinals  von  St.  Denis  das  es  bei  seiner  nachmaligen  Zerstö- 
rung an  die  neue  Peterskirche  abgab.   Statt  der  ältesten  Sacristei 
hatte  Papst  Gregor  IV.  an  derselben  Südseite  der  Kirche  eine 
neue  gebaut,  welche  bis  zu  Pius*  II.  Zeit  zu  diesem  Zwecke 
gedient  zu  haben  scheint,  dann  bis  zu  Pius  V.  Nonnen,  den 
sogenannten  Murate  di  S.  Pietro,  eingeräumt  war.    Ging  man 
weiter,  so  fand  man  ein  von  Papst  Symmachus  dem  Apostel 
Thomas  gewidmetes  Oratorium,  welches  zugleich  als  Baptiste* 
rium  und  als  Anhang  zur  Sacristei  benutzt  wurde.   Nun  folgte 
die  von  Sixtus  IV.  zur  Aufstellung  seines  eignen  Monumente 
erbaute  geräumige  Kapelle,  welche  zugleich  als  Chor  für  die 
Stiftsherren  und  Beneficiaten  diente  und  der  die  kleinere  Sa- 
cristei und   das  Winterchor  sich  anschlössen,   bei   dem   sich 
auch  die  Bibliothek  der  Basilika  befand.    Treppe  und  Thüre 
führten    von    hier    ins   Freie,    wo    man    auf    der   Spina    des 
alten  Circus   den  Obelisken   und  hart  neben  demselben  zwei 
durch  einen  Gang  miteinander  verbundene  Rotunden  vor  sich 
sah,    deren  zweite  mit  dem  südlichen  Querschiff  der  Kirche 
in  Verbindung   stand.     Die   eine   war   dem   Apostel  Andrea«« 
die  andere  der  h.  Petronilla  gewidmet:  die  ansehnUcbsten  uQCl 


456  Rotunden  des  h.  Andreas  und  der  h.  Petronilla. 

nach  Zerstörung  der  Anicischen  Grabkap^lle  die  merkwürdig- 
sten unter  den  Bauten  welche  St.  Peter  umgaben. 

Beide  waren  einander  in  .Form  und  Anlage  durchaus  ähn- 
lich und  augenscheinlich  hatte  die  eine  der  Rotunden  der 
andern  zum  Muster  gedient,  indem  sie,  nach  aussen  kreisför- 
mig, im  Innern  durch  die  für  Altäre  oder  Monumente  ange- 
brachten Nischen  zu  Achtecken  gestaltet  und  mit  einem  Kuppel- 
gewölbe versehen  waren.  Die  an  die  Spitzsäule  stossende 
Andreaskirche,  in  welcher  man  einen  heidnischen  Tempel  sab 
ohne  zu  beachten  dass  ihre  Lage  auf  der  Spina  des  Circus 
eine  solche  Annahme  ausschloss ,  wurde  von  Papst  Symmachus 
zu  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  erbaut  und  mit  Säulen- 
porticus  und  Brunnen  geschmückt.  Ein  auf  die  Wand  gemal- 
tes für  wunderthätig  gehaltenes  Marienbild,  die  Madonna  della 
Febbre  verdrängte  den  ursprüngUchen  Namen,  bis  der  Rundbau 
unter  Julius  U.  in  die  Sacristei  der  Basilika  verwandelt  ward, 
eine  Bestimmung  die  ihm  bis  zum  Bau  der  neuen  Sacristei 
Pius*  VI.  das  Dasein  fristete.  Von  ungleich  grösserm  Interesse 
war  aber  die  zweite  Rotunde,  jenes  Mausoleum  des  Honorius 
von  welchem  in  der  Geschichte  der  Dynastie  Theodosius'  des 
Grossen  die  Rede  gewesen  ist.  Papst  Stephan  11.  hatte  im 
achten  Jahrhundert  diese  Grabkapelle  in  eine  Earche  der  h. 
Petronilla,  der  sogenannten  Tochter  des  Apostels  Petrus  um- 
geschaffen, deren  Sarkophag  aus  dem  Friedhof  der  Domitilla 
hieherversetzt  ward.  Die  späteren  Zeiten  hatten  dieser  Statte, 
wo  Kaiser  Heinrichs  IV.  Mutter  Agnes  von  Poitiers  beerdigt 
wurde  und  welche  unter  den  besondem  Schutz  der  französi- 
schen Könige  gelangte,  grosse  Verehrung  gewidmet;  durch 
König  Ludwig  XI.  war  der  Altar  der  Schutzheiligen  erneuert 
worden.  Die  Zerstörung  des  altehrwürdigen  Bauwerks  in 
dem  Jahrhundert,  an  dessen  Schwelle  wir  hier  stehn  bleiben, 
führte  zur  Entdeckung  der  vergessenen  Gräber  Jener  die  es 
errichtet  hatten.  Zu  Anfang  December  1519  fand  man  beim 
Graben  zum  Behuf  der  Anlage  des  linken  Querschiffs  der  neuen 
Basilika  einen  Sarkophag,  wahrscheinlich  den  des  Honorius, 
im  Jahre  1544  jenen  seiner  ersten  Gemalin  Maria  der  Tochter 
Stilichos,  beide  mit  einer  Menge  von  Goldstoffen,  Kostbar- 
keiten, geschnittenen  Steinen,  aufweiche  die  ganz  vom  Drange 
eignen  Schaffens  in  Anspruch  genonunene  Zeit  keineswegs  den 
Werth  gelegt  hat  der  ihrer  Bedeutung  entsprochen  hätte.   Das 


Coemeterium.    Kapellen  der  Nordseite.  457 

Oratorium  des  h.  Michael,  ein  längliches  Quadrat,  wahrschein- 
lich zur  Zeit  der  Verwendung  des  Mausoleums  zu  kirchlichen 
Zwecken  entstanden,  verband  letzteres  mit  dem  südUchen  Quer- 
schiff der  Basilika. 

Ging  man  um  die  West-  oder  Chorseite  der  Kirche,  deren 
vielleicht  ältester  Anbau,  die  Anicische  Grabkapelle,  hier  ver- 
schwunden war,  so  sah  man  auf  dem  vaticanischen  Friedhofe, 
dem  Coemeterium  fontis  beati  Petri ,  die  nur  wenige  Fuss  hohen 
Mauern  des  von  Nicolaus  V.  begonnenen  Baues  der  Tribüne 
die   seit   einem   halben  Jahrhundert   der   Fortsetzung   harrten. 
Längs  der  Nordseite  reihten  sich  mehre  Kapellen  aneinander, 
welche  indess  in  der  Zeit  von  der  hier  die  Rede  ist,    nicht 
von  der  Bedeutung  jener  der  Südseite  waren,  obgleich  mehre 
mit    denselben   an   Alter    wetteiferten.     Dazu   gehörten   unter 
andern  die  Diaconie  der  hh.  Sergius  und  Bacchus,  ein  Hospiz 
in  welchem  einst  die  Regionär -Diaconen  Unterstützung  spen- 
deten, und  das  Kloster  der  hh.  Johannes  und  Paulus,   des- 
sen  Gründung  Papst  Leo   dem  Grossen   zugeschrieben   wird 
und    welches    auf   der  Stelle    stand   wo    heute    das   Mauso- 
leum   Clemens'  XTTL   sich   erhebt.      Die  Kapelle   des   h.  Am- 
brosius  wird  in  der   neuen  Peterskirche   durch  die  prächtige 
Sacramentskapelle  ersetzt.    Dem  vordersten  Theile  des  nörd- 
lichen Seitenschiffs  schlössen  sich  Kirche  und  Kloster  des  h. 
Vlncenz  an,   einst  Jerusalem  genannt,   eine  kleine  dreischiffige 
Säulenbasilika  welche  schon  unter  Nicolaus  V.  dem  kirchhchen 
Gebrauch  entzogen  ward  und  bei  den  Neubauten  an  dem  hier 
hart  an  Kirche  und  Vorhof  herantretenden  vaticanischen  Palast 
verschwand.     Von  den  Klöstern  welche  zu  beiden  Seiten  des 
Vorhofs  wie  des  Platzes  vor  demselben  lagen,  zum  Theil  sehr 
alten  Ursprungs,  zum  Theil  neueren  Zeiten  angehörend,  waren 
mehre  bereits  eingegangen  bevor  die  grosse  Umwandlung  der 
Basilika  stattfand. 

Von  den  Herstellungsarbeiten  im  Innern  und  am  Aeussem 
der  Kirche,  deren  verschiedene  Theile  wir  betrachtet  haben 
ohne  die  Beschreibung  des  Einzelnen  versuchen  zu  können, 
ist  so  oft  die  Rede  gewesen  im  Verlauf  dieser  Geschichte, 
dass  es  hinreicht  hier  in  der  Kürze  auf  dieselben  zu  verweisen. 
Schon  um  die  Zeit  des  Unterganges  des  Westreichs  hatten  die 
Restaurationsarbeiten  begonnen.  Es  erklärt  sich  leicht  durch 
den  Umstand,  dass  die  alte  soUde  Praxis  des  Ziegelbaues  in 


458  Herstellungsarbeiten  an  der  Basilika. 

der  Epoche,  welche  die  Basilika  errichtete,  bereits  in  Abnahme 
begriffen  war,  dass  man  auf  durchwühltem  theilweise  feuchtem 
Boden  stand,  dass  die  ganze  südliche  Langseite  auf  den  Con- 
structionen  des  neronischen  Circus  ruhte.  So  bedurften  die 
äusseren  Theile,  Stufen,  Portiken,  Vorhof,  Paviment,  nach- 
mals der  Glockenthurm,  wie  das  Hauptgebäude  selbst  immer 
erneuter  Herstellung.  Der  Umstand  dass  stets  neue  Bauten, 
Kapellen,  Kirchen,  Klöster,  Wohnungen  sich  anreihten,  trug 
begreiflicherweise  zur  Steigerung  des  Bedürfnisses  von  Restiu- 
ration^arbeiten  bei.  Nimmt  man  Säulen  und  Mauerwerk  aus. 
so  war  wenig  mehr  vom  ürsprüngüchen  geblieben  als  der  Neu- 
bau unternommen  wurde.  Blicken  wir  auf  das  Hauptgebäude, 
so  nahm  das  Dach  zahlreiche  kostspielige  Erneuerungen  in 
Anspruch,  deren  älteste  Spuren,  soweit  sie  an  den  Stempelnder 
Ziegel  erkennbar  sind ,  auf  Theodorichs  Regierung  zurückfuhren. 
Von  Gregor  dem  Grossen  wird  berichtet,  wie  er  den  Subdiaco- 
nus  Sabinus  mit  dem  Herbeischaffen  von  Balken  und  sonstigem 
Bauholz  aus  den  Waldungen  der  klrchUchen  Patrimonien  in  Süd- 
italien beauftragte,  und  unter  ihm  und  Honorius  I.  viele  der 
Hauptbalken  des  Dachstuhls  durch  neue  ersetzt  wurden,  wäh- 
rend Letzterer  die  vergoldeten  erzenen  Dachziegel  vom  hadria- 
nischen  Tempel  auf  der  Velia  zur  Ausschmückung  der  Peters- 
kirche verwendete.  Das  Ersetzen  von  Balken  hat  dann  be- 
greiflicherweise in  späteren  Jahrhunderten  nie  aufgehört  und 
in  manchen  Zeiten  grossartige  Verhältnisse  angenommen.  Es 
konnte  jedoch  fortschreitendem  Verfall  nicht  steuern,  sodass 
nicht  etwa  blos  in  der  in  Bezug  auf  römische  Monument« 
übelberufenen  avignonischen  Zeit  sondern  bereits  zu  Anfi&ng 
des  achten  Jahrhunderts  der  Regen  eindrang,  Dachstuhl  wie 
Mauern  Utten.  Gerade  von  den  avignonischen  Päpsten  sind 
uns  viele  Urkunden  geblieben ,  die  von  ihrer  Sorg£alt  für  diesen 
Avichtigen  Theil  des  Gebäudes  Zeugniss  ablegen,  namentlich 
von  Johannes  XXn. ,  Benedict  XU.,  Clemens  VI.,  Gregor  XL. 
während  sie  wie  Clemens  V.  und  Urban  V.  auch  mit  dem  La- 
teran vollauf  beschäftigt  waren.  Die  Waldungen  der  Abru«zen 
und  Calabriens,  wahrscheinlich  auch  jene  Umbriens  lieferten 
das  Material.  Lehnzinse,  persönUche  Einkünfte  der  Papste, 
Vermächtnisse,  Geschenke,  milde  Gaben,  wurden  so  zudiwcm 
Zweck  wie  zur  Herstellung  anderer  Theile  bestimmt  Von  den 
vielen  Einzelarbeiten  welche  die  Päpste  ausfuhren  liessen,  selbst 


Verfall  der  Kirche.    Vaticanischer  Palast.  459 

dinü  noch  als  die  Tage  der  alten  Kirche  gezählt  schienen, 
Kapellen,  Altäre,  Bildwerke,  Grabmale,  Fresken  und  Musive, 
ist  in  den  Betrachtungen  über  die  Kunst,  namentlich  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts,  die  Rede  gewesen.  Alle  Anstrengungen 
aber  vermogten  dem  fortschreitenden  Verfall  nicht  Einhalt  zu 
thuD.  Beinahe  in  höherm  Grade  noch  als  die  Schadhaftigkeit 
des  Daches  beunruhigte  der  Zustand  der  südlichen  nicht  ge- 
hörig fundamentirten  Mauer.  Ohne  durchgreifenden  Umbau, 
der  zum  Theil  ein  Neubau  werden  musste,  schien  an  die  Er- 
haltung des  ehrwürdigen  Werkes  nicht  gedacht  wexden  zu 
können.  Nur  darauf  kam  es  an,  ob  man  sich  an  die  alten 
Formen  halten ,  ob  man ,  wie  es  im  Plane  Nicolaus'  V.  gelegen, 
dem  Anspruch  der  modernen  Architektur  Rechnung  tragen 
werde,  welche  die  ursprüngliche  christUche  Basilika  nicht 
mehr  begriff,  obgleich  kaum  zwei  Menschenalter  vorher  der 
^osse  Brunellesco  diese  schöne  und  harmonische  Form  wieder- 
zubeleben mit  entschiedenem  Glück  unternommen  hatte. 

Von  den  vielen  und  grossen  Veränderungen  denen  seit 
3Iartins  V.  Rückkehr  der  vaticanische  Palast  unterlag,  ist  na- 
mentlich in  der  Geschichte  Nicolaus' V.,  Sixtus' IV.,  Inno- 
cenz'  Vin. ,  Alexanders  VI.  gehandelt  worden.  In  welchem 
Zustande  der  Palast  am  Ende  des  Schismas  war,  ersieht  man 
daraus  dass  Papst  Martin  vor  seiner  Ankunft  für  Fenster, 
Schlösser  und  Schlüssel  sorgen  musste.  Bei  Alexanders  VI. 
Tode  bot  der  Palast,  dessen  Hauptthor  sich  an  der  Ostseite 
neben  der  Loggia  für  die  Segenertheilung  befand ,  eine  ansehn- 
liche wenngleich  aus  heterogenen  Theilen  zusammengesetzte 
Gebäudegruppe  dar,  die  sich  der  Basilika  enge  anschloss. 
Das  Belvedere,  Innocenz'  VIII.  Gartenhaus  am  Rande  des  Hü- 
gels, war  der  Anfang  der  Bauten  die  im  folgenden  Jahrhundert 
dem  Vatican  ein  verändertes  Aussehn  zu  geben  bestimmt  waren. 
Grosse  Familien  haben  in  der  Leostadt  nicht  gewohnt, 
Würdenträger  der  Kirche  indeas  längst  vor  der  Zeit  die  uns 
hier  beschäftigt.  In  Nicolaus' III.  Tagen  hatte  Cardinal  Latino 
Malabranca  einen  Palast  bei  der  Friesenkirche  gebaut,  der 
durch  Cölestin  V.  an  das  vaticanische  Kapitel  kam.  In  der 
avignonischen  Zeit  war  der  wichtigste  Anlass  Bewohner  anzu- 
ziehn,  die  Nähe  des  Hofes,  weggefallen,  in  der  des  Schismas 
war  dieser  Stadttheil  mehr  denn  ein  anderer  der  Verwüstung 
preisgegeben   gewesen.     Eugen  IV.   hatte,   wie  schon  erzählt 


460  Paläste  der  Leostadt. 

worden  ist,  im  Jahre  1437  den  Bewohnern  oder  zur  Änsiedlung 
Geneigten  Privilegien  ertheilt.  Damals  lag  der  grössere  Theil  der 
Häuser,  von  denen  viele  dem  vaticanischen  Kapitel  gehörten, 
in  Trümmern.  Von  Sixtus  IV.  an  veränderte  die  Leonina  ihr 
Aussehn.  Mehrer  der  Paläste  ist  gedacht  worden,  so  jener 
der  Cardinäle  della  Rovere  und  von  Cometo  und  der  eine 
Zeitlang  den  genuesischen  Spinola  gehörenden  Wohnung  der 
heimatlosen  Königinnen  Bosniens  und  Cypems,  wo  nach- 
mals, es  heisst  verschiedentUch  nach  Bramantes  oder  Peruzzis 
Plan,  der  Palazzo  de'  Convertendi  entstand.  In  der  Nähe 
war  die  Wohnung  der  Cybö,  nämUch  Maurizios  des  Bruders 
Innocenz'  VIII.  und  seines  Sohnes  Franceschetto.  Im  Borgo 
vecchio  sieht  man  noch  das  mit  Porticus  und  Loggia  versehene 
um  das  Jahr  1493  erbaute  Haus  des  Cardinais  Ardicino  della 
Porta  des  Jüngern,  Bischofs  von  Aleria  und  Datars  Sixtus' IV. 
und  Innocenz'  VIII. ,  in  späteren  Zeiten  von  einflussreichen  Car- 
dinälen  bewohnt,  von  Giulio  de'  Medici  nachmals  Clemens  VII., 
von  Ercole  Rangoni,  von  Marino  Grimani.  Bei  dem  Arco  della 
purita  wohnte  Francesco  Soderini  Cardinal  von  Volterra.  lu 
einem  dem  Herzog  von  Valentinois  in  Erbpacht  gehörenden 
Hause  wohnte  Bartolommeo  della  Rovere  Cardinal  von  Ferrara 
und  nach  ihm  Bemardo  Accolti  von  Arezzo,  einer  der  Gmnst- 
linge  Leos  X.  Bei  S.  Michele  in  Sassia  war  die  Wohnung  des 
Cardinais  von  Alessandria,  Giovan  Antonio  di  San  Giorgio, 
welche  im  Jahre  1505  durch  Vermäch tniss  an  das  vaticanische 
Kapitel  kam.  Cardinal  folgte  auf  Cardinal  in  den  grösseren 
Palästen.  Nach  dem  im  Jahre  1501  erfolgten  Tode  Domenicos 
della  Rovere  bezog  den  von  ihm  erbauten  heute  so  unschein- 
baren Palast  der  Cardinal  von  Elvas  Francisco  de  Loris, 
welcher  Julius'  ü.  Günstling  Francesco  Alidosi,  Luigi  d'Ara- 
gona,  Francesco  Comaro,  Bemardo  Salviati,  Cristoforo  Ma- 
druzzi  u.  A.  zu  Nachfolgern  hatte.  Unter  den  Häusern  in 
diesem  Viertel  finden  wir  auch  das  des  gelehrten  aber  übel- 
beleumundeten Arztes  Alexanders  VI. ,  Gasparo  Torella,  der  als 
Bischof  von  Sta  Giusta  auf  der  Insel  Sardinien  starb.  Der 
teutsche  Orden  besass  hier  das  erwähnte  Haus  in  welchem 
sein  Procurator  beim  h.  Stuhl  residirte,  bis  er  das  nachmalige 
Ordenshaus  bezog  welches  im  Vicolo  de'  venti  zwischen  der 
Piazza  Famese  und  dem  heutigen  Palazzo  Spada  lag. 

Von  der  Leonina  aus  führte  die  Posterula  Saxonum  nach 


Lungara  und  Trastevere.  461 

der  Lungara  oder  Via  Trasteverina  welche   damals   nicht   in 
den  Mauerkreis    eingeschlossen  war.     Zur  Rechten  lagen  auf 
dem   östlichen  Abhänge   des   Janiculuin  seit  Eugens  IV.  Zeit 
Kirche  und  Kloster  der  Hieronymiten  zu  Sant*  Onofrio,  zur  Lin- 
ken bildete  die  Krümmung  des  Stromes  den  kleinen  Hafen  von 
S.  Leonardo,  wo  man  heute  die  neue  Kettenbrücke  sieht.    Fast 
der  ganze  Baum  war  von  Gärten  und  Vignen   eingenommen. 
Zwei  derselben ,  die  der  benachbarten  Kirche  S.  Giacomo  in  Sep- 
tiniano,  gegenwärtig  S.  Giacomo  alla  Lungara  und  der  Kapelle 
der  Geburt  des  Herrn  in  St  Peter  gehörten ,  nebst  einem  dritten, 
Sonntags  dem  PubUcum  geöfBaeten  des  Cardinais  Alessandro 
Farnese  wurden  von  Agostino  Chigi  zu  der  berühmten  Farne- 
sina vereinigt.    Gegenüber  lag  eine  Villa  Girolamo  Riarios,  der 
heutige    Palast    Corsini.     Die   Porta   Settimiana    welche    zum 
eigentlichen  Trastevere  führt,  hatte  ihre  moderne  Gestalt  durch 
Alexander  VI.  erhalten.    Noch  hatten  mehre  alte  Famihen  ihren 
Sitz  im  transtiberinischen  Viertel.    Eine  der  Linien  der  Mattei 
erhielt  sich  hier  bis  zur  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts; 
man  sieht  ihren  in  ein  ärmUches  Wirthshaus  umgewandelten 
Palast  in  der  Nähe  der  Brücke  S.  Bartolommeo  beim  Eingang 
der  Lungaretta  mit  ihrem  Wappen,   dem  geschachten  Schilde. 
Die  Castellani,  in   den  späteren  Zeiten  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts mit  den  weder  von  dem  berühmten  Senator  noch  von 
den  Herren  von  Casteldurante   stammenden  Brancaleoni   ver- 
einigt, mit  den  Porcari  verschwägert,   hatten  ihre  Wohnung 
ebenfalls  an  der  Lungaretta,  wo  das  zierliche  einem  antiken 
Fries  nachgeahmte  Portal  die  Jahreszahl  1495  zeigt.    Von  der 
Famihe  della  Molara  erhielt  der  am  Aufgang  gedachter  Brücke 
liegende  Platz  den  Namen.     Das  im  fünfzehnten  Jahrhundert 
mächtigste  der  trasteverinischen  Geschlechter,  das  der  Grafen 
von  Anguillara,    erholte  sich  nicht  wieder  dauernd  von   den 
Schlägen    des    Geschicks   welche    der    ruhelose   Graf  Everso 
wesentlich  'sich  selber  zuzuschreiben  hatte.    Doch  mussten  die 
Verhältnisse  der  Grafen  unter  SixtusIV.  noch  gut  genug  sein, 
wenn  Deifebo   dell'  Anguillara  den  König  Ferrante  in  seinem 
Palast  in  Trastevere  zu  Gast  bitten   konnte.    Nachdem  Inno- 
cenz  Vin.  Eversos  Söhnen  das  Lehn  nach  welchem  sie  benannt 
>vurden  genommen,  kam  dieser  Palast  an  die  Nebenlinie  der  Her- 
ren von  Stabio  und  Calcata,  und  in  der  ersten  Hälfte  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  theils  durch  Schenkung  theils  durch  Kauf 


462  Die  Einwohner. 

an  die  Mattei,  die  Orsini  von  Cere  und  Andere.  Diese  Hauser, 
darunter  die  mehrerwähnte  Thurmwohnung,  warei}  aber  in 
sehr  verwahrlostem  Zustande.  Ueberhaupt  hatte  der  Verfall 
dieser  Stadtgegend  schon  begonnen,  und  war  vonnuDan  un- 
aufhaltbar. Wenn  man  die  Umgebung  von  Sta  Maria  mit  dem 
im  sechzehnten  Jahrhundert  umgebauten  Benedictinerkloster 
S.  Calisto  und  die  von  dort  nach  S.  Francesco  a  Ripa  und 
dem  Tiberhafen,  damals  Ripa  Romea,  fahrende  Strasse  ausoimmt, 
zeigt  Trastevere  wenige  Spuren  besserer  Zeiten,  während  Wap- 
penschilder und  Architekturfragmente  neben  Strassennamen  wie 
Anicia  und  Frangipana,  deren  letztem,  wodurch  wahrscheiolich 
der  erstere  veranlasst  ward,  man  im  Jahre  1370  findet,  die  vor- 
nehmen Geschlechter  der  Vergangenheit  ins  Gedächtniss  zurück- 
rufen. Die  Umwandlungen  der  Kirchen  dieses  Stadtviertels  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  sind  bereits  erwähnt  worden. 

Abgesehn  von  den  vielen  Ansiedlem  fremder  Nationen  an 
welche  noch  manche  Strassennamen  erinnern,  hatte  sich  die  Ein- 
wohnerschaft; Roms  aus  allen  Theilen  Italiens  recrutirt  und  war 
allmälig  zu  85,000  Seelen  gestiegen.  So  viele  fremde  Elemente 
aber  eindrangen  und  währten,  namentlich  unter  den  Gewerb- 
treibenden  die  vonjeher  grossentheils  von  auswärts  kamen, 
so  behielt  doch  ein  specifisch  römischer  Typus  die  Oberband 
Die  Schilderungen  der  Zeit  Eug^isIV.  passten  freilich  nicht  mehr 
in  gleichem  Maasse  auf  die  Gesammtheit,  und  wenn  der  floren- 
tiner  Berichterstatter  von  der  Unreinlichkeit  der  Frauen  redet, 
wird  man  daran  erinnert  dass  es  doch  in  der  Stadt  Schwiti- 
bäder.  für.  das  weibliche  Geschlecht,  so  für  Gresunde  wie  fiir 
Kranke  gab ,  unter  andern  in  der  Leostadt  und  bei  Sanf  Apolli- 
nare,  wie  denn  der  Name  der  Via  della  stufa  noch  an  eine 
solche  Anstalt  erinnert  Die  unteren  Classen  waren  aber  doch 
schwerhch  sehr  verändert.  Es  war  ein  rohes  zügelloses  Volt 
immer  zum  Tumultuiren  bereit,  unbotmässig,  in  stetem  Wechsel 
zwischen  sklavischer  Unterwürfigkeit  und  frecher  Auflehnung, 
mit  der  scharfen  Zunge  wovon  die  höheren  Stande  das  Bei- 
spiel gaben ,  unordentlich  im  Aeussern  und  im  Innern  der  Woh- 
nungen, sonst  prunkUebend  und  vei^ügungsüchtig,  durch  die 
weniger  dem  Elend  abhelfende  als  den  Müssiggang  fördernde  Art 
der  reichlichen  öffentUchen  Wohlthätigkeit  an  Sorglosigkeit  ge- 
wöhnt. Es  würde  weit  schlimmer  geworden  sein  ohne  die  Zünfte 
welche ,   nachdem   ihnen   der   politische   Karakter  abgestreift 


Volksspiele.    Cai7ie>uü.  463 

war,  dem  Handwerkerstände  eine  feste  Gestaltung  gaben ,  wäh- 
rend sie  die  höhere  Bürgerclasse  miteinschlossen   und  durch 
ihre  stets  gemehrten   milden  Stiftungen  wie  durch  die  geist- 
lichen Uebungen  so  zur  Abwehr  der  Noth  wie  der  Inunoralität 
unter  den  Arbeitenden  wesentlich   beitrugen.     Die   schon  ge- 
schilderten Volksspiele  des  Mittelalters  standen  in  voller  Blüte. 
Unter  den  Päpsten  that  Paul  ü.  am  meisten  für  dieselben ,  und 
in  deiner  Zeit  begann  der  Cameval  den  Karakter  anzunehmen 
den  er  bis  auf  neuere  Zeiten   bewahrt  hat.     Nicht  blos   auf 
Piazza  Navona  und  auf  dem  Felde  des  Testaccio  fanden  Spiele 
und  Wettrennen  statt,  sondern  auch  auf  Campo  di  fiore,  auf  dem 
Capitolsplatz,  vom  Palast  von  San  Marco  bis  zum  flaminischen 
Thore.    Der  Name  Corso  der  Hauptstrasse  Roms  schreibt  sich 
von  diesen  Wettrennen  her.    Die  Zahl  der  Pallien  wurde  ver- 
mehrt.   Dass  ausser  Pferden,  Eseln  und  Büffeln  auch  Knaben, 
Jünglinge,  Greise,  die  Strassendirnen  in  sehr  leichtem  Costüm, 
dass  endlich   die  Juden    die  auch  sonst  zum  Fest  beisteuern 
mussten  und  von  ihrer  Genossenschaft  jeder  einzeln  zu  diesem 
Behufe   geschätzt   wurden,   in  ihren  rothen  Mänteln  um  den 
Preis  liefen ,  selbst  noch  in  dem  glanzvollen  Zeitalter  Leos  X., 
zeigt  auf  wie  niedriger  Stufe  das  Volksvergnügen  stand  und  wie 
viel  Rohheit  demselben  anklebte.   Paul  U.,  welcher  unter  andern 
auch  den  romagnohschen  Städten  Cesena  und  Brettinoro  einen 
Corso  erlaubte ,  fand  ein  besonderes  Vergnügen  daran  Volksbe- 
lustigungen zuzuschauen,  Geld  unter  die  Menge  zu  werfen  oder 
werfen  zu  lassen.    Das  Fenster  des  Palastes  aus  welchem  er 
dem  Kennen  zugesehn  haben  soll,  ist  ohne  Zweifel  dasselbe 
an  welchem  heutzutage  der  Senator  mit  der  übrigen  Municipa- 
lität  Platz  nimmt.    Mit  Spielen  solcher  Art  contrastirten  histo- 
risch-mythologische Aufzüge  die  indess  mit  der  ganzen  Geistes- 
richtung des  Humanismus  im  Einklang  waren  und  von  dessen 
Einwirkung  auf  die  Erscheinungen  des  äussern  Lebens  Zeug- 
uiss  geben.    Turniere  auf  Piazza  Navona  und  dem  Petersplatze, 
Thierjagden    auf    demselben   Platz    und    dem    capitolinischen, 
grosse  Treibjagden  wie  die  von  1480  bei  der  Magliana,  boten 
der  Jugend  der  vornehmen  Stände  Gelegenheit  ihre  Fertigkeit 
zu  zeigen.    Die  Diarien  erwähnen  ihrer,  aber  kein  Poet  verlieh 
ihnen  unvergänglichen  Ruhm  wie  PoUzians  Octaven  der  Giostra 
Giulianos  de'  Medici  auf  dem  Platz  vor  Sta  Croce. 

Mit   dem  Wohlstande    war   begreiflicherweise   der   Luxus 


464  Schmuck  der  Häuser.    Pracht  und  Luxusgesetze. 

gestiegen.     Die   vornehmen  Häuser   füllten  sich  mit  Silbecge- 
räth  und  Seidenstoffen.    Ersteres  hatte  unendlich  zugenommen 
und  die  zahllosen  Geschenke  welche  Päpsten ,  Cardinälen,  Prä 
laten  von  fremden  Gesandten  und  Anderen  gemacht  wurden, 
bestanden  grossentheils  in  Prunkgefassen ,  Schüsseln,  Bechern. 
Der  Gebrauch   des  Silbers   war  um   so   vorherrschender,  da 
Kristallglas  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts häufiger  wurde,  die  MajoUken  noch  ziemlich  selten 
waren ,  wie  sie  denn  erst  später  in  der  Romagna  und  im  ürbi- 
natischen  jene  technische  wie  künstlerische  Vollendung  erlang- 
ten, welche  sie  zu  Luxusgegenständen  werden  liess  während 
sie  häuslichem  Gebrauch  gewidmet  bUeben.    Seidenstoffe  aber, 
unter  denen  die  florentinischen  neben  den  venetianischen  Bro- 
caten   sich  auszeichneten,   waren  vonjeher  zum  Schmuck  der 
Gemächer  wie  bei  festhchen  Anlässen  zu  dem  der  Aussenseite 
der  Häuser  verwendet  worden.    Gewirkte  Teppiche  kamen  aus 
Flandern,    feine  Leinwand  grossentheils  aus  Teutschland,  so 
aus  Augsburg  und  Ulm.     Kunstreiche  Holzarbeiten,  Marmor- 
und   Erzwerke,    Gemälde,   antike   Bildwerke   und   Anticaglien 
aller  Art  begannen   die  Paläste  zu  zieren.    Die  Kleidung  war 
bei   älteren  Männern    ernst  und  bequem,   bei  jüngeren  glän- 
zend  und   übermässig   bunt;   Pelzwerk  war   bei  dep  Reichen 
häufig.     Die    Frauentracht   von   welcher    uns    namentlich  die 
Wandgemälde    der    florentinischen   Meister   von   Orcagna  bis 
zu   Benozzo,    Domenico    Ghirlandajo   und   ihren   Zeitgenossen 
zahlreiche  Beispiele  bieten,  war  seit  Jahrhunderten  ein  Kampf 
gegen    die   Luxusgesetze,   welche   zu   erlassen  namentlich  die 
RepubUken,  welche  zu  umgehen  die  Frauen  nicht  müde  wur- 
den.    Wie  die  Romagnolinnen  in  Papst  Nicolaus'  HI.  Zeit  die 
Verordnungen  des  Cardinais  Latino  Malabranca  inbetreff  des 
Schleiertragens  corrigirten  indem  sie  golddurchwirkte  durch- 
sichtige Leinen-  und  Seidengewebe  über  ihr  Gesicht  fallen  lies- 
sen,  wie  sie  an  ihren  die  Strasse  fegenden  Schleppen  so  fest- 
hielten dass   sie  dem  Minoriten  Fra  Salimbene   erklärten,  ao 
der  Schleppe  liege  ihnen  mehr  als  am  ganzen  übrigen  Rock 
so   werden  die  Römerinnen  es  zweihundert  Jahre  später  mit 
päpstlichen  Statuten  gemacht  haben.    Paul  H.  bestimmte,  vne 
es  scheint  auf  Andringen  der  Bürger  denen  die  steigende  Höhe 
der  Mitgift   und   die   übermässige  Pracht   der  Aussteuer  der 
Töchter    Besorgniss    weckte ,    im    Einverständniss    mit  dem 


Die  Frauen.    Hochzeiten.  465 

römischen  Magistrat,  die  Mitgift  solle  nicht  achthundert  Flore- 
neu,  die  Aussteuer  in  Juwelen  und  Kleidungsstücken  nicht  sechs- 
hundert übersteigen ,  wobei  jedoch  für  Rom  selbst  zweihundert 
Florenen  mehr  gestattet  wurden.  Dass  man  sich  daran  nicht 
kehrte,  bezeugt  Sixtus  lY.,  indem  er  in  einer  am  16.  August 
1473  zu  Tivoli  erlassenen  Constitution  bemerkt,  die  auf  die 
Uebertretung  gesetzten  Strafen  fruchteten  nichts.  Die  uner- 
schwingUche  Höhe  der  Mitgift,  fugt  er  hinzu,  und  der  grenzen- 
lose Luxus  der  Aussteuer  tragen  Schuld  daran  dass  eine  Menge 
Mädchen  bei  Eltern  und  Verwandten  unverheiratet  bleiben, 
sodass  die  Volkszahl  darunter  zu  leiden  beginnt  Diesem 
Uebelstande  abzuhelfen,  sollten  alle  Uebertretenden  Geldstrafen 
unterliegen  deren  Ertrag  wir  schon  der  im  Bau  begriffenen 
Sixtusbrücke  zuwenden  sahen,  während  die  neuen  Verord- 
nungen an  die  Capitolsthüren  angeheftet,  dort  eine  verschlossene 
Kapsel  aufgestellt  werden  sollte,  in  welche  Jeder  die  bezeugten 
Denunciationen  hineinzuwerfen  aufgefordert  ward. 

Schon  begannen  die  Frauen  eine  grosse  Rolle  zu  spielen, 
nicht  blos  in  den  Baronalfamiüen  welche  deren  zu  jeder  Zeit 
ausgezeichnete  gezählt  hatten.  Mehr  denn  einmal  stand  der 
Vatican  unter  weiblichem  Einfluss:  neben  Lucrezia  Borgia 
nannte  man  GiuUa  Famese.  In  anderer  Art  war  in  Sixtus'  IV. 
Zeit  die  Gemahn  seines  Neffen  Girolamo  Uiario  mächtig  gewesen, 
jene  Caterina  Sforza,  deren  männlicher  Geist  sich  bei  so  manchen 
Anlässen  bewährt  hat  und  auf  ihren  Sohn  zweiter  Ehe  über- 
ging, auf  Giovanni  de*Medici,  den  tapfem  Führer  der  schwar- 
zen Banden,  den  nur  sein  früher  Tod  verhinderte  in  der  Ge- 
schichte des  itaUenischen  Kriegswesens  eine  der  ersten  Stellen 
einzunehmen,  wie  er  jetzt  schon  zu  den  tüchtigsten  Haupt- 
leuten gezählt  wird. 

Die  Hochzeiten  wurden  glänzend  gefeiert  und  dauerten 
zumTheil  mehre  Tage  mit  Gastmalen,  Spielen,  Gesang,  Musik, 
Tanz.  Es  geschah  wol  dass  grosse  Herren  dabei  Kleidungs- 
stücke mit  ihren  Devisen  an  die  Gäste  vertheilten.  Bei  der 
Heirat  Antonio  CaffareUis  mit  Rita  Margani  im  April  1431 
wurde  der  Garten  der  Familie  mit  einem  Leinwanddach  und 
schonen  Teppichen  ringsherum  in  einen  Saal  verwandelt  wel- 
chen zahlreiche  Edelfrauen  schmückten.  Als  Marcello  del 
Bufalo  sich  mit  Gregoria  Caffarelh  vermalte,  Hess  er  Piazza 
Colonna  mit  Leinwand  überspannen,  und  Alles  was  von  Baronen 

▼.  Reuaoat,   Rom.    Hl,  30 


466  Hochzeiten.    Dienerschaft.    Händel. 

und  Yomehmen  in  Rom  war  wohnte  dem  Bankett  bei.  Der 
festliche  Anfang  der  Ehe  Hess  den  in  Pauls  U.  Zeit  erfolgten 
tragischen  Ausgang  nicht  ahnen.  Bei  der  Hochzeit  SabbaPor- 
caris  mit  Agostina  Sinibaldi  wurde  auf  gleiche  Weise  der  Platz 
von  S.  Giovannino  della  Pigna  an  welchen  das  porcarische 
Haus  stösst,  in  einen  Festsaal  verwandelt,  ebenso  beiderVer- 
mälung  Pier  Paolo  Crescenzis  mit  Eugenia  Leni  im  Jahre  1487 
der  Platz  neben  Sant'  Eustachio ,  wo  man  den  Palast  der  Cres- 
cenzi  sieht  der  einer  benachbarten  Strasse  den  Namen  giebt 
Ringsumher  waren  Tribunen  errichtet  zur  Aufnahme  aller  Edel- 
leute  welche  dem  Feste  beiwohnen  wollten,  und  mit  den  pracht- 
vollen Teppichen ,  dem  vielen  Silbergeräthe ,  den  reichbesetzten 
Tafeln  wetteiferte  die  Heiterkeit  von  Musik  und  Tänzen.  Die 
Hochzeit  Francesco  Massimos,  des  nachmaligen  Rectors  der 
Universität  Pisa,  mit  Petronilla  Capranica  zeigte  nach  gleich- 
zeitigen Berichten  königlichen  Glanz.  Die  in  den  späteren 
Zeiten  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  in  Rom  schon  übliche 
zahlreiche  Dienerschaft  steigerte  Festgepränge  und  Aufwand. 
Nicht  blos  die  grossen  Barone,  die  reichen  Cardinäle  hatten 
eine  Menge  Diener:  die  Familien  zweiten  Ranges,  die  vorneh- 
meren Curialen,  die  fremden  Gesandten  machten  diese  Sitte 
möglichst  mit.  AnselmUche  Einkünfte  wurden  dadurch  rer- 
schlungen.  Die  vornehmen  Ejrchenfärsten  hatten  einen  ofit 
aus  hunderten  von  Personen  bestehenden  Hofstaat;  begreif- 
licherweise standen  die  Barone  ihnen  nicht  nach.  Wenn  sie 
auch  nicht  ganze  bewaffnete  Vasallenbanden  in  die  Stadt  zogen 
wie  es  während  der  unablässigen  Unruhen  geschah,  hatten  sie 
ihre  Paläste  mit  Dienstleuten  gefüllt  die  sie  von  ihren  eignen 
Lehnen  holten.  Da  Alles  ritt,  auch  die  vornehmen  Frauen,  war 
es  nöthig  eine  Menge  Pferde  zu  halten,  Streitrosse,  Zelter. 
Packthiere;  nur  mit  zahlreichem  Gefolge  konnte  man  zum  päpst- 
lichen Palaste  oder  sonst  wohin  reiten.  Da  Alles  Waffen  trug, 
waren  Händel  unvermeidUch  und  die  eingewurzelten  erblichen 
Feindschaften  arteten  nur  zu  oft  in  blutige  Raufereien  und  Ven- 
detten, ja  in  wahre  Strassenkriege  aus,  gegen  welche  dann 
mit  Hinrichtungen  und  Häusereinreissen  eingeschritten  wurde. 
Die  römischen  Barone  standen  ausserhalb  aller  bürgerlichen 
Verhältnisse  auf  welche  sie  umso  verächtlicher  herabschauten. 
da  die  städtische  Magistratur  in  Rom  nach  der  Einbusse  ihrer 
Unabhängigkeit    ihrem   Ehrgeiz    keinen   Spielraum    mehr  bot 


Stellung  und  Lebensweise  der  Barone.  467 

Ihre  FamilienyerbindtmgeD  mit  auswärtigen  furstliolien  Häuserti, 
die  Bedeutung  die  ihnen  der  Kriegsdienst  gab,  daftientlich  als 
gegen  das  Ende  des  Jahrhunderts  mehr  denn  einer  dich  in  die 
Reihe  der  ausgezeichnetsten  Heerführer  stellte,  die  furstUehen 
Wurden  die  sie  selber  im  Königreich  Neapel  erlangten,  stei- 
gerten ihre  Ansprüche.  In  Florenz,  wo  die  repubUkanische 
Einfachheit  und  Sparsamkeit  des  Lebens  auch  nach  dem  Auf- 
kommen der  Medici  fortdauerte,  schrieb  man  den  unbürger- 
lichen Stolz  und  Pomp  Pieros  des  unklugen  Sohnes  Lorenzos 
des  Erlauchten  in  nicht  geringem  Grade  dem  Beispiel  seiner 
orsinischen  Verwandten  zu.  Indem  sie^  sagt  ein  florentiner 
Historiker ,  ihre  Castelle  mit  der  Stadt  Florenz ,  die  nach  ihrer 
Meinung  dem  ersten  Manne  in  der  Stadt  gebührende  äussere 
Stellung  nach  der  eines  romischen  Papstes  maassen,  schien  es 
ihnen  eine  Herabwürdigung  dass  der,  dem  die  höchste  Auto- 
rität gehörte ,  in  äusserer  Erscheinung  Andern  gleichstehn  sollte. 
Man  weiss  welche  schlimmen  Folgen  die  Autokratie  Pieros  und 
der  Stolz  Madonna  Alfonsinas  Orsini  de'  Medici  nach  sich 
zogen.  Die  Sitten  waren  roh  und  gewaltsam,  Mordthaten  und 
Blutrache  häufig.  Stefano  Colonna  von  Palestrina  wurde  im 
Jahre  1433  von  seinem  Neffen  Salvatore  ermordet,  worauf  die 
Bewohner  der  Stadt  den  Thäter  und  die  angebhchen  Mitschul- 
digen in  Genazzano  umbrachten.  Drei  Jahre  darauf  ward 
Lodovico  Colonna  in  Ardea  von  seinem  eignen  Schwager  um- 
gebracht, der  auf  solche  Weise  die  Mitgift  der  Schwester 
sparen  wollte.  Es  war  nichts  seltenes  dass  die  päpstliche 
Regierung  bedeutende  Summen  auf  den  Kopf  rebellischer  oder 
ruheloser  Barone  setzte,  mogten  sie  todt  oder  lebend  einge- 
liefert werden.  Aber  Begnadigungen  waren  ebenso  häufig  wie 
Achtserklärungen. 

Zu  der  Zeit  als  Cesare  und  Lucrezia  Borgia  durch  die 
Pracht  ihrer  Cavalcaden  glänzten,  Cardinäle  wie  Ascan  Maria 
Sforza  und  Ippolito  d'Este  mit  ihnen  wetteiferten ,  Gentile  Vir- 
ginio  Orsini  eine  fursthche  Stellung  hatte,  Papst  Alexander  VI. 
seine  Tochter  mit  Perlen  bedeckte,  waren  aber  die  Römer 
auch  in  der  Erscheinung  ihrer  städtischen  Würdenträger  und 
Beamten  längst  ebenso  an  bunte  Pracht  gewohnt,  wie  durch 
die  Papstprocessionen  die  ein  Gemisch  von  geistUchem  und 
weltlichem  Gepränge  boten.  Der  Bannerträger  der  Kirche  und 
der  Präfect,  der  Senator  und  seine  Beisitzer,  die  Conservatoren« 

30* 


468  Glanz  der  Magisti-atc.    Besitzverhältuisso. 

die  Banderesen  und  ihre  Ratbe  als  der  gefurchtete  Magistrat 
noch   bestand,   die  Caporionen   mit   ihrem  Prior   schienen  es 
darauf  anzulegen ,  den  Pomp  ihrer  Trachten  und  Aufzüge  wie 
die  Zahl  ihrer  in  allen  Farben  gekleideten  Dienerschaft  umso- 
mehr  zu  steigern  je  grösser  die  Abnahme  ihrer  wirkhchen  Be- 
deutung  war.     Ein  Bestreben   welches   im   vierzehnten  Jahr- 
hundert begonnen  hatte,    im    fünfzehnten   auffallender  wurde 
und  von  welchem  heute  noch  Spuren   genug  gebUeben  sind. 
Zu   allen    Zeiten    ist   Rom    die   Stadt   der   Gegensätze  gewe- 
sen.   Pracht  und  Armuth,  Prunk  der  Formen  und  nur  zu  oft 
geringer    Gehalt,    furstUche   Paläste    neben    verfallenen  Hüt- 
ten,   Devotion    in   der   Haltung  und  Auflehnung  im   Herzen, 
Geschick  zu  jeder  Arbeit  und  geringe  Industrie,  Reminiscenzen 
alter  Grösse  und  Festhalten  an  Aeusserlichkeiten  die  sie  nicht 
wiederbringen   konnten,   HerzHchkeit  und  wilde  Leidenschaf- 
ten   —    nach    dem  Wort   eines   neuern   italienischen  Dichters 
»orgogho  di  nomi,  ludibrio  di  sorte«.    Wie  viel  fehlt  daran 
dass  fortschreitende  Bildung  überall  der  tiefwurzelnden  Ten- 
denzen  Meister   geworden   wäre,    welche    in   der   Geschichte 
vieler  Jahrhunderte  ihren  Ausdruck  wie  ihre  Erklärung  finden! 
Die  unter  den  drei  letzten  Papstregierungen  des  fünfzehn- 
ten Jahrhunderts  über  die  grossen  Familien  hereingebrochenen 
Stürme  hatten  die  Besitzverhältnisse  in  der  nähern  und  fernem 
Umgebung  wesentUch  verändert.    Wenn  Alexander  VI.  durch 
seine  Bulle  vom  1.  October  1501  seinen  beiden  Enkeln  Rodrigo 
und  Juan  d'Aragona  Borgia  je  achtundzwanzig  und  sechsund- 
dreissig  Städte,  Castelle,  Tenuten  die  den   Colonna,  Caetani, 
SavelH,  D'Estouteville,  Mattei  u.  A.  abgesprochen  worden  wa- 
ren, zu  Lehn  gab,  so  zeigt  dies  wie  die  Dinge  bei  seinem  Tode 
standen.    Aber  dieser  Tod  machte  der  borgiaschen  Herrschaß 
in  diesem  wie   in   andern  Fällen  ein  Ende.      Doch  auch  ab- 
gesehn  von   so  jähen  Wechseln   hatte  seit  Martins  V.  Tagen 
manches  Besitzthum    aus  einer  in  die  andere  Hand  gelangen 
müssen.      Zu   den   neuen  Dynasten   gehörten    die   D*£stoute- 
ville   oder   Tuttavilla    imd    die   Cybö    die   sich   indess    beide 
ebensowenig   wie    die   Riari    und   Borgia   in   Rom    zu   halten 
vermogten.    Der  Cardinal  von  Ronen  kaufte  für  seine  Nepo« 
ten    Girolamo   und   Agostino   von   dem   unglückUchen  Proto- 
notar  Giovanni  Colonna  im  Jahre   1479   Genzano    und  Nemi 
denen  er  Frascati   und  Citta  Lavigna  hinzufugte,  aber  sechs 


Besitzverhältnisse  in  der  Umgebung.  469 

Jahre  später  setzten  sich  die  Colonna  mit  Gewalt  wieder  in 
den  Besitz  der  Ortschaften,   da  die  Tuttavilla  es  mit  den  yer- 
schwägerten  Orsinen  hielten,  und  Genzano  und  Nemi  blieben 
bis  zu  den  borgiaschen  Händeln  in  ihrer  Gewalt.    Auch  Mon- 
ticelli   welches   Paul  IL   den  ruhelosen   Anguillara   genommen 
hatte,  war  durch  Sixtus  IV.  in  den  Besitz  Cardinal  d'Estoute« 
villes  gelangt  aber  nur  pfandweise  und  auf  Lebenszeit,  wie  es 
später  mit  andern  Orten  durch  InnocenzVIIL  an  den  berüch- 
tigten Cardinal  La  Balue  kam.    Cerveteri  war  nach  dem  Aus- 
sterben der  Yenturini  an  die  Ejrche ,  durch  Sixtus  lY.  an  Bar- 
tolommeo  della  Rovere  gekommen  der  es  im  Jahre  1487   an 
Franceschetto  Cybö  verkaufte.    Dieser  erlangte  auch  Anguillara 
und  andern  Besitz,  verkaufte  jedoch  fünf  Jahre  später  seine 
Herrschaften ,  deren  er  sich  nach  Innocenz'  YIII.  Tode  nicht 
mehr  sicher  erachtete,   an  Gentile  Yirginio  Orsini  von  Brac- 
ciano ,  durch  dessen  Sohn  Carlo  dann  die  jüngere  Linie  von 
Anguillara  gegründet  ward,  bei  deren  im  Jahre  1548  erfolgtem 
Aussterben   die  Grafschaft   an   die   Hauptlinie   von  Bracciano 
zurückfiel.   Ein  anderes  Besitzthum  der  Familie  von  Anguillara, 
Torrimpietra  an  der  Strasse  nach  Civitavecchia  nicht  ferne  von 
Ceri,  heute  noch  in  seinem  Baronalpalaste  den  mittelalterhchen 
Burgkarakter  bewahrend,  kam  im  Jahre  1457  durch  Kauf  an 
die  Massimi. 

