Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
s
1
^
1 -«rV?*i
"6
1
^ ^«#2S»
!^^4 <
»M-^^<8^ .<
M'^if»
** - "^ . »
4^^^%iHHr ^"
»j&^r: ;?
i
TT-*
GESCHICHTE
DER STADT ROM
IN DREI BÄNDEN,
Ä
^:^m
AUF VERANLASSUNG
MAXIMILIANS II.
KÖNIGS VON BAYERN.
DRITTER BAND.
VON DER RCCKVERLEOUNG DES H. STUHLS BIS ZUR GEGENWART.
ERSTE ABTHEILUNG.
DIE RESTAURATION.
HIT ZWEI PLANEN.
Unter Vorbehalt des Reclits der Uebersetzuug in fremde Sprachen.
GESCHICHTE
STADT ROM
ALFRED VON REITMONT.
DRITTER BAND.
ERSTE ABTHEILUNG.
BERLIN, 1868.
Nou moriar sed vivam: et narrabo opera
Domini.
Caatigans castigavit me Dominus : et morti
non tradidit me.
Psalm. rXVII.
Die Schilderung des fünfzehnten Jahrhunderts, in Rom
begonnen, in Florenz fortgesetzt, in der Heimat vollendet,
hat mich weiter gefuhrt als ursprungliche Absicht war,
obgleich ich mir das Eingehen in viele Einzelheiten der
Diarien und Geschichten versagen musste. Die ausföhr-
lichere Behandlung, auch der wissenschaftlichen und künst-
lerischen Bestrebungen, ist aber wol nicht ungerechtfer-
tigt. Nach langem Stillstande tritt Rom endlich wieder
in die grosse geistige Bewegung ein. Die Natur seines
Antheils an derselben ist för die Tendenzen des darauf
folgenden glänzenden Zeitalters im Guten wie im Scldim-
men das bestinmiende Moment. Die politische und kirch-
liche Geschichte des Papstthums zeigt in den zwischen
Martins V. Rückkehr und dem Tode Alexanders VI. lie-
genden dreiundachtzig Jahren zwei voneinander abwei-
chende Strömungen, an welche, so gross die Unterschiede
sind, diejenigen erinnern die in der nächsten Folgezeit
zu Tage treten werden. Man würde die einen leicht
misverstehen ohne genauere Kenntniss der anderen.
Für die Stadt Rom ist das f&nfzehnte Jahrhundert
die Epoche des Wiederauflebens nach tiefem Verfall.
VI
Der Schluss desselben ist aber zugleich eine Zeit der
Verdunklung des Papstthums. Die Folge wird die mo-
derne Stadt auf dem Höhepunkt ihres Glanzes, sie wird
des Pontificats Sühne und Wiedererhebung zeigen. Die
Darstellung dieser Jahrhunderte, welche das Zeitalter
Leos X. und die Herrschaft kirchlicher Richtungen um-
fassen, wird das Werk beenden.
Aachen, den 15. August 1868.
INHALTS - VERZEICHNISS.
SIEBENTES BUCH.
AUSBILDUNG DEB PÄPSTLICHEN MONARCHIE.
ERSTER ABSCHNITT.
WIEDERHERSTELLUNG GEISTLICHER UND WELTLICHER MACHT.
J. 1420-1471.
Seit«
1. Rom nach dem Schisma. Die alten Monumente. Paläste, Kirchen,
Wohnmigen, Thürme 3
2. Volk und Volksgemeinde. Finanzen. Campagna und Ackerwirth-
Schaft 22
3. Die Barone und der übrige Adel. Der Staat 38
4. Kirche und Staaten nach dem Constanzer Concil. Regierung
Martins V 56
5. Eugen IV. Colonnesiache Händel. Concil zu Base] 71
6. Romischer Aufttand. Eugen IV. in Flore^nz. Giovanni Vitelleschi . 88
7. Eugens IV. spätere Jahre 99
a Nicolaus V. 110
9. Friedrichs ÜL Kaiserkrönimg. Die Porcarische Verschworung . . 119
10. Caüxtus m. und Pius H 126
11. Rom in seinen Beziehungen zu Orient und Occident Der Kreuzzug 137
12. P*ul IL 152
Yiii Inhalts -Verzeiclmiss.
ZWEITER ABSCHNITT.
UEBERGEWICHT POLITISCHER TENDENZEN.
J. 1471 - loOß.
Seite
1. Neue Bahnen des Papstthiuns. Sixtus IV .161
2. Rom beim Tode Sixtus' IV. Innoceuz Vm 184
3. Bewerbung um das Papstthum. Alexander VI. Die Borgia . . . 199
4. Frankreich in Italien. Der Papst und Carl VIII. Eroberung von
Neapel 208
5. Alexander VI. und die Barone. Cesare Borgia. Ludwig XII. . . . ^222
6. Cesare Borgia und die Romagna. Tod Alexanders VI 234
7. Das Cardinalcollegium im fünfzehnten Jahrhundert. I. Von Martin V.
zu Paul n. 251
8. Das Cardinalcollegium. 11. Von Sixtus IV. zu Alexander VI. . . . 261
9. Curie und Verwaltmig 271
DRITTER ABSCHNITT.
LITERATUR UND KUNST DES FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
1. Signatur der Zeit. Ursprung des Humanismus und der griechischen
Studien 287
2. Die Wissenschaft und das Papstthum bis zum Tode Eugens IV. . . 305
3. Der Musenhof Nicolaus' V. Die vaticanische Bibliothek 317
4. Nachblüte des Humanismus. Pius H. Die romische Akademie und
der Bücherdruck 334
5. Literarische Tendenzen der politischeu Päpste 349
6. Wiederaufleben künstlerischer Thätigkeit. Die Zeit Nicolaus' V. . . 369
7. Entwicklung der Renaissance. Siena mid Pienza 387
8. Pauin. und Sixtus IV. Paläste, Kirchen, Denkmale, Castelle . . 396
9. Fortschreitender Emfluss der antiken Architektur 412
10. Sculptur und Malerei im letzten Drittel des fünfzehnten Jahrhun-
derts 422
11. Rom beim Beginn des sechzehnten Jahrfaimderts. Die diesseitige
Stadt 432
12. Leostadt und Peterskirche. Trastevere. Bewohner, Lebensweise,
Umgebung 444
ANMERKUNGEN 473
INSCHRIFTEN 523
CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT 539
Inhalts - VeiTetchnisft. IX
S^^AMMTAFELN:
E«tc 559
Montefehro-Urbino 560
Sforza 561
Mcdici 562
Borgia 563
Della Rovera 564
Cybo 565
Varano 566
ViteUi 567
Zuafttze zu den Anmerkungen und Inschriften 569
R^umoiit« Kom. III.
GESCHICHTE
DER STADT ROM.
lUud te reparat quod caetera regua resolvit,
Ordo renascendi est crescere posse malis.
Rutilius Nuxnat.
SIEBENTES BUCH.
AUSBILDUNG DER PÄPSTLICHEN
MONARCHIE.
T. Kcumont, Rom. III.
ERSTER ABSCHNITT.
WIEDERHERSTELLUNG GEISTLICHER UND
WELTUCHER MACHT.
J. 1490—1471.
1.
BOM NACH DEM SCHISMA. DIE ALTEN MONUMENTE.
PALÄSTE, KIRCHEN, WOHNUNGEN, THÜRME.
»JNicht lange vor seinem Tode — so erz&hlt in dem Buche
welches den Titel «Geschichten von den Wechseln des Glücks«
fuhrt, der Toscaner Poggio Bracciolini — begab sich Papst
Martin seiner leidenden Gesundheit wegen aus der Stadt nach
den Tusculaner Hügeln. Von öffentlichen Dingen und Geschäf-
ten frei besuchten wir, der ehrenwerthe Antonio Loschi und
ich, wiederholt die Trümmer der Stadt. Indem wir nun die
GrTÖsse der zusammengestürzten Gebäude und die mächtigen
Ruinen des alten Rom vor Augen hatten , ergriff uns Staunen
über den Untei^ng eines solchen Reiches, über einen so ge-
waltigen wie beldagenswerthen Wechsel des Geschicks. Als
wir so einmal den capitolinischen Hügel hinangeritten waren
und Antonio von der Wanderung müde sich nach Ruhe sehnte,
stiegen wir von den Pferden und setzten uns inmitten der
Trümmer der tarpejischen Burg, bei der grossen marmornen
Thürschwelle wie mir schien irgendeines Tempels, umgeben
von meist zerbrochenen Säulen, mit dem Blick über einen
grossen Theil der Stadt. ' Da sprach Antonio , nachdem er eine
Zeitlang hie und dort umhergeblickt, seufzend und zugleicii
staunend: Wie sehr, o mein Poggio, ist dies Capitol von
jenem verschieden welches unser Maro besang:
•Goldenes jetzt, doch einst unwirtlich von waldigem Strauchwerk.«
Ein Vers den man heute umkehren könnte, nun wieder mit
Domeni^estrüpp bedeckt ist was einst golden war. Mir fällt
4 Poggio Bracciolhii über die Tifimmer Roms.
jener Marius ein welcher einmal über diese Stadt herrschte,
wie er, landesflüchtig und arm an A&icas Küste verschlagen,
auf Karthagos Trümmern gesessen haben soll, sein eignes und
Karthagos Geschick vergleichend und im Zweifel befangen, wel-
cher Glückswechsel grösser wäre. Ich aber kann den Unter-
gang dieser Stadt mit nichts anderm vergleichen, so sehr über-
ragt dies eine Geschick jegliches andere, sei es der Werke
der Natur, sei es jener von Menschenhand. Denn wenn du
alle Geschichten Uesest, alle Denkmale der Autoren vergleichst,
alle Jahrbücher untersuchst, wird kein grösserer Wechsel dir
vor Augen treten als den die Stadt Rom dir bietet, einst die
grösste und glänzendste welche Lucian nicht eine Stadt, son-
dern gleichsam einen Theil des Himmels nannte. Und diese
Stadt liegt nun da, alles Schmuckes bar, wie eine riesige mit
Wunden bedeckte Leiche , die Stadt, Heimat so vieler berühm-
ten Männer und Imperatoren, Pflegerin so vieler Feldherren
und Fürsten , Mutter so vieler Tugenden , Wissenschaften,
Künste, aus welcher kriegerische Disciplin, Heiligkeit der Sit-
ten, heilsame Fessel des Gesetzes, Beispiele des Guten, löb-
liche Lebensregel hervorgingen, die Stadt, vormals aller Dinge
Herrin, nun durch das grausame Geschick nicht blos der Herr-
schaft und Majestät beraubt, sondern der Knechtschaft anheim-
gefallen, entstellt, verunziert, nur durch ihre Trümmer noch
versunkener Grösse Zeugniss bietend. Wäre es nur Verlust
der Herrschaft und Macht: ein solcher Wechsel hat sich im-
mer wiederholt und man hat ihm jederzeit gehorchen müssen.
Grösseres Leid aber weckt die Wuth der Zerstörung im Innern,
deren Werk so grausig gewesen ist, dass wenn einer der alten
Bürger wiedererstände, er in einer andern Stadt zu sein glau-
ben müsste , da beinahe nichts an das P^hemals erinnert. Denn
die öffentlichen und Privatbauten welche den Wettstreit mit
der Ewigkeit aufnehmen zu können schienen, sind entweder
ganz untergegangen oder wenig ist übriggebUeben von Tempeln,
Säulengängen, Thermen, Theatern, Wasserleitungen, Häfen,
Palästen, eine ernste Mahnung an die Vergänglichkeit der
menschUchen Dinge.
Mit Recht, erwiederte ich, staunest du o Antonio, über
solchen Ruin. Indem ich täglich Nachforschungen anstelle,
kommt meine Verwunderung meiner Betrübniss gleich. Denn
nicht nur ist von der alten Stadt wenig vorhanden, sondern
Aelteste MoiiumeDte und ihre LischriAen. 5
dies Wenige ist unvollkommen und zerstückt. Von den Bau-
werken aus den Zeiten der Freiheit sind nur geringe und seltne
Spuren geblieben. Auf dem Capitol steht, neuen Gebäuden
eingefugt und heute als Salzmagazin gebraucht, eine Doppel-
reihe von Hallen, deren halbzerfressene Inschrift, welche den
Q. Lutatius Catulus als Erbauer nennt, auf ehrwürdiges Alter
hinweist Da ist in der Nähe des Capitols das Grrabmal des
C Poblicius, da die von L. Fabricius erbaute Brücke der Tiber-
insel, da zwischen Aventin und Fluss der von Q. Lentu-
lus Scipio und T. Quinctius Crispinus aus Tiburtinerstein er-
richtete Bogen. Zu diesen älteren Monumenten gehört noch
das sogenannte Cimbron, wo man die Trophäen des Marius
sieht, und am ostiensischen Thor die Pyramide, das ansehn-
liche Grab des C. Cestius den die Inschrift nennt, welche
ein so gelehrter Mann wie Francesco Petrarca übersah, indem
er mit dem Volke dem Bauwerk den Namen des Remusgrabes
gab , während Spätere bei geringenn Wissen im Lesen der mit
Gestrüpp bedeckten Buchstaben grössern Fleiss anwandten.
In dieser Beziehung, fiel Antonio ein, lobe ich deine Sorgfalt
und Aufmerksamkeit, o Poggio, der du die Inschriften offen t«
lieber und Privatgebäude so in Rom wie an vielen anderen
Orten gesammelt und in einem Bändchen zusammengestellt den
des Alterthums Beflissenen dargeboten hast. Ein grosser Dienst,
da Manches we^en Gestrüpp und Risse schwer zu lesen war,
wovon du genaue Abschriften angefertigt hast, welcbe über-
dies statt der Originale dienen können, wenn letztere, wie wir
oft gesehn, der Zerstörung durch die Hand der Römer unter-
liegen. Nur die eben erwähnten Werke, fuhr ich fort, sind
uns aus den Tagen der Freiheit gebUeben. Was soll ich von
der Pracht späterer Zeiten sagen, welche gleicherweise der
Zerstörung anheimgefallen ist? Was von den Zeiten des
Augustus, der eine marmorne Stadt statt der aus Ziegeln er-
bauten zurückzulassen sich rühmte, von den Werken seiner
Freunde, des Agrippa, des Asinius Pollio, des Munatius Plau-
ens, des Cornelius Baibus und anderer die in grossen Bauten
miteinander wetteiferten?«
Und nun folgt die Aufzählung der grossen Ruinen wie das
fünfzehnte Jahrhundert sie sah, zum Theil mit richtigen, zum
Theil mit falschen Namen. Das Pantheon prangte noch mit
seinen Balken von Erz; die Cloaca maxima galt für ein Werk
ß Bauten der Kaisci-zeit.
des Augustus; im sogenannten Friedenstempel stand die eine
!ftIarmorsäule die nachmals die esquilinische Höhe zierte. SS.
Cosma e Damiano war der Tempel desRomulus, der hadriani-
sche Doppeltempel galt für den der Dioscuren und Versamm-
lungsort des Senats. Die Säulen des Faustinentempels und der
Rundtempel am Tibec standen da wie heute; Honorius' Mauso-
leum neben St. Peter galt für ein Apollo - Heiligthum. Vom
Minerventempel sah man Beste bei der Dominicanerkirche,
dicht dabei die Trümmer eines Porticus, von dessen Säulen
eine Menge nicht lange vorher ausgegraben und zu Kalk ver-
brannt worden waren. In der Nähe hatte man bei der An-
lage eines Gartens die Statue des Nil entdeckt welche alle in
der Stadt befindUchen an Grösse überragte, aber der Eigenthü-
mer des Orts hatte sie wieder mit Erde bedecken lassen da
der Andrang der Besucher ihm zur Last ward. Am CUvus ca-
pitolinus galt der Saturnustempel mit den acht Säulen für den
der Concordia. »Als ich zuerst nach Rom kam, erzählt Poggio,
sah ich den schönen Marmorbau beinahe unversehrt, nach-
her aber zerstörten die Bewohner den ganzen Tempel und
einen Theil des Porticus indem sie die Säulen umstürzten.«
Nicht weit von dort suchte man den Tempel derTellus, wor-
auf man den Namen Salvatore in tellume bezog. Den Saturnus-
tempel mit dem Aerarium verlegte man nach S. Adriano, das
Secretarium Senatus erkannte man in Sta Martina, die drei
Säulen 'am Fusse des Palatin und die drei anderen am Clivus
(^apitolinus galten für Reste von Caligulas Brücke. Die Säulen
des Porticus der Octavia hielt man für die Reste eines Heihg-
thums des Mercur, die zwischen Capitol uud Aventin gelegene
Kirche S. Niccolo in statera mit einem Gewölbe von Travertin
für den Tempel des Jupiter Stator. An den Junotempel, heisst
es, erinnert nichts als der Name von S. Lorenzo in Lucina.
Unter den Thermen zeichneten sich die diocletianischen durch
ihre Grösse, die antoninischen vor allen durch ilire Erhaltung
aus; die constantinischen , an denen man die Inschrift des M.
Petronius Perpenna las, standen den einen wie den anderen
beiweitem nach. Von den alexandrinischen und neronischen
Thermen sah man bedeutende Reste in der Nähe des Pan-
theon, von den domitiauischen fand man unansehnliche Trüm-
mer bei S. Martino. Ausser den wohlerhaltenen Triumph-
bogen des Titus, Septimius Severus und Constantin war ein
Bauteil der Kaiserzeit. 7
betrachtlicher Theil dessen den nian gemeinsam nach Nerva
und Trajan benannte, »beim Comitium« erhalten, auf der Via
Flaminia zwei von welchen jener bei S. Lorenzo in Lucina
nach den drei Stadtefiguren TripoU hiess, mit Sculpturen, von
denen Poggio bemerkt, er wundere sich dass sie der Wuth
der Zerstörer entgangen seien. Auf dem Esquilin stand der
Bogen des GaUienus, von dem des Titus im grossen Circus
war nichts als die in den Gärten ausgegrabene Insclirift ge-
bUeben.
Von den Wasserleitungen diente nur noch die Virgo;
unter den Ruinen der übrigen zeichneten sich die der Claudia
aus, von deren Herstellung in der Zeit der Antonine eine In-
schrift Kunde gab. Von dem grössten und schönsten der Am>
phitheater, dem Colosseum, sagt unser Gewälirsmann, hat
römischer Unverstand den bedeutendem Theil zu Kalk ver-
brannt. Das Marcellustheater wurde dem JuUus Caesar zuge-
scjirieben; eine Gruppe Marmorsäulen bei demselben hielt man
für den Porticus eines Jupitertempels, während moderne Bau-
ten den Halbkreis, ein Gärtchen das Innere einnahm. Das
»dritte Amphitheater« war das castrensische bei Sta Croce in
Gerusalemme. Vom Circus maximus waren inmitten der Gär-
ten geringe Spuren gebheben. Reste des Pompejustheaters
sah man bei Campo di fiore mit neuen Bauten vermengt; mehre
Inschriften waren dort aufgefunden worden. Das Mausoleum
des Augustus war in einen Weinberg verwandelt der noch den
Namen des Erbauers trug. »Jenes des Hadrian hat die römi-
sche Zerstörungssucht grossentheils vernichtet, obgleich die
Inschrift über der Eingangsthür noch wohlerhalten ist. Das
Volk würde den Baa von Grund aus zerstört haben wie es
beschlossen hatte , wäre nicht nach Hinwegräumuug der grossen
Steinblöcke der Kern zu fest gewesen für ihre Hände. An
der appischen Strasse beim zweiten Meilenstein sah ich das
Grab der Caecilia Metella wolilerhalten und schön nach so
vielen Jahrhunderten: später fand ich es grossentheils zu Kalk
verbrannt. Beim zweiten Meilenstein der ostiensischen Strasse
nahe am Flusse steht noch wohlerhalten das aus drei grossen
aufeinandergelegten Steinblöcken bestehende Grabmal des M.
Antonius Lupus, mit der Inschrift welche seine Thaten preist.
Im vatieanischen Viertel sieht man eine mächtige Pyramide,
gegenwärtig alles Schmuckes beraubt Von den Obelisken ist
8 Statuen. Foren. Literarische Zeugnisse.
ein einziger aufrecht stehen gebUeben, jener welchen Caligula im
Yatican dem Augustus und Tiberius errichtete. Einen nicht
viel kleinern sah ich im Hippodrom an der Äppia in vier Stücke
zerbrochen liegen. Fragmente anderer sind an verschiedenen
Orten aufgerichtet, so. auf dem Capitol und im Bion Pigna.«
Die Zahl der Marmorstatuen die man öffentlich aufgestellt
sah, war nicht gross. Poggio spricht von fünf derselben, von
denen vier in den Constantinsthermen , nämlich die Dioscuren
und zwei liegende, die fünfte im Marsfelde. Von Erzstatuen
war nur die beim Lateran stehende des Marc Aurel vorhan-
den, welche dem Septimius Severus zugetheilt wurde. Der
verwahrloste Zustand des Capitols und des Forums rief bei
den Verehrern des Alterthums laute Klagen hervor: wo einst
die Sitze der Senatoren standen und von den höchsten Rieh*
tem Recht gesprochen wurde, lagen Düngerhaufen, weideten
Schweine und Büffel. Der Palatin und die übrigen Hügel wie-
sen nichts auf als gewaltige Trümmermassen, Gärten und Vignen.
Auf der Seite wo man sich das Comitium dachte, sah man
mächtige Mauerreste, darüber zwei mit der Toga bekleidete
Marmorfiguren. Bei S. Basilio (Sta Annunziata) ragten gross-
artige Ruinen empor, in denen man einen Theil des Trajans-
forums zu erkennen glaubte, dessen vormalige Pracht man
durch Ammianus Marcellinus kannte und auf welchem die vom
Blitz beschädigte Säule stand. Die Stadtmauern zeigten das
Gemisch antiker mit modernen Werken, mit den Resten der
Wasserleitungen, mit den Inschriften verschiedener Thore, die
theils den Aquäducten angehörten, theils den Bauten aus Hono-
rius^ Zeit. So erschien das alte Rom in seinen Trümmern
einem der Männer, die für die Wiedererweckung des clas-
sischen Alterthums in erster Reihe thätig gewesen sind;
Poggios Schilderung, die ausführlichste welche wir besitzen,
legt Zeugniss davon ab wie sehr seit Petrarcas Tagen das
Studium des römischen Bodens fortgeschritten war.
Unsere Uterarische Kunde von Rom als Stadt ist übrigens
für diesen ganzen Zeitraum von etwa siebzig Jahren äusserst
beschränkt und das Wenige entnehmen wir nur den Schriften
Fremder. Fazio degli Uberti, der edle Florentiner den das
über sein uraltes Gibellinengeschlecht verhängte Exil durch
ganz Itahen umherwandem liess, wie Dante unschuldig an
dem Vorwurf dass er die Höfe lombardischer Gewaltherrscher
Fazio degli Uberti und Manuel Chiysoloras. 9
aufsuchte , schildert Rom in seinem Dittamondo , einer historisch-
geographischen Weltwanderung, die von der Göttlichen Ko-
mödie nur das Versmaass hat. Es ist die Auffassung Petrar-
cas welcher zugleich das zum Ueberdruss verbrauchte Bild der
ehrwürdigen Greisid Roma hergegeben hat. In Petrarcas letzte
Jahre fallt auch dies mühsame, in sehr verderbter Gestalt auf
uns gekommene Poem, von welchem schon die Zeitgenossen
des Verfassers, so Filippo Villani der diesen mit karakteristi-
schem Ausdruck einen Halbpoeten nennt, urtheilten, sein Haupt-
werth bestehe in den versificirten Sprüchwörtern und im Ge-
brauch zur Gedächtnisshülfe für denkwürdige Dinge. Fazios
Rom, durch welches ihn, für den Karakter seiner Dichtung
bezeichnend, wie Virgil den Dante, Solinus der Polyhistor fahrt,
ist das Rom der Mirabilien, aber mit dem Anflug classischer
Wissenschaft und Empfindungsweise, welche in dieser Zeit im-
mermehr zum Durchbruch kommt. Zu Ende des vierzehnten
Jahrhunderts, ein volles Menschenalter nach dem florentiner
Dichter, entwarf Manuel Chrysoloras in einem Schreiben an
Kaiser Johannes Palaeologus eine Parallele zwischen Rom und
(^onstantinopel. Vergebens sucht man in dieser rhetorischen
Darstellung Aufschlüsse über römische Topographie. Die nicht
unberedte Klage des gelehrten Griechen zeigt jedoch, wie trost-
los der Zustand der tagUch sich mindemden antiken Monu-
mente war. Chrysoloras, der erste gebildete Lehrer seiner
Sprache und Literatur im Abendlande, klagt, mit Ausnahme
der Colosse der Dioscuren stehe kaum eine antike Statue auf-
recht In Stücke zerschlagen wanderten sie in die Kalkgruben
oder Avürden als Mauersteine gebraucht. Im Ve^leich mit
ihnen seien die Bildwerke glücklich zu preisen, welche zu Stu-
fen und Sockeln, als Steine zum Besteigen der Pferde, als
Krippen in den Stallen verwendet wurden, am glücklichsten
solche die unter Schutt und Dickicht verborgen der Palinge-
nesie harrten. Es ist ein Glück dass man in dieser traurigen
Zeit nicht an Ausgrabungen dachte, denn, wie einer von Poggios
und Leonardo Brunis Freunden Cencio de* Rustici meldet, was
zum Vorschein kam wurde verstümmelt oder vernichtet. Von
seltsamen Geschickeswechseln geben unter anderm die Grab-
cippen aus Augustus' Mausoleum Zeugniss. Am Brunnen bei
Sta Maria de Uberatica liinter der Apostelkirche am Fusse des
Capitols sah man den Cippus des Tiberius, der zum Vermessen
10 Die Stadt bei Mamiiis V. Rückkehr. Das Capitol.
diente, ebenso wie andere gleicher Art und wie man heute
noch auf dem Capitol den zu einem Getreidemaass ausgehöhlten
Grabcippus der Agrippina, <les Germanicus Gemalin erblickt,
dessen Inschriften die Entweihung verwilderter Zeiten be-
stätigen.
Die vier Decennien des Schismas hatten in Rom die trau-
rigsten Spuren zurückgelassen. Martin V. fand die Stadt un-
endlich verkommener als Gregor XL sie gefunden hatte. Wie
die bürgerlichen Institutionen war alles Bauliche im tiefsten
Verfall. Die Stadt war ruhige schreibt ein Gleichzeitiger, aber
in solchem Elend, dass sie kaum das Aussehn einer Stadt
hatte. Der heimkehrende Papst zog durch unwegsame Strassen
an verfallenen Kirchen, in Trümmer gesunkenen oder leeren
Häusern , zwischen einer gleich verkommenen und verwilderten
Menge nach dem Vatican. Die Hülfsquellen welche selbst in
der avignonischen Zeit durch päpstUche Bewilhgungen, zum
Theil auch durch die von Behörden oder Genossenschaften,
Kirchen und anderen Bauten zugutegekommen, waren seitdem
immer spärlicher geflossen, endlich seit Gregors XIL Auszug
ganz versiegt, während die Zerstörung in äusseren und inneren
Kämpfen unermüdet fortschritt. Das Rom des Mittelalters lag
in Trümmern wie das alte. Versuchen wir uns ein Bild des
Zustandes seiner vornehmsten Gebäude und LocaUtäten zu
machen.
Der Mittelpunkt der Stadt, das Capitol, stellt sich zuerst
imsem Blicken dar. Der Platz am Fusse des Hügels den man
heute nach der Kirche von AraceU benennt, war im Lauf des
vierzehnten Jahrhunderts wesentlich umgestaltet worden. Hiezu
hatte unter anderm der Bau der zu dieser Kirche fülirenden
Treppe beigetragen, welche um mehre Stufen weiter vorwärts
trat als heutzutage der Fall ist Der Aufgang zum Capitol,
der sich dort befand wo diese Treppe beginnt und eine ge-
krümmte Linie beschrieb, hatte verlegt werden müssen. Die
mittlere Einsattlung des Hügels bildete damals wie jetzt den
capitolinischen Platz. Am Ende desselben gegen das Forum
zu stand der Senatorspalast, melirfach verändert seit der Zeit
der Wiederbelebung der städtischen Autonomie zu Anfang der
staufischen Epoche. Auf dem Siegel Ludwigs des Baiern
welches Roms vornehmste Gebäude, die Engelsburg und die
Peterskirche, das Pantheon, die Trajanssäule, den Thurm der
CapitoUuischer Palast uud Platz. II
Conti, das Capitol, das Colosseum, den Lateran, den Titus-
bogen, die* Cestiuspyramide , den Mauerkreis und die Tiber-
insel mit ihren Brücken und Sta Maria in Trasteyere darstellt,
sieht man den Palast mit hohem Erdgeschoss und zweitem
Geschoss mit Bogenfenstern, eingefasst von zwei viereckigen
Tliürmen. Der Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts sah ihn
wesentlich wie Bonifaz IX. ihn umgebaut hatte, mit den von
iliin errichteten oder hei^estellten westhchen Eckthurmen und
dem gleichfalls viereckigen Hauptthurm in der Mitte, in welchem
seit Innocenz' III. Zeit die grosse Glocke, die Paterina von
Viterbo hing. Senatorswappen, wie manche itaUenische Ge-
meindepaläste sie noch in Menge bewahren, schmückten die
Wände, scheinen jedoch von der Factionswuth mehrfach zer-
stört worden zu sein. In den Hallen des antiken Tabulariums
lagerte das stadtische Salz. Vom Platze aus, an der Stelle
der heutigen Freitreppe, führten zum gewölbten Eingang Stufen,
auf denen der Senator und die übrigen stadtischen Beamten
standen wenn sie das Volk zum Parlament beriefen. Unten
an den Stufen sah man einen Marmorlöwen der zu den Justiz-
Kxecutionen diente, indem vor ihm die Hinrichtungen statt-
fanden, die zu geringeren Strafen Verurtheilten aber während
der Marktzeit, das Gesicht mit Honig beschmiert, rittlings auf
ihm sassen. Links vom Palast, wo man nach dem Kloster
von Araceli hinansteigt, stand der kleine ObeUsk welchen im
Jahre 1582 das römische Volk dem Ciriaco Mattei schenkte,
der seine caelimontanische Villa mit demselben schmückte.
Der Rest des Hügels scheint nur von Kirche und Kloster von
Araceli, damals weniger umfangreich als heute, und von den
Trümmern der capitoUnischen Arx und mehrer Tempel einge-
nommen gewesen zu sein. Gegen das Marcellustheater zu sah
man bis zu Pauls U. Zeit die Trümmer eines Porticus nebst
denen eines grossen Thors, vielleicht desselben auf welches
Poggios Schilderung hindeutet. Dass man diese Trümmer wie
die Tempel am Clivus als Steingrube benutzte, ersieht man
aus dem Geschenk welches Johannes XXHI. im Jahre 1413
dem Paolo Orsini mit Travertinblöcken »in Caneparia«, der
liOcalität unter dem südlichen Abhänge des tarpejischen Fel-
sens machte, und aus Nachrichten über den Pontificat Pauls IL
Schon von der Mitte des zwölften Jahrhunderts an, als Gegen-
papst Anaclet U. den ganzen Raum den damaligen Benedictinern
12 ' Markt und Kirchen am Fusse des Capitols.
von Araceli verlieh, erstreckte sich der stadtische Markt von
der Palasttreppe an über den Capitolsplatz und Abhang und
Fuss des Hügels. Nachmals erweitert umfasste er den Raum
von der Ejrche S. Biagio, nach der nahen Treppe »in scalis«,
heute Beata Rita da Cascia am Eingang der um den Fuss des
Berges sich herumziehenden Via della Pedacchia, über den
damals grössern Platz von Araceh, einerseits bis zur Kirche
S. Giovanni in Mercatello, die gegenwärtig den Namen S. Vq-
nanzio de' Camerinesi fuhrt, andererseits bis zu den Trüm-
mern des flaminischen Circus wo der Marktthurm, Torre del
mercato stand. Wie in der Geschichte der Zeit Innocenz' VI.
berichtet worden ist , hatte die Zunft der Kaufleute Jurisdiction
über den Marktbezirk welcher, soferne der Platz von Araceli
in Betracht kommt, durch die Häuser der Boccabella heute
Massimo, der Ruspoli jetzt Malatesta, der Muti u. A. beschränkt
und im Jahre 1477 mit Piazza Navona vertauscht worden ist.
Mehre kleine gegenwärtig nur zum Theil erhaltene Kirchen
lagen am Fusse des Hügels. Ausser S. Biagio sah man dort,
die Richtung nach Südwest verfolgend, S. Salvatore in tellume
am jetzigen Aufgang der Via delle tre pile, S. Andrea in Men-
tuccia, Sta Caterina sub Tarpeo und Sta Maria di Monte Ca-
[)rino heute in Vincis, einst der Seifensiederzunft gehörig,
alle drei an oder bei der Strasse von Tor de* Specclii.
S. Salvatore in maximis lag gegen Piazza Montanara zu, an der
nach der Consolazione führenden Strasse S. Omobono, Sta
Maria in porticu und S. Salvatore in statera, beim Severus-
bogen SS. Sergio e Bacco. Nun folgte der mamertinische
Kerker als S. Pietro in carcere, dann S. Niccolö in Chvo Ar-
gentario imd S. Lorenzo della scesa, heute S. Lorenzolo an der
Sahta di Marforio. Die liegende Statue des Flussgottes welche
dem Clivus Argentarius seinen modernen Namen gegeben hat,
der Marforio wie dieselbe nach dem Forum Martis oder augusti-
schen Forum hiess, sah man noch an der Stelle die sie das
ganze Mittelalter hindurch dem Carcer gegenüber einnahm,
da wo eine von Bartolommeo Marliano gesetzte Inschrift an
ihren alten Standpunkt erinnert welchen sie unter Sixtus V.
mit dem gegenwärtigen im Hofe des capitolinischen Museums
vertauschte. Der Berg hatte verschiedene Zugänge. Ausser
der Treppe von Araceli und dem neben derselben befindlichen
Wege welchen im sechzehnten Jahrhundert die sogenannte
Aufgänge zum Capitol. Engelsburg. Colosseum. 13
Cordonata, ein breiter Aufgang für Fussgänger, zu Ende des
siebzehnten auch der Fahrweg der Tre pile ersetzten, scheint
der st«ile zwischen beinahe senkrechten Felsenmassen zu den
caffarellischen Gärten fulirende Fusspfad alt zu sein, während
die auf der Südwestseite zum Monte Caprino führende Via de'
Saponari dem sechzehnten Jahrhundert angehört. Nach Süden
sieht man den alten Aufgang der Centum gradus mit wel-
chem die im Jahre 1582 angelegte Via di Monte Tarpeo sicli
vereinigt. Der Clivus capitolinus, über welchen der moderne
Fahrweg weggeht, scheint noch im Gebrauch gewesen zu sein,
aber vom Campo vaccino aus erstieg man den Hügel auch auf
dem Pfade, der sich zu Anfang der Salita di Marforio, den
mamertinischen Kerker umgehend, heute mit der am Severus-
bogen beginnenden südlichen Cordonata verbindet.
Wie sehr das Hadrianische Mausoleum gelitten hatte, ist
durch die Geschichte der Kümpfe unter Urban VI. klar ge-
worden. So schlimm aber das Volk nach der Uebergabe der
Veste durch Pierre Rostaing gehaust haben muss, kann die
Verheerung doch nicht so arg gewesen sein wie Dietrich von
Niem glauben lässt, der von gänzhcher Zerstörung (»totalitär
tunc destructum«) redet. Denn obgleich noch im Jahre 1404,
kurz vor Bonifaz' IX. Tode , der Sturm die neu erbauten Zinnen
und einen Theil der Mauern niederwarf und in den letzten Zeiten
des Schismas wiederholt um das Castell gekämpft wurde, sah
man doch noch anderthalb Jahrhunderte später einen Theil
der Marmorbekleidung und ein beträchtliches Stück des Frieses
mit Stierschädeln und Guirlanden. Eine Anschauung des da-
maligen Aeussern der Veste zu gewinnen ist schwer, da die
vorhandenen Ansichten der zweiten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts angehören, nachdem sie durch Alexander VI. und
seine Nachfolger bedeutend umgestaltet worden war. Doch irrt
man wol nicht in der Annahme, dass die Hauptbefestigung
späterer Zeit, die vier Eckthürme von denen der eine zugleich
den Brückenkopf am Flusse gegen Sto. Spirito zu bildete, in
ihrem Ursprünge alt ist, wie denn schon die Darstellung auf
dem Siegel Kaiser Ludwigs ein grosses Viereck zeigt, aus
welchem der Bundbau hervorragt, der dann wieder einen vier-
eckigen Thurm trägt. Von dem flavischen Amphitheater wurde
schon berichtet, dass es in der avignonischen Zeit zur Stein-
grube geworden, wahrscheinlich durch die Mysterienspiele vor
14 Forum. Palatin. Flaminischer Circus. Lateran.
grösserm Ruin bewahrt ward. Dass die Bogen an der Seite
von Palatin und Caelius in der Zeit des Schismas vernichtet
waren, zeigen die im Jahre 1381 gemalten Wappen des Senats
und der Compagnie von Sancta Sanctoruin. Von den Kaiser-
palästen erhielten sich namenthch auf der Süd- und Südwest-
seite gewaltige Trümmer, während der Rest des Berges zur
Pferde- und Ziegen weide verwendet war. Die Ebne des Fo-
rums, am Titusbogen durch die ehemahgen frangipanischen
Befestigungen abgeschlossen, beim Severusbogen imd gegen
die heutige Consolazione zu durch neuere Bauten verengt, bot
einen unregelmässigen mit Schutt und Trümmern bedeckten
Kaum dar. Zwischen Palatin und Caelius lief ein krummer,
durch die Trümmer des Septizoniums und der Wasserleitung,
durch Mauern von Rlostergärten eingezwängter Pfad. Von
dem flaminischen Circus sah man noch viel später ansehnliche
Reste. Die Mauer des Halbkreises und Theile des Fussbodens
befanden sich in der Nähe der heutigen Kirche Sta Caterina
de* Funari und der Piazza dell' olmo, wo im sechzehnten Jahr-
hundert die Matteischen Paläste entstanden, deren Bau ihren
vollständigen Ruin herbeiführte, welchem die dortigen Kalk-
gruben, nach denen die Kirche S. Niccolo, heute de' Cesarini,
alle Calcare benannt wurde, längst vorgearbeitet hatten.
Das vierzehnte Jahrhundert war auch den Kirchen ver-
derblich gewesen. In welchem Maasse der Lateran wiederholt
von Feuersbrünsten betroflFen wurde und wie die französischen
Päpste sich bemühten ihn wiederherzustellen, ist berichtet
worden. Wenn diese Bemühungen für die Kirche ungenügende
Ergebnisse erzielten, wurden die anstossenden Bauten melir-
undmehr in eine grosse Trümmermasse verwandelt. Inderüiat
schritt man vom Capitol an nur auf und zwischen Trümmern.
Der Senat hatte versucht der verlassenen Gegend vom Co-
losseum zum Lateran, die seit dem Jahre 1386 unter der Juris-
diction der Compagnie von Sancta Sanctorum stand, durch
mehrfache Vorrechte, Befreiung von Zöllen, Verleihung des
Büi^errechts an Fremde, Anweisung von Bauplätzen aufzu-
helfen; BewilUgungen die mehrmals, zuletzt im Jahre 1418 be-
stätigt wurden. Aber die Ein wotmerzahl war spärlich; Kirchen
und Klöster nahmen den meisten Raum ein. Nachdem man, die
Via maggiore oder santa einschlagend, die an das Amphitheater
stossenden, zum Theil in dasselbe hineingebauten Häuser der
Latcrantscher Platz und Patriarchium. 15
Annibaldi hinter sich gelassen, fand man das Frauenspital S.
Giacomo das noch unter Papst Eugen IV. vergrössert und erst
im Jahre 1815 ganz abgetragen wurde, die am Abhang des
Caelius liegende Kirche der Vierzig Heiligen, die Kirche des
)i. Pastor bei S. demente. Von dem Zustand letzterer Kirche
Miissen wir nichts; die der SS. Quattro Coronati war ebenso
verfallen wie die benachbarte von Sto Stefano rotondo. Noch
zeigte man das nach der »Päpstin Johanna« benannte Haus. In
der heutigen Villa Campana stand eine Kapelle von Sta Maria
Imperatrice. Nun schritt man unter dem Arco di BasUe, einem
Bogen der neronischen Wasserleitung, durch, liess zur Rechten
das Spital Giovanni Colonnas mit seinem Portal von 1348, be-
trat den lateranischen Platz. Rechts hatte man das an Vignen
und Gärten stossende Kloster der hh. Bartolomäus und An-
dreas, dessen Stelle das langgedehnte moderne Spital einnimmt
uad dem sich die Kapellengruppe mit dem constantinischen
Baptisterium in der Mitte anschloss, hnks die Arkadenreihe des
Aquäducts, vor sich, nahe bei der Stelle wo der Obelisk sich
erhebt, mehre in Trümmern hegende Bauten, die Kapelle S.
Angelo, die alte päpstUche Bibliothek, die Reste des unter
Gregor DL abgetragenen annibaldischen Thurmes. Der vordere
Theil des Platzes, auf welchem dem Eingang der heutigen
Villa Massimo gegenüber von Sixtus IV. bis zu Paul III. die
Reiterbildsäule Marc Aureis stand, hatte die ungefähre Aus-
dehnung des gegenwärtigen, dann verengte er sich durch
das Vortreten des Patriarchiums welches ihn nach Osten
abschloss, so dass nur für den nach Sta Croce in Gerusa-
lemme fuhrenden Weg Raum blieb, der Platz vor der Häupt-
fa^ade der Kirche aber mit der Porta Asinaria gewissermasscn
isolirt war.
Mehr noch als jetzt bildete somit die nach Norden blickende
dem rechten Querschiff angebaute Seitenfronte den gewöhn-
lichen Eingang zur Kirche. Papst Gregor XI. hatte dieselbe mit
einem prachtvollen Marmorportal im Spitzbogenstil schmücken
lassen, neben welchem man die Marmorlöwen^ sah, die bei
dem von Sixtus V. unternommenen Neubau nach dessen Brun-
nen auf Piazza di Termini wanderten. Zwei kleine Glocken-
thürme, nachmals von PiusIV. xungestaltet, krönten die Seiten-
fa^^e. Zur Linken derselben schloss sich, im rechten Winkel
vortretend, das Patriarchium an, welches den ursprünglichen
16 Lateranisches Patriarchium und Basilika.
Palast der Eaiserzeit mit den Anbauten vieler Päpste zu einem
aus heterogenen Theilen bestehenden Ganzen verbunden hatte.
Zuerst mit der Langseite nach Westen gerichtet der Saal des
Consistoriums, gewöhnlich die Basilica Giulia genannt und auch
bei den Kaiserkrönungen gebraucht, mit seinen drei der Tra-
dition gemäss vom Prätorium Jerusalems entlehnten Thiiren.
Hierauf folgte nach Norden blickend die Loggia Bonifaz' VIII.
mit welcher der grosse Corridor in Verbindung stand, ein läng-
licher ebenfalls einen rechten Winkel bildender Bau mit grossem
Portal, im obem Geschosse, in gleicher Höhe mit der Lo^a,
ein offener Bogengang. Am Ende des Corridors befand sich
das Oratorium des h. Silvester, neben demselben die heilige
Treppe. Nun folgten die grosse Treppe und der Porticus des
Palastes, die Vorhalle vor der Kapelle Sancta Sanctorum, diese
berühmte Kapelle selbst, zu welcher seit dem Neubau Sixtus' V.
die heilige Treppe fiihrt. Das Triclinium Leos IE. bildete den
vornehmsten Raum des äussersten östlichen Theils des Pa-
triarchiums, dessen Südseite sich dem rechten Ende des Por-
ticus der Hauptfagade der Basilika anschloss, während in der
Mitte ein grosser viereckiger Hof den Raum eines ansehnlichen
Theils des modernen Palastes und des vor demselben wie vor
der Kirche nach Osten sich öffnenden Platzes einnahm. Das
I^angschiff der Kirche war nur nothdürftig hergestellt und
drohte fortwährend mit neuem Verfi&ll, da namentlich die süd-
liche Mauer beträchtlich gewichen war, die Säulen die Last
nicht mehr zu tragen schienen. In besserm Zustande befanden
sich Querschiff und Tribüne, auf welche von Clemens V. an
die Sorgfalt der Päpste wesentlich gerichtet gewesen war.
Vom linken Querschiff aus gelangte man in den schönen
Klosterhof, in welchen beim Umbau der Kirche im siebzehn-
ten Jahrhundert zahlreiche früher in letzterer aufgestellte Mo-
numente gebracht wurden, von denen mehre durch die Tradi-
tion gefeiert werden. Dem Chiostro schloss sich westlich das
Klostergebäude an, ein geräumiges Viereck mit innerm Hofe,
durch einen schräglaufenden Porticus mit der Kapellengruppe
verbunden die das Baptisterium umgab, zu welchem die Vor-
halle führte die nach der anstossenden Kapelle des h. Venantius
benannt wird und deren mächtige Porphyrsäulen und Pilaster
mit reichem Marmorgebälk heutzutage in eine hässUche Wand
eingeschlossen sind.
Leonina und Peterskirchc. 17
So war der Gebäudecomplex beschaffen, zu welchem auf
der Seite wo heute der schöne moderne Baumgang nach Sta
Maria maggiore fuhrt, noch andere Bauten gehörten welche
für die Datarie wie für die Dienerschaft bestÜhmt waren. Zahl-
reiche kirchliche Alterthümer, Sculpturen, Musive, Monumente
bedeutendster Zeiten schmückten Basilika, Kapellen, Patriar-
chium. Aber alles war im traurigsten Verfall, zumeist letzteres
selbst wo seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts kein Papst
mehr geweilt hatte, und welches den Unbilden durch Zeit und
Menschenhände preisgegeben war. An Herstellung und Wohn-
barmachung war nicht zu denken; die Sorge der Päpste musste
sich auf die kirchUchen Theile beschtänken. Die constanti-
nische Residenz der römischen Bischöfe ist seitdem nur noch
auf einzelne Tage von ihnen bewohnt worden, während andere
Paläste, der vaticanische und die bei der Apostelkirche und
S. Marco sie aufnahmen. Aber auch der Vatican war sehr
verfallen. Das Hauptgebäude war das Nicolaus' HI., welches
nach der Zeit die ims hier beschäftigt von verschiedenen
Päpsten erweitert wurde. Für die Leonina, welche schon in
den Zeiten der kriegerischen Römerzüge so oft geUtten hatte,
war das letzte Jahrzehnt des Schismas beinahe so verderbUch
gewesen wie das Guiscardische Zerstörungswerk für die süd-
liche Stadt. Von dem alten Säulengange waren wol nur die
letzten Spuren erhalten. Die meisten Wohnungen lagen in
Trümmern, Gärten umgaben alte und neue Ruinen, die Zu-
gänge zu BasUika und Palast- waren unregelmässig und schlecht,
ihre Umgebung ein planloses Gemenge verschiedenartigster Bau-
ten die in wüsten Zeiten zu Befestigungen hatten dienen müssen.
Die Peterskirche hatte sehr gelitten. Die Erzthüreu des Vor-
hofes waren schon in Barbarossas Zeit zerstört worden; an
der Stelle der Kirche Sta Maria in turri zur Linken des Ein-
gangs in diesen Vorhof erhob sich in baufälligem Zustand die
Wohnung des Cardinal -Erzpriesters, der Vorhof selbst mit
seinem Quadriporticus war eine Trümmerstätte. Das Innere
war begreiflicherweise besser erhalten, trug jedoch überall die
Spuren des Alters an ^ich, während die linke Langseite zu
ernsten Besorgnissen Anlass gab. Altäre, Monumente, Ka-
pellen waren ganz unregelmässig angebracht, zum Theil ver-
fallen. Der Palast war in seinem augenblicklichen Zustande
kaum bewohnbar; vor demselben erstreckten sich längs der
V. KeumuBt, Kom. 111. 9
18 Andere Kii*chen. Die Rione.
rechten Seite des Vorhofs niedrige Wohnungen für den Clerus
der Basilika. Von den übrigen Kirchen wissen wir wenig.
Die Nachrichten über deren Verwahrlosung und theilweisen
Verfall am Ende der avignonischen Zeit wie ' über die zahl-
losen von Päpsten und Cardinälen im fünfzehnten Jahrhundert
unternommenen Ausbesserungen und Neubauten weisen indess
hinlänglich auf ihren Zustand hin. Am besten scheint es Sta
Maria maggiore ergangen zu sein, für welche wir den letzten
französischen Papst thätig fanden. Mit Ausnahme der grossen
Basiliken war die Mehrzahl der Kirchen weit entfernt mit
denen anderer Städte wetteifern zu können, ja noch um die
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts scheint Rom in Bezug auf
Schönheit der Kirchen nicht den ersten Rang eingenommen zu
haben, wenn gleichzeitige Berichte sich nicht etwa vorzugs-
weise auf die Pracht der Ausstattung beziehn. Ein grosser
Theil der Schätze der kirchlichen Gebäude war inmitten der
Geldnoth des Schismas geschwunden.
Die Regionareintheilung der Stadt war mit einigen Ab-
weichungen die des Mittelalters geblieben. Die Zahl der Rione
betrug dreizehn. Monti, auch Biberatica oder nach den Dioscu-
rencolossen genannt, den grössten Theil der südöstlichen Hügel
umfassend; Trevi, der östliche Stadttheil nebst der Via lata;
Colonna und Campomarzo, der nördliche Theil der P^bne des
Marsfeldes nebst dem Pincio; Ponte, das Flussufer gegen die
Engelsbrücke zu; Parione zw^ischen Piazza Navona und der
Kirche der Oratorianer von S. Filippo Neri; Regola oder Are-
nola, von der Piazza della Cancellaria und Campo di fiore
nach dem sandigen Tiberufer welches der Region den Namen
gab ; Sant' Eustachio um die gleichnamige Kirche und die Ro-
tunda, nach Osten an den Bion Campomarzo sich anschliessend;
Pigna, die Gegend bei der grossen Jesuitenkirche und dem alten
flaminischen Circus; Campitelli vom Fusse des Capitols, das
dieser Rion ebenso wie den Palatin und den westlichen Tlieil
des CaeUus umfasst, bis zum appischen Thore reichend; Sant'
Angelo vom flaminischen Circus zum Flussufer gegenüber der
Tiberinsel; Ripa, das ganze südliche Ufer mit Einschluss des
Aventin. Trastevere bildete den dreizehnten und letzten Rion,
die Leostadt blieb ausserhalb der Regionareintheilung.
Die Geschichte dieser Zeit schweigt von Kunstwerken, bei-
nahe von Bauten wenn man die Befestigungen des Capitols und
Hospize. Strassen. Häuser. Mauera. 19
des Castells ausnimmt. Die Kirche Sta Maria sopra Minerva
soll zu Anfang dieser Epoche vollendet gewesen sein. Mehr
yemehmen wir von milden Stiftungen auswärtiger Nationen.
Ein Kirchlein auf Piazza Farnese erinnert an die der h. Bri-
gitte von Schweden fiir ihre Landsleute, das Collegium zu
St. Thomas von Canterbury an das im Jahre 1398 entstandene
englische Hospiz, das nun niclit mehr im Sachsen viertel, son-
dern in der eigentlichen Stadt lag. Der Ursprung des teutschen
Hospitium von Sta Maria dell* Anima gehört in dieselbe Zeit.
Johann Peters von Dortrecht, päpstlicher Sergent d'armes und
seine Ehefrau Katharina legten im Jahre 1399 den Grund zu
der in demselben Jahre von Bomfaz IX. bestätigten Stiftung,
an welcher sich auch der mehrgenannte päpstliche Geheim-
sclireiber Dietrich von Niem betheiligte. Eine Zeit wie diese,
wenn sie sich nicht durch Burgen zu schützen suchte,
war auch für Anstalten zum Besten Leidender wie der gleicli
fronimen und muthigen Pilger geeigneter und mehr zu sol-
chen veranlasst als zu Kunst- und Luxusbauten. Die Stade
mogte zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts sehr maleriscli
sein: gewiss war sie ebenso unwohnhch wie verschieden von
dem Anblick welchen andere grosse itaUenische Städte, Florenz
an der Spitze, darboten. Die Hügel waren meist von Bewoh-
nern ausser von Mönchen verlassen. Im Marsfelde wie in
Trastevere drängte sich ein Gewirre von grösstentheils engen
krummen ungepflasterten Strassen zusammen, die durch die
vorspringenden Obergeschosse der meist schlecht und aus
buntestem Material antiker Werke erbauten Häuser noch unbe-
quemer und düsterer wurden. Der Mauerkreis war nicht nur
überhaupt verfallen, sondern zeigte an mehren Stellen die
Spuren neuen gewaltsamen Durchbruchs. Der Wasserbedarf
wurde nothdürftag durch die schadhafte Acqua Vergine und
durch Brunnen und Cisternen befriedigt. Wie es mit den wäh-
rend der Abwesenheit des h. Stuhls leer gebliebenen officiellen
Cardinalswohnungen stand, lassen die wiederholten päpsthchen
Abmahnungen von unbefugter Benutzung derselben als herren-
losen Gutes vermuthen.
Die Wohnungen der Barone und der vornehmen Bürger
waren lauter Burgen. Noch war die Zahl der Thürme sehr
bedeutend, ja man fuhr fort sie durch neue zu vermehren. In
unserer Zeit sind so wenige dieser Bauten geblieben dass es
*) ♦
20 Adelswohnungen und Thürme.
einigermaassen schwer fällt sich in dieser Beziehung von Born in
Martins V. Tagen ein Bild zu machen. Von manchen Thürmen
haben verschiedene LocaUtäten den Namen entlehnt, .wie bei
den Strassen von Tor Mellina, Torre Argentina, Tor de'
Specchi, Tor di Nona der Fall ist, während diese Thürme
selbst ganz oder grösstentheils verschwunden sind. So ist
keine Spur derer geblieben die an oder auf dem Capitol stan*
den, wo wir zu verschiedenen Zeiten mehre genannt finden.
Zu ihnen gehörten die der Corsi, der des Kanzlers, der Markt-
thum im flaminischen Circus. Von den Thürmen des Senators-
palastes ist die Rede gewesen. Der Hauptthurm desselben,
der im Hofe der strengen Gefangnisse (Segrete) stand und an
welchem man Friedrichs IL Inschrift vom mailänder Fahnen-
wagen las, ist unter modernen Bauten unkenntUch geworden.
Andere sind theils unversehrt theils in ihrer Hauptmasse
erhalten. Von einigen derselben hat die mittelalterliche Ge-
schichte berichtet, so von Tor de' Conti und delle Mihzie,
welche wahrscheinlich derselben Papstfamilie angehören. An-
dere noch sehn wir vor uns im Marsfelde, in Trastevere,
auf den Hügeln. Tor Sanguigna, recht im Herzen des neuen
Rom, giebt dem anstossenden Platze den Namen der sich
von einer Adelsfamilie zweiten Ranges herschreibt ; gleich allen
übrigen viereckig, imverjüngt, von nicht bedeutender Höhe,
vielleicht erst kurz vor dem Anfang des fünfzehnten Jahrhun-
derts entstanden. Am Ende der Via delle Botteghe oscure
hinter S. Niccolo a' Cesarini gewahrt man mit unscheinbaren
Häusern verbunden einen andern solcher Thürme, im Ghetto
Reste jener der Normanni, dann die Torre di Pupito, während
die denselben benachbarten der Alli und Cerretani, bei der
Pescaria und in der Nähe von Piazza Campitelli jene der
Spersi, der Alessi, der Cocchi, die Torre Cetrangoli hinter
dem Palast Albertoni heute Pacca an demselben Platze u. a.
verschwunden sind. Die Tiberinsel hat ihre Thürme verloren
an die sich Erinnerungen an die Gräfin Mathilde, an die Prä-
fecten von Vico und die Caetani knüpften. Aber von der Insel
aus sieht man noch die das Flussufer dominirenden Thürme
von Trastevere, den der Grafen von Anguillara und gegen
Ponte rotto zu jenen der Alberteschi- Normanni, beide mit den
Wappen ihrer alten Besitzer geschmückt deren eines die ge-
kreuzten Aale, das andere den lilienbedeckten Schild zeigt.
Adelswohnungen und Thürme. 21
An manchen Häusern dieses jetzt so verkommenen Viertels
erkennt man noch die Spuren und Unterbauten der ehemaligen
Thürme, so gegenüber Sta Ceciha und an anderen Stellen.
Begiebt man sich in das Innere der alten Stadt, so sucht man
vergebens am Aufgang zum Palatin nach der in der Geschichte
der Fehden oftgenannten Torre Cartularia der Frangipani,
welche die üeueste Zeit abtrug als sie dem Titusbogen seine
alte Gestalt wiedergab, nach dem Thurme der Annibaldi beim
Colosseum, nach jenem der Foschi di Berta auf dem Trajans-
fonim. Aber noch sieht man den Thurm La Moletta am Ende
des Circus maximus wo er einen Theil der frangipanischen Be-
festigungen bildete, den der Colonna an der Auffahrt zum
Quirinal, den del Grillo am steilen südlichen Aufgang zu dem-
selben Hügel, sowie die Thürme im Viertel der Monti, den
am YormaUgen Palast bei Santi Quattro, jenen bei S. Fran-
cesco di Paola auf dem Esquilin, einst zu einem cesarinischen
Palaste gehörend dann zum Glockenthurm umgestaltet, die auf
der Höhe der Carinen in der Nähe von S. Martino wo man noch
die Wohnungen der Capocci bezeichnet So wenig ist von
dieser Gattung mittelalterlicher Bauten geblieben.
Es war anders in der Zeit von der hier die Rede ist.
Petrarca verklagte »(Jie stolzen Thürme, Trotz dem Himmel
bietend«. »Wahrend wir, sagt er in einem der Briefe seines
vorgerückten Alters, ungeschickte leere Thürme bauen, die
Vergänglichkeit unseres Hochmuths zu den Wolken zu erheben,
denkt keiner daran Christi Glauben zu schützen und zu rächen.«
Noch anderthalb Jahrhunderte nach Petrarca bemerkte Fran-
cesco Albertini, der erste eigentliche Stadtbeschreiber, alle
Cardinalshäuser seien mit Thürmen versehen, wovon auch in
unseren Tagen manche dem fünfzehnten und sechzehnten Jahr-
hundert angehörenden Paläste zeugen , indem sie wie der vene-
tianische, die von Altemps, Sora, Ruspoli, Fiano, CaffareUi,
die Villa Medici u. a. entweder Thürme oder eine Tradition
derselben als Belvederes bewahren. In den Zeiten als das
Factionswesen in Allem seinen Ausdruck fand, in Tracht, Wap-
pen, Bannern u. s. w., trugen auch Thürme und Wohnungen zur
Kennzeichnung der Parteien bei. Die Gibellinen hatten einfache
viereckige Zinnen in ungerader Zahl, Spitzbogen an Fenstern und
Thüren,dieGuelfen gezackte Zinnen gerader Zahl und Rundbogen.
Die Thurmfenster standen nicht senkrecht übereinander, um den
22 Zerstoning der Thünne. Das römisclie Volk.
Vertheidigem grossem Spielraum zu laissen; das Innere war
theilweise selbst ohne Treppe so dass man sich an Seilen auf-
und abliess. Die Umgestaltung namentlich des Innern erfolgte
dann, als die Thürme nicht mehr zur Vertheidigung sondern
als Anhängsel zu den Wohnungen benutzt wurden. Die Zer-
störung der Mehrzahl, so oft versucht ohne durchgreifend zu
gelingen sosehr ein Brancaleone und Stefaneschi sich mühten,
muss im sechzehnten Jahrhundert erfolgt sein als die Stadt
eine neue Gestalt annahm. Hier wie überall wurde den auf
den Krieg berechneten Bauten der Krieg erklärt, und es giebt
wol nicht viele Orte die das Beispiel von San Gemignano im
toscanischen Elsathale nachamteu, wo noch im Jahre 1602 ein
Gemeinderathsbeschluss das Abtragen der Thürme untersagte,
ja die Herstellung der verstümmelten befahl. Eine Maassregel
welcher das Bergstädtchen auch in unsern Tagen seine male-
rische mittelalterliche Erscheinung verdankt.
2.
VOLK VSD VOLKSGKMEINDE. FINANZEN. CAMPAONA UND
ACKEBWIRTHSCHAFT. ^
So war der Anblick Roms bei der dauernden Rückkelir der
Päpste. Es braucht kaum hinzugefügt zu werden dass Ord-
nung und öflFentliche Sicherheit mit dem bauUchen Zustande
übereinstimmten, da das Factionsweseu kaum jemals so arg
getobt hatte wie in König Ladislaus' Tagen, und polizeiUche
Unordnung von politischer Anarchie schwer zu trennen ist
Mag auch der Ausdruck von Schriftstellern des fünfzehnten
Jahrhunderts, man habe sich vergebens nach einer Spur von
Urbanität umgesehn und die Einwohner seien gleich einem zu-
sammengelaufenen Haufen niedrigsten Gesindels erschienen,
eine arge Uebertreibung sein, so unterliegt es doch wol keinem
Zweifel dass die Bewohner dieser verkommenen Stadt in Cul-
tur, Sitten, Tracht, ganzer Erscheinung mit derselben harmo-
nirten. In Bonifaz' VUI. Tagen, während Rom in unendKch
geordneterem und blühenderem Zustande war als ein Jahrhun-
dert später, schalt Dante die Ungestalt römischer Tracht wie
die bäuerische Redeweise des Volkes. Welchen Eindruck
Florentmische Schilderungen des rämischen Volkes. 23
dreiundzwanzig Jahre nach Martms V. Rückkehr, als die unter
seinem Nachfolger vorgefallene Umwälzung noch einmal Zu-
stande herbeigeführt hatte die denen des Schismas glichen,
Stadt und Volk auf einen Landsmann des Dichters der Gött-
lichen Komödie machten, zeigt ein am 22. März 1443 aus der
»zerrissenen Stadt« (»ex Urbe delacerata«) an Giovanni de*
Medici Cosimos des Alten Sohn gerichtetes Schreiben des Al-
berto degÜ Alberti. »Vom Zustande der Stadt wirst du durch
Andere vernommen haben, doch will ich denselben in Kürze
schildern. Eine grosse Menge Bauten , Triumphbogen, Paläste,
Tempel, Grabmäler und andere Prachtgebäude sind vorhanden,
aber alle in Trümmern. Tagtäglich brennt man Kalk aus dem
Porphyr und Marmor der alten Werke, was eine Schande
(•yillania«) ist. Die neueren Bauten sind erbärmhch: Roms
Schönheit besteht in seinen Ruinen. Das Volk von heute, das
sich römisch nennt, ist in Haltung und Lebensweise himmel-
weit verschieden von dem alten. Es mit Einem Wort zu sagen,
sie erscheinen mir alle wie Kuhhirten. Die Frauen sind im
allgemeinen schön von Gesicht, aber am Leibe sehr unreinUch,
was wie ich höre daher kommt, dass alle in der Küche be-
schäftigt sind. Sie scheinen mir freundhch, kommen jedoch
wenig zum Vorschein. Einen Ort zum Lustwandeln giebt's
nicht und man geht nur zu den Stationen und Ablassspendun-
gen, die überaus zahlreich sind und in dieser Fastenzeit von
allen Frauen wie von Unbeschäftigten gleich mir besucht wer-
den.« In gleicher Weise ja zum Theil mit denselben Aus-
drucken schrieb der florentinische Buchhändler Vespasiano da
Bisticci über diese Zeit. »Rom war während der Abwesenheit
des Papstes wie eine Stadt von Kuhhirten geworden. Rinder
und Ziegen weideten da wo man heute die Buden der Kauf-
leute sieht. Alles Volk zog in schweren Mänteln und Stiefeln
einher, so waren sie durch die Jahre des Bürgerkriegs und der
Abwesenheit der Curie verwildert. Erst nach der Rückkehr
eines schönen Hofes wuschen und kleideten sie sich neu, und
hielten den Papst in grösseren Ehren als je zuvor.«
Die Autonomie der römischen Volksgemeinde war weit
mehr durch die ihrer ursprünglichen Entwicklung inhärirenden
Gebrechen zugrundegegangen, als durch die Bemühungen der
Päpste Gewalt über die Stadt zu erlangen. Rom hat im Klei-
nen dasselbe Beispiel und dieselben Ergebnisse dargeboten,
24 Die Gemeindeveifassimg uiid ihre Geschicke.
welche man anderwärts, namentlich später, im Grossen erlebt
hat. Das von concurrirenden unabhängigen oder nach Unab-
hängigkeit strebenden Gewalten und Elementen documentirte
Unvermögen sich zu einigen, imd durch Einigkeit gekräftigt ein
gemeinsames Ziel, staatUche Ordnung und Gewährleistung so
der allgemeinen wie besonderer die Allgemeinheit constituiren-
der Interessen zu erstreben , dies Unvermögen , selten so radical
und auffallend wie hier, und das allerwärts fühlbare Autoritäts-
bedürfniss haben den Weg der Monarchie gebahnt, die ohne
jene Factoren schwerUch in gleichem Maasse das Ziel erreicht
hätte. Schon die Ereignisse des Jahrhunderts, in welchem die
Gemeinde entstand, und deren Verhandlungen mit dem Papst-
thum. machten ihre Bestandlosigkeit klar. Das ganze dreizehnte
Jahrhundert war sodann ein steter Wechsel von Herrschaft
kräftiger Päpste und auswärtiger Schutzherren, während die
in Ober- und Mittelitalien zur Geltung kommenden demokrati-
schen Tendenzen hier im Kampfe gegen das Adelsregiment un-
geachtet einzelner glänzenden Erscheinungen zu keinem nach-
haltigen Siege gelangen konnten. In dem darauf folgenden
Jahrhundert bestand die volksthümliche Verfassung ebenso-
wenig die Probe, obschon ihr durch die Abwesenheit der Päpste
Gelegenheit zu stetiger Fortbildung geboten \V^ar. Die Um-
stände waren ihr doch günstig gewesen. Durch Europa ging
nochmals eine demokratische Strömung. Der grosse Principien-
kampf zwischen Kaiserthum imd Papstthum war durch das
UnterUegen der Staufer entschieden. Die Erneuerung desselben
unter Ludwig dem Baier hatte ungeachtet der gewaltigen Er-
regung der Geister der Ohnmacht des Kaiserthums nicht abge-
holfen. Die guelfische Partei war trotz einzelner gibelUnischer
Schilderhebungen, wenn nicht auf der ganzen Halbinsel doch
in Mitte und Süden herrschend, ohne dass das Papstthum deren
Leitung in der Hand zu behalten vermögt hätte. Nach König
Roberts Tode hatte dies Papstthum auch seine alte Stütze,
das anjousche Königthum verloren. Für ein kräftiges Gemein-
wesen wäre somit der Zeitpunkt der Consolidirung da gewesen.
Die Stadt hatte sich unter Bonifaz VIII. und seinen nächsten Vor-
gängern gehoben. Ein vom Feudalnexus unabhängiger höherer
Bürgerstand oder kleiner Adel war emporgekommen. Das Ge-
biet war nicht unbedeutend, und wenn die Ansprüche des
Landesherrn und der Comune in Einzelfällen miteinander
Die Gremeindeverfasaung im vierzehnten Jahrhundert. 25
stritten, so hatte die Stadt grössere Aussicht dieselben durch-
zuBetzen als die Päpste, nicht blos wegen der misliebigen
fremden Nationalitat der Mehrzahl der kirchlichen Verwalter.
Inderthat nahm die Stadt mehrmals einen Anlauf ihre
büj^rliche Verfassung auszubauen und zu sichern. Die Phasen
derselben im vierzehnten Jahrhundert sind zahlreich. Wieder-
holt zeigte sich das ernstliche Bestreben des Volkes , nach dem
namentlich von Florenz ihm gebotenen Muster ein dauerhaftes
Regiment zu gründen. Mehr denn einmal schien dies auch zu
gelingen. Im Jahre 1312 nach Heinrichs VII. Abzug, als Ja-
copo Stefaneschi als Capitan des Volkes gegen den Adel ein-
schritt, und die Volksrepräsentanten das Capitol einnahmen
wie die florentiner Prioren der Zünfte den Palast der Signorie.
Im Jahre 1327 bei Ludwigs des Baiern Römerzug, 1347 wäh-
rend des Tribunats Colas di Rienzo , vier Jahre später während
des Rectorats Giovanni Cerronis, noch zwei Jahre darauf zur
Zeit des Tribunats Francesco Baroncellis. Endlich im Sonuner
1357 die grösste und nachhaltigste Reform, welche den £in-
fluss des Baronaladels auf das Stadtregiment vernichtete, durch
die Wahl eines fremden Senators oder Podesta auf die alte
Grundlage des italienischen Municipalwesens zurückging, diesem
den Vorsitz der richterlichen Executivgewalt liess und in den
sieben Reformatoren einen obern Rath angesehener Bürger bei-
gab, überdies eine neue demokratische Miliz oder Schützen-
gilde schuf, deren Vorsteher, die Banderesen mit ihren Räthen,
über die bürgerhche Wehrkraft verfügten, während ein engerer
und ein weiterer Volksrath die Gesammtbürgerschaft repräsen-
tirten. Die Geschicke dieser Verfassung während der noch
folgenden neunzehn Jahre der avignonischen Zeit, und ihren
beinahe vollständigen Untergang in der des Schismas hat die
Greschichte dieser traurigen Epoche dargelegt. Die Betrach-
tung derselben giebt an die Hand, dass es an dem allein
dauerhaften Fundament wahrer Demokratie , an achtem Bürger-
sinn fehlte. Der Adel war ausgeschlossen, die Päpste waren
ferne oder ohnmächtig — die Stadt kam nicht zur Ruhe. Sie
schwankte zwischen zwei Extremen, zwischen dem Anspruch auf
Weltherrschaft und Kaiserrecht, wie zur Zeit Heinrichs VIL ,
Ludwigs des Baiem, Colas di Rienzo, und dem Verlangen nach
den Päpsten die sie nicht entbehren konnte. Wären selbst im
Kampfe der Florentiner gegen das Papstthum in Gregors XI.
26 Ursachen der Sohwäclic der römischen Verfassung.
Tagen — ein Kampf in welchem Recht und Lauterkeit der
Gesinnung keineswegs immer oder auch nur überwiegend auf
Seiten der Angreifenden waren , was die Schuld des Papstthums
nicht ausschliesst — die Nationalitäts- und Unabhängigkeits-
fragen im Vordergrunde gestanden, so würden dennoch die
florentinischen Bemühungen zur Behinderung eines Abkommens
zwischen der Stadt Rom und dem Papst ihren Zweck schwer-
lich erreicht haben.
Rom hatte nämUch das Bewussteein dass es nicht ohne den
Papst sein konnte. Roms BUcke waren stets nach Avignon
gerichtet. Zahllos gingen Gesandtschaften nach der Rhone-
stadt mit Einladungen zur Rückkehr. Das kirchhche Interesse
stand im Hintergrunde : das politische und materielle dominirte.
Wie man den der Stadt fremden Päpsten die höchsten städti-
schen Gewalten übertrug, so bedurfte man ihrer als Friedens-
stifter ininitten der Geschlechterkämpfe, als Berather, als
Repräsentanten der Autorität, als Quelle des Rechts von
welcher allein seit dem Sinken der Kaisermacht die örtlichen
Behörden der Ausfluss waren. Deshalb sind auch die wieder-
holten Versuche der Aufrechthaltung oder Wiedererlangung
der städtischen Autonomie in der Zeit des Schismas im Grunde
von so geringer Bedeutung, indem es an folgerichtiger Ent-
wicklung municipaler Principien fehlt, und man nicht zu dem
Bewusstsein gelangt dass diese wahren Boden haben. Wenn nun
endlich trotz ganz verschiedener Vorbedingungen die allmälige
demagogische Unterwühlung des Fundaments der Freiheit von
Florenz und die längst fortschreitende Vernichtung der bürger-
lichen Wehrkraft diese mächtige Republik schon um die Mitte
des fünfzehnten Jahrhunderts der Einzelgewalt zuführten, so
darf es nicht Wunder nehmen, wenn die Stadt Rom bei un-
gleich schwächeren Grundlagen bürgerhchen Lebens einer
Herrschaft verfiel, deren Berechtigung eine ganz andere war.
Das römische Stadtregiment mit seinem Mangel an Gleich-
gewicht, an Stetigkeit, an fester Handhabung der Gesetze, an
Widerstandsfähigkeit gegen innere nogh mehr als äussere feind-
liche Einflüsse hat übrigens das ganze Mittelalter hindurch
auf draussenstehende Beobachter, sehr wenige Fälle ausge-
nommen, keinen günstigen Eindruck gemacht. Wir vernahmen
die an Sarkasmen streifenden Aussprüche florentinischer Chro-
nisten. Rom, sagt Boccaccio, stand einst in allen Dingen zu
Bartolo von Sassoferrato Ober das römische Stadtregiment. 27
oberst, heute steht's zu imterst. Die Rechtsgelelirten desselben
Jahrhunderts urtheilten nicht vortheilhafter. Der berühmteste
Jurist seiner Zeit, Bartolo von Sassoferrato, welcher die Scho-
lastik auch auf Rechts- und politische Theorien anwendend
in seinem Tractat über städtische Regierung unter den
neueren Autoritäten sich an Thomas Äquinas, Dante und
Egidio Colonna hält und als Formen des Regiments De-
mokratie, Aristokratie, Monarchie lobt, Ochlokratie, Oli-
garchie und Despotie verwirft, schafft für die Karakteristik
der römischen Zustände eine besondere Kategorie. »Es
giebt, sagt er, eine siebente Regierungsform, die sehr
schlimme welche heute in Rom gilt. Der Gewaltherrscher
sind dort viele und sie stehn einander an Macht gleich, so
dass keiner entschiedenen Sieg erringt. Die Gemeindeverwal-
tung ist nämlich so ohnmächtig, dass sie weder gegen diese
Gewaltherrscher noch gegen deren Anhänger etwas vermag,
sofeme diese sich nicht freiwilhg fügen. Einer solchen Re-
gierungsform erwähnt Aristoteles nicht, und mit Recht, denn
sie ist ein Monstrum. Sie ist nämlich ein Körper mit einem
gemeinsamen schwachen Haupt, neben welchem eine Menge an-
derer stärkerer Köpfe herauswachsen die mit einander kämpfen.
Gottes Wille hat eine solche ^ politische Misgeburt entstehn
lassen, die Hinfälligkeit aller menschlichen Dinge offenbar zu'
machen. Denn Rom, Haupt und Muster staatlichen Lebens,
ist so tief gesunken, dass es nicht die Form einer Regierung
bewahrt die des Namens würdig wäre.«
Nicht berechtigter erschien dem so gründUchen wie scharf-
sinnigen Rechtslehrer das Parteiwesen wie es in seinen Tagen
bestand und unter alten Namen veränderte Tendenzen ver-
steckte. »Die Parteinamen, fährt er fort, drücken heutzutage
nur Privatverhältnisse und Stimmungen aus. Einst bezeichneten
sie Freunde und Gegner der Kirche, gegenwärtig bedient man
sich ihrer in ganz anderm Sinne. FreiHch sehn wir wie manche
sogenannte Guelfen zu den Widersachern des Reiches zählen,
aber dies kommt nur daher dass sie überhaupt einer partei-
zerrissenen Stadt angehören, nicht aus eigner Parteinahme.
Denn im Allgemeinen heisst Dieser Guelfe weil seine Faction
vonaltersher den Namen führt, gleicherweise Jener Gibelline
ohne dass es sich dabei im geringsten um Kirche und Reich
handelt, sondern lediglich um provinzielle und städtische
28 Politische Parteien. Finanzen.
Spaltungen. Ja die Fehden beschränken sich auf einzehie Ge-
schlechter, ohne dass Papst, Kaiser, König, Stadtregiment
irgendwie in Betracht kommen.« Wenn diese Schilderung über-
haupt ihre Berechtigung hatte, war sie vor allen auf Rom an-
zuwenden, wo die politische Zersetzung den höchsten Grad
erreicht hatte, und den FamiUenzwistigkeiten von Colonnesen
und Orsinen , welche dem stadtischen Wesen so lange das blu-
tige Siegel aufgedrückt haben, in den meisten Fällen keine
Spur politischer Principien zugrunde lag. Wie gross aber diese
Zersetzung der alten politischen Verhältnisse in ganz Italien
war, zeigt die florentinische Geschichte seit der Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts, das Verhältniss der guelfischen Re-
publik zu Kaiser Carl IV. wie ihr Revolutionskampf gegen die
Kirche. Wenn man nach allem diesem die Worte Coluccio
Salutatis liest, wie er, der in den Jahren 1376—1377 im Namen
seiner Republik die Römer wider die Kirche aufgehetzt hatte,
im April 1404 für dieselbe an Carl VI. von Frankreich schrieb,
ihn wider die Visconti zu stimmen, indem er die Gibelli-
nen als Anhänger der kirchen verfolgenden Imperatoren, die
Guelfen als sta.ndhafte Freunde der Päpste wie der fran-
zösischen Krone, Florenz als Haupt und Arm dieser letz-
teren bezeichnete, so weiss man nicht ob man die tollen
Anachronismen oder die hohle Declamation höher anschla-
gen soll.
Der Mangel an fortlaufenden namentlich an urkundlichen
Nachrichten über die römischen Finanzverhältnisse im Mittel-
alter, mit Ausschluss der von den städtischen natürlich unab-
hängigen kirchlichen, macht die Einsicht in die finanzielle
Wirthschaft schwierig. Nach der Analogie der Nachbarstaaten
dürfte man annehmen dass die der städtischen Kammer zu-
gute kommenden Abgaben directe und indirecte waren, aber
von den ersteren, wenn man den Antheil der Stadt an den
Regalien imd die Herdsteuer ausnimmt, findet sich lange Zeit
hindurch keine Erwähnung. Wenn man jedoch findet dass in
Florenz zur Zeit des Podesta Pietro Stefaneschi, welcher mit
einem andern Trasteveriner Andrea Romano aus dem Ge-
schlecht der Papareschi im Jahre 1296 das römische Senatorsamt
bekleidete — zwei Männer von deren Thätigkeit eine einst im
Senatorspalast befindliche Inschrift Kunde gab die ihrer Vor-
sorge für die städtische Kammer gedachte -^ eine Reform der
Florentinisches Steuerwesen. 29
Besteuerung stattfand, so liegt es nahe anzunehmen dass Rom
ähnlicher Institutionen nicht ermangelte, umsomehr als der
Census altrömischen Ursprungs ist. Ebenfalls dürfte der Um-
stand, dass in Florenz die anjouschen Vicare auf das Steuer-
wesen besondem Einfluss hatten, schliessen lassen, dass die
Senatsyerweser Carls I. und Roberts solchen Einfluss auch in
Rom übten. So in Neapel wie in Florenz imd Genua gab es,
in Neiapel von König Roger, in Florenz vom eilfken Jahrhun-
dert an, eine Grund- und Einkommensteuer die unbewegUches
wie bewegUches Eigenthum umfasste, hier Estimo dort Colletta
genannt In Florenz wurden die Güter abgeschätzt indem man
den Capitalwerth nach ihrem niedrigst angenommenen Ertrag
im Verhältniss von fünf bis sechs Procent berechnete und
die Steuer zu fiinfsechstel höchstens zu einem Procent ansetzte.
Bei den Abschätzungen sollte das BilUgkeitsverfahren vorherr-
schen, aber es Uefen mitunter grosse Unregelmässigkeiten und
viele Klagen, so dass eine Reform der andern folgte, schon
vom letzten Decennium des dreizehnten Jahrhunderts an, wo
ein durch die Prioren der Zünfte gewählter Ausschuss von
zwölf oder vierundzwanzig Savi aus allen Ständen die Revision
leiten sollte. Bei dem Pöbelaufstande 1378 war die Reform
des Estimo eine der hauptsächlichsten Forderungen der kleinen
Leute. Die Steigerung des Estimo war vom zweiten Decennium
des vierzehnten Jahrhunderts an infolge der durch die grosse
Schilderhebung der Gibellinen unter Uguccione und Castruccio
veranlassten Kämpfe sehr bedeutend. Wenn man aber zur
Zeit als Herzog Carl von Calabrien die Signorie von Florenz
antrat, den Ertrag desselben zu achtzigtausend Goldgulden an-
gegeben findet und mit den Erfordernissen vergleicht, so be-
greift man dass der Staat ganz andere Hülfsquellen haben
mnsste. Inderthat begegnet man schon im letzten Drittel des
dreizehnten Jahrhunderts der Zwangsanleihe mit Stiftung des
Staatsschuldenwesens, später der Taille der anjouschen Vicare
für den Unterhalt der französischen und anderen Söldner, im
Jahre 1343 der Herd- oder Feuersteuer, Fumanti oder Foca-
tico, womit man nachmals imter anderen die grossen Kosten
des Krieges gegen Gregor XI. zu bestreiten ^ suchte. Zur Zeit
Papst Johannes' XXII. war schon ein Versuch der Besteuerung
des Clerus gemacht worden. Um die Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts während des langen Krieges mit Mastino della
30 Romische Finanzen. Steuern und Zölle.
Scala bildete so der Estimo einen verhältnissmässig geringen
Theil des Staatseinkommens, indem die dadurch geschafften
achtzigtausend Goldgulden den Gabellen mit zweihunderttausend,
der Anleihe mit dreihundertfünfzigtausend gegenüber standen.
Man darf annehmen dass es in Rom so ziemlich in glei-
cher Weise ging , wenngleich in minder regelmässigem Fortgang
als in der toscanischen Stadt, indem die Umwälzungen in die-
ser letztern, so heftig und blutig sie theilweise sein mogten,
mit den grossen Wechseln in Rom nicht zu vergleichen waren.
Die römischen Einkünfte waren verschiedener Art, aber in dem-
selben Maasse wie die Stellung des Papstes zur Stadtgemeinde
in verschiedenen Zeiten verschieden war, war auch das Ver-
hältniss der päpstlichen Kammer zur städtischen ungewiss.
Von der Zeit der Wiederherstellung des Senats an machte die
Stadt den Päpsten die. RegaUen nicht nur in Rom, sondern
auch in den Landstädten streitig, und die wiederholten Com-
promisse zeigen wie wenig die beiderseitigen Ansprüche zu
wirklichem Austrage kamen. Die (Grundsteuer, welche Form
sie immer gehabt haben mag, floss ohne Zweifel in die städti-
sche Kammer. Während in dem Vertrag vom Jahre 1188
zwischen Clemens III. und der Stadt die Rückgabe der Regalien
an erstem stipulirt wurde, sollte ein Drittel des Ertrages der
Münze der städtischen Kammer zufliessen. Im Jahre 1347
berechnete Cola di Rienzo die Herdsteuer im Patrimonium
und Campagna auf 100,000 Goldgulden, auf ebenso viel die
Salzsteuer und die Thor- und Hafensteuer, Steuern die indess
grossentheils in die päpstlichen Kassen geflossen zu sein schei-
nen, die dann wol der Stadt einen An theil bewilligten. Den
Ertrag der Salzsteuer in der Stadt selbst schlug der Tribun
nachmals zu 30,000 Goldgulden an. Die Hauptquelle des Ein-
kommens scheinen auch hier die Zölle oder Gabellen gewe-
sen zu sein. In Zeiten wo man kein Thor imd keine Brücke
olme zu zahlen passiren konnte (hatte doch Gregor VII. im
Jahre 1080 einen Zollthurm an der Engelsbrücke erbaut),
mussten diese ansehnhchen Ertrag liefern, wie denn noch in
der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Wache
an römischen Thoren als einträgliches Amt selbst in perpe-
tuum an Familien verliehen wurde.
Von Wein und anderen Lebensmitteln, von Tuch, seide-
nen Zeugen, Leinwand und Stoffen aller Art wurden Ein- und
Steuern und Zolle. 31
Ausfolirzölle entrichtet, von denen durch ausdrücklichen Ver-
trag, so z. B. durch den mit Bonifaz IX. im August 1393 abge-
schlossenen, Papst und Curie, Kirchen, Spitaler und sonstige
Wohlthätigkeitsanstalten frei waren. Die Exemtion zu wahren
mussten aber die Päpste gelegenthch besondere Verfügungen
erlassen oder Geleitsbriefe ausstellen , so Urban V. im Jahre
1368 inbetreff der Einfuhrung französischer Weine, und 1370
für freie Ausfuhr von Tuch und anderen Gegenständen zum
Gebrauch der Curie im Fall der Verlegung derselben an einen
andern Ort, Bonifaz IX. im Jahre 1399 zum Behuf der Herbei-
schaffung von Schlachtvieli für den päpstUchen Palast Die
Erhöhung des Salzpreises und der Weinsteuer war einer der
Anlasse zum Sturze Rienzis. In einer Stadt die im Verhält-
niss zu ihren Bedürfnissen so wenig producirte, mussten die
Zollerträge von der Einfuhr in demselben Maasse beträchtlich
sein, wie die von der Ausfuhr gering waren. Dass aber manche
Zölle nicht gerade bedeutend waren zeigt der Umstand, dass
Bonifiaz IX. im Jahre 1392 den bei der Isola sacra zu Gunsten
der St. Hippolytkirche als Leibgedinge gegen den Zins von
zwei Rebhühnern verlieh, dass überhaupt manche Zölle durch
päpstliche Concessionen Einzelnen oder Klöstern zugute ka-
men. Dass Zölle und Steuern schon vor der Mitte des vier-
zehnten Jahrhunderts verpachtet waren, lässt sich naclr dem
Beispiel von Florenz schliessen, wo dies schon in den Jahren
1324 bis 1327 unter Controle eines fremden Richters stattfand.
Dass die Römer die florentinische Gewandtheit nicht nur in
politischen sondern auch in finanziellen Dingen anerkannten,
ergiebt sich schon aus dem Umstände, dass im September 133!)
die Deputirten des Senats und der Consuln der Zünfte Stefano
Colonna, Girolamo Poncello und Matteo Orsini die Signorie von
Florenz ersuchten, ihnen zwei oder mehre Bürger zum Aus-
schreiben und Einrichten einer Gabelle zu senden.
Von den Landstädten bezog die städtische Kammer den
Tribut auch wol in Naturalleistungen, Getreide und anderm,
wenn die Umstände es nicht vorziehn Hessen ihn in baarem
Crelde zu erheben. Dass in den Wirren des Schismas, inmitten
deren die Päpste zu so vielen Belehnungen, Erbpachtverleihun-
gen, Veräusserungen von hegendem imd beweghchem Eärchen-
gut schritten, um sich selbst und ihre Parteigenossen, bald die
Diirazzesken bald die Aujous jünfl;erer Linie aufrecht zu erhalten
32 Steuern und Zölle. Zolltaiif.
und fremde Hülfe zu erkaufen, die Verhältnisse der stadti-
schen Kammer nicht glänzend gewesen sein können, liegt auf
der Hand. Ob dieselben durch Creirung des Magistrats der
Conservatores camerae almae Urbis, die zuerst im Jahre 1370
als Verweser des senatorischen Amtes erscheinen, gehoben
wurden, fragt sich, da die Bestellung dieser Behörde ursprüng-
lich vielmehr ein politisches Äuskunftsmittel war. lieber die
Beziehungen der päpstlichen Kammer zur städtischen sind wir
nicht genauer unterrichtet, wenn wir die Bestimmungen der
Uebereinkunft vom October 1404 mit Innocenz VII. ausnehmen,
welche unter anderm enthielten , dass die päpstliche Kammer
an den in den städtischen Magazinen und im Camposalino , der
bis zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zur Salzgewinnung
benutzten Strandniederung zwischen Porto und Maccarese,
lagernden Salze einen Antheil von. 1000 Rubbien haben sollte.
In die rückständigen Gabellen , zu deren Erstattung die Steuer-
pächter verpflichtet wurden, sollte die päpstUche sich mit der
städtischen Kammer theilen. Alexander V. wies seinem Statt-
halter Cardinal von Sta Prassede monatlich 4000 Gulden aus
städtischen Einkünften an. Dass die Päpste überhaupt bei
den städtischen Gabellen stark betheUigt waren, ersieht man
namentlich aus der Geschichte Johannes' XXIII., dessen Zoll-
erhöhungen dem Volke sehr zur Last fielen, so dass er bei
seiner Entfernung von Rom im Jahre 1413 die Herabsetzung
der Weinsteuer verfugte. Zu Anfang desselben Jahres hatte
der Papst die florentinischen Wechslerhäuser der Bardi, Torna-
quinci und anderer auf den Zoll von Wein imd Getreide in
Rom angewiesen, dessen (Einkünfte der Camerlengo Cardinal
Antonio von Sta Cecilia ihnen durch die Kämmerer der Ga-
bellen auszahlen lassen sollte. Die Steuerverwaltung stand
unter dem Gabelliere maggiore , dessen Ernennung im fünfzehn-
ten Jahrhundert durch die Päpste erfolgte. Spätere Zeiten
werden uns die steigende Einmischung der Päpste in das Detail
dieses Verwaltungszweiges darthun. Ein eigentUcher Zolltarif,
Statuta gabellarum Urbis, liegt uns erst am Ende des vierzehn-
ten Jahrhunderts vor. Er wurde von Malatesta de' Malatesti,
dem Bruder Carlos Herrn von Rimini , und den drei Conserva-
toren im September 1398 erlassen. Auf die Zölle von Getreide,
Wein, Vieh folgen die von Wollentuch, von welchem fünfzig
verschiedene Gattungen aufgezählt werden und von anderen
Geldwirthschaft. Fremde Wechsler. 33
Artikeln, wie die beim Verkauf von Grundstücken zu entrich-
tende Steuer, mit der Eigen thümlichkeit einer im Verhältniss
zur Höhe der Kaufsumme absteigenden Steuerscala.
Die Geldwirthschaft im engem Sinne scheint in fremden
Händen gelegen zu haben. Bis zu der zweiten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts vernehmen wir nur von sehr wenigen
g;rosseren römischen Bankhäusern. Längst vor der avignoni-
Bchen Zeit hing der päpstliche Hof von florentiner Wechslern
ab, den Nachfolgern der Cahorsiner, die schon im dreizehn^
ten Jahrhundert gleich schlimmen Namen wie in den Zeiten
Clemens' V. und Johannes' XXU. erhalten hatten. Gleich den
französischen und englischen Königen bedienten sich auch die
Päpste der florentinischen und anderer oberitalischen Bankhal-
ter, welche im Auslande den auf die Leihanstalten übergegan*
genen Namen Lombarden erhielten. Li Zeiten wo in den
grossen Freistädten Italiens der Burgersinn namentUch durch
das Princip der gesetzhchen Erforderniss der Arbeit zur Bethei-
ligung an den Gemeinde -Angelegenheiten dominirte, entwickel-
ten sich dessen Folgerungen in Bezug auf geschäftUche Thätig-
keit und Gewerbfleiss nur sehr unvollkommen in einer Stadt,
die selbst in der Periode des üeberwiegens der Demokratie zu
keiner nachhaltigen Gestaltung gelangt«. Deshalb stützte sich
nicht blos die Curie für ihre Geldbedurfnisse auf Nichtrömer, na-
mentlich auf Florentiner, während das Creditwesen überhaupt, in
welchem die itaUenischen Handelsstaaten die Juden nur theil-
weise ablösten, bis ins sechzehnte Jahrhundert hinein in flo-
rentinischen und genuesischen Händen blieb. So vernehmen wir
häufig von den fremden Banquiers, den »mercatores romanam
curiam sequentes« und ihrem »mutare« in Rom wie in Avignou.
In Rom wo wir in den Tagen grossartigster Geschäfte des
päpstlichen Hofes von den florentinischen Banken noch oft
hören werden, in Avignon wo heute noch die florentinischen
Ansiedelungen manche Spuren zurückgelassen haben. Erst
gegesi das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts scheinen römi-
sche FamiHen in diesen Kreis eingetreten zu sein.
Die Betrachtung der römischen Finanzwirthschaft im Mittel-
alter lässt sich nicht von jener der Landwirthschaft in der
Campagna trennen. Mit Wohl und Wehe der Stadt hangen
die Zustände der Umgebungen aufs engste zusanunen. Man
ermisst leicht wie die unaufhörlichen Wechsel in Rom und das
T. Hcuaoiit, Rom. lU. 3
34 Die Campagna. Rechtliche Zustände ihrer Bewohner.
unsägliche Elend auf diese Zustande einwirkten. Wo von in-
neren Unruhen und bürgerlichen Kämpfen, von den Fehden
der Barone untereinander wie mit den Päpsten, mit der Ge-
meinde, mit benachbarten Städten die Rede ist, hat man sich
die Umgebung immer als mitleidend zu denken, auch wo dies
nicht ausdrücklich bezeugt wird. Wenn die römische Cam-
pagna in ihrer traurigen Geschichte einzelne Lichtblicke ge-
habt hat, so verdankt sie diese lediglich der Kirche. Denn
diese war es die dem schon unter dem Imperium tiefverkom-
menen Zustand der Agricultur aufzuhelfen versuchte, oder der
Stadt dabei imter die Arme griff. Die Geschichte der gothisch-
longobardischen Zeiten hat die entsetzhche Lage der römischen
Umgebung klar gemacht. Die nachfolgenden Saracenennöthe
waren kaum geringer. Unter solchen Umständen ist es begreif-
lich dass selbst in den gesunderen Theilen die Bevölkerung
nur eine kärghche sein konnte. Die rechtUchen Verhältnisse
dieser Bevölkerung waren von den allgemein herrschenden
lange nicht verschieden. Wie die Kirchenlehrer bis auf Gre-
gor den Grossen Geist imd Praxis der Gesetzgebung in Be-
zug auf den Stand der Personen dem christUchen Moralge-
setz zu unterwerfen und anzupassen bemüht waren , die
Verschiedenheit des Personenstandes nach Freiheit oder
Knechtschaft aber ebenso festhielten wie das bürgerliche
Gesetz that; so bUeb das Kirchenrecht diesem Princip treu.
Durch directe oder indirecte Intervention des geistlichen Armes
in die bürgerlichen Dinge zum Schutz der Gerechtigkeit än-
derte es die Institutionen nicht gewaltsam, aber es bahnte dem
Geist der Billigkeit und Milde den Weg welchen die Kirche
in ihrer eignen Gesetzgebung verfolgt hat. Wenn in den fol-
genden Zeiten, namentlich vom neunten zum eilften Jahrhundert,
statt der Abnahme eine Zunahme der persönlichen Unfreiheit
stattfand , deren Formen durch das Lehnwesen grosse Manchfal-
tigkeit erlangten, so verbesserten sich hinwieder die Zustände
der Un&eien in gleichem Maasse. Hierauf hat die Kirche xiicht
minder durch die Ausbildung ihrer Legislation als durch
das Beispiel eigner Praxis wohlthätigsteu Einfluss geübt. Die
gesetzUche Stellung der Unfreien, zu denen der ganze acker-
bauende Stand gehörte, war auf dem Kirchengut nicht ver-
schieden von jener der Lehnshörigen, auch nicht in Bezug auf
die Wehrdienstpflicht. Aber die verhältnissmässig grosse
Vasallenthum. Besitz Verhältnisse. 35
Mehmiig der directen Unterthanen der Kirche ist für sich
schon ein Beweis milderer Behandlung. Wenn von der Mitte
des dreizehnten Jahrhunderts an die Fortschritte der muni-
cipalen Freiheiten in Tuscien , Umbrien und einem Theil
der Romagna auch der Stellung des Landvolkes zugute
kamen, so hat dies, soweit die w^enigen Nachrichten Ein-
sicht gewähren, auf die römische Umgehung geringen £in-
flnss geübt.
Wie anderwärts förderte auch hier die Zunahme der Ort-
schaften die persönliche Freiheit. Der Umstand aber dass
eine Menge dieser Ortschaften im Leimnexus blieben, auch wol
in denselben zurückkehrten , Hess eine Menge Formen des Va-
sallenthums bestehn. Die Zunahme der Orte im benachbarten
Hügel- und Berglande hat dann zur dauernden Entvölkerung
der eigentUchen Campagna beigetragen. Dass auch in späten
Zeiten viele Spuren der alten Dienstbarkeit blieben , ist erklär-
lich. Umsomehr als selbst in solchen Theilen ItaHens, wo dem
Lehnswesen systematisch der Krieg gemacht wurde, wne im
florentinischen Dominium wo schon vor Ende des dreizehnten
Jahrhunderts die freiwillige Unterwerfung zum Behuf persön-
lichen Dienstes untersagt, Verkauf von Colonen und Hörigen
ausser an die Gemeinde für illegal erklärt ward, und wo das
Feld meist von Freien mit Erbpacht oder Halbwinnerei (Colonia
parziaria) bestellt wurde, eine Menge solcher Spuren, theil-
weise bis zu den Reformen des jüngstverilossenen Jahrhunderts
fortdauerten. Je mehr Ausdehnung im Römischen das Lehnswe-
sen gewaim, je höher die Macht der Baronalfamilien stieg, um-
somehr musste die neue Clientel des Vasallen thums Fuss fassen
welche nicht aus den römischen Sitten gewichen ist. Der
radicale Unterschied zwischen römischem und florentinischem
Wesen spricht sich darin aus, dass dort »vassallo« , hier »ba-
rone« als Schmähwort gilt.
Die Besitzverhältnisse in der Campagna hatten sich im
Lauf der Zeiten vielfach verändert. Die grossen Patrimonien
der Kirche, ihr römisch -kaiserliches Erbgut, waren allmälig
verschwunden, diejenigen einzelner Kirchen und Stiftungen
waren häufig unsicher und der Usurpation des Adels blos-
gestellt, so dass das Dominium directum, soferne es den no-
iXkineUen Eigenthümern bUeb , meist von sehr geringem Belange
^'^. Das dreizehnte Jahrhundert sah in der eigentUchen
36 Ortschaften. Genngfö^gkeit des Ackerbaus.
Campagna eine Reihe Ortschafken entstehn. Statt wie die alten
päpstlichen Domusculten lediglich dem Landbau zu dienen,
waren sie vielleicht ebensosehr dem Schutz des Eigenthums
und der Ejiegfuhrung überhaupt gewidmet und liegen heute
meist in Trümmern, nachdem manche derselben in der letzten
Zeit ihres Bestehns zu eigentlichen Raubnestem herabgesunken
waren. Den Zustand des Landvolks und den beständigen Alarm
in der avignonischen Zeit hat Petrarca anschauhch geschildert:
besser war's in den Tagen derBretonen, König Ladislaus' und
der Condottieren gewiss nicht, im Gegentheil ärger. Eine ge-
richthche Urkunde vom Juni 1367 inbetreff des auf den Trüm-
mern einer Villa der Zeit der Äntonine entstandenen , im vori-
gen Jahrhundert durch Badeanlagen wiederbelebten Ortes
Vicarello am nordwestUchen Ufer des Sees von Bracciano
zeigt, wie dieser den Camaldulensem von S. Gregorio am Cae-
lius gehörende Ort nicht lange vorher ganz verkommen war.
Vicarello, so erklärte der Richter, sei nach dem Zeugniss
glaubwürdiger Personen durch Compagnien imd Fehden ganz
zerstört und verödet, unbewohnt und zu einem Casale herab-
gekommen , so dass es von der Liste der der Stadt Rom tribut-
pflichtigen Castelle zu streichen und von den gewöhnlichen
Steuern zu befreien sei. Wie oft hat sich dies »reductum ad
casale« wiederholt! Solche Zustände wiederholten sich auch
im benachbarten Patrimonium und in Umbrien, und wir finden
dass Gregor XI. im Jahre 1377 einen Eigenthümer in Todi er-
mächtigte, zum Anbau einer infolge der Kriegszeiten wüste-
liegenden Tenute Arbeiterfamilien heranzuziehn die zugleich
von den Frohnden frei erklärt wurden. Hiemit mussten die
Zustände des Ackerbaus zusammenhangen. Die zahlreichen
Berichte von Hungersnoth in der Stadt, wiederholt Anlass zu
Aufständen, machen es klar, dass gerade wie unter dem Im-
perium die Agricultur mehrundmehr abgenommen hatte, die
Viehzucht überwog. Damals wie heute und in höherm Grade
noch da die Einfuhr aus dem Auslande mangelte, lieferten die
Strandgegenden von Civitavecchia imd Cometo Ersatz für den
Ausfall. Bis zu den letzten Zeiten des vierzehnten Jahrhunderts
vernehmen wir kaum anderes als Klagen über die Verödung
der Campagna, und wenn der Feldbau auch in der Hand der
Ztmft der Bovattieri lag, so deutet doch schon der Name auf
das Vorwalten der Viehzucht hin.
Viehzucht. Zunft der Bovattieri. 37
Der grösste Theil der Campagna war Weideland geworden.
Wie heute stiegen von den abnizzeser Bergen die grossen
Heerden herab in den wärmeren grasreichen Niederungen zu
überwintern. Der Campagnenhirt unserer Zeit, der halb in
Feile gekleidet die kälteren Monate auf offnem Felde zubringt
wo Höhlenwohnungen oder Reisighütten ihm Zuflucht bieten,
vergegenwärtigt uns den des vierzehnten und fünfzehnten Jahr-
hunderts: hier ist wenig wenn irgendetwas verändert. Den
Abruzzesen und übrigen Hirten ertheilte Bonifaz IX. am
7. September 1402 einen Geleitsbrief zu sicherer Benutzung
der Weiden unter Vorbehalt der Erlegung des Transitzolls
(Peds^um) und der Gabellen, auch für das Weiderecht auf
dem Durchzug durch das Patrimonium. Die Regierung dieses
Papstes war in ihren letzten Zeiten eine Epoche der Ruhe und
des Wohlstandes. Er förderte namentlich den Getreidebau zu
welchem er auch die Würdenträger der Kirche anhielt, so dass
die Feldfrucht welche, was kaum glaublich klingt, im Jahre
1338 bis zu 42 Goldgulden für den Rubbio (2 Hektoliter
81 Liter metr. M.) gestiegen sein soll, auf weniger als einen
Gulden gefallen wäre, was freilich ebenso dahingestellt sein
mag. Die Verwirrung unter den beiden nachfolgenden Päpsten,
dann die letzte Krise des Schismas machten indess diesen
besseren Zuständen ein rasches Ende. Während im Jahre 1408
der Rubbio vier Gulden kostete , stieg er fünf Jahre später auf
achtzehn, so dass man sich nur durch Einfuhr sicilischen Ge-
treides half. Im Jahre 1414 war auf dem Constanzer Concil
auch vom Anbau der Campagna zur Abhülfe der Noth die Rede.
Dass es jedoch bei frommen Wünschen blieb zeigt der Umstand«
dass im Frühling 1417 der entsetzlichste Mangel herrschte
und um keinen Preis Brod zu beschaffen war, während Braccio
da Montone die Ernte hinderte, was zum Abkommen mit dem
Condottiere drängte. Aus dem Jahre 1407 ist eine auf die
Zunft der Landwirthe (Bovattieri) bezügliche Urkunde erhal-
ten. Die Consuln derselben hatten sich an Cardinal Stefa-
neschi mit der Vorstellung gewandt, dass eine Reform ihrer
Statuten dringend noththue, eine Plenarversammlung der Zunft-
mitglieder aber wegen ihrer Menge unmögHch sei, indem es bei
solchen Gelegenheiten nie ohne ärgerliche Vorfälle (»sine ma-
teria scandali«) ablaufe. Der Cardinal ertheilte nun den vier
Consuln die Befugniss unter Zuziehung der ihnen geeignet
38 Der Baroualadel.
scheinenden Zunftgenossen die Statuten zu reformiren, so dass
dieselben nicht blos für die Gilde selbst sondern auch für Se-
nator und stadtische Beamte bindend sein sollten, unter Auf-
hebung aller dawiderlautenden Bestimmungen.
3.
DIE BAKONE UND DER ÜBRIGE ADEL. DER STAAT.
Die Geschichte der avignonischen Zeit hat an den Tag
gelegt, dass bald nach der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts
der Lehnsadel von der Betheiligung am Stadtregiment ausge-
schlossen blieb. Wäre der Bürgerstand dadurch innerUch er-
starkt, wären Eintracht und Ruhe erzielt, wäre eine folge-
richtige Bahn eingehalten worden, so hätte Petrarca Recht
gehabt als er zu einer solchen Maassregel rieth. Aber es ist
nicht der Fall gewesen. Die römische Comune erlangte keine
wirkliche Festigkeit, so dass sie, immer in sich zerrissen und
immer mit den anwesenden Päpsten hadernd während sie die
abwesenden zurückrief, der Papstgewalt um so rascher unter-
liegen musste weil sie das aristokratische Element ausgeschie-
den hatte. Der Baronaladel hatte sich für diese Ausschliessung
schadlos zu halten gewusst. Er herrschte nicht mehr auf dem
Capitol, aber, bald für bald wider die Päpste , bald für bald wider
fremde Herrscher und Prätendenten, erlangte er in den Tagen
des Schismas nochmals maassgebenden Einfluss auf die Ge-
schicke der Stadt. Die beständigen Kriege in welche die Päpste
dieser Zeit in Roms näherer und nächster Umgebung verwickelt
waren, und die Parteizerrissenheit Neapels mussten den Baronen
zugutekommen. Wenn sie die Vortheile mit päpstUchen Ne-
poten und fremden Condottieren theilten, so wetteiferten sie
mit jenen wie mit diesen als Befehlshaber von Soldtruppen und
[iersönUche Herrscher in den Städten, wälirend sie dieselben
an Zahl und bleibender Bedeutung der Lehne weit übertrafen.
Die Beziehungen der römischen Barone zu anderen Comunen
hatten längst vor ihrer AusschHessung von städtischen Ange-
legenheiten begonnen. Schon im Jahre 1280 trafen wir Pietro
Stefaneschi als Podesta von Florenz und zwölf Jahre später
erscheinen Giovanni Colonna und Gentile Orsini unter den
Die Orsini. 39
Candidaten für dasselbe Amt, für welches ein Ausschuss von
Wahlmännem des Consiglio del popolo von sechs zu sechs
Monaten vier Namen vorzuschlagen pflegte. Die geringe Zahl
von Namen römischer Edelleute in solchen Magistraturen ita-
lienischer Städte, welche Kechtskunde erforderten, deutet
schon darauf hin dass sie sich meist mit dem Kriegswesen
befassten, bürgerliche Aemter aber dem Adel päpstUcher Pro-
vinzen und des obern Italiens überliessen.
Am höchsten stieg im vierzehnten Jahrhundert die Macht
der Orsini. Nicht Rom und der südHche Theil des Kirchen-
staats allein waren ihr Schauplatz, sondern gleicherweise das
Königreich Neapel. Keine andere römische FamiUe hat sich
in 80 viele Zweige getheilt, von denen mehre bis zum Anfang
des achtzehnten Jahrhundert« blühten das eine einzige der-
selben fortpflanzen sah. In Nicolaus* III. und Bonifaz' VIII.
Tagen, in denen Heinrichs VII. und Ludwigs des Baiem, in
Colas di Rienzo Zeit und jener des Schismas haben wir mehre
dieser orsinischen Linien kennen gelernt. Nicolaus' III. Vaters-
bruder Napoleone Senator im Jahre 1244 war es, von dem die
neapoHtanische Linie der Grafen von Manupello stanmite. Auf
des Papstes Brüder aber leiteten alle übrigen Zweige ihren
Ursprung zurück. Auf Rinaldo den Vater des vielgenannten
Cardinais Napoleone die Herren von Marino und Monterotondo.
Auf Matteo die von Monte Giordano, welche ^ wir so in den
letzten Hohenstaufenzeiten wie unter Heinrich VII. an der
Spitze der Vorkämpfer der anjouschen Partei und nachmals
bald mit bald gegen Rienzi fanden. Auf Gentile die Grafen
von Nola und Pitighano und die Fürsten von Tarent. Auf
Napoleone den jungem alle übrigen Zweige die sich nach
dem stadtischen Campo di fiore, nach Tagliacozzo und Alba
in den Abruzzen, nach Gallese, Mentana, Bracciano in der
römischen Campagna, nach Gravina, Pacentro, Oppido im
Königreich Neapel nannten. Kein anderes der römischen Ge-
schlechter hatte so reiche Heiraten gemacht. Durch Anastasia
von Montfort, die Tochter des Mörders des enghschen Prinzen,
waren Nola im Königreich, Sovana und Pitighano in der siene-
sischen Maremma, jenes das Erbe ihres Vaters diese das ihrer
Mutter Margherita degh Aldobrandeschi, zu Ende des dreizehn-
ten Jahrhunderts an Romano Orsini gekommen, den wir mehr
denn einmal als König Roberts Stellvertreter im Senatorsamte
40 Die Orsini.
finden, und dessen Nachkommen diese bedeutenden eine
Zeitlang mit dem Fürstenthum Salemo verbundenen Lehne
zum Theil bis zum siebzehnten Jahrhundert gehörten. Durch
Luise von Bourbon-Enghien, die Gemalin Raimondello Orsinis
von der Linie von Nola, kam an diesen die Grafschaft Lecce
nebst anderm Besitz in Terra d*Otranto. Der Erwerb des
Fiirstenthums Tarent verschaJSfte Raimondello eine Macht welche
in den Tagen Ladislaus* und der zweiten Johanna beinahe der
königlichen gleichkam, während seine Linie sich mit den Du-
razzesken wie mit den Aragonesen verschwägerte. Die schon
erwähnte Linie von Manupello hatte das Marquisat von Valle
Siciliana in der Provinz Teramo, nach dessen Hauptort sie
sich nannte, durch Heirat Napoleone Orsinis mit der Erbtochter
eines Grafen von Chieti erlangt, während an den Zweig von
Nola durch Verschwägerung mit den Del Balzo ansehnliche
Güter in ÄpuUen kamen. In Roms Umgebung gehörten den
Orsini ausser den bereits genannten Orten auf dem] rechten
Tiberufer Isola das alte Veji, Santa Severa, Anguillara, Tre-
vignano, Fiano, Campagnano, welches im Jahre 1343 von den
Annibaldi für achttausend Goldgulden verkauft worden war,
Cesano, in den Sabiner Beiden Anticoh welches von den staufi-
schen D'Antiochia an sie gelangt war, Licenza, Vicovaro,
Arsoli, Castel Madama, an den Albaner Hügeln und gegen das
3Ieer zu Rocca di Papa, Ardea, Astura. In Rom hatten sie
Wohnungen und Burgen in den Ruinen des Pompejustheaters,
bei Piazza Navona, an Via di Monterone, auf Monte Giordano,
am Tiberufer des Marsfeldes, in Trastevere. In allen Kriegen
und Fehden der Päpste seit der Mitte des vierzehnten Jahr-
hunderts begegnen wir den Orsini, meist auf päpsthcher
Seite. Nicola Graf von Nola, der Verehrer der h. Brigitte von
Schweden , diente unter Albornoz , schützte Urban V. in Viterbo,
war in Rom unter Urban VI. beim Beginn des Feldzugs Carls
von Durazzo gegen Johanna I. Der Cardinal Tommaso und
dessen Bruder Ugolino von Manupello werden oft genannt in
den langwierigen Fehden im Patrimonium und in Umbrien unter
Urban VI., zu welchem sie in arge Misverhältnisse geriethen.
Um dieselbe Zeit finden wir zwei andere orsinische Brüder auf
Seiten des Gegenpapstes , den Cardinal Jacopo , welcher Urban
in TivoU verliess, und dessen Bruder Rinaldo , welcher im Pa-
trimonium und in Umbrien Clemens' VH. Fahne aufpflanzte und
Die Colonna. 41
in Aquila ermordet ward. Hingegen befreite Raimondello von
Tarent Urban aus dem belagerten Nocera und wurde von ihm
zum Bannerträger der Kirche gemacht. Paolo Orsini endlich,
welcher im August 1416 im Kampfe gegen Braccio da Montone
am Colfiorito auf der Strasse von Umbrien nach den Marken
den Tod fand, hatte allen Päpsten des Schismas gedient und
sich ebensosehr als tüchtiger Kriegsmann bewährt, wie er sich
durch mehrfachen Parteiwechsel in Übeln Ruf gebracht haben
würde, wäre solcher Wechsel nicht Condottierenart gewesen.
Die glänzendste Zeit der Colonna schien mit dem alten
Stefano und seinen Söhnen vorüber. Die beiden oft^enannten
Hauptlinien des Geschlechts welche von Giovanni, Markgrafen
von Ancona im Jahre 1288, durch dessen Söhne Stefano und
Ägapito stammten, die von Palestrina und Genazzano, blühten
in den Nachkommen fort, während eine dritte Linie Zagarolo
im Besitz hatte, jene von Giacomo Sciarra dem wilden Partei-
ganger der Zeiten Bonifaz' VUI. , Heinrichs VII., Ludwigs des
Baiem. Bis zum Jahr 1357 kommen Colonna der verschiedenen
Zweige wiederholt als römische Senatoren vor, dann verschwin-
den sie mit den übrigen Baronen um in den Wirren des Schis-
mas um so öfter wiederzuerscheinen. Beim Beginn dieser Zeit
sahen die Colonna von Palestrina an ihrer Spitze die Brüder
Giovanni und Niccolo, von denen die Geschichte der Stadt und
der Päpste nur zu viel zu erzählen hat bis zu den letzten Tagen
des Concils von Constanz. Wie unabhängig die Familie da-
stand zeigt schon der eine Umstand, dass Sancia Caetani die
Wittwe Stefanellos und Mutter der eben Genannten sich im
Jahre 1362 mit Velletri gegen Rom verbündete. Wie die Or-
sinen sich namentUch auf Neapel stützten, richteten diese Co-
lonnesen ihre Blicke besonders nach dem mittlem und nörd-
lichen Italien, dienten als ächte Condottieren für wie gegen
die Visconti, traten in genaue Beziehungen zur RepubUk Flo-
renz die sie im Jahre 1395 unter ihre Schutzbefohlenen (Racco-
Diandati) aufnahm. Solchen Beziehungen und Dienstleistungen,
die mit Angriffen auf Rom und die Päpste abwechselten, ver-
dankten sie wenn nicht bleibende Vermehrung ihres Land-
besitzes doch ansehnUchen Erwerb, wie ihnen denn einmal
Carrara, Ripafratta und andere Orte der Lunigiana und des
Gebiets von Lucca verpfändet »^iirden. Vor dem Ende des
vierzehnten Jahrhunderts erlosch die Linie Sciarras in den
42 nie Coloima. Die Präfecteii von Vico.
beiden von UrbanVI. ernannten Cardinälen Agapito und Ste-
fano, von denen der letztere in wildstürmischer Jugend zu
ganz anderm als zu geistlichen Würden berufen schien. Ihr
Besitz, darunter Zagarolo, wo die italienischen Cardinäle beim
Beginn des Schismas Aufnahme gefunden hatten, wurde mit
dem des Zweiges von Palestrina vereint. So besass dieser eine
ganze Reihe Ortschaften an den Abhängen der Sabiner und
Hemiker Berge, ausser den erwähnten Gallicano, S. Gregorio,
Castelnuovo de* monti u. m. a., wozu nach der Versöhnung
mit Bonifaz IX. das Yicariat in Gallese und andere Verleihungen
kamen. Unterdessen machte die Linie von Genazzano sich nicht
minder bemerkhch. Auch sie hatte ansehnhchen Grundbesitz
längs den Hemiker und Aequer Bergen, von der Umgebung
Palestrinas an gegen das Thal des Sacco zu, Olevano, Cici-
Uano , San Vito , Pisciano , nebst Rechten in Nepi , Correse und
anderen Orten. Fabrizio hatte im Jahre 1373 gegen Velletrt
Krieg gefuhrt; sein Bruder Agapito hatte bei der Wahl ür-
bans VI. durch seinen Einfluss auf das römische Volk schlim-
meres verhütet, sah sich aber in seinen Bemühungen zur Ver-
Innderung des Schismas getäuscht. Einer der Söhne, die ihm
von Caterina Conti geboren wurden, Oddo, war von der Vor-
sehung dazu bestimmt, diesem Schisma ein Ende zu machen.
Auch diese Colonnesen standen in Verbindung mit König La-
dislaus welcher einepi ändern Sohne Agapitos Giordano im
Jahre 1401 eine ansehnUche Leibrente aussetzte. Der älteste
dieser Söhne aber, Lorenzo Onofrio, war der Stammvater jener
Colonnesen welche, wie uns der Verlauf dieser Geschichte
zeigen wird, im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert zu
grosser Macht und hellem Glänze gelangten. Die Wohnungen
in Rom waren dieselben geblieben wie in ältesten Zeiten, am
Fusse und Abhang des Quirinals zwischen Apostelplatz und
Trajans- Forum. Die Veste der Agosta war, wie wir durch
Poggios Schilderung vernommen, nicht wiederhergestellt worden.
Kein anderes der römischen Geschlechter konnte mit diesen
beiden wetteifern, denn das Haus derPräfecten ist ungeachtet
des vom Erbamte entlehnten Titels kaum den römischen beizu-
zählen, indem es, ungleich den übrigen Baronen, in Rom in
späterer Zeit keinen eigentUchen Wohnsitz hatte. Sonst gehör-
ten die Präfecten zu den mächtigsten päpstUchen Lehnsträgern.
Ihr Abhängigkeitsverhältniss war meist nur ein nominelles.
Die Präfecteii von Vico. Die Savelli. 43
während zuzeiten der grösste Theil des PatrimoniumB, ja Land
und Städte über das Patrimonium hinaus, von Civitavecchia
bis Orvieto ihnen gehorchten, und ihre Besitzungen auf der
Südseite des Ciminischen Berges, um jenes Vico nach welchem
sie gewöhnlich benannt wurden, sie für Päpste und Stadt zu
gefurchteten Nachbarn machten. Denn sie waren ein wildes
gewaltsames Geschlecht, und die Geschichte der dem Anfang
des fünfzehnten Jahrhunderts vorausgegangenen hundertfiinfzig
Jahre zeigt sie in steten blutigen Kämpfen gegen Papstgewalt
und freie Gemeinde, wie ihre nachfolgende Geschichte bis zu
ilirem Ausgange unter Eugen IV. sie femer zeigen wird. Auf
den Pietro der Zeit Manfreds und Conradins, der noch die
Tiberinsel beherrschte, auf den Manfred der Zeit Heinrichs VII.
war Giovanni gefolgt, einer der gewaltthätigsten und mächtig-
sten des Hauses, der dem Tribun Cola wie dem Cardinal Al-
bomoz viel zu schaffen machte; auf diesen sein Sohn Francesco,
der die Wirren des Schismas ebenso zu benutzen wusste wie
nach seiner in Viterbo 1387 erfolgten Ermordung Giovanni
Sciarra, dessen zweiter Name auf Colonnasche Verwandtschaft
deutet. Inderthat waren die von Vico mit mehren der edel-
sten Geschlechter verschwägert. Der Präfecturstaat hatte in
verschiedenen Zeiten verschiedene Grenzen und die wieder-
holten Vertrage mit den Päpsten und der Stadt zeigen, wie
schwankend die Lehnsverhältnisse waren.
Von den übrigen grossen Baronenfamilien hatten mehre
eine bedeutende Stellung. Zu diesen gehörten vorerst die Sa-
velh. Die Annalen des römischen Senats weisen auch in der
ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts wiederholt ihren
Namen auf, die Geschichte der städtischen Kämpfe zeigt uns
die Mitglieder dieses Papstgeschlechts häufig in das nicht
rastende Factionswesen verwickelt. Von der Mitte des er-
wähnten Jahrhunderts an bUeb die römische Marschallswürde
nebst der Conclave wache, welche zuerst Luca SavelU nach
dem Tode Papst Clemens* IV. in Viterbo übertragen worden
war, in ihrer Familie, die sich um dieselbe Zeit in vier Linien
theilte, welche später nach den Orten Rignano, Ariccia, Al-
l>ano, Palombara benannt wurden. Ueberdies gehörten ihnen
Castcl Savello, Castel Gandolfo und Rocca Priora in den Al-
baner Hügeln. Auch die Savelli suchten auswärtigen Kriegs-
dienst Paolo der Stifter der Linie von Rignano diente in
44 Die Savelli, Conti, Caetani.
Neapel und Mailand wie den Sienesen und Venetianem und
fand im Jahre 1405 im Kriege -Venedigs gegen Padua den Tod«
durch Statue und Inschrift in Sta Maria gloriosa de* Frari ge-
ehrt. In den Kämpfen während des Schismas hielten die Sa-
veUi es meist mit den Colonnesen. Ihre vornehmste Burg in
Rom war die vormalige derPierleoni im Marcellustheater, eine
andere hatten sie im Bion Parione, wo noch eine Strasse ihren
Namen trägt. Der mit dem Marschallsamte verbundene Ge-
richtshof der Familie, Corte Savella, welcher zugleich Gefäng-
nisse einschloss und in der heutigen Via di Monserrato bei
dem engUschen CoUegium lag, bestand bis zur Zeit Innocenz' X.,
der ihn aufhob und das Gebäude abtragen liess, nachdem er
um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Carceri nuove
an Via Giulia gebaut hatte. Die Conti werden in den römi-
schen Händeln wenig genannt. Aber sie bewahrten ansehn-
lichen Besitz so an den Sabiner Bergen wie in Campanien. Dort
Poli und Guadagnolo, hier Valmontone. Im Jahre 1353 hatten
sie durch einen Vertrag mit der Comune das Dominium in
dem .bis dahin unmittelbar päpstlichen Segni erlangt, ein Do-
minium welches Papst UrbanVI. in seinem ersten Regierungs-
jahre den Brüdern Ildebrandino und Adenolfo de' Conti be-
stätigte , wie er es in Bezug auf das Vicariat in anderen Orten,
inAlatri, CoUepardo, Guarcino, PaUano, Serrone u. s. w. that
Später brachen Mishelligkeiten zwischen den Conti und dem
Papste aus, welcher im Jahre 1388 Niccolo Valeriani von Pi-
perno mit der Besitznahme der Contischen Lehne und Güter
beauftragte. Unter Bonifaz IX. fand indess ein Vergleich statt
und nach manchen Wechseln bestätigte das Concil zu Con-
stanz im Jahre 1417 Udebrandinos Sohne Alto das Rectorat in
Campanien und Marittima und den Besitz der von seinen Vor-
fahren überkommenen Orte. Eine Bestätigung welche Mar-
tin V., zu dessen Wahl Altos Bruder Cardinal Lucio mitgewirkt
hatte, im Jahre 1428 unter HinzufQgung verschiedener Ort-
schaften erneuerte. Auch die Caetani erlebten in den Wirren
des Schismas manchen Glückswechsel, wie denn die Geschichte
dieser Familie überhaupt von den Zeiten an , wo sie in der Ge-
schichte Roms eine Rolle zu spielen beginnt, an solchen Wech-
seln Ueberfluss gehabt hat. Ihre Doppelstellung als neapoli-
tanische imd päpstliche Lehnträger brachte ihnen Heil und
UnheiL Schon bald nach Bonifaz' VIII. Tode hatten sie sich
Alberteschi, Venturiiii. Sordi. Frangipani. 45
vorzugsweise auf König Robert gestützt. Im Gefolge Herzog
Carls von Calabrien, als dieser im Jahre 1326 seinen feierlichen
Einzug in Florenz hielt das ihn zu seinem Signore gewählt
hatte, finden wir des Papstes Neffen Loffredo Grafen von
Fondi; der König hatte im März 1327 durch schiedsrichterlichen
Spruch den Vergleich zwischen den Caetani und der Colonna-
schen Partei herbeigeführt. Auch nachmals war die Familie
mehrmals in sich selber uneins, in bald befreundeten bald
feindhchen Beziehungen zu den Anjous und Durazzesken ge-
blieben. Wie sie in die Geschicke des Kirchenstaats eingriff,
hat die Geschichte Onoratos von Fondi gezeigt. Die Ver-
schwägerung mit den TomacelU zog sie in das Interesse Boni-
faz' EL Die Linie Giacomos, welche durch Verleihung dieses
Papstes zu dem Besitz der dem Grafen von Fondi genommenen
römischen Wohnungen gelangt war, kämpfte im Jahre 1412
mit den Orsini far Papst Johannes XXIU. gegen König Ladis-
laus. Dieser rächte sich durch Confiscation ihrer Lehne in der
Marittima die er jedoch im Sommer des folgenden Jahres Gia-
como Caetani und seinem Sohne Cristoforo zurückgab. Im
Jahre 1418 waren diese auch wieder im Besitz von Fondi. Im
römischen Gebiete bewahrten sie ihre Castelle und Landschaften
von den Abhängen des Volsker Gebirges gegen das Meer zu.