üeberhaupt  ging  im  Besitz  der  grossen  Tenuten  welche 
nur  Wirthschaftsgebäude ,  hie  und  da  auch  herrschaftUche 
Wohnungen  hatten,  vielfacher  Wechsel  vor  sich.  Maccarese 
war  nach  dem  Aussterben  der  Normanni  an  die  Grafen .  von 
Anguillara  und  Andere  gekommen,  wie  es  dann  ebenfalls  stück- 
weise an  die  Mattei  gelangte.  Yon  Campomorto,  wie  es  an  An- 
tonio Rido  dann  an  das  vaticanische  Kapitel  kam,  war  schon 
die  Rede.  Castel  di  Guido  war  von  den  Grafen  von  Anguillara 
wieder  an  seine  ursprünglichen  Besitzer  die  Camaldulenser  von 
S.  Gregorio  gelangt  die  es  bis  zum  Jahre  1573  behielten. 
Castel  Giubileo,  damals  wie  heute  ein  blosses  Casale,  wurde 
im  Jahre  1458  von  den  Eremitanem  von  Sto  Stefano  rotondo 
dem  vaticanischen  Kapitel  verkauft.  Sette  Bassi  vor  Porta 
S.  Giovanni  wurde  im  Jahre  1463  von  den  Astalli  zur  Hälfte 
an  das  lateranische  Spital  veräussert  Eine  Menge  Ortschaften 
waren  längst  in  Casale  verwandelt,  deren  Verpachtung  dann, 
wenn  sie  Eigenthum  der  todten  Hand  waren  oder  wurden  wie 


470  Allgemeine  Zustände. 

es  immer  häufiger  geschah,  entweder  auf  eine  Reihe  Jahre  odei 
auf  Lebenszeit  mittelst  Belehnung  stattfand.  Zu  diesen  ge- 
hörte neben  manchen  andern  das  alte  CoUatia,  welches  iB 
Eugens  lY.  letzten  Jahren  menschenleer  war.  Dass  zahlreiche 
Corsen  zum  Feldbau  herangezogen  wurden,  ergiebt  sich  aas 
einer  Verordnung  Sixtus'  IV.  vom  Jahre  1475 ,  welche  wegen 
der  vielen  von  diesen  leidenschaftlich  ruhelosen  Leuten  began- 
genen Missethaten  eine  Caution  von  zweihundert  Florenen  fiii 
jeden  von  ihnen  verlangte  und  das  Waffentragen  untersagte. 
Auf  die  Zustande  der  Campagna  lassen  die  vielen  Kriege  und 
Fehden  schliessen  deren  Schauplatz  seit  Eugens  IV.  Regie- 
rungsantritt diese  Gegend  war.  Der  furchtbare  colonnesische 
Krieg  und  die  übrigen  Kämpfe  unter  dem  gedachten  Papste, 
der  Untergang  des  Hauses  der  Präfecten  von  Vico,  die  Fehde 
zwischen  den  Orsinen  von  Tagliacozzo  und  von  AnguiUara 
unter  Pius  II. ,  die  Ezecution  Pauls  II.  gegen  die  Letzteren,  der 
Kampf  zwischen  Colonna  und  Orsini  und  die  neapoUtanische 
Expedition  unter  Sixtus  IV. ,  der  Krieg  Innocenz'  Vlll.  wegen 
Aquilas  —  alle  diese  Schilderhebungen  liessen  die  Umgebung 
Roms  nicht  zu  Athem  kommen.  Die  Regierung  Alexanders  VI 
setzte  durch  den  Vernichtungskrieg  wider  die  grossen  Ge- 
schlechter und  die  Durchzüge  fremder  Heere  dem  furchtbaren 
Treiben  und  dem  Elend  die  Krone  auf. 

Wir  sind  an  die  Grenze  eines  verhängnissvollen  Zeit- 
raums gelangt. 

Noch  stand  dem  Anschein  nach  das  grosse  hierarchische 
Gebäude  fest,  unerschüttert,  in  sich  abgeschlossen  da.  Noch 
hatten  Primat  und  kirchhche  Tradition  im  Abendlande  keinen 
Abfall  erhtten.  Aber  die  morahsche  Macht  des  Papstthums 
war  tief  gesunken.  Die  Reaction  war  unvenneidUch.  Sie 
drohte  um  so  heftiger  zu  werden,  da  das  grosse  und  legitime 
Mittel  der  ersten  Hälfte  des  zu  Ende  gegangenen  Zeitalters 
zur  Heilung  von  Ausartungen  und  Misbräuchen,  die  Concilien. 
den  Zweck  unvollkommen  erreicht  hatte.  Die  Uteraiisch- 
wissenschaftUche  Bewegung  war  auf  den  bedenklichsten  Bah- 
nen und  hatte,  nicht  in  Italien  allein,  in  den  Gemüthem  die 
geßhrhchste  Gabrung  erzeugt.  Italien  war  der  Kampfplatz 
fiir  Spanier,  Franzosen,  Schweizer,  Teutsche;  Norden  und 
Süden  der  Eblbinsel  standen  unter  fremder  Herrschaft.  Der 
Kirchenstaat  rang  mit  der  gewaltsamen  Auflösung  seiner  alten 


Allgemeine  Zustände.  471 

politischen  Ordnungen.  Die  Stadt  Rom  schwankte  zwischen 
Alleingewalt  und  Anarchie  und  bot  in  ihren  inneren  Verhältnis- 
sen wie  in  der  äussern  Erscheinung  die  grellsten  Contraste  von 
Cultur  und  Barbarei,  von  Glanz  und  Elend,  von  Frömmigkeit 
und  Unglauben.  Die  römische  Umgebung  war  wüst  und  scho- 
nungslos zertreten. 

Das  beginnende  sechzehnte  Jahrhundert  hatte  viele  Schä- 
den zu  heilen. 


ANMERKUNGEN. 


uTeschichte  des  Papstthums  des  15.  Jahrhunderts  *).  Theilweise 
die  Band  II.  S.  1175  angefiihrten  Werke,  überdies  Bart.  Piatina,  De 
vitis  Pontificttm,  zuerst  Venedig  1479,  für  diese  Zeit  Quelle.  Die  einzelnen 
Biographien  finden  sieh  bei  den  verschiedenen  Pftpsten  genannt.  Milmans 
Uistory  of  Latin  Christianity ,  schliesst  mit  Nicolaus  V.  Neue  franzSs.  Bearbei- 
tung: J.  B.  Christophe,  Histoire  de  la  Papaute  pendant  le  XV.  siecle, 
2  Bde. ,  Lyon  1863.  Steht  der  Geschichte  des  avignon.  Papstthums  dess.  Verf. 
beiweitem  nach.  -^  Von  gleichzeitigen  Historikern  kommen  hier  namentlieh  in 
Betracht  Papst  P ins  II.  (J.  Gobellinus)  und  Jac.  Ammanati,  wie  die  flor. 
Geschichtschreiber  des  15.  Jahrb.,  von  denen  einzelne  gehör.  Orts  erwähnt 
werden.  Von  sp&teren  flor.  Geschichtschr.  vor  allen  brauchbar  ScipioneAm- 
mtrato  dem  das  flor.  Archiv  zu  Gebote  stand.  Sigismondo  de'  Conti  (vgl. 
Aiun.  zu  S.  360)  leider  noch  iuedirt.  Die  mail.  und  venet.  Chronisten  stehen  uns 
femer,  da  die  Beziehungen  zu  dem  letzten  Visconti  und  zu  den  Sforza  hier 
nur  gelegentlich  berfihrt  werden  konnten.  Die  peruginische  Chronik  des  Gra- 
ziani  (Arch.  Stör.  Ital.  XVI.  1)  giebt  manches  Detail;  der  wichtige  Fr.  Ma- 
tarazzo  (Maturanzio,  ebd.  2.)  beginnt  mit  1492,  wo  das  Detail  aller  Art  bei- 
nalie  erdrflckend  wird. 

Geschichte  der  Cardinäle ,  bei  Ciaceonivs,  namentlich  bei  L.  Cardella, 
Memorie  storiche  dei  Cardinali  della  S.  R.  C,  R.  1792.  Im  Auszug  bei 
Novaes.    (Vgl.  Anm.  zu  S.  250.) 

Zust&nde  am  p&pstlichen  Hofe  von  den  letzten  Zeiten  des  Schismas  an, 
nach  den  Berichten  der  Abgesandten  des  teutschen  Ordens,  bei  J.  Voigt, 
Stimmen  aus  Rom  Aber  den  päpstlichen  Hof  im  15.  Jahrhundert,  in  Raumers 
hUtor.  Taschenbuch  1833,  44^184. 

Geschichte  der  Stadt  Rom.  Auch  hier  ist,  ebensowie  für  die  Ge- 
schichte der  Umgebung  und  der  Städte  des  Kirchenstaats,  auf  die  Mehrzahl 
der  Band  11.  1 175 — 1 177  angefiihrten  Werke  zu  verweisen.  T  h  e  i  n  e  r  s  Cod.  dipl. 
dorn.  temp.  hat  im  IH.  Bande  noch  viele  Materialien  obgleich  in  geringerem 
Maasse  als  für  das  13.  und   14.  Jahrhundert.     Eine  Reihe   inedirter  vaticau. 


*)  In  Besag  auf  den  bibliographiachen  TheiL  der  nachfolgenden  Anmerkungen  mnss  hier 
wiederholt  darauf  hingedeutet  werden,  dass  aie  keine  auch  nur  relative  Voliattndigkeit  lite- 
rarlteher  Angaben  beswecken,  eine  Aufgabe  welche  bei  dem  eoloBsalen  Reichtham  der  römi- 
schen Bibliographie,  namentlieh  der  speciellen,  sowol  unthanlich  wie  der  Bestimmung  dea 
vorliegenden  Baches  nicht  entsprechend  sein  wfirde.  Es  handelt  sich  hier  in  der  Mehrsahl 
der  Fftlle  nur  um  solche  Nachweisungen  welche  dem  Leser  genaueres  Eingehen,  als  hier  mög- 
lich,  erleichtern  können. 


476  Anmerkungen. 

Urkunden  hat  mir,  Dank  der  GefHUigkeit  A.  Theiners,  auch  für  diese  Epoche 
vorgelegen.  Ueber  die  verschiedenen  Diarien  desinfessura  u.  A.  vgl.  S. 366 
u.  Anm.  zu  S.  76.  Papencordts  Gesch.  der  St.  R.  im  MA.  endigt  mit 
Sixtus  IV.,  ist  aber,  mit  Ausschluss  der  nur  in  diesem  Zeitraum  beachteten 
Literar-  und  Kunstgeschichte,  vom  Ende  des  Schismas  an  blos  skizzirt  und 
ohne  tieferes  Eingehen.  Die  überaus  zahlreichen  speciellen  Werke  und  Abhand- 
lungen finden  sich  theilweise  an  den  betreffl  Stellen  erwähnt.  Reiches  Ma- 
terial zur  Stadt-  und  Familiengeschichte  bieten  Gallettislnscriptiones,  deren 
Gebrauch  leider  durch  die  ungeschickte  Ordnung  erschwert  wird.  Besser  wird 
Forcellas  Sammlung  ihrem  Zweck  entsprechen.  Für  Familiengeschichte  bleibt 
aber  noch  sehr  viel  zu  thun,  denn  die  meisten  älteren  Arbeiten  in  diesem 
Fach  sind  zum  Theil  ganz  unbrauchbar.  Das  Büchlein  des  Grafen  v.  Tournon 
(des  Sohnes  des  verdienten  napoleonischen  Präfecten  von  Rom):  Le  Livre 
d'or  du  Capitole,  Paris  1864,  ist  ohne  Bedeutung.  Eine  Uebersicht  der  Ge- 
schichten einzelner  Familien,  die  indess  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch 
erheben  kann,  möge  hier  folgen. 

Albani  von  P.  E.  Visconti  in  dessen  bald  unterbrochenem  Weric  über 
die  Familien  des  Kli^chenstaats ;  Aldobrandini  ebds.;  Altemps  von  P.  Litta  b 
den  Famiglie  celebri  Italiane;  Altieri  von  P.  £.  Visconti;  Boccapaduli  von 
Bicci  1762;  Boncompagni  von  E.  Gamurrini  1662,  und  P.  Litta;  Bonelli, 
ebds.  und  von  P.  Litta;  Caetani,  von  £.  Alvignano  1790,  Cost  Caetasi 
in  der  Vita  di  P.  Gelasio  11.  1802,  G*  B.  Carinci  in  den  Documenti  scelti 
deirArchivio  della  famiglia  Caetani  1846;  Capizucchi  von  Arm  an  ni  1668—1680; 
Carpegna  von  P.  A.  Guerrieri  1667;  Cesarini  von  Fr.  Sansovino  in  den 
Famiglie  illustri  d'Italia,  Ven.  1582,  Ratti  in  der  Geschichte  der  Sforza, 
P.  Litta;  Cesi  von  P.  Litta;  Chigi  von  G.  Buonafede  1660  imd  einem  Ano- 
n3anus  1658;  Colonna  von  Fr.  Sansovino,  Ughelli  1650,  F.  Mngnos 
1658,  De  Santis  1675,  P.  Litta,  A.  Coppi  1855;  Conti  von  F.  Contelori 
1650,  M.  Dionigi  1663,  Ratti  in  der  Gesch.  der  Sforza;  Corsini  von  F. 
Zazzera  in  der  Nobilta  dltalia,  Neapel  1628,  L.  Passerini  1858;  Fanese 
von  F.  Odorici  in  der  Forts,  von  Littas  Werk;  Frangipani  (s.  unten  Anm.  zu 
S.  45);  Marescotü-Ruspoli  von  P.  Litta;  Massimo  von  dems.;  Matte!  von 
F.  Zazzera;  Mellini  von  Fr.  Sansovino,  J.  Lauri  1636;  Orsini  von  Fr. 
Sansovino  1565  (zugleich  die  Grafen  von  Anguillara),  E.  Gamurrini  1691, 
P.  Litta;  Peretti  von  Ratti  in  der  Gresch.  der  Sforza;  Sant'  Eustachio  von 
F.  Zazzera;  Savelli  von  Fr.  Sansovino,  N.  Ratti  in  der  Gesch.  der  Sforza; 
Sforza  von  N.  Ratti  1794.  —  Unter  den  handschrifU.  Materialien  zur  Fa- 
miliengeschichte sind  die  reichlichsten  die  des  Onofrio  Panvinio  und  des 
Teodoro  Amidenio  (Ameyden),  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert,  aber  sie 
sind  mit  den  Mängeln  der  älteren  Genealogisten  behaftet 


Darstellung  der  Stadt  Rom  im  XIV.  Jahrhundert 

auf  dem  Siegel  Kaiser  Ludwigs  des  Baiem. 

(Nach  dem  Exemplar  des  Aachener  Stadtarchivs.) 

Vgl.  S.  10. 

S.3.  Topographie  von  Rom  am  Schlüsse  des  Constanzer  Concils  (sowie  zu 
Anlang  des  16.  Jahrb.  S.  432).  Neben  den  zahlreichen  allgemeineren  Werken, 
von  weichen  in  den  Anmerkungen  zu  Bd.  II.  die  Rede  war,  unter  denen  na- 
mentlich Gasparo  Alveris  Roma  in  ogni  aCato,  R.  1664,  Bd.  U.,  F.  Mar- 
linellis  Roma  ricercata  nel  suo  sito  (ohne  Jahreszahl,  gegen  16.S0  gedruckt), 
und  C.  Feaa  Dissertaiione  sulle  rovine  di  Roma  im  m.  Bande  seiner  Ueber- 
setzung  des  Winkelmann  zu  nennen  sind  (von  den  grösseren  neueren  Stadt- 
beschreibungen  ist  die  Platner- Bunsensche  für  diese  Zeit  unvoltstindig, 
die  Nibbfsche  von  1839,  Band  Ul.  und  IV.  von  «Roma  nel  1838.,  welche  nur 
des  bald  nach  Beginn  des  Drucks  verstorbenen  Verf.  Namen  trigt,  kommt 
kaum  in  Betracht),  sind  folgende  über  einzelne  Stadttbeile  und  Bauwerke  zu 
erwähnen,  die  auch  ftlr  das  11.  Kapicel  des  3.  Abschnitts,  die  Stadt  zu  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts,  gelten.  Franc.  Cancellieri,  De  secretariis  Basilicae 
vaücuiae  veUns  sc  novae,  K.  1788;  Ds.,  Noüzie  del  carcere  Tulliano,  R.  1788; 
Os.,  Stona  dei  solenni  poaaessi,  R.  1602;  Da.,  Le  due  nuove  campane  di  Cani- 
pldoglio,  R.  1807;  Ds.,  II  Mercato,  il  Lago  dell'  Acqua  vei^e  ec.  R.  1811; 
1'.  Adinolfi,  Lnleranoe  Viamaggiore,  R.  1657;  Da.,  La  Portica  di  S.  Pietro, 
R.  1859;  Ds.,  11  Canale  di  Ponte,  Ninii  1860;  Da.,  La  Torrs  de'  Sanguigni 
e  S.  ApoUin&re,  R.  1863;  Ds.,  La  Via  sacra  o  del  Papa,  R.  1865.  —  Camillo 
|Viitorio]  Massimo,  Notizie  istoriche  della  Villa  Massimo  alle  Tenne  Diocle- 
iiane,  R.  1836  (enthält  iilr  die  Zeit  vor  Gregor  XUL  nur  wenige  Notizen); 
Ds.,  Cenni  storici  sulla  Torre  Anguillara  iß  Trastevere,  R.  1847;  Ds.,  Sopra 
ima  inedita  medaglis,  di  Francesco  Massimo,  R.  1860;  Ds-,  Memorie  atoriche 
della  chiesa  di  S.  Beiiedetto  in  piscinula,  R.  1864. 

S.  3.  Schilderung  Roms  durch  Poggio  Bracciotini  in  dessen  Historiae 
de  varieute  fortunae,  ed.  D.  Geoi^ius,  Paria  1723,  5£ 

S.  8.  Fazio  degli  Ubertl.  Fil.  Viltani,  Liber  de  civiutis  Florentiae 
famosis  civihus,  ed.  6.  C.  Galletti,  Flor.  1847,  32  —  -de  Bonifatio  de 
Ubertis  semipoeta  vulgari-.    Schilderung  Roms  im  DitUmoudo,  von  wetehem 


478  Aiimerkiuigen. 

eine  mit  Montis,  Perticaris  u.  A.  Hülfe  verbesserte  aber  immer  noch  sehr 
mangelhafte  Ausg. ,  Mail.  1826 ,  11.  c.31.  —  Manuel  ChrysolpraSi  Epistola 
ad  loannem  imp.  qua  veteris  ac  novae  Romae  comparatio  continetur,  bei  G. 
Codinus,  Excerpta  de  antiquitatibus  Constantinopolitanis ,  Par.  1665,  107  £ 
S.  10.  Der  auf  dem  Capitol  befindliche  zu  einem  Getreidemaass  ausgehöhlte 
Grabcippus  der  altern  Agrippina  hat  die  Inschrift:  «Rugitella  de  gnno«, 
darunter  die  Wappen  des  Senats  und  der  Conservatoren  von  1635  mit  fol- 
gender Inschrifl: 

Virilis  auimi  foeminae 

Quae  voluntaria  inedia 

Fiiimenti  usum  et  vitae  sibi  ademit 

Scpiilcrali  hoc  lapide 

Tiiuislato  e  Mausoleo  Augusti  excavatoque 

Dimensus  est  CCC  frumeuti  pondo  rudi  oHm  seculo 

S.  P.  Q.  R. 
Eumdem  alia  iam  aetate  literis  perpolita 
Expoliendum  ornamdumq.  curavit 
Octavio  Muto 
Alexandro  Rondanino  Cosss. 
BiMto  Gottifredo 
Leone  Vcrospio  priore. 
S.  10.   Das  Capitol  in  seiner  mittelalterlichen  Gestalt    Cancellieri,  Cam- 
pane,  passim;  Nibby,  Roma  nel  1838,  I.  495;  Beschreibung  der  Stadt  II, 
III.  1.  passim.    Capitolinischer  Markt  (»Locus  nundinanim«  in  Anaclets  Bulle) 
bis  zum  J.  1477,  Cancellieri,  Mercato,  5  —  15.    Erliuterung  der  Bulle  Ana- 
clets  n.   über  die  Grenzen    der  Jimsdiction  des  Klosters  von  Araceli,  1130 
—  1138,  bei  P.  Casimiro,  Memorie  dl  S.  M.  d'Araceli  431—442.    Vgl.  Fr. 
Valesio,  Spiegazione  d'una  bolla  d'Anacleto  Antipapa  in  cai  si  descrivouo 
gii  antichi  confini  del  Monte  Capitolino,  in  den  Opuscoli  des  Calogerjk,  XX. 
Der  unter  Paul  11.  stattgefundenen  Zerstörung  capitolinischer  Trümmer  gegen- 
über  dem  Marcellustbeater   (vgl.  S.  397)    erwähnt  Francesco  di  Giorgio 
(Titittato  d'Architettora  ed.  C.  Promis,  Turin  1841,  I.  93)  in  einer  seiner 
architekton*  Hss.:   »il  portico  incontra  a  casa  Savelli  —  a  sempo  di  Pavolo  la 
porta  el  portico  ruinato  et  dispogliato  fu.« 

Nach  N.  Signorili  sah  man  bei  der  zweiten  Thüre  des  Senatx)rspalaste9 
das  Bild  eines  auf  eine  vor  ihm  liegende  Ratze  grimmig  blickenden  Lowe»  mit 
folgender  Inschrift  auf  der  Schwelle: 

•Iratus  recole  quod  nobilis  ira  leonis 
In  sibi  prostratos  se  negat  esse  feram.« 
Die  Statue  Carls  von  Anjou,  wie  es  scheint  lange  vernachlässigt,  niiirde 
erst  im  Jahre  1481  wiederaufgestelit 

S.  12.  Marforio -  Statue.  Fr.  Cancellieri,  Notizie  delle  due  famose 
Statue  di  un  fiume  e  di  Patroclo  dette  volgarmente  di  Pasquino  e  di  Marforio. 
2.  Aufl.,  R.  1854.    Inschrift  gegenüber  dem  Carcer  Mamertinus: 

Hie  aliquando  insigne 

Marmoreü  simulacru  fuit 

Quod  vulgus  ob  Martis  forum 

Marfodium 

nuncupavit 

In  Capitoliü  ubi  nnc  est 

Traslatii. 


Aumcrkungen.  479 

An  den  seltatmsten  Interpretotioneii ,  vom  Jupiter  pistor  zum  Rheinfluss  unter 
den  Hufen  des  domitianischen  Rosses,  hat  es  nicht  gefehlt  (Vgl.  Anm.  zu 
ö.  387.) 

S.  13.    Du  Colosseum.    Vgl.  Bd.  H.  S.  993,  999,  1212. 

S.  14.  Der  Lateran.  Alte  Beschreibung  aus  den  Zeiten  Alexanders  IV.  — 
Bonifaz  VIII.,  bei  Mabillon,  Museum  Ital.  U.  560  ff.;  Rasponi  nach  Ono- 
frio  Panvinio  1656;  Baldeschi  und  Crescimbeni  1720 — 1725;  Ciampini, 
De  sacris  aedificiis  ete.  1  ff. ,  wo  Abbildungen  der  alten  Faf ade  und  des  Pa- 
triarchiums  nebst  SLirche  und  Kapellen  wie  Grundriss  des  Platzes  nach  Bu- 
falini,  welcher  nebst  Nollis  Plan  von  1748  dem  dem  vorliegenden  Bande 
beigegebenen,  von  dem  in  römischer  Topographie  bewanderten  Architekten 
R.  Bergau  in  Danzig  gezeichneten  Plane  ;eugrunde  liegt;  P.  Adinolfi,  La- 
tcrano  e  Via  maggiore,  R.  1857;  Letarouilly  Edifices  de  Rome  moderne. 
Notices  historiques  et  critiques. 

S.  17  (auch  8.  444).  Vatican  und  Peterskirche.  Von  Petrus  Mallius 
(vergl.  Bd.  IL  S.  676)  und  Maffeo  Vegios  De  rebus  antiquis  memorabilibus 
Basilicae  S.  Petri  (in  den  Acta  Sanctorum  lun.  VI.,  wo  auch  P.  Mallius  — 
über  Vegio  vgl.  oben  S.  322)  an  eine  ganze  Bibliothek  von  Autoren,  worüber 
Beschreib,  d.  St  R.  II.  1.  passim. ,  und  Ranghia^ci,  Bibliografia  Art. 
Roma.  Ciampini,  De  sacris  aedificiis  ete.  27  ff.  hat  eine  gedrängte  Beschrei- 
bung mit  Plänen  und  Abbildungen,  die  Pläne  der  alten  und  neuen  Kirche 
auch  Ciacconius  zu  Anfang  der  Vitae  Pontificum.  Neueste  Darstellungen, 
ausser  der  gedachten  Beschreib,  d.  St.  R.,  E.  Pistolesi,  II  Vaticano 
descritto  ed  illustrato,  8  Bde.,  R.  1829  ff;  F.  M.  Mignanti,  Istoria  della 
sacrosanta  patriarcale  Basilica  Vaticana,  R.  1867.  Cancellieris  De  Secre- 
tariis  Basilicae  Vaticanae  ist  des  fleissigen  Mannes  Hauptwerk.  —  Ueber  den 
Stuhl  des  h.  Petrus  (vgl.  S.  454)  N.  Wiseman  in  den  Bemerkungen  über 
Lady  Morgans  Reisebuch,  übers,  v.  A.  de  Luca,  R.  1832  und  bei  Moroni, 
Dizion.  d'erudiz.  ecclesiast  X.  266;  Mignanti  a.  a.  0.  1.  288  ff.;  6.  B.  de 
Rossi,  La  Catedra  di  S.  Pietro  nel  Vaticano  e  quella  del  Cemetero  Ostriano, 
Bulletdno  di  Arch.  crist  1867,  33  ff.  Ueber  die  verschiedenen  Entwürfe  für 
den  Neubau  von  Nicolaus  V.  an  handelt  H.  v.  Geymüller,  Carlsruhe  1868. 

Der  dem  vorliegenden  Bande  beigegebene  vergleichende  Plan  ist  von  R. 
Bergau  gezeichnet 

S.  19.  Sta  Maria  deir  Anima.  A.  Kerschbaumer,  Geschichte  des 
teutschen  Nationalhospizes  Anima  in  Rom.  Wien  1868.  Das  Gelübde  der 
Stiftung  nUlt  in  das  J.  1386,  die  Stiftung  selbst,  zu  welcher  drei  Häuser  im 
Rion  Parione,  deren  mittleres  zur  Kapelle  dienen  sollte,  angewiesen  wurden, 
in  das  J.  1399.  Approbationsbulle  der  damit  verbundenen  Brüderschaft  von 
Bonifaz  IX.  vom  9.  Nov.  1399.  InnoccnzVU.  empfahl  1406  das  Hospiz,  dem 
er  auch  Coemeterialrecht  verlieh,  dem  bosondem  Schutz  des  päpstl.  Vicars, 
Eugen  rV.  gewährte  1444  das  Recht  der  Sacramentspendung,  nachdem  er  1431 
die  Stiftung  zu  S.  Andreas  im  Rion  Regola  ftir  arme  in  Rom  angesiedelte 
Teutsche ,  von  Nicolaus  Henrici  von  Culm  Kaplan  an  S.  Lorenzo  in  paneperna 
1413,  mit  dem  Hospiz  vereinigt  hatte.  Spätere  Vereinigungen  der  Besitzungen 
der  teutschen  Schusterbrüderschaft  St  Crispin  1535  und  des  Schwesterhauses 
der  teutschen  Tertiarierinnen  1555.  Zu  den  Wohlthätem  gehorte  u.  A.  der 
gelehrte  Christian  Ameyden.  Reorganisation  mittelst  Bulle  Pius'  IX.  vom 
15.  März  1859. 

S.  19.    Paläste  und  Thürme.    Vgl.  Bd.  U.  S.  418,  1187. 

S.  22.    Stadtregiment  mid  städtische  Zustände.     Boccaccio:    "Roma  la 


480  Anmeriningen. 

quäle,  conie  e  oggi  coda,  cosi  pk  fa  capo  del  mondo.«  (Decam.  Giorn.  V. 
Nov.  3.)  Bartolo  da  Sassoferrato,  De  re^mine  civitatis.  (»Civitas  ronuma 
Caput  politiarum  ad  tantam  monstruositatem  civiliis  regiminia  venit,  quod  non 
regimen  nee  regiminis  formam  habet.«)  —  Rom  bei  MarUna  V.  Rückkehr,  Pla- 
tina,  VitaMart.  y.;  unter  Eugen  IV. ,  Poggio,  De  varietate  fortunae,  L.  IIL; 
Vespasiano  im  Leben  Eugens;  Alberto  degli  Alberti  an  Giovanni  de'  Medici 
Cosimos  Bruder,  bei  A.  Fabroni  M.  Cosmi  Med.  Vita,  ü.  86. 

S.  28.  Finanzwesen  und  Ackerbauverhältnisse.  Cencius  Camerarias. 
Liber  censuum,  bei  Muratori  S.  R.  I.  III.  1.,  und  in  einzelnen  Theilen  bei 
Baron i US.  (Vgl.  Bd.  IL  S.  502, 1192.)  Nicolai,  Memorie  sulle  Campagne  e  sul- 
l'Annona  di  Roma,  R.  1803.  Coppi,  Discorso  sopra  le  finanze  di  Roma  nei 
secoli  di  mezzo,  R.  1847;  Ds.,  Diqcorso  suir  Agricoltura  dell'  Agro  Romano, 
2.  Aufl.  R.  1841;  Ds.,  Dei  luoghi  una  volta  abitati  ed  ora  deserd  nell'  Agro 
Romano,  in  den  Atti  deir  Accad.  rom.  di  Archeologia,  I — VIII.;  Ds.,  Do- 
cumenti  stör,  del  medio  evo  relativi  a  Roma  e  all'  Agro  romano,  ebda.  XV. 
173-^368;  Nibby,  Analisi  della  caita  dei  Dintomi  di  Roma,  11.  Aufl.  R.1848; 
Fr.  Forti,  Libri  due  delle  Istituzioni  civili,  Flor.  1841 — 42.  £.  Poggi, 
Cenni  storici  delle  Leggi  sull'  Agricoltura,  Flor.  1845 — 48.  G.  Canestrini, 
La  scienza  e  Tarte  di.  stato ;  I.  Flor.  1862. 

Urkunde  Card.  Stefimeschis  ftir  die  Zunfl  der  Bovattieri,  vom  15.  Nov. 
1407,  bei  Nicolai  a.  a.  0.  11.  28 — 30.  —  Document  für  Vicarello ,  nach  Mitta- 
relli  Annales  Camaldulenses  erwShnt  bei  Nibby,  Analisi  m.  475.  Ui^udeii 
Pius'  n.  von  1460  und  1462  bei  Theiner,  Cod.  diplomat  m.  414,  420. 

S.  38.  Geschichten  romisclier  Familien.  Vgl.  oben  S.  476,  und  Bd.  II. 
Anmerkungen  inbetreff  der  Colonna,  Orsini,  Conti,  Savelli  u.  A. 

S.  45.  Frangipani.  Benedetto  Pucci,  Genealogia  degli  111.  Sign.  Frangi* 
paniRomani,  Venedig  1621;  F.  Zazzera  in  der  Nobiltadltalia,  Neapel  1628. 
Panvinio,  De  gente  Frajap.  MS.  Ueber  die  Fr.  in  Friaul,  vgl.  Cicogna, 
Bibliografia  Veneziana  passim. ,  sowie  Vorrede  zu :  In  laude  di  Venezia  ietten 
di  Comelio  Frangipane  scrittore  Friulano  del  sec.  XVL ,  Ven.  1850.  Ueber  die 
spätere  römische  Linie  (Renazzi)  Notizie  istoriche  degli  antichi  Vioedomini, 
R.  1784,  101.  Im  J.  1551  kaufte  Cencio  Fr.  einen  Theil  von  SolfaraU  von 
Girolamo  Altieri,  der  es  nach  6  J.  wieder  an  sich  brachte.  Coppi,  Doc. 
stör.  333.  Die  Kapelle  dieser  sp&teren  Frangipani  ist  in  S.  MarceUo.  Zahl- 
reiche Inschriften  bei  Galletti,  Inscr.  Rom.  —  Die  Familie  Trasmondo  leitet 
ihren  Ursprung  von  den  Frangipani  ab. 

S.  51.  Die  Vicariate  und  Card.  Albomoz.  Vgl.  Bd.  U.  S.  949,  1210. 
Theiner,  Cod.  diplom.  11.  passim.  Statistik  der  Mark  Ancona,  Massa  Tra- 
baria  u.  s.  w.  um  das  J.  1356,  ebd.  No.  325;  Auszug  aus  den  Recfanusgs- 
bflchem  Angelo  Taverinis  Schatzmeisters  im  Patrimonium  1351  — 1363,  cbds. 
No.  338;  Statistik  der  Romagna  un  J.  1371  unter  der  Verwaltung  des  Card. 
Angelic  de  Grimoard,  ebda.  No.  525.,  Statistik  Bolognas  und  seines  Comitats 
aus  derselben  Zeit,  ebends.  No.  526.  (Die . Aufführung  der  Soldbanden,  erst 
der  schweren  Reiterei,  dann  der  Ungarn  und  leichten  Reiter,  endlich  des  ita- 
lienischen Fussvolks,  im  Bolognesischen,  letzterm  Document  angehängt  S.523fi.) 
Ein  schönes  Zeugniss  der  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  womit  der  Cardiiial 
de  Grimoard  die  Verwaltung  der  transapenninischen  Provinzen  führte,  ist  die 
filr  seinen  Nachfolger  den  Cardinal  von  Bourges  Pierre  d'Estaing  im  Ortober 
1371  verfasste  ausfiihrliche  Instruction  (Theiner  No.  527),  zugleich  eine  Art 
Rechnungslegung  über  seine  eigne  Administration,  welche  zeigt  wie  er  6ms 
Detail  kannte  und  welche  Grundsätze  er  befolgte.     »Zuerst,  so  beginnt  diese 


Anmerkungen.  481 

merkwürdige  Instruction,  muss  mein  Herr  (»Dominus  meus«  d.  i.  Cai'dinal 
d'£8taing)  darauf  achten,  namentlich  in  der  Stadt  Bologna  ein  friedfertiges 
und  bescheidenes  und  soviel  als  möglich  wohlwollendes  und  reehtliebendes 
Gefolge  zu  haben  und  dasselbe  durch  seinen  Kämmerer  so  in  Zucht  halten  zu 
lassen,  dass  es  weder  bei  Tag  noch  bei  Nacht  durch  Thaten  oder  Worte  unter 
den  Bürgern,  namentlich  unter  den  Frauen  Aergemiss  errege.  Sollte  es  doch 
geschehn  so  darf  es  nicht  ungeahndet  bleiben,  indem  sonst  sowol  mein  Herr 
wie  die  Herrschaft  der  Kirche  in  Gefahr  gerathen  würden.  Mein  Herr  wolle 
oft  erforschen  wie  sein  Gefolge  sich  beträgt  und  ob  es  reine  Hände  bewahrt 
Denn  die  welche  Bestechung  üben,  werden  die  Ersten  sein  den  Herrn  und 
sein  Gefolge  zu  verlästern,  und  ich  glaube  es  giebt  keine  Stadt  der  Welt 
welche  sosehr  zum  Schwätzen  und  vorkommendenfalls  zum  Murren  aufgelegt 
ist,  und  wo  Beamte  und  Dienerschaft  auf  so  verschiedene  Weise  und  mit  so 
grosser  Feinheit  durch  Geld  gewonnen  werden.  Sodann  soll  er  besonders 
dafür  sorgen,  dass  die  Curie  und  Auditoren  reine  Hände  halten  und  dass 
das  Recht  in  den  Audienzen  und  der  Curie  des  Podesta  und  bei  den  übrigen 
Gerichten  der  Provinzen  gerecht  und  so  rasch  als  möglich  gesprochen  werde. 
Denn  die  Bewohner  dieser  Landestheile  sehen  es  namentlich  gerne  wenn  die 
Gerichte  nicht  säumig  sind.  Da  es  wegen  der  hier  herrschenden  Factiouen 
gefährlich  ist,  Eingebome  zu  Richtern  zu  bestellen  die  sich  nur  zu  oft  durch 
Hass  oder  Vorliebe  leiten  lassen ,  so  wird  es  rathsam  sein ,  zuverlässige  fremde 
Juristen  anzustellen.  Ich  habe  dies  nicht  gethau  indem  ich  die  Sache  zu  spät 
erwog.  Mein  Herr  wird  es  leichter  finden  Jene  nicht  zuzulassen,  als  ich  die 
einmal  Zugelassenen  loszuwerden.  Das  Verhalten  des  Herrn  und  seines  Ge- 
folges soll  gegen  Alle  gleich  sein,  und  Stand  und  Qualität,  nicht  die  Partei 
beachten.  Denn  bei  den  Factionen  dieser  Länder  würde  sonst  arger  Verdacht 
rege  werden.  Jeder  soll  gut  und  standesgemäss  empfangen  werden,  wie  es 
gegenwärtig  Regel  und  den  Bürgern  genehm  ist.  Mein  Herr  soll,  so  esWhm 
gefällt,  täglich  zweimal  Audienz  ertheilen,  eine  kurze  morgens  früh  nach  der 
Messe,  namentlich  zur  Entgegennahme  der  Suppliken,  und  nach  Mittag  an 
einem  Allen  zugänglichen  Ort,  wo  Reiche,  Arme,  Frauen  erscheinen  können 
ohne  Belästigung  durch  Pfortner  und  Gefolge.  Mein  Herr  soll,  so  es  ihm  ge- 
fällt, darauf  achten,  dass  den  Armen  und  Bedrängten  eher  ihr  Recht  werde 
als  den  Vornehmen  und  Reichen.  Solches  habe  ich  mir  zur  Regel  gemacht. 
Man  muss  sich  vorsehn,  die  Vornehmen  dabei  nicht  zu  beleidigen,  was  durch 
gute  Manier  zu  vermeiden  ist,  sodass  mein  Herr  sich  bei  Gott  und  den 
Menschen  ein  Verdienst  ei-werben  kann.» 

Nachdem  nun  über  eine  Menge  Einzelheiten ,  so  über  die  historische  Entwick- 
lung der  Factionen  in  Bologna,  über  die  municipalen  Statuten  («manche  ver- 
ständig, manche  übermässig  strenge,  manche  unvernünftig  gemäss  meinem 
Unheil,  aber,  nun  sie  einmal  da  und  gutgeheissen  sind,  sorgsam  zu  beob- 
achten-), über  die  Verfassung,  städtische  Beamte,  Zünfte,  Cameralverwaltung 
u.  s.  w.  gehandelt  worden ,  folgen  ähnliche  Details  über  die  verschiedenen  Ort- 
schaften und  Verhältnisse  der  Provinzen.  So  heisst  es  von  den  Flüssen, 
einem  für  die  bolognesisch  -  romagnolische  Ebne  zu  allen  Zeiten  so  wichtigen 
Gegenstande:  »Der  Beachtung  meines  Herrn  muss  noch  empfohlen  werden 
dass  für  die  Flüsse  des  Comitats  von  Bologna  durch  Die  gesorgt  werde  denen 
dies  obliegt.  Der  Zustand  derselben  ist  heutzutage  so  vernachlässigt  dass, 
wenn  nicht  Abhülfe  erfolgt,  der  Ruin  eines  grossen  Theils  des  bolognesischen 
Territoriums  zu  befi&rchten  ist.  Denn  das  Land  ist  flach  und  niedrig  und  die 
Wasser  haben  nicht   den   gehörigen   Ablauf,    während   die    Dämme,    welche 

▼.  Retimont,  Rom.  III.  31 


482  Anmerkungen. 

ehemals  in  gutem  Stande  gehalten  wurden  und  das  Laud  sicherten,  sodass  es 
reichlichen  Ertrag  gab,  vernachlässigt  sind.  Die  Folge  davon  ist  dass  von 
Tag  zu  Tage  Dörfer  überschwemmt  und  Felder  in  Sümpfe  verwandelt  werden 
was  auch  auf  die  Luflbeschaffenheit  ungünstigen  Einfluss  übt,  so  dass  gegen- 
wärtig an  manchen  Orten  schlechte  Lufl  herrscht  wo  sie  vorzeiten  gesund 
war.«  In  dieser  Beziehung  wird  über  den  die  Grenze  zwischen  dem  Bologne- 
sischen  und  Modenesischen  bildenden  Fluss  Panaro  noch  speciell  gehandelt 
Ein  guter  Rath  betrifft  die  pecuuiäre  Verwaltung.  »Wenn  mein  Herr  mir 
Glauben  schenkt ,  so  mischt  er  sich  nicht  in  die  Finanzverwaltung  in  der  Weise 
dass  er  selbst  die  Gelder  einnimmt  und  Rechenschaft  legt,  sondern  beschränkt 
sich  auf  die  Anweisung  zu  regelmässiger  Einnahme  und  verständiger  Ausgabe. 
Sparsamkeit  ist  nöthig  da  unvorgesehene  Fälle  leicht  eintreten  können ,  und  ver- 
mieden werden  muss  dass  den  Unterthanen  wegen  Geldmangels  Lasten  auf- 
erlegt werden.«  Und  über  die  Beziehungen  zu  den  Nachbarn:  »Meinem  Ur- 
thcil  zufolge  wird  es  sehr  forderlich  sein,  wenn  mein  Herr  sich  zu  den 
benachbaiten  Comunen  von  Florenz  und  Venedig  so  gut  wie  möglich  stellt 
Denn  ich  zweifle  nicht  dass  sie  ihm  vielerlei  Schwierigkeiten  machen  werden 
(•quod  multas  habebit  puncturas  ab  eis«),  wie  mir  geschehn  ist  Ich  habe  mlM 
nicht  merken  lassen  («dissimulavi«)  um  das  Uebel  nicht  ärger  zu  machen,  und 
weil  ich  eine  Menge  anderer  ernster  Geschäfte  auf  dem  Halse  hatte.  Meto 
Herr  wird  passende  Abhülfe  zu  ersinnen  haben.« 

Dies  ist  eine  Prophezeiung  des  argen  Zerwür&isses  welches  unter  d'Estaings 
Nachfolger  de  Noellct  mit  Florenz  zum  Ausbruch  kam.  Ueber  den  Kampf  der 
guelfischeu  Republik  gegen  die  Kirche  ist  neuerdings  eine  wesentlich  auf  die 
Urkunden  des  florentiner  Archivs  begründete  Arbeit  erschienen  [A.  Gherardi, 
La  guen'a  dei  Fiorentini  con  Papa  Gregorio  XL  detta  la  Guerra  degli  Ono 
Santi,  im  Arch.  stör.  Ital.  S.  UI.  V.  2.  35  —  121,  VL  1.  208—232,  VI.  2. 
229—251,  Vn.  1.  211—232;  die  Urkundenabdriicke  noch  nicht  beendigt], 
welche,  wenn  sie  weit  entfernt  ist  die  Päpste  und  Legaten  in  allem  zu  recht- 
feitigen,  es  klar  macht  wie  grundlos  und  unerwiesen  die  Beschuldigungen 
thcilweise  waren,  und  welchen  bestimmenden  Antheil  das  florentinische  Partei- 
treiben an  diesem  traurigen  Kriege  hatte,  der  im  vorliegenden  Buche  Bd.  II. 
S.  967  ff.  in  seinen  Hauptereignissen,  sofeme  sie  Rom  betreffen,  dargestellt 
ist.  Ich  finde  auch  jetzt  keinen  Anlass  von  dem  daselbst  geäusserten  Ur- 
thcil  abzugehn,  habe  aber  die  Ueberzeugung  gewonnen  dass  die  floreutiui- 
sehen  Magistrate  in  Bezug  auf  die  Führung  des  Krieges  ihre  Sache  weit  besser 
verstanden  als  die  päpstlichen  Legaten.  Um  zu  dem  besten  dieser  letzteren. 
Angelic  de  Grimoard,  zurückzukehren,  so  macht  die  Lecture  der  von  ihm  her- 
rührenden Documente  deutlich,  wie  wenig  die  Schilderung  der  floreutiner  Suats- 
mäimer  und  Historiker  von  den  auswärtigen  Verwaltern  der  Provinzen  (vgl 
Band  U.  967  ff.)  auf  den  Bmden  Urbans  V.  passt 

Die  den  Städten  und  Oiten  der  Marken  durch  Card.  Albomoz  im  J.  1^^ 
auferlegte  Taille  (vgl.  oben  S.  52,  54)  betrug  im  ganzen  55,440  Florenen. 
Ancona  zahlte  4600,  Ascoli  5000,  Camerino  3000,  Fabriano  4000,  Fenno65K\ 
Macerata  14(X),  Recanati  8000,  San  Severino  4000  Florenen.  Fano,  Fossora- 
brone,  Pesaro,  Urbino  zahlten  nicht  weil  die  Taille  in  den  Lehnzins  einge- 
schlossen war;  Ofiagna  im  Gebiet  von  Osimo  und  Staffolo  im  Gebiet  von  Jcm. 
heute  Orte  von  2000  und  2500  Einwohnern,  war  die  Steuer  erUssen  weil  sie 
durch  Compagnien  zerstört  wai*en.    (Theiner  a.a.O.  IL  348.) 

S.  53.  Unter  den  «Raccomandati«  der  Republik  Florenz  finden  sich  im  Jährt 
1350  die  Malatesta  von  Giaggiuolo,   1381   die  Paulucci  von  Calvoli,   1384  die 


Anmerkungen.  483 

Manfredi  von  Faeuza,  1386  die  Accoramboni  von  Gubbio  und  die  Gabriclli 
aus  derselben  Stadt,  1392  die  Alidosi  von  Imola  und  Castel  del  Rio,  1396  die 
Trinci  von  FuHgno,  1413  die  Grafen  von  Montefeltro,  1414  die  Fortebracci 
von  Montone,  1441  die  OrdelafB  von  Forli,  1448  die  Manfredi  von  Imola. 
Die  Accomandigia  der  Colonna  von  Palestrina  nebst  Condotta  auf  fünf  Jalire 
ist  von  1395  f  die  der  Orsiui  von  Sovaiia  von  1389.  Cardinal  Lodovico  Fieschi 
Legat  von  Bologna  bestätigte  nicht  blos  1413  die  Accomandigia  seines  Neffen 
Lodovico  degli  Alidosi,  sondern  empfahl  ihn  dazu  der  Republik.  Die  Reser- 
vationen wurden  zu  Gunsten  des  regierenden  Papstes  und  seiner  Nachfolger, 
•canonice  intrantes-  gemacht,  bisweilen  auch,  wie  im  Falle  der  Grafen  von 
Montefeltro,  zu  Gunsten  des  Kaisers  (weil  Montefeltro  Reichslehn,  Urbino 
Kirchenlehn  war),  sonst  sollten  Freunde  und  Gegner  des  einen  contra- 
hirenden  Theib  Freunde  und  Gegner  des  andern  sein,  unter  dem  Vorbe- 
halt dass  die  Republik  zu  keiner  Hülfleistung  veipflichtet  war,  wenn  der 
Raccomandato  aus  freiem  Antriebe  Händel  anfing.  Die  gewöhnliche  Leistimg 
war  ein  Weihegeschenk,  Pallium,  am  Johannesfeate.  Die  Accomandigia  wurde 
auf  eine  bestimmte  Reihe  oahre  abgeschlossen  und  nach  gegenseitiger  Uebei^in- 
kunfl  bestätigt.  Auf  die  Uebertretung  der  Bedingungen  waren  Geldstrafen  ge- 
setzt Wie  mit  den  umbrischen  und  romagnolischen  Herren  hatte  Florenz  auch 
mit  den  Malaspina,  kaiserlichen  Lehnträgeni,  mit  den  Grimaldi,  Campofregoso 
u.  A.  ähnliche  Verträge  geschlossen,  namentlich  aber  mit  toscanischen  Herren, 
den  Appiani,  den  vielen  Linien  der  Guidi,  den  Casali  von  Cortona,  den  Bar- 
bolani  von  Montauto,  den  Tarlati  von  Pietramala,  den  Ubaldiui  mid  Uber- 
tini  u.  V.  a.  Bei  diesen  Letzteren  führte  das  Verhältniss  meist  zur  Unter- 
thänigkeit    Vgl.:  I  Capitoli  del  Comune  di  Firenze,  Bd.  L,  Flor.  1866  passim. 

S.  56.  Leben  Majtins  V.  nach  einer  vatican.  Hs.  u.  s.  w.:  Muratori, 
R.  Ital.  Scr.  111. ,  2.  857--868.  Eugen  IV.  ebds.  868—904.  —  Mit  Martin  V. 
beginnt  die  umständlichere  Erzählung  in  Stefano  Infessuras  Diario  dcUa 
citta  di  Roma,  zuerst  gedruckt  bei  Eccard,  Corpus  bist.  m.  aevi,  II.,  1863 
-2016,  dann  Muratori  a.  a.  O.  1111—1252.  Gobelin  Person,  vgL  Bd.  IL, 
8.1212.  Von  Späteren:  Fr.  Cirocco,  Fuligno  1638,  mid  Feiice  Conte- 
lori,  Rom  1641.    Stammtafel  der  Colonna,  vgl.  Bd.  11. 

Zu  meinem  Bedaueni  ist  mir  B.  Hüblers  Buch:  Die  constanzer  Re- 
formation und  das  Coucordat  von  1418  (Leipzig  1867)  erst  während  des 
Drucks  gegenwärtiger  Anmerkungen  bekanntgeworden.  Der  Gang  der  Ver- 
handlungen des  Concils  inbetreff  der  drei  Hauptfragen  ist  hier  klar  entwickelt. 
Die  Refonnatio  in  capite  welche  erst  mit  der  Absetzung  des  nunmehr  schis- 
matischen  Benedict  XIII.  ihre  Losung  eiTcichte.  Die  Neuwahl  nach  der  durch 
Synodaldecret  beschlossenen  Verpflichtung  des  künftigen  Papstes  zur  Erledi- 
gung der  Reformfragen  vor  Auflösung  des  Concils.  Das  von  Martin  V.  ehige- 
setzte  Refonnationstribunal  mit  seinen  unvollständigen  neuen  Synodaldecrcten 
und  die  drei  Concordate  mit  Teutschland,  England,  Frankreich,  welches  letz- 
tere im  wesentlichen  auch  für  Italien  und  Spanien  galt 

8.  68.  Sta  Francesca  Romana.  Die  Genealogie  ihrer  Angehörigen  ist  wie 
folgt: 


31 


484  Anmerkungen. 

Paolo  Busfia  de'  Leoni  sss  Jacomella  Rofiredeschi. 

I 
Francesca,  f  1440 

=s  Lorenzo  Ponziani. 


Gio.  Bat  Ponziani  Bussa  de'  Leoni 
^  Mabilia  Pappazurri. 


Vannozza  Ponziani  Busaa 
SS  1.  Mattia  Muti.    2.  Gio.  Bat  Forteguerri. 

I 
Batiata  Muti  Ponziani  Bussa 

=s  1.  Domenico  Maddaleni  Capodiferro. 

2.  Mariano  Crescenzi. 

Das  Leben  der  Francesca  wurde  so  von  ihrem  Beichtvater  Giovanni  Mat- 
tiotti  veie  von  der  Oberin  der  Oblaten  Maria  Mac^alena  von  Anguillara  be- 
schrieben; beide  in  den  Acta  Sanct  IX.,  Mz.  ü.  niodeme  Bearbeitung  tod 
Lady  Georgina  Fullerton,  Lond.  1855,  teutsch  Coln  1855.  Ihr  AVohnhaus 
war  in  Trastevere  am  Ponte  rotto,  wo  heute  die  geistlichen  Exercitien  der 
armem  Olasse  stattfinden.  Das  Institut  der  Oblate  wurde  gutgeheissen  von 
Eugen  IV.  im  Jahre  1437;  drei  Jahre  sp&ter  starb  Francesca  an  einer  Krank- 
heit die  sie  bei  der  Pflege  eines  ihrer  Sohne  ergriffen  hatte.  Audi  in  Va 
Feiice  bei  Capo  le  Gase  ist  eine  ihr  gewidmete  Kirche,  in  der  Hut  derTrini- 
tarier  (frati  del  riscatto),  einst  in  S.  Tommaso  auf  dem  Caelius.  Vgl.  Can- 
cellieri  Campane  112,  Mercato  158;  Belli,  Delle  case  abitate  in  Roma  da 
parecchi  uomini  illustri,  R.  1850,  70,  110.  Inschriften  auf  dem  Capitol  (s- 
miten)  und  in  der  Vorhalle  von  Sta  Maria  in  Trastevere. 