Eine Menge römischer Geschlechter, welche sich im frühern
Mittelalter bemerklich machten, waren zu Anfang des fünf-
zehnten Jahrhunderts theils ausgestorben theils dem Erlöschen
nahe, theils hatten sie ihre alte Bedeutung verloren. Noch
finden wir um diese Zeit die Normanni Alberteschi , welche im
Jahre 1371 Haus und Thurm in Trastevere verkauft hatten,
auf dem etruskischen Tiberufer im Besitz von Castel di Guido
dem alten Lorium imd von Maccarese oder Fregenae, docli
ging dieser Besitz bald an die Grafen von Anguillara über.
Cerveteri gehörte um dieselbe Zeit den Venturini welche nach
der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ausstarben. Tor de'
Sordi zwischen TivoU und MonticelU erinnert durch seinen
Namen an die Familie die es bis in das gedachte Jahrhundert
hinein besass. Das letzte Castell der nach Friaul vielleicht
nach Ungarn übergesiedelten Frangipani in Roms Umgebung
scheint Nettuno gewesen zu sein. Zwar pflanzte sich in
Rom noch eine ihrer Linien fort, die im Jahre 1635 erlosch,
aber zu rechter Bedeutung erhoben sie sich nicht wieder.
46 Andere Familien und Klöster im Landbesitz.
Die Capocci besassen eine Zeitlang Castell* Arcione in der
Nähe von Grotta ferrata welches die Tivolesen vor Martins Y.
Ankunft als Wegelageremest zerstörten, die Branca Pradca,
damals kein Ort sondern ein blosses Casale, die Capizucclii
zeitweilig Castel Gandolfo. Weder die Annibaldi , welche in der
Stadt neben den Frangipani bei und an dem Colosseum wohn-
ten, noch andere einst vielgenannte Geschlechter hatten in der
Campagna grössern Besitz. Das einst so feste, noch unter
Innocenz VII. belagerte annibaldische Cast«l Molara scheint um
diese Zeit verlassen und in Trümmer gesunken zu sein, viel-
leicht auch wegen der zunehmenden Fieberluft des Thaies in
welchem es lag gemieden. Noch aber nannte sich nach ihm der
Zweig der Annibaldi, der erst zu Ende des achtzehnten Jahr-
liunderts erlosch. Wenn wir von den obenerwähnten Familien
absehn, gehörten die übrigen Ortschaften den geistlichen Orden,
so Ardea, Castel dell* Osa, Monticelli, Riano dem Kloster St.
Paul, Castel Giubileo dem von S. Ciriaco, Genzano und Nemi
dem von S. Anastasio , CastigUone (Gabii) den Vallombrosanern
von Sta Prassede , Subiaco und Saracinesco der Abtei des erstem
dieser Orte. Der kleinere römische Adel hatte grossentheils
(rrundeigenthum aber wenige Ortschaften. Von den Baronen
trennte ihn dieselbe Scheidewand die noch heute zwischen den
Fürstengeschlechtern, obgleich grossentheils neuern Ursprungs,
und den übrigen Familien besteht von denen manche älterm Adel
angehören. Bei den nicht zahlreichen römischen Historikern
der zweiten Hälfte des vierzehnten und der ersten des fünfzehn-
ten Jahrhunderts begegnen wir zahlreichen Namen von Perso-
nen und Geschlechtern die in städtischen Dingen eine gewisse
Bedeutung hatten, von denen jedoch in späteren Zeiten kaum
eine vereinzelte Spur gebheben ist
Ueberhaupt war das Grosswerden und Verschwinden der
Famihen hier zu jeder Zeit ein auffallend rasches. Wenn man
heute das Verzeichniss der Nobili coscritti ansieht, jener sechzig
Famihen welche den capitolinischen Adel im engem Sinne bil-
den, so wundert man sich verhältnissmässig wenige alte römi-
sche Geschlechter unter ihrer Zahl zu finden; eine Verwun-
derung die sich noch steigert wenn man in Anschlag bringt,
dass manche der gegenwärtigen Adelsgeschlechter von den
alten nur die Namen haben. Es ist hier jedoch immer so
gewesen. Zu Anfang des lunfzehnten Jahrhunderts war die
Massimi. Biicimazza. 47
Mehrzahl der nicht baronalen Familien verschwunden, die
entweder altem Adel angehörten oder vor und in der Ho-
henstaufenzeit aus dem hohem Bürgerstande aufgestiegen
waren, oder aber wenn sie noch bestanden war wenig von
ilmen die Rede. Doch gab es begreiflicherweise manche Aus-
nahmen. Zu diesen gehören in erster Reihe die Massimi. Ein
altes ursprünglich römisches Geschlecht , von welchem sich vom
Anfang des eilften Jahrhunderts an zahlreiche Spuren finden
und das sich in stetem Fortschritt in bürgerlichen Aemtern
und durch Betriebsamkeit wie durch Thätigkeit im gelehrten
Fache gehoben hat, bis es im Laufe unseres Jahrhunderts
unter den Baronalfamilien Platz nahm, auch heute noch auf
wissenschaftlichem Felde ehrenvoll genannt. Die Massimi,
welche wir von P. Alexanders III. Zeiten an im Rion Parione
angesessen finden, kommen zuerst im Jahre 1012 urkundlich
vor, mit Leone di Stefano de Maximo welchen eine Grabschrift
in S. Alessio als Iudex dativus bezeichnet. Zwei von ihnen,
Beide Massimo de' Massimi genannt, erscheinen um die Mitte
des eilften wie des zwölften Jahrhunderts in Urkunden von
S. Gregorio am Caelius. Im Jahre 1346 finden wir Andrea
de* Massimi als Palatinalrichter und Senatsverweser. In dem
Jahrhundert, dessen Betrachtung uns hier beschäftigt, werden
wir den Männern dieser Familie wiederholt begegnen. Wäh-
rend die den Fürstentitel von Arsoü führende Primogenitur-
liuie in den mehrfach umgebauten Häusern ihrer Vorfahren
wohnen blieb, siedelte eine I^ebenUnie, welche sich nach dem
vormals savellischen Lehn Rignano nennt, nach den Wohnun-
gen der Boccabella über, die von der Lage derselben am capi-
tolinischen Markte »de Mercato« hiessen.
Zu den älteren im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts
mehr oder minder oft genannten Familien, die zum Theil heute
noch bestehn, während an manche derselben nur die Namen
von Strassen oder Palästen erinnern, gehörten die Bucimazza.
Kine ärmliche Gasse unter dem westUchen Abhänge des tar-
pejiscben Felsens führt ihren Namen; einer von ihnen, durch
Honorius IV. zum Cardinalat befördert, starb in Avignon, und
der Verfasser des Decameron berichtet von Pietro Boccamazza
in einer Novelle welche von der Unsicherheit der römischen
Umgebungen um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts Zeug-
niss ablegt. Den Namen der Piazza Montanara, in deren Nähe
48 Montanari. Cesarini. Mattei. Cafiarelli u. a.
Via Bucimazza sich befindet, leiten Manche nicht von dem
Landvolk ab welches dort, auf dem alten Forum OUtorium,
heute noch seinen Mittelpunkt für Ackerbaubetrieb und Oeko-
nomie findet, sondern von der Familie der Montanari, die im
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert in stadtischen Aemteru
häufig vorkommt und aus welcher die Cesarini hervorgingen.
Aber die Montanari hatten ihre Wohnungen in den Ruinen
des flaminischen Circus wo ihnen die Cesarini folgten, deren
Glanzzeit mit dem fünfzehnten Jahrhundert begann und deren
Name einer Kirche und Strasse dieser Stadtgegend, des da-
maligen Calcaranum, gebUeben ist. In der Nähe hatten schon
im vierzehnten Jahrhundert die Mattei sich angesiedelt, altem
trasteverinischen Ursprungs, einst de Papa oder Papareschi wie
Papst Innocenz IT. hiess , dann unter dem Namen Romani vor-
konunend , endlich Mattei genannt und in zwei Zweige getheilt
von denen der eine in Trastevere blieb, der andere im Rion
Sant' Angelo angesessene zu grossem Reiehthum und Ansehn ge-
langte. Auch die Cafiarelli gehörten zu den alten einheimischen
Geschlechtern. Ein Stefano di Cafiarello konmit im Jahre 1190
unter den MitgUedem des römischen Adels vor; in der Erzäh-
lung von dem Stiergefecht des Jahres 1332, in der Geschichte
des Römerzugs Ludwigs des Baiern, in jener der Krönung
Petrarcas werden sie genannt. Ihre Wohnimgen waren im
fünfzehnten Jahrhundert an Via papale, wo im sechzehnten
nach Rafiael Sanzios Zeichnung der Palast für sie gebaut ward
welchen Carl V. bewohnte. Nicht weit von dort siedelten sich
unter Martin V. die Della Valle an, gleichfalls eine Familie
römischen Ursprungs deren alte Wohnung an der SaUta di
Marforio bei Sta Martina lag. Paolo della Valle, Arzt der
Päpste Alexander V. und Martin V. , war namentlich durch
Cardinal Isolanis Gunst reich imd zum städtischen Kauzleramt
befördert worden , und hatte den Grund zu dem Häusercomplex
gelegt, der seinen Namen in der römischen Topographie ver-
ewigt hat. Die Händel der Della Valle mit den Santacroce
spielen in der Geschichte des spätem fünfzehnten Jahrhunderts
eine blutige Rolle. Die Santacroce, welche auf altrömischen
Ursprung Anspruch erheben indem sie von den Valeriem
stammen wollen, gehören jedenfalls zu den alten einheimischen
Adelsgeschlechtern. Bevor sie den Palast an Piazza de*
Branchi bauten, wohnten sie an der heutigen Piazza d'AraceU
Andere städtische Familien. 49
und an Piazza Giudia. Erst in der Folgezeit erscheinen sie
häufiger in der stadtischen Geschichte die von ihren zahl-
reichen Fehden zu berichten hat. Die Sanguigni, an welche
noch der nach ihnen benannte Platz mit dem schon erwähnten
Thurme erinnert, kamen im vierzelinten Jahrhundert empor
und erscheinen gegen dessen Ende in bürgerlichen und mili-
tärischen Aemtern. Zu Anfang des folgenden gehörten sie zu
den eifrigen Parteigängern König Ladislaus', und Riccardo
Sanguigni, einer der beim Ueberfall der Colonnesen im Juni
1407 gefangenen Führer, wurde auf Befehl Paolo Orsiuis hin-
gerichtet, was seine Angehörigen nur noch mehr in ihrer
Parteinahme bestärkte, so dass Buccio und Pietro Sanguigni
sich zwei Jahre später bei dem Angriff der Königlichen auf
die Engelsburg hervorthaten. Mit Riccardo Sanguigni fanden
damals Galeotto Normanni und Corradino d'Antiochia den Tod.
Das Geschlecht des Letztern verschwindet auf dem Blutgerüst
aus der römischen Geschichte.
Es würde zu weit fuhren , alle oder nur die Mehrzahl der
städtischen Familien namhaft zu machen von denen manche
yerschwunden , andere in spateren Zeiten zu höheren Würden
gelangt sind, noch andere unter veränderten Namen fortbe-
stehn. Nur einige derselben mögen noch aufgeführt werden;
mehren werden wir nachmals wiederholt begegnen. Die
Foschi di Berta, deren Wohnungen mit Thurm und Bogen
auf dem Trajansforum schon erwähnt wurden, in städtischen
Aemtern in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts wie
beim Ausgang des sechzehnten vorkommend, während wir
anter Eugen IV. den Cardinal Angelotto Foschi finden wel-
cher in der lateranischen Basilika, deren Erzpriester er war,
den Marienaltar stiftete und von einem seiner Leute, den nach
seinem zusammengescharrten Golde durstete, im Schlaf er-
schlagen wurde. Die Cenci, seit dem eilften Jahrhundert ge-
nannt und häufig in bürgerlichen Aemtern; die von Pistoja
stammenden Cancelheri welche nachmals den Namen Del Bufalo
annahmen; die Margani, in der zweiten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts Herren des nachmals orsinischen Monte Libretti
am Abhang der Sabiner Berge, eine Familie an welche noch
der Name eines Platzes am Fusse des capitolinischen Hügels
mit Resten alterthümlicher Häuser erinnert. Die Cardelli kom-
men schon im Jahre 1254 im Carapomarzo vor wo man heute
V- Reamoat, Rom. III. 4
50 Andere städtische Familien.
ihre Wohnungen sieht Noch sind die Leni zu nennen, welche
im Jahre 1627 in dem Cardinal Giovan Batista Erbauer von S.
Carlo a* Catinari ausstarben; die Tebaldi welche Cardinäle und
stadtische Kanzler zu den Ihrigen zahlten; die Albertoni durch
welche heute die Altieri fortgepflanzt werden, die bereits im drei-
zehnten Jahrhundert zu den angesehensten stadtischen Familien
gehörten. Häufig werden die Serlupi erwähnt, welche mit den
Crescentiern zusammenhangen, die Astalli, Muti, Spexxshi, Bussa,
BoccapaduU, die Alberini welche um die Mitte des dreizehnten
Jahrhimderts in städtischen Aemtem erscheinen und ihre Woh-
nungen an Via papale neben den Caflfarelh, andere bei Tor
de' Conti hatten; die Calvi welche in der Nähe der Massimi
wohnten; die Sinibaldi deren Namen noch Palast und Strasse
in der Nähe der Rotunda fuhren ; die Porcari welche bald eine
traurige Berühmtheit erlangen sollten, und noch lange später
ansehnliche Stellung behaupteten. Das alte Trasteveriner-
geschlecht der Stefaneschi welches mit den Tebaldeschi zu-
sammenlüng nach denen eine Strasse, heute de' Cappellari
beim Campo di fiore benannt war; die Tartari welche zu An-
fang des vierzehnten Jahrhunderts im Handel emporgekommen
waren und denen im folgenden die Hälfte von Lunghezza, dem
alten Collatia, gehörte; die Musciani die bei S. Pantaleo
wohnten und von denen zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts
die Stiftung eines Hospitiums ausging an welches noch der
Name der Via delle Muratte zwischen Apostelplatz und Fon-
tana Trevi erinnert — alle diese FamiUen und zahlreiche an-
dere blühten um die Zeit als das Papstthum seinen alten Sitz
dauernd wiedereinnahm und der Verwilderung Roms und seines
Volkes ein Ende machte.
Die Päpste des Schismas hatten sich zwar bemüht die
Ihrigen emporzubringen, aber diese Famihen haben für Rom
keine Bedeutung gehabt. Die hochstrebenden Prignani gingen
bald klägUch unter, die wegen ihrer Habsucht verschrieenen
zahlreichen Tomacelli und die Cossa gehören Neapel, die
Correr Venedig an. Nur die Mighorati hielten sich, ohne je-
doch in Rom selbst eine RoUe zu spielen. Gentile Mighorati,
ein Neffe Innocenz' VH. , heiratete Elena Orsini die Tochter Car-
los, des Stifters der Linie von Bracciano, welche nach seinem
Tode im Jahre 1433 von Eugen IV. das Lehn Bassanello er-
langte und deren Nachkommen gewissermaassen in die orsinische
Der Staat. Städte und Vicaiiate. 51
Familie aufgenommen wurden. Zu diesen gehörte jener Orsino
Migliorati Orsini, Gemal der schönen Giulia Farnese, welche
in der Geschichte Alexanders VI. nur zu oft genannt wird.
Solcherart waren die Verhältnisse der Stadt, die Zustande
ihrer Monumente und neueren Bauten, ilirer Verfassung und
Bewohner, ihrer Umgehung. Auf den Staat welchen die Päpste
bebeiTSchten, möge hier noch ein fluchtiger Blick geworfen
werden, b^or wir zur Erzählung der Begebenheiten übergehn,
die der Wiederherstellung der kirchlichen Einheit folgten.
Wie in Rom selbst, war die factische Autorität der Päpste
während des vierzehnten Jahrhunderts auch im Kirchenstaat
manchfaltigsten Wechseln unterlegen. Der Beginn der avigno-
nischen Zeit fand in Romagna und Marken zahlreiche Vicariate
vor. Die von solcher Familienherrschaft unabhängigen, dem
directen Dominium der Kirche untergebenen Städte waren mehr
oder minder selbständige Comunen mit städtischem Gebiete zu
welchem selbst ansehnUche Orte gehörten, mit municipalen
Constitutionen, die zwar in den Grundzügen übereinstimmten
aber im Maass der Freiheiten und BewiUigungen je nach älteren
Verhältnissen wie nach localer Bedeutung und nach den Be-
dingungen ihrer Unterwerfung verschieden waren. Auch solche
Städte und Städtchen des Patrimoniums und der südöstli-
chen und südlichen römischen Umgebung welche Roms städti-
sche Oberhoheit anerkannten, verwalteten sich nach eignen
Statuten, während Rom den oder die obersten Beamten bestellte
und einen Zins in verschiedener Gestalt empfing. Das Maass
der landesherrlichen Autorität der Päpste hatte manche Ab-
stufungen. Kriegerische Cardinäle wie Pelagrue und Albornoz
dehnten diese Autorität aus, aber mit wechselndem Glück.
Bei Urbans V. Rückkehr hatte Albornoz den ganzen Kirchen-
staat benihigt: beim Eintrefien seines Nachfolgers Gregors XL
war er beinahe ganz verloren. Die unendhchen Wirren des
Schismas führten dann zu so zahlreichen Veränderungen dass
die päpstUchen Provinzen das bunteste Gemisch von Herr-
schaften, Verfassungen, Rechten, Privilegien, Usurpationen
darboten.
Es war den Unternehmungen Albornoz' zugute gekonunen,
dass er den autonomen Neigungen imd Gewohnheiten der
Städte Rechnung trug und in den meisten Fällen sich mit
Wiederherstellimg der päpstUchen Autorität als oberste Schutz-
4*
52 Autouomie der Städte. Fiuauzeu.
herrschaft begnügte. Dabei behielten die Municipien ihre
Statutarrechte und Finanzverwaltung, ihre Magistrate wählten
sie selbst oder, wie es für das Podestatenamt geschah, präsen-
tirten^dem Papste oder seinem Legaten Candidaten, waren von
Steuern und Besatzung frei, zahlten nur einen gewöhnlich sehr
massigen Lehnzins. An Reibungen konnte es freilich nicht
fehlen, namenthch wenn die Legaten oder Rectoren in grösse-
ren Städten wie Bologna, Perugia u. a. ihren Wohnsitz nah-
men und die Factionen zu nutzen, die Freiheiten zu schmälern,
Burgen anzulegen, untergebene Ortschaften vom stadtischen
Verbände zu lösen suchten. Die Zerwürfnisse- der letzten
avignonischen Zeiten in Umbrien und Romagna finden in sol-
chen Bestrebungen ebenso ihre Erklärung wie in den Versuchen
von Individuen imd Familien, auf Kosten der päpstlichen
Suprematie einerseits, andrerseits auf Kosten der municipalen
Autonomie gross zu werden. Rechnungslegung und Statistiken
einzelner Provinzen wie sie z. B. im Jahre 1359 von dem
Schatzmeister im Patrimonium und von dem Legaten in Bologna
Cardinal de Grimoard aufgestellt wurden, lassen uns in das
Detail der Verwaltung und des Finanzwesens blicken. Wenn
im Zeitraum von neun Jahren von 1351 bis 1359 die Einnahme
im Patrimonium 89,134 Florenen betrug, die Ausgabe 81,031,
so ergiebt sich daraus wie beschränkt der Wirkungskreis der
C'entralregierung war. Die einzelnen Einnahmequellen waren
gerichtliche Compositionen und Executionen, wobei namentÜch
die Güter der Rebellen in Betracht kamen, Castellaneien,
Grund- und Feuerstellensteuer, Militärverpflichtung (TalUa mili-
tare), worüber uns aus der Zeit von Urban V. bis Bonifaz IX.
Tabellen über den Status der einzelnen Orte vorUegen, Pach-
tungen und Hausmiethen, Abgaben beim Rectorenwechsel,
Zölle von Corneto und Montalto. Die Hauptrubriken der Aus-
gabe sind Unterhalt der meist fremden Soldtruppen und der
Castellane, Beiträge zu den Kosten der Nuntien und Gesandten,
Gehalte der Rectoren, Richter, Sachwalter, Notare, Anlegung
und Ausbesserung von Castellen.
Die Zahl der als Vicariate vergebenen Städte und Orte
war sehr bedeutend. So sehr auch die Päpste diesem System
principiell widerstrebten, so vermogten sie doch einerseits her-
kömmliche Verhältnisse, unter denen sie z. B. die Romagna
vom Reich übernommen hatten, nicht zu ändern, andrerseits
Die Vicariate. 53
konnten sie in ruhelosen Zeiten das Aufkommen einflussreicher
Geschlechter nicht hindern, abgesehn davon dass mehre von
ihnen selbst aus Geldnoth oder Familieninteressen zu Beleli-
nungen ihre Zuflucht nahmen. Romagna und Marken, aucli
Umbrien waren mit Vicariaten gefüllt. Manche derselben,
solche namentlich welche glücklichen Condottieren verliehen
\vurden, verschwanden ebenso rasch wie sie entstanden waren.
Andere, besonders in den beiden ersteren Provinzen, haben
jahrhundertelange Dauer gehabt, obgleich die päpstlichen Ver-
leihungen meist auf eine gewisse Zahl Jahre beschränkt waren.
Mehre haben vollständige politische Unabhängigkeit erlangt
und bis zum Aussterben der belehnten FamiUen bewahrt. Die
Namen der letzteren sind oft genannt worden. Wenn von
denen die zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts Dante in der
Romagna aufzählte, einige verschwunden oder in Bedeutungs-
losigkeit gesunken waren, so blühten die meisten unter Zutritt
anderer. Malatesten beider Linien, Da Polenta, OrdelafB, Alidosi,
Manfiredi, Feitrier, Varani, Vitelli sassen in Rimini, Cesena, Fano,
Pesaro, in ßavenna, Forli, Imola, Faenza, Urbino, Camerino,
Citta di Castello. Die Bentivogli gewannen und verloren mehr
denn einmal die Signorie von Bologna. Die Este, päpstliche
zugleich und kaiserliche Lehnträger , geboten über einen mäch-
tigen Staat der vom Feudalnexus damals nicht viel mehr als
den Namen bewahrt«. Zahlreiche andere Geschlechter erran-
gen und behaupteten längere oder kürzere Herrschaft, oft unter
blutigen Kämpfen , mit und ohne päpstUche Anerkennung, somit
nach den Umständen häufig wechselnd, wie die Brancaleoni
in Castel Durante und Massa Trabaria, die Kuffreducci in
Fermo, die Fortebracci und die ßaghoni in Perugia, die Trinci
in Fuligno, die Gatti in Viterbo, einer Unzahl kleinerer nicht
zu gedenken wie vor allen die Romagna sie aufwies. Die
Mehrzahl dieser Geschlechter, namentlich der romagnolischen,
stand in einem Schutzverhältniss (Accomandigia) zur Republik
Florenz. Wenn sie beim Eintritt in dasselbe die Bedingung
stellten, nicht gegen die Kirche und ihre Rectoren zu kämpfen,
so ergiebt sich doch wie unabhängig sie sich von den Päp-
sten dünkten.
So bot bei der definitiven Rückverlegung des h. Stuhls
nach Rom der Kirchenstaat das bunteste Gemisch von Consti-
tutionen und Rechten dar. Wenn die päpstliche Autorität in
54 I^ie Vicai'iatc.
vielen Fallen eine mehr nominelle als wirkliche war, so war
sie doch von strengen Rechtsformen umgeben , wie denn über-
haupt das ganze Mittelalter hindurch die Form in vielen Fällen
für die Substanz entschädigen zu müssen schien. Die schon
erwähnte merkwürdige Statistik der Romagna unter der Ver-
waltung AngeUcs de Grimoard gewährt uns vollkommene Ein-
sicht in das Verhältniss der Vicare zur Centralregierung. Die
Schilderung von Imola und seinem District möge zum Beleg
dienen. Die Stadt Imola, heisst es, liegt an der fränkischen
nach Bologna führenden Hauptstrasse (Strata francigena et
magistra — Via francesca) in der Ebne. Ihr Bezirk ist überall
vom gleichnamigen von ihrer Jurisdiction unabhängigen Comitat
begrenzt. Die Herren Azzo und Beltrando, des verstorbenen
Roberto degU Alidosi Söhne, besitzen (tenent) Stadt und Bezirk
als vom Herrn Papste auf bestimmte Zeit bestellte Vicare,
zahlen jährlich der h. Kirche einen Lehnzins von tausend Flo-
renen und beziehen dagegen sämmtliche Einkünfte. In der
Stadt auf der Seite gen Bologna zu liegt ein Castell welches
ein Castellan im Namen der Kirche mit fünfzig Mann besetzt
hält, gegen ein von den gedachten Herren zahlbares Monats-
gehalt für ihn und seine Leute von 226 Lire vier Soldi bolog-
neser Währung. Die Stadt zählt 1338 Feuerstellen , vier Thore
deren Namen, Bewachung und Kosten folgen, mehre Villen und
Orte im District deren Feuerstellenzahl mit den städtischen 1624
ausmacht. Die Beamten sind folgende. Ein Podesta für die
Justizpflege mit fünfzig Ducaten Monatsgehalt. Er hat in sei-
nem Gefolge einen Richter-Stellvertreter, einen Notar mit sei-
nem Gehülfen, zwei Domicellen, zwei Diener, zwei Pferde.
Ueberdies giebt es einen Official der Wache mit zehn Florenen
Monatsgehalt und einen Beamten zur Abschätzung angerichteter
Schäden mit gleichem Diensteinkommen. Die Ausgaben für In-
standhaltung von Thoren, Brücken u. s. w. können sich jährlich
auf tausend Florenen belaufen. Die von den Vicaren bezogenen
P^inkünfte bestehn in der Mahl-, Wein-, Schlacht-, Brod- und
Waagesteuer, wie in der Feuerstellen- und der Gewerbe-
und Verbrauchsteuer. Die Taille, zu welcher die Stadt ver-
pflichtet wäre , ist in den von den Vicaren erlegten Census ein-
begriffen. Die Kammer bezieht die Salzsteuer. Der Ertrag der
Steuern ist in dem Document angegeben , unter dem Vorbehalt
dass das Vicariatsverhältniss genaue Schätzung nicht zulässt
Der Kirchenstaat als Ganzes. 55
Nun folgt die Aufzählung der Castelle und Orte des Comitats
mit ihren verschiedenen Herren, Lippo und Orsatto di Canta-
gallo, Giovanni de' Manfredi, Riccardo di Sassadello, Alberigo
di Cuneo (Barbiano) u. A. Das Comitat hatte eine besondere
Verwaltung mit einem in Imola residirenden Podesta und an-
deren Beamten.
Dass in einem so constituirten Staate Gefühl und Bewusst-
sein der Zusammengehörigkeit mit ihren Vortheilen und Er-
fordernissen noch weit schwächer waren, als wir es in diesen
Zeiten auch anderwärts finden , liegt auf der Hand. Es war die
Territorialität in der engsten und engherzigsten Umgrenzung
ihres Begriffs. Die Gesammtheit verschwand vor dem Indivi-
dumn. Nicht nur hatte der Romagnole kein gemeinsames In-
teresse mit dem ihm völlig fremden Bewohner des Patrimoniums
oder Campaniens: derBolognese stand dem Ravennaten ebenso
ferne, der Anconitaner dem Fermaner, der Orvietaner dem
Viterbesen. Es waren nur Municipien in buntester Abwechs-
lung, Comunen mit besonderen wenngleich auf derselben
Grundlage erwachsenen Statuten, unterthänige Orte verschie-
den in ihren Beziehungen zu den herrschenden Comunen wie
im Maass der ihnen zustehenden Rechte, Signoren mit mehr
oder minder entwickelter Hoheit, welche nur das gemein
hatten dass sie unter gemeinsamer Oberhoheit standen. Selbst
in den besten Zeiten hatten die Päpste bei meist kurzen Re-
gierungen und vielfachem Systemwechsel diese separatistischen
Tendenzen nicht zu bemeistem vermögt, gewöhnlich es auch
nicht einmal versucht. Sie begnügten sich mit der unentwickel-
ten Souveränität, deren Beschränkungen sie sich gefallen
liessen selbst nachdem sie günstige Erfolge gehabt hatten.
Sogar mächtige und energische Päpste nahmen die Ueber-
tragung der Podestatenbefiignisse in Städten zweiten Ranges
an. Die meisten von ihnen scheuten sich das Mistrauen der
Städte zu wecken, die in gleichem Maasse auf ihre Rechte
eifersüchtig wie infolge steter Parteizerrissenheit unvermögend
waren, einerseits Ruhe zu bewahren, andrerseits ihre Freiheit
vor dem Despotismus einheimischer Geschlechter oder glück-
licher Condottieren zu schützen. In den Zeiten, die uns hier
beschäftigen, lag die politische Entwicklung der Städte zu-
gleich mit ihrer wahren und thatkräftigen Blüte schon in der
Vergangenheit. Das Verhältniss der Dynastenfamilien zur
56 Papstthuin uud Kirche nach dem coustauzer Concil.
souveränen Gewalt schien noch da49 alte , ging aber schon einer
Umgestaltung entgegen. Während grössere Territorien sieb
consolidirten, war die Existenz der kleineren umsomehr ge-
fährdet, da die Geschichte dieser päpstUchen Vicare eine un-
unterbrochene Kette von Meutereien gegen die päpstUche Herr-
schaft darbot, Meutereien gegen welche weder alte noch neue
Verträge schützten. Dass die Wiederbefestigung der päpst-
Uchen Autorität Versuche herbeifuhren musste , von einer
solchen Lage der Dinge Vortheil zu ziehen, einer poUtischen
Ordnung die inderthat nur Unordnung war , ein Ende zu machen,
dass der lose, in seiner Gesammterscheinung kein positives
Recht noch Princip repräsentirende Verband nur in seinen
Schwankungen beständig sein konnte, ist begreiflich. Es kam
fiir die Zukunft des Kirchenstaats darauf an, ob die Päpste
sich durch die Leichtigkeit des Entstehns und Wechsels
autonomer Gestaltungen zu eignen Versuchen solcher Bildun-
gen bestimmen lassen, oder aber ob sie die Stärkung der
souveränen Gewalt anstreben würden.
Die Geschichte der Zeit in welche wir jetzt treten, die
des neuern Papstthums, wird uns beide Tendenzen in ihrer
vollständigsten Entwicklung und Ausübung zeigen.
4.
KmCHE UND STAATEN NACH DEM CONSTANZES CONCEL.
REQIERUNO MARTINS V.
»Als nach der Wahl und Krönung Papst Martins V., berichtet
der Westfale Gobelin Person in seinem Cosmodromium , die Dinge
in Constanz eine solche Wendung nahmen dass die Aussiebt
auf Reformation an Haupt und Gliedern durch das Concil immer
mehr schwand, wandte sich die französische Nation an König
Sigmund ihn um Vermittlung beim Papste zu bitten. Aber der
König erwiederte ihnen: Als wir daraufdrangen, dass die Re-
form vorgenommen würde bevor man zur Papstwahl schritt,
wäret ihr uns entgegen und wolltet einen Papst haben ehe
man an die Reform ginge. Nun habt ihr den Papst den auch
wir haben: drum wendet euch an ihn auf dass er die Reform
unternehme, denn jetzt liegt es nicht an uns wie es während
der Erledigung des h. Stuhls an uns lag.« Allerdings war man
Mailiiis V. Rcfoiineu. 57
vor der Wahl inbetreff mehrer Punkte übereingekommen. Man
hatte eine Frist fiir Abhaltung künftiger Synoden festgesetzt,
die wiederholten Versetzungen der Bischöfe von einem zum
andern Sitze wie die Reservationen beschränkt, den künftigen
Papst zu einer gemeinschaftlich mit dem Concil vorzunehmen-
den Reformation verpflichtet. Aber dies war völlig ungenügend
sowol im Verhältniss zu den wirklichen zum Theil schreienden
Uebelstanden, wie zu den nicht selten leidenschaftlich über-
triebenen Anklagen, durch welche das Concil, ein Echo des
Volksmunds, den Clerus und namentlich den römischen Hof
biosgestellt hatte. »Die Kirche muss reformirt werden und
zwar ohne Verzug, hatte Cardinal d'Ailly gesagt, sonst werden
die Uebel welche wir vor uns sehen, so gross sie sind, nur
Vorlaufer unendUch grösserer sein, und ganz andere Gewitter
werden den Donnerschlägen folgen, die unser Ohr getroffen
haben.«
Ebensowenig konnten die von Martin V. vor seiner Abreise
aus Teutschland ergriffenen partiellen Maassregeln den Uebel-
standen und dem tiefgefühlten Bedürfniss abhelfen. Das von
ihm eingesetzte Reformationstribunal schritt langsam und schwer-
fallig vor; das im Januar 1418 vorgelegte Reformationsdecret
gelangte bei dem Mangel an Eintracht zu keinem Abschluss.
Die im Frühling desselben Jahres mit einzelnen Staaten einge-
gangenen Concordate besserten manches. Die Festsetzung der
Zahl der soviel als thunlich aus der ganzen Christenheit zu
wählenden Cardinäle, die Bestimmungen über die Pfründenver-
gebungen und die canonischen Wahlen, jene inbetreff der Herab-
setzung der Annaten, in Bezug auf den Misbrauch der Ver-
leihung grösserer Stifter als Commenden, auf die Beschrän-
kung der zu unertniglichsten Extremen gesteigerten Exconi-
municationen wie der Verschwendung der Indulgenzen u. a.
waren ein wesenthcher Fortschritt. Ein gleiches war der Fall
mit den über einzelne Punkte erlassenen Decreten, welche der
Simonie bei den Ordinationen, dem Genuss kirchUcher Bene-
licien ohne kirchUche Weihe , dem weltlichen Leben und Trei-
ben der Kleriker abhelfen sollten und die seit dem Anfang des
Schismas vorgenommenen Exemtionen und Incorporationen wie
die Dispensationen von den für geistliche Aemter gültigen ca-
nonischen Erfordernissen aufhoben, während sie das Recht
der Einforderung des Zehnten vom Clerus durch den Papst auf
58 Concil und Papstgewalt. Radicale Tendenzen.
die dringendsten Fälle unter Zuziehung des Cardinalcollegiums
und des Episkopats des betreffenden Landes beschränkten.
So war der Grund zur Reform gelegt, aber allerdings nur
der Grund. Vonvornherein war der Uebelstand Yorhanden«
dass die Punkte nicht durch allgemeine Vereinbarung festge-
setzt waren, somit keine allgemeine unbestrittene Geltung hatten.
Ueberdies drängte sich die Frage auf, ob einerseits das Papst-
tlium geneigt sein würde sich durch Zugeständnisse zu binden,
welche bei der herrschenden Stimmung leicht zu seinem Nach-
theil angewandt werden konnten, ob man andrerseits Kraft zu-
gleich und Selbstüberwindung haben würde, die in Pisa und
Constanz siegreichen Grundsätze nicht auf die Spitze zu stellen.
Es ist für die drei maassgebenden Kirchenversammlungen des
fünfzehnten Jahrhunderts ein grosses Unglück gewesen, dass
durch die Noth der Umstände und die Schuld der Menschen
die Autoritätsfrage, in den Vordergrund gedrängt, nicht nur
andern gleich nothwendigen Fragen den Rang ablief sondern
die Gemüther erbitterte. Die kirchliche Einheit war in Con-
stanz gerettet , aber alles war geschehn die päpstliche Monarchie
in ihren Grundvesten zu erschüttern. Das Princip des Ueber-
wiegens des Concils war nicht nur in radicaler Weise behauptet
worden, sondern in solchem Maasse factisch zur Anwendung
gelangt dass es selbst die kirchliche Tradition vom Primat ge-
fährdete. In der Zeit des Kampfes hatte man in Schriften,
welche mit Unrecht den beiden berühmtesten französischen
Vorfechtem der conciliaren Autorität, d'Ailly und Gerson, zu-
getheilt worden sind, noch viel weitergehende Mittel zur Wieder-
herstellung der Einheit vorgebracht und vertheidigt, aber der
gelehrte Kanzler der pariser Universität hat selbst zugestanden,
dass die in Constauz stattgefundene Schwächung der Papst-
gewalt früherer Zeit als Häresie erschienen sein würde. Der
BUtze des Kampfes und dem Drange der persönlichen Fragen
ist es wol beizumessen dass Niemand sich klar machte, wie
die Schwächung der Autorität des einen Theils dem andern
nicht dauernd zugute kam. Denn dieselben Tendenzen welche
gegen das Papstthum zu Felde gezogen waren, wandten sich
nicht blos wider den Episkopat und das ganze geistliche Ge-
biet überhaupt, sondern erstreckten sich auch auf das welt-
liche, indem sie eine Umwandlung des gesammten öffentlichen
Rechts anstrebten \md in radical demokratischem Sinne den
Lage Europas bei Martins V. Rflckkehr. 59
Schwerpunkt der bürgerlichen Gesellschaft zu verlegen suchten.
Es ist nur folgerichtig, dass die Reaction wider diese Tenden-
zen, nachdem sie noch einen harten Kampf bestanden, die der
Einheit inwohnende Kraft sammelte, so dass sie den Wider-
stand besiegt zu haben schien, bis ein weit heftigerer und
nachhaltiger Sturm über sie hereinbrach, weil sie eben die
Zeichen der Zeit verkannt und das Werk versäumt hatte, wel-
ches von einem Concil zum andern verschoben oder ungeschickt
angegriffen worden war.
Das Concil war auseinandergegangen, ohne dass rechtes
Vertrauen weder zwischen Papstthum und Episkopat und
dessen Verbündeten, noch zwischen Papstthum und weltlicher
Gewalt erzielt worden wäre. Es war eine nicht blos in kirch-
lichen Dingen ernste und bewegte Zeit, als Martin V. nach
Italien und Rom zurückkehrte. Teutschland hatte den Tag
neuer Prüfungen anbrechen gesehn. Die Flammen des Scheiter-
haufens von denen Johannes Huss verzehrt worden war, hatten
in ganz Böhmen gezündet. Die Bewegung war zur Empörung
gediehen, bei deren Ausbruch König Wenzel am 16. August 14 19
sein trauriges lieben endete. König Sigmunds Nachfolge in
Böhmen und seinen Nachbarländern steigerte die populäre Ab-
neigung wider Den, der den böhmischen Prediger nicht gegen
die Maassregeln der Kirchenversammlung geschützt hatte, zu
fanatischem Hass. So entbrannte der Hussitenkrieg, der vier-
zehn Jahre lang alle Anstrengungen des Reiches und der Kirche
zu Schanden, den Riss zwischen Teutschen und Slaven vor-
übergehenden Versöhnungen und inneren Spaltungen zum Trotz
unheilbar gemacht, Kaiser Carls IV. Werk in Böhmen grossen-
theils vernichtet, bis beinahe ans Ende von Sigmunds Regie-
rung alles ringsumher mit Blut und Trümmern, Schmach und
Elend gefüllt, auch ferne vom Herde der Opposition eine un-
heilvolle Saat zurückgelassen hat. Anderwärts waren die Zu-
stande kaum trösthcher. Der französisch - englische Krieg,
nachdem er während des grössten Theils der sonst unheil-
vollen Regierung Carls VI. geruht, war in den letzten Jahren
derselben wieder ausgebrochen. Heinrichs V. Sieg bei Azincourt
erneuerte die Tage von Crecy und Poitiers, und der im Jahre
1420 zwischen England und Philipp dem Guten Herzog von
Burgund abgeschlossene Vertrag von Troyes übertrug dem
englischen Königshause die französische Thronfolge, indem er
60 Italienische Staaten. Savoyen und Mailand.
dem durch Carls Wahnsinn und die schmachvollen Zerwürf-
nisse in der königlichen Familie gefahrvoller gewordenen Kampfe
auch den Karakter eines Bürgerkrieges gab. In England hatte
V^ährenddessen die Umwälzung, durch welche das Haus Lan-
caster mit Heinrich IV. auf den Thron gelangt war, den Grund
zu den Rosenkriegen gelegt, in denen nach dem Tode des
Siegers von Azincourt eine zügellose Feudalaristokratie Blüte
und Bildung des Landes auf lange zerstörte. In Spanien
gewährte nur das aragonische Reich unter dem im Jahre 1415
seinem Vater Ferdinand in jugendUchem Alter gefolgten Alfons V.
Aussicht auf Fortschritt und grössere Machtentwicklung, wäli-
rend Castilien einer Günstlingsherrschaft mit ihren gewohnten
Unruhen und Wechseln verfiel. Gerade das Verhältniss Ara-
gons zum Papstthum und zur kirchUchen Einheit war aber,
da König Alfons die Entscheidung des constanzer Concils noch
nicht anerkannt hatte, um so bedenklicher als hiebei auch der
Süden Italiens in Betracht kam.
Italien hatte um dieselbe Zeit wenn nicht grössern
Frieden gewonnen, doch inmitten des Sinkens so der päpst-
lichen wie der Reichsgewalt in festerer Gestaltung der Staaten
Fortschritte gemacht. Graf Amadeus VIII. von Savoyen hatte
nach dem Aussterben der Linie der Fürsten von Achaia im
Jahre 1418 den italienischen Besitz seines Hauses mit dem
transalpinischen verbunden, und herrschte bald darauf vom
Genfersee und vom provenzalischen Nizza an bis Vercelli. So
begründete er, der erste Herzog seiner Familie, eine Macht
welche ungeachtet, wenn nicht vielmehr wegen ihrer vielfachen
fremden Bestandtheile , in Italiens späterer Entwicklung einen
Hauptfactor bildete, während er, der die rastlose Thätigkeit
seiner Vorfahren mit kluger Berechnung, und Nähe wie Ferne
überblickendem politischem Scharfsinn vereinigte, nach zwei
Seiten hin, nördlich wie südlich von den Alpen, Fronte zu
machen verstand. Der letzte der Visconti, FiUppo Maria, re-
gierte seit dem im Jahre 1412 erfolgten Tode seines Bruders
Giovanni Maria über das ganze Herzogthum Mailand welches
von Vercelli bis an den Oglio, von den Alpen zeitweilig bis
ans Bolognesische \md an den Apennin der Lunigiana und Gar-
fagnana reichte. Mit den Nachbarn zur Rechten und Linken
wie mit Mittelitalien stets im Kriege, der durch unhaltbaren
Frieden und schwankende Bündnisse unterbrochen immer von
Venedig und Florenz. Die kleinen Staaten. 61
neuem begann, ein Gebieter über ein reiches Land und tüch-
tige Heere, deren Führer er bald heranzog bald von aich stiess
wie es zu seiner krummen PoUtik und seinem stets wachen Ver-
dacht passte, war der Herzog der vornehmste Repräsentant
eines Systems, welches alle Kräfte eines Staates in Einer Hand
vereinigend, ohne Controle aber auch ohne rechte Stütze ausser
im furchtsamen Gehorsam , rasch und schlagend zu wirken ver-
mag aber vor plötzUchem Rückschlag nicht geschützt ist.
Die Rivalität des Visconti mit seinen venetianischen Nach-
barn war unvermeidhch. Venedig hatte sich von den Verlusten
des im Jahre 1381 beendeten Krieges mit Genua erholt und
seinen Sinn immer melir auf Vergrösserung in Italien wie auf
P>werbuDgen an den gegenüberUegenden adriatischen Küsten
gerichtet. Bestrebungen welche den Untergang zweier alten
Fürstengeschlechter, der Della Scala von Verona und der
Carraresen von Padua herbeiführten, unablässigen Streit mit
den Visconti um den Besitz der östlichen Lombardei entzün-
deten und nach langen Kämpfen mit König Sigmund, um die
Zeit von Martins V. Rückkehr nach Rom, Friaul und die
istrisch- dalmatischen Küsten bis zu den Grenzen Albaniens
dem Löwen von San Marco unterwarfen. Venedigs alte Geg-
nerin Genua war französischer Herrschaft nur ledig geworden,
um politisch ohnmächtig der viscontischen zu verfallen. Flo-
renz, von seinem Bedränger König Ladislaus erlöst, durch die
Unterwerfung Pisas von einem Grrunde steter Aufregung befreit,
wörde sich seiner Blüte unter der Herrschaft der aus dem
grossen Bürgerstande hervorgegangenen Aristokratie der Al-
bizzi erfreut haben, hätte nicht die ewige Besorgniss vor dem
nicht rastenden viscontischen Ehrgeiz im Verein mit dem un-
vermeidUchen Schwanken und Parteiwesen, welchem das be-
dächtig sichere Emporsteigen der von der Demokratie getra-
genen Medici eine Handhabe bot, eine Spannung unterhalten
welche am Ende zum Ausbruch führen musste. So waren die
politischen Verhältnisse der grösseren Staaten des obern Italiens.
Die kleineren, Montf errat, Saluzzo, Mantua wo seit Ludwigs
des Baiem Zeit die Familie Gonzaga herrschte, Ferrara wo
die Este ihr altes Ansehn behaupteten, aber in schwieriger
Stellung waren seit Venedig seine italienische Territorialpolitik
verfolgte, und die toscanischen Freistaaten Lucca und Siena
kamen politisch meist nur insoferne in Betracht, als sie den
62 Neapel unter Johanna 11. Anjou oder Ai-agon.
grösseren Nachbarn bald als Theilnehmer stets wechselnder
Bündnisse, bald zu Zielpunkten nie ruhender Ländergier dien-
ten. Die politischen Verhältnisse im Kirchenstaat endlich hat
die Geschichte der letzten Zeiten des Grossen Schismas dar-
gelegt.
Es waren die neapolitanischen Angelegenheiten welche
Martin Y. mehr in Anspruch nahmen als die im eignen Lande,
nicht blos wegen der staatlichen Beziehungen zu letzterm son-
dern auch wegen ihres Zusammenhangs mit den noch in Spanien
dauernden Resten des Schismas. Die Regierung der zweiten
Johanna welche ihrem Bruder Ladislaus im Jahre 1414 nach-
gefolgt war, zeigte in ihrem unaufhörlichen Wechsel von
Giinstlingen und von Politik den tiefen Verfall des einst so
blühenden aber vonjeher bestandlosen Reiches und die völlige
Entartung der zu Ende gehenden Königsfamilie. Nach dem
Tode Herzog Wilhelms von Oestreich mit einem französischen
Prinzen Jacques de Bourbon Grafen von La Marche vermalt,
hatte Johanna sich mit diesem, der sich nicht mit einer unter-
geordneten Rolle begnügen wollte, bald entzw^eit und ihn aus
dem Lande getrieben. Sie hatte sich mit dem Papste verstan-
digt, den Grafen Ludwig von Anjou, Sohn des Titularkönigs
Ludwig IL, zu ihrem Nachfolger angenommen, eine Adoption
welche von Martin V. bestätigt worden war, ohne aber dem
Wankelmuth einer Frau, deren Launen nur von denen ihrer
Umgebung abhängig waren, Schranken setzen zu können. Mit
dem angenommenen Sohne unzufrieden wie vordem mit dem
Gemal , entschloss die Königin sich nicht lange vor des Papstes
Ankunft in Rom zu einem Schritt, welcher nicht blos zwei De-
ccnnien verheerender Kämpfe herbeiführte, sondern achtzig
Jahre später dem Süden Italiens seine politische Unabhängig-
keit raubte. Sie widerrief die Adoption indem sie dieselbe auf
Alfons König von Aragon und Sicilien übertrug, der am 7. Juli
1421 in Neapel eintraf imd den Thronerbentitel eines Herzogs
von Calabrien annahm. Es war das Signal zu neuem erbitter-
ten Kampfe der alten Parteien im Königreich, der anjouschen
und durazzesken, welche letztere zeitweilig zu einer aragonesi-
schen wurde, bis eine nochmalige Sinnesänderung Johannas
den Dingen wiederum eine verschiedene Wendung gab.
Sforza Attendolo , seit so langer Zeit schon in die neapoli-
tanischen Angelegenheiten verwickelt, war die Hauptstütze der
Sforza Attendolo und Bi-aooio da Montone. 63
Partei der Anjous. Ihm beschloss die Königin den Einzigen
gegenüberzustellen welcher als Kriegsmann einen Vergleich mit
ilim aushalten konnte. Braccio da Montone verUess nur un-
gerne Umbrien, wo er seine Herrschaft immer fester begrün-
dete, aber die Anerbietungen Johannas waren zu lockend und
im Frühling 1421 setzte er sich in Marsch, nahm mehre Städte
der Abruzzen, traf ungefähr zu gleicher Zeit mit König Alfons
in Neapel ein. Der Empfang der ihm hier zu Theil ward, über-
traf noch den florentinischen, und mit dem Titel eines Fürsten
von Capua und Grafen von Foggia vereinigte er jals Grossconne-
table den Oberbefehl über die königlichen Truppen. Diese Er-
nennung und der Bruch mit Ludwig von Anjou waren in
gleichem Maasse Anlässe zum Zerwürfniss mit dem Papste.
Während aber die von diesem dem enterbten Thronfolger ge-
leistete Unterstützung zu keiner Entscheidung führte und der
Krieg im Königreiche sich hinschleppte, vermogten andere Um-
stände auch Martin y. zu einer Sinnesänderung. Von einer Wieder-
belebung des Schismas in Aragon bedroht näherte er sich dem
Könige Alfons. Schon im Jahre 1422 wäre eine Ausgleichung
zustande gekommen , hätte nicht Johanna in dem neuen Adoptiv-
sohn ebenso einen lästigen Meister gesehn wie in dem alten
und, indem sie nun Alfons verstiess, im Sommer 1423 Ludwig
von Anjou nochmals an Kindesstatt angenommen. Es war
mehr als genug, eine noch grössere Verwirrung und Zerreis-
sung der Parteien herbeizufuhren. Natürlicherweise wurden
die Condottieren , deren vornehmster Schauplatz das reiche
aber jammervoll zertretene Land geworden war, in diese raschen
Umgestaltungen hineingezogen. Als die Königin sich dem
Anjou wieder zuwandte, trat dessen alter Anhänger Sforza
von neuem an die Spitze ihres Heeres. Er fand sich einem
ebenbürtigen Gegner gegenüber.
Braccio da Montone, der die aragonesischen Interessen
verfocht, war mehr noch für die eignen thätig gewesen.
Er hatt« die Verwirrung im Königreich für den rechten Mo-
ment gehalten sich dort einen ansehnlichen Staat zu grün-
den, hl Capua besass er schon den Schlüssel zu Campa-
Qien: nun suchte er Aquila, die Hauptstadt der Abruzzen in
seine Gewalt zu bringen. Das Unternehmen war kein leichtes.
Die Stadt war fest; im Lande hatte die anjousche Partei von
jeher das Uebergewicht. Die Belagerung zog sich in die Länge,
64 Sforzas und Braccios Tod.
SO dass sowol die Königin wie der Papst Zeit gewannen Ge-
genwehr zu bereiten. Martin V. schien es eine Lebensfrage
für die Herrschaft über Rom. Wenn sein ehrgeiziger und
rebellischer Lehnsmann, welchem bereits ein ansehnlicher Theil
Umbriens gehorchte, so das römische Campanien wie die Mar-
ken von der Verbindung mit dem Süden abschnitt, so war
Rom wie belagert. Schon hatte Braccio gedroht, er werde den
Papst die Messe für einen Bajocco zu lesen zwingen. Im De-
cember 1423 zog Sforza mit königlichen und päpstlichen Trup-
pen zum Entsatz von Aquila aus. Der Anfang des Unterneli-
mens versprach Erfolg. Am 4. Januar 1424 setzte Sforza mit
seiner Vorhut über die Pescara nahe bei ihrer Mündung und
schlug am Ufer einen feindhchen Heerhaufen. Indem er aber
nochmals durch den Fluss watete , das Nachrücken des Haupt-
heeres zu beschleunigen, riss die Strömung ihn mit fort und
er verschwand auf inuner. Braccio der schon den Rückzug
nach Chieti begonnen hatte, kehrte auf die Nachricht von
diesem Vorfall vor Aquila zurück. Aber auch ihn ereilte bald
das Geschick. Der Tod des Führers hatte das Unternehmen
verzögert, nicht es aufgeben lassen. Am 2. Juni kam es unter
den Mauern der belagerten Stadt zum entscheidenden Kampfe.
Jacopo Caldora und Francesco Sforza, der nachmalige Herzog
von Mailand führten das königUche Heer. Braccio nahm die
Schlacht an ; sein Unterfeldherr Niccolo Piccinino sollte mit der
Nachhut die Bewohner Aquilas in Zaum halten. Dass dieser,
als er Braccio im Gedränge sah, sich mit in den Kampf stürzte
und so den Aquilanem den Weg freiUess ihren Feinden in den
Rücken zu fallen, entschied den Tag. Schwer verwundet
wurde Braccio gefangen und starb nach drei Tagen in der
Stadt, die er zu der seinigen zu machen gehofft hatte. Lodo-
vico Colonna brachte den Leichnam nach Rom: auf dem
Platze vor S. Lorenzo fuori le mura sah das Volk den Entseel-
ten liegen den es einst so sehr gefurchtet hatte. Die Freude
der Römer kannte keine Grenzen; sie führten in den Strassen
Tänze auf und veranstalteten einen grossen Fackelzug zum
Hause Giordano Colonnas. Im Kirchenbann gestorben wurde
Braccio in ungeweihter Erde eingescharrt, bis die Erlaubniss
ertheilt ward ihm in Perugia ehrenvolles Begräbniss zu geben.
Mit Braccios Tode war auch sein Werk zu Ende. Zu Ende Juli
unterwarfen sich Perugia, Assisi und die übrigen umbrischen
Politische Angelegenheiten. Die Colonna. 65
Städte der directen päpstlichen Herrschaft, während die Köni-
gin Johanna wieder in den Besitz von Capua gelangte.
Von dieser Sorge hefreit hatte Martin V. eine Zeitlang
Ruhe. Er benutzte sie dem hartnäckigen Kampfe in der Lom-
bardei zwischen Filippo Maria Visconti und der Republik Ve-
nedig Schranken zu setzen ; eine Vermittlung die nur unvollkom-
men gelang, da der Zwist bald wieder zum Ausbruch kam. Im
Jahre 1428 machte ihm ein neuer Aufstand der unruhigen Bolog-
nesen viel zu schaffen , die sich erst im folgenden Jahre wieder
fugten. Nun ging aber die Wiederherstellung der päpstlichen
Autorität raschen Schrittes voran. Citta di Castello, welches
Braccio gehört hatte , und das wichtige Fermo erkannten diese
Autorität an , während der im Jahre 1429 erfolgte Tod der beiden
mehrgenannten Malatesten, Carlos des Herrn von Rimini und
Malatestas des Gebieters von Pesaro , wie der Streit wegen ihrer
Erbschaft dem Papste Gelegenheit bot mehre Orte, Borgo San
Sepolcro, Cervia, Osimo, Fano, Senigallia, Pergola "viHeder zu
erlangen. Die Erfolge Martins V. kamen indess nicht blos dem
Kirchenstaate als solchem zugute. Er vergass seine eigne
Familie nicht. Wie zur Zeit als das Schisma zu Ende ging,
die Colonna den Orsini an Zahl und Bedeutung der Ort-
schaften und Burgen in Roms Umgebung nahe standen , hat
die Schilderung der römischen Campagna und des benachbar-
ten Hügel- und Berglandes bei Martins V. Rückkehr gezeigt.
Dieser aber hatte nun zweierlei im Auge: den Besitz in der
Nähe zu mehren, während der Erwerb von Lehnen und Wür-
den im Süden mit den orsinischen wetteifern sollte. Beides
gelang. Er verschaffte den Seinigen das feste Marino das den
Orsini gehört hatte, Ardea, Nettuno, Astura, indem er sie so
von den Albaner Hügeln zum Meere mächtig machte, wie sie
es von diesen Hügeln ins Aequer und Hemiker Land hinein
schon waren. Er verstärkte auf letzterer Seite ihre Stellung,
indem erPaliano, ihre nachmalige Hauptveste, und Serrone für
sie gewann. Er setzte sie in Besitz von Bassanello im sabini-
schen Tiberthal, von Soriano im Viterbesischen, woran sich
80 viele Erinnerungen Nicolaus' HI. und der Orsini knüpften.
Er befreite die meisten dieser Cas teile von allen Steuerzahlun-
gen, von der Salzsteuer, von jener welche die Feuerstellen
zahlten; er regelte dann die Vertheilung der vielen Lehne und
traf Bestimmimgen für gemeinsamen Familienbesitz wie für die
T. Keamont, Rom. III. 5
66 Die Colouna. Spanien und das Schisma.
einzelnen Antheile der ihn überlebenden Neffen. Die Verheira*
tung seiner Bruderstochter Caterina mit Guid' Antonio von
Montefeltro Grafen von Urbino , welche am 23. Januar 1424 in
Kom gefeiert ward, diente zu dem doppelten Zwecke, das schon
mächtige Geschlecht der Feitrier noch fester mit dem Papst-
thum zu verbinden und den Colonnesen einen weitem Rück-
halt zu verschaffen.
Während Martin solches im Kirchenstaat bewerkstelligte,
erlangte er von der Königin Johanna glänzende Bewilligungen
für allerdings nützUche Dienste. Von jener Zeit an gehören
die Colonna Neapel beinahe in gleichem Maasse an wie ihrer
römischen Heimat, obgleich mehre der ihnen damals verliehe-
nen Lehne bald in andere Hände kamen. Von des Papstes
beiden Brüdern wurde der eine, Giordano, Herzog von Amalfi
und Venosa, Fürst von Salerno. Der andere, Lorenzo, ward
Graf von Alba imd Celano in den Abruzzen und Kämmerer
des sicihschen Reiches. Bei des Erstem kinderlosem Tode
erhielt Lorenzos Sohn Antonio die Belehnung mit Salerno,
während dessen Bruder Odoardo Celano und Marsi anheim-
fielen, womit er den Besitz Palianos vereinigte. Odoardo ist
der Stifter der Linie welche sich neben der von Stefanos des
Alten Enkel Stefanello stammenden, den Colonna von Pale-
strina gegenwärtig Barberini- Colonna, in Rom fortgepflanzt
hat, gewöhnlich nach ihrer Hauptveste die Linie von Paliaao
oder nach ihrem nachmaligen neapolitanischen Erbamte die
des Grossconnetable genannt. Auch das florentinische Büiger-
recht ward den Colonna zu Theil, die wir früher schon in Be-
ziehung zur RepubUk fanden. Das übermüthige florentinische
Volk hatte einst Papst Martin verspottet: jetzt war ihm in den
Händeln mit dem Visconti an des Papstes Freundschaft viel ge-
legen. In den florentinischen Banken sicherten sich die Colonna
durch Geldanlagen wider möglichen Glückswechsel.
Neben den poUtischen Angelegenheiten nahmen die geist-
lichen Martin V. unausgesetzt in Anspruch. Das Concil hatte
das Schisma besiegt ohne es völlig auszurotten und es war
wesentlich der Zusammenhang des Papstthums mit den neapo-
litanischen Thronwirren, welcher, indem er die Interessen des
Königs von Aragon berührte, das Feuer noch unter der
Asche fortgUmmen Hess. Selbst als Pedro de Luna im Jahre
1424 in Paniscola starb, war es damit noch nicht zu Ende,
Rom unter Maitiii V. 67
denn ein Domherr von Barcelona, Gil Sanchez de Muftoz, trat
an Benedicts XIII. Stelle, und erst fünf Jahre später gelang
es den Bemühungen des päpstlichen Legaten Cardinal Pierre
de Foix durch Uebereinkunft mit König Alfons dem Antipapat
Clemens' VIII. ein Ziel zu setzen. Minder glücklich war Martin
in seinen eignen Concilsbestrebungen , welche das in Constanz
unvollendet gelassene Werk zum Schluss bringen sollten. Der
erst in Pavia dann in Siena gemachte Concilsversuch hatte
keinen Erfolg. Es war ein Unglück, denn je noth wendiger die
Refdhn war, umsomehr steigerten sich Uebelstände und Hinder-
nisse durch die Länge der Zeit, und als der Papst endlich,
durch die reissenden Fortschritte der Häresie in Teutschland
gedrängt, am Spätabende seines Lebens eine neue Synode auf
teutschem Boden ausschrieb, war die Stinunung schon eine
solche geworden, dass es nur des von seinem Nachfolger an
den Tag gelegten Mangels an Vorsicht und an richtiger Beur-
theilung der Sachlage bedurfte, um alles Gewonnene wieder
in Frage zu stellen.
Rom blieb ruhig unter Martin V. Fremde Senatoren folg-
ten einander regelmässig im Amte, zum Theil Ritter aus
Städten des Ejrchenstaats zum Theil aus anderen, ein Gon-
zaga von Mantua, ein Loschi von Vicenza, ein Buondelmouti
von Florenz. Emeimungen städtischer Beamten, des Schatz-
meisters, des Kanzlers, der Zunftanwalte, der Wegemeister,
des Aufsehers über den Bach Marrana u. a. , Bestätigung von
Privilegien für die Juden, z. B. für die Brüder Luiz und Ma-
nuel Chirurgen in Trastevere, wahrscheinlich portugiesischer
Abstammung, u. s. w. erfolgten durch den Papst. Er schloss
oder verlängerte Waffenruhe zwischen Rom und den Baronen,
erweiterte die senatorische Gerichtsbarkeit, hiess die Verbrecher
in benachbarten Ortschaften dem Senator ausUefern, erliess
eine Constitution gegen die Kirchenräuber in der Stadt, ver-
ordnete die Niederschlagung der Strafen denen der Präfect
von Vico und Genossen verfallen waren. Strenge Maassregeln
wurden nicht verschmäht. Das Castell Montelupo , ein Räuber-
nest, wurde dem Erdboden gleichgemacht; mehre vornehme
Strassenräuber und eine Wegelagererbande, welche die Ge-
gend von Monterotondo bis Campagnano unsicher machte,
wurden aufgeknüpft. Eine Menge Erlasse zeigen wie der
Papst im Kirchenstaat wirklich als Herr gebot, nicht blos
5*
68 Der Kirchenstaat unter Martin V. Sta Franeesca Romana.
durch Ausübung solcher Hoheitsrechte wie Vicariatsverlei-
hungen und Bestätigungen, Creirungen von Grafschaften
wie die von Toscanella für den Condottiere Tartaglia di
Lavello, Münzrechtsbewilligungen wie die für Urbino an
Guid' Antonio von Montefeltro, sondern auch durch Eingreifen
in das Detail der Verwaltung. Zahlreiche Ernennungen zu
höheren wie geringeren Aemtem erfolgten durch den Papst
Wie die Rectoren des Patrimoniums, Schatzmeister in Campanien
und Marittima, Govematoren von Spoleto und Temi wurden
Cameralverwalter in Bologna^ Hauptleute für die Bewacliung
des Apenninenpasses , Richter in Romagna und Marken,
Steuerverwalter in Viterbo und Nami u. a. von Martin V.
direct ernannt. Er verfugte über Getreideausfuhr und Saline
in Cometo und über den Salzcontract in Bologna, bestätigte
die Privilegien Terracinas, revocirte die in der Mark den An-
führern der Truppen gemachten AbgabenbewiUigungen und die
in Marittima ertheilten Befugnisse, gewährte dem Castell Monte
Compatri Steuererlass und dem Podesta von Bologna das Recht
juristischer Doctorcreirungen, verfugte dass die Comune letz-
terer Stadt neben dem* der apostolischen Kammer gezahlten
Tribut von zehntausend Goldgulden die Summe von fünftausend
jährlich auf ihre Hochschule verwenden sollte, empfahl einen
Schulmeister für Ferentino. Die Ruhe wurde nicht gestört; in
der ganzen Umgebung Roms herrschte Sicherheit die man lange
nicht gekannt hatte. Mit Gold in der offnen Hand, sagt ein
Annähst, konnte man durchs Land ziehn.
Man begann sich wieder mit frommen Werken und geist-
lichen Dingen zu beschäftigen. Die Zeit Martins V. war die
der vornehmsten Wirksamkeit einer der populärsten Heiligen,
Sta Franeesca Romana. Franeesca, gewöhnUch Ceccolella ge-
nannt, war aus der angesehnen Famihe Bussa und vermalt«
sich jung mit Lorenzo Ponziani. Nicht die vielfachen und plötz-
lichen Glückswechsel welche in den Wirren des Schismas so
Viele und auch ihre nächsten Angehörigen prüften, waren nöthig
ihren ernsten und frommen Sinn zu wecken und ihre Gedanken
auf Abhülfe des täghch ihr vor Augen tretenden Elends zu
richten. Frauen und Jungfrauen höherer Stände schlössen sich
ihr an, Werke der Mildthätigkeit mit frommen Uebungen ver-
bindend. Eine Gemeinschaft aus welcher allmälig jene Stif-
tung erwuchs die unter dem Namen der Oblate di Tor de'
Der h. Benihardin von Siena. 69
Specchi heute noch besteht, im Leben des römischen Adels
seit dem fünfzehnten Jahrhundert eine nicht unwichtige Er-
scheinung. Der Name deutet auf das einfache von den Ein-
tretenden abgelegte Gelübde, die Darbringung des eignen Da-
seins zu gottseligen Zwecken. Der Beiname schreibt sich her
von dem umfangreichen Gebäude am Fusse des capitolinischen
Hügels, der vormaligen Wohnung der Familie Specchi, welche
Francesca gekauft hatte und wohin sie die Genossenschaft ver-
legte in welche sie, Wittwe geworden, selbst eintrat. Hier
starb sie am 9. März 1440 sechsundfünfzigjährig, nachdem sie,
gegen Bedürftige und Kranke grösste Milde und Freigebigkeit
übend, ein Leben strengster Entsagung geführt hatte. Noch
sieht man in dem grossen Kloster die von ihr vier Jahre lang
bewohnte in ein Oratorium umgewandelte Kammer mit Fenstern
im Spitzbogenstil, während von dem alten Hause der Specchi
ein Theil mit Hofraum und Thurm geblieben ist. Sie hatte
ihre Anstalt der geistUchen Pflege der Ohvetaner anvertraut,
deren Kirche an der Velia ihre entseelte Hülle aufiiahm und
nachmals, der im Jahre 1608 Heiliggesprochenen zulieb, ihren
Namen Sta Maria nuova in den von Sta Francesca Romana
umänderte.
Nicht lange nach des Papstes Rückkehr war ein anderer
voiksthümUcher Heiliger in Rom aufgetreten, einer jener Män-
ner die wie Franciscus von Assisi und Antonius von Padua
durch das Feuer der Liebe auf die Massen wirken , welche sie
an der Glut des eignen Herzens entzünden. Bernhardin von
Siena stammte aus edlem Geschlecht und hatte eine seinem
Stande entsprechende Erziehung erhalten, aber der innere
Drang ein Prediger des armen Lebens Christi zu werden fährte
ihn dem Franciscanerorden zu. Als dessen Zustände seinem
Ideal nicht entsprachen, verfiel er nicht in die radicalen Ver-
irrungen der FraticeUen, sondern unternahm eine Reform die
unter dem Namen der stricten Observanz reife Früchte getragen
hat. Als Bussprediger in ganz Italien umherziehend fand er
ausserordentlichen Zulauf, und wie lange nach ihm Fra Griro-
lamo Savonarola erklärte er dem immermehr verweichlichten
und erfindungsreichen Wohlleben beider Geschlechter den
Krieg. Am 25. Juni 1421 wurde auf dem Capitol ein grosser
Scheiterhaufen geschichtet, aus falschem Haar und sonstigem
Frauenputz, aus Glücksspielen, Musikinstrumenten und anderm
70 Martins V. Tod.
bestehend. Leider wurde drei Tage später ein anderes Autodafe
gehalten, das einer Hexe, wozu ganz Rom herbeilief. Bemar-
dinos Predigten hatten aber noch eine andere segenreichere
Wirkung. U eberall stiftete er Frieden und Versöhnung; man
sah blutige Fehden und Vendetten endigen welche jahrelang
gewährt hatten. Der Papst liess dem Buss- und Friedens-
prediger freie Hand, aber er untersagte ihm aus Besorgniss
vor abergläubischen Regungen das Tragen des Symbols des
stralenumgebenen Namens Christi mit welchem man den Heili-
gen von Siena gewöhnlich abgebildet sieht.
So verUefen Martins V. Regierungsjahre, inmitten vieler
Sorgen und unablässiger Thätigkeit von manchen schönen
Erfolgen gekrönt, wenn auch Einzelnes mislang was der Papst
beabsichtigte. Seine Haltung war voll Staatsklugheit und Be-
wusstsein seiner Würde: Niemand, sagt ein Gleichzeitiger, hatte
dem Cardinal die Lebensweisheit und Gewandtheit zugetraut
die der Papst an den Tag legte. In persönHchen Beziehungen
erwarb er sich Zuneigung. Von dem was er für die Bauten
der Stadt that, wird noch die Rede sein. Sein grösster Fehler
war die Sucht nach Geld. Wenn er hierin alle Schranken
überstiegen zu haben scheint und nicht dazu beitrug, der Curie,
welcher er ein schUmmes Beispiel gab , namentlich im Auslande
bessern Ruf zu verschaffen, so sorgte er dabei mehr noch als
für seine Verwandten für die Bereicherung des päpstUchen
Schatzes. Seine eigne Lebensweise war einfach. Die Woh-
nung die er sich, da er bei seiner Rückkehr den vaticanischen
Palast in traurigem Zustande fand, neben der von ihm umge-
bauten Apostelkirche an die Häuser seiner Ahnen anstossend
einrichtete, erschien dem heiligen Erzbischofe von Florenz
Antoninus, welcher unter seinem Nachfolger in Rom war, sehr
bescheiden. Hier starb er plötzUch, frülier schon vom Schlage
gerührt und halbgelähmt, in der Morgenfirühe des 20. Febraar
1431 nach dreizehnjähriger Regierung im Alter von dreiundsech*
zig Jahren. Die lateranische Basilika deren Fussboden er er-
neuert hatte , zeigt sein Denkmal , eine längHch viereckige
Lade mit seinem Abbild von Erz in flachem Relief auf dem
Deckel. Als nach Pins' IX. Rückkehr von Gaeta bei der Her-
stellung des Tabernakels Urbans V. und der Anlage der heu-
tigen Confession das Monument seine Stelle in letzterer erhielt
Coiiclavo und Wahlcapitulatiou. 71
gelangte man 0a keiher Yollkommenen Gewissheit über das
Vorhandensein der sterblichen Reste Dessen dem es errichtet
worden war.
5.
BU&EN IV. COLONNESISCHE HÄNDEL. CONCIL Zu BASEL.
Am 2. März 1431 traten von den zwanzig Cardinälen welche
die römische Kirche damals zählte, die dreizehn in Rom an-
wesenden im Dominicanerkloster Sta Maria sopra Minerva ins
Conclave welches durch die hier verabredete Wahlcapitulation
besondere Bedeutung erlangt hat Das Verhältniss des h.
Collegiums zum Papste war schon mehrfach zur Sprache ge-
kommen, und es war natürlich dass die ConciUen von Pisa
und Constanz vermittelst der auf denselben von den Cardinälen
erlangten Autorität einen Rückschlag üben mussten, welchen
die Verhältnisse des avignonischen Papstthums und die Ereig-
nisse während des Schismas vorbereitet hatten. £s war die
politische, gewissermaassen die constitutionelle Seite des gan-
zen Verhältnisses welche in den Vordergrund trat Urban VI.
und Gregor XII. hatten gezeigt dass sie den Cardinälen gegen-
über nur den eignen Willen zur Richtschnur nahmen: diesem
war das Concil von Constanz in den Weg getreten. Aber die
Regierung Martins V., so viel löbliches sie an sich trug, hatte
80 in der Verneinung des von dem h. CoUegium als legitim
beanspruchten Einflusses wie in der Verwendung der kirch-
lichen Einkünfte eine Willkür an den Tag gelegt, welcher die
Wähler für die Zukunft vorbeugen wollten. Die in Sta Maria
sopra Minerva getroffenen Verabredungen betrafen den maass-
gebenden Einfluss des h. Collegiums auf die zu bewerkstelli-
gende Reform der Curie »an Haupt und Gliedern«, auf das
allgemeine Concil, auf den Modus der Cardinais -Ernennungen.
Sie sicherten den Cardinälen das freie Wort beim Papste, die
Verfugung über ihr Vermögen nach gewöhnlichem Recht, die
Hälfte der kirchlichen Einnahmen. Sie bestimmten endlich
dass alle Feudatare im Kirchenstaat imd päpstlichen Beamten
zugleich für das Cardinalcollegium in Eid und Pflicht genom-
men werden und in der Sedisvacanz von demselben abhängig
sein sollten , wie es während des Concils von Constanz der Fall
72 Wahl Gabriel Condulinei's. Sau 'Giorgio iu Alga.
gewesen war, sowie dass der Papst ohife Zua||inmiing des h.
Collegiums keine Staatshandlungen von grösserer Tragweite
und bindender Kraft für die Zukunft vornehmen und den Sitz
der Curie nicht von Rom verlegen sollte.
Schon am ersten Tage des Conclaves einigte man sich
über diese Punkte. Am zweiten fand die Wahl statt. Sie
fiel auf den achtundvierzigj ährigen Cardinal von S. demente
Gabriel Condulmer Neffen Papst Gregors XII. Der erste des
Geschlechts, Marco mit Namen, war von Pavia nach Venedig
gekommen und hatte sich im Tuchhandel bereichert. In die
Verschwörung der Quirini und Tiepolo vom Jahre 1310 ver-
wickelt welche zur Befestigung der Herrschaft einer geschlosse-
nen Aristokratie diente, hatte er das Glück nicht zu den Be-
straften zu gehören. Seinem Urenkel Angelo soll in Aegypten
die Tiara in seinem Hause prophezeit worden sein. Angelos
zweite Gattin Beriola«Correr gebar ihm gegen 1383 einen Sohn
Gabriel, welcher schon in seiner Jugend Domherr in Verona
wurde. Als Gabriel, so erzählt der Florentiner Vespasiano da
Bisticci, den Vater frühe verlor und sich im Besitze eines an-
sehnlichen Vermögens befand, wollte er, von der Nichtigkeit
irdischer Dinge durchdrungen, die Bande die ihn an die Welt
fesselten so viel an ihm lag lösen, und verschenkte lun Gottes-
willen zwanzigtausend Ducaten. Mit seinem Vetter Antonio
Correr, der bereits in früher Jugend sich durch seinen ernsten
Sinn auszeichnete, beschloss er dann der Welt zu entsagen
und das Joch des heihgen Gehorsams auf sich zu nehmen.
So traten Beide in das Kloster San Giorgio in Alga.
In geringer Entfernimg westhch von Venedig erhebt sich
aus dem Wasserspiegel eine kleine Insel, die nach dem h.
Georg benannt, welchem die FamiUe Guttara hier im Jahre 1228
eine Kirche baute, den Beinamen in Alga von der Menge des
Seegrases erhielt das den seichten Boden der Lagune deckt
Der Kirche schloss sich ein Eremitaner- Augustinerkloster an,
welches Bonifaz IX. im Jahre 1397 dem Sprössling einer zuerst
im zwölften Jahrhundert vorkommenden venetianischen Fa-
tricierfamihe Lodovico Barbo als Commende verUeh. Lodovico,
damals im Jünglingsalter, statt wie so Manche die Einkünfte
seiner Commende £ui sich selbst zu verwenden, begründete
eine Congregation von seculären Stiftsherren, die den Namen
von der Insel annahmen und bald in Venedig namentUch unter
San Giorgio iu Alga. Cardinal Condulmer. 73
dem jüjogern Adel vielen Anklang fanden. Als der Stifter im
Jahre 1408 die Leitung seiner neuen Schöpfung aufgeben musste,
um die des Klosters Sta Giustina in dem drei Jahre zuyor der
Republik unterworfenen Padua anzutreten, folgte ihm als Prior
Lorenzo Giustiniani, nachmals Venedigs erster Patriarch, wel-
chen sein Landsmann Alexander YIU. im Jahre 1690 der Zahl
der Heiligen zuschrieb. £r vollendete was sein Vorgänger be-
gonnen hattQ, und die Congregation von S. Giorgio in Alga
entwickelte schon in den letzten Zeiten des Schismas eine
segensreiche Thätigkeit, die ihr in der Kirchen- wie in der
Gelehrtengeschichte Venedigs den ehrenvollsten Namen gemacht
hat Als Cardinal Angelo Correr, welcher als Venetianer und vor-
maliger Bischof seiner Vaterstadt von dieser Congregation genaue
Kenntniss hatte , im Jahre 1406 zum Papste gewSlilt ward , be-
scbloss er seinen Neffen Antonio zum Cardinal zu machen.
Dieser, so berichtet Vespasiano, woUte um nichts auf der Welt
sein Kloster verlassen. Endhch aber vom Papste genöthigt
willigte er ein unter der Bedingung, dass Messer Gabriel Condul-
mer auch den Purpur erhalten sollte, womit der Papst ihm zu
lieb einverstanden war. Es war die verhängnissvolle Cardinals-
creation vom 9. Mai 1408, in welcher Antonio Correr imd Gabriel
Condulmer ernannt wurden, nachdem Beide schon eine Zeit-
lang sich bei der Curie befunden hatten. Gregor XU. hatte
Letzterm das Bisthum Siena übertragen, ihn jedoch, als die
Bewohner der Stadt Einspruch thaten, zum Kammerkleriker
und Schatzmeister gemacht, in welcher Eigenschaft dieser
seinem Oheim nach Lucca gefolgt war. Martin V. hatte dem
Neffen Gregors XTT. stets Vertrauen bewiesen und ihm zwei
wichtige Legationen übertragen, die der Mark Ancona dann
die bolognesische. Kurz vor Martins Tode war der Cardinal
Condulmer nach Kom gekonmieu. Die Wähler waren fast
sämmtiich Italiener, wie denn überhaupt während Martins Re-
gierung das Verhältniss der itatienischen Cardinäle sich wieder
als ein überwiegendes gestaltet hatte. Denn unter den neun-
zehn, nach Anderen zwanzig damals lebenden Mitghedern des
h. CoUegiums zählte man nur acht Ausländer, drei Franzosen
Pierre de Foix und die Erzbischöfe von Ronen und Arles
Jean de La Rochetaille und Louis Aleman, ebenso viele Spanier
Juan Cervantes, Domingo Ram und Alfonso Carillo, einen
Soglaiider Henry Beaufort Bischof von Winchester, und Hugo
74 Papst Eugen IV.
von Lusignan Erzbischof von Nicosia Bruder des Königs von
Cypern.
Am 12^ März 1431 wurde Eugen IV. auf den Stufen der
yaticanischen Basilika durch den Cardinal de' Conti gekrönt,
worauf die gewohnte Procession nach dem Lateran stattfand.
Als er zum yaticanischen Palast zurückgekehrt öffentliches
Consistorium hielt, ereignete sich der Unfall, dass unter der
zusammengeströmten Menge die Balken nachzugeben begannen
und allgemeine Flucht entstand so dass der Bischof Ton Seni-
galUa im Gedränge erdrückt ward. Es war eine schlimme Vor-
bedeutung für die beginnende Regierung. Inderthat sin«^ wenige
Pontificate so ruhelos und gestört gewesen, wie dieser. Man
mögte sich darüber wundern wenn man die Earakterschilde-
rung Eugens IV. Uest, wie sie uns von einem seiner Zeitge-
nossen vorUegt, der, wenn er im Allgemeinen zum Lobe mehr
als zum Tadel geneigt ist, Personen und Verhältnisse zu gut
kannte und eine zu ehrUche Gesinnung an den Tag legt, als
dass wir ihm nicht Vertrauen schenken sollten. Dieser Mann,
dessen Name schon genannt ward, ist ein florentiner Buch-
händler, der die werthvollsten Mittheilungen über die hervor-
ragendsten Personen seiner Zeit hinterlassen hat
»Papst Eugenius, sagt Vespasiano da Bisticci, war hoch
von Gestalt, von schönem ehrfurchtgebietenden Aeussern,
mager , ernst und gemessen. Er machte auf die Leute in seiner
Gegenwart einen solchen Eindruck, dass sie kaum zu ihm auf-
zubhcken wagten. Als er während seines Aufenthalts in Flo-
renz einmal mit seinen Cardinälen auf der neben dem Eingang
zum Kloster Sta Maria Noveila errichteten Tribüne stand, wah-
rend das Volk den Platz nicht nur sondern die benachbarten
Strassen füllte, und er das »Adiutorium nostrum in nomine
Domini. begann, vernahm man auf aUen Seiten nichts aU
Schluchzen, so überwältigend war die Majestät des Statthal-
ters Christi, welcher in Wahrheit Der schien den er vorstellte.
Seine Lebensweise war die einfachste. Unter seiner Papstklei-
dung trug er ein Hemde von Sarsche. Er trank keinen Weiu
sondern Wasser mit Zucker und etwas Zimmt. Seine Malzeit
bestand aus einer einzigen Schüssel Fleisch, meist gesottenes,
nebst Gemüse und Obst die er hebte; er hatte keine bestimmte
Speisestunde, sodass sein Hofgesinde stets etwas für ihn be-
reit hielt. Audienzen ertheilte er bereitwillig nachdem seine
Papst Eugen IV. 75
Geschäfte abgemacht waren, namentlich Geistlichen und Sol-
chen die er als rechtschaffene Leute kannte. Er war freigebig
und theilte reichliche Almosen aus, in dem Grade dass er
immer in Schulden war, da er Geld nicht schätzte und nichts
for sich behielt Als eines Tags ein florentiner Bürger Feiice
Brancacci, arm und landesverwiesen , den Papst um Unter-
stützung bat, liess dieser eine mit Florenen gefüllte Börse
holen und sagte Jenem er möge nehmen soviel er wolle. Da nun
der Mann schüchtern wenige Goldstücke nahm , sprach Eugen
lachend: greift tüchtig zu, ich gebe euch das Geld gerne. So
verschwand das Geld bei ihm alsbald nachdem es gekommen
war. Eines Tages brachte man ihm ein Säcklein mit vier- oder
fünftausend Florenen, die er Messer Bartolommeo Rovarella,
welchen er bei sich hielt, zum Aufheben gab. Da dieser eben
beschäftigt war, steckte er das Säckchen unter die Matraze
des Bettes des Papstes wo es mehre Tage liegen blieb. Nun
traf es sich dass der Papst, während er in seiner Schlaf kam-
mer war, Einem ein Geschenk machen wollte und von Messer
Bartolommeo das Säckchen zurückverlangte. Dieser scheute
sich, es aus dem Bette hervorzuholen, musste es aber doch
am Ende thun, worauf der Papst sehr erziirnt war und ihn
schalt, weil er die Leute glauben machen könnte dass er auf
Geld einen besondem Werth lege, während man es gering-
schätzen müsse. Beständig hatte er vier Klostergeistliche bei
sich, zwei Benedictiner und zwei von seinem eignen Orden,
die einander Nachts in seiner Kanuner ablösten, nebst einem
Weltpriester. Mit den Vier betete er das Officium Tag und
Nacht; zur Matutin stand er immer auf, und wenn er aus
dem Schlaf erwachte, Hess er sich eins der Bücher reichen die
neben seinem Bette lagen, und las eine Stunde und nach Um-
ständen länger, indem er aufrecht sass und das Buch vor sich
auf einem Kissen zwischen zwei Lichtem liegen hatte. Mehre
seiner Verwandten, so GeistUche wie Weltliche , waren zu ihm
gekommen. Vom weltlichen Besitz der Kirche erhielten sie
nichts, indem er der Ansicht war, er könne nicht verschenken
was nicht sein war. Sonst sah man an seinem Hofe manche
Edelleute, Neapolitaner und andere, denen er ein massiges Ge-
halt auszahlen liess.«
Man mögte sich darüber wundem, dass bei so tüchtigen
Eigenschaften Eugens IV. Regierung so wenig Glück brachte.
76 Rom und der Kirchenstaat unter Eugen IV.
Die Schuld lag nicht immer an ihm noch an dem Starrsinn,
über welchen seine Zeitgenossen geklagt haben. Eugen lY.,
persönlich ein tüchtiger und achtungswerther Mann , hat
als Regent Fehler gehabt; die Ungunst der Umstände stei-
gerte sie. Derselbe Autor dem wir die Schilderung Roms
zur Zeit Martins V. verdanken, Poggio Bracciolini, giebt uns
ein ergreifendes Gemälde des Contrastes welchen die öffent-
lichen Zustande unter dem Nachfolger dieses Papstes darboten.
»Wer hätte geglaubt, so sagt er, dass das goldene Zeitalter
welches Martins V. Weisheit uns zurückgebracht hatte, in
solches Elend und so grossen Ruin verwandelt werden würde?
Friede, Ordnung, Ruhe, Sicherheit der zur Stadt fahrenden
Strassen blühten unter Papst Martins Herrschaft in einem
Maasse wie niemand sich dessen erinnerte. Alle Unterthanen
blickten auf den Papst mit Vertrauen , die Stadt Rom wie alle
Städte des Kirchenstaats erfreuten sich ungestörten Friedens.
Alles gehorchte ihm, und die Christenheit war in Eintracht,
welche gegenwärtig so rasch durch der Menschen oder der
Zeiten Schuld in Hader und Unheil verkehrt worden ist An
die Stelle des Friedens ist wilder Krieg getreten, statt der
Müsse haben wir Mühseligkeiten, statt der Ruhe Erschöpfung,
statt des Reichthums Mangel, statt der Sicherheit Zwist und
Nachstellungen, statt des Gehorsams und der Treue Empö-
rung, nicht in den päpstUchen Dominien blos sondern im übri-
gen Itahen. Selten hat ein Pontificat den Provinzen der römi-
schen Kirche so viel Unglück gebracht wie der von Martins
Nachfolger. Verwüstete und geplünderte Städte, eingeäscherte
Dörfer, zertretene Aecker, von Räubern umlagerte Strassen,
überall Mord und Brand. Ueber fünfzig zugrundegerichtete
Ortschaften, allerwärts Willkür und Grausamkeit der Söldner,
Gefangene als Sklaven verkauft, die Kerker mit Hungernden
gefüllt. Rom von tägUchen Fehden zerfleischt, verarmt, von
seinen gewohnten Hülfsquellen abgeschnitten, wurde durch
Verzweiflung zu Neuerungen und zum Abfall vom Papste ge*
trieben. Schhmmer noch stand's mit Spoleto, mit Assisi, mit
den Städten der Marken. Manche warfen die Schuld allen
Unglücks auf den Papst als unruhig und kriegslustig. Andere
verklagten seine Räthe indem sie ihn selbst für friedfertig aus-
gaben. Ich habe in ihm viele Tugenden erkannt, mogten sie
aufirichtig, mogten sie blosser Schein sein,«
Streit mit den Coloiiiia. AngrifT anf Rom. 77
So hatten sich in kurzer Zeit die Dinge verändert. Die
Anlasse zu dieser Veränderung lagen aber theilweise um
manche Jahre rückwärts. Die maasslose Begünstigung und
flrhöhung der Colonna, diese Schattenseite im Leben Martins V.,
trug alsbald ihre schlimmen Früchte. Ein Theil des päpstlichen
Schatzes, so Kostbarkeiten wie baares Geld das zu einem Unter-
nehmen gegen die Türken hatte dienen sollen, befand sich bei
Martins Tode im Palast bei den Aposteln neben den colonna*
sehen Wohnungen, wie man sagte auch auf colonnaschen
Borgen. Die Nepoten hielten nicht nur die Engelsburg be-
setzt sondern hatten ihre Castellane in mehren umbrischen und
romagnolischen Städten. Nachdem Eugen IV. den h. Stuhl
bestiegen hatte, suchten die Colonna sich abzufinden. Sie
räumten das Castell und lieferten einen Theil des Schatzes
aus, angeblich das Ganze desselben. Aber der Papst, wie es
heisst durch die Cardinäle Orsini und de' Conti gereizt, war
dadurch nicht befriedigt. Er Uess den Vicecamerlengo und
den Bischof von Tivoli, seines Voi^ängers Vertraute, verhaf-
ten und eine peinliche Untersuchung beginnen die mit grösster
Rücksichtslosigkeit und Härte gefuhrt wurde. Endlich ver-
langte er die Herausgabe der den Colonna unter der letzten
Regierung verUehenen Ortschaften. Da verliessen der Cardinal
Prospero, Antonio und Odoardo Colonna Rom; Stefano von
Palestrina und andere folgten ihnen. Verschiedene Barone, so
die Savelli und die Caetani, machten mit ihnen gemeinsame
Sache; im Innern hatten sie Einverständniss. Am 23. April
1431 überfielen sie von Marino kommend unter Leitung Antonios
Fürsten von Salemo die Stadt, indem sie sich mit List der
Porta S. Sebastiano bemächtigten und drangen bis S. Gregorio
vor, während ein anderer ihrer Haufen imter Führung Ste-
fanos vom flaminischen Thore her bis in die Nähe von S.
Marco gelangte. Aber unter dem Volke fanden sie nicht
den erwarteten Anhalt Der Ruf Kirche! Kirche! erscholl,
und da ein päpstlicher Soldhaufe unter Lodovico und Gio-
vanni Mostarda sie angrifi*, mussten sie sich zurückziehn. Drei-
hundert der Ihrigen sollen sie an Todten und Gefangenen
zurückgelassen haben; die Barricaden bei ihren Palästen wur-
den von den Päpstlichen erstürmt. Doch hielten sie noch
über einen Monat lang das appische Thor wo die Belisarischen
78 Streit mit den Colonna. Concil zu Basel.
Thürme und der Drususbogen mit den anschliessenden Mauern
zu einer festen Burg umgeschaffen waren.
Nun begann das herkömmliche gegenseitige Werk der Ver-
wüstung von welchem Rom Jahre hindurch frei gebheben war.
Der Papst liess die Häuser der Aufständischen und ihrer
Freunde verheeren, während diese in der Campagna wegnah-
men oder verbrannten was ihnen in die Hände fiel. Sie wur-
den in den Bann gethan, ihrer Würden und Lehne verlustig
erklärt. Venedig und Florenz standen dem Papste bei, auch
die Königin Johanna, die doch in der Erinnerung an Martin V.
einen Anlass zum Wohlwollen gegen seine Angehörigen hätte
finden sollen, sandte Truppen, die jedoch wie wahre Mieth-
linge zweimal Partei wechselten und Eugen wie seine rebelli-
schen Unterthanen schweres Geld kosteten. Im Spätsommer
wurde Friede geschlossen, nachdem ein Versuch, den CoIodde
die Engelsbui^ in die Hände zu spielen mislungen war. Die
Brüder und ihre Anhänger unterwarfen sich, zahlte\i ansehn-
liche Summen welche im Verein mit den an die neapolitani-
schen Condottieren verschwendeten ihre Gassen leerten, wurden
wieder in den Besitz ihrer Lehne gesetzt. Der Bischof von
Recanati Giovanni Vitelleschi, welcher am 8. Mai zum Com-
missar bei dem päpstUchen Heere in Campanien ernannt wor-
den war, setzte dann den Kampf gegen den Präfecten Giacomo
di Vico fort, welcher mit der Ruhelosigkeit seines Geschlechts
auch an dieser Fehde theilgenommen hatte, eroberte seine Bur-
gen, zwang ihn zur Flucht nach Toscana.
So standen die Dinge als eine Verwicklung begann , welche
Eugens IV. ganze Regierung zu trüben und zu verbittern be-
stimmt war. Am 23. JuU 1431 war das Concil in Basel eröff-
net worden , gemäss der von Martin V. ungern angenommenen,
von seinem Nachfolger bestätigten Wahl des Ortes, wo man
das zu Constanz begonnene Werk zu Ende zu bringen hoffte,
nachdem die italienischen Synoden sich zu dessen FortfiibruDg
unvermögend erwiesen hatten. Sieben Wochen später traf
Cardinal Giuliano Cesarini, vom Papste zum Vorsitzenden Le-
gaten bei der Versanunlung erkoren , aus dem östhchen Teutsch-
land ein wo die hussitischen Händel ihn festgehalten hatten.
Die Stimmung im Abendlande hatte sich seit Constanz nicht
nur nicht gebessert sondern beiweitem verschlimmert, indem
der antipäpstUche Geist aus der Vereitlung der Reformprojekte
Reich und Kirche seit dem constanzer Concil. 79
wahrend der Regierung Martins V. neue Nahrung geschöpft
hatte. Ueberdies wollte es das Unglück dass in Basel jene
hervorragenden Männer fehlten, welche in Constanz bei allem
Eifer far Einheit und Reform ihre theilweise gewagten Prin-
cipien der ausgleichenden Praxis untergeordnet hatten, und
dass die baseler Versammlung, indem sie sich auf den Boden
ihrer Vorgängerin stellte, die radicale und maassgebende Ver-
schiedenheit der Lage nicht in Anschlag brachte. Ein anderes
Unglück war es dass die Curie vonvomherein gegen die Syn-
ode unbezwingbare Vorurtheile hegte welche durch Zwiespalt
im h. Collegium nur gesteigert wurden. Diese Vorurtheile waren
es wesentlich, welche kurz nach dem Anfang der Verhandlun-
gen in Basel zum unheilvollsten Bruch führten.
Ein Rückblick auf die Verhältnisse wie sie sich seit dem
constanzer Concil so auf geistlichem wie auf weltlichem Ge-
biete gestaltet hatten, macht es klar welche unberechenbaren
Folgen das Scheitern der von dieser Versammlung angeregten
Hoffnungen so in Bezug auf die- Kräftigung der Reichs-
gewalt wie auf die Reformation nach sich zog. In Constanz
hatte man einen Augenblick hoffen dürfen, König Sigmund
werde die Idee der Obrigkeit gegenüber der territorialen Zer-
rissenheit und der verjährten systematischen Auflehnung gegen
Kaiser und Reich wieder zur Geltung bringen. Zugleich hatte
man dem Gedanken Raum geben dürfen, das alte Schutzver-
hältnisB zur Kirche, dessen Aufhören diese weit über ein Jahr-
hundert lang schwer genug empfunden hatte, werde in einer
den veränderten Umständen entsprechenden Weise wiederbelebt
werden. So diese Hoffnungen wie jene einer wirkhchen Reform
an Haupt und GUedem waren schon vor dem Ende des Con-
cils als gescheitert zu betrachten. Die Consequenzen folgten
auf dem Fusse. Die Reichsgewalt zeigte sich völlig unföhig
deo Sturm zu beschwören , als» die von den Reichsständen auf
die Massen übergegangene Opposition in unvermeidlicher Steige-
rung in wildesten Radicalismus ausartete. Die Schwächung der
Reichsgewalt war es auch, was die beiden Bollwerke Teutsch-
lands gegen den Norden, den Hansebund und den preussischeu
Ordensstaat, vollends untergrub und so zugleich das Sinken
der teutschen Seemacht und das Wachethum Polens förderte,
während in den westlichen Theilen die Ablösung von Provin-
zen sich vollzog, deren längst begonnene Entfremdung kaum
80 Reich lind Kirche seit dem constanzer Concil.
einen andern Verlauf nehmen konnte. Di6 Kirche, in welcher
aristokratische Ansprüche auf Kosten des monarchischen Ab-
solutismus sich geltendgemacht hatten, statt ihren innersten,
nicht blos von den Auswüchsen der Papstgewalt herrührenden
Gebrechen abzuhelfen , war mit dem Verlust der Führung der
Gewissen von dem Moment an bedroht, wo eine tiefgehende
Aufregung das eigentliche Volk ergriff. Die böhmische Revo-
lution war zugleich der Ausbruch des blinden Hasses gegen
das Teutschthum und die blutige Nutzanwendung der vom
Concil selbst gegen Papst und Clerus geschleuderten Anklagen.
Man kann Martin V. nicht vorwerfen er habe den Ernst
der Lage verkannt. Namen und Persönlichkeit der von ihm
nach Teutschland gesandten Legaten sprechen dagegen. Aber
dogmatische Verhandlungen , wo der eine Theil das Fundament
des andern verneinte, und die tiefwurzelnde Ansicht von der
Unwürdigkeit des Clerus den Boden für eine Verständigung un-
terhöhlt hatte, Kreuzzüge gegen ein Volk, welches von einer
religiösen Idee fanatisirt in seinen Siegen zum Bewusstsein in-
nerer Kraft gelangt war, waren gleich ohnmächtige Mittel wie
der dem Jahre 1422 angehörende päpstliche Plan einer Thei-
lung Böhmens. Der Papst hatte, als man in den Kampf ging,
in seinem Rundschreiben an den während der Schlacht beten-
den Moses erinnert, aber es war nicht das Glaubensheer das
gleich den Israeliten den Sieg erfocht Die entsetzlichen Ver-
heerungen des Krieges imd die auch in Teutschland um sich
greifende gefahrvolle Erregung der unteren Stände hätten beim
nahenden Ende von Martins Regierung dem Gedanken einer Wie-
deraufnahme des Kampfes entgegenwirken sollen. Dennoch trug
man sich so in Rom wie auf König Sigmunds Seite mit diesem
Gedanken zur selben Zeit, wo das Verlangen nach dem Concil
immer lebendiger ward. Ein Verlangen das in dem in Rom
selbst am 8. November 1430 an die Kirchthüren angeschlagenen,
von teutschen Fürsten ausgehenden Programm, worin schon
im Fall der Weigerung der Curie mit Nöthigung und Obedienz-
entziehung gedroht wurde, einen bedenklichen Ausdruck fand.
GiuUano Cesarini , dessen Erhebung zur Cardinalswürde
gerade am Tage dieses beunruhigenden Anschlags publicirt wor-
den war, sollte zugleich den böhmischen Kreuzzug und das
Concil lenken, dessen Führung der Papst ihm am 1. Februar
1431, drei Wochen vor seinem Tode, übertrug. Wie der
Cardinal Cesariiii, Ronig Sigmund und das Concil. 81
Legat den ersten Auftrag ausführte, zeigt der böhmische Feldzug
rom folgenden Sommer mit der am 14. August fast ohne Kampf
erlittenen, so furchtbaren wie schmachvollen Niederlage bei
Tauss, wobei sein Legatenkreuz und die päpstliche Kreuzzugs«*
bulle den Ketzern in die Hände fielen. Verkleidet musste er
sich, nachdem er den Böhmen entronnen, vor dem Grimm der
Teutschen retten welche über Verrath ihrer Fürsten schrieen.
In solcher Verfassung und mit solchen Erfahrungen traf
der Cardinal im September in Basel ein. Was ihm, der
Teutschland schon von früherm Aufenthalt her kannte, nicht
entgangen sein konnte, wurde nun zur Ueberzeugung für die er
mannhaft eingetreten ist. Nur von der Versöhnung der Böh-
men erhoffte er Beruhigung, nicht für Böhmen blos sondern
(ilr ganz Teutschland. Diese Versöhnung konnte nicht ohne
durchgreifende Keform des Clerus erzielt werden, die Reform
aber konnte nur das Concil durchfuhren. Er sprach es aus,
von der Auflösung und Entartung des Clerus rühre die Er-
bitterung der Laien wider das Kirchenthum her. Werde jenen
nicht Abhülfe, so werde die Drohung der Laien nach Hussiten-
art gegen den Clerus loszubrechen zur That reifen. Es sei die
Schändlichkeit dieses letztern worin die Irrthümer wie die Ver-
wegenheit der Böhmen Nahrung schöpften. Wäre kein allge-
memes Concil versammelt, so müsste man eine Provinzialsynode
zusammenrufen, sonst werde nach dem Ende der böhmischen
Ketzerei eine andere ausbrechen.
Gleicher Ansicht wie Giuhano Cesarini war König Sig-
mund. Er versuchte nochmals friedhche Beilegung und for-
derte die Böhmen auf das Concil zu beschicken. Eine förm-
liche Einladung erging von der Versammlung am 18. October.
Es fehlte ihr nicht an Aussicht, indem nach erfochtenem voll-
standigen Siege die längst divergirenden Meinungen der Auf-
standischen völlig auseinandergingen, und die mildere Partei
für eine Verständigung war. Unglücklicherweise weckte aber der
blosse Beschluss einer Verhandlung des Concils mit den Hus-
siten in solchem Maasse des Papstes Argwohn, man wolle
schon entschiedene Streitfragen wieder erneuern, dass die
äusseren Gründe die ihn schon gegen die Versammlung stimm-
ten, dadurch entscheidend verstärkt wurden.
. Die Zahl der Theilnehmer war äusserst gering. Die Um«
Stande waren wegen drohender Kriegsbewegungen ungünstig,
▼. Rcomont, Rom. UI. G
82 Versuch der Verlegung des Concils.
die an den Papst gelangten Berichte entmuthigend. Zugleich
drangen die Griechen , deren Wiedervereinigung mit der abend-
ländischen Kirche neben der beabsichtigten Reform Hauptauf-
gabe der Versammlung sein soUte, auf Abhaltung derselben in
einer italienischen Stadt Diese sind die Anlässe welche
Eugen IV. bewogen, am 12. November 1431 die Auflösung der
kaum begonnenen baseler Synode und deren Verlegung nach
Bologna zu decretiren, was am 18. December in schärferer
Fassung wiederholt ward, nachdem Verhandlungen mit den
Hussiten angeknüpft waren. Ein Schritt der das schon rege Mis-
trauen auf's höchste steigerte und zunächst das Gegentheil
von dem zuwegebrachte was in des Papste^s Absicht lag. Denn
nun erhielt die bis dahin kaum im Entstehn begriffene Synode
eigentUches Leben und Kraft, indem die Opposition gegen das
Papstthum in der Besorgniss, dasselbe werde ein italienisches
Concil nur zur Erreichung seiner eignen Zwecke benutzen,
Nahrung fand. Durch Rücksicht auf die bedenkliche Stim-
mung in den transalpinischen Ländern, die er ebenso wie die
Meinung König Sigmunds und anderer Fürsten genau kannte,
vielleicht mehr noch als durch Hoffnung auf Ausgleichung der
bestehenden Differenzen bewogen , erklärte sich Cardinal Cesa-
rini im Januar 1432 in einem Schreiben an den Papst entschie-
den gegen die bedenkliche Maassregel. Die Auflösung des Con-
cils, stellte er dem Papste vor, sei der Sieg der Häresie, vor
welcher die Kirche zu fliehn scheine nachdem Waffenmacht
vor ihr geflohen. Sie sei das Greständniss der Unverbesserlich-
keit des Clerus, nachdem nun schon so viele Concihen ohne
Reform vorübergegangen; sie sei eine Aufiorderung zum Vor-
gehn des feindhchen Laienstandes. »Der Menschen Gemüther
sind mit Bösem schwanger und schon beginnen sie das Gift
auszuspeien. Raub und Mord an Klerikern verübt wird ihnen
ein gottgefälliges Opfer scheinen. Das Concil hemmte sie noch:
wird es aufgelöst so werden sie alle Zügel schiessen lassen.
Alle Schuld, aller Hass, alle Schmach werden auf die Curie
fallen.«
Giuliano Cesarini sah das Schisma voraus. Er legte das
Präsidium nieder, aber die Synode löste sich darum nicht auf
Zwar trat sie mit Eugen in Unterhandlung zum Zweck der
Zurücknahme seiner Decrete, aber die Zustinmiung von Für-
sten, Bischöfen, Doctoren weckte und steigerte von Tag zu
Versuch des Vergleichs zwischen Papst und Concil. 83
Tag einen Widerstand der bald in Trotz ausartete. Auf die
Appellation an einen besser unterrichteten Papst und die ver-
schärfte Erklärung der Autorität und Unauflösbarkeit der Ver-
sammlung folgten die im April an Papst und Cardinäle erlassene
Aufforderung, persönlich oder mittelst Vertretung zu erscheinen,
die Androhung des gerichtlichen Verfahrens und der Suspen-
sion im Weigerungsfalle, andere zum Theil persönUch feindselige
und gehässige Scluritte. Die Lage wurde für Papst Eugen umso
bedenklicher, da nicht nur. im Cardinalcollegium eine Spaltung
ausbrach, sondern König Sigmund, der nur von einer jenseit
der Alpen tagenden Eirchenversammlung eine Ausgleichung der
hussitischen Streitigkeiten hoffte, sich auf Seiten der Baseler
stellte, deren Uebergriffe er jedoch misbilligte, während er
den schon drohenden äussersten Schritten vorzubeugen be-
müht war.
So verging der Rest des Jahres 1432, während das Concil
immermehr Theilnahme gewann. Da beschloss Eugen IV.,
von dem aufrichtigen Wunsche beseelt den Frieden der Kirche
zu erhalten und den teutschen Irrungen ein Ende zu machen,
alles was von ihm abhing zu thun, diesen doppelten Zweck
zu erreichen. Er hatte gewissermaassen im eignen Hause von
der firühem Spaltung zu schweres Unheil erlebt, um nicht einer
neuen aus dem Wege zu gehen. Im Februar 1433 versuchte
er die erste Annäherung, welcher im Juli weitgehende Ver-
gleichsvorschläge folgten. Die Aufnahme welche dieselben fan-
den, war nicht 'ermuthigend ; je versöhnlicher der Papst sich
zeigte, umso höher spannte die Versammlung ihre Ansprüche,
ungeachtet um dieselbe Zeit als jene Annäherung stattfand,
der Versuch einer Ausgleichung mit den Hussiten fehlschlug.
Dasselbe Concil welches mit dem Papstthum wegen der Auto-
ritatsfragen haderte, wich indess nicht von dein katholischen dog-
matischen Standpunkt ab, wie Cesarini zwei Jahre früher dem
Papste beruhigend vorhergesagt hatte. Endlich am 15. De-
cember erfolgte der Schritt welcher die Ausgleichung zu sichern
schien. Eugen trat der Synode einfach bei, indem er deren
Rechtmässigkeit und Continuität von ihrem Beginn an aner-
kannte, seine Beschlüsse gegen dieselbe wegen veränderter
Umstände zurücknahm, Förderung ihres Werkes zusagte , wäh-
rend er zugleich die wider ihn selbst und den h. Stuhl gerich-
teten Beschlüsse für aufjgehoben erklärte und deren Widerruf
84 König Sigmund und Eugen IV.
vorschrieb. Die päpstlichen Legaten hatten den Vorsitz wieder
übernommen. -
Auf diese friedlichere Wendung der Dinge hatte Konig Sig-
mund bestimmenden Einfluss geübt. £r hatte sich auf Seiten der
Versammlung gestellt als der Papst sie verlegen wollte, indem
die teutschen und andere Angelegenheiten ihm ein auf der
Nordseite der Alpen tagendes Concil nothwendig erscheinen
liessen. Aber die in Basel immer deutlicher an den Tag tre-
t(inde Tendenz, den in Constanz aufgestellten Principien eine
Tragweite zu geben welche den ganzen Bau der Hierarchie um-
zustürzen drohte , hatten bei ihm wie bei anderen Fürsten ernste
Bedenken geweckt. Noch andere Gründe bewogen den König
sich dem Papste zu nähern. Nachdem er zwanzig Jahre lang
den Titel eines römischen Königs getragen, wollte er endlich die
lombardische und die Kaiserkrone empfangen die seit seinem
Vater Niemand getragen hatte. Im Spätherbst 1431 hatte Sig-
mund, nun dreiundsechzigjährig, die Alpen überschritten. Früher
bereits hatte er mit Herzog Filippo Maria das alte Bündniss des
luxemburgischen Hauses mit den Visconti erneuert, ohne jedoch
den Herrn von Mailand, der gleich geringes Vertrauen weckte
und empfand, zum zuverlässigen Bundesgenossen zu machen,
wie es denn auch schon während des Aufenthalts Sigmunds in
Italien zwischen ihnen zum Bruch kam. Am 25. November
empfing der König in Mailand die eiserne ICrone. Während
des ganzen Jahres 1432, das er theils in der Lombardei theiis
in Lucca und Siena zubrachte , war er mit den steigenden Zer-
würfnissen zwischen Papst und Concil beschäftigt. Noch stand
er umsomehr auf Seite des letztern , je weniger er mit Eugens
Haltung in dem Streit zwischen Mailand und Venedig zufrieden
war. Im Frühling 1433 erreichten endlich die von seinem ge-
gewandten Kanzler Caspar Schlick geführten Unterhandlungen
mit dem Papste das Ziel. Am 15. April, kurz vor dem Auf-
bruch aus Siena wo er manche unerfreuliche Erfahrung ge-
macht hatte, konnte Sigmund dem Concil die Verständigung mit
dem Papste in sichere Aussicht stellen, nachdem dessen Aner-
kennung durch Letztern schon erfolgt war. Um dieselbe Zeit
befreite der durch päpstUche Vermittlung geschlossene Friede
mit Venedig den König von schwerer Sorge und unerschwing-
lichen Ausgaben.
So zog unter besseren Verhältnissen Sigmund nach Rom.
Kaiserkromuig Sigmunds von Luxemburg. 85
Am 21. Mai, dem Himmelfahrtsfeste, traf er ein. Sechshundert
Ritter und achthundert Füsser bildeten sein Gefolge ; die Kosten
bestritt der Papst, da des Königs Seckel wie gewöhnlich leer
war. Eine Menge romischer Edlen waren ihm entgegengeritten
und begleiteten ihn beim Einzug. Musikbanden und Fahnen-
trager waren vorauf, ihnen folgten verschiedene Gesandtschaf-
ten, die stadtischen Magistrate in neuen Kleidern von weissem
Tuche, zahlreiche Bürger Oelzweige in den Händen, über
hundert Gaukler mit Fackeln und Schellen. Ein Jüngling in
purpurnem Gewände warf Geld unter die Menge. Sigmund
ritt auf weissem Ross unter einem Thronhimmel vor welchem
die Reichsinsignien getragen wurden. Poggio Bracciolini schil-
dert sein Aeusseres. »Seine Miene war lächelnd, sein Aus-
druck majestätisch zugleich und anmuthig, sodass man alsbald
den Herrscher in ihm erkannte, sein Bart lang und in's Graue
spielend.« In Pontiiicalkleidung empfing ihn der Papst auf den
Stufen von St. Peter. Der König küsste ihm Fuss, Hand und
Mund, dann gingen sie zur Kirche wo das Messopfer stattfand.
Sigmund bezog die am Vatican belegene Wohnung des Vice-
camerlengo Cardinais von Arles, seine Beamten und Diener
wurden in Sto Spirito und im Borgo untergebracht
Zehn Tage später, am Pfingstfest, erfolgte die Krönung.
Seit 213 Jahren, seit Honorius III. und Friedrich II. von Hohen-
staufen , hatte kein Papst diese Ceremonie vollzogen. Aus Eugens
Hand empfing Sigmund die Krone, nachdem er vor dem Ein-
tritt in die Kirche den Eid geleistet hatte dessen Form zwischen
ihnen verabredet worden war. Nach beendeter Messe gingen
Papst und Kaiser, jener das Crucifix dieser das Schwert hal-
tend, die Stufen der Basilika hinab, wo Eugen sein Maulthier
bestieg welches Sigmund drei Schritte weit führte. Dann stieg
er selbst zu Rosse und so ritten sie von glänzendem Gefolge
begleitet bis an den Aufgang zur Engelsbrücke, wo sie sich
trennten. Auf der Brücke schlug der Kaiser eine Menge Ritter,
Italiener wie Teutsche und Andere, dann zog er zum Lateran
von wo er Abends nach seiner Wohnung im Vatican zurück-
kehrte. Die Annahme des Doppeladlers zum Reichssiegel
schreibt sich von dieser Krönung her. Bis gegen Mitte August
verweilte Sigmund in Rom. Der geistvolle hochgebildete Mann
nahm an der Stadt lebendiges Interesse. Sein Führer war einer
der Ersten in der grossen Zahl Jener, die wissenschaftliche
86 Sigmund in Rom. Reise nach Basel.
Zwecke mit der Benutzung von Studien und Entdeckungen als
Erwerbsquelle verbunden und Reisen und Antiquitatensammeln
zum Geschäft gemacht haben, Ciriaco von Ancona, von dem
noch wiederholt die Rede sein wird. Der Unermüdliche war
in Siena zum Könige gekommen und hatte ihn nach Rom be-
gleitet, wo er ihm als Cicerone diente. »Mir schien, so schrieb
er später, es mache auf das Gemüth des erhabenen Fürsten
nicht geringen Eindruck, dass die heutigen Römer die in ihrer
Stadt zerstreuten mächtigen und schmuckreichen marmornen
Bauten, Statuen und Säulen, die einst mit solchem Aufwand,
solcher Pracht, solcher Kunst von Architekten und Bildhauern
errichteten Werke, in ihrer schmachvoll schmutzigen Unwissen-
heit tagtägUch zu Kalk verbrennen, sodass bald nicht eine Spur
derselben für die Nachwelt bleiben wird. Pfui über solche
Frevel! Und ihr, des romulischen Geschlechts ruhmvolle Manen,
»schaut auf das Treiben herab und erfleht die verdiente Bestrafung!«
Sigmunds Verhandlungen mit dem Papste hatten günstigsten
Erfolg. Während der Kaiser sich dem Eindruck der achtung-
gebietenden Persönlichkeit Eugens IV. nicht entziehn konnte,
gewann dieser eine klarere Anschauung der Lage der Dinge in
ausseritalischen Landen. Des Papstes Nachgeben bestimmte des
Kaisers Haltung, als dieser, der am Maria Himmelfahrtstage
bei dem am Tiber anmuthig gelegenen orsinischen Castell
Monterotondo gelagert, durch Umbrien, Romagna und Tirol
am 11. October 1433 in Basel anlangte. Er wollte ernstlich
den Frieden. »Zu jeder Zeit, schrieb er am 25. October an
den Bath zu Frankfurt, ist unser kaiserlicher Sinn danach ge-
standen Frieden und Wohl der Christenheit zu fördern, wes-
halb wir beim Concil von Constanz nicht geringe Mühe auf-
gewandt, die Wahl auf Basel als Ort einer neuen Versamm-
lung zu lenken, aufdass Eintracht in der Christenheit ge-
schafft, die Ketzerei ausgerottet, die Reform unternommen
würde, wie denn auch das gegenwärtige h. Concilium, durch
Gottes Gnade löblich begonnen , im h. Geist versammelt ist. So
haben wir unsere Reise von Lombardien aus beeilt und sind
am Sonntag nach St. Dionysiustag hier angelangt, wo wir eine
solche Menge frommer Prälaten und gelehrter Männer aus allen
Ländern versammelt gefunden haben dass unser kaiserliches
Gemüth von grosser Freude erfüllt worden ist. Indem wir
Schwierigkeit eu des Vergleichs auf dem Concil. 87
nun durch göttliche Fügung zu einem Haupt der Christenheit
erhoben sind, geziemt es uns wohl mit unseren Churfursten,
Fürsten, Städten und anderen des h. Reichs Unterthanen und
Getreuen auf diesem Concil Einigkeit herzustellen, zu rathen
und zu helfen, des h. Reichs Ehre und Vortheil zu wahren
und nicht zu feiern solang es noththut.«
Aber Sigmund begegnete beim ConcU grösseren Schwierig-
keiten als beim Papste. Die Versammlung beharrte beim Zwangs-
verfahren der Citationen, auch als Eugen sich aufrichtig ver-
söhnlich zeigte. Zu seinem Unglück hatte der Papst sich
mit mehren zum Theil ausgezeichneten Mitgliedern des h. Col-
legioms, wie Aleman, Capranica, Castiglione, Lusignan, Carillo
u. a. verfeindet, deren Opposition den Trotz des Concils be-
deutend steigerte, welchem damals mehre der gewandtesten
Federn, von Italienern wie von Ultramontanen, zu Gebote
standen, unter ihnen die des Teutscben Nicolaus von Cusa
und des Sienesen Enea Silvio Piccolomini, der im Dienste
Capranicas die Laufbahn begann die ihn zum Gipfel irdischer
Grösse führte. Man kam zu keiner Einigung, indem das Be-
streben des Concils, nicht nur Eugen IV. persönlich zu de-
müthigen sondern die Autorität des Papstthums immermehr
herabzudrücken, imi so sichtbarer ward, je grössere Schwierig-
keiten den zeitigen Träger dieser Würde umgaben. Ein Be-
streben, dem die versuchte Unterscheidung zwischen einer all-
gemeinen und einer römischen Kirche, welcher letztern man
kaum mehr als die Stellung eines Patriarchats zu lassen geneigt
war, die gefahrlichste Tragweite zu geben drohte. Sigmunds
Vermittlung, welcher es übrigens um dieselbe Zeit gelang die
Versöhnung mit den Böhmen durch die am 30. November er-
folgte Vollziehung der sogenannten Prager Compactaten, der
Grundlage für die kirchliche Stellung Böhmens, anzubahnen,
hatte unter solchen Umständen einen schweren Stand. »Das
Concil, schrieb am 28. November der frankfurter Schöff und
Abgeordnete Walter von Schwarzenberg, gleicht der Katze die
um den heissen Brei geht, und ohne unsern Herrn den Kaiser
inrurde aus der ganzen Versammlung nichts. Ich besorge der
Papst wird nicht Folge leisten in dem Maasse wie man ihm
vorgeschrieben hat. Dem Kaiser behagt das Verhalten der
Cardinäle und anderer Pfaffheit keineswegs. Es ist lücht gut
viel davon zu sagen: noch mag alles besser werden.« Sigmund
88 Eugen IV. und Filippo Maria Visconti.
»bekam das Concil satt« und wollte abziehn. Er mogte zu-
frieden sein als endlich in der feierlichen Sitzung vom 5. Fe-
bruar 1434 die päpstliche Bulle vom 15. December angenom-
men ward, freilich auch jetzt mit Verwahrungen und Erklärungen
welche die nun erzielte Eintracht keineswegs gewährleisteten.
6.
RÖMISCHER AUFSTAND. EUGEN IV. IN FLORENZ.
GIOVANNI VITELLESCEU.
Ueberhaupt erntete Eugen IV. geringe Früchte seiner ver-
söhnlichen Gesinnung. Zwar hatte er ein gutes Einvernehmen
mit Kaiser Sigmund erzielt, aber dieser war durch die Anarchie
in Böhmen ebenso mattgesetzt wie durch seine anhaltende Geld-
noth. Hatte er, der dem Papste gegenüber selbst über seine
schlimmen Hände scherzte, doch nur mit venetianischem Golde
seine Rückreise aus Italien bewerkstelligen können, während
er in Basel so in die Enge getrieben ward, dass er ohne
frankfurter Subsidien seine Kleinodien zu versetzen genöthigt
gewesen wäre, woran er übrigens gewohnt war. Die kirch-
lichen Zerwürfnisse trafen fnr den Papst mit den ernstlichsten
politischen Schwierigkeiten zusammen. Während seine geist-
liche Autorität nahezu negirt wurde, stand seine weltliche
Macht auf dem Spiel. Mit Hülfe von Florenz und Venedig
hatte er den Widerstand der Colonna gebrochen, aber sein
Anschluss an die Repubhken weckte ihm einen Gegner, der in
ganz anderm Maasse gefahrlich war als die aufrührerischen
Barone, mit denen derselbe in Verbindung stand. Dieser Geg-
ner war der Herzog von Mailand.
Eine ansehnliche Territorialmacht, Reichthum und Ver-
fügung über die besten Soldheere Italiens fanden sich bei
Filippo Maria Visconti verbunden mit dem von seinen Vor-
gängern, namentlich von seinem Vater ererbten rastlosen Ehr-
geiz, der auch diesen Letzten des Hauses fortwährend an-
spornte die Hand nach einer Königskrone auszustrecken, die
er doch keinem Nachfolger seines Geschlechts übertragen
konnte. So lange er noch in besserm Verhältniss zu Sig-
mund stand und dieser in Itahen weilte , hatte der Herzog den
Die malländisclieu Soldlieerc im Kii'chenstaat. 89
Papst geschont. Als aber der Kaiser, mit den Venetianem ver-
söhnt und in gleichem Maasse mit dem Visconti zerfallen, die
Alpen überschritt, gewährte Filippo Maria seinem verhaltenen
Groll freien Lauf. Der am 26. April 1433 zu Ferrara zwischen ihm
und Venedig abgeschlossene Friede hatte seine Heere ohne Be-
schäftigung gelassen: das Zerwürfhiss zwischen Eugen und dem
Condl bot ihm, der sich ihrer nicht entäussem wollte, einen
erwünschten Vorwand , sie zu gebrauchen ohne den Schein zu
haben dass es auf sein Anstiften oder seinen Befehl geschehe.
Er hielt die zahlreichen Fäden in der Hand die sich mit einem-
male bis nach Rom hinein verschlangen. Unter dem Vorwande
für das Concil zu handeln, hetzte er gegen Eugen die Con-
dottieren auf, die wie immer nur der Gelegenheit zum Beute-
machen harrten. Francesco Sforza, welchen der Herzog hasste
aber an sich heranzuziehn suchte weil er ihn nicht vernichten
konnte, eroberte den grössten Theil der Mark Ancona. Auch
in der Umgebung Roms schlug man sich. Die Colonna, welche
sich erst am 30. April mit Eugen IV. endgültig vertragen hatten,
nachdem das frühere Abkommen unvollkonunen geblieben war,
erhoben sich wieder im Einverständniss mit Niccolo Forte-
braccio della Stella der einst im päpstlichen Dienst gestanden,
nun sich Commissar des Concils und Feldherr der Kirche
nannte. Nachdem dieser das Patrimonium gebrandschatzt,
durchzog er die Campagna, rückte, zehn Tage nach Kaiser
Sigmunds Abreise, bis zu den Brücken über Tiber und Anio,
so dass Rom die Tage Braccios da Montone wiederkehren zu
sehn fürchtete, nahm Subiaco und Tivoli. Drei andere Haupt-
leute warfen sich auf Umbrien. Mehre der Städte dieser Pro-
vinz und des Patrimoniums fielen entweder offen vom Papste
ab oder hielten heimlich zu den Gegnern. Der römische Adel
war wie gewöhnlich getheilt. Nur ein Theil der Orsini und
die Conti hielten treu zur. Kirche.
Die Stadt war in der grössten Bedrängniss. Alles Vieh
war weggetrieben, die Aecker und Vignen verwüstet; niemand
wagte sich vor die Thore hinaus. Die Besatzung, welche
llicheletto Attendolo mit seiner Soldschaar bildete, war unter
solchen Umständen eine doppelt drückende Last. Eugen sah
ein dass er sich nur durch Unterhandeln aus dieser Noth
retten konnte. Da ein Versuch bei dem nächsten Bedränger
Fortebraccio fehlschlug, wandte er sich an Sforza. Am 25. März
90 Anffltand in Rom.
1434 kam ein Vergleich mit diesem zustande. Das Vicariat der
Mark auf Lebenszeit und das Gonfalonierat der Kirche hätten
selbst einen Ehrgeizigem als Francesco Sforza bestimmen kön-
nen. Sogleich ging er ans Werk. Eine starke Schaar sollte
Tivoli belagern während er selbst gegen Montefiascone zog.
Aber er hatte ohne den Visconti gerechnet. Als dieser die
dem Papst« günstige Wendung der Dinge gewahrte, beschloss
er dem Sforza ein Hindemiss in den Weg zu legen. Auf sein
Anstiften setzte sich sein zuverlässigster Feldherr Niccolo
Piccinino in Verbindung mit den Peruginem, welche allerdings
Grund hatten wegen des Ansammelns so zahlreicher Truppen in
ihrer Nähe for die eigne Sicherheit besorgt zu werden. Sein
Einrücken in Umbrien hemmte Sforza in seinen Bewegungen,
und da Fortebraccio zu gleicher Zeit von Viterbo Verstärkung
erhielt, erstreckten sich die verheerenden Streifzüge der Feinde
nochmals bis zu den Thoren Roms.
Hier gährte es längst. Inderthat war der Zustand ein un-
erträglicher geworden, und kaum bedurfte es der Aufhetzungen
der Anhänger des Concils und der viscontischen Parteigänger
um das leidende Volk in Bewegung zu setzen. Der Papst,
welcher wegen der Unsicherheit des Vaticans in den Palast
bei der Apostelkirche gezogen war, wurde in seiner Wohnung
täglich von Klagenden und Hülfeverlangenden heimgesucht.
Er vermogte nicht zu helfen. Die Lage wurde bedenklich.
Schon rieth man Eugen die Stadt zu verlassen. Aber auch
dies hatte seine Schwierigkeiten , während der Papst überhaupt
gegen einen solchen Schritt war. Doch begab er sich von den
Aposteln nach Trastevere, erst nach S. Grisogono dann nach
Sta Maria, und Hess die Florentiner ersuchen, eine Galeere an
der Tibermündung bereit zu halten. Da die ZudiingUchkeit
der Bittsteller immer grösser ward, sandte er sie zu seinem
Neffen dem Cardinalcamerlengo Francesco Condulmer. Von
diesem erhielten sie zur Antwort, sie dächten an nichts als an
ihre Schafe; die Venetianer, ohne Heerden, ständen weit höher als
sie. Das l^ort ward zum Funken für den aufgehäuften Brenn-
stoff. Am Nachmittage des 29. Mai brach auf Piazza Colonna
der Aufstand aus. Poncelletto de' Veneramieri mit einigen
dreissig Genossen gab das Signal. Das Volk erstürmte unter
dem Ruf: Freiheit ! das Capitol. Die Leute des Senators leisteten
Widerstand, unterlagen jedoch und ihr verwundeter Gebieter
Eugens IV, Flucht nach Florenz. 91
suchte sein Heil in der Flucht Der alte Magistrat der sieben Re-
formatoren, oder wie sie sich nannten Gubernatoren der Freiheit,
wurde wieder ins Leben gerufen und die städtische Autonomie
verkündet Die Namen zeigen dass die Bewegung, mogte sie
vom Volke und dessen Nothstande ausgehn, in den höheren
Standen Anhalt hatte. Das Urtheil Gleichzeitiger über diese
Bewegung wird es noch klarer machen. Am folgenden Mor-
gen ward die Umwälzung vollendet Alle vom Papste einge-
setzten Beamten wurden entfernt, die Thorwachen sicheren
Leuten anvertraut, Poncelletto zum Hüter des Capitols ge-
macht
Nun ging's zum Papste. Die Abgeordneten der neuen Re-
gierung verlangten von ihm die Anerkennung der städtischen
Autonomie, Uebergabe der Engelsbui^ und Ostias. Cardinal
Condulmer sollte als Geissei für die Erfüllung der Bedingungen
haften. Eugen lY. sah sich hülflos und der Muth verUess ihn
gänzlich. Er hoffte sich durch Nachgiebigkeit zu retten, ver-
sprach was man wollte, gab das Regiment in der Stadt preis.
Aber er erlangte dadurch nicht einmal dass man ihm seinen
Neffen liess: mit Gewalt wurde Francesco Condulmer von ihm
entfernt und auf dem Capitol in Verwahrsam gebracht Der
Papst blieb in der grössten Bedrängniss zurück. Er musste
für die eigne Freiheit zittern, als die Häupter des Volkes an
ihn die Forderung stellten nach SS. Apostoli zurückzukehren.
Der Gefangenschaft zog er die Flucht vor. Am 4. Mai gegen
Abend gelang es ihm die Wachsamkeit der von den Aufstän-
dischen gestellten Hüter zu täuschen. In Mönchstracht, von
zwei Vertrauten begleitet, gelangte er von Sta Maria in Traste-
vere nach Ripagrande wo ein kleines Fahrzeug ihn aufnahm.
Kaum hatte es die Anker gelichtet, so wurde die Sache ruch-
bar. Bewaffnetes Volk suchte dem Schiffe zuvorzukommen
und schoss nach demselben, aber der Verfolgte konnte Ostia
erreichen wo eine Galeere seiner harrte. Bei Pisa stieg er ans
Land, am 23. Juni ward er in Florenz mit grossen Ehren
empfangen. Wie verschieden waren jedoch die Umstände von
denen, unter welchen fünfzehn Jahre früher sein Vorgänger in
diese Stadt eingezogen war!
Die Umwälzung in Rom nahm nun ihren Fortgang. Das
Volk aber sah sich sehr getäuscht in der Hoffnung die man
ihm vorgespiegelt hatte , mit dem Aufhören der Papstherrschaft
92 Kämpfe um Rom.
werde seine Noth enden. Es wurde nur noch schlimmer. Die
neuen Gewalthaber waren unklug genug gewesen den Papst
zum Aeussersten zu treiben ohne sich der Engelsburg zu ver-
sichem. Nun liess der Castellan Baidassar d'Ofifida, der die
Leostadt sperrte, sie diesen Irrthum schwer empfinden. Die Cam-
pagna war im jammervollsten Zustande. Die sforzaschen Haufen,
welche Tivoli vergeblich eingeschlossen hatten, lagerten in der
Nähe von Porta S. Sebastiano und bei der Paulskirche. Die
Römer erlangten zwaj* durch Vertrag deren Abzug, aber Fran-
cesco Sforza, durch diese Schaaren verstärkt, schlug bei Vetralla
den Piccinino und Fortebraccio aufs Haupt. Er hätte sie völlig
aufreiben können; da es jedoch Condottierengrundsatz war ein-
ander nicht zu vernichten, liess der Sieger Piccinino nach der
Romagna ziehn wohin Fihppo Maria und die dortigen Ange-
legenheiten ihn riefen , während Fortebraccio auf Bitten der Rö-
mer die Belagerung der Engelsburg unternahm. Aber diese Bela-
gerung war erfolglos; die Römer waren froh sich mit Geld ihrer
eignen Vertheidiger zu entledigen die nach ümbrien zogen.
Ein im Castell angezetteltes Complott hatte keine andere Folge
als die Gefangennehmung mehrer angesehenen Römer. Lorenzo
Colonna, den die Gewalthaber von Palestrina herbeiriefen, er-
schien mit einer Vasallenschaar , konnte aber nichts ausrichten.
Die Stadt war in Factionen getheilt bei denen man die alten
Parteinamen wieder vernahm, und die täglich steigende Noth
diente nicht zur Verständigung. Mailändische und baseler Ab-
geordnete unterhandelten; die päpstliche Partei gewann immer
mehr Boden. Spottsonette verglichen die »Gentilotti« welche
am Ruder sassen mit unersättUchen Fressern.
»Ihr habt vernommen, so erzählt ein Gleichzeitiger, ein
Mann vom kleinen Adel Paolo di Liello Petrone, wie am
29. Mai der Papst die Herrschaft in Rom verlor wegen seiner
eignen oder Anderer Unwissenheit im Regieren und Verwalten.
Da jedoch die Bürger sahen dass sie von ihren eignen Leuten
noch schlechter regiert wurden als vom Papste, beschlossen
die Besseren von ihnen zu jenem Gehorsam zurückzukehren
ohne welchen nichts gut enden kann. Da nun das Kriegsvolk
der Kirche den Borgo S. Pietro besetzt hielt, brachten die
von Trastevere und namenthch Einer, Stefano di Viello, es
dahin dass es sich des gedachten Rions bemächtigte. Als dies
erfolgt war, erhob sich in Rom der Ruf: Es lebe die Kkche
Roms Rückkehr zum Gehorsam. Giovanni Vitelleschi. 93
und das Volk! Es begann im Rion Ponte und zog sich dann
durch die ganze Stadt bis zum Capitol. Nachdem der Camer-
lengo (Cardinal Conduhner) in Freiheit gesetzt worden, er-
nannte man die Beamten im Namen der Kirche. So währte
das Bürgerregiment vom 29. Mai zum 26. October, VigiUe von
St. Simon und Juda, nämlich iunf Monate weniger zwei Tage.
Es waren die Edelleute die regierten und auf nichts anderes
sannen als zu rauben, Andere zu*übervortheilen, der Kirche
und ihren Anhängern und der guelfischen Partei Schaden zu-
zufügen. Dies nannten sie sich zur gibelUnischen Partei halten.
So wolle Gott die von der Kirche Gesetzten jetzt ihre Sache
besser verstehn lassen als früher, denn schlechte Regierung
ist's was schlechte Gesinnung erzeugt.«
Die Bischöfe von Recanati und von Tropea nahmen als
päpstliche Bevollmächtigte mit sforzaschen Truppen Besitz von
der Stadt Der bisherige Castellan der Engelsburg Baidassar
de' Baroncelli von Offida wurde zum Senator ernannt. Im
December 1435 übernahm Giuhano de' Ricci Erzbischof von
Pisa als Gubernator und Vicecamerlengo für den beim Papste
befindlichen Cardinal Conduimer die Leitung der aus den
Wechselbeziehungen zwischen der Kirche und der Stadt sich
ergebenden Geschäfte. Die oberste Verwaltung lag jedoch in
der Hand des Bischofs von Recanati welchen der Papst zum
Patriarchen von Alexandrien und zum Erzbischofe von Florenz
erhoben, zum Legaten in Rom und im Patrimonium gemacht
hatte. Giovanni Vitelleschi war von angesehener, aus FuUgno
stammender in Corneto ansässiger Familie. Im Jahre 1377
hatte Gregor XI. dem Senator von Rom Gomez d'Albornoz und
den Conservatoren aufgetragen, Giacomo Vitelleschi genannt
Ser Guido und dessen Söhne Angelo und Guiduccio, welche
wegen unrechtmässiger Besitzergreifung eines Ortes im Corne-
tanischen verurtheilt worden waren, nach geschehener Unter-
werfung derselben zu restituiren und die Sentenz in den Büchern
der Kammer zu löschen. Dieser Giacomo wird Giovannis
Crrossvater gewesen sein. Nachdem Dieser die ersten Jugend-
jahre in seiner Vaterstadt verbracht, widmete er sich in Bo-
logna der Rechtswissenschaft. Nach Hause zurückgekehrt und
Beschäftigung suchend trat er als Schreiber in den Dienst
Angelo Tartaglias, eines der Condottieren zweiten Ranges die
sich neben und imter Sforza und Braccio geltend zu machen
94 Vitelleschis Kämpfe in Roms Umgebung.
wussten. Da es in Cometo wie überall zwei Parteien gab
und jene, zu welcher Vi telleschis Familie gehörte, die schwächere
war, drang er mit einem von Tartaglia ihm anvertrauten
Söldnerhaufen in die Stadt, bemächtigfe sich der einfluss-
reichsten Männer von der feindUchen Faction und sicherte so
der seinigen das Uebergewicht. Dies war der Beginn der glän-
zenden Laufbahn eines Fürsten der Earche. Als Papst Martin
nach Rom gekommen war,4)rachte Tartaglias Verwendung (ur
seinen Schreiber es dahin, dass der Papst ihn, obgleich sehr
ungerne, imter die Zahl seiner Protonotare aufnahm. Als einige
Jahre darauf der Cardinal Condulmer seiner Gesundheit wegen
eine Zeitlang in Viterbo verweilte, wusste Vitelleschi sosehr
dessen Gunst zu gewinnen dass er ihn immer um sich hatte.
Martin konnte ihn nie leiden, weil er ihn für einen Unruh-
stifter und Intriganten hielt, und hatte ihn deshalb aus seiner
Nähe entfernt. Kaum war aber Condulmer Papst gewordeu,
so beschied er seinen Günstling zu sich und übertrug ihm die
Verwaltung der Mark Ancona. Diese Verwaltung war keine
glückliche, so um seines eignen Handelns willen wie wegen
der Verwicklungen in die er mit Francesco Sforza gerieth.
Aber es schadete ihm nicht in den Augen Eugens IV. , der ihm
nach der in Rom erfolgten Gegenrevolution die Statthalter-
schaft mit ausgedehntester Vollmacht übertrug.
In der Stadt war es ruhig, hingegen galt es die Umgebung
zu sichern. Im Sommer 1435 zog Vitelleschi gegen den Prä-
fecten welcher, aus Toscana zurückgekehrt, das Viterbesische
wieder beunruhigte. Seine eignen Leute scheinen aber des
zuchtlosen Treibens müdegeworden zu sein, das dem Bürger
und Landmann nur Ruin brachte. In Vetralla ausgeliefert und
nach Soriano geführt wurde Giacomo di Vico auf Befehl des
Patriarchen am 28. September auf dem Platze des Städtchens
enthauptet, der letzte eines Geschlechts welches in Roms An-
nalen so oft genannt worden ist imd dessen Erbamt im Januar
des folgenden Jahres vom Papste an Francesco Orsini Grafen
von Gravina und Conversano übertragen wurde. Bald sollte
Vitelleschi mehr zu thun findea Er war zeitweilig in Toscana,
als in Rom ein neuer Aufstand versucht wurde, wobei mehre
Barone, Colonna, Savelli, Conti u. a. im Bunde mit Führern
von Soldtruppen dem vom Jahre 1434 her bekannten Pon-
celletto die Hand reichten. Der Anschlag mislang, der
Vitelleschifl Siege über die Colonnesen und ihre Anhänger. 95
Patriarch aber bescbloss des Versuch blutig zu rächen. Im März
1436 ruckte er mit ansehnlicher Kriegsmacht aus. Beim Ponte
Lucaao, bei den kleinen heute meist in Trümmern liegenden
Castellen am Fusse der Albanerhügel begann der Kampf. Eines
üach dem andern derselben fiel und der Krieg zog sich immer
mehr südwärts, da der Condottiere, welcher das römische Ge-
biet so oft beunruhigt imd auch jetzt den Baronen Hülfe ge-
leistet hatte, Antonio da Pontedera, sich gegen die neapoUta-
nische Grenze gewandt hatte. Bei Piperno am südlichen Ende
der Volsker Berge vernichtete der Patriarch Antonios Heer,
dann zog er gegen die Colonna. Die römische MiUz, je ein Mann
für jedes Haus , verstärkte das päpsthche Heer. Die Barone,
deren Schaaren bis Sant' Agnese plündernd vorgegangen wa-
ren, vermogten dem Angriff nicht zu widerstehn. Nach dritt-
halb Monaten fiel auch Palestiina; Lorenzo Colonna musste
froh sein freien Abzug nach dem Neapolitanischen zu erhalten.
Der Einzug Vitelleschis in Rom am 29. August war der
eines Triumphators. «Die Caporionen, erzählt Paolo Petrone,
zogen mit ihren Bannern lyid vielem Volke dem Patriarchen
entgegen zum Bogen von S. Vito (Gallienusbogen), zugleich
die an den Spielen des Maria -Himmelfahrtfestes theilnehmen-
den Bürger mit Fackeln in der Hand, mit Pfeifern und der
Procession des Clerus. Als der Patriarch von St Johann im
Lateran, wo die Häupter der Apostel ihm gezeigt worden wa-
ren, herankam und den Bogen erreichte, wurde ein Baldachin
von schönem Goldbrocat über seinem Haupte ausgebreitet und
so zog er bis S. Lorenzo in Damaso. Die Bürger lösten ein-
ander beim Tragen des Baldachins ab und hielten Oelzweige
in den Händen. Die Strassen waren mit Goldstoffen und
anderen schönen Teppichen geschmückt, Alles rief: hoch
lebe der Patriarch. Bei S. Lorenzo wurde der Baldachin dem
Volke preisgegeben. Unter den Bürgern sammelte man gegen
nvölfhundert Ducaten , die dem Patriarchen in goldener Schale
von etwa hundert Ducaten Werth überreicht wurden. Die
(Konservatoren, die Caporionen und achtundfunfzig angesehene
Männer (»spectabiles viri«) beschlossen, am 12. September auf
dem Capitol versanunelt, dem Sieger eine marmorne Reiter-
bildsäule daselbst zu errichten, Roms drittem Vater nach
Romulus (»Tertio ab Romulo Romanae Urbis parenti«).« So
tief war Rom, war das Römerthum gesunken.
96 Zerstörung von Palestrina und Zagarolo.
Noch war der Rache nicht Genüge geleistet. Im Frühling
1437 beschloss Vitelleschi künt^gen Versuchen von Seiten der
Colonna vorzubeugen, obgleich weder diese noch die Bewohner
der unglücklichen Ortschaften neuen Anlass zum Einschreiten
gegeben hatten. »Der Patriarch, so erzählt ein Chronist der
mitthätig war bei dem grausen Werke, sandte aus Rom Maurer
und Arbeiter, zwölf for jeden Rion, die Stadt Palestrina zu
verbrennen, das Mauerwerk abzutragen, die Fundamente aus
der Tiefe zu reissen, alles unbewohnbar ja dem Erdboden
gleichzumachen. So geschah's und Viele aus den Umgebungen
halfen und einen ganzen Monat hindurch währte das Treiben,
bis alles verbraimt, abgetragen, herausgerissen, unbewohnbar
und dem Boden gleichgemacht war.« Auch die Domkirche
wurde zerstört welche einst verschont geblieben war. Nach
(/ometo, Vitelleschis Heimat, wanderten die Glocken, brachte
man die ReUquien, und an seinem schönen Palaste, der halb*
verfallen jetzt den Soderini gehört, bezeichnet man die reichen
marmornen Thürpfosten als einen Rest der pränestiner Kirche.
Die Burg von San Pietro oberhalb der Stadt theilte dasselbe
Geschick und scheint von jener Zeit an verlassen geblieben zu
sein. Die colonnaschen und savellischen Ortschaften an den
Albanerhügeln waren schon zu Anfang des Krieges grossen-
theils in Flammen aufgegangen. So schuf der Patriarch auf
Roms Ostseite eine Einöde. Der Papst aber ehrte ihn wie die
Römer. Am 9. August des gedachten Jahres 1437 ernannte er
ihn zum Cardinal von S. Lorenzo in Damaso. Der Senat er-
theilte seinen Landsleuten den Cornetanern das Bürgerrecht
und stiftete die jährhche Darbringung eines silbernen Kelches
in Sta Maria Araceli am Tage des h. Ludwig, an welchem Vi-
telleschi bei Piperno gesiegt hatte. Anderthalb Jahre später
bekam dieser nochmals in der Umgebung zu thun. Lorenzo
Colonna hatte sich Zagarolos bemächtigt, wurde aber vom
Cardinal belagert, gefangen, der Ort verbraimt. Auch diesmal
waren die Römer, der ewigen Unruhen durch die Barone
müde, wieder auf seiner Seite weil er Ordnimg hielt Selbst
seine Grausamkeit verziehen sie ihm: »er war gleichsam ge-
zwungen grausam zu sein, sagt Paolo Petrone, denn Rom und
die Umgebung waren so verderbt, dass bei Tag und Nacht
Bürger und Bauern raubten und mordeten.« Wie war es an-
ders geworden seit Martins V. Tode !
Vitelleschis Ende. 97
Fünf Jahre lang hielt sich der Patriarch — so nannte man
ihn gewöhnlich auch nach seiner Erhebung zum Cardinalat —
in seiner hohen Stellung und in Papst Eugens Gunst. Er war '
in Rom allmächtig, gebot über ansehnliche Soldschaaren die
ihm weit mehr als dem Papste gehorchten, hatte eine Menge
Vesten bis in ümbrien hinein in seiner Hut. Seine Gegner
aber mehrten sich mit seinen Erfolgen: so Francesco Sforza
wie Venedig und Florenz waren wider ihn. Die Florentiner
wussten dass er sie hasste weil sie ihn einst in üblen Leumund
gebracht, als habe er in den Parteiungen ihrer Stadt die Hand
im Spiele gehabt. Der Papst wurde bearbeitet und dem Herrn
begann's vor dem Diener zu bangen. Warum sollte Vitelleschi,
unter dem Cardinalspurpur nichts als ein Condottiere, nicht
versuchen was andere Condottieren versucht hatten, einen
eignen Staat zu gründen? Er wurde eines Einverständnisses
mit dem Herzog von Mailand und Niccolo Piccinino beschul-
digt. Briefe in Geheimschrift wollte man aufgefangen haben.
Ob die Anklage Grund hatte, ob sie eine Intrigue war, niemand
weiss es. An den Castellan der Engelsburg, den paduaner Rit-
ter Antonio Rido erging von Florenz aus Befehl sich des Patriar-
chen zu bemächtigen. Ein schlimmer Intrigant dessen Name in
dem des von ihm begonnenen Palastes fortlebt, Luca Pitti, Sohn
jenes Bonaccorso welcher Ruprecht von der Pfalz verlockt
hatte, brachte von Cosimo de' Medici dazu vorgeschlagen den
geheimen Befehl nach Rom. Es war im März 1440. Vitelleschi
hatte alles zu einem neuen Feldzug nach Umbrien bereitet, wo
er zu Ende des vorhergegangenen Jahres FuUgno genommen
und mit dem Letzten des dort mächtigen Hauses der Trinci es
geradeso wie mit dem Letzten derer von Vico gemacht hatte.
Er wollte sich bei seinem Abzug mit dem Castellan auf der
Engelsbrücke besprechen. Rido stellte sich ein, hess aber,
als er die Truppen des Cardinais schon jenseit sah, rasch
die beiden Aufgänge zur Brücke sperren und forderte Vitel-
leschi auf sich zu ergeben. Dieser von wenigen der Seini-
gen begleitet setzte über die Kette die ihm den Weg versperrte,
in der Hoffnung seine Schaar noch zu erreichen. Aber im
Handgemenge ward er vom Rosse gerissen und am Knie, an
der Hand, am Schlaf verwundet in das Castell geschleppt.
Die Seinigen wollten seine Befreiung versuchen aber man wusste
sie zu beschwichtigen. Vierzehn Tage darauf, am 2. April,
t. kruuauut, Koni. III. 7
98 Vitelleschi und Enge« IV.
war der Gefangene todt. Man wusste nicht ob er seinen "Wun-
den oder der Gemüthsbewegung erlegen war, oder ob man
seineu Tod beschleunigt hatte. Er selbst soll an Gift geglaubt
und es der Madonna Girolama Orsini gesagt haben, die ihn
im Kerker durch die Aussicht baldiger Befreiung zu trösten
suchte.
In der Nacht wurde die Leiche auf einfacher Bahre ohne
alle Ehrenbezeugungen nach Sta Maria sopra Minerva geschafft,
im blossen Wamms ohne Unterkleid noch Strümpfe. So lag
Roms Beherrscher da wie einer der Aermsten. »Ich weiss
nicht, schreibt Paolo Petrone, ob es ein Gottesgericht war.
Er war grausam, jähzornig, eitel, der Sinnenlust fröhnend.
Aber er erhielt uns in Frieden und Ueberfluss. So betrauerte
der grössere Theil des Volkes seinen Tod. In Geistlichem und
Weltlichem galt er mehr als der Papst. Die Seinigen berei-
cherte er sehr: alle Cometaner, sie mogten sein wie sie woll-
ten, erhielten Aemter und Geld. Ob der Papst seinen Tod
befohlen und ob er ihn verdient hat, ist mir nicht bekannt.
Grosse Dinge verlangen grosse Meister. Aber für den Papst und
seinen Staat that und mühte er sich viel.« Die Florentiner
glaubten an Vitelleschis Schuld wie an des Papstes Entschluss,
sich seiner auf alle Weise zu entledigen. »Der Patriarch, sagt
Giovanni Cavalcanti, der uns so oft in das innere Getriebe
dieser intriguenreichen Zeit blicken lässt, sah sich durch das
Gevvirre von Bündnissen, Freundschaften, Verabredungen und
all den Schein und das unwahre Vorgeben in der Freiheit
seiner Bewegungen völlig gehemmt. So verstandigte er sich
so heimlich er vermogte mit Niccolö Piccinino und den floren-
tinischen Verbannten, zu deren Unglück er einst selber mitge-
wirkt hatte. Das Verständuiss kam zu Ohren Derer die an
der Spitze unseres Staates standen ; sie waren es welche
den Papst bewogen des Patriarchen Tod zu beschUessen. Für
unsere Ausgewanderten war es ein neues Leid: dem Papste
aber zog es öffentlichen Tadel zu.«
Das Vermögen das der Patriarch hinterliess, soll sich auf
dreihunderttausend Goldgulden belaufen haben, wovon er, so
lieisst es, den grössten Theil dem Papste vermachte. Eugen
hielt es für nöthig, in -einem Breve an die Landsleute des Ver-
storbenen die Schuld auf ein Misverstandniss in der Ausfuli-
rung des dem Castellan ertheilten Befehls zu schieben. Von
Lodovico Scarampi. Antonio Rido. Eugen IV. in Florenz. 99
einer Beschuldigung gegen den Todten ist nicht die Rede:
Vitelleschi wie Rido sind dem Papste »geliebte Söhne«. Aber
Jener endete im Kerker , Dieser erhielt von Eugen IV. ansehn-
lichen Landbesitz, die Iieutige Tenuta Campomorto in der
Campagna, und ein päpstlicher Erlass vom 1. August desselben
Jahres ermächtigte ihn selbst zum Strafverfahren gegen Geist-
liche in Stadt und Umgebung. Auf die Nachricht von der Ge-
fangennehmung war der Patriarch von Aquileja, der, Paduaner
Lodovico Scarampi Mezzarota nach Rom beordert worden.
»Da er beiden Theilen eng befreundet war, schrieb Eugen an
die Cometaner, hofften wir er werde die Sache leicht beilegen.«
Aber Scarampi traf erst am zweiten Tage nach Vitelleschis
Ende in der Stadt ein, deren Verwaltung er als Camerlengo
der Kirche mit derselben Autorität übernahm wie sein Vorgän-
ger sie ausgeübt hatte. Die von Letzterm besetzt gehaltenen
Orte öflbeten päpstlichen Bevollmächtigten die Thore. Kein
Denkmal erinnert in Rom an den gewaltigen Patriarchen, der
in seiner Vaterstadt die Ruhestätte fand. Wol aber sieht man
in Sta Francesca Romana neben dem Seiteneingang das mit
einem Reiterbildniss in Relief geschmückte Monument des
Mannes der ihn niederwarf und als Condottiere Nicolaus' V,
starb.
7.
EUGENS IV. SFlTEBE JAHRE.
Während diese Dinge in Rom vor sich gingen verbrachte
Papst Eugen seine Tage inmitten unablässiger Geschäfte und
schwerer Sorgen. Diese waren so politische wie kirchhche.
Wohin er blickte, erfolgten Wechsel und vollzogen sich Ereig-
nisse, deren Endergebnisse unberechenbar waren. Kaum in
Florenz angelangt wo man ihn aufs ehrenvollste empfing, war
er dort Zeuge der folgenreichen Umwälzung, welche das viel-
jährige Regiment der dem Papste befreundeten Albizzi und der
streng guelfischen grossen Familien stürzte, und Cosimo de'
Medici an die Spitze des Staates stellte: ein Scheinsieg volks-
thümlicher Interessen der mit der Alleingewalt eines Geschlechts
endigte. So der Papst wde sein in Florenz anwesender Günst-
ling Vitelleschi waren in diese Irrungen hineingezogen worden,
7'
100 Eugen IV. in den italienischen Winsen.
und Rinaldo degli Albizzi schrieb der Einmischung des Erstem
im entscheidenden Moment seinen Sturz zu. Eugen musste
von dem ins Exil Ziehenden das vorwurfsvolle Wort hören:
er wundere sich nicht über sein Geschick, aber er hätte sich
hüten sollen, den Verheissungen Dessen zu trauen der sich
selber zu schützen ohnmächtig gewesen sei, denn wer den
eignen Ruin verschulde vermöge einem Andern nicht zu helfen.
Im folgenden Jahre, 1435, beendete Johanna 11. ihre einund-
zwanzigjährige unheilvolle Regierung. Ludwig III. von Anjou
war ihr im Tode vorausgegangen und sie hatte an seiner Statt
seinen in Burgund in der Gefangenschaft befindlichen Bru-
der zum Nachfolger angenommen, den »bon Roi Rene« der
französischen Poeten und Historiker. Eine Adoption welche
Alfons von Aragon nicht an der endhchen Eroberung des
Königreichs hinderte , aber dessen Beruhigung noch auf Jahre
hinausschob, umsomehr als der Papst, welcher anfangs das
Heimfalbrecht nach dem Erlöschen des Geschlechts Carls von
Anjou allen Ernstes geltend zu machen versuchte und Vitel-
leschi zum Statthalter Neapels ernannte, für Rene Partei nahm
und erst im Jahre 1443 den siegreichen Alfons anerkannte.
In der Romagna währten die Unruhen fort welche in den
Intriguen des Herzogs von Mailand und den Unternehmungen
der bald für bald wider ihn, den Papst, die Venetianer und
Florentiner kämpfenden Condottieren gleiche Nahrung fanden,
wie in der Unzufriedenheit Bolognas und anderer Städte mit
den päpstlichen Befehlshabern. Im Jahre 1435 fand zwar ein
Vergleich zwischen Eugen und Fihppo Maria statt, aber nicht
manche Jahre vergingen so standen Romagna und Marken wie-
der in Flanunen, und der bethörte Papst wurde selber zum
Werkzeug der Ränke des Visconti imd seines Hasses gegen
Francesco Sforza, welcher damals freihch die Mark Ancona
verlor, aber die Sache der Anjous in sein Unglück hineinzog,
von welchem er sich erholte, jene nicht. An allen diesen
Kämpfen und Wirren in ItaUen nahm Eugen IV. Antheil. Im
Jahre 1439 während des heftigen ganz Oberitalien erfüllenden
Kampfes hatte der Papst nicht weniger als viertausendzwei-
hundert Reiter in seinem Dienst, abgesehn vom Fussvolk.
Die Cardinäle von TagUacozzo und Acciapacci, der Graf von
Anguillara, Paolo Annibaldi della Molara, ein Römer Don Ga-
briele und Andere befehligten seine Schaaren. Ueberdies
Neue Schwierigkeiten mit dem Concil. 101
beschäftigten ihn die Angelegenheiten des Auslandes. Nicht im-
mer konnte er sich eines Erfolges seiner Vermittelung freuen
wie jenes heim Congresse von Arras im Jahre 1435, wo die
Versöhnung zwischen Carl VII. und Philipp von Burgund den
Hoffiiongen Englands in Frankreich den Todesstoss gah.
Eugen IV. war hierin glücklicher als einst sein Vorgänger Martin
gewesen war, als dieser in dem französisch- englischen Kriege
zu vermitteln versucht hatte. Es war um die Zeit des Todes
der beiden streitenden Könige Carl VI. und Heinrich V. (1422)
gewesen, eine Zeit in welcher der Krieg den furchtharsten
Höhepunkt erreicht hatte und Englands Sieg gesichert schien,
bis das Nationalgefuhl zu mächtigem Durchhruch kam und
Jeanne d'Arc von Domremy das heinahe verzweifelnde Frank-
reich rettete.
Diese politischen Angelegenheiten waren jedoch gering-
fügig im Vergleich mit den Nöthen in kircliHchen Dingen, in
denen der grösste Theil von Eugens Regierung verfloss. Das
grosse und schwierige Werk von Constanz war mit Ruin be-
droht Trotz vorübergehender Versöhnung hatte das Mistrauen
zwischen Papst und Concü immer fortgewälirt. Im Jahre 1434
hatten die beiden Parteien sich einander genähert und auch
die Unterhandlungen inbetreff der Einigung mit der orientali-
schen Kirche, waren* eingeleitet worden. Jemehr aber in der
baseler Versammlung die radicalen Meinungen überwogen,
umso unvermeidlicher wurde der Bruch. Die in der ersten
Hälfte des folgenden Jahres 1435 nicht ohne heftige Opposi-
tion noch ohne Eingriffe in die Autorität der Legaten durch-
gesetzten Beschlüsse, welche die Annaten und die nicht im
Kirchenrecht begründeten Reservationen aufhoben so wie dem
Misbrauch des Interdicts Schranken setzten, endUch die am
25. März 1436 getroffenen Verfügungen über Cardinalat, Con-
cia ve, Wahl, Eid, Eigenschaften, Glaubensbekenntniss , Regie-
rungspflichten des Papstes mussten das Papstthum umsomehr
zum Widerstand herausfordern, da Eugen gerade um diese
Zeit in Italien wieder freiere Hand erhielt. Denn nun waren
nicht nur die Quellen der Einkünfte der römischen Kirche und
ihre mehrundmehr ausgedehnte Verfügung über die geistlichen
Würden, sondern die Autorität überhaupt ernstlich bedroht.
Die Synode schadete sich selbst indem sie kluger Mässigung
vergass , ihre Befugnisse überschritt , unbestreitbare Rechte
1 02 Bnu'li zwischen Papst und Concil. Felix V.
des Primats antastete, inbetreff der Gelderhebungen in Incon-
sequenzen verfiel, sich in eine Menge heterogener Geschäfte
verwickelte, kurz das Maass ihrer wirkUchen Autorität nicht
zu Rathe hielt, während sie gegen die des Papstthums den
Krieg führte. Eine Menge hinundhergehender Gesandtschaften
brachten nichts zuwege.
Der Streit über den Ort der Zusammenkunft mit den grie-
chischen Prälaten erweiterte den Bruch. Die Abmahnungen
Kaiser Sigmunds der am Abende seines Lebens das Werk
seiner früheren Jahre wieder in Frage gestellt sah, waren ver-
gebhch. Am 31. JuU 1437 erfolgte die Vorladung des Papstes
und der Cardinäle, am 24. Januar 1438 dessen Suspension.
Die teutschen Churfursten, die drohende Gefahr ermessend,
hatten auf beiden Seiten Einhalt zu thun versucht, indem sie
das Concil von seiner Willkür, den Papst von Widerspruch
und Verlegungsprojecten abzubringen, Einigung zur Wahl einer
neuen nichtitalienischen Stadt herbeizuführen suchten. Es war
vergebens. Zugleich aber war der Höhepunkt der Autorität
des Concils überschritten. Die weltlichen Gewalten eigneten
sich von den Reformdecreten so viel an als ihnen geeignet
schien, hatten jedoch keine Lust das Concil in seinen extremen
Schritten zu unterstützen, Die mit jedem Tage an Zahl wie
an Zustimmung geschmälerte Versammlung schritt nichtsdesto-
weniger auf dem eingeschlagenen unheilvollen Wege fort. Am
25. Juni 1439 erklärte sie Eugens Absetzung, wählte am 17. No-
vember desselben Jahres Herzog Amadeus von Savoyen zum
Gegenpapste. Ein Cardinal, Louis Aleman Erzbischof von
Arles, und zweiunddreissig Bischöfe und andere Wähler waren
die Urheber des neuen Schismas.
Der Frevel rächte sich an denen die ihn begingen. In
demselben Maasse wie die Baseler verloren, gewann Eugen.
Selbst Solche die wenig mit ihm harmonirten, hielten zu ihm
weil sie den Radicalismus und neue Spaltung fürchteten. Am
18. April 1436 war der Papst von Florenz, wo er kurz vorher
den seit anderthalb Jahrhunderten im Bau begriffenen Dom
Sta Maria del Fiore feierlich geweiht hatte, nach Bologna ge-
gangen. Im October 1437 hatte er das Concil nach Ferrara
verlegt. Ein am 17. Januar folgenden Jahres zwischen dem
Cardinal Francesco Condulmer und dem estensischen Kanzler
Agostino de Villa in Bologna geschlossener Vertrag zeigt, wie
Coiiril von Fcriiira - Florenz. KaiNor SigiiiimdM Tod. 103
bei solchen AnlässeD alles genau bestimmt wurde. So sollten
vier Commissare mit der Taxirung der Wohnungen, der Lebens-
mittel, des Pferdefutters beauftragt werden, Preistabellen wur-
den veröffentUcht, Buden für den Kleinhandel eingerichtet,
Regeb für das Miethen der Betten vorgeschrieben. Der Mark-
graf verpflichtete sich keine aussergewöhnlichen Abgaben zu
fordern und für ordentliche Polizei und Sicherheit der Strassen
Sorge zu tragen. Im Februar traf Johannes Paläologus, in der
officiellen Sprache »Imperator Romeo rum«, in E'errara ein. Die
in dieser Stadt ausgebrochene Seuche veranlasste die Ueber-
siedlung der Synode nach Florenz, wo ihre Sitzungen im Ja-
nuar 1439 begannen und am 6. Juli die Vereinigung der occi-
dentalischen Kirche mit der des Orients proclamirt ward. Das
florentinische Archiv bewahrt zwei Exemplare der feierhchen
Urkunde welche die Unterschriften der Theilnehmer an dem
grossen Friedenswerke trägt.
Dies Werk welches man damals für ein wirkUches und
dauerndes zu halten sich befugt glauben durfte, war die Ant-
wort Eugens IV. auf das von seinen Gegnern heraufbeschwo-
rene Schisma. Am 4. September wurde die Excommunication
dieser Letzteren verkündet. Dennoch nahm Herzog Amadeus
die auf ihn gefallene Wahl an. Der Mann der nach langer
und erfolgreicher Regierung derselben entsagt, sich in die Ein-
samkeit zurückgezogen hatte um sein Leben zwischen geist-
lichen Uebungen und der Aufsicht über die Handlungen seines
Sohnes und Nachfolgers zu theilen , hatte den Muth die Fackel
religiöser Zwietracht zu ergreifen. »Die ganze Welt war voll
Staunens darüber, sagt Leonardo Aretino, dass ein so hoch-
gestellter Fürst sich einem angefochtenen Papstthum unterzog,
während schon das allgemein gültige Papstthum eine so schwere
Last ist.« Kaiser Sigmund hatte das neue Schisma nicht er-
lebt. Er war am 19. December 1437 gestorben, nachdem die
vier letzten Jahre seines Lebens einen wesentlichen Umschwung
der Dinge in Böhmen herbeigeführt hatten, wo nach der An-
nahme der Compactaten die widerstrebende extreme Partei
vernichtet und Sigmunds Anerkennung erlangt worden war.
Die kurze Regierung seines Nachfolgers Albrecht IL von Habs-
burg, durch das Erbrecht seiner Gemalin Elisabeth von Luxem-
burg König von Ungarn und Böhmen , endigte drei Wochen vor
der baseler Papstwahl. Die Obedienz welche Felix V. fand,
104 Folgen des Concils. Rom und Cai'dinal Searampi.
war zwar eine unbedeutende Minorität, welche auch auf das
seinem Ende entgegeneilende Concil einwirken musste. Aber
die Annahme der baseler Reformbeschlüsse in Teutschland,
die Neutralität der teutschen Fürsten, die an dieselben Re-
formprincipien sich anlehnende im Jahre 1438 zu Bourges ver-
öffenthchte pragmatische Sanction für die gallicanisch« Kirche
legten an den Tag, wie die Folgen der Verhältnisse und Ir-
rungen des Papstthums im vorhergegangenen Jahrhundert, die
Nachwehen der grossen Spaltung, das Wirken des in Con-
stanz durchgebrochenen Freiheitsinnes Roms Autorität tief im
Innern angegriffen und erschüttert hatten.
Mehr denn neim Jahre lang blieb Eugen IV. ferne von
Rom. »Wegen der Abwesenheit des Papstes, bemerkt Paolo
Petrone, verfiel unsere Stadt in grosse Armuth.« Schon im
Jahre 1436 war eine zahlreiche Gesandtschaft nach Florenz ge-
gangen ihn zur Rückkehr zu bewegen , aber vergebens. Selbst
nach dem Schlüsse des Concils verweilte Eugen noch in Flo-
renz wo auch die Wiedervereinigimg der Armenier mit der
römischen Kirche stattfand, und wo heute noch das von ihm
gegründete Collegium Eugenianum für Theologiestudirende in
dem Local der vormaligen florentinischen Universität in der
Nähe des Doms an den Papst erinnert, ünterdess verwaltete
der Patriarch von Aquileja, seit dem 22. Juni 1440 Cardinal
von S. Lorenzo in Damaso wie sein Vorgänger Vitelleschi,
Rom mit derselben Machtvollkommenheit wie dieser mit dem
er manches ähnliche hatte. Lodovico Searampi, wie es scheint
aus geringer Familie in Padua, hatte als Arzt begonnen und als
Kriegsmann unter Vitelleschi gedient. Wie dieser war er von
Papst Eugen befördert, zum Erzbischof von Florenz, zum Pa-
triarchen gemacht worden. Auch dann hatte er noch Kriegs-
dienst geleistet. Man schreibt ihm grossen Antheil an dem
Siege bei Anghiari zu , wo das viscontische Heer unter Niccolo
Piccinino ungeachtet des Beistandes des toscanischen Gibellinen
am 29. Juni 1440 durch die von Micheletto Attendolo \md Gian
Paolo Orsini befehligten Florentiner völlig aufs Haupt ge-
schlagen wurde. Es war das Unternehmen um welches Vitel-
leschi gewusst haben soll. Searampi lebte in Rom wie ein
weltlicher Fürst mit gewaltigem Aufwand und einem Luxus
von Dienern und Pferden wie ihn der sparsamere Vitelleschi
nicht gekannt hatte. Er war ein beherzter Spieler. Als er
Eugens IV. Rückkehr nach Rom. 105
nach Neapel gesandt ward mit König Alfons wegen der päpst-
lichen Anerkennung zu unterhandeln, verlor er in einer Nacht
an den König achttausend Goldgulden. Er war erst vierzig-
jährig als er zu so hoher Autorität gelangte. Francesco Con-
dalmer, zum Vicekanzler befördert, hatte ihm das Camerlengat
abgetreten, so dass die Finanzverwaltung in seiner Hand lag.
Auch nach des Papstes Rückkehr in seine Hauptstadt blieb er
am Ruder.
«
Diese erfolgte zu Anfang des Herbstes 1443. Am 7. März
dieses Jahres hatte er Florenz verlassen, wo die einst ihm so
günstige Stimmung in eine nachtheilige umgewandelt war.
Ueber Eugen IV. und seinen florentinischen Aufenthalt hat ein
l^nstem geschwebt. Zu Anfang desselben erfolgte das Exil
der Albizzi, an dessen Ende die Ermordung eines im Dienste
der Republik befindhchen Condottiere , Baldaccio von Anghiari.
In einem und dem andern Falle wurde des Papstes Name ge-
nannt; Cosimo de' Medici, so glauben Manche, soll sich Bal-
daccios entledigt haben weil er sich mit Eugen eingelassen
hatte, von dem man argwohnte dass er wie einst Vitelleschi
auf Zuruckfuhrung der Verbannten sinne. Gewiss ist dass
das Mistrauen so rege geworden war, dass die Venetianer
der florentiner Signorie riethen, sie sollten den Papst mit
(rroU und schlimmen Absichten im Herzen nicht ziehn lassen.
Leonardo Aretino bewog die Signorie dem Rath nicht zu fol-
gen; er sagte, Venedig selbst würde sich in ähnlichem Falle
wol hüten so zu handeln. An demselben Tage an welchem
Messer Agnolo Acciajuoli Eugen IV. meldete, er könne gehn
wann und wohin er wolle, verliess dieser Florenz, verweilte
Jedoch mehre Monate in Lecceto bei Siena, in der uralten vor
dem Thore von Fontebranda gelegenen Augustiner -Einsiedelei,
deren Name sich von den Steineichen (Quercus ilex) der be-
nachbarten Waldung herschreibt und welche auch von Gre-
gor XU. und Martin V. besucht worden war. Am 28. September
traf er in Rom ein, wo er wenige Tage später das lateranische
Concil eröffnete welches eine Fortsetzung des florentinischen
sein sollte. Aber dies Concil hat keinen Fortgang gehabt.
Eugens IV. letzte Jahre waren insoferne ruhiger als er in
Rom selber nicht mehr gestört wurde. Sonst genoss er der
Ruhe weder in weltüchen noch in geistlichen Angelegenheiten.
Denn so gering auch der Anhang des Gegenpapstes sein mogte,
106 Kircliliohc und politische Vci'\%*ickluiigen.
nahm das Schisma doch kein Ende, und um Teutschland zu
gewinnen wo man noch bei der Neutralität beharrte, musste
Eugen sich kurz vor seinem Tode zu wichtigen Zugeständ-
nissen entschliessen , die einem Theil der baseler Beschlösse
Anerkennung verschafften. Der Anschluss orientaüscher Kir-
chen, wie der Jakobiten und Kopten, kam neben der Bedeu-
tung solcher Differenzen nicht in Betracht. Auf staatlichem
Gebiete wälirten die Verwicklungen fort, nicht ohne Schuld
des Papstes welcher im Für und Wider gleich bestandlos
war und sich vermaass, mit den verschlagensten Politikem
seiner Zeit, Filippo Maria Visconti und Alfons von Ara-
gon, wie mit den gewandtesten und erfindungsreichsten Con-
dottieren und Signoren, Francesco und Alessandro Sforza,
Niccolo Piccinino, Sigismondo Malatesta von Rimini, Federigo
von Urbino zu wetteifern. Es ist ein verworrenes Gewebe von
erfolglosen Kämpfen worunter Land und Leute entsetzlich
Utten, von haltlosen Bündnissen und unaufrichtigen Versöli-
, nungen, von Hinterlist und stetem Parteiwechsel, ein Treiben
in welchem man ungeme dem Namen eines Papstes begegnet.
Im Frühling 1446 hatte er sich, in seiner Begierde Francesco
Sforza zu stürzen, mit den Florentinern seinen alten Freunden
so verfeindet, dass diese dem Sforza zu einem Unternehmen
gegen Rom behülflich waren. Römische Barone, selbst mehre
Cardinäle, wie es heisst auf Scarampis Einfluss eifersüchtig,
scheinen um den Anschlag gewusst zu haben. Mehre Stadt«
Umbriens und des Patrimoniums waren, so glaubte man, gewon-
nen und sollten dem Feinde die Thore öffnen. Dieser setzte
sich auch wirklich gegen Ende Mai in Marsch und gelangte
bis Viterbo. Aber die erwartete Bewegung erfolgte nicht, und
da der Papst unterdess Truppen geworben und nach den Mar-
ken gesandt hatte, sah Sforza, welcher Eugen unter Koins
Mauern einen Vergleich abzunöthigen gehofft hatte, sich in
grösster Gefahr eine Provinz zu verlieren, um deren Besitz er
so lange mit stetem Wechsel von Glück und Unglück gekämpft
hatte. Während es so in Italien stand, erUtt im Osten Europas
die Christenheit einen der furchtbarsten Schläge durch den Tag
von Vama, wo am 10. November 1444 König Wladislav von
Polen, seit Albrechts Tode Regent von Ungarn, im Kampfe
gegen Sultan Murad, den er durch Vertragsbruch zum Kriege
herausgefordert, den Tod fand, während der Cardinallegat
Verständigung mit Teutschland. 107
Giuliano Cesarini, der zum Unternehmen gedrangt hatte, auf
der Flucht von den eignen Leuten ermordet ward.
Das Jahr 1447 war herangekommen. Die Verhandlungen
mit Teutschland waren dem Abschluss nahegebracht, nachdem
drei Jahre früher der letzte Rest des baseler Conciliabulums
geschwunden war. Schon vor Ende 1446 sah Rom die Ge-
sandtschaft in seinen Mauern, welche den Frieden besiegeln
sollte. König Friedrich III., von der steierischen Linie der,
Habsburger, seit dem 2. Februar 1440 Albrechts IL Nachfolger,
wünschte diesen Frieden; Eugens Bevollmächtigte in Teutsch-
land Juan de Carvajal, Tommaso da Sarzana und Nicolaus
von Cusa, der vormalige eifrige Vertheidiger der conciliaren
Ansprüche, hatten sich auf dem frankfurter Tage von 1446 mit
den Reichsstanden inbetreff der wesentlichsten Bedingungen
geeinigt. Des Königs Geheimschreiber Enea Silvio Piccolomini,
gleich Cusa längst zur päpstlichen Partei übergetreten, hatte das
Werk der Versöhnung so eifrig wie gewandt , freiUch auch durch
Anwendung von Geld gefördert. Er stand nun an der Spitze
der in Rom eingetroflFenen Gesandtschaft. Wiedereinsetzung
der von Eugen wegen ihrer Parteinahme für den Gegenpapst
suspendirten Erzbischöfe von Cöln und Trier in ihre Würde,
Anerkennung der in Constanz abgegebenen Erklärungen hin-
sichtlich der Autorität der allgemeinen Concilien, Zugeständ-
niss der Gültigkeit der baseler Decrete in ihrer in Teutschland
angenommenen Fassung inbetreff der Enthebung der teutschen
Kirchen von den Annaten und anderen Lasten unter Vorbehalt
einer künftigen Verständigung über eine Entschädigung des h.
Stuhls, Zusage der Berufung einer neuen Kirchenversammlung
innerhalb zehn Jahren in einer jenseit der Alpen gelegenen
Stadt: diese waren die Hauptpunkte , über welche in Frankfurt
im wesentlichen eine Verständigung stattgefunden hatte. Der
Papst nahm am 6. Februar 1447 die vier Artikel an, nicht ohne
inbetreff der Präeminenz des Concils und der eventuellen Zu-
sammenberufung desselben seine Erklärung so zu stellen dass
dieselbe zu künftigen Reservationen Raum Hess. Der Friedens-
schluss wurde festUch begangen; die Nuntien Carvajal und
Tommaso da Sarzana waren bereits am 16. December mit dem
Cardinalspurpur belohnt worden. Aber schon war der Papst
krank. Die immerwährende Aufregung hatte seine Constitution
unterffraben und das Uebel machte so rasche Fortschritte,
108 Eugens IV. Tod.
dass man selbst nicht zum Schlüsse des Versöhnungswerkes
gelangen zu können glaubte, welches doch den würdigen Ab-
schluss seines Lebens bilden sollte. Dann sank er rasch, be-
wahrte aber die alte Energie seines Wesens. Als der £n-
bischof von Florenz der h. Antoninus ihm die Sterbesacra-
mente reichen wollte, sagte er zu ihm, es sei noch nicht an
der Zeit; er werde ihn zu sich bescheiden wenn er fühle dass
die Kraft ihn verlasse. Braucht man sich zu wundern, be-
merkte König Alfons, dass Der gegen die ganze Welt gekämpft
hat, der dem Tode den Sieg streitig macht? Der Sterbende
klagte sich selber mancher Handlungen an. >0 Gabriel,
seufzte er eines Tages, wie viel besser wäre es für dein Seelen-
heil gewesen, als einfacher Klosterbruder zu enden, statt Car-
dinal und Papst geworden zu sein!« Er starb in der Morgen-
frühe des 23. Februar im Alter von vierundsechzig Jahren.
Wie er gewünscht wurde er in der vaticanischen Basilika neben
Eugen III. beigesetzt. Beim Neubau von St. Peter brachte man
aber das von seinem Neffen ihm errichtete Denkmal nach der
Kirche S. Salvatore in Lauro , welche seit dem Jahre 1450 durch
Verleihung des Cardinais Latino Orsini den Stiftsherren von
S. Giorgio in Alga gehörte und nach deren Aufhebung der
Provinz der Marken zugewiesen wurde. Auch hier, wo das
Monument, der Todte mit den strengen starren Zügen auf dem
Sarkophage liegend, im Chiostro aufgestellt wurde, hat die
römische bauUche Neuenmgssucht dessen Ruhe gestört.
Eugen IV. ist kein glücklicher Papst gewesen. Seine Re-
gierung war ein beständiger Kampf, so ohne wie durch seine
Schuld. Auf dem Todesbette klagte er sich selbst des Man-
gels an Mässigung an. »Er war hochherzig, sprach Enea
Silvio zu Friedrich III. , aber sein grösster Fehler war dass er
kein Maass kannte und seine Handlimgen nicht durch sein Ver-
mögen sondern durch sein Wollen bestimmt wurden.« Er war
heftig und starrsinnig, sagt ein Römer der zur päpstlichen
Partei gehörte. Daher die leidenschaftUchen rehgiösen Cpnflicte
die er wenn er sie nicht veranlasste vermehrte , und die unseli-
gen poUtischen Zerwürfnisse welche so grosses Elend über den
Kirchenstaat brachten. Sein Leben aber war rein. Er war
gegen sich strenge , einfach , enthaltsam , sparsam ausser wo es
sich um Mildthätigkeit, um Vertheidigung des Glaubens, um
kirchhche und gemeinnützige Bauten handelte. Er kannte den
Römische Stadtverwaltung unter Eugen IV. 109
Nepotismus nicht. In persönlicher Freundschaft war er be-
ständig. »Glücklich Der, sagt Enea Silvio, dem er einmal
wohlgewollt hat. An das Uebel glaubt er nicht bevor er es
sieht. € Vitelleschi liess er fallen als er ihn für schuldig hielt.
Wie Martin V. hat auch er manche ausgezeichnete Männer zum
Cardinalat befördert Von dem was er fiir das Bauwesen und,
obgleich seine eigne Bildung mangelhaft war, für das Unter-
richtswesen that, wird noch die Rede sein. Die Stadt Rom
erfreute sich in seinen letzten Jahren besserer Zeiten. »Eugens
Tod, schreibt Paolo Petrone, war ein grosser Schaden für
Rom, denn seit seiner Rückkehr lebten wir in Ruhe und Wohl-
stand. Er stellte ausser dem päpsthchen Palast viele Kirchen
wieder her die im übelsten Zustand waren. Den Armen er-
theilte er reiche Almosen, vielen mittellosen jungen Mädchen
verhalf er zur Ehe.« Auch während seiner Abwesenheit be-
theiligte er sich an der Stadtverwaltung. So finden wir im
Jahre 1436 zahlreiche Ernennungen für die Kammer, die Münze,
das Zollwesen u. s. w. Dem Castellan der Engelsburg wurde
damals genau vorgeschrieben wie stark die Mannschaft sein
sollte, zwanzig Mann für den obem Theil, zehn für den
untern Theil des Castells, acht zur Bewachung der Brücke, nur
zwei für den Vatican, im ganzen vierzig Mann mit hundert-
vierzig Goldgulden Monatssold, zu welchen für Antonio Rido
und seinen Bruder den Vicecastellan zehn Gulden kommen
sollten. Die Custoden der Mauern und öffentlichen Bauten,
die Armenanwälte u. a. wurden vom Papste selber ernannt,
Verfugungen inbetreff von Weiden und Zöllen , zum Schutz der
Juden durch Bestätigimg ihrer Privilegien gegen gerichtUche
Decrete, Bürgerrechtsertheilungen u. s. w. gingen von ihm aus.
Das Senatorsamt wurde regelmässig von fremden Edelleuten
verwaltet. SaUmbeni, Petroni, Rimbotti aus Siena, Rinaldo
degli Albizzi, Strozzi und Bonciari aus Florenz, Imperiali aus
Genua, Gritti aus Venedig, Filangieri von der sicilischen Linie
kommen zum Theil wiederholt vor neben Rittern aus Perugia,
Spoleto, Norcia, Todi, Temi. Die Stadtgeschichte weiss
unter ihnen von keinen Unruhen mehr zu berichten.
110 Coiiclave und autonome Tendenzen.
8.
NICOLAUS V.
Auf dem Sterbebette hatte Eugen IV. die strenge Befol-
gung des Decrets Gregors X. über das Conclave anempfohlen.
Das Cardinalcollegium bestand aus vierundzwanzig Mitgliederu
von denen achtzehn in Rom anwesend waren. Selten ist es so
bunt zusammengesetzt gewesen, denn zu eilf Italienern gesellten
sich vier Spanier, unter ihnen Carvajal und Torquemada, zwei
Griechen deren einer Bessarion war, zwei Franzosen, und je
ein Teutscher, Engländer, Pole, Ungar, Portugiese. Während
die Wähler sich am 4. März 1447 im Kloster bei Sta Maria
sopra Minerva versammelten, wo der kaiserhche Gesandte £nea
Silvio Piccolomini mit anderen Gesandten und Prälaten die
Conclavewache hielt, mahnten die Umstände an die Opportu-
nität baldiger Wahl. In Rom zeigten sich wieder Spuren von
Gährung. In der Kirche von Araceli fand eine Versammlung
statt, in welcher ein römischer Edelmann Stefano Porcari, der
nicht geringen Anhang und auch ausserhalb viele und achtungs-
werthe Verbindungen hatte, sich gegen die Priesterherrschaft
ausliess und darauf hindeutete, dass Rom nicht so viel Freiheit
und Autonomie besitze wie die unbedeutendste Comune. Die
Bemülmngen des Vicecamerlengo und die Besorgniss vor
König Alfons von Aragon, der mit Truppen in TivoU stand.
verhinderten einen Ausbruch, aber die Wähler ermaassen die
nicht unbedenkliche Lage. Am ersten Tage theilten sich die
Stimmen zwischen Prospero Colonna und Domenico Capranica;
am zweiten schien die Wahl Colonnas beinahe gesichert, als
der Cardinal von TagUacozzo Erzbischof von Tarent den Car-
dinal von Bologna in Vorschlag brachte. Torquemada gab
durch seine Stimme den Ausschlag. Am 5. März, der Vigilie
des Festes S. Thomas Aquinas' wurde Tommaso da Sarzana
zum Papste gewählt
Im Jahre 1398 wurde nach der gewöhnlichen Annahme
einem wenig begüterten Paare Bartolommeo und Andreola
Parentucelli, wie Einige sagen in Pisa, nach Anderen in Sar-
zana ein Sohn geboren, der im Alter von neun Jahren den
Vater verlor. Die Mutter, der ein Traum die künftige Grösse
des Knaben während einer gefahrlichen Krankheit desselben
Jugendjahre Tommasos da Saraana. Niccolo Albergati. 111
prophezeite, sorgte so gut sie yermogte für dessen Unterwei-
sung, so dass Tommaso, den man nach dem Orte nannte wo er
entweder zur Welt kam oder seine Jugend verbrachte, sechzehn-
jährig die hohe Schule zu Bologna beziehn konnte. Hier lag
er drei Jahre lang den Wissenschaften mit grösstem Eifer ob,
so dass er in Philosophie und freien Künsten schöne Kennt-
nisse und den Magistergrad erlangte. Als seine Geldmittel er-
schöpft waren kehrte er nach Sarzana heim; da aber seine
Mutter, die sich wiedervermält und jüngere Kinder hatte,
ihm keine Unterstützung gewähren konnte, musste er selbst
für sein ferneres Fortkommen sorgen. So ging er nach Flo-
renz, wo er erst den Söhnen Messer Rinaldos degli Älbizzi,
dann denen Palla Strozzis Unterricht ertheilte. In welcher
Blüte die Wissenschaften in den ersten Decennien des fünf-
zehnten Jahrhunderts in Florenz standen, wie grossen Einfluss
die vornehmen Familien welche die Geschicke des Staates
lenkten, auf deren Fortschritte ausübten, wird die Geschichte
der geistigen Bewegung dieser Zeit klar machen. Maestro
Tommaso erübrigte nicht nur so viel dass er nach Bologna
zurückkehren und sich wieder den Studien, namentlich der
Theologie widmen konnte, sondern er blieb auch in befreun-
deten Beziehungen zu den beiden edlen Geschlechtern, zu denen
er in vertrautem Verkehr gestanden war. Als er Jahre darauf
den Gipfel der Grösse erreicht hatte, seine ehemaligen Zög-
linge aber von dem harten Loose der Verbannung betroffen
waren, hatte er die Freude ihnen Gutes thun zu können.
Nachdem Tommaso auch in der Gottesgelehrtheit den Ma-
gistergrad erlangt hatte, zog ihn der Bischof von Bologna
Niccolo Albergati an sich heran. Zwanzig Jahre lang ist
er der unzertrennliche Gefahrte und Helfer dieses ausgezeich-
neten Mannes geblieben, der die Sittenstrenge des Karthäu-
sers mit der Wachsamkeit des geistlichen Hirten und der
Thätigkeit des Diplomaten vereinigte. Von Martin V. zum
Cardinalat erhoben wurde Albergati von Eugen IV. mit den
Legationen nach Frankreich zum Abschluss des Friedens
zwischen Carl VII. imd Philipp von Burgund, nach Teutsch-
land , nach Ferrara zum Zweck der Versöhnung zwischen Mai-
land und Venedig beauftragt. Maestro Tommaso nahm an
diesen Reisen und Unterhandlungen Theil, deren Zwecke er
durch seine Gewandtheit förderte, während er den Schatz
112 Niccolo Albergati. Karaktcr Nicolaus* V.
seiner Kenntnisse im Umgang mit Gelehrten imd Staatsmännern
fremder Länder mehrte. Er war mit dem Cardinal zur Zeit
Papst Martins in Rom gewesen. Nach Eugens IV. Flucht be-
gleitete er ihn nach Florenz wo Beide längere Zeit verweilten,
worauf sie dem Papst nach Bologna imd Ferrara folgten, mit
ihm nach Florenz zurückkehrten, als das Concil dahin verlegt
wurde. Maestro Tommaso, in den Werken der Kirchenvater
ungewöhnlich bewandert, wurde vom Papste nach der Ver-
einigung mit den Griechen zur Führung der Unterhandlung mit
den orientalischen Kirchengemeinden gewählt, deren günstiger
Erfolg ihm grosse Ehre machte. Als Albergati im Mai 1443
in Siena starb , ernannte er ihn zu seinem Letztwillensvollzieher.
Der Papst aber verUeh ihm das Bisthum Bologna, eine Ver-
leihutig die ihm keinen Vortheil brachte indem die Stadt sich
gegen den h. Stuhl aufgeleimt hatte, und übertrug ihm Lega-
gationen nach Florenz, nach Neapel, zweimal nach Teutsch-
land. Auf der letzten dieser Gesandtschaftsreisen war es, wo
er mit Juan Carvajal Bischof von Placentia und Nicolaus von
Cusa auf dem frankfurter Convent vom September 1446 den
Vergleich inbetreflF der baseler Decrete und der teutschen
Kirche schloss, der die langersehnte Verständigung herbei-
führte. Der Papst sandte den auf der Rückreise befindlichen
beiden Nuntien den rothen Hut nach Viterbo entgegen. Die
sienesischen Gesandten in Rom nannten Tommaso in einem
ihrer Berichte »einen andern Papst«. Zwei Monate später war
Eugen IV. aus dem Leben geschieden.
Tommaso da Sarzana war eine eigenthümliche, reichbegabte,
glückUche Natur. Einer seiner Zeitgenossen der vor wie nach
seiner Erhebung viel mit ihm umgegangen ist, Vespasiano da
Bisticci, hat ims seine Lebensbeschreibung hinterlassen, deren
Einzelzüge sich von selbst zu einem Gesammtbilde des merk-
würdigen Mannes gestalten. Er war klein von Gestalt, chole-
risch was er durch seine Besonnenheit mässigte, rasch und
ungeduldig, denn da er alles mit grösster Genauigkeit that
wollte er auch auf einen Wink verstanden sein. Er hatte
dunkle Augen, helle Gesichtsfarbe, tönende Stinune. Für sich
selbst war er äusserst haushälterisch. Als er einmal als Nuntaus
nach Frankreich ging, und Papst Eugen sich in solcher Ver-
legenheit befand dass er ihm nicht einmal hinlängliches Reise-
geld geben konnte, liess er, in Florenz angelangt, Cosimo de
Karakter Nicolaus' V. 113
Medici bitten ihm hundert Goldgulden yorzustrecken. Cosimo
liess einen Creditbrief an seine sämmtlichen Geschäftsfreunde
ausfertigen des Inhalts , sie sollten Maestro Tominaso auszahlen
was immer er verlange. Mit Mühe war er zur Annahme zu
bewegen; als er zurückkehrte, hatte er zweihundert Gul-
den gebraucht und es schien ihm viel, und er entschloss sich
ongeme noch hundert zu nehmen um seine Weiterreise nach
Rom bewerkstelligen zu können. Gegen Andere war er frei-
gebig: was er hatte gehörte nicht ihm. Geiz und Kleinlichkeit
war ihm unbekannt, selbst bevor er grössere Mittel hatte was
viele Jahre hindurch der Fall war, da er ausser dem päpst-
lichen Subdiaconat von welchem er dreihundert Scudi bezog
nur ein paar unbedeutende Pfründen hatte, sein Bisthum aber
ihm nichts einbrachte. Er vertraute auf sein gutes Glück und
dachte es könne ihm doch nicht fehlen. Er pflegte zu sagen,
komme er je in Wohlstand so werde er für zwei Dinge Geld
ausgeben, für Bücher und Bauten. Selbst als er arm war,
wollte er nur schöne Bücher haben, und die Abschriften die
er besorgen liess waren alle trefflich. Er selbst schrieb eine
sehr schöne Hand die* zwischen antiker und modemer Form
die Mitte hielt, und kaum Irgendeiner that es ihm darin zuvor.
Die Bücher deren er sich bediente versah er mit reichlichen
Anmerkungen. Er begleitete nie den Cardinal auf seinen Le-
gationen ausserhalb Itahens ohne Bücher mitzubringen. Von
der Literatur hatte er ausgedehnte Kenntniss; keiner verstand
sich gleich ihm darauf eine Bibliothek zu ordnen. Als Cosimo
de' Medici die Bibhothek von San Marco anlegte, bat er Maestro
Tommaso ihm einen Plan für dieselbe zu entwerfen. Nach
diesem Plan wurden die BibUotheken in San Marco und der
Abtei von Fiesole, jene des Herzogs von Urbino und Alessandro
Sforzas von Pesaro geordnet. Seine Kenntnisse waren so gründ-
lich wie vielseitig, sein Gedächtniss unvergleichlich. Nicht nur
war er in den Wissenschaften ungewöhnlich erfahren , sondern
sein Urtheil über poUtische und administrative Dinge war so
scliarf und richtig, als wenn er von Kindheit an zu grossen
Dingen erzogen worden wäre. Wenn er mit Jemandem über
eine Sache sprach, so schien es diesem als habe er sich nie
mit etwas anderm befasst.
Ein Feind von Aeusserlichkeiten und Ceremonien wurde
er rasch mit den Leuten vertraut, auch als er zu höheren
▼. Ketnnont , Rom. Ul. g
114 Lateranische Procession.
Würden aufgestiegen war. Seine Anspruchslosigkeit kam seiner
Höflichkeit gegen Alle gleich, die ihn den Bischof oder Nun-
tius besuchten. Er war gerade, offenherzig, ein Gegner aller
Heuchelei und Heuchler; nie sagte er etwas was ihm nicht
Ernst war. Gegen Alle war er freundlich. Er war heiter und
gesprachig; keiner schied von ihm unbefriedigt. Der Umgang
mit so vielen würdigen und ausgezeichneten Männern und der
Verkehr an Höfen war ihm zugute gekommen. Seine Art zu
reden war immer verbindhch. Sein Hauswesen war gut geord-
net. Seine Dienstleute waren alle Teutsche oder Franzosen.
Die Italiener, sagte er, hätten immer ihren Sinn auf etwas
anderes und höheres gerichtet, während Franzosen und Teutsche
sich mit dem wozu man sie verwende begnügten, sich um ande-
res nicht kümmerten, auch im niedrigsten Dienste zufrieden und
treu wären. Sein Tisch war einfach und er war sehr enthalt-
sam und massig; Wein trank er nur stark mit Wasser gemischt
und massig, imd wenn er feine Weine kommen Hess, so war*s
fuir die Prälaten und Herren aus Frankreich, Teutschland uud
England die er auf seinen Reisen gekannt hatte, und gegen
welche er sich gastfrei bewies wenn sie nach Rom kamen.
So war der Mann welcher aus dem kurzen Conclave in
der Minerva als Eugens Nachfolger hervorging, ohne Eabale
noch Parteimanöver, zur Verwunderung Vieler , am meisten zu
seiner eignen, da er einer der jüngsten Cardinäle und ohne
persönUchen Anhang in Rom war. Der neue Papst nahm den
Namen Nicolaus an, in dankbarer Erinnerung an seinen viel-
jährigen Gönner Albergati. Am 19. März krönte ihn vor der
vaticanischen Basilika derselbe Prospero Colonna welcher der
höchsten Würde so nahe gestanden war. Die Procession nach
dem Lateran war glänzend. Vorauf ritten die Hofleute, die
städtischen Beamten, die Barone; die Pferde der Achte, Bischöfe
und Cardinäle trugen weisse Decken. Von zahlreichen bren-
nenden Wachsfackeln umgeben wurde das h. Altarsacrament
getragen, dann folgten drei Banner und ein Sonnenschirm.
Der Papst ritt ein weisses Ross, in der Linken trug er die
goldene Rose, mit der Rechten ertheilte er den Segen. Bei
Monte Giordano standen die Abgeordneten der Judengemeinde,
ihr Gesetz überreichend. Nach der kirchlichen Ceremonie in
der Laterankirche und nachdem den Cardinälen, Prälaten,
Gesandten Gold- und Silbermünzen zugestellt worden, fand
Fremde Gesandtschaften bei Nicolaus V. 115
das Gastmal statt, wobei der Papst im Palast, alle Uebrigen
in der Chorherrenwohnung speisten. Die kaiserlichen Gesandten
£nea Silvio Piccolomini und Procop von Rabstein waren die
Gäste Cardinal Carvajals. Es war Nacht bevor man den Va-
tican wieder erreichte. Drei Monate später, am Vorabend des
Johannesfestes zog Papst Nicolaus noch einmal mit grosser
Pracht zum Lateran wo er Messe las, worauf im Herzen der
alten Stadt von der Kirche der h. Cosmas und Damian zum
Constantinsbogen ein Preisrennen stattfand.
Längere Zeit wälirten die Ceremonien und die Glückwunsch-
Audienzen der fremden Botschafter. Die ersten waren die des
romischen Königs, dann folgten jene der übrigen Fürsten, end-
lich die italienischen. Neben den Gesandten von Mailand, Ve-
nedig und Genua, von Florenz und Siena sah man die von
Bologna und Perugia; König Alfons, zu dem der Papst un-
mittelbar nach seiner Wahl die Cardinäle Condulmer und
Scarampi beordert hatte, liess sich alsbald durch vier Bot-
schafter vertreten, welche ein Abkommen mit dem h. Stuhl
herbeizuführen beauftragt waren. Besonders guter Aufnahme
erfreute sich die florentinische Gesandtschaft: Nicolaus V. wollte
kundgebeu welchen Werth er auf Fortdauer seiner persön-
lichen freundschaftlichen Beziehungen zur Repubhk legte. Die
Florentiner hatten ehrenwerthe Männer gesandt, Neri Capponi,
Agnolo Acciajuoli, Giannozzo Manetti, Piero de' Medici Co-
simos Sohn unter ihnen. Mit hundertzwanzig Pferden waren sie
eingezogen; die Cardinäle hatten sie empfangen und Alles war
hinausgeströmt sie zu sehn, wie sie einherritten in ihren langen
carmesinrothen Gewändern mit pelzbesetzten o£fenen Aermeln,
mit zwölf jungen Begleitern in Anzügen von Carmesindamast
mit Pelzverbrämung. Messer Giannozzo Manetti hielt die Anrede,
welche über eine Stunde währte: der Papst, heisst es, war so
in sich gekehrt dass er zu schlafen schien, als aber jener endete,
antwortete er Punkt für Punkt mit grosser Gewandtheit auf
die lange Rede. Vespasiano, hatte er am Tage vorher zu
seinem alten Bekannten dem Buchhändler gesagt, der zur
Audienz gekommen war und den er bei sich behalten hatte —
Vespasiano, würden die Florentiner sich haben träumen lassen,
der arme Priester werde Papst werden? »Ich erwiederte ihm,
das Volk werde des Glaubens sein , es sei imi seiner Tugenden
willen geschehn und auf dass Italien der Friede wiedergegeben
8'
116 Nicolaus' V. FriedeuspolitiL
würde. Drauf Er: ich bete zu Gott dass er mir die Gnade
gewähre, dasjenige ins Werk zu setzen was meine Seele erfüllt
Nämlich während meines Pontificats keine Waffe zu gebrauchen,
als jene welche Christus mir zu meinem Schutze gegeben hat,
sein heiliges E^reuz.«
Mit solchen Gesinnungen und Absichten trat Nicolaus Y.
die Regierung an , und er hat sie auf welthchem wie auf geist-
lichem Gebiete bethätigt. Er ist ein Friedensfurst gewesen
nach dem Vorgange Dessen welcher Petrus die Schlüssel über-
geben hatte, die er als sein Wappenzeichen annahm wie man
es noch an Roms Mauern und anderwärts erbUckt, mit der
Devise: Paratum cor meum Dens« Er hielt Umzüge mit dem
ganzen Clerus, von Gott Frieden zu erflehen; er selbst schrieb
die Litaneien auf. Nicht blos die eigne Gesinnung, auch das
warnende Beispiel der Verwirrung in welcher während der
beinahe ganzen Dauer von Eugens Regierung der Elirchenstaat
sich befunden hatte, musste Nicolaus V. auf ein verschiedenes
System hinweisen. Er beschloss von Anfang an mit den Feu-
dataren des h. Stuhls eine Verständigung einzuleiten die ihm
nach aussen hin freie Hand lassen würde. So vertrug er sich
mit Federigo von Montefeltro, Alessandro Sforza, Antonio
Ordelaffi, Rodolfo und GiuUo da Varano , Nello Baghoni,
Sigismondo Malatesta und dessen Söhnen Roberto und Mala-
testa, indem er ihnen die Vicariate von Urbino, Pesaro, Forli,
Camerino , Spello , Rimini und dazu gehörigen Orten theils be-
stätigte theils verlieh. Das Papstthum ward dadurch keines-
wegs vor Feindseligkeiten seiner Lehnträger gesichert, zunächst
aber der Friede hergestellt. Das Vicariat der Estensen in Fer-
rara wurde für Markgraf Borso bestätigt, der dann vom Reich
den Titel eines Herzogs von Modena und Reggio erhielt
Venedig musste im Besitz von Ravenna gelassen werden, in
den es sich im Jahre 1441 auf Kosten der Polentanen gesetzt
hatte. Mehre Barone der Umgebung Roms, Lorenzo Colonna,
die SavelU, Orso Orsini, der Graf von Anguillara, mehre Orte
die sich vergangen hatten wurden wieder zu Gnaden ange-
nonunen. Der anconitaner Mark, der Stadt Fermo u. a. i^ur-
den die alten Constitutionen bestätigt, neue Freiheiten bewil-
ligt. So beruhigte Nicolaus V. den eignen Staat. Der Lehnzins
war in den meisten Fällen unbedeutend und mag wie ehemals
unregelmässig eingezahlt worden sein, aber die apostoUscbe
Tod Filippo Maria Viscoutis. 117
Kammer bezog vonaltershet unter verschiedenen Titeln nicht
unbetriLchtUche Einkünfte aus den Provinzen. Der wiederholte
Aufenthalt welchen der Papst in diesen Provinzen nahm, in
Umbrien, in den Marken u. s. w., bestärkte das gute Einver-
nehmen.
Währenddessen suchte Nicolaus seine friedliche Gesinnung
auch in den Verhältnissen zu den italienischen Staaten geltend-
zumachen. Bei Eugens IV. Tode war die ganze Halbinsel in
Bewegung und ein bald darauf stattfindendes Ereigniss steigerte
im ersten Moment die Verwirrung, während es für die Folge-
zeit Ausgangspunkt ruhigerer Entwicklung wurde. Am 15. Juli
1447 starb plotzUch Filippo Maria Visconti. Er hatte als Erbe
der Politik seines Vaters , welchem er an intriganter Ruhelosig-
keit, nicht an grossartiger Thatkraft gleichkam, den Staat, der
bei dessen Tode in Trümmer zu gehn drohte , wiederhergestellt
und seine Hand wie dieser stets nach MittelitaUen ausgestreckt.
Sein Leben war ein beständiger Kampf mit Nachbarn und
Femen, ein beständiges Aufbieten der Bänke erfindungsreich-
ster Politik, ein beständiger Wechsel von Feindschaft und
Freundschaft. Mehr als Einer hatte er das Condottierenwesen
lebendig erhalten und in seinen äussersten Consequenzen sich
entwickeln lassen, er der selber nie ein Schwert gezogen hatte
aber stets Schaaren bereit hielt, sie bald nach dieser bald nach
jener Seite zu werfen, eingestanden oder verschwiegen, selbst
die Einen gegen die Andern gebrauchend wofern es seine Zwecke
zu fördern schien. Die geübtesten und gefurchtetsten Feldherren
der Zeit hatte er von der Kriegsbühne verschwinden gesehn,
Alberigo da Barbiano, Facino Cane, Sforza Attendolo , Braccio
da Montone, Niccolo Fortebraccio , Niccolö Piccinino, Francesco
Carmagnola u. A. ; kaum einer von ihnen war natürlichen Todes
gestorben. Den besten der Ueberlebenden , Francesco Sforza,
hatte er wechselweise an sich zu ziehn und zu verderben und
wieder zu heben versucht. Auch nachdem er ihm seine Tocbter
Bianca Maria vermalt, hatte er ihn im Bunde mit Papst Eugen
und König Alfons bekämpft, ihm, als die Mark schon verloren
war, wieder die Hand geboten, kurz vor seinem Ende vergebens
mit ihm sich zu vertragen gewünscht.
Filippo Maria starb ohne männliche und rechtmässige
Nachkommen. Auf das Herzogthum Mailand machten König
Alfons den er zu seinem Erben eingesetzt, der Herzog von
118 Francesco Sforza. Kiroblichc Angelegenheiten.
Savoyen und der von Orleans als Sohn einer Visconti An-
spruch. Die Mailänder erklärten sich für frei , Como , Alessan-
dria, Novara hielten zu ihnen, aher Pavia wollte allein stehn,
Lodi und Piacenza gaben sich an Venedig, und das Ende des
Haders und des Krieges war, dass die ambrosianische Repu-
blik nach drei Jahren sich der Herrschaft des Feldherm fugen
musste, den sie selbst herbeigerufen hatte. Mailand hat kei-
nen Grund gehabt es zu bereuen. Denn die Regierungszeit
Francesco Sforzas gehört zu seinen glückUchsten Epochen, und
es war dieser kriegerische Herzog der endlich den Frieden
in Italien herstellte, nachdem sein unkriegerischer Vorgänger
dreissig Jahre lang ganz Italien im Kampf erhalten hatte. Dem
im Jahre 1454 geschlossenen Vertrag von Lodi zwischen Venedig,
Mailand imd Florenz traten Papst Nicolaus und König Alfons
bei. So begann für Italien die Zeit der Bündnisse und des politi-
schen Gleichgewichts , eine Zeit die nicht ohne manchfache Stö-
rungen verlief, aber im Ganzen zwischen den kleinen localen
Kriegen der vorhergegangenen, zwischen den grossen europäi-
schen der nachfolgenden Jahre ein gutes Andenken zurückge-
lassen hat. Die glänzenden Tage des Condottierenthums waren
zu Ende von dem Moment an . wo der glückUchste und weiseste
der Condottieren Herr eines ansehnlichen Staates wiurde.
Wie Nicolaus V. an dem politischen Friedenswerk thäti-
gen Antheil genommen hat, waren seine Bemühungen auch auf
Wiederherstellung des kirchlichen Friedens gerichtet. Auch
hierin hatte er Glück , sofeme der Westen Europas in Betracht
kommt. Die Namen der Cardinäle deren er sich als Legaten
bediente, Juan de Carvajal, Nicolaus von Cusa, Guillaume
d'Estouteville , Domenico Capranica, Bessarion u. A. zeigen
allein schon, wie ernst und verständig er das grosse Werk
ergriff. Der erste Erfolg war das durch das Aschaffenburger
Concordat und dessen am 19. März 1448 erfolgte Bestätigung
mit Teutschland geschlossene Abkommen. Ein Abkommen von
dem es allerdings zweifelhaft ist, inwiefeme es dem wahren
Interesse der teutschen Kirche und somit in letzter Instanz
auch dem des Pontificats wirklich ent-sprach, während dieser
Rückschritt von dem durch die beiden grossen Concilien Er-
langten nachmaliger Spaltung den Weg gebahnt hat Ein un-
l)ezweifelter Gewinn war das Ende des Schismas. Es beschränkte
sich auf Savoyen und einen Theil der Schweiz, als König
Rücktritt Felix' V. Jubeljahr 1450. 119
Friedrich III. und vor Allen Carl VII. von Frankreich sich ins
Mittel legten. Am 7. April 1449 entsagte Felix V. seiner Würde
indem er die eines Cardinallegaten bewahrte, während zugleich
drei seiner Cardinäle bestätigt wurden. Unter ihnen war Louis
Aleman Erzbischof von Arles , einst die Stütze des Baseler Con-
cils, ein Mann von ebenso grosser Energie wie von ernster
Frömmigkeit, der seinen bestimmenden Antheil am letzten
Schisma durch seinen tugendhaften Lebenswandel wiedergut-
gemacht hat. In Polen, Ungarn, Bosnien, Croatien, auf Cy-
pem, überall wirkte Nicolaus für den kirchlichen Frieden; nur
in Böhmen mislangen Carvajals Bemühungen völlig. Die orien-
talische Spaltung hatte unterdess alsbald nach dem florentiner
Frieden wieder begonnen. Welche immer die persönUchen Nei-
gungen der letzt'Cn christlichen Beherrscher Constantinopels
sein mogten, Johannes und Constantin Paläologus waren un-
vermögend auch inmitten der grössten Hülflosigkeit des Reiches
Clerus und Volk dem römischen Symbolum zu gewinnen, und
bald machte die furchtbare Katastrophe dieses Reiches Be-
mühungen ein Ende, deren Fruchtlosigkeit vier seitdem ge-
schwundene Jahrhunderte documentirt haben.
9.
FRIEDRICHS m. KAISERKRÖNUNO. DIE PORCARISCHE VERSCHWÖRUNG.
Solcherart war die Wirksamkeit Papst* Nicolaus* V. inner-
halb und ausserhalb seines Staates. Was er auf geistigem
Felde anregte und schuf, wird Gegenstand späterer Betrach-
tung sein. Der Friede den er allerwäxts förderte, kam Rom
zugute. Senatoren aus Perugia, Citta di Castello, Fermo, aus
Venedig und Verona, aus Neapel und Aquila folgten einander
ohne Unterbrechung. Im Jahre 1450 wurde das fünfte Jubi-
läum unter grossem Zulauf gefeiert. In mehren Theilen ItaUens
herrschten pestartige Krankheiten von denen auch Rom zu
leiden gehabt hat. Schon zwei Jahre zuvor war hier die
Sterbüchkeit sehr gross und veranlasste die gewöhnhchen Er-
scheinungen. Wie Bemardino da Siena predigte Fra Roberto
da Ijccce auf dem Capitolsplatze und stiftete zahlreiche Ver-
söhnungen. Von AraceU bis Sta Maria maggiore Uefen Haufen
120 I^A^ Jubeljahr. Friedrich III. m Itaheu.
junger Männer, halbentblösst sich geisselnd, die göttliche Barm-
herzigkeit anrufend. Auch im Jubeljahr war es schlimm genug.
Der Papst ging nach Umbrien und den Marken. Wie einundzwan-
zig Jahre früher bei ähnlichem Anlasse ansteckender Krankheit
Martin V. sich in Ferentino eingeschlossen hatte, sperrte Nico-
laus V. sich in Fabriano von aller Berührung mit dem ver-
pesteten Rom ab. Dennoch war die Zahl der Pilger in Rom
ungeheuer; die Heerstrassen schienen in Jahrmärkte verwan-
delt. Die weise Einrichtung für den Uebergang über die
Engelsbrücke welche Dante schildert, scheint diesmal ausser
Acht gelassen worden zu sein. Denn am 19. December ent-
stand , wie es heisst durch ein störrisches Maulthier veranlasst,
auf der Brücke ein solches Gedränge dass nach der geringsten
Berechnung gegen neunzig Personen umkamen. Zwei Kapellen
am Aufgang der Brücke , wo seit Clemens* VII. Zeit die Apostel-
statuen stehn , erinnerten an das tragische Ereigniss. Der Papst
benutzte die Zeit des Ablasses meist zu geistlichen Uebungen.
Von Cardinälen und Klerikern begleitet sah man ihn, so lange
er noch in der Stadt weilte, zu den Stationen ziehn. Er war
es der die Fronleichnamsprocession in der Leostadt einführte,
wobei er das Allerheiligste von St. Peter bis Porta Castello
trug. Früher pflegten die Päpste in ähnUcher Weise vom La-
teran bis S. demente und zurück zu ziehn.
Ln zweiten Jahre nach dem Jubiläum sah Rom eine neue
Kaiserkrönung. Friedrich III. war mitten im Winter über die
Alpen gegangen. Am 30. Januar 1452 traf er in Florenz ein. Die
Zeiten waren längst vorüber in denen die guelfische Republik
teutschen Königen ihre Thore verschloss. An Porta S. Gallo
bewillkommnete der Kanzler Carlo Marsuppini von Arezzo den
künftigen Kaiser durch eine Rede, welche dessen Geheim-
schreiber Enea Silvio beantwortete. Zwei päpstliche Legaten
erwarteten ihn und zogen am 6. Februar in Gesellschaft von
vier florentinischen Botschaftern mit ihm gen Rom. Zu Siena
angelangt ertheilte Friedrich den Legaten die gewohnten Zu-
sagen inbetreff der päpstlichen Rechte. Vor dem Thore Sienas
war es wo dieser mit seiner Braut Eleonore von Portugal zu-
sammentraf. Im Chorbüchergemach des Doms von Siena, wo
Bernardino Pinturicchio mit Hülfe des jungen Raffael die Ge-
schichte Enea Silvio Piccolominis in einem Cyclus von Fresken
gemalt hat die zu den schönsten der umbrischen Schule
Friednchs III. Raiserki'öimng. 121
geboren, ist auch diese Begegnung dargestellt Mehre MUIien
vor Rom erwarteten den König die vornehmsten Barone mit
dem Senator, dem Präfecten, den angesehensten päpstlichen und
stadtischen Beamten. Am Monte Mario empfingen ihn Cardi-
näle, Prälaten, Clerus. Die Nacht verbrachte er in der Villa
des florentiner Kaufmanns Marco .Spinelli, um am folgenden
Morgen, den 9. März, durch Porta Castello in die Leostadt
einzuziehn.
Der Einzug war prachtig. Der Konig schritt, von den
Cardinälen und Würdenträgern umgeben, unter einem Thron-
lümmel einher, während das Reichsschwert ihm vorgetragen
wurde. Auf elfenbeinernem Stuhle sitzend empfing der Papst
ihn auf den Stufen der vaticanischen Basilika, wo Friedrich
ihm eine reiche Spende Goldes darbot. Die Wachen an den
Tboren wie im Castell und im Senatorspalast waren verstärkt
worden, aber die Vorsicht erwies sich als unnöthig. Friedrich
hatte ein zahlreiches Gefolge. Der junge König von Ungarn,
Ladislav der Nachgebome, Albrechts von Oestreich und der
luxemburgischen Elisabeth Sohn, den er gegen den Willen
und die Vorstellungen jenes Volkes nicht in sein Erbreich
zurückkehren hess, und sein eigner Bruder Herzog Albrecht
standen an der Spitze der Begleiter deren Zahl auf sechstau-
send geschätzt wird. Friedrich hatte die eiserne Krone weder
in Mailand noch in Monza empfangen wollen, es heisst weil
dort Krankheit herrschte, inderthat wol weil er dem Nach-
folger der Visconti die Anerkennung versagte. So erfolgte am
16. März zuerst die lombardische Krönung, unter Vorbehalt
des Rechtes des Erzbischofs von Mailand, dann die Ver-
mälung Friedrichs mit Eleonoren. Zwei Tage darauf, am
Sonntag Laetare , fand die Kaiserkrönung statt zu welcher man
die teutschen Reichsinsignien herbeigeschafll hatte. Nach der
Ceremonie begleitete der Kaiser den Papst in die Engelsburg,
wo er eine Menge Edle zu Rittern schlug, und ritt hierauf
nach dem Lateran wo das Gastmal bereitet war. Am Abende
war er wieder im Palaste bei St. Peter welchen die Kaiserin
nicht verlassen hatte, und wo er folgenden Tags die goldene
Kose erhielt während einige nachträgUche Bestimmungen inbe-
treff des Concordats getroffen wurden. So ging die letzte rö-
mische Kaiserkrönung vor sich , sechshundertzweiundfunfzig
Jahre nach jener Carls des Grossen. Kirche und Reich waren
122 Stefano PoiTaro.
im Frieden, Rom war ruhig. Aber die Kirche erhob sich
mühsam aus den schweren Stürmen die sie grossentheiis über
sich selber heraufbeschworen^ hatte, während das Reich in
eine Ohnmacht verfallen war, zu deren Abhülfe nachmals der
Sohn dieses kraftlosen Nachfolgers des grossen Carl vergeblich
die unruhige Thätigkeit seines ganzen Lebens einsetzte. Von
Rom begab sich Friedrich nach Neapel zum Besuche bei König
Alfons, kehrte am 23. April zurück und reiste drei Tage später
über Florenz in die Heimat zurück, wo er alsbald in die
schlimmste Lage gerieth. Denn von den eignen Unterthanen
in Wiener -Neustadt belagert musste er sich nicht nur zur
Freilassung Ladislavs sondern zu wichtigen Zugeständnissen
verstehn, worauf der Cardinal von Cusa und Enea Silvio als
päpstliche Bevollmächtigte den Frieden vermittelten.
Inmitten aller dieser Bemühungen und Arbeiten, inmitten
grosser Unternehmungen zur Verschönerung und Befestigung
der Stadt, zur Sicherung vieler Orte des Kirchenstaats wurde
die Regierung Nicolaus' V. durch ein Ereigniss getrübt welches
man unter einem Herrscher von seinem Karakter am wenigsten
hätte erwarten dürfen. Sein Vertrauen zu dem römischen
Volke scheint nicht gross gewesen zu sein, falls nicht das
nachmals von ihm geäusserte Mistrauen eben durch das ge-
dachte Ereigniss geweckt worden ist. In der Nähe des Platzes
von Sta Maria sopra Minerva in dem Vicolo delle Ceste sieht
man das an den kleinen Platz von S. Giovanni della Figna
stossende Haus der Porcari, eine den Hofraum abschhessende
Mauer mit grossem viereckigen Eingang, darüber das Wappen,
ein auf einem Netz schreitendes Schwein; im Hofe eine grosse
Freitreppe welche zu dem Hauptgeschosse führt, dessen Thüre
mit demselben Wappen bezeichnet ist. Die Familie gehörte
zum kleinen Adel und findet sich in der zweiten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts. Stefano Porcaro wollte von den Por-
ciern abstammen, die Inschrift seines Hauses sprach es un-
umwunden aus. Unter Martin V. war er befördert worden und
hatte in Rom, Bologna, Florenz ehrenvolle Aemter bekleidet.
Er hatte wissenschaftliche Bildung genossen und stand zu ver-
schiedenen der Stimmführer der grossen humanistischen Be-
wegung der Zeit in freundschaftlichen Beziehungen. Zu diesen
gehörten namentlich Poggio Bracciolini, Gasparo von Verona,
Ciriaco von Ancona, Francesco Filelfo, Ambrogio Traversan
Stefano Porcaro. 123
die uns im Verlauf dieser Geschichte näher treten werden. Un-
ter des Letztem Briefen befinden sich mehre die er in Papst
Eugens Zeit an Stefano und dessen Bruder Mariano richtete,
Briefe welche so von der günstigen Meinung die der gelehrte Ca-
inaldulenser von Porcaris Karakter hegte , wie von dessen ehren-
YoUer Stellung in Rom und Bologna Zeugniss geben. »Was du
mir von deinem Bruder meldest, schreibt Traversari an Mariano
Porcaro, bestätigt nur Vieler Urtheile über ihn, in dessen Lob
und Bewunderung Alle sich vereinigen. Denn ihm namentlich
verdankt man, dass eine st«ts auf Neuerungen sinnende, von
den leidenschaftlichsten Fehden bewegte Stadt (Bologna) ruhig
und friedlich geworden ist, indem beide Parteien Einem Manne
vertrauten und sich in Einigkeit vertrugen.« Als Filelfo, durch
seine Stellung in Florenz nicht befriedigt, nach Rom ging,
empfahl Fra Ambrogio ihn an Stefano Porcaro. »Er ist ein
tüchtiger und gelehrter Mann, schrieb er, aber in eignen An-
gelegenheiten ist er schlecht berathen. Hier konnte er, vom
Staate besoldet, eine gute Stellung gewinnen, hätte er ver-
standig sein und auf Freundes Rath hören wollen. Nun aber
hat er sich zum Dnterrichtgeben nach der Stadt gewandt,
welche auch nach deinem Urtheil unter allen italischen
Städten am wenigsten dazu geeignet ist, und dies gerade in
einer Zeit wo es dort schlimmer steht als irgendwo.« Auch
die Interessen seines Ordens empfahl Traversari dem römischen
Freunde, der sich ihrer beim Papste angenommen zu haben
Hcheint
Man hätte glauben sollen, diese Richtung Stefano Porcaros
und der Eifer welchen Nicolaus V. für solche Bestrebungen an
den Tag legte , hätten ihn für den Papst gewinnen sollen. Aber
die Erinnerungen an das Alterthum liessen ihn ebensowenig wie
Cola di Rienzo ruhen. In den späteren Zeiten Eugens IV.
scheint er mehrundmehr dem Papstthum und Clerus abgeneigt
geworden zu sein. Schon ward der Rolle erwähnt die er bei
Eugens Tode spielte. Nach Nicolaus* Regierungsantritt wurde
Stefano zum Podesta von Anagni und Rector von Campanien
ernannt, fuhr jedoch, nach Rom zurückgekehrt, in dem alten
Treiben fort. Er hielt sich fiir Roms Retter bestimmt: Pe-
trarcas berühmte Canzone an den Ritter auf dem tarpejischcn
Felsen erklärte er für eine sein Kommen verkündende Prophe-
zeiung. Die Reden des Mannes mussten Aufsehn erregen,
124 Die Porcai'ische Verschwoning.
denn er ward in ehrenvolles Exil nach Bologna gesandt und
der Aufsicht Cardinal Bessarions empfohlen. Aber von Bo-
logna aus unterhielt er Verbindungen mit Rom, wo er unter
Verwandten und Anderen Vertraute hatte die in seiner Ab-
wesenheit arbeiteten, Leute warben, Waffen herbeischafften.
Ein gefährliches Complott wurde organisirt. Als zu Ende 1452
die Sache reif schien , wusste Stefano des Legaten Wachsamkeit
zu täuschen: unerkannt traf er zu Neujahr 1453 in Rom ein.
Am Dreikönigenfeste wollte man durch Feueranlegen im vati-
canischen Palast Verwirrung erregen, Papst und Cardin&le
während der Messe in St. Peter überfallen und tödten, sich
der Engelsburg und des Capitols bemächtigen, die Freiheit
Roms mit Stefano Porcaro als Tribun prociamiren. Gegen
Vierhundert sollen für den Plan gewonnen worden sein.
Hätten die Verschwornen sich sogleich ans Werk begeben
können, wer weiss ob der Mordanschlag nicht gelimgen wäre.
Der dreitägige Aufschub aber von Stefanos Eintreffen in der
Stadt bis zum Feste rettete den Papst. Bessarion hatte Zeit
Porcaris verdächtiges Verschwinden zu melden ; am Abend des
4. Januar wurde der Camerlengo Cardinal Scarampi, der auch
unter Nicolaus grossen Einfluss bewahrt hatte, von dem Com-
plott benachrichtigt. Er verlor keine Zeit. In der Nacht be-
waffnete er seine Leute, etwa sechzig an der Zahl, früh Mor-
gens ging er zum Papste. Im Palast hatte man Kunde von
der Sache; Bestürzung und Verwirrung waren allgemein. Papst
Nicolaus war nicht der Mann für eine solche Lage. Der Car-
dinal machte mit Recht geltend hier müsse sogleich eingeschrit^
ten werden, denn jeder Moment komme den Verschwornen
zugute. Gegen hundert Mann von den Palastwachen und der
Besatzung des Castells wurden rasch gerüstet und in die Stadt
gesandt. Etwa fünfundzwanzig der Verschwörer hatten sich
in einem Hause verschanzt, erlagen aber der Uebermacht Der
Senator Giacomo de' Lavagnoli ein veronesischer Ritter und
der Vicecamerlengo und Governatore Niccolo Amigdani hatten
sich nach Porcaris Hause begeben, fanden ihn aber nicht.
St*efano hatte sich zu einer seiner Schwestern geflüchtet,
suchte , da er vernahm dass ein Preis auf seinen Kopf gesetzt
sei, vermittelst des ihm bekannten Cardinais Orsini zu ent-
kommen, sah sich inbetreff der Gesinnung desselben getäuscht,
floh zu einer andern Schwester und wurde hier aus einer Truhe
Eindruck der Vei*schworiuig auf den Papst. Fall Constantinopels. 125
hervo^ezogen. Am 13. Januar endete er in Gegenwart der
Curie und vielen Volkes auf den Zinnen der Engelsburg am
Galgen. Andere der Theilnehmer am Complott traf dasselbe
Loos auf dem Capitol. Von fremden Städten selbst von Ve-
nedig wurden Mitwisser ausgeliefert. In Rom scheinen die
Ansichten über die ganze Angelegenheit verschiedener Art ge-
wesen zu sein. »Wenn ich solche Leute reden höre, sagt
unter Hindeutung auf die Tadler des Papstes der Florentiner
I^on Batista Alberti in seinem lateinischen Commentar über die
Porcarische Verschwörung, rühren ihre Gründe mich keineswegs.
Ich sehe nur zu gut wie es mit den italienischen Angelegen-
heiten steht; ich weiss welche Leute es sind, durch die hier
alles in Verwirrung gerathen ist. Ich gedenke der Zeiten
Kugens — ich habe von Papst Bonifaz vernommen und vom
Misgeschick vieler Päpste gelesen. Einerseits habe ich diesen
nach der Herrschaft Strebenden unter grunzenden Schweinen
aufsteigen gesehn, andrerseits stand mir die päpstliche Majestät
vor Augen. Niemals ist es wol vorgekommen, dass der fried-
liebendste der Päpste zum Ergreifen der Waffen genöthigt
worden ist«
Die Berichte der Zeitgenossen stimmen darin überein dass
dies Ereigniss auf des Papstes Gemüthsart und Stimmung den
nachtheiligsten Einfluss übte. Er wurde trübselig, mistrauisch,
verschlossen, unzugänglich. Die bald darauf erfolgte Kata-
strophe des griechischen Reiches steigerte seine Nieder-
geschlagenheit. Am 29. Mai 1453 erstürmte Mohammed IL
ConstantinopeL Das Entsetzen welches dies Ereigniss, sosehr
man es voraussehn konnte, in Italien, in Ungarn, Teutschland,
im ganzen christlichen Westen verbreitete, war unbeschreib-
lich. Schon glaubte man die siegreichen Ungläubigen vor-
vvärtsdringen zu sehn wie ehedem die Hunnen und Araber.
Auf allen Seiten entwarf man Pläne, Widerstand zu leisten,
nicht nur Hunyadi der für den jungen Ladislav Ungarn ver-
waltete, Alfons von Aragon, Andere die sich für die nächsten
Bedrohten hielten, sondern auch der Kaiser. Man klagte ihn
und den Papst an, für Constantinopels Rettung unthätig ge-
wesen zu sein. Vier Monate nach dem Fall der Hauptstadt
Hess Nicolaus V. den Kreuzzug predigen. Ein anderer Bern-
hardin von Siena, Fra Gio^^anni da Capistrano durchzog Teutsch-
land und die roagyarifich-slavischen Grenzlande. Legationen,
126 Nicolaus' V. Tod.
FriedenscoDgresse , Reichstage , nichts ward gespart. Die
Folgezeit wird zeigen wie alles im Sand verHef.
Nicolaus y. ist von diesem Tage an nicht wieder froh ge-
worden. Sein geistiges Leiden wirkte auf seine Gesundheit
ein. Seine Kräfte begannen zu sinken. Er klagte gegen zwei
florentinische Karthäuser die er zu sich beschieden hatte und
die ihn nicht mehr verliessen, niemand sage ihm die Wahrheit
»Fürchtete ich nicht der Welt ein Aergerniss zu geben, setzte
er hinzu, ich legte meine Würde nieder und würde wieder
Thomas von Sarzana. Unter diesem bescheidenen Namen hatte
ich an einem Tage mehr Freude als jetzt in einem Jahre.«
Auch in seinen Letztwillensbestimmungen spricht sich seine
trübe Stimmung aus. Indem er der durch ihn gemehrten Be-
festigungen der Stadt erwähnte die er zu vollenden empfahl,
bemerkte er wie die Päpste seit sechs Jahrhunderten nicht so
vielen Gefahren und Verfolgungen blosgestellt gewesen sein
würden, hätten sie sich gegen Angriffe von aussen, gegen
Neuerungsucht im Innern besser gesichert. In Nicolaus' letzten
Zeiten nahm nicht nur die Unzufriedenheit in Rom, wo For-
caris Ideen mehr Theilnehmer zählten als man anfangs ver-
muthet zu haben scheint, in bedenkUchem Maasse zu. Es
entstanden auch Unruhen im Patrimonium und im anstossendeu
Tlieile Umbriens, infolge eines Streites zwischen den Städten
Spoleto und Norcia, in welchen sich der Graf von Anguillara
mischte. Die endhche definitive Bestätigung des Friedens von
Lodi war die letzte erfreuliche Kunde welche Nicolaus V. er-
hielt £r starb in der Nacht vom 24. zum 25. März 1455. Das
Monument welches ihm in der Peterskirche errichtet wurde,
ist mit beinahe allen anderen der constantinischen Basilika in
die vaticanischen Grotten gewandert.
10.
CALIXTUS in. UND PIHS H.
Am 4. April 1455 nahm das Conclave seinen Anfang. Drei
Candidaten von drei verschiedenen Nationen hatten Stinunen
unter den fünfzehn Cardinälen , alle drei Männer von Verdienst
und Erfahrung, Domenico Capranica, Guillaume d'Estouteville,
Calixtus III. 127
Bessarion. Ein vierter, einer vierten Nation angehörend, ver-
einigte die Stimmen, Alfonso Borgia Cardinal von Santi Quattro,
nach Damasus I. und Johannes XXI. der dritte von der iberi-
schen Halbinsel stammende Papst. Er war aus edlem Geschlecht
und zu Xativa in Valencia am letzten Tage des Jahres 1378 ge-
boren. Ein Mann von wissenschaftlicher überwiegend juristi-
scher Bildung, zuerst vom Gegenpapst Benedict XIU. befördert,
bei der Herstellung der Kircheneinheit in seinem Heimatlande
thätig, von Eugen IV. zum Cardinalat erhoben, des Königs Alfons
vornehmster Rath als dieser das Königreich Neapel nach langen
Unruhen und Kriegen durch eine weise Verwaltung zu Frieden
und Wohlstand zurückführte. Statt eines Humanisten sass nun
ein Rechtsgelehrter auf Petri Stuhl. Er war, wie seine Zeit-
genossen ihn schildern , verstandig und thätig ; sein Nachfolger
nennt ihn in seiner Lebensweise enthaltsam , wortkarg, zugang-
lich 80 weit sein hohes Alter es erlaubte. Seine Erhebung
scheint doch Besorgnisse geweckt zu haben, welche die nach-
malige Geschichte der Borgia nur zu sehr bestätigte. Als
vom beendigten Conclave heimkehrend Domenico Capranica
von einem Manne um eine milde Gabe angesprochen ward mit
dem Zusatz, er sei eben den Händen der Catalanen entronnen,
erwiederte der Cardinal: dann könnt ihr vielmehr uns Almosen
geben, denn wir sind ihnen heute in die Hände gefallen.
Rom ward zum Kampfplatz am Tage des Regierungsantritts
Papst Calixtus* HI. Dei^ Graf Everso von Anguillara und Na-
poleone Orsini welche , beide von demselben Stamm aber lange
durch Interessen geschieden , wegen des Besitzes der Grafschaft
Tagliacozzo miteinander haderten, schlugen sich auf Campo di
fiore; vor des Papstes Augen wäre es beim Lateran zum Blut-
vergiessen gekommen, hätte nicht Cardinal Pietro Barbo, schon
im Patrimonium Friedensstifter, Waffenruhe vermittelt. Noch
nach einem Jahre musste der Papst diese Waffenruhe auf sechs
Monate verlängern, wie er im Januar 1457 zwischen Colonna
und Conti auf zwei Jahre Frieden schloss. Die Regierung Ca-
lixtus' ni. entsprach sonst glücklicherweise diesem bedenkhchen
Anfange nicht. Denn wenn auch der Hader unter den Baronen
nie ganz endete, so wurde doch die Stadt weniger davon be-
rührt Mehr machten dem Papste die Angelegenheiten Italiens
zu schaffen. König Alfons hörte nicht auf, einerseits die Re-
publik Genua, andrerseits den Herrn von Rimini Sigismondo
128 Tfirkciiki'iege. Tod König Alfons* von Aragon.
MalateBta zu bedrängen, eine Politik welche nicht nur dieRo-
magna in neue Unruhe versetzte, sondern auch die anjouschen
Pläne wiederbelebte und wiederholte Einmischung Frankreichs
veranlasste, das den genuesischen Boden nur zu gut kannte.
Am verderblichsten aber wurde diese Politik, welche zu den
von dem Könige mehrfach an den Tag gelegten Eigenschaften
und zu den Lobeserhebungen seiner Bewunderer schlecht passt,
den päpstlichen Bestrebungen die Christenheit zum Kampfe
wider den Halbmond zu vereinigen. Hierin lag der Schwer-
punkt von Caüxtus' III. Regierung. Aber einzelne Erfolge, wie
der Sieg der Ungarn bei Belgrad, welcher dem Glaubensmuth
des Elreuzpredigers Giovanni da Capistrano ebenso beizumessen
ist wie der Tapferkeit Hunyadis, und Cardinal Scarampis glück-
liche Expedition mit den päpstlichen Galeeren nach dem Ar-
chipel verschwanden vor den Folgen des Ablehnens Frankreichs
und Venedigs« wie des Unfriedens zwischen dem Kaiser und
Ungarn und der nicht endenden italienischen Zerwürfhisse. "Wie
in späteren Zeiten PiusV., hat in diesen Tagen des bedrohli-
chen Anwachsens der türkischen Macht Calixtus UL die Ehre
der grössten Thätigkeit für das Wohl der Christenheit er-
langt, und die Namen des beredten Capistrano wie der Car-
dtuäle Carvajal und Scarampi glänzen hell in der Geschichte
dieser Kämpfe, in denen grosse Könige so oft grosse I^uheit
an den Tag legten wenn sie nicht schlimmeres thaten. Die
gehobene Feier des Transfigurationsfestes und der englische
Gruss der Tagesmitte wurden in jener Zeit eingeführt.
Zwei Pontificate waren ohne Nepotismus vorübergegangen.
Calixtus in. befolgte jedoch dies löbliche Beispiel nicht Dass
er zwei Schwestersöhne zu Cardinälen machte würde keinem
Tadel Raum geben, wäre nicht Rodrigo LenzoU Borgia einer
der Beiden gewesen. Rodrigos Bruder Pedro Luis, dessen Le-
bensweise der nachmaligen schlimmen Bedeutung des Familien-
namens entsprochen zu haben scheint, erhielt den Titel eines
Herzogs von Spoleto , die unter Eugen IV. an die Orsinen ge-
kommene römische Präfectur, die Würde eines Gonfaloniere
der Kirche, die Castellanei der Engelsbui^. Dies war dem
römischen Baronaladel zu viel und der alte Unfiriede brach
nochmals aus. Da starb am 27. Juni 1458 König Alfons. Ohne
rechtmässige Kinder hatte er in seinen spanischen Reichen und
in Sicilien seinen Bruder Don Juan zum Nachfolger, während
Calixtus* m. Tod. 129
er die von ihm selber zugebrachte Krone Neapel seinem legi-
tifflirten Sohne Ferrante Hess. Der Papst beschloss die von
ihm getroffene Verfügung nicht anzuerkennen. Sei es dass
Calixtus wirklich hoffte den Süden Italiens mit dem Kirchen-
staat zu vereinigen, sei es dass er, wie man ihm vorgeworfen
hat, die Absicht hegte seinem Neffen, dem er auch das Herzog-
thum Benevent und die Grafschaft Terracina verheben hatte,
die neapolitanische Krone zu verschaffen: genug, er verweigerte
Ferrante die Belehnung. Seine Bemühungen den Herzog von
Mailand wider diesen ins Bdndniss zu ziehn schlugen fehl,
aber ein neuer Kampf stand bevor, als der Papst .am 6. August
nach mehrwöchentlicher Krankheit starb. Schon bevor er ver-
schied, war die Spannung so gross dass die Cardinäle Vorsichts-
maassregeln trafen. Die Engelsburg hatte catalanische Be-
satzung: diese wurde mit Geld abgefunden. Kaum war CaUxtus
todt, so tumultuirte das Volk gegen seine Landsleute und Günst-
linge, von denen mehre verhaftet, andere getödtet wurden. Die
Orsini setzten dem Borgia dermaassen zu, dass er' nach Civita-
vecchia floh wo er nicht lange darauf starb. Es war wie der
vorwärtsgeworfene Schatten künftiger Ereignisse nach einem
zweiten spanischen Pontificat.
Unter solchen Umstanden begann das Wahlgeschäft. Acht-
zehn Mitgheder des h. Collegiums waren in Rom anwesend;
Domenicö Capranica war unmittelbar nach dem Papste gestor-
ben. Die Wahlcapitulation Eugens IV. welche unter Calixtus
wenig gefruchtet hatte, wurde bestätigt und durch die Zusage
eines regelmässigen Einkommens für die Mitglieder des h. Col-
legiums und die Verpflichtung zum Türkenkriege ergänzt.
Prosper Colonna und d'Estouteville hatten Aussicht, aber am
dritten Tage, den 19. August, fiel die Wahl auf den Cardinal
von Sta Sabina Enea Silvio Piccolomini.
In einer Entfernung von drei Millien von dem Marktflecken
San Quirico zur Linken der von Siena nach Rom fuhrenden
Strasse bUckt von einem nach Südost steil abfallenden Tuf-
steinhügel, welcher einen Ausläufer der das Thal der Orcia
ron dem der Chiana scheidenden Höhen bildet, ein Städtchen
mit ragenden Bauten auf ein an den Spuren manchfacher Natur-
erscheinungen wie an historischen Erinnerungen reiches Land
lierab. Hier lag einst ein Castell Namens Corsignano, in und
bei welchem die Abtei von S. Salvatore am Mont' Amiata im
V. K«ttaeat, Korn. III. 9
130 Corsignaiio * Pienza luid die Piccoloinini.
eilften Jahrhundert Landbesitz hatte. In der vormaligen in
geringer Entfernung von den Mauern gelegenen, heute in ein
Oratorium umgewandelten Pfarrkirche , deren Bauart und Bild-
werke auf das genannte Jahrhundert hinweisen , besagt die In-
schrift des Baptisteriums dass hier zwei Päpste, Pius mit
Namen, Ohm und Neffe die Taufe erhielten. Auf einem bei
Corsignano gelegenen Landhause wurde am 18. October 1405
dem sienesischen Edelmann Silvio Piccolomini von seiner Ehe-
frau Vittoria Forteguerri ein Sohn geboren, der nach seinem
Grossvater Enea Silvio genannt ward. Als Dieser zur höchsten
Würde der Christenheit emporstieg, gedachte er des Ortes, wo
er das Licht der Welt erblickt hatte, mit jener warmen Hei-
matsliebe die einen Hauptzug seines Karakters bildet Schon
als Cardinal hatte er sich bei der Signorie von Siena um Be-
willigungen zu Gunsten der Bewohner Corsignanos verwandt:
nun beschloss er aus dem unansehnlichen Castell eine Stadt
zu machen, die er nach seinem Namen benannte und am
13. August 1462 zu einem Bisthum erhob. Wer heute das
stille Pienza besucht und sich von Bauten umgeben sieht, die
zu der nicht über Eilf hundert betragenden Einwohnerzahl in
keinem Verhältniss stehn, wird durch Dom, Wohnungen, Brun-
nen, Inschriften, Ringmauer, vor allem durch den grossartigen
Palast der Piccolomini, von dessen Hofarcaden der Blick nach
der Basaltkuppe des Mont* Amiata und dem steilen Radicofani
schweift, bei jedem Schritt an Papst Pius IL erinnert, welchem
alles dies seinen Ursprung verdankt.
Die Piccolomini, angeblich römischer Herkunft, gehorten
zu den edelsten und zahlreichsten Geschlechtem Sienas. Hit
den Tolomei, Saracini, Salimbeni und Malevolti bildeten die
Piccolomini jene Fünfzahl von Familien, die zugleich Lehne in
der Landschaft und bis zum entschiedenen Siege der Demo-
kratie einen Antheil ja einen gewissen Vorrang an und in der
Verwaltung besassen. Die vielen Umwälzungen dieser ruhe-
losesten der toscanischen Freistadte und die Herabdrückung
des Adels wie des reichen Bürgerstandes zu Gunsten der klei-
nem Mittelklasse hatten so die Piccolomini wie die Forteguerri
betroffen, und um die Zeit von Enea Silvios Geburt scheint
das Eigenthum seiner Eltern auf die Villa zu Corsignano be-
schränkt gewesen zu sein. Die ungünstigen Umstände wurden
durch die grosse Zahl der Kinder nicht verbessert, doch könnt«;
Enea Silvio Piccoloiniiiis Jugend. 131
Silvio im Jahre 1421 seinen Besitz durch Ankauf von Lände-
reien eines benachbarten Benedictinerklosters vergrössern.
Enea Silvio verbrachte seine Jugend meist im Hause von
Verwandten in Siena, wo ihm freilich die Hochschule be-
schränkte Hülfsmittel bot. Sein Fachstudium war das des
Rechts, grössere Anziehungskraft jedoch übte das der classi-
sehen Literatur auf ihn aus, welchem er namentlich in Florenz
zwei Jahre lang unter Francesco Filelfo oblag, der seinem laugen
Aufenthalt in Constantinopel eine Vertrautheit mit griechischer
Sprache und Literatur verdankte wie kein Itahener jener Zeit
sie besass. £r hatte sich bereits in manchem versucht und war
siebenundzwanzig Jahre alt, als Cardinal Capranica auf dem
Wege zum baseler Concil durch Siena kam und ilm zu seinem
Geheimschreiber erkor. Bei seinem Eintritt in das grössere
und geschäftUche Leben fand Enea Silvio sich solcherart im
Kreise der Gegner nicht des Papstthums sondern des Papstes,
ein Umstand und ein Unterschied, die auf seine ganze nach-
malige Entwicklung und Stellung einen Einfluss geübt haben
den man nicht gering anschlagen darf. Als Capranica sich
zwei Jahre später mit Eugen IV. versöhnte, war Enea Silvio
nicht mehr in seinem Dienste, sondern in dem des Bischofs
von Freising Nicodemo della Scala, dann in jenem des Bischofs
von Novara Bartolommeo Aicardi der sich in Florenz in eine
sehr verdächtige Intrigue gegen den Papst einUess. Endlich
im Jahre 1435 gelangte er zu einem bessern Herrn, Niccolo
Albergati, wo er somit Tommaso da Sarzana zum Genossen
hatte. Mit Albergati ging er durch die Rheinlande zum Friedens-
congress nach Arras und wurde von ihm nach Schottland zu
Jakob I. Stuart gesandt, eine nicht gefahrlose Mission, so
wegen des Unwetters zur See wie der Erbitterung halber,
welche der Abfall des Herzogs von Burgund von dem eng-
lischen Bündniss in England wider den firiedenvermittehiden
Cardinal geweckt hatte. In Schottland war es wo Enea Silvio
durch die Erfüllung eines Gelübdes, einen Pilgergang längs
der eisstarrenden Küste, sich das gichtisehe Leiden zuzog, das
ihn nicht wieder verUess. Die Wirren des Concils, welche
namentlich die Angelegenheit der Wahl eines Ortes zur Ver-
handlung der Griechen -Union zur leidenschaftlichsten Heftig-
keit steigerte, zogen auch Piccolomini in ihren Strudel hinein.
Lange in ganz untergeordneter Stellung und unbeachtet machte
9*
132 Enea Silvios Stellung auf dem baseler Concil.
er sich durch Talente und Gewandtheit, namentlich durch seine
Rednergabe immer mehr bemerkUch, gerieth aber in gleichem
Maasse in das Parteitreiben von welchem eine fortgesetzte
Thätigkeit auf der baseler Versammlung nicht mehr zu trennen
war. So geschah es dass, als es zum Aeussersten kam, zur
Suspension, dann zur Absetzung Eugens IV. , endlich zur Wahl
des Gegenpapstes, als die Cardinäle mit Ausnahme Alemans
und die Anhänger der Legatenpartei Basel verlassen hatten,
Enea Silvio blieb , selbständig wenngleich nicht in hervorragen-
der Stellung sich an dem Vorgehen betheiligte, als* Mitglied
der Gesandtschaft des Patriarchen von Aquileja nach Teutsch-
land im Jahre 1438, wie jener welche ein Jahr darauf dem
Herzog Amadeus von Savoyen in Ripaille die Pseudo -Tiara
anbieten ging. Sein neues Amt als Geheimschreiber bei der
Curie Felix' V. machte ihm bald klar, wie das Concil durch
die Maasslosigkeit, womit es die Verfechtung erst seiner Rechte
dann seiner Ansprüche bis zum Schisma getrieben, seine eigne
Autorität untergraben hatte.
Die spätere Lebensgeschichte Enea Silvios ist mit der Ge-
schichte der teutschen Kirche und ihres Verhältnisses zum
Papstthum aufs innigste verwachsen. Von seinen eignen Zeit-
genossen an bis auf unsere Tage hat es an mehr oder minder hefti-
gen Anklagen gegen ihn nicht gefehlt. Ein Parteiwechsel, unter
welchen Umständen er immer vor sich gehe, weckt stets üble
Nachrede, und ein Mann der so viel geschrieben und sich über
persönliche Stimmungen und Erlebnisse so rückhaltlos ausge-
sprochen hat wie Enea Silvio, musste Denen manche Blosse
bieten die ihm jedes Wort, selbst in vertrautesten Briefen, an-
gerechnet haben um daraus ein Sündenregister zusammenzu-
setzen. Enea Silvio war kein reiner und ganzer Karakter.
Schon die unendliche Versatilität seines Geistes musste ihn in
Gefahr bringen, wäre er selbst, arm und ehrgeizig und seines
Talents sich bewusst, nicht in einen Strudel gerathen der auch
Stärkere fortriss. Sein nachmaliges offnes Geständniss, was
man auch dagegen sagen mag, ist ehrlich gemeint. Es waren
nicht etwa blos persönliche Gründe, die ihn im Jahre 1442
bewogen seine Stellung bei Felix V. aufzugeben und die ihm
angebotene in der Reichskanzlei anzunehmen. Augenblicklich
gewann er wahrlich nicht dabei, und, wie später der Gegen-
papst selbst und Andere, hätte er sich immer mit Rom
Enea Silvio und die kirchlichen Angelegenheiten Teutschlands. 133
vertragen, seinen Vortheil wahren können. Die Rolle die dieser
Gegenpapst spielte, musste ihn vonvornherein überzeugen dass
das ganze Werk ein verfehltes war. Die teutschen Zustande
mussten ihn in dieser Ueberzeugung bestarken. Man mag in-
betreff der Tragweite der Verständigung zwischen Teutschland
und Eugen IV. von 1446 — 1447 wie der Folgen derselben für
die teutsche Kirche verschiedener Meinung sein — man mag
an den zur Herbeiführung dieser Verständigung angewandten
Mitteln vieles zu tadeln finden. Aber die teutsche Neutralität
wäre an sich schon ein Beharren auf dem in Basel eingeschla-
genen falschen Wege gewesen, hätte selbst das Verhalten ein-
zelner Churfürsten, die sich, wie die Erzbischöfe von Cöln und
Trier, dem Gegenpapst anschlössen, nicht mit Anarchie ge-
droht. Weder der Churfürstenbund von 1446, noch Verfahren
und Reden der Partei, deren Wortführer der talentvolle aber
Yöllig maasslose nürnberger Rechtsgelehrte Gregor von Heim-
burg war, würden zu etwas anderm als zur Verlängerung des
verderbhchen und mit jedem Tage rechtloser werdenden Schis-
mas gefuhrt haben.
Die Lage der Dinge müsste Enea Silvio klar geworden
sein als er mit dem päpstlichen Nuntius Tommaso da Sarzana
im Jahre 1445 als Gesandter König Friedrichs in Rom war.