S.  69.  Ueber  Bemhardin  von  Siena,  Lebensbeschreibungen  des  Maffeo 
Vegio  u.  A.  in  den  Acta  Sanct  20.  Mai,  V.  L.  Maini,  Compendio  della 
vita  di  S.  Bemardino  da  Siena,  Modena  1855.  Manches  Detul  in  Gigli^ 
Diario  Sanese.  Die  volksthOmliche  Ansicht  von  seiner  Heiligkeit  spricht  siel) 
lebendig  aus  in  den  Worten  Paolos  di  Liello  Petrone  (s.  unten) ,  bei  der  Nach- 
richt von  seinem  in  Aquila  erfolgten  Tode. 

In  dem  aus  dem  Jahre  1430  stammenden  Buch  mit  Handzeichnungen  GU- 
como  Bellinis ,  nach  manchem  Besitzwechsel  (einst  bei  den  Soranzo  und  Conan)) 
heute  un  British  Museum,  sind  zwei  Blätter  mit  der  Abbildung  Fra  6e^la^ 
dinos  auf  tragbarer  Kanzel  predigend.  Bei  Cicogna,  lascrizioni  Veneiiane. 
VI.,  756  ff.  wo  auch  eine  ungenügende  Nachbildung. 

Ein  Nonnenkloster  S.  Bemardino  befand  sich  neben  Sant'  Urbano  a  Campo 
Carleo  beim  Eingang  der  Via  Alessandrina.  Seit  Clemens  VIE.  S.  Benardino 
a'  Monti  gegenüber  dem  Seiteneingang  von  Sant'  Agata  alla  Subuira  in  V» 
Magnanapoli ,  Franciscaner  -  Tertiarierinnen. 

S.  70.  Martins  V.  Monument,  welches  die  Stelle  eines  an  diesem  Platze 
befindlichen,  unter  colonnaschem  Juspatronat  stehenden  Altars  der  h.  Mar« 
Magd,  einnahm,  wurde  mich  der  Herstellung  des  Tabernakels  UrbansV.  un^ 
Erbauung  der  jetzigen  Confession  am  7.  Febr.  1853  in  letztere  versetzt  Zoo 
Erstaunen  der  Anwesenden  fand  man  unter  dem  Deckel  des  Grabmals  keiw 
Todtenlade,  sondern  nur  unter  dem  aus  unregelm&ssig  aneinandergefügt«^ 
Steinfragmenten  zusammengesetzten  Fussboden  ein  Skelett  ohne  iigeadeifi« 
Spur  von  päpstl.  oder  anderen  Ornamenten.  Da  man  vermuthete  diss  nun 
Martins  sterbliche  Reste  vor   sich  sehe  und  bei  einem  feindlichen  Üebfrfii'- 


Anmerkungen.  485 

vielleicht  bei  der  Plünderung  im  Jahre  1527,  eine  Spoliation  stattgefunden 
habe,  setzte  man  die  Gebeme  unter  dem  Monumente  bei.  Vergl.  Coppi, 
Memorie  Colonnesi  180  C,  wo  auch  die  von  Antonio  Loschi  in  Hezameteni 
abgefasste  Inschrift,  deren  Schluss  lautet: 

•Composuit  iustos  et  mundi  regna  redegit 
Et  virtute  sua  pacato  vixit  in  orbe.« 

S.  72.  P.  £ugen  IV.  Quellen  zum  Theil  wie  für  Martin  V.  Ueberdies 
Vespasiano  da  Bisticci,  Vite  dl  uomini  illustri  del  secolo  XV.  (herausg. 
von  Angelo  Mai  im  Spicilegium  romanum  1839,  neue  Ausg.  von  A.  Bar- 
te li,  Flor.  1859),  6  ff.  Neuere  Bearbeitungen  in  den  Vite  di  cinque  sommi 
Pontefici  Veneziani  tratte  dal  Sandini,  Ven.  1797,  und  in  der  Tiara  et  pur- 
pura  Veneta  von  A.  M.  Quirini  und  G.  A.  Gradenigo,  Brescia  1761.  — 
Verwandtschaft  der  Condulmer  mit  den  Correr  und  Barbo,  vgl.  Bd.  II.  S.  1214.  — 
S.  Giorgio  in  Alga.  J.  Ph.  Tommasini  (Bischof  von  Gemona),  Annales 
canonicorum  secularium  S.  Georgii  in  Alga,  Venedig  1642.  In  dessen  Werk 
fiber  die  venetiau.  Bibliotheken,  58,  finden  sich  Nachrichten  über  die  vormal. 
Bibliothek  des  Klosters.  Dieser  Bibliothek  schenkte  Cardinal  Antonio  Correr 
Neffe  P.  Gregors  Xn.  die  von  ihm  gesammelten  Handschriften.  (Vgl.  Marco 
Foscarini,  Dei  Veneziani  raccoglitori  di  codici,  im  Arch.  stör.  Ital.  V.,  255  ff) 

S.  76.  Die  romischen  Angelegenheiten  unter  Eugen  IV.  Stef.  Infessura, 
Diarium,  bei  Muratori  R.  I.  S-,  ID.;  Biondo  Flavio,  Hist  dec,  HI.; 
Paolo  di  Liello  Petrone  (de  lo  rione  di  Ponte),  Mesticanza  . . .  della 
cecita  de'  Romani,  R.  I.  S.,  XXIV.;  Pietro  Caffarelli,  Aufzeichnungen, 
1431 — 1434,  bei  Coppi,  Documenti,  324  —  327.  Ueberdies  die  florentin. 
Historiker  Poggio,    Sant'  Antonino  u.  A. 

S.  78.  Kaiser  Sigmunds  spätere  Jahre  und  das  Baseler  Concil.  Asch- 
bach,  Palack^,  Raumer,  Janssen  a.  a.  0.  (vgl.  Anm.  zu  Bd.  11.).  Ueber- 
dies: C.  Hof  1er,  die  Zeit  der  luxemburgischen  Kaiser,  Wien  1867,  168  ff. 
Die  Geschichte  der  hussitischen  Bewegung,  namentlich  soweit  der  kirchliche 
und  wissenschaftliche  Karakter  derselben  in  Betracht  kommt,  bat  durcb  Höfler 
eine  neue  Gestalt  gewonnen.  Quellen  der  Concilsgeschichte,  Gieseler,  §.  132, 
Hase,  §.244.  Vgl.  die  Autoren  über  Enea  Silvio  Piccolomini  und  Nicolaus 
von  Cusa. 

S.  86.  Cyriacus  Anconitanus.  Am  gründlichsten  beiTiraboscbi,  VI.,  1 . 
(Bd.  7),  263 — ^297,  wo  auch  die  Literatur.  L.  Mehus'  Ausg.  von  -Kyriaci 
Ancon.  Itinerarium«  (Flor.  1742)  nach  einer  Stoschschen  Hs.  bringt  einen  ganz 
verworrenen  Text  In  der  Vorrede,  XI. — LXXH.,  eine  Menge  brauchbarer 
Notizen.  Auch  im  Leben  des  Traversari.  Ueber  Ciriacos  Verhftltniss  zu 
Signorilis  Inscbriflensammlung:  G.  B.  de  Rossi,  Le  prime  raecolte  d'antiche 
iscrizioni  compilate  hi  Roma  tra  il  finire  del  secolo  XIV.  e  il  cominciare  del  XV. 
R.  1852  (aus  dem  Giomale  Arcad.  127.  128),  18  ff. 

S.  93.  Giovanni  Vitelleschi.  Erlass  Gregors  XI.  vom  17.  April  1377  an 
Gomez  d'Albomoz  und  die  Conservatoren  zu  Gunsten  des  -dilectus  filius  la^ 
cobus  Petri  Pandulphi  de  Vitellensibus  alias  Domine  Guide  nuncupatus  laicus 
Tuscanensis  diocesis«  und  seiner  Söhne,  bei  Tb  ein  er.  Cod.  dipl.,  11.,  No.  609. 
Karakterisüsch  für  Vitelleschi  ist  die  von  Neri  Capponi  (Cacdata  del  Conte 
di  Poppi,  bei  Muratori,  R.  I  Scr.  XVIII.,  1217  ff)  erzählte  Geschichte 
der  Veriiandlung  zwischen  P.  Eugen  FV.,  der  Republik  Florenz,  dem  Patiiar- 
chen  und  dem  Grafen  von  Poppi  inbetreff  der  kleinen  Stadt  Borgo  San  Se- 
polcro  im  obem  Tiberthal.  Eugen  IV.  hatte  1432  den  Borgo  dem  Niccolo 
Fortebracci  zu  Lehn   gegeben,   dieser  aber  sich  nachmals  gegen  den  Papst 


486  Amnerktuigen. 

gewandt.  Als  Fortebraccio  1435  starb,  besetzte  dessen  Scliwiegcnater  Fran- 
cesco de'  Conti  Guidi  da  BattifoUe  Graf  von  Poppi  den  Ort,  unter  dem  Vor- 
wand die  Mitgift  der  Wittwe,  seiner  Tochter,  sei  darauf  hypotheriit.  Die 
Republik  Florenz  erbot  sich  zur  Vermittlung  die  der  Papst  annahm ;  während- 
dessen bemäcluigte  sich  aber  Vitclleschi  mit  päpstlichen  Truppen  des  Borgo  uud 
mchrer  Castelle  der  Guidi  die  er  den  Florentinern  anbot,  unter  der  Bedingung 
dass  sie  dieselben  dem  Grafen  von  Poppi  nicht  wiedergeben  dürften.  Da  diese 
darauf  nicht  eingehn  wollten ,  drohte  er  die  Castelle  anzuzünden.  Nun  rieth 
der  Papst  selbst  der  Republik,  auf  Vitelleschis  Antrag  einzugehn:  von  der  Be- 
dingung werde  er  sie  losen,  denn  die  Sache  gehe  ihn  an,  nicht  den  Patriar- 
chen. So  standen  der  Papst  und  der  Patriarch  damals  schon  zu  einander. 
Die  Florentiner  wurden  in  Besitz  der  Ortschaften  gesetzt;  Eugen  IV.  verpfän- 
dete ihnen  nachmals  Borgo  San  Sepolcro  für  funfundzwanzigtausend  Goldgulden 
(Act  vom  29.  Febr.  1441,  Theiner,  Cod.  dipl.,  lU.  No.  294;  Rcpciii. 
Dizion.  della  Toscana,  V.,  121)  und  der  Ort  blieb  toscanisch.  Die  andereii 
Castelle  kamen  wieder  in  den  Besitz  des  Grafen  von  Poppi,  der  sich  dann  in 
das  Bündniss  mit  dem  Visconti  einliess  welches  ihn  um  seinen  kleinen  Stait 
brachte.    (S.  unten  Anm.  zu  S.  104.) 

Ein  ausftihrliches  Schreiben  Alfons'  von  Aragon  über  einen  von  Vitellesehi 
gegen  ihn  versuchten  Ueberfall,  Gaeta  16.  Jan.  1438  (Arch.  stör.  Ital.,  IV.. 
465  flf.)  bezeichnet  den  päpstlichen  Günstling  so:  »Johannes  Yoltelliscus.  qui 
Patriarcham,  qui  Cardinalem,  qui  Legatum  Summi  Pontificis  se  nominat,  simu- 
latione  induciarum  et  pacis  amator  belli  inventus  est,  pacis  inimicus,  hostis 
fidei  et  iustitiae  magis  quam  nostri  adversarius,  nee  tam  nostrae  dignitatis 
quam  suae  proditor,  ut  haec  tanta  nomina  tantosque  ac  tot  titulos  ostenderit 
non  omamento  sibi  esse,  sed  turpitudini  atque  infamiae,  nee  ab  Ulis  se  ho- 
nestari  sed  ab  se  maxime  illa  dehonestari.«  —  Capitolin.  Decret  wegen  Errich- 
tujig  einer  Marmorstatue  («loanni  Vitellescho  patriarchae  Alexandrino  tertio  a 
Romulo  Romanae  Vrbis  parenti«)  und  Ertheilung  des  röm.  Bürgerrechts  »k 
die  Cometaner:  »sint  Cometani  omnes  de  cetero  illius  nieritis  Romani  cives». 
bei  Coppi,  Docum.  stör,  del  M.  E.,  328,  vgl.  Ciacconius,  IL,  900,  wo 
auch  die  Aussprüche  späterer  Päpste ,  Sixtus*  IV. ,  Julius*  11.  u.  a.  über  Vitcl- 
leschi. Dessen  Monument  im  Dome  zu  Conieto  mit  der  Inschrift:  •Reverendissiroo 
Domino  —  loanni  de  Vitelleschis  de  Conieto  —  Patriarchae  Alexandrino  — 
Card.  Florentino  —  Bartholomaeus  episcopus  Cometanus  —  Nepos  —  ifl 
posteritatis  memoriam.« 

Bartolommeo  Vitelleschi  Bischof  von  Cometo  und  Montefiascone ,  welcher 
das  Monument  errichten  Hess ,  floh  nach  des  Oheims  Ende  zu  Felix  V.  von 
dem  er  die  Cardinalswürde  annahm.  Nach  Eugens  IV.  Tode  unterwarf  er  sifb 
Nicolaus  V. ,  der  ihm  s.  Bischofsitz  wiedergab  aber  den  Cardinalat  nicht  be- 
stätigte. Er  starb  auf  der  Rückkehr  von  emer  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem  m 
Modon  1463  und  liegt  zu  Füssen  seines  Ohms  begraben.  (Ciacconius  U.,  M) 
Der  unvollendete  prächtige  Palast  Vitelleschi  in  Cometo  kam  später  an  dif 
Soderini  und  ist  heute  sehr  veifallen. 

Gio.  Cavalcanti  (s.  Anm.  zu  S.  100)  eraälilt  die  Geschichte  Bcmar- 
dettos  de*  Medici,  der,  zum  Gesandten  bei  Alfons  von  Aragon  bestimrai. 
einen  Geleitsbrief  des  Patriarchen  erlangte  und  doch  bei  seiner  Ankunft  iß 
Rom  in  der  Engelsburg  gefangengehalten  wurde,  worauf  die  Florentiner  in 
des  Papstes  Gegenwart  Repressalien  übten.    (IL,  212 — 214.) 

S.  94.  Die  Genealogie  der  Präfecten  von  Vico  ist  in  ihren  Hauptpcreonca 
folgende : 


Anmerkungen.  487 

Pietro 
(Zeit  der  letzten  SUufer)  f  1268. 

I 
Manfred 

(Zeit  Heinrichs  Vü.). 


I  I 

Giovanni  Faziolo  (natürlich), 

Herr  von  Viterbo  1338  Herr  von  Viterbo,  f  1338. 

(Zeit  Rieuzis  und  Albomoz'). 

I 

Francesco, 
t  Viterbo  1387. 


Giovaiuii  Sciaira. 

Giacomo, 
-[•  Soriano  1435. 

Die  Präfecten  theilten  sich  in  mehre  Zweige  denen  zeitweilig  Cometo, 
Bracciano,  andere  Orte  gehörten. 

S.  99.  Antonio  de  Rido.  Verleihung  von  S.  Pietro  in  formis  (Campo- 
morto)  durch  Eugen  IV.  1445  auf  drei  Generationen  gegen  Lehnzins  von  zwei 
Pfund  Wachs,  Bull.  Vat,  H.,  105.  Bestätigung  durch  Nicolaus  V.,  1457, 
ib.  110.  Verkauf  an  das  Kapitel  von  St.  Peter  1458  für  neuntausend  Gold- 
gulden, päpstl.  Bestätigung  ib.  117,  Ennächtigung  des  Kapitels  zum  Verkauf 
anderweit.  Besitzes  zum  Behuf  der  Zahlung,  ib.  129.  Vgl.  Nibby,  Analisi 
I.,  365.  —  Rido  hatte  ein  Haus  in  Florenz  in  Parione,  ehemals  den  Ardinghelli 
gehörig,  welches  von  der  Republik  an  Card.  Scarampi,  von  ihm  dem  Castellan 
geschenkt  worden  war.  Vgl.  Due  Legazioni  al  Somnio  Pontefice  per  il  Comune 
di  Firenze  presedute  da  Sant' Antonino  arcivescovo  (lierausg.  von  C.  Guasti), 
Flor.  1857,  39,  40. 

S.  100.  Rinaldos  degli  Albizzi  Worte  an  Eugen  IV.:  »0  Eugenio  sommo 
pontefice,  io  non  mi  meraviglio  di  questa  mia  rovina;  ma  io  mi  dolgo  bene  di 
me  medcsimo  di  fidarmi  sotto  le  tante  promesse  di  chi  e  stato  insufBciente  ad 
aiutare  se  medesimo:  conciossiacosache  chi  e  impotente  per  se,  mai  non  fio 
potente  per  altrui.  Io  dovevo  conoscere  che  le  tante  parole  di  Messer  Giovanni 
Vitelleschi  crano  esche  e  lacci  a  cavarmi  Tarmi  di  mano.«  Gio.  Cavalcanti, 
Istorie  fiorentine  1.  X.  Ausg.  von  F.  Polidori,  Flor.  1838,  L,  608.  — 
Rinaldo  war  im  Jahi'e  1432  Senator  von  Rom  gewesen;  die  Ernennung  ist 
vom  27.  Januar  gedachten  Jahres.  Er  nennt  sich  »Raynaldus  de  Albicis  de 
Florentia  miles  et  Comes  palatinus,  Dei  gratia  Almae  Urbis  Senator«.  Für 
die  Geschichte  des  langen  Aufenthalts  Eugens  IV.  in  Florenz ,  eine  Zeit  des 
eonfuscstcn  und  widerwärtigsten ,  kleinlichsten  und  gewissenlosesten  politischen 
und  Parteitreibens,  sind  besonders  wichtig  die  gleichzeitigen  florentinischen 
Historiker,  vor  allen  der  erwähnte  Gio.  Cavalcanti,  dessen  Geschichten  ein 
merkwürdiges  wenngleich  nicht  gerade  erquickliches  Product  sind  (vgl.  Ger- 
viiius,  Gesch.  der  florentiu.  Historiographie',  73  ff.)  und  die  Commentarien 
Ncri  Capponis  bei  Muratori,  R.  I.  Scr.  XVHL,  1175  ff.  (vgl.  Gervi- 
iius  71).  Das  Thatsächliche  bei  Scipione  Ammirato,  Buch  XX — XXII., 
Machiavellis  flor.  Gesch.  für  diese  Epoche  ohne  eigenth.  Bedeutung.  Mit  der 
Zeit  Eugens  IV.  beginnen  die  bis  zum  Tode  Lorenzos  des  Erlauchten  reichenden 
Florentuiae  Historiae  Giovanni  MichelcBrutos,  geb.  zu  Venedig  um  1 515, 


488  Anmerkungen. 

lange  in  Teutschland,  Polen  u.  s.  w.,  um  1594  in  Siebenbürgen  gestorben 
(Lyon  1562,  mit  ital.  Uebers.  von  StanislaoGatteschi,  Flor.  1838).  Nicht 
ohne  Talent  noch  Werth,  wenngleich  ein  Nachklang  der  rhetorischen  Ge- 
schichtschreibung der  Humanistenschule,  in  der  antipäpstlichen  Gesinnung  (na- 
mentlich in  Bezug  auf  Sixtus  IV.)  und  in  der  Abneigung  gegen  die  mediceische 
Pailei  gleichsam  ein  Opus  posthummn. 

Die  Rriegsereignisse  übersichtlich  bei  Ricotti,  Compaguie  di  Ventura, 
III.,  47  ff.  Papst  Eugens  Streitmacht,  ebds.  418.  Ueber  Baidassar  d'Offidt 
Castellan  der  Engelsburg  und  Senator  von  Rom  (oben  S.  92,  93),  -cattivo 
soldato,  peggior  comigliero« ,  ebds.  61  ff.  —  Für  die  Geschichte  des  Cou- 
dottierenwesens  kommen  im  fünfzehnten  Jahrh.  neben  E.  Ricottis  Buch 
namentlich  A.  Fabrettis  Capitani  venturieri  dell*  Umbria,  Montepulciaito 
1842 — 1846,  in  Betracht,  welche  füi*  diese  Zeit  im  I. — DI.  Bande  die  Bio- 
gi*aphien  Braccios  da  Montone ,  Niccolo  Piccininos  und  ihrer  Angehörigen  und 
Zöglinge  bringen.  Das  Sinken  der  Bedeutung  wie  des  Glucks  der  Condot- 
tieren  zeigt  namentlich  die  Geschichte  des  im  Jahre  1465 ,  der  allgemeinen  An- 
nahme zufolge  auf  Veranstaltung  König  Ferrantes ,  in  Neapel  ermordeten  Ja- 
copo  Piccinino,  über  welchen  G.  Canestrini  in  den  Documenti  per  senire 
alla  storia  della  milizia  Italiana  interessante  Doeumente  beigebracht  hat. 

S.  102.  Capitoli  stabiliti  in  Bologna  dai  rappresentanti  del  Papa  e  del 
Marchese  d*Este  per  Tottavo  Concilio  ecumenico,  mitgetheilt  von  N.  L.  Citta- 
della  in  den  Atti  e  Memorie  della  R.  Deputazione  di  storia  patHa  per  le 
prov.  di  Romagna,  11.,  189—198  (Bol.  1866). 

S.  103.  Unionsdecret  für  die  lateinische  und  die  griechische  Kirche,  la- 
teinischer und  griechischer  Text  nach  dem  laurentianischen  Exemplar,  mh 
historisch -kritischen  Bemerkungen  von  Carlo  Milanesi,  im  Giomde  storico 
dcgli  Archivi  toscani,  I.  (Flor.  1857),  196—225. 

S.  103.  Kaiser  Sigmimds  Todestag  ist  ungewiss.  Manche  haben  den  7.. 
9.,  11.  December.  Vgl.  Aschbach  a.  a.  0.,  IV.,  396,  Hof  1er,  luxemburg. 
Kaiser,  212. 

S.  104.  Lodovico  Scarampi  Mezzarota.  Vgl.  Ciacconius,  II.,  919  C 
Bei  Gio.  Cavalcanti  (in  den  Fragmenten  seiner  Geschichte  von  1441—1447. 
a.  a.  0.  n.,  225):  »(Eugenio)  prcstamente  chiamo  maestro  Luigi,  il  quäle,  di 
medico  non  molto  negli  studi  della  medicina  reputato ,  aveva  fatto  patriarca . . . 
II  medico  spesse  volte  uccide  gli  uomini . . .  e  ora,  per  la  papale  chiamata.  il 
fece  pubblico  ucciditore . . .  A  questo  patriarca  Eugenio  commise  la  gente  del- 
Tarme ,  e  balia  che  della  guerra  facesse  quanto  gli  pare ,  e  il  volere  stesse  a  lui. 
A  voi ,  lettori ,  dico  questo ,  che  voi  siate  ammaestrati ,  dove  voi  avretc  a  eleg- 
gcre  uomo  a  govemamento  di  popoli,  desideratclo  piuttosto  valente 
che  Santo.«  An  dem  Tage  bei  Anghiaii  (vgl.  oben  S.  104)  befehligte  Sca- 
rampi mit  dem  Condottiere  Simonetta  die  den. rechten  Flügel  des  florent.  Heere? 
bildenden  päpstlichen  Truppen,  dreitausendfünfhundert  Mann,  meist  Reiterei 
Es  ist  die  Schlacht  mit  deren  Darstellung  Leonardo  da  Vinci  den  grossen  Saal 
des  Priorcnpalastes  schmücken  sollte ^  und  von  welcher  Machiavelli,  der 
Gegner  des  Condottierenwesens ,  erzählt  es  sei  ein  Mann  darin  lungekominei!. 
was  freilich  mit  Biondo  Flavio  nicht  stimmt.  Die  letzte  grosse  Schilderbe- 
bung  der  toscanischen  Gibellinen ,  und  in  diesem  Betracht  nicht  ohne  historiseht' 
Bedeutimg,  abgesehn  vom  militärischen  Erfolge.  Die  Niederlage  von  Anghiaa 
welche  den  Hoffiiungen  der  Albizzi  ein  Ende  machte  (Rinaldo  pilgerte  zum  b. 
Grabe  und  starb  dann  in  Ancona  1452),  führte  auch  den  Sturz  der  Goldi 
herbei,   indem   die   Florentiner   nun   Herren   des   ganzen   Casentino   wuideo. 


Anmerkungen.  489 

Interessant  ist  die  Schildei-ung  der  Ausweisung  Francescos  de'  Guidi  in  Neri 
Capponis  Cacciata  del  Conte  di  Poppi.  »Wir  schlugen,  so  erzahlt  Neri, 
Commissar  der  Republik,  zwei  Lager  vor  Poppi  auf,  das  ehie  bei  Fronzole, 
das  andere  auf  der  Ebne  von  Certomondo  (wo  einst  Dante  im  Guelfenheere 
gefochten  hatte).  Da  es  dem  Grafen  an  Proviant  mangelte,  musste  er  capitu- 
liren.  So  stieg  er  herunter  und  wir  trafen  auf  der  Aniobrücke  zusammen. 
Das  erste  was  er  sagte  war:  Ist  es  möglich  dass  eure  Signoreii  mir  dies  Haus 
nicht  gönnen  wollen,  welches  neun  Jahrhunderte  lang  unser  war?  Aber  thuet 
was  ihr  thun  wollt  Ich  erwiederte:  Schlagt  euch  das  aus  dem  Sinn.  Bir 
habt  euch  nicht  so  benommen  dass  meine  Signoren  euch  zum  Nachbar  haben 
wollen.  Sie  hätten  nichts  dagegen  dass  ihr  ein  grosser  Herr  in  Teutschland 
würdet.  Drauf  er  zornig:  Ich  wünschte  euch  noch  weiter  weg!  Dies  nothigte 
mir  ein  Lächeln  ab.-  Das  Ende  war  dass  Francesco  de'  Guidi  am  29.  Juli 
1440  alles  abtrat  und  mit  Kuidem  und  Habe  abzog.  Das  Castell  der  alten 
Grafen,  ein  Bau  der  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  welcher  an  den  flor. 
Pal.  del  Podesta  und  den  der  Siguorie  erinnert,  gleich  so  manchen  Dynasteu- 
burgen  nachmals  Gefangniss,  blickt  unvergleichlich  malerisch  mit  hohem  Thurme 
von  dem  das  Städtchen  ti-ageiiden  Hügel  ius  Amothal  (Casentino)  hmab. 

Weshalb  G.  Voigt  (Enea  Silvio  Piccolomini,  HL,  507)  Scarampi  so  »un- 
heimlich« und  als  »bösen  Geist«  schildert,  weiss  ich  nicht.  Der  Cardinal  war 
ehi  durchaus  weltlichgesiimter  Mann,  aber  das  waren  Viele.  P.  Pauls  H.  Ab- 
neigung zeigte  sich  auch  nach  Scarampis  in  seinem  63.  Lebensjalire  erfolgten  Tode 
(22.  März  1465),  indem  er  dessen  Testament  umstiess  und  die  beiden  Erben 
denen  der  Cardinal  seinen  Namen  gegeben ,  einsperren  liess ,  bis  sie  den  grossem 
Theil  des  immensen  Nachlasses  abtraten.  Lodovico  Scarampi  wurde  in  S. 
Lorenzo  in  Damaso  begraben,  wo  ihm  erst  im  Jahre  1505  der  päpstliche 
Schatzmeister  Enrico  Hunis  Erzbischof  von  Tarent  ein  Denkmal  errichtete. 
Grabschrift  bei  Ciacconius  a.  a.  0. 

S .  105.  Eugens  IV.  Abreise  von  Florenz.  Scipione  Ammirato,  Ist. 
Fiorent,  H.,  37.  L.  Passerini,  Baldaccio  da  Anghiari,  im  Arch.  stör.  Ital., 
III.  S.  m. ,  2. 130  ff.     Vespasianoim  Leben  Eugens  und  Giannozzo  Manettis. 

S.  110.  Nicolaus  V.  Giannozzo  Manetti  bei  Muratori  R.  I.  Sci'.HL, 
2,905 — 960;  Vespasiano  daBisticci,  20 — 48;  Dom.  Giorgi,  Vita  Nicolai 
V.  P.  M.  R.  1742. 

S.  111,  112.  Niccolo  Albergati  liegt  in  der  Certosa  von  Montaguto  bei 
Florenz,  dem  stolzen  und  malerischen,  mit  schönsten  Kunstwerken  geschmück- 
ten, nun  auch  der  Verödung  oder  dem  Ruin  preisgegebenen  Bau  des  Gross- 
seneschals  Niccolo  Acciajuoli  (s.  unten  Anm.  zu  S.  291)  begraben.  Von  den 
drei  zu  verschiedenen  Zeiten  ihm  gesetzten  Inschriften  wird  die  folgende 
Papst  Nicolaus  V.  zugeschrieben : 

Carthusiae  me  terra  tegit  quae  sumpsit  alumnum 

Ac  dedit  esse  patrem;  nativa  Bononia  tandem 

Me  sibi  pastorem  tenuit  de  iure  vocatum. 

Cardinis  Ecclesiae  compulsus  pondera  sumpsi 

Et  Crucis  in  titulo  mihi  fulsit  rubra  tiara. 

Mille  quater  centum  denos  quater  egerat  annos, 

Tres  etiam  ciclus  solaris,  dum  Nicolaus 

Mente  petens  coelum  sub  saxo  corpore  claudor. 
Vgl.  D.  Moreni,  Notizie  istoriche  dei  coniomi  di  Firenze,  VI.  (Flor.  1792), 
123,  176,  177.    Man  sieht  Albergatis  Bildniss  in  den  schönen  von  Bemardino 
Poccetti  ausgeführten  Fresken  der  Kirche. 


490  Aiiinerkuiigeii. 

Iii  der  Grabkapelle  der  Acciajuoli  in  der  Certosa  sieht  man  das  prächtige 
Marmordenknial  mit  liegender  Gestalt  in  halberhabener  Arbeit  des  in  der  Ge- 
schichte des  Schismas  oftgenamiten  Cardinais  Angelo  Acciajuoli,  geb.  umlSaO, 
vormal.  Bischofs  von  Florenz,  gest  in  Pisa  1409  als  Decan  des  h.  Collegioms. 
(Moreni,  VI.,  142,  Litta  fam.  Acciajuoli  5.)  Sein  Bruder  Neri,  durch 
den  Grossseueschal  nach  Neapel  gezogen,  erhielt  1392  von  König  Ladislaus 
die  Belehnung  mit  Athen  und  Theben,  eine  Herrschaft  in  welcher  ihm  erst 
sem  natürlicher  Sohn  Antonio,  dann  Neri  Enkel  seines  altem  Bruders  Donato 
folgte,  die  letzte  fränkische  Herzogslmie  in  Athen  die  im  Jahre  1463  durch 
Erwürgung  des  Fürsten  Franco  II.  ein  Ende  nalun,  nachdem  sie  der  türki- 
schen Gewalt  durch  christlichen  Hader  die  Wege  geebnet  hatte.  Dieser  letzte 
Heraog  von  Athen  kämpfte  im  türkischen  Heere  gegen  Leonardo  Tocco  Despo- 
ten von  Arta.  (Vgl.  S.  148.)  Vgl.  Litta  a.  a.0.,  C.  Hopf  und  die  übrigen 
Historiker  Griechenlands  im  Mittelalter. 

S.  122.  Leon  Batista  Albertis  Commentar,  De  coniuratione  Forcaria, 
bei  Muratori,  R.  L  Script.  XXV.,  293  ff.  Nachrichten  über  Stefano  Por- 
cari  und  seine  Verschworung  zusammengestellt  bei  Giorgi  a.  a.  0.,  Stef. 
Infessura,  Diarium,  Vespasiano  un  Leben  Nie.  V.  —  Brief  in  der  Bibl. 
zu  Nimes,  vom  13.  Jan.  1453,  gedruckt  von  A.  Germain  1843,  wiedcrabgi'- 
druckt  bei  Christophe,  Histoire  de  la  papaute  peudant  le  XV.  siecle,  U 
495 — 498.  Ambrogio  Traversaris  Schreiben  bei  Mehus,  XXTV.,  26,  27.  Der 
römische  Poet  Orazio,  Uebersetzer  des  Homer,  schrieb  eine  »Porcaria«.  Uebor 
die  Familie:  C.  Massimo,  Medaglia  di  Fr.  Massimo,  10,  wo  auch  die  beute 
in  Villa  PamüH  befindliche  Inschrift  des  Hauses: 

nie  ego  sum  nostrae  sobolis  Cato  Portius  auctor 
Nobile  quod  nonien  os  dedit  anna  toga. 

S.  125.  Eroberung  von  Constaiitinopel.  NiccoloBarbaro,  Giomale  de]- 
l'Assedio  di  Costautinopoli  1453  ed.  E.  Cornet,  Wien  1856;  A.  D.  Mordt- 
mann,  Belagerung  und  Eroberung  Constantinopels,  Stuttg.  1857.  Vgl.  An»h. 
stör.  Ital. ,  N.  S.  VUI.  ,2,1 27  ff.  LodovicoSauli,  Della  colonia  dei  Genovesi 
a  Galata,  Turin  1831,  ist  ein  werthvoller  Beitrag  zu  der  Geschichte  der  letzten 
Zeiten  des  griech.  Reiches,  auf  welche  hier  nur  im  Vorbeigehn  hingedeutet 
werden  kann. 

S.  127.    CalixtusIU.    Bartol.  Piatina,  bei  Muratori  a.  a.  0.,  %l-96*5. 

Die  Genealogie  der  Borgia  (Borja)  und  Lenzoli  Borgia  folgt  bei  den  Stamm- 
tafeln. 

S.  129.  Pius  II.  G.  Voigt,  die  Briefe  des  Aeueas  Sylvius  vor  s.  Er- 
hebung auf  den  päpstl.  Stuhl  chronologisch  geordnet,  im  Archiv  f.  d.  £auide 
Ostreich.  Geschichtsq. ,  XVI.  (Wien  1856).  J.  Gobellinus,  Commentarii rerum 
memorabilium  etc.  (von  Pius  selbst  verfasst),  Frankf.  1619,  und  in  Aeocae 
Sylvii  Opera  omnia.  Heimst.  1699,  Frankf.  1707;  Gio.  Ant.  Campano  Biseh. 
von  Teramo,  Vita  Pii  U.,  in  C*s.  Werken,  zuerst  Ven.  und  R.  1495  u.  s.  w.i 
Unter  den  neueren  Werken  über  den  berühmten  Sieuesen  vornehmlich  G.Voigt, 
Enea  Silvio  de'  Piccolomiui,  als  Papst  Pius  IL,  und  s.  Zeitalter,  Berl.  l^J^ 
— 1863.  Ein  flcissigcs  und  in  einzelnen  Theilen  ziemlich  erschöpfendes  Werk, 
das  namentlich  die  teutsclien  kirchlichen  Verhältnisse  vom  Beginn  des  bascler 
Concils  an  mit  grosser  Klarheit  und  Anschaulichkeit  entwickelt.  Jemehr 
dies  anzuerkennen  ist,  umso  aufrichtiger  ist  mein  Bedauern,  dass  ein  in 
Bezug  auf  Forschung  imd  Darstellmig  gleich  tüchtiges  Buch  durch  eine  dem 
Helden  desselben  abgeneigte,  selbst  bis  zu  entschiedener  Feindseli^eit  ge- 
steigerte Gcsinnimg  entstellt  ist.    Man  würde  versucht  sein,  Unkenntniss  der 


Aiunerkungen. 


491 


Italien.  Zustände  im  fönfzehnten  Jahrh.  (abgesehn  von  der  völlig  mangelhaften 
Localkunde)  habe  den  Verf.  zu  falscher  Auffiissung  verleitet,  zeigte  nicht  ein 
anderes  s.  Werke  dass  er  den  Geist  dieser  Zeit  richtig  erkannt  hat.  Man 
ma^  an  £nea  Silvios  Jugendleben  manches  auszusetzen  finden,  man  mag  sein 
Abgehn  von  der  auf  dem  baseler  Coucil  eingeschlagenen  Richtung  in  anderm 
Lichte  als  in  dem  seiner  Retractationen  anschauen ,  man  mag  endlich  über  seine 
Thätigkeit  in  Bezug  auf  die  teutschen  Kirchenangelegenheiten,  besonders  wenn 
man  auf  die  späteren  Folgen  blickt,  nicht  lobend  urtheilen:  alles  dies  be- 
rechtigt nicht  zu  der  maasslosen  Härte  welche  selbst  des  Hohns  nicht  spait. 
Ausdrücke  wie  Lascivität,  kupplerisch,  lügnerisch,  gewissenlos,  lüderlich,  ent- 
larvter Apostat,  eitler  Abenteurer,  Heuchler,  Spion  und  ähnliche,  von  gerin- 
gerem nicht  zu  reden  da  eine  solche  Blumenlese  unerfreulich  genug  ist,  auf 
Knea  Silvio  angewandt,  sind  des  Gegenstands  und  des  Autors  in  vollem 
Maasse  unwürdig.  Kaum  würdiger  ist  das  Herabziehn  der  Motive  des  Kreuzzugs. 

S.  180.    Genealogie  der  Piccolomini  von  der  Linie  Papst  Pius'  II. 

Silvio  Piccolomini  ==»  Vittoria  Forteguerri. 


Enea  Silvio 

Laudomia 

Costanza 

P.  PiusU. 

^ 

SS 

Nanni  Todeschini 

Bartolommeo 

von  Sarteano. 

Guglielmi. 

1 
Francesco                Antonio 

Giacomo, 

Andrea, 

Antonia 

Todeschini            Piccolomini 

Herren 

Herren 

sss 

Piccolomini            d'Aragona, 

von 

von 

Bai*t  Pieri 

P. PiuslII.            Herzog  von 

Camp  - 

Casti- 

durch  Pius  U. 

Amalfi  1461, 

orsevoli, 

glionc 

Pieri  Piccolomini, 

Graf  von  Celano 

Herzoge 

della 

Linie    Ottavios 

=  L  Maria  d'Aragoua        von 

Pescaja 

kais.  Feldmarsch. 

2.  Maria  Marzano, 

Monte 

und  Insel 

Fürsten 

Herzoge  von 

Marciano, 

Giglio, 

d.  h.  r.  R.  und 

A  m  a  1  f  i , 

erloschen  1591 

erloschen 

von  Nachod, 

erloschen  1566, 

in  Alfonso 

im 

Herz,  von  Amalfi. 

Fürsten  von 

Piccolomini, 

16.  Jahrh. 

Erloschen  1758. 

Valle, 

in  Florenz 

erloschen  1783 

gehangen. 

(Erben  1765  der  Reichswürdc 

und  von  Nachod) 

Marchesi  von  Deliceto, 

erloschen  im  17.  Jahrh midert 

k« 

Antonio  Todeschini  Piccolomini  erlangte  durch  Beschluss  der  Republik 
Siena  nach  Pius'  II.  Thronbesteigung  Antheil  an  der  Vei-waltung  in  seiner 
Vaterstadt,  wurde  Castellan  der  Eugelsburg,  1459  nach  der  Belehnung  König 
Fcrraiites  Gross -Justitiar  des  Königreichs  Neapel  und  mit  dessen  natürlicher 
Tochter  Maria  d*Aragona  (-t*  1460)  verlobt,  dann  Herzog  von  Amalfi  ungeachtet 
des  Widerspruchs  der  Stadt  welche  nicht  als  Lehn  vergeben  werden  zu  können 
behauptete.  (Hierüber  und  über  Amalfis  spätere  Loskaufung  und  Wieder- 
vcrleihuugan  eine  andere  piccolominische  Linie  s.  M.  Camera  Storia  d Amalfi.) 
Ini  Jahre  U63  erhielt  Antonio  vom  Papste  als  Lehn  Scnigallia  und  Mondavio, 
ivelche  Sixtus  IV.  ihm  nahm  um  sie  den  Della  Rovere  zu  geben.  Antonio  nach 
Pius'  U.  Tode  ui  Neapel ,  1484  Graf  von  Celano  und  Marchese  von  Capistrano. 


492  Anmerkungen. 

Giacomo  erhielt  1463  Montem&rciano  in  der  Mark  Ancona  und  Camponevoli 
in  der  Diocese  Chiusi,  einst  Besitz  der  GiTifen  von  Corvara,  welches  später  u 
die  florentin.  Familie  Giugiü  kam.  Von  dem  Letzten  seines  Stammes,  dem 
Banditenhäuptling  Alfonso,  wird  in  der  Geschichte  des  zu  Ende  gehendeB 
sechzehnten  Jahrhunderts  die  Rede  sem.  Andrea  erhielt  von  König  Ferrante 
Castiglione  della  Pescaja  in  der  toscan.  Maremma  und  die  Insel  Giglio  welche 
Alfons  von  Aragon  im  Jahre  1448  den  Florentinern  weggenommen  hatte  und 
welche  durch  seine  Enkelin  Silvia  an  die  Linie  von  Amalfi  kamen ,  von  welcher 
Grossherzog  Cosmus  I.  von  Toscana  sie  kaufte.  Die  Tochter  dieser  Silvia  und 
Inigo  Piccolominis  von  Amalfi,  Costanza,  war  es  welche  im  Jahre  1582  den 
Palast  an  Piazza  di  Siena  in  Rom  den  Theatinem  schenkte  die  hier  Kirche 
und  Kloster  Sant'  Andrea  della  Valle  bauten.  Vgl.  G.  Gigli,  Diario  Sanese, 
Lucca  1723,  L,  427  ff.,  Litta,  Farn.  cel.  Italiane. 

S.  136.  Sienesische  Gesandtschaften  an  Pius  11.  vom  14.  Dec.  1458  und 
31.  Jan.  1459,  -in:  Istruzioni  ad  Ambasciatori  Senesi  pubbl.  da  Luciano  BanchL 
Siena  1863,  61,  69.  Florentinische  Gesandtschaft  28.  Sept.  1458  in:  Due  Le- 
gazioui  ec.  presedute  da  Sant'  Antonino,  43  ff.,  wo  auch  die  Legation  an  Ca- 
lixtus  ni.  von  1455. 

S.  138.  lieber  Pius  11.  im  Verhältniss  zu  Albrecht  Achill  und  dessen  Ge- 
schichte vgl.  Riedel  im  Monatsbericht  der  k.  preuss.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, 1867,  549 — 571,  wo  die  Schwächen  der  piccolominischen  Historio- 
graphie in  Bezug  auf  Teutschland  nachgewiesen  werden.  Muss  die  Begründung 
des  Vorwurfs  der  Ungenauigkeit  in  der  Schilderung  der  Fehden  des  Mark- 
grafen mit  der  Stadt  Nürnberg  zugegeben  werden,  so  fragt  sich  doch,  ob 
davon  auf  Enea  Silvios  Unglaubwürdigkeit  in  der  Darstellung  unendlich  wich- 
tigerer zeitgenossischer  Dinge  ein  Schluss  gezogen  werden  darf,  wie  auch 
ob  es  bei  manchen  anderen  Historikern  einer  Zeit,  welche  auf  die  Form  so 
grossen  Werth  legte  wie  das  Quattrocento,  in  Bezug  auf  Genauigkeit  des  De- 
tails besser  steht. 

S.  140.  Everso  von  Aiiguillara.  Jac.  Amman ati  (Card.  Papien.),  Renun 
suo  tempore  gestarum  commentarii,  Frankf  1614.  CamilloMassimo,  Cenni 
stör,  sulla  Torre  Anguillara,  12  ff.  Das  Erbbegräbniss  der  Grafen  von  An- 
guillara  ist  in  S.  Francesco  a  ripa.  Eversos  leider  unvollständige  Grabschrift 
in  Sta  Maria  maggiore,  bei  der  Erneuerung  des  Fussbodens  durch  Benedict  XTV. 
verschwunden  (Massimo  a.  a.  O. ,  15),  heisst  wie  folgt: 

Hie  Eversus  obit  vinci  qui  nescius  armis 
Compulit  hostiles  vertere  terga  manus 

Pace  bonus  frugi  et  condere  moenia  muris 
Oppida  turritis  qualia  multa  vides 

Romano  si  quae 

.    .    .    vetustis  cedere  nostra  negat 

Iure  i^tur  lacniinas  rapto  libamus  Everso 

opem. 

Obiit  anno  Domini  MCCCCLXIV.  die  HE.  Septcmbris. 
Man  sah  den  mächtigen  Baron  auf  dem  Grabstein  in  voller  Rüstung,  das  Haupt 
mit  dem  senatorischen  Barett  bedeckt,  auf  dem  Rissen  zu  beiden  Seiten  das 
Familienwappen  mit  Helm  und  Helmschmuck  des  halben  Ebers  mit  zwei  Alles 
im  Maul.  Das  Wappen  mit  der  Insclirift:  Everso  secundo,  in  der  Wand  des 
lateranischen  Spitals,  bei  dem  Neubau  um  1650  wiedereingemaaert  mit  dem 
Zusatz:  »Hoc  insigne  repertum  afBxum  mnro  veteri  dd.  custodes  muro  nov« 
eodem  in  loco  afBgi  mandarunt« 


Anmericungen.  493 

S.  145.  Dia  Geschicke  der  letzten  .Palaeologen  bei  Ducange,  Familiae 
auguatae  byzanliiiae,  Pius'II.  Commentarien ,  Fallmerayer,  Geschichte  Mo- 
reaa,IL,  334—409. 

Unter  den  Fresken  im  Hospiz  von  Sto  Spirito  sieht  man  auch  die  auf  die 
Palaeologen  und  auf  den  Despoten  von  Arta  (S.  148)  bezügliche  Darstellung  mit 
folgender  Inschrift: 

Andream  (?)  Palaeologum  Peloponnesi 

Et  Leonardum  Toccum  Epyri  dynastia 

A  Turcarum  tyranno  exutos 

Regio  sumptu  aluit 

Sophiam  Thomae  Palaeologi  filiam 

Ruthenorum  duci  uuptam 

Cum  aliis  muneribus 

Tum  sex  mille  aureorum  dote  auxit. 

S.  146.  Charlotte  Lusignan.  Pius'  U.  Commentarien ,  175  ff.,  Litta, 
Duchi  di  Savoia,  X.,  Adinolfi,  Portica  di  S.  t^ietro ,  96  ff.,  Dionisi,  Grotte 
vaticane,  Taf.  38.  —  Caterina  Konigin  von  Bosnien.  Ducange,  Historia  by- 
zantina,  Par.  1680,  313,  P.  Casimiro,  Mem.  d'Araceli,  147,  Ciacconius, 
IIL,  41,  Adinolfi,  102  ff.  —  Im  Jahre  1461  begegnete  Landgraf  Wilhelm 
der  Tapfere  von  Thüringen  auf  s.  Pilgerfahrt  nach  dem  h.  Lande  Charlotte 
Lusignan  auf  Rhodus,  wo  sie  im  Schlosse  wohnte  und  savoyische,  genuesische 
und  catalanische  Hülfe  zum  Kampfe  -wider  den  Despoten  der  meinte  König 
zu  sein«  sammelte.  Vgl.  J.  G.  Kohl,  Pilgerfahrt  des  Landgr.  W.  v.  Th., 
Bremen  1868,  97.  Im  November  dess.  Jahres  war  Charlotte  in  Florenz.  Vgl. 
Ajazzi,  Ricordi  storici  di  Filippo  Rinaccini,  Flor.  1840,  LXXXDC.  Ueber 
die  Verschwörung  von  1473  zu  Gunsten  Charlottens  vgl.  Roman  in,  Storia  di 
Venezia,  IV.,  360  ff.;  Malipiero,  Anuali  Veneti,  600  ff.;  E.  Cornet,  Let- 
tcre  al  Senate  Veneto  di  Giosafatte  Barbaro  ambasciatore  ad  Usunhasan, 
Wien  1852.  Uebrigeus  hatten  die  Venetianer  selber  Jakob  von  Lusignan  ge- 
droht, Charlotte  gegen  ihn  als  Prätendentin  aufzustellen,  falls  er  nicht  auf  die 
Elie  mit  Caterina  Comaro  einginge  um  deren  Hand  er  sich  erst  beworben ,  wäh- 
rend er  nachmals  schwankend  ward,  als  Ferrante  von  Neapel  ihm  eine  seiner 
vielen  Töchter  antrug.  -Ein  Botschafter  der  Republik,  erzählt  Marco  Barbaro 
in  den  Famiglie  nobili  Venete ,  kam  zum  Könige  —  in  dem  einen  Aermel  hielt 
er  eine  Braut  mit  hunderttausend  Scudi  Mitgift  und  dem  Schutz  Venedigs,  im 
andern  Carlotta  seine  rechtmässige  Schwester  welcher  der  Vater  König  Zuanne 
das  Reich  hinterlassen  hatte.  König  Giacomo  nahm  die  Braut.«  Caterina 
Comaro,  deren  Schönheit  zu  dem  Wort  Anlass  gab,  eine  zweite  Venus  sei  auf 
Cypem  erschienen,  hatte  griechbches  Blut  in  den  Adern:  Marco  Comaros 
Gattin  war  Fiorenza,  Tochter  Niccolo  Crispos  Herzogs  von  Naxos  und  der 
Valenza  Comnena  Tochter  Johannes  Comneuus'  ELaisers  von  Trapczunt.  Mehre 
Schwestern  Fiorenzas  waren  an  vornehme  Venetianer  verheiratet. 

In  Sto  Spirito  liest  man  folgende  In  schrill : 

Kariota  Cypri  regina 

Regno  fortunisque 

Spoliata 

Ad  Sixtum  IV.  supplex  confugiens 

Ab  eodem 

Summa  benignitate  ac  munificentia 

Suscipitur. 


494  Anmerkungen. 

S.  149.  Die  letzten  Zeiten  Pius'  II.  und  der  Kreuzzug,  in  Card.  Am- 
man ati  8  Briefen  und  Gio.  Ant.  CampanosLeben  des  Papste«.  Yeriiiltnisse 
zu  Burgund,  Bar  ante,  Histoire  des  Ducs  de  Bourgogne  de  la  maison  de 
Valois,  1.  XI.  (Ausg.  Paris  1860,  V.,  177  ff,).  Zu  Venedig,  Roman  in,  Stori« 
documcnt.  di  Venezia,  IV.,  30-')  ff.,  Cicogna,  Inscrizioni  Veneziane,  VI., 
573  ff.,  aus  Anlass  des  Grabsteins  Cristoforo  Moros  in  S.  Giobbe.  Anklage 
gegen  Pius,  dass  des  Dogen  Ankunft  ihm  unerfreulich  gewesen,  fonnulirt  in 
D.  Malipieris  Annali  Veneti  (Arch.  stör.  Ital.,  VII.),  I.,  29. 

S.  151.  Unter  denen  die  mit  Pius  II.  in  Ancona  waren,  befand  sich  der 
gelehrte  Venetianer  Domenico  de'  Domenichi ,  zu  Eugens  IV.  Zeit  Prof.  der 
Theologie  an  der  rom.  Universität ,  unter  Nicolaus  V.  apostol.  Protonottr  und 
Bischof  von  Torcello,  unter  Calixtus  V.  apostol.  Referendar,  mit  Pius  II.  in 
Mantua  luid  in  der  Streitsache  des  Card,  von  Cusa  wie  in  Verhandlungen  mit 
K.  Friedrich  IIL  u.  A.  verwendet,  nachmals  unter  Paul  11.  und  Sixtus  I^^ 
geistl.  Vicar  in  Rom  und  Bischof  von  Brescia  wo  er  1478  starb.  Vgl.  Gio. 
degli  Agostini,  Scrittori  Veneziaiii ,  I.,  386 ff. ,  Cicogna,  a.a.  O.  II.,  116  £ 

S.  152.  Paul  II.  Michele  Cannesio  von  Viterbo,  bei  Muratori,  R.  I. 
Scr.  III.,  2,  993—1022,  und  bei  A.  M.  Quirini,  Paulin.  vita  pracmissis 
ipsius  S.  Pontificis  Vindiciis  adversus  Platinam  aliosque  obtrectatores,  R.  1740; 
Gasparo  Veronese,  unvollständig,  Muratori  a.  a.  O.,  1023 — 1050.  — 
Vgl.  Foscarini,  Letteratura  Veneziana,  295.  Familie  Barbo  von  Fed.  Ste- 
fani  in  Litta  Fam.  cel.  Ital. 