Bei jener Verständigung von 1446, welche bei der Curie noch
auf so grosse Hindernisse stiess da man hier die den Teutschen
gemachten Zugeständnisse für zu weitgehend erachtete, deren
Abschluss nebst der neuen teutschen Obedienzleistung aber
kurz vor Eugens IV. Tode erfolgte, ist Enea Silvio ebenso
betheiligt gewesen wie Carvajal, Tommaso da Sarzana und
Cusa. Auch an der fernem Entwicklung der kirchliehen An-
gelegenheiten Teutschlands unter Nicolaus V. , an dem Convent
von Aschaffenburg vom Sommer 1447 und dem wiener Con-
cordat des folgenden Jahres, wodurch der Curie im Wider-
spruch mit eben erlangten Zugeständnissen so auf Wahlen wie
auf Einkünfte ein EinÜuss gewährt wurde der später keine
guten Früchte getragen hat, endlich an der Behandlung der
nicht glucklichen Beziehungen des Reiches zu Böhmen und
Ungarn hat er mehr oder weniger bestimmenden Antheil ge-
habt, nicht minder an den politischeu Angelegenheiten Italiens.
Nicolaus V. hatte ihn im Frühling 1447 zum Bischof von Triest
ernannt, im Herbste 1449 ihn nach seiner Vaterstadt Siena
134 Enca Silvio in seine« Schwächen und Tugenden.
versetzt wo er im Februar 1452 dem zur Kaiserkrönung ziehenden
Könige Friedrich seine Braut Eleonore von Portugal zuführte.
Aber erst Calixtus III. ertheilte ihm, nachdem er die seit Con-
stantinopels Fall immer dringender gewordene Kreuzzugsange-
legenheit auf den teutschen Reichstagen und in Neapel uner-
müdet verfochten, am 18. December 1456 den rothen Hut Ale
Protector von Teutschland und Ungarn bei der Curie hat er
während der noch übrigen Regierungszeit Calixtus* III. durch
sein Verhalten in den kirchlichen Angelegenheiten des Reiches
nicht an den Tag gelegt, dass seine genaue Kenntniss der
dortigen Zustande ihn zu maassgebender Berücksichtigung der
wiederholt vorgebrachten Beschwerden der Nation aufgefordert
hätte. Der gewohnte Mangel an Einigkeit und Bestand unter
den Reichsständen musste freilich allen Bemühungen, der
Wiederholung alter Eingriffe ein Ziel zu setzen, das Einschlep-
pen neuer Misbräuche zu hindern , vonvornherein jede Aussicht
auf Erfolg nehmen.
So war der Mann welcher im Alter von dreiundfunfzig
Jahren den Stuhl Petri bestieg. Längst war seine Gesundheit
zerrüttet: schon zehn Jahre früher hatte er sich einen Greis
genannt. Aber in dem schwächlichen Körper waren Lebendig-
keit des Geistes und Thatkraft nicht erloschen , sondern grossen
und würdigen Zielen zugewandt. Enea Silvio hatte ein viel-
bewegtes Leben geführt. Er war den Verlockungen der Sinne
nicht ferne geblieben, und hat es bekannt wie seine eignen
Schriften jugendlicher Jahre wider ihn gezeugt haben. Aber
der ungewöhnliche Umfang seiner Kenntnisse, der Unterricht
welchen er schon vor seinem fünfundzwanzigsten Jahre und
bevor er sich irgendeine Stellung gemacht hatte, anderen Jüng-
lingen im bürgerlichen Recht ertheilte, die grosse Zahl von
Werken aller Art die er von seiner Jugend an verfasst hat
und von denen manche nach Jahrhunderten bedeutenden Werth
bewahren, nachdem die einst hochgepriesene Zierlichkeit der
Form seiner Reden und literarischen Arbeiten für uns ihren
Reiz verloren hat, die ausserordentliche Thätigkeit seines Ge-
schäftslebens, so unter geistlichen wie unter weltlichen Gebietern,
die vielen Reisen die ihn durch den grössern Theil Europas
führten, alles dies legt deutUch genug an den Tag, wie wenig
solche Verlockungen über ihn vermogten und wie immer wieder
seine besseren Regungen siegten. Der Mann der das Leben in
Piu8 n. . 135
allen seinen Formen kennen gelernt und einen Schatz von Er-
fahrungen gesammelt hatte, wie keiner seiner Zeitgenossen sich
eines ähnlichen mit solcher Vielseitigkeit des Wissens verbun-
den rühmen konnte, ein reicher feiner Geist und ein Gelehrter,
Weltmann und Diplomat, an allen Fürstenhöfen bekannt, in
alle grossen Angelegenheiten seiner Zeit meist als einflussreicher
Theilnehmer eingeweiht, war eben durch seine reiche Erfah-
rung, durch die Lehren eines vielbewegten Lebens auf das
Fundament aller irdischen Dinge hingewiesen worden. Er
hatte die Pflichten der Herrscher wie die Stützen der Herr-
schaft kennen gelernt, bevor er zum Herrschen berufen zu
werden erwarten konnte. »Die göttliche Gabe des rechten
Regierens, sprach er beim Tode eines Dogen von Venedig,
erlernt nan nicht von den Philosophen: sie ist nur aus jenen
Tiefen der Seele zu schöpfen in die man nicht ohne Gott
hinabsteigt. Sie beruht auf der Gerechtigkeit und Klugheit
die einander gegenseitig mässigend ergänzen. Nicht Gesetze
und Verträge reichen zur Begründung eines treffhchen Staates
aus , wenn nicht die weise Leitung und das Beispiel eines guten
Fürsten die Wackern kräftigt, die Schlimmen entmuthigt.«
Die Wahl Enea Silvios, der den Namen Pius annahm,
wurde vom Volk mit Jubel aufgenommen. Es ging nicht ohne
Unordnungen 2u , denn die zügellose Menge plünderte nicht nur
wie gewöhnlich die Wohnung des Gewählten, wobei sie, da
wenig Kostbarkeiten vorhanden waren , die Bücher und antiken
Monumente wegschleppte. Auch die Häuser anderer Cardinäle
liefen Gefahr. Die schlimme Catalanenwirthschaft in Calixtus'
letzten Zeiten hatte so traurige Eindrücke hinterlassen, dass
man den neuen Herrscher um so freudiger bewillkommnete.
Als die Nacht anbrach, waren alle Häuser erleuchtet, von
allen Thürmen glänzten weithin die Lichter. In den Strassen
vernahm man den Jubelruf Siena! Siena! und das Schmettern
von Hörnern und Trompeten. Am folgenden Abende ritt der
ganze städtische Adel, Fackeln in der Hand, zum Palast, den
Papst zu beglückwünschen. V^om Castell bis St. Peter füllte der
feierliche Zug den Borgo. Am 3. September 1458 fand durch
den Cardinal Colonna die Krönung statt, dann erfolgte die Be-
sitznahme des Lateran. Auf dem Platz vor der BasiUka gab*s
wilden Lärm, denn das Volk welches den Zelter des Papstes
nach alter Sitte als sein Eigenthum in Anspruch nahm , gerieth
136 Pius n. und Siena.
bevor Pius die Ejrche erreicht hatte in so wüsten Hader, dass
ein Handgemenge entstand und er mit Mühe der von den ge-
zogenen Schwertern drohenden Gefahr entging. Ein Festmal
vereinigte die Cardinäle, Gesandten und Barone; es war Nacht
als der Papst nach dem Vatican zurückkehrte.
ZahLreiche Gesandtschaften trafen in Rom ein. Von grossem
Glänze war die von Siena. Die Stadt, welche die Interessen
der Aristokratie und mit den Uebrigen die der Piccolomiid so
schlimm verletzt, mit Enea Silvio als Bischof und Cardinal
wiederholt gehädert hatte, that alles sich mit dem Papste gut
zu stellen. Die Freude über seine Wahl, wie sie sicli beim
Volke aussprach, war aufrichtig imd Pius H. hat diese An-
hänglichkeit verdient. Neben dem Namen der h. Caterina,
deren Andenken er mit dem seinigen imauflöslich verbunden
hat, giebt es heute in Siena keinen so populären wie Enea
Silvio; und wenn erst vier Jahrhunderte nach seiner Erhebung
die Stadt ihrem berühmten Sohne ein marmornes Denkmal,
das Werk eines ausgezeichneten einheimischen Künstlers, er-
richtete, so hatte eine andere Kunst ihn dort längst geehrt,
hatte er selber sich unvergängliche Monumente gesetzt Bei
seinem Regierungsantritt hatte die Stadt inmitten der freudigen
Feste, durch welche sie denselben feierte, zu Gunsten der
Piccolomini eine Ausnahme von dem Beschluss der Unzulässig-
keit des Adels zum obersten Magistrat gemacht. Des Papstes
Verlangen der Ausdehnung desselben politischen Rechts auf
den ganzen Adel wurde jedoch abgewiesen. Erst als Pius E
zum Congress nach Mantua zog und Miene machte Siena nicht
zu berühren, gab der Volksrath widerstrebend nach und zu
Ende Januar 1459 ging eine neue Gesandtschaft nach Perugia
mit der ertheilten Zustimmung, die freilich bei einem so ruhe-
losen Gemeinwesen nicht von Dauer war. An der florentini-
schen Gesandtschaft betheiligten sich der fromme Erzbischof
Antoninus und Cosimos Neffe Pier Francesco de' Medici, der
Stammvater der nachmaligen grossherzoglichen Linie. In ganz
Italien wurde die Erhebung Enea Silvios von Fürsten und Volk
mit Freuden vernommen, denn man hegte zu einem so staats-
klugen Manne das Vertrauen dass er sich nach Ejräften für
Frieden und Einigung mühen würde. Und diese Erwartung
hat Pius n. nicht getäuscht.
Angelegenheiten Neapels und dea Kirchenstaats. 137
11.
BOX IN SEINEN BEZIEHUNGEN ZU ORIENT UND OCGIDENT.'
DER KREUZZUO.
Wie Calixtus richtete auch dessen Nachfolger sein Haupt-
augenmerk auf den Orient. Sein langer Aufenthalt in Teutsch-
land und die vertraute Eenntniss die er, wie von den Welt-
angelegenheiten im allgemeinen, von der dortigen Lage, von
dem Karakter des Kaisers, von den Verwicklungen und der
Opposition ib Böhmen und Ungarn erlangt hatte, musste ihm
die Schwierigkeiten klarmachen die hart an Unmöglichkeit
grenzten. Aber die Pflicht des Papstthums , alles was in seinen
Kräften stand zur Abwendung der grossen Gefahr der Christen-
heit zu versuchen, hatte sich seiner Seele so tief eingeprägt,
dass er mit einem den alternden und kränklichen Mann aufs
höchste ehrenden Eifer ans Werk ging. Was er für die Her-
stellung des Friedens in Itahen that, nahm wesentlich dies
grosse Unternehmen in Aussicht. Sein Vorgänger hatte un-
vorsichtigerweise einen Conflict mit Neapel heraufbeschworen:
er that alles ihn zu beschwichtigen. Es ward ihm nicht schwer.
Ferraate von Aragon musste vor allem daran liegen seine zweifel-
hafte Legitimität durch die Anerkennung des h. Stuhls zu klä-
ren. Die Investitur welche Pius IL dem Aragonesen ertheilte
und seine enge Verbindung mit demselben kamen seiner eignen
Familie zugute, indem damals wie später des Papstes Schwe-
stersöbne, die Todeschini Piccolomini, in Neapel zu ansehnli-
chem Besitz und Würden gelangten. Aber auch der Gewinn
für den Kirchenstaat war nicht unbedeutend. Jacopo Piccinino
Niccolos Sohn, der das Condottierenhandwerk theils im Dienste
von Fürsten theils auf eigne Hand betrieb und unter dem letz-
ten Papste das Sieneserland sehr gequält hatte, schaltete in
Assisi und benachbarten Städten als Gewaltherrscher. In an-
deren Theilen Umbriens von Narni bis Citta di Castello zeigten
sich bedenkliche Erscheinungen. König Ferrante nöthigte Pic-
cinino die besetzten Städte freizugeben; Pius fand sich mit den
catalanischen Governatoren durch Geld ab. Benevent und Ter-
racina wurden von den NeapoUtanern geräumt. In einem andern
TheUe des Kirchenstaats währten freiUch die Unruhen fort
138 Coiigi'css zu Maiitua.
Ferrante trug selbst das meiste hiezu bei, indem er denselben
Condottiere, den er Umbrien zu verlassen gezwungen, gegen
Sigismondo Malatesta brauchte welcher, bald für bald gegen
die Aragonesen, talentvoll und erfindungsreich aber unzuver-
lässiger noch als die meisten dieser Städtebeherrscher sich in
einen ungleichen Kampf verwickelte aus welchem er mit Noth
ein sehr geschmälertes Dominium rettete.
Den ersten Moment der Ruhe benutzte der Papst, den
alsbald nach seinem Regierungsantritt entworfenen Plan, die
christlichen Fürsten in Mantua zu einem Congresse zu vereini-
gen , ins Werk zu setzen. Am 22. Januar 1459 verliess er Rom.
Grosse Vorbereitungen waren fiir die Reise getroflfen worden.
Der Cardinal von Cusa blieb als Legat, Antonio Colonna als
Präfect zurück. Die Geschäfte der Curie sollten ununterbrochen
fortgehn. Im October, nachdem Cusa sich zum Papste begeben^
wurde dem Bischof von Mantua die Stadtverwaltung übertragen.
In Perugia verweilte Pius drei Wochen , besuchte sein geliebtes
Heimatland, war am 25. April in Florenz, am 27. Mai in Mantua,
überall aufs glänzendste empfangen. Aber die Eröffnung der
langersehnten Versammlung entsprach seiner Hoffnung nicht.
Wenige der Eingeladenen waren erschienen; wenn allmälig Ge-
sandte sich einfanden, waren ihre Aufträge nicht ermuthigend.
Wenn die italienischen Staaten grossentheils sich zu Hülfleistun-
gen verstanden , war vom Auslande wenig oder nichts zu hoffen
und die den Congress beschickenden Levantiner heischten viel-
mehr Beistand als dass sie denselben gebracht hätten. Es war
für den Papst eine bittere Täuschung. Aber er gab darum die
Sache nicht auf, und es wurde beschlossen so Flotte wie Land-
heer gegen den gemeinsamen Feind zu rüsten. Dem Namen
nach sollte Kaiser Friedrich den Oberbefehl fuhren , als eigent-
lichen Feldhauptmann aber hatte sich der Papst Albrecht von
Brandenburg jungem Sohn des ersten zoUernschen Churfiirst«n
gedacht, dem er den historisch gewordenen Beinamen Achilles
gab. Am 20. Januar 1460, kurz nach dem Markgrafen, ver-
Uess Pius Mantua und kehrte auf dem Wege den er ge-
kommen war nach Siena zurück, wo er gegen gichtisches
Leiden in den Bädern des Landes Heil suchend bis zum
Herbste verweilte.
Während aber Pius II. die christlichen Fürsten zu einigen
suchte, war in Italien selbst der heftigste Kampf entbrannt
Neapolitanischer Krieg. FeiTante von Aragon. 139
Eine neue Unternehmung der anjou'schen Partei im Königreich
Neapel, an der Spitze König Renes Sohn Jean der den Titel
eines Herzogs von Calabrien führte, brachte Ferrante von Ara-
gon in die dringendste Gefahr. Es war eine Schilderhebung
des ansehnlichsten Theils des hohen Adels des Königreichs.
Die Marzano von Rossano und Sessa, die Cantelmo von Sora,
die Orsini von Tarent, Antonio Caldora und die Seinigen, Ja-
copo Piccinino welcher dem Könige den Rücken wandte , setzten
den grössten Theil des Landes in Bewegung namentlich die an
den Kirchenstaat grenzenden Provinzen. Der Papst und Fran-
cesco Sforza leisteten Ferrante Beistand, aber die Schlacht am
Sarno am 7. Juli 1460, in welcher der päpstliche Heerführer
Simonetto fiel, würde Neapel in die Hand Jeans von Anjou
gegeben haben , hätte dieser den errungenen Vortheil mit Kraft
verfolgt. Bald darauf brachte ein von Piccinino über Alessandro
Sforza und Federigo von Montefeltro Grafen von ürbino bei
S. Fabiano in den Abruzzen erfochtener Sieg selbst die Umge-
bung Roms in Gefahr, indem jener bis Rieti vordrang und die
SavelU in der Sabina Unruhen erregten, während auch Sigis-
mondo Malatesta im anjou'schen Interesse in den Kampf ging.
So schhmm aber die Sachen fiir Ferrante standen, so gelang es
ihm doch, theils mit den Waffen theils durch Verträge die zu
brechen ihm nachmals nicht schwer ward, erst den Krieg an
welchem sich auch der zu hoch gepriesene Volksheld Albaniens
Castriota Scanderbeg mit nicht glänzendem Erfolge betheiligte,
in die Länge zu ziehn, dann die Gegner zu entzweien, Jean
von Anjou nach Ischia und von dort nach der Provence zu
treiben, und einem Kampf ein Ende zu machen der ihn die
Krone kosten zu müssen schien.
Dieser Kampf ist in seinen Folgen ein für das Königreich
Neapel unendlich trauriger geworden. Das nicht ungerecht-
fertigte Mistrauen Ferrantes gegen den Lehnsadel steigerte
nun in ihm die Tendenz zu tyrannischem Schalten und zu jener
hinterhstigen Staatskunst, welche auch die tüchtigen Eigen-
schaften dieses scharfsinnigen und fähigen Regenten in den
Schatten gestellt, auf seine Beziehungen zum Ausland verderb-
lich eingewirkt, im Innern neue Stürme heraufbeschworen haben,
die nachmals den Untergang seiner Dynastie wie seines Staates
herbeiführten. Die endUchen Erfolge des Königs entschieden
auch über die Geschicke des Kirchenstaats. Sigismondo
140 Graf Everso von Anguillara.
Malatesta, flüchtig nach Venedig gelangt, musste sich glücklich
schätzen, durch Verwendung der Republik von seinen bis-
herigen Besitzungen die Stadt Rimini mit kleinem Gebiete gegen
Lehnzins und Heimfallsrecht an den h. Stuhl zu bewahren. Die
Ausbreitung der venetianischen Besitzungen an der adriatiscben
Küste drohte übrigens ein ernsteres Uebel zu werden als die
Herrschaft der kleinen Signoren war.
Auf die Stadt Rom musste dieser Krieg nachtheiligen Ein-
fluss äussern. Der vornehmste Unruhestifter war hier der Graf
von Anguillara, der schon unter mehren Päpsten den Frieden
getrübt hatte und sein Gebiet zum Sammelpunkt zahlreicher
Unzufriedenen machte. Everso H. von Anguillara ist eine ka-
rakteristische Figur in der Geschichte des römischen Adels des
fünfzehnten Jahrhunderts. Von seinem Geschlecht, einem
Zweige der Orsini dessen Besitzungen im römischen Tuscien
lagen, ist wiederholt die Rede gewesen: heute noch wird man
an diese Dynasten im Rion Trastevere erinnert, wo ihr)s alte
Thurmwohnung steht imd sie im vierten Jahre nach S. Fran-
ciscus' von Assisi Tode seinem Orden Kirche und Kloster
S. Francesco a Ripa schenkten, welche durch den Grafen Pan-
dolfo umgebaut worden waren. Everso , des Grafen Dolce Sohn,
repräsentirt den zügellosen aber in seiner Wildheit einer ge-
wissen Grösse nicht ermangelnden Baronaladel in einer Zeit,
in welcher ein grosser Umschwung in dessen Beziehungen zu
Rom und dem Papstthum im Gange war. Nicht weniger als
achtzehn Städte und Castelle vom Ciminischen Berge an bis
zum Meer, von Ronciglione und Caprarola bis Cere und Santa
Severa gehorchten ihm; Vitelleschi hatte ihm zur Ablöhnung
der Söldner Vico und Caprarola für 7375 Goldgulden verkauft,
was Eugen IV. nach des Legaten Tode im August 1440 bestä-
tigte. Diese grossen Besitzungen machten ihn für Rom, wo er
beträchtlichen Anhang hatte, zu einem nicht minder gefahr-
hohen Nachbar als seine Vorgänger die Präfecten gewesen
waren. Er war ein ruheloser gewaltsamer Mann. Cardinal
Ammanati hat ihn geschildert wie er die Strassen zwischen
Rom und Viterbo als ächter Raubritter unsicher machte, Rei-
sende in die Verliesse seiner Burgen schleppte, Mädchen und
junge Frauen raubte, selbst an hohen Festen Frohndienste er-
zwang, falsche Müuze prägte, aller päpstlichen Monitorien
spottete und den Waffen trotzte. Unter Nicolaus' V. Regierung
Romische Unimhen. 141
hatte er mit den Ausgewanderten aus Norcia und anderen um-
brischen Orten gemeinsame Sache gemacht und belagerte ge-
dachte Stadt, als der päpstliche Protonotar Giorgio Cesarini
ihn zu weichen und nach Rieti zu fliehen zwang, von wo er
dann doch auf sein eignes Gebiet zurückkehrte und neue Mann-
schaft sammelte, bis Cardinal Barbo, der nachmalige Papst
Paul U., ihn zur Unterwerfung nöthigte. Und dieser Mann
machte sich in der Geschichte der römischen Wohlthätigkeits-
anstalten einen Namen durch ein reiches Legat für den Neubau
des lateranischen Spitals, während seine Grabschrift in Sta Maria
maggiore, deren Stiftsherren er gleicherweise bedachte, ihm
dem Unbesiegten Thränen spenden heisst. Bald nach der Zeit
wo Everso seine letztwilligen Verfügungen traf, übte er noch-
mals verderblichen Einfluss auf die römischen Angelegen-
heiten aus.
Während des Papstes Abwesenheit in Mantua und Siena
waren grosse Unordnungen in der Stadt vorgefallen. Im Jahre
1461 hatte sich unter Führung der Brüder Tiburzio und Va-
leriano von Massa, deren Vater ein Opfer der Verschwörung
Stefano Porcaros geworden war, ein dieser ähnliches Complott
gebildet, welches mit dem Unternehmen Jacopo Piccininos gegen
die Sabina und mit Bewegungen im Adel namentUch unter den
Colonna und SaveUi zusammenhing, seinen vornehmsten Halt
jedoch in einigen Familien des höhern Bürgerstandes und in
wüstem Bandenwesen hatte. Der Senator Lodovico de' Petroni
von Siena hatte den in die Stadt eingeschlichenen Verschwor-
nen und Mitwissern keine entsprechende Macht entgegenzu-
stellen. Aber das Project scheiterte an der Nichttheilnahme
der Massen welche, anfangs unschlüssig, durch das zuchtlose
Treiben geschreckt wurden. Die entdeckten Führer flohen,
hielten sich eine Zeitlang in Orten der Umgebung, kehrten zu-
rück um einen neuen Versuch zumachen, wurden ergriffen und
hingerichtet. Ein Anschlag des Grafen von Anguillara gegen
das Leben des Papstes im Bunde mit dem Kanzler Piccininos
Namens Brocardo scheiterte gleichfalls. Weder er noch Ja-
copo Savello vermogt^n nach dem Unterliegen der Anjous eine
Stellung in Rom zu behaupten. Von dem päpstUchen Feld-
hauptmann Grafen von Urbino in dem festen Palombara be-
lagert musste Jacopo sich glücklich schätzen, mittelst Ueber-
gabe von sieben seiner Burgen Frieden und Verzoihunir zu
142 Die römische Umgebung. Das Papstthiuii und Frankreich.
erlangen. Aber Ruhe und Sicherheit der Stadt wurden fort-
während durch solche Leute und durch die Schaaren ihrer
Anhänger und Dienstleute gestört, die ihnen in ihren Lehneo
wie in Rom selbst zu Gebote standen. Eine ganze Reihe von
Erlassen Pius' II. ist der Aufrechthaltung oder Wiederherstel-
lung der Ordnung in Stadt und Umgebungen gewidmet, und
wiederholt musste der Papst gleich seinen Vorgängern Waffen-
stillstand zwischen den Factionen der Barone und Burger so-
wie zwischen den Baronen und benachbarten Ortschaften auch
in Campanien und Marittima vermitteln. Wie wüst es bei allen
diesen Kämpfen und Fehden zuging, zeigt eine im Jahre 1455
in dem ebenerwähnten Palombara vorgefallene Blutthat. Ja-
copo Savello hatte einige seiner Vasallen wegen schwerer V^er-
gelien ausgewiesen. In seiner Abwesenheit überrumpelten die
Verbannten die Burg und ermordeten die beiden jungen Sohne
ihres Herrn. Dann liessen sie dem Papste CaUxtus den Besitz
von Palombara anbieten, dieser aber sandte den Cardinal Prosper
Colonna hin, welcher von saveUischer Mannschaft unterstützt
das Castell nahm wobei die Rädelsführer und Urheber jener
Schandthat den Tod fanden.
Kirchliche wie politische Sorgen haben während der ganzen
Regierung Pius' IL nicht aufgehört. Frankreich, Teutschland,
der Osten nahmen ihn zu gleicher Zeit in Anspruch. In Frank-
reich hatten die Bemühungen Eugens IV. und seiner Nachfol-
ger, König Carl VII. zur Abschaffung der pragmatischen Sanction
zu vermögen, bei Ludwigs XI. Regierungsantritt fortgewährt.
Wenn Pius IL im Spätherbste 1461 ein so wichtiges Zugestand-
niss an das Papstthum erlangte, so erhob sich doch einerseits
in der galUcanischen Kirche und seitens der pariser Universität
eine so heftige Opposition, andererseits entstanden zwischen
der Curie und der Krone so arge Verwicklungen wegen Juris-
dictionsfragen , dass das neue Zerwürfniss schlinmier war
als das frühere Verhältniss, die Streitigkeiten umso leiden-
schaftlicher wurden, jemehr die Parteien sich miteinander zu
versöhnen geschienen hatten. Der neue König hatte zwar er-
klärt die pragmatische Sanction laste auf seinem Gewissen.
Inderthat aber waren es politische, selbst finanzielle Gründe
die ihn bestimmten. Als seine Hoffiaung, den Papst dem anjou-
schen Interesse zu gewinnen , ebensowenig in Erfüllung ging wie
diejenige, die Verleihung der geistlichen Benefizien in seine Uaud
Böhmen und Teutschland. Der Osten. 143
zu bekommen, bequemte sein Gewissen sich ganz gut der Re-
action gegen Rom, welche ihm ohne es zu wollen die Ausfuh-
rung seiner Absichten gegen die Unabhängigkeit des Clerus
erleichterte die er gegen päpstliche Eingriffe zu schützen
vorgab.
Während es sich hier um einen Autoritätsstreit handelte,
galt es in dem unendlich zerrissenen und wildester Unordnung
aoheimgefallenen teutschen Reiche so Autorität wie Einheit
der Lehre zu retten. Wenn in der mainzer Bischofsfehde,
welche das ganze südwestliche Teutschland verheerte, der An-
spruch des Papstthums gegen den Widerstand des Episkopats
siegreich durchgesetzt ward, so erlebte Pius nicht die Beendi-
gung des Kampfes in Böhmen , wo der nach dem frühen Tode
von Albrechts Sohne Ladislav im Jahre 1457 von den Ständen
gewählte König Georg von Podiebrad, um die päpstUche An-
erkennung und den Auschluss seiner katholischen Unterthanen
zu erlangen, in der immer noch schwebenden hussitischeu
Frage mit offenbarer Zweideutigkeit temporisirte , bis der Papst,
des Hinhaltens müde, dem in Böhmen herrschenden Aus-
nahmezustand ein Ende zu machen beschloss und die Com-
pactaten der Zeit Eugens IV. aufhob. Unterdessen währte die
schwache und schlaffe Regierung Friedrichs III. inmitten der
Kämpfe der Reichsstände, der Entzweiungen in der eignen
Familie, der wiederholten Empörungen der Unterthanen fort,
eine Regierung welche recht dazu geeignet war, dem letzten
Rest kaiserlicher Autorität ein Ende zu machen.
So gross aber diese Bedrängnisse waren , so verschwanden
sie beinahe vor der Noth und den Gefahren des Orients. Hier
war es der christliche Glaube selber der sich mit Vernichtung
bedroht sah. Nach Constantinopels Fall schien im ersten
Schrecken das Abendland preisgegeben. Was Calixtus III.
that, dies Abendland zu schützen, ist erzählt worden. Die
tapfere Vertheidigung Belgrads vom Jahre 1456 hatte den
Fortschritten der Osmanen gegen Ungarn einstweilen ein Ziel
gesetzt, aber sie hatten sich nach einer andern Seite hinge-
wandt und die Zeit Pius* II. sah rasch die noch übriggebUe-
benen Trümmer des östlichen Reiches schwinden. Im Jahre
1460 setzte sich Mohammed II. in Morea fest, wo die beiden
Brüder des letzten Griechenkaisers , die miteinander hadernden
Paläologen Demetrius und Thoraas, ihre Despotien verloren.
144 Vordringen der Türken. Ungarn.
Mit Mühe hielten sich die bedrängten Johanniter auf Rhodus,
während das Königreich Cypern, wo das regierende Haus der
Lusignan längst an dem innern Verderben krankte welches alle
nach dem Orient verpflanzten Fürstenfamilien angesteckt hat,
eine Art ägyptischen Vasallenstaates ward der nur durch die
Gnade des Islam das Leben fristen zu können schien. Kaum
hatte Pius 11. zu Mantua eine Einigung des Abendlandes ver-
sucht, so gingen die kleinen christlichen Staaten am Pontus,
Ueberbleibsel der griechischen wie der genuesischen Herrschaft^
verloren, das komnenische Trapezunt wie Sinope. Das blü-
hende Lesbos, von den Türken erobert, machte den Anfaog
unter den Inseln des aegeischen Meeres.
Nun nahm der Strom der Eroberung wieder eine westliche
Richtung. Der Vorkämpfer in Albanien, Castriota, dessen
Auftreten in Süditalien nur in den ihm wie seinen Nach-
kommen zu Theil gewordenen Besitzungen Spuren gelassen
hat, schützte sich im Jahre 1463 durch ein Abkommen, zur
Zeit wo der ungarische Nebenstaat Bosnien ein türkisches
Paschahk wurde, die Küste Dalmatiens türkischen Streifzugen
offen stand, das feste Ragusa zitterte. Und es waren gerade
diese drangsalvollen Jahre, in denen Kaiser Friedrichs langer
Hader mit Hunyadis Sohn Matthias Corvinus, den die Ungarn
nach des jungen Ladislav Tode als König ausriefen , die Kräfte
dieses Landes spaltete und das stärkste Bollwerk der Chri-
stenheit wider den Islam in geiahrlichstem Maasse schwächte.
Dem Legaten Cardinal Carvajal gebührt das Lob, die wahre
Lage der Dinge wie das Bedürfniss der Christenheit er-
kannt und unabhängig von dynastischen Fragen, deren un-
heilvolle Folgen er vor sich sah, unablässig verfochten, dem
Papste der Ruhm, durch seine Vermittlung wesentUch den im
Jahre 1463 zu Wiener -Neustadt geschlossenen Vertrag herbei-
geführt zu haben, welcher Matthias die ungarische Krone, dem
Hause Habsburg im Fall seines kinderlosen Todes die Nach-
folge sicherte.
Diese Verwicklungen und Kämpfe im Osten haben in Rom
selbst in mehren Episoden der Regierung Pius' H. ihren Aus-
druck gefunden. Nicht alle diese Begegnungen, welche die
unglücklichen Erben der Herrscherhäuser des Ostens hieher
führten, sind befriedigender Art gewesen. Das Vorspiel be-
stand in einer angeblichen Ambassade von Abenteurern , welche
Thomas Paläologus und die Seiiiigeu in Rom. 145
unter der Führung eines Franciscaners Fra Lodovico von Bo-
logna, der von weiten orientalischen Keisen heimkehrend schon
C&Uxtus III. getauscht hatte, im Jahre 146Ü in Rom erschien
und allgemeine Betheiligung des christhchen ja eines Theils
des nicht christlichen Morgenlandes am Kampf gegen die Tür-
ken in Aussicht stellte. Anfangs ehrenvoll empfangen, von
dem scharfbhckenden Papste jedoch bald beargwöhnt wurden
die l^Iitglieder dieser Gesandtschaft, die auch in Frankreich
und anderwärts ihr Glück versuchte, nachmals als Betrüger
entlarvt Dann kam der entthronte Despot von Morea Thomas
Paläologus hülfesuchend in Rom an. Der Bethörte hatte im
Jahre 1459 zugleich den mit den siegreichen Türken eingegan-
genen Vertrag, der ihm noch einen Theil seines Staates Uess,
gebrochen und seinen Bruder Demetrius, der sich der Ueber-
macht gefügt hatte, mit Krieg überzogen: die Folge war dass
Mohammed II. ganz Morea nahm , und Thomas von allem ent-
blöst sich glücklich schätzen musste, von Navarino aus nach
Santa Maura und von dort nach Corfu zu gelangen.
Im Frühling 1461 kam er über Ancona nach Rom. Der
Papst nahm ihn ehrenvoll auf, wies ihm in Sto Spirito eine
Wohnung an, setzte ihm ein ansehnliches Jahi^ehalt aus,
schenkte ihm die goldene Rose. An der flaminischen Strasse
in der Nähe der milvischen Brücke erinnert ein einfaches
Tabernakel mit einer Statue des Apostels Andreas an den
Paläologen, dessen Züge die einst vor der Peterskirche aufge-
stellte Bildsäule des h. Paulus vergegenwärtigen soll. Das
Tabernakel steht auf der Stelle, wo in des Despoten Namen
Cardinal Bessarion dem Papste den von diesem nach Italien
gebrachten Schädel dieses Apostels überreichte, der später in
der Peterskirche niedergelegt während der letzten römischen
Umwälzung entwendet und an den Basteien des Janiculum in
der Erde vergraben wiedergefunden wurde, wie die Inschrift
eines dort gesetzten kleinen Monuments verkündet. Der Papst
suchte den Anlass zu benutzen, den ausserhalb Ungarns erlosche-
nen Eifer für den Kreuzzug wiederzubeleben. Das unverdiente
Lob welches er dem SprössUng des letzten Kaisergeschlechtes
spendet, legt dies Bestreben an den Tag. Der Paläologe, in
Hader, Intriguen und tyrannischem Schalten ergraut, versuchte
in Oberitalien für seine Sache zu werben. Als es nichts fruch-
tete, kehrt« er nach Rom zurück, wo er den Papst und das
V. Rcununt, Kuia. HI. 10
146 Charlotte von Lusignan Köiiigui von Cypcru.
Schwinden der letzten auf dessen Unternehmen gesetzten Hoff-
nung um wenige Monate überlebte und im Mai 1465 dreiund-
sechzigjährig starb. Seine Gemalin Caterina Centurioni war
ihm vorausgegangen. Seine drei Kinder beschied Bessarion
von Ancona wo sie erzogen wurden nach Rom, wo der altere
Sohn Andreas verkommen und vergessen im Jahre 1502 starb,
während der jüngere Manuel nach Constantinopel entfloh , wo
er, wie sein Oheim Demetrius in Thracien, unter türkischer
Herrschaft endete. Die schöne Tochter Zoe wurde zur Zeit
Sixtus' IV. an den Grossfürsten von Moskau verheiratet der
sich anheischig machte, Morea wiederzuerobern und seinen
Schwägern zurückzugeben.
Der Despot von Morea war nicht der einzige dieser orien-
talischen Fürsten der in Rom Zuflucht fand, eine Zuflucht
welche im Sommer 1463 auch Castriota Scanderbeg, von den
Türken bedrängt, durch eine Gesandtschaft nachsuchen liess
welche der Papst in Tivoh empfing. In demselben Jahre mit
dem Paläologen erschien eine Verwandte desselben, Charlotte
von Lusignan die Tochter Janus' Königs von Cypem und der
Helena Paläologa. Nach dem Tode ilires Vaters im Jahre 1458
als Königin gekrönt hatte sie sich mit ihrem Vetter dem Prin-
zen Ludwig von Savoyen, Enkel Amadeus' VIII. und Sohn
Herzog Ludwigs und Annas von Lusignan vermalt, welcher
gleichfalls im October 1459 in Nicosia gekrönt ward. Aber ein
natürUcher Bruder Charlottens, Jacob von Lusignan, setzte
sich mit Hülfe des Sultans von Aegypten und der Venetianer
in den Besitz der Insel, schloss den Schwager im Castell von
Cerina ein, zwang die Königin Hülfe im Auslande zu suchen.
Der Grossmeister von Rhodus Jakob von MiUi, dem Tode
nahe , vermogte nicht zu helfen ; Pius H. , vor welchem Char-
lotte durch Seeräuber ausgeplündert und von allem entblösst
weinend und um Mannschaft ja um Lebensmittel bittend er-
schien, bewies sich theilnehmend und gütig gegen die Ver-
triebene wie gegen das savoyische Haus, obgleich er sich des
Verhaltens des letztem ebensowenig zu rühmen hatte wie der
Glaubenstreue Cyperns. Pius' 11. Commentarien schildern das
Aeussere der letzten Lusignan. »Sie schien gegen vierund-
zwanzig Jahre zu zählen und war von Mittelgrösse. Ilire
Augen waren lebendig, ihre Gesichtsfarbe gelbUch blass, ihre
Rede gewandt und nach griechischer Sitte einem raschen Strom
Charlotte von Lusignan. Caterina Königin von Bosnien. 147
yergleichbar. Sie trug französische Tracht und hatte könig-
liche Haltung.« Im Heimatlande ihres Gemals faud die Königin
geringern Beistand als beim Papste, und nach vergeblichen
Anstrengungen die sie nach Rhodus zurückführten, sah sie im
Jahre 1464 Ludwig flüchtig, die ganze Insel in der Gewalt des
Nebenbuhlers, welcher sechs Jahre später jene Caterina Cornaro
heiratete die nach seinem und ihres einzigen Sohnes Tode eine
Regierung, deren Selbständigkeit nur noch im Namen bestand,
an die Bepublik Venedig abtrat. Ludwig von Savoyen starb
nach wiederholten Versuchen zur Wiedergewinnung seines
Reiches im Jahre 1482 zu Ripaille, einst seines Grossvaters
Lieblingsaufenthalt am Genfersee. Charlotte , welche unendlich
mehr als ihr trager Gatte die Seele der Unternehmungen ge-
wesen und zu deren Gupsten unter Caterinas Herrschaft eine
von den Venetianem unterdrückte Verschwörung auf der Insel
angezettelt w.orden war, verbrachte ihre letzten Jahre in Rom.
Hier bezog sie im Jahre 1481 unter der Regierung Sixtus' IV.
eine Wohnimg in der Leostadt, welche vor ihr einer nicht
minder unglückhchen Königin gedient hatte. Es ist der seit
jener Zeit vielfach veränderte Palazzo de' Convertendi, welcher
die dem Vatican zugewendete Ecke der Piazza Scossacavalli
und des Borgo nuovo bildet. In diesem Hause vermachte sie
im Februar 1485 ihr Recht an Cypem ihrem Neffen Herzog
CarlL von Savoyen, der Titel imd Wappen annahm welche
bis auf unsere Tage im savoyischen Herrscherhause gebheben
sind. Hier starb sie fünfzigjährig am 16. Juh 1487 und
wurde in der Peterskirche beigesetzt, wo heute noch in den
vaticanischen Grotten die Grabschrift an »Karola Hierusalem
Cipri et Armenie regina« erinnert.
Pius U. war längst nicht mehr unter den Lebenden, als
eine andere verjagte Herrscherin in Rom eintraf und bis an
ihr Lebensende verweilte, aber es geschieht ihrer hier Erwäh-
nung, um die Reihe dieser Opfer mohammedanischer Erobe-
rung und christhcher Zwietracht im Osten zu beschUessen.
Caterina, Tochter eines bosnischen Bojaren welcher den Titel
eines Herzogs von S. Sabba führte, war die Gemahn Stephans
Tbomasch des Sohnes Paul Jablenovichs, Despoten oder Kö-
nigs von Bosnien. Die Wirren in diesem imgarischen Vasallen-
staate der stets zwischen Katholicismus, Manichäismus und Mo-
hammedanismus schwankte, und der im Orient unausbleibhche
10*
148 Caterina von Bosnien. Leonardo Tocco Despot von Ana.
Hader in der Herrscherfamilie hatten so dem Papste wie
Matthias Corvinus viel zu schaffen gemacht. Der Bruder und
der eigne Sohn sollen Stephan ermordet, die Wittwe sich
mit Mohammed in Einverstandniss gesetzt haben, welcher im
Jahre 1463 mit Heeresmacht erschien, an dem jungen Könige
den Mord rächte aber das ganze Land der türkischen Bot-
mässigkeit unterwarf. Caterina, wie es scheint von den lieber-
lebenden ihrer Familie getrennt, begab sich nach Rom, wo
sie im Jahre 1466 eintraf. Von päpstlicher Unterstützung lebt«
sie hier zwölf Jahre lang, die längere Zeit in einem Hause bei
San Marco, die beiden letzten Jahre in der Leostadt wo sie
am 25. October 1478 starb. In ihrem letzten Willen setzte sie
den h. Stuhl zum Erben ein, falls nicht ihr überlebender Sohn
zum Christenglauben zurückkehrte. Papst Sixtus IV. nahm aus
den Händen der Diener der Entschlafenen Testament und In-
signien an und übergab sie dem Vicekanzler. In Sta Maria
Araceli sieht man das Grab der länderlosen Königin. Auf dem
Stein ist sie in ganzer Gestalt abgebildet, das mit der Krone
geschmückte Haupt auf einem Ruhekissen zu dessen SeiteB
zwei Wappenschilder, die Hände über ein Buch gelegt, mit
der Inschrift welche Geschlecht und Würde und ihr auf drei-
undfünfzig Jahre gebrachtes Lebensalter verkündet. Zwei Jahre
nach dem Tode der armen Königin von Bosnien führten die
Umwälzungen in der Levante wiederum einen vertriebenen
Fürsten nach Rom. Es war Leonardo Tocco Despot von Arta,
durch Heirat Verwandter der neapolitanischen Aragonesen,
welcher im Jahre 1480 mit den Seinigen eine Wohnung bei
den Trümmern des flaminischen Circus bezog. Die Familie
begab sich später nach Neapel wo sie noch mit dem Fürsten-
titel von Montemileto besteht, aber ein natürlicher Sohn Leo-
nardos, Pandolfo, kaufte sich im Rion Ponte an.
Die Eroberung Bosniens und die Gefahr Dalmatiens hatten
endlich Venedig zum Entschluss gebracht, im Verein mit dem
Papste und seinen Bundesgenossen gegen den gemeinsamen
Feind zu ziehn. Schon hatte in Morea der Kampf begonnen,
aber er konnte zu keiner Entscheidung fuhren, wenn nicht der
Angriff zugleich von Norden wie von Westen geschah. Pius II.
mogte einen Augenblick der Hoffnung Raum geben, das Werk
für welches er Jahre lang sich gemüht, endlich in grossartiger
Weise ausgeführt zu sehn. Aber Enttäuschung folgte anf
Vorbereitungen zum Kreuzzug. 149
- Enttäuschung. Die feindselige Gesinnung welche Ludwig XI.
au den Tag legt«, wurde zwar durch die vom Herzog von Bur-
gund gezeigte Bereitwilligkeit einigermaassen aufgewogen. Aber
Philipp der Gute war ein alter Mann, in seiner Familie herrschte
Mishelligkeit, in seinen Staaten war man einem Unternehmen
in fernen Landen vielmehr abgeneigt als günstig. Der Con-
gress welchen der Papst im September 1463 in Rom eröffnete,
war im ganzen nicht ermuthigend. In Italien war Friede,
aber es zeigte sich geringe Lust so zu den Leistungen
wie zar Betheiligung mit Mannschaft. Nur Venedig bewies
guten Willen. AUmälig gestalteten sich .die Dinge insoferne
günstiger, als mehre Staaten sich zu den in Mantua vorge-
schriebenen Geldleistungen bereit erklärten. Im Cardinal-
consistorium gewann des Papstes eindringhche Beredsamkeit
und die vom Bewusstsein seiner oberhirtlichen Pflicht erfiillte
Darlegung alles dessen was er während seines Pontificats zur
Erreichung dieses grossen Zweckes gethan, auch die Wider-
strebenden. Ein feierUcher Aufruf an die gesammte Christen-
heit folgte. Pius n. verkündete seinen £ntschluss, mit den Cardi-
nälen an dem Unternehmen theilzunehmen welches im Juni des
folgenden Jahres von Ancona aus beginnen sollte. Bündnisse
Venedigs mit Ungarn und Burgund , Aufrufe an die Beherrscher
Spaniens und Portugals, an die Christen im Orient verhiessen
Förderung. Die Thätigkeit der Venetianer war überaus gross,
nachdem im November der Vorschlag des Dogen Cristoforo
Moro dem Papste zu folgen beinahe einstimmig angenommen
worden war, der Doge seine persönliche Theilnahme zugesagt
hatte. Die ersten Waffenthaten so der Venetianer in Morea
und auf den aegeischen Inseln wie der Ungarn in den Donau-
ländern steigerten die Hoffnung glücklicher Erfolge.
So ging das Jahr 1463 zu Ende. Aber der Frühling des
folgenden war wieder herber Enttäuschung voll. Während das
Kriegsglück den Venetianern in Griechenland den Rücken
wandte, Mohammed Bosnien nochmals überflutete, reute den
Dogen seine Zusage, so dass Vettor Pisani im Namen des
Bathes ihm erklären musste die Ehre der Republik und die
seinige sei verpfändet. Der Herzog von Burgund, in welchem
Pius den Feldherm zu finden gehofft hatte, von Frankreich
wie von einer Partei im eignen Lande bearbeitet, nahm sein
Versprechen unter Form eines Aufschubs zurück; der Herzog
150 Pius' IT. Abreise von Rom.
von Mailand , an den der Papst sich ebenfalls mit dem Gesuch
um Uebernahme des Oberbefehls gewandt hatte, benutzte die
V^erlegenheit der Venetianer um sich in Ligurien auszudehnen.
Von den Florentinern war nichts zu erwarten. Die Städte des
Kirchenstaats zeigten geringe Lust das Unternehmen zu unter-
stützen; von den Cardinälen trugen wenige, unter 'ihnen Sca-
rampi, Bessarion, Borgia, Gonzaga, Barbo zu den Rüstungen
hei. Was der Papst selbst an Galeeren, an Mannschaft und
Geld aufbringen konnte, entsprach einer solchen Expedition
durcha^us nicht. Das schlimmste war dass seine Gesundheit
völlig zerrüttet waix Im Frühling suchte er in den schon
wiederholt angewandten Bädern von Petriolo Linderung und
besuchte noch einmal Siena, welches die ihm erwiesene Gunst
durch klägliche Lauheit lohnte als es Unterstützung seines
grossen Unternehmens galt. Der für den Anfang desselben
angesetzte Termin war schon verstrichen, bevor der Papst in
Rom wieder eintraf. Am 18. Juni nahm er in der vaticanischen
BasiUka das Kreuz und betete laut für den Zug mit bewegtem
Herzen, denn die innere Stimme verkündete ihm den Ausgang.
So schwach er sich fühlte, wollte er nicht dass man davon
redete. An dem nämlichen Tage verUess er den Vatican.
Seine Kräfte waren so gesunken dass er die Reise zu Lande
nicht ertragen zu können fürchtete. So bestieg er bei der
milvischen Brücke, wohin ihm Cardinäle imd Hof folgten, eine
Barke mit wenigen Begleitern, unter ihnen der Cardinal von
Pavia, die Bischöfe von Torcello und Citta di Castello und
sein Schwestersohn Andrea Todeschini Piccolomini. Bei Tor
di Quinto bückte er noch einmal nach Rom zurück. Da lag
die Stadt vor ihm in langgedehnter Linie, zur Rechten der
Vatican mit der alles überragenden Engelsburg, ein Anblick
völlig verschieden von dem Prospect unserer Tage, statt der
zahlreichen Kuppeln hunderte von Thürmen der Kirchen, Bur-
gen, Paläste. Lebe wohl Rom, sprach er bewegt, du wirst
mich lebend nicht wiedersehn!
Die Fahrt stromaufwärts ging äusserst langsam. Am ersten
Abende gelangte man nur bis Castel Giubileo , am zweiten bis
Fiano, am dritten an den Fuss des Soracte. Vom Kloster
S. Benedetto aus sandte der Papst den Cardinal Carvajal nach
Ancona, für die Ruhe der Stadt und die Ueberfahrt der Kreuz-
fahrer zu sorgen. Denn Italien war bereits mit Leuten aller
Pius' n. Reise und Ankunft in Ancona. 151
Länder gefüllt die zu dem grossen' Unternehmen hef beiströmten.
Ueberall hatte Pius' Aufruf die Völker angeregt: wären Fürsten
und Grosse gewesen wie vor drei Jahrhunderten, das ganze
Abendland würd.e in Bewegung gerathen sein. Aber es waren
jetzt nur unordentliche Haufen die aus Frankreich, Teutsch-
land, den Niederlanden herbeizogen, meist ohne Waffen, oft
ohne alle Mittel. Die Besseren waren schon in Lombardien
und Venetien umgekehrt, da sie den Stand der Dinge erfuhren;
was weiter zog, war eine Plage fiir die Länder. In Ancona
fanden die Anlangenden keine Transportschiffe, da die Rüstun-
gen ganz unzulänglich und verspätet waren; Unordnimgen und
Krankheiten , die gewohnten Begleiter solcher Menschenmassen,
blieben nicht aus. Von Otricoli an , wo der kranke Papst sich
tragen Hess, traf man auf viele dieser wüsten Haufen, deren
Anblick Pins so schmerzte dass er die Vorhänge der Sänfte
zu schUessen befahl. Wie mogte ihm, als er so langsam vor-
wärts gelangte, die menschliche Ohnmacht vor Augen stehn!
Am 18. JuU traf er über Loreto in Ancona ein. Hier war
grosse Verlegenheit. Mit den angelangten und täglich anlan-
genden Kreuzfahrern war nichts zu machen, da es an Schiffen
fehlte; man musste froh sein als sie abzogen. Wäre die vene-
tianische Flotte rechtzeitig erschienen, so hätte immer noch
versucht werden können die dalmatische Küste und das von
den Türken bedrohte Ragusa zu sichern, wie der Papst und
Cardinal Carvajal beabsichtigten. Aber die Tage vergingen
und Pius* Krankheit steigerte sich mit jedem derselben. Graf
Federigo von Urbino , der an dem Kreuzzug hatte theilnehmen
sollen, musste zur Aufrechthaltung der Ordnung im Kirchen-
staat weggesandt werden. Noch immer aber beharrte der Papst
bei seiner Absicht.
Endlich nach vierundzwanzig Tagen erschienen die vene-
tianischen Segel am Horizont. Auf des Papstes Befehl fuhren
seine Galeeren mit den anwesenden Cardinälen entgegen; von
dem Fenster seines Gemaches aus, im Bischofshofe bei der
Stadt und Meer beherrschenden Kathedrale S. Ciriaco, sah er
das Einlaufen der Flotte welche zwanzig, nach Anderen vier-
undzwanzig Segel zählte. Dann sprach er seufzend: erst habe
ihm die Flotte gefehlt, nun fehle er der Flotte. Er liess sich
erkundigen ob der Doge bei der Armada sei. Venetianische
Berichterstatter haben gemeldet, Neuere ihnen nachgeschrieben.
152 Pius'II. Tod.
die bejahende Antwort sei ihm unwillkommen gewesen, weil
er nun seine Zusage persönlicher Theilnahme habe erfüllen
müssen. Als wenn der Sterbende von solcher Sorge bewegt
gewesen wäre! Am folgenden Morgen, den 13. August, sollte
des Dogen Empfang stattfinden, als dieser durch den Cardinal
von Pavia die Nachricht erhielt des Papstes Zust-and mache
es unmöglich. Cristolbro Moro sandte mistrauisch seinen
Arzt den Peruginer Mattiolo de' Mattioli; dieser brachte die
Nachricht zurück, des Papstes Auflösung sei nahe. Am Abende
des 14. August 1464 verschied Pius II. Die Cardinäle umstanden
sein Sterbelager: ihnen empfahl er den Kreuzzug, den Kirchen-
staat, seine Angehörigen. Sein letztes Wort, die Bitte für
seine Seele zu beten, war an Ammanati gerichtet. Am Maria
Himmelfahrttage war die Leiche in S. Ciriaco ausgestellt, dann
brachte man sie nach Rom.
Der Kreuzzug war mit dem Tode seines Urhebers zu Ende.
12.
PAUL II.
Die in Pius' IL Gefolge befindlichen Cardinale waren nach
Rom zurückgekehrt, nachdem sie dem Dogen von Venedig die
für den Kreuzzug bestimmten Summen eingehändigt hatten.
Bald waren neunzehn Mitglieder des h. CoUegiums in der Stadt
versammelt. Da die Engelsburg sich im Besitz Antonio Picco-
lominis Herzogs von Amalfi befand, dieser aber abwesend war,
empfand man anfangs Scheu das Conclave im Vatican zu hal-
ten, wo man sich nicht sicher genug erachtete, obgleich einer
der Neffen des verstorbenen Papstes sich unter den Cardinälen
befand, ein anderer zugegen war. Doch entschied man sich
für den päpstlichen Palast welcher am 27. August 1464 die
Wähler aufnahm. Sechs waren Franzosen , ebensoviele Spanier.
Bessarion bekleidete die Würde des Decans. Ehe man zur
Wahl schritt, verständigte man sich über eine Reihe von Ar-
tikeln welche für den künftigen Papst bindend sein sollten.
Ausser der Wiederaufnahme des Kreuzzugsplans und der Zu-
sammenberufung des Concils innerhalb dreijähriger Frist be-
zogen sich diese Artikel wesentlich auf das CardinalcoUegium
Wahlrapitiilatioii. Paul II. 153
und die Eirchengewalt. Ersteres sollte die Zahl von vierund-
zwanzig Mitgliedern nicht übersteigen und keiner unter dem
Älter von dreissig Jahren und ohne theologische oder Rechts-
studien in dasselbe eintreten können. Der Papst sollte nur
Einem seiner Verwandten den rothen Hut geben dürfen, der
Zustimmung der Cardinäle zu neuen Ernennungen bedürfen, nur
im Consistorium Bischöfe creiren, nur unter Beobachtung der
canonischen Formen solche absetzen, nichts von den Besitzun-
^en der Kirche veraussern und ihr Einkommen nicht schmä*
lern, ohne Zustimmung der Cardinäle weder Krieg erklären
noch Staatsverträge schliessen , keinem seiner Angehörigen den
Befehl über die Heeresmacht übertragen. Zweimal im Jahre
sollte dem h. CoUegium das Syndicat über die Befolgung dieser
dem Papste jeden Monat vorzulesenden Punkte zustehn. So
war die Uebereinkunft welche, eine viel weitergehende als die
nach Martins V. Tode , die Regierung von Kirche und Kirchen-
staat in eine völlig aristokratische umzuwandeln bestimmt war —
mit welchem Erfolge, wird die Folgezeit lehren.
Schon am 30. August war der Papst gewählt. Es war der
Cardinal von San Marco Pietro Barbo. Die Gefälligkeit der
Genealogen seiner Zeit hat seine Familie von den Domitii
Aenobarbi abgeleitet, aber er verdankte sein Emporkommen
keinen altrömischen Reminiscenzen sondern dem Bruder seiner
Mutter Polissena Cond ulmer, Papst Eugen IV. Pietro, der
zweite im Jahre 1418 gebome Sohn Niccolo Barbos, war zum
üandelsstande bestimmt und schon zur Fahrt nach der Levante
bereit, als sein Ohm ihn während des ferrareser Concils zu
sich berief, ihm tüchtige Lehrer gab die sich später in kirch-
lichen Aemtem wie als Gelehrte auszeichneten, ihn nachmals
zum Archidiaconus von Bologna und im Jahre 1440 zum Car-
dinaldiakon von Sta Maria nuova ernannte, welche Kirche er
im Lauf der Zeit mit S. Marco vertauschte. Commenden, Bis-
thümer, Pfründen fehlten dem Nepoten nicht, welchem es ge-
lang die Gunst drei nachfolgender Päpste zu bewahren. Der
Cardinal von S. Marco war ein grosser Herr der von seinem
fürstlichen Einkommen freigebigen Gebrauch machte, auch
gegen minder begüterte CoUegen wie Enea Silvio und Cusa.
Er begann den prächtigen Palast und die Herstellung seiner
Titelkirche die er als Papst vollendete, sammelte Münzen und
geschnittene Steine an denen er viel Gefallen hatte, zeigte sich,
156 Stura des Hauses von Aiiguillai'a.
ist. Die Vorstellungen und Reclamationen der Deposse-
dirten verstiegen sich zu Drohungen der Berufung an auswär-
tige Fürsten, selbst an das Concil. Die Drohungen führten
zu peinlichen Processen und in ihren Folgen zum Einschreiten
gegen eine gelehrte Gesellschaft, welche religiös wie poUtisch
wol nicht ganz ohne Grund verdächtig, in das Schicksal der
entlassenen und verfolgten Eanzleibeamten verwickelt ward.
Jemehr wirkliche Reformgedanken die Handlungsweise des
Papstes bestimmten, umsoweniger gerechtfertigt sind die her*
ben Anklagen wider denselben, was die Begründung des Vor-
wurfs der Härte gegen die Mitglieder des später von Sixtus IV.
wiederhergestellten CoUegiums ' und ihre literarischen Freunde
nicht ausschliesst.
Die politischen Ereignisse der Regierung Pauls U. , welche
durch stete Besorgniss vor den Fortschritten der Türken und
fruchtlose Bemühungen zur Bildung eines thätigen Bündnisses
wider dieselben getrübt wurde, sind für Rom als Stadt nicht
von grosser Bedeutung gewesen. Der Anfang derselben war
jedoch ein wohlthätiger, insofeme einer der wesentlichsten An-
lässe zu Unordnungen aus dem Wege geräumt wurde. Everso
von Anguillara, obgleich in seinem schlimmen Treiben behin-
dert, hatte Pius 11. bis zum Ende getrotzt. Bald nach dem
Papste war auch er, am 4. September 1464, aus dem Leben
geschieden. Seine beiden Söhne Francesco und Deifebo ver-
suchten das Treiben des Vaters fortzusetzen , und die Gegenden
vom Abhang des viterbeser Berges bis zur Etruria marittima
befanden sich wieder in einem Zustande welcher dem unter
dem Hause von Vico glich. Paul II. beschloss ihm ein Ende
zu machen. Wie Vitelleschi gegen Jacopo di Vico, zog der
Cardinal von Sta Cecilia Niccolo Forteguerri von Pistoja gegen
die ruhelosen Orsini. Mehre ihrer Burgen waren durch die
Lage stark und wohlbewahrt, aber eine nach der andern ge-
rieth in die Gewalt des Legaten. Ronciglione, Bieda, Vico,
Vetralla, Gallese und andere Orte, sowie Castelle in der Sa-
bina öffneten die Thore. Die Macht der Grafen war ge-
brochen: Forteguerris Grabschrift in seiner Titelkirche erwähnt
seiner WaflFenthaten gegen die »Eversaner«. Deifebo entkam
durch die Flucht und wir werden ihm später noch begegnen;
ein Sohn von ihm wurde ergriffen und endete in der Engeb-
burg. Auch Francesco und einer seiner Söhne wurden gefangen
Statutarische Refoim. Malalestaschei* Krieg. 157
und blieben fünf Jahre im Castell in Haft, bis der Regie-
rungsantritt Sixtus' IV. , unter welchem der Erstere im Jahre
1475 starb, ihnen die Freiheit wiedergab.
Wenn dies kräftige Einschreiten gegen die aufständischen
Barone den Frieden in Rom selbst nur unvollkommen her-
stellte, da immer wieder Fehden unter ihnen sowie im kleinen
Adel ausbrachen und Blutrache nicht selten mit grosser Bar-
barei ausgeübt wurde, so war es doch ein wesentlicher Ge-
winn. Unablässig war der Papst thätig durch Cardinäle und
Prälaten Versöhnungen zu schhessen. Eine Revision der Sta-
tuten hatte namentlich raschere und bessere Justizpflege zum
Zweck. Sie wurde im Jahre 1469 unter dem Senator Francesco
Aringhieri von Siena vollendet. Am 10. Juni gedachten Jahres
bestätigte Paul II. die reformirten und auf seinen Befehl in
einem Bande zusammengestellten, in drei Bücher abgetheilten
Statuten. Diese Redaction ist es welche , durch spätere Zusätze
ergänzt, den Druckausgaben zugrunde hegt die mit dem Jahre
1470—1471 beginnen, und an deren Spitze nach dem Bekennt-
niss der Dreieinigkeit das Decret Annibales degli Annibaldi aus
Kaiser Friedrichs U. Zeit gegen die Ketzer steht. Auch in
dieser Form sind die römischen Statuten namentUch in Bezug
auf strafrechtliche Materien eine unordentUche und unorganische
Zusammenstellung theilweise obsoleter Verordnungen.
Von grösserer Bedeutung waren die Ereignisse in der Ro-
magna. Sie wurden durch den im Jahre 1465 erfolgten Tod
Malatesta Novellos Herrn von Cesena, besonders aber durch
das Hinscheiden Sigismondos Herrn von Rimini veranlasst, der
am 22. October 1468 sein thätiges , leider durch Treubruch und
Grausamkeit und Verbrechen mancher Art beflecktes Leben
beschloss. In beiden Fällen versuchte Roberto Malatesta Sigis-
mondos Sohn sich in Besitz der durch die vorausgegangenen
Ereignisse sehr geschmälerten Reste der vormals ansehnUchen
malatestaschen Staaten zu setzen, und entzündete so einen
Krieg der im Jahre 1469 fast ganz ItaUen unter die Mauern
Riminis führte. Der Papst und Venedig griffen Roberto an,
welchem die Florentiner, der König von Neapel, der Herzog
von Mailand, der Graf von Urbino beistanden. Am 23. August
erlitt das päpstlich -venetianische Heer eine schwere Nieder-
lage. Paul IL, der infolge der Parteinahme Ferrantes einen
Augenblick die Wiederbelebung der anjouschen Ansprüche an
158 Friedrich ni. in Rom. Cosimos de' Medici ii. Fr. Sforza« Tod.
Neapel geplant zu haben scheint, musste sich umsomehr dazu
verstehn dem Sieger Rimini zu hissen, da er inneward dass
seine venetianischen Landsleute und Bundesgenossen mehr auf
Ausdehnung der eignen Macht in der Romagna als auf Siche-
rung der päpstlichen bedacht waren. Schon war Ravenna im
Besitz der RepubUk deren Fahne zur Zeit des malatestaschen
Krieges auch Imola aufsteckte.
Rom sah im Jahre 1468 Friedrich III. noch einmal in
seinen Mauern. In der Christnacht traf er ein und verweilte
bis zmn 9. Januar des folgenden Jahres. Er hatte die
Strasse durch Romagna und Marken eingeschlagen und war
von einem Giefolge von etwa siebenhundert Reitern und acht-
hundert Füssem begleitet. Es hiess die Reise sei die Erfül-
lung eines Gelübdes, während Andere die Angelegenheiten
Böhmens und Ungarns zum Anlass derselben machten. Die
Lage in welcher diese sich befanden und die geringe Autorität
des Kaisers so im Reiche wie in seinen Erblanden mussten
den Papst inbetreff seiner Kreuzzugsprojecte tief entmuthigen,
denen zu lieb er doch seinem Groll gegen den König von
Neapel keine weitere Folge gab, um die Uneinigkeit in Italien
nicht noch zu mehren. Eine versöhnliche Pohtik war um so
nöthiger, da rasch nach einander die Männer abgingen, deren
reife Erfahrung und grosses Ansehen Bürgschaften verständi-
ger Haltung waren. Cosimo de' Medici war kurz vor Pauls II.
Regierungsantritt gestorben. Die fünf Jahre während deren sein
kränklicher Sohn Piero an der Spitze der Republik Florenz stand,
waren weit entfernt jene ruhige und sichere licitung zu zeigen
welche der Vater den Angelegenheiten gegeben hatte, während
bei Pieros im Jahre 1469 erfolgtem Ableben zwei Jünglinge,
die ihre Befähigung erst zu erproben hatten, einen Staat len-
ken sollten in welchem die Parteiungen nie au%ehört hatten.
Zwei Jahre nach dem Begründer der Grösse des mediceischen
Hauses starb Francesco Sforza, ein ebenso gewandter imd um-
sichtiger PoUtiker wie er in seinen jüngeren Jahren ein ausgezeich-
neter und glückUcher Feldherr gewesen war. Sein Nachfolger
Galeazzo Maria war noch weniger im Stande ihn zu ersetzen
als es bei den Medici der Fall war. EndUch traf den Kirchen-
staat selbst ein Verlust durch den im FrühUng 1471 erfolgten
Tod Borsos von Este. Von Rom , wo Paul U. ihn am 14. April
zum Herzog von Ferrara erhob, brachte er den Keim der
Tod Borsos von Este. Volksspielo und Pracht des Hofes. 159
Krankheit mit die ihn in kürzester Frist dahinraffte. Der beste
der Herrscher dieses Hauses , dessen Regierung im Munde des
Volkes sprüchwörtlich als eine Zeit des Glückes geblieben ist.
Der Verlust war um so grösser, da die Lage Italiens nicht
bios wegen der unaufhörlichen Fehden seiner Fürsten und
Staaten sondern auch durch die Fortschritte der Türken be-
droht war , welche am 12. Juli des vorhergehenden Jahres den
Venetianem das wichtige Negroponte abgenommen hatten, ein
Ereigniss welches sechs Monate später zu einem Bündniss
zwischen dem Papst, fleapel, Florenz und Mailand führte, zu
dessen Theilnehmem auch Herzog Borso gehörte.
Es waren die letzten Ereignisse im Leben Pauls H. Seine
Gesundheit schien blühend; seine hohe Statur war ebenso mit
vornehmer Haltung wie mit kräftiger Körperbeschaffenheit
vereint. Er freute sich des Daseins: nichts ergötzte ihn mehr
als Gastmale die er kirchlichen Würdenträgern und Botschaf-
tern gab denen er sich beigesellte, und Volksfeste denen er
zuzuschauen hebte. Er war es der die grossen Faschingszüge
von Piazza Navona nach der flaminischen Strasse verlegte die
den Namen Corso erhielt Die vergnügungsüchtige Menge war
dem Papste geneigt, der sich über die Bedenken strengerer
Männer, welchen unter Anderen Cardinal Ammanati Ausdruck
gab, hinwegsetzte und nicht zu merken schien, dass dies Trei-
ben einen kaum minder heidnischen Karakter annahm als die
von ihm bestraften Lucubrationen der Akademiker, und dass
es auf das Volk beiweitem grössern Einfluss übte als die ge-
lehrte Pedanterei. Auch seine übermässige Lust an weltUcher
Pracht und Glanz warf man Paul IL vor. Sein Palast war mit
Statuen, Kostbarkeiten, Gold- und Silbergefassen , gewirkten
Teppichen, geschnittenen Steinen, seltnen Münzen gefüllt; er
selbst Hess treffliche Medaillen zum Andenken an Handlimgeu
seines Pontificats prägen. Ein Triregnum welches er zu ver-
fertigen Auftrag gab, soll mit seiner unerhörten Pracht an
Edelsteinen nicht weniger als hundertzwanzigtausend Gold-
gulden gekostet haben. Er verwandte aber das Geld nicht für
sich allein. Cardinäle und Fürsten bedachte er reichUch; er-
steren wenn sie kein hinreichendes Einkommen hatten, ge-
währte er eine Rente aus den Kammereinkünften; wenigstens
tausend Gulden sollte jeder Cardinal besitzen. Die nach
Rom geflüchteten Mitglieder entthronter Familien der Levante
t
r
\
\
IGO Pauls II. Tod.
unterstützte er freigebig. Dennoch liess er seinem Nachfolger
eine Milüon Goldes zurück.
So hatte Paul II. vielleicht mehr von einem weltlichen als
von einem Kirchenfürsten an sich, aber inmitten dieses zu
weltlichen äussern Treibens hielt er sich frei von jenem lieber-
wiegen politischer Interessen, welches mit seinem Nachfolger,
einem Klosterbruder und Sohn armer und niederer Leute be-
gann. Pauls Ende war unerwartet. Am Abende des 25. Juli
1471 speiste er zu Nacht im Garten bei San Marco; unbedeck-
ten Hauptes soll er seiner Liebhaberei an Obst zu freien Lauf
gelassen haben. Am folgenden Morgen fand man ihn todt; er
hatte sein lieben auf nicht vierundfünfzig Jahre gebracht von
denen er beinahe sieben auf Petri Stuhl sass. Sein Neffe
Marco Barbo errichtete ihm in der St. Andreaskapelle der
vaticanischen Basiüka ein prachtvolles Denkmal dessen Inschrift
nach Aufzählung seiner löbUchen Eigenschaften meldet, das-
jenige was er in schwieriger Zeit mit Würde auszuführen un-
vermögend gewesen sei, habe er mit reifer und langsamer
Ueberlegung dennoch zum Bessern gelenkt.
ZWEITER ABSCHNITT.
XJEBERGEWICHT POLITISCHER TENDENZEN.
J. 1471 - 1503.
1.
NEUE BAHNEN DES PAPSTTHUM8. SDCTüS IV.
Die päpstliche Macht war wiederbefestigt. Mehrundmehr
hatte die Stadt Rom sich ihr gefugt. Ruhig nahm sie ihre
Senatoren vom Papste an, dessen Ernennungsrecht bei zahl-
reichen Aemtem sie anerkannte und unter dessen Einfluss ihre
Statuten revidirt worden waren. Eugen IV. war für einen Zeit-
raum von 414 Jahren der letzte Papst der einem Volksaufstand
wich. Die Porcarische Verschwörung war die letzte der un-
zähligen Empörungen und Empörungsversuche welche die
comunale Autonomie gegen die Papstgewalt zu wahren vor-
gaben. Der Staat hatte sich in seinen alten Formen consoli-
dirt. Die Dynastenfamilien herrschten in gewohnter Weise,
mehre derselben waren jedoch in augenscheinUcher Abnahme
begriffen. Die Verleihung ganzer Provinzen als päpstliches
Vicariat, wie einst die der Mark als Marquisat für Francesco
Sforza durch Eugen IV. , erfolgte nicht mehr. Auch Martin V.
hatte noch grossen und beinahe unabhängigen Herren dieVer-
waltung von Provinzen als Rectoren übertragen, so dass die
Vicarien ihnen untergestellt sein sollten. So war es im Jahre
% 1419 für Carlo Malatesta, den standhaften Freund Gregors XIL,
mit der Romagna , für Guid* Antonio von Montefeltro mit Spo-
leto geschehn. Aber es handelte sich dabei nur um zeitliche
Verwaltungsämter welche jederzeit revocirt werden konnten,
während z. B. in der Romagna neben dem Rector der Cardinal-
legat Alfonso Carillo fungirte. Das Condottierenwesen hatte
ebenso die Zeit seines höchsten Glanzes hinter sich. Sforzas
Erhebung auf den mailändischen Herzogsstuhl war zugleich
V. Bcumont, Rom. III. l\
162 Tendenzen des Papstthums d. ersten Hälfte d. 15. Jahrhimdeils.
die Grenzscheide zwischen der dominirenden und der sinken-
den Bedeutung des Waffenhandwerks in seiner damahgen Ge-
staltung. Man mogte den Colleonen und Gattamelata Reiter-
bildsäulen errichten, Alessandro und Bosio Sforza mogten sich
im Besitz von Pesaro und Santa Fiora halten die sie durch
Heirat und durch das Kriegsglück ihres berühmten Bruders
wie durch eigne Tüchtigkeit erlangt hatten. Zu eigentlicher
politischer Bedeutung aber stieg kein neuer Condottiere auf,
und die Piccinine büssten für ihre Versuche auf eigne Hand
Krieg zu führen. Die geographische Lage des Kirchenstaats
zog die Päpste in die Kriege hinein welche den Norden der
Halbinsel mit dem Süden in CoUision brachten. Das Lehns-
yerhältniss Neapels verwickelte sie in die äusseren wie inne-
ren Conflicte, welche das jederzeit streitige Thronrecht in
dem Königreich nicht ruhen liess. Hatte auch der Zusammen-
hang dieser streitigen Rechte mit einem Zweige der französi-
schen KönigsfamiUe mehrmals fremde Waffen herbeigerufen«
so waren doch seit dem verunglückten Römerzuge Ruprechts
von der Pfalz, abgesehn von den particulären Beziehungen
oberitalischer Grenzstaaten, namentlich Venedigs zum Aus-
lände, diese Kriege wie die mit ihnen zusammenhangende Po-
litik wesentlich italienisch. Die Bemühungen der einsichtigsten
Staatsmänner der Halbinsel, unter ihrer Zahl mehr als eines
Papstes, die itaUenischen Staaten auf sich selbst zu stellen,
hatten zu diesem £rgebniss beigetragen. Die Päpste waren
dabei auch von dem Gesichtspunkt ausgegangen, Italien und
das Abendland zum Kampfe wider den Islam zu einigen, von
dessen täglich bedrohlicherem Fortschritt Schaaren von Flüch-
tigen die sich in den italienischen Städten sammelten, unter
ihnen entthronte Fürsten, Zeugniss gaben.
Solche waren mit Einschluss der geistigen Bestrebungen
die Kreise, innerhalb deren die päpstliche Thätigkeit sich vor-
zugsweise bewegte, seit durch die Ueberstürzung der baseler
Versammlung die grosse Concilsbewegung zu augenbUcklichem
Stillstand gebracht, der Opposition der Landeskirchen die
Spitze abgebrochen schien. Die Bahnen des Papstthums waren
regelmässiger geworden. Wie vorzeiten drückten die verschie-
denen Individualitäten den Dingen verschiedenes Gepräge auf,
aber seit Eugen IV. waren grosse Contraste vermieden worden.
Der Nepotismus, eine alte Erscheinung im Pontificat, unter
Sixtus IV. 163
mehr als einem Papste wie verschwunden, unter anderen
wiederauflebend ^ hatte in den politischen Verhältnissen des
Kirchenstaats keinen Wechsel hervorgerufen. Wo die Päpste
sich nicht begnügten wie einst Nicolaus III. und Bonifaz VIII.
ihre Angehörigen vorzugsweise in der römischen Umgebung zu
bereichem, oder wo dies aus irgendeinem Grunde unterblieb
wie bei den Piccolomini, verschafften sie ihnen neapolitanisclie
Lehne wozu die häufigen Umwälzungen in diesem Lande Mittel
boten. Auf die innere Gestaltung der päpstlichen Territorien
hatte nach einem ephemeren Versuche Calixtus* III. der Nepo-
tismus bisher keinen bleibenden Einfluss geübt
Die Zeit an deren Schwelle wir stehen, sollte alles dies
rerändern. Tiefer und tiefer wurde das Papstthum in die
politischen und militärischen Verwicklungen Italiens hineinge-
zogen, welche endlich fremder Einmischung und infolge der-
selben fremder Präponderanz den Weg bahnten. Zugleich be-
gannen die Päpste die territoriale Zerrissenheit des Kirchenstaats
zu benutzen, die Ihrigen auch in entfernteren Provinzen zu
grossen Herren zu machen. Es war eine klippenvolle Bahn
die das Papstthum nach dem Tode Pauls IL einschlug. Ein
Mann geringer Herkunft, im Kloster grossgeworden , war der
erste der sie betrat.
Die neunzehn Cardinäle welche sich am 6. August 1471
zur Wahl eines neuen Hauptes der Christenheit versammelten,
beschäftigten sich anfangs mit der Revision jener Kapitel, die
so oft erneut, so selten beobachtet worden sind und in dem
nun folgenden Pontificat weniger als je Geltung erlangen sollten.
Die Stimmen vereinigten sich infolge einer Verabredung zwischen
den Cardinälen von Mantua und Borgia zu Gunsten des Erz-
bischofs von Ravenna Bartolommeo Roverella. Als dieser je-
doch nichts von Versprechungen wissen wollte welche die
Beiden von ihm verlangten, wandten sie sich zu dem Cardinal
von S. Pietro in vincoli, und dieser war leichter zu bewegen
auf die« ihm gestellten Bedingungen einzugehn. Am 9. August
wurde Francesco della Rovere zum Papste gewählt und nannte
sich Sixtus IV. In dem Marktflecken Albizzola, in geringer
Entfernung östlich von Savona gelegen, 'erinnert eine Piazza
Sisto quarto wie eine Contrada dei Papi an den Mann , der dem
Namen seines Heimatsortes eine Stelle in der Geschichte ge-
geben hat. Francesco della Rovere wurde am 21. Juli 1414
n*
164 Jugend und Bildung Francescos dcUa Rovere.
in dem Dörfchen Pecorile geboren, wohin seine Eltern sich
wegen einer in dem nahen Älbizzola herrschenden Seuche ge-
flüchtet hatten. Nachdem er Papst und die Seinen gross ge-
worden waren, wollte man den Ursprung derselben von den
piemontesischen Della Rovere herleiten welche schon in der
zweiten Hälfte des zwölften Jahrhimderts als Dynasten von
Vinovo vorkommen. Aber Francescos Vater Leonardo war
nach Einigen ein Fischer, nach Anderen ein Tuchwalker, und
unter den FamiUen mit denen wir die des nachmaUgen Papstes
verschwägert finden, war jene des Giovanni Basso Notars in
Älbizzola die vornehmste. Francesco, der in frühester Jugend
in den Minoritenorden trat, studirte in Chieri, in Pavia, in
Bologna Grammatik und Dialektik, Philosophie und Theologie
mit solchem Erfolge , dass er zwanzigjährig auf einem in Genua
gehaltenen Generalkapitel Alles in Erstaunen setzte. In Padua
erlangte er den Magistergrad, lehrte Theologie an verschiede-
nen Universitäten, wurde im Jahre 1464 Ordensgeneral, ver-
focht mit so grossem Eifer die Privilegien seines Instituts gegen
Papst Paul U. dass dieser mit seinen beabsichtigten Maass-
regeln nicht weiter ging, hingegen dem rüstigen Kämpfer am
18. September 1467 wie es heisst auf Bessarions Rath den
rothen Hut verlieh. Der Cardinal von S. Pietro in vincoli war
siebenundfünfzig] ährig, als Guillaume d*Estouteville welcher
mehr denn einmal dem Papstthum nahe gestanden war und
es nie erlangen sollte, ihn am 25. August zum Bischof weihte,
worauf Rodrigo Borgia ihn auf den Stufen von St. Peter krönte.
Bei der Besitznahme kam es auf dem Lateranplatze zu argem
Tumult, indem das Volk mit der päpstlichen Garde in Streit
gerieth und gegen Waffen mit Steinen kämpfte.
Der neue Papst erwies sich dankbar gegen diejenigen denen
er seine Erhebung verdankte. Cardinal Orsini wurde Camer-
lengo, Borgia erhielt die Abtei Subiaco, Gonzaga die von S.
Gregorio. Die Gunstbezeigungen richteten sich aber bald nach
einer andern Seite. ■ Sixtus IV. hatte zahlreiche Verwandte und
wenn er schon als Cardinal deren Interesse gefördert hatte,
war jetzt die Zeit gekommen sie zu erhöhen. In dem ersten
Consistorium vom 15. December ernannte er zwei CardinÜe:
beide waren seine Neffen und junge Männer. Der eine war
sein Bruderssohn Giuhano della Rovere, der andere Pietro
Riario , Sohn einer seiner Schwestern Namens Bianca und eines
Die Cardhiäle Giuüano della Rovere und Pietro Riario. 165
Mannes geringer Herkunft aus Savona. Die päpstlichen Ne*
poten waren sehr verschiedene Naturen. Giuliano war am
5. December 1443 in Albizzola geboren , trat jung in den Fran-
ciscanerorden, studirte in Perugia, war viel in der Nähe des
Oheims auch nachdem er ein französisches Priorat erhalten
hatte. Sixtus IV. machte ihn alsbald nach seiner Erhebung
zum Bischof von Carpentras und ertheilte ihm dann seinen
eignen Cardinalstitel von S. Pietro in vincoli. Frühe schon
legte (xiuliano della Rovere die Eigenschaften an den Tag,
welche seine lange und glänzende Laufbahn in der politischen
Geschichte Italiens wie in der seiner geistigen Cultur so be-
merkenswerth gemacht haben. Wenn er gleich den Anderen
von dem zum System gewordenen Misbrauch Vortheil zog
welcher Bisthümer und Abteien in Menge auf dem Haupte
eines Einzelnen vereinigte, zum einzigen Zweck ihm reiche
Einkünfte zu verschaffen, wenn ihn sein Oheim zum Erz-
bischof von Avignon dann von Bologna, zum Bischof von
Lausanne, Coutances, Yiviers, Mende, endlich von Ostia und
Velletri, zum Abt von Nonantola und Grottaferrata machte,
Beneficien auf Beneficien häufte, so legte Giuliano so in der
Verwendung seines Einkommens wie in seiner ganzen Lebens-
weise eine Umsicht und einen Ernst an den Tag, welche ihn
vor manchen Anderen vortheilhaft auszeichneten. Wenn seine
Sitten nicht rein waren , war seine Haltung stets voll Anstand,
und alsbald nach seiner Erhebung zum Cardinalat begann er
den schönen Künsten, namentlich dem Bauwesen, die Auf-
merksamkeit zu widmen die ihm unvergänghchen Ruhm bereitet
hat, während seine Studien ernsten Dingen zugewandt waren,
welche, wenn sie grossentheils ausserhalb des geistlichen Be-
reichs lagen, ihn zu jener grossartigen Thätigkeit befähigten
die schon unter der Regierung Sixtus' IV. ihren Anfang nahm.
In des Papstes Gunst jedoch stand der Cardinal von S.
Pietro in vincoli beiweitem dem Verwandten nach, der an
demselben Tage mit ihm den rothen Hut erhielt. Die Her-
kunft Pietro Riarios war dunkel. Dem Franciscanerorden an-
gehörend war er vom Cardinal della Rovere in seine Nähe
gezogen und nach Pauls IL Tode zu seinem Conclavegenossen
gewählt worden. Seinem Einfluss schrieb man es zu, dass
der Cardinal bei der Papstwahl auf Bedingungen einging die
den bisher von ihm an den Tag gelegten Grundsätzen wenig
166 LnxuvS des Cardinais Pietro Riario.
entsprachen. Der Nepote wurde alsbald Bischof von Treviso
und dann Cardinal von S. Sisto. An Bisthümern und Com-
menden hatte er ebensowenig Mangel wie Giuliano; von dem
Einkommen welches der Oheim ihm verschwenderisch zu-
wandte, machte er verschwenderischen Gebrauch. Es fehlte
ihm nicht an Geist noch an Gewandtheit, wodurch er sich
Sixtus' Gunst sicherte. Aber sein Ehrgeiz wurde noch vom
Hange zum Luxus übertroffen, so dass er in ärgster Verschleu-
derung und weltlichstem Glänze seinen Meister suchte. Als im
Mai 1473 Eleonora d'Aragona König Ferrantes Tochter als
Braut Ercoles von Este in Rom war und im Palast bei der
Apostelkirche wohnte, gab ihr der Cardinal von S. Sisto ein
Fest wie man kein ähnUches in Rom gesehn hatte. Der ganze
Apostelplatz wurde mit Brettergerüsten umgeben welche Loggien
bildeten und mit Tuch bedeckt waren, während man in der Mitte
zwei grosse Springbrunnen angebracht hatte. Auch über dem
Porticus der Kirche war eine schöne Loggia errichtet. Die
Prinzessin und ihr Gefolge, der Cardinal und seine Freunde
nahmen an einem glänzenden Bankett Theil welches mehre
tausend Ducaten kostete; die Menge des Silbergeschirrs war
so gross , dass man nicht geglaubt hätte der Schatz der Kirche
reiche dazu hin. Nach dem Gastmal führten die in Rom an-
wesenden Florentiner ein Schauspiel auf, die Geschichte Su-
sannas , an folgenden Tagen die Enthauptung des Täufers und
die Fabel von einem Juden der die Hostie geröstet haben sollte.
Die Verschwendung in der Wohnung der Gäste war so gross
dass man sich nur vergoldeten Hausgeräths bediente. Zu irgend-
etwas, setzt der Annalist Stefano Infessura hinzu, muss der
Reichthum der Kirche dienen. Es sollte nicht lange währen.
Am 5. Januar 1474, erzählt derselbe Berichterstatter, starb
der Cardinal von S. Sisto an Gift. So nahmen unsere Feste
ein Ende, weshalb das Volk ihn sehr beweinte. Er hatte nicht
weniger als fünfhundert Leute in seinem Dienste gehabt und
soll während seines kurzen Cardinalats blos für seinen Tisch
gegen 300,000 Ducaten ausgegeben , über 70,000 Ducaten Schul-
den und dreihundert Pfund kunstvoll gearbeiteten Silbers ausser
dem reichen Tafel- und Hausgeräth hinterlassen haben.
Diese beiden Nepoten genügten Sixtus IV. umsoweniger,
da er den einen derselben früh verlor, der andere sich nicht
immer nach seinem Willen handhaben liess. Im Verlauf der
Päpstliche Nepotoii. DcUa Rovere und Riario. 167
Jahre machte er den Sohn seiner an Giovanni Basso verhei-
ratheten Schwester Luchina, Girolamo, dann den Neffen des
verstorbenen Cardinais Riario Kaffaello Sansoni zu Cardinäien,
iadetn er beiden seinen Familiennamen gab. Die weltliche Grösse
des Hauses sollte durch andere Mitglieder desselben begründet
werden. Da des Papstes Bruder Rafiaello , Vater des Cardinais
von S. Pietro in vincoli, bejahrt war und keine Lust zeigte aus
dem Privatleben herauszutreten, wurde Leonardo della Rovere,
wie es heisst des Cardinals Bruder, zum Präfecten von Rom
erhoben, während der Papst ihm von König Ferrante die Zu-
sage der Hand einer seiner natürlichen Töchter erlangte. Der
Heiratscontract war für den Kirchenstaat unvortheilhaft genug.
Der Papst bestätigte nicht nur auf immer die Erlasaung des
Lehnzinses: er entsagte auch dem Hoheitsrecht über Sora
und Arce, welches, seit Kaiser Friedrichs H. Tagen Gegen-
stand des Streites zwischen der Kirche und Neapel, von
den letzten Päpsten mit Erfolg behauptet worden war. König
Ferrante belehnte Leonardo della Rovere mit Sora, aber Leo-
nardo starb schon im Jahre 1475 kinderlos und das Lehn
r
ist bei der Krone Neapel geblieben, obgleich es anfangs an
Giovanni della Rovere, einen ächten Bruder Giulianos kam.
Dieser war von der gesammten Familie der dauernd glück-
lichste in seiner Stellung. Denn Sixtus verlieh ihm ausser
der Würde eines Präfecten von Rom nicht nur die ansehn-
lichen Vicariate von SenigalUa und Mondayio in der Mark,
welche vordem Antonio Piccolomini Herzoge von Amalfi ge-
bort und sich nach Pius* U. Tode gegen denselben aufge-
lehnt hatten, sondern brachte auch seine Heirat mit Gio-
vanna von Montefeltro, der Tochter Federigos von ürbino
zustande, unter welchem Giovanni das Kriegswesen erlernt
hatte. Eine Heirat durch welche das Herzogthum Urbino an
das Geschlecht der della Rovere gekommen ist, das es bis
zu seinem Aussterben gegen hundertfunfundzwanzig Jahre lang
besessen hat.
Keiner aber von Sixtus' Nepoten machte so viel von sich
reden wie Girolamo Riario Bruder des Cardinals von S. Sisto.
Ihm verlieh der Papst das Vicariat von Imola das einst den
Manfredi gehört hatte. Ihm verschaffte er die Hand einer na-
türUchen Tochter Galeazzo Marias von Mailand Caterina Sforza
mit reicher Mitgift. Ihn erhob er zum Generalcapitän der Kirche
168 Unternehmen gegen die Türken.
und gestattete ihm auf die römischen und allgemeinen politi-
schen Angelegenheiten wie auf seine EntschUessungen einen
Einfluss, der die traurigsten Folgen nach sich gezogen hat. An
Prachtliebe stand Girolamo seinem Bruder kaum nach. Am
25. April 1476 hielt er auf Piazza Navona, in deren Nähe
sein Palast an Piazza St. ApoUinare lag, ein Turnier an wel-
chem zahlreiche Italiener, Catalanen und Burgunder theibah-
men und wobei gegen Hunderttausend zugegen gewesen sein
sollen. Drei Tage währte das Lanzenstechen, drei kostbare
Preise waren ausgestellt von denen zwei durch Römer, einer
durch einen Neapolitaner gewönnen wurden. So ward ein Mann
der als Cardinal ein ernstes den Geschäften und den Wissen-
schaften gewidmetes Leben geführt hatte , als Papst in die Ver-
irrungen eines Nepotismus hineingezogen der das bisherige
Maass nepotistischer Päpste weit hinter sich liess.
Die Anfange der Regierung Sixtus' IV. Uessen sonst hoffen
dass er sich den Angelegenheiten des Orients mit thätigem
Eifer zuwenden würde. Alsbald nach seiner Thronbesteigung
stellte ihm eine venetianische Gesandtschaft die tägUch sich
steigernde Gefahr vor, in welche Mohammeds IL Eroberungen
die Christenheit brachten. Der neue Papst trug sich mit der
Idee eines in Rom zu haltenden allgemeinen christUchen Con-
gresses für welche er zunächst den Kaiser zu gewinnen suchte,
sandte, als Friedrich III. statt Roms üdine vorschlug, Le-
gaten nach Teutschland, Ungarn, Frankreich, Spanien um mit
den einzelnen Staaten sich zu verständigen, schloss, als der
Erfolg ein negativer war , einen Vertrag mit Venedig und Neapel,
zum Zweck den Kampf gegen die türkische Macht zur See zu
be^nen. Pietro Mocenigo und Cardinal Oliviero Carafa soll-
ten das Geschwader befehligen welches aus etwa hundert Ga-
leeren bestand. Am Fronleichnamstage 1472 zog Sixtus mit
zahlreichem Gefolge nach St. Paul wo die Armada lag,
segnete Mannschaft und Schiffe, ertheilte ihnen die Standarten
mit seinem Wappen. Die Expedition blieb nicht ohne einzelne
Erfolge im Archipel und an den anatolischen Küsten , verfehlte
jedoch ihren Zweck im Grossen, da man unterliess sich mit dem
den Türken feindlichen Perserkhan rechtzeitig zu gemeinsamem
Handeln zu verständigen. Im Januar folgenden Jahres sahen
die Romer das Gepränge eines Triumphzugs, aber die fünfund-
zwanzig türkischen Gefangenen und das Dutzend Rameele
Kämpfe in Umbrien. Jubeljahr. König Fcrrantc in Rom. 169
welche der Cardinallegat ihnen vorführte, waren ein geringer
Gewinn. Der Papst schien sich jedoch damit zu begnügen.
Zwar gewährte er noch einmal der den Kampf für ihre levan-
tinischen Besitzungen wie für die Christenheit im Allgemeinen
fortsetzenden Republik Beistand, aber sein Hauptaugenmerk
war auf die italienische Politik gerichtet in welche die Nepoten
ihn mehrundmehr verstrickten. Er begann mit den Unterhand-
lungen in Mailand, zum Zwecke Girolamo Riarios Stellung in
der Romagna zu begründen und zu sichern. Dann wandte er
seine Blicke auf Umbrien. Eine vom Cardinal della Rovere
geführte Kriegsschaar stellte in dem parteizerrissenen Todi die
Ruhe her, bezwang das wider die päpstliche Herrschaft em-
pörte Spoleto, nöthigte Niccolo Vitelli Herrn von Citta di
Castello sich der Kirche zu unterwerfen, eine Angelegenheit
welche den Grund zu [dem Zerwürfniss des Papstes mit Vi-
tellis Beschützerin, der RepubUk Florenz legte, das nachmals
so bittere Früchte trug. Der König von Neapel welcher in
allen italienischen Verwicklungen und Händeln die Hand hatte,
trug kaum weniger als die Nepoten dazu bei, den Papst in
das Gewebe einer Politik hineinzuziehn , die an jähen Wechseln
nicht minder reich war, als einst die Condottierenwirthschaft
in ihren blühendsten Zeiten.
Im Jahre 1475 feierte Sixtus IV. das siebente Jubiläum.
Schon herrschten in Rom ansteckende Krankheiten, so dass
die Pilgerzahl beiweitem geringer war als bei früheren ähn-
lichen Gelegenheiten. Im vorhergehenden Frühling hatte ein
nordischer Herrscher die Stadt als Pilger besucht, König
Christian von Dänemark, der mit einem für diese Zeit gerin-
gem Gefolge von etwa himdertvierzig Reitern und wenig Ge-
päck reiste und grossentheils zu Fusse ging. Ganz anders trat
Konig Ferrante auf, der am 6. Januar in Rom eintraf, wie es
hiess zum Jubiläum, inderthat um mit dem Papste sich zu be-
sprechen wegen eines zwischen Venedig, Mailand und Florenz
abgeschlossenen Bündnisses welches Beiden Sorge machte.
Ferrante kam mit seiner Gemalin und grossem Gefolge von
Baronen und Rittern; die vielen Falken die er mit sich führte,
berichtet ein Annalist, säuberten Stadt und Umgebung von
allen Eulen. Den drei grossen BasiUken, den Conservatoren,
Caporionen und Kanzlern, den Reformatoren der Universität
machte er Geschenke von Goldbrocat und feinem Tuch. Die
170 König Feiraiite und die Strassen Roms. Seuche des Jahres 1476.
Merkwürdigkeiten der Stadt besuchte er und ward überall
ehrenvoll empfangen. »Als er alles in Augenschein genonunen,
erzählt Stefano Infessura, begab er sich nach dem Palast und
sagte zum Papste, er sei nicht Herr der Stadt solange die
Portiken, Vorbaue, ßalcone und Söller bestanden und die
Strassen so enge blieben. Wäre es einmal nöthig bewaffnetes
Volk gegen die Römer zu brauchen, so würden die Frauen
hinreichen demselben mit Wurfgeschossen und Steinen den
Garaus zu machen. Wolle er sich der Stadt versichern, so
müsse er alle diese Hindernisse wegräumen und die Strassen
breiter machen. Der Papst befolgte den Rath und von Stund
an ging er ans Werk unter dem Vorwande, die Strassen zu
pflastern und den Wohnungen mehr Licht zu verschaffen.«
Die Via Sistina der Leostadt, heute Borgo S. Angelo, wurde'
im Jubiläumsjahre vollendet. Die Bulle mittelst welcher Sixtus IV.
die Arbeiten zur Verschönerung Roms verordnete, ist indess erst
fünf Jahre nach diesem Besuch und Rath König Ferrantes er-
lassen worden. Unter denen welche den Jubiläumsablass er-
langten befanden sich auch die beiden länderlosen Königinnen,
denen wir in der Geschichte der Regierung Pius' U. begeg-
net sind.
Die Seuche welche Rom bedrängte und durch eine Ueber-
schwemmung neue Nahrung erhielt, nahm zu Anfang des Som-
mers 1476 dermaassen zu, dass Processionen angeordnet wurden
und der Papst die Stadt verliess, in welcher der Cardinal von
Molfetta Giovan Batista Cybo als Legat zurückbheb. Der Sena-
torspalast wurde geschlossen und am Fusse der Treppe Recht
gesprochen. Sixtus verweilte längere Zeit im Patrimonium und
in Umbrien, und kehrte erst zu Ende Octobers nach Rom zu-
rück. Das folgende Jahr drohte ein stürmisches zu werden.
In Mailand wurde Galeazzo Maria Sforza ermordet, in Neapel
schienen die wieder hervorgezogenen Ansprüche der in Spanien
und Sicilien herrschenden ächten Aragonesen neue Unruhen
veranlassen zu müssen. Dort bewahrte momentan eine Regent-
schaft für den minderjährigen Giovan Galeazzo, hier eine Ver-
schwägerung zwischen den beiden miteinander hadernden Linien
des Hauses unter vermittelnder Theilnahme des Papstes auf
längere Zeit die Ruhe. Das Jahr 1478 aber war ein desto mehr
gestörtes , und Sixtus IV. trägt die schwere Schuld einen Brand
entzündet zu haben , dessen Flammen einen nach Jahrhunderten
Vprschwöriing der Pn7,t\. 171
noch grellen und anklagenden Widerschein auf seine Regierung
geworfen haben. (Jeher das Maass der Betheiligung des Papstes
aQ der Verschwörung der Fazzi mag man streiten: dass er um
die Verschwörung wusste und sie nicht verhinderte, dass seine
Verwandten in dieselbe verwickelt waren , ist eine traurige That-
sache. Cosimos des Alten Enkel Lorenzo und Giuliano de' Me-
(lici standen an der Spitze der Republik Florenz. Diese Re-
pubUk war der päpstlichen Politik in Cittä di Castello, in der
Romagna, in Mailand in den Weg getreten; Girolamo Riario
fand sich überall, wo er seine Macht und seinen Einfluss zu
steigern suchte, den Medici gegenüber. Man beschuldigte diese
bei der Widersetzlichkeit und den Umtrieben unruhiger päpst-
licher Lehnsleute , wie Deifebo von Anguillara und Carlo Forte-
braccio von Montone, die Hand im Spiele zu haben. Sixtus
hatte zu Anfang seines Pontificats die Brüder begünstigt. ¥.t
hatte ihrer römischen Bank die päpstlichen Geldgeschäfte über-
tragen, ihnen die Alaunwerke von Tolfa verpachtet, Lorenzos
Vorliebe für Kunstsachen und Alterthümer begünstigt. Der
Cardinalspurpur scheint Giuliano zugedacht gewesen zu sein.
Die ersten Anlässe der dann folgenden Entzweiung sind viel-
fach gedeutet worden: am wahrscheinlichsten hat man sie in
dem unruhigen Ehrgeiz Girolamo Riarios zu suchen. Diesem
ward es um so leichter seinen Oheim völlig umzustimmen, da
die Weigerung der florentiner Signorie, den vom Papste zum
Erzbischof von Pisa ernannten Francesco Salviati zuzulassen,
8ixtus IV. aufs äusserste erbitterte.
Der Hass zwischen den Medici und der Familie der Pazzi
kam den Absichten Riarios zustatten. Die Pazzi, angeblich ein
Geschlecht von altem Adel aus dem Valdarno, waren mit den
Medici längst wegen des überwiegenden Einflusses dieser letzte-
ren, neuerdings auch wegen Privat- und Geldinteressen ver-
feindet. Eine zwischen beiden Familien stattgefundene Ver-
schwägerung hatte deren Verhältniss nicht dauernd gebessert.
In Francesco de* Pazzi welcher gleich so manchen seiner Lands-
leute in Rom eine Bank hatte, fand Girolamo Riario einen thäti-
gen Theilnehmer. Mit der Uebertragung der Geldgeschäfte von
den Medici an ihre Nebenbuhler wurde begonnen: das ;Ende
der Verhandlungen war ein Complott zum Umsturz der Auto*
ritat welche Cosimo auf seine Nachkommen vererbt hatte. Ein
Condottiere im päpstlichen Dienst Giovan Batista di Monte-
172 Vcrscliworuiig der Pazzi und florenthiischer Krieg.
secco sollte in Florenz die Ausfuhrung leiten, zu welcher die
Pazzi und ihre Freunde die Vorbereitungen treffen würden.
Der Papst wurde von dem Anschlag in Kenntniss gesetzt. Er
gab seine Zustimmung zu der beabsichtigten Staatsveränderang,
unter dem ausdrücklichen Vorbehalt dass kein Blut ve^ossen
werden sollte. Es war leicht vorauszusehn wie man vorkom-
mendenfalls diese Weisung befolgen würde.
Die Verschwörung der Pazzi ist eins der bekanntesten Er-
eignisse der florentinischen Geschichte. Die allmälige Vereini-
gung der Häupter des Complotts, mit Ausnahme Girolamo
Riarios, in der Stadt wohin dessen Neffe der siebzehnjährige
Cardinal Raffael gesandt ward , der Beschluss die Brüder Medici
auf ihrer Villa bei Fiesole zu tödten , als dies nicht gelang der
Angriff auf dieselben während der in des Cardinais Beisein
celebrirten Hochmesse in Sta Maria del fiore^ Giulianos Er-
mordung, Lorenzos Rettung, die Erhebung des Volkes zu
seinen Gunsten, die Gefangennehmung und der Tod seiner
Gegner: solche sind die einzelnen Scenen der Tragödie vom
26. April 1478. Der in den Anschlag verwickelte Erzbischof
von Pisa hing todt an einem Fenster des Palastes der Signorie:
Raffaello Riario war ein Gefangener. Der Papst, ohne die Er-
klärungen der Republik abzuwarten, erklärte die geistlichen
Immunitäten für verletzt, belegte das mediceische Eigenthum
in Rom mit Beschlag, liess alle auf päpstlichem Territorium
befindlichen Florentiner verhaften, sprach das Interdict über
Florenz aus, als die Republik die Sache der Medici zu der
ihrigen machte. Schon am 12. Mai traf der Thronerbe von
Neapel Herzog Alfons von Calabrien in Rom ein , um den Ober-
befehl über die gegen die Florentiner vereinten neapolitanischen
und päpstlichen Truppen zu übernehmen. Florenz , von seinen
Verbündeten schwach unterstützt, hatte kein Glück in diesem
Kriege, der das Land bis in die Nähe der Hauptstadt ver-
wüstete. Aber Papst und Papstthum hatten von demselben
Kriege ebensowenig Gewinn. Das Papstthum sah im Herzen
Italiens seine Autorität in Frage stellen, das Interdict mis-
achten, an ein künftiges Concil appelUren, einen firemden
Herrscher, Ludwig XL von Frankreich, für die RepubUk Par-
tei ergreifen, die Concilsfrage wieder anregen, beinahe mit
Obedienzentziehung drohen. Der Papst sah seine poUtischen
Pläne durchkreuzen, zuerst indem Venedig, eines ungleichen
Versöhnung mit Floi-enz. Die Türken in Otranto. 173
Kampfes müde, sich mit Mohammed 11. vertrug, sodann indem
sein eigner Bundesgenosse von Neapel, durch Lorenzo de'
Medici gewonnen, mit Florenz einen Separat&ieden schloss.
Demioch wollte Sixtus, von seinem schlimmen Neffen bethört,
nichts von Versöhnung hören, auch dann nicht als eine un-
günstige Kunde nach der andern einhef, als im Mai 1480 eine
zahlreiche türkische Flotte Rhodus angriff, als am 2. August
Otranto in die Hände der Ungläubigen fieL Ganz Italien ge-
rieth in die entsetzlichste Aufregung. Schon sah man den
Feind vor Roms Thoren; es heisst der Papst habe im ersten
Schrecken nach Avignon fliehen wollen. Aber er ermannte
sich wrieder und rief alle christlichen Fürsten zum Kampfe.
Zugleich rüstete er, dem neapohtanischen Könige beizustehn.
Die Nachricht dass die am 8. September stattgefundene £r-
nemiimg Girolamo Riarios zum Generalcapitan der Kirche und
die vom Papste vollzogene Fahnenweihe die Fortsetzung des
Ksunpfes gegen die Florentiner beabsichtigte, passt freihch
nicht zu solchem Eifer gegen die Feinde des christlichen Glau-
bens. Wie dem sein möge, am 3. December 1480 wurde die
RepubUk, welche durch eine feierhche Gesandtschaft Wieder-
versöhnung mit der Kirche nachsuchte, zu Gnaden aufgenom-
men unter der Bedingung, dass sie an dein Feldzuge gegen
die Türken theilnehmen sollte, der nun den Papst vorzugsweise
in Anspruch nahm.
Zu Anfang des Jahres 1481 versammelten sich in Rom die
Bevollmächtigten der italienischen Staaten. Die dringende Ge-
fahr beschleunigte den Abschluss des Bündnisses von welchem
nur Venedig sich fernehielt. Mit dem Reich, Frankreich, Un-
garn waren bereits Unterhandlungen angeknüpft. Die Belage-
rung Otrantos durch den Herzog von Calabrien hatte während-
dessen begonnen. Sie drohte sich in die Länge zu ziehn und
den Kampf auf grösserm Schauplatz zn entzünden , als der am
13. Mai erfolgte plötzhche Tod Sultan Mohanuneds und die in
seiner FamiUe ausbrechende Uneinigkeit den Dingen eine andere
Wendung gaben. In Rom war die Freude unbeschreibÜch, als
die Kunde von Mohammeds Ende anlangte: die ganze Christen-
heit, sagt ein Annalist, wäre in seine Gewalt gerathen, hätte
Gott nicht geholfen. Am 4. Juni hielt der Papst mit allen Car-
dinälen und dem gesammten Clerus einen feierhchen Umzug
dnrch die Leostadt, zur Danksagung für das glückliche Ereigniss;
174
Fcn'areeischer Krieg.
an beiden folgenden Tagen wurde die Pro (Zession wieder-
holt. Am 13. September erhielt mm die Nachricht von der
drei Tage zuvor erfolgten Eroberung Otrantos. Es wäre <ler
Moment gewesen den Kampf wid«: den Halbmond in der Le-
vante selbst ernstlich aufzunehmen. Alles hess sich dazu gün-
stig an. Aber kaum war die nächste Gefahr von Italien abge-
wasdt, so löste sich auch das Bündniss welches die Bemühungen
des Königs von Neapel, der die Lage der Dinge richtig« er-
kannte als die übrigen, nicht zusammenzuhalten vermogteu.
Die italienische Uneinigkeit, durch die Furcht vor den Türken
einen Augenblick beschwichtigt, loderte bald wieder in hellen
Flammen auf, und Sixtus IV. hat am wenigsten dazu beige-
tragen dea Brand zu löschen.
Zwischen denselben Mächten welche bei Otranto mitein-
ander gegen die Ungläubigen gekämpft hatten, brach bald
Hader aus. Der Ehrgeiz Girolamo Riarios verwickelte den
Papst in einen Krieg, dessen Schauplatz Borns nächste Um-
gebung ja Rom selbst ward. Die Wechsellalle des florentiai-
schen Krieges hatten Sixtus' Verhältniss zu König Feiraote
gelöst und arges Mistrauen zwischen Beiden ausgesäet. In
demselben Maasse wie er sich von seinem alten Bunde^enossen
entfernte, hatte der Papst sich Venedig genähert. Girolamo
suchte von dieser Wendung Nutzen zu ziehn. Mit Imola niulit
zufrieden hatte er sich beim Aussterben der rechtmässigen
Linie der Ordelaffi Forlis bemächtigt. Indem ei sich nun mit
Hülfe Venedigs zu sichern und seinen Besitz zu erweitern
suchte, zog er Sixtus in eine Fehde der Republik mit Ercole
d'Este , eine Angelegenheit in welcher die Interessen des Kirchen-
staats der päpsthchen Politik eine von der eingeschlagenen ganz
verschiedene Richtung hätten vorschreiben sollen. Mailand-
Florenz, Neapel ergriffen Partei für den Herzog von Ferrsra.
der Papst erklärte sich für Venedig. Noch standen von dem
Xürkenkriege her die meisten römischen Barone im Solde Köaig
Ferrantes, als der Herzog von Calabrien, seinem Schwager von
Este Hülfe zu leisten, am Tronto erschien, wo Sixtus ihm den
Durchzug weigerte und seine Vasallen zurückrief.
Es war im Mai 1482. Die Orsinen, an ihrer Spitze \ir-
^nio, die Conti u. A. gehorchten und traten in päpstlichen Dienst,
auch Giovanni Colonna von Palestrjna. Nicht so die Colann»
von Paliano und die SavelU, denen nicht nur, da man ihnen
Kampf mit den Nenpolitaiien) in Roms Umgebung. 175
nicht traute, ihre festesten Bürgen als Bürgschaft abgefordert
sondern auch, wie es heisst, geringerer Sold als den Uebrigen
geboten wurde. So standen die Dinge als der Herzog von Ca-
labrien in den Kirchenstaat einfiel und bis Grottaferrata vor-
rückte, während seine Leute in den Sabiner Bergen plünderten.
In Rom war die Bestürzung gross. Am 2. Juni liess der Papst
die Cardinäle Colonna und Savelli und Mario Savelli in die
Engelsburg bringen. Der savellische Palast wurde der Plünde-
ning preisgegeben. Man war in Rom an solche Scenen ge-
wohnt: wenige Wochen vorher hatte der Papst die Häuser
der Santacroce wegen einer Eehde derselben mit den Della
Valle einreissen lassen. Vier Tage später, am Fronleichnams-
feste, war die päpstliche Mannschaft, zwanzig Fähnlein Reiter
mit zahlreichem Fussvolk, marschbereit. Girolamo Riario führte
sie, unter ihm der Graf Niccolö von Pitigliano, Virginio und
Giordano Orsini, Giovanni Colonna, Giacomo und Andrea de'
Conti, der Gbraf von Mirandola u. A. Die Banner der Kirche
vorauf zogen sie nach dem Lateran wo sie das Lager auf-
schlugen. Die Feinde streiften bis zur Porta S. Giovanni vor
welcher unbedeutende Scharmützel stattfanden , plünderten und
verheerten die Felder. Die Bürger gingen in Masse zum Papste,
um Abhülfe des mit jedem Tage unerträglicher werdenden Zu-
standes zu bitten. Sie brachten schöne Worte heim, Procla-
mationen verhiessen Schadenersatz auf Kosten der Kammer,
aber es blieb bei den Versprechungen. Als die Römer dies
sahen, beschlossen sie was noch von Getreide auf dem Felde
stand in der Stadt zu bergen, wurden aber daran vom Grafen
Girolamo gehindert, der sich des Restes bemächtigte um die
Soldforderungen der Seinigen zu befriedigen. Fünf Wochen
lang währte solches Treiben. Unterdessen lagen die Führer
der Truppen im Lateran, und spielten Tage lang in der Sa-
cristei mit Würfeln und Karten auf den Truhen welche Reli-
quien und gottesdienstliche Gefässe enthielten. Fast niemand
von Andächtigen wagte sich in der Kirche blicken zu lassen.
Am 13. Juli entstand während eines heftigen Sturmes Feuer im
Lager, welches sich vom Thore bis gegen S. Matteo auf dem
Esquilin verbreitete. Nicht nur die Zelte verbrannten mit allem
was darin war, sondern eine Menge Pferde kamen um, selbst
Kranke fanden den Tod in den Flammen.
Am 16. Juli, nachdem die Königlichen unterdessen Terracina
176
Treffen bei Campomorto.
genommen hatten, brach der Herzog von Calabrien nacli
Ariccia auf. In Rom versuchte namentlich der Cardinal vou
S. Pietro in vincoli den Papst zum Frieden zu bewegen. Als
aber einige Tage später der venetianische Feldhauptmann Ro-
berto Malatesta, obgleich mit geringer Mannschaft, anlangte,
gewann die Kriegspartei wieder die Oberhand. Eine Zeitlang
zog sich der Kampf noch hin mit unbedeutenden Scharmützeln
von Capo di bove und den Wasserleitungen an bis zu den Al-
banerhügeln. Am 22. August aber, nachdem allmälig venetia-
nische Verstärkungen angelangt waren, die Stadt Rom selbst
ihre Bereitwilligkeit zur Hülfe durch die That bewiesen hatte,
erhielt man die Nachricht von einem entscheidenden Siege.
Etwa dreissig MiUien von Rom erstreckt sich zwischen den
letzten Ausläufern der Albanerhügel, von den von Citta La-
vigna und Velletri nach Porto d'Anzo führenden Strassen
durchschnitten, ein weites waldiges Sumpfland, eine ödeWild-
niss mit kaum anderen Spuren als denen der Thätigkeit von
Köhlern, ohne grossartige Baumpartien, ohne Abwechslung,
ohne Femsicht. Nach einer dem Apostelfursten gewidmeten
Kirche und den zahlreichen Canälen welche einst die Ebne
trockenzulegen versucht hatten, nannte das Mittelalter den Ort
und das dort entstandene Castell S. Pietro in formis. Fraugi-
pani, Annibaldi, Savelli waren die Besitzer gewesen, bis
Eugen IV. den mehrgenannten Castellan der Engelsburg An-
tonio Rido mit dem ansehnUcheu, über viertausend Rubbien
umfassenden Grundstück belieh, welches dieser in Nicolaus* V
Zeit dem vaticanischen Capitel verkaufte, dem die Tenuta, die
grösste der römischen Umgebung, noch heute gehört. Diesen
Ort hatte der Herzog von Calabrien, nachdem er mit Roberto
Malatesta das WafTenglück zu versuchen übereingekommen,
zum Schlachtfelde gewählt. Seine Stellung war eine starke,
indem seine Truppen ein inselartig gebildetes Terrain einnah-
men, welches in dem ringsumher sumpfigen und mit Gestrüpp
bedeckten Boden nur zwei Zugänge hatte, deren einen zahl-
reiche Bombarden und anderes Geschütz vertheidigten.
Der venetianische Feldhauptmann hatte unter seinen Be-
fehlen dreiunddreissig Fähnlein Reisiger mit vierundzwanzig
anderen Virginio und Paolo Orsinis, der Grafen von Pitigliaflö
und Mirandola, Giovanni Colonnas und Giacomos de' Conti,
acht Schaaren berittener Bogenschützen unter seiner und
^
Sieg der Päpstlichen. Roberto Malatesta. 177
Girolamo Riarios Fühnuag, über neuntausend Füsser nebst Ar-
tillerie und Tross. Am Maria Himmelfahrtstage hatte der Papst
von einem Fenster des Palastes aus über diese Truppen, die
unter dem Banner des h. Marcus und dem der Schlüssel
fochten, auf dem Platz vor Sanct Feter Heerschau gehalten.
Um die siebzehnte Stunde des 21. August begann von der
Seite von Velletri her der AngriflF. Die Janitscharen im nea-
politanischen Heere wiesen den Anlauf der Päpstlichen mehr-
mals tapfer zurück und diese machten keine Fortschritte, bis
es Giacomo de' Conti, der ohne des Herzogs Vorwissen in der
Nacht zuvor mit seinen Leuten eingetroffen war, die feindliche
Stellung zu umgehn gelang, so dass Alfons sich genöthigt sah
seine Linie zurückzuziehn. Die vordringenden Feinde, welche
nun in den Bereich der Artillerie gelangten, litten so sehr
durch dieselbe, dass der Sieg längere Zeit zweifelhaft blieb.
Als jedoch die Bombardiere ilure Geschütze nicht mehr laden
konnten weil das Pulver durch anhaltenden Regen nass ge-
worden war, erneute sich der Angriff mit verdoppelter Heftig-
keit, bis die Päpstlichen in das Centrum der neapolitanischen
Stellung eindrangen und unter den Reisigen, deren. Pferde sie
niederstachen, ein arges Gemetzel anrichteten. Nun fürchtete
der Herzog abgesclmitten zu werden und indem er den Kampf
fortzusetzen befahl, ritt er mit wenigen Begleitern nach Nettuno
von da nach Terracina. So endigte der Tag mit einem voll-
standigen Siege der Päpstlichen welche viele Gefangene mach-
ten. Auch die Zahl der Verwundeten war gross, massig die
der Todten, obgleich man von der siebzehnten zur dreiund-
zwanzigsten Stunde gekämpft hatte und obschon der Ort nach
diesem Ereigniss den Namen des Todtenfeldes , Campomörto,
erhielt. Fahnen und Artillerie fielen in die Hände des Siegers
der sie mit den Gefangenen nach Velletri brachte.
In Rom war grosser Jubel. Das Capitol, die Engelsbprg,
die Kirchen und die ganze Stadt feierten den Sieg. Am 30.
wurden die gefangenen Reisigen eingebracht, zweihundertsieb-
zehn an der Zahl; die nicht im Castell und auf dem Capitol
Raum fanden, wurden nach benachbarten Burgen gesandt.
Roberto Malatesta war erst auf einige Tage nach Cavi ge-
gangen, dann nach Rom gekommen, vom Papste empüangen
worden. Er ging im Hause des Cardinais von Mailand woh-
nen, aber schon am 8. September machte ein Fieber, welches
V. Rvumoot, Rum. lU. ^2
178
Friede zwischen dem Papst uud NetpeL
er ohne Zweifel aus der verpesteten Campagna tnitfj^bncht
hatte, seinem Leben ein Ende. Sixtus IV. ehrte den Tapfem
im Tode und liess ihm in Sanct Peter ein Marmordenkm»]
errichten. Vielleicht war es der Verlust des Führers der ao
der rechten Benutzung des errungenen VortbeiU hinderte.
Mehre Castelle an den Albanerhügeln kamen zwar in päpst-
liche Gewalt, aber die Neapolitaner blieben in der Campagna.
Es war für Rom und seine Umgebung ein trauriges Jahr. Nicht
blos die WechseltuUe des Krieges , auch Besorgnisse vor
wie dererw ach ender Opposition in Teutschland vermogten end-
lich den Papst mit dem König von Neapel Frieden zu schliesseD.
Girolaino Riario, die Seele der Riiegspartei, soll gewonneo
worden sein, indem man ihm auf die malateataschen Lehoe
Aussicht machte. Am 23. December 1482 wurde zwischen dem
Papst, Neapel, Florenz und Malland Frieden geschlossen. Dem
Herzog von Ferrara wurde sein Staat gesichert. Die Coloiuia
und Savelli sahen sich der Gnade des Papstes anheimgegeben.
Den bisherigen Bundesgenossen desselben, den Venetiaaem,
war der Beitritt zu dem Bündniss freigestellt, zu einem Bündnisa,
welches eigentlich gegen sie geschlossen war, deren Maclit-
zunaUme in der Romagna man fürchtete.
Jcmehr die Stadt Rom die Uebel des Krieges empfunden
hatte, umso lebbaftere Freude erregte der Friede. Am Weib-
nachtstage zog das Volk mit den städtischen Beamten von
Capitol aus zum päpstlichen Palast, mit brenneoden Fackeln,
voraus weissgekleidete Knaben, Oelzweige in der Hand, Hym-
nen singend. Sie wurden jedoch vom Papste nicht voigelassen,
es hiess weil er den Römern wenig traute. Am Tage darauf
traf der Herzog von Calabrien ein und wurde mit grossen
Ehren empfangen. Fünfzehn Cardinäle und Girolamo Risiio
zogen ihm entgegen; er wohnte im p&pstUcben Palast und e^
hielt von Sixtus den geweihten Degen und Hut. Viele Tütken
waren in seinem Gefolge so dass man sie in allen Strassen der
Stadt umherwandem sah. Als der Herzog nach Ferrara log,
seinem Schwager von Este Beistand zu bringen, hegleitete ihn
Virginio Orsini. Statt dem ßündiss beizutreten setzte Venedig
nun den Krieg gegen Ferrara und Mantua fort, ohne sich um
päpstlichen Bann zu kümmern. Der Mangel an Eiutncht
zwischen den Verbündeten kam der Bepubhk zu Hülfe, so
dass der am 7. August 1484 gescblossene Friede von Bagnolo
Orsini-Colonnasche Fehde. 179
eben Rollenwechsel herbeiführte, indem diesmal Siztus IV.
sQsehn musste wie seine Bundesgenossen einen für die Ve-*
netianer vortheilhaften Vertrag eingingen, gegen welchen sein
BevoUm&chtigter vergebens Einspruch that.
Die Naehricht von dem Frieden von Bagnolo traf den
Papst in grosser Aufregung und Rom in äusserster Verwirrung.
Seit lange hatte man hier nicht so wüste Scenen erlebt wie
die welche nach der Verständigung mit König Ferrante statt-
fanden. Sixtus hatte diese Verständigung durch Gründung
einer B[]rche gefeiert welche den Namen Sta Maria della pace
f&hrt, aber die Stadt genoss die Wohlthaten dieser Einigung
nicht Indem Girolamo Riario in dem Hader zwischen den
Orsini und Colonna die päpstliche Autorität zu Gunsten der
ersteren in die Waagschale warf, entzündete er den Brand
in Rom selbst weit heftiger als zuvor. Die Colonnesen
waren scheinbar zu Gnaden angenommen worden. Marino
und andere während des Krieges besetzte Castelle wurden
ihnen zurück'gegeben , hingegen sollten sie die orsinische
Grafschaft Tagliacozzo und Alba, welche vom Könige con-
fiscirt lind ihnen für vierzehntausend Goldgulden zugesprochen
worden war, gegen Erlegung dieser Summe an Virginio Orsini
herausgeben. Die gefangenen Cardinäle Colonna und Savelli
sollten in Freiheit gesetzt werden. Auf beiden Seiten hinderte
jffistrauen die Erfüllung des Vertrags. Statt die Gefangenen
zu befreien liess der Papst sie, da Mariano Sävelli durch Flucht
aas der Engelsbuig nach Rocca Priora entkam , im Rundbau des
Castells in strengere Haft bringen. Lorenzo Colonna Martins V.
GrossnefTe, nach seinem neapolitanischen Hofamt gewöhnlich
der Protonotar genannt, säumte nun mit der Herausgabe Ta-
gliacozzos, da er den päpstlichen Nepoten ganz im orsinischen
Interesse sah. Durch die wiederholten Verwendungen zu
Gunsten der Gefangenen bewogen gab ihnen Sixtus zwar am
15. November 1483 die Freiheit wieder unter grossem Jubel
ihrer Anhänger und Freudenrufen ia den Strassen, aber die
Eintracht zwischen den verfeindeten Familien wurde dadurch
nicht hergestellt
Inmitten der durch diesen verhängnissvollen Hader her-
voi^erufenen und unterhaltenen Aufregung sah Rom in seinen
Mauern einen seltsamen Mann, dessen Erscheinung an eine
zwei Jahrhunderte rückwärts liegende Zeit, an Pier da
12'
*
I
■ <
180 S. Fi'ancesco di Paola.
j Murrone erinnern konnte. König Ludwig XI. lag todkrank in
seinem Schlosse Plessis-les -Tours — »er^ der Anderen so
lange und bittere Leiden bereitet hatte, sagt Philippe de Com-
mines, litt nun selber und um so schwerer da er das nicht
gewohnt war, wie es denn bisher geschienen, Europa sei nur
dazu da ihm zu Willen zu sein«. Während dieser seiner Krank-
heit gedachte er eines calabresischen Einsiedlers von welchem
er einst vernommen hatte, und mit dem Schwererkrankten
eignen Eifer klammerte er sich an die Vorstellung an, dass
dieser Mann ihm Hülfe bringen werde. Roberto war der Sohn
gottesfurchtiger Eltern im Gebiet von Paola im diesseitigen Ca-
labrien und weihte sich wie es heisst schon dreizehnjährig dem
Minoritenorden , indem er in San Marco in seinem Heimatlande
' f ins Kloster trat. Eine Pilgerfahrt fahrte ilm nach Rom und
I I Assisi, dann zog er sich heimgekehrt in völlige Einsamkeit
! zurück, indem er in der Nähe von Paola. an der Küste eine
; I Felsenhöhle zu seinem Aufenthalt wählte. Der Ruf der Fröm-
I migkeit und Ascese Francescos di Paola, wie man ihn als
I , Klosterbruder nannte, erflillte die Welt. »Niemals seit er dies
Cönobitenleben begonnen, erzählt Commines, hatte er Fleisch
noch Fisch noch Eier noch Milchspeisen noch irgendetwas mit
Fett Zubereitetes genossen. Nie sah man einen Mann heiligern
Lebens; der h. Geist schien durch seinen Mund zu reden.