Malipiero  berichtet  in  s.  Amialen  (a.  a.  0.  661),  wie  im  Jahre  147*2 
P.  Pauls  Schwester  Isabella  (Elisabctta)  Zeno  des  Cardinais  Z.  Mutter,  u.  A. 
auf  Befehl  des  Rathes  der  Zehn  verhaftet  wurden  weil  sie  dem  romischen  Hofe 
Staatsgeheimnisse  mittheilten.  Isabella  wurde  nach  Capo  d'Istria  verbannt,  kam 
aber  später  nach  Rom,  wo  sie  starb  und  vor  dem  von  ihrem  Sohne  errichte- 
ten Altar  in  St.  Peter  beigesetzt  ward,  mit  folgender  Inschrift: 

Eugeni  ncptes  quarti  Paulique  secundi 
Pontificum  soror  hie  Elisabetha  iacet 
Baptistae  Zeni  mater  pii  cardinis  illi 
Barba  domus  Veneta  patria  celsa  fuit. 

Cicogna  hat  in  s.  Inscrizioni  Veneziane  zahlreiche  Daten  zur  Geschichte 
Pauls  II.  aber  keine  grössere  Arbeit ,  hingegen  Vieles  über  Card.  Marco  Btrix' 
und  andere  Mitglieder  der  Familie. 

S.  155.    Collegium  der  Abbreviatoren ,  s.  unten  Anm.  zu  S.  272  und  340. 

S.  156.  Cardinal  Niccolo  Forteguerri  (Forteguerra).  Gio.  Bat,  Forte- 
guerra  in  P.  Zaccarias  Bibliotheca  Pistoriensis  (Turin  1752),  IL,  331. 
wo  auch  langes  Schreiben  über  denselben  von  G.  Cor  belli.  —  Im  pistojfser 
Dom,  wo  man  ein  Ehrenmal  Forteguerris  von  Andrea  Verrocchio  und  Loirn- 
zetto  Lotto  sieht  (Monuments  sepulcraux  de  la  Toscane,  141),  wird  jihrHeh 
am  24.  Sept.  dessen  Gedächtniss  mit  latein.  Rede  gefeiert  Von  diesen  Reden 
sind  verschiedene  gedruckt.  t>ie  ursprünglich  für  dies  Monument  bestimmte 
Statue  des  Cardinais  sieht  man  im  Lyceum  Forteguerri,  oder  der  Sapienu. 
im  August  1473  mittelst  einer  ansehnlichen  Donation  von  ihm  gestiftet,  im 
Jahre  1474  von  Papst  Sixtus  IV.  bestätigt,  in  seiner  gegenwärtigen  Locilität 
1533  erbaut,  mit  der  theils  vom  Cardinal  Niccolo  theils  von  seinem  Lands- 
mann und  altem  Zeitgenossen  dem  Historiker  Sozzomeno  u.  A.  herrührenden 
Bibliothek.  Inschrift  des  Grabmals  in  Sta  Cecilia  s.  unten.  Inschrift  des  Denk- 
mals in  Pistoja:  D.  S.  Nicoiao  Fortiguerrae  Cardiuali  grata  patria  civi  suo  de  se 
optime  merito  posuit.  Vixit  annis  LIV.  mens.  II.  d.  XIV.  Obiit  MCCCCLXXllI  — 


Anmerkungen.  495 

Die  Familie  Forteguerri,  welche  auch  nach  Siena  verpflanzt  ward,  hat  mehre 
ausgezeichnete  Männer  hervorgebracht,  so  den  gelelirten  Scipione  F.,  mit  s. 
akademischen  Namen  Carteromacus ,  einen  tüchtigen  Kenner  der  alten  Literatur, 
gest.  zu  Florenz  1515,  und  Niccolo  F.  den  jungem,  gest.  1735,  den  Verf.  des 
Ricciardetto ,  welcher  Pulcis,  Ariosts  und  Beniis  Poesie  im  achtzehnten  Jahrh. 
wiederzubeleben  unternahm. 

S.  158.  Friedrich  III.  Augustini  Patritii  Senensis  Descriptio  adven- 
tus  Friderici  III.  imp.  ad  Paulum  p.  II.  bei  Muratori  R.  Ital.  Scr.  XXIII. 

203  flr. 

S.  159.  Die  Geschichte  der  auswärtigen  namentlich  der  aussereuropäischen 
Kriege  der  Päpste  liegt  der  Aufgabe  der  Gesch.  der  Stadt  Rom  fenie.  So 
möge  hier  nur  eine  kui*zc  Notiz  über  das  werthvolle  Material  für  die  Geschichte 
der  Kämpfe  gegen  die  Türken  in  der  Zeit  Pauls  II.  und  Sixtus'  IV.  Raum 
finden,  Material  welches  von  Zinkeisen  in  der  Gesch.  des  türk.  Reichs,  von 
Rom  an  in  in  der  Gesch.  Venedigs,  von  Mas  Latrie  in  der  Gesch.  Cypems 
(Urkundenband)  theilweise  benutzt  worden  ist.  Verlust  von  Negroponte  1470 
und  naclmialige  Kämpfe:  lacopo  Rizzardo,  La  presa  di  Negroponte,  ed. 
E.  Cicogna,  Ven.  1844,  vgl.  Roman  in.  Buch  XL,  Kap.  2.  Due  ritmi  e 
una  narrazione  in  prosa  di  autori  contcmporanei  intorno  alla  presa  di  Negi'o- 
ponte,  ed.  F.  L.  Polidori,  Ai'ch.  stör.  Ital.  Append.  IX.,  397  ff.;  E.  Com  et, 
Le  guerre  dei  Veneti  nell'  Asia,  1470 — 1474,  documenti .  cavati  dall'  archivio 
ai  Frari,  Wien  1856,  von  grosser  Wichtigkeit  ftir  die  Kenntniss  der  Begeben- 
Iiciten  von  dem  gedachten  schweren  Schlage  an  bis  zu  den  letzten  Versuchen, 
den  Schah  von  Persien  Usun  Hassan  nach  der  Niederlage  bei  Terdschan  hn 
Bündniss  mit  dem  Abendlande  zu  halten.  Auf  die  Verhandlungen  mit  Rom 
1472,  SixtusIV.,  werfen  die  Schreiben  an  den  Botschafler  daselbst,  Federigo 
Cornaro,  vieles  Licht.  Dem  Jahre  1473  gehören  die  gleichfalls  vonE.  Cornet 
hci'ausgegebenen  Lettere  al  Senato  Veneto  di  Giosafattc  Barbaro  deren  oben, 
Anm.  zu  S.  146  Erwähnung  geschehn  ist,  und  die  für  die  Geschichte  Caterina 
Comaros  w^ichtig  sind.  Aus  den  venetian.  Documcnten  geht  hen^or,  wie  Konig 
Ferraiite  von  Neapel  auch  in  den  cypriotischen  "Wirren  die  Hand  hatte.  — 
Einualime  von  Otranto  1480  (vgl.  S.  173):  Vespasiano  da  Bisticci,  La- 
mento d'Italia  per  la  presa  d'Otranto,  im  Arch.  stör.  Ital.,  IV.,  452  ff.  Vgl. 
Cronaca  di  Napoli  di  Notar  Giacomo  ed.  P.  Garzilli,  Neapel  1845,  146. 

S.  159.  Romischer  Canieval.  Vgl.  Bd.  IL,  S.  997,  1212,  so  wie  oben 
S.  4C3. 

S.  163.  Leben  Sixtus'  IV.  nach  einer  Vat.  Hs.  Muratori,  R.  Ital.  Scr.  IlL, 
2,  1051  — 1068.  Jacobi  Vol^terrani  Diarium  romanuni  1472  — 1484,  ebds. 
XXUL  81  ff.  Das  Diarium  des  sog.  Notars  von  Antiporto  oder  Nantiporto, 
von  1481  bis  1492,  ebds.  III.  2..  1069—1108.  —  Genealogie  der  Della  Rovere 
bei  den  Stammtafehi. 

S.  164.  (S.  254  ff.)  Cardinal  d'Estouteville.  Recueil  des  titres  de  la 
inaison  dXstouteville,  1741.  Camillo  Massimo,  Sopra  una  inedita  medaglia 
di  Francesco  Massimo,  R.  1860,  29  ff.  P.  Adinolfi,  La  Ton-e  de*  San- 
guigni,  97  ff.  Zwei  Denkmünzen  des  Cardinais  im  Tresor  de  Numismatique 
et  de  Gl3rptique.  Die  Ainiahme  dass  die  rumischen  Tuttavilla  des  Cardinais 
Kinder  waren,  lässt  sich  mit  docwnentirten  Daten  nicht  wohl  vereinigen.  Giro- 
lania  de'  Tosti  war  in  erster  Ehe  mit  Robert  d'Estouteville  Herrn  von  Angc- 
lost,  in  dritter  1483  mit  Strozza  Strozzi  verheiratet;  die  Kinder  waren  1481, 
als  der  Cardinal  in  hohem  Alter  stand,  in  jugendlichen  Jahi*en. 


496 


Anmerkungen. 


S.  164.    Genealogie  der  Riari. 

Paolo  Riario  von  Savona 
SS  Bianca  della  Rovere. 


1 


Pietro  Cardinal  Girolamo  Violante 

f  1474.  Herr  von  Forli  und  Imola   =;  Antonio 


t   1488 
=  1477 
Caterina  Sforza 
t  1509. 


1 


Sansoni. 

I 
Raffaello 

Cardinal  Riario 

t  1520. 


Ottaviano 

Herr  von  Forli 

und  Imolä 

=s  Isotta 

Bentivoglio. 


Cesare 

Patriarch 

von  Alexandria 

Erzbischof 

von  Pisa. 


Galeazzo 
:=  Isabella  Pepoli 

I — ' — I 1 

Alessandro    Raffiiello    Ercole 
Cardinal      Ritter  von  =sGinevra 
1578.         S.  Jago.      Malvezu. 

I 


Giulio  Marche^e  di  Castelletto 
%  (erloschen  in  Caterina 

Tochter  Francesco  Boiisis 
Grafen  von  Vagliano). 
Eine  Linie  der  Riario -Sforza  besteht  noch  in  Neapel. 

S.  171.  Verschwörung  der  Pazzi.  Angelo  Poliziano,  De  coniuntione 
Pactiana  commentarius.  Schon  1478  in  Florenz  ohne  Angabe  des  Drackorts 
erschienen,  dann  Basel  1551  in  P's.  Werken,  am  sorgfältigsten  mit  den  be- 
treff. Documenten  von  Gio.  Adimari  1769,  wonach  bei  Roscoe,  Loreuzo 
de  Medici  called  the  Magnificent,  Append.  No.  XXI.,  HL,  69.  Daselbst  auch 
Sixtus'  rV.  Bulle:  »Iniquitatis  filius  et  perditionis  alumnus  Laurentius  Medi- 
ces«  vom  1.  Juni  1478  und  die  florentin.  Gegenschriften.  Polizian  war  vier- 
undzwanzigjährig  als  der  tragische  Vorfall  stattfand.  Vgl.  Moreni,  Biblio- 
grafia  della  Toscana  H.,  207.  —  Ueberdies  alle  florentin.  Historiker  der  Zeit 
wie  des  16.  Jalirh.,  unter  letzteren  am  zuverlässigsten  Scipione  Ammirato. 
dessen  Relation  aus  den  Istorie  fiorentine  [Buch  XXIV.,  Ausg.  Florenz  \^l 
IL,  115  ff.]  auch  einzeln:  Congiura  de'  Pazzi  e  guerra  dalla  Repubblica  fioreu- 
tina  sostenuta  contro  gli  Stati  Romano  e  Napolitano  1478 — 1480,  Florenz  1826. 
Die  Darstellung  Gio.  Mich.,Brutos  (vgl.  oben  zu  S.  100)  ist  P.  Sixtusvfiug 
günstig,  kommt  übrigens  hier  nicht  besonders  in  Betracht  Zalilreicbe  Docu- 
mente  bei  Fabroni,  Laur.  Med.  vita,  wo  auch  das  Bekenntniss  Giovan  Batistas 
da  Montesecco,  und  bei  Roscoe  a.  a.  0. 

S.  174.  Ferraresischer Krieg,  1482 — 83.  Marino  Sanuto,  Commentaiii 
della  guerra  di  Ferrara  tra  li  Viniziani  e  il  Duca  Ercole  d*Este.  Venedig  1829. 
Andere  Druckschriften  und  Aktenstücke  bei  Cicogna,  Bibliografia  Veneziani. 
107,  108. 

S.  179.  Die  neapolitanische  Chronik  Notar  Giacomos  (149)  erwähnt  der 
Anwesenheit  Francescos  di  Paola  in  Neapel  1483:  -A  di  25  de  Febraro  fh 
Francisco  di  Paula  venne  in  la  cita  de  Napoli  et  ando  ad  stanciare  ad  sancto 
Loyse  a  lo  incontro  de  la  ecclesia  de  sancta  Croce  dove  hebbe  uno  gnn- 
dissimo  concurso  de  homini  et  de  donne  le  quäle  con  devocione  li  basa^'aoo 
la  mano  et  dalla  a  pochi  di  senne  ando  in  Franza.» 


Anmerkungen.  497 

Wie  Ludwig  XI.  sich  an  wuudertliätige  Heilsmittel  anklammerte,  ersieht 
man  aus  seinem  letzten  Schreiben  an  Lorenzo  de'  Medici,  den  er  gebeten 
hatte  ihm  den  bei  der  Familie  Girolami  aufbewahrten  Bischofsring  des  h.  Za- 
nobi  zu  verschaffen,  welchem  heilende  Kraft  bei  Hautkrankheiten  beigemessen 
wurde.  Das  Schreiben  lautet:  •Notre-Dame-de-Clery  9  Juillet  1483.  Mon 
cousin,  mon  amy,  j'ay  veu  Tancau  que  avez  baille  k  mousieur  de  Soliers 
(Palamede  Forbin  de  SoUiers  Gouverneur  der  Provence).  Mais  je  desire  bien 
savoii*  si  c'est  le  mesme  que  le  sainct  portoit;  pareillement  quelz  miracles  il  a 
faictSy  et  s*il  a  nul  guery,  et  quy,  et  comment  il  le  fault  porter.  Je  vous  prie 
que  me  advertissiez  de  tout  le  plus  tost  que  pourrez,  ou  en  rescripviez  au 
general  de  Normandie  bien  au  long.  Pareillement,  se  vous  avez  de  par  dela 
nulle  autre  chose  plus  especiale,  qui  porte  la  vertu  du  dit  aneau,  et  se  vous 
en  pouvez  retrouver,  envoyez  -  le  -  moy  ou  audit  general;  et  je  vous  en  prie, 
siur  tout  le  plaisir  que  me  desirez  faire.  Et  adieu,  mon  cousin,  mon  amy.« 
A.  Desjardins,  Negociations  diplomatiques  de  la  France  avec  la  Toscane, 
Par.  1859  ff.  I.  191. 

S.  184.  Letzter  Concilsversuch  in  Basel.  Farlati  und  Coletti,  Illyri- 
cum  sacrum  VE.,  436  ff.  J.  Burckhardt,  Erzbischof  Andreas  von  Kjniin, 
Basel  1852.  Vgl.  Arch.  stör.  Ital.  N.  S.  ü.  2.  249  ff.  Burckliardts  Darstellung 
hat  namentlich  durch  das  in  Bezug  auf  die  baseler  Vorfalle  beigebrachte  reich- 
liche Detail  Werth. 

S.  184.  InnocenzVni.  Stefano  Infessura  a.  a.  O.  G.  Viani,  Me- 
morie  della  famiglia  Cybo  e  delle  monete  di  Massa  di  Lunigiana,  Pisa  1808; 
C.  Roncaglia,  Statistica  degli  Stati  Estensi,  Modena  1849,  L,  60  ff.  Vgl. 
»Eleonora  Cybo  und  ihre  Angehörigen«  in  m.  Beitr.  zur  ital.  Gesch.  IV.,  189  ff. 
Die  spätere  Wappendevise  der  Cybo  -  Malaspina  war  teutsch:  Von  Guetten 
in  Besser. 

Mit  dem  Conclave  nach  Sixtus'  FV.  Tode  beginnt  das  Diarium  lohannis 
Burchardi  Argentinensis ,  in  vielen  öffentlichen  und  mehren  Privatbibliotheken 
hs.,  Druck  begonnen  von  A.  Gennarelli  (Flor.  1854),  welche  Ausg.  nur  bis 
zum  J.  1494  reicht.  Geschichte  des  Pontificats  Innoceuz'  VIII.  das.  33 — 199.  — 
Manches  Detail  bei  Fabroni,  Laurentii  Medicis  Magnifici  Vita,  Pisa  1784,  IL, 
und  bei  A.  Cappelli,  Lettere  di  Lorenzo  de'  Mcdici,  aus  den  Arch.  v.  Mo- 
dena und  Florenz,  Atti  della  Comm.  stör,  delle  prov.  Modenesi  I.,  231 — 320.  — 
In  Bezug  auf  die  Verwicklungen  mit  Neapel  (S.  190 ff.)  kommen  die  neapoli- 
tanischen Historiker  vielfach  in  Betracht.  CamilloPorzios  Congiura  dei  ba- 
roni  (sorgfältige  mit  den  Processen  gegen  die  königl.  Geheimschreiber  und  die 
Barone  anjouscher  Partei  versehene  Ausg.  von  St.  d'Aloe,  Neapel  1859) 
ist  zu  bekannt  als  dass  es  nöthig  wäre  speciell  auf  dieselbe  hinzudeuten.  Diese 
beredte  und  farbenreiche  Darstellung  aus  der  Mitte  des  16.  Jalirhunderts  wird 
aber  inbetreff  der  Politik  König  Ferrantes  vielfach  ergänzt  und  auch  berichtigt 
durch  die  wichtigen  Documente  in  dem  von  Scipione  Volpicella  heraus- 
gegebenen Regia  Ferdinandi  primi  Instructionum  Über  1486 — 87,  Neapel  1861, 
leider  unvollendet.  Vgl.  Arch.  stör.  Ital.  N.  S.  XVII.  1.  66  —  74.  Man  mag 
des  Königs  Regierungssystem  und  Politik  misbilligen  und  die  nach  dem  Siege 
ergriffenen  Maassregeln  verdammen :  seine  Thätigkeit  und  Umsicht ,  sein  Scharf- 
sinn in  der  Benutzung  der  günstigen  Chancen  wie  der  offenbaren  Schwächen 
der  Gegner,  deren  Handlungsweise  dem  Könige  und  seinem  Sohne  Alfons 
von  Calabrien,  der  Seele  des  ganzen  Unternehmens,  nur  zu  scharfe  Waffen  in 
die  Hand  gaben,  sind  ungewöhnlich.  Giannone,  Storia  civile  del  Regno  di 
Napoli  XXI.  Buch,  giebt  eine  gute  Uebersicht  der  Verwicklungen. 

V.   Rfumont,    Rom.    DI.  32 


498  Anmerkungen. 

Rede  des  Bischofs  von  Arezzo  Geutile  Becchi  im  Namen  der  Gesandten 
von  Venedig  und  Florenz  inbetreff  der  neapolitanischen  Angelegenheiten  an 
Innocenz  VIII.,  1485,  bei  Desj  ardin s,  a.  a.  O.  I.  205.  Merkwürdige« 
Schreiben  Lorenzos  de'  Medici  an  den  florentin.  Gesandten  bei  Innocenz  Vm., 
22.  Oct.  1487,  eine  Abmahnung  von  einem  durch  Konig  Ferrante  dem  Papste 
angetragenen  Sonderbflndnisse ,  ebds.  214  ffl 

S.  192.  Prinz  Dschem.  Burcards  Diarium  zum  J.  1489,  bei  Genna- 
relli  112  ff.  mit  vielen  Erläuterungen  und  Documenten,  darunter  Schreiben 
des  Johanniter  -  Grossmeisters  an  P.  Sixtus  IV.  Brief  Andrea  Mantegnas 
an  den  Markgrafen  Gian  Francesco  da  Gonzaga,  Rom  15.  Juni  1489,  vgl. 
Ticozzis  Ausg.  von  Bottaris  Lettere  pittoriche,  VBI. ,  und  Feuillet  de 
Conches,  Causeries  d*un  Curieux,  IV.   (Paris  1868),  461  ff 

S.  197.  Wie  Lorenzo  de'  Medici  es  in  Bezug  auf  geistliche  Benefiden  hielt, 
zeigen  die  bei  Rose oe  (Append.  No.  LXII. ,  IIL,  253)  mitgetheilten  •Ricordi« 
desselben  von  1483  inbetreff  der  dem  siebenjährigen  Giovanni  verliehenen  and 
zu  verleihenden  Pfründen.  Ludwig  XI.  verlieh  ihm  das  Erzbisthum  Aix,  aber 
Innocenz  VIU.  nahm  doch  Anstand  das  Kind  als  Erzbischof  zu  bestatigeo, 
obgleich  er  dies  Kind  zum  apostol.  Protonotar  ernannt  hatte.  Dann  kim 
aus  Frankreich  die  Kunde ,  der  Erzbischof  sei  gar  nicht  gestorben. 

S.  199.  Papst  Alexander  VI.  Das  Condave.  Raff.  Volterrano,  In- 
fessura,  Burcard  (bei  Gennarelli  203 ff.),  Guicciardini,  Panvinio; 
die  Spanier  Zurita  und  Mariana.  Bartolommeos  de'  Cavalieri  Brief 
vom  6.  August  1492  an  Eleonora  d'Aragona  d'Este,  bei  A.  Cappelli  Pandotfo 
Malatesta  in  Atti  e  Memorie  della  R.  Deputazioue  di  storia  patria  per  le  prov. 
Modenesi  ec.  I.  427  ff.  —  Die  Regierung.  Burcard  a.  a.  O.  bis  1494,  sowie 
bei  Leibnitz,  Historia  arcana  s.  de  vita  Alexandri  VI.,  Hannover  1696,  und 
bei  Eccard,  Corp.  bist.  11. 

Unter  den  Italien.  Historikeni  vor  allen  Franc.  Guicciardini,  Istor. 
d'Italia,  Buch  I  —  VI.,  ungeachtet  einzelner  Ausstellungen,  die  namentlich  die 
Art  der  Behandlung  der  Quellen  betreffen,  schon  für  diese  Zeit  von  grossem 
Wcrth,  für  die  spätere,  wo  der  Autor  Mithandelnder  wird,  uoschitzbar. 
Der  Florentiner  Francesco  Vettori,  welcher  im  Jahre  1474  geboren 
und  somit  um  acht  Jahre  älter  als  Guicciardini,  die  Zeit  Alexanders  VI.  nodi 
besser  als  dieser  kennen  lernen  konnte,  entwirft  am  Schlüsse  seines  Dialogs: 
Sacco  di  Roma  (Viaggio  in  Alemagna  di  Fr.  Vettori,  Paris  1837)  folgende 
Schilderung  des  Papstes:  -Rodrigo  Borgia  zeigte  sich  so  gewandt  in  der  Kunst 
des  Schenkens,  dass  es  ihm  gelang  zum  Papst  gewählt  zu  werden.  Und  wie 
Einer  dem  ein  Grundstück  theuer  zu  stehn  kommt,  den  Ertrag  desselben  mög- 
lichst zu  steigern  sucht,  so  war  er,  der  das  Papstthum  zu  hohem  Preise  ge- 
kauft hatte,  entschlossen,  alles  ins  Werk  zu  setzen  um  so  viel  Geld  als  mög- 
lich herauszuschlagen  und  seine  Kinder  grosszumachen.  .  .  .  Wer  sein  Leben 
und  seine  Regierung  genau  betrachtet,  wird  finden  dass  er  jenen  romiscbeo 
Kaisem  glich,  denen  es  nur  auf  eines  ankam,  aufs  Henvchen.  Um  Geld  xq 
machen  verkaufte  er  die  Beneficien;  starb  in  Rom  ein  Prälat,  so  nahm  er 
dessen  Nachlass  in  Anspruch;  war  Einer  au  geistlichem  oder  weltlichem  Ein- 
kommen reich,  so  stellte  er  ihm  nach  dem  Leben.  Er  versprach,  bewilligte, 
fing  die  Leichtgläubigen  ein,  entledigte  sich  ihrer.  Ueber  die  Unehrbvieit 
seines  Lebenswandels  will  ich  nicht  reden.  Man  erzählt  so  viele  schändliche 
Dinge  von  ihm,  dass  mir  schwer  wird  sie  für  wahr  zu  halten,  und  ich  wieder- 
erzähle ungern  was  sich  als  Lüge  herausstellen  könnte.  Wemi  Fürsten  ein- 
mal Hass  auf  sich   geladen  haben,   thut  jeder  das  Seinige  dazu,  erfindet  und 


Anmerkuiigei).  499 

bürdet  ihneu  alle  luoglicheu  Laster  auf.  Wie  dem  immer  seiu  möge,  Papst 
Alexander  sah  alle  seine  Pläne  gelingen  und  starb,  nach  weltlichem  Begriff, 
glücklich.«  Moderne  specielle  Bearbeitungen  der  Geschichte  Alexanders  VI. 
übergehe  ich,  da  sie  nichts  neues  bringen,  daftlr  aber  zum  Theil  umsomehr 
Dcclamation. 

Für  die  Geschichte  Carls  VIII.  (S.  208  ff.)  in  dessen  Beziehungen  zu 
Alexander  VI.  und  überhaupt  zu  Italien  kommen  vorzugsweise  in  Betracht  die 
Berichte  der  florentin.  Gesandten  in  Rom,  Neapel,  Venedig,  Mailand,  die  der 
Gesandten  am  französ.  Hofe,  endlich  die  Nachrichten  über  die  fraiizös.  Mis- 
sionen, jene  Perons  de  Basche,  d'Aubignys,  Bri^onnets,  Matharons  wid  die 
Depeschen  Philippe  de  Commines',  bei  Desjardins,  Negociations  L,  193  ff. 
Die  Zer&hrenheit  der  italienischen  Politik,  das  gegenseitige  Mistrauen,  die 
lialtuugslosigkeit  nach  dem  Tode  Lorenzos  de'  Medici ,  die  nach  dem  Ableben 
Ferrantes  von  Aragon  in  Neapel  rasch  eintretende  Auflösung,  der  Wankel- 
niuth  des  Papstes  und  sein  Haschen  nach  kleinlichen  Mitteln  inmitten  mancher 
Zeugnisse  richtiger  Erkenntniss  der  Sachlage ,  alle  diese  Umstände  welche  zum 
raschen  Siege  des  französ.  Königs  fuhren  mussten ,  treten  bei  Durchsicht  dieser 
Schriftstücke  klar  vor  Augen.  Für  den  franz.  Krieg  vergl.  namentlich  Bern. 
Rucellai,  De  hello  italico  (s.  unten  Anm.  zu  S.  3G0),  Marin  Sanuto  De 
hello  gallico  bei  Muratori  R.  Ital.  Scr.  XXIV.  (schwerlich  von  Sanuto,  vgl. 
Rawdon  Brown  Ragguagli  I.  22)  mid  Philippe  de  Commines'  Memoiren. 
(Die  diplomatischen  Papiere  Commines'  wurden  neuerdings  gesammelt  von 
Baron  Kervyn  de  Lettenhove:  Lettrcs  et  negociations  de  Philippe  de 
Commines,  Brüssel  1867.)  Carls  VIII.  Zug  (S.  212  ff.):  Le  Vergier  d'hon- 
neur  von  Andre  de  La  Vigne.  W.  Havemann,  Geschichte  der  italienisch- 
französischen Kriege  1494 — 1515,  Hannover  1833 — 1835.  —  Ueber  die  gleich- 
zeitigen neapolitanischen  Quellen,  die  Cronica  di  Napoli  di  Notar  Giacoaio 
(s.  oben)  und  die  Diumali  di  Giacomo  Gallo,  herausgegeben  von  S.  Vol- 
picella,  Neapel  1846,  vergl.  m.  Carafa  von  Maddaloni  IL,  345 ff.  Ueber 
gleichzeitige  und  spätere  Historiker  vgl.  L.  Ranke,  Zur  Kritik  neuerer  Ge- 
schichtschreiber, Berlin  1824,  Beilage  zu  dessen  Geschichten  der  roman.  und 
gennan.  Völker  von  1494  bis  1514.  Gerne  würde  ich  0.  de  Cherriers  auf 
grundlichen  Forschungen  beruhende  Geschichte  Carls  VUI.  benutzt  haben, 
wenn  dieselbe  die  Presse  verlassen  hätte. 

Von  venetianischen  Relationen  über  diese  Zeit  haben  wir  (ausser  Zaccaria 
Contarinis  Bericht  über  s.  Sendimg  an  Carl  VUI.  1492  —  bei  £.  Alberi, 
Relazioni  degli  Ambasc.  Veneti,  Serie  I.  Bd.  4.  1 — 26  —  die  für  die  Vor- 
geschichte des  neapol.  Zuges  von  Bedeutung)  nur  Marin  Sanutos  Auszug  aus 
dem  Bericht  des  Paolo  Capello,  ebds.  Serie  IL  Bd.  3.  1—14;  vgl.  Ranke, 
Römische  Päpste  L,  Buch  1.  Kap.  2,  und  UL,  Anh.  3.  Paolos  Nachrichten 
sind  jedoch  mit  Vorsicht  zu  gebrauchen.  Er  langte  erst  am  23.  Mai  1499  in 
Rom  an,  so  dass  s.  Erzählungen  früherer  Ereignisse,  z.  B.  des  Mordes  des 
Herzogs  von  Gandia  (s.  oben  S.  222)  auf  Hörensagen  beruhen.  Botschafler  im 
J.  1495  war  Gu-olamb  Zorzi  (Giorgi)  von  dem  die  Insclrnft  an  Via  papale 
(s.  oben  S.  435),  im  J.  1497  Niccolo  Michiel  dessen  am  6.  Nov.  voi-getragene 
Relation  leider  bei  Saimto  fehlt,  nach  ihm  Girolamo  Donato.  Rawdon  Brown, 
Ragguagli  sulla  vita  e  sulle  opei*e  di  Marin  Sanuto,  Ven.  1837,  L,  73  ff. 
208  ff.  Die  Nachrichten  über  Gandias  Tod,  verglichen  mit  denen  bei 
Malipieri,  Annali  Ven.  L,  489,  und  bei  Fr.  Matarazzo  ( Maturanzio) , 
Cronaca  della  Citti  di  Penigia  in  den  Cronache  e  Storie  Perug.  (Arch.  stör. 
Ital.    XVI.)    IL,    70,    wo    Giovanni    Sforza   von    Pesaro    als    Anstifter   des 

32  ♦ 


500  Anmerkungen. 

Mordes  bezeichnet  wird,  zeigen  welches  Dunkel  über  der  ganzen  Geschichte 
schwebt  die  zur  Bewahrheitung  des  Sprüchworts  »On  ne  prete  qu'aux  riches- 
dient.  Tomasis  Vita  di  Cesare  Borgia,  Montechiaro  1671,  auch  in  fruiz. 
Uebersetzung  mit  falscher  Angabe  desselben  Druckorts,  ist  Compilation  von 
Wahrem  und  Falschem.  Von  Machiavellis  Gesandtschaflsberichten  die  -Le- 
gazione  al  Duca  Valentino«  (aus  welchem  selbst  teutsche  Autoren  unserer  Zeit 
ehien  »Herzog  Valentin  Borgia«  zu  machen  fortfahren!)  Oct  1502  —  Jan.  1503. 
welcher  sich  die  nur  zu  berühmt  gewordene  Erzählung  der  Blutthat  von  Seni- 
gallia  anreiht.  Die  Nachrichten  über  die  Wegnahme  der  Bibliothek  von  Urbino 
(s.  oben  S.  242),  Rawdon  Brown  ü.,  16.  Eigenhändiges  Beglaubigungs- 
schreiben für  Cesare  Borgia  »cor  nostrumi  videlicet  dilectum  filium  Ducem  Vt- 
lentinensem,  quo  nihil  carius  habemus«  an  Ludwig  XII.  vom  28.  Sept  1498 
(s.  oben  S.  227)  bei  Molini  (G.  Capponi),  Documenti  di  storia  italiana ,  Flor. 
1836,  I.,  28.  Im  J.  1502  nannte  sich  Cesare:  »Caesar  Borgia  de  Francia,  Dei 
gratia  dux  Romandiole  Urbinique  et  Valentie  princeps,  Hadrie  Plumbini  etc. 
dominus  ac  S.  R.  E.  confalonerius  generalis.«  Inschrift  von  1735  im  Spital 
der  Consolazione  (s.  oben  S.  399):  Archinosocomium  —  Ab  Immacolatae 
Virginia  Mariae  nomine  —  Porticus  Consolationis  et  Gratiarum  dictum  —  A 
Duce  Valentmo  excitatum  —  Ad  sanandas  aegras  a  vulneribus  mulieres  u.  s.  w. 
Vgl.  Morichini,  Degl'  istituti  di  pubblica  cariti,  L,  83  ff. 

Lucrezia   Borgia.     Plaidoyer  Roscoes   in   den    Anmerk.    zu:   Life  aud 
Pontificate  of  Le^o  X.  (Heidelberg.  Ausg.  III.  359  ff.,  Henkes  Anmerk.  ebds- 
IV.,  522.).    Chronique  de  Bayard  par  le  Loyal  Serviteur,  44.  Kap.    Armand 
Baschet  hat  in  den  Archiven  zu  Rom,  Mantua,  Ferrara,  Modena,  Mailand, 
Venedig  eine  Menge  Documente  gesammelt  die  unter  dem  Titel:   »LuCTezia 
Borgia,    sa  famille,    sa   cour   et   son   temps«    erscheinen   sollen.      Ueber  die 
Hochzeitsfeste  in  Ferrara  sind  viele  Details  enthalten  in  den  Briefen,  welche 
Herzog  Ercoles'  Tochter  Isabella  d'Este  Gonzaga  von  dort  an  ihren  Gemal 
den  Markgrafen  von  Mantua  richtete.    (C.  D'Arco,  Notizie  d'Isabella  Estense, 
Arch.  stör.   Ital.  Append.  IL  203 — 326.)     Die  Aufzüge,  Ceremonien,  Scbao- 
spiele,  Ballfeste  u.  s.  w.  sind  genau  beschrieben,  auch  die  Trachten,  nament- 
lich  die  verschiedenen  Costüme  der  Braut,  leider  diese  selbst  nicht:  »de  la 
statura   de   Madonna  Lucretia  non   scrivo,    sapendo   che  V.  S.  llia  vedota.- 
Die  Schauspiele  scheinen  zum  Theil  langweilig  genug  gewesen  zu  sein,  die 
ganze  Hochzeit  glänzend   aber  nicht  heiter.      Die  Schönheit   der  Perlen  und 
Juwelen  Lucrezias  wird    auch  von  der  Markgräfin  gerühmt.     (»AI  collo  ono 
vezo  de  perle  grosse  cum  uno  balasso  [hellrother  Rubin]  pendente  forato,  com 
una  perla  in  pera  sotto.-)    Die  ambrosian.  Bibliothek  bewahrt  Lucrezias  Briefe 
an  Pietro  Bembo,  dessen  Beziehungen  zu  ihr  namentlich  in  den  Jahren  15(13 
— 1506  intimer  waren,  aber  bis  zu  ihrem  Tode  währten,  wie  es  denn  noch 
Briefe   von    1517    giebt.      Condolenzschreiben    der    Signorie  von  Venedig  an 
Herzog  Alfons,  R.  Brown  IIL,  344.    Lucrezia  soll  in  der  innem  Kirche  der 
Nonnen  vom  Corpus  Domini  in  Ferrara  beigesetzt  sein,  aber  vergebens  socht 
man   nach   einer  Grabschrift.    Ilir  Bildniss  will  man  in   der  blonden  Fraa  auf 
dem    Gemälde    des    Sterndeuters    von    Giorgione    erkennen    welches  aus  der 
Gall.    Manfrin   nach    England    gelangt   ist.      (Les   femmes   blondes  seien  les 
peintres  de  l'Ecole   de  Vcnise  par  deux  Venitiens.     [F.  Fcuillet  de  Con- 
ches  u.  A.   Baschet]  Paris  1865,  5.)     Man    sieht   ihren    anmuthigen  Kopf 
auf   einer    schonen    Medaille   welche   Jnl.   Friedländer   (Beri.   Blätter  ^ 
Münz-  u.  s.  w.  Kunde,   1866,  No.  8.,  vgl.   H.  Grimm,  Ueber  Künstler  nnd 
Kunstwerke,  ü.  81  ff.)   dem  Filippino  Lippi   zutheilt,   und  ähnlich  auf  einer 


Anmerkungen.  501 

andern,  beidemale  schon  als  Herzogin  von  Ferrara  was  sie  im  J.  1505  wurde.  — 
Nicht  umhin  kann  man  der  Verse  Ariostos  (Ras.  RoL  Xm.  69)  zu  ge- 
denken, der  freilich  dem  Hause  Este  in  vollen  Zügen  schmeichelte: 
"Lucrezia  Borgia,  die  mit  jeder  Stunde 
An  Schönheit  wächst,  au  Tugend,  am  Gewinn 
Von  Ruhm  und  Glück,  sowie  die  junge  Pflanze 
Im  lockern  Erdreich  wächst  beim  Sonuenglanze.« 

Unter  den  urbinatischeu  Papieren  im  florentiner  Archiv  befindet  sich  ein 
merkwürdiges  Schreiben  Alexanders  VI.  an  seine  Tochter  vom  24.  Juli  1494, 
somit  aus  der  Zeit  ihrer  Ehe  mit  Giovanni  Sforza  von  Pesaro.  Der  Inhalt  ist 
folgender:  »Donna  Lucrezia  geliebteste  Tochter.  Seit  mehren  Tagen  haben 
wir  keinen  Brief  von  dir,  worüber  wir  uns  sehr  wimdem,  da  uns  nicht  recht 
scheint  dass  du  so  nachlässig  darin  bist,  uns  von  deiner  Gesundheit  und  der 
des  Herrn  Giovanni  unseres  geliebten  Sohnes  Nachricht  zu  geben.  Sorge  dafür 
in  Zukunft  achtsamer  und  fleissiger  zu  sein.  Madonna  Adriana  (eine  be- 
jahrte Verwandte  des  Papstes  welche  Lucrezia  später  nach  Ferrara  beglei- 
tete) und  Giulia  (Famese)  sind  in  Capo  di  monte  (am  See  von  Bolsena) 
angelangt,  wo  sie  ihren  Bruder  todt  gefunden  haben.  Dieser  Tod  schmerzt 
den  Cardinal  (Alessandro  Famese)  und  Giulia'  so  sehr  dass  Beide  vom  Fie- 
ber ergriffen  worden  sind.  Wir  haben  Pietro  Carranca  zu  ihnen  gesandt 
und  für  Aerzte  und  alles  nöthige  gesorgt.  Wir  hoffen  zu  Gott  und  der 
glorreichsten  Jungfrau  dass  sie  bald  hergestellt  sein  werden.  In  Wahr- 
heit habt  ihr  Beide,  der  Herr  Giovanni  und  du,  in  dieser  Sache  geringe 
Rücksicht  auf  mis  genommen  indem  ihr  Madonna  und  Giulia  ohne  unsere  be- 
sondere Erlaubniss  reisen  liesset,  während  ihr  wol  denken  konntet  dass  eine 
so  plötzliche  und  heimliche  Abreise  uns  misfallen  musste.  Man  wird  sagen 
sie  wollten  so  weil  der  Cardinal  Famese  es  begehrte  und  befahl:  ihr  aber 
hättet  euch  fragen  müssen  ob  es  dem  Papste  genehm  sein  würde.  Jetzt  ist's 
nicht  zu  ändern ,  ein  andermal  aber  werden  wir  vorsichtiger  sein  und  gut  zusehn, 
welchen  Händen  wir  unsere  Angelegenheiten  anvertrauen.  Gott  und  der  glor- 
reichen Jungfrau  sei  Dank,  uns  geht's  recht  wohl.  Wir  haben  den  durch- 
lauchtigen König  Alfons  bei  uns  gehabt,  der  sich  mit  solcher  Liebe  und  De- 
votion gegen  uns  benommen  hat  als  wäre  er  unser  eigner  Sohn.  Wir  können 
dir  nicht  ausdrücken,  mit  welchem  gegenseitigen  Vertrauen  wir  voneinander 
geschieden  sind.  Glaube  mir  Se.  Majestät  wird  für  unsem  Dienst  und  Staat 
alles  aufwenden  was  er  auf  dieser  Welt  besitzt.  Die  verwickelten  Angelegen- 
heiten der  Colonnesen  werden,  so  hoffen  wir,  binnen  drei  oder  vier  Tagen 
zur  Entscheidung  gelangen.  Für  jetzt  weiter  nichts,  als  der  Wunsch  dass  du 
gesund  und  unserer  glorreichen  Madonna  andächtig  ergeben  bleiben  mögest. 
Rom  bei  St.  Peter  24.  Juli  1494.  An  unsere  geliebteste  Tochter  Donna  Lu- 
crezia de  Borgia.«    (Bei  ügolini,  Conti  e  Duchi  d'ürbino  ü.,  521.) 

Als  Probe  der  Schreibart  Alexanders  VI.  stehe  hier  ein  ungedruckter  Brief 
an  seine  Tochter  aus  dem  modenesischen  Archiv,  von  1501  oder  1502. 

»Dis  Maria 
Duquessa  figlola  carissima.  La  tua  Irä  ci  e  stata  gratissima  per  haver 
enteso  el  tuo  benessere.  Nuy  per  gri  de  dio  e  de  la  sua  gloriosa  matre 
estamo  molto  bcne.  P  la  presente  te  avisamo  come  havemo  receputa  una  Irä 
del  nro  nuncio  sopra  le  cose  de  Cento  e  de  la  Pieve,  la  quäl  potray  comunjcar 
a  li  toy  embaxatore  de  Ferrara  li  quali  devono  esser  certi  que  nuy  pensamo 
di  e  notte  en  el  benefitio  et  augmento  de  quelle  estato.    De  Civita  Castellana 


502  Aiuiiei'kungen. 

rultimo  de  settembre.    Alexander  ppa  VI.  manu  ppria.  —  A  la  nostra  carissiina 
figlola  La  Duquessa.« 

Wie  schlimm  es  mit  dem  Ruf  Lucrezias  bei  der  den  Borgia  feindseligen 
Familie  von  Urbino  stand,  zeigt  eine  Aeussei*ung  Guidubaidos  (II.)  della  Ro- 
vere,  als  sein  Vater  Herzog  Francesco  Maria  Um  mit  der  Erbin  von  Cameriiio 
vermalen  wollte  was  gegen  seine  Neigung  ging.  Er  tröstete  sich,  der  Vater 
werde  ihm  kcinenfalls  eine  Frau  wie  Lucrezia  Borgia  geben,  »di  quella  mala 
Sorte  che  fu  quella,  e  con  tante  disonestc  parti.« 

Vannozza  de' Cattanei.  Adinolfi,  II  Canal  di  poute,  passim.  Nachrichtcu 
über  sie  und  ihren  Grundbesitz  von  1480  bis  1506.  In  einem  Briefe  an  Lu- 
crezia vom  19.  Dec.  1515  (Modenes.  Archiv)  zeiclmet  sie  »di  V.  Illma  Sria 
perpetua  oratrice  Vauoza«,  in  Briefen  an  Cardinal  Ippolito  d'Este,  so  vom 
3.  April  1517  (ebendas.)  »La  felicc  et  infelice  come  matrc  Vanotia  Borgia  de 
Cathaneys.« 

S.  208.  Auf  die  Beziehungen  zwischen  Neapel  und  Müland  werfen  vieles 
Licht  die  Depeschen  der  florentinischen  Gesandten  Niccolo  Michelozzi,  Piero 
Alamaimi  u.  A.  in  Neapel,  1492 — 1494,  bei  Desjardins,  Negociations  I.,  422  £ 
König  Ferrante  entwiiil  im  Januar  1493  folgendes  Rarakterbild  Lodovicos  il 
Moro:  »Der  Herzog  von  Bari  ist  von  der  Natur  Galeazzo  Marias,  ja  schlim- 
mer, indem  er  mehr  noch  dem  Herzog  Filippo  (Visconti)  gleicht,  der  stets 
ruhelos  war  und  auf  neues  sann,  mogte  es  ihm  auch  zu  Schaden  und  Schmach 
gereichen.  Ein  ganz  verschiedener  Maim  wai*  sein  Vater  Herzog  Francesco. 
Der  Hei7;og  von  Bari  findet  Gefallen  daran  die  Dinge  stets  in  Ungewissheit 
und  Dunkel  zu  erhalten  und  Wechsel  zu  veranlassen,  was  mir  und  eurer 
Signorie  (Floi'enz)  widerstrebt.  Man  darf  nicht  glauben,  Verhandeln  mit  ihm 
mid  Schreiben  werden  ihn  auf  andere  Gedanken  bringen:  das  kann  nur  Ge- 
walt erreichen.  Zum  Glück  hat  er  nicht  Verstand  genug,  seine  Absichten  ins 
Werk  zu  setzen.  Projectc  kann  er  genug  entwerfen,  meist  aber  zerrinnen  sie 
in  nichts.  Mit  einem  solchen  Karakter  muss  man  Geduld  haben,  und  wir 
müssen  uns  unter  uns  vorsehn  auf  dass  er  uns  nicht  schade.  Mit  Gottes  Hülfe 
hoffe  ich,  werden  wir  und  eure  Signorie  dies  erreicjien.«  In  diesem  Urtbeil 
liegt  des  Wahren  mehr  als  des  Falschen.  Lodovico  sü'ebte  übrigens  ohne 
Rückhalt  danach,  seinen  Neffen  beiseite  zu  schieben.  Schon  zu  Anfang  1492 
sagte  er,  er  wolle  den  Staat  für  sich  haben. 

S.  209.  Wie  König  Ferrante  so  die  Colonna  wie  die  Orsini  [an  sein 
Literesse  zu  fesseln  wusste,  zeigen  Depeschen  der  fiorent.  Gesandten  Paolan- 
tonio  Soderini  an  Lorenzo  de'  Medici  vom  6.  Sept  1490,  Piero  Alamanni  an 
Piero  de'  Medici  vom  12. — 17.  Nov.  1492  u.  s.  w.  Desjardins,  Nego- 
ciations etc.  I. ,  435  ff.  Von  der  Autorität  welche  Virginio  Oraini  wie  in  Neapel 
und  Rom  so  durch  seinen  Einfluss  auf  den  miverstandigen  Piero  de'  Medici 
in  Florenz  ausübte ,  zeugt  em  Schreiben  des  florent.  Gesandten  in  Rom  Puecio 
Pucci  vom  16.  Juni  1494  an  Letztem.  »Mein  Gebieter,  ich  rede  fireimüthig 
zu  euch  wie  meui  Dienst  es  verlangt,  denn  ich  will  nicht  dass  mein  Gewissen 
mir  Vorwüi-fe  mache.  Mir  scheint  der  HeiT  Virginio  verspricht  in  eurem  Na- 
men etwas  zu  sehr  ohne  Umstände.  Bir  habt  gesehn  wie  er  zum  Papste  ge- 
sprochen hat  und  wie  die  Angelegenheit  der  Herrin  von  Forli  (Caterina  Riario 
Sfoi-za,  welche  Alexander  VI.  und  Neapel  zu  gewinnen  wünschten,  auch  weil 
man  sich  dadurch  Giovanni  Bentivoglios  zu  versicheni  glaubte)  uns  auf  die 
Schultern  gepackt  wird.  Der  Papst,  der  ungeme  Geld  ausgiebt,  wird  uns 
und  andern  Bereitwilligen  die  Kosten  aufbürden.  Ueberdies  herrscht  hier  die 
Meinung,  dass  ihr  ganz  von  Virginio  abhangt  und  er  mit  euch  schaltet  wie  ih» 


Aumerkuugeii.  503 

beliebt  Mau  berichtete  mir,  der  Papst,  als  er  den  Vertrag  mit  Ronig  Alfons 
schloss,  habe  zu  sagen  gepflegt:  Virginio  hat  uns  die  Interessen  des  erlauchten 
Piero  sehr  empfohlen,  gerade  als  handelte  es  sich  um  seine  eignen.  Noch  ist 
mir  hinterbracht  worden.  Konig  Alfons  habe  geäussert,  er  vei'fiige  über  euch 
und  Florenz  mittelst  des  Herrn  Virginio,  gleichsam  als  wisse  er  Diesem  mehr 
Dank  dafür  als  euch.  £s  sieht  aus,  als  ständen  die  Dinge  eures  Hauses  und 
imserer  Stadt  mehr  in  ihrem  als  in  eurem  Belieben.  Erzeigten  die  Orsincn 
euch  mehr  Achtung  und  thäten  sie  sich  auf  ihre  Autorität  über  euch  weniger 
zugute,  so  entsprächen  sie  besser  ihrer  Pflicht  und  der  Lage  der  Dinge.  Mein 
Gebieter,  loquor  ex  corde.  Ich  ermahne  euch,  machet  Gebrauch  von  eurer 
angebomen  Geschicklichkeit  und  zeigt  dass  ihr  Herr  im  Hause  seid,  indem  ihr 
euch  jedoch  Zuneigung  und  Vertrauen  bewahrt,  da  die  Umstände  es  erfordern.« 
(Desjardins  a.  a.  O.  I.,  493.)  Was  ein  halbes  Jahr  später  in  Florenz  voi-fiel, 
liefert  den  besten  Commentar  zu  diesem  Schreiben. 

S.  212.  Die  Vorbereitungen  und  Hoffiiungen  K.  Alfons'  U.  beim  Heran- 
nahen der  französ.  Rrisis  und  die  kleinen  Ereignisse  des  Feldzugs,  wenn  der 
Marsch  des  Königs  nach  der  Campagna,  der  des  Herzogs  von  Calabrien  zur 
Deckung  der  Romagna  und  des  Patrimoniums  diesen  Namen  verdienen,  sowie 
die  Maassregein  des  Papstes  und  die  Bewegungen  der  romischen  Barone  na- 
mentlich der  Colonna  und  Virginio  Orsinis,  ergeben  sich  aus  den  Berichten 
Filippo  Valoris  florentin.  Gesandten  in  Neapel,  4. — 23.  October  1495.  Bei 
Desjardins,  Negociations  I.  451 — 483. 

S.  218.  Vertrag  vom  15.  Januar  1495.  -Articles  de  la  paix  faicte  entre 
nostre  Sainct  pere  le  pape  Alexandre  sisiesme  et  le  roy  Charles«  nach  einer 
IIs.  im  franz.  Staatsarchiv  bei  Molini,  Documenti  di  stör.  Ital.  L,  22. 