Und doch war er kein Studirter; es war der rechte Verstand
eines einfachen Mannes. Seine italienische Sprache kam ihm
allerdings dabei zustatten.« Es kostete Mühe bevor der König
ihn bewog nach Frankreich zu ziehn, obgleich der Fürst von
Tarent Sohn des Königs von Neapel Ludwigs Aufforderung
unterstützte; erst als er vom Papste ausdrückUch ermächtigt
ward, entschloss er sich zu gehn. Im Jahre 1483 war er in
Rom. »Alle Cardinäle besuchten ihn, dreimal hatte er Audienz
beim Papste, der ihn neben sich sitzen hiess auf schönem
Stuhle drei bis vier Stunden lang, voll Bewunderung ob seiner
verständigen Rede, so dass er ihm zur Stiftung einer neuen
Regel Erlaubniss ertheilte.« Ebenso verständig zeigte er sich
gegenüber dem Könige der ihm mit grösster Ungeduld entgegen-
sah, vor ihm auf die Knie sank, Heilung von ihm erwartete.
Gott hat mir nicht Macht gegeben den Leib zu heilen, sprach
der Siedler ; das Gebet eines armen Knechtes Gottes ist alles
was ich euch bieten kann. »Ich habe ihn, fahrt Commines
f
IJ
Der Papst gegen die Colonna. 181*
forty mehnnals vor dem gegenwärtigen König (Ludwig XII.)
und den Grossen des Reichs reden gehört; Gott schien ihm
einzugeben was er sprach und darthat« Viele verspotteten
den aheiligen Mann«, aber des Kranken Vertrauen wich nicht
und Francesco musste im Schlosse bleiben , stets von Dem her-
beigerufen der »den Tod fürchtete wie nie ein Anderer« und bei
dessen Hinscheiden am 29. August gedachten Jahres er zugegen
war. Der neue König Carl VIII. blieb dem Siedler von Paola
gewogen wie sein Vater. Dieser stiftete bei dem Schlosse
TonPlessis ein Kloster, ein anderes zu Amboise, und als zwölf
Jahre nach Ludwigs XL Tode sein Nachfolger in Rom war,
gründete er auf der Höhe des Pincio Kirche und Kloster
(ur die Minimi, wie man Francescos Ordensreform nannte,
jene schöngelegene Kirche der Trinita de* monti welche bis
zur französischen Revolution französischen Klosterbrüdern ge-
hörte, in deren Mitte der calabresische Siedler am 2. April
1507 zu Plessis gestorben war.
Das Jahr 1484 war stürmisch genug angebrochen. Neue
Fehde zwischen den Santacroce und Della Valle, in welcher
die Orsini für jene, die Colonna für diese Partei ergriffen,
führte zum Ausbruch. Ehe es jedoch in der Stadt losging,
hatte es schon in der Campagna begonnen. Antonello Savelli
von Albano und Lucio de* Conti von Montefortino standen
auf colonnascher Seite: zum Neujahrsgruss Hess der Papst AI*
bano zerstören, wofür Antonello sich rächte indem er Ariccia
anzündete. Ueber die Saveller ward der Bann ausgesprochen.
Der Papst befahl sich Lorenzo Colonnas zu bemächtigen, der
sich im Palast seines Vetters des Cardinais an der heutigen
Piazza, della Pilotta verschanzt und der Porta maggiore bemäch-
tigt hatte , Hülfe von auswärts zu erleichtern. Die Della Valle
und Margani hielten zu ihm; die Orsini mit den Santacroce,
den Crescenzi und Girolamo Tuttavilla, dem.Nepoten des kurz
vorher verstorbenen Cardinais von Ronen , bereiteten sich zum
Angriff. »Niemals, sagt ein Gleichzeitiger der diese traurigen
Vorgänge geschildert hat, sah ich eine ähnliche Verwirrung.
Es war am 29. März ; ganz Rom stand in Waffen. Es hiess sie
wollten den Protonotar in der Nacht greifen; jeder hielt Wache
und sicherte sich so gut er konnte. Ich Uess zwei Handkarren
voll Steine neben meiner Thüre aufstellen die ich verbarricadirte,
and hiess schwere Steine zu den Fenstern und auf die Loggia
r*
.7
t
y
i
' \
f
F
I
I
I
r
I
f
i
182 Angriff auf die colonna sehen Paläste.
bringen. Die ganze Nacht hindurch vemahm man im Bion
Ponte den Ruf: Bär, Bär! und auf Monte Giordano brannten
Wachtfeuer, wurde geschossen und in die Trompeten gestossen.
Am folgenden Tage ward es ärger. Der Herr Virginio Orsini,
wie ein Sanct Georg gewappnet, ritt durch die Stadt nach dem
Palast Der Herr Paolo und Herr Geronimo Orsini ritten an
der Spitze ihrer Schaaren bei denen viele junge Römer waren;
der Herr Giorgio Santacroce war wie zum Turnier gerüstet
U eberall hörte man den Ruf: Kirche und Bär. Eine Menge
Leute des Herrn Virginio zogen vorüber, darunter viele Arm-
brustschützen zu Pferde.«
Der Protonotar hatte gegen Trevi zu wie nach anderen
Seiten hin Barricaden aufwerfen lassen. Auch die Della Valle
hatten die zu ihren "Wohnungen führende Strasse durch Fässer
voll Erde und Steine wie durch Balken gesperrt und viel
Volkes zusammengezogen. Die Conservatoren und Caporionenf
von vielen Bürgern begleitet, ritten nach dem Vatican um mit
dem Papst zu reden und sich für Wiederherstellung der Ruhe
zu bemühen. Sixtus verlangte als erste Bedingung, Lorenzo
Colonna sollte sich stellen. Als die Conservatoren mit diesem
Bescheid im Palast Colonna eintrafen, erklärte der Protonotar
sich bereit, aber die Seinigen wollten ihn nicht ziehn lassen.
Auf eine zweite Aufforderung stieg er zu Pferde und ritt allein
weg, aber bei S. Marcello holten seine Leute ihn ein und
drohten ihn in Stücke zu hauen wenn er ginge. So wandte
er das Ross und die Conservatoren kehrten unverrichteter
Dinge zurück. Unterdessen hatten die Gegner sich zum Angriff
bereitet Der Graf Girolamo war in voller Rüstung, so der
Vicecamerlengo , Helm auf dem Haupte, Stab in der Hand,
Lione da Montesecco mit der päpstlichen Wache, die Capitols-
wache. Alles war in Ordnung. Auf zwei Wegen zogen sie,
Geschütz, Hacken« Leitern u. a. mit sich führend. Von allen
Seiten wurden die Paläste der Colonnesen eingeschlossen.
Zwei Stunden währte der Kampf in welchem FiHppo Savelli
und mehre Reisige und andere fielen, dann wurden die Verhau«
überwältigt, der Palast des Cardinais erstiegen, der Protonotar
gefangen genommen. Wilde Plünderung folgte; Allen die zu
den Colonnesen halten würden , war der Bann angedroht Auf
dem Wege nach dem Vatican musste Virginio Orsini d«i Ge-
fangenen vor dem Grafen Girolamd schützen, der zweimal den
1.1 «
Tod Lorenzo Colonnaa. 183
Degen wider ihn zog. Der Papst liess ihn vor sich kommen,
sprach lange mit ihm, befahl ihn dann in der Engelsburg ein*
zoscbliessen, wo ihm der Process gemacht und er gefoltert
wurde. Am 30. Juni wurde ihm in Gegenwart des Criminal*
richters und des Marschalls vom Capitol der Kopf abge-
schlagen: Gestandnisse die ihm die Qual abgepresst, hatte er
7or seinem Tode zurückgenommen. Man brachte die Leiche
io einem mit einem Lappen Seidenzeug bedeckten Sarge nach
Sta Maria Traspontina, von wo am Abende die Bruder
von SS. Apostoli, S. Marcello, Sta Maria del popolo und
Saat* Agostino sie abholten. Die Dienstleute des Cardinais de'
Conti folgten zu Pferde, mit etwa dreissig Fackeln; kein Bürger
war dabei. In der Apostelkirche empfing die Mutter des
Todten Grata de' Conti, von vielen Frauen begleitet, unter
lautem^Wehklagen die sterblichen Reste, welche durch Stefano
Infessura den Chronisten dieser traurigen Zeit und einen co-
lonnaschen Vasall zur Erde bestattet wurden. Als am Vor-
abend des Johannesfestes 1485 Prosper Colonna, des Enthaup-
teten Vatersbrudersohn, Frascati überfiel und Girolamo Tutta-
villa den Herrn des Orts zum Gefangenen machte, fand er
unter der auf mehre tausend Ducaten sich belaufenden Beute
Kleinodien die dem Protonotar gehört hatten, so wie eine
Menge Seidenstoffe und einen kostbaren Gegenstand von Ala-
baster, welche bei der Plünderung des colonnaschen Palastes
abhandengekommen waren. NatürUch hielten die Sieger sich
nun schadlos und die Entdeckung verbesserte das Loos der
Gefangenen nicht.
Es waren schlimme Tage für Rom und seine Umgebung.
Ohne Unterlass erfolgten Streitigkeiten und Mordtbaten. Die
Hauser der Della Valle wurden auf Befehl des Papstes nieder-
gerissen; die ganze Familie jQoh aus Rom. In der Umgebung
wjUuie der Kampf gegen die Castelle der Cobnna. Diese
hatten nach Lorenzos Tode Unterwerfung und Uebergabe
mehrer ihrer Burgen angeboten; der Cardinal von S. Pietro in
vincoli hatte dem Papste dringend zur Versöhnung gerathea.
Aber auch diesmal ward sie durch Girolamo Riario und die
Orsinen verhindert. Der Nepoto verrechnete sich. Prospero
und Fabrizio Colonna, schon ihren künftigen Feldherrnruhm
verkündend, vertheidigten sich tapfer. Die päpstUchen Trup*
peo erlitten manchen Verlust, so in Grottaferrata welches vq|i
184 Sixtus- IV. Tod.
den Leuten von Marino übeTfalleD wurde. Zwar gingen mehre
Burgen verloren <la die Savelli sich gewinnen liesBen, aber
Paliano widerstand. Man liatte schweres Geschütz hingebracht
und der Graf Girolamo leitete die Belagerung , als die Nadi-
richt vom Tode des Papstes eintraf.
ROM BEIM TOnE 8IXTU8' IV. INNOCENZ VIIL
Die Aufregung der jüngsten Zeit hatte Sixtus IV. in b«-
ständiger Spannung erhalten. Neben den politischea Dingen
■ mussteu auch Symptome rehgiöser Opposition, die bei den
inimermehr zu Tage tretenden weltlichen Richtungen des
Papstthums nicht ausbleiben konnten, diese Spannung steigeni.
So geringe Bedeutung der im Jalire 1482 durch einen Domini-
cauerbruder. Andrea Zuccalmaglio Erzbischof von Krain ge-
maclite Versuch, die längst erstorbene Asche des Baseler Con-
cils zu neuer Flamme anzublasen, in der Wirklichkeit haben
Itonnte, so zeigen doch die Maaseregeln und Bemijhungen
SiKtus' IV. bei Kaiser, Stadt und Clerua wie sehr dies blasse
Concilsgespenst seinen Schlaf störte. Er erlebte das Ende
dieser Angelegenheit niclit Am 2. August 1484 warf gicht-
tisches Leiden ihn danieder. Wenige Tage darauf erhielt er
die Nachricht vom Frieden von Bagnolo. Sie brachte ihm deo
Tod, indem er sah dass er vergebens ganz Italien um seineT
politischen Zwecke willen in Bewegung gebracht hatte, dass
er, der das Spiel in der Hand zu halten geglaubt hatte, mitt
gesetzt war. Am Abende des 12. August verschied er. Es
war ein kritischer Moment, inmitten der heftigen Parteileiden-
schaE^n welche der Papst und seine Angehörigen entzfindct
hatten.
Am folgenden Moi^en war ganz Rom in Waffen. Du
Haus Girolamo Itiarios bei Sant' ApolUoare oebst dem an-
s tossenden Garten wurde geplündert und verwüstet; unter dem
Ruf: Colonna Colonna! zerschlugen junge Leute alles, selbst
die marmornen Thür- und Fensterpfoaten. Auch die Magazine
der Genuesen in Trastevere wurden geplündert, zwei ihrer mit
Wein beladenen Schiffe an Ripagrande weggenommen. Dft
Unruhen in Rom nach dea Papstes Tod. 185
Grimm des Volkes war so gross gegen sie, weil man sie be«
schuldigte dem Papste bei seinen druckenden Finanzspecula-»
tionen, namentlich beim Getreidewucher die Hand geboten zu
haben. Castel Giubileo, wo Kiarios Gemahn eine Menge Vor-
räthe aufgehäuft hatte, wurde gestürmt und ausgeleert Ein
gleiches geschah mit den Magazinen von Riarios Schwager
Giovan Batista Pallavicini und mit den päpstlichen Galeeren
bei Ostia. Caterina Riario Sforza, welchei damals schon jene
männliche Gesinnung an den Tag legte die sie in nachmaliger
schlimmer Zeit bewies, war beim Beginn des Tumults in die
Engelsburg geeilt deren Castellan im Interesse der Familie des
verstorbenen Papstes war. Der Palast, vor dessen Thore man
Verhaue angebracht hatte, blieb von den Wachen besetzt,
nachdem Sixtus* Leiche mit geringem Gepränge nach St Peter
gebracht worden war.
So sah es in der Stadt aus. Im Lager vor Paliano war
die Yerstörung nicht minder gross. Alsbald wurde die Auf-
hebung der Belagerung beschlossen und mit solcher Eile aus-
geführt dass man schwere Artillerie, Zelte, Munitionswagen,
Zugvieh, über vierzehnhundert BüiSel zurücUiess. Ein Ausfall
der Belagerten, wobei gegen dreihundert der Päpstlichen ge-
todtet oder verwimdet wurden, mehrte die Unordnung. Schon am
14. August waren die Truppen vor Rom, wo sie auf den Wiesen
bei Tor di Quinto lagerten. Aber nach zwei Tagen brachen
sie das Lager ab und zogen nach Isola (Veji) welches Virginio
Orsini gehörte. Girolamo Riario zog mit ihnen; er mogte sich
in Rom wenig sicher erachten. Denn von allen Seiten ström-
ten BewajShete herzu, Vasallen der Barone beider Parteien.
Es war vorauszusehn dass es zum Kampf kommen würde, dass
die Aussichten den Colonnesen günstig waren. Cave, Capra-
nica, Marino hatten sich sogleich für ihre alten Herren erklärt.
Als der Cardinal Colonna in Rom einzog, gingen ihm zahllose
Bürger und Volk jubelnd entgegen; da sein Palast verbrannt
war, musste er sein kleines Haus b^ziehn. Prospero und Fa-
brizio folgten; auf zweitausend schätzte man die Zahl der Be-
waffneten die sie mit sich führten. Der Cardinal SaveUi und
dessen Bruder Mariano kamen mit zweihundert Reitern. Giu-
liano della Rovere hatte eine Menge Leute geworben und sich
in seiner Wohnung bei S. Pietro in vincoU verschanzt Die
Orsini welche angegriffen zu werden erwarteten, hatten Monte
186
Mussregeln d«r CanÜDkle zur Hcralellung der Ordnimg.
Giordano und ihre übrigen Wohaungen im Bion Ponte be-
festigt; bei Nachtzeit selbst durchzogen zwei Fähnlein R«iter
unter dem Ruf: Kirche und Bär! die aoatosaenden Straseen.
Beim Ghetto und vor dem Pantheon kam'a zum Streit, doch
ohne den erwarteten allgemeinen Kampf. Die Beso^niss der
BtL^T war ao gross dass überall Barticaden aufgeworfen
wurden, so dass Reiterei nur au wenigen Stelleu durchziebn
konnte. Die Trasteveriner hielten ihreiseits die Brücken und
Thore gesperrt. Alle Cardinslswobnungen waren befestigt;
der Palast des Vicekanelers wurde durch eine Bastei vor der
Facade, durch eine andere auf der Gartenseite vertheidigt
In solchem Zustande befand sich die Stadt als man die
Ezeiiuien Siztiu' IV. feierte, an welchem nur wenige Cardinlle
theilnahtnen. Selbst Giuliano della Rorere fehlte. Auf dem
Capitol hielten die Bü^r Rath und beschlossen den Cardi-
nälen Vorstellungen zu mächen und sie zu baldigem Abhalten
des Conclaves an sicherm Orte zu vermögen, um durch die
Wahl eines neuen Papstes der tAgUcfa ä^r werdenden Ver-
wirrung ein Ziel zu setzen. Sie erhielten Ton Allen bemhi-
gende Zusagen, aber die Erfüllung war schwer. Noch immer
trafen Bewaffnete ein, selbst aus Aquila, aus Norcia und an-
dern Orten, aus Amelia allein fünfhundert Füsaer imd zalil-
reiche Bogenschützen zu Gunsten der Colonneaen, denen auch
Florenz und Siena Beistand gegen den Grafen Girolamo an-
boten. Als dieser sah wie die Sachen standen, unterhandelte
er mit den Cardinälen wegen Uebergabe der EngeUbuig, für
die er sich riertausend Goldgulden zahlen Uesa. 0er Bischof
von Todi sollte im Namen des h. CoUegiums das Castell be-
setzt halten. Nun kamen die im Palast von S. Marco versam-
melten Cardinäle überein, dass Virginio Orsini mit den Seineo
nach Viterbo ziehn, die Colonna nebst den Ihrigen die Stadt
verlassen, Giacomo de' Conti die Palastwache abgeben und
sich gleichfalls entfernen, zwei Monate lang von dem Tage
der Krönung de« künftigen Papstes an Waffenruhe sein solll«-
Ats so die Ordnung einigermaassen hergestellt war, verepracbeo
die in der Tribüne von St Feter versammelten Cardin&le dem
römbchen Volk die Erhaltung seiner Privilegien wie der voq
den letiten Päpsten ihm ertheilten Rechte in Bezug auf die
AuBschliessung der Nichtrdmer von st&dtiscben Aemtem, der
Universität, der Huldigung der uaterth&nigen Ortschaften u. s.w.
Tnnoccnz Vm. Die Cyho. 187
Die Zust&nde in der Campagna forderten zu raschem einmüthi-
gen Handeln auf. AUerwärts war man gerüstet. Deifebo delF
Aoguillara benutzte die Verwirrung sich in den Besitz der einst
semem Vater gehörenden Ortschaften zu setzen, und nahm
Ronciglione, Vetralla, Giove ohne Schwertstreich. Es war
hohe Zeit ein Ende zu machen.
Am Tage nachdem das Castell endlich von den Leuten
des Grafen Girolamo ger&umt worden war, am 26. August 1484,
traten fünfundzwanzig Cardinäle ins Conclave. Sie yerstän-
digten sich zuvörderst über mehre Punkte inbetreiT der Reform
der Kirche, der Berufung des Concils, des Türkenzugs, dann
begannen sie das Wahlgeschäft. Cardinal Marco Barbo hatte
anfangs die meiste Aussicht, aber Giuliano della Rovere lenkte
die Wahl auf den Cardinal von Molfetta Giovan Batista Cybö,
welcher am 29. die Stimmen vereinigte. Es hiess dass er den
Cardinalen ansehnliche Versprechungen habe machen müssen.
•Bringt man, bemerkt der Annalist Stefano Infessura ein An-
hänger der Colonnesen, sein früheres Leben in Anschlag, den
Umstand dass er in noch jungen Jahren und Genuese ist,
dass die Vorgänge bei der Wahl weit schlimmer waren als
die im Conclave Sixtus* IV., so muss man sich auch auf
schlimmere Folgen gefasst machen. Gott gewähre ihm die
Gnade sein Leben zu bessern und gut zu regieren, was nach
dem allgemeinen ürtheil schwer zu sein scheint.«
Dennoch waren die Anfinge des neuen Pontificats besser
als das Ende des vorausgegangenen, obgleich Lmocenz VIII.
seinem Vorgänger an persönlichen Eigenschaften beiweitem
nachstand. Er stanmite von genuesischer Familie. Fabelhafte
Genealogien legen den Cybo asiatischen Ursprung bei und sie
sollen mit den Tomacelli gleichen Stammes sein, wie denn deren
Wappen dem ihrigen einverleibt ist. Doch ist nichts gewisses
über sie bekannt bis auf Aran Cybo , der im Jahre 1437 in ge-
nuesischen Urkunden als einer der Anzianen vorkommt, ob-
gleich nicht Genua sondern Rhodus sein Geburtsort war. Meist
im Königreich Neapel lebend, wo König Alfons sich seiner zu
wichtigen Auftragen bediente, war er längere Zeit Vorsitzender
der Rechnungskammer (Sommaria) dann des obersten Gerichts-
hofs der Vicaria, und unter Calixt III. im Jahre 1455 Senator
^OQ Rom , in welcher Eigenschaft er die Statuten der Wollen-
weberzunft als »Graf und genuesischer Ritter« unterzeichnete.
I
I
' I
l
I
I
t
i
188 Laterauisohe Procession.
Von seiner Gattin Teodorina de' Mari, deren Familie heute
unter Genuas Patriciergeschlechtem blüht, war ihm im Jahre
1432 Giovan Batista geboren worden, der als junger l^ann am
Hofe der Aragonesen lebte. Aus einem Liebesverhältniss, es
heisst mit einem Mädchen höhern Standes, hatte dieser, bevor
er in den geistlichen Stand trat, einen Sohn und eine Tochter —
von jenem wird noch oft die Rede sein, diese heiratete in eme
genuesische Familie hinein, deren Name Usodimare an die
Blütezeit des Handels und der SchiSFahrt der mächtigen und
reichen Republik erinnert. Giovan Batista Cybö studirte in
Padua und Rom, erhielt eine Pfründe an der Domkirche von
Capua und durch Paul ü. im Jahre 1467 das Bisthum Savona,
das er unter Sixtus IV. mit Molfetta vertauschte nach welchem
er gewöhnlich genannt wurde, nachdem er im Mai 1473 Car-
1 dinalpriester von Sta Balbina geworden war. Er war ein ge-
schäftskundiger Mann, hatte Rom als päpstlicher Statthalter
verwaltet, Legationen nicht ohne Glück vorgestanden. Am
12. September 1484 wurde Innocenz VlII. gekrönt. Er stand
, im zweiundfünfzigsten Lebensjahre.
Die schlimme Zeit hinderte nicht den Glanz der laterani-
schen Besitzei^reifung. Nach vollzogener Krönung stieg der
i Papst die Stufen hinab da wo die Pferde bereit standen; die
Botschafter und die Vornehmsten der Curie entfalteten den Bai-
dachin über ihn, welchen dann, als der Zug sich in Bewegung
setzte, römische Bürger trugen. Die von dem Cardinal von
Siena geordnete Cavalcade eröffneten die Dienstleute der Car-
dinäle und übrigen Mitglieder der Curie mit den Felleisen
ihrer Herren. Dann des Papstes Barbier und Koch mit schar-
lachenen Felleisen, die päpstliche Dienerschaft, die Gentiluo-
mini oder Ceremonieren der Curie, die Angehörigen xler Cardi-
näle, ein Diener des Papstes mit dem Schemel zum Besteigen
des Pferdes, zwölf Cursoren, dreizehn Standartenträger der
Rione, die Caporionen und zwei berittene Fahnenträger.
Nun ritt der Gonfaloniere der Stadt Gabriele de' Cesarini ein-
her auf reichgeschmücktem Ross, auf dessen Waldrappe man
das S. P^ Q. R. las. In Stahlrüstung mit einer rothseidenen
Superweste trug er das grosse Banner des römischen Volkes,
gefolgt von vier Dienern zu Fuss in Mänteln von Brocat, aof
Brust und Schultern das Monogramm der Stadt Hinter ihm
ritten Bernhard von Breidenbach Abgesandter des neuen Chur«
^
i»
\\i
Lateranische Procession. Vcrsuclie zur Herstellung des Friedens. 189
fursten* Erzbischofs yon Mainz Bertold Grafen von Henneberg,
der Procurator des teutscben Ordens als Gesandter des Hoch-
meisters Martin Truchsess yon Wetzenhausen, der Turcopolier
von Rhodus Haupt der englischen Zunge als Repräsentant des
Johanniter-Grossmeisters Pierre d'Aubusson, beide letzteren mit
den Abzeichen ihrer Orden. Der Graf von Bagno trug das
papstUche Banner. Zwölf päpstliche Stallmeister führten
weisse Zelter mit carmesinrothen Sammtdecken. Auf diese
folgten vier römische Bürger als Ehrenritter, die Kämmerer
extra cameram, die fremden Gesandten welche nicht geistlichen
Karakter hatten, die römischen Edelleute mit Ausschluss der
aus der Stadt entfernten grossen Barone, der Subdiaconus mit
dem Kreuz , zwölf päpstliche Familiären mit brennenden Wachs-
kerzen vor dem weissen Zelter auf welchem man unter einem
Baldachin die Monstranz mit der geweihten Hostie, mit dem
Sagrista und dessen Begleitern sah. Hinter dem Baldachin
gingen die römischen Bürger Batista degh Arconi und Stefano
di Francesco als Vertreter der alten Seepräfecten, die Sänger
der Kapelle, die päpstlichen Scriptoren und Consistorialadvo-
caten, die Akolythen, Kammerkleriker, Auditoren der Rota,
der lateinische Subdiaconus , der griechische Diaconus und Sub-
diaconus, die auswärtigen Aebte, Bischöfe und Erzbischöfe,
die assistirenden Bischöfe, die städtischen Aebte, die Patriar-
chen, die Cardinaldiaconen , Priester und Bischöfe. Der Cardi-
nal von Siena als erster Diaconus, zwei Cardinaldiaconen zur
Seite, ritt vor dem Papste dessen Zelter der Senator Ranieri
de* Maschi von Rimini und die Conservatoren führten. Der
Marschall oder Soldan der Curie FiUppo de* Canonici von Bo-
logna, der Decan der Rota Antonio de* Grassi, die geheimen
Kämmerer Lorenzo de* Mari und Girolamo Calagrano, der
Vicecamerlengo , die apostolischen Protonotare und einige
andere schlössen den Zug.
Der neue Papst bemühte sich im Innern und Aeussem den
Frieden wiederherzustellen. Rom war in vollständiger Anarchie.
Strengere Justiz und Aufsicht begannen einigermaassen wieder
Ordnung und Ruhe zu schaiSen. Die Versöhnung der grossen
Familien sollte diese Ruhe sichern, und Zuständen ein Ende
machen die den kläghchsten Ruin herbeizufuhren drohten. Der
Papst versuchte als Schiedsrichter die Vermittlung. Die Co-^
lonüa nahmen dieselbe an, die Orsrni weigerten sich die
190
ZerwQrfnisa mit Netpel. Die Sudt AquiU.
TerlaDgte Bürgschaft zu leisten, so dass das Friedenswerk keineo
Boden hatte. Schon im Januar 1485 kam es zu neuen UnruheD
in der nächsten Umgebung, indem auf nn falsches Gerücht
von des Papstes Tode hin die Oraini sich der Brücken über
Tiber und Anio bemächtigten und nun auch die Colonna wieder
die Castelle ihrer alten Gegner und der Freunde und VerbüD-
detea derselben, der Tuttavilla u. A. angriffen. Nemi, Genzano,
Frascati, andere Orte geriethen in die Gewalt Prosperoa und
Fabrizios Colonna, bis zu Roms Tboren wurde die Campagua
verheert, w&hrend die Conservatoren sich vergebhch mühten,
der Papst nur einen unvollkommenen Vergleich zwischen den
Colonna und Girolamo Tutta.villa zustande brachte. Diese
fortwährenden H&ndel erlangten grössere Bedeutung durch die
ernste Verwicklung in welche Innocenz mit Neapel gerieth.
Ferrant« von Aragon hatte nicht nur in der auswärtigen
Politik jenen Geist der Intrigue und Gewissenlosigkeit an den
Tag gelegt, welcher &eiUch das Erbtheil der grossen und
kleinen Souveiine seiner Zeit geworden war. Saue Herrschaft
hatte schlimmere Eigenschaften. Es war nicht blos das Be-
wusstsein seiner Illegitimit&t welches ihn stachelte sich durch
jedes Mittel zu sichern zu suchen: es war das tiefwurzelnde
Mistrauen gegen den grössern Theil des Feudaladels, im Bunde
mit dem Gelüste, die königliche Gewalt auf Kosten der Barone
zu verstärken. Oie Parteien im Adel, so alt wie die Monarchie,
mehrten einerseits seine Besoi^iss vor Kronprätendenten die
er nicht nur in Frankreich sondern selbst in Spanien argwöhnte,
während sie andrerseits seine Hoffnung steigerten sich concur-
rirender Gewalten zu entledigen. In seinem altem Sohn Alfona
fand er einen Mann der ihn in seinen schlimmsten Gesinnungen
und Entwürfen bestärkte, aber zugleich die Abneigung gegen
den Vater mehrte. Der Herzog von Calabrien, ein mittel-
mässiger Kriegsmana, vereinigte Ferrantes Untugenden mit ge-
ringerem Talent als ,dieser besass. »Nie, sagt PbiÜppe de
Commines, hat man einen grausamem, schlechtem, laster-
haftem, gemeinem Menschen gesehn.« Es ist nicht zum Ver-
wundern wenn es zum Ausbrach kiun. Der im Sommer 1485
von Alfons gemachte Versuch sich Aquilas, der unter der
Hoheit der Krone als selbständige Comune bestehenden Haupt-
stadt der Abruzzen und des vornehmsten Herrn der Stadt,
des Grafen von Montorio und der Seinigen durch mea
Kampf um Aquila. Der Baroueukrieg. 191
verr&therischen Gewaltstreicb zu bemächtigen, führte zu jenem
Abfall und Krieg der Barone welcher mit deren Ruin endete,
aber zugleich in seinen Folgen den Sturz des Thrones der
neapolitanischen Aragoneseü nach sich zog.
Die Aquilaner denen es in einem Volksaufstande ihrer
neapolitanischen Bedränger sich zu entledigen gelang, pflanzten
(las päpstliche Banner auf, sandten einen Abgeordneten nach
Rom mit der Erklärung, sie wollten furder keinen andern
Herrn als den Papst. Die in Melfi versammelten Barone thaten
ein gleiches, indem sie sich zugleich nach Venedig wandten
und um Beistand baten. Innocenz VUI. kann sich inbetreff des
Ernstes dei: Lage keiner Täuschung hingegeben haben. Sein
Entschluss war bald gefasst. Schon bevor diese Verwicklung
eintrat, hatte er sich Venedig wie Florenz genähert, wie es
heiast namentlich durch den Cardinal Giuliano della Rovere
bewogen, der grossen Einfluss auf ihn gewonnen hatte. 2u
gleicher Zeit waren Misverständnisse mit König Ferrante ein-
getreten, so wegen des Lehnzinses welchen der Papst wieder
nach alter Weise verlangte, wie wegen des eigenmächtigen
Schaltens des Königs in geistlichen Angelegenheiten. Inno-
cenz VUI. nahm erst die Aquilaner in seinen Schutz, sandte
ihnen dann durch die Colonnesen Hülfe, erklärte sich für die
Sache der Barone, verbündete sich mit Venedig welches ihm
unter Roberto da Sanseverino Truppen sandte, warb selber
Mannschaft, suchte einen Kronprätendenten in einem Enkel
König Ren^s des Guten. Ferrante hatte den Sturm zu be-
schwören gesucht, so durch Unterhandlung mit dem Papste
wie mit den Baronen. Als das Mistrauen welches er einflösste
alle Aussicht auf einen Vergleich vernichtete, begann er den
Kampf. Es ist ein elender Kampf gewesen welcher den Ver*
fall des italienischen Kriegswesens an den Tag legte. Florenz,
Mailand, die Orsinen standen dem Könige bei, der Herzog von
Calabrien drang bis zu den Mauern Roms vor, der venetia-
nische Feldhauptmann war kein Malatesta, der Herzog von
Lothringen, Throncandidat der anjou'schen Partei, wurde durch
den jungen König von Frankreich Carl VIIL , seit dem Jahre
1483 seines Vaters Ludwigs XL Nachfolger, der selbst schon
den Blick nach Neapel zu wenden begann, an der beabsich-
tigten Betheiligung gehindert
Innocenz VUI. wurde wankelmüthig; die Klagen des Volkes,
1 92 Krieg < Frieden und wieder Krieg. Der tOrkische Prinz Dschenu
die VorsteUimgeD der Cardiniüe wirkten auf ihn ein. Das Volk
litt beinahe in gleichem Maasse von Feinden und Vertheidigeni.
die in der Stadt wegnahmen was ihnen in die Hände fiel. Di«
(jesandten Maximilians von Oeatrflicb, welche sich docli in
Viterbo mit dem Sohne Sansevehnos wegen sichern Geleite
verst&ndigt hatten, wurden bei Baccano angegriffen und aus-
geplündert, so daes sie von allem entblösst zu Fusse in Rom
eintrafen. Im Februar i486 entstand in der Stadt der ärgste
Tumult , während eine orsinische Scbaar sich unter den Mauern
der Leostadt befand. Es biess wiederum der Papst sei todt;
da Terschloss man eiUg nicht nur alle Bude» sondern selbst
den capitolini sehen Palast. Man sah Cardinäle in Hast durcli
die Strassen reiten um zu ihren Wohnungen zu gelangen; in
Volk schrie aus Angst: Bär! Bär! Alles war in Auflösung.
Endlich am 12. August kam der Friede zustande unter Mit-
wirkung der Gresandten Mailands und CastUiens. Die Bedingun-
gen waren für den Papst nicht ungünstig. Der König versprftch
den Zins zu zahlen, Aquila und die Barone nicht zu bel&stdgpD.
sich unbeftigter Einmischung in die kirchUcben Angel^^nheiteu
zu enthalten. Kaum aber war ein Monat vorüber, während
dessen die Otsini nicht aufgehört hatten Rom zu beunnihigco,
so war Aquila unterworfen, die vornehmsten Barone büsstrn
Aufstand und Vertrag mit Gefangenschaft und Tod, die Hand
des Königs lastete schwerer als je auf der Kirche. Innocenz VIIl.
musBte es anhören, dass ein neapoütapiscber Gesandter den Lebo-
zins vöUig in Abrede stellte und an das künftige Concil appel-
Urte. Er erklärte Ferrant« des Thrones verlustig und knüpftf
nochmals Unterhandlungen in Frankreich an, aber alles verging
wie Staubwolken und nicht lange vor seinem Tode vertrug sieb
der Papst wiederum mit dem Könige, der seiner weltUchen und
geistlichen 'Autorität Hohn gesprochen hatte.
Diese Autorität wurde durch andere Ereignisse auf dii*
Probe gestellt. Ein Sohn Mohammeds U., Sultan Bajaiet.«
Bruder und Nebenbuhler Dschem (Zizim) welcher sich nach
Khodus geflüchtet hatte, war von dem Grossmeister Pierre
d'Aubusson dem Könige Carl VIII. übergeben, von diesem dem
Papste angeliefert worden. Am 13. März 1489 kam der Gross-
türke, wie man ihn nannte, in Rom an. Von Civitavecchia vu
er nach Ostia gesegelt und kam so den Strom herauf üf'
Papst sandte ihm ein Ross, brocatne Kleider die ihm wenig
Prinz Dschem. 193
behagten und siebenhundert Ducaten. Als er ans Land stieg,
empfingen ihn viele vom Hofe unter denen sich indess keine
Prälaten befanden , dann ritt er nach dem apostolischen Palast
zwischen Franceschetto Cybö des Papstes Sohne und dem ve-
netianischen Botschafter, denen sich bald darauf auch der
Gesandte des babylonischen Sultans beigesellte. Am folgenden
Tage empfing der Papst im Consistorium den Ankömmling, der
damals ebensowenig zu bewegen war sich den ihm vorgeschrie-
benen Ceremonien zu fügen , wie er sich nachmals dazu hergab
an der Spitze einer christhchen Expedition gegen seine Glaubens-
genossen zu kämpfen. Wie der orientaUsche Prinz aussah und
sich benahm, schildert am ausführlichsten ein an den Mark-
grafen von Mantua Güan Francesco da Gonzaga gerichteter
Brief des Malers Andrea Mantegna, welcher damals die Ka-
peUe in dem päpstUchen Gartenhause Belvedere mit Fresken
schmückte von denen noch die Rede sein wird. »Der Bruder
des Türken, so schreibt er, wohnt hier im Palast unter guter
Aufsicht. Der h. Vater verschafft ihm eine Menge verschieden-
artigen Zeitvertreibs, Jagden, Gastereien, Musik und ähnUches.
Bisweilen kommt er im neuen Palast speisen wo ich beim Malen
bin, und für einen Barbaren benimmt er sich ganz gut. Seine
Haltung ist voll stolzer Majestät; selbst in des Papstes Gegen-
wart entblösst er das Haupt nicht, so dass vor ihm alle Anderen
bedeckt bleiben. Fünfmal am Tage isst er und schläft ebenso
oft; vor dem Essen trinkt er Zuckerwasser. Sein Gang ist
der eines Elefanten, seine Bewegung zierlich gleich einer ve-
netianischen Tonne. Die Seinen loben ihn sehr und rühmen
seine Reitkunst; es ist mögUch aber ich habe ihn nie in den
Bügel steigen noch etwas zu Pferde ausführen gesehn. Die
Augen hält er oft halb geschlossen. Er ist von grausamer
Natur; vier Leute, sagt man, hat er umgebracht. Einen dieser
Tage prügelte er einen Dolmetsch so, dass man den Mann
nach dem Flusse tragen musste ihn wieder zu sich zu bringen.
Es heisst er gerathe leicht in Wuth, so dass sein Gefolge ihn
sehr fürchtet. Er kümmert sich um nichts, wie Einer der von
den Dingen nichts versteht. Er schläft angekleidet, empfangt
die Leute nach Schneiderart mit gekreuzten Beinen, trägt um
den Kopf dreissigtausend Ellen Leinwand. Seine Beinkleider
sind so weit dass er sich darin verstecken kann. Sein
V. Reamont. Rom. m. 13
194 Die h. Lauze. Üemoriliaaliou Ruins.
Ausdruck iet entsetzlich, namentlich wenn er in Zorn ge-
r&th*. Der Türke muss im Vatican eine seltsame Erschei-
nung gewesen sein. Das Ende der Geschichte war dass
Innoceoz sich mit Bajazet verständigte und dieser dem Papst«
Frieden für die Christenheit und eine jährUche Zahlung vod
40,000 Ducatea versprach, wenn er Dschem in sicherm Ver-
wahrsam halten wollte. In diesem Verwahrsam hat dann der
osmanische Prinz noch sechs Jahre lang ein elendes Lebea
hingeschleppt, auch nach Innocenz' Vlll. Tode ein G^enstuid
der Besorgnisse des Ostens, ein bereit^ehaltenes Werkzeug der
Pläne des Westens. Innocenz VlII. aber erhielt kurz vor seiDem
Tode als Merkmal der Dankbarkeit des türkischen Sultans die
h. Lanze, welche er bei ihrem Anlangen in Rom voa Porta del
popolo bis zum Vatican in feierlicher Procession trug. Hfote
eiue der rier grossen ReUquien der Peterskirche, wo die unter
dem Monument des Papstes befindliche moderne Inschrift, in
welcher die Bezeichnung Bajazets als •Turcarum Impenttor*
in >tyrannus< umgewandelt ist, des Erwerbs dieser Tropbü
gedenkt, die man vom sechsten Jahrhundert an in Constan>
tinopel bewahrt haben soll und deren Spitze Ludwig der Hei-
lige in der Sainte Chapelle niederlegte.
Kurz bevor die Reliquie in Rom eintraf, zu Ende Januars
1492, war dort die Nachricht von der Eroberung Granadu
angelangt und der Papst hatte Cbx die Befreiung des lettUn
Restes des Abendlandes von der Herrschaft des Halbmonds
durch feierlichen Gottesdienst Dank gesagt Innocenz VllL
hätte sich solcher Ereignisse mehr fireueo dürfen, wären nicht
selbst nach Herstellung des Friedens mit den Nachbara die
Zustände Rums die traurigsten gewesen. «In Rom, enihlt
Stefano Infessura wo er vom Jahre 1489 redet, geschah nichts
Gutes. Arge Diebstähle, Sacrilegien, Mordthaten folgten auf-
einander. Aus Sta Maria in Trastevere. S. Silvestro, Sta Mari>
in Via und anderen Kirchen wurden kostbare Gefasse, fieii-
quiarien und anderes geraubt. Es war leicht Nachlass der
Strafen und Gewährleistung der Sicherheit, auch ohne Ver-
einbarung mit den Familien der Opfer von Gewaltthätigkeiten.
vom Papste zu erlangen, wie es bei den Margani, Crescenii.
Del Bufalo u. A. geschah. Wer an Person und Habe Scha-
den gelitten hatte, sah sich dazu täglich neuen Drohungen
Demoralisation Roms. Virginio Orsini. 195
blosgestellt. Ich erzähle was ich aus eigner Anschauung weiss.
Die Stadt war mit Uebelthätern gefüllt. Hatte solches Gesin-
del irgendein Verbrechen begangen, so flüchtete es in die
Cardinalspaläste und hielt sich dort für sicher. Der Mord
schien eine Kleinigkeit. Auf dem Capitol fanden selten Hin-
richtungen statt, die Curie des Vicekanzlers liess wol Misse-
thäter greifen und bei Nachk aufknüpfen. Da sah man sie
denn moi^ens an Tor di Nona hangen , ohne Namen und ohne
Urtheilsspruch. So lebt man in Rom heute unter Innocenz* VUI.
Regierung. Ein Wirth bei Sta Maria Rotunda tödtete seine
beiden Töchter und einen ehemaligen Diener, der mit der jun-
gem derselben Umgang gehabt hatte. Er und sein Bruder
wurden verhaftet und ins Castell gebracht Man holte den
Nachrichter, der aber die Gefangenen schon in Freiheit gesetzt
fand. Es hiess sie hätten sich mit achthundert Ducaten gelöst :
für das Geld kaufte man keinen Acker der Hakeldama genannt
ward. Als eines Tages der Vicecamerlengo gefragt wurde
weshalb so wenig Justiz gehandhabt werde, erwiederte er in
meiner Gegenwart: Gott will nicht den Tod des Sünders,
sondern dass er zahle und lebe. Von da an bis zum Juni er-
eignete sich in der Stadt nichts was der Aufzeichnung wertli
wäre, als tägliche straflos bleibende Verwundungen, Entfüh-
rungen, Einbrüche, Mordthaten.«
Zustände dieser Art verkünden eine Demoralisation welche
Volk und Vornehme zugleich angesteckt hatte. Das päpsthche
Ansehen war tief gesunken. Die Gewaltthätigkeit der Barone
war aufs höchste gestiegen und der städtische Adel zweiten
Baoges gab ihnen hierin nichts nach. Stadt und Umgebungen
waren fortwährend in Gefahr geplündert zu werden. Virginio
Orsini, nicht nur .der mächtigste seines Geschlechts sondern
unter Sixtus und Innocenz überhaupt der mächtigste unter den
römischen Baronen, unter Sixtus meist für, unter Innocenz
gegen den Papst, schaltete wie ein Herrscher im römischen
Tuscien und versetzte Rom in anhaltende Noth. Die Fehden
der grossen Familien waren stets von Plünderung und Raub
begleitet, und da diese Familien zahlreiche Anhänger unter den
angesehenen Bürgern hatten, wurde deren Eigenthum in gleichem
Maasse verwüstet und vernichtet. Als einmal in der Nachbar-
schaft die Heerden zusammengetrieben wurden um sie hinter
13*
196 Die Curie. Franceschetto Cybo.
Roms Mauern in Sicherheit zu bringen, liess Virginio Eigen-
thümern und Magistraten sagen, sie sollten das Vieh gut be-
wachen auf dass er's vorfände, falls man ihn nicht zwingen
wolle die Besitzer mitsammt iliren Häusern zu verbrennen.
Dieser Generalcapitän König Ferrantes drohte eines Tages den
Papst in den Tiber werfen zu lassen. In des Papstes Umgebung
I sah es kaum besser aus. Die J)emoraUsation war auch hier
i eingedrungen. Die Käuflichkeit der Aemter der Curie, welche
' . gleich jener der übrigen Aemter unter Innocenz VIII. grosse
Fortschritte machte nachdem schon sein Vorgänger in dieser
Hinsicht weit gegangen war, hatte schlimme Folgen. Gewissen-
loses Volk versuchte auf eigne Hand Geschäfte zu machen und
ein förmlicher Handel mit falschen Bullen wurde organisirt
; Ein apostolischer Scriptor Domenico von Viterbo, Sohn wohl-
I I habender Leute, stand an der Spitze der weitverzweigten sau-
' bem Gesellschaft. Im Herbste 1489 wurde die Sache entdeckt
i und obgleich man sich von vielen Seiten ins Mittel legte und
• Domenicos Vater fiir dessen Befreiung fünftausend Ducaten
i . bot, befahl der Papst welcher den Scandal namenthch in
Frankreich fürchtete, die Hinrichtung der beiden vornehmsten
Schuldigen welche am 19. October. auf dem Petersplatze de-
gradirt und gehangen wurden, worauf man die Leichen auf
Campo di fiore verbrannte.
Selbst die nächste Umgebung des Papstes gab vielfaches
Aergerniss. Sein Sohn Franceschetto Cybö, wenn er den
Riari an poUtischem Ehrgeiz nachstand, war auf Geldgewinn
ebenso erpicht wie diese. Während des neapolitanischen Krie-
ges klagte Ferrante den Papst an, sein geheimer Zweck sei
Bereicherung Franceschettos. Dieser gab sich Unordnungen
hin welche dem Sohne eines Papstes doppelt schlecht an-
standen. In Gemeinschaft mit Girolamo Tuttavilla überfiel er
einmal Nachts mit einem Haufen Bewaffneter das Haus eines
i Bürgers auf Campo di fiore , dessen junge schöne und ehrbare
^ Frau zu rauben, musste jedoch da Lärm entstand mit Schimpf
und Schande abziehn. Mit Maddalena de' Medici einer Tochter
^ Lorenzos des Erlauchten verheiratet hatte er sich eines mäch-
tigen Rückhalts versichert, während die Medici diese Verbin-
dung mit den Cybo zur Ausdehnung ihrer Finanzspeculationen
und ihres Einflusses in Rom benutzten. Die im März 1489 dem
#
f
•}
Unordnungen in den höhei'en Ständen. 197
erst vierzehnjährigen zweiten Sohne Lorenzos Giovanni de'
Medici ertheilte Cardinalswürde war ein Pfand der Freund-
schaft beider Familien. Franceschetto erwarb die Herrschaft
über Anguillara und Cerveteri welche die Nachkommen der
alten Herren nicht zu behaupten vermögt hatten, die er aber
selbst später an die Orsini wieder verkaufen musste. Als er
einst im Spiel mit dem Cardinal Baflael Riario vierzehntausend
Ducaten verlor, eilte er zum Papste und klagte er sei hinters
Licht gefuhrt worden. Innocenz sandte zum Cardinal und be-
fahl ihm mit der gewonnenen Summe zu kommen. Riario
erschien, erklärte aber er habe das Geld für Maurer- und
Zimmermannsarbeit an seinem Palast bei S. Lorenzo in Damaso
ausgegeben. Als der Papst auf Forderung der Rückerstattung
bestand, verliess der Cardinal die Stadt und ging nach der
Romagna, wo im Jahre zuvor sein Oheim Graf Girolamo von
drei seiner Hauptleute ermordet worden war, dessen Wittwe
Caterina Sforza aber durch ihre Entschlossenheit ihrem Sohne
die Herrschaft gerettet hatte. Der Cardinal de La Balue verlor
an denselben Riario an einem Abende achttausend Ducaten.
3Ian lebte in Rom in beständiger Unruhe. Am 23. September
1490 entstand arger Lärm. £s hiess plötzlich der Papst
sei todt; alle Buden wurden geschlossen, Alle die in den
Vignen oder auf dem Felde waren, eilten ihre Wohnungen
wiederzuerreichen. Wirklich schien Innocenz in den letzten
Zügen zu liegen, und Franceschetto , seines Endes gewärtig,
versuchte sich des Schatzes der Kirche wie des Prinzen Dschem
zu bemächtigen , angeblich um Letztem für Geld an König Fer-
rante auszuliefern. Beides mislang. Am folgenden Tage be-
gaben die in Rom anwesenden Cardinäle sich nach dem Palast
wo der Papst in Lethargie lag. Sie nahmen ein Inventar des
Schatzes auf, den sie sehr geschmälert fanden , da Franceschetto
einen Theil desselben nach Florenz geschafft hatte. Was vor-
handen war, wurde der Obhut des Cardinais Savelli anvertraut
der mehre Tage im Palast blieb. In einer Kiste fanden sich
800,000 Ducaten, 300,000 in einer andern im Castell befind-
lichen. Der Papst erholte sich. Als er von dem Vorfall ver-
nahm, äusserte er, er hoffe diese Herren Cardinäle noch zu
beerdigen.
Zu Ende Juni 1492 war Innocenz VIII. hoffnungslos erkrankt.
198 InnoMri' VIII. Tod.
Ein jüdischer Arzt versprach ihn gesund zu machen. Du
entsetzUche Geheimmittel war ein aus dem Blut von drei Kna-
ben bereiteter Trank. Alle drei erlagen den Folgen der Operation
für welche man jedem einen Ducaten gegeben hatte. Der Jude
entfloh: des Papstes Zustand verachlimmerte sich. Der Vicc-
camerlengo der sich nicht in seiner Wohnung zu bleiben ge-
traute, verbarg sich mit seinen Leuten und seiner Habe im
Hause Lodovico Matteis, dann im päpstlichen Lustschloss Bei-
vedere im vaticanischen Garten. Zwei seiner Leute welche
Lebensmittel zu holen gegangen waren, wurden in Stücke ge-
hauen. In der Stadt gab's keine Polizei mehr; die Autorität
des Senators war verschwunden. Furchtlos gingen Banditen
umher: kaum verstrich ein Tag Tind eine Nacht ohne Mord-
tliat. Am 22. Juli begaben sich mehre Barone, auf Zureden
des Cardinais von S. Pietro in vincoli ihren Part^ihader in so
bedrängter Zeit hintansetzend, Prospero Colonna, Giovan Gior-
dano Orsini Vir^nios Sohn u. a. nebst mehren angesehenen
Büi^ern nach dem Capitol , wo sie den Conservatoren in Vor-
aussicht des Todes des Papstes ihre Dienste anboten und sich
mit ihnen einigten. Drei Tage darauf, am Abende des St Ja-
kobsfestes, starb Innocenz VIII. »Seine Seele ruhe im Frieden"
setzt der Annalist hinzu, der ein so düstres Gemälde der rö-
mischen Zustände entwirft. Kaum war er todt, so stritten der
Camerlengo und die städtischen Beamten inbetreff der Wahl
der Marschälle für die Rione, eine Wahl die nach altem Ge-
brauch der Stadt zustand, aber auf Vorschlag mehrer Büi^r
dem Camerlengo anheimgestellt wurde. >Man darf sich nicht
darüber wundem, bemerkt derselbe Annalist Stefano Infessurs,
dass das römische Gemeinwesen so machtlos ist, da die Römer
selbst um persönlicher Vortheile willen zum Schaden von Stadt
und Gemeinwesen handeln.«
Innocenz Vlll. wurde in der vaticanischen Basilika beerdigt.
Hier sieht man heute das ihm errichtete Denkmal im linken
Seitenschiffe, eins der wenigen welche aus der alten in die
neue Kirche versetzt worden sind , während so manche grössere
und schönere Werke erbarmungslos zerstückt in den vati-
caniacben Grotten zwiefach an die Vergänglichkeit mensch-
licher Dinge mahnen.
Conckve von 1492. Die Cardiiiäle Della Rovere v^d Sforza. 199
3.
BEWERBUNG UM DAS PAPSTTHÜM. ALEXANDER VI. DIE BOROL'i.
»Wenn das Leben Innocenz* VIII. , sagt Francesco Guicciar-
dini im Eingang seiner Geschichtsbucher, für das allgemeine
Beste unnütz war, war es wenigstens insoferne nützlich, in-
dem er durch den unglücklichen Versuch der Einmischung
in den Baronenkrieg abgeschreckt im Verlauf seines Ponti-
ficats den Sinn auf Kleinigkeiten richtete, statt für sich und
die Seinigen Dinge zu planen welche die Ruhe Italiens stören
konnten.«
Dies negative Lob, dessen Grund oder Ungrund dahin-
gestellt bleiben mag, war nicht auf den Nachfolger anzu-
wenden.
Am 6. August 1492 gingen dreiundzwanzig Cardinäle ins
Conclave, dessen Wache Cola Caetani und Batista Conti über-
nahmen. Der französische Botschafter Jean Villiers de La
Grolaie Abt von St. Denis wurde zum Gouverneur der Stadt
gemacht. Aufregung und Besorgniss waren gross. Man erwar-
tete Virginio Orsini mit dreihundert Reitern; er sollte in der
Wohnung des Cardinais della Rovere bei SS. Apostoli einkeh-
ren. Drei MitgUeder des h. CoUegiums traten offen als Be-
werber um das Papstthum auf. Giuhano della Rovere hatte
in den letzten Zeiten Innocenz' VIII. den weitreichendsten Ein-
fluss auf die Staatsgeschäfte ausgeübt. Als er einmal einen
mailändischen Courier aufheben und ihm seine Papiere nehmen
Hess, beklagten die Gesandten sich: Ein Papst genüge ihnen,
zwei seien zu viel. Er repräsentirte das französische Interesse ;
es hiess König Carl VIII. habe zweihunderttausend Ducaten zu
seinen Gunsten in Rom hinterlegt, Genua hunderttausend. So
ohne Umstände sprach man von Geld. Die Mitbewerber des
Neffen Sixtus' IV. waren Ascanio Maria Sforza und Rodrigo
Lenzuoli Borgia. Ascan Sforza, ein Sohn Francescos Herzogs
von Mailand, war im Frühling 1484 im Alter von dreissig
Jahren von Sixtus IV. zum Cardinaldiacon creirt worden. Er
war ein weltlich gesinnter grosser Herr in geistlichem Gewände.
Rom staunte über seinen glänzenden Hof dessen Kosten sein
200
Cardinal Rodrigo Borgia.
geistliches und weltliches Einkommen bestritt, und über die
Menge Pferde , Hunde und Falken welche der leideQBchafdiche
Jagdliebhaber unterhielt. So lange die Freundschaft zwischen
den Häusern Sforza und Aragon bestand, wurde er von bei-
den getragen, bis die politischen Wandlungen LodoTicos il
Moro ihn ganz in den Kreis der Interessen dieses ihn wüt
überschauenden Bruders zogen, der ihn in seinen Ruin ver-
wickelte.
Es währte nicht lange , so sahen Della Rovere und Sforza
sich yon dem dritten Bewerber überflügelt. Rodrigo Lenzuoli
Borgia hat zu eignem Unglück wie zu dem des Pontificats den
li. Stuhl hesti^n. Das Urthfil seiner Zeitgenossen hat ihn
nicht geschont, aber dies Urtheil ist selbst bei dem ernstesten
und gewiegtesten Histonker der ersten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts, der den römischen Hof genau kannte, nicht frei
von Leidenschaft: es ist ein Froduct und Nachklang späterer
Ereignisse und Erfahrungen, keineswegs Ausdruck und Zeug-
nisB der Stimmungen und Ansichten der Zeit in welcher die
Wahl stattfand. >Die Nebenbuhlerschaft zwischen Giuliano
della Rovere und Ascanio Sforza, sagt Francesco Gruicciardini,
verhalf Rodrigo Borgia zur höchsten Würde. Mehr noch tbst
dies der ofi'entliche Kauf vieler Stimmen durch Geld und Ver-
sprechen von Aemtern und Benefizien, welcher mit achmacli-
voller Verhöhnung evangeUscher Vorschriften getrieben wurde.
Die allgemeine Entrüstung über den schändhchen Handel war
umso grösser, weil Karakter und Verhältnisse des Erwählten
Vielen bekannt waren. König Ferrante von Neapel s^te zu
seiner Gemalin, ein Papst sei gewählt zum Unglück für ItaUen
und für die Christenheit. Sein Scharfsinn tauschte ihn nicht.
In Alexander VI,, so hiess der Gewählte, vereinigten sich un-
gewöhnliche Klugheit und Wachsamkeit, reife Ueberlegung,
wunderbare Ueberredungskunst, Gewandtheit und Fähigiieit
zur Leitung der schwierigsten Geschäfte. Aber diese seine
guten Eigenschaften standen beiwoitem den schhmmen aacb,
seinem unordentlichen Lebenswandel, seinem Mangel an Auf-
richtigkeit, Schamgefühl, Wahrheit, Treue, Glauben, Reli^oü,
seiner unersättlichen Habsucht und gleich maasslosem Ehi^i-
seiner Grausamkeit, der glühenden Begierde seine Söhne gross-
zumachen , die zahlreich waren und deren einer dem Vater im
Bösen nicht nachstand, auf dass schlimmen Vorsätzen sclilimnc
Cardinal Rodi*igo Borgia. 201
Werkzeuge nicht fehlen sollten.« Härtere Anklagen, bei An-
erkennung ungewöhnlicher Eigenschaften, lassen sich nicht in
wenig Zeilen zusammendrängen. Beinahe schwerer noch fallt
io8 Gewicht was ein anderer Florentiner, weit älter als Guic-
ciardini und mit Rom und seinem Hofe von Innocenz' VIII.
Zeit an vertraut, Lorenzos de* Medici Schwager Bemardo
Rucellai über Alexander VI. schreibt. »Itahens Unglück, sagt
er, kam von einer Seite von wo es am wenigsten hätte kom-
men sollen. Jeder schlimmen That fähig erkaufte Alexander VI.
die höchste Würde mit Gold wie auf einer Versteigerung.
Mit eignem Besitz nicht zufrieden richtete er den gierigen
Blick auf Anderer Gut; jedes Mittel war ihm genehm wo-
feme er sich und seine vielen Angehörigen bereicherte, indem
er die häusliche Unehre durch die maassloseste Begierde nach
Macht erhöhte.« Wie immer man aber über den Papst und
über die Mittel und Wege zu seiner Erhebung urtheilen möge,
so muss man sich hüten anzunehmen, als sei eine solche Mei-
nung von dem Cardinal verbreitet gewesen der aus dem Con-
clave von 1492 als Papst hervorging. Es lässt sich nicht
leugnen, dieser Cardinal galt für einen der tüchtigsten, und
man hatte Zeit gehabt ihn kennen zu lernen. Dass die
Eigenschaften eines weltlichen Herrschers bei der Wahl
die bestimmenden Motive waren , kennzeichnet die ganze
Epoche.
Rodrigo Lanzol, oder Lenzuoli nach italienischer Schreib-
art, war am Neujahrstage 1431 in Xativa bei Valencia geboren.
Seine Mutter Isabella war eine Schwester Papst CaUxtus' III.
der ihm seinen Familiennamen gab. Anfangs der Rechtswissen-
schaft obliegend , dann dem Kriegswesen sich widmend wurde
er durch die Erhebung seines Oheims, bei welcher er vierund-
zwanzig Jahre zählte, auf andere Bahnen gelenkt. Zum Bi-
schof von Valencia, dann am 18. September 1456 zum Cardi-
naldiakon von S. Niccolo in carcere ernannt, erhielt er das
einträglichste Amt der Curie, das des Vicekanzlers. Er hat
es vierunddreissig Jahre hindurch verwaltet und mit dessen
Einkünften wie mit anderen die ihm zu Theil wurden, von
Bisthümern und der Abtei Subiaco die er als Commende er-
hielt, ein ansehnUches Vermögen gebildet und mit fürstlichem
Glänze gelebt. Die Nachrichten über seinen Lebenswandel
während seines langen Cardinalats sind widersprechend. Es
204
erfolgtem Tode heiratete sie einen mantuaner Edelmann Carlo
Canale, welchen wir von 1490 an als Schreiber in der Pöniteo-
tiarie, später als Soldan oder Gefängnissvogt von Tor di Nona
iinden. Mehre Wohnungen und BesitzthQmer Vannozzas in
Rom sind bekannt, beim alten Palast der Cancellaria an
Piazza Sforza, auf dem Esquihn wo sie auch eine Vigne be-
sass; noch im Jahre 1506 war die Osteria del Leone, Tor di
Nona gegenüber, ihr Eigenthum. Ueberdies besass sie das
Castell von Bieda im Viterbesischen , dessen Signora sie sich
nannte, während sie den Namen Boi^a ihrem eignen beifügte.
Unter Alexanders VI. Regierung ist von Vannozza , die den
Papst um viele Jahre überlebte, nur ein einziges Mal, aus
Anlass eines tragischen Vorfalls in ihrer Familie die Rede.
Vier Söhne und eine Tochter waren von Rodrigo Borgia an-
erkannt. Der ält-cste, Pedro Luis, ein bei den Boi^a mehr-
mals vorkommender Name, wurde durch Verleihung Ferdinands
des KathoHschen Herzog von Gandia, starb aber jung und
liatte seinen Bruder Juan in dieser Würde zum Nachfolger.
Ceeare, Erzbischof von Valencia, wurde im September 14!ß
Cardinaldiakon von Sta Maria nuova. Für den jüngsten der
Söhne, Juffre. erlangte der Papst von König Alfons II. von
Neapel die Hand der natürlichen Tochter desselben, Sancia
von Aragon welche das Fürstenthum Squillace zur Mitgift er-
hielt, während ihrem Gemal der Titel eines Fürsten von Tri-
carico beigelegt wurde. So waren die Söhne versorgt.
Der Name der Tochter Rodrigo Borgias ist welthistorisch
geworden. Annalisten, Epigrammatiker, neuere Historiker
haben mit Ro mause hreibero und Autoren von Spektakelstücken
gewetteifert, Lucrezia Borgia als eine der verworfensten ihres
Geschlechts, als die Heldin des Dolches und Giftes danu-
stellen. Die Zeit war schlimm , der Hof war schlimm , die Bei-
spiele in der eignen Familie waren schlimm , aber Lucrezia Borgia.
wie immer sie von der fast allgemeinen Verderbniss berührt
worden sein mag, war weit entfernt solchen bösen Leumund
zu verdienen. Die ärgsten Anklagen und Erzählungen be-
ruhen auf Berichten, deren Uebertreibungen und schmubige
Bosheit die Grenze des Glaubbaren ja des Möglichen über-
schreiten, auf den Satiren einer Stadt deren Witz vonjeher
der schärfste und einschneidendste gewesen ist. Eine Mengf
Thatsachen strafen diesen Ruf Lügen. Lucrezia war sehr jung
Lucrezia Borgia. 205
mit einem spanischen Edelmann verlobt worden, aber Alexan-
der VI. machte bei seiner Erhebung das Gelöbniss rückgangig
und yermälte sie im Frühling 1493 mit Giovanni Sforza Herrn
von Pesaro dem Grossneffen Francescos Herzogs von Mailand.
Die Hochzeit fand im vaticanischen Palast statt, aber die
kinderlose Ehe wurde nachmals vom Papste gelöst und Lu-
crezia weilte längere Zeit in Rom im Dominicanerinnenkloster
8. Sisto. Wahrscheinlich walteten politische Gründe ob, da
Alexander durch die im Jahre 1498 erfolgte Verleihung ihrer
Hand an den siebzehnjährigen Alfonso d'Aragona Fürsten von
Bisceglia, König Alfons' II. natürlichen Sohn, die ihn an das
Haus Neapel knüpfenden Bande in einem bedenkUchen Moment
fester zu ziehn wünschte. Der tragische Ausgang dieser Ehe,
aus welcher im Jahre 1499 ein Sohn Rodrigo dann ein zweiter
Juan entspross, ist Lucrezia am wenigsten zur Last zu legen.
Nach ihrer Verbindung mit Alfons von Este , und nachdem sie
der römischen Atmosphäre entrückt war, ist sie von den Ver-
leumdungen die sie einst verfolgten, nicht mehr berührt wor-
den. Poetische Lobeserhebungen aus Bembos, Ariostos, Er-
cole Strozzis u. A. Munde, welche, wenn inan sie nicht streng
beim Worte nehmen will, der öffentlichen Stimme nicht ge-
radezu widersprochen haben können, vereinigen sich' mit den
Aussprüchen von Staatsmännern, Historikern, Literaten. Ein
venetianischer Botschafter nennt sie verständig und hochsinnig.
Von Fremden wurde sie nicht minder gerühmt als von ItaUe-
nern. Als nach dem Siege bei La Bastida Bayard und seine
Kampfgenossen nach Ferrara zurückkehrten, wurden sie glän-
zend empfangen. »Vor Allen, erzählt der unter dem Namen
des »Loyal Serviteur« bekannte Biograph des »Chevalier sans
peur et sans reproche« , empfing die gute Herzogin , eine Perle
auf dieser Welt, sie mit wunderbarer Freundlichkeit. Sie war
schön, gütig, sanft, gegen Jeden freundlich. Sie sprach Spa-
nisch, Italienisch, Französisch, Griechisch und etwas gutes
Latein und schrieb alle diese Sprachen. Mogte ihr Gemal
noch so sehr ein weiser und beherzter Fürst sein, nichts ist
so gewiss als dass diese Dame ihm durch die Anmuth ihres
Wesens grosse und wirkliche Dienste geleistet hat.« Lucrezia
welche bis zum Juni 1519 lebte, war bei ihrer dritten
Vermälung noch in der Blüte des Alters und von ein-
nehmenden Zügen. Pietro Bembo besang ihr goldig blondes
206 Alexanders VI. VerhSltiüss zu s. Angehörigen. Cesare Borgia.
Haar. Mit anmuthigem Aeussem und weiblichem AuBdruck
vereinigte sie einen männlichen Geist. Wenn des Vaters Vor-
liebe für sie sich mehrfach in einer Weise äusserte welche
seiner erhabenen Würde schlecht anstand, wenn der päpst-
liche Palast ja der Staat in seiner Abwesenheit unter Leitang
einer Frau blieben, so rechtfertigte sie diese Vorhebe andrer-
seits durch ihre geistigen Eigenschaften. Gewiss, der vati-
canische Palast und die Engelsburg bieten unter Alezander Yl.
und unter einem seiner berühmtesten Nachfolger ein wenig
erbauhches Bild, weist man auch manche Geschichten und
Anekdoten als gemeine Erfindungen zurück, und es ist schon
schUmm genug dass man in Rom selbst an solche Erfindungen
glaubte. Aber Lucrezia Bo^ia ist von der Mehrzahl der auf
sie gehäuften Beschuldigungen ohne weiteres freizusprechen.
Es ist Alexander VI. ergangen wie Sixtus IV. Zu einer
Stellung gelangt deren Macht nach einer Seite hin kaum Gren-
zen zu haben schien, während sie auf der andern durch die
Tradition kleinhchster Zustände beschränkt war, sah er sich
von Verwandten umgeben welche die schöne Gelegenheit zu
benutzen entschlossen waren. Seine Liebe zu seinen Ange-
hörigen artete in Schwäche aus, und die poUtischen Verwick-
lungen im Grossen wie die verworrenen , auf unsicherm Rechts-
boden beruhenden Verhältnisse im Innern des Kirchenstaats
gaben ihn in die Hand des Mannes der, mit scharfem Verstände,
mit rastloser Thätigkeit, mit unscrupulösem Ehrgeiz, mit kalter
Ueberlegung, mit Entschiedenheit des Willens begabt, und vor
keiner Perfidie noch Blutthat zurückschaudernd wenn es die
Erreichung seiner politischen Zwecke oder die Befriedigung
seiner Lüste und seiner Rachsucht galt, den Papst vöUig do-
minirt hat. Das Verhältniss Alexanders VJ. zu seinem Sohne
Cesare ergiebt sich am klarsten aus dem uns im Auszug erhal-
tenen Bericht eines venetianischen Diplomaten. Im Jahre 1500
hat Paolo Capello, von Rom heimgekehrt. Beide geschildert.
»Der Papst, sagt er, ist siebzigjährig, scheint aber mit jedem
Tage jünger zu werden. Er ist von lebendig heitrer Gemüths-
art; unerfreuliche Gedanken währen bei ihm nie über die Na<;ht
hinaus. In allem was er beginnt ist er nur auf seinen Vortheil
bedacht und alle seine Gedanken sind auf Erhöhung der Seini-
gen gerichtet. Anderes kümmert ihn nicht Geheimhalten
kann er nichts: was er weiss, weiss bald auch der ganze Hof.
Wendung der italienischen Politik. 207
Seinen Sohn Cesare furchtet er ebensosehr wie er ihn liebt.
Dieser ist siebenundzwanzig alt, gross, wohlgebaut, ein schöner
Mann. Er ist bis zur Verschwendung freigebig, womit der
Papst nicht einverstanden ist. Dieser ist selbst nicht sicher
vor seiner Gewaltthätigkeit. Unter seinem eignen Mantel er-
dolchte der Sohn seinen vertrautesten Diener (Peroto): das
Blut besprützte des Papstes Gesicht. Ganz Rom zittert vor
Cesare.« £s fragt sich freilich ob man Capello, der dem
Borgia auch den Brudermord beimisst, überall Glauben schen-
ken darf: er hatte die Dinge nur von Hörensagen , und gleich-
zeitige Berichte melden , Peroto sei im Tiber ertränkt gefunden
worden. Doch auch nach Abzug der hier gewohnten bös-
willigen Uebertreibungen bleibt übergenug den Mann zu kenn-
zeichnen, der mehr als Alexander VI. die inneren wie die
äusseren Angelegenheiten des Kirchenstaats gelenkt hat.
Die allgemeinen poHtischen Ereignisse Italiens gesellten sich
dazu das Papstthum auf eine Bahn zu verlocken , die insoferne
von den Bahnen der vorzugsweise in die Politik verwickelten
Päpste verschieden war, als das Centrum der neuen Bewegung
nicht mehr in Itahen lag. Die Epoche des Ueberwiegens des
Auslandes in Itahen hebt mit Alexander VI. an. Dies Ueber-
wiegen begann, nicht minder bezeichnend als verhängnissvoll,
in einem Moment wo ItaUens geistige Entwicklung die Nation
an die Spitze fluropas stellte, ihr Einfluss, gut und übel, do-
minirend ward, einer ihrer Söhne eine neue Welt erschloss,
das Papstthum auch über die kirchhchen Kreise hinaus als
höchste Autorität angerufen ward. Die Contraste zwischen
dieser Herrschaft und den nun in rascher Folge sich ent-
wickelnden Zuständen politischer Unfreiheit konnten nicht
schärfer sein. Viertehalb Jahrhunderte italienischer Geschichte
sind dadurch bedingt worden.
Wenn die Halbinsel das Mittelalter hindurch fremden Ein-
flüssen mehr als ein anderes Land zugängtich gewesen ist, so
hatte doch im Verlauf des fünfzehnten Jahrhunderts ein Staaten-
system sich gebildet, welches, wenn es in seiner übermässi-
gen Zerstücklung und daraus hervorgehenden eifersüchtigea
Schiväche zur Bewahrung innern Friedens wenig zu leisten im
Stande war, endUch eine Art Waffenstillstand und ein gewisses
Gleichgewicht herbeiführte. Venedig, Mailand, Florenz, der
Kirchenstaat, Neapel waren die Staaten die liiebei wesentlich
Die itAlicni scheu Staaton u
I das Jalir 1493.
in Betracht kamen. Aber Venedig ausgenommen, welches, im
Osten von der türkischen Macht momentan minder bedroht,
im Innern ruhig, sich in Oberitahen melinindmehr ausdehnte,
trugen diese Staaten gefährliche Keime der Schwäche in sieb.
Mailand hatte seit Francesco Sforzas Tode beständige Rück-
schritte gemacht, um so bedenklicher je grösser der Unfriede
im regierenden Hause war. In Florenz hatte der Sieg dei
Demokratie zur Herrschaft einer Familie gefuhrt, welche, ohuf
positives Recht und ohne feste Form, nur so lange eine Ga-
rantie der Stetigkeit bot als ein ungewöhnlich begabter uod
gewiegter Mann an der Spitze stand, aber von* dem am 8. April
1492 erfolgten Tode Lorenzos de' Medici an allen WecbBelu
preisgegeben war. In den 'Provinzen des Kirchenstaats fand
meist das umgekehrte Verbältniss von Florenz statt, indem die
souveräne Autorität wesentlich eine blos nominelle wi^ die
sich mit einer Menge kleiner Gewalthaber abfinden musste.
Das Königreich Neapel war ein Fe'udalstaat, wo eine von eintm
so scharfsinnigen wie gewissenlosen Herrscher decimirte aber
nicht bezwungene Aristokratie mit umso grösserer Ungeduld
des Moments der Rache harrte, da der Thronfolger ilir wo
mögUch noch verhasster war als Der welcher das Soepter
trug. Die Insel Sicihen bildete' längst einen Theil eines frem-
den Reiches.
So waren die inneren Verhältniese der Staaten der H»lb-
insel, als die Verwicklungen eintraten welche ihrer nationsleo
Gestaltung den Untergang gebracht haben. Die ursprüngliclieu
Anlässe dieser Verwicklungen liegen in weiter Feme; seit dem
Unte^ang der Hohenstaufen haben sich ihre Spuren wie eine
schleichende Krankheit durch zwei Jahrhunderte hingezogen'
Die nächsten Ursachen waren Aller Augen so offenbar, das»
man gewöhnlich diese allein beachtet bat. Der gewissenlose
Ehrgeiz Lodovico Sforzas Herzogs von Bari, jungem Sohn«
Francesco Sforzas, der die für seinen Neffen Gian GaleaM"
den Sohn des ermordeten Galeazzo Maria geführte Regentscbsli
Die ital. Staaten um das J. 1492. Carl VIII. von Frankreich. 209
mit Ausschluss desselben und seiner Kinder in eigne Herr-
schaft umzuwandeln strebte und für diese Absicht bei dem
römischen Könige Maximilian, der am 19. August 1493 seinem
Vater Kaiser Friedrich III. nachfolgte, geneigtes Gehör fand,
legte den Grund zu dem Zerwürfniss zwischen Mailand und
Neapel, welches Italien den Fremden preisgegeben hat. König
Ferrante gerieth nicht blos wegen seiner Enkelin Isabella,
Gian Galeazzos Gemahn, in Zwist mit Lodovico il Moro. Die
verschlungenen Fäden der FoHtik dieses ewig ruhelosen Mo-
narchen zogen sich durch ganz Italien, dessen Staatensystem
niemals geringere Gewähr der Stabilität leistete, als in dem
Moment wo festes Zusammenhalten nothgethan hätte. Alexan-
der VI. verfolgte nur zunächstUegende Pläne wie sie ihm frei-
hch von seinen beiden letzten Vorgängern überkommen waren.
Er wollte zu Hause möglichst Herr sein und die Seinigen gross
machen. Alles Andere stand fiir ihn in zweiter Linie. Als
Ferrante ihn zu dominiren suchte indem er die mächtigsten
romischen Barone, nicht die Orsinen blos sondern auch die
Colonna von Paliano an sein Interesse kettete, was zugleich
die Beziehungen von Florenz, unter dem mit den Orsinen ver-
schwägerten Piero de' Medici, Lorenzos Sohne, zu Mailand
ganzUch änderte , hatte Alexander VI. , von leichtbegreiflichem
]^Iistrauen gegen den intriganten Nachbar erfüllt, sich in ein
Bündniss mit Lodovico und den Venetianern eingelassen. Durch
Verheissungen zu Gunsten der Borgia gewonnen hatte er sich
dann Ferrante wieder genähert. Nicht minder grosse Unsicher-
heit herrschte in der PoUtik der Venetianer, welche weder dem
Papste noch ihrem mailändischen Nachbar trauten und ebenso
geringes Vertrauen weckten. Die kleineren Staaten hatten keine
Selbständigkeit, Kleine und Grosse aber waren gleich unzuver-
lässig in Freundschaft und Feindschaft. Wo auf die Einzelnen
nicht zu zählen war, leisteten Bundnisse keine Gewähr. Das
Land befand sich in einer Lage, die einem auswärtigen Fürsten
die Mittel an die Hand gab, seiner politischen Unabhängigkeit
auf Jahrhunderte ein Ende zu machen.
Dieser Fürst war Carl VIH. König von Frankreich. Am
30. August 1483 war der Dreizehnjährige seinem Vater Ludwig XI.
gefolgt; seine Schwester Anne de Beaujeu führte sieben Jahre
lang die Verwaltung mit kräftiger Hand, bis der junge König
si<* selbst übernahm und durch seine Heirat mit Anna von
V. Reuaout, Rom. III. J^
210 CktIVUI. von Fruüueldi. Gesandiscliifl Lodovlco Sfoiiu.
Bretagne das letzt« grosse Lehn ui die Rrooe brachte. Carl VQL,
kleiD und schwächlich, mit dickem Kopf und dünnen Beioeo,
machte keinen gunstigen Eindruck. »Der König, schrieb im
Jahre 1492 der venetianische Botschafter Zaccaria Contarini,
ist ärmlich in der Erscheinung, bässlich von Gesicht, mit
grossen glanzlosen Augen die eher wenig als viel sehn, mit
übermässig starker Adlernase, mit dicken Lippen die er ateU
geößhet hält. Er macht fortwährend mit der Hand hässlicke
krampfhafte Beweguugen und ist schleppend in der Red«.
Meiner Meinung nach die icdess leicht eine falsche sein könnte,
halte ich für gewiss quod de corpore et de ingenio parum
yaleatt Aber derselbe Botschafter fügt hinzu, man rühme ihn
in Paris wegen seines Eifers und seiner Gewandtheit im Ball-
spiel, im Jagen und Turnieren worauf er viele Zeit verwende,
und wegen des Fleisses womit er sich Jetzt den Staatsgeschäf-
ten widme die längere Zeit in fremden Händen gewesen seiea
Dieser unscheinbare kleine Mann hatte sich Carl den Grossen
zum Vorbilde genommen und träumte von den Paladinen und
orieatalischen Unternehmungen. Als Carl VXIL durch Lodovi<:o
Sforza in die italienischen Angelegenheiten hineingezogen wurde,
hatte das französische Königshaus seinen Anspruch auf Neapel ,
längst in Bereitschaft gebalten. Ludwig XI. betrachtete sieb
als rechtmässigen König dieses Landes. Charles du Maine,
durch den letzten Willen seines Bruders König Rene vom
Jahre 1474 Titularkönig von SiciUen und Graf von Provence,
hatte im Jahre 1481 unter Ausschliessung der weibhchen auf
das Haus Lotbringen übergegangenen Erbansprüche die nif
aufgegebenen Rechte der Anjous auf das Haupt des Königs-
geschlechtes übertragen. Carls VUI. Sinnesart musste ilm
anspornen diese Rechte geltendzumachen, wäre er selbst nicbt
durch die vor König Ferrantes furchtbarer Verfolgung nwh
Frankreich geflüchteten neapolitanischen Barone anjouscber
Partei, an ihrer Spitze die Sanseverinen , zu einem Unteroeb-
men angefordert worden , welchem die alten Parteiungen im
Lande selbst Erfolg verhiessen.
So waren die Umstände als des Sforza Gesandte die Grafen
von Cajazzo und von Belgiojoso bei dem jungen Könige ein-
trafen, diesen zum Zuge gegen Neapel zu veranlassen, in dessen
Gelingen Lodovico il Moro die Sicherung seiner eignen Ent-
würfe sah, welche die Nachfolge im Heizogthum an Stelle
^
König Feirantes Tod. Alfons IL und Alexander VI. 211
seines kranken Neffen bezweckten. Lodovico hatte manches
versucht ehe er sich zu einem Schritt entschloss, über dessen
Gefahren er sich nicht tauschte. Als weder italienische Ver-
bindungen noch König Maximilian ihm eine zuverlässige Stutze
verhiessen, wandte er sich an Carl VIII. Sein Biindniss -Vor-
schlag fand hier fruchtbaren Boden. Zu Anfang des Jahres
1494 war der italienische Zug eine beschlossene Sache. Ver-
trage mit England, mit Spanien, mit MaximiUan, für Frank-
reich unvortheilhaft, sollten für die grosse Unternehmung freie
Hand gewinnen. Dies Unternehmen schien Vielen freilich ge-
wagt Das südliche Reich war stark gerüstet, die Entfernung
gross; der Marsch eines Heeres schwierig. König Ferrante war
ein Meister in der Staatskunst wie man sie damals verstand.
Da starb dieser beinahe plötzUch am 25. Januar 1494. Sein
Nachfolger Alfons 11. hatte immer für einen tüchtigen Eriegs-
mann gegolten, aber allgemeine Abneigung und Mistrauen stan-
den ihm im Wege. Bald sollte sich zeigen, in wie geringem
Maasse der neue König den Scharfsinn und die Umsicht seines
Vorgangers ersetzte.
Es musste Alfons vor allem daran liegen sein Verhaltniss
zum Papste ins Klare zu bringen. Am 13. März trafen seine Ge-
sandten in Rom ein, der Erzbischof von Neapel Alessandro Carafa,
der Marchese von Gerace, der Graf von Potonza und Antonio
d^Alessandro , welche im orsinischen Palast auf Monte Gior-
daao einkehrten, mit Ausnahme des Erzbischofs der bei seinem
Bruder Cardinal OUvieri Carafa wohnen ging. Bei dem feier-
lichen Einzug fehlten die französischen Gesandten und die
Leute des Cardinais von St Denis. Die Gesandten sollten
zweierlei erreichen, die Belehnung mit dem Reiche und ein
Bündniss zwischen Neapel und dem Papste. Geldanerbieten
und Versprechungen zu Gunsten der Söhne des Papstes waren
bei diesem der vornehmste Köder. Auch Rücksichten anderer
Art bewogen Alexander VI. sich mit dem Könige zu verstan-
digen. In seiner unmittelbaren Nähe fohlte er sich nicht sicher.
Den Baronen mistraute er. Ebenso gering war sein Vertrauen
zum Cardinal Sforza, welcher seinen Einfluss wie seine Mittel
daran setzte, Alexander VL zu einem Verständniss mit seinem
Bruder Lodovico zu bestimmen oder zu nöthigen. Die grösste
Besorgniss aber flösste dem Papste der Cardinal della Rovere
ein, dessen Feindseligkeit sich nie verleugnet hatte. Griuliano
14'
212
Alexaiidci's VI. liüiidiiisK itih Keapcl und Floiviiz.
hatte Rom verlassea, sich erst in seiaer Veste Ostia einge-
schlössen, dann eine Brigantine bestiegen die ihn nach seiner
Vaterstadt Savoaa brachte, von wo er sich nach Avignon dann
zu Carl VUI. begab. Noch war der Bruch zwischen ihm und
dem Papste nicht erklärt, aber Alexander VI. wusste zu gut
wessen er sich zu GiuUanos Gesinnung zu versehen hatte, um
nicht auf seiner Hut zu sein. Virg^io Orsini, der bei den
Unterhandlungen mit Neapel zugegen war, nahm es auf sich
in Alfons' Namen die Ausheferuog Ostias an den Papst zu ver-
sprechen; mit Grottaferrata, welches sich auch für den Car-
dinal hielt, ho&te man leicht fertig xu werden.
So standen die Dinge als im Frühling 1494 eine fraozö-
sische Gesandtschaft, bei welcher des Königs einflussreichster
Rath Guillaume Bri^onnet Bischof von St. Malo und der Sire
d'Aubigny Robert Stuart sich befanden, in Rom anlangte. Sie
waren erst in Venedig dann in Florenz gewesen, ohne ihren
Zweck, diese Staaten in das französische BOndniss zu ziehn,
erreicht zu haben. Venedig beharrte bei der Politik der freien
Hand, Florenz hatte sich mit Neapel verständigt. Alexander VI.
wies den Antrf^, den König mit Neapel zu belehnen zurücl:
ohne feierlichen Urtheilsprucji , erklärte er, könne die von ver-
schiedenen seiner Vorgänger dem Hause Art^on verliebe oe
Investitur nicht aufgehoben werden. Schon war alles für die
Krönung Alfons' II. vjibereitet welche am 7. Mai durch den
päpstliclien Legaten Cardinal von Monreale vollzogen ward.
Mit den schon erwähnten Bewilligungen für Juan und JufiW
Borgia ging die Verleihung reicher Benefizien an Cesare Hand
in Hand. Zugleich aber galt es nun die Rüstungen zu be-
schleunigen, dem er\varteten Angriff zu begegnen, der lu
Lande wie zur See stattfinden konnte. Des Königs ält«ater
Sohn Ferrandino Herzog von Calabrien sollte mit dem Haupt-
heere in die Roinagna einrücken wo man der kleinen Herren
meist sicher zu sein glaubte , und wo möglich nach der Lom-
bardei vordringen, während Piero de" Medici den Franzosen die
Pässe nacli Toscana verlegen , Virginio Orsini nunmehr Gross-
connetable von Neapel und Andere mit päpsthchen und neapo-
litanischen Truppen im Anschluss an den Herzog von Calabrieo
das Patrimonium decken würden. Don Federigo d'Aragona de*
Königs Bruder lief mit der ansehnlichen neapoUtanischen Flotte
aus, die Küsten Toscanas und Liguriens zu sichern.
Caria Vlll. Feldiiig.
213
Sfflt Mitte April war Carl VIII. in Lyon. Hier war es wo
Uiuliano della Rovere ihn aus der Uoschlüssigkeit riss, welche
durch die pectmiären Schwierigkeiten ebenso gemehrt ward
wie durch des jungen Königs Hang zu Vergnügungen. Der
Cardinal von S. Pietro in vincoli ist es gewesen, der, vielmehr
aus persönUcher Abneigung gegen Alexander VI. imd die da-
malige römische Wirthschaft als aus höheren Beweggründen,
in diesem entscheidenden Moment die Pläne des Sforza unter-
stützte und den Ausschlag zu einem Unternehmen gab , mit
dessen Folgen sein eigner Pontificat zu kämpfen haben sollte,
In der zweiten Hälfte des August erfolgte der Aufbruch. In
zwei Abtheilungen ging das Heer über die Alpen; die eine
führte der König, die andere sein Vetter und Schwager Ludwig
von Orleans. Am 9. September war Carl VHI. in Asti wo Lo-
dovico il Moro ihn aufsuchte. So begann dieser unselige Feld-
zug, dessen Anlässe die schUmmsten persönlichen Motive ge-
wesen sind, dessen Et^bnisse, nahe wie ferne, keiner von
Denen ahnte die diesen Sturm heraufbeschworen. In einem
Maasse welches die kühnsten Erwartungen überstieg, begün-
stigte das Glück das französische Unternehmen. Don Federigo
hatte an der liguriscben Küste das entschiedenste Unglück.
Die blutige Kriegführung der Franzosen und namentUch der
Schweizersöldner, eine Kriegführung an die man in Italien
nicht mehr gewohnt war, versetzte Alles in lebhaftesten
Schrecken. Dies war nur der Anfang: es sollte bald schhm-
mer kommen. Der Ausführung des für den Herzog von Cala-
brien entworfenen Kri^gsplans stellten sieb unübersteigliclie
Hindernisse in. den Weg. In dem Augenblick als die Franzosen
unter dem Befehl Gilberts de Montpensier von der Lombardei
auB gegen die Romagna vordrangen, begann die Parteiung unter
den römischen Baronen. Fabrizio und Prospero Colonna er-
klärten sich für Frankreich. Ihre Beziehungen zum Cardinal
della Rovere hatten schon früher zu Misverhältnissen geführt,
denen ein zeitweiliges Abkommen mit dem Papste nicht abge-
holfen hatte. Von ungleich grösserm Einfluss aber war ein
anderes Erelgniss. Piero de* Medici hatte Florenz in das auti-
frauzösische Bündniss hineingezogen. Die einfachste Conse-
quenz wäre nun gewesen den Franzosen die Gebirgspässe der
Lunigiana zu verlegen, aber es geschah nicht. Als der König
unbehelligt auf der Südseite der Apenninen angelangt war,
r
214 Carl Vin. in Floreni. Schwanken Alexanders VI.
Toscana ihm offen stand, war Fiero ine Lager bei Sanana m
ibm geeilt, hatte durch die franzÖBische Macht eischreckt eigen-
nt&chtig einea Vertrag geschloseeo der den Franzosen die floren-
tiniachen Festungen in die Hand gab , dadurch in seiner Vater-
stadt eine Umwülzung herbeigeführt die ihn und seine Brüder
ins Exil trieb. Am 17. November war Carl VIII. in Florenz.
Seine übermässigen Forderungen wurden zurückgewiesen, aber
die Republik vertrug sich mit Frankreich.
Die Nachricht von den florenünischen Ereignissen traf in
Rom zugleich mit der Proclamation ein, welche den bevor-
stehenden Durchzug der Franzosen durch den südlichen Theit
des Kirchenstaats verkündete, während sie den Städten und
dem Lande gute Behandlung und Bezahlung für die Lieferungen
verhiess. Des Papstes Besorgniss stieg aufs höchste. Den
bisherigen kriegerischen Vorkehrungen war die Basis entzogen.
Die VertheidiguDg der Komagna war unmöglich geworden. Der
Herzog von Calabrien und Virginio Oraini denen sich die päpst-
lichen Mannschaften angeschlossen hatten , dachten zwar eioea
Augenblick sich in Viterbo halten zu können, aber die Gefahr
auf ihrer rechten Flanke überflügelt zu werden, während der
Kernig sie von vorne angriff, schreckt« sie mehr als die Aus-
eicht auf erfolgreichen Widerstand sie ermuthigte. »Der Ftoger
Crottes, schreibt Philippe deCommines, iat darin zu erkenneo,
dase der König von Neapel der sich auf seine Kriegserfahrung
eo viel zugute that, sowie sein Sohn und die in Rom so mäch-
tigen Orsini nicht einmal den Versuch machten dem Vorrücken
des Feindes ein Hindemiss in den Weg zu legen, während
einige Tage Verzögerung vor Vit«rbo oder vor Rom den Ab-
schluss eines dem Könige Carl feindlichen Bündnisses hält*
beschleunigen können, da der Herzog von Mailand schon ebenso
schwankte wie die Venetianer." Die Gründe welche Fcrran-
dino bewogen Viterbo aufzugeben, waren zwiefacher Natur.
Die Colonnesen machten das ganze linke Tiberufer von ihren
Castellen an den Hügeln bis zu den Mauern der Stadt unsicher,
während sie durch den Besitz Ostias , das sie noch fiir den
Cardinal von S. Pietro in viucoli behaupteten, Rom den Pro-
viant abschnitten. Noch mehr aber machte den Herzog von
Calabrien der Wankelmuth des Papstes besorgt. Alexander ^1-
wollte bald den Krieg bald ein Abkommen mit den Franiosea
Zugleich rüstete er und unterhandelte mit Cardinal Sforza der
Die Franzosen im Kirchenstaate.
215
mit sicherm Geleite nach Rom gekommen war. Seine Unruhe
wurde grösser und grösser, als er von dem Abzüge des Königs
aus Florenz in Kenntniss gesetzt wutde. Die Bischöfe von
Concordia und Terni sollten einen Vergleich zwischen Carl VIIL,
dem Papste und dem Könige von Neapel zustandebringen, aber
Ersterer erwiederte, er werde nur mit dem Papste unterliandeln
an den er Louis de La Tremouiile und den ersten Präsidenten
des pariser Parlaments Guillaume de Ganay sandte. Kaum waren
diese in Rom, so besann sich der Papst wieder eines andern.
In Rom selbst glaubte er sich halten zu können. Er rief den
Herzog von Calabrien nebst den päpstlichen Truppen herbei,
lie^s alles bewegUche Eigenthum, alle Vorräthe des Palastes
imd vieles Getreide in die Engelsbürg bringen, um die man einen
breiten Graben zu ziehn begann zu welchem Zweck mehre
benachbarte Häuser eingerissen wurden. Eine Maassregel die
sich mehrmals und noch in unseren Tagen wiederholt hat, als
wiederum ein französisches Heer sich Rom näherte. Cardinal
Sforza und Prosper Colonna der mit ihm gekommen war wurden
verhaftet. Ein gleiches geschah den französischen Gesandten
durch die neapoUtanischen Truppen, aber der Papst befahl
sie sogleich in Freiheit zu setzen. Der Herzog von Calabrien
liess die Stadt an den Stellen befestigen wo der Zustand der
Mauern es nöthig machte.
Währenddessen setzte Carl VIIL seinen Zug unbehindert
fort. Von Siena aus überschritt er die Grenze des Kirchen-
staates , liess Acquapendente und Montefiascone hinter sich , er-
reichte Viterbo wo ihm auch das Castell übergeben ward, und
kam auf der Südseite des Monte Cimino in Nepi an. Hier traf
der Cardinal von Sanseverino mit neuen Vergleichsvorschlägen
des Papstes bei ihm ein. Aber auch dann war Alexander VI.
noch zu keinem festen Entschluss gekommen. Bald wollte er
sich vertheidigen, bald sich abfinden, bald die Stadt verlassen.
Thränen in den Augen hatte er die Cardinäle, auf die er zählen
zu können glaubte, ihm zu folgen verpflichtet. Diesem Schwan-
ken machte die Nachricht ein Ende, dass Virginio Orsini un-
geachtet seines Dienstverhältnisses und verwandtschaftlicher
Beziehungen zu Neapel dem französischen Könige seine Castelle
geöffiiet habe und Carl VIIL in dem festen Bracciano einge-
troffen sei. Schon war die Umgebung der Stadt in der Ge-
walt der Feinde. Cometo und Civitavecchia waren von den
216
1' Rom. Abkiniiiiicii inil dem Papste.
Franzosen besetzt; der Graf ron Ligny und Ives d'Alligre
trafen mit fünfhundert Lanzen in Ostia ein, um die Colonnesen
zii verstarken und den neapolitanischen Truppen den Weg
nacli dem Süden zu verlegen. Am 19. December erschienen
die ersten Franzosen am Monte Mario. Sie streiften bis m
ilcn Gräben des Castells und versuchten wie es heisst bei
Nachtzeit in die Leostadt zu dringen , während die Colonnesen
auf der andern Seite angreifen sollten. Aber ein Unwetter welche«
die Stromfahrt verhinderte rettete Rom aus der Gefahr. Schon
verbreitete man königliche Sendschreiben welche für den Fall,
dass kein Abkommen zwischen König und Papst geschlossen
werden und die Truppen mit Gewalt eindringen würden, den
in Rom befindlichen kaiserlichen und burgundiscben Unter-
tlianen volle Sicherheit zusagten.
Der Papst liess den Cardinal Sforza und Prosper Colonna
in Freiheit setzen und beschloss, so schwer es ihm wurde,
dem Verlangen des Königs sich zu fügen und ihn in Rom zu-
zulassen, bevor noch ein Vertrag eingegangen war. In der
Nacht nach dem Christfest trafen drei französische Abgeord-
nete ein, der Seneschal von Beaucaire, Pierre de Rohao
Marschall von Gie imd De Ganay. Sie gaben dem Papst die
Versicherung dass der König nichts als freien Durchzug ver-
lange. Der Cardinal von Monreale ging nacli Bracciano dae
Zngeständniss zu bringen. Der päpstliche Ceremonienmeister
Johannes Burcard, der Geheimschreiber Bischof von Nepi, der
Kanzler der Stadt und mehre angesehene Bürger wurden dem
Könige entgegengesandt. Sie trafen ihn bei Galera, wo die
Abgeordneten der Büi^erschaft ihm die Stadt empfahlen. Bei
Borghetto stiessen die venetianischen Gesandten zu dem Zuge,
nach ihnen der Cardinal von Benevent. Es war schon Abenil
geworden als man, am Silvestertage des Jahres 1494, das Ila-
minische Thor erreichte. In demselben Moment verliess der
Herzog von Calabrien mit seinen Truppen die Stadt durch die
Porta Appia. Französisches Geleite war ihm für das päpst-
hche Gebiet angeboten worden, aber Ferrandino hatte es mit
den Worten abgelehnt, er scheide da seine Dienste nicht mehr
erfordert seien , aber sein Degen sei ihm Sicherheit genug. Me
Orsini und ihre Partei scheinen noch im letzten Moment daran
gedacht zu haben, die Stadt gegen die Franzosen zu halten.
Sie hatten eine Menge Bewaffneter herangezogen. Gian Giordano
König CnrUVIll. Kiuzug in Rom.
217
sollte das Capitol vertheidigen , Vir^nio den Palast auf Cainpu
(U (iore, der Graf von Pitigliaoo und Andere Monte Gior-
(laao und den Palast au Piazza Navona, Jacopo de' Conti die
TUürme am Quiriual. Aber sie beschränkten äicli darauf ihre
festen Häuser besetzt zu halten: die Dinge lagen andere: als
in den Tagen Kaiser Heinrichs VII.
An der Spitze seines Heeres zog Carl VIII. in Rom ein,
mit hochgehaltenem Speer wie er in Florenz eingerückt war.
Der Zug der Truppen wälirte mehre Stunden lang. Vom Pa-
last des Cardinais von Portugal an der Ecke des Platzes von
S. Lorenzo in Lucina an brannten Feuer längs der Strasse und
waren fast alle Häuser erleuchtet; das Volk rief: Frankreich!
Colonna! Viocoli! Das Heer war in mehre Corps getheilt
worden welche sich der verschiedenen Quartiere der Stadt
versichern sollten. Louis de La Tremouille, wie einst im
Kriege gegen die Bretagne so bei diesem Zuge stets voran als
Feldherr wie durch persönliche Bravour, führte funfzehnhun-
rlert Mann nach dem Palast von San Marco der zu des Königs
Au&ahme bestimmt war, so seines ümfangs wegen wie weil
er in der Nähe der colonnaschen Wohnungen lag. Mit einer
j;leicli starken Schaar besetzte De Ligny Kirche und Kloster
von S. Pietro in vincoli mit dem daranstossenden Palast Giu-
lianos della Rovere. Der Bailli von Dijon und der Graf .von
Tajazzo zogen mit sechstausend Schweizern und fünfhundert
Reitern nach dem Palast Ascanio Sforzas. Von gleicher Stärke
waren die Haufen mit denen der Marschall von Gie den Monte
Je' Savelli und die Zugänge zum Flusse, Ives d'Alligre die colon-
naschen Paläste besetzten. Italienische Schaaren versicher-
ten sich anderer Punkte, so die Leute der Annibaldi von Mo-
lara des Aventin, die der Sanseveriner des Palastes Capranica.
Der Rest der Truppen unter dem Senescbal von Beaucaire
besetzte das Marsfeld um Piazza Saut' Apollinare, wo der Pa-
last Cardinal d'Estoutevilles zum Hauptquartier ward. Um die
zweite Stunde der Nacht erreichte Carl den Palast von S.
Marco. Am folgenden Tage besuchten ihn die meisten Cardi-
uäle welche, so heisst es, mit geringen Ehrenbezeugungen von
ihm empfangen wurden. Melire von ihnen, Della Rovere,
Sforza, Colonna und Savello, sollen in den König gedrun-
gen sein zur Absetzung Alexanders \1. die Hand zu bieten: ein
Ansinnen weichem Carl VIII. wohKveishch keine Folge leistete.
I|i
r
218
Vertrag zwischen Alexander VI. und Carl Vlll.
Der Papst war im vaticanischen Palast geblieben und als-
bald begannen die Unterhandlungen. Als sie geringen Fort-
gang hatten, zog Alexander sich am 6. Januar 1495 in das Castell
zurück wohin ihm nur zwei Cardinäle Orsini und Carafa folgten.
Der König verläogte die Uebergabe der Burg welche der Papst
verweigerte; zweimal wurden die schweren Bombarden aus dem
Palast von S. Marco geholt um die Beschiessung zu beginnen.
Aber es lag nicht in des Einen Absicht den Widerstand zum
äussersten zu treiben, ni(;ht in des Andern Willen das Ziel des
ganzen Kriegszugs, Neapel, in zu weite Feme zu schieben.
Die Stadt war mit einer wüsten Soldateska gefüllt, und wenn
die Führer die ärgsten Unordnungen verhüteten, hielten sie
doch nur geringe Mannszucht. Selbst die Portiken und Gänge
von Kirchen und Klöstern waren mit trinkenden und spielenden
Soldaten und lüderlichen Weibern gefüllt. An Lärm und Ge-
fahren fehlte es nicht. Von Monte Giordano aus überfiel der
Graf von PitigUano mit dreihundert der Seinigen bei Nachtzeit
Sant' ApoUinare und tödtete eine Menge Franzosen. Die Leute
der Sanseveriner kamen diesen zu Hülfe, das niedere Volk ge-
sellte sich ihnen zu; vom Schlagen gings zum Rauben und
Plündern. Der Tumult währte bis tief in den Tag hinein; der
König gab Befehl zum Angrifi* auf Monte Giordano und das
Castell. Der erschrockene Papst sandte den Cardinal Carafa
zu Carl VIII. mit der Betheuerung, dass er um den orsinischen
Plan nicht gewusst habe, und dieser liess sich beschwich-
tigen.
Endlich kam am 15. Januar der Vertrag zustande. Er
stipulirte die Investitur von Neapel, die einstweilige Ueber-
gabe der Vesten von Spoleto, Civitavecchia und Terracina,
die Sicherstellung der Cardinäle französischer Partei, die Aus-
lieferung Dschems dessen der König sich bei einem beabsich-
tigten Kreuzzuge zu bedienen gedachte. Besondere Bestim-
mungen betrafen die französischen Parteigänger. Der Papst
versprach Allen zu vergeben die sich dem Könige geneigt er-
wiesen und ihm Orte wie Acquapendente, Montefiascone, ^i-
terbo geöflnet hatten, die in Ungnade gefallenen Cardinäle zu
restituiren und sie von dem ihnen abgenommenen Versprechen,
ohne päpstliche Erlaubniss Rom nicht zu verlassen, zu ent-
binden, den Colonna, Orsini, Savelli, Conti, Vitelli, Girolamo
Tuttavilla zu verzeihen, den Cardinal Colonna zum Legaten
k
CtrIsVni. Aufenthth in Rom Abzug nach Neapel. 219
für Campanien und Marittima, vom Könige bezeichnete Prä-
lat«ii zu Gorematorea im Patrimouium und in der Mark, in
gleicher Weise einen Commandanten von Cesena zu bestellen,
den Präfecten von Rom wieder zu Gnaden anzunehmen, dem
C&rdinal della Rovere die Legation Arignon, dem Cardinal
Savello die ron Umbrien wiederzugeben, die Rückgabe dea
Cutella von Ostia an erstem nach Beendigung des Feidzugs
zu geaehmigen. Cardinal Cesare Borgia sollte den König als
päpstbcher Legat begleiten. Am 16. Januar kehrte Alezan-
der in den Patast zurück wo Carl VIII. ihn aufsuchte. Im
(■arten trafen sie zusammen ohne das gewohnte Cetemooiel,
indem der Papst den König umarmte, Beide unbedeckten
Hauptes. An den n&chsten Tagen folgten kirchliche Ceremo-
nien, die Unterzeichnung des Vertrags, die Huldigung fiir
Neapel, die Auslieferung Dschems, die Cardinalacreirungen
des Bischofs tod St. Malö und des Bischofs von-Mans Phi-
lippe de Luzembonrg. Während des Aufenthalts des Königs
in Rom war die Justizpflege in den Händen seiner Beamten,
welche auf Campo di fiore wie auf dem Platz im Ghetto Galgen
errichtet hatten.
Carl VIII. blieb vier Wochen in der Stadt. Am 29. Januar
war sein Heer marschfertig. In voller Rüstung zog er zum
V'atican vom Papste Abschied zu nehmen, dann ritt er mit
dem Cardinal Borgia gen Marino. Die Cardinäle della Rovere,
Colonna und Savelli folgten ihm, bald darauf der Cardinal von
Gurk und der türkische Prinz. Im colonnaschen Palast zu
Marino erhielt der König am Abende die Nachricht der Thron-
entsagung Alfons' n. (Jeber Velletri, von wo der Cardinal
Borgia als Stallknecht verkleidet entfloh, gings nach Valmon-
tone; Montefortino und Monte San Giovanni welche den Conti
und dem Marchese di Pescara gehörten, wurden erstürmt: et>
war der einzige Widerstand auf den die Franzosen atiessen.
Der Pass von Ceprano ward von den Neapolitanern geräumt.
Schon waren die Abruzzen in vollem Aufstand. Bevor der
König Rom verliess, hatte Aquila das französische Banner auf-
gepflanzt, Fabrizio Colonna Taghacozzo und Alba besetzt,
leberall achlugen die Flammen des Hasses empor welchen
Ferrantes und seines Sohnes hinterlistige Tyrannei angezündet
hatte. Alfons, von seinem bösen Gewissen getrieben, war in
grÖBSter Haet nach Sicilien geflohen. Der junge König Ferran-
r
220
Carl VIII. In Nrapcl. It allen ixHieN BQndnm.
diQo vermogte weder Capua noch die Hauptstadt zu lialten.
AiQ 22. Februar zog Carl VIll. in Neapel ein. Die FraazoseD.
■sagte Alexander VI. , sind mit HoUsporen gekommen und haben
keine andere Mühe gehabt, als gleich Fourieren die Thüren
der Quartiere mit Kreide zu bezeichnen. >Unaere häusliche
Zwietracht, sagt Francesco Guicciardini , indem eie den viel-
gerühmten Scharfsinn unserer Herrscher umnebelte, bat einen
schönen und mächtigen Theil Italiens in fremde Hand gegebeu,
zu Schimpf und Hohn des italienischen Kriegswesens, zu Aller
Schande und Schaden.« Der llorentinische Historiker, wenn
er etwas tiefer in die Zustände des italienischen Südens ge-
blickt hätte, würde jedoch in gleichem Maasse wie die häu.«-
liche Zwietracht die seit lange verrotteten Verhältnisse diese«
Reichs angeklagt haben, wo zwei Könige, von denen in Jahres-
frist der eine gestorben der andere entflohen war, die letzten
rechtlichen und moralischen Grundlagen des Staates zum Besten
der Tyrannis zerstört hatten, die dann beim ersteu Anlauf,
Gewalt gegen Gewalt gestellt, zusammenbrechen musste.
Kaum waren die Franzosen in Neapel , so wurde das Büiid-
niss geschlossen welches ihnen ihre Eroberungen zu entreissen.
wo möglich ihnen den Rückweg abzuschneiden zum Zweck
hatte. Derselbe Lodovico Sforza der sie gerufen, nun durch
kaiserliche Investitur Herzog von Mailand, einigte sich mit
Venedig; Maximilian und Ferdinand der KathoUsche schlössen
sich an; der Papst, während er Carl VUI. die goldene Böse
sandte und inbetreff der Investitur mit ihm unterhaadelte, war
auf dem Wege ein gleiches zu thun. Schon war eine starte
spanische Flotte an Sicihens Küste gelandet, eine Expedition
des flüchtigen Ferrandino zu unterstützen. Der franzöeiBcbe
König war schon ungeduldig in sein Reich zurückzukehre n-
Während er den grössten Theil seines Heeres unter Gilbert
de Hontpensier und d'Auhigny in Neapel zurückliess, dessen
Krone ihm am 12. Mai aufgesetzt wurde, trat er acht Ta^
später mit neuntausend Mann den Rückzug an. Am 1. Juni
war er in Rom. Er hatte den Papst von seinem Kommen he-
nachrichtigt und neue Unterhandlungen in Aussicht gestellt
Eine Zeitlang schien Alexander Vi. willens sich mit dem Köniire
zu verständigen, aber endlich trug der Verdacht den er ge^n
diesen hegte, vom Zureden der Verbündeten unterstützt den
Sieg davon. Am 30. Mai verliess er Rom mit den Cardinälcn
Rürkiug der Fmiiioscu. Sc'lilni-Iit lici Fonio'
221
uQd Curialen und zahlreichem KriegBvolb und begab sich nach
Orvieto. Im Caatell lag hinreichende Besatzung; der Cardinal
voD Sant' Anastasia John Morton Erzbischof von Cauterbury
blieb in der Stadt, dea König zu empfangen und ihm den vati-
canischea Palast zur Wohnung anzubieten. Carl nahm das
Anerbieten nicht an und verweilte nur vierundzwanzig Stunden
in Rom, ron wo er nach Toscana weiter zog. Als er sich
Viterbo mberte, begab sich der Papst nach Perugia in der
Absicht sich immer weiter zu entfernen, aber der König hatte
niclit die geringste Absicht ihn zu belästigen. Ueber Siena
und Pisa schlug er die ober Pontremoli nach Parma führende
alte Heerstrasse ein in der Absicht die Bavoyischen Alpen zu
erreichen.
Da war es wo er, nachdem er den Apennin überstiegen,
im Thale des Taro, wo das Gebii^ sich gegen die parmesa-
niscbe Ebne zu abflacht, durch das von dem Markgrafen von
Mantua Francesco Gonzaga befehligte viermal stärkere Heer
der Verbündeten den Weg versperrt sah. Die Schlacht bei
Fomovo am 6. Juli 1495 hat nicht über eine Viertelstunde ge-
dauert wenn wir Phihppe de Commines , eine Stunde wenn wir
l'raacesco Guicciardini Glauben schenken welcher berichtet,
»eit langer Zeit sei dies die erste Schlacht in Italien gewesen,
in der man mit ernstem Blutvergiessen gekämpft habe. Drei-
tausend blieben auf italienischer Seite, unter ihnen Ranuccio
da Famese und Bemardino da Montone Braccioa Enkel, wäh-
rend der französische Verlust zweihundert Mann nicht über-
stieg. Der König, einen Moment in Lebensgefahr, erzwang im
sturmischen Anlauf den Durchgang, ohne dass der Feind ihn
ferner aufzuhalten gewagt hätte. Francesco Gonzaga liess
durch Andrea Mantegna ein Votivbild malen weiches ihn selbst
vor der Madonna knieend darstellt, und diese sogenannte Ma-
donna della Vittoria ist heute eine der Zierden der grossen
Gemäldesammlung der französischen Hauptstadt!
222
Die Birone. Urämische Fehde.
ALEXANDER VI. UND DIE BARONK CEBABS BOBQU, LUDWIG XO.
Währenddessen hatte der Kampf im Süden nicht gerastet
Ferrandino eroberte das Reich seiner Väter wieder mit spa-
niscber Hülfe, welche der iGroase Capitän« Gonaalvo de Cordovi
ihm zugeführt hatte. Alexander VI. , nach Rom zurückgekehrt
nachdem die Gefahr sich verzogen und sein Plan sich der Ge-
walt in Perugia zu bemächtigen mislungen war, trat dem Bund-
niss gegen Frankreich bei welches io Sta Maria del popolo
durch Gottesdienst gefeiert ward. Den ersten Vortheil Ton
der veränderten Lage der Dinge suchte er den Seinigen zuzu-
wenden, und wenn er diesen bisher CardinaUhüte in Heoge
ertheilt und Besitzungen im Königreich verschafft hatte, so
begann nun im Kirchenstaate jenes Treiben gegen die Barone
welches die ganze übrige Regierungszeit dieses Papstes hin-
durch gewährt hat Die Sache wurde systematisch bebriebeD:
es galt den grossen Adel zu vernichten.
Der erste Angriff war im Jahre 1496 wider die Orsioi ge-
richtet. Sie sollten es büssen sich einst mit Carl VIII. verständigt
zu haben. Während Ferrandino, indem er der mit den abzie-
henden Franzosen abgeschlossenen Convention zuwider Virginio
und andere Orsini im Castel dell' novo verhaften Hess, eigae
Unbilde an denselben rächte, diente er mehr noch dem PapsU
der sich ilirei Besitzungen zu bemächtigen trachtete. Es wai
ein regelmässiger Krieg wie der des Patiii^chen Vitellescbi
gegen die Colonnesen, aber der Herzog von Gandia und Gui-
dubaldo von Montefeltro , Herzog von Urbino , die Feld-
herren Alexanders VI. hatten weniger Glöck als der Legat
Eugens IV. Guidubaldo, seit dem Jahre 1482 Nachfolger sei-
nes tapfem und hochherzigen Vaters Federigo, sah sieb in
früher Jugend zum Werkzeug des Ehrgeizes dieser nämücUen
Borgia gebraucht die ihn nachmals in so schwere Gefahren
stürzten. Mehre orsinische Ortschaften im Patrimonium wur-
den genommen , aber das feste Bracciano widerstand mannliaft
unter der Leitung einer Frau, der Tochter Napoleon Oreinis
und Gemahn Bartolommeos d'Alviano, des nachmals berühmten
venetianischen Feldhauptmanns. Der Herzog von Gandia hatte
den orsinischen Leuten öffentlich doppelte Löhnung versprecbeo
Kim|if bei Soi-iaiio. Dei- Herzog von Gaiidii. 223
lasBCD, wenn sie deaertiiteo und Ids päpstliche Lager kämen.
Zur Antwort darauf sandte mau ihm aus Bracciauo einen Esel,
an dessen Schweif ein Schmähbrief gebunden war. D'Alviaao,
der mit den Orsinen gefangen sich aus dem neapolitanischen
Castell gerettet hatte, brachte im Verein mit Virginios Sohne
Carlo und Vitellozzo ViteUi von Cittä di Castello dem durch
Teutache und Schweizer verstärkten päpsthchen Heere bei
Soriaoo eine entscheidende Niederlage bei. Der Papst war
krank vor Aufregung und Aerger. Spanien und Venedig ver-
mittelten zwischen ihm und seinen Vasallen einen Frieden, der
für letztere vortheilbafter und ehrenvoller war als für Alexan-
(ier VI. Dieser hatte nach dem Kampfe bei Soriano in Neapel
um Beistand nachgesucht, und Gonsalvo von Cordova war vom
Könige nach Rom gesandt worden. Da der Papst ihn nicht
uiehr gegen die Orsini brauchen konnte, bediente ec sich seiner
um dem Cardinal della Rovere die Veste von Ostia zu neh-
men. Als Gonsalvo nach diesem unbedeutenden Unternehmen,
das kein Blut gekostet hatte, als Triumphator in Rom einzog,
empfing ihn der ganze papstUche Hof mit tausenden vom rö-
mischen Volke und der Papst schenkte ihm die goldene Rose.
Der Plan aus den orsinischen Besitzuogea ein borgiasches
l'ürsteothum zu schaffen war gescheitert Alexander VI. sann
auf Ersatz. Am 7. Juni 1497 erklärte er im Consistorium dass
er aus den Städten Benevent, Pontecorvo und Terracina mit
ihren Gebieten ein Herzogthum gebildet habe, womit er Juan
Boi^a Herzog von Gandia und dessen Nachkommen belehne.
Siebenundzwanzig Cardinäle waren zugegen: ein Einziger that
l^inspruch, Francesco Todeschini Piccolomini NeSe Pins' 11.
Der Herzog von Gandia sollte sich der neuen Würde nicht
lange erfreuen. Am 14. Juli speisten er und sein Bruder Cesare
nebst anderen Gästen zu Nacht bei ihrer Mutter Vannozza in
deren Vigna bei S, Pietro in viucoli. Nach beendigtem Male
bestiegen Alle ihre Maulthiere um zum apostolischen Palast
zurückzukehren. Man war bis zur Wohnung des Cardinal
Vicekanzlers, einst Palazzo Borgia, gelangt als der Herzog,
unter dem Vorgeben er wolle noch ii^endeiner Lustbarkeit
beiwohnen, sich bei seinem Bruder verabschiedete und weg-
ritt, von einem einzigen Reitknecht und einem Veriarvten be-
gleitet, der in diesem Aufzuge unerkannt zum Nachtessen ge-
kommen und schon einen ganzen Monat lang tägUcli beim
224
Mord des Herzogs von Gandia.
7
\
M
I
I 1
I
Herzoge gesehn worden war. Als sie zum Judenplatz gekom-
men waren, entliess der Herzog auch den Reitknecht mit dem
Bescheide, er solle während einer Stunde auf ihn warten,
sodann wenn er nicht zurückkehre sich nach dem Palast be-
geben. Drauf nahm er den Verlarvten hinter sich aufs Maul-
tliier und ritt weg, wohin weiss niemand. Am folgenden
Morgen setzten seine vertrauten Diener den Papst davon in
Kenntniss dass er nicht nach Hause zurückgekehrt sei. Alexan-
der war bestürzt, hoffte jedoch den Vermissten, von dem er
glaubte dass er seinen Lüsten nachgegangen sei, am Abende
erscheinen zu sehen.
Der Abend kam, kein Herzog erschien. Da gerieth der
Papst in grösste Aufregung und Hess Nachforschungen an-
stellen. Beim Spital von S. Girolamo degli Schiavoni hatte
ein Slavonier Namens Giorgio am Tiberufer ein Holzlager bei
welchem er Wache zu halten pflegte. Befragt ob er in der
vergangenen Nacht niemand erblickt, soll er zur Antwort
gegeben haben, gegen die fünfte Stunde seien zwei Männer
durch das Gässchen zur Linken des Spitals ans Ufer ge-
kommen, sich umschauend ob niemand sichtbar sei. Nach-
dem sie sich entfernt, seien zwei andere erschienen , denen auf
ein gegebenes Zeichen ein Reiter gefolgt sei, hinter sich auf
dem Schimmel einen Leichnam dessen Haupt und Arme auf
der einen, die Beine auf der andern Seite herunterhingen,
rechts und links von Leuten unterstützt. An den Rand des
Wassers gelangt hätten sie den Todten ergriffen und weit
weg in den Strom geschleudert. Auf die Frage weshalb er
dem Govematore keine Anzeige des Geschehenen gemacht
habe, erwiederte der Mann er habe in seinen Tagen wol hun-
dert Leichen zur Nachtzeit in den Strom werfen gesehn, ohne
dass sich Irgendeiner darum gekümmert habe. Nun wurden
etwa dreihundert Fischer herbeigeholt, den Tiber entlang die
Netze auszuwerfen. Gegen die Vesperzeit fand man den Her-
zog. Er war vollständig gekleidet, selbst der Mantel fehlte
nicht; in der Geldtasche befanden sich dreissig Ducaten. Von
neun Wunden hatte eine ihm die Kehle durchschnitten, die
anderen waren an Kopf, Leib und Beinen. Man legte den
Todten in eine Barke und brachte ihn nach dem Castell, wo
er in Gegenwart eines der päpstlichen Ceremonienmeister ge-
waschen und mit kriegerischer Rüstung angethan, sodann auf
k
i
Mord des Herzogs von Gandia. 225
offner Bahre liegend von seinen adeligen Dienstleuten nach
Sta Maria del popolo getragen ward, wo man ihn beisetzte.
Als der Papst vernahm sein Sohn sei todt und wie Kehricht
in den Fluss geworfen worden, schloss er sich in seiner Kam-
mer ein und weinte bitterlich« Erst viele Stunden nacher ver-
mogte der Cardinal von Segovia, sein Landsmann und früherer
Majordom, mit einigen anderen Vertrauten Einlass zu erlangen.
Aber von Mittwoch Abend bis Sonnabend früh nahm Alexan-
der VI. nicht die geringste Nahrung zu sich und legte sich bis
zum Sonntage nicht zur Ruhe nieder. Nur allmälig milderte
sich sein leidenschafthcher Schmerz. Bei Nachtzeit erschollen
in der Engelsburg furchtbare Töne, so dass der päpsthche
Hofstaat in Entsetzen gerieth. Man sagte, es sei der Geist
des Ermordeten der umgehe. Johannes Burcard, der den tra-
gischen Vorfall nebst manchen anderen schlimmen Geschich-
ten erzählt und zwischen Nachrichten von kirchlichen und
sonstigen Ceremonien, Kriegsthaten und politischen Dingen
einschiebt, sagt kein Wort über die muthmaasshchen Thäter.
In Rom aber ging das dunkle Gerücht, Cesare Borgia habe
seinen Bruder aus Eifersucht morden lassen, und die Rolle
welche der nachmahge Herzog von Välentinois spielte, hat der
furchtbaren Beschuldigung Glauben schenken lassen. Die Sache
ist jedoch völlig ungewiss wie so vieles in dieser Zeit. Nach-
richten des venetianischen Botschafters Niccolo Michiel stellten
sie ganz anders dar. Bei einem Gastmal im Hause des Cardi-
nals Sforza soll es zwischen dem Herzog von Gandia und
anderen Gästen zu Streit und ehrenrührigsten Worten gekom-
men sein. Der Herzog klagte beim Papste, der Papst ver-
langte die Auslieferung dessei^ der seinen Sohn am meisten
beleidigt hatte. Es war ein vertrauter Mann aus dem sforza-
schen Hofstaat. Der Cardinal antwortete er werde selbst im
Palast erscheinen ; der Papst sandte Boten mit Häschern, die
gegen alles Herkommen eindrangen und den Höfling ergriffen.
Ascan Maria Hess bitten mit allen Proceduren einzuhalten, bis er
selbst am folgenden Tage über den Thatbestand berichtet habe.
Als er im Vatican eintraf, war der Verhaftete gehängt; es war
em Mann von ansehnlicher Verwandtschaft Der Herzog rülimte
sich öffenthch der Rache ungeachtet der Warnung des Papstes,
er möge sich vorsehn. Der fragliche Bericht fügt nichts wei-
ter hinzu. Andere Nachrichten schreiben dem vormaligen
V. Ktumont, Koni. lU. 15
226
Kirchliche Oppositiou. Savoiiarula.
Gemal Lucrezias, dem Sforza von Pesaro, die Anstiftung der
That zu.
Das tragische Ereigniss schien auf Alexander VI. nach-
haltigen Eindruck zu machen. Ob die von ihm kundgegebene
Absicht der Entsagung seiner Würde ernstlich gemeint war,
mag dahingestellt bleiben. Dass er aber an kirchliche Refor-
men dachte, ist gewiss. Die Gährung in welche die Predigten
und Handlungen des Dominicaners Fra Girolamo Savonarola
Florenz und Toscana versetzten, der Wiederhall den dieser
bedenkliche Streit auch in des Papstes Nähe fand, das Sekten-
wesen welches in der Heimat der Hussiten nie ganz aufkörte,
lenkten Alexanders Blicke nach auswärts. Aber auch die
römischen Zustände machten i(im zu schaffen. Die Corruption
in den höchsten Ständen des Clerus war nur zu offenbar. Der
Process und die Verurtheilung des Secretärs der Breven Bar-
tolommeo Florio Erzbischofs von Cosenza wegen grossartiger
Fabrication falscher Bullen legt eine jener Pestbeulen blos,
wie sie in solchen Zeiten nicht fehlen können. Wenn der
Papst den Willen hatte solchem Unwesen zu steuern, so hatte
er darin keine glückliche Hand! Savonarolas Process und
Hinrichtung am 23. Mai 1498 haben zu den Anklagen gegen
das Papstthum beim Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderte«
nur zu reichlichen Stoff geliefert. Wenn ein Theil dieser An-
klagen insofeme ungerecht ist, als die leidenschaftliche Heftig-
keit der ilorentiner Factionen an dem tragischen Ende des
Klosterbruders von San Marco ebenso Schuld trug wie Roms
Verfahren gegen denselben, so bleibt noch genug um die^
Verfahren zu verurtheilen , das ebenso ungerecht wie impoli-
tisch war, so sehr auch Savonarola das damalige Papstthum
und Alexander VI. persönlich herausgefordert haben mogte.
Das Papstthum hat die ihm drohenden Gefahren nicht erkannt
indem es den bei seinen Forderungen kirchlicher Rq^rm m
Volksbe>^ii8stsein fussenden, PoUtisches aber und KSfchliches
vermengenden und vom Feuer seiner EinbildungsKraft über
alle vernünftigen Grenzen hinweggerissenen Volksredner und
Tribun zum Märtyrer, für Viele zum HeiUgen machte. Di«
gegen das Verderben in Rom ergriffenen Maassregehi trafen
Einzelne und schwerlich immer die Schuldigsten. Die vom
Papste bestellte Reformcouunission sah ihr Werk von Dem
vernichten der sie damit beauftragt hatte.
Neapel und Frankreich. Friedrich von Aragon. Ludwig XIT. 227
Die Thatsache ist, Alexanders VI. Gedanken waren bald
\iieder ganz der italienischen Politik und den Planen zur Er-
höhung seiner Angehörigen zugewandt. Da aus der Ehe des
Herzogs von Gandia nur ein nachgeborner Sohn blieb, der
Vater des h. Francisco Borgia dessen Tugenden und Wirksani-
keit seinen Familiennamen wieder zu Ehren gebracht haben , so
richtete der Papst anderswohin seine Blicke. Cesare Borgias
Neigungen und Lebenswandel bestimmten ihn zu anderm als
zum geistlichen Stande. Er war es , durch welchen die Grösse
des Hauses begründet werden sollte. Wenn der erste Ver-
such auf Schwierigkeiten stiess, so führten bald eintretende
Conjuncturen zu rascheren Erfolgen als Alexander hoffen
konnte. In kurzer Zeit gingen in Italien grosse Wechsel vor
sich. Neapels junger König war am 9. October 1496 ohne
Nachkommenschaft gestorben und sein Oheim Friedrich ihm
nachgefolgt. Der Papst hatte ihm die Investitur ertheilt und
Cesare zu seiner Krönung gesandt, dann aber Unterhandlungen
mit ihm angeknüpft zu dem Zwecke, diesem seinem Sohne die
Hand seiner ältesten Tochter Charlotte mit dem Fürstcnthum
Tarent zu verschaffen. Weder die Betrachtung wie wichtig es
sei sich der Freundschaft des Papstes zu versichern , noch dio
Vorstellungen des Herzogs von Mailand welcher die Gefahr
eines Bruchs mit Alexander erkannte, vermogten den König
die Bewerbung anzunehmen. Währenddessen aber hatten in
Frankreich die Dinge sich in einer Weise gestaltet welche den
Bruch doppelt geßlhrlich machten. Am 7. April 1498 starb im
Schlosse von Amboise unerwartet König Carl VIII. Sein Nach-
folger Ludwig Herzog von Orleans fügte seinem französischen
Königstitel sogleich den von Sicilien und Jerusalem wie jenen
eines Herzogs von Mailand hinzu, und gab somit klar seinen
Entschluss zu erkennen, nicht nur die Rechte der Anjous auf
Neapel sondern auch die von seiner Grossmutter Valentina
Visconti hergeleiteten auf die Lombardei geltendzumachen. Es
währte nicht lange, so setzte der neue König sich mit dem
Papste in Verbindimg. Die politischen Zwecke in Italien waren
nicht die einzigen die er dabei verfolgte. Es galt zugleich die
Lösung seiner Ehe mit Ludwigs XL Tochter Johanna, zum
Behuf neuen Ehebündnisses mit der Wittwe seines Vor-
gängers Anna von Bretagne. Eine Ehe welche alte Neigung
15*
228 Ccsai'e Büi'gia Hei-zog von Yaleutiiiois.
ihn ebenso suchen Hess wie das franzosische Interesse der
nachhaltigen Verbindung der ansehnlichsten Provinz mit der
Krone.
Alexander VI. hatte während der Regierung Carls VIII.
momentaner Irrungen ungeachtet an dem Bündniss mit dem
Hause Aragon festgehalten. Dass er sich nun von demselben
abwandte, erklärt sich nicht blos durch König Friedrichs
Weigerung der Verschwägerung, eine Weigerung die durch
die vom Könige zugegebene Verbindung Alfonsos d'Aragona
Herzogs von Bisceglia, eines natürUchen Sohns Alfons' 11., mit
Lucrezia Borgia nicht aufgewogen ward. Auch die mehnmd-
mehr sichtbare innere Schwäche des süditalischen Reiches
trug dazu bei , den Entschluss des Papstes zur Annäherung an
Frankreich zu bestimmen. Als man über die Bedingungen
einig war, legte Cesare Borgia am 13. August 1498 den Cardi-
nalspurpur ab , an dessen Stelle Ludwig XII. ihm Valence im
Dauphine mit dem Herzogstitel verlieh. Der gewesene Cardi-
nal verzichtete, so heisst es, auf funfunddreissigtausend Du-
caten Einkünfte von geistlichen Benefizien. Einen Monat später
wurde Ludwigs XII. vielj ähriger Vertrauter und erster Rath
George d'Amboise Erzbischof von Ronen mit diesem Purpur
bekleidet, und der neue Herzog überbrachte ihm den Hut als
er am 1. October nach Frankreich ging. . Cesare, »unser ge-
liebter Sohn der Herzog von Valentinois, so drückt sich der
Papst in dem Beglaubigungschreiben aus, das theuerste was
wir auf dieser Erde haben«, zog mit fürstlichem Glänze; seine
Plerde selbst waren mit Silber beschlagen. Ein königlicher
Abgesandter Louis de Villeneuve Trans , von der Familie eines
tapfern Grossmeisters von Rhodus, zog mit ihm; Giovan Gior-
dano Orsini und mehre vornehme junge Römer waren in sei-
nem Gefolge. Da die Bemühungen König Ludwigs, Friedrich
von Neapel zu einer Sinnesänderung zu bewegen fehlschlugen,
gab er Cesare eine entfernte Verwandte zur Gemalin , Charlotte
die Tochter Alains d' Albret (trafen von Dreux, Schwester Jo-
hanns Königs von Navarra. Zugleich verlieh er ihm ansehn-
liches Einkommen und das Commando von hundert Lanzen.
So begann der Herzog von Valentinois jene Laufbahn, die ihn
in wenigen Jahren dem Gipfel seiner Wünsche und kühnsten
Hoffnungen naheführte, um dann seinen Sturz um so jäher
erscheinen zu lassen.
Bund Alexander» VI. mit Ludwig XII. Die Franzosen in Mailand. 229
Das Bündniss mit dem Papste genügte dem französischen
Könige nicht zu einem Unternehmen, dessen erster Act die
Unterwerfung der Lombardei sein sollte. Derselbe Zwiespalt,
der zu jeder Zeit den Fremden die Thore Italiens erschlossen
hat, kam seinen Absichten zu Hülfe. Vergebens hatte Lodovico
il Moro sich überall nach Hülfe umgesehn. Neapel das ihm
zu helfen wünschte, war machtlos; in Toscana verzehrte der
langwierige durch das Ausland genährte Kampf zwischen Flo-
renz und Pisa die Kräfte. Andere waren neutral, noch Andere
feindhch. Im Februar 1499 sicherte ein Vertrag mit Venedig
den Franzosen den Rücken; sechs Monate später gingen sie
über die Alpen. Noch ein Monat, und der flüchtige Herzog
von Mailand suchte Schutz bei dem Gemal seiner Nichte Kaiser
Maximilian, worauf Ludwig XU. am 6. October in die Hauptstadt
der Lombardei einzog. Die Eroberung hatte nicht mehr Blut
gekostet als vier Jahre früher die von Neapel, und wenn das
schöne und fruchtbare Land von der Alpenkette zum Po mehr-
mals Herren gewechselt hat, so hat seine Abhängigkeit von
fremder Gewalt noch über ein Jahrhundert länger gewährt als
die des italischen Südens.
Alexander VI. hatte zum Gelingen der französischen Pläne
wesentlich beigetragen. £r konnte nun dem Cardinal Ascanio
Sforza, der ihm einst das Heranziehn der Fremden vorgewor-
fen hatte, nicht mehr mit der Verweisung auf dessen Bruder
den Moro antworten. Der Lohn der Unterstützung ward Cesare
Borgia zu Theil. Französische Hülfe gewann ihm ein Fürsten-
thum. Es war nicht schwer dem Unternehmen eine Färbung
zu geben, die das Interesse der Kirche da erscheinen liess wo
das Interesse einer Nepotenfamilie in erster Reihe stand. Das
Verhältniss der Städtebeherrscher in der Romagna zu ihrem
Lehnsherrn dem Papste hatte zu verschiedenen ZeiteA so oft
gewechselt und war ein so wenig fest bestimmtes und ge-
regeltes, dass es jedem Papste eine bequeme Handhabe bot,
wenn er gegen seine Vasallen einschreiten wollte. Alexander VI.
beschloss den Augenblick zu benutzen um einen Hauptschlag
auszufuhren. Nach dem Einzug in Mailand hatte Ludwig XII.
dem Herzog von Valentinois dreihundert Lanzen und vier-
tausend Schweizer zur Verfügung gestellt. In demselben Mo-
nat October erklärte der Papst die Herren von Rimini, Pesaro,
Imola, Faenza, ForU, Urbino, Camerino wegen nicht entrichteten
230 Cesaro Borgias Untemehmeii gegen die Romagna.
Lehnzinses ihrer Besitzungen für verlustig, ernannte Cesare
Borgia zum Generaicapitän der Kirche. Noch wurde die
Sentenz heimlich gehalten bis die Rüstungen vollendet waren.
Am 18. November war Cesare ohne dass man drum wusste im
Vaticau; zweitausend Reiter und viertausend Füsser waren
bereit. Nun ging man los, indem die päpstlichen Truppen
sich mit den französischen in der Romagna vereinigten.
Der erste Angriff galt den Angehörigen Sixtus' IV. Otta-
viano Riario Girolamos Sohn verlor erst die Stadt Imola dann
die Burg; gleicherw^eise erging es seiner Mutter Caterina Riario
Sforza in Forli. Am 14. Januar 1500 ihusste die kräftige Frau
das Castell übergeben. Sie wurde gefangen nach Rom gebracht j
von wo man sie später nach Florenz entliess, den Rest ihrer ^
Tage in dem Kloster zuzubringen, in welchem Frankreichs
nachmalige Köni^n Caterina de' Medici einen Theil ihrer Jugend
verlebte. Der Anfang war gelungen. Der Erfolg des Unter-
nehmens gegen die übrigen Signoren schien jedoch zweifelhaft,
als eine plötzHche Veränderung in der Lombardei alles in Frage
stellte. Zu Anfang Februar 1499 war Lodovico il Moro mit
teutschen und schweizer Truppen im Gebiet von Como er-
schienen. Am 5. gedachten Monats zog er in Mailand ein
unter dem Jubel des Volkes, auf welchem die französische
Herrschaft schwer genug gelastet hatte. Gian Giacomo Tri-
vulzio , welcher in seiner Vaterstadt für den fremden Herrscher
befehligte, hatte dieselbe geräumt und sich nach Novara zu-
rückgezogen; in kurzem war Lodovico beinahe des ganzen
Landes Herr. Die französischen Hülfsvölker des Borgia er-
hielten Befehl sich mit ihren Landsleuten in Oberitalien zu
vereinigen.
Der Herzog von Valentinois liess die Franzosen ihre Sache
verfechten so gut sie konnten. Es unterliegt kaum einem
Zweifel, dass er und der Papst die Entscheidung in der Lom-
bardei abwarten wollten bevor sie sich erklärten , in der Aus-
sicht dass der Sieger, wer immer er sein mögte, ihrer bedürfen
würde. Der Haupttheil der herzoglichen Truppen blieb in den
eroberten Städten; mit dem von Vitellozzo Vitelli geführten
Rest brach Cesare nach Rom auf. Der Papst befahl den Car-
dinälen ihm ihre Familiären entgegenzusenden; die Cardinäle
Orsini und Famese erwarteten ihn in Civita Castellana, der
Cardinal von Capua einige Millien von der Stadt. Es war am
Cesare Borgia Generalcapitän und Vemier der Kirche. 231
26. Februar. Alle fremden Gesandten waren auf den Wiesen
jenseit; der milviscben Brücke versammelt, an welcher heute
noch das Wappen mit dem Stier der Borgia an die Befesti-
gungen erinnert die unter Alexander VI. verstärkt worden
waren. Um die dreiundzwanzigste Stunde erfolgte der Einzug.
Läufer, Gascogner, Speerreiter waren mit ihren Fahnen voraus,
dann folgten zweihundert Stallmeister in schwarzem Sammt
ihre Pferde an der Hand fiihrend. Nun kam der Herzog, bis
zum Knie in schwarzem Sammtanzuge, mit einfacher goldener
Kette. Unbedeckten Hauptes empfingen ihn die Cardinäle,
während er selbst das Barett in der Hand hielt So ritt er
zwischen den Cardinälen in die Stadt ein, hinter ihm die Ge-
sandten Frankreichs , Spaniens, Englands, Venedigs, Navarras,
Neapels, Savoyens und der Florentiner, zahlreiche Pfeifer mit
dem borgiaschen Wappen schlössen sich an ; tumultuarisch
folgten die Tnippen. In diesem Aufzuge gelangte man zum
Valican wo der Papst den Herzog empfing.
Bald darauf, am vierten Sonntag der Fasten, erfolgte
dessen feierhche Installation als Generalcapitän und Venner
der Kirche. Alexander begab sich aus dem Palast nach St.
Peter, Cesare ging vor ihm her. Er trug ein Gewand von
Brocat das ihm bis zum Knie reichte; ein päpstUcher Schild-
träger folgte mit den Insignien des Venneramtes, Mantel und
Barett von Goldbrocat mit HermeUnfoesatz und Perlen. Der
Papst segnete die beiden Standarten , die der Kirche und seine
eigne, nebst dem weissen Commandostab , dann überreichte er
sie dem Herzog mit den Worten: Nimm die durch den himm-
lischen Segen geheiligten Banner, die den Feinden des christ-
lichen Volkes schreckUch sein mögen. Der Herr verleihe dir
die Gnade zu seiner Glorie und Ehre die Widersacher zu be-
kämpfen, und sicher und unversehrt zu bleiben. Hierauf über-
gab er ihm die goldene Kose. Nimm, so sprach er, die Rose
aus unsem Händen, der wir wenngleich ohne unser Verdienst
Gottes Statthalter auf Erden sind, die Rose als Sinnbild der
Freude des zwiefachen Jerusalem, der streitenden und siegen-
den Kirche. Empfange sie, geUebter Sohn, der du in den
Augen der Welt edel, mächtig, mit vieler Tugend begabt bist
und ferner durch grössere Tugend ausgezeichnet werden mögest,
wie die am Stromesufer gepflanzte Rose, welche Gnade der
Herr dir verleihen wolle in der Fülle seiner Barmherzigkeit.
232 Ende Lodovico Sforaas. Jubeljahr 1500.
Unterdessen spielte in der Lombardei der letzte Act des
Dramas in welchem den Herzog von Mailand die Vei^eltung
traf, für ihn verdient, ein Unglück für Italien. Hätte er Unter-
stützung gefunden, so würde bei der Abneigung gegen die
Franzosen die Sache eine andere Wendung haben nefamen
können. Aber nur wenige Signoren ausserhalb seines eignen
Staates hielten zu ihm. Am 10. April 1500 gerieth er, in No-
vara durch seine Schweizersöldner ausgeliefert, in die Hände
der Franzosen in deren Gefangenschaft er starb. Als die Nach-
richt von dem Geschick Lodovico il Moros in Rom anlangte,
vernahm man die ganze Nacht hindurch den Ruf: Francia,
Francia! und Bär, Bär! Auf Monte Giordano und bei den
übrigen orsinischen Wohnungen brannten Freudenfeuer. Der
Papst soll dem Boten hundert Ducaten geschenkt haben. Es
war inmitten der Feierlichkeiten des Jubiläums welches zu
Weihnachten begonnen hatte, bei welcher Gelegenheit die Via
Alessandrina der Leostadt, heute Borgo nuovo, eröffnet wurde.
Zweihunderttausend Menschen sollen am Osterfeste versammelt
gewesen sein den Segen zu empfangen. Die Ereignisse des
Jahres und die Zustände Roms waren aber weit davon entfernt
zu der geistlichen Feier zu stimmen. An Kirchenfesten fehlte
es nicht, ebensowenig an andern nichtkirchUchen. Am Jo-
liannistage fand auf dem von Schranken umschlossenen Peters-
platz eine Thierhetze statt, wobei Cesare Borgia sich durch seine
ausserordentUche Gewandtheit und Kraft auszeichnete. Sechs
Stiere tödtete er indem er sein Pferd tummelte; dem einen
schlug er mit einem Hiebe den Kopf ab. Die Sicherheit in
der Stadt war mehrfach gefährdet. Keine Nacht verging ohne
vier , fünf Mordthat^ ; Bischöfe und Prälaten waren unter den
Opfern. Am Morgen des 27. Mai sahen die Römer auf der
Engelsbrücke achtzehn am Galgen hängen, unter ihnen Ant
und Wundarzt des lateranischen Spitals die sich in der Morgen-
frühe aus Raub und Mord ein Geschäft machten. Mehr denn
alles aber machten die Ereignisse in des Papstes eigner Familie
von sich reden.
Alexanders Vorhebe für seine Tochter Lucrezia kam dem
Vertrauen gleich welches er in deren Klugheit und Geistes-
gegenwart setzte. Lucrezia war eine Macht in Rom. Sie war
Gubernatrix der Burg von Spoleto und von Nepi. Bald werden
wir sie als Herrin von Sermoneta sehn. Ihr Auftreten in der
Lucrezia Borgia. Mord dcA Herzogs von Bisceglia. 233
Stadt entsprach ihrer Stellung. Als sie im August 1499 mit
ihrem Bruder JuflPre nach Spoleto zog, trug eine Schaar Last-
thiere Kostbarkeiten und Hausgeräth; die Palastwache umgab
sie, der Govematore und zahlreiche Prälaten gaben ihr das
Geleite. Von der Loggia über dem Palastthore sah der Papst
den Aufzug. Am Neujahrstage 1500 ritt sie mit zweihundert
Edeln und Damen nach dem Lateran; Alexander VI. hatte sich
ins Casteli begeben die Cavalcade anzuschauen. Die Ehe Lu-
crezias mit Alfonso d*Aragona Herzog von BiscegUa scheint
Mishelligkeiten , nicht zwischen dem Paar, sondern infolge der
Wendung der päpstlichen Politik mit dem Papst und Cesare
herbeigeführt zu haben. Alexander VI. übertrug seine Abnei-
^ng gegen die Aragonesen auch auf seine Familienbeziehungen.
Im Sommer 1499 war Alfonso ohne Alexanders Vorwissen nach
Neapel gegangen. Am 15. JuU folgenden Jahres ereignete sich
auf dem Petersplatz ein tragischer Vorfall. Auf den Stufen
der Basilika wurde der Herzog von Bisceglia von mehren Un-
bekannten überfallen und an Kopf und Armen schwer ver-
wundet. Die Heuchler eilten die Stufen hinab , wo gegen vierzig
Reiter ihrer harrten und sich mit ihnen nach Porta Pertusa
wandten. .Der Verwundete wurde nach seiner und Lucrezias
Wohnung im Hause des Cardinais von Sta Maria in porticu bei
St. Peter gebracht; nach den Thätem scheint man nicht ge-
forscht zu haben. Seine Gemahn und seine Schwester be-
reiteten ihm eigenhändig die Speisen aus Furcht vor Gift. Der
Papst bestellte ihm sechzehn Wächter und besuchte ihn mehr-
mals; Cesare, erzählt der venetianische Botschafter, sagte un-
verholen: was bei Tage nicht geschehn ist, bleibt für den
Abend aufgespart. Am 18. August, so erzählt Johannes Bur-
card, wurde der Herzog, da er an seinen Wunden nicht ster-
ben wollte, um die erste Stunde der Nacht im Bette erdrosselt.
Man trug die Leiche nach St. Peter, wo der päpstliche Schatz-
meister Francesco Borgia Papst Calixtus' Sohn und dessen
Leute sich einfanden. Der Arzt und ein Verwachsener der
den Kranken gepflegt hatte, wurden ins Casteli gebracht je-
doch bald wieder in Freiheit gesetzt. Man wusste sehr wohl
auf wessen Anstiften die That geschehn war. Der Herzog von
Valentinois, berichtet Paolo Capello, war Abends in das Gemach
getreten wo der Verwundete sich befand, hatte Frau und Schwe-
ster entfernt und seinen Vertrauten Don Michele herbeigerufen
234 Neues Untemehmon Ccsarp Borgias gegen die Romagna.
der ihn erwürgte. Zwölf Tage später ritt die Wittwe nach
Nepi, sich von den heftigen Gemüthsbewegungen der letzten
Wochen auszuruhn. Ihr Schmerz war nicht erheuchelt; des
Papstes Liebe zu ihr scheint damals darüber erkaltet zu sein.
Solche Scenen sah das Jubeljahr 1500 in Rom. Der Papst
war während desselben in dringender Lebensgefahr infolge des
Einsturzes eines Kamins im Palaste. Am 3. November aber
erfolgte eine grosse Ueberschwemmung, so dass man nur in
Barken zum Vatican gelangen konnte. Bei Tordinona stürzten
fünf Häuser ein, mehre auf der Tiberinsel. Man benutzte den
Anlass den Aufgang zur Engelsbrücke durch Wegräumen ver-
schiedener Bauten freizulegen.
6.
CESARE BORGIA UND DIE ROHAGNA. TOD ALEXANDERS VI.
Das Unternehmen in der Romagna hatte eine Zeitlang ge-
rastet. Ein Bruch Ludwigs XII. mit den Borgia, deren ver-
dächtige Lauheit der König verklagte, hatte zwar gedroht
aber ihre Freundschaft schien nothwendig zur Ausfuhnmg der
Pläne gegen Neapel, und Ludwig unterdrückte den Groll den
er im Herzen trug. Französische Hülfe setzte den Herzog von
Valentinois in den Stand, den Krieg gegen die romagnolischen
Signoren wiederaufzunehmen. In seinem Solde standen rö-
mische Barone aus den Häusern Orsini imd SaveUi, Gian
Paolo Baglioni von Perugia, Vitellozzo Vitelli von Citta di
Castello, andere Hauptleute, denen das Geschick der Herren
der Romagna einen Spiegel für die Erkenntniss der eignen Zu-
kunft hinhielt, die aber, durch das französische Biindniss ge-
schreckt, im Anschluss an den beargwöhnten Feind geringere
Gefahr zu finden glaubten als im Widerstreben. Die Sfona
von Pesaro, die Malatesten von Rimini, die Manfredi von Faenza
fielen. Am 26. April 1501 langte die Nachricht von der Ein-
nahme Faenzas in Rom an, wo sie durch Freudenschüsse und
Feuer gefeiert wurde. Der siebzehnjährige Astorre Manfredi
hatte das Castell lange gegen eine überlegene Artillerie Ter-
theidigt und, als er zur Capitulation genöthigt ward, die Sicher-
heit der Einwohner, seine eigne Freiheit ausbedungen. Nach
Cesare Borgia Herzog von Romagna. K. Friedrich von Neapel. 235
Rom gefuhrt und in der Engelsburg eingesperrt, ward er hier
erdrosselt und seine Leiche verschwand im Tiber. Eine im
vorhergehenden September stattgefundene Ernennung von zehn
Kardinälen hatte des Papstes Uebergewicht im h. CoUegiura
noch verstärkt. So fand dieser keinen Widerstand, als er Ce-
sare Borgia zum Herzog von Romagna zu erheben beschloss.
Die eroberten .Städte und Territorien Imola, Forli, Rimini,
Pesaro, Faenza nebst Cesena bildeten das neue Herzogthum.
In Rom fanden die überschwängliehsten Freudenbezeugungen
statt und die Namen Alexander und Cäsar boten Anlass zu
einer Menge poetischer Comphmente und Lobeserhebungen,
mit derselben erfindungsreichen Leichtigkeit und beredten Suade
mit der man sie nachmals durch den Roth schleppte.
Die Eroberung der eigentlichen Romagna war vollendet.
Aber die Entwürfe des neuen Herzogs nahmen hohem Flug.
Er wollte den eben erworbenen Staat abrunden : Bologna sollte
seine Hauptstadt werden. Indess fand er nicht nur die Benti-
vogU gerüstet, sondern sein Ehrgeiz begann jenseit der Alpen
Bedenken zu wecken. Als französische Befehle ihn von Bo-
logna abzustehn nöthigten, richtete er seine Blicke auf Toscana.
In Florenz, welches sich in dem endlosen pisaner Krieg ver-
zehrte, konnte er bei der mediceischen Partei auf Einverständ-
niss rechnen. Als ihm auch hier, nachdem er den Apennin
schon überschritten, Frankreich in den Weg trat und er sich
mit Geld in der Form florentinischen Solddienstes begnügen
rausste, warf er sich auf den kleinen Staat von Piombino. Ua
rief ein Krieg ernsterer Art ihn ab. Die Angelegenheiten Neapels
führten eine Verwicklung herbei, welche zu einer der unseligsten
für Italien geworden ist.
Seit dem Sturze der Sforza und dem Bündniss der Borgia
mit Frankreich hatte König Friedrich den Boden unter seinen
Füssen schwanken gefühlt. In seiner Ohnmacht hatte er selbst
Iq Constantinopel Hülfe gesucht und dadurch dem Papste Waffen
in die Hand gegeben. Zugleich mit Frankreich und mit Spa-
nien hatte er unterhandelt. Er ahnte nicht dass um dieselbe
Zeit Ferdinand der Katholische und Ludwig XII. sich in sein
Reich theilten, dass im Augenblick wo ein französisches Heer
unter d'Aubigny sich von der Lombardei aus in Bewegung
setzte, die im Hafen Messinas ankernde angeblich gegen die
Türken bestimmte spanische Flotte wider ihn. den nahen Bluts-
236 Thoilung Neapels zwischen Frankreich und Spanien.
verwandten des Königs zu handeln beordert war. Bald sollte
dem unglücklichen Monarchen die Binde von den Augen falleo.
Als d'Aubignys Schaaren über die päpstliche Grenze gingen
und Alles auf den Ausgang des Kampfes gespannt war, von
dem man glaubte dass er zwischen dem angreifenden Frank-
reich und der Schutzmacht Spanien entbrennen müsse, ver-
kündeten in Rom die Botschafter beider Mächte den Vertrag
von Granada. Nach Inhalt dieses Vertrags sollte das König-
reich der aragonisdhen Nebenlinie genommen werden, Ferdinand
Calabrien und Apulien, Ludwig Campanien und die Abruzzen
erhalten. Vom Papste wurde die Investitur des getheilten
Reiches verlangt. Das Vorgeben dass der König von Neapel
sich mit den Türken in Einverständniss gesetzt habe, die ver-
bündeten Monarchen Italien vor den Ungläubigen sichern wür-
den, sollte dem schnöden Handel christliche Färbung geben.
Die Unterhandlung mit Alexander VI. war nicht schwer.
Der Umstand dass die Colonna, Prospero und Fabrizio an ihrer
Spitze , auf König Friedrichs Seite standen und so eine schöne
Gelegenheit sich darbot, auch in Roms Umgebung unter den
Baronen weiter aufzuräumen, erleichterte seinen Entschluss.
Cesare Borgia erhielt Befehl sich mit den päpstUchen Truppen
den Franzosen anzuschUessen. Im Juni 1501 lagerte d'Aubignys
Heer, zwölftausend Füsser und zweitausend Reiter mit sechs-
unddreissig Bombarden, bei Acqua Traversa jenseit der milvi-
schen Brücke. Die Stadt musste Lebensmittel hefem und Ein-
quartierung aufnehmen, wobei manche sich von letzterer
loskauften. Am 28. Juni erfolgt^e der Abzug der Franzosen
welchem der Papst vom Gartenhause bei der Engelsburg zu-
sah. Nun wurde Friedrich von Aragon der Krone verlustig
erklärt. Der Herzog von Romagna hatte die Belagerung Piom-
binos zweien seiner Hauptleute übertragen und war zum Heere
gestossen. Der am 14. JuU erfolgte Fall von Capua inmitten
furchtbaren Blutbads zog den Verlust Gaetas nach sich. Der
König glaubte sich in Neapel nicht halten zu können. Am
4. August erfolgte die Uebergabe der Hauptstadt Im Castell
von Ischia fanden die Reste der von so harten Geschicken
getroffenen aragonischen Königsfamilie sich zusammen, dapn
ging Friedrich nach Frankreich. Sein Gefängniss war ein König-
reich. Dieselbe Provinz, die Touraine nahm die beiden ent-
thronten italienischen Herrscher auf. Friedrich von Neapel
Kampf gegen die Colonna. 237
starb im Jahre 1504 in der anmutbigen Hauptstadt an der
Loire, Lodovico il Moro sechs Jahre später in dem Castell
von Loches in engem Verwahrsam. In Tarent bemächtigte
sich Gonsalvo von Cordova, der Führer der spanischen Ex-
pedition, des kleinen neapolitanischen Thronerben. Er legte
auf die Hostie einen Eid ab. den Prinzen frei ziehn zu lassen,
dann sandte er ihn nach Spanien wo der Herzog von Cala-
brien gegen fünfzig Jahre dem Schein nach frei gelebt hat.
Während des Krieges der die Selbständigkeit Neapels auf
zweiimndertdreissig Jahre vernichtete, hatte Alexander VI. die
Macht der Colonnesen gebrochen. Die traditionelle Zwietracht
unter den Baronen hatte ihm das Werk erleichtert. Colonna
und Orsini waren wegen des Besitzes der Grafschaften Tagüa-
cozzo und Alba und anderer neapolitanischer Lehne, welche
Virginio Orsini im ersten französischen Kriege abgesprochen
und am 6. Juli 1497 von König Friedrich an Fabrizio Colonna
verliehen worden waren, in bittere Feindschaft gerathen. Zur
Zeit als der Papst gegen die Orsinen losging, dienten Fabrizio
und Prosper Colonna in seinem Heere mit neapolitanischen
Söldnern. Ein Jahr später brach zwischen den beiden grossen
Geschlechtern und ihren Anhängern offner Krieg aus. Auf der
einen Seite standen Orsini , Conti u. a. , auf der andern Colonna,
Savelli, Caetani. Bei Monticelli wurden die ersteren, acht-
hundert Reiter und zweitausend Füsser, vollständig geschlagen.
Des Papstes Anerbieten den Frieden zu vermitteln vermogte
die Streitenden, sich ohne seine f]inmischung miteinander zu
verständigen. Zu spät hatten sie begriffen, wie sie die Pläne
der Borgia förderten indem sie sich gegenseitig aufrieben. In
Tivoli schlössen sie ein Abkommen , indem sie die beidertheili-
gen Eroberungen herausgaben imd inbetreff der abruzzesischen
Lehne König Friedrich zum Schiedsrichter wählten, der im
Jahre 1499 Tagliacozzo, Alba, Carsoli den Colonnesen zu-
sprach. Letztere blieben im neapolitanischen Dienste und
sahen sich somit auch den Wechselfallen des neuen Krieges
gegen den König blosgestellt. Als sie von dem Bündniss
7Avischen Spanien und Frankreich vernahmen, hatten sie das
drohende Verderben erkannt und ein letztes Rettungsmittel
versucht. Sie hatten sich erboten dem CardinalcoUegium die
Schlüssel ihrer Castelle zu übergeben, aber der Papst hatte
Einspruch gethan und die Auslieferung selbst verlangt. In die
238 Bcsitziialmio der colonnjischeii und caetanischen Lehne.
Enge getrieben verstanden die Colonna sich auch hiezu, und
der Generalauditor der Kammer nahm von mehren Ortschaften
Besij;z, während andere wie Amelia und Rocca di Papa sich
zu ergeben weigerten. So hörten die Gewaltmaassregebi gegen
die MitgUeder der gehassten Famihe nicht auf. Der Kirchen-
bann wurde über sie verhängt» Cardinal Giovanni Colonna
bUeb von demselben frei, verlor aber seine Lehne und Bene-
fizien, unter andern die reiche Abtei Subiaco.
Wie den Colonnesen erging es auch den Caetani und Savelli.
Schon am 12. Februar 1500 war Lucrezia Borgia in den Besitz
von Sermoneta und den übrigen catetanischen Castellen gelangt,
welche die apostolische Kammer, der sie als verwirkte Lehne
zugefallen waren, ihr für achtzigtausend Goldgulden verkauft
hatte. Ob die Summe ausgezahlt wurde, ward nicht controlirt.
Cesare war unzufrieden; er sagte ein Weib könne Sermoneta
nicht behaupten. Im Viterbesischen mordeten die Anhänger
der Orsini die colonnaschen Parteigänger; ein auf päpstUchen
Befehl von den Caporionen orsinischer Partei auf dem Capitol
zusammenberufener Gemeinderath beschloss die Zerstörung
Marinos welches von den Franzosen verbrannt wurde, die
unter Aubignys Fühnmg auch Cave, Montefortino und andere
Burgen bis zum Liris nahmen. Von den Cardinälen von Ar-
borea und Borgia begleitet zog der Papst mit fünfzig Reitern
und hundert Füssern nach Sermoneta. Während seiner Ab-
wesenheit führte Lucrezia die Verwaltung des Palastes; sie
hatte die Befugniss die an den Papst gerichteten Briefe zu er-
öffnen und sollte in wichtigeren Angelegenheiten den Cardinal
von Lissabon zu Rathe ziehn. Auch als Alexander sich zwei
Monate später nach Nepi begab, bheb die Ver\^'altung in Lu-
crezias Hand. Alle colonnaschen, savellischen , caetanischen
Besitzungen waren in des Papstes Gewalt, während die beiden
tüchtigsten der Colonna, Fabrizio und Prospero, tapfer aber
unglücklich für König Friedrich kämpften, dem sie nach Iscliia
folgten. Aus den confiscirten Lehnen bildete nun der Papst am
1. October 1501, indem er infolge der unt^rdess veränderten
Verhältnisse Lucrezias die frühere Verleihung modificirte, zwei
Herzogthümer für seine Enkel Kodrigo und Juan d'Aragona
Borgia, Lucrezias Söhne. Das Herzogthum Sermoneta umfasste
die caetanischen, colonnaschen, savellischen u. a. Ortschaften
am Süd - und Westabhang der V^olsker Berge und Albanerhügel»
I
Lucrczia Borgias Verniälung mit Alfons von Este. 239
ausser genanntem Hauptorte Ninfa, Norma, Cistema, Sonnino,
San Feiice, Nettuno, Ardea, Citta Lavigna, Genzano, Nenu,
Aibano, Castel Gandolfo u. a. Das Herzogthum Nepi er-
streckte sich über die Castelle an und in den Herniker und
Aequer Bergen und auf der Nordseite jener der Volsker, ßignano,
Palestrina, Zagarolo, Genazzano, Olevano, Paliano, Serrone,
Anticoli, CoUepardo, Scurcola, Supino u. a. Es wurde gründ-
lich aufgeräumt. Die beiden Belehnten waren im zartesten
Alter. Palestrina gerieth indess erst am 4. Mai 1503, kurz vor
des Papstes Tode, in dessen Gewalt. Francesco Colonna wurde
mit einem auf die Alaunwerke angewiesenen Jahreseinkommen
von sechshundert Florenen für sich und seine Erben abge-
funden.
Alles ging nach Wunsch. Am 3. September 1501 hatte
sich das drei Monate lang umschlossene Piombino ergeben,
dessen Herr Jacopo d* Appiano zu Schiffe entfloh. Es war am
Tage vor einem neuen freudigen Ereigniss im Hause der Borgia,
der Verkündigung des Ehegelöbnisses zwischen Lucrezia und
Alfons von Este Erbprinzen von Ferrara. Herzog Ercole
scheint durch den Wunsch, seine Staaten durch eine solche
V^erbindung gegen die borgiasche Ländergier zu sichern, zu
diesem Schritt vermögt worden zu sein zu welchem der Sohn
wider Willen die Einwilligung gab. Der Papst und Cesare
aber mogten in dem alten Ansehn des Hauses Este eine Stütze
iur den neugeschaffenen Staat zu finden hoffen. Die Mitgift
der Braut wurde auf hunderttausend Goldgulden festgesetzt;
der Lehnzins für Ferrara wurde auf drei Generationen erlassen.
Vor den Gesandten Herzog Ercoles öffnete Alexander VI. ein
mit Perlen gefülltes Coffiret und griff hinein mit den Worten:
Alles dies ist für Lucrezia. Ich will dass sie unter den Für-
stinnen Italiens die meisten und schönsten Perlen besitzen soll.
Am Sonntag nach der Verlobung ritt Lucrezia durch die Stadt
nach Sta Maria del popolo, vor ihr vier Bischöfe, in ihrem
Gefolge gegen dreihundert Reiter. Am folgenden Tage durch-
zogen zwei Schalksnarren die Strassen, der eine z^ Pferde,
welchem die Braut das Tags zuvor getragene Kleid von Gold-
brocat, dreihundert Gulden an Werth, geschenkt hatte, der
andere zu Fusse , dem auch ein schönes Gewand zu Theil ge-
worden war. Sie riefen : es lebe die durchlauchtigste Herzogin
von Ferrara! Es lebe Papst Alexander! Hoch hoch! Noch
240 Ilerrscliafl und Heer Cesare Borgias.
vier Monate blieb Lucrezia in Rom. Am 5. Januar 1502 erfolgte
ihr Abzug nach Ferrara. Ihr Gefolge bestand aus sechshundert
Personen. EQnter den Sergentsd'armes ritt zur Rechten der
Cardinal Erzbischof von Cosenza Francesco Borgia, Legat a
latere für den Kirchenstaat während des Durchzugs der Braut
zur Linken der Cardinal Pierluigi Borgia, neben Beiden die
Prinzen von Ferrara Ferdinando und Sigismondo AlfoDSos
Brüder. Die Braut ritt zwischen dem Cardinal IppoUto d*Este
und ihrem Bruder Cesare. Edle und Hommes d'armes folgten.
Viele vornehme Römer nahmen in neuen glänzenden Anzügen
von Gold- und Silberbrocat an dem Zuge Theil. So schied
I^ucrezia Borgia von Rom das sie nicht wiedergesehn hat
Cesare Borgia hatte die seit der Eroberung Neapels ver-
strichene Zeit benutzt, sowol seine Herrschaft in der Romagna
zu befestigen wie durch engern Anschluss an Frankreich fer-
nem Erwerb einzuleiten. Beides gelang ihm. Sein Regiment
in dem neugebildeten Staate, dem alten Schauplatz steter Un-
ruhen und Fehden, war das gewaltthätigste und härteste, aber
er schaffte Ordnung und Sicherheit und gewann so das Volk
für sich, welches die feste Hand des neuen Herrn leichter er-
trug als das gesetzlose und dabei schwächUche Schalten der
vormaligen kleinen Städtegebieter. Aber der Herzog sah sehr
wohl ein dass nur der Name und der Einfluss Frankreichs ihn
vor den Feinden sichern konnten, die sein rasches Glück widrr
ihn ins Feld gerufen hatte, die Furcht vor seinem schranken-
losen Ehrgeiz täglich mehrte. Auf allen Seiten waren Arg-
wohn und Verdacht rege. C/esare hatte nicht nur Solche zu
furchten welche ihm offen gegenüberstanden. Er hatte das
zahlreichste und schönste Heer. Mehre der tüchtigsten italie-
nischen Hauptleute dienten unter ihm, abgesehn von franzö-
sischen Hülfstruppen , von fremden Söldnern. Seine Leibwache
war überaus glänzend. Sie trug prächtige Wämser in seiiieu
Farben, roth und gelb, über die Brust von der Rechten zur
Linken Schärpen die Schlangenschuppen glichen und mit Gold
und Farben verziert waren, während die Schnallen, welche
die Scheiden der mit goldenem Griff versehenen Degen hielten,
Drachenköpfen glichen. Dem Glänze der Erscheinung stand
die Tüchtigkeit nicht nach. Aber die Treue der Condottieren
war zweifelliaft. Das Heer war, wie gewöhnlich, aus Mann-
schaften zusammengesetzt welche von einzelnen Führern gestellt
Cesares Unternehmen gegen Toscana, Urbino , Camerino. 241
wurden. Er war es der den Oberbefehl führte, aber viel
mehr als von ihm hingen die Truppen von Jenen ab, die sie
geworben und gebildet hatten und gleichsam als ein Eigen-
thum betrachteten. Diese Condottieren waren römische Barone
wie Herren von Städten und Territorien in Umbrien und der
Mark, und es war begreiflich dass das Schicksal der romagno-
lischen Signoren wie der Colonna, Caetani, Savelli für sie zum
Schreckbild ward.
Das Jahr 1502 führte in raschem Wechsel der Dinge die
Entscheidung herbei. Im Februar begab der Papst sich über
Civitavecchia und Cometo nach Piombino, den neugewonnenen
Staat zu besichtigen und Cesare damit zu belehnen. Man be-
merkte in Rom, dass zum Dienst auf den sechs päpstlichen
Galeeren nicht nur die zu leichten Strafen Verurtheilten ge-
QÖthigt sondern selbst Schiffer und Fischer gepresst wurden;
der Unwille war so gross dass dem rückkehrenden Papste nie-
mand entgegenzog. Piombino sollte ein Mittelpunkt für Ope-
rationen in Toscana werden , wo die Feindschaft zwischen Flo-
renz und Siena und der pisaner Krieg eine bequeme Handhabe
boten. Der Papst rüstete eifrig. Ausser der erbeuteten Artil-
lerie der colonnaschen Castelle hatte er auf Ischia die des
vertriebenen Königs erworben und nach der Engelsburg bringen
lassen; kaum ein Viertel des Werthes hatte er dafür gezahlt.
Za Anfang Juni ging's in Toscana los. Ein Angriff auf Arezzo,
scheinbar im Interesse der Medici, brachte diese wichtige Stadt
in die Gewalt Vitellozzo Vitellis und Pandolfo Petruccis Herrn
von Siena der im Bunde mit Cesare war. Das Einschreiten des
französischen Königs , der keine Lust hatte die Borgia sich auch
in Toscana festsetzen zu sehen, vermogte aber nochmals den Her-
zog welcher, der Absichten Ludwigs nicht sicher, sich persönlich
an dem Unternehmen nicht betheiligt hatte, seine Blicke anders-
wohin zu wenden. Für das Mislingen diesseit der Apenninen
sollte jenseit Ersatz gefunden werden. Durch List und Ver-
rath bemächtigte Cesare sich Urbinos: Herzog Guidubaldo,
welchen das anhängliche aber wehrlose Volk nicht schützen
konnte, hatte nur eben Zeit nach Mantua, von dort nach
Venedig zu flüchten. Sein junger Neffe Francesco Maria della
Rovere Herr von Senigallia theilte sein Loos. Wenige Tage
darauf setzte Cesare sich durch heimliches Einverstandniss in
den Besitz von Camerino. GiuHo Cesare Varano und seine
V. RcnxBOBt, Rom. HI. \Q
242 Die Coiidottieren gegen Cesare Borgia.
beiden Söhne waren nicht so gluckhch wie Guidubaldo und
endeten unter den Händen borgiascher Schergen. Urbino und
Camerino wurden dem Herzog von Komagna verUehen.
Nun erhob sich auf allen Seiten der Widerstand. Hätte
Italien noch ein unabhängiges Staatensystem gehabt wie vor
1494 , so würde es in sich selbst Mittel gefunden haben solchem
Treiben Einhalt zu thun. Aber von den italienischen Staaten
hatte nur Venedig politische und militärische Bedeutung und
Venedig sah sich zwischen der französischen Macht und Kaiser
Maximilian eingeklemmt. Ein fremder Herrscher hielt die Ge-
schicke der Halbinsel in seiner Hand. Als Ludwig XII. im
Sommer 1502 in der Lombardei erschien, sah er sich von Vor-
stellungen, Klagen, Warnungen gegen Cesare Borgia und den
Papst belagert. Der König war schon gegen Beide gereizt.
Ihre Sache drohte eine ungünstige Wendung zu nehmen, als
es dem Cardinal von Amboise seinen Herrn umzustimmen ge-
lang. Es war namentlich der alsbald nach der Theilung
Neapels zwischen Frankreich und Spanien ausgebrochene Hader
und darauf folgende Krieg, was Ludwig vermogte, Cesare Borgia
nicht fallen zu lassen und ihn nochmals an sein Interesse zu
fesseln, als er im August in Mailand ankam. Den venetiani-
schen Gesandten welche dem französischen Monarchen vor-
hielten, wie wenig es dem allerchristhchsten Könige zur Ehre
gereiche einen blutdürstigen Mörder und Räuber in seinen
Schutz zu nehmen, erwiederte dieser, er könne den Papst nicht
verhindern über die Territorien des Kirchenstaats nach seinem
Gutdünken zu verfügen. Nun beschlossen die Condottiereo
Cesares, da sie ganz MittelitaUen in seine Hand gegeben und
sich selber zuerst bedroht sahen, auf eigne Hand einen Ver-
such zu machen. Der Herzog stand im Begriff Bologna anzu-
greifen, als er den Abfall seiner Hauptleute und zugleich eine
glückliche Unternehmung Guidubaidos gegen Urbino vemahm
An der grossen Strasse von Umbrien nach Toscana, auf einer
flachen den BUck nach dem trasimenischen See gewährenden
Erhöhung liegt der kleine Ort La Magione mit einem im
Viereck gebauten heute eine Comthurei des Johanniterordens
bildenden Castell. Hier war es wo Paolo und der Cardinal
Orsini, Vitellozzo Vitelli, Gian Paolo Baglioni, Ohverotto tod
Fermo mit dem Abgesandten Pandolfo Petruccis Antonio da
Venafro und Hermes Bentivoglio dem Sohne des Herrn von
Ueberlistung der Condottieren. 243
Bologna zuBammenkamen , zu gemeinsamer Vertbeidigung gegen
den Borgia und zur Unterstützung des Herzogs von Urbino
ein Bündniss zu scbliessen. Siebenbundert scbwere Reiter und
neuntausend Füsser sollten ins Feld gestellt, Imola wo Cesare
sieb befand von den Bentivogli angegriffen werden.
Der Herzog von Valentinois erkannte die Gefabr, welcbe
durcb die Niederlage eines Tbeils seiner Truppen am Furlopass
gemebrt wurde. Aber er verlor die Fassung nicbt. Seine
Gegner, statt unmittelbar wider ibn loszugebn, verloren die
Zeit mit Unterbandlungen; Venedig und Florenz scbeuten sieb
Frankreicbs wegen ibnen Hülfe zu leisten; Charles d*Amboise
Herr von Cbaumont fubrte dem Herzog französische Unter-
stützung zu. Dieser setzte nun alles ins Werk, das Bündniss
zu sprengen und die Verbündeten zu betbören. Versprechun-
gen, Erklärungen, Anerbietungen, Verdächtigungen ivurden
nicht gespart; der Papst half mit: er. sagte Allen, er könne
nicht ruhig herrschen ohne sich auf die Orsini zu stützen.
Die Orsini und die Bentivogli waren die ersten die ins Garn
gingen. Ibnen folgte PandoUb Petrucci. Nun waren die Uebri-
gen mattgesetzt und mussten sich abfinden, obgleich Vitellozzo
und der Baglione es nur wider Willen und voll Argwohns
thaten. Die Versöhnung war abgeschlossen; die Condottieren
traten wieder in Cesares Sold, der Cardinal Orsini, sicher ge-
macht, kehrte nach Rom zurück. Camerino welches einen
Verwandten seines erwürgten Signore gerufen und Cesares
Leute vertrieben hatte, sollte zum Gehorsam zurückgeführt
werden; Guidubaldo von Urbino entwich aufs neue, nachdem
er die kleinen Vesten seines Staates bartte sprengen lassen.
Der Herzog von Valentinois kehrte im berzogUchen Palast von
Urbino ein und plünderte ihn. An Silbergerätb, Teppichen,
Büchern u. a. erbeutete man für mehr als hundertfünfzigtau-
sendDucaten: D'Amboise betbeiligte sich am schnöden Raube.
Nach Julius* H. Wahl versprach Cesare das Weggenommene
herauszugeben obgleich es zum Theil in den Besitz des Car-
dinais von Ronen gelangt sei; Guidubaldo legte vor allem
Werth auf die Bibliothek, seines Vaters schöne Schöpfung.
Nur Giovanna Feltria della Rovere hielt noch Senigallia für
ihren kleinen Sohn Francesco Maria. Cesare liess sie durcb
Vitellozzo und die Orsini angreifen : binnen kurzem waren Stadt
und Castell in seiner Gewalt.
16*
244 Tragödie von Senigallia.
Als so die Romagna wieder genommen war, die Truppen
der Condottieren bei Senigallia standen, beschloss der Herzog
von Valentinois seinen Racheplan gegen Die ins Werk zu
setzen, welche ihn so eben in dringende Gefahr gebracht
hatten. Mit der unter seinem persönUchen Befehl gebliebenen
Mannschaft, deren Stärke jene nicht kannten, zog er nach
Cesena, dann nach Fano. Es waren gegen fünftausend Mann
Infanterie, darunter über tausend Teutsche, Gascogner, Spanier,
gegen vierhundert schwere Reiter (Hommes d'armes), dreihun-
dert Chevaulegers , ungefähr ebensoviele Bogenschützen und
Lancie spezzate wie man die kleinen Edelleute nannte, welche
zu keiner grössern Condotta gehörten sondern sich dem Feld-
herm zu persönlichem Dienste verpflichteten, ein Verhältniss
welches Cesare besonders bevorzugte. Am 30. December traf
er vor Senigallia ein, wo Vitellozzo, Paolo Orsini, der Herzog
von Gravina und Olirerotto von Fermo ihn erwarteten. Er
empfing sie freundlichst; kaum aber war er mit ihnen in die
Stadt eingezogen, so Hess er sie greifen. Zu gleicher Zeit
überfielen und entwaffneten seine Truppen Vitellozzos und
Oliverottos Leute. Diese Beiden wurden am nämlichen Abende
erdrosselt, die Orsini im Verwahrsam gehalten. Es ist die
Tragödie von Senigallia, welche Niccolö Machiavelli, der flo-
rentinische Abgesandte bei Cesare Borgia, mit jener Ruhe und
Kälte geschildert hat, die den Vorfall als ein Meisterstück
politischen Scharfsiims analysirt.
Am Morgen des 3. Januar 1503 liess Alexander VI. dem
Cardinal Orsini die Einnahme der Burg von Senigallia durch
seine Verwandten melden. Der Cardinal ritt nach dem Vatican
seine Glückwünsche darzubringen; in des Papstes Gemach
ward er verhaftet und nach Tor di Nona gebracht. Gleiches
Schicksal traf den Protonotar Orsini, Giacomo Säntacroce und
andere Anhänger der Familie; Paolos Sohn Fabio entfloh.
Man schloss dann den Cardinal im Castell ein, während all
seine Habe confiscirt, Monterotondo und die übrigen orsini-
sehen Orte besetzt wurden. Alle Cardinäle begaben sich zum
Papste sich fiir den Gefangenen zu verwenden: sie wurden
abgewiesen mit der Bemerkung, dass dieser an der Verschwö-
rung der Condottieren gegen den Herzog von Romagna theil-
genommen habe. Giacomo Säntacroce wurde gegen eine Caution
von zwanzigtausend Goldgulden aus der Haft entlassen. Cesare
Noth der Oraini. 245
Borgia wandte sich unterdessen, seine Gefangenen mit sich
führend, nach Umbrien. üeberall zog der Schrecken seines
Namens vor ihm her. GiuUo VitelU Vitellozzos Bruder entfloh
aus Citta di Castello, Gian Paolo Baglioni aus Perugia. Von
dort wandte Cesare sich gegen Siena: auch Pandolfo Petrucci
entwich. In Castel della Pieve theilten Paolo Orsini und der
Herzog von Gravina das Schicksal Vitellozzos und Oliverottos.
Das sieneser Land wurde entsetzlich verwüstet; die Soldaten
begingen die ärgsten Greuel. Nicht besser erging's dem Patri-
monium, welches Cesare durchzog um in der Umgebung Roms
den Ruin der Orsini zu vollenden. Raub und Mishandlungen
bezeichneten seinen Marsch. Um die Mitte Februar sandte der
Papst die Bombarden der Engelsburg zur Belagerung Braccianos,
der Burg Gian Giordano Orsinis welcher im französischen Dienst
im Königreich Neapel stand.
Der gefangene Cardinal hatte 25,000 Goldgulden für seine
Befreiung angeboten, der Papst aber, so lieb ihm das Geld
war, sie nicht angenommen. Er hatte dem Gefangenen sagen
lassen, er solle guten Muthes sein und for seine Gesundheit
sorgen; im geheimen Consistorium aber klagte er am 20. Februar
es sei der Plan der Orsinen gewesen, Rom anzugreifen: die Car-
diaäle mögten sich vorsehn. Zwei Tage darauf war Giovan
Batista Orsini todt. Er war es gewesen der bei der Papstwahl
Rodrigo Borgias den Ausschlag gegeben hatte, nachdem an*
fanglich Ascanio Sforza sein Candidat gewesen war. Man
sprach in der Stadt überall von Gift. Alexander VI. beauf-
tragte einen der Ceremonienmeister mit der Beisetzung des
Todten, welcher Erzpriester von Sta Maria maggiore gewesen
war. »Ich wollte nichts damit zu thun haben, schreibt Jo-
hannes Burcard, wollte auch nichts wissen was mich nicht
anging.«
Es war vorauszusehn dass auch die letzten der Orsinen bald
erliegen würden. Geschah es, so war im ganzen Kirchenstaat
die Macht der Signoren und Barone vernichtet. Jetzt aber
schritt Ludwig XII. zu Gunsten Gian Giordanos ein, welcher
Gelegenheit gefunden hatte sich in das belagerte Bracciano zu
werfen. Die ungünstige Wendung welche die französischen
Angelegenheiten in Neapel nahmen, weckte beim Könige den
Verdacht dass die Uebermacht der Borgia in Mittelitalien am
Ende gegen ihn selbst gewandt werden könnte. Cesare fugte
246 Andeutung eines politischen Wechsels.
sich wider Willen dem Befehl die Belagerung Braccianos auf-
zuheben. Noch nahm er den Savelli Palombara, den Orsini
Vicovaro und nach tapferer Gegenwehr Ceri, sah sich aber
durch die Venetianer gehindert den kleinen Staat von Pitigliano
zu verschlingen, dessen Herr Niccolo Orsini Feldhauptmann
der Republik war. Seinen niemals aufgegebenen Absichten auf
Toscana trat Frankreich nochmals in den Weg. Die Bemühun-
gen des Königs, ein Bundniss z>Anschen Bologna, Florenz, Lucca,
Siena zustande zu bringen, waren für den Papst das Merkmal
eines Wechsels der Dinge. Wenn Cesare noch aus Rücksicht
auf Frankreich sich scheute, die von dem bedrängten Pisa
ihm angebotene Signorie anzunehmen, so wendeten er und der
Papst sich doch immer mehr dem spanischen Interesse zu,
namentlich seit der zu Ende April von Gonsalvo von Cordovs
erfochtene Sieg von Cirignola bei Barletta den Franzosen das
ganze Königreich mit Ausnahme von drei festen Plätzen ent^
rissen hatte. Zu einem Entschluss kam man jedoch in Rom
keineswegs. Wenn ein Wechsel der Politik wegen der mehr-
jährigen Beziehungen zu Frankreich überhaupt Bedenken ein-
flössen musste, so wurden dieselben dadurch gesteigert, dass
ein zahlreiches französisches Heer zur Wiedereroberung Neapels
heranzog und sich schon den päpstlichen Grenzen näherte. So
war Alles in Spannung und Ungewissheit. Gerade in diese
bewegte Zeit fallen Alexanders VI. Bemühungen zur Ausfuh-
rung eines Projects welches einst einem Gegenpapste in den
Sinn gekommen war. Dies Project war die Errichtung eines
Königreichs, welches ümbrien, Marken, Romagna umfassen
sollte, zu Gunsten seines Sohnes. Ob die zu Ende des Früh-
lings 1503 stattgefundene Creation von neun Cardinälen, unter
ihnen fünf Spanier, mit der Absicht zusammenhing, für einen
so ausschweifenden Plan die Majorität im h. CoUegium zu er-
langen, mag dahingestellt bleiben. Eine höhere Hand griff in
dies Treiben ein welches alle Grenzen zu überschreiten drohte.
Am 11. August erkrankte Alexander VI. am Wechselfieber
welches bald einen bösartigen Karakter annahm. Als alle
Hoffnung geschwunden war, beichtete er am 18. dem Bischöfe
von Culm welcher die Messe vor ihm las und ihm das Abend-
mal reichte. Fünf Cardinäle waren zugegen, die von Arborca,
Cosenza, Monreale, Casanova und Constantinopel. Um die
Vesperzeit empfing der Papst von demselben Bischöfe die
Tod Alexanders VI. 247
letzte Oeluug und rerscbied in seiner Gegenwart und jener
des Datars und einiger vertrauten Diener. Während der ganzen
Krankheit, fügt Johannes Burcard hinzu, kam der Herzog nicht
ein einziges mal, noch nannte der Papst seinen und Lucrezias
Namen. Das rasch in Fäulniss übergebende Blut, schreibt der
ferraresiscbe Gesandte Beltrando CostabiU, Uess die Leiche
geschwärzt und angeschwollen erscheinen , so dass Leute denen
eine solche Wirkung unbekannt ist, alsbald die Sage von Gift
verbreiteten. Diese Sage ist denn auch mit allem Detail aus-
gemalt worden. Cesare Borgia, so heisst es, wollte sich des
Vermögens einiger reichen Cardinäle bemächtigen und so wur-
den diese zum Abendessen im päpstlichen Garten beim Belvedere
eingeladen. Unter ihnen befand sich Ädriano von Cometo, der
eben erst mit dem Purpur bekleidete gelehrte und gewandte
Secretär derBreven, welcher einen Theil der Einkünfte seiner
englischen Bisthümer auf den Bau des schönen Palastes im
Borge verwandte, der ein rühmhches Zeugniss seines Kunst-
geschmacks ablegt. Vergifteter Wein war den bezeichneten
Gästen zugedacht; der Kellner verwechselte durch Zufall die
Flaschen. Der Papst und sein Sohn tranken das Gift Jener
erlag, diesen rettete seine kräftige Jugend. Die Geschichte ist
erfunden wie so viele andere: Cesares Krankheit aber, gleich-
zeitig mit der des Papstes, ist eine Thatsache.
So endete die Regierung Alexanders VL Sie ist für das
Papstthum ein schweres Unglück gewesen, ein um so schwe-
reres weil die nächsten Nachfolger, so hoch sie in mehrfacher
Beziehung über Rodrigo Borgia standen , dennoch nicht erkannt
haben, dass das Vorwalten weltlicher Tendenzen eine Krisis
herbeiführen musste, die den kirchlichen Interessen im Bewusst-
sein der Menschheit verderblich zu werden drohte. Alexan-
der VL hat das Papstthum in Miscredit gebracht. Es ist über
ihn und seinen Hof von Zeitgenossen viel gelogen, von Spä-
teren viel geschmäht worden. Darin dass man den Lügen
Glauben beimaass und ihn des Aergsten , auch wenn er es nicht
begangen, fähig erachtete, dass man selbst die schmutzig-
ekelhaften Scandalhistörchen aus dem Leben in seinem Palaste
für wahr hielt, hegt schon die Verurtheilung. Seine Behand-
lung kirchlicher Angelegenheiten hat zu keinem begründeten
Tadel Anlass gegeben, wie denn selbst seine erbittertsten
Gegner in dieser Beziehung keine weitergehenden speciellen
248. Karakter Alexanders VI. und seiner Regierung.
Anklagen gegen ihn formulirt haben. Denn auch Sayonarola,
der Alexander VI. heftiger als Irgendeiner angriff, hielt sich,
wenn man von der Beschuldigung des geistUchen Aemterban-
dels absieht, innerhalb allgemeiner wie persönlicher Dinge,
indem er das Concil verlangte, weil Alexanders ganzes Leben
Zeugniss des Unglaubens, er gar kein Christ, schon wegen
simonistischer Wahl nicht Papst, die Kirche ohne Haupt sei;
Anklagen die er übrigens nicht etwa in Predigten oder tbeo-
logischen Schriften sondern in Briefen an Carl VIII. und an-
dere Fürsten aussprach. Für Reformen hat Alexander VL
nichts gethan noch nach seiner ganzen Individualität zu thun
vermögt, und seine weltliche Regierung hat über die geist-
liche einen dunkeln Schatten geworfen. Sein Bestreben dem
Kirchenstaat eine andere poUtische Gestalt zu geben, wäre
an sich betrachtet nicht zu tadeln gewesen, hätte er sich
anderer Mittel bedient, hätte er sich doch nicht wieder als
letzten Zweck eine Perpetuirung des alten Uebels in neuer
Form vorgesetzt, eine aus Scherben mit Blut gekittete Form
geschaffen die bei seinem Tode wieder in Scherben ging. Er-
wägt man andrerseits Umstände wie Ereignisse der weltUchen
Regierung dieses Papstes, so kann man sich ohne unbillig zu
sein dem Urtheil nicht verschUessen , dass dieselbe nicht ohne
lobenswerthe Seiten war. Denn in einer so wildverworrenen
Zeit, in welcher das itaUenische Staatensystem grössten Wech-
seln unterlag, der Kirchenstaat und Rom selbst wiederholt
von fremden Heeren überzogen waren, die mächtigsten Fami-
lien an den Rand des Abgnmdes gedrängt grossentheils völlig
ihres Besitzes beraubt wurden, eine neue Ordnung der Dinge
angestrebt ward, in einer solchen Zeit quälender Besorgnisse,
verletzter Interessen , entfesselter Leidenschaften ist es in Born
selbst, wo Senatoren ohne Bedeutung, meist unbekannte Na-
men, einander folgten, ruhig geblieben. Nicht eine Spur von
Auflehnung wider einen Papst der so gewaltsam schaltete, so
vieles umstiess. Beweis genug dass seine Regierung nicht auf
dem Volke lastete und, gleich jener Cesare Borgias in der
Romagna, für ihre principielle Willkür durch' Unterdrückung
jener Anarchie Ersatz zu leisten suchte, welche Alexander VI-
vorgefunden hatte.
Das grosse Unglück war der aller Welt offenbare Hangel
alles sittlichen Bewusstseins. Alexander VL war ein Genuss-
Rarakter Alexanders VI. uiid seiner Regienmg. 249
mensch voll unbezähmter Sinnlichkeit, von Jugend an durchaus
verweltlicht und nur nach Reichthum und Macht strebend, scharf-
sinnig, gewandt, erfinderisch, grossartig, glänzend obgleich
nicht freigebig mit dem übelerworbenen Gelde, ein Herrscher
wie das fünfzehnte Jahrhundert deren so manche gebildet hat.
Sein ganzes Thun und Lassen bewegte sich innerhalb des Ge-
bietes der Politik, weil er von der Politik die Mittel erhofl'te
ein Yon allen Beschränkungen freies Leben zu fuhren und die
Seineu, die in allen seinen Berechnungen voranstanden, gross-
zomachen. Die Unbefangenheit womit er sich diesem Leben
und Streben hingab, gleichsam als handle er vollkommen nacli
Recht und Pflicht, und seine ganze Haltung im öffentlichen
wie im Privatleben sind bei seinem sonstigen Scharfsinn der
deutlichste Beweis , dass höhere moraUsche Gesichtspunkte wie
die Fähigkeit der Auffassung der aus seiner geistlichen Würde
entspringenden Pflichten gänzlich ausserhalb seines Kreises
lagen. Im Vergleich damit erscheint es fast als Kleinigkeit,
dass er von seinen geistlichen Functionen geringste Kennt-
niss hatt«.
Es hat an Protesten nicht gefehlt. Die römischen Epi-
gramme und Pasquille seiner Zeit, wie deren stillschweigende
Anklagen, dieUrtheile der unmittelbar auf ihn folgenden Epoche
machen umso überwältigendem Eindruck wenn man in Anschlag
bringt, wie tief die Scala der ethischen Grundsätze und An-
forderungen inuner noch stand. »Von vielen unredlichen Dingen
die ich zu Rom sah, schrieb ein cölner Patricier Arnold von
Harff, schweige ich, denn es wäre darüber v}el zu schreiben
was sich nicht passt für christliche Leute.« »Ganz Rom, be-
richtet Francesco Guicciardini der bei Alexanders Tode ein-
undzwanzigjährig die Anschauungen der Mitlebenden zu ver-
gegenwärtigen Anspruch hat, eilte in unbeschreiblicher Freude
nach St. Peter den Todten zu sehen, den Drachen welcher
mit maasslosem Ehrgeiz und verpestender Treulosigkeit, mit
furchtbarer Grausamkeit, monströser Lust und unerhörter Hab-
gier, mit gleicher Frechheit im Verhandeln von Weltlichem und
Geistlichem die ganze Welt vergiftet hatte. Und dennoch war
dieser Mann von der Jugend an bis zu seinem Ausgange durch
beständiges und beispielloses Glück erhöht worden, immer
nach grossen Dingen strebend und mehr erlangend als er
sich vornahm. Ein gewaltiges Beispiel zur Vernichtung des
252 Zahl der Mitglieder des h. Collegiums.
stets vergeblichen Bemühungen letzterer gerichtet Das Be-
streben, Bedeutung und Selbständigkeit der Cardinalswürde
zu erhalten und wo mögUch zu mehren, äusserte sich zugleicli
in den immer wiederholten Versuchen die Zahl der Inhaber
derselben zu beschränken. Das lange Schisma würde die über-
mässige Steigerung dieser Zahl durch sich selbst herbeigeführt
haben, wären auch nicht so massenhafte Creirungen erfolgt,
wie Päpste und Gegenpäpste, vor allen Urban VI., sie zur
Behauptung ihrer Stellung vornahmen — ein Uebelstand, der
den nächsten Anlass zum Concil von Pisa gab. Die Kirchen-
versammlung zu Constanz hatte die Normalzahl von vierund-
zwanzig angenommen, was die zu Basel bestätigte; Mar-
tin V., der doch den Cardinälen beider Obedienzen gerecht
werden musste und acht vormalige Anhänger Benedicts XIII.,
Spanier und Franzosen, in sein CoUegium aufnahm, ist auch
mit anerkennungswerther Mässigung verfahren, so dass bei
seinem Tode nur zwanzig Cardinäle vorhanden waren, von
denen dreizehn Eugen IV. wählten. Dieser glaubte sich wäh-
rend der Concilswirren starkern Anhang sichern zu müssen
und hat in Florenz mit einemmale siebzehn Cardinäle, im
ganzen vierundzwanzig creirt, aber sonst überwog noch längere
Zeit hindurch die beschränkende Tendenz. Nicolaus V. ernannte
nur sieben Cardinäle , während er drei von FeUx V. creirte
bestätigte, Calixtus III. neun, für einen kurzen Pontificat frei-
Uch genug, Pius 11. zwölf, Paul II. vierzehn. Vonnunan
ging's jedoch anders. Das Verfahren Sixtus' IV. gab den Aus-
schlag. Unter ihm erfolgten vierunddreissig Creirungen, unter
InnocenzVin, acht, unter Alexander VI. zweiund vierzig. Noch
bildete das h. CoUegium, «wenngleich die Italiener in Mehrzabl
waren, einen aus allen Nationen zusammengesetzten Senat, und
die Nothwendigkeit der nationalen Vertretung ist namentlich
durch Pius U. betont worden. Dass unter nichtitalienischen
Päpsten wie die beiden Borgia manche ihrer Landsleute an die
Reihe kamen, liegt in der Natur der Dinge. Die Cardinalstitel
blieben die alten.
Wie zu allen Zeiten haben auch im fünfzehnten Jahrhun-
dert bedeutende Männer in Menge den h. Stuhl umstanden.
Nicht wenige derselben sind in der politischen und kirchlichen
Geschichte genannt worden, andere werden in jener der wissen-
schaftHchen Bestrebungen ihren Platz finden. Die verschiedenen
Elemente des Cardinalatf;. 253
Tendenzen sprechen sich so wie in den Persönlichkeiten der
Päpste in denen der Cardinälfe aus. Der Nachhall der grossen
Concilienfragen durchtont die ganze Zeit Martins V. und
Eugens rV., so unvollständig auch die Ziele derselben erreicht
wurden. Aber schon klangen die humanistischen Tendenzen
mächtig durch und gaben allen Anschauungen, das kirchhche
Gebiet nicht ausgeschlossen, die eigenthümliche Signatur die
bis zur Wiederaufnahme der Reformbestrebungen im folgenden
Jahrhundert gewährt hat. Das Ueberwiegen des politischen
Elements, wie es mit Sixtus IV. begann und bald bis zu ver-
derblichem Excess gesteigert ward, übte dann begreiflicher-
weise auch auf Zusammensetzung und Haltung des Cardinal-
coUegiums Einfluss. Das Eindringen päpsthcher Angehörigen
in letzteres, von welchem selbstverständlich keine Zeit frei
geblieben ist, beginnt in grösserm Maasse mit Paul IL , um
schon unter Sixtus IV. und Alexander VI. bedenkliche Ver-
hältnisse anzunehmen. Unter dem ersten dieser Päpste, der
überhaupt auf Aeusseres so hohen Werth legte, beginnt auch
die Steigerung des Glanzes in der Erscheinung und im Cere-
moniel. Zugleich mehren sich im h. CoUegium zwei Elemente
die bisher wenig vertreten waren, beide mit der Gefahr ver-
bunden das Papstthum zu sehr in auswärtige Beziehungen hin-
einzuziehn. Diese sind die Cardinalcreirungen von Ministern
fremder Souveräne und die von Mitgliedern regierender Fa-
milien, deren jüngere Söhne so nach Rom gezogen wurden,
wo sie ziun Glänze, selten zur geistHchen Haltung des Cardi-
nalats mächtig beigetragen und oft mehr als die Päpste selber
in städtischen Dingen den Ton angegeben haben. Die immer
mehr sich verbreitende Sitte, dass Cardinäle das Protectorat
fremder Staaten beim h. Stuhl übernahmen wie sie schon Pro-
tectoren von geistlichen und Ritterorden waren, musste die
Berührungen mit dem Auslande rasch steigern. Es hegt auf
der Hand dass, auch abgesehn von den unteren Schichten
der Curie, die Zusammensetzung derselben aus heterogenen
Elementen grosse Verschiedenheit in der Lebensweise der Ein-
zelnen herbeifuhren musste, eine Verschiedenheit welche Päpste
selber beklagen aber nicht verhindern konnten, woran übrigens
sehr wenige von ihnen persönlich Schuld getragen haben.
Die Verhältnisse des h. Stuhls brachten es währenddessen
mit sich, dass neben den gelehrten Cardinälen, neben den
254 Cardinäle Martins V. imd Eugens IV.
Theologen, Canonisten und Humanisten, neben d«n grossen
Herren aus einbeimischen und fremden Geschlechtern, neben
den Nepoten, von denen übrigens manche die persönliche Gunst
die sie erhoben durch eminente Eigenschaften rechtfertigten und
überwogen, rein politische Earaktere, administrative und mili-
tärische Talente ihren Weg machten weil sie erfordert waren.
Der Reichthum im Cardinalcollegium, in der avignoniscben
Zeit Anlass so vieler Klagen, steigerte sich durch die Vielzahl
der Beneficien, durch die Vereinigung von Bisthümem und
Abteien in Einer Hand mittelst des verderbUchen Commenden-
Wesens welchem kein Concil abzuhelfen vermögt hatte. Mit
dem Reichthum steigerte sich das weltliche Leben bei Solchen,
lur welche die kirchliche Stellung alle nur keine geistlichen
Gesichtspunkte bot.
Papst Martin V. hat meist ausgezeichneten Männern den
rothen Hut gegeben. Niccolo Albergati, Louis Aleman, Ar-
duino della Porta, Giuliano Cesarini, Domenico Capranica ge-
hören zu ihnen ; für Rom sind namentlich die beiden Letzteren
von Bedeutung gewesen, während auch zwei Fremde, Carillo
und La Rochetaille sich in der Baugeschichte der Stadt einen
Namen machten. Eine Menge bedeutender Persönlichkeiten
bietet die ruhelose Zeit Eugens IV. Neben Feldherren und
Verwaltern wie Vit^lleschi und Scarampi , von denen der crstere
seine übergrosse Autorität mit dem Tode büsste, letzterer für
sein weltlich freies Leben um seiner wichtigen Dienste willen
Nachsicht fand, Theologen wie Juan de Torquemada, Huma-
nisten wie Bessarion, gewandte und staatskluge Vertreter der
kirchlichen Interessen des Papstthums im Auslande wie Tom-
maso Parentucelli und vor Allen Juan de Carvajal, der unter
schwierigsten Umständen sein Leben in Legationen, in Teutsch-
land, Böhmen, Ungarn, im Kampfe gegen überstürzende Theo-
rien, gegen nationales, oft gerechtfertigtes Mistrauen, gegen
die hussitische Irrlehre, gegen osmanischen Andrang zugebrachte
seine Körperkraft verzehrt, seine Thatkraft, seine Festigkeit
und Kenntniss der Zustände nie verleugnet hat. Es fehlte
nicht an Solchen die neben Scarampi, zum Theil in offnem
AViderspruch mit ihm, eine grosse Stellung behaupteten, wie
Pietro Barbo nachmals Paul U., der in naheliegenden politi-
schen Dingen eine glückliche Hand hatte, Jean Le Jeune
k
Guillaume d*£stouteville. 255
Bischof von Amiens, der Portugiese Martin de Chaves, vor
allen Ändern Guillaume d'Estöuteville.
Der Name dieses Ausländers ist in Rom, wo er Bauten
und Kunstwerke hinterliess, unvergessen. Sein Geschlecht, in
Frankreich in Adrienne d*£stouteville der Gemalin Frangois*
de Bourbon Grafen von Saint -Pol in der zweiten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts erloschen, hat sich in Neapel fort-
gepflanzt, wo ihm der Titel von Herzogen von Calabritto zu
I^heil ward. Es war eine alte Familie der Normandie: Robert
Sire d'Estouteville et de Val-le-mont war unter den Begleitern
Wilhelms des Eroberers bei seinem englischen Zuge. Guillaiunes
Mutter w*ar eine Harcourt. Im ersten Decennium des fünfzehn-
ten Jahrhunderts geboren trat er in den Benedictinerorden,
studine auf der pariser Universität, wurde Prior von St. Martin-
des-champs, kam schon als junger Mann nach Rom, wo sich
ihm die glänzendste Laufbahn eröffnete. Im Jahre 1439 gab
ihm Eugen IV. den Cardinalspurpur während seines Aufent-
halts in Florenz, wo die Inschrift der im Jahre 1452 von ihm
geweihten, von den Medici erbauten Kapelle der Annunziata
an ihn erinnert Er wurde Bischof von Maurienne, Digne,
Beziers, Erzbischof von Ronen mit welchem Titel er in Rom
gewöhnlich benannt wurde; mehre Abteien, darunter Saint*
Ouen in Ronen und Mont- St. -Michel an der Küste der Nor-
mandie, Priorate, Beneficien aller Art fielen ihm zu; in der
römischen Hierarchie gelangte .er endlich zum Bisthum von
Ostia. Nicolaus V. sandte ihn im Jahre 1451 als Legat zu
Carl VII. Seine kirchhche Aufgabe, die Abschaffung der prag-
matischen Sanction, erreichte er ebensowenig wie die politische,
die Versöhnung mit England; aber er förderte ein gutes Ein-
vernehmen zwischen dem h. Stuhl und Frankreich, betheiligte
sich an den Reformen der Universität, ehrte seinen Namen in-
dem er die RehabiUtirung des Andenkens des Mädchens von
Orleans einleitete. Vom Anfang von Calixtus' III. Regierung
an hat er fast immer in Rom verweilt in glänzendsten Ver-
hältnissen, Protector der französischen Krone, seit 1477 Ca-
merlengo der Kirche, Decan des h. CoUegiums. Sein Einkommen
war fürstlich und er lebte in grossem Stil, ein vielseitig ge-
bildeter Mann, der sich für Wissenschaften und Künste inter-
essirte. Bei Sant' ApoUinare errichtete er sich einen eines Königs
256 Guillaume d'Estouteville. Cardinftle Nicolaus' V.
würdigen Palast; die Fa^ade von Sant' Agostino nennt ihn als
ihren Erbauer; Sta Maria maggiore und die Biscbofswohnung
zu Ostia zeugten von seiner Freigebigkeit die in gleichem Maasse
seinen französischen Kirchen imd Abteien zugutekam. Sein
Lebenswandel war keineswegs der eines Priesters, wenn die
wider ihn erhobenen Beschuldigungen Glauben verdienen. Von
einer Römerin aus angesehener Familie Girolama de' Tosti soll
er mehre Kinder gehabt haben welche für Sprösslinge seines
Bruders Robert d'Estouteville galten; eine Annahme welche
begründete Zweifel weckt. Diese römiscben d'Estouteville oder
Tuttavilla gelangten durcb Schenkung des Vaters oder Ohms
in den Besitz vonNemi, Genzano, Citta Lavigna, Frascati, ein
Besitz den sie nachmals nicht zu behaupten vermogten. Mar-
gberita eine der Töcbter heiratete am 30. December 1481 Mario
den Sobn Francescos de' Massimi, ihre Scbwester Caterina
Sabba den Sohn Lodovico Matteis. Der Cardinal ernannte die
beiden Schwäher seiner Nichten zu seinen Testamentsvoll-
ziehern in Gemeinschaft mit den Cardinälen Rodrigo Borgia
und Arcimboldi. Dies Verhältniss d'Estoutevilles zu den
Massimi lässt eine Nachricht die wir bei einem gleichzeitigen
Chronisten finden, doppelt aufi'allend erscheinen. »Am 23. Ja-
nuar, so erzählt der Notar von Nantiporto, starb der Cardinal
von Ronen, Camerlengo unseres Herrn des Papstes. Vor seinem
Tode beraubte ihn Messer Bernardo de' Massimi, der durch
die Kirche Sant' ApoUinare in den Palast drang, für etwa
30,000 Ducaten Silbergerath wegnahm und nach Venedig
schaffte. Am 24. wurde der arme Cardinal wie im Leben so
im Tode bestohlen. Als man die Leiche nach Sant' Agostino
trug, gerietben die Kleriker von Sta Maria maggiore mit denen
letzterer Kirche in Streit, indem jene sich den Goldbrocat an-
eignen wollten in welchen der Körper von Kopf zu Füssen ge-
kleidet war. Es entstand der ärgste Lärm. Erst zerbläuten
sie einander mit den Fackeln, dann wurden viele Schwerter
gezogen, endlicb hob man den Todten auf und trug ihn in die
Sacristei. Hier raubte man ibm die Ringe von den Fingern,
ja, so heisst es, sogar die Liful vom Haupte.« So endete
Guillaume d'Estouteville.
Unter den Cardinälen Nicolaus' V. zeicbneten sich der Spa-
nier Antonio de la Cerda durcb theologiscbe Grelehrsamkeit,
Nicolaus von Cusa, der freiUch in Rom immer ein Fremder
Latino Orsini. Cardinftle Calixtus' III. 257
blieb, durch allumfassendes Wissen und grosse der Kirche
geleistete Dienste, Latino Orsini durch den Einfluss aus,
welchen Abstammung, Beichthum, vielseitige Th&tigksit ihm
verschafften. Latino Orsini war ein Sohn Carlos welchem
Martin V. Bracciano zum Lehn gegeben hatte, Bruder Napo-
leons welcher daselbst das mächtige Castell baute. Er war
kein Ascet wie Nicolaus* ÜI. Neffe der seinen Namen trug:
sein Sohn Paolo, derselbe welchen Cesare Boi^a mit seinem
Vetter von Gravina in Castel della Pieve umbringen Uess,
erbte Mentana imd andern ansehnlichen Besitz in der Sabina.
Seine Jugend war unruhig genug gewesen. Doch wandte er
kirchUchen und gelehrten Dingen seinen Sinn zu und gründete
im Jahre 1449, nicht lange nach seiner Cardinalcreirung , Kirche
und Kloster S. Salvatore in lauro fiir die venetianische Con-
gregation von S. Giorgio in Alga, wo man ihm im siebzehnten
Jahrhundert ein Denkmal setzte und wohin er eine schöne
Bibliothek vermachte, die bei der bourbonischen Plünderung
zugrundeging. Erzbischof von Consa, dann von Trani, von
Bari, von Tarent, Abt von Farfa womit er mehre andere Com-
inenden vereinigte, mehrfach zu Legationen gebraucht wie denn
er es war der König Ferrante krönte , Cardinalbischof von Al-
bano, dann von Sabina und Frascati, tmter Sixtus IV. Camer-
lengo, war er einer der reichsten und splendidesten Cardinäle.
Zweimal, bei der Besitznahme CaUxtus' III. und jener Sixtus' IV.,
verhinderte er diffch sein Dazwischentreten ärgste Unordnung,
^ein Palast von Monte Giordano gUch dem eines Souveräns;
als er im August 1477 auf dem Todesbette lag, besuchte ihn
Papst Sixtus und hielt in seinen Zimmern ein Consistorium.
Sein Einfluss war so gross dass er nach dem im Jahre 1463
«erfolgten Tode des Nepoten Martins V., Prosper Colonna, die
Aufiiahme eines Colonna oder SavelU in das h. CoUegium zu
verhindem vermogte.
Calixtus III. hat Rodrigo Borgia zum Cardinal gemacht,
aber auch Enea Silvio Piccolomini , Jakob von Portugal, Richard
Olivier de Longueil. Der portugiesische CardinaUnfant starb
jung auf einer Legationsreise zu Florenz; die Inschrift seines
Denkmals in S. Miniato al monte, eines der schönsten Werke
Antonio Rossellinos, erwähnt seiner trefflichen Eigenschaften,
»insignis forma, summa pudicitia, morum nitor, optima vita«.
Longueil gehörte wie d'Estouteville einer vornehmen FamiUe
▼. RcumoDt, Kom. UI. 17
258 Olivier de Longiieil. Cardinäle Piiis' II.
der Nonnandie an und betheiligte sich gleich ihm an der Ehren«
rettong Jeannes d'Arc. Carl VU. schenkte ihm das grosste
Vertrauen , beförderte ihn zum Bisthum Coutanoea , stellte ihn
an die Spitze seines Geheimenrathes, brauchte ihn zu Am-
bassaden, erwirkte ihm den rothen Hut. Seine Opposition
gegen den Gallicanismus und eine erfolglose Sendung nach
Rom in Angelegenheiten der neapolitanischen Thronfolge der
Anjous würde seine Stellung in seiner Heimat erschwert haben«
hätte selbst Ludwigs XL Thronbesteigung ihn nicht veranlaast
in Rom zu bleiben, wo er zur Würde eines Cardinalbischofä
von Porto aufstieg und die umbrische Legation erhielt,
während deren er sechzigjährig im Sommer 1470 zu Perugia
starb. »Wollte Gott, schreibt Jacopo Ammanati, wir hatten
mehre Cardinäle von Coutances — der Kirche würde es dann
nicht an guten Berathem fehlen. Ein ehrwürdiger Mann, der
Wissen mit Klugheit und Güte vereint und im Aussprechen
seiner Meinung immer streng aufrichtig ist.«
Plus IL hat manche würdige und tüchtige Männer zum
Cardinalat erhoben. Indem er aber vorzugsweise auf admini-
strative Talente oder auf gelehrte Bildung sah, hat er kaum
Einen in das h. CoUegium eingeführt, der eine äusserlich gross-
artige StelluDg eingenommen hätte , während kein Römer von
vornehmer Familie durch ihn befördert wurde. Angelo Ca-
pranica Domenicos Bruder, Bernardo Eroli von Nami, der
Augustinergeneiml Alessandro Oliva, Bartolommeo Roverella
brachten ihr Leben in kirchlichen Aemtern und Legationen zu;
Jacopo Ammanati vereinte damit grosse literarische Thätigkeit;
Niccolo Forteguerri von Pistoja zeichnete sich durch diploma-
tisches Geschick aus wie durch militärisches Talent. Francesco
Todeschini Piccolomini war ein Nepote der sich bei keinem
unbeliebt machte. Der jung verstorbene vornehme Franzose
Louis d' Albret war von strengem sittlichen WandeL Das welt-
lich fürstliche Element repräsentirte nur Einer, Francesco daGon-
zaga, der Sohn des Markgrafen Lodovico von Mantua und Bar-
baras von Brandenburg. Vom Türkencongresse her stand Pius II.
in engen Beziehungen zur Familie Gonzaga, von früher schon zu
den Hohenzollem. Lodovico, der Mantua und andere Orte seines
Staates mit schönen Bauwerken schmückte und in Florenz das |
Choroktogon der Annunziata nach Leon Batista Albertis Zeich- I
nung auffuhren liess, begegnete sich mit dem Papste in der
(Kardinäle Pauls II. Olivieri Carafa. 259
Theilnalune ao wi89en8cbaftlichen und künstlerischen Bestre-
bungen wie er überhaupt zu den gebildetsten Herren seiner an
eleganter Bildung reichen Zeit gehörte. Der zwanzigjSlirige
Francesco studirte in Pavia als ihm der Purpur verUehen wurde.
Kirchliche Tendenzen lagen ihm ferne und die Bolognesen,
denen man ihn zum Bischof wie zum Legaten gab, klagten
dass er die Einkünfte des Bisthums verschwenderisch verthue,
aber sie gehorchten ihm der die Verwaltung mit kraftiger Hand
führte. Spiel, Jagd, Reiten, Fechten passten mehr zum Edel-
mann als zum Kirchenfursten, wie denn sein Hausstand sehr
weltliches Gepräge trug; die Literatur liebte er wie sein Vater,
und durch seine Verwendung erlangte Piatina unter Paul II.
Befreiung aus dem Kerker. Angelo Politianos Orpheus wurde
bei Gelegenheit eines Besuches des Cardinais in Mantua ge-
dichtet und aufgeführt. Erst vierundvierzig Jahre alt starb Fran-
cesco Gonzaga im Herbste 1483 im Bade La Porretta im Apennin,
der das Bologneserland von der pistojeser Ebne scheidet.
Drei Nepoten wurden durch Paul H. zum Cardinalat be-
fördert. Der erste derselben, Marco Barbo, trat, was Baulust
und Glanz betrifft, in die Fussstapfen des Oheims. Batista
Zeno gehörte mehr seinem Bisthum Padua als Rom an: für
(xiovanni Michiel wäre es ein Glück gewesen hätte auch er in
Alexanders VL Zeit sich Rom fernegehalten, statt in die borgia-
schen Händel verwickelt zu werden die ihn in die Engelsburg
und zum Tode durch Gift fahrten. Die beiden bekanntesten
Cardinäle dieses Papstes sind Olivieri Carafa und Jean de La
Balue. Der erstere, ein Neffe Diomeds des ersten Grafen von
Maddaloni aus seiner grossen Familie, war im Jahre 1430 ge-
boren. Mit achtundzwanzig Jahren ward er, dessen Haus
unter den aragonesischen Königen die ihm viel verdankten viel
vermogte , durch Pius H. auf den Erzbischofstuhl von Neapel
erhoben, neun Jahre darauf von dessen Nachfolger mit dem
Purpur bekleidet. Er war Jurist, Theolog, Alterthumskenner,
Staatsmann; im Kriegswesen selbst versuchte er sich als Ad-
miral gegen die Türken. In Rom vertrat er wiederholt inmitten
der Schwierigkeiten der wechselvollen Pohtik der drei letzten
Päpste des Jahrhunderts die Interessen seines Königshauses.
Nach der Unsitte der Zeit cumulirte er mit seinem Erzbisthum
Neapel, das er nur zeitweilig besuchen konnte, verschiedene
Bischofsitze, Chieti das er seinem Vetter dem nachmaligen
17*
260 Jean de La Baliie.
Papste Paul IV. abtrat, Bimini, Terracina, die berühmten Be-
nedictinerabteien La Cava und Montevergine von welcher letz>
tem aus sein Bruder und Nachfolger in der erzbischöflichen
Würde, Alessandi'o Carafa, die Gebeine des h. Januarius nach
Neapels Cathedrale übertrug. In der Heimat geehrt und ein-
flussreich, war er in Rom populär wie Wenige. Diese Ghinst
verdiente er durch den Gebrauch den er von seinem reichen
Einkommen machte wie durch seine Leutseligkeit Wissen-
schaft und Gelehrte unterstützte er reichlich; viele Jünglinge
sind durch ihn der Kirche und ernsten Studien gewonnen wor-
den. Den lateranischen Domherren baute er das Kloster neben
Sta Maria della pace, wohin er auch seine schöne Bücher-
Sammlung vermachte, den Dominicanern von Sta Maria sopn
Minerva die Kapelle des h. Thomas von Aquin. Seinen Namen
trägt das Postament der sogenaimten Pasquinsstatue , die er
neben seiner Wohnung, dem Palast Francesco Orsinis an Piazza
Navona aufstellen liess — »Oliverii Carafa beneficio hie sum
anno salutis MDL« Eine andere Wohnung hatte er auf dem
Quirinal. Einundachtzig] ährig starb er hier als Decan des h.
CoUegiums im Jahre 1511, und ruht in seiner neapoUtanischen
Cathedrale vor der von ihm neugebauten prächtigen Confession,
wo man seine knieende Marmorgestalt und sein Wappen mit
der Wage sieht, unter dem man die carafasche Devise liest:
»Hoc fac et vives.«
Ein anderer Mann nach Herkunft und Karakter war Jean
de La Balue, eines Müllers oder Schusters Sohn aus Verdun.
durch Talent und unermüdete Ränke emporgekommen , Bischof
von Evreux dann von Angers, Ludwigs XI. Almosenier und
vertrauter Rath. Sein Leben gehört Frankreich mehr an als
Rom, wo Paul U. durch des Königs Drängen bewogen ihm
während der Verhandlungen zur Abscliaffung der pragmatischen
Sanction im Jahre 1467 den Purpur gab und wohin er sich im
Jahre 1480 zurückzog, aus dem Eisenkäfig im Schlosse zu
Loches entlassen , in welchem sein von ihm während der langen
Differenzen mit Carl dem Kühnen schmachvoll betrogener und
verrathener Wohlthäter ihn eilf Jahre lang eingesperrt gehal-
ten hatte. Es ist unbegreiflich dass Sixtus IV. diesen übel-
berufenen Mann als Legat nach Carls VUI. Regierungsantritt
nach Frankreich senden konnte und dieser die Kühnheit hatte
in Paris aufzutreten, von wo er sich jedoch nach des Papstes
Cardinftle Sixtiis' IV. Die Riari und Della Rovere. 261
Tode eilig entfernte, unter Innocenz VIII. zum Rang eines
Cardinalbischofs von Älbano dann von Palestrina erhoben und
mit seinem durch Habsucht und Simonie erworbenen Beich-
thum der öffentUchen Meinung trotzend, bis er im Jahre 1491
zu Eipatransone in der Mark sein unseUges Leben beschloss.
Dem Könige den er verrieth, hatte er einst während der ge-
fahrvollen inneren Unruhen die man nach der Vereinbarung
des Bien public benannte, wichtige Dienste geleistet; in seiner
Bischofstracht hatte er die Bürgergarden geführt Sire, hatte
damals der Grossmeister von Frankreich Antoine de Chabanes
ztt Ludwig XI. gesagt, gestattet mir dass ich in Evreux Priester
weihen gehe, da der Bischof von Evreux das Kriegsvolk ein-
zuüben unternommen hat
8.
DAS CARDINALCOLLEaiUM. n. VON SIXTUS IV. ZU ALEXANDER VI.
Der Nepotismus im Grossen, politisch wie kircUich, be-
gann mit Sixtus IV. PäpstUche Verwandte gründeten im
Kirchenstaat FCirstenthümer, während sie in bisher ungewohnter
Zahl in das CardinalcoUegium eindrangen. Nicht weniger als
sechs derselben — denn auch die beiden Della Kovere von
Vinovo, obgleich inderthat nur Namensvettern derer von Sa-
vona, sind hier zu nennen — erhielten den rothen Hut Von
Pietro Riario, GiuUano della Rovere, Raffaello Sansoni Riario
int wiederholt die Rede gewesen, wird melirfach die Rede sein,
wo die künstlerischen Tendenzen der Zeit betrachtet werden.
Das geistUche Element wurde durch sie nicht repräsentirt,
selbst nicht durch GiuUano, den ernstesten und bedeutendsten
unter ihnen. Sie waren grosse Herren mit überwiegend welt-
lichen Interessen, so radical auch die Verschiedenheit ilirer
Karaktere sein mogte. Der vierte der päpsthchen Schwester-
söhne Girolamo Basso della Rovere, Bischof von Loreto und
Recanati, war ein untadelhafter Prälat der die Gunst seines
Oheims ebensowenig wie die seines Vetters JuUus H. mis-
brauchte. Von den beiden anderen starb Cristoforo della Ro-
vere alsbald nach seiner Beförderuug, während dessen Bruder
262 Römische Bai'ouc als Cardiiiäle. Ascanio Sforza.
Domenico in Rom eine einflussreiche Stellung hatte und vor-
zugsweise geistlichen Interessen gewidmet sein ansehniiches
Einkommen namentlich für kirchliche Bauten verwendete, unter
denen ausserhalb Roms die turiner Cathedrale wie die seines
Bischofsitzes Montefiascone hervorragen.
Manche Ausländer wurden durch Sixtus IV. in das h.
Collegium und nach Rom gezogen. Zu ihnen gehörten
Philippe de Levis Erzbischof von Arles und Philibert Hu-
gonet Bischof von Macon, Bruder jenes Guillaume Hu-
gonet welcher nach 'dem Ende Carls des Kühnen von den
über die Bedrückungen seiner Verwaltung empörten Bürgern
von Gent mit dem Tode bestraft wurde. Ein tragisches £r-
eigniss welches PhiUbert, der den Herzog mehrmals bei den
Päpsten wie in Neapel vertreten hatte, Rom zum Aufenthalt zu
wählen veranlasste, wo er so arm starb dass die apostolische
Kammer die Kosten der Beerdigung tragen musste. Der Por-
tugiese Giorgio da Costa Erzbischof von Lissabon , welcher im
Jahre 1503 hundertjährig starb, galt för den reichsten Kirchen-
fürsten seiner Zeit. Unter den Spaniern ragte der Erzbischof
von Toledo Pedro Gonzalez de Mendoza hervor, welcher seine
Titelkirche Sta Croce in Gerusalemme erneuerte aber meist in
seiner Heimat lebte, wo er sich auch an den letzten Mauren-
kriegen betheiligte. Unter den Italienern zeichnete sich Stefano
Nardini von ForU, in seiner Jugend Kriegsmann dann im Ver-
waltungswesen und in Nuntiaturen vielgebraucht, durch Bau-
lust und Stiftungen aus. Die grossen römischen FamiUen waren
gegen das Ende von Sixtus' Regierung durch mehre Cardinäle
vertreten, welche namentUch unter Alexander VI. von den
Stürmen betroffen wurden die auf die Aristokratie eindrangen
und sie zu entwurzeln drohten. Giovan Batista Savelli, Gio-
vanni Colonna Sohn Antonios Fürsten von Salemo, der vierte
(^ardinal seines Namens, Giovanni Conti von Valmontone, Gio-
van Batista Orsini — die Geschichte der Borgia liat ihrer ge-
dacht, wie sie, verfolgt und gehetzt, der Eine des Purpurs
beraubt in der Fremde umherirrend, der Andere im Kerker
vergiftet, die entsetzliche Zeit auch im hohen geistlichen Stande
repräsentiren.
Der vornehmste Repräsentant des weltlichen Geistes und
Glanzes war aber Ascanio Maria Sforza. Sein Leben ist über-
aus stürmisch gewesen; die Wechselfalle welche die g»Dze
Ascanio Sforza. ' 263
Dynastie der Sforza hinundhergoworfen und ihren Stifter allein
erhoben haben um ihn allein nicht wieder jah zu stürzen , folgten
auch bei ihm Schlag auf Schlag. In die Uneinigkeit der Fa-
milie hineingezogen, welche bald nach dem Tode seines ältesten
Bruders Galeazzo Maria ausbrach und namenüich in dem Ehr-
geiz des andern Bruders Lodovico il Moro Nahrung fand,
stand Ascanio Maria Letzterm bald freimdhch bald feindUch
gegenüber, bis er bei dem Herannahen der grossen Entschei-
dune: der itaUschen Geschicke sich ihm fest anschloss und
Glück wie Unglück mit ihm theilte. In Rom der vornehmste
Verfechter seiner PoUtik und seiner Interessen sah er sich
auch in seinen endlichen Sturz verwickelt, ein Gefangener . im
Schlosse von Bourges aus dem er entlassen ward um am Con-
chtve nach Alexanders VI. Tode Theil zu nehmen , von JuUus II.
seinem alten Gegner gegen die französischen Forderungen ge-
schützt welche seine Rückkehr in die Kerkerhaft verlangten.
Wie ein Sieger war der Cardinal in Rom eingezogen; auf dem
ganzen Wege von Porta del popolo bis zur Kirche S. Celso
und dann zu seinem Palaste waren die Fenster etleuchtet und
das Volk rief: Ascan, Ascan! Sforza, Sforza! Er war ein
reicher und glänzender Herr. Die Einkünfte von vier Bisthü-
mem und mehren Abteien wie die des Vicekanzleramtes welches
der Preis seiner Zustimmung zur Wahl Rodrigo Borgias ge-
wesen sein soll, und seiner Apanage verwendete er zu fürst-
lichem Hofhält und weltUch grossartigem Leben. Nach Alexan-
ders VI. Thronbesteigung hatte er dessen Palast erhalten
welcher die Wohnung des Vicekanzlers blieb, bis diese in den
Palast Rf^ael Riarios verlegt wmxI, worauf die Cancellaria
vecchia an die Sforza von Santa Fiora überging denen sie noch
gehört. Von einem nächtlichen Feste welches Ascan Maria
in der letzten Zeit Innocenz' VIII. dem Prinzen von Capua
Ferrandino König Ferrantes Enkel gab, sagt der römische
Annalist, wenn er die Pracht beschreiben wollte würde man
ihn als Märchenerzähler verlachen. Bei dem Besuch dieses
Prinzen der im Vatican beherbergt wurde, war es wo das
neapolitanische Gefolge Leinwand und alles Tragbare aus den
Zimmern mitnahm und im Borgo das Fleisch verkaufte welches
der Papst ihnen reichen liess. Ascanio Maria hatte trotz der
von Angelo Poliziano ihm gespendeten Lobsprüche mehr Sinn
für Bildung als Geschmack; dass die Literaten bei ihm aus- und
264 * Cardinale Innocenz' VTIl. Giovanni de' Medici.
eingingen, dass er offiies Haus hielt, dass auch seinen Kir-
chen und den Armen sein Reichthum zugute kam, lag im
Karakter der Zeit, seines Geschlechts und seiner Stellung.
Nach Julius' IL Erhebung ruhig in Rom lebend, wo er sich
namentUch mit Entwürfen zur Befreiung seines Bruders des
Morö aus dem Kerker von Loches beschäftigte, wurde er im
Jahre 1505, erst fünfzigjährig, wie es heisst durch eine an-
steckende Krankheit hingerafft, in seinem Gartenhause bei
S. Girolamo degU Schiavoni, kurz nach der Rückkehr Ton
einer Jagd, ein Zeitvertreib den er mit Leidenschaft liebte.
Sein Denkmal im Chor von Sta Maria del popolo ist eines der
schönsten der Uebergangszeit von der Renaissance im strengem
Sinne zur reichem Formentwicklung des Cinquecento. Papst
JuUus liess es errichten gegenüber dem seines Vetters Girolamo
Basso della Rovere. Die Lischrift ehrt, wenn sie wahr und
aufrichtig ist, so den Cardinal wie den Papst. Im Glück ge-
mässigt, im Unglück hochsinnig, so wird Ascan Maria ge-
schildert, dessen Monument Julius U. errichtet habe einge-
denk seiner Tugenden, seiner ehrenwerthen Fehden vei^essend.
Die Zahl von Innocenz' VIIL Cardinälen ist nicht gross,
die wenigsten sind für Rom bedeutend gewesen. Denn der
geisthche Nepote Lorenzo de' Mari der den Namen Cybo an-
nahm, stand seinem Vetter Franceschetto nach, Federigo
Sanseverino, der sich namentUch durch seine heftige Oppo-
sition gegen Julius IL bekannt machte, hatte in Rom keine
hervorragende Stellung, Pierre d'Aubusson Grossmeister von
Rhodus gehört ganz der ruhmvollen Geschichte des Johanniter-
ordens an. So bleibt uns nur Giovanni de' Medici. Das
jugendliche Alter des berühmten Sohnes Lorenzos des Er-
lauchten erklärt es dass eine geraume Zeit von ihm nicht die
Rede ist. Innocenz VIII. hatte fünftehalb Jahre verstreichen
lassen ohne Cardinäle zu creiren. Es währte denen die auf
den rothen Hut sich Hoffnung oder Anspruch machten wie
ihren Angehörigen zu lange. Lorenzo de' Medici war in Fa-
milienverbindung mit den Cybo getreten. Seine Briefe an den
ilorentinischen Bevollmächtigten in Rom Giovanni Lanfredioi
wie an den Papst selbst sind redende Zeugnisse der Ungeduld,
welche das Zögern des Letztern mit der Erhöhung von Ange-
hörigen und Nahestehenden in ihm weckte. Während er In-
nocenz bemerklich machte , Andere hätten damit nicht gewartet
Giovanni de' Medici. 265
bis sie Papst geworden — niemand »ei unsterblich, und ein
Papst, der seine Würde nicht vererben könne, dürfe nur Das
sein nennen was er den Seinen zuwende, schrieb er an Lan-
fredini, die Ernennung von Cardinälen sollte nicht länger als
durchaus nothwendig verschoben werden. Erst dann werde
lanocenz ein rechter Papst sein: heute sei er ein Haupt ohne
Glieder, von fremden Creaturen umringt statt von den eignen.
Die künftigen Cardin&le sollten wenigstens das Alter von
dreissig Jahren haben: Giovanni de* Medici zählte deren vier-
zehn! Der Papst empfand doch einige Scheu; Ascan Sforza
imd Rodrigo Borgia, denen daran lag sich den Gebieter von
Florenz zu verpflichten, sollen auf ihn eingewirkt haben, wenn
dies ja grosse Mühe kostete. Am 9. März 1489 wurde der
Knabe Cardinaldiakon von Sta Maria in Domnica. Anfangs
sollte es eine geheime Creation sein, aber sie wurde in Rom
bekannt, in Florenz gefeiert. Giovannis Lehrer PoUziano fand
sich veranlasst dem Zögling in einem Schreiben an den Papst
ein Maturitätszeugniss auszustellen, dessen Einhändigung Lo-
renzos feiner Tact nicht geeignet erachtete. Die wirkUche Ein-
fuhrung in das CardinalcoUegium wurde des Decorums wegen
allerdings verschoben. Giovanni ging nach Pisa seine Studien
auf der dortigen Hochschule fortzusetzen, und erst nach drei
Jahren, am 9. März 1492, wurden ihm in der Abtei von Fiesole
die Insignien seiner Würde überreicht. Ganz Florenz war in
Bewegung, als er feierlich einzog und zuerst nach der Kirche
der Annunziata und dem Dom dann nach dem mediceischen
Palast sich begab. Am 22. März war er in Rom. Die erste
Nacht verbrachte er im Kloster von Sta Maria del popolo, am
folgenden Morgen holten die Cardinäle ihn ziur Vorstellung
heim Papste ab. Kaum hatte er Zeit gehabt sich in Rom um-
zusehn, als eine Trauerkunde ihn abrief. Am 8. April starb
Lorenzo der Erlauchte. Mit dem Titel eines Legaten für das
Patrimonium und Toscana kehrte der Siebzehnjährige nach
Florenz zurück, wo die äussere Stellung des Vaters, nicht
dessen Besonnenheit und persönliche Autorität auf den ältesten
der Sohne, Piero, überging. Zwei Jahre später erfolgte die
Umwälzung welche während des Zuges Carls VIII. die Medici
aus Florenz vertrieb. Giovanni , im Franciscanerhabit entflohen,
fand mit seinen beiden Brüdern in Bologna eine Zuflucht.
Die verschiedenen Versuche der Medici, Florenz ihrem
266 Giovamii de* Medici.
Einfluss wieder zu unterwerfen, schlugen fehl. Innocenz VIIL
war todt und die borgiasche Wirthechaft Hess den Cardinal
nicht ruhig in Rom sein. Mit seinem Vetter Giulio, demnach-
gebornen Sohne des in der Verschwörung der Pazzi ermorde-
ten Giuliano und mehren Freunden durchzog er, seinen Rang
nicht mehr verbergend, Oberitalien, Teutschland, Flandern,
Frankreich, nicht ohne Abenteuer und Behinderung, von Kaiser
Maximilian und Erzherzog Philipp empfangen, ging von Mar-
seille die Riviera entlang nach Savona wo Giuliano della
Rovere, gleich ihm vor Alexander VI. aus Rom flüchtig, ihn
aufnahm, weilte in Genua bei seinem Schwager Franceschetto
Cybo. Die Verwicklungen der italienischen Politik während
Ludwigs XII. Unternehmung gegen Mailand, nachmals gegen
Neapel Hessen den Medici eine Verständigung mit dem Papst«
zur Erlangung ihrer Wiedereinsetzung in Florenz mögUch und
förderlich erscheinen. Nach mehrjährigem Wanderleben kehrte
der Cardinal im Jahre 1500 nach Rom zurück. Hier verbracht«
er die noch übrige Zeit des Pontificats Alexanders VI. wenig-
stens äusserlich in Ruhe. Ein letzter Versuch Pieros, seinem
Exil ein Ziel zu setzen, mislang; beim Uebersetzen über den
Garigliano fand er zu Ende 1503 den Tod. Nur eine neue
Umgestaltung der Lage Italiens konnte den Verbannten die
Thore der Vaterstadt wieder öffnen. Der Cardinal hatte in
Rom um sich vereinigt was ihm aus dem florentinischen Schiflf-
bruch zu retten gelungen war. Sein Palast bei Sant' Eustacbio
war mit Statuen und Gemälden, mit schönem Marmor ge-
schmückt, vor allem mit einer kostbaren Büchersammlung
welche viele der vom Vater und ürgrossvater gesammelten
Handschriften enthielt. Literaten und Künstler gingen hier
aus und ein; Abends vernahm man häufig Musik welche der
(kardinal sehr liebte. Es war nicht die Haltung und Lebens-
weise eines Kirchenfürsten, aber durch Würde und Anstand
zeichnete sich der junge Cardinal vor manchen älteren aus.
Giovanni de' Medici hatte von seinem Vater die poUtiscben
wie die literarischen und künstlerischen Tendenzen geerbt
aber auch dessen Hang zur Verschwendung welcher so dem
Familienvermögen wie dem des Staates theuer zu stehn gekom-
men war, seine Vergnügungssucht die sich bei ihm mit den
Jahren steigerte und seiner Stellung immer weniger entsprach,
vielleicht eine religiöse Indifferenz welche mit seiner Eniebung
Cardinälc Alexanders VI. 267
durch Platoniker und Poeten und den ihn in seiner Jugend
umgebenden Beispielen zusammenhing. Er stand in seinem
achtundzwanzigsten Lebensjahre, als der Tod Alexanders VI.
den Dingen in Rom und Italien eine neue Wendung gab.
Die bunteste Reihe bilden die Cardinäle Alexanders VI.
Nepotismus und Politik hatten bei ihrer Wahl die Oberhand:
dass manche bedeutende Männer daraus hervorgingen, liegt
an der ereignissreichen Zeit die den Cardinalat seinem höch-
sten Glänze entgegenfuhrte. Fünf Borgia und einer ihrer nahen
V^ervvandten Francisco de Loris erhielten den Purpur, neben
ihnen mehre die erst zum Cardinal dann zum Papste in ge-
nauen Beziehungen gestanden, zu dessen Hofe gehört hatten.
Einer dieser letzteren, Gian Batista Ferreri, Datar und Regens
der Kanzlei, war es der dem Herzog von Valentinois beim
Geldmachen behiilflich zu sein pflegte und zum Lohne von ihm
vergiftet worden sein soll, da Jenen nach den achtzigtausend
Ducaten gelüstete die der Habsüchtige, der keinen Pfennig
nach Rom mitgebracht, zusammengeschleppt hatte. Von einem
der borgiaschen Cardinäle, Juan Erzbischof von Monreale,
eatwirft der venetianische Botschafter Paolo Capello kein ein-
nehmendes Bild. »Monreale, sagt er, ist seit drei Jahren (1497) ^
mit dem Papst überworfen und spricht nicht mit ihm. Seine
Leidenschaft wäre der Flandelsstand; er strebt nur danach
dreissigtausend Ducaten in den Banken zu haben und damit
zu wuchern. Er ist ein Geizhals dem es auf einen Ducaten
ankommt.« Aus grösseren römischen Familien gelangten nur
zwei zum Cardinalat, Beide junge Männer die damals noch
keine Stellung hatten. Der eine war Alessandro Famese, der
andere Giuliano Cesarini. Vom Farnese sagte der böse Leu-
mund, die Gunst in welcher seine Schwester, die »Bella
(riuliat der Schandchronik, beim Papste stand, habe seine
Erhebung veranlasst. Ist dem so, so hat er nachmals vollauf
Gelegenheit gehabt, durch seinen persönlichen Werth und seine
ungewöhnlichen Gaben so verdächtige Anfange in Vei^essen-
heit zu bringen. Venedig hatte zwei Cardinäle, Domenico
Grimani eines Dogen Sohn und Marco Comaro Neffen von
Cypems letzter Königin. Nur ersterer, von dem noch die
Rede sein wird, lebte in Rom wo er den Palast von San
Marco bewohnte und eine grosse Stellung hatte. Florenz war
vertreten durch Francesco Soderini Bischof von Volterra.
268 Adriaiio Castellesi.
Seine Familie gehörte zu den angesehensten der Repubhk um
die sie sich namentlich im fünfzehnten Jahrhundert verdient
machte. Sein Vater Tommaso hatte viel dazu beigetragen
nach dem Tode Cosimos des Alten die schwankende Autorität
der Medici zu befestigen; sein Bruder Piero ist der einzige
lebenslängliche Gonfaloniere von Florenz gewesen. Der Sturz
desselben durch die Medici und ihre Freunde in den letzten
Zeiten von Julius' IL Regierung entzündete in- der Brust Fran-
cescos, eines sonst tüchtigen und talentvollen Mannes, jenen
Hass der ihn in einen schlimmen Anschlag gegen Leo X. und
ein zweitesmal in Intriguen verwickelte, welche ihn in den
Kerker führten und sein Leben verkürzten.
Ein anderer von Alexanders VI. CardinaJen hat ein schlim-
mes Ende genommen, Adriano Castellesi. Von ihm wird so
in der Literar- wie in der Kunstgeschichte die Bede sein: auf
seinen Lebensgang hinzuweisen ist aber hier der Ort. Wie
Vitelleschi stammte er aus angesehener Familie der damals
noch bedeutenden und belebten Stadt Cometo. Als Jüngling
nach Rom gekommen den Studien obzuliegen, soll er dem
Cardinal Rodrigo Borgia empfohlen worden sein, mit dem sein
Vater, in Calixtus' HI. Tagen cometanischer Abgesandter in
Rom bekannt war. Inuocenz VIII. sandte den jimgen Mann in
Geld- imd politischen Angelegenheiten nach England und
Schottland; die von Heinrich VII. ihm verUehenen Bisthümer
von Hereford dann Bath und WeUs sprechen für die Gewandt-
heit womit er die Aufträge ausführte. Alexander VI. machte
ihn zum Secretar der Breven, zum Schatzmeister, im Jahre
1503 zum Cardinalpriester von S. Grisogono, fünf Monate vor
seinem Tode in dessen Scandaltradition er verwickelt war. In
JuUus' n. Tagen wandte das Glück ihm den Rücken. Julius,
obgleicli den borgiaschen Creaturen abhold, begünstigte ihn
eine Zeitlang, aber Aeusserungen des Cardinais führten zu
einem Zerwürfniss und zu zweimaliger Flucht aus Rom. Fünf
Jahre währte seine Abwesenheit: erst nach des Papstes Tode
kehrte er zurück. Leo X. hätte ihn , den elegantesten Latinist«n
seiner Zeit, nach seinem Geschmack finden müssen, aber
Adriano liess sich wie Soderini in die Verschwörung des Car-
dinais Petrucci gegen den Papst ein und verschwand nach
deren Entdeckung aus Rom. Seiner Würden ward er ver-
lustig erklärt; was aus ihm wurde weiss man nicht Dunkle
Ippolito d'Este. Spanische und französische C&rdinäle. 269
Gerüchte lassen ihn in der Türkei von einem Diener ermordet
werden den nach den Schätzen des Herrn gelüstete.
Wie unter den Cardinäien Sixtus' IV. Ascan Sforza, war
unter denen Alexanders VI. Ippolito d'Este Repräsentant des
italienischen Principats. Der Sohn Herzog Ercoles L, der
Bruder Alfonsos des Gemals der Lucrezia, im Alter von sieben
Jahren von Matthias Corvinus zum Erzbischof von Gran ge-
macht was Innocenz VIII. zu stark fand aber auf des Vaters
Verwendung doch {bestätigte, hat weder als Kirchenfurst, in
welcher Eigenschaft er Bisthümer wie Mailand, Capua, Ferrara,
Modena, Agram mit den reichsten Abteien vereinte, noch als
Mäcen einen glänzenden Namen hinterlassen. Der immens reiche
Cardinal, hart, gewaltsam, rachsüchtig, im Lebenswandel un-
regelmässig, war inmitten all seiner PrachtUebe der karge Be-
schützer des zu seinen Hofleuten gehörenden und von ihm viel-
gebrauchten Ariosto, dem er das Lob der Este schlecht
lohnte. An ihn richtete er bei der Ueberreichung des Rasen-
den Roland die berüchtigte Frage, welche durch das »Messer
Lodovico, wo habt ihr all diesen Unsinn hergeholt?« höchst
unvollkommen übersetzt wird. Was seine eigentliche Bestim-
mung war, zeigte IppoUto im Kriege von 1509, als er in der
schweren über Herzog Alfons hereingebrochenen Bedrängniss
mittelst Durchstechens der Deiche des Po Ferrara vor den
Venetianem rettete die dann eine entscheidende Niederlage er->
litten — die Waffenthat welche Ariost feiert indem er sich an
den »hochherzigen Hippolyt« wendet, der
»— dem goldnen Löwen dort
Mit solcher Kraft zerbrach die Zahn* und Krallen,
Dass er seitdem uns nie zur Last gefallen.«
Dass unter einem spanischen Papste manche Spanier empor-
kamen , ist natürlich. Die bedeutendsten derselben waren Ber-
uardino Carvajal und Francisco KemoUno. Ersterer, Neffe des
verdienten geistlichen Diplomaten, hat sich, von Iimocenz VIll.
als Nuntius nach Spanien, von Ferdinand und Isabella als
Botschafter an Alexander VI. gesandt, durch die Decken-
malereien an der Tribüne von Sta Croce iu Gerusalemme ein
schöneres Denkmal gesetzt als durch seine factiöse Opposition
gegen Julius H. Letzterer, von Staatsgeschäften zum geist-
lichen Stande übergegangen in welchem er Bisthümer und
272 Datarie und Ponitentiarie.
Titel von SS. Lorenzo e Damaso Tegelmäseig verbunden ge-
blieben ist, bei welcher Kirche der Palast der Cancellaria sich
befindet. Unter Martin V. hatte die Zusammensetzung des
Kanzleipersonals eine festere Gestaltung angenommen. Das-
selbe umfasste den Stellvertreter des Vicekanzlers oder R^ens
der Kanzlei , die Notare deren sieben erste den Namen aposto-
lischer Protonotare annahmen, die Abbreviatoren, die Script«-
ren der apostolischen Briefe, den Seneschal oder Custos, die
Bullatoren oder Plumbatoren, die Registratoren, die Sollicitato-
ren u. a., denen sich die richterlichen Beamten, die Auditoren
der Rechtsfälle des Palastes und die Consistorialadvocaten an-
schlössen. Von mehren dieser Aemter ist wiederholt die
Rede gewesen und sie werden noch im Zusammenhang mit
der Geschichte der Uterarischen Thätigkeit des fünfzehnten
Jahrhunderts erscheinen. Die namentUch seit Innoc^nz VIII.
stattgefundene Vermehrung der Kanzleibeamten durch Creining
zahlreicher käuflicher Aemter deren Inhaber dann auf den Er-
trag der Sportein und auf Geschenke angewiesen waren, ist
einer der Krebsschäden geworden die zu dem Miscredit der
Curie namentlich dem Auslande gegenüber nicht wenig beige-
tragen haben. Eine seltsame Erscheinung sind die türkiscli-
levantinischen Namen einiger der Kanzleicollegien, der Jaui-
tscharen, Mamelucken, Stradioten, mit denen der Titel eiue^
Soldans der Curie, ein Titel der auch im Gefangnisswesen vor-
kommt, harmonirt.
Eine Abzweigung der Kanzlei war die Datarie welche da^
Beneficialwesen , nämUch die eigen thchen Gnadensachen, die
Pfründenverleihungen , die gewöhnlichen Dispensationen u. s. w.
umfasste. Ihre festere Gestaltung schreibt sich von Martin V.
her. Ein Cardinal als Datar, welcher, Nachfolger des alten
Primicerius notariorum, so nach dem Datiren der Documeute
benannt wurde und später den Titel eines Prodatars annalim,
findet sich zuerst in Sixtus' IV. Zeit. Der Subdatar stand an
der Spitze der diese Behörde bildenden Beamten , deren Stellen
auch theilweise gleich vielen anderen käuflich waren. Die
Ponitentiarie war aus dem im Verlauf der Zeiten immer driu-
gender werdenden Bedürfniss der Vertretung des Papstes als
oberster Bischof in der Spendung des Busssacraments durch
eine dann durch mehre Personen entstanden. Dies geistliche
Amt , welches nachmals auch das Dispensationswesen in
Apostolische Kammer. 273
bestimmten Fallen und eine ihm ursprünglich fremde Jurisdiction
umfasste, deren Beschränkung endlich noth^^ endig erschien, ist
mancherlei Wandlungen unterworfen gewesen , namentUch unter
Benedict XII. und Sixtus IV. , während es zu wiederholten Con-
flicten Anlass gegeben hat welche Pius V. zu einer durchgrei-
fenden Reform bewogen. Ein Grosspönitentiar kommt zuerst
unter Clemens V. vor. Die Pönitentiare welche anfangs bei
St. Peter wohnten,, wie denn die vaticanischen heute den Pa-
last Cardinal Domenicos della Rovere in der Leostadt inne-
haben, wurden später auch den Basiliken von St. Johann im
Lateran und Sta Maria maggiore zugewiesen. Das römische
Vicariat, in Vertretung des Papstes als Bischof, erhielt all-
malig seine festere Gestaltung und wurde mit einem Tribunal
verbunden. Es ist erst unter Papst Paul IV. ein Cardinalsamt
geworden.
Die Leitung der apostoUschen Kammer, somit der ganzen
Finanzverwaltung welche zu den Geschäften des Archidiakonats
der Kirche gehörte, war seit dem Ende des zwölften Jahr-
hunderts regelmässig dem Camerarius anvertraut, der zum Car-
dinal-Camerlengo wurde. Die mit der Administration der Fi-
nanzen verbimdene Civil- und Criminaljurisdiction und die
während der Sedisvacanz dem Camerlengo zustehenden Befug-
nisse, ebensowie die ihm nachmals übertragene Oberleitung
der römischen Universität haben das Camerlengat zu einem
der einflussreichsten Posten gemacht. Begreiflicherweise war
das Personal ebenso weitverzweigt wie die Verwaltung selbst.
Der Thesaurar oder Tesoriere, in dem sich die Geschäfte des
Vestararius, Arcarius, Saccellarius vereinigten, als Finanz-
minister im engem Sinne, die Kammerkleriker, seit Eugen IV.
sieben an der Zahl, als Directoren der einzelnen Verwaltungs-
zweige, der Auditor der Kammer mit Jurisdiction über sämmt-
liche geisthche wie weltliche Curialen, der Vicecamerlengo
welcher dann auch das Amt eines Governatore di Roma somit
einen Theil der ursprünglichen Befugnisse der Stadtpräfectur
und die Direction der städtischen PoUzei mit Civil und Criminal-
Gerichtsbarkeit erhielt. Neben diesen Chefs, von denen der
Tesoriere und der Governatore später den Vorrang in der Prä-
latur erlangten als gewisse Posten in derselben regelmässig zum
Cardinalat führten, zählte das Camerlengat eine grosse Zahl
von Beamten die man als Camerali zu bezeichnen pflegte.
T. Heamoat , Kou. 111. \^
274 Hota roinana. Seguatura. Päpstliche Hoflialtung.
In die zweite Hauptabtheilung der papstlichen Aemter ge-
hörte vor allen die Rota. In der Geschichte der avignonischeo
Zeit ist dieses obersten Civiljustizhofs gedacht worden, der unter
Johannes XXII. seine definitive Gestalt erlangte und für welchen
SLxtus IV. die Zahl der Richter verschiedener Nationalitaten
auf zwölf festsetzte. Das eigenthche vom Papste relevirende
Obertribunal, die Segnatura, welcher über die persönlich vor
das Oberhaupt der Kirche gebrachten Rechtsfragen und Gnaden-
Sachen wie über Competenzconflicte, Appellationen und an die
verschiedenen Tribunale zu ertheilenden Aufträge zu entscheiden
zustand , gehört ihrer gegenwärtigen Constitution nach mit
der Eintheilung in eine Segnatura di giustizia und di grazia
und ihren Referendaren späterer Zeit an. Die Zahl der Rechts-
gelehrten jeder Art und jedes Namens die diesen Gerichtshöfen
anhingen, der Agenten und SoUicitatoren deren mau bei der
Curie zur Abmachung der geistlichen Geschäfte bedurfte, war
ebenso Legion wie die dieser Geschäfte selbst und der Wege und
Nebenwege die man zu ihrer Erledigung einschlagen musste.