S.  221.  Carl  Vlll.  zeigte  den  römischen  Edelleuten  die  zu  ihm  hielten, 
Fabrizio  Colonna,  dem  Präfecten,  den  Savelli,  von  Turin  aus  am  29.  August 
den  Kampf  bei  Fomovo  in  gleichlautenden  Briefen  an.  «Tres  eher  et  grand 
amy.  Nous  croyons  que  vous  serez  assez  adverty,  comme  k  Foumoue  prez 
Palma  (Parma),  avons  rencontre  les  Venitiens  et  une  partie  de  la  puissance 
du  Seigneur  Ludovic,  et  grant  nombre,  qui  s'attendoient  k  nous  faire  deshon- 
neur  et  dommaige.  Mais,  gräces  en  soient  k  Dieu,  nous  y  avons  passe  ä 
nostre  honneur,  et  descouru  toute  Tltalie  maugre  eulx,  avec  nostre  aitillerie 
grosse,  et  mesme  sans  grant  perte  de  noz  gens;  et  auplus  n'en  est  demourc 
des  nostres,  en  bons  et  mauvays,  que  environ  LX,  et  d'eulx  il  en  demoura 
jusques  a  ini°>  et  plus,  et  IUI«  hommes  d'armes,  dont  il  y  avoit  de  grans 
personnaiges  et  chefs  de  guerre.«  Bei  Desjardins,  Negociations  L,  626. 
Ebendaselbst  Bericht  Pier  Vettoris  über  die  Schlacht  an  Herzog  Guidubaido 
von  Urbino,  Florenz  14.  Juli  1495.  Ausfuhrliche  Schilderungen  des  Kampfes 
bei  Rosmini,  Istoria  ec.  di  Gian  Giacomo  Trivulzio,  Mail.  1815,  I.,  255  ff., 
und  A.  Pezzana,  Storia  della  Citti  di  Parma  V.  (Parma  1859),  277  ff. 
Unter  den  Todten  auf  Italien.  Seite  waren  Rodolfo  da  Gonzaga  und  Ranuccio 
da  Famese,  auf  französischer  der  Bastard  von  Bourbon.  Die  gegenseitigen 
Angaben  der  Todten,  Verwundeten,  Gefangenen  (Pezzana,  299  ff.)  zeigen, 
wie  behutsam  man  selbst  officielle  Berichte  gebrauchen  muss. 

S.  226.  Die  Geschichte  Fra  Girolamo  Savonarolas  kann  in  einer  Geschichte 
der  St  Rom  selbstverständlich  nur  berührt  werden.  K.  Hase  hat  in  dem  be- 
treffenden Absclmitt  in  s.  »Neuen  Propheten«  (Q.  Aufl.  Leipz.  1861)  Leben 
und  Wirksamkeit  des  feurigen  und  geistvollen  Dominicaners  vom  protestanti- 
schen Gesichtspunkt  in  jener  maassvollen  Weise  dargestellt,  welche,  mit  seiner 
sorgsamen  Benutzung  der  Quellen  vereint ,  auch  Solche  befriedigen  kann  deren 


504  AjimerkuDgen. 

dogmatischer  Standpunkt  ein  verschiedener  ist.  Nach  zahlreichen  italienischen, 
franzosischen,  teutschen  Arbeiten  über  diesen  Gegenstand  hat  P.  Villari  (La 
Storia  di  Girolamo  Savonarola  e  dei  suoi  tempi,  Flor.  1859 — 1861)  unter  Be- 
nutzung vieler  theils  inedirten  theils  von  V.  Marchese,  Carlo  Capponi, 
Fr.  Bonaini  u.  A.  bekanntgemachten  Documente  (zu  denen  neuerdings  die 
von  C.  Lupi  im  Arch.  stör.  Ital.,  111.  S.  m.  1.  3  ff.  über  den  Process  publi- 
zirten  gekommen  sind)  ein  umfassendes  Gemälde  der  Thätigkeit  Fra  Girohnnos 
und  der  Umgebung  in  der  er  sich  befand  geliefert,  mit  der  ausgesprochenen 
Absicht,  Den  aus  dessen  Sclu'iflen  man  ein  vollständiges  System  protestanti- 
scher Theologie  zusammenzusetzen  versucht  hat,  als  innerhalb  des  entschieden 
katholischen  Bekenntnisses  stehend  zu  zeigen ,  aber  nicht  ohne  die  Widersprüche 
und  gewagten  Behauptungen,  welche  bei  eingehender  Darstellimg  dieser  com- 
plicirten  und  nicht  selten  leidenschaftlichen  Thätigkeit  auf  dem  Felde  religiöser 
Reform  und  politischer  Umgestaltung  zu  vermeiden  unendlich  schwer  ist  Der 
Einfluss,  welchen  Savonarolas  Ansichten,  Schriften,  Thätigkeit,  Erinnennig 
viele  Jahre  nach  seinem  Tode,  namentlich  während  der  Umwälzung  von  1527 
bis  1530,  wie  zur  Zeit  der  Opposition  gegen  Herzog  Alexander  Medici  und 
noch  unter  Grossherzog  Franz  I.  als  der  Erzbischof  Alessandro  de'  Medici 
(nachmals  P.  Leo  XL)  sich  im  J.  1583  zum  Einschreiten  geuothigt  sah,  nicht 
auf  seinen  Orden  allein  sondern  auf  den  emstgläubigen  wie  den  enthusiasti- 
schen Theil  der  florentiner  Bevölkerung  ausgeübt  haben ,  verleiht  diesem  Manne 
für  die  letzten  Zeiten  der  Republik  Florenz  grösste  Bedeutung,  mag  auch 
in  der  Schilderung  und  Schätzung  dieses  Einflusses  auf  den  Clenis  einige 
Uebertreibung  mitunterlaufen.  Yiuc.  Marcheses  Geschichte  des  St  Marcus- 
klosters (in  dem  Prachtwerk:  San  Marco  convento  dei  Domenicani  in  Fircnzc* 
illustrato  e  inciso,  Flor.  1853)  ist  in  dieser  Beziehung  sehr  beachtenswertb. 
Der  savonarolasche  Geist  hat  in  seinem  Kloster  Jahrhunderte  lang  fortgedauert 

S.  238.  Bulle  Alexanders  VI.  über  die  Creirung  der  Herzogthümer  Ser- 
moneta und  Nepi,  »Coelestis  altitudinis  potentiae«,  vom  1.  October  1501,  bei 
(Ratti)  Storia  di  Genzano,  155.  Die  »Filii  iniquitatis«  fehlen  hier  ebenso- 
wenig wie  in  ähnlichen  Documenten  Bonifaz'  VIII.  und  IX.,   Eugens  IV.  u.  a. 

S.  250.  Cardinalat  und  Cai'dinäle.  A.  Ciacconius,  Vitae  et  res  gestae 
Pontificum  rom.  et  Cardhialium,  R.  1677,  mit  der  Forts.;  L.  Cardella,  Mc- 
morie  storiche  dei  Cardinali  della  S.  Romana  Chiesa,  R.  1792  C  Zur  Ge- 
schichte der  französischen  Cardinäle:  Frizon,  Gallia  purpurata  (bis  zum  Jahre 
1629),  Paris  1638,  Duchesne,  Histoire  des  Cardinaux  fran^s,  Par.  I66D, 
Roy,  Nouvelle  Histoire  des  Cardinaux  fran^ais,  Paris  1785  ff.  Dazu  zahl- 
reiche specielle  Werke,  die  zum  Theil  bei  Einzelnen  aufgeführt  sind. 

S.  263.  Cardinal  Ascan  Maria  Sforza.  (Ratti)  Della  fami^ia  Sforza, 
L,  78 — 91.  Sein  prachtvolles  Grabmal  im  Chor  von  Sta  Maria  dei  popolo, 
von  Andrea  Sansovino,  mit  dem  ihm  gegenüberstehenden  des  Card.  Leonardo 
Basso  della  Rovere  wol  das  schönste  dieser  Gattung,  hat  folgende  Inschrift: 

D.  O.  M. 

Ascanio  Mariae  Sfortiae  Vicecomiti 

Francisci  Sfortiae  Insubrum  ducis  filio 

Diacono  Card.  S.  R.  E.  Vicecancellario 

In  secundis  rebus  moderato 

In  adversis  summo  viro 

Vixit  aun.  L.  mens.  II.  dies  XXV. 

lulius  II.  Pontifex  maximus 

Virtutum  memor 


Anmerkimgeii. 


505 


Honestissimarum  contentionum  oblitus 
Saceilo  a  fundamentis  erecto  posuit 

MDV. 
S.  265.    Cai'diual  Giovanni   de'  Medici.     Die  Literatur   (f^   die   frühere 
Lebenszeit  namentlich  Fabroni  und  Roscoe)  folgt  beim  VIIL  Buche:  Zeit- 
alter Leos  X. 

S.  267.  Cardinal  Francesco  Soderint.  Die  Genealogie  der  aus  Gangalan di 
bei  Signa  im  uutem  Amothal  stammenden  Soderini  ist  filr  die  hier  wie  im 
VIII.  Buche  in  Betracht  kommende  Zeit  folgende: 

Lorenzo. 


Tommaso, 

florent.  Botschafter  bei  Paul  II.  1471, 

fiinfmal  Gonfaloniere ,  -|-  1484. 


Niccolo, 

letzte  flor.  Linie, 

erloschen  1840. 


Francesco, 

Bischof  von 

Volterra, 

Cardinal, 

t  1524. 


^.  _         I- 

Piero,  Paolo 

lebenslängl.  Antonio, 

Gonfaloniere  Gonfalon. 

1502,   t  1522  1497. 

Argentina  Giuliano, 

Malaspina  Bischof  von 

von  Saintes. 
Fosdinovo. 


Tommaso, 
Ritter  durch 

Leo  X. 

(Eine  seiner 

Töchter 

Mutter 

Lorenzinos 

de'  Medici.) 


Gian  Vettorio, 

mehrfach  BotschaAer 

der  Republik. 


Tommaso, 

Senator  unter 

Cosmus  I.  Med. 

I 

Alessandro, 
Römische  Linie. 


Die  florentinische  Geschichte  des  fünfzehnten  und  der  drei  ersten  Decen- 
nieu  des  sechzehnten  Jahrhunderts  erzählt  an  hundert  Stellen  von  den  Sode- 
rini. Francesco  Soderini  war  in  alle  politischen  Angelegenheiten  seiner  Zeit 
verwickelt;  es  ist  von  ihm  gesagt  worden,  wäre  er  an  seines  Bruders  Piero 
(des  Opfers  eines  machiavellischen  Epigramms)  Stelle  gestanden ,  so  würde  die 
florent.  Staatsumwälzung  von  1512  nicht  erfolgt  sein.  Er  war  ein  Kenner  der 
classischen  Literatur  und  Bücherfreund.  Zu  ihm  wurden  im  Jahre  1508  die  in 
CoiTei  aufgefundenen  fünf  ersten  Bücher  der  Annalcn  des  Tacitus  gebracht,  wor- 
über sein  Brief  an  den  flor.  Kanzler  Marc.  Virg.  Adrian! ,  Rom  1.  Jan.  1509:  »ex 
Germania  nobis  allatus  fuit  proxime  pervetustus  in  membrana  codex,  descriptus 
litteris  non  multum  distantibus  a  longobardis«.  Card.  Giovanni  de'  Medici 
kaufte  die  Handschrift  fiir  fiinf hundert  Goldgulden.  Card.  Soderini  starb  als 
Dccan  und  Bischof  von  Ostia  siebzigjährig,  nach  verschiedenen  Angaben 
17.  Mai,  17.  Juni,  17.  Juli  1524  und  liegt  in  Sta  Maria  del  popolo  begraben. 
Inschrift :  Francisci  Soderini  episcopi  Ostiensis  et  Volaterrani  depositum.  Dort 
ruht  auch  sein  ihm  um  zwei  Jahre  im  Tode  vorausgegangener  Bruder  Piero, 
denn  das  schöne  ihm  errichtete  Grabmal  von  Benedettos  da  Rovezzano  Hand 
in  dem  von  den  Soderini  erbauten  Chor  des  Carmine  in  Florenz  ist  leer.  Die 
heutigen  römisch  -  cometanischen  Soderini  (eigentlich  Roberti)  fiihren  diesen 
Namen  nur  wegen  einer  Erbschaft.  (Ademollo,  Marietta  de'  Ricci  L,  ä35  iL 
L.  Passerini,  Soderini,  in  Littas  Fam.  cel.  Ital.  Ciacconius  HI.,  203. 
Manni,  Sigilli  HI.,  15L    Tiraboschi  VI.) 

S.  268.    Cardinal  Adriano  Castellesi.    Vgl.  Anm.  zu  S.  287. 

S.  272.  Päpstliche  Hofhaltung  und  Verwaltung.  H.  Plettenberg,  No- 
titia  congregationum  et  tribunalium  curiae  romanae,  Hildesheim  1693;  Luna- 
doros,   Bangens,    Mejers,    Phillips'   (Bd.  VI.)   u.   A.   Arbeiten.      (Vgl. 


506  Aumerkuiigeii. 

Bd.  II.  S.  1175.)  Die  bedeutenderen  Schriften  über  die  einzelnen  päpstl.  Aemter: 
J.  Cohellius,  Notitia  Cardinalatus,  R.  1653;  J.  Ciampini,  De  S.  R.  E.  Vice- 
Canceliario,  R.  1697;  Amydenius,  De  officio  et  iurisdictione  Datarii,  R,  1654; 
F.  Vitale,  Memorie  dei  Tesorieri  generali,  Neapel  1782;  F.  M.  Renazzi, 
Notizie  storiche  degli  antichi  Vicedomini,  R.  1794;  J.  Catalanus,  De  Magistro 
S.  Palatii  apost.,  Rom  1751;  J.  Ciampini,  De  Abbreviatorum  dignitate,  Rom 
1691;  H.  Faber,  De  Protonotariis  apostolicis.  Bot.  1672;  F.  Buonamici,  De 
claris  pontificiarum  epistolanim   scriptoribus ,   R.   1753,  II.  Aufl.  1770. 

S.  274,    Rota  romana.    Vgl.  Bd.  II.  S.  814,  1207. 

S.  275.  Die  Palastwache.  Theiner,  Cod.  dipl.  11.,  No.  503,  m.,  No.  198; 
Cancellieri,  Possessi,  131,  278,  Novaes  VI.,  49. 

Gesandtschaften  der  Ritterorden.  Teutscher  Orden :  Joh.  Voigt,  Stimmeu 
aus  Rom  a.  a.  O. ,  50  ff.  Conrad  von  Brühl  Ordensgesandter  in  Avignon  untrr 
Clemens  V.,  Heinrich  Brunner  um  1370.  (Vgl.  J.  Voigt,  Stimmen  aus  Rom, 
8.  oben  S.  475.)  Die  Gesandtschaft  des  Johanniterordens  war  auf  die  Emkünfte 
der  Comthurei  von  S.  Jacopo  in  Campo  Corbolini  in  Florenz  angewiesen ,  welche 
Kirche  der  Orden  im  Jahre  1206  erlangt  und  bei  der  er  zu  Anfang  des  folg. 
Jahrh.  ein  Hospiz  angelegt  hatte.  Wohnung  des  Ordensgesandten  in  späte- 
ren Zeiten  in  Via  Condotti,  wo  gegenwärtig  die  Residenz  (Convent)  des  Ma- 
gisteriums.  Seit  dem  13.  Jahrhundert  besassen  die  Johanniter  das  vormalige 
Basilianerkloster,  heute  SS.  Annunziata,  beim  Arco  de'  pantani. 

S.  281.  Alaunwerke  von  Tolfa.  Erlasse  Pius'  H.  inbetreff  der  Alauu- 
gewinnung,  für  Gio.  de  Castro,  Biagio  Spinola  u.  A.  von  1461  und  1462, 
bei  Theiner,  Cod.  dipl.  HI.,  No.  365,  370,  371,  372.  Die  Bulle  für  Gio. 
de  Castro  ist  datirt  -Tibure  a.  MCCCCLXI.  X.  Kai.  Sept  Pontifl  n.  a.  III- 
wonach  die  Jahrszahl  1462  bei  dem  viterbes.  Chronisten  Niccolo  della  Tuccia 
zu  verbessern  ist  Vgl.  Pius'  H.  Conmientarien  B.  VH.  und  XIL,  185,  186, 
339.  Ueber  die  auf  die  Alaun  werke  angewiesenen,  von  Leo  X.  ereilten 
St  Petersritter  vgl.  Bonanni,  Catal.  ord.  equestr.,  R.  1706.  Andere  AJu- 
mieren  wiu'den  in  Italien  entdeckt  und  längere  Zeit  bearbeitet,  so  in  Toscaiu 
die  von  Castelnuovo  di  Val  di  Cecina  (im  Volterranischen)  welche  m  der 
zweiten  Hälfte  des  sechzehnten  Jahrh.  unergiebig  wurden,  nachdem  sie  ein 
Jahrhundeit  zuvor  einen  Streit  zwischen  Volterra  und  Florenz  veranlasst  hat- 
ten, dessen  blutiger  Ausgang  Lorenzo  de*  Medici  zur  Last  fallt,  die  von 
Monte  Leo  bei  Monte  rotondo  und  von  Montioni  in  Val  di  Comia. 

S.  287.  Die  Geschichte  des  Humanismus  im  vierzehnten  und  funÜEehnten 
Jahrhundert  hat  eine  ausserordentlich  reiche  Literatur  hervorgerufen.  Qudlen, 
ausser  Petrarcas  Briefen  (Anm.  zu  U.,  823),  Boccaccios  Schriften,  den  Briefen 
Salutatis,  Brunis,  Poggios  (Anm.  zu  H.,  1015)  und  Vespasianos  Biographien 
(Anm.  zu  n.,  1136)  bei  L.  Mehus,  Ambrosii  Traversarii  Generalis  Camal- 
dulensium  Epistolae,  Flor.  1759,  mit  einer  an  Nachrichten  und  literarischen 
Documenten  ausserordentlich  reichen  aber  nicht  leicht  zu  handhabenden  Ein- 
leitung von  weit  über  vierhundert  Folioseiten;  C.  de'  Rosmini,  Vita  diFnn- 
cesco  Filelfo,  Mail.  1808;  A.  M.  Quirini,  Francisci  Barbari  Epistolae,  Brescts 
1741,  und  den  anderen  zahlreichen  Brie&ammlungen  der  Zeit,  die  aus  ital. 
Bibliotheken  sehr  bedeutend,  nicht  blos  an  Masse  sondern  an  Stoff,  vennehrt 
werden  könnten;  G.  C.  Galletti,  Philipp!  VillaniLiber  de  civitatis  Florentiae 
famosis  civibus  et  de  Florentinorum  litteratura  principes  fere  synchroni  scri- 
ptores,  Flor.  1847.  Die  ital.  Literatur  hat  keine  Gesammtdarstellung  dieser 
merkwüi'djgeu  Bewegung.    Tiraboschi,  welcher  seltsamerweise  das  funfiEehnte 


Anmerkungen.  507 

Jahrb.  für  das  berühmteste  und  glon^ichste  der  ital.  Lit.- Gesch.  erklärt,  giebt 
in  seinem,  in  der  mail.  Ausg.  nicht  weniger  als  1772  S.  umüissenden  VI.  Bde. 
eine  Menge  biograph.  und  literai*.  Notizen ,  aber  keine  Anschauung  des  Geistes 
und  Ganges.  Seine  Nachfolger  sind  oberfl&chlich,  Cantü  muss  sich  auf  eine 
Skizze  beschranken.  Von  teutschen  Bearbeitungen,  nach  Heere ns  Geschichte 
des  Studiums  der  class.  Literatur:  C.  v.  Raum  er  im  I.  Bde  der  Geschichte 
der  Pädagogik,  3.  Aufl.,  Stuttg.  1857  ff.;  G.  Voigt,  die  Wiederbelebung  des 
classischen  Alterthums,  Berlin  1859  (von  Petrai'ca  bis  Nicolaus  V.,  woran  sich 
des  Vf.  Gesch.  Pius'  II.  in  den  Abschn.  über  Enea  Silvio  als  Schriflstellcr 
und  als  Mäcen  der  Humanisten  anschliesst) ;  J.  Schuck,  Zur  Karakteristik  d. 
ital.  Humanisten  des  vierzehnten  und  filnfzehnten  Jahrb..  Breslau  1857;  F. 
Piper,  Einleitung  in  die  monumentale  Theologie,  Gotlia  1867.  J.  Burck- 
hardts  Cultur  der  Renaissance  in  Italien,  Basel  1860,  ist  auch  für  den  der 
nicht  alle  Meinungen  des  Vf.  theilt,  ein  geistreich  lebendiges  und  anschauliches 
Gemälde  der  sittlichen  und  socialen  Zustände  und  Anschauungen  der  Zeit, 
die  für  Literatur  und  Kmist  den  Boden  bilden  und  hergeben. 

Von  ital.  Werken  über  Einzelne  kommen  ausser  den  schon  angeführten  in 
Betracht:  ApostoloZeno,  Dissertazioni  Vossiane,  Ven.  1753,  Abhandlungen 
über  die  latein.  Historiker  der  Renaissaucezeit,  in  miglücklicher  Form  aber  mit 
reichhaltigem  Material ;  Rosmini,  Vita  e  disciplina  di  Guarino  Veronesc  e  de' 
suoi  discepoli,  Brescia  1805 — 1806,  im  3.  Bande  biographische  Skizzen  von  eui- 
unddreissig  Schülern  des  Veronesers;  Ds.,  Vita  di  Vittorino  da  Feltro,  Bas- 
sauo  1801;  T.  Barbieri-Borghini,  Cenni  storici  intomo  Gio.  Antonio  e  Cc- 
sai*e  Campana,  R.  1851;  A.  Fabroni,  Pallantis  Stroctii  vita,  Parma  1802; 
Ds.,  Magni  Cosmi  Medice!  vita,  Pisa  1789;  Ds.,  Laurentii  Medicis  magnifici 
vita,  Pisa  1784;  A.  M.  Bandini,  Specimen  literaturae  florentinae  saeculi  XV., 
Flor.  1748,  vornehmlich  Geschichte  der  piaton.  Akademie  in  Form  einer  Bio- 
gi*aphie  Crist.  Landinos;  L.  Galeotti,  Saggio  intomo  alla  vita  e  agli  scritti 
di  Marsilio  Ficino,  im  Arch.  stör.  Ital.,  N.  S.  IX.  2,  X.  1;  G.  Gar- 
ducci,  Delle  poesie  toscane  di  M.  Angelo  Poliziano,  vor  der  Ausg.  von 
dessen  Dichtungen,  Flor.  1863;  G.  Ferri,  De  rebus  gestis  et  scriptis  Hadriani 
Castel.  Cardinalis,  in  dessen:  Pro  linguae  latinae  usu  Epistolae,  Faenza  1771. 
Ueber  die  venetianischen  Handschriflensammler  handelte  M.  Foscarini: 
Dei  Veneziani  raccoglitori  di  oodici,  im  Arch.  stör.  Ital.  V.,  253  ff. 

Unter  den  Werken  fremder  Literaturen  sind  zu  nennen:  C.  G.  Zumpt, 
Laureutius  Valla,  in  Schmidts  Zeitschr.  für  Gesch.,  IV.  (1845);  W.  Roscoe, 
The  life  of  Lorenzo  de'  Medici  called  the  Magnificent,  Liverpool  1795.  (Später 
wiederholt  mit  zahlreichen  Beilagen  aller  Art,  wozu  Fabroni  viel  beigesteuert 
hat,  ohne  selbständiges  polit.  .und  literar.  Urtheil,  aber  mit  reichem  Detail;  auf 
die  Beurtheilung  Lorenzos  und  der  Tendenzen  der  ganzen  Zeit  im  Auslande 
von  grösserm  Einfluss  als  Geist  und  Einsicht  des  Vf.  rechtfertigen.  Sheph'erds 
Leben  Poggios  ist  unter  dem  Einfluss  Roscoes  entstanden.)  K.  Sieveking, 
Geschichte  der  platonischen  Akademie,  Göttingen  1812;  N.  A.  Bonafous, 
De  Angeli  Politiani  vita  et  operibus,  Paiis  1845;  J.  Mähly,  Angelus  Poli- 
tianus,  Leipz.  1864.  —  H.  Ritters  Geschichte  der  Philosophie  VID.,  272  ff. 
und  Erdmanns  Grundriss  der  Gesch.  der  Plül.  I.,  502  fL  enthalten  die  Phi- 
losophie der  Renaissancezeit.  Ueber  Nicolaus  von  Cusa  (S.  255,  338),  der  ehic 
Stelle  für  sich  einnimmt,  die  Biographien  von  F.  A.  Scharpff  1843  und 
J.  M.  Düx  1847;  F.  J.  Clemens,  Giordano  Bruno  und  Nie.  von  Cusa,  Bonn 
1847;  Th.  Stumpf,  die  politischen  Ideen  des  N.  v.  C,  Cöln  1864.  Erd- 
mann a.  a.  O.  I.,  457  ff.;  G.  Voigt  in  Pius  U. 


508  Anmerkungen. 

S.  291.  Niccolo  Acciajuoli.  Der  Grossseneschal  war  jedenfalls  ein  sehr 
merkwürdiger  Mann.  Dieser  florentinische  Kaufmann  der  in  einem  Feudal- 
Staat  die  höchste  Autorität  erlangte  und  in  Griechenland  ein  erbliches  Fürsten- 
thum  gründete  (vgl.  Anm.  zu  S.  111),  schrieb  in  Palermo  während  der  Un- 
ruhe und  Sorgen  einer  von  ihm  geführten  Kriegsoperation  eine  Kreuzzagge- 
schichte in  französischer  Sprache,  und  gab  Petrarca  zu  dem  Ausspruch  Anlass, 
die  Beredsamkeit  sei  vielmehr  Naturgabe  als  durch  Studium  zu  erlangen.  Vgl. 
Matteo  Palmieri,  VitaN.  A.,  bei  Muratori,  R.  Ital.  Scr.  XIII.;  L.  Tau- 
fan i,  N.  A.  Flor.  1863. 

S.  291.  (S.  363.)  Inschriftensammler  des  fünfzehnten  Jahriiunderts.  G.  B. 
de  Rossi,  Le  prime  raccolte  d'antiche  Iscrizioni  compilate  in  Roma  ec.  Ds., 
I  fasti  municipali  di  Venosa,  im  Giom.  arcad.  13'^;  L.  Mehus  in  der  Vorrede 
zu  Ambrogio  Traversaris  Briefen  und  in  jener  zum  Itinerarium  Ciriacos  von 
Ancona;  Scip.  Maffei  in  der  Verona  illustrata;  Tiraboschi  im  6.  Tbeile  der 
Storia  della  Letteratui-a  Italiana.  Vgl.  »Del  Corpus  Inscriptionum  latiDarum 
intrapreso  per  cura  della  R.  Accad.  delle  Scienze  di  Prussia«  im  Arch.  stör. 
Ital.  N.  S.  Vn.,  2. 

S.  294.  Die  päpstlichen  Geheimschreiber.  Fil.  Buonamici,  De  claris 
pontificiarum  epistolarum  scriptoribus,  R.  1753,  11.  Aufl.  1770.  Tiraboschi 
V. ,  2 ,  963  ff.  Buonamicis  sonst  verdienstliche  Arbeit  bedarf  mancher  Ergän- 
zimgen. 

S.  297.  Dietrich  von  Niem  und  Gobelin  Person.  Vgl.  Band  II. ,  S.  1212. 
(Anm.  zu  S.  1015.)  Evelt,  Gelehrte  Westphalen  aus  der  ersten  Hälfte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts ,  in  der  Zeitschrift  für  westphäl.  Gescliichte  und  Alter- 
thumskunde  III.,  1,  281  ff.  Inwiefcmc  die  neuercüngs  gelteudgemachte  An- 
sicht, Dietrichs  Schriften  über  die  Zeit  des  Schismas  seien  stark  interpolirt« 
begrilndet  ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 

S.  298.    Herman  Dwerg.    Evelt  a.  a.  O. 

S.  306.  Cardinal  Giordano  Orsini.  Fr.  Sansovino,  Uomini  illuMri 
della  Casa  Orsina,  4;  L.  Mehus,  Ambros.  Trav.  Epist. ,  XL.  ff.,  CCCXCVII. 
wo  Lapos  da  Castiglionchio  Vorrede  zur  Uebers.  des  Lebens  des  Poplicola. 
Seine  Büchcrsammlung :  Marini,  Archiatri  pont,  11.,  130,  Tiraboschi  M., 
210,  Mignanti  I.,  104,  105,  wo  auch  über  die  Bibliothek  der  vatican.  Ba- 
silika.   Seine  Wohnung:  Adinolfi,  Via  papale,  90  ff. 

S.  308.  Lebensbeschreibungen  oder  vielmehr  Karakteristiken  der  Cardi- 
näle  Albergati,  Cesarini,  Capranica,  in  den  Vite  des  Vespasiano  (123,  126, 
140)  und  bei  Ciacconius  IL  849,  861,  832.  Ueber  Albergati  (s.  oben 
S.  111,  112):  Fantuzzi,  Scrittori  bolognesi,  Bol.  1781  ff,  L,  99  fil  üeber 
Cesarini  (s.  oben  S.  80  ff.):  Poggios  Gedäc^tnissrede ,  theilweise  bei  Me- 
hus, Vita  Ambros.  Camald.,  CCCCXIX  ff.,  Traversaris  Briefe  ib.  pas- 
sim,  (Ratti)  Della  Famiglia  Sforza  U.,  253  ff.  Ueber  Capranica:  (M.  Ca- 
talani)  De  vita  et  scriptis  Dominici  Capranicae  Card,  commentarius,  Fenno 
1793,  mit  zahlreichen  Documenten  und  einer  Abhandlung  »De  Cardinalibus 
creatis  nee  promulgatis.«  Ueberdies  alle  Schriftsteller  über  das  baseler  Conril 
und  die  kirchl.  Angelegenheiten  der  Zeit,  neuerdings  G.  Voigt  in  s.  PiusII. 
Ueber  Gregorio  Correr  (Vespasiano,  236),  vgl.  Anm.  zu  Bd.  IL  llö. 
Ueber  Leonardo  Dati  S.  Salvini  Leben  dess.  bei  L.  Mehus,  Leon.  Daii 
Epistolae,  Flor.  1743.  Mehus'  Ausg.  der  Briefe  Traversaris  und  sein  den- 
selben beigegebenes  Leben  des  Camaldulensergenenüs  sind  eine  unerschöpf- 
liche Fundgrube  von  Nachrichten  über  die  Literaten  dieser  Zeit. 

S.  320.     Was    das  an   Cruditäten  und  Nuditäten  gewohnte  litenuisehe 


Anmerbmgen.  509 

Quattrocento  nicht  gewagt  hatte,  den  Hermaphroditus  zu  drucken,  wagten  im 
letzten  Decennium  des  vorigen,  im  dritten  unseres  Jahrhunderts  ein  französi- 
scher Abbe  anonym  (wenn  ja  die  Behauptung,  Mercier  Abbe  de  St.  Leger  sei 
Herausgeber  der  »Quinque  illustrium  poetarum  lusus  in  Venerem«,  Paris  1791  — 
vgl.  Brunet  IV.  1021  —  begründet  ist),  ein  teutscher  Philolog  mit  seinem 
vollen  Namen:  •  An  ton  ii  Panormitae  Hermaphroditus.  Primas  in  Germania 
edidit  et  apophoreta  adiecit  Fridcr.  Carol.  Forbergius«,  Coburg  1824.  Mit 
liebevollster  Sorgfalt  hat  Letzterer  aus  allen  alten  Autoren  über  die  sogenaimte 
Ars  amandi  und  aus  Bildwerken  eine  Menge  schmutziger  Erläuterungen  seines 
schmutzigen  Autors  zusammengetragen,  mit  der  gewohnten  Entschuldigung  für 
den  »pudor  omnis  positus-,  er  sei  «imllus  in  artibus  et  disciplinis,  nullus  in 
re  seria,  nullus  in  lingua  ab  usu  communi  remota*.  So  rechtfeiligt  sein  Buch 
in  doppelter  Beziehung  Maffeo  Vegios  Invective  gegen  den  Panormita: 

»Plaudite  lenones,  meretrices  plaudite  testes, 
Quam  bene  membrosus  Hermaphroditus  adest.« 

S.  324.  Die  Homer -üebersetzcr.  Ap.  Zeno,  Dissertazioni  Vossiane  L 
210  ff:,  Tiraboschi  VL,  1217  0".  —  Vgl.  unten  Anm.  zu  S.  349.  (Niccolo 
deUa  Valle.) 

S.  331.  (S.  352  01)  Vaticanische  Bibliothek.  S.  E.  Assemani  und 
S.  A.  Assemani,  Bibliothecae  apost.  Vaticanae  Codd.  mss.  catalogus, 
R.  1756 — 1759,  in  der  Einleitung;  G.  Mariui,  Memorie  storiche  degli  Ar- 
chivi  della  SS.,  nebst  C.  Ruggieri,  Mem.  stör,  deila  Bibl.  Ottoboniana,  her- 
ausg.  von  A.  Mai,  R.  1825;  F.  Blume,  Iter  Italicum  lU.  (Halle  1830), 
13—114;  Rostell,  in  der  Beschreib,  d.  St.  R.  H.,  2.  303  —  323;  D.  Zanelli, 
La  Bibl.  Vat.  dalla  sua  origine  fino  al  prcsente,  R.  1857  (vgl.  Arch.  stör. 
Ital.  N.  S.  Vin.,  1.);  C.  Greith,  Spicilcgium  Vaticanum,  Frauenfeld  1838, 
3 — 18,  über  Catalogc  und  Repertorien.  Die  Werke  von  Muzio  Pansa,  R. 
1590  mid  Angelo  Rocca,  R.  1591,  über  die  Vaticana  Sixtus*  V.,  sind  haupt- 
sächlich der  Beschreibung  des  gegenwärt  Locals  gewidmet,  worüber  Beschr. 
d.  St.  R,,  IL,  2.  323  —  337,  wo  über  Handschriften  und  Miniaturen  337—363. 

S.  340.  (S.  350.)  Pomponio  Leto  und  die  Accademia  Romana ,  übersichtl. 
bei  Tiraboschi  VI.,  1.  (Bd.  7)  158  0".,  Ap.  Zeno,  Dissertazioni  Vossiane 
II.  232  ff:  A.  M.  Quirini,  Vita  et  vindiciae  Paulli  IL,  R.  1740,  wo  des 
Michael  Cannens.  Leben  Pauls,  auch  bei  Muratori,  R.  LS.  III.,  2., 
Piatina  im  Leben  P.  IL,  mit  welchem  s.  Papstbiographien  enden.  Die  Spuren 
der  Akademiker  in  den  Cömeterien:  De  Rossi,  Roma  cristiana  sotteiT.  L,  2  ff., 
wo  auf  Card.  Fed.  Borromeos  Samml.  von  Nachrichten  über  die  rom.  Akad. 
in  einem  Ambros.  Cod.  verwiesen  ist  Apologie  des  P.  Leto,  in  der  Engels- 
burg den  Richtei-n  vorgelegt.  Cod.  Vat  2934.  I. 

S.  345.  Die  noch  nicht  vollständig  aufgehellte  Geschichte  der  florentini« 
sehen  Accademia  del  piano  bildet  ein  interessantes  Kapitel  in  der  Gelehiten- 
geschichte  des  16.  Jahrhunderts,  die  in  diesem  Falle  mit  der  politischen ,  speciell 
mit  der  Geschichte  der  Opposition  gegen  die  Medici,  aufs  engste  zusammen- 
hängt Das  vornehmste  Document  dieser  Geheimbündlerei  ist  die  wegen  ihrer 
eonventionellen  Sprache  und  ihrer  vielfachen  personlichen  Beziehungen  schwer- 
verständliche Apologia  dei  Cappucci  des  Jacopo  Pitti,  gedruckt  im  2.  Bde. 
der  Vite  di  illustri  ItaHani,  270—384  (Arch.  stör.  Ital.  IV.,  2.).  Vgl.  Pittis 
Istoria  fior.  XXXVI.  ff:  Ein  eigenthümliches  Product  eines  flor.  Senators ,  der 
diese  Apologie  freilich  geheimhielt. 

S.  346.  Römische  Typographie.  A.  M.  Quirini,  Liber  singularis  de 
optimomm  scriptorum  editionibus  quae  Romae  primum  prodierunt.    Lind.  1761. 


510  Anmerkungen. 

J.  B.  Audiffredi,   Catalogus  historico - criticus   romanarum   editionum  saec. 
XV,,  R.  1783. 

Des  Lactantius  Firmianus  Buch:  De  divinis  nommibus  hat  am  Schlüsse 
folgende  Inschrift: 

Hoc  Conradus  opus  Sweinheim  cum  ordine  roiro 
Amoldusque  simul  Pannartz  una  aede  colendi 
Gente  theutonica  Romae  expediere  sodales. 

In  domo  Petri  de  Maximo  MCCCCLXVm. 

Der  Bischof  von  Aleria  Gio.  Antonio  Bussi  versah  die  Massimoschen 
Drucke  mit  folgendem  Sinngedicht: 

Aspicis  illustris  lector  quicumque  libellos, 

Si  cupis  artificum  nomina  nosse,  lege. 
Aspera  ridebis  cognomina  teutona,  forsan 

Mitiget  ars  musis  inscia  verba  virum. 
Conradus  Suueynheym ,  Amoldus  Pannartzque ,  magistri 

Romae  impresserunt  talia  multa  simul. 
Petrus  cum  fratre  Francisco  Maximus,  ambo 

Huic  operi  optatam  contribuere  domum. 

Ueber  Bemardo  Cennini,  den  florentin.  Lettemgpesser  und  Drucker, 
A.  M.  Bandini,  Spec.  lit  flor.  ü.,  190  ff.  F.  Fantozzi,  Notizie  biognüche 
di  Bern.  Cennini,  Flor.  1839. 

S.  347.  Aldo  Pio  Manuzio.  D.  M.  Manni,  Vita  di  Aldo  Pio  Mamizio, 
Venedig  1749;  A.  Rcnouard,  Annales  de  rimprimcrie  des  Aldes,  3.  Aufl., 
Paris  1834;  J.  Schuck,  Aldus  Man.  und  seine  Zeitgenossen,  Beri.  1862: 
Armand  Bas  che  t,  Aldo  Manuzio.  Lettres  et  Documents  1495  — 1515,  Ve- 
nedig 1867.  Dies  Büchlebi  enthält  eine  Reihe  Urkunden  aus  den  Archiven 
von  Venedig  und  Mantua,  so  über  die  Aldiuische  Druckerei  und  den  Büdicr- 
verkauf  wie  über  einen  unangenehmen  Vorfall  der  dem  Aldo  im  J.  1506  aii 
der  mantuanischen  Grenze  bege^ete ,  wo  er  von  den  Zollbeamten  verhaftet  und 
erst  durch  Dazwischentreten  des  Markgrafen  befreit  wurde.  Das  Testament 
vom  16.  Jan.  1515  findet  sich  nebst  einer  Reihe  von  Erläuterungen  beigefugt.  — 
Am  Hause  wo  die  Aldinische  Druckerei  sich  in  Venedig  befand,  beim  Campo 
S.  Agostino,  liest  man  folgende  Inschrift: 

Manuela,  gens.  eruditor.  nem. 
Ignota.  hoc.  loci,  arte 
Tipographica.  excelluit 

Die  Annahme  der  Verwandtschaft  der  Alden  mit  den  florentinischen  Man- 
nucci  Benincasa,  die  mit  der  Familie  der  h.  Caterina  von  Siena  zusammenhangen 
sollen  (AdemoUo,  Marietta  de'  Ricci,  IL,  633),  entbehrt  aller  Begründung. 
Aldos  Name  Pio  wurde  ihm  von  den  Grafen  von  Carpi  verliehen. 

S.  348.  Francesco  de'  Massimi.  Camillo  Massimo,  Sopra  una  iiio<iitt 
niedaglia  di  Francesco  Massimo,  R.  1860.  Wie  alle  Schriften  des  kenntniss- 
reichen  Verf.  voll  dankenswerther  Nachrichten  über  die  Geschichte  Roms.  I>i« 
Medaille  zeigt  das  Bild  Fr.  M.  mit  der  Umschrift:  Franciscus  Max.  miles  at- 
u.  i.  doc,  auf  der  Kehrseite  eine  über  eine  Flanune  gehaltene  Hand  mit  den 
Worten :  Pro  patria.  Die  Genealogie  der  hier  in  Betracht  kommenden  Massimi 
(vgl.  Litta,  in  den  Farn.  cel.  Ital.  und  obige  Schrift  S.  6)  ist  wie  folgt: 


Anmerkungen .  511 

Francesco, 
Sohn  des  Lello,   S.  des  Andrea,  S.  des  Pietro,  S.  des  Massimo,  Mitte 

14.  Jahrh. 

I 

Lello, 
stellvertret  Senator  1418,  f  1420. 


Massimo,  Francesco, 

Conservator  1454,  f  1465.  f  vor  1461. 

I ' 1  I 

Pietro,  Francesco,  Paolo,  f  1477. 

t  1489  t  1471  I 

(die  beiden  Forderer  der  Typographie).  Francesco, 

I  Ritter  u.  Doctor,  f  1498. 

Domenico,  -f*  bald  nach  1527.  | 

(  Mario,  t  1497 

Angelo,  f  1550.  sss  Margherita 

r^  — I  d'Estouteville. 

Fabrizio,  Tiberio, 

I/inie  von  A  r  s  o  1  i.   Linie  von  R  i  g  n  a  n  o. 

S.  349.  Niccolo  della  Valle.  Mariui,  Archiatri  pontif.  1.,  122;  Audi- 
fredi,  Cat  rom.  edit.  etc.  76,  161,  407,  416  (die  Ilias,  gedruckt  in  domo 
lohannis  Philippi  de  Lignamine  Messan.,  Februar  1474);  Tiraboschi  VI., 
1218.  Gian  Pierio  Valeriani,  De  litteratorum  infelicitate  und  Paolo  C or- 
te se.  De  hominibus  doctis,  erwähnen  des  Junggestorbenen.  Inschrift  in  Ara- 
celi  (P.  Casimiro  206,  Forcella  145): 

D.  Nicoiao.  de.  Valle.  legum.  doctori.  Ba 
silicae.  principis.  apostolorum.  canon 
ico.  Lelius.  in.  memoriam.  dulcissimi.  filii. 
posuit.  Hie.  in.  vita.  sua.  nulli.  maledixit 
sine,  voluntate.  parentis.  nihil,  fecit 
magno,  et.  cxcelleuti.  damit  ingeni 
o.  Iliadem.  Homeri.  et  Hesiodum.  heroic 
o.  carmine.  in.  latinum.  vertit  obiit  pr 
imo.  iuventutis.  flore.  maxima.  omn 
ium.   mestitia 

MCCCCLXXm  VI  Kl  Octobris 
S.  349.  Bessarions  Bibliothek  erlitt,  wie  die  Mehrzahl  der  Bibliotheken, 
mancherlei  Schicksale  bevor  sie  ihre  gegenwärtige  Stelle  in  Venedigs  Marciaiia 
einnahm.  Zeugniss  davon  giebt  ein  Brief  Olambatista  Ramusios  an  den  Sc- 
cretär  des  Dogen,  Benedetto  Ramberti,  bei  der  nach  Card.  Bembos  Voi-schrift 
stattgefundenen  Uebergabe,  31.  Aug.  1543,  bei  Cicogna,  Inscrizioni  Vcneziaue 
V.,  309.  Vierzig  Jahre  lang,  erzäiiltRamusio,  lagen  die  Handschriften  in  offenen 
aiifeinandergestapelten  Kisten  in  einem  Känmierchen  des  Palastes,  wo  viele 
abhanden  gekommen  waren,  manche  nicht  wiedererlangt  wurden  imgeachtet 
eines  päpstl.  Breves,  welches  Jeden  der  das  Entlehnte  nicht  wiedergab  mit 
dem  Bann  bedrohte.  Eine  Zahl  von  Papyrus  aus  Bessarions  Sammlung  sieht 
mau  heute  in  |der  Marciana.  Verzeichniss  der  Sammlung  bei  Tommasini, 
Blbliothecae  Venetae  manuscripta,  Udine  1650,  31  ff.,  Lami,  Deiiciae  erud. 
Vm.,  728.  Vgl.  Morellis  Abhandl.  über  die  Marciana  in  dessen  Operette, 
Ven.  1820,  L,  35. 


512  Anmerkungen. 

S.  350.  Sigismondo  de'  Conti,  aus  der  Familie  der  Conti  von  Antignano 
(nicht  jener  von  Segni  imd  Valmontone  wie  man  wol  irrig  angegeben  findet), 
einer  der  Abbreviatoren  und  seit  Paul  II.  von  den  Päpsten  vielfach  gebraucht, 
gestorben  gegen  1512.  (Grabschrifl  bei  P.  Casimiro,  Memorie  d'Amceli, 
143,  und  bei  Y.  Force  IIa.  Isciizioni  ec.  I.  Campidoglio,  Parte  2.  Sta  Maria 
in  Aracoeli  [R.  1867]  No.  678.)  Giustiniano  Pagliarini  hatte  die  Herausgabe 
der  lateinisch  geschriebenen  Geschichte  seiner  Zeit  in  19  Büchern  vorbereitet; 
in  unserer  Zeit  hatte  March.  Giuseppe  Melchiorri  den  grossem  Theil  nebst 
einer  von  Domenico  Zanelli  gefertigten ,  übrigens  ziemlich  überflüssigen  Uebcr- 
setzung  schon  gedruckt,  als  erst  das  J.  1848,  dann  Melchiorris  Tod  hem- 
mend eintraten.  Manuscript  und  Gedrucktes  liegen  wenn  ich  nicht  irre  in 
der  Stamperia  camerale. 

S.  353.    L.  A  r  i  o  s  t  o  Satira  VIT. : 

»Di  libri  antichi  anco  mi  puoi  proporre 
U  numer  grande,  che  per  pubblico  uso 
Sisto  da  tutto  '1  mondo  fe  raccorre.« 

S.  355.  Die  Schilderung  der  greulichen  Geschmacksverwimmg  welche  im 
Gefolge  der  einseitigen  humanistischen  Bestrebungen  in  Italien  einzureissen 
drohte,  gehört  in  die  allgemeine  Literaturgeschichte.  Leonardo  Datis  Hexa- 
meter zeigen  auf  welchem  Wege  die  italienische  Poesie  inmitten  des  Dranges 
der  Alterthumsei'wecker  war.  Vgl.  L.  Mehus  in  der  Einleitung  zu  Traver- 
saris  Briefen,  CLXXVI;  Poliziano,  Le  Stanze,  l'Orfeo  e  le  Rime  illustr.  da 
G,  Carducci,  Flor.  1863,  XIX.  ff.,  L.  B.  Alberti,  Operc  ed.  A.  Bonucci, 
Flor.  1843,  I.,  C.  Cantü,  Storia  della  Letteratura  Italiana,  133  ff. 

S.  360.  Bemardo  Rucellai.  L.  Mehus,  Ambros.  Travers.  Epist  LV, 
LVLff.;  Tiraboschi  VL,  155,  301,  958,  959,  1038;  L.  Passerini,  Gc- 
nealogia  e  storia  della  famiglia  Rucellai,  Flor.  1861,  122  ff.  Das  Werk:  De 
Urbe  Roma  bei  (Manni)  Rerum  Ital.  Script.  11.,  755  ff.  In  der  Marucelliana 
zu  Florenz  ausfiilirl.  Commentar  Ant.  Fr.  Goris,  Cod.  A.  282.  Von  Rucellai« 
(geb.  1448,  gest.  1514)  übrigen  Schriften  gehört  hierher:  De  hello  italico  cora- 
mentarius  (die  Expedition  Carls  VIII.) ,  London  (Flor.)  1733,  und  die  Oratio  de 
Tifematibus  auxilio  adferendo,  bei  Gelegenheit  des  Krieges  Sixtus'  IV.  gegen 
Citta  di  Castello,  ebds.  am  Schlüsse.  Bemardos  Sohn  Giovanni,  unter  Leo X. 
oflgenannt,  war  der  Verfasser  des  Lehrgedichts  Le  Api  und  der  Tragödie 
Rosmunda.  —  Ueber  die  Orti  Oricellari  L.  Passerini,  Curiosita  storico- 
artistiche  fiorentine,  Flor.  1866,  I.  57  ff. 

S.  361.  Adriano  Castellesi.  G.  Ferris  Schrift  über  sein  Leben  und 
seine  Schriften,  vgl.  Anm.  zu  S.  287. 

S.  362.  Die  falschen  Regionarier,  Publius  Victor  und  Sextus  Rufus.  Vgl. 
Bd.L,  S.  629,  795,  810;  Beschreibung  d.  St.  R.  L,  173  ff.,  m.,  1.  662.  Die 
einleitende  Abhandlung  in  L.  Prellers  Regionen  der  Stadt  Rom,  Jena  184ti, 
verfolgt  die  Geschichte  der  intei-polirenden  Compilation,  aus  welcher  der  spatere 
als  ein  Werk  der  Kaiserzeit  acceptirte  Text  hervorging.  Dem  Namen  de» 
S.  Rufus  begegnen  wir  zuerst  bei  Biondo  Flavio,  der  ein  von  ihm  in  einer 
Hs.  von  Monte  Cassino  benutztes  Exemplar  der  Notitia  diesem  Autor  zuschrieb, 
dessen  Breviarium  rerum  gestarum  populi  romani  (Bahr,  Ge^ch.  d.  röiiL 
Lit.  IL,  192)  vorausging.  Der  sogenannte  Publius  Victor,  eigentlich  S.  Aureliiis 
Victor  (Bahr  a.  a.  O.  II.,  186),  erscheint  zueret  bei  Giano  Parrasto  zu  Anftng 
des  16.  Jahrhunderts.  Den  bedeutendsten  Antheil  an  der  den  Text  dieseji 
Victor  bildenden  Interpolation  hatte  w^ol  Pomponio  Leto;  der  erste  Abdrwk 
war   von    1510,    mit   Letos    schon   erwähnter  Topographie.      Der  Text  des 


Anmerkungen.  513 

sogenannten  S.  Rofus,  sowie  er  in  dem  Druck  von  1558  und  später  vorliegt, 
ist  von  Onofiio  Panvinio. 

Ueber  ein  ilteres  topographisches  Monument  anderer  Art,  den  fragmen- 
tirten  sogenannten  capitolinischen  Stadtplan  (vgl.  Bd.  L,  S.  579,  80;  Canina, 
Indicaz.  topografica,  25 — 90),  sind  in  neuester  Zeit  von  zwei  Seiten  her  schone 
Untersuchungen  angestellt  worden.  Von  H.  Jordan  in  dem  Monatsbericht 
der  k.  preuss.  Akademie  der  Wissensch.  1867,  526 — 548,  von  6.  B.  de  Rossi 
in  dem  Bullettino  di  archeol.  crist.  1867,  No.  5,  bei  Gelegenheit  der  Auffin- 
dung neuer  Fragmente  des  Plans.  Aus  diesen  Untersuchungen  ergiebt  sich 
mit  Gewissheit  dass  der  unter  Pius  IV.  entdeckte ,  zuerst  von  dem  talentvollen 
toscanischen  Architekten  Gio.  Antonio  Dosio  gezeichnete  Plan  nicht  zum  Fuss- 
boden  der  Kirche  SS.  Cosma  e  Damiano  verwendet  war  (wonach  die  ange- 
führte Stelle  Bd.  I.  zu  verbessern  ist),  sondern  zum  Schmuck  der  äusseni 
Wand  eines  hinter  der  Absis  dieser  Kirche  gelegenen  nach  dem  Forum  pacis 
blickenden,  seit  Urbans  VHI.  Zeit  nur  noch  theil weise  erhaltenen  Raumes 
diente,  auf  welchen  auch  Canina  (a.  a.  O.  131  — 133)  hinweist  und  der,  ur- 
sprünglich mit  dem  vordem  Raum,  der  nachmaligen  Kirche  zusammenhangend 
wahrscheinlich  ein  unter  Sept.  Severus  hergestellter  Theil  des  unter  Commodus 
abgebrannten  Forums  war.  Onofrio  Panvinio  erwähnt  in  der  bei  Mai, 
Spicilegium  rom.  Vlil. ,  634  abgedruckten  umgearbeiteten  Vorrede  zu  der  beab- 
sichtigten Gesammtausgabe  seiner  antiquar.  Schriften  (Canina  a.  a.  0.  27; 
Jordana.a.0.  528)  die  Fragmente  seien  «a  Torquato  comite,  campi  possessore, 
Alexandro  cardinali  Famesio  dono  data«.  Es  handelt  sich  hier,  was  Jordans 
Aufgabe  ferne  lag,  um  Torquato  de'  Conti,  den  Erbauer  der  Villa  Catena  bei 
Poli,  welchen  seine  kriegerische  Laufbahn  weit  über  Italiens  Gi*enzen  hinaus- 
führte. Durch  seine  Gemalin  Violante  Famese  war  er  mit  der  Familie  Pauls  III. 
verschwägert,  wie  er  denn  auch  mit  Card.  Alessandros  Geheimschreiber  Anni- 
bal  Caro  in  vertrautem  Briefwechsel  stand.  (P.  E.  Visconti,  Memorie  e 
descrizione  della  villa  detta  la  Catena,  R.  1850,  16  ff.)  Das  heute  von  der 
Via  Alessandrina  durchschnittene  Grundstück  hinter  der  Kirche  SS.  Cosma  e 
Damiano  hing  damals  ohne  Zweifel  mit  dem  alten  Besitzthum  der  Conti,  der 
Localität  ihres  berühmten  Thurmes  zusammen. 