Auch die päpsthche Hofhaltung war weitverzweigt. Die
Befugnisse welche der Camerleugo in derselben hatte, gingen
ebenso wie andere seines umfassenden Amtes an verschiedene
Offizialen über, zum Theil in ziemUch später Zeit. Dem IVlaestro
del sacffo Ospizio, einem Laien, stand die Aufsicht über das
Hauswesen zu, während die über die Paläste und Villen in
der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhundert« an den Pre-
fetto del palazzo kam, nach Einiger Ansicht ein Nachfolger
des alten Vicedominus, dessen Würde zugleich die desMajor-
domus umfasste, die aber in jüngster Zeit von ihr abgezweigt
und einem Prälaten ersten Ranges übertragen wurde, während
die Palastpräfectur an den Cardinal - Staatssecretär kam. Der
Maestro del sacro palazzo war ursprünghch der theologische
Berather und Prediger des Papstes , welches letztere Amt später
an einen Kapuziner kam, während der Maestro, ein Domini-
caner, die Büchercensur ausübte. Der Uditore war der Be-
rather in den Rechte&ageu.
Neben diesen und solchen denen ihre schon erwähnten
Würden und Aemter eine Stellung am päpstlichen Hofe ver-
Uehen, zählte derselbe zahlreiche Mitglieder die theils zum
persönUchen und Palastdienst theils zur Kapelle gehörten, mit
einer Menge von Abstufungen welche zum Theil späterer Zeit
Palastwache. ArobaMadeu. 275
ab die hier betrachtete aBgehören, während auch heute noch
dieser Hofhaltung ein alterthümiiches Gepräge geblieben ist,
das zu dem Karakter eines geistlichen Hofes trefflich passt.
Dass das klerikale Wesen an diesem Hofe in den letzten Jahr-
hunderten zugenommen hat, dass derselbe in Sixtus' IV.,
hmocenz' VIII., Alexanders VI. Zeiten weit davon entfernt
w^x dem geisthchen Element so exclusive Geltung zu gewäh-
ren, wird bei Vergleichung der geschilderten Ereignisse mit
denen der Folgezeit klar werden. Die Palastwache (Custodia
palatii) war im Lauf der Zeiten manchen Wechseln unterlegen.
In der aidgnonischen Zeit scheint sie sehr mangelhaft und von
wenigen Leuten gehandhabt worden zu sein; Gregor XI. über-
trug sie im FrühUng 1371 einem Miuoriten Jean Chambaret,
Altaristen oder Vorsteher des Oekonomats der Peterskirche.
Nach der Rückkehr der Päpste musste sich dies begreiflicher-
weise ändern. Martin V. nahm am 11. October 1420 den »edlen
Mann« Angele de Trisacco mit siebzig Bahstaren und Pave-
sanen und acht Knappen zur Bewachung des Palastes in
Dienst. Die Wache sollte unter der Jurisdiction des Vice-
camerlengo stehn, der Hauptmann monatlich zwanzig Gold-
gulden für sich, drei für jeden Mann erhalten. Man sieht
dass es sich hier nicht um jene Leibwachen handelte mit wel-
chen die itahenischen Gewaltherrscher sich zu umgeben pflegten,
um eine »temble bende de gensdarmes de soulde a la guise
des seigneurs d'ItaUe« wie Philippe de Commines sich aus-
drücl^t. Ueberdies begegnen wir einem Corps vop Sergents
d'armes, die nach einer von Pius II. bestätigten Verfugung
Eugens IV. die Zahl von zwanzig nicht übersteigen sollten
und wenigstens zum Theil aus Teutschen bestanden. Die erste
Erwähnung der Schweizergarde findet sich im Jahre 1448 unter
Nicolaus V, , obgleich Andere Sixtus IV. diese Institution bei-
messen, die sich indess in ihrer gegenwärtigen Gestalt von
Julius II. herschreibt.
Der Glanz des päpstlichen Hofes und somit der Stadt
wurde durch die Ambassaden sehr erhöht. Regelmässige
stehende Gesandtschaften neuerer Art mit vorherrschend po-
Utischen Geschäften kommen erst in den letzten Zeiten des
fünfzehnten Jahrhunderts vor, und die Venetianer denen über-
haupt in der Geschichte der Entwicklung der Diplomatie der
Vorrang gebührt, scheinen die ersten gewesen zu sein welche
18»
276 Festliche Aufzüge.
sie einrichteten. Denn die stehenden Gesandtschaften die wir
schon im vierzehnten Jahrhundert in Avignon und nachmaL)
in Rom finden, waren vorzugsweise zur Besorgung geistlicher
Angelegenheiten bestimmt, gerade wie die Missionen der Ritter-
orden, der Johanniter und Teutschritter deren Procuratoren
beim h. Stuhl mit denen der geistlichen Orden Aehnlichkeit
hatten, wie denn jene ebensowie diese unter dem Papste als
ihrem geistlichen Oberhaupt standen. Den grössten Glanz ent-
wickelten unter den ausserordentlichen Sendungen namentlich
die Gratulations - Ambassaden , in denen die Republik Florenz,
welche im fünfzehnten Jahrhundert fast alle ihre bedeutendsten
und vornehmsten Männer nach Rom sandte i mit den grössten
Staaten wetteiferte. Bei solchen Gelegenheiten war die ganze
Stadt in Bewegung, denn der prächtig aufgeschirrten Rosse,
der glänzenden Kleider und Waffen war kein Ende. Die Feier-
lichkeit solcher Aufzüge wurde dadurch erhöht dass man sie
vor der Stadt, auf der flaminischen Strasse, einholte; in spä-
tem Zeiten war die Villa di Papa Giulio der Ort von welchem
aus der Zug sich in Bewegung setzte. Avignon sah einmal
das ganze Cardinalcollegium eine Gesandtschaft einholen. Es
war diejenige durch welche König AlfonsIX. von Castilien und
Leon nach dem glorreichen Siege bei Tarifa Benedict Xu.
hundert vornehme Gefangene und ebensoviele arabische Pferde
nebst einer Menge kostbarer Geräthschaften und erbeuteter
Fahnen überbringen Hess. Von der Pracht der Aufzüge bei
den Kaiserkrönungen wie bei den Besuchen welche grosse
päpstliche Lehnträger in Rom abstatteten, war schon die Rede.
So sehr diese Herren sich zu Hause als unbeschränkte Gebieter
betrachten mogten, so sehr bemühten sie sich doch um päpst-
liche Titel , wie denn nach Borso von Este welchem Paul IL im
Jahre 1471 die ferraresische Herzogswürde ertheilt hatte, Fede-
rigo von Montefeltro durch Verleihung Sixtus' IV. im Jahre
1474 Herzog von Urbino wurde. Nachfolgende Päpste pflegten
dann die Würde zu bestätigen. Es traf sich wol dass Feuda-
tare wie die Este mit grossen Souveränen an Glanz wetteifer-
ten. Die päpstliche Diplomatie kann hier nur vorübergehend
in Betracht gezogen werden. Bedeutung und Tüchtigkeit der-
selben entsprachen der Wichtigkeit der Geschäfte, welche der
h. Stuhl in allen Ländern zu besorgen hatte. Noch besass
diese Diplomatie nicht den ausschliesslich klerikalen Karakter
Stadt- und Landesverwaltimg. 277
und die strenge Gliederung die ihr später ein .eigenthümliches
Gepräge gaben, und neben Caxdinallegaten und Prälaten als
Nuntien begegnen wir Laien als Repräsentanten des h. Stuhls.
Wie CardinalcoUegium und Curie überhaupt wies auch diese
Branche in Bezug auf Nationalität die grösste Manchfaltigkeit
auf, indem sie die Universalität der Kirche lebendig abspiegelte.
Die Verwaltung der Stadt bheb in den gewohnten Formen.
Die Präfectur war kaum mehr als ein Ehrenamt. Calixtus III.
übertrug sie seinem Schwestersohn Pedro Luis Lansol Borgia,
Pius II. nach dessen Tode im Jahre 1458 dem Fürsten von
Salemo Antonio Colonna, dessen Sohn im Jahre 1472 nach-
folgen soUte , was aber Sixtus IV. angeblich wegen der Jugend
des Colonna nicht zuliess, indem er seinen Neffen Leonardo
della Rovere und nach dessen im Jahre 1475 erfolgtem Ab-
leben Giovanni della Rovere Herrn von SenigalUa zum Prä-
fecten ernannte, worauf die Präfectur in dessen Familie blieb.
Das Senatorsamt wechselte in der Regel jährhch. Biswei-
len wurde aber der abtretende Senator für ein zweites, ja
selbst für ein drittes Jahr bestätigt, auch kamen Vicesena-
toren wie die Vertretung durch die Conservatoren vor. Noch
finden sich einige Senatoren aus bekannteren Adelsfamilien wie
Piccolomini, Balbiano von Mailand, Euffreducci von Fermo,
sowie aus bolognesischen Häusern die nachmals eine gewisse
Bedeutung erlangten, den Marescotti de' Calvi, de' Grassi,
Malvezzi, Albergati u. A. Im allgemeinen jedoch lieferte der
kleine Adel aus den verschiedensten itaUenischen Städten, na-
mentlich aber aus denen des Kirchenstaats, die Repräsentanten
der einst so mächtigen römischen Municipahtät , unter denen
wir meist unbekannten Namen aus Rimini, Ancona, Jesi, Ascoli,
Orvieto, aus Citta di Castello, Narni,^ Norcia, Veroli u. a. be-
gegnen. Die Vornehmeren widmeten sich heber dem Kriegs-
dienst als den bürgerlichen Aemtem zu denen das Rechtsstu-
dium erforderlich war. Bestätigungen der Statuten der Zünfte
und dergleichen Acte sind oft die einzigen Zeugnisse senatori-
scher Thätigkeit. Die städtische Finanzverwaltung bheb in der
Hand der Conservatoren der Kammer. Die Stadt besass noch
verschiedene Lehne von denen bis auf die jüngsten Zeiten
vier unter der Baronaljurisdiction des römischen Senats blie-
ben, MagUano in der Sabina, Corr im Volskerlande , Vitor-
chiano und Barberano im Viterbesischen.
278 Verwaltung. Kiiegswcsen.
Die st&dtische Autonomie war in steter Abnahme. Die
letzte Rebellion, die gegen Eugen IV., scheint in dieser Be-
ziehung namentlich verhängnissvoll gewesen zu sein, wie denn
schon Vitelleschi und Scarampi als Signoren schalteten. Von
Nicolaus V. an häufen sich die päpstlichen Ernennungen zu
städtischen Aemtem. Notare der Conservatoren, Appelhichter,
Camerlenge der Häfen Ripa undRipetta, Steuerverwalter, Cu-
stoden der Brücken und Thore, Rectoren der städtischen
Schulen, Syndiken der Beamten, Pächter des Zollamts bei
Sant' Eustachio , Plumbirer der Wollentuche , Weinprüfer u. 8.w.
werden vom Papste ernannt. Auch in der Umgebung und im
übrigen Staate greifen die Päpste immermehr in die Verwal-
tung ein. Nicolaus V. bestimmt dass die Römer gegen Schuld-
ner in Tivoli nicht zu Repressalien schreiten dürfen , bevor diese
von dem Podesta oder Grafen in ihrer Stadt vernommen wor-
den sind. Pius II. überträgt dem Govematore von Perugia die
Entscheidung ob eine der Zünfte der Stadt zu den grossen
oder kleinen zu zählen sei. Sixtus IV. trifft Vorsorge für Reini-
gung tmd Schiffbarmachung des Anio bis Ponte Mammolo und
für Ausbeute der Blei- und Silbererze im Patrimonium durch
Johann Klug aus Freiburg in Sachsen. Bestätigungen von Pri-
vilegien für grössere und kleinere Orte kommen in Menge vor.
Bemerkcnswerth ist eine Bulle Sixtus' IV. vom Jahre 1478 durch
welche den Legaten in den Provinzen, den Governatoren der
einzelnen Orte und den übrigen Beamten die genaue Befolgung
der Constitutiones Aegidianae , der Verwaltungsnormen des Ca^
dinals d'Albornoz mit den Ergänzungen der Cardinäle de Gri-
moard, de Cabassoie u. A. eingeschärft wird. Diese Bulle, ein
nach einem vollen Jahrhundert erlassenes ehrenvolles Zeugniss
der Thätigkeit dieser ayignonischen Cardinäle. lässt erkennen
wie viel an der Provinzialverwaitung auszusetzen war in Be-
ziehung auf Gerechtigkeitspilege, Sportelwesen , Heranziehung
der Unterthanen zu den öffentlichen Lasten u. a. , während der
Papst bekennt dass Beamte aller Classeu, dass selbst Legaten
a latere der Uebergriffe schuldig befunden worden seien, gegen
welche man beim h. Stuhl Klage eingereicht habe.
Wie es mit dem Kjriegswesen stand hat die Geschichte der
Stadt seit dem Ende des Schismas gezeigt. Wenn die fipennRn
Banden verschwunden wären, hatte man statt ihrer die der
Condottieren. Cardinäle und Prälaten stellten sich an die Spitze
Finanzwesen. 279
der Trappen, die ihnen theils von romischen Baronen theils von
firemden Soldhauptleuten zugeführt wurden. Umbrien war immer
noch die Heimat zahlreicher Kriegsleute. Die Schule Braccios
da Montoue, seine nächsten Angehörigen Niccolo und Carlo
Fortebracci, Niccolo Piccinino und seine Söhne Francesco
und Jacopo, Erasmo Gattamelata, Malatesta, firaccio, Astorre
Baglioni, Niccolo, Paolo, Vitellozzo Vitelli, Antonio da
Marsciano, die Oddi und della Penna u. A. gehörten alle
dieser Provinz an. Die Herren im Patrimonium we die römi-
schen Barone stellten das ganze Jahrhundert hindurch viele
der Ihrigen ins Feld, die Orsinen, Colonna, Savelli, Farnesen,
mit ihnen die Herren in der Romagna und den Marken, vor allen
die Feitrier, Malatesten, Varanen. Die päpstlichen Heere waren
gleich denen der Fürsten und Republiken aus Soldschaaren
zusammengesetzt welche sich auf bestimmte Zeit verpflichteten.
Der Kriegsdienst, ein Gewerbe, keine Pflicht, war frei: öfter
als für die Päpste haben ihre eignen Unterthanen gegen sie
gestritten. Die Kriegsleistungen der Orte wurden mit G-eld
abgemacht. Als das Jahrhundert zu Ende ging, waren die
päpstlichen Truppen wiederum ein buntes Gemisch einheimischer
und fremder Söldner, während die Kriegskunst selbst in
jener Umwandlung begriffen war zu welcher die französi-
schen Kriege Anlass und Ausschlag gaben.
lieber das Finanzwesen liegen nur unzusammenhangende
Nachricliten vor, die überdies mehr den Staat als die Stadt
betreffen. Kaum irgendwo sind, wenn auch gelegentlich stär-
kere Anforderungen an die Unterthanen gestellt wurden, im
Durchschnitt so geringe Abgaben gezahlt worden, wie im
Kirchenstaat: ein V^erhältniss welches bis zum Ende des vori-
gen Jahrhunderts gewährt hat und vergleichweise auch heute
noch besteht. Gäbe es nicht, bemerkt Philippe de Commines,
die Zwietracht von Colonnesen und Orsinen, so wären die Be-
wohner des Kirchenstaats das glücklichste Volk der Welt,
denn sie zahlen weder Taille noch kaum andere Steuern. Dies
ist freilich mit Einschränkungen zu verstehen, denn wenn die
directen Steuern nicht bedeutend waren, so war dies mit den
indirecten nicht immer der Fall. Die Lehnzinse waren im
ganzen nicht hoch, wurden unregelmässig gezahlt, oft er-
lassen. Die beträchtlichsten Hülfsmittel kamen aus dem Aus*
land: das Papstthum nährte die Stadt, ja in gewissem Maasse
280 Finanzwesen.
die Provinzen. Mehre Päpste hinterliessen einen gefüllten
Schatz. Wir vernehmen von dem Martins V., der mit allen
möglichen Mitteln gefüllt wurde und zum Zerwurfniss seines
Nachfolgers mit den Colonna Anlass gab, von jenem Calixtus' 111.,
Pauls IL, Innocenz' VIII. Aber manche Pontificate waren in
finanziellen Nöthen, andere zeigten sich zu splendid im Aus-
geben. Ersteres begegnete Eugen TV, in unruhigster Zeit,
letzteres Nicolaus V., Pius U., Sixtus IV. Bauten, hterarische
Arbeiten, vor allem die Tiirkenkriege und die den fremden
Fürsten zu diesem Behufe gezahlten Subsidien verschlangen
das Einkommen. Als Calixtus III. die prächtige Büchersamm-
lung Nicolaus' V. sah, äusserte er vorwurfsvoll dafür also sei
der Schatz der Kirche geleert worden. Er hätte aber nicht
vergessen sollen, dass Nicolaus nicht blos die unter seinem Vor-
gänger aufgehäuften Schulden abgetragen hatte, sondern ihm
ungeachtet seiner grossen Unternehmungen noch Ueberschiisse
hinterliess. Man versuchte sich auf verschiedenartigste Weise
Geld zu verschaflTen. Eugen IV. steigerte die Gabellen, wo-
durch er die Römer reizte so dass er sich am Ende doch zur
Herabsetzung der Weinsteuer auf den alten Bestand veranlasst
fand, wie denn zu Ende seiner Regierung die städtischen Zölle
äusserst massig waren. Verkäufe und Verpfandungen von Grund-
stücken wie deren Verleihung auf Lebenszeit oder auf mehre
Generationen waren ein Nothbehelf in schwierigen Zeiten. So
kam Borgo San Sepolcro als Pfand für 25,000 Goldgulden an
die Repubhk Florenz, Vico und Caprarola für 7375 an den
Grafen von AnguiUara. Everso von Anguillara hatte der Kam-
mer 3333 Goldgulden geliehen gegen Hypothek auf Nepi, Monte-
rosi und Isola. Da er gegen den Papst rebellirte, wurde er
des Geldes wie der Hypothek verlustig erklärt und letztere
den Orsinen von Tagliacozzo für eine gleiche Summe verliehen.
Unter Nicolaus V. brachte das Jubeljahr grosse Summen ein:
genaue Bezeichnungen fehlen, aber man weiss dass der Papst
bis zu 100,000 Goldgulden auf einmal der mediceischen Bank
übergeben konnte. Wir haben eine ungefähre Angabe Pius' H.,
nach welcher das Jahreseinkommen der Kammer sich auf
300,000 Goldgulden belief, wovon die Hälfte fiir Hof und
Verwaltung gebraucht wurden. Der beiweitem grossere Theil
dieser Summe muss aus anderen Ländern gekommen sein,
unter Pius' Regierung eröffnete sich eine Finanzquelle durch
Alaun werke von Tolfa. Mflnzwesen. 281
die Entdeckung des alaunhaltigen Gesteins bei Tolfa, einem
armen Oertchen im vulcanischen Hügellande zwischen Civita-
vecchia und dem Gebiet von Cometo und Viterbo. Giovanni
de Castro der Sohn Paolos des berühmten Rechtsgelehrten,
ein Familiär des Papstes und einst in industriellen Unterneh-
mungen in der Levante thätig, war der Entdecker. Der Fund
war um so wichtiger da man dadurch der Beziehung dieses
Products aus dem Orient überhoben ward , der Alaun von Tolfa
sich als von besonderer Reinheit erwies, die künstliche Fabri-
cation dieses Doppelsalzes erst späten Zeiten vorbehalten war.
Man begrüsste den Fund mit hochfliegenden Erwartungen. Am
23. August 1461 bestätigte der Papst den von De Castro mit
der Kammer und der Stadt Cometo abgeschlossenen Vertrag,
gemäss welchem er von Je 1000 Pfund Alaun der Kammer
zwei Goldgulden entrichten, von dem gedachter Gemeinde zu-
kommenden Ertrage aber die Mauern hergestellt und armen
Mädchen Mitgift ausgesetzt werden sollte. Im Juni des fol-
genden Jahres wurde Biagio Spinola auf zwanzig Jahre zum
obersten Verwalter der Alaunwerke bestellt, an denen andere
Genuesen, Doria, Centurioni, Giustiniani u. m., dann auch die
Medici sich durch Contracte mit der Kammer betheiligten. Die
öde Umgebung wurde bald belebt; heute, wo die Wichtigkeit
der Ausbeutung nicht mehr dieselbe ist, hat Tolfa eine Be-
völkerung von etwa 2500 Seelen. Der Ertrag des Alauns stieg
bald auf 100,000 Goldgulden. - Pius II. nahm an der Sache den
lebhaftesten Antheil; in seiner Gegenwart gewann Biagio Spi-
nola, der in Venedig sich gleicher Fabrication gewidmet hatte,
das Salz aus dem Gestein. Es freute ihn namenthch dass man
nun den Ungläubigen so grossen Vortheil nicht femer zuzu-
wenden brauche ~ zum Kriege wider dieselben wurden im
Conclave Pauls U. die Einkünfte der Alumieren bestimmt.
Dieser Papst war es, der nach längeren Streitigkeiten mit den
hier begüterten Orsinen Tolfa für 17,000 Goldgulden kaufte.
Im Conclave nach Sixtus' IV. Tode wurden die Alaunwerke
zur HerbeischaSung von 50,000 Goldgulden für den Türkenkrieg
angewiesen; sollten sie es nicht einbringen, so würden andere
Einnahmequellen aushelfen.
Im Münzwesen scheint grosse Unordnung eingerissen zu
sein. Ausser Rom prägten mehre Städte wie namentlich Bo-
logna, und grosse ja selbst kleine Feudatare Münze, mit und ohne
282 Miinzwesen.
päpstliche Bewilligung, zum Theil mit kaiserlichem Privilegimn
wie Lud\^ng der Baier es den Colonna von Pale^trina ertheili
Friedrich III. noch im Jahre 1452 bestätigt hatte. Ueberdies
cursirten fremde Münzen namentlich venetianische, florenti-
nische, neapolitanische im Kirchenstaat ohne legal festgestell-
ten Werth, abgesehn von dem vielen falschen Gelde welches
theils im Lande selbst fabrizirt theils eingeschmuggelt war.
Eine Constitution Pauls IL vom Jahre 1465 suchte die Müqz-
einheit herzustellen, indem nur nach dem Muster der päpst-
lichen Münze zu prägen gestattet, die cursirenden Bologniner
und Marchigianer zu einem bestimmten Satze innerhalb vier Mo-
naten und nicht darüber von den Tesorieren und Camerlengen
angenommen werden, die Zalilungen fortan nur in päpstlicher
Münze geschehn sollten. Die reformirten römischen Statuten
von 1469 verordneten dass in jedem Rion zwei Mitglieder der
Zunft der Bankhalter, Kaufleute oder Goldschmiede auf sechs
Monate vom Senator und den Conserv-atoren als Münzwardeine
bestellt werden sollten. Die Goldmünze, der Fiorino oder
Ducat, hatte den Gelialt des florentinischen der so vielfach
zum Muster gedient hat; sechsundneunzig bildeten ein Pfiind
Goldes. Die Silbermünze waren die Grossi welche dann von
Innocenz VlII. an verdoppelt und vervierfacht wurden, Scheide-
münze waren Bajocchi und Quattrini. Die päpstliche Münze
wie sie bis auf Pius IX. bestanden hat, wurde unter Julius II.
festgestellt, welcher den Goldgulden zu zehn GiuU, vormals
Carlini nach Carl von Anjou, später Paoli nach Paul HI.
prägte. Die Constitution Pauls IL scheint dem üebel doch
nicht abgeholfen zuhaben, denn SixtusIV. fand sich im Jahre
1476 zu einer ähnlichen Maassregel veranlasst. Wenn er aber
ein Jahr darauf durch Ertheilung dos Münzrechts an Girolamo
Riario für Imola die schon übergrosse Zahl der Münzstatten
noch mehrte, war nicht abzusehn wie rechte Ordnung herzu-
stellen sein sollte. Von Innocenz VIII. an pflegte mau die rö-
mische Münze auf fünf Jahre zu verpachten. Die Münzmeister
wurden vom Papste ernannt. Unter Nicolaus V. war es der
Florentiner Francesco Maria di Francesco, unter Paul II. und
Sixtiis IV. P^miliano Orsini von Fuligno und der Römer Pietro
Paolo beigenannt della Zecca, unter Innocenz VIII. Antonio
Altoviti von Florenz. Die Münzverwaltung stand unter dem
Cardinal -Camerlengo. Unter diesem stand ebenso das städtische
Finanzoperationen. Kaufliche Aemter. VerJusserungen. 283
Salzamt, dessen Ertrag nicht unbedeutend gewesen sein kann,
da eine Menge Städte und Orte auf dasselbe angewiesen waren.
Der Oberzöllner des Salzamts bezog ein Fünftel des Gewinns.
Auch Cometo hatte ein Salzamt.
Die endlosen Kriege in welche die Päpste seit Sixtus I\''.
verwickelt waren , mussten zu verschiedenen Finanzoperationen
fuhren. Unter gedachtem Papste begann das Creiren von
käuflichen Aemtern in der Curie unter Anweisung auf gewisse
Einkommenzweige, was unter Innocenz VIII. fortgesetzt und
später in so erdruckendem Uebermaass gesteigert wurde. Aber
auch vSixtus IV.-musste zu Veräusserungen und Verpfändungen
sehreiten, wie er denn im Jahre 1478 dem Cardinal d'Estoute-
ville gegen die zur Unterstützung des römischen Volkes in der
vorausgegangenen Hungersnoth vorgestreckten 25,000 Goldgul-
den die Castelle Frascati, Soriano, Gallese, Cerveteri u. a. zur
Wiederaufbringung der Summe anwies. Die Gabellen wurden
erhöht, die Mahlsteuer eingeführt oder bedeutend gesteigert
da schon eine Abgabe dieser Art bestand. Die Gefahr worin
Italien durch die Landung der Türken bei Otranto versetzt
ward, forderte zu äusserster Anstrengung auf. Der Papst
gestand selbst, der Schatz sei leer, die Zölle verpfändet, die
Unterthanen übermässig besteuert; er werde sein Tafelgeschirr
und die Juwelen seines Triregnums verkaufen, um zum Kampf
gegen den Feind der Ctiristenheit mitzuwirken. Die Türken-
noth war es auch was im Jahre 1500 die Abschätzung des
p]inkommens der Cardinäle und der Mitglieder der Curie ver-
anlasste , indem Alexander VI. von dem geistlichen Einkommen
den Zehnten einforderte. Eine Operation welche bei den
crsteren 38,900, bei letzteren 10,792 Goldgulden einbrachte.
C^ardinal Ascanio Maria Sforza erschien damals mit einer Rente
von 30,000 Goldgulden als reichstes Mitglied des h. CoUegiums,
aber diese Summe reprasentirte ohne Zweifel keineswegs seine
ganze Einnahme. Cesare Borgia hatte, wie wir sahen, mehr
als er den Purpur ablegte. Unter dem genannten Papste be-
reitete der Wechsel der Besitzverhältnisse in den Marken und
der Romagna einen beträchtlichen Zuwachs des Einkommens
<ler Kammer, welcher sich unter den nachfolgenden Regierun-
gen steigerte.
Werfen \vir nun einen Blick auf die mit den römischen
Finanzverhältnissen enge zusammenhangenden Zustände der
284 Campagna und Landbaii. Maassregeln Sixtus' IV.
römischen Umgebung in den achtzig Jahren die zwischen der
Rückkehr der Päpste und dem Schluss des Jahrhunderts liegen,
so gewahren wir die fortschreitende Entvölkerung und in deren
Gefolge die Abnahme des Landbaus. In den Kämpfen unter
Eugen IV., Sixtus IV., Innocenz VIII., Alexander VI. verloren
zahlreiche Orte, die selbst noch in den letzten Zeiten des Schis-
mas bestanden, den Rest ihrer Bewohner. Päpstliche Condot-
tieren und die Mannschaften benachbarter Städte wetteiferten
in dem Zerstörungswerke mit fremden Heerführern. Das Castell
Lariano auf einer der Höhen des Algidus, ein ewiger Zankapfel
zwischen den Annibaldi, den Colonna und der Gemeinde von
Velletri, zerstört und wiederaufgebaut, wurde auf Befehl Pius^U.
im Jahre 1463 vernichtet und das Gebiet zwischen den Co-
lonnesen und Velletri getheilt. Inderthat waren manche Orte
zu Schlupfwinkeln für Raubgesindel geworden. Sie blieben
seitdem entweder in Trümmern hegen wie man deren heute
noch manche sieht, oder wurden zu Casali oder Gehöften für
die Bewirthschaftung. Diese hatte im nothwendigen Zusammen-
hange mit den erwähnten Verhältnissen längst den Karakter
angenonmien den sie im wesenthchen heute bewahrt. Die
kleinen Eigenthümer waren meist verschwunden oder sie be-
trieben die Wirthschaft hauptsächUch von der Stadt aus, wo
jedoch die Zunft der Bovattieri sich mehrundmehr aus den
eigentUchen Mercanti di campagna oder Pachtunternehmem zu-
sammengesetzt haben muss , da das ganze System der Bewirth-
schaftung von selber den Stand der kleinen Eigenthümer zer-
störte, indem es bei dem fortschreitenden Mangel an stabilen
Arbeitern weitläufige Operationen zum Heranziehn von Frem-
den nöthig machte welche auf einer kleinen Scala nicht mög-
Uch waren. Es ist die Zeit in welcher der Ackerbau der
Viehzucht entschieden den Platz räumte und Rom wieder ganz
von Getreidesendungen von aussen abhängig ward, wobei denn
die enormen Preisschwankungen nicht ausbleiben konnten von
denen wir von Eugens IV. Regierung an so oft vernehmen.
Hungersnoth war keine Seltenheit und die Päpste sahen sieb
wiederholt zu kostspieliger Abhülfe genöthigt.
Sixtus IV. versuchte dem Uebel direct zu Leibe zu gehn.
Die von ihm getroffenen Verfügungen lernen wir aus den Ver-
ordnungen Clemens* Vü. kennen worin es heisst: »Es ist lange
her seit unser Vorgänger Papst Sixtus IV. , inbetracht dass
Campagna und Viehzucht. 285
viele Jahre hindurch die die Stadt Rom umgebende Landschaft
kärgliche Ernten von Getreide und Futter gebracht zu grosser
Einbusse und Betrübniss der Einwohner, und in der Erwägung
das8 nicht sowol Einflüsse der 'Witterung daran Schuld tragen,
sondern das Uebel vom geringen Anbau der Aecker herrührt
welche, mn des vielleicht grossem Gewinns willen, von den
Eigenthümem Ueber brach gelassen werden dem Vieh zur
Weide zu dienen, statt sie zu bebauen oder den Anbau zu ge-
statten, das Volk zu nähren und ihm Unterhalt zu verschaffen,
diesem Zustande abzuhelfen beschloss. So verordnete er dass
von da an und in Zukunft es Allen, die dazu Willen haben,
freistehe , so im Gebiete unserer genannten Stadt wie im Patri-
monium Petri in Tuscien, Campanien und Marittima zu pflügen,
zu ackern und zu säen auf je dem dritten Theil jeder Besitzung,
mag sie nun Klöstern, Kirchen, Kapiteln und Wohlthätigkeits-
anstalten gehören oder Privaten jeglichen Standes; vorausge-
setzt dass der welcher den Anbau zu unternehmen wiUens ist,
in Gegenwart eigens dazu bestellter Beamten den Eigenthümer
um Erlaubniss gefragt habe und von ihm abgewiesen worden
sei.« Der zu erlegende Zins sollte von denselben Beamten
festgesetzt werden. Welche Wirkung diese bedenkliche Ver-
ordnung hatte, ergiebt sich aus dem Inhalte der Constitution
Clemens' VII. Zwar beschäftigten sich nun Viele mit dem
Feldbau und es wurde so viel Getreide gewonnen, dass es für
den Bedarf der Stadt reichhch genügte. Die Barone und
Edeln aber welchen die benachbarten Ortschaften so wie die
meisten Ländereien der Campagna gehörten , hinderten die Ab-
führung des Getreides nach Rom und nöthigten die Landbauer,
ihnen den Ertrag ihres Schweisses um niedem Preis zu ver-
kaufen um dann Wucher damit zu treiben. Unter Sixtus IV.
begann sodann, wie es scheint, jenes System des Proviant-
wesens welches bis zu Pius' VI. Zeit gewährt und so arge
finanzielle Verwicklungen herbeigeführt hat. Es war die An-
lage von Magazinen unter Leitung eines Magistrats der Annona
oder Abondanza, welcher Getreide kaufte und den Bäckern zu
einem bestimmten Preise lieferte nach welchem der Brodpreis
festgesetzt wurde. Ein vielfach zur Anwendung gekommenes
System, welches nicht nur momentane pecuniäre Vortheile ge-
üvährte sondern auch das römische Volk vor Mangel schützte,
vrie es schon unter Sixtus' Nachfolger geschah als der Herzog
286 Caiiipagua und Viehzucht.
von Calabrieu im Jahre 1485 iu der Campagna lag und die Zu-
fuhr abschnitt, und gleicherweise unter Alexander VI. , welcher
zweimal bei Miswachs sicilisches Getreide herbeischaffen und
zu massigem Preise verabreichen liess. Zugleich aber der Aus-
gangspunkt eines ökonomischeu Irrthums, der durch nachfol-
gende Modificationeu des Systems nur verschlimmert worden ist.
Der Einführung der eigentlichen Mablsteuer unter Sixtus IV.
ist schon Erwähnung geschelm.
Die mit dem Ackerbau siegreich concurrirende Viehzuclit
wurde unter solchen Umstanden für die römische Umgebung
von immer steigender Wichtigkeit. Wie wir im vierzehnten
Jahrhundert päpstlichen Verordnungen in Bezug auf dieselbe
begegneten , so nahm sie auch jetzt die Verwaltung in Anspruch.
Pius II. , Paul II. , Sixtus IV. , Alexander VI. erliessen Verord-
nungen inbetreff des mehrfach erwähnten von den in die
Ebnen des Patrimoniums und in die Campagna herabsteigen-
den Heerden zu entrichtenden WeidezoUs, welcher zugleich zur
Entschädigung der Eigenthümer dienen sollte, über deren Län-
dereien das Vieh getrieben wurde. Der Ertrag dieses Zolls
scheint beträchtlich gewesen zu sein. Pius II. untersi^gte im
Jahre 1462 geistlichen wie weltlichen Besitzern , Weideland An-
deren als der apostolischen Kammer zu verkaufen, gewährte
aber zugleich einzelnen Gemeinden Exemtionen für eignen Be-
darf. Die der städtischen Kammer für das Weiderecht zu zah-
lende Abgabe wie jene von der Viehausfuhr wurde bei der
Revision der Statuten vom Jahre 1469 geregelt, unter wesent-
licher Begünstigung der Einheimischen im Verhältuiss zu Aus-
ländern.
DRITTER ABSCHNITT.
LITERATUR UND KUNST DES FÜNFZEHNTEN
JAHRHUNDERTS.
1.
8I6NATÜB DEB ZEIT. URSPRUNG DES HUMANISMUS UND DER
GRIECHISCHEN STUDIEN. DIE BIBLIOTHEKEN.
Die schöpferische Epoche der itaUenischeu Literatur \wr mit
dem Trecento zu Ende. Die Zeitgenossen selber hatten dies
Bewusstsein. »Mit der Poesie ist es aus, leer steht die Höhe
des Parnasses, sprach Franco Sacchetti bei Boccaccios Tode,
auf allen Seiten blasen die Hörner zum Rückzug. Dahin
ist die schöne Zeit: ich weiss nicht ob sie wiederkehrt, doch
jedenfalls wird's spät werden«. Das folgende Jahrhundert war
ein rückwärts schauendes. Die Tendenz aber war schon früher
da. Zwar hatte sich, so gross der Cultus der Dichter der classi-
sehen römischen Zeit bei Dante und Petrarca war, die italie-
nische Poesie unabhängig von antikem Einfluss entwickelt,
aber die Prosa Boccaccios war in römische Fesseln geschlagen
worden. Zugleich hatten Petrarca und Boccaccio den Grund
zum Werke der Wiederbelebung des classischen Alterthums
«gelegt. Es ist natürUch dass ihre Bestrebungen fruchtbaren
Boden fanden. Die lateinische Sprache, so verdorben sie sein
uiogte, war in der Kirche, in den Fachwissenschaften, im Ge-
schäftsleben lebendig geblieben. Die Literatur erkannte in ihr
immer noch ihr eigentliches Medium. Neben den vulgären
Dichtungen entstanden von derselben Hand lateinische Epo-
poeen und Eklogen, neben den Chroniken Giovanni Villanis und
Dino Compagnis entstanden die lateinischen Geschichtswerke
des Mussato, Ferreto, Giovanni da Cermenate, welche einen
höhern Ton als den ihrer Vorgänger anzuschlagen den An-
spruch erhoben. So war der Richtung welche man die huma-
nistische zu nennen pflegt, der Weg gebahnt — so lassen sich
288 Das Mittelalter und die classischc Literatur.
Petrarca und Boccaccio als die ersten Humanisten bezeichnen,
wobei man jedoch den radicalen Unterschied nicht überseheu
darf, dass Beide schaffende Geister, ihre Nachfolger nur repro-
ductive waren. Die Entwicklung dieser Tendenz ist danu
wenngleich eine rasche doch stufenweise gewesen. Ein allge-
meiner Zug des Geisteslebens kam ihr zu statten.
Die Anschauung des Mittelalters war überwunden. Die
Schranken des Autoritätsglaubens waren durchbrochen. Die
Meinungskämpfe der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts
hatten diesem Glauben ganz andere Wunden geschlagen, als
in den vorhergehenden der Streit zwischen geistUcher und
weltlicher Gewalt. Das Papstthum hatte seit Bonifaz VIII.
seine Stellung nicht zu behaupten verstanden. Seine grossen
Aufgaben schienen erfüllt, seine neueren Bestrebungen verfehlt
Die Bahn der Zukunft war noch keinem Auge klar vorgezeicli-
net. Während der Pontificat noch Machtvollkommenheit über
die Reiche in Anspruch nahm, hatte die avignonische Epoche
seine Unabhängigkeit in Frage gestellt, schon bevor das Schisma
den Primat selbst gefährdete. Die theologische Doctrin ging
durch den Verfall der Scholastik und ihres Lehrsystems längst
einer radicalen Umwandlung entgegen. Eine der Hauptursachen
dieses Verfalles, das Anlehnen an die aristotelische Philosophie,
somit das Heranziehn von Zeugnissen der altclassischen Welt
für die kirchliche Wissenschaft, hängt aufs engste mit der
ganzen Richtung zusammen, welche lange vorbereitet vor dem
Ende des vierzehnten Jahrhunderts zum Durchbruch kam, im
folgenden vollständig den Sieg errang. Der Wissens- und
Forschungsdrang auf dem Felde der Welterkenntniss führte
nothwendig zu einer ganz andern als der bisherigen Beschäfti-
gung mit der alten Literatur. Der letzte Rest frühmittelalter-
licher Scheu vor einer Gedanken - und Gefuhlsiichtung welche
das Christenthum bekämpft und überwunden hatte , eine Scheu
welche bis zur Abneigung gegen das Studium heidnischer Auto-
ren gesteigert, namentlich auf dem Felde der ethischen Anschau-
ungen und Begriffe nur zu begründet gewesen aber im Laufe der
Zeiten zugleich mit der einst von ihr drohenden Gefahr abge-
schwächt worden war, schwand vor dem neuen Geiste. Diese
Tendenzen hatten ihre doppelte Seite. Sie konnten zu lebendi-
ger Fortentwicklimg den Grund legen — sie konnten destructiv
wirken. Sie haben beides gethan. Die Cultur des fünfzehnten
Anfüge des Humanisnius. Petrarca und Boccaccio. 289
JahrhuBdertB in welcher die im vierzehnten ausgestreute Saat
machtig aufschoss, hat durch das Ergreifen und Beherr-
schen der in halbe Vergessenheit gerathenen Erbschaft der
antiken Welt den Ideenkreis auf allen Feldern unendlich er-
weitert Sie hat aber infolge ihres schrankenlosen Hingebens
an gefeierte Autoritäten, im Bestreben das Moderne dem Ge-
setz des Classischen zu unterwerfen, und in augenfäUigem Ver-
wechseln von Mitteln und Zweck ein neues Heidenthum ge-
schaffen, dessen die Neuzeit sich zwar im Bewusstsein der
Nothwendigkeit der Durchdringung und Umwandlung ethischer
Verhältnisse in seinen schhmmsten Auswüchsen aber nur müli-
sam und unvollständig entledigt hat.
Der literarische Vorratli alter Literatur war im vierzehnten
Jahrhundert dürftig. Nur die vornehmsten Dichter der augustei-
schen Zeit, ein Theil der Werke der Historiker, Philosophen,
Redner, Epistolographen nebst einigen Büchern der spätem
Kaiserzeit waren aus dem grossen Schiffbruch gerettet worden.
Griechische Autoren kannte man nur aus s|)ärhchen und will-
kürhchen Uebersetzungen. Die Bücher waren theuer, zum
Theil unerschwingUcIi. Die Zahl der Bibhotheken war gering
und von den wenigen waren manche schlecht gehalten, wie
man namentUch durch Boccaccios Schilderung des Zustandes
jener von Montecassino weiss. Wie sehr gering und auf
Wenige beschränkt die Kenntniss des römischen Alterthums
war (von dem griechischen war nicht die Rede), hat die Ge-
schichte Rienzis gezeigt. In dieser Zeit haben die beiden
grossen Toscaner welche in der Lyrik wie in der Novelle
den Ton angaben, unendhch fördernd gewirkt. Ihre eignen
Werke waren freilich mangelhaft, namenthch Boccaccios müh-
selige Compendien über griechisch-römische Mythologie, He-
roen des Alterthums und Weltkunde. Aber sie enthielten eine
Ftdle gelehrten Wissens , während Petrarcas moralphiloso-
phische Abhandlungen und vielbewunderte Briefe immer noch,
wäre es selbst nur wegen des in ihnen sichtbaren Versuches
der Ausgleichung der im Alterthum wurzelnden mit den
modernen Begriffen, Bedeutung bewahren. Vielleicht mehr
noch als durch ihre Schriften wirkten Beide durch Anregung
ilirer Zeitgenossen , so an König Roberts literarisch gebildetem
Hofe wie in ihrer Nähe. Giovanni von Ravenna, Petrarcas
ungefügiger Schüler, der in Florenz und anderen Städten Latein
T. Reomont, Rom. III. X9
290 Coluccio alutati.
lehrte , der florentinische Augustinermönch Luigi Marsigli wel-
cher eine schöne Handschriftensammlung zusammenbrachte die
er seinem Kloster Sto Spirito schenkte, und literarische mit
theologisch -philosophischer Bildung verband, namentlich Co-
luccio Salutati gehörten zu dem Kreise der dem Einfluss jener
beiden Gefeierten am zugänghchsten war. In der Geschichte
der letzten avignonischen Zeit und des Schismas ist von die-
sem talentvollen Manne, welcher in Literatur und Pohtik eine
so bedeutende Stelle einnimmt, wiederholt die Rede gewesen.
Zu Stignano einem Oertchen im Nievolethale geboren, in Bo-
logna gebildet war Coluccio als apostoUscher Schreiber in den
Dienst UrbansV. getreten, bei dem er in Avignon und Eom
weilte. Auch Gregor XI. diente er in Avignon , trennte sich
jedoch von ihm um erst in Lucca ein öffentliches Amt zu
übernehmen, bis er im Jahre 1375 zum florentinischen Kanzler
ernannt ward. In dieser Stellung welcher er durch seine ge-
wandte Feder eine bis dahin unbekannte Bedeutung gab, wäh-
rend er die Reihe der berühmten Staatsschreiber eröfihete die
bis zum Untergang der Republik eine beinahe ununterbrochene
Folge gebildet haben, blieb er bis zu seinem im Jahre 1406
erfolgten Tode. Der seinen lateinischen Staatsschriften beige-
legte Wertli ist begreiflicherweise nur an dem Maassstabe der
Zeit zu messen, während in seinen Deductionen wie in seinen
Invectiven, unter denen die gegen die Curie Ergüssen person-
lichen Grolls eines alten Curialisten sehr ähnlich sehen, die
Declamation vorwaltet von der sich auch der Geschäftsstil nicht
befreien konnte. Aber die scharfe Dialektik machte auf die
Zeitgenossen ebenso Eindruck, wie die fliessende von der
Sprache bisheriger officieller Documente sehr verschiedene
Ausdrucksweise. Seinem durch seine sonstige literarische
Thätigkeit verstärkten Beispiel ist es vorzugsweise beizumessen,
dass bei der Wahl seiner Nachfolger anderthalb Jahrhunderte
lang schriftstellerische Begabung ebenso den Ausschlag gah
wie geschäftUche Tüchtigkeit, und die florentinische Kanzlei in
der Literärgeschichte eine so ehrenvolle Rolle spielt
Als das vierzehnte Jahrhundert sich seinem Ende näherte,
wurde Florenz, Heimat der nationalen Literatur, das Centrum
der von diesen Männern 'vorbereiteten und eingeleiteten huma-
nistischen Bewegung. Was in anderen itahenischen Städten,
an den Fürstenhöfen namentlich , in vereinzelten Erscheinungen
Contrast zwischen Florenz und Rom. Signorili. 291
auftauchte, blühte hier durch einen Verein von Gleichgesinnten,
in welchem edle und reiche Bürger und Fachgelehrte einander
die Hand reichten. Die vomehmen Florentiner hatten längst
geistige Thätigkeit gepflegt. Dante, Guido Cavalcanti, Dino
Compagni gehörten edelsten Geschlechtern an. Der Mäcenat
verband sich mit eigner wissenschaftlicher Thätigkeit. Wäh-
rend noch der bekannte Grossseneschal von Neapel Niccolo
Acciajuoli sich so wenig über blos äusserhchen Patronat er-
hoben zu haben scheint, dass Boccaccio in seinem Unmuth
ihn durch eine vielleicht übertriebene , schwerhch aus der Luft
gegriffene Schilderung vor der Nachwelt stygmatisirt hat, wuchs
jene Generation edler Männer heran, welche bald selbst Hand
anlegten, an ihrer Spitze Messer Palla Strozzi, der wenn nicht
das Glück doch den Ruhm der grossen Mediceer theilte. So
wetteiferte auf diesem vom Geschick begünstigten Boden die
Aristokratie der Geburt mit jener des Geistes, während Wissen-
schaft und Kunst nochmals vereint neue Bahnen einschlugen.
Währenddessen bot Rom einen ganz verschiedenen An-
bUck dar.
Die gelehrten Toscaner waren einstimmig in ihren An-
klagen römischer Uncultur. Mit Petrarca den wir vernommen
haben , stimmt Boccaccio überein. In stärkstem Ausdruck sagte
er, wie einst an der Spitze stehe Rom jetzt zu unterst in den
Dingen dieser Welt. Mit den Päpsten schienen auch literarische
Bestrebungen wieder einkehren zu wollen. Aber sie fanden
unfruchtbaren Boden. Wenn dennoch hier Keime gepflanzt
wurden die in der auf das Schisma folgenden Zeit aufschössen,
so geschah es meist durch Nichtrömer. Der einzige Einhei-
mische den wir gegen den Schluss des Jahrhunderts mit ge-
lehrter Arbeit beschäftigt finden, war Niccolo Signorili Senats-
schreiber und Secretär der Brüderschaft von Sancta Sanctorum.
Martin V. trug diesem Manne auf, alle Nachrichten und Be-
weise über Rechte und Privilegien der Stadt zu sammeln, ein
Auftrag, welchen er durch sein noch in der Urschrift vorhan-
denes Buch »De iuribtts et excellentiis Urbis Romae« entsprach.
In demselben findet sich auch eine topographische Darstellung
der alten Stadt, die nichts anderes als das mehrgenannte Cu-
riosum ist, mit kurzen Auszügen aus der Chronik des Martinus
Polonus die für das Mittelalter eine der Hauptquellen der
Papst^eschichte war. Vor diesem Tractat scheint Signorili
19*
292 SignoriU. Giiisto de' Conti. Die Univeraitit
einen andern über denselben Gegenstand aber in einem Sinne
yerfasst zu haben, der lebhaft an die Ansichten Coias di
Rienzo erinnert. Für Rom hatte er noch eine andere Bedeu-
tung. Die Geschichte der Rienzischen Zeit hat gezeigt wie die
Kenntniss der Inschriften ja die Fähigkeit sie zu lesen abhan-
den gekommen war, wie selbst ein Petrarca denselben kaum
Beachtung geschenkt zu haben scheint. Um das Jahr 1375
gab ein Mann sich die Mühe einige wenige Inschriften zu co-
piren. Es war Giovanni Dondi Sohn jenes Giacomo, welchem
seine kunstreiche Uhr auf dem Thurm des Gemeindepalastes
seiner Vaterstadt Padua den Beinamen Dali' Orologio eintrug,
der sich auf seine Nachkommen vererbt hat, Physiker und
Mechaniker, Arzt Gian Galeazzo Viscontis. Der erste aber
welcher nach dem Anonymus von Einsiedeln eine Sammlung
derselben anlegte war Niccolö Signorili, und diese Sammlung
von »Epitaphia« ist nicht nur Vorläuferin mehrer noch zu
nennenden, sondern ihre Abschriften sind auch theilweise in
viel spätere Sanunlimgen übergegangen. Wie die Gelehrsam-
keit findet auch die Poesie einen vereinzelten Vertreter in Rom
zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Es ist Giusto de'
Conti von Valmontone, der Verfasser einer unter dem Namen
»La bella mano« bekannten Reihe von Dichtungen, unter den
Petrarchesken einer der anmuthigeren obgleich nicht frei von
ilurer Eintönigkeit Giusto, welchen man vielleicht ohne Grund
der FamiUe Papst Innocenz* lU. zugetheilt hat die sich übri-
gens neben ihren anderen Kronen dieses poetischen Lorber-
reises nicht zu schämen haben würde, war Rechtsgelehrterund
Rath Sigismondo Malatestas bei dem er in Rimini starb. Er
dichtete zu Bologna im Jahre 1407.
Papst Innocenz VII. hatte die römische Universität wieder
ins Leben zu rufen versucht Da die Bemühungen der ersten
avignonischen Päpste, Bonifaz' VIII. Stiftung zu bewahren,
deren Verfall zu hindern unvermögend gewesen waren, hatte
in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts der Senat
sich ins Mittel zu legen versucht. Da das alte Local bei Saut'
Eustachio zu anderen Zwecken verwendet gewesen zu sein
scheint, hatte er in Trastevere öffentliche Schulen errichtet,
wo das Recht, Medicin und Grammatik gelehrt wurden. Aber
die VerStörung des Schismas hatte Alles vernichtet Nachdem
Innocenz zu Anfang seiner am 1. September 1406 erlassenen
Die Universit&t und Innocenz VII. Andere Hochschulen. 293
Bulle ausgeführt, welcher Glanz und Ruhm den Städten aus
den Hochschulen erwachsen, hatte er hinzugefügt: »unter
Gottes Beistand haben wir so beschlossen, diese während
längster Zeit hier ganz vernachlässigten Studien in unserem
Pontificat zur Stadt zurückzufuhren und in Aufnahme zu
bringen, damit die Wissenschaft die Menschen zur Kenntniss
der Wahrheit führe, und sie Gott und den Gesetzen gehorchen
lernen.« »Rom, fiigte der Papst hinzu, lehrt das von ihm
selbst Erzeugte, andere Städte lehren Fremdes.« Theologie,
Recht, Medicin, Philosophie, Physik, Rhetorik sollten die
Lehrgegenstände bilden, tüchtige Professoren herbeigerufen
werden. Vielleicht bezog sich der von Innocenz VII. be-
schlossene Ankauf des Teutschordenshauses in der Leostadt
auf diese Hochschule, die er in seiner Nähe zu sehn wünschen
mogte. In so stürmischer Zeit entsprach jedoch der Erfolg
der löblichen Absicht nicht. Wir wissen durch Dietrich von
Niem dass die Universität verlassen blieb. Wie in Rom war
auch an anderen Orten diese Zeit den Studien nicht günstig
gewesen. Die berühmte Universität Bologna war seit der Mitte
des vierzehnten Jahrhunderts in Abnahme, obgleich Päpste
wie Innocenz VI. und Gregor XI. und Cardinäle wie Albomoz
sich ihrer angenommen hatten. Erst im folgenden Jahrhundert
erholte sie sich wieder, ohne jedoch die alte Bedeutung und
Frequenz zu erlangen. Pavia war von einer Reihe widriger
Ereignisse betroffen worden; Padua würde imter den, den
Untergang des Hauses Carrara begleitenden Stürmen noch weit
mehr gelitten haben, hätten nicht die Venetianer durch exclu-
sive Privilegien Alles aufgewandt diese Schule zu halten und
zu heben. Die von Pisa hatte die entsetzUchen Bedrängnisse
der sterbenden Autonomie eben so schwer empfunden wie die
Rivalität von Florenz. Wie diese grossen Schulen hatten auch
die kleineren wechselnde Geschicke erlebt. So namentlich die
in den Provinzen des Kirchenstaats. Ferrara, vom Markgrafen
Alberto von Este 1391 eröffnet , war fast unmittelbar darauf ge-
schlossen und wiedereröffnet worden, ohne längere Zeit hin-
durch zu rechtem Leben zu gelangen. Die Schule von Fermo,
von Bonifaz VIII. kurz vor der römischen gestiftet, war immer
unbedeutend geblieben. Die von Perugia, von Clemens V. ge-
gründet, hatte um die Mitte des Jahrhunderts durch ihre be-
rühmten Lehrer Baldo und Bartolo den alten Vorrang Bolognas
294 Päpstliche Geheimschreiber. Poggio Bracciolini.
im Rechtsstudium zu erlangen geschienen, ohne ihn in späterer
Zeit behaupten zu können.
Rom hatte lange und schwer durch den Umstand gelitten,
dass während die Mehrzahl der sonst oft so schlimmen italie-
nischen Fürstenhäuser in der Pflege der Wissenschaften mit den
beiden noch übriggebliebenen grossen Freistaaten Venedig und
Florenz wetteiferten, das Papstthum, dem diese Pflege selbst
in widrigen Zeiten am Herzen lag, ihr entfremdet oder durch
die Politik abgezogen, die Comune durch eigne Ruhelosigkeit
ohnmächtig war. Als die Päpste aus Frankreich heimkehrten,
mussten sie sich auf Nichtrömer stützen. Längst und zwar
schon in der avignonischen Zeit waren ItaUener anderer Pro-
vinzen dann auch Fremde als Geheimschreiber im päpstlichen
Dienste. Mehre derselben sind wiederholt genannt wordea
Als Petrarca sich der mehr denn einmal an ihn ei^angenen
Einladung, das Amt eines apostolischen Scriptors zu überneh-
men, entzog, seine Freimde Boccaccio und Francesco Nelli
Prior der florentinischen Apostelkirche ebensowenig annahmen,
wählte Urban V. einen andern Freund des Dichters, Francesco
Bruni dessen Amtsgenosse Coluccio Salutati wurde, der indess
der florentinischen Geschichte weit mehr als der romischen
angehört Der Litei^trgeschichte im Allgemeinen, namentlich
der Geschichte des Wiederaufblühens der classischen Literatur
gehören in noch höherem Grade die Namen zweier seiner
Landsleute denen wir auch manche Nachrichten über römische
Dinge verdanken. Diese sind Poggio Bracciolini und Leonardo
Bruni.
Poggio war am 1. Februar 1380 zu Terranova im obem
Valdamo geboren. Heute noch erinnert in seinem anmuthigen
und blühenden heimatlichen Thale die gelehrte Gasellschaft,
die zu Montevarchi ihren Sitz hat, an den verdienten Huma-
nisten der nach langen Wanderungen dieser Heimat wieder-
gegeben ward. Zu Florenz in der Schule Giovannis von
Ravenna, aus welcher die berühmtesten Philologen der er-
sten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts hervorgingen, in
lateinischer und griechischer Literatur gebildet, zog er zu
Anfang 1404 nach Rom wo er in den Dienst des Cardinais
von Bari dann kurz vor Bonifaz' IX. Tode in die päpst-
Uche Kanzlei trat, in welcher damals noch ein anderer Tos-
caner Bartoloumieo von Montepulciano Correspondent ColuccioB
LeoDardo Binini. 295
sich befand. Der Ertrag einer solchen Stellung war gering:
Antonio Loschi, Poggios College, schreibt einmal er reiche
kaum zur Aufrechthaltung der Amtswiirde hin. lunocenz VII.
behielt den jungen Toscaner im Dienst und zog im März 14()5
auch dessen Landsmann und Mitschüler Leonardo Bruni in
gleicher Eigenschaft an die Curie. N/I)ieser im Jahre 1369 in
Arezzo geboren und einer Familie höhern Bürgerstandes ent-
stammt, war wie es scheint infolge der kriegerischen Unruhen
in seiner Vaterstadt bei Gelegenheit des Zuges Carls von Du-
razzo jung nach Florenz gekommen. p]r hatte sich dort bei
den tüchtigen Lehrern gebildet die sich in der toscanischeu
Stadt zusammenfanden , wohin die traurigen Zustande des
Ostens auch schon jene gelehrten Griechen führten, die zur
Aufnahme ihrer heimatlichen Literatur im Abendlande so thätig
beitrugen. So Poggio wie Bruni folgten Innocenz VII. auf *
seiner Flucht nach Viterbo welche Letzterer so anschaulich
beschrieben hat Mit dem Papste kehrten Beide nach Rom
zurück um mit dessen Nachfolger Gregor XII. nach Lucca zu
ziehen, als die vergeblichen Versuche einer Ausgleichung
zwischen den beiden um die Tiara Hadernden begannen. Beim
Ausbruch des Zerwürfnisses zwischen Papst und Cardinälen
verliess Poggio die Curie um nach Florenz zurückzukehren,
während Leonardo, obgleich seine Stellung ihm verleidet wurde,
mit nach Siena und Rimini ging, wo er dem Herrn der Stadt
n&he trat, Carlo Malatesta, an welchem Gregor XU. in trüb-
sten Tagen einen standhaften Freund und Sachwalter fand.
Aber nicht lange hielt er es aus am adriatischen Ufer. Ein
Ruf nach seiner Heimat veranlasste ihn zur Rückkehr, doch
ging er bald darauf nach Pisa, trat in den Dienst Alexanders V.
dann Johannes' XXITL , folgte diesem nach Constanz wo dessen
Geschicke auch ihn in mancherlei Verlegenheit verwickelten.
Nochmals heimgekehrt blieb er zwar während des Aufentlmlts
Martins V. in Florenz in dessen Nähe, ohne jedoch dem Papste
nach Rom zu folgen, indem er, mit historischen Arbeiten be-
schäftigt, aus denen seine lateinische Geschichte von Florenz \
erwuchs, sich auch den Staatsgeschäften widmete. Diese führ-
ten ihn im Jalire 1426 als Gesandten der Republik nach Rom,
worauf ihm im folgenden Jahre das Kanzleramt übertragen
ward, das er bis zu Anfang 1444 mit Lob verwaltete, nach
seinem Tode durch ein Denkmal von Antonio Bossellinos Hand
296 Poggios literarische Entdeckungen und Genossen.
geehrt welches zu den schönsten der an guten wie an ge-
schmacklosen Monumenten reichen Kirctie Sta Croce gehört
Auch Poggio, zum päpstlichen Geheimschreiber befördert,
war mit Johannes XXIU. nach Constanz gegangen. Die unfrei-
willige durch des Papstes Flucht ihm gewährte Müsse benutzte
er zu jenen Wanderungen und Studien deren Ergebnisse seinen
Namen mehr als seine eignen schriftstellerischen Arbeiten be-
rühmt gemacht haben. Von allen Neueren der gliickhchste
Handschriftenentdecker, welchem allein die alte Literatur Be-
reicherungen verdankt die den Funden von Jahrhunderten
gleichkommen. Die Kunde von Poggios Entdeckungen in
St. Gallen und anderen Bibliotheken setzte die Welt in Stau-
nen. Eine Menge bisher verloren geglaubter Schätze von Lu-
cretius an bis auf die späteren Schriftsteller des Kaiserreiches,
christUche nicht ausgeschlossen, kamen udeder ans TagesUcht
Das Beispiel wirkte. Poggio war nicht der Einzige der sich
solchen Nachforschungen widmete. Neben Leonardo Bruni
finden wir den Römer Cencio de' Rustici, einen Mann von
literarischen Kenntnissen und poetischer Begabung, der mit
Poggio auch nach dessen Scheiden von der Curie im freund-
schaftlichen Verkehr blieb, und Bartolommeo von Monte-
pulciano, einen mehr untergeordneten Helfer, der aber, nun
einmal die Richtung gegeben war, nicht ohne Erfolge blieb.
Sie gingen, sagten diese Entdecker mit Poggios Worten, die
glorreichen Väter aus den Kerkern der Germanen und Gallier
zu befreien — sie hätten nicht vergessen sollen, dass diese
Kerker die Schätze für sie gerettet hatten. Als Martin V.
nach Italien heimkehrte , folgte Poggio ihm bis Mantua,
nahm aber eine Einladung des Bischofs von Winchester,
Cardinal Beaufort, der ihn in Constanz gekannt hatte, nach
England an, kehrte, von dem dortigen Aufenthalt wenig er-
baut, nochmals nach Rom und in seine alte Stellung zurück.
Hier war es wo wir ihn kurz vor Martins V. Lebensende Be-
trachtungen über die alte und neue Stadt anstellen sahen. Dass
er eine Sanmilung alter Inschriften veranstaltet hatte, wissen
wir durch seine eigne Erzählung. Lange schien diese Samm-
lung verschwunden, bis es unserer Zeit gelang sie unter den
vaticanischen Handschriften wiederaufzufinden. Eine Copie
der alten Sammlung des Anonymus von Einsiedeln hatte un-
serm Toscaner vorgelegen, der aus ihr entlehnte was im Lauf
Dietrich von Niem und Gobelin Person. 297
der Jahrhunderte in Rom verschwunden war, in neuen Ab-
schriften hinzufugte was man in seinen Tagen an römischen
Monumenten las. Poggios Abschriften aus dem unbekannten
alten Codex haben dann Anderen gedient, von denen man
lange nicht begriff wie sie zu solchen Inschriften gelangt
waren. In denselben Kreis gehörte Antonio Loschi von Vi-
cenza welcher aus venetianischem Dienst imter Gregor XII. in
den päpstlichen überging, in dem er bis zu Nicolaus' V. Zeit
blieb, worauf er gegen die Mitte des Jahrhunderts hoch be-
jahrt starb. Mit Poggio befreundet theilte er dessen literarische
Neigungen, wandte sich jedoch vorzugsweise der lateinischen
Poesie zu.
Auch Ausländer dienten in der päpstlichen Kanzlei und
gerade durch sie sind wir vorzugsweise über die Geschichte
des Schismas unterrichtet worden. Dietrich von Niem, in
dieser Geschichte oft genannt, war gegen 1348 in dem pader-
bomischen Orte der ihm den Namen gab (Nieheim) geboren
und wurde von Gregor XI. in Avignon unter die Zahl der
Abbreviatoren der apostoUschen Schreiben aufgenommen. Sie-
ben Päpsten hatte er, der in Rom genau bekannt und bei der
Gründung des teutschen Hospizes thätig war, gedient bis er
den flüchtigen Johannes XXUI. verliess um nach Constanz zu-
rückzukehren, wo er zu Anfang des Sommers 1416 starb. In
seinen verschiedenen nicht eleganten aber nicht unbelebten
Schriften ein aufmerksamer und glaubwürdiger Berichterstatter
über Begebenheiten deren Augenzeuge er grossentheils gewesen
ist, im Urtheil herbe und nicht ohne Leidenschaft so dass
man ihm mit Vorsicht folgen muss, während es nur unange-
nehm berühren kann dass der Mann, der die Päpste des
Schismas und die Zustände seiner Zeit so scharf tadelt, sein
ganzes Leben im Dienst dieser nämlichen Päpste zubrachte.
Von geringerm Belang für die Zeitgeschichte ist das Werk
eines Landsmanns Dietrichs, des um etwa zehn Jahre jungem
(Tobelin Person. Er erlangte seine gelehrte Bildung in Italien
und trat im Jahre 1384 in den Dienst Urbans VI. den er nach
drei Jahren verliess , nachdem er Zeuge der tragischen Scenen
in Nocera und Genua gewesen war, die er im letzten Buche
seines Cosmodromium eines Abrisses der Weltgeschichte er-
zählt hat. Gobelin der in seiner Heimat Decan zu Bielefeld
und Caplan Herzog Wilhelms von Berg wurde, war nachmals
298 Hermami Dwerg. Römische Geschichtschreibung.
noch einmal am päpstltcben Hofe, da er im Jabre 1410 aU
Gesandter seines Herrn zu Johannes XXUI. ging. Eine geach-
tete Stellung an der Curie erlangte Hermann Dwei^ von Her-
ford, welcher bei der Eröffnung des constanzer Concils als
einer der Notare fungirte und nach dessen Beendigung mit
Martin V. nach Rom ging, wo er, ein gelehrter Canonist, bis
zu seinem wie es scheint im Jahre 1430 erfolgten Tode als
päpstlicher Protonotar im Dienste bheb.
Von der specifiach römischen Geschichtschreibung dieser
Zeit ist wenig zu melden. Die Papstgeschichte war in der
avignonischen Epoche in den Händen von Ausländern gewesen.
Audi während des Schismas betheiligte kein Römer sich dwan.
Die Stadtchronik der Zeit Colas di Rienzo weckte keine
entsprechende Nachfolge. Das die Jahre 1404 bis 1417 um-
fassende Diarium romanum des Antonio Pietro eines Bene-
ficiaten an der vaticanischen Basilika, .ohne literarische An-
sprüche, hat grössten Werth als einfache und genaue Bericht-
erstattung über die taghchen Ereignisse einer unendUch traurigen
Zeit Von geringerer Bedeutung ist das kurze von 1370 bis
1410 reichende Tagebuch des Gentile Delfini, des MitgUeds
einer später oftgenannten AdelsfamiUe. Wie gering ist alles
dies im Verhältniss zur florentinischen Historiographie und
Epistolographie dieser Zeit, aus deren Schätzen, aus Cohiccios,
Leonardo Brunis, Poggios, Buonaccorso Pittis, Jacopo Sal-
viatis, Pietro Minerbettis u. A. Werken, wir so oft, wie für
frühere Zeiten aus den Villani, unsere Kunde von römischen
Dingen schöpfen müssen, über welche selbst Chronisten von
Viterbo, Orvieto, Perugia und anderen Städten uns bisweilen
besser unterrichten als römische Quellen.
So stand es mit den Uterarischen Richtungen, mit der Be-
theiligung der Päpste an denselben , mit den Bildungszuständen
Roms. Aber noch eine Seite der wissenschafthchen Bestre-
bungen dieser Zeit bleibt zu betrachten.
Die Kenntniss des Griechischen war um die Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts in ItaUen äusserst gering ja bei-
nahe erloschen. Die vielfachen poUtischen und Handels-
beziehungen einerseits Venedigs und Genuas, andrerseits des
Königreichs Neapel zum Orient, welche doch eine gewisse
Bekanntschaft mit einer klägUch verderbten Sprache unter-
halten mussten, scheinen auf literarische Kreise keinen Einfluss
Griechische Studien. Manuol Chrysoloras. 299
ge&bt zu haben. Auch die in Itahen befindhchen Basilia-
nermönche scheinen mit der griechischen Literatur im engern
Sinne kaum in Verbindung gestanden zu sein. Das Wenige
was man vom alten Griechenthum wusste, war aus den Werken
römischer Literatur und einigen möglicherweise nicht einmal
an der Quelle geholten mittelalterUchen Uebersetzungen ge-
schöpft. Die neuen Anfänge griechischer Studien waren sehr
schwach. Die Calabresen Barlamo und Leonzio Pilato welche
selbst erst in Constantinopel Grichisch gelernt hatten, wurden
die Lehrer von ItaUenern. Wenn Petrarcas sehnsüchtiger
Wunsch die homerischen Gesänge in der Ursprache zu lesen
unerfüllt blieb, so erlangte Boccaccio eine gewisse Uebung in
dieser Sprache, die auch seinem mythologischen Werke, einem
ersten wenn immer noch so mangelhaften doch verdienstUchen
Versuche zu statten kam.
Florenz, wo griechische Sprache und Literatur nachmals
voKugswreise blühten, ging damals ebenso mit dem Versuch
der Aufnahme des Griechischen in den gewöhnhchen Studien-
kreis voran wie am Schlüsse des Jahrhunderts, als Manuel
Chrysoloras den griechischen Lehrstuhl einnahm und erfolg-
reicher Beschäftigung den Weg bahnte. Nicht blos die gram-
matische und literarische Kenntniss seiner Muttersprache, auch
seine geachtete persönliche Stellung und die Mission die ihn
in kirchlichen Unionsangelegenheiten nach Italien führte, trug
zum glänzenden Erfolge dieses Mannes bei, als er im Jahre
1396 während seines Aufenthaltes in Venedig för Florenz ge-
wonnen ward. Das Studium des Griechischen in Itahen ist
durch Chrysoloras mehr gefördert worden als durch Irgend-
einen. Denn wenn nicht alle seine Schüler ausgezeichnete
flellenisten wurden, so hat er doch alle mit liebe zu seiner
vaterländischen Literatur erfüllt und in dieser Richtung den
mächtigsten Anstoss gegehen. Nicht in Florenz allein, auch
in Venedig, in Padua und Mailand, in Rom selbst von. wo er
an Johannes Paläologus die schon erwähnte Parallele zwischen
Rom und Constantinopel richtete, hat Chrysoloras gelehrt. In
Florenz waren es grossentheils angesehene Männer, so von
edlem Geschlecht wie durch öfientUche Stellimg ausgezeichnet,
welche seinen Zuhörerkreis bildeten. Palla Strozzi, Giannozzo
^lanetti, Roberto de' Ricci gehörten zu den Ersteren, imd
wenn Salutati damals ein bejalurter Mann sich ihnen beigesellte,
300 Studienreisen im Osten. Francesco Filelfo.
SO sah man unter Chrysoloras' Schülern drei welche einander
im florentinischen Kanzleramt nachgefolgt sind, Leonardo Bnini,
Carlo Marsuppini, Poggio Bracciolini. Von seiner Lehrthätig-
keit in Rom wo Innocenz VII. ihn wol auf Poggios Veranlas-
sung im Jahre 1406 herief »um vollkommene Kenntniss der
griechischen Autoren zu verbreiten«, sind keine Einzelheiteo
bekannt. Vielleicht hinderten die Wirren des Schismas selbst
den Antritt der Professur. Das dankbare Andenken welches
Chrysoloras, der im Jahre 1415 in Constanz starb, bei seinen
Schülern und noch bei deren Nachfolgern hinterlassen hat, ist
ein ehrenvolles Zeugniss seines Wissens wie seines Karakters.
Der Gedanke in Constantinopel selbst nicht blos Bücher
sondern auch Kenntniss der Sprache zu holen, war zwar schon
vor Chrysoloras' Erscheinen in Italien zur That geworden. Aber
erst mit dem fünfzehnten Jahrhundert, zugleich mit den die
lateinische Literatur massenhaft bereichernden Entdeckungen,
wurden auch die Studienreisen im Osten häufiger. In dem auf
das constanzer Concil folgenden Decennium, auf welches wir
hier um des Zusammenhanges willen einen flüchtigen Blick
werfen, kehrten Guarino von Verona, Giovanni Aurispa von
Noto in Sicilien, Francesco Filelfo von Tolentino mit ansehn-
lichen Bücherschätzen und tüchtiger Keimtniss griechischer
Sprache und Literatur in ihr Vaterland zurück. Sie haben
hier thätig gewirkt, namentUch der letztere ist inmitten aller
Fehden und Wechsel eine wahre Macht geworden. Wie immer
man über Filelfos Earakter urtheilen mag, seine ungewöhnliche
Begabung ist nicht in Abrede zu stellen. Er war als junger
Mann dem venetianischen Botschafter oder Bailo in Constanti-
nopel beigegeben worden. Noch in der Blüte der Jahre war
er mit reichem Schatz an Wissen und Handschriften zurück-
gekehrt, um erst in Venedig, dann in Bologna, endlich in
Florenz zu lehren. Seine Thätigkeit war ebenso erstaunlich
wie die Wirkung die er hervorbrachte. Nachdem er Homer
und Thucydides, Cicero und Livius erklärt, las er noch in
Sta Maria del fiore öSentlich über die Göttliche Komödie.
Wenige sind so ruhmredig gewesen wie dieser Mann, aber es
muss doch Wahres daran sein wenn er von dem Zulauf redet.
»Die ganze Stadt hat sich mir zugewendet, Alle heben mich,
Alle ehren mich, Alle erheben mich in den HinmieL Mein
Name ist in Aller Munde. Die edelsten Bürger, die vornehmsten
Bficher- und Antiquitätensammler. 301
Frauen vergönnen mir den Ehrenplatz. Mehr denn vier-
handert Zuhörer füllen täglich den Saal, grossentheils hoch-
stehende Männer selbst senatorischen Ranges.« Wie mogte er
später, nachdem er durch unverbesserliche Rastlosigkeit, durch
literarische Händel, selbst durch Einmischung in das städtische
Parteitreiben diese schöne Stellung ebenso vernichtet hatte wie
er noch andere vernichtete, an die glücklichen Tage zurück-
denken, dann namentlich als er, ein alter Mann, froh sein
musste nach demselben Florenz zurückzukehren wo er sich
einst unmöghch gemacht hatte.
Schon hatte das Wanderleben der Hellenisten wie anderer
Literaten von einer zur andern Hochschule begonnen. Zugleich
wurde die Erforschung der Büchersammlungen und Alterthümer
des Orients in der Person des Ciriaco PizzicoUi von Ancona
zu einem Geschäft wobei Wissensdrang und Wanderlust mit
(rewinnsucht verbunden bereits auf Abwege fahrten, indem so
beim Antiquitäten- wie beim Inschriftensanuneln Wahres mit
Falschem vermengt wurde. In Petrarcas Tagen hatte das
Münzsanmieln seinen Anfang genommen. Wir wissen durch
ihn selbst, wie er Carl IV. in Mantua goldene und silberne
Kaisermünzen schenkte. Die Zeit Eugens IV. mit dem Unions-
concil brachte dann natürUcherweise in die griechischen Stu-
dien weit grössere Bewegung. !Nicht nur wurde deren praktische
Wichtigkeit unendUch gesteigert, da momentan der Schwer-
punkt vom literarischen Felde auf das kirchUche verlegt war.
Die Anwesenheit so vieler Griechen in Italien, erst Theilneh-
luer an der Kirchenversammlung dann Flüchtlinge , begann auch
ihre Sprache mehrundmehr zum Gemeingut der Gelehrtenwelt
zu machen. Bei alledem hat das Studium derselben lange Zeit
gebraucht bevor es eine gewisse Gründhchkeit erzielte, und
wenn man in Anschlag bringt wie schwach es in neueren Zeiten
mit griechischer Sprache und Literatur in ItaHen steht, so
mögte man zu dem Schlüsse gelangen dass im Geiste beider
etwas Uegt, was dem itahenischen Genius ungeachtet des
Wunsches der Aneignung widerstrebt.
Als diese Zeit Eugens IV. herangekonunen war, hatten die
in den constanzer Tagen begonnenen Entdeckungen reife
Früchte getragen. Sie hatten in ganz ItaUen einen Enthusias-
mus geweckt, der Dem welcher Maass und Bedeutung des
Neuen nach dem bis dahin Vorhandenen abwägt, kaum
302 Bibliotlieken und Handschriftenverkehr.
übertrieben erscheinen darf, namentlich in Betracht dass die
Kürze der Zeit dies Maass zu steigern schien. Für die Hasse
der Gebildeten concentrirte sich alles in dem einen Punkte , in
classischer Erudition, so dass das Schaffen durch das Wis-
sen verdrängt erschien. Mit einemmale glaubte man sich
dem Ziele der Sehnsuclit früherer Jahrhunderte namentlich
des letzten nahe. Die alte Welt schien in ihren Schätzen
wieder aufzuleben. Einen Augenblick mogte man träpmen,
die von der dunklen Zeit des Untergangs des Westreiclis
unter den Schöpfungen des antiken Geistes angerichtete
Verwüstung wie die Wirkungen nachmaliger Verwahrlosung
seien minder gross gewesen, als man lange befurchtet hatt^^.
Jemehr die neue Saat auf fruchtbares längst vorbereitetes Erd*
reich fiel, umso rascher schoss sie empor. Abgesehn von
directer geistiger Einwirkung gaben sich die nächsten Folgen
in zwei secundären Erscheinungen kund. Diese waren die Ver-
mehrung der Zahl der BibUotheken und die Steigerung des
Bücherverkehrs, der nun zu grossartigem Geschäftsbetriebe
wurde. Bis dahin waren die Bibliotheken fast völlig auf Kitchen
und grosse Klöster beschränkt und wenig beachtet. Von Pe-
trarca und Boccaccio wissen wir, mit welchen MüdiBeligkeiten
und Kosten sie sich Bücher verschafften und wie sie zu eigen-
händigem Copiren ihre Zuflucht nahmen. Letzteres war nicht
selten das einzige Mittel ein correctes Exemplar zu erhalten.
Denn nachdem die Klöster die benedictinische und cassiodorische
Vorschrift literarischer Arbeit wenigstens in Bezug auf die Classi-
ker vergessen hatten, war dieselbe in die Hand meist unwissen-
der Leute gegeben die daraus ein Geschäft machten, von deren
Nachlässigkeit Petrarca aber einen Begriff giebt, indem er fragt
ob Cicero, Livius und Plinius die eignen Werke in dieser Ge-
stalt erkennen oder nicht vielmehr für Producte von Barbaren
halten würden. Die im vierzehnten Jahrhundert wenn nicht
wieder aufgekonunene doch in grösserem Maasse entwickelte
Fabrication des Lumpenpapiers, worin der heute noch das beste
Papier in Italien Uefemden Stadt Fabriano in der Mark Ancona
der Primat zu gehören scheint, kam der Bücherindustrie zu
Hülfe, nicht dem Fleiss der Abschreiber. Alles dies änderte
sich nun mit einem Schlage. Das gemehrte literarische Mate-
rial und die noch mehr gesteigerte Nachfrage veranlassten
einen in seiner Art grossartigen Aufschwung. Während man
Literarische Bewegung. Venedig und Florenz. 30 B
im ganzen Morgen- und Abendlande im Staube alter Kloster-
und anderer Sammlungen wühlte, beschäftigten sich Utera-
risch gebildete Männer mit der Vervielfältigung der Hand-
schriften wie mit deren Verbreitung, ja mit der Anlage
ganzer Bibliotheken. Einem dieser »Librai«, dem Florentiner
Veepasiano daBisticci, welcher im Jahre 1421 geboren um die
Mitte des Jahrhunderts die Blüte dieses Handels erlebte um
bald darauf Zeuge der ganzlichen Umgestaltung desselben durch
die Erfindung des Bücherdrucks zu sein, verdanken wir die
reichlichsten und zugleich anziehendsten Nachrichten über
Päpste und Fürsten, Geistliche und Staatsmänner, Literaten
im engem Sinne die sich an der grossen Bewegung bethei-
ligten.
Diese Bewegung verbreitete sich über einen grossen Theil
Italiens. In Venedig zeichneten sich Fantino Dandolo, der
zweimal unter Martin V. und Eugen IV. als Gesandter in Rom
war, Leonardo Giustiniani, Francesco Barbaro, der eifirige För-
derer von Poggios Forschungen, vomehmUch aus. An allen
italienischen Fürstenhöfen hatten sie Nachahmer und Neben-
buhler; jeder suchte es dem andern zuvorzuthun. Florenz aber
war der Brennpunkt des neuen Classicismus. Wenn man in den
vordem Hof des in jüngster umwälzender Zeit seinen alten Be-
wohnern entzogenen Camaldulenserklosters der Angeli tritt, so
wird man durch die Marmorbüste Fra Ambrogio Traversaris
an die Tage erinnert, in denen die angesehnsten Männer der
Stadt und alle gebildeten Fremden sich hier versammelten,
über wissenschafidiche Gegenstände, über die Werke der
Kirchenväter, der Philosophen und Historiker sich zu bereden.
Es waren die späteren Jahre der Herrschaft der von der Fa-
milie der Albizzi geleiteten neuen Aristokratie. Eine Zeit von
welcher der ebengenannte Vespasiano sagt, die Stadt die sich
^vider äussere Feinde durch Klugheit und Geld vertheidigt, sei
blühender als je gewesen , während der zu grosse Wohlstand
schon den Keim der nachmaligen verhängnissvollen Neuerun-
gen in sich verschlossen habe. Ambrogio Traversari war im
Jahre 1386 in Portico einem nicht weit von ForU an der Grenze
der toscanischen Romagna gelegenen Castell geboren. In seinem
vierzehnten Jahre trat er in Florenz in den Orden von Ca-
maldoli und gehörte, so scheint es, zu Manuel Chrysoloras'
Schülern. Seine eignen wissenschaftlichen Arbeiten waren
304 Ambrogio Traversari, seine Landsleute und Freunde.
vorzugsweise den griechischen Kirchenvätern und der grössern
Verbreitung ihrer Werke durch lateinische Uebertragungen
gewidmet. Mit Leonardi Bruni galt er in Florenz für den
besten Latinlsten. Weit schwerer aber fallt der Einfluss ins
Gewicht den er durch Umgang und Briefwechsel mit den be-
deutendsten Männern seiner Zeit, durch Anleitung geistvoller
Jünglinge ausübte. Denn bei ihm entstand eine Art literari-
scher Akademie, wie einst bei MarsigU, wie nachmals in San
Marco und bei den MedicL PoUtische Meinungen und Ten-
denzen, worunter sich freihch grossentheils Nebenbuhlerschaft
um persönliche Stellung und um die Leitung der städtischen
Angelegenheiten verbarg, trennte die vomeluuen Florentiner:
in der Förderung von Literatur und Kunst reichten die Gegner
einander die Hand. Rinaldo degU Albizzi das letzte Haupt der
Aristokraten hat eine Reihe von Staatspapieren hinterlassen
welche einem Machiavell keine Unehre machen würden, und
gab seinen Söhnen Tommaso da Sarzana zum Lehrer. Palla
Strozzi stand keinem seiner Zeit als Kenner und selbstthätiger
Förderer der alten Literatur nach. Niccolo da Uzzano begann
den Bau eines grossen Universitätslocals und hinterUess in
seinem Testament für dessen Vollendung und Benutzung an-
sehnhche Summen, die dann gleich dem angefangenen Bau
selbst zu anderm verwendet wurden. Die Universität, diese
Nebenbuhlerin der von dem Unglück der Stadt schwerbetroffe-
nen pisanischen, war im Jahre 1412 feierhch wiedereröffnet
worden und namentlich durch Palla Strozzis Anstrengungen
rasch zu hoher Blüte gelangt. Fremde Lehrer wurden herbei-
gezogen, Dantes grosses Gedicht wurde schon seit Boccaccios
Tagen öffentUch erklärt Dieselbe Zeit sah die Vollendung der
Domkuppel durch FiUppo Brunellesco.
Die genannten Männer waren die Führer der Partei welche
im Jahre 1434 durch die Medici gestürzt wurde. Traversaris
Freunde gehörten meistens zu den Siegern. Die beiden Medici
selber, Cosimo und Lorenzo, Giovannis d'Averardo Söhne.
waren gewisseAnaassen seine Schüler gewesen. Cosimo, kein
Literat sondern frühe in ein grossartiges geschäfiliohes und
politisches Leben hineingezogen, Papst Johannes' y^HT. Be-
gleiter auf dem Zuge nach Constanz, was ihm Gelegenheit gab
fremde Länder kennen zu lernen, erwarb und kräftigte in
solchem Umgange jene Theiinahme am geistigen Leben, ohne
Gelehrte Cardinäle. 305
welche kein edler Florentiner sein zu können schien. Zu dem-
selben Kreise gehörten Mehre deren Namen mit Ehren genannt
werden. Carlo Marsuppini welcher nach seinem Landsmann
Bruni das Kanzleramt erhielt. Giannozzo Manetti angesehner
Familie entstammt, in Bezug auf gelehrte Bildung einer der
Hervorragendsten, während manche Andere ihm in glücklicher
Verwerthung des Erworbenen den Kang abliefen. Niccolo
Nicoli der grösste Büchersammler seiner Zeit, der seinem lite-
rarischen Eifer seine ganze Habe opferte so dass er ohne me-
diceische LiberaUtät sich in drückender Noth befunden haben
würde. Dieser Kreis war es in welchen um das Jahr 1418
Tommaso da Sarzana eingetreten war, als er die Söhne Ri-
naldos degli Albizzi und Palla Strozzis unterrichtete und wo
er die ersten Anschauungen gewann, deren bleibenden Ein-
druck wir in seiner ganzen nachmaligen Thätigkeit verfolgen
können.
So waren die Uterarischen Zustande in Florenz, als Papst
Eugen IV. im Mai 1434 dort eintraf.
2.
DIE WISSENSCHAFT UND DAS PAPSTTHÜH BIS ZUM TODE EUOENS IV.
Es liegt auf der Hand dass die Restauration des Papst-
thums und die geordneten Verhältnisse der Regierung Martins V.
der Stadt Rom auch in geistiger Beziehung eine von der vor-
hergegangenen Zeit wesentlich verschiedene Physiognomie hatten
geben müssen.
Papst Martin sah einen Kreis ausgezeichneter Cardinäle
um sich und mehrte deren Zahl durch die Ernennung tüchtiger
Männer. Von den Ersteren gehörten mehre dem Gebiete der
Theologie und Rechtswissenschaft an. Solche waren Branda
Castiglione Cardinal von Piacenza, Antonio Correr Cardinal von
Bologna Gregors XII. NefiFe, Giovanni Dominici Cardinal von
Ragusa, Gabriel Condulmer Cardinal von Siena, Jacopo Iso-
lani Cardinal von Sant' Eustachio einst in Rom allmächtig in
der letzten Zeit des Concils von Constanz, Alle schon in der
politischen Geschichte erwähnt. Wenn Antonio Correr durch
V. Reumout, Kuiu. HI. 20
306 Giordano Orsiiii und seine Handschriften.
die vielen ihm übertragenen geistlichen Geschäfte an selbst
thätiger literarischer Beschäftigung verhindert ward, so brachte
er doch eine schöne Sammlung von Handschriften zusammen,
die er seinem geliebten Kloster San Giorgio in Alga hinterliess.
Der eifrigste Förderer der Literatur war jedoch Giordano Orsini
von Bracciano, welchen InnocenzYII. im Juni 1405 in jener Pro-
motion aus welcher drei Päpste hervorgingen, zum Cardinal yod
SS. Silvestro e Martino creirt hatte. Er gehörte zu den reich-
sten Cardinälen indem er mit seinem Hausvermögen die Einkünfte
seiner zahlreichen Pfründen vereinigte, und nahm besonders
unter Martin V. , zu dessen Erhebung er thätig beigetragen
hatte, eine der ersten Stellungen im Cardinalat ein, während
er sich als Legat in Frankreich und England, in Venedig und
Teutschland, endlich beim baseler Concil an den wichtigsten
politischen und kirchhchen Angelegenheiten« betheiligte. Sein
Reichthum kam der Wissenschaft zugute ; in Rom gab es keinen
eifrigem Bücherfreund. Er war es der eine Handschrift des
TertuUian, in Frankreich wie er selbst sagt mit gleicher Mühe
und Kosten einen Ptolemaeus, und zu Ende 1429 von einem
teutschen Handschriftenhändler Nicolaus von Trier einen Co-
dex des Plautus mit zwölf bis dahin unbekannten Komödien
erstand. Ein Fund der die damalige Gelehrtenwelt in freu-
digste Aufregung versetzte, wovon Poggios Briefe Zeugniss
geben. Der Cardinal scheint seine Schätze mit eifersüchtigem
Auge bewacht zu haben. In einem Schreiben an Traversari
der den Dionysius Areopagita fiir ihn übersetzte, entschuldigt
er die Nichtsendung des erbetenen Ptolemaeus mit dem Umfang
des Buches, während er ihn nach Rom einladet wo aUe seine
Handschriften ihm zur Verfügung stehn soUten. »Du würdest,
fügte er hinzu, zugleich die heiligen Reliquien und Tempel der
Stadt, die hehren Zeugnisse unseres Glaubens sehen und dir
eine Erholung wie die Gelegenheit des Verkehrs mit mir ver-
schaffen.« Giordano Orsini that sich auf den Besitz des Plau-
tus etwas zugute : Antonio Loschi musste ihm Distichen dichten
die er dem Titel des Buches vorsetzte. Doch verstand er sich
dazu Abschriften nehmen zu lassen. Die erste erhielt Filippo
Maria Visconti, die zweite Lionello von Este; er vertraute
selbst die kostbaren Handschriften so des Plautus wie des
Tertullian Lorenzo de' Medici Cosimos Bruder an, der sie
lange in Händen behielt während Nicoli sie copirte.
Giordano Orsini und seine Handschriften. 307
Selbst diese Gewährung vermogte den Grimm der Philologen
nicht zu besänftigen, welche in den Früchten der Entdeckun-
gen ein Gemeingut sahen. Der einst vom Cardinal abgewiesene
Poggio schmähte ihn in den gewohnten Ergüssen seiner Galle
als einen unwürdigen Besitzer von Schätzen die ihn nichts an-
gingen. Aeusserungen die stark mit den Worten contrastiren
welche Lapo da CastigUonchio, ein Nachkomme des berühmten
Rechtsgelehrten und Senators von Rom, bei Ueberreichung
seiner Uebertragung des plutarchischen Lebens des Pophcola
an den Cardinal richtete, und die zu hochgespannt aber nicht
grundlos sein können. »Des Himmels Gunst scheint dich der
gegenwärtigen Zeit verliehen zu haben, durch deinen Schutz,
deine Bemühungen, deinen Reichthum die bedürftigen Pfleger
der Wissenschaften zu unterstützen. Du vor Allen hast nach
so langer Zeit die Wiederbelebung der lateinischen Sprache
angestrebt und theilweise erreicht. In schon vorgerückten
Jahren hast du lange, mühsame, kostspielige Reisen imternom-
men, alte Schriftsteller, von denen mau kaum noch die Namen
kannte, der Vergessenheit entzogen. Du hast solche Schätze
in allen Zweigen gesammelt dass sie für mehr als eine Stadt
reichen würden, das Studiiun ohne Mühe noch Kosten zu er-
mögUchen.« Giordano Orsini strafte übrigens Poggios Anklagen
Lügen. Bei seinem im Jahre 1438 im Bade zu Petriolo im Sie-
neserlande erfolgten Tode machte er seine hterarischen Schätze
wirkhch zum Gemeingut, indem er sie der Peterskirche zur Ver-
mehrung ihrer Bibliothek hinterliess. Diese Bibliothek deren
Ursprung dem Papste Zacharias zugesclirieben wird, welcher
indess nach dem Bericht des sogenannten Anastasius der Ba-
sihka nur Chorbücher für den gottesdienstlichen Gebrauch
schenkte, war in dem alten Secretarium dann in der mit dem
Winterchor verbundenen, an das Unke SeitenscKiff stossenden
grössern Sacristei aufgestellt. Die orsinische Sammlung um-
fasste 254 Handschriften, meist von grossem Werthe; die
Mehrzahl derselben muss sich heute in der Vaticana befinden
welcher die Schätze der BibUothek der Peterskirche grössten-
theils einverleibt wurden. Cardinal Giordano Orsini vermachte
der Basihka ebenfalls seinen in Via papale an der Ecke von Via
di Monterone gelegenen Palast, welcher vor ihm Eigenthum
jenes Grafen Niccolö von Nola gewesen war der mit seinem
20*
308 Niccolo Aibergati. Giuliauo Cesarini.
Bruder Napoleone das Karthäuserkloster bei Sta Croce in Gera-
salemme gründete.
Unter den von Papst Martin creirten Cardinälen machten
sich der Spanier Domingo Ram Bischof von Osma, Louis
Aleman Erzbischof von Arles, Henry Beaufort Bischof von
Winchester dann Erzbischof von Canterbury durch wissen-
schaftliche Tendenzen bemerkUch die indess Rom selbst nicht
zugute kamen. Zu den ausgezeichnetsten Männern aber, welche
im fünfzehnten Jahrhundert den Purpur trugen, sind ein Bo-
lognese und zwei Römer zu zählen, Niccolo Albergati, GiuUano
Cesarini und Domenico Capranica. Alle drei, von denen schon
in der Greschichte des Pontificats der ersten Decennien nach
dem constanzer Concil die Rede war, haben sich nicht so-
wol mit den schönen Wissenschaften beschäftigt, als mit
Theologie und Jurisprudenz, aber sie haben doch den Huma-
nismus in seinen bessern Tendenzen gefördert. Albergati im
Jahre 1375 in Bologna geboren, Karthäusermönch, Bischof
seiner Vaterstadt und im Jahre 1426 Cardinal von Sta Croce
in Gerusalemme bei welcher Kirche damals sein Orden das
Erlöster hatte, vereinigte gründUches Wissen, geschäftliche
Thätigkeit und Gewandtheit, von denen er auf seinen Lega-
tionen in Frankreich und England wie in den Wirren des
baseler Concils Proben ablegte , mit heiligem Lebenswandel und
starb im Mai 1443 in Siena. Zwanzig Jahre lang begleitete
ihn Tommaso da Sarzana welchem Enea Silvio Piccolomini
sich zugesellte. Cesarini gehörte einer bereits erwähnten edlen
aber nicht begüterten römischen Famiüe an. Sein Biograph
Vespasiano schildert die Armuth in welcher er sich als Student
in Perugia befand. Er sammelte Lichterstümpfchen um Nachts
zu arbeiten; Braccios da Montone Statthalter in Perugia, der Ro-
rentiner Bindaccio da Ricasoli, schenkte ihm gelegentUch ein
Goldstück um seiner Verlegenheit abzuhelfen. Als er nachmals
zu hohen Würden gelangt war, gedachte er dessen was er selbst
durchgemacht hatte, imd unterstützte viele arme Jünglinge in de-
nen er Talent imd guten Willen erkannte. Lehrer des Kirchen-
rechts in Padua, dann in Rom Hausgenosse des Cardinais Casti-
glione, den er auf seiner böhmischen Legation begleitete, wurde
er von Papst Martin befördert und zu Gesandtschaften nach
Frankreich und England gebraucht, bis er zugleich mit Albergati
den rothen Hut erhielt. Seine weltberühmte Thätigkeit fallt in
Domenico Capninica. 309
Eugens IV. Zeit, die Leitung des baseler Concils, die Theil-
nahme am ferraresisch-florentiniscben, die Legation in Ungarn
infolge deren er in oder nach der Schlacht bei Varna, welche
herbeigeführt zu haben ihm zur Last gelegt wird, im Jahre
1444 den Tod fand. Die Zeitgenossen haben GiuUano Cesarini
bezeugt, dass er, der auch die gebräuchlichen Geschenke zu-
rückwies, als Cardinal arm und in seiner Lebensweise einfach
blieb. Von den Nachkommen haben die Einsichtigen und Billi-
gen sein Verhalten in überaus kritischen Momenten, als er sich
zwischen Papst und Concil gestellt sah, als unabhängig und
ehrlich gewürdigt. Auf beiden Seiten hatte er Ansprüche ab-
zuwehren, deren Gefahren keiner besser ermaass als er, wel-
cher Rom und Teutschland gleich gut kannte.
Der dritte dieser Cardinäle Domenico Capranica war im
Jahre 1400 geboren. Der Sohn armer Leute die den Namen
Pantagati mit dem ihres Heimatsortes Capranica in den Her-
niker Bergen vertauschten , that er sich frühe schon durch leb-
haften Geist und Kenntnisse hervor. Li Padua Cesarinis Schü-
ler, mit fünfundzwanzig Jahren Bischof von Fermo, wurde er
bald darauf von Papst Martin zum Cardinalat erhoben aber
nicht pubUcirt, ein Umstand welcher sowol seine Ausschliessung
vom folgenden Conclave veranlasste, weil Capranica, wie der
Teutschordensgesandte sich ausdrückt, in Rom »ein Blut-
schreiber« gewesen, wie er dem neuen Papste den Vor-
wand bot, Capranica wegen seiner Verbindung mit den Co-
lonnesen die Bestätigung zu verweigern. Folge davon war
dessen Berufung an das baseler Concil, wohin er sich in Beglei-
tung des um sechs Jahre Jüngern Piccolomini begab. Das Zer-
würfniss währte nicht lange und Cardinal Capranica ist so von
Eugen IV. wie von seinem Nachfolger in vielen geistlichen und
weltlichen Geschäften gebraucht worden, während er selbst
einmal der Papstwürde nahe stand. Seine Studien waren um-
fassend, seine Belesenheit ungewöhnUch namentlich im Kirchen-
recht; seine Geschichte des baseler Concils während der Zeit
in der er an demselben Theil nahm, wurde von dem spätem
Historiker dieser Versammlung Agostino Patrizi benutzt. Zu
seinen Hausgenossen gehörten mehre die sich später einen be-
rühmten Namen gemacht haben, so Jacopo Ammanati der
nachmaUge Cardinal von Pavia und Biondo Flavio von Forli.
Seine Bibliothek umfasste an zweitausend Bände ; er hinterliess
310 Grcgorio Conrer u. A. Die Universität.
sie bei seinem im Jahre 1458 erfolgten Tode ebenso wie seine
Wohnung zur Gründung eines CoUegiums für arme dem
Priesterstande bestimmte Knaben, zu welchem Behufe sein
Bruder Angelo, der gleichfalls die Cardinalswürde erlangte,
im Jahre 1460 das Gebäude bei Sta Maria in Aquiro er-
richtete welches noch zu diesem Zwecke dient. Neben die-
sen drei ist noch Martins Neffe Prospero Colonna zu nen-
nen der mit Giordano Orsini im Erwerben von Handschriften
wetteiferte.
Wenn die schriftUchen Arbeiten dieser Männer in Bezug
auf eigentliche literarische Bedeutung viel weniger ins Gewicht
fallen als ihre wissenschaftlichen Tendenzen überhaupt, so
vereinigte Rom andere welche grösstentheils dem geistlichen
Stande angehörend die Förderung des Studiums der Alten mit
ihrer Nachahmung verbanden. Zu ihnen gehörte Gregors XU.
Grossneffe Gregorio Correr, zu Mantua in der Schule Vittorinos
da Feltre des verdientesten Pädagogen seiner Zeit gebildet,
wegen seiner Theilnahme am baseler Concil von seinem Ver-
wandten Eugen IV. ohne Beförderung gelassen , obgleich
er sich durch Talent und untadelhaften Wandel hervorthat
Ein so feiner Kenner der lateinischen Classiker dass eine von
ihm verfasste Komödie noch gegen das Ende des vorigen Jahr-
hunderts als ein Product der augusteischen Zeit gedruckt ward;
ein zierhcher Dichter, mag die Nachahmung der Lyriker des
goldenen Zeitalters auch das richtige Maass übersteigen. Auf
demselben Felde glänzte der Florentiner Leonardo Dati, Gior-
dano Orsinis dann Francesco Condulmers Geheimschreiber,
nachmals päpstlicher Secretär und Bischof von Massa. Cencio
de' Rustici ist schon als Poggios Mitarbeiter erwähnt worden.
Martin V. scheint für die römische Universität unthätig ge-
blieben zu sein. Johannes Menghen nachmals Gesandter des
Teutschen Ordens klagte, vier Jahre würden kaum reichen
die Doctorwürde zu erlangen wegen der unzulängUchen Zahl
der Vorlesungen und der Verwendung der Professoren im
päpstUchen Dienst, weshalb man fremde Schulen aufsttehen
müsse. Eugen IV. nahm sich der römischen alsbald an, und
ihre Neugründung vielmehr als ihre Herstellung ist von einem
Papste ausgegangen dem man mönchisches Wesen zum Vor-
wurf macht. Es ist wahr dass die städtischen Behörden ihm
anlagen, aber durch die am 10. October 1431 erlassene Bulle
Die ünivereitÄt unter Eugen IV. 311
und spätere Verfügungen hat er den Ruhm erworben dem
römischen Studienwesen seine eigentliche Verfassung gegeben
zu haben. Die Universität wurde in ihren vier Facultäten re-
constituirt, die alte Form der freien Rectorswahl beibehalten
bis die Regierung sich dieselbe im Jahre 1458 reservirte, die
Studirenden ausser in Capitalfallen von der gewöhnhchen
Gerichtsbarkeit eximirt und von Gabellen befreit, den Inhabern
geistlicher Pfründen deren Genuss während der Studienzeit
gestattet. Während Eugen den Magistraten aufgab der Anstalt
statt des unpassenden Locals in Trastevere wieder ein mög-
lichst in der Mitte der Stadt gelegenes zu beschaffen, wies er
die Stipendien der Professoren auf die erhöhte Weinsteuer an.
Dem Camerlengo der römischen Kirche, auch früher schon
Vertreter der Staatsgewalt bei der Hochschule, und vier Re-
formatoren, welche jährlich aus zwölf von der Stadt zu prä-
sentirenden Candidaten gewählt werden sollten, wurden Ein-
richtung und Aufsicht übertragen. Die Universität erhielt
damals ihren Sitz bei Sant' Eustachio, vielleicht in demselben
Gebäude welches Bonifaz VIII. ihr angewiesen hatte und das
in der Zeit des Schismas in andere Hände gekommen war.
Nachfolgende Päpste vergrösserten den Bau, namentUch
Alexander VI. welcher anstossende Häuser erwarb imd den
Hof mit Säulengängen anlegte, an welche man durch den
gegenwärtigen grossartigen Palast der Sapienza erinnert wird.
Unter den Lehrern war der im bürgerUchen nicht minder als
im Kirchenrecht erfahrene Aretiner Antonio Roselli welchen
Martin V. nach Rom gezogen hatte, nachdem er in ehrenvollen
Staatsämtern und Professor in Siena gewesen war. Andere
sind zu nennen, unter ihnen Lodovico Pontano aus dem Ge-
biete von Spoleto aber in Rom erzogen, von Papst Eugen
zum apostoUschen Protonotar ernannt was er ihm niclit auf
dem baseler Concil vergalt, wohin König Alfons ihn sandte
und wo er 1439 in jungen Jahren starb. Es waren wie früher
namentlich Theologie und Rechtswissenschaft welche in Rom
gepflegt wurden. Für erstere gründete Eugen eine besondere
Anstalt. Unter den apostolischen Schreibern begegnen wir
noch Angelo von Todi von dessen eignen wissenschaftlichen
Arbeiten man nichts weiss der sich aber um die Literatur ein
Verdienst erwarb indem er für einen talentvollen armen Jüng-
ling ein Vermächtniss zum Studiren stiftete. Dieser Jüngling
312 Biondo Flavio.
war Cristofano Landino, nachmals eine der Zierden des flo-
rentinischen Gelehrtenkreises.
Während Eugen IV. so für die Universität sorgte, zog er
einen Mann heran dessen Arbeiten der Alterthumswissenschaft
in engerm Sinne und der Geschichte mehr zugute gekommen
sind als die Studien aller seiner Zeitgenossen. Biondo Flavio
war um das Jahr 1388 zu Forli geboren. In seiner Heimat wie
im Venetianischen in öffentUchen Aemtern, ein Freund Fran-
cesco Barbaros welcher die Humanitätswissenschaft unter den
Venetianern würdig repräsentirte, trat er in Papst Eugens ersten
Jahren als apostolischer Scriptor in die Curie, welche er zu
Anfang der Regierung von Eugens Nachfolger verliess um
einige Zeit darauf zurückzukehren, worauf er bis zu seinem im
Jahre 1463 erfolgten Tode in Rom verweilte. Biondos grosse
literarische Thätigkeit begann zwar erst in den späteren Jahren
Eugens IV., den er in der Zeit der Wirren mannhaft verthci-
digte, Früchte zu tragen, aber schon hier ist auf deren Resul-
tate ein BUck zu werfen. Er war ein mittelmässiger Latinist
und des Griechischen beinahe unkundig, wodurch sich wol die
geringe Beachtung erklärt die ilmi bei Nicolaus V. zu Theil
ward. Aber er hat in einer Zeit welche die Kenntniss der
alten Literatur zwar ausserordentlich förderte , ihr Hauptaugen-
merk jedoch auf StiUstik gerichtet hatte, die reale Seite des
Alterthums fleissig und eingehend erläutert, während er zuerst
die Geschichte des italienischen Mittelalters einer kritischen
Sichtung und Darstellung unterwarf. Seine »Roma instaurata«
die er um das Jahr 1447 Eugen IV. widmete , ist der erste Ver-
such einer auf eigne Anschauung und auf die Worte classischer
Schriftsteller gegründeten Beschreibung der alten Stadt; seine
Pius n. gewidmete »Roma triumphans« die erste Bearbeitung der
römischen Antiquitäten. Wenn das »wiederhergestellte Rom«,
wie leicht erklärlich ist, so in Bezug auf Quellenkenntniss
wie auf Kritik und Combination viel zu wünschen lässt, so
ist es doch nicht blos im Vergleich mit allem bis dahin Ge-
leisteten eine höchst merkwürdige Arbeit, sondern wegen der
localen Anschauungen des Verfassers auch für spätere Zeit
von grösserer Wichtigkeit. Es würde dies in noch weit höherm
Grade sein, wäre die Schilderung der noch ganz odei: theil-
weise vorhandenen Monumente von der versuchten Recon-
struction derselben mehr getrennt. In einer sonst von blos
Ciriaco von Ancona. 313
antiken Gresichtspunkten ausgehenden Zeit bildet Biondo darin
eine Ausnahme von der Regel, dass er, für den die Welt-
geschichte nicht mit dem Alterthum abschloss, wie Petrarca
des christlichen 'Rom nicht vergass und kühn aussprach, Roms
Majestät und Herrlichkeit habe noch einen andern und festem
Boden als die geschwundene Pracht von Capitol und Palatin,
als den Ruhm seiner Consuln und seiner Legionen.
In Eugens ersten Regierungsjahren war ein merkwürdiger
Mann bei ihm in Rom. Ciriaco PizzicoUi von Ancona , gewöhn-
lich nach seiner Vaterstadt genannt, dessen schon im Vor-
beigehn gedacht ward, ist Prototyp der wandernden Antiqui-
täten- und Büchersucher, halb Gelehrte halb Handelsleute,
an allen Höfen bekannt, mit allen Literaten in Verbindung, zu
ihren Lebzeiten schon der Charlatanerie bezüchtigt und von
Manchen mistrauisch beobachtet, während es verschiedenen
ilirer angefochtenen Entdeckungen infolge späterer Forschun-
gen ergangen ist wie der beargwöhnten Glaubwürdigkeit hero-
(lotischer Erzählungen. Er war wederholt im Orient, in
Griechenland, Romanien, Kleinasien, Aegypten, zum Theil aus
eignem Antriebe zum Theil im Auftrage reicher Herren, na-
mentlich vornehmer Venetianer. üeberall stöberte er umher,
bei den venetianischen und genuesischen Dynasten auf griechi-
schen Inseln, bei den Lusignan auf Cypern, auf den Trümmer-
stätten der Küste loniens, in Alexandria. Nach Mesopotamien,
Persien, Indien war sein Sinn gerichtet. Handschriften, Mar-
mor- undBroncewerke, Münzen, Alles sammelte er und schleppte
auf seinen Kreuz - und Querzügen durch ganz Italien eine Masse
Curiosa mit sich. Auch auf Inschriften ging sein Augenmerk
und die von ihm veranstaltete Sammlung hat ihn in der Ge-
lehrtenwelt bekannter gemacht als seine meist verlornen Schrif-
ten. Er hat oft fehlerhaft copirt und ist durch Fälschungen
getauscht worden; eigne Fälschungen sind ihm öfter vorge-
worfen als bewiesen worden. Seine römischen Inschriften sind
theilweise dem Anonymus Einsiedlensis theils SignoriUs Auf-
zeichnungen entlehnt. Aber er musste Rom wo er mehrmals
verweilte gut kennen, wenn er dort dem Kaiser Sigmund zum
Führer dienen konnte. Dass Papst Eugen ihn gütig und theil-
nehmend aufnahm, ersieht man aus dem an denselben gerich-
teten langen Schreiben, in welchem er nach dem Jahre 1433
von seinen Wanderungen und Funden Kunde giebt, schwatzhaft
316 Gemistos Plethon. Bessarion.
wurde lange sehr überschätzt. Ihre Starke war die Wortkritik,
ihr Feld mehr oder minder leidenschaftliche Discussion über die
Verdienste ihrer Lieblingsautoren. Auch die Besten, zu denen
Georgios Gemistos genannt Plethon gehörte, haben kaum eine
andere Spur in der Literärgeschichte zurückgelassen, als die
Anregung die von ihnen auf die Itahener ausging, mit denen sie
in Berührung traten. Plethon war es dessen erklärend - apolo-
getische Studien über Piatos Werke Cosimo de' Medici die
Idee der platonischen Akademie gaben, deren Glanzzeit indess
nicht in seine Tage sondern in die seines Enkels fallt. Von
allen Griechen welche das Concil nach Italien zog, ist Bessa-
rion der berühmteste geblieben. Der Erzbischof von Nicäa, der,
dem Basilianerorden angehörend, als er zur Kirchenversamm-
lung kam in der vollen Kraft der Jahre stand (er war wie es
scheint 1395 in Trapezunt geboren), war jedenfalls einer der
hervorragendsten unter Denen die damals das lateinische Sym-
bolum annahmen. Ebenso war er einer der Wenigen welche
ihrer damals ausgesprochenen Ansicht treu blieben. Schon im
Jahre 1439 verlieh ihm Eugen IV.. den Cardinalat und bis zu
seinem im Jahre 1472 in Rom erfolgten Tode ist er zu den
manchfaltigsten Aufträgen und Legationen gebraucht worden,
keineswegs immer glückUch wie denn der Schmerz über das
MisUngen der Friedensvermittlung zwischen Ludwig XI. und
Carl dem Kühnen seinen Tod beschleunigt haben soll. Die
Gewandtheit welche Bessarion in der lateinischen Sprache und
im Verkehr mit den Occidentalen erlangte, verbunden mit der
grossartigen Bereitwilligkeit womit er seine pecuniären Mittel
für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellte, steigerte
die Bedeutung dieses Mannes in der Geschichte des Humanis-
mus weit über das Maass hinaus auf welches seine eigne Be-
gabung ihm Anspruch verliehen haben würde.
Die Einwirkung des während der neun Exilsjahre Erlebten
und Geschauten auf Eugen IV. und seine Umgebung ist eine
bleibende gewesen. Während er die kirchlichen Angelegen-
heiten des Occidents nicht ohne Gewandtheit leitete, in jenen
des Orients wenigstens partielle Erfolge hatte, hat der Papst
in dem bei seiner Rückkehr furchtbar verwilderten Rom aller-
dings mehr für die Wiederherstellung von Ordnung und Wohn-
Uchkeit wie für künstlerische Zwecke gewirkt als für die Lite-
ratur. Aber der Anstoss war einmal gegeben. Die Männer
Tommaso da Sai*zaua und das florentiner Literatenleben. 317
welche Eugen begleiteten, theils ältere Mitglieder der Curie
theils neugeworbene schufen sich von selbst einen Wirkungs-
kreis. Alles war für rasche allseitige Entwicklung vorbereitet
als vier Jahre später Tommaso da Sarzana Eugens Nachfolger
wurde. Den glücklichen Bemühungen für Herstellung des
Friedens in Itahen und für die Wiedervereinigung der durch
das baseler Schisma abgetrennten Theile des Westens, setzte
das Eintreten Roms in die grosse Bewegung des Humanismus
die BjTone auf. Zum erstenmale versuchte sich ein Papst an
die Spitze der ausserkirchlichen Literatur zu stellen.
3.
DER MUSENHOF NICOLAUS' V. DIE VATICANISCHE BIBLIOTHEK.
Nicolaus y. schwebte das florentiner Literatenwesen als
Muster vor. Er hatte nie der Zeit vergessen in welcher er
sich Unterredungen über wissenschafthche Materien mit dem
ihm eignen Eifer und mit jener Ungezwungenheit hingab die
ein bemerkenswerther Zug in dem Bilde des damaligen repu-
blikanisch-einfachen Lebens ist. »Alle gelehrten Männer des
damaligen Florenz, erzählt Vespasiano, Leonardo imd Carlo
von Arezzo, Giannozzo Manetti, Poggio, Giovanni Aurispa,
Gasparo von Bologna u. A. pflegten Morgens wie Abends an
der Ecke beim Palast (der Signorie) zusammenzukommen, wo
sie sich miteinander besprachen und über zahlreiche Dinge
verhandelten. Nachdem Maestro Tommaso den Cardinal (Al-
bergati) zum Papste begleitet, gesellte er sich ihnen zu. Da
kam er auf seinem Maulthier, gewöhnlich im blauen Anzug mit
zwei einfach gekleideten Dienern zu Fusse, denn damals war
man am päpstUchen Hofe weit entfernt von dem heutigen
Pomp.« Oder man versammelte sich abendUch im Kloster der
Angeli bei Traversari, und die Verhandlungen dieser Gelehrten-
republik schienen Vielen ebenso wichtig wenn nicht wichtiger
als jene des Gemeinwesens oder des Concils worauf sie oft
Bezug nahmen. Auch das Verhältniss der edlen Florentiner
zur Literatur war dem Papste im lebendigen Andenken geblie-
ben. Er hatte die Liberalitat Cosimos de' Medici zu einer Zeit
318 Florenz und Rom«
kennen gelernt, in der er obgleich in Würden fortgeschritten
nicht von jener Wurde träumte die ihm beschieden war. Die
Ideale einer Gelehrtenrepublik welche einst dem Geiste des
eifrigen und strebsamen Literaturfireundes und Buchersammlers
vorgeschwebt haben mogten, beschloss der Papst zu verwirk-
lichen. Rom sollte im Grossen werden was Florenz in be-
schrankterem Kreise war. Wäre es einem einzelnen Manne
beschieden, Zeit, Ort, Umstände so vollständig zu beherrschen
dass diese Beherrschung eine ebenso vollständige Umwandlung
ermöghchte, so würde die Absicht Nicolaus' V. in Erfüllung
gegangen sein. Aber während er sich des Erreichten freute,
darf man annehmen dass seinem feinen Verständniss dennoch
der Unterschied zwischen dem was vor seiner Seele stand,
und den Thatsachen die er vor sich sah, nicht verborgen
bleiben konnte. In Florenz war nichts auf höheres Macht-
gebot entstanden. Wie die nationale Literatur in diesem un-
erschöpflich fruchtbaren Boden erzeugt worden war, so war
ohne äussere Anregung der von Petrarca und seinen Zeit-
genossen ausgestreute Saame aufgeschossen. Die Wiederbele-
bung der classischen Bildung war nur eine der Phasen jenes
vielseitigen Geisteslebens , dessen glänzende Erscheinungen uns
über so manche Schatten pohtischer und moralischer Zustände
hinwegbUcken lassen. Um aber solche Zustände werden und
sich entwickeln zu lassen, bedurfte es eben eines Zusanunen-
wirkens von Geistern und Umständen, wie es nur aus der
grössten innem Harmonie hervorgehn kann. Nicht etwa das
Verdienst Einzelner, nicht das der ebenso thätigen wie glück-
lichen Medici, die in vielen Fällen nur ernteten was andere
ausgesäet hatten, hat den Ausschlag gegeben.
Rom bot weder einen solchen Boden noch solche Verbält-
nisse. Wir vernehmen von einzelnen für die Wissenschaft
sich mühenden Cardinälen oder Prälaten: wir vernehmen nichts
vom Fortschritt der Cultur des Volkes, nichts von geistigen
Regungen im römischen Adel mit ein paar vereinzelten und
darum unfruchtbar gebliebenen Ausnahmen, nichts von wissen-
schafüicher Thätigkeit der Klöster, nichts von gelehrten Stif-
tungen wenn wir die theologischen Studien ausnehmen. Es war
als käme die ganze Bildung von aussen. So fand Nicolaus \^.
den römischen Boden und die römische Atmosphäre, als er
den päpstUchen Hof zu einem Musenhofe zu machen, di^
Rom und die humanistische Bildung. 319
classische Ciiltur in ihre Heimat zurückzufuhren versuchte. Wenn
Florenz ihm Muster und Maassstab gab, so musste der Con-
trast zwischen der eigenthümlichen Feinheit tmd auch in untere
Schichten eingedrungenen Bildung des florentinischen Volkes
und dem Zustande dieser Bevölkerung von »Kuhhirten«, wie die
Toscaner ihre römischen Nachbarn nicht ohne Schärfe aber
ebensowenig ohne Grund nannten, ein Contrast welchen Jahr-
hunderte fortgeschrittener Cultur zu tilgen gesucht haben, auf
den Papst tiefen Eindruck machen. Wo fand er die grossen
Familien welche ihren Ruhm in die Förderung der feinem Cultur
und Sitten setzten, Gelehrte heranzogen, Bücher, Ktmstwerke,
Antiquitäten mit bedeutenden Kosten im In- und Auslande
durch Correspondenten und Reisende sammelten, ihre Handels-
beziehungen zu literarischen Zwecken benutzten, ihre wissen-
schaftlichen Schätze Allen zugängUch machten, schöne Paläste
und Ejrchen bauten und ausschmückten , wie die Albizzi, Strozzi,
Medici, Acciajuoh, Pazzi, Rucellai, Soderini, Ricci, Pandolfini
u. A. thaten? In Rom war Alles neu. zu machen. Es scheint nicht
aLs habe der Papst unter den Einheimischen grossen Beistand
gefunden. Solche die ihm hätten Hülfe leisten können wie der
in den Humanistenkreis hineingezogene Stefano Porcari, ge-
riethen in die republikanische Opposition, welche hier so man-
chen Begabten auf Abwege geführt hat und die allerdings in
dem neuen literarischen Geiste und seinem Protest gegen bis-
her geltende Autoritäten, somit auch gegen die pohtischen
Ideen des Mittelalters Nahrung fand.
Nicolaus V. musste mit fremden Kräften operiren. Wenn
dieser Umstand seiner Wirksamkeit die volksthümhche Ein-
wirkung entzogen hat, so hat der Papst doch in der von ihm
eingeschlagenen, nach Maassgabe der herrschenden Tendenzen
aliein möglichen Richtung Bedeutendes erreicht und den Weg
vorgezeichnet, welchen die römische Cultur beinahe ein Jahr-
hundert hindurch eingehalten hat. Dass die literarischen Ten-
denzen in dem Moment, wo das Papstthum sich selbstthätig
und bestimmend an der geistigen Bewegung zu betheiligen be-
gann, die humanistischen waren, ist für die Geschicke des
Pontificats auch über die wissenschaftUchen Kreise hinaus be-
deutsam, in gewisser Beziehung verhängnissvoll gewesen. Als
die schaffende Geisteskraft der Nation nahezu erschöpft schien,
warf die Wiederbelebung des classischen Alterthums neuen
320 Der Humanismus, Autorität und Ethik.
Zündstoff in die Gemütber. Die Wissenschaft des Mittelalters
fand sich einem neuen Factor gegenüber dessen Wesen sie
geahnt, dessen Kraft zu ermessen sie ausser Stande gewesen
war. Eine grosse tiefgehende Gährung war unvermeidlich.
Ebenso unvermeidlich war der Antagonismus. Denn es handelte
sich nicht blos darum eine Autorität an Stelle einer andern zu
setzen. Vielmehr handelte es sich darum das Ansehen der
Tradition und die Macht der Autoritäten überhaupt durch
mehrundinehr unbeschränkte Freiheit des Denkens und Anwen-
dung der ethischen Grundsätze einer Culturepoche zu ersetzen,
deren Fundament ein von der christlichen verschiedenes war.
Diese Consequenzen hat Nicolaus V. sich nicht klar gemacht,
als er ein augusteisches Zeitalter träumte, obgleich seinem
Scharfsinn die längst erkennbare Lage der Dinge nicht ent-
gangen sein konnte. Gerade für das Oberhaupt der Kirche
mussten zahlreiche Bedenken eintreten. Nicht nur bedrohte
der Kampf der Humanisten gegen das Mönchswesen, um wel-
ches sich zur Zeit Eugens IV. Alles zu drehen schien, den
regulären Clerus mit der Vei^eistigung des Spottes welchen
das Mittelalter in Schrift und Bild oft arg genug über den-
selben ausgegossen hatte, indem er Schmälerung des populären
Einflusses desselben in sichere Aussicht stellte. Die Principien
des Humanismus begannen auch in die geistliche Wissenschaft
selbst einzudringen und hier ihre zersetzende Wirkung zu
äussern.
Längst vor Nicolaus V. war diese zersetzende Wirkung
auch auf anderen Gebieten selbst dem blödesten Auge klar
geworden. Die Angriffe auf die Aechtheit der constantinischen
Schenkung waren noch das mindest gefahrliche Symptom, so
sehr auch deren Virulenz gegen altherkömmliche Ansichten
von päpstlicher Autorität gerichtet sein mogte. Weit bedenk-
licher waren die Erscheinungen auf ethischem Gebiete. Jede
Scheu wurde beiseite geworfen. Die unter dem Titel »Henna-
phroditus« zusammengestellten Epigramme des Antonio Becca-
delh, nach seinem Geburtsorte gewöhnlich Panormita genannt,
predigten nicht blos die »Emancipation des Fleisches« sondern
ergingen sich mit Behagen in den ärgsten Ausschweifungen
abstossender Sinnlichkeit und ärgsten Schmutzes der antiken
Welt, denen sie neuere Verhältnisse und selbst Persönlichkei-
ten als Fohe unterlegten, indem sie einen modernen Sittenspiegel
Die Humauisten in Lob und Tadel. 321
hinzuhalten vorgaben und sich ohne Scheu an manche be-
rühmte und hochstehende Männer wandten. Es war um so
schlimmer, weil die Zierlichkeit des Verses dem Autor selbst bei
Solchen Bewunderung gewann die sonst nicht mit ihm harmoni-
ren mogten. Nichts half es dass die volksthümlichsten Redner, St.
Bernhardin und Alberto von Sarteano , gegen die Apotheose der
Wollust und des Heidenthums in die Schranken traten, dass auf
Eugens IV. Befehl das Schandbuch öffentUch verbrannt wurde.
König Alfons von Neapel schützte den frechen Poeten , Kaiser
Sigmund verlieh ihm den Dichterlorbeer. Selbst einer der Väter
des Humanismus, Poggio, tadelte Beccadellis faunenhafte Frech-
heit welche dieser mit der Berufung auf antike Muster und
auf seinen wie er sagt anständigen Wandel vertheidigte. Was
aber der Sicilier als junger Mann verbrach, verbrach der Tos-
caner als Greis und ohne den Reiz der Diction welcher Jenen
auszeichnete. Denn sein «Liber facetiarum« enthält neben man-
chen insipiden Anekdoten nicht wenige unanständige die ebenso
wider die Sitte wie gegen kirchliche Dinge gerichtet sind.