Zur  Ergänzung  des  Bd.  U.,  S.  73  über  die  Kirche  SS.  Cosma  e  Damiano 
Gesagten  möge  hier  stehn ,  dass  die  von  Felix  IV.  gebaute  Absis  der  heutigen 
Kirche  das  erwähnte  oblonge  antike  Viereck,  welches  im  6.  Jahrhundert  viel- 
leicht eben  nach  dem  in  die  Wand  eingelassenen  Mannorplan  den  Namen 
eines  Templum  Romae  führte,  in  zwei  Hälften  theilte.  Die  drei  in  der  Absis 
angebrachten  Oeffiaungen  lassen  vemmthen  dass  der  Raum  hinter  derselben 
das  Matroneum  war.  Die  runde  Vorhalle,  der  Romulustempel ,  auch  Renms- 
tempel  genannt,  wurde  schon  von  Canina  auf  jenen  Sohn  des  Maxentius 
bezogen ,  welchem  der  Vater  auch  an  der  Via  Appia  in  der  Nähe  seines  Circus 
ein  Heiligthum  errichtete.  Dass  diese  Rotunde,  welche  eine  reiche  Säulcn- 
fa^ade  hatte,  nach  Constantins  Siege  dem  ersten  christlichen  Kaiser  vom  Se- 
nate geweiht  wurde,  ergiebt  sich  aus  einer  noch  in  Abschrift  vorhandenen 
Inschrift.  Vgl.  de  Rossi  a.  a.  0.  Die  Umwandlung  der  Fa^ade  ist  in  Ur- 
bans VHI.  Zeit  erfolgt. 

S.  363.  Die  Mädchenleiche  an  der  Appia,  Infessura,  1951;  Nanti- 
porto,  1094;  Francesco  Matarazzo  (Maturanzio),  Cronaca  della  cittä  di 
Perugia,  2.  180. 

S.  364.  Rechtswissenschaft  in  Italien  im  15.  Jahrhraidert,  Savigny,  Rom. 
Recht  im  M.  A.  VI.  259  ff.,  Einwirkung  des  Humanismus  ebds.  419  ff. 

T.  Rcumont,  Kom.    III.  33 


514  Aimiei'kiiiigen. 

S.  364.  Der  Herciilestempel  am  Forum  boariuin ,  vgl.  Band  I.,  S.  13,  797. 
G.  B.  de  Rossi  in  den  Annali  dell'  Ist  di  corr.  arch.  XXVL,  wo  ein  Facsi- 
milc  von  Baidassar  Peruzzis  Zeichnung.  —  Andreas  Fulvius  lässt  in  einem 
an  Leo  X.  gerichteten  Poem,  bei  Mazocchi,  Antiquaria  Urbis,  R.  1513, 
die  Ära  maxima  von  Sixtus  IV.  zerstört  werden : 

Stabat  et  ad  Circum  quae  maxima  dicitur  ara, 
Numinis  eiusdem  quondam  celeberrima  votis, 
Unde  canes  muscaeque  aberant  formidine  clavae, 
Quae  posita  ad  postes  limen  servabat  opacum. 
Uanc  Sixtus  quartus  quondam  a  radicibus  imis 
Funditus  evertit,  qua  nudo  corpore  Signum 
EfTossum  fuit  et  Tarpeio  in  monte  locatum 
Conservatorum  dextra  intra  limina  tectis 
Aereus  Aleides  et  clava  notus  abena. 
S.  369.    Die  Kunst  des  fünfzehnten  Jahriiunderts.     Ausser  Vasari  (auf 
den  hier  immer  nach  der  flor.  Ausg.  mit  Anmerk.  von  V.  Marchese,  G.  u. 
C.  Milanesi,  C.  Piui,  bei  F.  Lemonnier  1846  ff.  verwiesen)  kommen  nament- 
lich in  Betracht  des  Anonymus  Vita  di  Fil.  Brunellesco  (vgl.  S.  370)  mit  der 
des   Baldinucci   herausg.    von    D.    Moreni,   Flor.  1812,   L.    B.  Alberti, 
Ti*actat  von  der  Architektur,  lat.  und  ital.,  G.  della  Valle,  Lettere  Senesi, 
R.  1782  ff.,  Francesco  di  Giorgio  Martini,  Trattato  d'Architettura  ed. 
C.  Promis,  Turin  1841,  die  Urkundensammlungen  von  Joh.  Gaye  (Carteggio 
iuedito  d'Artisti,  Flor.  1839 — 1840)  u.  G.  Milanesi  (Documenti  dell*  Arte  Senese, 
Siena  18.^)4 — 1856)  nebst  dem  in  anderen  Sammlungen,  der  Bottari-Ticozz i- 
sehen,  der  Gualandi sehen,  bei  Th einer  u.  A.  Zerstreuten.  —  In  die  reiche 
neuere  Literatur  einzugehn  ist  hier  nicht  der  Ort.     Die   grosseren  ital.  Werke« 
Lanzi,  Rosini  f&r  die  Malerei,  Cieognara  fUr  die  Sculptur,  A.  Ricci  für 
die   Architektur,  sowie   Fr.  Miliz ias    Memorie  degli  Ai'chitetti,  bieten  ver- 
hähnissmässig  geringes  Detail.   Die  teutsche  Literatur  hat  vornehmlich  Rumobr. 
Kuglers  Geschichte   der  Malerei  und  dessen  von  W.  Lubke  umgearbeitetes 
Handbuch    der   Kunstgeschichte    zum   Behuf  der  Uebersicht,    Jakob  Burck- 
hardts  Geschichte  der  ital.  Baukunst  der  Renaissauce  (als  erste  Abth.  des 
IV.  Bandes  von   Kuglers   Gesch.   der  Baukunst,    Stuttg.   1867)   aufzuweisen 
welche  letztere   einen  ausserordentlichen  Reichthum   an  Thatsacheu  und  An- 
schauungen, oft  etwas  zu  skizzenhaft,  enthält.   P er kins' Geschichte  der  Sculp- 
tur war  mir  nicht  zur  Hand.     Crowes  und  Cavalcaselles  History  of  Paiot- 
uig  in  Italy,   Lond.  1864 — 1866,  ist  jedenfalls  ein  Fortschritt  auch  im  Detail 
der  Forschung,  wenn  man  gleich  nicht  überall  zustimmen  kann.    Eine  Menge 
hiehergehöriger  Nachrichten   liefern   die  Papstbiographien  mid  übrigen  ^etch- 
zcitigen  Historiker. 

Für  römisches  Bauwesen  (vgl.  weiter  unten  über  Pius  H.,  Sixtus  IV.  u.  s.  w.) 
speciell  von  Vasaris  Biographien:    Giuliano  da  Majano    IV.,   1,   L.  B.  AI- 
berti  IV.,  52,  Baccio  PintcUi  (Pontelli)  IV.,  135,  Francesco  di  Giorgio  IV., 2M, 
Bemardo  Rosselliui  IV.,  220,    Bramante  VII.,  124,   Giuliano   und  Antonio  da 
San  Gallo  VII.,  209;  A.  Ferri,  L'Architettui-a  in  Roma  nei  secoli  XV.  e  XM-, 
R.  1867  (bis  jetzt  niu*  die  Zeit  Sixtus' IV.);  L.  Pungileoni,  Memoria  intorao 
alla  vita  ed  alle  opere  di  Douato  o   Donnino  Bmmante,  R.  1836;  Pereier 
und  Fontaine,  Palais,  niaisous  et  autres  edifices  modernes  a  Rome,  Paria 
1798;  Letarouilly,    Edifices  de  Rome  modenie,    Paris   1825 — 1857,    bride 
Werke  freilich  fir  das  sechzehnte  Jahrh.  und  die  Folgezeit  weit  reicher  als  für 
das  fünfzehnte,  was  in  der  Natur  der  Saciic  liegt,  wie  es  denn  in  Ferri cris 


Anmerkungen.  515 

Palazzi  di  Roma  und  anderen  ähnlichen  Werken  in  noch  grösserm  Maaflse  vor- 
kommt Von  besonderm  Literesse,  nicht  fiir  Kunstgeschichte  allein,  ist  die 
Saimnlung  der  Grabmale  und  Monumente  des  Quattrocento  von  dem  Archi- 
tekten A.  Tosi,  R.  1837  ff. 

S.  373.  Herstellung  der  Lateraukirche  durch  Martin  V.  Päpstl.  Breve  vom 
1.  Juli  1425,  im  vat  Archiv,  so  viel  ich  weiss  inedirt.  «Martinus  episcopus  etc. 
Dilectis  filiis  Anthouio  Picardi  ecclesic  Saiicte  Marie  in  campo  Carleo  de  Urbe 
rectori  et  Nicoiao  Bellini  civi  romano  salutem  etc.  Probata  in  magiiis 
nostris  et  Romane  ecclesie  negotiis  vestre  fidelitatis  integritas  uos  inducunt 
(sie)  ut  nostra  et  ecciesiarum  Urbis  negotia  devotioni  vestre  fiducialiter  coni- 
mittimus.  Cum  itaque  Ecclesia  Lateranensis,  erga  quam  continue  nostre  cou- 
siderationis  oculos  intendimus,  propter  ygnis  incendia  quibus  pluries  combusta 
extitit,  solo  deformata  permanet  pavimento  minime  refulgens,  Nos  cupieutes  ut 
dicta  ecclesia,  que  inter  alias  orbis  ecclesias  fidey  et  devotionis  prerogativam 
habere  diguoscitur,  omamento  iuxta  presentium  temporum  possibilitatem  deco- 
rata  existat,  vobis  et  cuilibet  vestrum,  ut  a  quibuscumque  ecclesiis,  capcUis 
et  locis  ecclesiasticis  campestribus  tam  intra  quam  extra  dictam  Urbem  existen- 
tibus  desolatis  et  ruinam  patieutibus  marmores  et  lapides  cuiuscunque  generis 
et  ceteras  alias  res  ad  fabricam  pavimenti  dicte  Lateranensis  ecclesie  pertinentes 
tam  per  vos  et  quemlibet  vestrum  quam  personas  ydoneas  ad  id  a  vobis  de- 
putandas  evelli,  capi  et  exinde  ad  predictam  ecclesiam  Lateranensem  libere  et 
impune  et  sine  aliquo  sacrilegii  aut  alterius  culpc  nota  deduci  facerc  possitis, 
quibuscumque  privilegiis,  indulgentiis  ac  constitutionibus  apostolicis  necnon 
sacrorum  canonum  institutis  et  legibus  in  contrarium  editis  non  obstantibus, 
auctoritate  apostolica  tenore  presentium  hac  vice  dumtaxat  usque  ad  perfectio- 
nem  dicte  fabrice  licentiam  elargimur,  volentes  ac  mandantes  ut  de  huiusmodi 
rebus  tam  per  vos  sive  alteiiim  vestrum  deputandos  predictis  ab  ecclesiis, 
sicut  permittitur,  ruinam  patientibus  evellendis  et  capiendis  et  ad  ecclesiam 
Lateranensem  deferendis  nullo  tempore  a  quoquam  quovis  modo  aut  quovis 
quesito  colore  molestaii  valeatis ,  irritum  et  inane  decementes  ex  nunc ,  si  aliter 
per  quoscunque  quavis  auctoritate  seien tcr  vel  ygnoranter  coatingerit  atteroptari. 
Nulli  ergo  omnino  etc.  nostre  largitionis,  voluntatis  et  mandati  infringere  etc. 
Datmn  Rome  apud  SS.  Apost.  Kai.  lulii  Pont,  nostri  a.  YIU.« 

Vom  17.  Sept.  1426  ist  ein  Breve  an  Filippo  di  Jacobello  Pepc  einen  der 
Conservatoren  zum  Behuf  der  Zahlung  von  fünfundzwanzig  Goldgulden  an 
Antonio  di  Giovanni  genannt  Quintaferia  Aufseher  der  Arbeiten  am  Fussboden 
und  der  Malereien.  G.  Amati,  Notizia  di  MSS.  dell'  Arch.  segr.  Vat,  im 
Arch.  stör.  Ital.  III.  Ser.  III.  1 ,  194 ,  wo  einige  andere  Notizen  zur  Kunst- 
geschichte des  fünfzehnten  Jahrh. 

S.  374.  Gentile  da  Fabriano.  Vasari  IV.  152  (zugleich  Vittore  Pisa- 
nello).  Zahlungen  für  die  lateranischen  Fresken,  fünfundzwanzig  Goldguldeu 
Monatsgehalt,  vom  J.  1427,  bei  Amati  a.  a.  0.  194.  Vgl.  Amico  Ricci, 
Memorie  stör,  delle  arti  della  Marca  d'Ancona,  Macerata  1834,  I.,  145  ff. 
(Joh.  Gaye  begann  in  den  W.  Jahrb.  der  Lit,  Bd.  90,  91,  einen  leider  durch 
s.  frühen  Tod  unterbroch.  Aufs.,  worin  die  zahlreichen  chronolog.  und  an- 
deren Irrthümer  des  immer  doch  verdienstlichen  Riccischen  Buches  verbessert 
wurden.) 

S.  375.  Masaccio,  Vasari  m.  153. 

S.  376.    Antonio  Filarete  luid  Simone,  Vasari  lü.  287. 

S.  377.  Nicolaus'  V.  künstlerische  Thatigkeit,  namentlich  Giannozzo 
Manetti,  und  nach  ihm  bei  Vasari   im  Leben  des  Bemardo  Rossellino  und 

33* 


516  Anmerkungen. 

anderwärts  und  bei  Dom.  Giorgi  a.  a.  0.  In  Bezug  auf  die  Feterskircfae 
(S.  381)  s.  oben  Anm.  zu  S.  17.  Dazu:  H.  v.  Geymfiller,  Notizen  über  die 
Entwürfe  zu  St  Peter  in  Rom,  Carlsruhe  1868,  besondere  S.  8.  (Dankens- 
werthe  aber  zu  kurze  Nachrichten  über  die  in  der  fior.  Sammlung  derUfBzien 
vorhandenen  Entwüife.)  Anicische  Grabkapelle  oder  Templum  Probi  (S.  382) 
vgl.  Bd.  I.  S.  690,  770,  813. 

S.  383.    Bemardo  Rossellino.    Vgl.  Anm.  zu  S.  391. 

S.  384.  Fra  Angelico  da  Fiesole,  Vasari  IV.  25;  V.  Marchese,  Me- 
morie  dei  piü  insigiii  pittori  ec.  Domenicaui,  Flor.  1845,  I.  211 — 349  und  in 
der  Geschichte  des  Klosters  von  S.  Marco.    Benozzo  Gozzoli,  Vasari  IV.  184. 

S.  385.  Piero  della  Francesca,  Vasari  IV.  13.  Ueber  Bramantino  ebds. 
und  im  Leben  des  Garofalo. 

S.  386.  Palast  Francesco  Orsinis  bei  S.  Pantaleo.  Adinolfi,  La  via 
papale,  20  flf.  Inschrift  über  der  Hauptthüi*e:  Francisci  de  Ursinis  Urbis  prac- 
fecti  filiorumque.  Abbildung  nach  dem  Umbau  des  Thurmes  (von  Piazza  Na- 
vona  gesehn  zur  Linken)  durch  Antonio  da  Sangallo,  nach  einem  Kupferstich 
Israel  Silvestres,  bei  Letarouilly,  Notices  historiques,  416.  Der  Palast 
kehrte  in  den  Besitz  der  Orsini  zurück  die  ihn  bis  zum  Aussterben  der  Linie 
von  Bracciano  in  der  Person  der  berühmten  »Princesse  des  Ursins«  (1722) 
behielten,  worauf  er  an  die  Caracciolo-Santobuono  von  Neapel  kam,  wonach 
die  Irrthümer  Beschreib,  der  St.  R.,  m.,  3,  404  zu  berichtigen. 

Wann  die  Pasquinstatue  entdeckt  ward,  ist  ebensowenig  wie  der  Ort, 
wahrscheinlich  der  Eingang  zum  Stadium  Domitians  (Piazza  Navona)  ge- 
nau anzugeben.  Vielleicht  beim  Bau  Francesco  Orsinis.  Dann  hätte  ne  aber 
noch  lange  halb  im  Boden  steckend  als  Nothbehelf  für  das  mangelnde  oder 
schlechte  Pflaster  gedient,  denn  erst  Cardinal  Olivieri  Carafa  stellte  sie  im  J. 
1501  an  der  Seite  von  Piazza  Navona  auf,  nach  der  Inschrift:  Oliverii  Carafia 
beneficio  hie  sum  anno  salutis  MDL  Ei*st  manche  Jahre  nachher  wurde  der 
orsinische  Palast  —  die  Toire  Orsina,  nicht  Torre  Carafa  —  durch  Antonio 
Picconi  da  San  Gallo  ftir  den  Cardinal  Antonio  Ciocchi  del  Monte  Oheim 
Julius'  in.  (gestorben  1533  und  in  S.  Pietro  in  montorio  begraben)  umgebaut. 
(Die  Darstellung  bei  L.  Urlichs  in  seiner  werthvollen  Abhandlung:  Ueber 
die  Gruppe  des  Pasquino,  Bonn  1867,  3,  konnte  leicht  zu  dem  Misverstind- 
niss  Anlass  geben ,  es  sei  vorher  geschehn.)  Von  diesem  Cardinal  del  Monte 
wurde  die  auf  die  Ueberschwemmung  von  1530  (vgl.  Buch  VHI.  vorlieg.  Gesch.) 
bezügliche  Inschrift  gesetzt.  Zur  Literatur  über  den  Pasquin  ausser  ürliehs 
F.   Cancellieri,    Notizie    delle  due  famose  statue   di  Pasquino  e  Marforio, 

2.  Ausg.  R.  1855;  Ds.  im  Mercato  ec.  155  ff.;  Beschreib,  der  St  R.  HI. 

3,  399. 

Die  St.  Jakobskirche  zu  Vicovaro.  Aufriss  und  Details  bei  Litta,  Fan. 
Orsini.    Vgl.  das.  Taf  22,  23.    Inschrift  über  der  Thüre: 

Taliacodiadae.  comites.  Ursina.  propago 
Fimdavere.  sacnim.  devota.  mente.  sacellum 
Hac.  heres.  Trani.  pi*aesul.  de.  prole.  loannes 
Dive.  lacobe.  tibi,  merita.  pietate  dicavit. 

Vgl.  Nibby,   Analisi  111. ,  485.     Vasari,   Leben  Brunellescos  (am  Sehlus^ 
wo  falschlich  ein  Simone  genannt)  DL,  241;  Gaye,  L,  204. 

S.  389.  Zwischen  dem  Monument  des  zu  Ende  1417  verstorbenen  Cardi- 
nals  Stefaneschi  an  welchem  man  »Magister  Paulus  fecit  hoc  hopus«  liest,  ^ 
den  Werken  für  Pins  11.  liegt  allerdbigs  ein  Menschenaltcr,  denn  es  ist  kiuni 


Aiiuicrkuugeii.  517 

anzunehmen  dass  jenes  Monument  sehr  lange  nach  des  Cardinais  Tode  ent- 
standen sein  sollte,  wie  denn  auch  der  Stil  an  ältere  Vorbilder  mahnt.  Doch 
stammen  diese  Werke  wol  von  demselben  Künstler,  von  welchem  Antonio  Fila- 
rete  i'edet  und  dessen  Schüler  um  die  Zeit  von  Pius'II.  Tode  schon  namhafte 
Bildhauer  sein  mussten.    (Vasari,  IV.,  131  ff.) 

S.  391.  PiusII.  in  s.  Beziehungen  zu  Siena.  Gir.  Gigli,  Diario  Sanese, 
Lucca  1728,  passim.  Ueber  Pienza  Pius'II.  Commentarien ;  Rum  oh  r,  Ital. 
Forschungen,  IL,  177  ff.,  Repetti,  Dizionario  della  Toscana,  L,  807,  IV., 
190.  —  Ob  Bemardo  Rossellino  oder  Bemai*do  di  Lorenzo  in  Pienza  u.  s.  w. 
gebaut?  Vasari,  IV.,  207,  223,  C.  Promis,  Trattato  d'Architettura  di 
Francesco  di  Giorgio,  I.,  9,  10  (vgl.  Kunstblatt  1843  No.  9;  die  Promisscheu 
Arbeiten  über  Francesco  dt  Gioi^io  haben  die  Unhaltbarkeit  jener  des  Pater  G. 
della  Valle  in  den  Lettere  Senesi  mid  der  älteren  sieneser  Localhistoriker 
immer  mehr  dargethan) ,  Gaye,  Carteggio  inedito,  L,  197,  21^»  G.  Milanesi, 
Documenti  dell'  arte  Senese,  11.,  323,  324.  —  Bemardo  di  Lorenzo  baute  für 
Paul  n.  den  spätem  Theil  des  Palastes  von  S.  Marco  (S.  396) ,  Contract  vom 
25.  März  1466  bei  Theiner,  Cod.  dipl.,  m.,  No.  386.  Auch  an  der  Kirche 
S.  Marco:  Marini,  Arch.  pont,  II.,  199. 

Gio.  Antonio  Campano  dichtete  auf  Pienza  folgende  Distichen: 

»Quae  nova  sublimi  prosurgo  Pientia  coUe, 

Causa  mei  quae  sit  nominis  ipsa  loquar. 
Me  Pius  omatam  templo  murisque  refectam 

Esse  Urbem  volult  quae  fuit  oppidulum. 
Tecta  suae  gentis  primis  in  moenibus  aedes 

Tangere  marmoreum  sidera  iussit  opus. 
Addidit  et  nomen  lectique  e  more  senatu 

Urbanos  ritus  et  nova  iura  dedit. 
At  vos  vicina  quae  surgitis  oppida  terris 

Invidiae  nihil  est,  nam  tulit  ipsa  Pium.« 

Am  Bnmnen  zu  Pienza  liest  man:  Pius  PP.  11.  MCCCCLXII.  Am  Dom: 
A.  D.  MCCCCLXII.  die  XXIV.  Augusti  Pius  ü.  PM.  templum  a  se  cxstnictum 
per  Cardinalem  Hostiensem  consecravit  et  ante  maioris  frontem  per  se  ipsum 
uuxit.  Franc.  Maria  Picol.  epus  hanc  inscriptionem  f.  c.  A.  D.  MDXCVII. 

Die  grosse  Domglocke  hat  folgende  Lischrift: 

Parva  fui  nuper,  qualis  delubra  deceret, 

Et  non  urbani  moenia  pressa  loci. 
Mox  Pius,  ut  templum  constmxit  et  intulit  urbem, 

Quantam  urbs  atque  aedes  postulat  esse  iubet. 
Ergo  Pientinos  si  latius  impleo  campos, 
Nimc  urbi  sed  timc  oppidulo  sonui. 
loannes  Tofani  de  Senis  fecit  A.  MCCCCLXUI. 

Im  Baptisterium  liest  man: 

Hie  duo  pontifices  sacri  baptismatis  undas 
Patmus  accepit  et  Pius  inde  nepos. 

Die  Canonisationsbulle  der  h.  Caterina  von  Siena  (S.  394)  ist  vom  29.  Juni 
1461.  (Capecelatro,  Storia  di  Sta  Caterina  da  Siena,  477  ffl  Daselbst 
473  ffl  latein.  Dichtungen  Pius' H.  zu  Ehren  der  Heiligen.)  Darstellung  der 
Canonisation  in  Pinttuicchios  Fresken  in  der  Libreria  des  sieneser  Doms.  Ge- 
such der  Bewohner  des  Viertels  von  Fontebranda  an  die  Gemeinde  inbetreff 
der  Umwandlung   des  Hauses  der  Benincasa  in  ein  Oratorium ,  vom  24.  April 


518  Anmerkungen. 

1464,  bei  Milanesi  a.  a.  0.  11.,  326.     Andere  hieher  gehörige  Urinmden  bei 
Regoli,  Documenti  relativi  a  Sta  Caterina  da  Siena,  S.  1859. 

S.  398.  Vellano  von  Padua,  Vasari  IV.  108.  Die  Statue  Pauls  E  in 
Perugia  ist  in  der  französischen  Revohitionszeit  eingeschmolzen  worden. 

Die  bei  Vasari  im  Leben  Giulianos  da  Majano  enthaltene  Angabe, 
derselbe  habe  für  P.  Paul  II.  »im  ersten  Hofe  des  Palastes  von  St  Peter 
die  Loggien  von  Travertin  mit  drei  Säulenordnungen«  erbaut  (TV.,  4),  hat  lu 
dem  seltsamen  Irrthum  Anlass  gegeben,  es  handle  sich  hier  um  den  Hof  von 
San  Damaso.  Ein  Irrthum  in  welchen  Bottari  verfallen  ist  und  welchen  die 
neuesten  florent  Herausgeber  des  Vasari  (1848)  nicht  aufgeklärt  haben,  ob- 
gleich schon  1832  Platner  in  der  Beschreibung  d.  St  R.,  ü.,  1,  295  dartui 
hinwies,  wie  es  sich  hier  um  einen  ganz  andern  Hof  handelt  welcher  wthr- 
scheinlich  bei  der  Verlängerung  des  Langhauses  der  Basilika  unter  Paul  V. 
zerstört  wurde.  •  Schorn  in  d.  Uebers.  des  Vasari,  U.,  1,  293,  ist  dieser 
Annahme  gefolgt 

S.  399.    Mino  da  Fiesole,  Vasari  IV.  231. 

S.  402.  Sixtus'  IV.  Bau-  und  sonstige  Kmistthätigkeit  Vgl.  Anm.  zu 
S.  369.  Bauten:  A.  Ferri,  L'Architettura  in  Roma  u.  s.  w.;  Gaye,  Mitthei- 
lungen  aus  einer  unedirten  Handschrift  von  Giovanni  Santi  Vater  Raflbels, 
Kunstblatt  1836,  No.  86 — 88  (über  Baccio  Pontelli  und  Francesco  dl  Giorgio). 
Eine  Menge  urkundlicher  Nachrichten  über  kflnstlerische  Untemehmongen 
und  in  Rom  vorgenommene  Arbeiten  von  Sixtus  IV.  bis  zu  Paul  HL  geben 
A.  V.  Zahns  »Notizie  artistiche  tratte  dair  Archivio  segreto  Vaticano« 
(Arch.  stör.  Ital.  UI.  Ser.  VI.  1,  166 — 194),  aber  man  kann  nur  m  das 
von  dem  fleissigen  Mittheiler  derselben  geäusserte  Bedauern  einstimmen  dass 
die  Acten  und  RechnungsbQcher  der  Curie  so  geringen  Aufschluss  fiber 
die  grossen  Werke  einer  so  thätigen  und  glänzenden  Zeit  geben,  und  mit 
verhältnissmässig  wenigen  Ausnahmen  niu*  unbekannte  Namen ,  statt  der  Archi- 
tekten Maurermeister  und  Tischler,  statt  der  grossen  Maler  Lieferanten  von 
Fahnen  und  Decorationen  zum  Vorschein  kommen.  Emige  auf  alte  Monumente 
(Marc  Aurelstatue  von  deren  Restauration  S.  413  die  Rede  ist,  Tabulariom 
u.  s.  w.)  bezügliche  Nachrichten  aus  Sixtus' IV.  Zeit  hat  Zahn  in  dem  Biillet- 
tino  deir  Ist.  di  comsp.  arch.  1867,  197  ff.  mitgetheilt  Von  der  AufsteUung 
antiker  Werke  im  Coiiservatorenpalast  im  Jahre  1471  und  der  Wiedererrichtung 
der  Statue  Carls  von  Anjou  im  Senatorspalast  durch  den  Senator  Matteo  Tos- 
cano  aus  Mailand  im  Jahre  1481  geben  die  unten  .  mitgetheilten  Inschriften 
Kunde. 

Die  Biographien  bei  Vasari,  namentlich  die  der  Architekten  (a.  oben), 
sind  sehr  unvollständig  und  zum  Theil  verworren,  Mängel  denen  die  Lemon* 
uiersche  Ausg.  soviel  wie  möglich  aber  keineswegs  genügend  abzuhelfen  versucht 
hat  Sandro  Botticelli  V.  110,  Cosimo  Rosselli  V.  27,  Domenico  Ghirltndyo 
V.  60,  Luca  Signorelli  VI.  136,  Bartolommeo  della  Gatte  V.  44,  Picro  di 
Cosimo  VI.  112,  Melozzo  da  Fori!  IV.  189,  198,  Andrea  Mantegna  V.  157, 
FUippino  Lippi  V.  242.  üeber  Pietro  Penigino  (Vasari  VL  29  —  B.  Pin- 
turicchio  V.  264)  und  die  umbrische  Schule  (S.  428—430)  speciell  A.  Mariotti, 
Lettere  pittoriche  Perugine  1788,  B.  Orsini  Viu  di  P.  Penigino  1804,  und 
Streitschrift  gegen  Mariotti,  G.  B.  Vermiglioli,  Memorie  di  Bemardino  Pin- 
turicchio,  Perugia  1837.  A.  Mezzanottcs  Buch  über  Penigino,  ebda.  1836, 
ist  nur  rhetorische  Umschreibung  bekannter  richtiger  und  unrichtiger  Dinge. 
Ueber  den  ziemlich  räthselhaften  Morto  daFeltre  (S.  430)  Vasari,  IX.  106 ff, 
Vermiglioli,  Pinturicchio,  52  ff. 


Anmerkungen.  519 

Sto  Spirito  (S.  405) ,  A  d  i  n  o  1  f  i ,  Portica ,  19 1  ff  Sixtinische  Kapelle  (S.  407), 
Beschreibung  der  St.  R.,  II.,  I,  245  ff.  und  alle  Beschreibungen  des  Vatican. 
Sta  Maria  del  popolo  (S.  408),  J.  Alberic i,  Uistoriarum  SS.  Virginia  Mariae 
de  populo  Almae  Urbis  compendium,  R.  1599.  Dass  Sixtus  IV.  zum  Behuf 
seiner  Strassen-  und  a.  Bauten  den  Uiiiversitätsprofessoren,  den  Plumbatoren 
u.  A.  Gehaltsabzüge  machte,  ersieht  man  aus  den  Aktenstücken  des  J.  1474. 

S.  410.  Citadelie  von  Ostia.  A.  Guglielmotti,  Della  rocca  d'Ostia 
e  delle  condizioni  deir  architettura  militare  in  Italia  prima  della  calata  di 
Carlo  Vm. ,  R.  1862  (aus  Bd.  XV.  der  Atti  delF  Accad.  pont.  d'Archeologia) ; 
C.  Ravioli,  Notizie  sui  lavori  di  architettura  militare  det  nove  da  Sangallo, 
R.  1863;  P.  £.  Visconti,  Iscrizioui  della  rocca  d'Ostia,  im  Giom.  arcad., 
Bd.  139. 

S.  414.  La  Magliana.  L.  Grüner  und  £.  Platner,  I  Freschi  della 
Villa  Magliana  di  Raffaelle  d'Urbmo,  London  1847  (vgl.  Kunstblatt  1848, 
No.  48);  Nibby,  Analisi,  IL,  284. 

S.  418.  Giulianos  della  Rovere  Wohnung  neben  der  Kirche  S.  Pietro  in 
vincoli  erhielt  bei  ihrer  Restauration  folgende  Iiischrifl: 

Pio  IX.  Pont.  Maximo 
Aedes  luliani  Roborei  Card.  tit.  Petri  ad  vinc. 

Temporum  mvidia  fatiscentes 

loannes  Vimercati  comes  sibi  ad  incolendum 

Restituit  auxit  anno  Christi 

MDCCCLXIV. 

S.  419.  Zerstörung  eines  angeblichen  Bogens  des  Gordianus  beim  esqui- 
linischen  Agger.  Lucio  Mauro,  Autichita  di  Roma,  R.  1556,  72;  Nardiui, 
B.  IV.  Kap.  2;  (Massimo)  Notizie  istoriche  della  Villa  Massimo,  11. 

S.  423.  Andrea  del  Verroochio,  Vasari,  V.  139,  die  Biüder  Pollajuolo 
ebds.  90.  Es  ist  hier  noch  nicht  der  Ott  Michelangelos  speciell  zu  gedenken» 
so  dass  die  einfache  Verweisung  auf  Hermann  Grimms  schönes  Werk  ge- 
nügen möge. 

S.  424.  Goldschmied-  und  Niello- Arbeiten  mit  Bezug  auf  Rom.  Va- 
sari im  Leben  des  Ghiberti,  des  Verrocchio,  der  Pollajuoli  wo  auch  (V.,  92) 
über  Finiguerra  (über  welchen  überdies  im  Leben  Marcantons,  IX.,  2.i6)  und 
über  Gio.  Turini  (V.,  104).  Die  Niellen  der  Zeit  Pauls  II.,  im  Besitz  des 
Herzogs  von  Hamilton  u.  A. ,  bei  Cicognara,  Memorie  spettanti  alla  storia 
della  Calcografia,  Prato  1881,  59,  60,  75,  166.  Daselbst  über  A.  Pollajuolo 
47  und  über  die  Niellen  Bessarions  44,  72.  (Die  gegen  die  Aechtheit  mehrer 
bei  Cicognara  beschriebenen  und  abgebildeten  gi'ossen  Niellen  geltendgemachten 
nur  zu  sehr  begründeten  Zweifel  schreiben  beim  Gebrauch  seines  Werkes  Vor- 
sicht vor,  was  indess  in  obigem  Falle  keine  Anwendung  findet.) 

S.  425.  Päpstliche  Münzen  des  fünfzehnten  Jahrhundeits.  Bonanni, 
Numismata  pontificum  roman.  a  Martmo  V.  usque  ad  a.  1699,  R.  1699.  Ve- 
uuti,  Numismata  rom.  pont.  praestantiora  a  Mait.  V.  ad  Bened.  XIV.,  R.  1744. 
Garampi,  Os8er\'azioni  sul  valore  delle  monete  pontificic.  Serie  de'  conj  di 
medaglie  pontificie  da  Mart.  V.  a  PioVU.,  R.  Ib24.  Urkunden  bei  (Vettori) 
Fioriuo  d'oro,  322  ff.  G.  Acami,  Dell'  origine  ed  antichita  della  Zecca  pon- 
tificia,  R.  17.=»2. 

Ueber  die  Medaillen  und  Medaillons  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  vgl. 
Cicognaras  Storia  della  Scultura  und  namentlich  den  Col asschen  Tresor 
de  numismatique  et  de  glyptiquae,  welcher  in  seiner  mittelalterlichen  Abthei- 
lung eine  reiche  Auswahl  von  Papstmünzen  und  Medaillen  enthält.    Man  vgl. 


520  Aiimerkuiigcu. 

überdies  Jul.  Friedländers  fleissige  Abhandlungen :  Welche  sind  die  älteaten 
Medaillen?  Berl.  1857  (worin  die  Frage,  ob  die  geprägten  Medaillen  oder 
die  gegossenen  vorausgehn ,  zu  Gunsten  der  ersteren  entschieden  und  Pisanellos 
bekanntes  Medaillon  Johannes  Palaeologus'  als  das  älteste  mit  sicherm  Datum, 
1438 — 1439,  bezeichnet  wird,  da  die  von  Vasari  nach  Paolo  Giovio  aufgeführte 
Medaille  Martins  V.  von  Pisanello  nicht  existirt)  und:  Andrea  Guacialoti  von 
Prato,  Berl.  1857,  ital.  mit  Zusätzen  und  Documenten  von  Cesare  Guasti, 
Prato  1862. 

S.  426.  Breve  Sixtus'  lY.  an  Costanzo  Sforza,  Rom  8.  April  1488,  aus  dem 
flor.  Archiv,  Urbinat.  Abth.  bei  Ugolini,  Conti  e  Duchi  d'Urbino,  IL,  530- 
Ueber  die  pesareser  Majoliken  G.  B.  Passe ri,  Istoria  delle  pitture  in  Majolica 
fatte  in  Pesaro  e  ne'  luoghi  circonvicini,  U.  Aufl.  mit  Zusätzen  von  G.  J.  Mon- 
tanari,  F.  Ranghiasci-Brancaleoni  U.A.,  Pesaro  1857.  Die  bedeutend- 
sten Majolicamanufacturen  waren  ausser  Pesaro  die  von  Urbino,  Gabbio, 
Castel  Durante  (Urbania).  Ueber  die  Della  Robbia  vgl.  Vasari  111. ,  59  iL 
Das  hier  gegebene  Yerzeichniss  der  bedeutenderen  Arbeiten  in  terra  invetriau 
macht  selbst  soweit  Toscana  in  Betracht  kommt,  keinen  Anspruch  auf  Voll- 
ständigkeit. Auch  der  Catalog  bei  H.  Barbet  de  Jouy:  Les  Della  Robbia, 
sculpteurs  en  terre  emaillee,  Paris  1855  (der  historisch  durchaus  nichts  neue« 
bringt),  ist  sehr  ungenügend. 

S.  432.  Schilderung  der  Stadt  beim  Anfang  des  sechzehnten  Jahrh. 
Literatur  s.  oben  Anm.  zu  S.  3.  —  Leider  enthält  die  Schilderung  Arnold 
von  Harffs,  der  Rom  gegen  Ende  des  fünfzehnten  Jahrh.  besuchte  (Pilger- 
fahrt u.  s.  w.  14 — 37) ,  mit  Ausnahme  weniger  gelegentlicher  Bemerkungen  Aber 
kirchliche  und  a.  Vorgänge  nichts  als  die  trockne  Aufzählung  von  lürchen, 
Reliquien,  Indulgenzen  und  ähnlichem,  im  wesentlichen  nach  den  Mirabilien- 
Wegweisem. 

S.  433.  Piazza  Navona.  Cancellieri,  II  Mercato  u.  s.  w.  (s.  oben  Amn. 
zu  S.  386).  Ein  wahres  Repertorium  von  Curiosen,  freilich  grossentheils  aus 
späterer  Zeit  Andrea  Marianis  (Urbis  Romae  Epigrammata,  Bologna  1641) 
Distichon  auf  den  Markt: 

»Circus  agonalis  nos  nutrit,  vitaque  victum 
Invenit  in  Circo,  victus  agone  ventt« 
Die  Statuten  enthalten  eine  Menge  Bestimmungen  über  die  Marktpolizei. 

S.  434.  Bei  der  Ausgrabung  des  Platzes  vor  der  Rotunda  wurde  die 
schone  Porphyrwaime ,  der  angebliche  Sarkophag  M.  Agrippas  gefunden  welche 
Leo  X.  unter  dem  Porticus  des  Pantheon  aufstellen  Hess ,  und  die  später  zum 
Grabmal  Clemens  XII.  verwandt  wurde. 

Ueberschwemmungen  des  Tiber.  Ludovicus  Cannesius,  De  pro- 
digiosis  Tyberis  inundationibus,  R.  1531;  G.  Castiglione,  Trattato  del- 
l'iuondazione  del  Tevere,  R.  1599;  F.  M.  Bonini,  II  Tevere  incatenato,  R  1663- 
Die  Gedächtnisstafel  Girol.  Zorzis  von  1495  s.  bei  den  Inschriften. 

S.  442.  Das  römische  Courtisanenwesen.  Pietro  Aretino  in  den  Ca- 
pricctosi  e  piacevoli  ragionamenti ,  am  vollständigsten  in  der  Elzeviriana  tob 
16^:0.  Ueber  die  Grechetta,  Adinolfi,  Via  papale,  29;  die  Fiammetta,  Ds^ 
Torre  de'  Sanguigni,  15  ff.,  wo  auch  das  Testament  von  1512,  Doc.  No.  3. 
Von  Mona  Imperia,  welche  sich  durch  elegante  Bildung  ebenso  wie  durch  ihre 
Schönheit  auszeichnete,  wird  noch  im  VIII.  Buche  dieser  Gesch.  die  Rede  sein. 
Die  Kinder  der  »donna  libera«  La  Passarella  und  des  Präfecten  von  Rom  Fran- 
cesco Orsini  (vgl.  Anm.  zu  S.  386)  wurden  von  der  Königin  Johanna  11.  wn 
Neapel  und  Alfons  von  Aragon  legitimirt.    Zu  diesen  gehörte  Giambatista  Orsini 


Aiiuierkungcu.  521 

welchen  P.  Paul  II.  im  J.  1467  nach  Zacostas  Tode  zum  Grossmeister  der  Johanni- 
ter ernannte ,  als  welcher  er  nach  tapferer  Vertheidigung  von  Rhodus  im  J.  1476 
starb.  Wo]  das  einzige  Beispiel  dieser  Art  bei  einem  solchen  Ritterorden. 
S.  445.  Peterskirche.  S.  Anmerk.  zu  S.  17,  377,  381. 
S.  453.  Die  von  Lotario  Conti  erbaute  Kapeile  der  Villa  La  Catena  bei 
Poli  bewahrt  zwei  Fragmente  der  Musive  der  Tribüne  imd  der  Fa^ade  der 
alten  Peterskirche  mit  den  Bildnissen  Innocenz*  IIL  und  Gregors  IX.  Dabei 
folgende  Inschrift: 

Anno  MDCXVin. 
Innocentio  m.  fece  nella  tribuna 

Di  S.  Pietro  in  Vatieano 
Ritrarre  di  musaico  la  sua  effigie 
Con  la  colomba  che  nel  punto 
Della  sua  elezione 
Si  poso  nella  sua  spalla 
Eccoti  questa  sopra  Taltare 
£  Taltra  a  mano  sinistra  di  esso 
Et  a  mano  destra  Teffi^e  di  Gregorio  IX. 
La  quäle  era  nella  facciata  della  stessa  chiesa 
Donate  a  Lotario  Conti  Duca  di  Poli 
In  memoria  del  suo  casato 
La  prima  da  demente  Vin.  Tanno  MDLXXXXVI. 
La  seconda  da  Paolo  V.  l'anno  MDCVI. 
^  Quando  gittorno  in  terra  quello  la  tribuna 

Et  questo  la  facciata  della  detta  chiesa. 
S.  455.  Mausoleum  des  Honorius  —  Kirche  der  h.  Petronilla.  Vgl.  Bd.  L, 
S.  422,  764,  807,  816;  G.  B.  de  Rossi,  Bullettino  di  Arch.  cristiana,  1863, 
53—56,  1865,  22,  Roma  sotterranea,  I.,  265— 267,  319— 321.  Fünfundzwanzig 
Jahre  vor  der  Auffindung  des  Sarkophags  der  Kaiserin  Maria,  nämlich  gegen 
Ende  November  1519,  wurde  in  der  Rotunde  der  h.  Petronilla  ein  anderer 
Sarkophag  entdeckt,  wahrscheinlich  der  des  kaiserlichen  Erbauers  des  Monu- 
ments. Man  findet  die  Notiz  in  den  Diarien  des  Venetianers  Marcantonio 
Michiel  unter  dem  4.  December  gedachten  Jahres.  »Li  giomi  avanti  cavando 
nella  capella  del  Re  di  Francia  per  fondar  alcuni  pilastri  per  la  capella  nuova 
appresso  la  chiesa  di  S.  Pietro  (d.  h.  das  Südende  des  Querschifib  der  neuen 
Kirche  welches  den  Raum  des  ehemaligen  Mausoleums  einnimmt)  furono  tro- 
vate  alcune  arche  antique,  in  una  delle  quali  aperta  fu  trovata  una  vesta  d'oro 
awolta  ad  alcune  ossa  di  qualche  principe  Christiane,  come  si  pensavano, 
pcrche  non  ci  era  lettera  alcuna,  con  alcune  gioie,  cioe  uno  coUarino  con  una 
*}•  che  furono  stimate  in  tutto  ducati  3000.  Anzi  alcuni  orefici  volsero  dare  a 
Iiiliano  Lena  che  aveva  questo  carico  dal  Papa  li  danari  ditti  della  sola  vesta, 
perche  il  pontefice  volse  le  gioie,  benche  molto  guaste,  e  non  le  volse  dare, 
benche  dappot  fu  scoperto  non  valere  ducati  2000.  Da  la  quäle  speranza  di 
trovare  andavano  aprendo  tutte  queste  sepoltui^e.«  Und  unter  dem  23.  d.M.: 
»El  tesoro  che  s'haveva  trovato  in  Tarcha  cavandosi  nella  capella  del  Re  di 
Francia  riusci  in  libre  otto  d*oro  cavato  dalla  vesta,  et  una  coronetta  ovver 
gioia  d'oro  con  alcuni  smeraldi,  et  una  crocetta  di  valuta  in  tutto  di  ducati  1000 
o  poco  piü,  chel  Papa  havea  dato  al  capitolo  di  S.  Pietro,  che  facesse  una 
cassa  d'oro  alla  testa  di  Santa  Petronilla.«  E.  Cicogna,  Intomo  la  vita 
e  le  opere  di  M.  A.  Michiel  (aus  Bd.  IX.  der  Memorie  deir  Istituto  Veneto), 
Venedig  1861 ,  48. 


522  AumerkiiDgen. 

S.  464.  Leben  des  römischen  Adels.  Hochzeiten:  C.  Massimo,  Me- 
daglia  di  Franc.  Massimo,  7  ff.  nach  einer  Hs.  Marcantonio  Altieris.  Mitgift 
und  Aussteuer:  Constitution  Sixtus*  IV.,  bei  The  ine  r,  Cod.  dipl-,  III.,  No.405. 
(Die  Frauen  gegen  den  Card.  Latino:  Fra  Salimbene,  Chronica,  54,  55.) 
Ueber  die  Orshii  und  Piero  de'  Medici  vgl.  Jac.  Pitti,  Istoria  Fiorentina 
(Arch.  stör.  Ital.,  I.,  Flor.  1842),  27.  Die  Beschreibung  -Ordine  e  magniü- 
cenze  dei  Magistrati  romani  nel  tempo  che  la  Corte  del  Papa  era'  in  Avignone«, 
bei  Muratori,  Antiq.  Ital.,  IL,  856,  Manzi,  Discorso  sopra  gli  spetticoli 
ec,  R.  1818,  121  ff.,  P.  E.  Visconti  im  Giorn.  arcad.,  CXLVIIL  (vgl. 
Anm.  zu  Bd.  11.,  S.  812)  ist  ohne  Zweifel  zu  Anfang  des  siebzehnten  Jahrh. 
entstanden  und  soll  von  einem  Mitgliede  der  Familie  Muti  herrühren.  Die 
Farbe  dieser  Schilderung  ist  beiweitem  mehr  die  der  spätem  als  der  avignoni- 
schen  Zeit.  Doch  mag  manche  Aehnlichkeit  obgewaltet,  möglicherweise  eine 
authentische  Aufzeichnung  zugrunde  gelegen  haben. 

S.  470.  Das  merkwürdige  Polizeiedict  inbetreff  der  Corsen  vom  September 
1475,  bei  Theiner,  Cod.  dipl.,  IIL,  410.  Beinahe  zwei  Jahrhunderte  später 
wurden  die  Corsen  in  Rom  von  einer  andern  nicht  polizeilichen  sondern  poD- 
tischen  Maassregel  betroffen. 


INSCHRIFTEN. 


-|-  Grabmal  Urbans  VI. 
Vadcanisehe  Grotten.     J.  1389. 

Hac  auimo  magnus  sapiens  iustusq.  monarcha 
Parthenopeus  adest  Urbanus  sextus  in  archa 
Fervebat  fidei  latebras  conferre  magistris 
0  decus  bis  fretus  semper  post  pi*andia  sistris 
Schismatibus  magnis  animo  maiore  regebat 
Omne  simoniacum  tanto  sub  patre  tremebat 
Quid  iuvat  hunc  terris  mortali  tollere  laude 
Pro  meritis  caeli  splendet  sibi  gloria  valde. 


-|-  Grabmal  des  Card.  Philipp  von  Alen^on. 

Sto  Maria  in  TrAStevere.     J.  1397. 

Franconim  geuitus  rcgum  de  stirpe  Philippus 
Alenconiades  Hostie  titulatus  ab  Urbe 
Ecclesie  cardo  tanta  virtute  reluxit 
Vt  sua  supplicibus  iiimulentur  marmora  votis. 
Anno  milleno  cum  C  quater  abde  sed  I  ter 
OcGubuit  qua  luce  Dei  pia  virgoque  mater. 


Thurm  bei  Santi  Quattro. 
J.  1420  -1431. 

Hec  quecumque  vides  veteri  prostrata  ruina 
Obruta  verbenis  ederis  dumisque  iacebant 
Non  tulit  Hispanus  Carillo  Alfonsus  honore 
Cardineo  fulgens  sed  opus  licet  occupat  ingens 
Sic  animus  magno  reparatque  palatia  sumptu 
Dum  sedet  extincto  Martinus  scismate  quintus. 


Die  mit  -f  bezrichneten  Insrliriflen  sind  durch  Veraehen  im  II.  Bande  ausgefallen,  die  mit 
dem  Zeichen  *  versebenen  nicht  mehr  vorhanden. 


526  Inschriften. 


Grabmal  des  Giovanni  Crivelli. 
Sta  Maria  Araeeli.    J.  1432. 

Hie  iacet  venerabilis  vir  dnus  lohes  de 
Crivellis  de  Mediolano  archidiaconus  Aquilegen 

et  c[aiitor]  mediolui  ac  literar  apostolicar 

ii  .  .      ..  • 

scptor  et  abbreviator.  qui  obiit  a.  d.  M.  CCCCXXXTT 

die  XXVIU.  lulii  pont  8.  dm  Eugenü  pp.  IV. 

a[nno]  II.  cuius  ania  requiescat  in  pace.    Amen. 

Opus  Donatelli  Florentini. 


Grabmal  Martins  V. 

Lateran.     J.  1433. 

Martinus  pp  V  sedit  annos  XITT 
Mens  III  dies  XII  obiit  an 
MCCCCXXXI  die  XX  febniarü 
Temporum  suorum  felicitas. 


Inacbrift  im  J.  1853  hinzugefügt. 

Martini.  V.  R.  P.  i^onditorium 
Marmoreis.  emblematibus.  omatum 

Aeneo.  occlusum.  operculo 

Simonis.  Florentini.  arte,  caelato 

Anno.  MCCCCXXXXm 

Pio.  IX.  pontifice.  maximo 

Reclusum.  et  opei*tum 

E.  tessellato.  ecclesiae.  pavimento 

Huc.  translatum.  est 

V.  Id.  Febr.  MDCCCLIH 


Thüre  der  Peterskircbe. 
Um  das  J.  1440. 

Sunt  haec  Eugenü  monumenta  illustria  Quarti 
Excelsi  haec  animi  simt  monumenta  sui. 


Iiischi'ifien.  527 

Grabmal  Eugens  IV. 

S.  SaWatore  in  laaro    (einst  St  Peter).    J.  1447.     (SpHtor  errichtet.) 

Urbs  Venetum  dedit  ortum  cui  Roma  urbis  et  orbia 

Iui*a  det  optanti  caelica  regna  Deus 

Memoriae 

Eugenii  Uli. 

Summi  atq  optimi  pontificis 

Hie  in  pace  gravis  in  bellis  pro  Christi 

Ecclesia  impiger 

In  iniuriis  patiens  religiosonim  amator  ac  in 

Eruditos  viros  munificus 

Concilii  Basileensis  insolentiam 

Adversus  pontificiam  romanam  potestatem 

Concilio  Florentiae  eelebrato  refrenavit  ac  {regit 

In  quo 

loannes  Paleologus  Graeciae  Imperator 

Romanum  caput  agnoscens 

Eins  pedibus  se  multasq.  extemas  et  remotas 

Nationes  humill.  substravit 

Cougregatio  Canonicorum  S.  Georgii  in  Alga  Yeuet. 

Fwidatori  religiosisaimo  pietatis  caussa  p.  c. 


Santa  Francesca  Romana. 
ConservatoreDpalast  (gesetzt  1638). 

DOM 

Aetemae  memoriae 

B.  Franciscae  Bussiae  de  Fontianis 

Eximia  pietate  ac  romana  nobilitate  matronae 

Quam  pari  virtutum  et  miraculorum  gloria  inter  sanctos  relatam  veneratur 

Orbis  terrarum 
Et  sacrum  eiusdem  corpus  fausto  urbanae  foeiicitatis  auspicio 

Urbano  VIII  pont  opt  max 
In  lucem  publicam  e  loco  abdito  educi  ac  nobiliori  tumulo  inferri 

Roma  conspexit 

S.  P.  Q.  R. 

Monumentum    pü    obsequii     certissimum    argumentum    posuit    anno    saluiis 

MDCXXXVni 
Urbano  Erasmo  I.  V.  C. 
Augustino  Caballetto  Coss. 
Roderigo  Cimenes 
Aegidio  Carduccio  pr. 


528  Inschriften. 


*FoutaDa  Trevi. 

P.  NicoUns  V.    J.  1453. 

Nicolaus  V.  Pont  max. 

Post,  illustratam.  insignibus 

Monumentis.  Urbem 

Ductum.  aquae.  virginis 

Vetustate.  collapsum 

Sua.  impensa.  in.  splendidiorem.  cultum 

Restitui.  omarique.  mandavit 

Anno  Domin.  I.  C.  MCCCCLm 

Pontificatus.  VII 


Grabmal  Nicolaus'  V. 

Vatican.  Grotten.    J.  1455. 
(Inschrift  von  Enea  Silvio  Piccolomini?) 

Hie  sita  sunt  quintl  Nicolai  antistitis  ossa, 

Aurea  qui  dedei*at  secula  Roma  tibi. 
Consilio  illustris,  virtutc  illustrior  omni, 

Excoluit  doctos  doctior  ipse  viros. 
Abstulit  errorem  quo  schisma  infecerat  Urbem, 

Restituit  mores  moenia  templa  domos. 
Tum  Bemardino  statuit  sua  sacra  Senensi, 

Sancta  lubilaei  tempora  dum  celebrat. 
Cinxit  honoi'e  caput  Friderici  ac  coniugis  aureo, 

Res  Italas  arcto  foedere  composuit 
Attica  Romanae  complura  voliunina  linguae 

Prodidit:  en  tumulo  fundite  thura  sacro. 


Grabschrift  Fra  Angelicos  da  Fiesole. 

Sta  Maria  sopra  Minerva.    J.  1455. 

Hie.  iacet.  vene««.  picto'.  5?.  To.    de.  Ftö.  ordTs.  pdicato. 

14LV. 
Non  mihi  sit  laudi  quod  eram  velut  alter  Apelles 

Sed  quod  lucra  tuis  omnia  Christe  dabam. 
Altera  nam  terris  opera  extant  altera  coelo 

Ürbs  me  loannem  flos  tuüt  Etruriae. 


Inschnften.  529 


Sta  Prisca. 

P.  CaUxtos  III.    J.  1455  —  58. 

Prima  ubi  ab  Evandro  sacrata  est  Herculis  ara, 

Urbis  romanae  prima  superstitio, 
Post  ubi  stnicta  aedes  longe  celebrata  Dianae, 

Structaque  tot  veterum  templa  pudenda  deum, 
Montis  Ayentini  nunc  facta  est  gloria  maior 

Unius  veri  religione  Dei. 
Praecipue  ob  Priscae  quod  cemis  nobile  templum 

Quod  priscum  merito  par  sibi  nomen  habet. 
Nam  Petinis  id  docuit  populos  dum  saepe  doceret, 

Dum  faceret  magno  sacraque  saepe  Deo, 
Dum  quos  Faunorum  fontis  decaeperat  error, 

Hie  melius  sacra  purificaret  aqua. 
Quod  demum  multis  sese  volventibus  annis 

Comiit,  haud  ulla  subveniente  manu, 
Summus  at  antistes  Calistus  tertius  ipsum 

Extulit,  omne  eius  restituitque  decus, 
Cui  simul  aetemae  tribuit  dona  ampla  salutis, 

Ipsius  ne  qua  parte  careret  ope. 


Grabschrift  Lorenzo  Vallas. 

J.  1457.    S.  Johann  im  Lateran. 
(Gesetzt  18 . .  von  Francesco  CanceUieri.) 

Salve  rex  linguae  Laurenti  Valla  latinae, 
Cultor  in  hac  ipsa  iam  tuus  aede  iacet. 

Virginia  in  cella  superas  quae  traxit  ad  auras 
Bisseno  sacras  sidere  cincta  comas: 

Donec  tecum  una  postrema  luce  resurgens 
Felix  caelestes  possit  adire  domos. 


T.  Bcumont,  Kom.   lU.  34 


530  luschrifteii. 

•  Grabmal  Pius'  IL  *) 

Andreaskirche  im  Vatican.    J.  1464. 

Pius  n.  Pont.  max.  natione  Hetruscus  patria  Senensis 
Gente  Picolominea  sedit  ann.  VI.  brevis  pont. 
Ingens  fuit  gloria  conventum  christ  pro  fide 
Habuit  oppugnatoribus  Rom.  Sedis  intra  atque 
Extra  Italiam  restitit  Catharinam  Senensem  inter 
Sa.  Christi  retulit  Pragmaticam  in  Gallia  abrogavit 
Ferdinaadum  Arrag.  in  regem  Siciliae  eis  fretum 
Restltuit  Rem  Eccies  auxit  fodinas  inventi  tum 
Primum  aluminis  apud  Tolpham  instituit  cultor 
lustitiae  et  religionis  admirabilis  eloquio  vadens 
In  bellmn  quod  Turcis  indixerat  Anconae 
Decessit  ibi  et  classem  paratam  et  ducem 
Yenetorwn  cum  suo  senatu  commilitones  Christi 
Habuit  relatus  in  Urbem  patrum  decreto  est 
Hie  conditus  ubi  caput  Andreae  apostoli  ad 
Se  ex  Peloponneso  advectum  collocari  iusserat 
Yixit  annos  quinquaginta  octo  menses  novem 
Dies  XXVII.  Franciscus  Cai'dinalis  Senensis  avun- 
culo  suo  sanetissimo  fecit  MCDLXTV. 


Grabmal  Card.  Nicolaus'  von  Cusa. 
S.  Pietro  in  yincoli.     J.  1464  (1465). 

Qui  iacet  ante  tuns  Nicolaus  Petre  catenas 
Hoc  opus  erexit  cetera  mannor  habet. 

MCCCCLXV. 


Nicolaus  de  Cusa  Treveren.  Sancti  Petri  ad  vincula 
Cardinalis  Brixinen.  epus.  Tuderti  obüt  1464  XI 
Augusti.  Ob  devocionem  cathenarum  Sancti  Petri 
hie  sepeliri  voluit 

Dilexit  Deum  timuit  et  veneratus  est  et  Uli  soll 
servivit.  Promissio  retribucionis  non  fefellit  cum. 
Vixit  annis  LXIE. 


*)  Die  heute  in  S.  Andrea  della  Valle  befindliche .  Ton  Aleasandro  Peretti  Cwdiial  re« 
Montalto  im  Jahre  1623  gesetzte  InBchrifIt  ist  im  wesentlichen  dieselbe,  in  einigen  Eintdbeitn         , 
und  am  Schlüsse  yerschieden. 


Inschriften.  531 


Grabmal  Card.  Juan  Torquemadas. 
Sta  Maria  iop?a  Minerra.    J.  1468. 

F.  loanni  Hispano  Yallisoletano 

£x  vetere  pura  nobilique  familia 

De  Turrecremata 

Ordlnis  Praedicatonim 

S.  R.  E.  Cardinali  Episcopo  Sabinensi 

Pietate  ac  doctrina  clarissimo 

Multis  legationibus  egregie  functo 

Beatae  Virginia  annunciatae 

Sodalitas 

Auetori  8U0  posuit 

Obiit  Romae  VI.  Kai.  Octobris 

An.  Domini  MCCCCLXVm 

Aetatis  vero  suae  LXXX. 


*  Inschrift  Card.  Richard  Oliviers  de  Longueil 

Bischofs  von  Coutances. 

Palast  des  Erzpriesters  von  St.  Peter.     J.  1470. 

Quam  bene  stare  vides  quondam  diaiecta  iacebam 
Et  decus  hoc  facies  fert  modo  culta  novum. 

Riccardus  Normanna  tuus  Conatantia  praesul 
Cardineae  stnixit  gloria  magna  togae 

Presbiter  et  Veneto  Paulo  regnante  secundo 
Primus  in  hac  sede  qui  fuit  ecclesiae. 

MCCCCLXX. 


34 


532  LischriA«u. 

Sammlung  antiker  Bildwerke  durch  Sixtus  IV. 
ConservatorenpalMt     J.  1471. 

Sixtus  Uli.  Pont.  max. 
Ob  immensam  benignita 
tem  aeiieas  insignes  sta 
tuas  priscae  excellentiae 
virtutisque  monumen 
tum  romano  populo 
unde  extorte  fuere  resti 
tuendas  condonandaa 
que  censuit 

Latino  de  Ursinis  cardina 
li  camerario  administra 
nte  et  lohanne  Alperino 
Phil.  Paloscio  Nicoiao  Pi 
nciaronio  Vrbis  conser 
vatoribus  procuratibus 
Ano  salutis  nostre  MCCCC 
LXXI.  XVni.  Kl.  lanuar. 


Grabschrift  Cardinal  Bessarions. 
SS.  ApostoU.    1472.   (1466.) 

TOYT'  ETI  BHSAPIQN  ZQN  ANY2A  ZQMATI  ZHMA 

HNEYMA  AE  <I>EY£EITAI  HPOS  GEON  AOANATON. 

Bessario  episcopus  Tusculanus 

Sanctae  romanae  ecclesiae  cardinalis 

Patriarcha  Constautinopolitanus 

Nobili  Graecia  ortus  oriundusque 

Sibi  vivens  posuit 

Anno  salutis  MCCCCLXVI. 

Grabmal  des  Card.  Niccol6  Forteguerri. 

Sta  Cecilia.    J.  1473. 

Nicoiao  Pistoriensi  cognomento  Fortiguerra 

S.  Caeciliae  presbytero  card.  expugnato  Fano 

Superata  Flaminia  devictis  Sabinis  Eversaiiisq. 

Hostibus  de  ecciesia  benemerito  fratres 

Pientissimi  faciundum  curarunt  is  ut  fortis 

Invicti  ita  domi  sententiis  dicendis  gravis  et 

Constantis  animi  est  habitus 

Vixit  an.  Lim.  nienses  U.  dies  XIIII.  MCDLXXUI. 


luschriftcii.  533 


Ponte  Sisto. 
1475. 

MCCCCLXXV 

Qui  transis  Xysti  Quarti  beneficio 

Deum  roga  ut  pontificexn  optimum  maximum 

Diu  nobis  salvet  ac  sospitet 
Bene  vale  quisquia  es  ubi  haec  precatus 

Fueris. 

*    Xystus  IUI.  Pont,  max 

Ad  utilitatem  P.  Ro.  peregrineque  multitudinis 

Ad  lubileum  venture  pontem 

Hunc  quem  merito  niptum  vocabant 

A  fundamentis  magna  eure  et  impensa  restituit 

Xystumque  suo  de  nomine  appellari 

Voluit 


Alte  Vaticanische  Bibliothek. 
J.  1475. 

Templa  domum  expositis  vicos  fore  moenia  pontes 
Yirgineam  Trivii  quod  repareris  aquam, 

Prisca  licet  nautls  atatuas  dare  commoda  portus 
Et  Vaticanum  cingere  Sixte  iugiun. 

Plus  tarnen  Urbs  debet:  nam  quae  squallora  iacebat 
Cernitur  in  celebri  Bibliotheca  loco. 


Via  Sistina  der  Leostadt 
J.  1475. 

Quam  bene  Sixtma  haec  quae  praeter  fluminis  undas 

Auctoris  meruit  nomen  habere  sui. 
Haec  Mariae  quae  templa  dedit  via  tramite  recto 

Fecit  ut  Petri  sedibus  esset  iter. 
Sixte  tuum  munus  iam  nunc  Sixtina  vocari 

Roma  potes,  minus  est  condere  quam  colere. 


534  iDschrifteu. 

Castell  von  Subiaco. 

J.  1476. 

Divo  Benedicto 
Rhodorious  Borgia  Eps  Portaen  Card 
Valentiiius  S  R  £  Vicecancel  Callisti  III 
P  M  nepos  ad  securitatem  xnona 
chorum  oppidorumque  totias  tractus 
Sublaqueen  proximosque  fines  imperii  Ro 
manae  eccieaiae  tutandis  haue  arcem 
vetere  coUabente  detruncatis  undique 
rupibus  aubducto  rudere  propognacu 
lis  temo  murali  ambitu  dUtinctis  ad 
ditia  cisterniB  tormentiaque  bellicis  et 
insuper  tutelari  turri  gentia  suae 
cognomento  Borgia  appdlata  immenso  pari 
que  magnitudini  sui  animi  impendio  a  fiind 
erexit  dicavitque 
A.  8.  MCCCCLXXYI  sedente 
Xisto  IV  p  m 


Grabmal  des  Card.  Ammanati. 

Sant*  AgosÜno.    J.  1479. 

Lttca  ortu  Sena  lege  fuit  mihi  patria  nomen 
Dum  vixi  lacobus  mens  bona  pro  genere 
Papa  Pius  sedem  Papiensem  detulit  idem 

Cardineo  omavit  munere  genta  domo 
Vivite  qui  legitis  caelestia  quaerite  nostra  haec 
In  cinerea  tandem  gloria  tota  redit 
Obiit  apud  Laurent. 
Vulainien.  an.  aal. 
MCCCLXXIX  X  aeptemb. 
In  Urbem  relatua 
Pia  famllia  domeatica  proaequente 
Et  hie  conditUB 
Xy9Ü  inL  Pont.  maz.  beneficio 
Vix.  an.  LVII  mena.  VI  d.  11. 


Lischrüteu.  535 


Inschrift  des  Senators  Francesco  degli  Scannasorici. 

Consarratorenpalast.     J.  1480. 

De  Scanna  surcis  miles  coguomen  avitum 

Franciscus  duxi  patria  Parthenope 
Sex  menses  annumque  dedi  bona  iura  Senator 
Que  dederat  Sixtus  inclita  sceptra  tuli. 
A.  MCCCCLXXX 
Aprilis  die  X. 


*  Statue  Carls  von  Ai\jou 

im  Senatorspalast  wiederaofgestellt  J.  1481. 

Ule  ego  preclari  tuleram  qui  sceptra  senatus 

Rex  Siculis  Carolus  iura  dedi  populis 
ObrutuB  heu  iaculis  saxis  fumoque  dedenmt 

Hunc  tua  conspieuum  tempora  Sixte  locum 
Hac  me  Matheus  posuit  Tuschanus  in  aula 

Et  patriae  et  gentis  gloria  magna  sue 
Is  dedit  et  populo  post  me  bona  iura  Senator 

Insignifi  titulis  dotibus  atque  animi. 
Anno  Domini  MCCCCLXXXI.  m.  semestri. 


Campo  di  fiore. 
J.  1483. 

Quae  modo  putris  eras  tolenti  sordida  caeno 

Plenaque  deformi  Martia  terra  situ, 
Exivit  hanc  turpem  Sixto  sub  principe  formam, 

Omnia  sunt  nltidis  conspicienda  loci«. 
Digna  salutifero  debentur  praemia  Sixto: 

O  quantum  est  summo  debita  Roma  duci. 

Via  Florea 

Baptista  Archionius     )         ^  .  i  ^.    •.  joo 

T    j    '        -^M  I  curatores  viarum  anno  salutis  14oo. 

Ludovicus  Marganus  ) 


536  Inschinflen. 

*  Inschrift  des  Senators  Lodovico  Orei  von  Forli. 

Senatonpalast.     J.  1483. 

Ter  Septem  menses  Sixto  regnante  Senator 

Romulidas  rexit  non  sine  laude  prpbus 
Ursia  progenie  titulo  Ludovicus  equestri 

Insignis  Livi  natus  in  urbe  tua 
Signa  viri  sunt  haec  ursus  tria  sidera  pinus 

Dos  animi  bonitas  cum  pietate  fides. 
Claro  viro  nimium  coniunx  Victoria  debes 

Quod  generis  renovet  signa  vetusta  tui. 
Prisca  senatorem  viderunt  saecula  Carlum 

Urbs  quem  de  Lapis  clara  Cesena  dedit. 
MCCCCLXXXm. 


Grabmal  Sixtus'  IV. 
St.  Peter.    J.  1484. 


Sixto  quar.  Pont.  max.  ex  ordine  minonun  doctrina 

Et  animi  magnitudine  omnis  memoriae  principi 

Turcis  Italia  summotis  auctoritate  sedis  aucta 

Urbe  instaurata  templis  ponte  foro  viis  bibliotheca 

In  Vaticano  publicata  lubileo  celebrato 

Liguria  Servitute  liberata  cum  modice  ac  piano 

Solo  condi  se  mandavisset 

lulianus  cainlinaUs  patruo  b.  m.  maiore  pietate 

Quam  impensa  f.  cur. 

Obiit  idibus  Sextil.  hora  ab  occasu  quinta  an.  Chr.  MCCCLXXXIin 

Vixit  annos  LXX  dies  XXII  horas  XTT. 


Castell  von  Ostia. 
Cardinal  della  Rovere.    1486. 

lulianus.  Saonas.  Card.  Ostien.  aleae 
Mar.  excipiend.  ergo.  pro.  q.  agro.  r 
Servan.  Ostia,  q.  munien.  Tyb.  q.  orib 
Tuend,  arcem.  quam.  Xysto.  IUI.  pont 
Max.  patruo.  s.  coep.  success.  Innocentio 
Vm.  P.  M.  amne.  ducto.  circum.  sua 
Impensa.  a.  fund.  absolvit 

An.  human,  sal.  MCCCCLXXXVI 
Ab.  Ostia,  con.  MMXCV 

21 

Ab.  Anco.  urb.  auct  ZCXXIX 


Inschriften.  537 

Grabmal  des  Card,  de  La  Balue. 

Sto  Prutede.    J.  1491. 

Deo  opttmo  maximo 

loanni  Andegarensi  epiflcopo  Albanensi 

Hie  heros  prospera  et  adversa  varia  ubus 

Fortuna  in  Piceno  sub  Innocentio 

VUL  legatos  agens  septuagenarius 

Gloriose  obiit  infelicitatis  humanae  et 

Felicitatis  exemplum  memorabile 

Antonius  episc.  veteris  amicitiae  memor 

posuit. 


Grabmal  Innocenz'  VIII. 

St.  Peter.    J.  1492  (neu  errichtet  J.  1621). 

Innocentio  YIIL  Cibo  P.  M.  Italiae  pacis  per 
petuo  custodi  novi  orbis  suo  aevo  inventi 
Gloria  regi  Hispaniarum  catholici  nomine 
impo^ito  crucis  sacrosanctae  invento  titu 
lo  lancea  quae  Christi  hausit  latus  a  Ba 
iazete  Turcarum  imp.  dono  missa  aetemum 
insigne  monumentum  e  veteri  basilica 
huc  translatum  Albericus  Cibo  Malaspina 
Princeps  Massae  Ferentilli  dux  marchio  Car 
rariae  etc.  pronepos  omatius  augustiusq. 
posuit  anno  Domini  MDCXXI. 


*  Inschrift  Card.  Lorenzo  Cybos. 

St.  Peter.     Kapelle  Sta  Maria  de  conventa.     J.  1495. 

Genitrici  Dei  Mariae 
A  Gregorio  III.  Pont  max.  antea  positum  et  dedicatum 

Innocentius  VHI  Cybo  lanuensis  Pont.  max. 

Laurentio  nepoti  S.  Caeciliae  presb.  card.  Beneventano 

A  fundamentis  renovandum 

Supraque  femun  quo  patuit  latus  Salvatoris 

Sanctitati  suae  Bisantio  missum 

A  Baiazethe  maximo  Turcarum  tyranno 

Asservandum  reliquit  Anno  Domini  MCCCCXCV. 


538  Iiischnfteu. 

Tiber  -  Ueberschwemmung. 

Via  dd  paradiso.    J.  1495. 

Alexandro  Sex.  Pont. 
Max.  Tibris  hoc  signü 
undis  invasit  Hiero 
nymufl  Georgias 
YenetuB  orator  in 
Urbe  poBuit  Deceb. 
quinto  MCCCCLXXXXV. 


Rundtempel  von  S.  Pietro  in  montorio. 

J.  1502. 

B.  Petri  apostolorum  principis 

Marlyrio  sacnun 
FerdmanduB  rex  Hispanianim 
Et  EUsabetha  regina  catholici 
Post  erectam  ab  eis  aedem  posnere  . 
Anno  salatis  MDII. 


Apostolorum  principi 

Philippus  m.  Hispanianun  rex 

Tholum  huiusce  sacelli  vetustate 

CoUabentem  diligentia 

Omatissimi  viri  loannis  Femandez 

Paceco  Marchionis  Villenae  piam 

Operis  anti  memoriam  hereditaria 

Religione  renovavit  MDCV, 


CHRONOLOGISCHE   ÜBERSICHT 


VOM  JAHRE    1420-1503. 


Vn.   AUSBILDUNG   DER   PAPSTLICHEN  MONARCHIE. 

L   WIEDERHERSTELLUNG   GEISTLICHER  UND   WELTLICHER  MACHT. 


Jmhr. 

1420 


1421 


1422 


1423 


1424 


1425 


28.  September  P.  Martins  V.  Ankunft  in  Rom. 

Zerwürfnisse  im  Königreich  Neapel  zwischen  Johanna  II.  und 
ihrem  Adoptivsohn  Ludwig  III.  von  Anjou.  Unterhandlung 
P.  Martins  mit  Ludwig  III.  Adoption  Alfons*  von  Aragon  durch 
Johanna  IL  Sforza  Attendolo. 

Giordano  Colonna  Herzog  von  Amalfi  und  Venosa  zum  Fürsten 
von  Salemo  ernannt. 

Alfons  von  Aragon  in  Neapel.  Kampf  der  anjouschen  und  ara- 
gonischen Partei.  Braccio  da  Montone  Fürst  von  Capua,  Graf 
von  Foggia  und  Grossconnetable  von  Neapel. 

Bemhardin  von  Siena  in  Rom. 

Versuch  einer  Annäherung  zwischen  Martin  V.  und  Alfons  von 
Aragon.  Uebei'wiegen  der  Aragonesen  in  Neapel.  Ludwig  HL 
in  Rom. 

Braccio  da  Montone  in  Perugia,  gegen  Cittii  di  Castello. 

Ueberschwenmaung  in  Rom. 

Concilsversuch  in  Pavia  dann  in  Siena. 

Zerwürfniss  zwischen  Johanna  IL  und  Alfons  von  Aragon.  Sforza 
für  Johanna.  Neue  Adoption  Ludwigs  III.  von  Anjou.  Braccios 
da  Montone  Heerzug  gegen  Aquila.  Päpstliche  Truppen  unter 
Lodovico  Colonna  mit  denen  der  Königin  vereint  unter  Sforza 
zum  Entsatz  Aquilas. 

4.  Januar  Sforzas  Tod.  Belagenmg  von  Aquila.  2.  Juni  Sieg 
Francesco  Sforzas  und  Jacopo  Caldoras  über  Braccio  da  Mon- 
tone und  Jacopo  Piccinino.  Braccios  Tod  in  Aquila,  seine 
Leiche  nach  Rom  gebracht. 

Wiedereinnahme  der  umbrischen  Städte. 

Antonio  Colonna  Fürst  von  Salemo. 

Pedro  de  Luna,  Benedict  Xlll. ,  stirbt  in  Paniscola.  Gü  Sanchez 
de  Miinoz  als  Gegenpapst  Clemens  VIII. 

Krieg  in  der  Romagna  zwischen  den  Florentinern  und  Filippo 
Mana  Visconti  Herzog  von  Mailand. 

Paliano  und  Serrone  im  Besitz  der  Colonna, 


542 


Chronologische  Uebersicht. 


Jilir. 

1425 
1426 


1427 


1428 
1429 


1430 


1431 


Wiederherstellung  von  St  Johann  im  Lateran. 

Martin  V.  FriedensvermitÜer  zwischen  Filippo  Maria  Visconti  und 

Venedig. 
Niccolo  Albergati  und  Giuliano  Cesarini  zu  Cardinalen  ernannt 
Rocca  di  Papa,  Nettuno,  Astura  im  Besitz  der  Colonna. 
Leonardo  Bruni  von  Arezzo,    vormals   päpstl.   Geheimschreiber, 

als   florentin.    Gesandter  in   Rom.     (Stirbt  1444   als  florentin. 

Kanzler.) 
Friedensunterhandlungen  in  Ferrara.    Card.  Albergati  Lßgat 
Pandolfo  Malatesta  von  Rimioi  stirbt 
Gentiles  da  Fabriano  und  Vittore  Pisanellos  Wandmalereien  in 

der  Laterankirche.      Spätere    in  Sta  Maria  nuova  (Sta  Fran* 

cesca  Romana). 
Aufstand  in  Bologna.    Päpstliche  Truppen  unter  Ladislao  Gmoig^ 

von  Lucca. 
Tod  Carlo  Malatestas  Herrn  von  Rimini  und  Malatesta  Malatestas 

Herrn  von  Pesaro. 
Unterwerfung  von  Bologna,  Fermo,  Citta  di  Castello. 
Ende  des  Schismas.    Abdankung  Clemens'  VIII.    Cardinal  Pierre 

de  Foix. 
Hospiz  der  Apothekerzunfb  bei  S.  Lorenzo  in  Miranda. 
Unterwerfung  von  Borgo  San  Sepolcro,  Cervia,  Osimo,  Pergola, 

Fano,  Senigallia  und  anderen  malatestaschen  Ortschaften. 
Hospiz  von  Sant'  Antonio  de'  Portoghesi. 
Schilderung  Roms  durch  Poggio  Bracdolini. 
—   In  Martins  V.  Zeit  Neubau   von   S.  Lorenzo   in  Ludna  und 

des    anstossenden    Cardinalspalastes,    Herstellung    von    Santi 

Quattro  u«8.w.   Malereien,  angeblich  von  Masaccio,  in  S.  de- 
mente. 

19.  Februar.     Tod  Martins  V. 

3.  März.  Eugen  IV.  Gabriel  Condulmer  von  Venedig,  StifU- 
herr  von  S.  Giorgio  in  Alga,  Cardinal  von  S.  demente  1408. 
Grabmal  in  S.  Salvatore  in  lauro. 

Streit  mit  den  Colonna  wegen  des  päpstlichen  Schatzes.  Die  Co- 
lonna, Savelli,  Caetani  verlassen  Rom.  23.  April  Ueberfall  der 
Stadt  durch  Antonio  Fürsten  von  Salemo  und  Stefano  von 
Palestrina.  Niederrcissung  der  colonnaschen  Häuser.  Kampf 
in  der  Campagna.  Giovanni  Vitellescfai  von  Cometo  Bischof 
von  Recanati  Commissar  der  päpstlichen  Truppen. 

Kampf  gegen  den  Präfecten  Giacomo  di  Vico. 

20.  Juni.  Entdeckung  einer  Verschworung  in  Rom  zu  Gunsten 
der  Colonna. 

23.  Juli.  Eröffnung  des  Concils  zu  Basel.  Cardinal  Giuliano 
Cesarini.  (12.  November  —  18.  December  Decrete  Ober  die 
Verlegung  des  Concils  nach  Bologna.) 

-22.  September.    Vergleich  mit  den  Colonna. 


Chronologische  Uebersicht.  543 

Jahr.   I 

1431  König  Sigmund  in  Italien.  25.  November  Lombardische  Königs- 
krönong  in  Sant'  Ambrogio  zu  Mailand. 

WiederhersteUung  der  romischen  Universität.  (Local  bei  Sant' 
Eustachio.) 

1432  Zerwürfniss  zwischen  Eugen  IV.  und  dem  baseler  Concil.  Appel- 
lation an  einen  besser  unterrichteten  Papst  und  Aufforderung 
zu  personlichem  Erscheinen. 

Konig  Sigmund  in  Lucca  und  Siena. 

1433  Unterhandlungen  zwischen  Eugen  IV. ,  Konig  Sigmund  imd  dem 
Condl. 

Filippo  Maria  Viscontis  Parteinahme  fiir  das  Concil  gegen  den 
Papst    Eroberung  der  Mark  Ancona  durch  Francesco  Sforza. 

30.  April.   Neues  Abkommen  zwischen  Eugen  IV.  und  den  Colonna. 

21.  Mai.  K.  Sigmund  in  Rom.  31.  Mai  Kaiserkrönung  Sig- 
munds von  Luxemburg.  14.  August  Des  Kaisers  Abzug  von 
Rom.     (11.  October  Ankunft  in  Basel.) 

25.  August.  Niccolo  Fortebracdo  della  SteUa  mailandischer  Con- 
dottiere  in  der  Campagna.  Einnahme  von  Subiaco  und  Tivoli. 
Verheerung  der  nächsten  Umgebung  Roms.  Bedrängniss  der  Stadt« 

15.  December.  Eugens  IV.  Vergleich  mit  dem  Concil  mittelst  An- 
erkennung der  Rechtmässigkeit  und  Continuität  der  Versamm- 
lung imd  Rücknahme  der  Verlegungsdecrete. 

Ciriaoo  PizzicoUi  von  Ancona  in  Rom. 

1434  25.  März.  Die  Mark  Ancona  Vicariat  für  Francesco  Sforza. 
Niccolo  Picdnino  mit  mailändischen  Truppen  in  Umbrien. 
Streifzüge  Fortebraccios  bis  zu  den  Thoren  Roms. 

29.  Mai.  Aufstand  in  Rom.  Republikanische  Regierung.  4.  Juni 
Flucht  Eugens  IV.  nach  Ostia  dann  nach  Pisa.  23.  Juni  An- 
kunft in  Florenz.  Florentinische  Staatsumwilzung.  Cosimo 
de*  Medici  an  der  Spitze  der  Republik. 

Kampf  in  der  Campagna  und  im  Patrimonium.  Sieg  Francesco 
Sforzas  über  Piccinino  und  Fortebracdo  bei  Vetralla.  Vergeb- 
liche Belagerung  der  für  den  Papst  aushaltenden  Engelsburg 
durch  Fortebracdo.    Elend  in  Rom. 

26.  October.  Sieg  der  päpstlichen  Partei  in  Rom.  Giovanni 
Vitelleschi  päpstlicher  Bevollmächtigter. 

I  Tommaso  von  Sarzana  (Nicolaus  V.)   mit   dem   päpstl.  Hofe  in 
!      Florenz. 

1435  i  2.  Fehruar.  Tod  Johannas  II.  Königin  von  Neapel,  der  letzten 
des  Hauses  Anjou-Durazzo.  Thronstreit  zwischen  Alfons  von 
Aragon  und  Ren^  von  Anjou,  Bruder  des  im  Jahre  1434  ge- 
storbenen Ludwig  III.  (Belagerung  von  Gaeta  durch  Alfons; 
5.  August  Seeschlacht  bei  den  Ponzainseln,  K.  Alfons  von  den 
Genuesen  besiegt  und  gefangen,  durch  Filippo  Maria  Visconti 
wieder  in  Frdheit  gesetzt.)  Versuch  Eugens  IV.,  Neapel  als 
hdmgefallenes  Lehn  einzuziehn. 


544  Chronologische  Uebereicht. 

Jahr.    I 

1435  I  Krieg  Giovanni  Vitelleschis  mit  dem  Prafecten.    Giacomo  di  Vico 

28.  September  in  Soriano  enthauptet    Auflosung  des  Prafectur- 

staats. 
Vergleich  zwischen  Eugen  IV.  und  Filippo  Maria  Visconti 
!  Fortwährende  Opposition   des   Concils   gegen   den   Papst     Auf- 
I      hebung  der  Annaten  und  Expectationen. 

1436  Francesco  Orsini  Graf  von  Tagliacozzo  Präfect  von  Rom. 
18.  April.    Eugen  IV.  geht  von  Florenz  nach  Bologna. 

I  Kampf  in  der  Campagna.     Giovanni  Vitelleschi   Erzbischof  von 

I  Florenz  und  Patriarch  von  Alexandria  gegen  Antonio  da  Ponte- 
dera,  die  Colonna  und  ihre  Anhänger.  Eroberung  von  Ponte 
Lucano,  Borghetto  bei  Marino,  Rocca  Priora,  Castel  Gandolfo. 
Albano,  Castel  Savello.     15.  Mai  Sieg  Vitelleschis  bei  Pipemo. 

,      18.  August  Einnahme  von  Palestrina  nach,  dem  Fall  von  Zaga- 

!      rolo,     Gallicano,     S.    Gregorio ,    Citta  Lavigna.      29.  August 

!      Triumpheinzug  Vitelleschis. 

'  BeschlQsse  des  Concils   über  Cardinalat,    Condave,  Wahl,  Eid 

!      u.  s.  w.  des  Papstes. 

1437  20.  März.    Zerstörung  von  Palestrina  durch  Vitelleschi.    (Palast 
Vitelleschi  in  Cometo.) 

31.  Juli.     Vorladung  des  Papstes  durch  das  Concil. 

9.  August    Vitelleschis  Erhebung  zur  Cardinais  würde. 

1.  October.     Verlegung  des  Concils  von  Basel  nach  Eerrara. 

9.  (?)  December.     Tod  Kaiser  Sigmunds  zu  Znaim  in  Mähren. 

Erweiterung  des  portugiesischen  Frauenhospizes  zu  S.  Antonio. 

24.  Januar.     Suspension  des  Papstes  durch  das  baseler  Concil. 
Concil  zu  Ferrara.      15.  Februar    Zweite  Sitzung  in  Gegenwart 

Eugens  IV.      4.  März    Ankunft   des    griechischen    Kaisers  Jo- 
hannes Palaeologus. 

29.  April.  Königswahl  Albrechts  IL  von  Habsburg. 
Pragmatische  Sanction  für  die  gallicanische  Kirche. 
Tod  Cardinal  Giordano  Orsinis.    Vermächtniss  seiner  Bibliothek 

an  die  Peterskirche. 
Januar.     Eröffnung  des  Concils  zu  Florenz. 
4.  Februar.     Zerstönmg  von  Zagarolo  durch  Vitelleschi. 

26.  März.     Annahme  der  baseler  Reformdecrete  in  Teutschland 
Neutralität  der  Reichsstände. 

25.  Mai.     Absetzung  Eugens  IV.  durch  das  baseler  Condliabalum. 
6.  Juli.     Vereinigung  der  orientalischen  mit  der  römischen  Kirche 

auf  dem  Concil  zu  Florenz.     Bessarion  Erzbischof  von  Nicäa 
Cardinal. 

27.  October.    Tod  K.  Albrechts  11. 

30.  October.    Herzog  Amadeus  von  Savoyen  Gegenpapst  Felix  ^ . 
I  Erbauung  von  Sant'  Onofrio  auf  dem  Janiculum. 

1440 1  2.  Februar.    Friedrich  III.  von  Habsburg  teutscher  König. 

I  18.  März.     Gefangennehmung  Cardinal  Vitelleschis  durch  Antonio 


1438 


1439 


Chronologische  Uebersicht  545 

Jdw. 

Bido    CasteUan    der   Eogelsburg.     2.  April   Vitelleschis   Tod. 
•Lodovico  Scarampi  Mezzarota  päpstlicher  Statthalter,  Erzbischof 
von  Florenz,  Patriarch  von  Aquilcja;     22.  Juni   Cardinal  von 
I      S.  Lorenzo  in  Damaso. 
1440  I  29.  Juni.    Sieg  der  Florentiner  und  der  päpstlichen  Truppen  bei 
Anghiari  über  Niccolo  Piccinino  Feldhauptmann  Filippo  Maria 
Viscontis. 
Tod  der  h.  Francesca  Romana. 
I  Eherne  Thüre  von  St.  Peter  von  Antonio  Filarete  und  Simone 
I      von  Florenz  vollendet. 
1441 !  Kampf  im  Königreich  Neapel  zwischen  Alfons  von  Aragon  und 
Rene  von  Anjou.    Parteinahme  Eugens  IV.  filr  Ren6. 
Ravenna  im  Besitz  der  Venetianer.    Ende  des  Hauses  Da  Polenta. 
Tod  Niccolos  von  Este  Markgrafen  von  Ferrara.     Lionello  von 
Este. 

1442  Einnahme  von  Neapel  durch  Alfons  von  Aragon. 
Eugen  IV.  gegen  Francesco  Sforza. 
Herstellungsai'beiten  am  Pantheon.  Ausgrabung  des  vor  der  Kirche 

liegenden  Platzes. 

1443  I  Verständigung  zwischen  Eugen  IV.  und  Alfons  von  Aragon. 
7.  März.    Eugen  IV.  geht  von  Florenz  nach  Sicna.     28.  September 

Einzug  in  Rom.    Erofinung  des  lateranischen  Condls. 
Ende  des  baseler  Conciliabulums. 
Tod  Cardinal  Niccolo  Albergatis. 

1444  Krieg  in  der  Mark  zwischen  den  Päpstlichen  und  Francesco 
Sforza. 

10.  November.  Schlacht  bei  Vama.  Tod  König  Wladislaws  von 
Polen  Regenten  von  Ungarn  und  des  Cardinais  Giuliano  Cesarini. 

1445  Alessandro  Sforza  Herr  von  Pesaro. 

1446  Enea  Silvio  Piccolomini  Gesandter  Friedrichs  III.  in  Rom,  nach 
Abschluss  eines  Vergleichs  in  den  kirchlichen  Angelegenheiten 
Teutschlands.  (Juan  de  Carviyal,  Td^nmaso  da  Sarzana,  Nico- 
laus von  Cusa.) 

Herstellung  mehrer  Kirchen,  Brücken,  des  vatican.  Palastes  u.  s.  w. 
1447 !  6.  Februar.  Bestätigung  des  Abkommens  mit  Teutschland  durch 
Eugen  IV.    23.  Februar  Tod  Eugens  IV. 

6.  März.  Nico  laus  V.  Tommaso  Parentucelli  von  Sarzana, 
Bischof  von  Bologna,  Cardinal  von  Sta  Susanna  1446.  Grab- 
mal in  den  vaticanischen  Grotten. 

Abkommen  zwischen  dem  Papst  und  Francesco  Sforza.  Beruhi- 
gung des  Kirchenstaats  durch  Vergleich  mit  den  Vicaren  und 
Städten. 

13.  August  Tod  Filippo  Maria  Viscontis.  Ambrosianische  Re- 
publik (bis  1450). 

Aschaffenburger  Concordat 

Musenhof  Nicolaus'  V.     Eifrige    Bemühungen   zu   Gunsten   der 

T.  Benmont,   Rom.   IIT.  35 


546  Chronologisclie  Uebersichr. 

Jahr. 

classischen  Literatur.     Griechische  Studien.     Anlage  der  vati- 
I      canischen  Bibliothek.    Giovanni  Tortelli  Bibliothekar.  » 
1447    Biondo  Flavio   von  Forli   päpstlicher  Geheimschreiber  vollendet 
seine  Roma  instaurata.    (Stirbt  1463.) 
Bauten  zur  Vergrösserung  des  vaticanischen  Palastes. 
Fra  Angelico  da  Fiesole,  von  Eugen  IV.  nach  Rom  berufen,  malt 
im  Vatican  in  den  Kapellen  des  Sacraments  und  des  h.  Lau- 
rentius.     Benozzo  Gozzoli  in  Rom. 
1448 '  Ansteckende  Krankheit  in  der  Romagna  und  in  Rom.    Predigten 
und  Bussübungen  Fra  Robertos  da  Leoce. 
Lorenzo  Valla  apostolischer  Scriptor. 

1449  Fortdauer  der  Seuche  in  Rom. 
Verzichtleistung  Felix'  V.,  des  letzten  Gegenpapstes. 
San  Salvatore  in  lauro.    (Stiftsherren  von  S.  Giorgio  in  Alga.) 
Aldo  Pio  Manuzio  zu  Bassiano  im  Volskergebirge  geboren. 

1450  Fünftes  (sechstes)  Jube^ahr.  Unfall  auf  der  Engelsbrücke.  Er- 
bauung von  zwei  kleinen  Kapellen  am  Aufgang  zur  Brücke. 

Längere  Anwesenheit  des  Papstes  in  der  Mark  Ancona.  (Bauten 
in  Fabriano  und  an  anderen  Orten.) 

Francesco  Sforza  Herzog  von  Mailand«  Borso  von  Este  Mark- 
graf von  Ferrara. 

Anfang  des  Neubaus  der  Peterskirche.  Bemardo  Rossellino. 
Zerstörung  der  Grabkapelle  der  Anider.  Beschreibung  der 
Peterskirche  von  Maffeo  Vegio. 

Herstellung  der  Acqua  Vergine.  Fontana  Trevi.  Umfassende 
Ausbesserung  der  Mauern  und  Thürme.  Restaurationsarbeiten 
am  Senatorspalast  Neubau  von  Sto  Stefano  rotondo  und 
S.  Teodoro.    Päpstliche  Wohnung  bei  Sta  Maria  maggiore. 

S.  Giacomo  degli  Spagnuoli. 

1451  Leon  Batista  Alberti  widmet  Nicolaus  V.  sein  Werk  über  die 
Baukunst. 

Fortsetzung  der  von  Nicolaus  V.  unternommenen  Bauten. 

1452  Konig  Friedrich  111.  in  Italien,  30.  Januar  in  Florenz,  9.  März  in 
Rom.  16.  März  Lombardische  Königskrönung  und  Vermälung 
des  Königs  mit  Eleonore  von  Portugal.  18.  März  Kaiser- 
krönung  Friedrichs  111.  (Letzte  römische  Kaiserkrönung.) 
26.  April  Rückkehr  Friedrichs  nach  Teutschland. 

1453  Verschwörung  Stefano  Porcaros. 
29.  Mai.     Eroberung   von    Constantinopel    durch    Mohammed  11- 

Kreuzzugspredigten.    Fra  Giovanni  da  Capistrano. 
Poggio  Bracciolini  verlässt  Rom  zui*  Uebemahme  des  florentin. 

Kanzleramtes.     (Stirbt  1459.) 
Vollendung  von  Sta  Maria  sopra  Minerva  durch  Francesco  Or- 

sini.     (Palast  Orsini  an  Piazza  Navona.     St  Jacobskircfae  in 

Vicovaro.) 
Francesco  Filelfo  in  Rom. 


Chronolo^fiche  Uebersicht.  547 


Jmhx. 

1454 


Irrungen  mit  Everso  Grafen  von  AnguiUara  und  Jacopo  Piccinino. 

Fortschritte  der  Türken  im  aegeischen  Meer.     Bemühungen  Ni- 
colaus' V.   zur  Herstellung    des  Friedens   und  zum   Abschluss 
eines  Bündnisses  in  Italien. 
1455    24.  März.    Tod  Nicolaus'  V. 

8.  April.  Calixtus  III.  Alfonso  Borgia  von  Xativa  bei  Valencia, 
Bischof  von  Valencia,  Cardinal  von  SS.  Quattro  1444.  Grab 
in  Sta  Maria  di  Monserrato.  —  Unruhen  in  Rom  bei  der  Be- 
sitznaAmie. 

Kreuzzug  gegen  die  Türken.  Cardinal  Lodovico  Scarampi  mit 
päpstlichen  Galeeren  im  Archipel. 

Palast  von  San  Marco.    Card.  Pietro  Barbo. 

Tod  Fra  Angelicos  da  Fiesole. 
1456 1  Vertheidigung  der  griechischen  Inseln   und  Belgrads   gegen    die 
Türken. 

Wiederherstellung  von  Sta  Prisca. 

1457  Zerwürfniss  zwischen  Calixtus  HI.  und  Alfons  von  Aragon. 
Pedro  Luis  Lansol  Borgia  Herzog  von  Spoleto,  dann  auch  von 

Benevent  und  Graf  von  Terracina,  Castellan  der  Engelsburg. 

1458  27.  Juni.  Tod  Alfons'  von  Aragon.  Ferrante  König  von  Neapel. 
Verweigerung  der  Investitur  durch  Calixtus  III. 

6.  August.  Tod  Calixtus'  III.  Aufstand  in  Rom  gegen  die  Cata- 
lanen.    Pedro  Luis  Borgias  Flucht  nach  Civitavecchia  und  Tod. 

19.  August.  Pius  IL  Enea  Silvio  Piccolomini  aus  Corsignano  im 
Sienesischen ,  Bischof  von  Triest  und  von  Siena,  Cardinal  von 
Sta  Sabina  1456.     Grabmal  in  S.  Andrea  della  Valle. 

Belehnung  Ferrantes  von  Aragon  mit  Neapel. 

Beruhigung  des  Kirchenstaats  unter  Mitwirkung  Konig  Ferrantes. 
Jacopo  Piccinino  in  Umbrien.  Sigismondo  Malatesta  in  Rimini. 
Abfindung -mit  den  catalanischen  Befehlshabern. 

Tod  Cardinal  Domenico  Capranicas. 

1459  Congress  zu  Mantua  zur  Vereinigung  des  Abendlands  gegen  die 
Türken.  22.  Januar  Pius'  IL  Abreise  von  Rom.  27.  Mai  An- 
kunft in  Mantua.  Markgraf  Albrecht  Achilles  von  Hohenzollem- 
Brandenburg. 

14601  20.  Januar.  Pius  IL  verlässt  Mantua,  verweilt  in  Siena  und  in 
den  Bädern  von  Macereto  und  Petriolo.  6.  October  Rückkehr 
nach  Rom. 

Krieg  im  Königreich  Neapel  zwischen  König  Ferrante  und  der 
anjouschen  Partei  unter  Herzog  Johann  von  Calabrien  König 
Renes  Sohn.  Pius  IL  für  Ferrante.  Schlachten  am  Samo  und 
bei  S.  Fabiano.  Unruhen  in  Rom  und  den  Umgebungen. 
Everso  von  Anguillara  und  Cardinal  Pietro  Barbo.  Die  catili- 
narische  Bande.    Die  Savelli  und  Graf  Federigo  von  Urbino. 

Einnahme  Moreas  durch  Mohammed  II.  Ende  der  palaeologischen 
Herrschaft 

35* 


548  Chronologische  Üebersicht. 

iaht. 

1460  Streit  zwischen  Cardinal  Nicolaus  von  Cusa  und  Herzog  Sigmund 
von  Oestreich  Tirol. 

Collegium  Capranica.  —  Brüderschaft  der  SS.  Annunziata. 
Neubau  des  Lateranischen  Spitals  durch  Everso  von  Angmllart 
verordnet. 

1461  29  Juni.    Canonisation  Caterinas  von  Siena. 
Pius'  II.  Aufenthalt  in  Tivoli.    Erbauung  des  dortigen  Castells. 
Thomas  Palaeologus  Despot  von  Morea  in  Rom.    Der  Schädel  des 

Apostels  Andreas.    (Thomas  starb  in  Rom  14651) 
Charlotte  von  Lusignan  Konigin  von  Cypem  m  Rom.     (Kehrte 

spSter  hieher  zurück  wo  sie  am  16.  Juli  1487  starb.) 
Jacopo   Ammanati  Bischof  von   Pavia   Cardinal,   Fortsetzer  der 

Commentarien  Pius'  IL    (Stirbt  1479.) 
Temporäre  Aufhebung  der  pragmatischen  Sanction  von  1438  durch 

Konig  Ludwig  XI. 
Antonio  Todeschini  Piccolomini  Herzog  von  Amalfi. 
Andreasaltar   in    S.   Peter.      Restaurationen    und  Veränderungen 

ebendaselbst      Apostelstatuen    an    den    Stufen    der    Basilika. 

Tabernakel  hei  Ponte  moUe. 
Alaunwerke  von  Tolfa  bei  Civitavecchia. 

1462  Seuche  in  Rom.  Pius  IL  in  Viterbo  dann  in  Corsignano-Pienza 
und  in  der  Abtei  S.  Salvatore  am  Mont*  Amiata.  Pienza  Bi- 
schofsitz. Grosse  Bauten  daselbst,  Dom,  Episcopium,  Palast 
Piccolomini.    Bemardo  (Rossellino  ?)  von  Florenz. 

Bulle  gegen  das  Kalkbrennen  aus  antiken  Marmoren. 
Kampf  in  der  Romagna  gegen  Sigismondo  Malatesta. 

1463  Congress  zu  Rom  wegen  der  Angelegenheiten  des  Ostens. 
Unterwerfung  Sigismondo  Malatestas.     Rimini   mit  kleinem  Ge- 
biete päpstliches  Vicariat 

Ende  des  neapolitanischen  Krieges.     Johann  von  Anjou  verlässt 

Italien. 
Zerstörung  des  Castells  Lari^o  bei  VeUetri. 
(Ungef.)    Giulio  Pomponio  Leto  und  Bartolommeo  Piatina  in  Rom. 

Römische    Akademie.       Fortschritte    der   Alterthumsforschusg. 

Sammlungen  von  Antiquitäten. 

1464  Pius  IL  im  Bade  zu  Petriolo  und  in  Siena.  18.  Juni  Aufbruch 
von  Rom  zum  Kreuzzug.  18.  Juli  Ankunft  in  Ancoiuu 
12.  August  Eintreffen  der  venetianischen  Flotte  unter  dem 
Dogen  Cristoforo  Moro.     14.  August  Tod  Pius'  II. 

30.  August  Paul  IL  Pietro  Barbo  von  Venedig,  Cardinaldiakon 
von  Sta  Maria  nuova  1440,  dann  Cardinalpriester  von  S.  Marco. 
Grabmal  in  den  vaticanischen  Grotten. 

Tod  Nicolaus'  von  Cusa  und  Eversos  Grafen  von  Anguillara. 

Tod  Cosimos  de'  MedicL  Piero  sein  Sohn  an  der  Spitze  der 
Republik  Florenz. 

Vorgehen  K.  Ferrantes  gegen  die  Barone  anjouscher  Partei. 


Chronologische  Uebersicht  549 


Jabr. 

1465 


Kampf  gegen  die  Grafen  von  Anguillara  Francesco  und  Deifebo 
Eversos  Söhne.    Cardinal  Niccolo  Forteguerri. 

Neue  Unruhen  in  der  Romagna.  Tod  Malatesta  Novellos  Herrn 
von  Cesena.    Roberto  Malatesta  Sigismondos  Sohn. 

Erste  Druckerei  im  Benedictinerkloster  von  Subiaco.  Conrad 
Schweinheim  und  Arnold  Pannartz. 

1466  Aufbebung  des  Collegiums  der  Abbreviatoren  Bartolommeo  Pia- 
tina. Einschreiten  des  Papstes  gegen  die  römische  Akademie. 
Pomponio  Leto,  Filippo  Buonaccorsi  u.  A. 

Caterina  Königin  von  Bosnien  in  Rom.     (Stirbt  daselbst  1478.) 

Tod  Francesco  Sforzas  Herzogs  von  Mailand.  Galeazzo  Maria 
Sforza. 

Zerwürfniss  Pauls  II.  mit  König  Ferrante. 

Wiederherstellung  der  Kirche  und  Ausbau  des  Palastes  von  San 
Marco.  Bemardo  di  Lorenzo  aus  Florenz.  Antike  und  mo- 
derne Sculpturen  und  andere  Kunstwerke  im  Palast 

1467  Kampf  in  der  Romagna.  Bartolommeo  CoUeone  mit  den  floren- 
tinischen  Ausgewanderten,  romagnolischen  Herren  und  venetia- 
nischer  Hülfe  gegen  Florenz.    Schlacht  bei  La  Molinella.^ 

Druckerei  im  Hause  der  Massimi  in  Rom.  Erster  Druck :  Ciceros 
Briefe  an  die  Freunde.  Giovan  Andrea  Bussi  nachmals  Bischof 
von  Aleria  Corrector. 

1468  Tod  Sigismondo  Malatestas  Herrn  von  Rimini.  Roberto  Mala- 
testa bemächtigt  sich  der  Herrschaft 

Kaiser  Friedrich  III.  in  Rom. 

1469  Kampf  um  Rimini.  Paul  H.  im  Bunde  mit  Venedig  gegen  Fer- 
rante von  Neapel  und  die  übrigen  Verbündeten  Roberto  Mala- 
testas. 23.  August  Niederlage  der  päpstlich -venetianischen 
Truppen. 

Tod  Pieros  de'  Medici.     Lorenzo  (der  Erlauchte)  und  Giuliano 

seine  Söhne. 
Reform  der  römischen  Statuten.    Erster  Druck  derselben  1470  — 

1471. 

1470  Bündniss  des  Papstes  mit  mehren  italienischen  Staaten  gegen  die 
Türken. 

Johannes  Argyropulos  in  Rom. 
Ueberschwemmung  und  Herbststürme. 

1471  Borso  von  Este  Markgraf  von  Ferrara  und  Herzog  von  Modena 
in  Rom  zum  Herzog  von  Ferrara  erhoben,  stirbt  am  27.  Mai. 
Ercole  von  Este  sein  Bruder  und  Nachfolger. 

26.  Juli.    Tod  Pauls  U. 


550 

Jalir. 


Chronologische  Ueberaicht 


2.  ÜBERGEWICHT  POLITISCHER  TENDENZEN.      J.  1471 -1503. 

1471  9.  August.     Sixtus  IV.     Francesco  della  Rovere  aus  Albizzola 

bei  Savona,  Minorit,  Cardinal  von  S.  Pietro  in  vincoli   1467. 
Grabmal  in  St  Peter. 

I  Giuliano  della  Rovere  Cardinal  von  S.  Pietro  in  vincoli. 

i  Neubau  des  Hospizes  von  Sto  Spirito  begonnen.  Baccio  Pootelli. 
Vaticanische  Bibliothek  (heutige  Floreria  apostolica)  zu  bauen  be- 
gonnen. Bauten  zur  Vergrosserung  des  vaticanischen  Palastes. 
Bauten  an  S.  Pietro  in  vincoli,  SS.  Apostoli  u.  s.  w.  Einwei- 
hung der  Earche  des  Spitals  der  Consolazione.  Aufstelluog 
antiker  Bildwerke  im  Conservatorenpalast 
Lombardisches  Hospiz  bei  S.  Niccolo  al  tufo  (S.  Carlo). 

1472  Elreuzzug  des  Card.  Olivieri  Carafa  mit  päpstlichen  Galeeren  nach 
dem  Archipel  und  den  kleinasiatischen  Küsten. 

Die  Della  Rovere  und  Riari  im  römischen  Adel. 
Tod  Cardinal  Bessarions.    Grabmal  in  SS.  Apostoli« 
Sta  Maria  del  popolo.    Baccio  Pontelli.  —  Herstellung  der  Aoqua 
Vergine.  —  Giuliano  da  San  Gallo  in  Rom. 

1473  Girolamo  Riario  Herr  von  Imola. 
Restauration  der  Marc  Aurelstatue  auf  dem  Lateranplatz. 
Sixtinische  Kapelle  begonnen.   Toscanische  und  umbrische  Kflost- 

1er  zur  Ausschmückung  derselben  berufen. 
Mysterien  und  andere  Schauspiele   auf  Piazza  SS.  Apostoli  auf 
I      Veranstaltung  Card.  Pietro  Riarios. 
1474 !  Tod  des  Cardinais  Pietro  Riario. 

I  Giuliano   della    Rovere   in  Todi   und  Spoleto.     Gegen  Citta  di 

Castello;   Unterwerfung  Niccol6  Vitellis. 
Konig  Christian  von  Dänemark  in  Rom. 
Federigo  von  Montefeltro  Herzog  von  Urbino.    (Stirbt  1482.) 
I  Anlage  der  Via  Sistina  in  der  Leostadt    Ausbesserung  der  Mauern 
von  Trastevere,   des  Corridors  der  Engelsburg,   der  nomen- 
i      tanischen  Brücke  u.  s.  w.    Maassregeln  fiir  die  Reinlichkeit  der 
'      Strassen.    Herstellung  zahlreicher  Earchen. 
1475  I  Sechstes  (siebentes)  Jube\jahr.     König  Ferrante  von  Neapel  in 
Rom. 
I  Giovanni  della  Rovere  Herr  von  Senigallia  und  Präfect  von  Rom, 

Eidam  Federigos  von  Montefeltro  Herzogs  von  Urbino. 
I  Bartolommeo  Piatina  Bibliothekar  der  Vaticana.    (Fresco  Melozzos 

von  Forli.) 
Ponte  Sisto  vollendet    Palast  Card.  Nardinis  (Govemo  vecchio). 
147(5;  Grosse  Ueberschwemmung  und  Seuche  in  Rom.    Sixtus  IV.  nach 
Campagnano    und  anderen  Orten  des  Patrimoniums  und  Um- 
briens.    23.  October  Rückkehr  nach  Rom. 
Ermordung  Galeazzo  Maria  Sforzas.     Gian  Galeazzo  sein  Sohn 


Chronologische  Uebersicht  551 

Jabr.    I 

folgt  ihm  unter  Vormundschaft  seiner  Mutter  Bona  von  Savoyen 
nachmals  seines  Oheims  Lodovico  Herzogs  von  Bari,  genannt 
il  Moro. 

1476  Castell  von  Subiaco  ftLr  Rodrigo  Borgia. 

1477  VerunglQckte  Unternehmung  Carlos  da  Montone  gegen  Perugia. 

•  Tod  Cardinal  Latino  Orsinis.   Cardinal  d'Estouteville  Camerlengo. 
<  Verlegung  des  Marktes  vom  Capitolsplatz  nach  Piazza  Navona. 

1478  I  Verschwörung  der  Pazzi  gegen  Lorenzo  und  Giuliano  de'  Medid. 
Cardinal  RafTael  Sansoni  Riario  in  Florenz.  Interdict  über  die 
Florentiner.  Alfons  Herzog  von  Calabrien  Konig  Ferrantes 
Sohn  in  Rom.    Päpstlich -neapolitanischer  Krieg  gegen  Florenz. 

S.  Girolamo  degli  Schiavoni.    S.  Luigi  de'  Francesi. 

1479  I  Ungünstige  Wendung  des  Krieges  för  die  Florentiner.  Lorenzo 
de'  Medici  in  Neapel. 

Erster  venetianischer  Druck   von  Piatinas  Lebensbeschreibungen 

der  Päpste. 
Bau   von    Sant'  Agostino  begonnen.     Vollendet  1483.     Cardinal 

d'Estouteville. 

1480  Versöhnung  der  Republik  Florenz  mit  König  Ferrante.  Erobe- 
rung von  Otranto  durch  die  Türken. 

Girolamo  Riario   Generalcapitän  der  Kirche.     3.  December  Ver- 
söhnung der  Florentiner  mit  der  Kirche. 
Päpstiiche    Bulle  inbetreff  der   Erweiterung   und  Verschönerung 
der  Strassen  und  Plätze  der  Stadt 

1481  Bündniss  der  italienischen  Staaten  gegen  die  Türken  in  Rom  ge- 
schlossen. Wiedereroberung  Otrantos  durch  Alfons  von  Ca- 
labrien. 

Wiederaufstellung  der  Statue  Carls  von  Ai^jou  im  Senatorspalast. 
Tod  Francesco  Filelfos  und  Bartolonuneo  Piatinas. 
S.  Giovannino  de'  Genovesi  in  Trastevere. 

1482  Krieg  zwischen  Sixtus  IV.  und  Neapel.  Alfons  von  Calabrien 
vor  den  Thoren  Roms.  Unterstützung  von  Venedig.  21.  August 
Sieg  Roberto  Malatestas  über  die  Neapolitaner  bei  S.  Pietro  in 
Formis  (Campomorto).    Siegesfest  in  Rom.    Malatestas  Tod. 

23.  December.  Friede  zwischen  dem  Papst  und  Neapel  und 
dessen  Verbündeten.  Fortsetzung  des  Krieges  durch  die  Vene- 
tianer. 

Guidubaldo  della  Rovere  Herzog  von  Urbino. 

Johann  Reuchlin  in  Rom. 

Sta  Maria  della  pace.    Glockenthurm  von  S.  Cosimato. 

1483  I  Fehde  zwischen  den  Orsini  und  Colonna.  Der  Papst  und  Giro- 
lamo Riario  auf  Seiten  der  Ersteren. 

S.  Francesco  di  Paola  in  Rom. 

Tod  Cardinal  d'Estoutevilles.     (Voimal.  Altar  in  Sta  Maria  mag- 

giore.   Kirche   Sant'  Aurea   in  Ostia,   nach   B.  Pontellis  Plan, 

von  Giuliano  della  Rovere  vollendet.) 


552 


Chronologische  Uebenicht. 


Jahr. 

1483 
1484 


1485 


1486 


1487 


1488 


1489 


Erste  Feier  des  Palilienfestes  durch  die  römische  Akademie. 

Fehden  und  Unordnungen  in  Rom.  Orsini,  Santacroce,  Tutta- 
villa,  Crescenzi  u.  A.  gegen  Colonna,  Savelli,  Conti,  Della 
Valle  u.  M.  Angriff  auf  die  colonnaschen  Wohnungen.  Gre- 
fangennehmung  und  Tod  Lorenzo  Colonnas.  Kampf  in  der 
Campagna.  Prospero  und  Fabrizio  Colonna.  Belagerung  von 
Paliano  durch  Girolamo  Riario. 

7.  August.  Friede  zu  Bagnolo  zwischen  Venedig  und  seinen 
Gegnern  ohne  Betheiligung  des  Papstes. 

12.  August  Tod  Sixtus'  IV.  Grosse  Aufregung  in  Rom.  Angriff 
auf  den  Palast  Girolamo  Riarios.  Aufhebung  der  Belagerung 
von  Paliano.  Räumung  der  Stadt  durch  die  Barone  beider 
Parteien. 

29.  August  Innocenz  VIII.,  Giovan  Batista  Cybo  aus  Genua, 
Bischof  von  Molfetta,  Cardinal  von  Sta  Balbina  1473.  Grab- 
mal in  St  Peter. 

Versuche  Innocenz'  VIII.  durch  Friedenstiflung  zwischen  den  Ba- 
ronen den  Unordnungen  in  der  Stadt  ein  Ende  zu  machen. 
Neue  Kämpfe  in  der  Campagna  und  unvollkommene  Versöhnung. 

Neapolitanischer  Baronenkrieg.  Erhebung  von  Aquila  gegen  König 
Ferrante.  Parteinahme  des  Papstes  und  Venedigs  ftlr  die  Aqui- 
laner.  Kampf  in  der  römischen  Campagna.  Alfons  von  Cala- 
brien  nochmals  vor  den  Thoren  der  Stadt 

Auffindung  einer  altrömischen  Leiche  an  der  Via  Appia. 

Lateinisches  Schauspiel  im  Hof  des  vaticanischen  Palastes. 

Friede  zwischen  Innocenz  VIII.  und  König  Ferrante.  Bruch  der 
Friedensbedingungen  durch  den  König  und  neues  Zerwürfniss. 

Cardinal  Giuliano  della  Rovere  mit  päpstlichen  Truppen  g^en 
das  empörte  Osimo. 

Giovanni  Pico  von  Mirandola  in  Rom.  Conrad  Peutinger  ver- 
lässt  Rom  nach  längerm  Aufenthalt 

Giuliano  da  San  Gallo  erbaut  das  Castell  von  Ostia  fiir  Giuliano 
della  Rovere. 

Einnahme  von  Osimo  durch  Vermittlung  Lorenzos  de'  Media. 
Verschwagerung  der  Cyb6  mit  den  Medici. 

Angelo  Poliziano  übersetzt  den  Herodian  ftlr  Innocenz  VIII. 

Girolamo  Riario  in  Forli  ermordet. 

S.  Giovanni  de'  Fiorentini  durch  die  flor.  Brüderschaft  der  Pieta 
gegründet. 

Andrea  Mantegna  malt  die  Kapelle  im  fielvedere. 

Majoliken  von  Pesaro  in  Rom. 

Prinz  Dschem  Bruder  Sultan  Biyazets  in  Rom. 

Cardinalscreirung  Giovannis  de'  Medici,  Sohnes  Lorenzos  des 
Erlauchten. 

Heftiger  Streit  zwischen  dem  Papste  und  König  Ferrante,  der 
der  Krone  verlustig  erklärt  wird. 


Chronologische  Ueberaicht.  553 

Jal».   1 

1490  ■  Türkische  Gesandtschaft  in  Rom.    Unterhandlungen  inbetreff  des 

Prinzen  Dschem. 
'  Vittoria  Colonna,  Tochter  Fabri^os  geboren  in  Marino. 
;  Fontäne  des  Petersplatzes. 
'  Francesco  di  Giorgio  von  Siena  baut  das  Castell  von  Campagnano. 

1491  Vereinigung  des  Herzogthums  Bretagne  mit  Frankreich  und  Be- 

ginn der  Plane  Carls  VIII.  von  Frankreich  (König  seit  1483) 
'      zur  Geltendmachung  der  anjouschen  Ansprüche  auf  die  Krone 
Neapel. 

Sta  Maria  in  Via  lata. 
1492 ,  Feier  der  Eroberung  Granadas.     Die  h.  Lanze  in  Rom.    Noch- 
I      malige  Versöhnung  mit  König  Ferrante. 

25.  Juni.    Tod  Innocenz'  VIII. 
.11.  August.    Alexander  VI.,  Rodrigo  Lenzuoli  Borgia  von  Va- 
lencia, Bischof  von  Valencia,  Cardinal  von  S.  Niccolo  in  car- 
'      cere  1456.    Grab  in  Sta  Maria  di  Monserrato.' 
I  26.  August     Cesare  Borgia    Bischof  von  Pampeluna  Erzbischof 
von  Valencia.    (Sept.  1493  Cardinaldiakon  von  Sta  Maria  nuova.) 

Tod  Lorenzos  de'  Medici.  Sein  Sohn  Piero  an  der  Spitze  der 
flor.  Republik. 

Entdeckung  von  America. 

Arbeiten  an  der  Engelsburg.    Antonio  da  San  Gallo. 

Vaticanische  Bauten.  Appartamento  Borgia.  Frescomalereien 
Pietro  Peruginos  und  Bemardino  Pinturicchios.  Halle  der  Be- 
nediction  bei  St.  Peter  (von  Innocenz  VIII.  begonnen). 

Päpstliche  Theilung  der  überseeischen  Entdeckungen  zwischen 
Spanien  und  Portugal. 

Vermälung  Lucrezia  Borgias  mit  Giovanni  Sforza  Herrn  von  Pesaro. 

Maximilian  I.  von  Oestreich,  nach  Kaiser  Friedrichs  III.  Tode 
(19.  August)  als  römischer  König  Repräsentant  der  Kaiserwürde. 
(Seit  1508  mit  dem  Titel:  Erwählter  römischer  Kaiser.) 

Grabmal  Papst  Sixtus'  IV.  in  St  Peter  von  Antonio  Pollajuolo. 
1494  I  25.  Januar.    Tod  König  Ferrantes.    Alfons  U.  von  Aragon  König 
von  Neapel. 

13.  März.  Neapolitanische  Gesandtschaft  in  Rom.  Bündniss 
Alexanders  VI.  mit  König  Alfons.  (7.  Mai  Alfons'  H.  Krönung.) 
Grosse  Autorität  Gentile  Virginio  Orsinis ,  Grossconnetables  von 
Neapel. 

Cardinal  Giuliano  della  Rovere  nach  Frankreich. 

Französische  Gesandtschaft  in  Rom  zur  Erklärung  der  neapoli- 
tanischen Ansprüche  Carls  VIII. 

Vorbereitungen  zum  französischen  Feldzug  gegen  Neapel.  Fer- 
rante (Ferrandino)  Herzog  von  Calabrien  mit  dem  neapolitani- 
schen Heere  und  päpstlichen  Schaaren  im  Patrimonium  zur 
Deckung  der  Romagna  und  Umbriens.  Federigo  von  Aragon  mit 
der  neapol.  Flotte  an  der  Küste  Liguriens. 


1493* 


554 


Chronologische   Ueberaicht 


Jahr. 

1494 


1495 


August  Aufbruch  des  französischen  Heeres.  9.  September 
Carl  VIII.  in  Asti.  Lodovico  il  Moro.  14.  October  Carl  VIII. 
in  Pavia.  Gian  Galeazzo  Sforza  stirbt  20.  October.  Lodovico 
Herzog  von  Mailand.  2d.  October  Carl  VIII.  in  Pontremoli 
dann  in  Sarzana.  Piero  de*  Medid  in  Sarzana,  Vertrag  mit 
den  Franzosen,  Uebergabe  der  florentin.  Festungen.  8.  No- 
vember Umwälzung  in  Florenz ,  Vertreibung  der  Medid. 
9.  November  Carl  VIII.  in  Pisa,  Wiederaufleben  der  pisani- 
sehen  Unabhängigkeit.  17.  November  Carl  VIII.  in  Florenz, 
Vertrag  mit  der  Republik.  28.  November  Der  König  verlässt 
Florenz  und  errdcht  Siena  am  2.  December. 

Unglücklicher  Fddzug  Don  Federigos  von  Aragon  an  der  liguri- 
sehen  Küste  gegen  Herzog  Ludwig  von  Orleans.  Niederlage 
bei  Rapallo. 

Französisches  Heer  unter  Montpensier  und  D'Aubigny,  verstärkt 
durch  mailandische  Truppen  unter  Francesco  da  Sasseverino 
Grafen  von  Ciyazzo  von  der  untern  Lombardd  aus  gegen  die 
Romagna.  Rückzug  des  Herzogs  von  Calabrien  durch  die 
Mark  Ancona  nach  Umbrien  und  dem  Patrimonium. 

Unruhen  in  der  Umgebung  Roms.  Schilderhebung  der  Colonna 
zu  Gunsten  Frankreichs.  Unschlüssigkeit  des  Papstes.  Fran- 
zösische Ambassade  in  Rom.  Besetzung  Roms  durch  den  Her- 
zog von  Calabrien. 

Vorrücken  der  Franzosen.  Einnahme  von  Montefiascone  und 
Viterbo.  Vertrag  Virginio  Orsinis  mit  dem  Könige.  Bracdano, 
Corneto,  Civitavecchia,  Ostia  von  den  Franzosen  besetzt 
19.  December  Die  Franzosen  am  Monte  Mario. 

Vorläufiges  Abkommen  zwischen  Alexander  VI.  und  dem  Könige. 
31.  December  Einzug  Carls  VIII.  in  Rom.  Abzug  des  Herzogs 
von  Calabrien. 

15.  Januar.    Vertrag  zwischen  Alexander  VI.  und  Carl  Vni. 

28.  Januar.  Abzug  der  Franzosen  von  Rom.  3.  Februar  AI- 
fons  II.  verlässt  Neapel  nach  seiner  Thronentsagung  zu  Gunsten 
des  Herzogs  von  Calabrien  FerrantesII.  21.  Februar  Aufstand 
in  Neapel ,  Ferrante  nach  Ischia.  24.  Februar  Einzug  Carls  VIII. 
in  Neapel. 

Bündniss  Alexanders  VI. ,  Maximilians,  Venedigs,  Spaniens,  Lo> 
dovico  Sforzas  gegen  Carl  VIII.  20.  Mai  Abzug  des  Königs 
aus  Neapel.  30.  Mai  Der  Papst  nach  Orvieto  und  Perugia. 
1.  Juni  Carl  VIII.  in  Rom,  13.  Juni  in  Siena.  6.  JuH  Schlacht 
bei  Fomovo.    Rückkehr  des  Königs  nach  Frankrdch. 

Fabrizio  und  Prospero  Colonna  im  Interesse  der  neapolitanischen 
Aragonesen  nach  Carls  VIII.  Abzug. 

Gründung  der  SS.  Trinita  de'  monti.  (Späterer  Fortbau  durch 
Card.  Brigonnet)    Sta  Maria  di  Monserrato. 

Ende  der  Thätigkeit  Pietro  Peruginos  in  Rom. 


Chronologische  Uebersicht  555 

Jalir. 

1495  Ueberschwemmung  in  Rom. 

1496  '  Fehde  Alexanders  VI.  mit  den  Orsini.  Erfolglose  Belagerung  von 
I  Bracciano.  Niederlage  der  Päpstlichen  bei  Soriano.  Einnahme 
I      von  Ostia  durch  Gonsalvo  de  Cordova. 

I  Ruckzug  der  Franzosen  aus  Neapel.     Tod  König  Ferrantes  II. 
I      Federigo  von  Aragon  Graf  von  Alfamura  Konig  von  Neapel. 
Fra  Girolamo  Savonarola  zur  Verantwortung  wegen  seiner  Pre- 
digten nach  Rom  berufen. 
I  Michelangelo  Buonarroti   in  Rom.     (Gruppe  der  Pieta   fQr   den 
I      Cardinal  von  St  Denis.) 
14971  Juan  Borgia  Herzog  von  Gandia,  Herzog  von  Benevent,  Ponte- 
I      Corvo  und  Terradna.     14.  Juli  Mord  des  Herzogs  von  Gandia. 
I  Neubau  der  Universität  (Sapienza)  begonnen. 

1498  Tod  Carls  Vni.    Ludwig  XII.  König  von  Frankreich. 
Cesare  Borgia  Herzog  von  Valentinois.    Bundniss  Alexanders  VI. 

mit  Ludwig  XII. 
Krieg  zwischen  den  Colonna  und  Orsini.    Gefecht  bei  Monticelli. 

Vertrag  zu  Tivoli. 
Vermälung  Lucrezia  Borgias  mit  Alfonso  d'Aragona  Herzog  von 

Bisceglia  natürl.  Sohne  König  Alfons'  II. 
Feuertod  Fra  Girolamo  Savonarolas  in  Florenz. 
Tod  Pomponio  Letos  und  Antonio  PoUajuolos. 
Literarische  Fälschungen  Fra  Annios  von  Viterbo. 

1499  Ludwig  XII.  in  der  Lombardei.    Flucht  Lodovico  Sforzas. 
Alexander  VI.  gegen  die  romagnolischen  Signoren.    Cesare  Borgia 

Generalcapitän  der  Kirche. 
Bramante  in  Rom.     (Paläste  des  Card.  Raffael  Riario    und  des 

Cardinais  von  Cometo.) 
Via  Alessandrina  (Borgo  nuovo)  in  der  Leostadt.    Zerstörung  der 

Meta. 

1500  Siebentes  (achtes)  Jubeljahr.    Grosse  Ueberschwemmung  in  Rom. 
Unternehmen  Cesare  Borgias  in  der  Romagna.      Einnahme  von 

Imola  und  anderen  Städten. 

Mord  Alfonsos  d'Aragona  Herzogs  von  Bisceglia. 

Rückkehr  Lodovico  Sforzas  nach  der  Lombardei.  Seine  Ge- 
fangennehmung und  Wegfuhrung  nach  Frankreich.  (Stirbt 
1510  in  Loches.) 

Lucrezia  Borgia  Herrin  von  Sermoneta  und  anderen  caetanischen 
u.  a.  Besitzungen. 

Sta  Maria  di  Loreto  mit  dem  Hospiz  der  Bäckerzunfl. 
1501 1  Eroberung  der  Romagna  durch  Cesare  Borgia.     Cesare  Herzog 
von  Romagna.    Unternehmungen  gegen  Bologna  und  Florenz. 
Belagerung  und  Einnahme  von  Piombino. 

Theilung  des  Königreichs  Neapel  zwischen  Spanien  und  Frank- 
reich. Französisches  Heer  unter  D'Aubigny  vor  Rom.  Cesare 
Borgia   mit  den  Franzosen  gegen  Neapel.     4.  August  Ueber- 


556  Chronolo^sche  Uebenicht. 

Jahr. 

gäbe  von  Neapel.     König   Friedrich   nach   Ischia  dann  nach 
Frankreich.    (Stirbt  1504  in  Tours.) 

1501  Der  Papst  gegen  die  Colonna  und  ihre  Partei  Herzogthümer 
Sermoneta  und  Nepi  für  Rodrigo  und  Juan  d'Aragona  Borgia. 

Verlobung  Lucrezia  Borgias  mit  Alfonso  von  Este  Erbprinzen  von 

Ferrara. 
Aufstellung  der  Pasquinstatue  durch  Card.  Olivieri  Carafa. 

1502  Cesare  Borgia  im  Besitz  von  Urbino  und  Camerino.  AbfaU  der 
Condottieren  Cesares  und  Bündniss  derselben  zu  La  Magione 
im  Peruginischen.  Ihre  Ueberlistung.  Tragödie  von  Senigallia 
und  von  Castel  della  Pieve. 

Krieg  im  Königreich  Neapel  zwischen  den  Spaniern  und  Fran- 
zosen. 
Rundtempelchen  Bramantes  bei  S.  Pietro  in  montorio. 

1503  Alexander  VI.  und  Cesare  Borgia  gegen  die  Orsini.  Kämpfe  in 
der  Campagna.    Vergebliche  Belagerung  Bracdanos. 

Uebergabe  von  Palestrina  an  den  Papst 

Sieg  Gonsalvos  de  Cordova  über  die  Franzosen  bei  Cirignola. 

18.  August.    Tod  Alexanders  VI. 


STAMMTAFELN. 


« 


560 


Stammtafeln. 


Feltrino  um  1190. 


Buonconte , 

unter  K.  Heinrich  YL  1193» 

Graf  von  ürbino,  f  1241. 

Feltrino  der  Jüngere,  f  1255. 

J 
Guido, 

Senator  von  Rom  1268,  Feldhauptmann  der  Piaaner, 

Franciacanerbruder  1293,  f  1298. 


Taddeo. 


Federigo ,  Buonconte , 

Graf  von  Montefeltro  und  Urbino  1293,        f  in  der  Schlacht  von 
f  1322  bei  einem  Aufstände  der  Urbinaten.        Campaldino  1289. 

Nolfo, 

Feldhauptmann  der  Pisaner  1H41,  vom  Cardinal  Albomoz 

aus  Umbrien  vertrieben,  f  nach  1359. 

Federigo  11., 
gelangte  nie  zum  Besitz  des  Staates. 

Antonio, 
scheint  erst  1372  die  Verwaltung  angetreten  zu  haben, 

t  1403  (l4Ca). 

I 

Guid'  Antonio,  f  1442 

sas  1.  Rengarda  Malatesta.    2.  Caterina  Colonna. 


I '^ 

Odd'  Antonio, 

jeeb.  1424,  durch  K.  Sigmund  zum 

Kitter  geschlagen  1433,  Hei*zog  von 

Urbino  durch  Eugen  lY.  1442, 

ermordet  1444 

ass  Isotta  d'Este. 


Federigo, 


Guiduoaldo, 

geb.  1472,  Herzog 

von  ürbino  1482, 

t  13.  April  15Ü8 

SB  Elisabetta 

Gonzaga. 


(nat  von  einer  Ubaldini)  eeb.  1422, 

legitim.  1426,  Graf  von  Üniino  1444, 

Herzog  1474, 

Gonfaloniere  der  Kirche,  f  1482 

3s  1.  Geutile  Brancaleom  von 

Casteldurante. 

2.  Batista  Sforza  von  Pesaro,  f  1471 


Giovonna 

SS  Giovanni  della 

Rovere,  Herr 

von  Senigallia 

Francesco 
Maria. 


Aenese 

=  Fabrizio 

Colonna,  Herr 

von  Tagliacozzo 

und  Alba. 


Antonio  (nat.) 
Eniilia  Pia. 


MONTEFELTRO  -  UBBINO. 


Stammtafeln. 


561 


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T.  Reamont,    liom.    m. 


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562 


Stammtafeln. 


Giovenco, 
MEDICI  TOD  OTTAJANO  in  Neapel, 

(Papst  Leo  XL,  +  16' >•*>•) 
MEDICI -TORNAaUINCI  in  Floi*enz. 


Chlarissimo,  mn  1200. 

Filippo. 

Averardo,  wn  1280. 

Averardo,  Gonfaloniere  1314. 


Cosimo  der  Alte,  1389—1464 
^  Contessina  de'  Bardi. 


Sdvctro  gen^jnt  Chi«U.i«o. 
Averardo  genannt  Bicci,  1357. 
Giovanni,  geb.  1360,  f  1429. 


Piero, 
1416  —  1469 
^  Lucrezia 
Toruabuoni. 


I 

Giovanni, 
t  1463. 


Lorenzo,  1395—1440 
^  Ginevra  Cavalcanti. 

^         I 
Pier  Francesco,  f  1467. 


Lorenzo  Giuliano, 

der  Erlauchte,  1453—1478. 

1448—1492  I 

=  Clarice  Orsini,  Giulio  (nat.?) 

t  1488.  1478—1534, 

I  P.  ClemensVU. 


Lorenzo , 
t  1503. 

Pier  Francesco. 

Lorenzlno, 
t  1547. 


' 1 

Giovanni,  f  1498 

^  Caterina  Sforza, 

Wittwe  GiroUmo 

Riarios,  -|-  1509. 


Piero,  Giovanni, 

1471—1503  1475—1521, 

SS  Alfonsina  Oi-sini,  Papst  Leo  X. 
t  1520. 

^ 1. 

Lorenzo,  Ciarice, 

1492—1519,  t  1528 

Herzog  von  Urbino  ^  Filippo  Strozzi. 

=  Madeicine  de  la 

Tour  d'Auvergue, 

t  1519. 


Giuliano, 
1479—1516, 
Heraog  von 

Nemours 
=  Filiberta  von 

Savoyen. 


Giovanni 
(delle  Bande  nere) 

1498— 15-J6 
SS  Maria  Salviati. 

Cosimo, 

1519—1574, 

Herzog  von  Floreni, 

Grossherzog  von 

Toscana 

=s  Eieonora  di 

Toledo. 


Ippolito,  Card. 
(natO  1511—1535. 


Caterina, 

151*.»— 1589, 

Königin  von 

Frankreich. 


Alessandro, 

(nat.),  t  1537, 

Hei-zoff  von  Florenz 

^  Margareta  von 

Oestreich, 

t  1586. 


Francesco, 
t  1589, 

M.L. 

Koniein  von 

Frankreich, 

t  1643, 


r.    ' 

Gian  Gastone, 
t  1737. 


^ 

Ferdinande, 

t  1609, 

Cosimo  H, 
t  1621. 

Ferdinande  ü., 
t  1670. 

Cosimo  m., 
t  1723. 


Maria  Anna  Lodovica, 
ChurftLrstin  von  der 
Pfalz, 
t  1741. 


MEDia. 


Stammtafeln. 


563 


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Stammtafeln. 


565 


Arano, 
Senator  von  Rom  1455,  f  1457. 


Maurizio. 

I 

Lorenzo, 

genannt  de'  Mari, 

angebl.  Maurizios  Sohn, 

Cardinal  -  Erzbischof 

von  Beneveut, 

t  1503. 


1 


Giovan  Batista,  Clareuza 

Papst  Innocenz  VHI.  =  1448  Stoldo  Altoviti. 

I  I 

Francesco  (Franceschetto),  Dianora 

geb.  in  Neapel  1449,  =a  1487  Antonio  Altoviti. 

Graf  von  Anguillara  | 

imd  Cerveteri,  f  1519  Bindo  Altoviti. 

SS  Maddalena  de*  Medici, 

Tochter  Lorenzos  des 

Erlauchten. 


Innocenzo,  Lorenzo, 

geb.  1491,  geb.  1500, 

Cardinal -Diaconus  f  1549 

1513,  CamerleDgo,        =s  Ricciarda 
Herr  von  Fabriano,    Malaspina,  Mark- 
f  1550.  gräfin  von  Massa, 

Herrin  von 
Carrara. 


Giovan  Batista, 

Bischof  von 

Marseille, 

t  1550. 


geb.  1501, 

t  1547 

:=  Giovanni  Maria 

Varano,  Herzog 

von  Camerino. 


liio. 


Giul 
Markgraf  von  Massa, 
t  1548. 


T 


Alberico, 

Markgraf  und  erster 

Ffirst  von  Massa, 

geb.  1532,  t  1623, 

Cybo  Malaspina, 

Fürsten  und  Herzoge  von  MASSA -CARRARA, 

erloschen  1790  in  Maria  Teresa, 

Gemalin  Ercole  Rinaldos  von  Este, 

Herzogs  von  Modena. 


Eleonora, 

t  1594 

^  1.  Gian  Luigi  Fiesco, 

2.  Chiappino  Vitelli. 


CYBÖ. 


566 


SJtBmtntafeln. 


Gentile, 

guclfischer  Partei  in  den  letzten  Staufischen  Zeiten, 

Grat'  von  Campanien  durch  Maitin  IV.,  f  1284. 


Rodolfo, 

Graf  von  Campanien  1285  durch 

Honorius  IV. ,  Haupt  der  Guelfen 

in  Camerino,   f  1316. 


Rodolfo, 
beim  Kreuzzug  in  Klein- 
asien 1350,  unter  Albomoz 
für,  dann  wider  die  Kirche, 
Herr  von  Camerino, 
t  in  Tolentino  1384. 


Giovanni, 
HeiT  von  Tolentino, 
von  Camerino  1384, 

t  1385. 


1 

Berardo, 

Capitano  del  popolo  in  Perugia  1289, 

in  den  Kriegen  der  ersten 

avignonischen  Päpste  *j-  1329. 

Gentile, 

päpstlicher  Vicar  in  Camerino  1332, 

t  1355. 

I 
Berardo,  f  1350. 

1 


Gentile  Fandolfo, 

theilte  1430  mit  den 

Brüdern  das  Gebiet, 

+  1434.    (Camerino  1434 

rreie  Comune ,  1444  Lehn 

Francesco  Sforzas.) 


Giovanni, 
unter  Martin  V.  und 
Eugen  IV.,  f  »434. 


Gentile, 

Senator  von  Rom  1368, 

Herr  von  Camerino  1385, 

im  Kampf  gegen 

Bouifaz  IX.  dann  päpstl. 

Vicar,  t  1399. 

Rodolfo, 
Feldhauptmann  der 
Florentiner  1395,  betheiligt 
an  den  Kämpfen  der  letz- 
ten Zeiten  aes  Schismas, 
t  1424. 


Pier  Gentile, 

noch  bestehende  Linie  im 

Venetianischen ,  Parma  etc. 


Giulio  Cesaro, 

päpstlicher  Vicar  in 

Camerino  1447  durch 

Nicolaus  V.,  f  1502 

(Cesare  Borgia). 


Venanzio, 
t  1502  (C.  Borgia) 
Maria,  Tochter  Giovannis  della 
Rovcre. 


Sigismondo, 

hadert  um  Camerino  mit  Giovanni 

Maria,  f  1522. 


Giovanni  Maria» 

Herr  von  Camerino  1503,  Herzog 

durch  Leo  X.  1515,  Herr  von 

Senigallia  1519,  f  1527 

=s  Caterina  Cybo, 

Tochter  Franceschettos,  f  1547. 


Giulia, 

Erbin  von  Camerino,  welches  1539 

von  Paul  III.  als  erledigtes  Lehn 

eingezogen  wird,  +  1547 

=s  Guidubaldo  II., 

Herzog  von  Urbino. 


VARANO. 


Stammtafeln. 


567 


Gerozzo, 

Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ansehnliche  Familie  des  Handelsstandes  in 

Cittli  di  Castello.     1398  Prior  des  Findelliauses 

sBs  Guglielma  Migliorati. 

I  N 


Vitellozzo, 
an  den  politischen  und  Familien- 
Streitigkeiten  in  seiner  Vaterstadt  viel 
betheiligt,  unter  Braccio  da  Montone, 
1440  päpstlicher  Vicar  in  Citt4  di 
Castello,  t  1462. 


I , 

Vitellozzo,  Paolo, 

Condottiere  in  den       Heerfiihrer  der  Florentiner 
französisch  -  italienischen       im  pisanischen  Kriege 

Kriegen,  Graf  von  f  1499. 

Montone,  f  in  Senigallia 
1502  (C.  Borgia). 


Giovanni, 

in  bürgerlichen  Aemtem  seit  1399, 

t  1415. 

I 
Niccolo, 

Kämpfe  um  den  Besitz  von  Citta  di 

Castello  unter  Paul  IL,  Sixtus  IV. 

Govematore  von  Campagna,  Marittima 

und  Sabina,  -f  1496. 


Camillo, 

Condottiere  in  den 

französisch  -  italienischen 

Kriegen,  f  1496 

SS  Lucrezia  Baglioni, 

Schwester  Gian  Paolos. 

Grafen  von  MONTONE. 


Niccolo, 

im  Dienste  Venedigs,  Leos  X., 

Clemens' Vn.,  f  1529. 

I 
Chiappino, 

im  mediceischen  und  spanischen 

Dienst,  f  1575  in  den  Niederlanden 

=s  Eleonora  Cybo, 

Wittwc  Gian  Luigi  Fiescos. 

Grafen  von  CETONÄ. 


Alessandro, 

im  Dienste  Clemens'  VII. ,  Carls  V. 

und  der  Famesen,  f  1556, 

Herren  von  AMATRICE, 

Marchesen  von  MONTEFIORE 

und  von  BUCINE, 

erloschen  1790  als  letzter  Zweig 

der  Familie. 


VITELLI. 


ZUSATZE. 


I.  zu  DEN  ANMERKUNGEN. 

S.  192.  Das  so  eben  erschienene  Schlusshefl  des  YII.  Bandes  m.  Serie 
des  Archivio  storico  Italiano  enthält  S.  1 — 22,  von  M.  Tabarrini  mit- 
getheilt,  einen  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  Papst  Innocenz'  VIII.  Es 
sind  Depeschen  vom  September  bis  October  1487,  an  den  Papst  gerichtet  von 
seinem  Geheimschreiber  Jacopo  da  YolteiTa,  den  er  an  Lorenzo  de'  Medici  in 
der  Absicht  gesandt  hatte,  die  Republik  Florenz  in  ein  Bündniss  gegen  König 
Ferrante  von  Neapel  hineinzuziehn ,  unter  Betheiligung  Venedigs  und  Lodovico 
Sforzas.  Die  Aufnahme  welche  des  Papstes  Anträge  bei  Lorenzo  fanden,  zei- 
gen wie  dieser,  der  ungeachtet  der  Freundschaft  und  Verschwägerung  vom 
politischen  Talent  und  Karakter  Innocenz'  VUI.  keine  glänzende  Meimmg  hatte, 
sich  angelegen  sein  Hess  die  mit  so  grosser  Muhe  endlich  erlangte  Ruhe  Italiens 
nicht  wieder  aufs  Spiel  zu  setzen,  was  ihm  denn  auch  während  seiner  noch 
übrigen  fünf  Lebensjahre  gelang.  Die  Antworten  welche  er  dem  päpstlichen 
Abgeordneten  ertheilt,  und  eine  Art  Instruction  die  er  für  denselben  zum  Behuf 
der  vom  Papste  befohlenen  Verhandlung  mit  Lodovico  il  Moro  aufsetzt,  dessen 
Ehrgeiz  Lorenzo  ebensosehr  ängstigte  wie  die  Ruhelosigkeit  Innocenz'  VIIL, 
sind  des  geübten  und  feinen  Staatsmanns  würdig.  Er  warnt  den  Papst  so 
vor  Anwendung  der  Excommunication  wie  vor  jener  der  Waffengewalt.  Der 
päpstliche  Schatz  sei  erschöpft,  die  bewaffiiete  Macht  ungenügend  und  schlecht 
befehligt,  die  Unterthanen  uneinig  und  keineswegs  alle  zufrieden,  im  h.  Colle- 
^um  herrsche  ebensowenig  Eintracht.  Die  Verhältnisse  des  Papstes  und  sei- 
ne» Staates  seien  nicht  von  der  Art  dass  man  sich  in  neuen  Elrieg  stürzen 
dürfe:  jene  aller  übrigen  italienischen  Staaten  heischten  Ruhe.  Was  die  Ehre 
betreffe,  so  scheine  ihm,  die  Ehre  eines  Papstes  könne  nie  darunter  leiden, 
wenn  er  sein  Recht  durch  bündige  Erklärungen  wahre,  ohne  den  Frieden 
Italiens  zu  stören.  Zur  Karakteristik  der  hier  in  Betracht  kommenden  Per- 
sonen sind  diese  Briefe,  welche  bei  der  bourbonischen  Plünderung  aus  dem 
vaticanischen  Archiv  entwendet  durch  emen  venetianischen  Botschafter  ange- 
kauft und  erhalten  wurden,  ein  wichtiger  Beitrag.  Machiavells  und  Guicciar- 
dinis  ungünstiges  Urtheil  über  Innocenz  VIII.  als  Regent  ist  auch  bei  Lorenzo 
de'  Medici  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen. 

Der  Verfasser  der  Briefe,  Jacopo  Gherardi  von  Volterra,  erst  Secretär 
Cardinal  Anmianatis,  der  ihn  bei  der  Abfassung  seiner  Annalen  brauchte  und 


570  Zusätze. 

dessen  Briefsammlung  er  ordnete,  nach  dem  Tode  seines  Gönners  Geheim- 
schreiber  Sixtus*  IV. ,  erlebte  die  Zeit  Leos  X.  und  starb  mehr  denn  achtzig 
Jahre  alt  1516  als  Bischof  von  Aquino.  Die  Eleganz  vieler  Epistolographen 
der  Zeit  vrar  nicht  seine  Sache. 

S.  518  (Anm.  zu  S.  398).  Der  hier  in  Rede  stehende  Theil  des  vaticani- 
sehen  Palastes  ist  wahrscheinlich  derselbe  von  welchem  Yasari  im  Leben 
Taddeo  Zuccaros  (XII.  119)  redet.  »Als  im  Jahre  1560  der  Papst  (PiusIV.) 
den  Herzog  Cosimo  und  die  Herzogin  Eleonora  in  Rom  erwartete,  beschloss 
er  ihnen  die  Zimmer  anzuweisen  welche  in  Lmocenz'  YIII.  Zeit  gebaut  wor- 
den waren.  Diese  gehn  auf  den  vordem  Hof  des  Palastes  und  auf  jenen  der 
Basilika  hinaus  und  haben  an  der  Vorderseite  Loggien,  die  dem  Platz  zuge- 
wandt sind  wo  der  Segen  ertheilt  wird.  Taddeo  erhielt  den  Auftrag  hier 
einige  Friese  zu  malen  und  die  neuen  Decken,  welche  die  alten  schadhaften 
ersetzten,  mit  Gold  zu  verzieren.« 


n.  zu  DEN  INSCHRIFTEN. 

Tiber  -  Ueberschwemmung. 
Fa^ade  von  Sta  Maria  sopra  Minerva.    J.  1422. 

t  Anö  Do  MCCCCXxil  in  die  Sc! 
Andree  crevit  aqua  Tiberis  usque 
ad  sumitate  isti'  lapidis.  tpre  Dm 
Marüni  pp  V  —  A  VI  — 


Fagade  von  Sta  Maria  sopra  Minerva. 

J.  1453. 

Franciscus.  de.  Ursinis.  Gravine 
et  Cupersani.  comes.  alme.  ur 
bis.  prefectus.  illustris.  aedes 
Marie,  virgmis.  sup.  Minervam 
iamdiu.  medio.  opere.  interrup 
tas.  ppriis.  suptib*.  absolvei« 
curavit.      p.      e'.      äie.      salute 

anno.    DuT.    MCCCCLIH. 

pont    Dm.    nli.    Nicolai 
Papa.  V. 


Zusätze.  571 


*  Grabschrift  Leonardo  Datis. 
St«  fiiUria  «opora  MlnerT».    J.  U72. 

Sacnim 

Leonardo  Datho  civi  florentino  viro  doctissimo 

optimoq    Pauli    secundi    et    Sixti   IIII.    secre 

tario     episcopo     Massano     vix.     ann.    LXm. 

mens.  ü.  MCCCCLXXII. 


Grabschrift  der  Konigin  von  Bosnien. 
Sto  Maria  Araeeli.     J.  1478. 

D.        0.      ,M. 
Catharinae  reginae  Bosnensi 
Stephan!  ducis  santi  Sabbae  sorori 
Et  genere  Helene  et  domo  prineipis 
Stephan!  natae  Thomae  regis  Bosnae 
Vxori  quantum  vixit  annorum  LUII 
Et  obdormlvlt  Romae  anno  Domini 
MCCCCLXXVm.  die  XXV  Octobris 
Monumentum  ipsius  scriptiB  positü. 


Grabmal  Cardinal  Cristoforos  della  Rovere. 

Sta  Maria  del  popolo.  J.  1478. 

Concordes  animos  piasq.  mentes 
Ut  dicas  licet  unicam  fuisse 
CommiBti  cineres  sequentur:  et  se 
Credi     corporis    imius    iuvahat. 


Christophoro  Ruvereo.  tit.  s.  Vita 

lis  presbytero  car. 

Doctrina  moribus  ac  pietate  insigni 

Dominicus  Xysti  im.  pont.  maximi 

Beneficio  mox  tituli 

Successor  ac  muneris  fratri 

B.  m.  et  sibi  posuit 

V.  a.  XLIII.  m.  Vü.  d.  XIX 

Ob.  an.  VIII.  pont.  Xysti 

Kl.  Fbr. 


572  Zusätze. 


Grabmal  Giovannis  della  Rovere. 
Sta  Maria  del  popolo.     J.  1483. 

loanni  de  Ruvere.  Xysti  llll.  pont.  max.  sororio 
Civi  Saonen.  ordinis  equestris.  qui  vix. 
Ann.  LXXX.  m.  VII.  d.  X.  Hier,  cardinalis 
Recan.  Franciscus  prior  Pisanus.  Bartholameus 
Filii  superstites  patri  bnmeren  posuer 
Obiit  M.  CCCC.  LXXXm  die  XVH  augusti 


Grabmal  Marco  Albertonis. 
Sta  Maria  del  popolo.    J.  1485. 

Marco     Antonii     equitis     romani 

Filio  ex  nobili  Albertonum  familia 

Corpore    animoq    insigni 

Qui  annum  agens  XXX 

Feste    inguinaria    interiit 

An      salutis      christianae 

MCCCCLXXXV  die  XXIH  Julü 

Heredes  b  m  p 


Grabmal  Francesco  Tomabuonis. 
Sta  Maria  sopra  Minerva.     J.  1486. 

Francisco  Tomabono  nobili  florentino 

Sixto  mi.  pont  max  ceterisque  chariss 

Acerba  morte  magna  de  se 

Expectationi  subtracto  loanes  patruus  pos 


Zusätze.  573 


Inschrift  Catrdinal  Giorgios  da  Costa. 

Sto  Maria  del  popolo.     J.  1489. 

Georgias.  Car.  Portugallen 
hanc.  capellam  divae  Cathe 
rine.  dicavit.  dotemq.  dedit 
alia  etiam  bona.  ob.  suam  in 
virg.  singularem.  devotio 
nem.  huic.  monast  religiöse 

contulit. 
An.  D.  MCCCCLXXXTX 


Grabschrifl  Ermolao  Barbaros. 
Sta  Maria  del  popolo.    J.  1494. 

Barbariem  Hermoleos  Latio  qui  depolit  omnem 
Barbanis  hie  situs  est  utraque  lingua  gemit. 

Urbs  Venetum  vitam  moitem  dedit  inclyta  Roma 
Non  potuit  nasci  nobiliusque  mori. 
Ob.  an.  MCCCCL: 


Grabmal  Filippos  della  Valle. 

Sta  Maria  Araceli.    J.  1494. 

Philippe  de  Valle  patritio  Ro.  philosophiae  bonarumq. 
litter  gloria  inclyto  culus  apud  Romanos  pontt  et 
Italiae  principp  autoritas  tantum  florentiss  familiae 
dignitatis  contulit  quantimi  ab  illa  nobilitatis  adcoepit 
Vix.  ann.  LXIII.  m.  V.  d.  X.  "^nr.  kal.  Mart 

MVID 
Andreas  episcop  Crotoniat  et  Bartholomeus  patn  opt  p 


574  Zuafttxe. 


Tiber-  Ueberscbwemmung. 
Facacte  yon  Sta  Maria  sopra  MUierra.    J.  1495. 

Ann.  Chr.  mud.  non.  Decemb. 

Auctus  in  unmensum  Tiberis  dum 

profluit  alveo 

Extulit  huc  txuntdad  turbidoB 

amnis  aquad 


Grabschrift  Cardinal  Gio.  Bat  Savellis. 

Sta  Maria  Araceli.     J.  1498. 

Joannes.  Baptista.  Sabellus.  S.  Ro.  Eccl.  Diaconus.  Card. 
Tempor.  varietate.  atq.  inalignit.  bis.  ad.  cardinalatum. 
Electus.  et.  in.  mole.  Hadriani.  detentus.  semper.  tarnen. 
Honorifice.  liberatus.  sub.  Paulo.  Xysto.  Innocentio. 
Alexandro.  ducatus.  Bonontae.  Marchiae.  Genuae.  legat. 
Plene.  et.  clare.  functus.  fragilit  humani.  gener.  meditat. 

Moniment.  vivens.  sibi.  po«. 
Vix.  an.  LXX. 


*  Inschrift  Cardinal  Lorenzo  Cybös. 

SU  Maria  del  popolo.     J.  1503. 

D.  Laurentio  martyri  sanctiss.  Laurent  eps.  Alban'e 
sis  Card.  Beneventa.  ne  mors  devotionis  affectum  prae 
veniret  sacell.  hoc  dedicavit  dotavitq. 


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DRUCKFEHLER  -  BERICHTIGUNG. 


Seite    91  Zeile  25  statt  Mai  lies  Juni. 
»     103      >       9  statt  19  lies  9. 

-  141       -     18  statt  1461  lies  1460. 

169      »     23.    Inbetreff  der  Reihe  der  Jubiläen  ist  zu  bemerken,  dass 

wegen  der  Ungewissheit  des  Jubeljahrs  1425  die  fernere 
Zählung  bei  den  Historikern  verschieden  ist. 

-  230      -     19  statt  1499  lies  ir)00. 

254  -     16  statt  Arduino  lies  Ardicino. 

255  -       1  statt  Martin  lies  M artin ez. 
305       •     18  statt  Mai  lies  Juni. 

504      >     11  statt  Leonardo  lies  Girolamo. 


Id  Band  II.  sind  noch  zu  verbessern: 

8eite    499  Zeile  24  statt  1220  lies  1226. 

1111       "     20  statt  Andrea  lies  Antonello. 

1234      »     15  statt  Leonovicensi  lies  Lemoviceusi. 


DES  AlTEK  UND  NEUEN  lATBHAN. 


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