Es >virft ein seltsames Licht auf die Zustände in der päpst-
lichen Kanzlei , wenn man erfahrt dass solche Scandalgeschich-
ten Gegenstand der Unterhaltung in einem vertrauten Stübchen
waren, wo Poggio, Loschi, Cencio und Andere zusammen-
kamen und dem sie den Namen »Bugiale«, das Lügennest, ge-
geben hatten. Zwei andere Krebsschäden des Humanismus
halten einander die Wagschaale. Die Lobeserhebungen seiner
Junger sind ebenso schamlos und widerwärtig wie ihre Invec-
tiven. Sie versündigten sich wider die Würde der Literatur
in gleichem Maasse durch bezahlte Elogien, wie durch die
grimmigen Klopffechtereien die einen Poggio, Filelfo, Valla
und ihre Nachtreter berüchtigt gemacht und über diese Leute
um die Wette eine Flut von Schimpf und Schmutz ausge-
gossen haben, welche die Heroen dieser unedlen Kämpfe als
die entsetzhchsten Scheusale erscheinen lassen müsste, wenn
man sie in den Ergüssen ihrer Galle beim Worte nehmen
wollte.
So war im Guten und Schlimmen der Humanismus be-
schaffen, als Nicolaus V. ihn in ein intimes Verhältniss zum
Pontificat brachte. Alle Gelehrten der Welt, erzählt Vespa-
siano, kamen in Papst Nico laus' Zeit nach Rom theils aus
eignem Antriebe theils von ihm gerufen, weil er sie an seinem
T. Krumout, Uum. lU. 21
322 Die päpstliche Kanzlei bei Nicolaus' V. Regierungsantritt
Hofe zu sehen wünschte. Gilt dies selbstverständlich nicht
buchstäblich, so bot doch dieser Hof ein eigenthümlicbes
Schauspiel dar. Nicolaus fand einige Kräfte vor, die meisten
zog er heran. Zu jenen gehörte Poggio , zu dem er längst in
Beziehung stand und der ihm bei seinem Regierungsantritt
diese Beziehungen in Erinnerung brachte, indem er ihm seinen
durch alte Neigungen und Bemühungen ihm vorgezeichneten
Beruf vorhielt, die Gelehrten zu heben, die Wissenschaften
neuzubeleben. Poggio ist vom Papste so im Kampf gegen die
letzten Reste des baseler Concils wie zu Uebersetzungen aus
dem Griechischen gebraucht worden, ohne dass Nicolaus den
Veteran der päpstlichen Kanzlei zu fesseln vermögt hätte.
Denn nach mehr als vierzigjährigem Dienst verliess dieser im
Juni 1453 Rom um das florentinische Kanzleramt zu überneh-
men , das er niederlegte um bis zu seinem am 30. October 1459
erfolgten Tode den Rest seiner Tage literarischer Müsse, der
es nicht an Aergerniss fehlte, und dem Familienleben zu wid-
men, das er sich noch in vorgerückten Jahren geschaffen
hatte. Antonio Loschi war zwar unter Nicolaus V. noch thätig,
scheint jedoch nur seinen Berufsarbeiten gelebt zu haben.
Auch Biondo Flavio , der Lodigianer Maffeo Vegio , der Are-
tiner Giovanni Tortello waren bereits unter Eugen IV. in die
Kanzlei gekommen. Ersterer der ^sich wie es scheint oline
seine Schuld in Rom in Feindschaften verwickelt hatte, lehrte
bei Nicolaus' V. Regierungsantritt in Ferrara, von wo er nach
mehren Jahren zu seiner frühern Stelle zurückkehrte ohne zu
Einfluss zu gelangen. Vegio, um achtzehn Jahre jünger als
Biondo, vereinigte mehr als andere Autoren dieser Zeit die
Liebe zum classischen mit dem Verständniss des christlichen
Alterthums. Während er Astyanax und die Argonauten be-
sang und der Aeneis ein dreizehntes Buch hinzufügte welches
gelesen wurde, schrieb er Biographien alter und neuer Heili-
gen. Eine seiner Arbeiten hat für die Nachwelt Bedeutung
bewahrt. Es ist die Beschreibung der Peterskirche, die erste
seit der des Petrus Mallius vom Ende des zwölften Jahrhun-
derts. Es war ein Glücksfall dass in dem Moment wo der
Untergang der ehrwürdigen Basilika schon beschlossen war,
ja mit dem Einreissen und Neubau begonnen wurde, ein clas-
sisch gebildeter und zugleich im christlichen Alterthum bewan-
derter Mann das Gebäude und seine Monumente beschrieb.
Neue Kräfte. Lorenzo Valla. 323
YOD denen uns in manchen Fällen nur durch ihn Kunde ge-
blieben ist Vegio trat nachmals in den Augustiner-Chorherren-
orden, Tortello wurde unter Nicolaus V. ein wichtiger Mann
indem der Papst ihn zu seinem Bibhothekar machte, wozu
seine polyhistorische Gelehrsamkeit passte, wie er denn ein
encyclopädisches Vocabular ausarbeitete, eine Geschichte der
Medicin schrieb und das Leben des h. Athanasius aus dem
Griechischen übertrug. Rechnet man nun noch Georgios
Trapezimtios hinzu welchen Papst Eugen von Florenz, wo er
sich seiner bei dem Concil bedient hatte, als Lehrer der Elo-
quenz nach Rom berief, so sind die Männer genannt welche
Nicolaus V. vorfand. Mit Ausnahme des mehrerwähnten Cencio
de* Rustici begegnen wir unter denselben keinem römischen
Namen.
Es ist begreiflich dass diese Kräfte dem neuen Papste ge-
ring schienen. Seine Bemülmngen neue zu gewinnen legen
an den Tag, dass er um des literarischen Zweckes willen über
vieles, vielleicht über zu vieles hinwegsah, was Bedenken ein-
zuflössen geeignet gewesen wäre. Es geschah in einem Maasse
welches auf das schon berührte Verhältniss des Humanismus zur
bisherigen Wissenschaft und zur Kirche nicht ohne Einfluss blei-
ben konnte. In keinem Falle war dies offenbarer als bei der
ersten von Nicolaus V. ausgegangenen Berufung. Sie war die
des Lorenzo Valla. Aus römischer Familie stammend aber in
Piacenza geboren, in seiner Jugend eine Zeitlang in Rom wo
er sich unter Martin V. vergebens um ein Amt in der Kanzlei
bewarb, dann in Neapel, war Valla schon im Jahre 1437 als
(ieheimschreiber in den Dienst König Alfons' getreten und hatte
dort eine Thätigkeit entwickelt, deren Anstössigkeit durch sein
ungewöhnliches Talent namenthch durch die Eleganz seiner
lateinischen Diction nur gemehrt wurde. Seine vernichtende
Streitschrift gegen die damals im allgemeinen noch für acht
gehaltene constantinische Schenkung, seine Angriffe auf das
Mönchsthum und bestehende Lehrsystem erschienen um so be-
denklicher, da erstere mit ihren gehässigen Ausfallen gegen
Eugen IV. und Reminiscenzen des baseler Concils im Moment
der päpstüchen Bedrängnisse erschien , letztere mit Spuren ver-
dächtiger Rechtgläubigkeit zusammenhingen. Valla fiihlte sich
in Neapel unter dem Schutze des Königs, der gerade damals
in argem Zermirfnisse mit dem Papst« lebte, so sicher dass
21*
324 Lorenzo Valla. Francesco Filelfo.
er nicht nur den Kampf gegen Hierarchie und Mönchswesen
fortsetzte, sondern der Inquisition Trotz bot und grosses Aergei-
niss erregte. Als dann wie es scheint FamiHeninteressen ihm
die Rückkehr nach Rom wünschenswerth erscheinen liessen,
hatte er nicht nur eine Apologie an den schwer beleidigten
Eugen gerichtet sondern sich zu förmhchem "Widerruf erboten,
wodurch er freilich Zusage persönhcher Sicherheit erlangte,
aber den Angrifien der vielvermögenden geistlichen Orden
gegenüber sich in Rom so unbehagUch fühlte dass er sich
heimUch wieder entfernte.
Diesen Mann berief Nicolaus V. und ernannte ihn im Jahre
1448 zum apostolischen Scriptor. Wenn der Wunsch die Ge-
schichte des Thucydides von der Hand dessen, den man fiir
den besten Latinisten der Zeit hielt, übersetzt zu erbalten, die
Bedenken überwog welche Vallas Uterarische Antecedentien
wecken mussten, so hat der Papst allerdings diesen Zweck
erreicht. Aber er sah auch seinen Musenhof bald in einen
literarischen Kampfplatz verwandelt. Denn Valla gerieth mit
Poggio in einen Federkrieg, der vom literarischen Gebiete wie
gewöhnHch auf das der Persönlichkeiten übergehend das Maass
des Hasses und des Schmutzes erschöpfte und eine um so trau-
rigere Berühmtheit erlangte , da die Männer die sich dabei gegen-
seitig nach Herzenslust prostituirten, unter den Augen des
Oberhaupts der Kirche fochten und auch dann nicht ruhten,
als der eine der beiden Gladiatoren nach Florenz gezogen war.
Auf beiden Seiten waren Verschiedene in diese Fehde hinein-
gezogen worden, während Derjenige Frieden zu stiften ver-
suchte der in der Kunst der Satire und Invective für den
ersten Meister galt, Francesco Filelfo. Nicolaus V. hatte einst
Diesen der damals am mailändischen Hofe lebte, freund-
lichst aufgenommen als er auf einer Reise nach Neapel durch
Rom kam. Er hatte ihm ein ansehnliches Geldgeschenk ge-
macht und das Amt eines apostolischen Scriptors angeboten,
ein Anerbieten welches er im Jahre 1453 zur That werden Hess,
indem er daran die Absicht knüpfte die homerischen Gesänge
durch Filelfo übersetzen zu lassen. Ein Umstand welcher darauf
hinweist, dass weder der auf den Wunsch König Juans von Casti-
lien von Pier Candido Decembrio gemachte Versuch einer Homer-
übertragung den Papst befriedigte noch der des Römers Orazio.
obgleich ein apostolisches Scriptorenamt de« Letztern weniger
Giftnnozzo Manctti. Leon Batista Alberti. 325
als mittelmässige Verse lohnte. Aber der Papst starb, ehe Fi-
lelfo nach Rom und der Plan zur Ausführung kam. Auch in
anderer Beziehung hatte Nicolaus V. an Valla nicht viele Freude.
Denn dieser benutzte die ihm zum Zweck einer verbesserten
Sammlung der alten Papstbullen zur Verfugung gestellten hte-
i*arischen Hülfsmittel des päpstUchen Archivs zur Eigänzung
und Bekräftigung seiner Schrift über die constantinische Schen-
kung, welche, lange inedirt geblieben, im Jahre 1520 als Waffe
der teutschen Opposition gegen Rom von Ulrich von Hütten
bekannt gemacht ward. Doch zog ihm dies vom Papste, der
als Gelehrter die von der Kritik gegen die Aechtheit geltend
gemachten Gründe würdigen mogte, keine Ahndung zu, so dass
er unangefochten in Rom blieb wo er nach seinem wie es
scheint im Jahre 1457 erfolgten Tode ein Grab in der Lateran-
kirche fand, deren Stiftsherr er war und wo die moderne
Inschrift ihn als »Rex linguae latinae« preist.
Aus dem florentiner Gelehrtenkreise lud der Papst den
Giannozzo Manetti zu sich, der bei seiner Wahl Mitglied und
Redner der florentinischen Beglückwünschungs- Gesandtschaft
gewesen war. Aber Manetti, dessen Ernennung zum apostoli-
schen Scriptor in Micolaus' letztes Jahr fiel, konnte die lite-
rarischen Zwecke seines Gönners kaum fördern, indem seine
Bibelübersetzung und seine Apologie des Christenthums wenig
vorgerückt waren, als der Papst starb dessen Leben der dank-
bare Freund schrieb. Auch der Florentiner Leon Batista Al-
berti kam nach Rom , er der nur grösserer Coucentrirung seiner
ausserordentlichen Geistesgaben bedurft hätte um in der Kunst
den hervorragendsten Platz einzunehmen, während auch heute,
abgesehn von seinen vortrefflichen Bauwerken, in Allem was
er unternommen ein glänzendes Talent sich kundgiebt. Im
Jahre 1404 in Genua geboren während des langen Exils seiner
altedlen Famihe, zeigte Alberti einen Verein von Gaben des
Geistes und Körpers, der an seinen berühmtem Landsmann
Leonardo da Vinci erinnert. Er war nicht blos als Verfasser
lateinischer poetischer und didaktischer Werke sondern auch
durch den für Sigismondo Malatesta begonnenen Bau der
Kirche S. Francesco zu Rimini bekannt, als er durch Biondo
Nicolaus V. vorgestellt wurde, dem er im Jalire 1451 sein Haupt-
werk, die zehn Bücher von der Architektur widmete. In Rom
anwesend als die Porcarische Verschwörung stattfand, hat er
326 Filclfo bei Nicolaus V.
diese in einem lateinischen Commentar beschrieben. Dass er
Komödien dichtete die man für Werke des Plautus hielt, we
es unter andern seinem gelehrten Zeitgenossen Albrecht von
Eyb, Pius' II. Kämmerer und Archidiaconus zu Würzburg
begegnete, dessen literarische Bildung eine italienische war,
zeugt für seine vollkommene Beherrschung der Form. Der ita-
lienischen oder toscanischen Sprache war er, ausserhalb Tos-
canas gross geworden, damals wenig mächtig so dass er seine
Schriften in derselben fremder Durchsicht unterwerfen musste.
Sein in Rom verfasstes nachmals ausgefeiltes Werk über das
Vamilienwesen , welches lange einem seiner Landsleute Agaolo
Pandolfini zugeschrieben wurde, zeigt jedoch wie er sich diese
Sprache zu eigen machte und weit entfernt war die Nicht-
achtung zu theilen , mit welcher mancher seiner gelehrten Zeit-
genossen sie behandelte.
Von anderen Seiten her bemühte sich der Papst Solche
an sich zu ziehn von denen er Förderung seiner hterarischen
Pläne hoflFen durfte. Schon ward Filelfos erwähnt. Der
Bericht über seinen vorübergehenden Besuch in Rom im Juli
1453 zeigt, wie alles geschah den Humanisten den Kopf zu
verdrehen. Filelfo war auf der Reise nach Neapel begrif-
fen und wollte nur einen Nachmittag in der Stadt verwei-
len. Als er am folgenden Morgen im BegriflF w^ar zu Pferde
zu steigen , erschien Biondo Flavio um ihn zu bewegen
sich sogleich zum Papste zu begeben; es sei die passendste
Stunde ihn zu sprechen. Auf Filelfos Antwort er habe
Eile und denke den Besuch auf die Rückkehr zu verschie-
ben, bemerkte Biondo, dies gehe nicht an, Nicolaus habe
von seiner Anwesenheit vernommen und mit grösstem I-iObe
seiner gedacht; nicht zur Ehre blos auch zum Vortheil werde
es ihm gereichen. Dennoch bestand der spröde Gelehrte auf
seinem Reiseproject als der päpstliche Geheimsch reiber Piero
da Noceto eintrat und ihn endlich beim Arme nahm, ihn zum
Papste zu führen. Die Aufnahme war so wie die Einladung
erwarten liess, und wenn Filelfo den Anerbietungen Nicolaus' V.
auch diesmal seine Verpflichtungen gegen Francesco Sforza ent-
gegenstellte, so nahm er doch einen Beutel mit fünfhundert
Ducaten mit als Anerkennung für seine Satiren, die er nach
Neapel überbrachte und deren Leetüre den Papst entzückt xu
haben scheint, was auch zu den Zeichen der Zeit gehört
Italieiiisclie und fremde Gelehrte in Rom. 327
Bei Anderen hatte Nicolaus V. bessern Erfolg. Zu diesen
gehörten unter den Italienern namentlich Pier Candido Decem-
brio, unter dem letzten Visconti am mailändischen Hofe be-
schäftigt und nun in die päpstliche Kanzlei aufgenommen , wäh-
rend er sich auch an den üebersetzungsarbeiten betheiUgte,
und Niccolo Perotti von Sassoferrato der sein Emporkommen
besonders Bessarion verdankte. Nur zwei römische Gelehrte
dieser Zeit finden wir genannt, den Consistorialadvocaten Gio-
vanni de Miles und Antonio Caffarelli, aber sie scheinen ledig-
lich ihrem juristischen Berufe gelebt zu haben. Stefano Por-
cari dessen unselige Verschwörung so trübe Eindrücke hinterliess,
muss jedenfalls tüchtige literarische Bildung gehabt haben und
stand mit den florentinischen und oberitalischen Gelehrten in
enger Verbindung, während seine Stellung in Rom eine ange-
sehene gewesen zu sein scheint. Von den Griechen am päpst-
lichen Hofe ist Georgios Trapezuntios von Kreta, der eine
zuzeiten vielbesuchte Schule der Eloquenz hielt, schon genannt
worden. Neben ihm zum Theil wider ihn stand Theodoros
Gaza von Thessalonich. Beide von Nicolaus als üebersetzer
gebraucht vermogten sich in ihrer Stellung nicht zu halten;
der Erstere hat sich gleich den Lateinern an den widerlichen
Klopffechtereien betheiligt wobei er in doppelter Beziehung
den kürzern zog. Der grosse Beschützer der Griechen, über-
haupt im ganzen Cardinalcollegium der eifrigste Beschützer der
Literatur, Bessarion verweilte während des Pontificats Nico-
laus' V. nicht in Rom sondern in Bologna. Es mag dahin-
gestellt bleiben ob der Papst in dem Cardinal von Nicäa einen
literarischen Nebenbuhler erkannte und ihn deshalb ferne hielt.
Manche Ausländer wurden durch Roms neuen wissen-
schaftlichen Glanz angezogen oder nahmen durch andere Um-
stände herbeigeführt an solchen Bestrebungen Theil. Unter
ihnen ragte ein vornehmer Engländer hervor, William Gray,
Abgesandter König Heinrichs VL , in Cöln dann in Padua und
Ferrara unter Guarino von Verona gebildet, als eifriger Büclier-
freund von Vespasiano gerühmt, von Nicolaus V. zum Bisthum
Ely befördert, wohin er sich zurückzog als die Verwicklungen
des Rosenkrieges seine Stellung am englischen Hofe unhaltbar
machten. Zu den gelehrten Besuchern Roms gehörte auch jener
Graf von Worcester, welcher nach der Vertreibung König
Eduards IV. durch die lancastersche Partei im Jalire 1470
328 Uebersetziingeii grierhisohcr Autoren.
als Connetable des Reichs den Tod erlitt. Die literarischen
Tendenzen des Cardinals Beaufort hatten im englischen Adel '
Nachahmung geweckt.
Blickt man auf die Früchte der von Nicolaus V. entwickel-
ten Thätigkeit, so sind sie nach einer Seite hin bedeutend, auf
der andern zweifelhaft. Der Gewinn war in gewissem Sinne
mehr ein materieller als ein eigentlich und unmittelbar geisti-
ger. Der Gelehrtenkreis Nicolaus' V. hat keine neue Bahnen
eingeschlagen. Er hat auch nicht gleich den Humanisten der
Zeit des constanzer Concils , von deren erfolgreicher Thätigkeit
er Zeuge gewesen war, den classischen Bücherschatz gemehrt.
Die Zahl literarischer Funde ist nicht bedeutender gewesen
als ihr innerer Werth. Aber für Sammeln und Benutzen des
durch die letzten Decennien Gewonnenen, für Verbreitung na-
mentlich der Kenntniss der Sprache und Literatur deren Vor-
rang und Bedeutung in der Geschichte der Bildung man richtig
erkannte und würdigte, hat dieser Kreis namhaftes geleistet
Das vierzehnte Jahrhundert hatte wie wir gesehen den Eifer
für griechische Sprache und Literatur geweckt, aber die Kennt-
niss beider war wenig verbreitet. Der Drang, diesem Mangel
abzuhelfen war vom Anfang des neuen Jahrhunderts in dem
Maasse lebendiger geworden, wie die Zahl der griechischen
Handschriften sich mehrte. Die Unionsbestrebungen hatten
dann zu den philologischen Gründen dieses Bestrebens nahe-
liegende praktische Anlässe hinzugefugt, die in den Arbeiten
toscanischer Gelehrten in den Concilszeiten ihren Reflex fanden.
Jemehr die Kenntniss des Griechischen sich immer noch auf
Einzelne beschränkte und je unvollkommener sie bei der Mehr-
zahl derselben war, umso legitimer war der Wunsch die griechi-
schen Meisterwerke durch das Medium der lateinischen Sprache
den abendländischen Nationen zugängUch zu machen. Papst
Nicolaus hat auf diesem Felde eine Thätigkeit entwickelt und
veranlasst die man nicht gering anschlagen darf, so unvoll-
kommen manche der Arbeiten an sich sein mögen, so sehr man
in der Textkritik bei den ersten Schritten stehen blieb. Piatons
Werke wurden gewissermaassen erst damals in Italien bekannte
wobei ein grosser Theil des Verdienstes Bessarion gehört, wie
immer man über sein Verständniss des grossen Weltweisen
urtheilen mag. Welchen Einfluss dieser dann auf die italie-
nische Philosophie und Wissenschaft überhaupt ausübte, zeigt
Tnnerer Werth der bunianistificheii Production. 329
die Geschichte der florentiner Akademie. Selbst von Aristotele«
kann man sagen dass das Verständniss seiner Schriften erst
in jener Zeit durchdrang, welche sie in ihrer wahren Gestalt
frei von der Verhüllung des Mittelalters empfing. Die bis da-
hin nur aus Compendien geschöpfte Kenntniss der griechischen
Geschichte wurde zugleich mit jener der Historiker gefördert.
Thucydides, Herodot, Diodor, Polybius, Xenophon, Plutarch,
Arrian, Appian, Strabo u. A. wurden um die Mitte des Jahr-
liunderts ganz oder theilweise übertragen. Diese Uebertragun-
gen Hessen meist so in Bezug auf Treue wie auf den lateini-
schen Ausdruck viel zu wünschen übrig, aber es war doch
eine unendliche Bereicherung des wissenschaftlichen Materials
und geistigen Reichthums, namentlich eine Aufforderung zu
voUkommnerer Aneignung. Von Uebersetzungen poetischer
Werke vernehmen wir wenig. Mehre der Humanisten wollten
für Dichter gelten, zogen es jedoch vor Verhältnisse und Per-
sonen der Gegenwart in ihren Satiren zu geissein, bissige
und nicht selten schmutzige Epigramme loszulassen, Epen zu
schreiben welche ebensowenig wie die Africa gelesen wurden,
ihren Autoren aber gelegentlich Gold und den Poetenlorbeer
einbrachten, statt sich an die schwierige Arbeit des "Wieder-
gebens von Dichterwerken zu machen. Carlo Marsuppini ver-
suchte sich an der Batrachomyomachie, aber wir sahen schon
wie Nicolaus V. die Sehnsucht nach einem lateinischen Homer
mit ins Grab nahm.
Wenn man von diesem Gewinn der Verbreitung der griechi-
schen Literatur absieht, so stand die literarische Production
der Zeit ihrem innern Werthe nach in keinem Verhältniss zu
den aufgewandten Mitteln. Am grössten aber ist das Misver-
hältniss zu der Meinung, welche die Humanisten von sich selber
hegten und ohne Scheu aussprachen. Der leichterklärliche und
berechtigte Enthusiasmus , welchen die Bereicherung des antiken
Bücherschatzes weckte und der sich auf die Vermittler der-
selben erstreckte, verdrehte diesen Leuten die Köpfe. Sie
glaubten ihr Jahrhundert zu dominiren. In gewissem Sinne
thaten sie es wirkUch. An den Höfen machte man ihnen den
Hof um ihnen dann gelegentlich Fusstritte zu geben. Im all-
gemeinen wurden sie gefürchtet. Die nationale Literatur war
beinahe durch sie verdrängt: die schüchterne Befangenheit
der Zeit Dantes und Petrarcas inbetreff des Anspruchs der
330 Mcimiiip der Huniaiiisteii von sich selbst.
Vulgarsprache hatte der Misachtung derselben Platz gemacht.
Der grössere Irrthum war nun, dass die Leiter der Bewegung
in vollkommenem Verkennen ihres Standpunktes und Vermö-
gens das dem Alterthum geltende Interesse für eigne Schöpfun-
gen in Anspruch nahmen. In ihrer Naivität stellten sie sich
mit den Heroen der classischen Literatur kühn in eine Reihe.
Ihre Verse, Reden, Tractate, Briefe erhoben Anspruch auf
den Ruhm des augusteischen Zeitalters. Filelfo maass sich
ohne Zagen mit Virgil und Cicero. Liess er ihnen im Einzel-
nen den Vorrang, so erkannte er sich im Verein der Gaben
den Lorbeer zu.
»Geht Virgil mir voran in dci- Diclitiing Preise, so steht er
Hinter mir wahrlich zurück in der rhetorischen Kunst.
Hat sich die Palme erkämpft im erhabenen Schwünge der Rede
Tullius, lässt er den Siejj; mir im poetischen Spiel.
Rechnest du aber dazu dass ich beide die Sprachen bemeistre,
Hellas' und Romas zug^leich, sprich wer vergleichet sich mir.^«
Die Zeit hat über diese Auspriiche gerichtet. Die Gesammt-
production der Humanisten hat nur noch ein culturhistorischcs
Interesse. An ihre Prosaschriften denkt niemand, handelt es
sich nicht um stoffliche Dinge. Ihre Geschichtswerke hahen
im Allgemeinen nur in den ihre eigne Zeit betreffenden Theilen
bleibenden Werth, sind aber auch in diesen im Vergleich mit un-
geschminkten Aufzeichnungen in der Vulgarsprache, wie die der
beiden Capponi, Jacopo Salviatis, Bonaccorso Pittis, Giovanni
Cavalcantis, lauter Florentiner, durch die Nachahmung antiker
Form in ihrer Evidenz sehr beeinträchtigt. Selbst mit den
florentinischen Geschichten Leonardo Brunis und Poggios ist
dies der Fall. Ihre Verse sind mit sehr wenigen Ausnahmen
nicht blos durch die lateinischen Dichter des folgenden Jahr-
hunderts in Schatten gestellt, deren Tendenzen wesentlich
andere waren. Sie sind so rasch in Vergessenheit gerathen
dass viele unveröffentlicht blieben , als eine ihrer Blütezeit auf
dem Fusse folgende neue Kunst Mittel dazu an die Hand gab.
Ihre kritischen Arbeiten endlich fallen so leicht als möglich ins
(Tcwicht. Ihren lateinischen Stil haben sie sich überdies gegen-
seitig mit grösster Bitterkeit verketzert.
Die andere Seite von Papst Nicolaus' V. literarischer Thä-
tigkeit war die des Büchersammelns. Sie hängt mit der Ge-
schichte der vaticanischen Bibliothek innig zusammen.
Päpstlicher Bücherschatz alter Zeiten. 331
Das lateranische Patriarchium hatte einen alten Bücher-
schatz. Wir wissen dass Gregor IL vor seiner Erhebung die
Aufsicht über denselben führte und dass u. A. Papst Zacharias
ihn vermehrte. Gelehrte Päpste deren das Mittelalter so viele
gehabt hat, und die lateranische Schule bedurften der literari-
schen Hülfsmittel. Nach genaueren Angaben suchen wir ver-
gebens. Bei der Verlegung der Residenz nach Avignon wurde
die päpstHche BibUothek zum Theil dahin geschafft und fran-
zösischen Bibliothekaren anvertraut. Die Restitution derselben
nach Beendigung des Schismas war ebenso unvollständig wie
die der Archive. Einzelnes war während des Concils und
später an Johannes XXIII. und Martin V. gesandt worden , wie
aus einer von letzterm für den Camerlengo p]rzbischof von Nar-
bonne ausgestellten Bescheinigung hervorgeht. In Rom hatten
sich aber unterdessen wieder Bücher angesammelt. Zeugniss
dafür giebt der befremdUche Verkauf von fünfhundert Hand-
schriften der Kirche an den Erzbischof von Neapel zu Anfang
der Regierung Gregors XII. Ueber die Vermehrung der Samm-
lung durch Martin V. und Eugen IV. wissen wir wenig. Hand-
schriften die einst dem Erstem gehörten, sind bis ins nörd-
liche Teutschland verschlagen worden. Von Eugens Bibliothek
sagt Traversari, er habe gar nichts was der Rede werth darin
gefunden. Ausser der eigentlichen päpstlichen Sammlung gab
es damals auch die der Peterskirche mit welcher die schon
erveähnte Cardinal Orsinis vereinigt wurde. Ueberdies befand
sich eine Bibliothek bei der Kirche Sta Cecilia und in Grotta
ferrata, aber Traversari erwähnt des kläglichen Zustands der
Handschriften dieser letztern. Mit Nicolaus V. begann eine
neue Zeit. Er, der als Privatmann so viel auf Bücher ver-
wendet, für Anderer Sammlungen sich so erfolgreich gemülit
Iiatte, musste mit Allen wetteifern. Hätte er seine Absichten
vollständig ins Werk setzen können, sagt Vespasiano, die
Bibliothek welche er bei St. Peter für die ganze Curie anlegen
wollte, würde etwas wunderbares geworden sein. Nicht nur
Hess er auf allen Seiten namentlich in Griechenland nach Hand-
schriften forschen für welche er ansehnliche Preise zahlte.
Auch auf neue Abschriften verwandte er bedeutende Summen.
r>as Geschäft der Scriptoren gelangte um die Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts zu seinem höchsten Flor. Je fehlerhaf-
ter wie erwähnt die Abschriften gewesen waren, umsomehr
332 Nicolaus' V. Bibliothek.
befleissigte man sich nun der Correctheit. "Wahrend tüchtige
Männer neue Exemplare lieferten, begann die gelehrte Text-
kritik sich geltend zu machen. Der Buchhandel wurde zu
einem blühenden Geschäft. Ganze Bibliotheken wurden ge-
schrieben. Durch Vespasiano den thätigsten und kenntniss-
reichsten Buchhändler, der für Cosimo de' Medici den Grund
zur laurentianischen Bibliothek legte, haben wir die umständ-
liche Schilderung des Systems nach welchem Herzog Friedrich
von Urbino seine berühmte Sammlung bildete, »die würdigste
welche von den Zeiten des Alterthums bis auf die unserige an-
gelegt worden ist«. Vierzehn Jahre hindurch waren so in
Florenz wie in Urbino dreissig bis vierzig Schreiber für den
Herzog beschäftigt. Wie es sodann mit der künstlerischen
Ausschmückung der Bücher durch treffliche Miniaturen, mit
der Schönheit des Pergaipents, der Pracht der mit silbernen
und vergoldeten Schlössern versehenen Einbände u. a. gehalten
wurde , zeigen die heute im Vatican aufbewahrten urbinatischen
Handschriften, zeigen andere welche um diese Zeit entstanden,
wo Päpste und Fürsten, Cardinäle und grosse Herren, König
Alfons, der letzte Visconti, die Feitrier, Este, Malatesten, die
vornehmen Venetianer und Florentiner miteinander wetteiferten.
Petrarca hatte geklagt Bücher seien wieder wie zur Zeit des
römischen Imperiums Luxusgegenstände geworden. Statt zu
lesen verwende man sie wie Statuen und Bilder zum Zimmer-
schmuck. Was wir aber von manchen grossen Herren des
(Quattrocento wissen , zeigt dass sie die Bücher auch benutzten.
Jedenfalls durfte ein Fürstensitz ebensowenig ohne Bibliothek
sein wie ohne Hofgelehrte. Es mag nach Mode geschmeckt
haben, aber es hat schlimmere Moden gegeben.
Giovanni Tortelli wurde Bibliothekar der Vaticana. In
seinem Nicolaus V. gewidmeten Tractat über die Orthographie
bestätigt und particularisirt er Vespasianos Andeutungen über
des Papstes literarische Projecte. Wir haben ein Verzeichnis?
der Bücher welche sich bei dessen Tode im Schiafgemach
vorfanden. Mit Ausnahme zweier Werke des Lactantius und
Eusebius gehören die sechsundfünfzig Bände sämmtlich ins
Gebiet der classischen Literatur. Homer, Thucydides, Appian,
Xenophon, Dionysius, Diodor in Uebersetzungen von denen
die Vallasche des peloponnesischen Krieges in dem pracht-
volleQ Widmungsexemplar auf Pergament mit Sammtdecke und
Nicolaus' V. Bibliothek. 333
vergoldeten Spangen, Cicero, Sallust, Livius, Horaz, Virgil,
Terenz, Ovid, Juvenal, Plinius der ältere und jüngere, Seneca
der Philosoph und der Tragiker , Quintilian , Valerius Maximus,
Macrobius, Apulejus, Justin, Florus, Claudian, Ptolemaeus,
Columella — die Namen zeigen wie die alte Literatur dem
Papste ans Herz gewachsen war.
Nach Nicolaus' V. Tode trat ein Stillstand ein während
andere Interessen überwogen. Calixt III. scheint sich um die
Literatur wenig gekümmert zu haben. Die Klagen aber welche
Filelfo wie Vespasiano inbetreff der Bibliothek des verstorbenen
Papstes anstimmen, sind übertrieben wenn nicht ganz imgerecht.
Filelfo wiederholte nicht blos in einem Briefe an Enea Silvio Pic-
colomini die von Bessarion vorgebrachten Beschwerden, son-
dern sprach sie gegen den Papst selber aus , indem er ihn darauf
aufmerksam machte wie die öffentliche Stimme ihm die Nicht-
achtung der Gelehrten seiner Umgebimg, die Verschleuderung
der Bücher seines Vorgängers zur Last legte. »Als Papst Ca-
iixtus, erzählt Vespasiano, die Regierung antrat und so viele
treffliche Bücher sah, von denen fünfhundert in Einbänden
von Carmesinsammt mit Silberbeschlägen prangten, wunderte
er sich sehr, da er ein alter Jurist nur geheftete Schriftstücke
auf Baumwollenpapier zu sehen gewohnt war. Statt die Ein-
sicht seines Voi^ängers zu beloben sprach er beim Eintritt in
das Büchergemach: seht doch, wofür Der den Schatz der
Kirche Gottes ausgeleert hat! Nun begann er die griechischen
Bücher zu verschleudern. Mehre hunderte gab er dem ru-
tenischen Cardinal Isidor. Da dieser vor Alter halbkindisch
geworden war, kamen die Bände in die Hände der Diener-
schaft;. Für CarUne wurde verkauft was Goldgulden gekostet
hatte. Viele lateinische Bücher gelangten nach Barcelona,
theils durch den Bischof von Vic Papst Calixtus' Datar der
wie ein anderer Papst war, theils als Geschenke des Pap-
stes an catalanische Edelleute.« Dieser umständlichen Schilde-
rung dürfte doch nicht völlig Glauben beizumessen sein. Ein-
zelnes, wie nach dem Ableben eines Papstes so oft geschieht,
mag in andere Hände gelangt sein , aber wir finden nicht nur den
grössten Theil der Erwerbungen Nicolaus* V., soweit wir sie ver-
folgen können, in der heutigen Vaticana wieder, sondern auch
nicht wenige von seinem Nachfolger erstandene Handscliriften.
334 Plus II. und der Humanismus.
4.
NACHBLÜTE DES HUMANISMUS. PIUS IL DIE RÖMISCHE AKADEMIK
UND DER BOCHERDRUCK.
*
Auf Calixtus UI. folgte der Mann der als Jungling, aU
Tlieilnehmer am baseler Concil, als einflussreicher Staatsmann
iu fremden Landen in der Mitte der humanistischen Bewegung;
gestanden und deren Förderer in Teutschland gewesen war,
der auch als Bischof und Cardinal seine wissenschaftliche
Thätigkeit nicht aufgegeben hatte — Pius 11. Enea Silvio
Piccolomini hatte sich von Jugend an in allen Fächern der
Literatur versucht, in mehren derselben mit ungewöhnUcbem
Glück, in keinem ohne namhaftes Talent. Er ist einer der
fruchtbarsten Schriftsteller seiner Zeit gewesen und gerade
auf Grund mehrer seiner Schriften sind die schärfsten
Anklagen wider ihn erhoben worden. Es ist nicht wolil
möglich Enea Silvio von allen solchen Anklagen freizu-
sprechen: gegen willkürliche Uebertreibung und gehässige
Verketzerung ist er unbedingt zu vertheidigen. Wollte man
auch das Zeugniss seines Mitschülers des nachmaUgen Bene-
dictinerabtes Girolamo Agliotti von Arezzo über sein sittUclies
Benehmen während seiner Studienzeit in Siena als verdächtig
zurückweisen, so zeugen Zahl und Gehalt seiner Schriften
dafür dass er die Zeit nicht in Ausschweifongen vergeudete.
Denn wenn man seine zahlreichen und manchfachen Amts-
geschäfte und seine vielen Reisen in Anschlag bringt, so
geliörten eiserner Fleiss und seltene Arbeitskraft dazu, in
einem nicht gerade langen Leben so gewaltigen Stoff zu be-
meistern und so grosse Formgewandtheit zu erlangen. Seine
berühmte Novelle Euryalus und Lucretia welche die aienesi-
schen Abenteuer Caspar Schhcks des vielgenannten Kanzlers
Kaiser Friedrichs III. schildern soll, ist wol nur deshalb so
hart angegriffen worden weil sie von einem nachmaUgen Papst
herrührt. Denn von derselben, wie geschehn ist, auf dieMo-
ralität ihres Verfassers die härtesten Schlüsse ziehen, zeugt
von gänzlicher Unkenntniss der hterarischen und socialen Zu-
stände Italiens , wie sie sich seit mehr denn einem Jahrhundert
gebildet hatten. Ueberdies ist nicht ausser Acht zu lassen
Pills II. als Schriftsteller. 335
dass die von dem florentiner Geheimsclireiber Alessandro
ßracci verfasste italienisclie Uebersetzung, in welcher und nicht
im lateinischen Original diese Erzählung man kann sagen Ge-
meingut der Nation wurde, etwas von der Urschrift wesentlich
Verschiedenes bietet. »Der Verfasser, sagt Bracci, Enea Silvios
eigne Worte wiederholend, wollte Jünghngen und Mädchen
eine Warnungstafel darbieten: ich aber, in Betracht dass die
3Iacht der Liebe jedes Bedenken überragt und keine Abmah-
nung hilft, habe an vielen Stellen des Autors Erfindung bei-
seitegelegt und andere Dinge hinzugefügt um den Reiz zu er-
höhen.« Seine Dichtungen und philosophirenden Tractate
gehen nicht über die Mittelhöhe humanistischer Production
hinaus, deren Ansichten und Verhältniss zum Alterthum sie re-
prasentiren.
Für uns hegt Enea Silvios wirkhche Bedeutung als Schrift-
steller in seinen historischen Werken. Bei einigen derselben
wie bei seinen geographisch -encyclopädischen Arbeiten ist das
stoSliche Interesse gegenwärtig gering. Andere werden wegen
der bisweilen bestimmenden persönlichen Theilnahme des Ver-
fassers an den von ihm erzählten Begebenheiten immer Werth
bewahren, wenn auch die Genauigkeit des Einzelnen nicht
iouner stichhaltig ist. Sein Hauptwerk sind die Commentarien
seiner eignen Zeit welche die Begebenheiten des fünfzehnten
Jahrhunderts bis zum Jahr 1463 in wesentlich autobiograplii-
scher Form enthalten. Nicht nur als lüstorische Quelle sind
sie bedeutend, so wenig auch, worauf der Verfasser selbst
hinweist, im Aneinanderreihen der Begebenheiten streng chro-
nologische Folge bewahrt ist. Sie sind zugleich das redende
Zeugniss eines so reichen und fruchtbaren wie feinen und ele-
ganten Geistes, vor welchem die morahsche Welt wie die der
Sinne offen liegt, dessen Empfänglichkeit für die Schönheit
und karakteristische Manchfaltigkeit der Natur, dessen richtis^e
Schätzung der Bedeutung der £ligenthümhchkeiten der ver-
schiedenen Nationen, ihrer Sinnesart, Sitten, Lebensweise,
ihrer Städte und Monumente für ihre Geschichte, durch ge-
lehrte Arbeiten und Geschäfte nicht beeinträchtigt worden sind.
Wenn diesem Werke, dem Product der Papstzeit, die Feile
fehlt, so erinnert es doch oft an die auch stilistisch vollendeten
Arbeiten. Jedenfalls ist es eine eigenthümlich anziehende Er-
scheinung, dieser Mann, der am Abende eines vielbewegten
336 Campano und Aninianati.
Lebens , inmitten einer vielbewegten Zeit in welcher er gewisser-
maassen das Centrum bildet, stets kränkelnd und mit Geschäf-
ten überhäuft, mit grossen Entwürfen sich tragend, die Ereig-
nisse deren Zeuge oder Leiter er gewesen ist, noch einmal an
sich vorüberziehen lässt, indem er in Auflassimg und Darstel-
lung eine Frische die nur der Jugend anzugehören scheint, mit
dem reifen Urtheil des Alters vereinigt.
Die von Pius IL begünstigte literarische Richtung ist die-
jenige der er selbst sich in späteren Jahren ausschliesslich
widmete, nämlicli die historische. Er hatte einst Biondo Fla-
vios Decaden, deren Werth er erkannte während die Form
ihn nicht befriedigte, abgekürzt überarbeitet und fortgesetzt,
uu überreich «^'e» Biondo ihm seine »Roma triumphans«. Weim
dieser, der im Jahre 1463 in Rom starb, bis an sein Ende mit
Glücksgütern wenig gesegnet war, so mögte es ungerecht sein
dies dem Papste zur Last zu legen, der seiner auch in deu
Commentarien ehrenvoll gedachte und einen der Söhne zu des
Vaters Amt beförderte. Die Stellung der verheirateten Mit-
glieder der Curie ist zu jeder Zeit eine unvortheilhafte ge-
wesen. Mehr Glück machte unter Pius U. ein Mann der wie
Biondo sich namentlich dem Geschichtsfach wddmete, obgleich
er in seiner Zeit auch als Dichter glänzte. Giovan Antonio
Campano, gegen 1427 in Terra di lavoro geboren, unter Valla
in Neapel gebildet, im Jahre 1459 dem Papste in Perugia wo
er Eloquenz lelirte bekannt geworden, und seitdem an der
Curie, nach mancherlei Schicksalen als Bischof von Teramo
1477 in Siena gestorben. Sein Leben Pius' IL und namentlich
das des Peruginers Braccio da Montone haben nicht blos in
der Zeit ihres Entstehens Beifall gefunden. Schwerlich aber
wird man heute in das überschwängliche Lob einstimmen, wo-
mit ein teutscher Gelehrter um die Mitte des vorigen Jahrhun-
derts letzteres Werk dem Livius und Sallust gleichstellte. Der
eigentliche Liebling Pius' II. war Jacopo Ammanati, in Villa
Basilica bei Pescia im toscanischen Nievolethal von armen
Eltern geboren , unter Leitung der Humanistenfuhrer in Florenz
aufgewachsen, im Jahre 1450 Secretär Domenico Capranicas,
in CaUxtus' III. Zeit apostolischer Schreiber und einer der
Wenigen welche Pius U. im Amte liess, als er bald nach seiner
Erhebung dies Collegium wegen eingerissener Misbräuche auf-
löste und neubildete. Bischof von Pavia im Frühling 1460,
\
Pius IL uud Filelfo. 337
Cardinal zu Ende des folgenden Jahres, in die Familie Picco-
lomini aufgenommen, ist Ammanati bis zu Pius' II. letztem
Hauche dessen Begleiter geblieben. Von seinen Werken be-
sitzen wir die Fortsetzung der Commentarien seines Gönners,
welche sich in Anschauungsweise und Darstellung des Vor-
bildes nicht ohne Glück hineinzufinden versucht, und eine
grosse Zahl fiir die Zeitgeschichte wichtiger und vielgebrauchter
Briefe die bis zu seinem im Jahre 1479 in San Lorenzo am
See von Bolsena erfolgten Tode reichen. So als Mensch wie
als Gelehrter hat Jacopo Ammanati der ihm von Pius II. zuge-
wandten Gunst Ehre gemacht. Neben ihm, wenngleich bei-
weitem nicht in so hervorragender Stellung standen die Sie-
nesen Agostino und Francesco Patrizi, beide namentlich letzterer
in classischer Literatur bewandert, in Pius' U. persönlichem
Dienst Nicolaus Sagundinus von Negroponte, der durch voll-
kommene Handhabung beider Sprachen auf dem Unionsconcil
Dienste geleistet hatte, wurde durch diesen Papst nach Rom
gezogen wo er 1463 starb.
Was noch von den alten Häuptern der Humanisten vor-
handen war, hat bei Pius U. geringe Beachtung gefunden. Es
genüge hier von dem in Mailand lebenden Francesco Filelfo
zu reden, zu dessen Schülern Enea Silvio gehört hatte. Er
machte sich grosse Aussichten die sich auch, nachdem er per-
sönlich in Rom erschienen und auch in Mantua als Begleiter
Francesco Sforzas mit dem Papst in Berührung gekommen
war, durch das Anerbieten einer Stelle in der päpstlichen Se«
cretarie und die Zusicherung einer Pension zu verwirklichen
schienen. Als die Folge seinen Hoffnungen nicht entsprach,
der Papst durch den Drang geisthcher wie weltUcher Interessen
abgezogen und auch wol dieser Art des Literatenthums inner-
lich entfremdet ihn vernachlässigte, Empfehlungen und Sup-
pliken ihn nicht in Erinnerung zu bringen vermogten, verstieg
er sich zu Drohungen. Als die Drohungen wirkungslos blie-
ben, ergoss er seinen Grimm in den gewohnten Invectiven,
welche stets gesteigert des todten Pius ebensowenig wie des
lebenden schonten, und deren Frechheit endUch ihrem Autor
am meisten schadete, während sie ihn wie seinen Sohn ins
Gefangniss führte. Wie immer mit seiner Stellung unzufrieden,
unter Sixtus' IV. Regierung selbst noch einmal mit dem ge-
radezu unsinnigen Plan der Rückkehr nach Rom sich tragend,
Y. Eeumoat, Rom. HI. 22
338 Nicolaus von Cusa.
ungeachtet reichlichen Erwerbs immer in Geldnoth und ohne
Scheu die Hand ausstreckend, musste Filelfo endUch froh sein
eine von Lorenzo de' Medici ihm angebotene Professur der
griechischen Literatur in Florenz anzunehmen und starb da-
selbst im Sommer 1481 im dreiundachtzigsten Jahre seines
Lebens, nachdem Alle ihm vorausgegangen waren mit denen
er so oft gehadert hatte. In seinem ganzen Leben wie in
seinem Nachruhm ein warnendes Beispiel, wie die hochge-
spannten Ansprüche dieser Literatenclasse geringe wirkliche
Begründung hatten und ihre Erfolge nur ephemere waren.
Während eines grossen Theils von Pius' 11. Regierungszeit
lebte in Rom ein Mann, der von keinem seines Jahrhunderts
an Scharfsinn und gründlichem Wissen in den philosophisch-
theologischen Doctrinen und im Zusammenhang der Natur-
kunde mit der Philosophie übertroffen worden ist. Nicolaus
von Cusa hatte nach seinen ersten Studien in Deventer sich
nach Padua gewendet, um sich dort bürgerlichem und canoni-
schem Recht zu widmen. Seine Th&tigkeit auf dem baseler
Ooncil begann in einem Sinne der dem Princip des Papstthums
ungeachtet der Anerkennung des Primats in den Weg trat.
Aber da« Schauspiel der so stürmischen wie radicalen Steige-
rung der Grundsätze zu denen er hinneigte , schreckte ihn , der
schon vonvomherein die Endentwicklung des Concils zum
Maassstab fiir dessen Gültigkeit gemacht hatte, von dem V"er-
folgen dieser Bahn ab. Seine nachmaUge grossartige prak-
tische Wirksamkeit welche namentlich der Geschichte der
teutschen Kirche angehört, versuchte dann die Versölmung
zwischen den Forderungen , der Nattonalkirchen und dem Pon-
tificat. Eine Versöhnung deren Mängel ja deren Haltlosigkeit
er noch in den letzten Jahren seines thätigen Lebens erkannte,
als er neue, aus dem nationalen Mistrauen selbst gegen ver-
ständige Bestrebungen Roms entspringende Gefahren durch
den Vorschlag einer Generalreform der Kirche abzuwenden,
fruchtbaren Boden fiir Wiedererweckung reUgiösen Smnes zu
gewinnen suchte. Es war die Verwicklung die den Abend
seiner Tage verdüsterte, der Streit mit Erzherzog Sigmund
von Oestreich, w«ts Cusa nach Rom führte. Er war hier
als Pins II. zum mantuaner Concil zog und ihn am 12. Januar
1458 zu seinem S%atthalt?er ernannte. Er war dann im Spät-
sommer 1460 znrückgekehrt , nach der in Bruneck erduldeten
X
\
\
Nicolaus von Ciisa. Florenz und die Platoniker. 339
Gefangenschaft, und verweilte theils in Rom theiis in Orvieto und
anderwärts, bis der nach Ancona aufbrechende Papst ihn zur
Beschleunigung der Rüstungen nach Genua sandte, eine Reise
auf welcher er am 11. August 1464 im Bischofshofe zu Todi
verschied, vier Tage vor dem Heimgange Pius' II. Sein letzter
Wille gedachte seines Heimatsortes wie seiner Titelkirche.
Sein Herz ward nach dem von ihm gegründeten Hospiz zu
Cues an der Mosel gebracht, sein Leib nach S. Pietro in vin-
coli. Eine der merkwürdigsten Erscheinungen seiner Zeit, der
er so in Bezug auf philosophische Lehre wie auf die Entwick-
lung der Gesetze des Weltgebäudes vorauseilte. Repräsentant
des letzten Stadiums der Scholastik inmitten des Jahrhunderts
der Wiedererweckung antiker Systeme und der Erneuerung
des Piatonismus, des Products der Humanitatsbildimg an wel-
cher Cusa, der gründliche Kenner der alten Literatur, thätigen
Antheil nahm. Im Dogma streng den katholischen Standpunkt
behauptend, während er die Identität des Princips von Glauben
und Wissen festhält und Autorität und Erfahrung als wesent-
iidie Bestandtheile der Vernunft annimmt. In der Politik
ebenso wie Enea Silvio der Vertheidiger der Idee eines rechten
Kaisertbums , das er im Zusammenhang mit der Kirche auf ge-
meinsame Uebereinstimmung des in Obrigkeit und Unterthanen
sich theilenden Volkes gründete. Als Vertreter Teutschlands
im Cardinalat hat er, einer der gelehrtesten Cardinäle aller
Zeiten auch fiirRom eine besondere Bedeutung, obgleich seine
wissenschaftUche Thätigkeit in seiner römischen Zeit durch
die unerfreuUchen Ereignisse die ihn hieher gefahrt hatten
verkümmert war.
Unterdessen waren in Florenz Philosophie und Literatur in
eme Phase getreten welche in der Geistesentwicklung eine be-
deutende ja eine glänzende gewesen ist. Es ist eine eigen-
thümliche Erscheinung dass, während Pius II. die Hoffnungen
nicht verwirklichte mit welchen die Humanisten seine Erhebung
begrüsst hatten, ein Mann dessen Bildung keineswegs eine ge-
lelirte im eigentlichen Sinne war, den ersten Anlass zu einer
Richtung gab welche in der Geschichte der Philosophie die
^enzlinie zwischen Mittelalter und neuer Zeit bildet. Das
Interesse welches der mit Kaiser Johannes Paläologus zum
florentiner Unionsconcil gekommene schon erwähnte Georgios
(Temistos Plethon Cosimo de* Medici einflösste, führte zij^r
22*
340 JQngere Humunistcnschulc. Romische Antiquitäten.
Bildung jener berühmten Akademie deren Werk die Ausbildung
des modernen Piatonismus war. Die Entwicklung dieses Systems,
welches vielmehr eine Wiederbelebung des alexandrinischen
Neoplatonismus als eine Rückkehr zur eigentUchen platonischeo
Lehre war, und in den Werken seines bedeutendsten Vertre-
ters , des von Cosimo zum philosophischen Lehramte erzogenen
Marsilio Ficino alles Ernstes eine Ausgleichung des Christen-
thums mit seinem erbittertsten Gegner der römischen Kaiser-
epoche anstrebte , gehört in die Zeit von Cosimos Enkel Lorenzo
dem Erlauchten. Aber schon vor dem im Jahre 1464 erfolgten
Tode Cosimos hatte dies moderne Heidenthum, das auch rein
orientalische Anschauungen in seinen Kreis zog und sich weit
über ItaHen hinaus verbreitet hat, im Gegensatz zu den noch
immer einen Zusammenhang mit der Scholastik zu bewahren
suchenden Aristotelikern grosse Fortschritte gemacht. Schon
waren Leon Batista Alberti, Giovanni Cavalcanti der die flo-
rentinischen Ereignisse seiner Zeit mit der Anschaulichkeit und
im Geiste eines selbstbetheiligten Parteimannes erzählte, Cri-
stoforo Landino der thätige Förderer so der antiken wie der
nationalen Literatur u. A. thätig. Schon wuchsen Die heran
welche die Symposien in der schönen Villa zu Careggi, wo
die beiden grossen Mediceer ihre Tage beschlossen, so glän-
zend zu machen bestimmt waren.
In Rom ereigneten sich unterdess bedeutsame Wandlungen.
Pius n. hatte die erste Humanistengeneration fast mit alleiniger
Ausnahme Filelfos und des im Jahre 1471 zu Neapel verstor-
benen BeccadeUi erlöschen gesehn. Eine zweite war gefolgt
und auf diese wie auf jene wirkten die florentiner Beispiele
ein. Zugleich aber zeigte sich in der neuen Generation thäti-
ges Interesse an den römischen Antiquitäten, von welchem bei
ihren Vorgängern, mit Ausnahme Poggio Bracciolinis , Biondos,
Ciriacos von Ancona, MaSeo Vegios kaum eine Spur gewesen war,
während sie, umgeben von den damals vergleichweise noch so
mächtigen Zeugen des Al^rthums , nur auf die Schriften zu ach-
ten, ihren Zusammenhang mit den Monumenten nicht zu ahnen
schienen. Vielleicht hatte Pius' II. Beispiel in dieser Beziehung
günstig gewirkt. Der hervorragendste unter denen die unter
seiner Regierung gross wurden, GiuUo Fomponio Leto, ver-
dankte der praktischen Beschäftigung mit Alterthum und anti-
ker Kunst grossentheils die von ihm in der Literäi^eschichte
\
i
Pomponio Leto. Banolommeo Piatina. 341
erlangte Bedeutung, üeber Herkunft und Geburtsjahr dieses an-
geblich unrechtmässigen Sprösslings der FamiUe der Sanseve-
riner, von dessen Namen jedenfalls zwei angenommene sind,
weiss man nichts gewisses. In Rom wurde er Vallas Schüler
dann sein Nachfolger. Während er aber an der Universität
die Classiker erklärte, sie emendirte, Commentare zu ihnen
schrieb, widmete er sich der Untersuchung der Trümmer der
Stadt wie der Alterthumswissenschaft im Allgemeinen mit einem
Eifer der seine Umgebung und seine Schüler ergriff. Seine auf
dem Quirinal gelegene Wohnung wurde zu einem Museum von
Anticaghen aller Art, welche seine und der Freunde Wande-
rungen und Forschungen zu Tage förderten, Inschriften,
Sculptur- wie Architekturfragmente, vieles Andere. In dieser
Anregung praktischer Beschäftigung mit dem Alterthum besteht
für das Urtheil der Nachwelt Letos grösstes Verdienst. Denn
das im Jahre 1515 unter seinem Namen gedruckte aber nicht
anzweifelhaft ihm gehörende Büchlein über römische Topo-
graphie, worin, vorausgesetzt dass es von seiner Feder her-
rührt, die älteste Spur eines Gebrauchs der falschen Be-
gionarier vorkommt die bis auf unsere Zeit so grosse Ver-
wimmg angerichtet haben, steht Biondos Arbeit beiweitem
nach. Zu Letos bedeutendsten Freunden und Genossen ge-
borten Filippo Buonaccorsi aus San Gemignano in Toscana,
mehr in der Literatur der Geschichte Polens als in der ita-
lienischen bekannt, vor allen Anderen aber Piatina. Barto-
lommeo Sacchi, der nach seinem Geburtsort Piadena im Cre-
monesischen den Namen annahm unter dem er berühmt geworden
ist, war in schon reifen Jahren mit dem Cardinal Francesco
Gonzaga unter Pius* 11. Regierung nach Rom gekommen und
von diesem in das CoUegium der Abbreviatoren aufgenommen
worden. Unter seinen Werken hat allein die Geschichte der
Papste Werth behalten. So problematisch dieser Werth für
ältere Zeiten ist, so hat doch ihr Verfasser in einem Jahr-
hundert, das für historische Kritik noch geringen Sinn hatte,
diese Kritik nicht selten mit Glück angewandt. Die übersicht-
liche Darstellung wie der gedrängte Stil des Buches, nicht
ohne Kraft noch Eleganz, haben demselben sodann jederzeit
viele Leser verschafft, wie sich schon aus den seit 1479, dem
Jahr des ersten durch Johannes von Cöln und Johannes Manthen
von Gerresheim in Venedig veranstalteten Drucks, zahlreich
34-2 Pompouio Leto und die römische Akademie.
wiederholten Ausgaben und mehrfachen Fortsetzungen ergiebt
Die Biographien der Päpste des fünfzehnten Jahrhunderts ge-
winnen begreiflicherweise erhöhte Bedeutung, aber bei ilirem
Gebrauch ist Vorsicht nöthig, selbst wo es sich nicht um
Paul II. handelt dessen Schilderung des Verfassers persönliche
Stimmung abspiegelt. Denn die Regierung dieses Papstes war
es, während deren ein Sturm ausbrach der im römischen Lite-
ratenleben eine tiefe Spur zurückgelassen hat.
Pomponio Leto und seine Freunde waren die Hauptactoren
in diesem seltsamen Drama. Ihr Verein hatte nach dem Vor-
gange der Florentiner jene akademischen Formen angenommen,
welche antike Muster zu repräsentiren strebten und in der
Folge in ItaUen so behebt geworden sind. Philosophie , Alter-
thümer, Literatur waren die Aufgaben dieser Accademia romana
die in Letos Wohnung ihre Sitzungen hielt. Ganz dem Alter-
thume hingegeben hatten die MitgUeder antike Namen ange-
nommen: eine unschuldige Spielerei welche heute noch ita-
lienische Akademien unterhält, während sie in der damals
überhandnehmenden, im sechzehnten Jahrhundert und auch
später fortgesetzten Sitte des Gebrauchs solcher Namen, selbst
übelbeleumimdeter, als Taufnamen eine Parallele fand. Andere
Spielereien erschienen ihrerzeit bedenkHcher. l)ie Gesellschaft
constituirte sich als förmliches antikisirendes PriestercoUegium,
an seiner Spitze ein Pontifex maximus zu welcher Würde man
Pomponio Leto erhob. Der Cult des Alterthums mag zu ver-
fänghchen heidnischen Riten geführt haben, während die Ge-
sinnung gewiss mehr heidnisch als christUch war. £s war
wol die öffenthche Stimme welche wir in den Worten Batistas
de* Giudici Bischofs von Ventimiglia vernehmen, indem dieser
an Piatina nach dessen Befreiung schreibt, man sehe in ihm
nach Meinungen und Lebensweise vielmehr einen Heiden als
einen Christen, halte ihn für einen Anbeter alter Götter bei
denen er zu schwören pflege, namenthch wenn er mit Gleich-
gesinnten verkehre deren Umgang er aufsuche. Eine eigen-
thümUche Bestätigung der Umstände auf denen solche Anklagen
beruhen, haben die neuesten Nachforschungen in der altchrist-
lichen Gräberzone gebracht. Bis zum fünfzehnten Jahrhundert
waren die Cömeterien völlig vergessen gebUeben, mit Ausnahme
der Katakomben von S. Sebastiano deren Votivinschrift sich
in SignoriUs Sanunlung findet Mit dem Jahre 1433 beginnen
Die Akademiker iu den Cönieteiien. Papst Paul Ü. 343
dann die Spurea von Besuchern, erst in dam Friedhof des
IWixtus an der Appia, hierauf iu dem benachbarten des Prae-
teitatus und in dem der hh. Marcellinus und Petrus an der
Labicana. Anfangs sind es Namen von Minoritenbrüdern und
wahrscheinlich von Pilgern, darunter auch Fremde. Mit einem-
male finden wir uns unter den Mitgliedern der römischen Aka^
demie. Die Namen Volscus, Uuflus, Pomponius, Fabius, Fa-
bianus, Partenopaeus, Histrius, Perillus, Calpurnius u. a. sind
an die Wand geschrieben. Sie nennen sich »einmuthige Ver-
ehrer und Erforscher römischen Alterthums unter der Regie-
rung des Pontifex maximus Pomponius«. £in Römer ManiUus
Pantagathus bezeichnet sich als »Priester der römischen Aka-
demie«. Die Jahreszahl 1475 weist freiUch auf die Zeit Sixtus^XV.
bin, als der Sinn dieser Dinge bekannt, die Gefahr geschwun-
den war. Ohne Zweifel aber wiederholte sich hier vor dem
grossem PubUkum was einst mit einer Art Geheimbündlerei
zusammengehangen hatte. Diese modernen Heiden suchten in
christlichen Cömeterien gewiss nur nach heidnischen Monu-
menten. Denn in den Inschriftensauunlungen der letzten Zeiten
des fünfzehnten Jahrhunderts, in denen Fra Giocondos und
Pietro Sabinos, an welchen Pomponio Leto vielen Antheil hatte,
finden sich ebensowenig wie in denen des SignoriU und Ciriaco
Cömeterial - Inschri ften , während das An tiquitatenmuseum in
Letos Hause keine christlichen Denksteine enthielt. Auch die
von dem im Jahre 1471 gestorbenen gelehrten Consistorial-
advocaten Andrea Santacroce den Inschriften und der Erklä-
rung ihrer Abkürzungen und Siglen gewidmeten Studien l)e-
scbräukten sich auf Monumente des classischen Alterthums.
Bevor aber Ruhe und Sicherheit zurückkehrten, hatte jene
Art Geheimbündlerei die römische Genossenschaft in schlimme
Tiefahr gebracht. Den ersten Anlass gab im Jahre 1466 Pauls IL
Maassregel gegen das CoUegium der Abbreviatoren, durch dessen
Aufhebung eine Menge Leute sich in ihren Interessen geschä-
digt fanden. Ihre Gegenvorstellungen beim Papste, in denen
ihr Wortführer Piatina sich bis zur Drohung der Berufung, an
fremde Monarchen und selbst an ein Concil verstieg, fahrten
statt zur Wiederherstellung des CoUegiums zur Verhaftung des
kühnen Redners. Aus viermonatlicher Gefangenschaft in der
Engelsburg befreite ihn nur Verwendung Cardinal Gonzagas.
Die Verstimmung bheb. Ein ansehnlicher Theil der von der
344 Process der Akademiker.
Aufhebung Betroffenen bestand aus Literaten, und es unter-
liegt keinem Zweifel dass in ihrem Kreise verfängliche Worte
fielen. Während der Carnevalsbelustigungen des Jahres 1469
wurde der Papst vor einer Verschwörung gewarnt, welche von
der römischen Akademie ausgegangen unter römischen Ausge-
wanderten Verzweigungen haben sollte. Die porcarische Ver-
schwörung welche auch mit dem Literatenthum und dem Cultus
der Ideen des alten Römerthums zusammenhing, und die cati-
linarische Bande der Zeit Pius' IL gaben der Beschuldigung
einiges Gewicht. Der Papst erschrak, die Untersuchung be-
gann. Mehre Akademiker waren entflohen, unter ihnen der
unter dem Namen CaUimaco Esperiente bekannte Buonaccorsi,
der als Urheber des Anschlags bezeichnet wurde und bei den
Jagellonen in Polen einen Schauplatz für die unruhige Ute-
rarisch-politische Thätigkeit seiner späteren Jahre gefimden
hat Marcantonio Coccio von Vicovaro, der seinem sabini-
schen Heimatlande den sonoren Namen SabeUicus entlehnt hatte,
scheint entweder durch Flucht oder Versteck der augenblick-
lichen Gefahr entgangen zu sein, deren Erinnerung ihn nach-
mals wol dazu bewog einen Ruf nach Udine anzunehmen, dort
wie in Venedig und Verona mit classischer Literatur wie mit
der Abfassung seiner venetianischen Geschichte beschäftigt, die
ihm von der Republik ein Jahrgehalt von zweihundert Ducaten,
bei der Nachwelt jedoch nicht den Ruf der Wahrhaftigkeit
und Aufrichtigkeit eintrug. Die Brüder Quatracci, einer ange-
sehenen FamiUe angehörend deren Namen ein in der Nähe von
S. Andrea della Valle gelegener kleiner Platz führte, wurden
ergriffen und gefoltert. Piatina wurde beim Nachtessen im
Hause des Cardinais von Mantua verhaftet. Anderen ergings
nicht besser. Pomponio Leto war in Venedig, wo er bei den
Cornaro Gastfreundschaft fand. Die Republik schützte ihn nicht
vor einem venetianischen Papst. Ausgeliefert wurde er nach
Rom gebracht. Das Gerücht der Verschwörung erwies sich
als grundlos. Die Anklage auf Impietät ist nie vollständig
abgewälzt worden, obgleich sie wie der dem Piatina gegebene
Titel eines »Pater Sanctissimus« auf blossen Ausgeburten jenes
profanen Geistes beruhen mogten, der diese ganze Gesell-
schaft dominirte und auf welchen unverfängliche Zeugnisse
Gleichzeitiger schUessen lassen. Der Papst nahm den lebhaf-
testen Antheil an den Verhandlungen. In der Engelsburg
i
Piatina und Papst Paul II. 345
wohnte er selbst den Verhören bei, welche endlich die Be-
schuldigung eigentlicher Häresie als grundlos erwiesen. Die
Akademie wurde aufgelöst. Es darf nicht Wunder nehmen
dass sie Besorgnisse einflösste, wenn man bedenkt wie nach-
mals im sechzehnten Jahrhundert das akademische Wesen im
Zusammenhang mit der politischen Opposition stand, wie z. B.
in Florenz ein eigner nur Eingeweihten verständlicher Jargon
sich zu diesem Behufe ausbildete und Herzog Cosmus der ge-
ahnten Gefahr zu begegnen suchte , indem er die ofHcielle Acca-
(lemia fiorentina schuf, ein Mittel welches vor ihm Sixtus IV.
durch öffentUche Anerkennung der römischen Akademie ange-
wandt hatte.
Der unglückhche Piatina blieb ein Jahr im Gefangniss, in
weit strengerer Haft als das erstemal, obgleich er, während
Pomponio Leto sich mit Würde vertheidigte , seinen Ton auf
das tiefste Maass von Unterwürfigkeit herabstimmte. Man muss
einige Nachsicht mit ihm haben, wenn er nachmals Paul H.,
zu dessen Lob um den Preis seiner Freiheit er sich erboten
hatte, als einen gegen alle Wissenschaft erbitterten Barbaren
dargestellt hat, der alle Gelehrten für Ketzer gehalten und die
Römer verwarnt habe die Kinder ihre Zeit beim Studiren ver-
heren ^u lassen, da Lesen und Schreiben fürs Leben hin-
reichten. Die ganze Regierung Pauls H. zeigt wie grundlos
solche Beschuldigungen sind. '*' Dass er weder roh noch unge-
bildet war, erkennt man aus seiner YorUebe für Geschichts-
lectüre, seinen Sammlungen nicht etwa blos von Kostbarkeiten
sondern von alten Münzen und von antiken Statuen womit er
den Palast von San Marco schmückte, nicht zu reden von
seinen grossartigen Kunst^chöpfungen. Dass er Wissenschaft
und Gelehrte schützte, ergiebt sich vor allem aus seinen Maass-
regeln zu Gunsten der römischen Hochschule. Die schlimmen
Finanzzustände der Stadt hatten unter Pius II. eine Verminde-
rung des Lehrerpersonals veranlasst, um den bleibenden Pro-
fessoren die Gehalte nicht zu schmälern. Papst Paul erhöhte
die Gehalte und übernahm den Unterhalt armer Studirender.
Die im Jahre 1469 von ihm verordnete Revision der römischen
Statutarrechte gehört zwar mehr in den administrativen als in
den literarischen Kreis, umsomehr als diese auch in neuer Ge-
stalt anderen z. B. den florentinischen beiweitem nachstehen,
ist aber doch ein Zeugniss umfassender Thätigkeit. Die
346 Griechen in Rom. Der Bücherdruck.
griechischen Studien feierten nicht. Andronikos KalUstos von
Thessalonich , aus Bessarions Kreise, gab um das Jahr 1469 grie-
chischen Unterricht, ging dann aber nach Florenz von wo er in
seine Heimat zurückkehrte, gleich so manchen seiner Laods-
leute, welche das Leben unter türkischer Herrschaft, mit
welcher sie übrigens längst bekannt waren, ganz erträglich
fanden. In Pauls H. letzter Zeit wurde Johannes Argyropulos,
der damals für den tüchtigsten Hellenisten in Italien galt, nach
Rom gezogen. £r hatte in Padua, in Florenz, an anderen Orteu
gelehrt; Cosimo der Alte hatte ihn begünstigt und er hatte
nicht nur dessen Enkel Lorenzo und Giuhano unterrichtet son-
dern auch Andere, Donato Acciajuoli und Angelo Poliziaoo
welche Zierden der florentiner Gelehrtenwelt wurden. Was
ihn vermogte Florenz mit Rom zu vertauschen ist nicht be-
kannt. Wahrscheinlich war es die nicht zu sättigende Wander-
lust dieser Griechen, von der auch manche ihrer italienischeu
Schüler angesteckt wurden. Unter der Regierung Innocenz* VID.
starb er in Rom. Als Schriftsteller hatte Argyropulos sich
namentlich mit Uebersetzungen aristotelischer Werke beschäf-
tigt. Vor ihm war der Athener Demetrios Chalkondylas , sein
Nachfolger in Florenz, in Rom wo aber sein Aufenthalt kurz
gewährt zu haben scheint, indem er erst nach Perugia dann
nach Florenz, endlich schon hochbejahrt von Lodovico il Moro
gerufen nach Mailand ging v/o- er im Jahre 1511 starb. Als
Lehrer wie im Privatleben geschätzt und behebt, in der Li-
terärgeschichte auch dadurch bemerkbar dass er den vornehm-
sten Anlass zum ersten Druck des Homer gab , welcher 1488 zu
Florenz bei Bernardo und Neri de' Nerli erschien.
Dieselbe Zeit sah diejenige Kunst welche in der Geschichte
des Fortschritts der Bildung die vornehmste Rolle spielt, ia
Rom sich einbürgern. Der Bücherdruck wurde in dem Moment
erfunden wo die Kunst der Abschreiber ihre höchste Ausbil-
dung erlangt, in demselben Maasse aber die Nachfrage nach
Büchern sich gesteigert hatte. Gleich vielen anderen Erfindun-
gen war auch diese vorbereitet. Der Holzplattendruck war
schon dem gemehrten Gebrauch populärer Werke zu Hülfe
gekommen; zu seinen Producten gehörten auch die Mirabiüa
urbis Romae. Etwa zehn Jahre nach den ersten teutschen
Drucken mit beweghchen Typen wurde die neue Kunst in
Itaüen eingeführt, wo die Stadt Feltre nachmals den Anspruch
}
b
Der Büclierdruck. Subiaco und das Haus der Massimi. 347
erhob, durch Pamfilo Castaldi dem Mainzer Guttenberg voraus-
gegangen zu sein. Der Benedictinerorden machte sein altes
Vorrecht der Förderung der Wissenschaft wieder geltend, in-
dem er Conrad Schweinheim und Arnold Pannartz aufnahm
welche im Kloster zu Subiaco im Jahre 1465 den Lactantius
druckten. Zwei Jahre später siedelten Beide nach Rom über,
wo Pietro und Francesco de* Massimi ihnen ein Local einräumten.
Noch sieht man im Palast Massimo alle Colonne in demjeni-
gen Theile, welcher nach den von Daniel von Volterra oder
Polidor von Caravaggio an der, der Piazza della posta vecchia
zogekehrten Wand gemalten Chiaroscuro - Fresken »istoriato«
lieisst, den Saal aus welchem im Jahre 1467 das erste in Rom
gedruckte Buch hervorging. Es war ein Roms würdiger An-
fang, Ciceros Briefe an die Freunde, welchen dann unter Auf-
sicht Giovan Andrea Bussis vonVigevano Bischofs von Aleria
eine Reihe anderer Werke »in aedibus de Maximis« folgte.
Der Bischof apologisirte bei dem Leser für die allerdings un-
schönen Namen der Typographen:
• Lächeln erwecken dir wol raiihklingende Namen, die teutschen:
Un melodischen Laut mildVe die treffliche Kunst.«
Bis zum Schlüsse des Jahrhunderts traten in Rom 925 Druck-
werke ans Licht; unter ihnen tragen die Statuten die Jahres-
zahl 1472. Rom ging Venedig und Mailand um zwei, Florenz
und Neapel um vier Jahre mit dem Biicherdruck voraus. Aber
die Drucker waren hier Teutsche, während in Florenz der
Goldschmied Bernardo Cennini zu dem im Jahre 1471 erschie-
nenen Leben der h. Caterina von ihm selbst gegossene Lettern
verwendete. Eine zweite Druckerei wurde von Ulrich Hahn
angelegt, für welche Pius' ü. Biograph Campano die Revision
der Texte leitete und wie Bussi Vorreden schrieb.
Während diese beiden teutschen Anstalten in Rom empor-
blübten und, fünf Jahre nach deren Gründung, ein Teutscher
Johann Numeister die Ehre hatte in der umbrischen Stadt
Fuligno die erste Ausgabe der Göttlichen Komödie zu veran-
stalten, wuchs der Mann heran welcher die italienische Typo-
graphie so in Bezug auf Schönheit des Drucks wie auf Cor-
rection der Texte auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit
zu heben bestimmt war. Leben und Thätigkeit Aldo Pio
Manuzios gehören zwar OberitaUen namentlich Venedig
348 Aldo Manuzio. Francesco Massimo.
ungleich mehr an als Rom, aber er hat nie vergessen dass er
ein Römer war. »Aldus Romanus« ist seine gewöhnliche
Bezeichnung und Unterschrift, sei es dass er die venetiaoi-
sche Signorie um ein Privilegium für seine »griechischen
Lettern jeder Art und grösster Schönheit« oder für seine Aus-
gabe der Briefe der h. Caterina von Siena bittet, »ein wunder-
volles Werk; voll des h. Geistes und nützUchster Lehren«,
sei es dass er mit dem Markgrafen von Mantua und Isabella
Gonzaga in literarischen und persönUchen Angelegenheiten
verhandelt oder am 16. Januar 1515 seinen letzten Willen auf-
setzt. Aldo war gegen das Jahr 1449 zu Bassiano einem Oert-
chen im Gebiete von Sezze im Volskerlande geboren. Er er-
zählt selbst, wie das erste Studium der Grammatik nach dem
Lehrbuch des Alessandro Villadei ihm einen solchen Wider-
Avillen einflösste dass er, in Rom durch Gasparo da Verona
auf andere Bahnen geführt, durch Ausarbeitung einer neuen
Anweisung die Jugend vor der von ihm selber erduldeten
Qual zu bewahren suchte. In Ferrara Schüler Batista Gua-
rinos, dann Lehrer Alberto Pios des Sohnes des Grafen von
Carpi dem wir im Verlauf dieser Geschichte noch wiederholt
begegnen werden, wurde Aldo durch seine Heirat mit der
Tochter des Buchdruckers Andrea Torregiano von Asola in
den Kreis der Thätigkeit hineingezogen in welchem er um
Literatur und Kunst so glänzende Verdienste erworben hat
Zur Zeit als die Familie der Massimi sich die Förderung
der Wissenschaften angelegen sein Hess , zählte sie selbst einen
namhaften Gelehrten zu den Ihrigen. Es war Francesco Mas-
simo Paolos Solm, um die Mitte des Jahrhunderts geboren,
Ritter und Doctor der Rechte, im Jahre 1473 Lehrer an der
von den Medici wiederhergestellten Universität Pisa, zu deren
Rector er im folgenden Jahre gewählt ward und um die er
sich so als Rechtslehrer wie durch Beschwichtigung der alten
Feindschaft zwischen Pisanern und Florentinern so verdient
machte, dass ihm und seinen Nachkommen das Bürgerrecht
ertheilt und das städtische Wappen dem seinigen beigegeben
wiurde. Zum Podesta von Siena erwählt konnte er wegen
des Todes seines Vaters das Amt nicht antreten, aber unter
Alexander VI. war er Rector von Benevent und starb im Jahre
1498. Eines der verhältnissmässig wenigen Mitglieder grosserer
römischer FamiUen die sich auf wissenschaftlichem Felde einen
's
Niccolo della Vfllle. Sixtus IV. Bessarion. B49
Namen gemacht haben. Zu diesen gehörte ausser den Santa-
croce und Cafiarelli von denen schon die Rede war, Niccolo
(lella Valle, den nur ein frühzeitiger Tod gehindert zu haben
scheint, unter den römischen Literaten eine hervorragende Stelle
einzunehmen. Die schöne Grabschrift welche sein Vater Lelio
ihm im Jahre 1473 in Sta Maria Araceli setzte, besagt er habe
nie.Temandem übelgewollt, nie wider des Vaters Willen gehan-
delt, durch Geist und Talent sich ausgezeichnet, die Ilias und
den Hesiod metrisch übersetzt; in erster Jugendblüte sei er zu
allgemeiner Betrübniss heimgegangen. Vier Monate nach seinem
Tode wurde seine unvollendete üebersetzung des Homer ge-
druckt; der des Hesiod war diese Ehre schon zu des Verfassers
Lebzeiten widerfahren der damals erst achtzehn Jahre zählte.
Xiccolö war Doctor des Rechts und Canonicus der Vaticana,
und durch seine Mutter ein Verwandter Cencios de* Rustici
des Genossen und Freundes Poggio Bracciolinis.
5.
LITERAfilSCHE TENDENZEX DER POLFTISCHEN PÄPSTE.
Ein gelehrter Papst wie Sixtus IV. konnte dem wissen-
schafthchen Leben in Rom nicht fremd bleiben. Auf manch-
faltige Weise hat er dafür gewirkt , denn der poUtische Strudel
in welchen er hineingerieth zog ihn nicht von den literarischen
Interessen ab. An Zerwürfnissen hat es dabei nicht gefehlt.
Wie Nicolaus V. scheint auch Sixtus IV. Bessarions Stellung
in der römischen Gelehrtenwelt nicht ohne Eifersucht be-
trachtet zu haben. Man argwohnte, um ihn zu entfernen habe
er ihm die Legation nach Frankreich übertragen. Dass Bessa-
rion seine kostbare BibHothek nicht Rom oder Bologna son-
dern Venedig vermachte, dürfte ein Fingerzeig sein dass er
nicht zufrieden war, wenn nicht die traditionelle Vorliebe der
Levantiner für die Marcusstadt ihn bestimmt hat. In Rom er-
innert an den gelehrten Griechen nur die Inschrift, die man
einst an seinem Grabmal in der von ihm an der Apostel-
kirche gebauten Kapelle las, heute im Chiostro dieser Kirche
.i^
\
350 Niccolo Perotti, Si^isinondo de* Conti u. a.
in welcher er nach seinem wie man glaubt im November 1472
erfolgten Tode beerdigt ward —
»Lebend hat Bessarion dies Denkmal gesetzt seinem Leibe,
Aber die Seele entilieht hin zum unsterblichen Gott.-
Bessarions ZögUng und Günstling der schon genannte
Niccolo Perotti Bischof von Manfredonia, Uebersetzer des Po-
lybius und Verfasser einer Metrik, wurde vielleicht wegen
seiner bösen Zunge, vielleicht wegen des durch einige seiner
Schriften veranlassten Anstosses, in eine Verfolgung ver-
wickelt und nur durch den Herzog von Urbino vor Schlira-
nierem bewahrt. Manche neue Namen kommen unter den Mit-
gliedern der Curie zum Vorschein: zum Glänze der firubern
gelangte Keiner. . Es verdient Beachtung dass das Beispiel
Pius II. zur Beschäftigung mit der Zeitgeschichte aufzufordern
schien. Sigismondo de' Conti von Fuligno, seit Pauls II. Zeit
MitgUed des CoUegiimis der Abbreviatoren und nachmals einer
von Julius' II. Geheimschreibern, widmete sich namentUch der
Erzählung dessen was er vom Jahre 1475 an erlebte. Ein
Werk über dessen wiederholt beabsichtigter und schon begon-
nener VeröffentUchung ein eigenthümhcher Unstern geschwebt
hat, so dass heute Sigismondos Name kaum anders geuaiuu
wird als aus Anlass eines der grossartigsten Madonnenbilder
Raffael Sanzios, der Madonna von Fuligno, die er dem no«li
jugendlichen Meister wenige Jahre bevor er in Sta Maria Ara-
celi ins Grab gesenkt ward, auftrug und auf welcher man ilin
im Vordergrunde knieen sieht. Auch Jacopo Gherardi von
Volterra , von Papst Sixtus an die Curie gezogen , schrieb naeli
dem Vorgange seines ersten Beschützers Cardiuals Ammanati
Denkwürdigkeiten seiner Zeit. Mattia Palmieri von Pisa wel-
cher 1482 als päpstlicher Scriptor starb, setzte die Chronik
seines berühmtem Namensgenossen des Florentiners Matteo
Palmieri fort. Ein anderes Mitglied der Curie Domizio Calde-
rini aus Torri im Veronesischen, in Pauls II. Zeit als Lehrer
der Literatur nach Rom berufen und 1478 in wenig vorgerück-
tem Alter gestorben, widmete sich hingegen ganz den alt^n
Classikem während er von seinen humanistischen Voigangem
auch die Kampflust geerbt zu haben schien.
Für die römische Akademie und ihre G^nos^en bracbte
Sixtus' IV. Regierung frohe Tage. Der Papst theilte die
u
\
Leto und die Akademie unter Sixtus lY. 351
Besorgnisse seines Vorgängers nicht Auch mogte er glauben
dass die ausgestandene Angst den Humanisten die gefährUchen
(redanken vertrieben habe. Der Cult des Alterthums blühte
mit seinen guten Seiten und seinen Auswüchsen unter einem
3Iinoriten auf päpstUchem Stuhl, der an dem Pontificat des
Pomponio Leto keinen Anstoss genommen zu haben scheint.
Die Versammlungen auf dem Quirinal in Letos Hause bei den
Constantinsthermen wurden glänzender als je. Die Antiquitäten-
sanmilung mehrte sich , obgleich durch Leto manches in fremde
Hände kam, so nach Florenz an Lorenzo de' Medici. Die
Akademie wurde öffentlich anerkannt: es war wol das ein-
fachste Mittel sie ungefährlich zu machen. Kaiser Friedrich Ul.
ermächtigte sie im Jahre 1483 zu Doctorspromoüonen und
Poetenkrönungen. Der Gründungstag Roms, die sogenannten
Palilien des 21. April, wurde hier feierlich begangen. Es war
im genannten Jahre 1483 als dies Fest zum ersteninale statt-
fand, wobei das gedachte kaiserliche Privilegium verlesen ward.
Spätere Zeiten sahen dasselbe, welches heute noch von der
päpstlichen archäologischen Akademie gefeiert wird, nach
andern Orten verlegen, wie es denn im Jahre 1501 in Sta Maria
Araceli und im nahen Conservatorenpalast unter Theilnahme
des Senators und der fremden Gesandten bei grossem Volks-
andrang stattfand. Von allen Seiten strömten Theilnehmer und
Zöglinge des gefeierten Lehrers herbei, der seinen Berufspflich-
ten mit grösstem Eifer oblag und dessen mündlicher Vortrag
seine schriftstellerische Bedeutung weit überragt haben muss.
Pomponio Leto lebte bis zum 9. Juni 1498, so dass er vollauf
Zeit Itatte Zeuge von Zuständen zu sein, wozu das literarische
jnodemc Heidenthum mächtig beigetragen hatte. Der eifrigste
Prediger dieses Heidenthums starb äusserUch als guter Christ
und wurde in der Kirche S. Salvatore in lauro beigesetzt, ob-
^Ieich er sich eine Ruhestätte in einem antiken Monument an
der Appia gewünscht haben soll.
Zu Letos Schülern gehörten Alessandro Farnese nachmals
Papst Paul in. und Andrea Fulvio von Palestrina, der als An-
tiquar seinen Meister weit übertraf. Unter den Ausländern
befand sich ein Mann der auf den Gang der Humanitatswis-
senschaft in Teutschland grossen Einfluss geübt hat. Es war
Conrad Peutinger der siebzehnjährig nach Italien kam, in Padua,
Bologna imd Rom das Recht und die schönen Wissenschaften
352 Peutinger und Heuehrui in Rom. Vaticanische Bibliothek.
studirte und bei seiner im Jahre 1486 nach vierjährigem
Aufenthalt erfolgten Heimkehr nach Augsburg einen Schatz
von Kenntnissen und eine Vorliebe für das classische Alter-
thum mitnahm, die seinem ganzen Vaterlande zum Nutzen i^e-
reichten. Ein Anderer von ungleich grösserer Bedeutung für
die Entwicklung teutscher Wissenschaft, Johann Reuchlin,
war schon ein gemachter Mann, als er, Rath und Reisebegleiter
Eberhards von Württemberg, im Jahre 1482 vor SixtusIV. eine
elegante lateinische Rede hielt. Er war noch zweimal 14S9
und 1498 in Rom, wo sein letzter Aufenthalt mehr als ein Jahr
währte, und er sich sowol unter Argyropulos dem in Mailand
unter Chalkondylas fortgesetzten Studium des Griecliischeu,
wie unter einem gelehrten Rabbiner dem des Hebräischen wid-
mete. Mehr noch aber als von Rom nahm Reuchlin von Flo-
renz die Anschauungen und Eindrücke mit, welche für seine
spätere Uterarische Laufbahn bestimmend geworden sind, aus
dem Umgange mit MarsiUo Ficino wie mit Pico von Mirandola,
der obgleich um acht Jahre jünger als der Teutsche durch
ungewöhnliche Begabung und Belesenheit auf diesen wirkte,
auf dessen cabalistische Studien er nicht ohne Einfluss gebUeben
sein mag.
Auch für Bartolommeo Piatina begann wieder eine gute
Zeit mit Papst Sixtus , der ihm die Abfassung der Biographien
seiner Vorgänger auftrug und ihn zum Bibliothekar der Vati-
cana machte, welcher bis dahin der schon genannte Giovan
Antonio Bussi vorgestanden war. Unmittelbar nach Sixtus IV.
Regierungsantritt im December 1471 war der Bau des neuen
BibUotheklocals in Angriff genommen worden imd der Cardinal
Camerlengo Latino Orsini hatte eine Verordnung behufs der
zollfreien Einfuhr der Materialien erlassen. Das Local bestand
in drei gewölbten Sälen im Erdgeschoss des Palastes, unter
der gleichzeitig erbauten Kapelle welche des Papstes Namen
verewigen würde, hätte er sonst nichts geleistet. Seit einem
andern Sixtus sind diese Räume zu verschiedenem Zweck ver-
wendet worden, heute unter dem Namen der F'loreria apost^-
lica zimi Aufbewahren der Teppiche und anderen Garderobe-
gegenstände. Im Jahre 1475 muss die Einrichtung beendet
gewesen sein und Piatina übernahm die Leitung, indem er am
18. Juh den Eid ablegte, die ihm anvertrauten Bücher in der
ihnen angewiesenen Ordnung zu wahren und über deren
U^^m
Die vaticaulsche Bibliothek und Bartolommeo Piatina. 353
sorgsame Verwaltung jederzeit Rechnung zu legen. Eine Eides-
formel woraus hervorgeht, dass die Verzeichnisse bereits an-
gefertigt waren. In dem vordersten der mit Fresken geschmückten
Säle stellte ein Wandgemälde Melozzos von ForU den Act der
Eröfihung der Bibliothek dar. Der Papst sitzt in einem Lehn-
stuhl, vor ihm kniet der zur Aufsicht über die Sammlung Be-
rufene. Zu Sixtus' Rechten steht sein Neffe GiuUano della Ro-
vere in der Franciscanerordenstracht die er somit auch als Car-
dinal getragen haben muss , neben ihm ein anderer Cardinal viel-
leicht der Camerlengo , da Sixtus damals keinen andern Nepoten
hatte. Hinter Piatina sieht man zwei päpstliche Verwandte,
wie man glaubt Giovanni della Rovere Herrn von Senigallia
Giulianos Bruder, und Girolamo Riario Herrn von Imola. Es
ist ein lebendiges und karaktervolles Werk, welches heute
von der Wand abgenommen die vaticanische Gemäldesammlung
scbmückt und dessen künstlerischem Werth der historische
gleichsteht. Die Inschrift meldet von Sixtus' Verdiensten um
Bauten und Anstalten der Stadt.
»Tempel und Fündlingsasyl, nebst Mauern und Brücken und Plätzen,
Trevis erquickender Quell, alles verjüngt sich durch dich!
Schiffern eröffnest du neu die schützenden Häfen der Vorzeit,
m
Schirmest mit mächtiger Wehr den vaticanischen Berg.
Mehr noch verdankt dir die Stadt. Den Büchern im Staube vergessen
Weihest du würdigen Raum, Sixtus, mit ordnender Hand.«
Das Büchersammeln scheint fiir den Papst grossem Reiz
gehabt zu haben als die sonstige Förderung der Literatur,
denn es wird ihm vorgeworfen dass er das Einkommen der
Universität verkürzte und selbst bei der Ernennung der Lehrer
Käuflichkeit einreissen Uess. Von allen Seiten schaffte er Hand-
schriften und Druckwerke herbei; eine Stelle in Lodovico
i\jiostos Satiren lässt erkennen wie lange nachher noch die
Erinnerung an diese seine Thätigkeit lebendig bUeb. Piatina
war hier in seinem Element. Nach seinem im September 1481
erfolgten Tode zeigte die ilmi ein Jahr darauf gewidmete Ge-
däclituissfeier wie hoch man seinen Verlust anschlug. In Sta
Maria maggiore las der Bischof von Ventimigha in Gegenwart
der Mitglieder der Akademie die Messe, nach welcher Poin-
ponio Leto die Kanzel bestieg die Erinnerungsrede zu halten,
worauf ein Peruginer gleichfalls von der Kanzel Verse zum
V. Reumont . Rum. III. 23
354 Opposition gegen die Paganisirung der Wissenschaft.
Lobe des Todten recitirte. An dieser Verwendung einer Kirche
zum akademischen Hörsaal scheint man doch Anstoss genom-
men zu haben. Ein Gastmal vereinigte dann die Theilnebmer
in dem Hause welches Piatina sich auf dem Esquilin gebaut
hatte . und das später vom Cardinal Girolamo Basso della Ro-
vere gekauft wurde. Die dabei von den Akademikern recitirten
Verse wurden nachmals von dem Veranstalter des Festes, Pia-
tinas Zögling Demetrio von Lucca gesammelt und veröffent-
Ucht. Schon hatte das akademische Leben die Formen ange-
nommen die es in Italien bis auf unsere Tage bewahrt hat.
Während die Paganisirung der Wissenschaft in Rom keinen
Anstoss mehr zu erregen schien, war der Horizont mit schweren
Wolken umlagert. Die Geschichte der Regierung Sixtus' IV.
hat den zerrissenen Zustand Italiens an den Tag gelegt Die
Unternehmungen der Türken , gegen welche Pierre d'Aubusson
Rhodus vertheidigte und die eben damals, im Jahre 1481,
wieder aus Otranto verjagt wurden, mahnten zum Frieden,
aber Friedensschlüsse führten nur zu neuen Kriegen. Schon
begann in Florenz die Opposition gegen das welthch heid-
nische Treiben in Literatur und Leben. Fra Girolamo Savona-
rola, damals ein noch unbekannter Mann, durch den Krieg
gegen Herzog Ercole von Este aus seiner Heimat Ferrara nach
Toscana verschlagen wo das Dominicanerkloster von San Marco
ihn aufnahm , erhob in der Kirche San Lorenzo zum erstenmal die
Stimme die der von den Medici geförderten Richtung so gefähr-
lich werden sollte. Er blieb damals beinahe unbeachtet, während
die Menge nach Sto Spirito strömte, wo ein Augustinerbruder
Fra Mariano von Genazzano in der römischen Campagna, ein
Günstling Lorenzos des Erlauchten Predigten mit dem rhetori-
schen Pomp akademischer Dissertationen hielt. Doch bereits
war in ihm das Bewusstsein aufgestiegen dass die Eleganz der
Worte dem Ernst der Lehre weichen müsse, dass das Wesen
des Christenthums mit seiner Ethik ernstlich bedroht sei In-
dess schritt man sorglos auf diesem Wege fort Sixtus IV..
der mit Florenz und den Medici so leidenschaftlich gekämpft
hatte, lebte noch als die Arnostadt ihren alten Primat in der
Literatur mit einem Glänze geltend machte, der Rom in Schatten
stellte, einerseits wesentUch in derselben Richtung in welcher
auch Rom befangen war, andrerseits vom Wehen eines neuen
Geistes belebt von welchem Rom noch nichts spürte.
k
Lorenzo de' Medici und die nationale Literatur. 355
Was unter Cosimo dem Alten ausgesäet worden war« schoss
unter seinem Enkel zu üppiger Bl&te auf. Die Herrschaft Lo-
renzos de' Medici ist für Florenz eine yerhängnissvoUe Glanz-
periode gewesen. Nicht blos schwand der Rest von Freiheit
derComune, sondern die Freiheit wurde durch eine fortschrei-
tende Corruption unmöglich gemacht, wie die Geschichte der
nachmaligen Versuche ihrer Wiederherstellung bewiesen hat
Während Lorenzo stufenweise vollendete was Cosimo begonnen
hatte, und unter dem Schein republikanischer Formen die Ver-
fassung in demselben Maasse zugrunderichtete wie das Ver-
mögen seiner Famihe, machte er sich gewissermaassen zum
Dictator der öffentlichen Meinung. Nicht auf die PoUtik allein
hat sich dies erstreckt: in geistiger Beziehung ist seine Dicta-
tur nicht minder unbeschrankt gewesen. Der Mann der in noch
jungen Jahren das Föderativ- und Gleichgewichtssystem in
Italien zur Geltung brachte, er der zur Durchführung seiner
politischen Zwecke selbst die der Stadt auf Treu und Glauben
anvertrauten Gelder der Privaten nicht schonte, leitete mit
MarsiUo Ficino die Sitzungen der Akademie welche zur Stutze
des Christenthums Piaton und Porphyrius, Virgil und die Si-
byllen herbeizog, wetteiferte mit Petrarca in lyrischen Ge-
dichten welche jedenfalls über allen andern des fünfzehnten
Jahrhunderts stehen, stimmte in Carnevalsliedem den ausge-
lassensten Ton antiker Satumalien an, gewährte der Kunst
eben in seinem Hause erblichen Schutz, den man wie sein
ganzes geistiges Wirken zu hoch gestellt hat, da er sich mit
dem seines Grossvaters nicht vergleichen kann, an den sich
aber doch wie an manche Erscheinungen des Lebens dieses
merkwürdigen imd ^begabten Mannes schöne Erinnerungen
heften.
Die nationale Literatur war während des ganzen fünf-
zehnten Jahrhunderts zurückgedrängt gewesen: Franco Sacchetti,
der noch dessen Anfang erlebte, hatte recht geahnt. Nicht
als hätte es an Männern von Geist und Talent gefehlt welche
in die Fussstapfen der grossen Trecentisten traten, nicht als
wäre der Sprache welche diese zu solcher Meisterschaft er-
hoben, mit einenunale jener Adel und jene Feinheit, Anmuth
mit Reichthum vereint verloren gegangen, die sich von Dante
bis zu Boccaccio in so überraschender Weise entwickelt hatten.
Aber einerseits hatte der ganze Ideengang eine Richtung
23*
356 Einwirkung des Humauismus auf die Vulgai'sprache.
genommen die dem überwiegend christUchen Element, welches
bei dem grossen Vater der italienischen Poesie alle antiken
Anschauungen überwog und färbte, schnurstracks entgegenlief
und zugleich das nationale Bewusstsein ausschloss, da diese
modernen Heiden nicht in dem Sinne antik -römisch waren,
wie die poUtischen Träumer vorausgegangener Zeiten. Andrer-
seits musste die classische Exclusivität der Humanisten am
Ende auch auf die Sprache einwirken, nicht auf die des Volkes
das in Toscana namentUch nicht ohne eine volksthümliche
Literatur bUeb , sondern auf die der itaUenisch - schreibenden
Gelehrten die sich eine mehr oder minder neue Sprache zu
schaffen versuchten. Weniger als anderswo drang dies in Tos-
cana durch. Aber in Toscana selbst stand es schlimm genug,
wenn Francesco Filelfo , welcher übrigens selber achtundvierzig
Gesänge in achtzeiligen Stanzen zum Lobe Johannes des Täu-
fers dichtete, im December 1450 in Sta Maria del fiore eine
Rede halten musste, Dante gegen seine gelehrten Nebenbuhler
zu vertheidigen die ihn einen Poeten für Schuster und Bäcker
nannten, wozu unter andern der eifrige Handschriftensammler
Niccolö NicoU geneigt war; wenn Cino Rinuccini, ein Floren-
tiner von vornehmem Geschlecht, Dante, Petrarca, Boccaccio
gegen ähnliche wegwerfende Urtheile vertheidigen musste, wenn
man von Letzteren nichts annehmen wollte als ihre ungünstige
Meinung von jener Sprache, durch deren Gebrauch, nicht aber
durch ihre lateinischen Werke sie unsterblich geworden sind.
In welchem Maasse das Bestreben , die Vulgarsprache antiken
Gesetzen der Grammatik und Metrik zu unterwerfen , was selbst
Einsichtige für nöthig hielten, diese Sprache entstellte und
den lächerlichsten Galimatias schuf, zeigt .eine im October 1441
während des Aufenthalts Papst Eugens IV. in Florenz im dor-
tigen Dom stattgefundene poetische Preisbewerbung, deren
Aufgabe das Lob der wahren Freundschaft war. Piero de
Medici und Leon Batista Alberti hatten die Sache angeregt;
die päpsthchen Geheimschreiber sollten Preisrichter sein: die
Signorie, Gesandte, Prälaten, Volk waren anwesend. Und
hier gab Leonardo Dati, der schon genannte nachmalige Bischof
von Massa, ein Poem zum Besten, welches in Hexametern und
sapphischen Strophen eine Sprache redet die von Keinem je
vernommen, von Keinem verstanden worden ist, Latein in
italienischen oder italienisch sein wollenden Worten, ein
^
Lorenzo de' Medici. Angelo Poliziano. 357
Meisterstück lächerlichster Geschmacklosigkeit. Wenn Andere
sich nicht zu diesem barbarischen Unsinn verstiegen, welcher
zwei Sprachen zugleich ins Gesicht schlug, wenn, abgesehn von
eigentlich volksthümlicher Dichtung, Poesie höherer Gattung
einen verschiedenen Ton anschlug, so macht doch Matteo Pal-
mieris »Vita civile« , diese Divina Commedia des fünfzehnten
Jahrhunderts, den immensen Rückschritt klar. Und nicht der
Poesie allein war*s so ergangen. Die Prosa war noch schlim-
mer daran. Diese Gelehrten welche ihre Zeit beherrschten,
schrieben, wenn sie nicht wie Alberti und einige andere Flo-
rentiner in sich gingen und ihren grossen Vorgängern die Ehre
gaben, das greuUchste Gemisch von Latein und Vulgarsprache,
barok und affectirt, ohne Fluss, ohne Anmuth. In solchem
Zustand fand Lorenzo de' Medici die entnationalisirte Literatur.
Wenn seine eignen Werke theilweise vielmehr den Eindruck der
Nachahmung der Lyrik des Trecento als den der Ursprünglich-
keit machen, so trug er doch mächtig dazu bei, den Unterschied
zwischen zwei Gattungen Poesie, von denen die eine vom Volke
nicht verstanden ward weil sie dem Volksgeist entfremdet war,
die andere in TriviaUtät unterzugehn drohte, verschwinden zu
machen. Die unmittelbar auf ihn folgende Zeit hat dies Ver-
dienst einseitig karakterisirt, indem sie rülimte, (Lorenzo de'
Medici und mit ihm Poliziano hätten sich zuerst wieder von
niedriger und plebejischer Weise zu höherm Fluge erhoben.
Der Freund und Förderer der Platoniker wurde zugleich der
Wiedererwecker wahrer nationaler Dichtung.
Wenn aus dem Kreise Lorenzos Keiner hervorgegangen
wäre als die Beiden die seiner innigsten Freundschaft genossen,
Angelo Pohziano und Luigi Pulci , so würde dieser Kjreis schon
einen bedeutenden Abschnitt in der Geschichte der italienischen
Literatur bezeichnen. Beide verkünden gleich dem Mediceer
die Poesie des sechzehnten Jahrhunderts — Beide sind zu-
gleicli im Guten wie im Schlimmen Zeugen des Einflusses wel-
chen der Classicismus auf Geist und Anschauungen geübt hat.
Poiizian, der gelehrteste unter den Literaten seiner Zeit, er
dessen Prosa noch an allen Gebrechen krankte welche damals
bei den Gelehrten Mode waren, zeigte sich in seinen Ottaverime
als Meister acht -italienischer Metrik. Er verstand in dem er-
sten melodramatischen Versuch, dem Orpheus, antike Mythen
mit modernem Faschings treiben vermengt dem hochgebildeten
358 Pulci und Bojai*do.
Publikum mundrecht zu machen und suchte, wie einst Boc-
caccio die Prosa, die Sprache der Poesie classischen Mustern
nachzubilden; aber er legte zugleich in seinen kleinen Gedich-
ten, in den »Rispetti« und »Ballate« eine Frische, Anmutb,
Manchfaltigkeit an den Tag, die nach langer WandeniDg
durch die verschnittenen Taxushecken eines Wintergartens
wie Frühlingsluft auf blumenreicher Au anwehen. Pulci ver-
kündete das romantische Heldengedicht, indem er die durch
Volksbücher bekannt gewordenen Stoffe aus dem Sagenkreise
Carls des Grossen poetisch verarbeitete. Sein Morgante ist in
seiner voUbewussten , an keine dichterische Regel noch Gesetz
gebundenen Beherrschung dieser Stoffe ein Gemisch von Ernst
und Ironie, von Christenglauben und Heidenthum, von bibh-
sehen Texten und spöttischer Skepsis, von Feinheit und Ge-
schmacklosigkeit, von gesundem Menschenverstand und tollem
Unsinn, welches wol als ein Spiegel einer Zeit gelten kann, in
welcher die mittelalterlichen Anschauungen des Volkes mit der
vom Christenthum mehrundmehr abgewandten gelehrten Bil-
dung den grellsten Contrast bildeten und die Reaction gegen
letztere unvermeidUch herannahte. Wenn bei Pulci das Bur-
leske vorherrscht, so geht ein gleichzeitiges dichterisches Werk,
in welchem das Wunderbare in den Erfindungen und Schilde-
rungen ernsthafter auf Wirklichkeit und Glaubwürdigkeit An-
spruch macht, um einen Schritt weiter auf der epischen Bahn.
Der verliebte Roland Matteo Maria Bojardos, eines classisch
gebildeten den höchsten Ständen angehörenden Mannes, bei
dem im Jahre 1494 erfolgten Tode seines Verfassers nicht voll-
endet, ist das Prototyp der Epopöen des Cinquecento, welche
sich gleich diesem Vorbilde, mag das profane oder das reli-
giöse Element in ibrem Ritterthum vorherrschen, von dem
Karakter der Hofpoesie nie ganz freizumachen vermögt haben.
Rom war weit entfernt beim nahenden Schluss des Jahr-
hunderts mit so glanzenden Erscheinungen zu wetteifern. Unter
Innocenz VIII. und Alexander VI. blieben die Dinge so ziemlich
in den alten nun ziemlich ausgefahrenen Geleisen. Ja eine Ab-
nahme von Leben und Bedeutung ist ersichtUch. Die verwil-
derten Zustande der Stadt während eines Theils von Innocenz*
Regierung, die fast ausschUesslich der Pohtik und dem Nepo-
tismus in seiner crassesten Gestalt gewidmeten Bestrebungen
Alexanders erklären eine solche Erscheinung. Jener war nicht
i
UeberschwängHchkeit der Poeten. 359
ohne literarische Tendenzen. Angelo Poliziano übersetzte für
ihn Herodians römische Geschichte ins Lateinische und der
Papst lohnte ihm im August 1487 die Arbeit durch ein Ge-
schenk von zweihundert Ducaten, um ihn, wie er schrieb und
an Lorenzo de' Medici wiederholte, in Stand zu setzen solchen
Studien ungestört obzuliegen. Eine Gunst welche Polizian
durch eine schöne nicht blos in der Sprache an das Alter-
thum erinnernde sapphische Ode vergalt. Wie Poeten und
Prosaiker selbst bei banalsten Anlässen in profaner Ueber-
achwänglichkeit wetteiferten , zeigt das Beispiel dieses begabte-
sten Dichters der ganzen Zeit, von deren Untugenden aber
auch ihm in Schriften und Leben so vieles anklebte. In seiner
Jugend hatte er in lateinischen Distichen den Einzug des Car-
dinais von San Sisto, Pietro Uiario besungen, welchem sein
Oheim Sixtus IV., damals noch in gutem Einvernehmen mit
den Medici , das florentiner Erzbisthum verliehen hatte. Grosse
Dürre hatte geherrscht, aber schwere Wolken waren herauf-
gezogen und der Poet schildert wie die Sonne mit sich selber
kämpfte, indem sie den Einzug gerne mitangeschaut hätte, dem
Einziehenden aber nicht lästig werden wollte. Da brach noch
im rechten Moment ein tüchtiger Platzregen herein, der der
Trockenheit ein Ende machte, die Luft erfrischte. Das war
für den Dichter Stoff!
■ Wer, o Sixtus, verneint dass du zu den Göttern gehörest.
Da dein Wille zugleich Himmel und Erde beherrscht?«
Man braucht sich nicht über die Inschriften zu wundern
welche Alexander VI. bei seiner Erhebung begrüssten, aber
man kann nicht umhin sich der »Coniuratio Pactiana« zu er-
innern welche derselbe Polizian fünf Jahre später schrieb. Als
der Cardinal ihm für die Verse dankte statt ihm Geld zu ge-
ben, erbat er sich letzteres:
■Sixtus, ich habe dir Worte geschenkt: es ist Gabe des Dichters;
Dir ziemt klingender Lohn: Worte nur giebst du zurück.
Hättest du recht ihm gelohnt, der dich einst zu den Göttern gesellte,
Zeus schon wärest du ihm in dem melodischen Wort.«
Bonifazio Simonetta, Neffe des einst am sforzaschen Hofe
allmächtigen Cicco und Verfasser einer Art Kirchen- und Papst-
geschichte seit dem h. Petrus, hatte bei Innocenz schon bevor er
360 Gelehrte in Rom in Alexanders \^. Zeit.
den h. Stuhl bestieg Aufnahme gefunden. Als Bartolommeo Man-
fredi Piatinas Nachfolger im Jahre 1484 starb, trat an seine Stelle
Cristoforo Persona Prior der GugUelmiten von Sta Balbina auf
dem Aventin. In seiner Jugend hatte er , ein geborener Römer,
eine literarische Reise nach dem Orient unternommen und sich
nachmals vorzugsweise mitUebersetzungen griechischer Kirchen-
väter beschäftigt, aber auch den Byzantinern sich gewidmet
indem er Procopius und Agathias übertrug. Von den nach-
folgenden Vorstehern der Bibliothek unter denen zwei Spanier
genannt werden, ist wenig bekannt Innocenz VIII. scheint in
Bezug auf die Handschriften liberalen Grundsätzen gehuldigt
zu haben, da er auf Lorenzos de' Medici Empfehlung mehre
derselben an Poliziano lieh, was Raffael Maffei veranlasste
sich mit ähnlicher Bitte an Sigismondo Conti zu wenden. Die
Bibliothek scheint aber doch durch solche Bewilligungen Ver-
luste erlitten zu haben.
Zahlreiche Gelehrte besuchten Rom zu kürzerm oder
dauerndem Aufenthalt. Zu letzteren gehörte der ebener-
wähnte Raffael Maffei von Volterra der erst um die Zeit des
Todes Leos X. starb, dessen Bildung aber der hier in Betracht
kommenden Epoche angehörte. Ein fleissiger und gewissen-
hafter Autor der sich ausser mit Zeitgeschichte und theologi-
scher Literatur viel mit römischen Antiquitäten beschäftigte, in-
dess mit weniger Localanschauung als Pomponio Leto und nicht
mehr Kritik als dieser. Eine bei weitem tüchtigere gelehrte
(irundlage, obgleich wie alle älteren Arbeiten dieser Art auf
den falschen Regionarien fussend, hat die Topographie des
alten Rom von einem andern Toscaner Bemardo Rucellai, der
indess nicht in gleichem Maasse wie Maffei Gelegenheit hatte
Boden und Monumente der Stadt Jalirelang zu studiren. Denn
ihn, den Schwager Lorenzos de' Medici, dessen Grossvater
Cosimo ihn über der Taufe gehalten hatte, nahmen Staats-
geschäfte so in seiner Vaterstadt wie auf wiederholten Am-
bassaden in Anspruch, während die platonische Akademie, zu
deren Sitzungen er nach Lorenzos Tode seinen berühmten
mit antiken und modernen Monumenten geschmückten Gar-
ten (Orti Oricellari) öffnete, seine literarische Müsse aus-
füllte, .le bestrittener die Verdienste sind welche Rucellai
sich durch staatsmännische Thätigkeit um seine Heimat erwarb,
umso grössere Anerkennung heischen seine literarischen Werke
t
B. Rucellai. B. Fönte, Gio. Pico, Adriano Castcllesi. 361
welche, auch der gleichzeitigen Geschichte, namentlich jener
des neapolitanischen Zuges Carls VIII. gewidmet, his in den
Anfang der Regierung Leos X. hineinreichen und ein glänzen-
des Zeugniss der damals unter den ersten Standen in Florenz
lierrschenden Bildung ablegen. Ein anderer Florentiner, Bar-
tolommeo Fönte, dessen Jugendbildung zum Theil Rom ange-
hört, auf Cardinal Zenos Veranlassung in Sixtus' IV. Zeit nach
Rom als Lehrer berufen, wo er indess nicht lange verweilte,
war auch eifriger Sammler von Antiquitäten und Büchern für
sich wie für Andere. Schlecht bekam der römische Aufent-
halt einem berühmten Mitgliede des florentinischen Kreises,
dem »Phönix der Geister«, dem angestaunten Wunder sei-
ner Zeit aber auch Meister abstruser unnützer Gelehrsam-
keit. Als Giovanni Pico della Mirandola dreiundzwanzigjährig
im Jahre 1486 nach Rom kam und eine öffentliche Disputation
über neunhundert Propositionen verkündete, zu denen Magie
und Eabala, Chaldäa und Arabien ihr Theil geliefert hatten,
witterte man Ketzerei, und erst Alexander VI. befreite den
jungen Mann zwei Jahre vor seinem frühen Tode von inquisi-
torischen Quälereien. Die Sitte oder vielmehr die Sucht sol-
cher Disputationen war ein Zeichen der Zeit, welche dieselbe
aus dem vorausgegangenen Jahrhundert überkommen aber sehr
ausgebildet hatte. Man stritt mit Leidenschaft über philoso-
phische selbst über theologische Gegenstande. Galeotto Marzio
von Nami der sich gleich manchen anderen Italienern am Hofe
Matthias Corvinus' eine schöne Stellung schuf, hielt in Rom
ein Disputatorium über die Unsterblichkeit der Seele, und in
der Hitze gerieth er, wie mit und nach ihm manche Andere,
/n so gewagten Propositionen dass die Inquisition sich darein
mischte. Sixtus IV. war es der Marzio aus dem Kerker befreite.
Der glänzendste Geist des römischen Kreises beim heran-
nahenden Schluss des Jahrhunderts war der Cardinal von
('orneto. Adriano Castellesi darf für den elegantesten Huma-
nisten am päpstUchen Hofe gelten. Sein Latein rühmte man
als ciceronisch. Sein an Cardinal Ascanio Sforza gerichtetes
Lehrgedicht von der Jagd und seine poetische Beschreibung
des Zuges Julius' IL durch die Romagna , worin Schilderungen
der Localität jenen der Thaten des Papstes mit geschickter
Hand angereiht sind, wurden mehrmals und noch im sieb-
zehnten Jahrhundert gedruckt, sein dem Cardinal Grimani
362 Litcrainsche Fälschungen.
gewidmeter Tractat über den Gebrauch der lateinischen Sprache
selbst noch im achtzehnten. Für sein Hauptwerk galt das
Buch »von der wahren Philosophie nach den vier Kirchen-
vätern« welches zuerst im Jahre 1507 erschien. Blickt man
auf die zahlreichen amtlichen Beschäftigungen und auf das be-
wegte unstäte Leben dieses Mannes zurück, dessen Name
heute noch auf einem andern als dem kirchUch - poUtischen
oder dem hterarischen Felde genannt wird, so kann man nicht
umhin die Elasticität seines Geistes wie sein ungemeines Talent
und seine Kenntnisse zu bewundern.
Das herrschende Interesse am Alterthum in Geist und
Form, wie das gewissermaassen den alten Glauben und die alte
Zucht verleugnende fünfzehnte Jahrhundert sie darbietet, zeigte
noch andere Auswüchse als den verderblichen Einfluss den es
auf Wissenschaft und Sitte äusserte. Schon hatte die Zeit
der literarischen Betrugereien begonnen. Der Humanisten-
epoche gehört die durch Interpolationen bewirkte Umwand-
lung der in der Geschichte der Imperatoren erwähnten ältesten
topographischen Urkunden in die Texte der sogenannten fal-
schen Regionarier. Eine Umwandlung, deren ersten Spuren
wir in Biondo Flavios, dann besonders in Pomponio Letos
Tagen begegnen, ohne die Theilnahme Einzelner mit Gewiss-
heit feststellen zu können , während der Abschluss dieser Texte,
-wie sie bis auf die neuere Zeit die Topographen irregeführt
haben, dem folgenden Jahrhundert, Onofrio Panvinio und seinen
Zeitgenossen beizumessen ist. Die eigenthümlichste Erscheinung
anderer Art war Fra Annio von Viterbo der vielbesprochene
Fälscher, welcher im Jahre 1498 seine selbstfabrizirten Ent-
deckungen bekanntmachte die nicht weniger als siebzehn an-
gebUche alte. Autoren umfassten. Diesen Mann ernannte Alexan-
der VI. ein Jahr darauf zum Maestro del sacro Palazzo. Frei-
lich waren damals die seine Apokryphen vernichtenden Kritiken
noch nicht erschieneb. Die ganze literarische Bildung der Zeit
fusste unendlich mehr in einer dahingeschwundenen als in der
wirklichen Welt, und fälschte den Maassstab für die Beurthei-
lung und Schätzung der einen wie der andern. Während der
jahrhundertelang brachliegende Boden Roms und seiner Um-
gebung, dessen sichtliche Monumente mehrundmehr geschwun-
den waren, die Schätze seines Innern herauszugeben, die
dürftigen Anschauungen alter Kunst zu mehren begann, ist es
Die Mädchenleiche der Via Appia. Die Epigraphik. 363
t
nicht zum Verwundem dass ein Ereigniss wie das vom März
1485 eine Begeisterung wecken musste, deren Nachhall wir
selbst ferne von Rom vernehmen. Lomhardische Maurer ent*
deckten beim Graben auf dem weiten Trümmerfelde an der
Appia welches den Namen Roma vecchia fuhrt, auf der den
Olivetanern von Sta Maria nuova gehörenden Tenuta Statuario
ein antikes Grab, darin einen verzierten Sarkophag mit der
Ane es scheint vollständig erhaltenen Leiche eines jungen
Mädchens, angeblich mit der Inschrift »lulia Filia Claudi«,
eine Inschrift die nicht verhinderte dass man Ciceros Tochter
Tullia gefunden zu haben wähnte. »Ihr goldenes Haar war
mit grünem Seidenbande zusammengehalten und mit vielen zu
einer Krone geformten Edelsteinen geschmückt. Der Leib der
angeblich in einer Flüssigkeit lag, war so wohl erhalten dass
der Tod erst Tages zuvor eingetroifen zu sein schien. Die
Lombarden machten sich mit allen Kostbarkeiten davon.« Die
Leiche wurde nach dem Conservatorenpalast gebracht; gauz
Rom gerieth in Bewegung und Exstase. In Innocenz VIII.
scheint Besorgniss vor Volksheidenthum aufgestiegen zu sein,
das ihm mehr Bedenken als das literarische einflössen mogte.
Er liess die Leiche deren Angesicht übrigens infolge der Be-
rührung mit der Luft alsbald geschwärzt ward, zur Nachtzeit
vor Porta Pinciana heimUch wieder vergraben.
Inmitten des vielseitigen Studiums des Alterthums konnte
die Epigraphik nicht stationär bleiben. Während Poggios und
Nicola Signorilis Sammlungen, von welcher letztern Cardinal
Giordano Orsini ein Exemplar besass, mehr als man gestand
benutzt wurden , während die des Ciriaco Anconitano entstand,
begegnen wir andern, auch von Solchen die nur vorübergehend
oder gar nicht in Rom weilten. Zu diesen gehörte der Vero-
nese Feüce Feliciani welchem seine Vorliebe für das Alterthum
den Beinamen des Antiquars eintrug, und der mit Andrea Man-
tegna an den Ufern des Gardasees nach römischen Spuren zu
forschen liebte, deren dies schöne Gestade so manche bot.
Gleich ihm stützte sich auch der im Jahre 1492 verstorbene
Carmeliterprior Michele Ferrarini im lombardischen Reggio viel-
fach auf Signorili und Ciriaco. Der Venetianer Giovanni Mar-
canova, der Trevisaner Girolamo Bologni der sich nicht mit
dem Copiren der »Epitafien« begnügte sondern deren Erklärung
versuchte, gingen dem Veronesen Fra Giocondo und Bemardo
364 Die Epigi'aphik. Die Rechtswissenschaft.
Rucellai voraus. Fra Giocondo der durch Lodovico Agnello
Erzbischof von Cosenza auf das römische Alterthum hinge-
wiesen ward, weilte in jüngeren Jahren lange in Rom wo er
als alter Mann den Bau von St. Peter zu leiten bestimmt war.
Seine Inschriftensammlung widmete er Lorenzo de* Medici
indem er bitter klagte, dass ungeachtet päpstlicher Verbote
das Kalkbrennen in Kom aus antiken Marmoren fortwähre.
Poliziano der die Sammlung in Händen hatte, nannte ihn unter
allen Zeitgenossen nicht nur den fleissigsten sondern auch den
kundigsten Abschreiber. Pietro Sabino, der sich demselben
Studium widmete, hing durch seinen Lehrer Sabellicus mit
der römischen Akademie zusammen. Das Haupt dieser Akademie
sammelte nur die Originale; nach diesen haben die Epigraphi-
ker des folgenden Jahrhunderts, so Mazzocchi und der teutsche
Martin Sieder manches copirt. ' Mit jedem Tage mehrte sicli
die Zahl der Inschriften, wenngleich manche wieder ver-
schwanden. Das einzige Beispiel des unter Sixtus IV. theils
ausgegrabenen theils zerstörten Herculestempels im Forum
boarium mit seinen heute im Conservatorenpalast aufbewahrten
Votivinschriften genügt um zu zeigen wie fruchtbar der Boden
sich auch dann erwies, als Nachgrabungen nur gelegentlich
angestellt wurden.
Ausserhalb des eigentlich literarischen Kreises und seines
Zusammenhangs mit Glauben und Denken der Nation, hat die
Wiederbelebung der classischen Studien auf eine der Fach-
wissenschaften grossen Einfluss geübt. Diese Wissenschaft
war die des Rechts. Die mittelalterliche Jurisprudenz hatte
im vierzehnten Jahrhundert ihren Abschluss gefunden. Dem
fünfzehnten schien nur deren Systematisirung und Erläuterung
vorbehalten. Die Quellen des Kirchenrechts endigten mit den
Decretalen Clemens' V. , während den folgenden sogenannten
Extravaganten Johannes* XXII. nie eine den Documenten der
altern Gesetzgebung gleichkommende canonische Geltung zu-
erkannt ward. Die Arbeiten der gelehrten Canonisten bestan-
den in ausführlichen Coramentaren, während die systematische
Umarbeitung des alten gratianischen Decrets durch Cardinal
•Torquemada keine durchgreifende praktische Bedeutung er-
langte. Das bürgerliche Recht hatte in der Schule Bartolos
von Sassoferrato und Baidos von Perugia die Theorien der
Monarchisten, von denen früher schon die Lehrkanzeln des
Die RcohtswisscnsohaA in der Huinanisteiizeit. 365
römischen Rechts auch auf Universitäten in päpstlichen Städten
grossentheils dominirt waren, in voller Schärfe entwickelt.
Andrerseits erfuhr die statutarische Gesetzgebung, während
sie ihre mittelalterUche Grundlage bewahrte, unter zwingendem
Einäuss der wissenschaftUchen Fortschritte so im bürgerlichen
wie im canonischen Recht, eine die municipale Autonomie be-
schränkende , ihren Geist mildernde Umgestaltung von wel6her
die im Jahre 1415 vollendete Reform der florentiner Statuten
durch Paolo de Castro das vollgültigste Muster bietet. Es ist
ein bemerkenswerther Umstand dass die beiden berühmtesten
Kenner so des römischen wie des Statutarrechts in der Zeit
des Schismas in die Debatten über den ominösen Kampf der
beiden Päpste hineingezogen wurden. Denn Baldo schrieb
nicht nur ein Gutachten zur Vertheidigung des Rechtes Papst
UrbansVI., sondern wurde auch zugleich mit Johannes de
Lignano von demselben im Jahre KiSO nach Rom gerufen.
Paolo de Castro aber> um das Ende des Jahrhunderts im
Dienste des Cardinais Piero Corsini und in Paris verweilend,
wirkte im Auftrag des französischen Hofes für die Union, zur
Zeit als die von Frankreich verfugte Obedienzentziehung Bene-
dict XiU. matt zu setzen schien und man Bonifaz IX. zu ent*
gegenkommenden Schritten zu stimmen versuchte.
Der Zustand der Rechtswissenschaft war ein stationärer
geworden und es ^bezeichnet denselben, dass die eigentliche
Kechtspraxis sich wesentUch an die Arbeiten der Juristen des
dreizehnten Jahrhunderts hielt, an die des Bolognesen Rolan-
dino Passaggieri der letzten Hohenstaufenzeit und jene des in
der Geschichte der Päpste in den Tagen der anjouschen Su-
prematie oftgenannten Guillaume Durand. Die neue Richtung
der Philosophie durch die Regeneration der Systeme des Alter-
thums und die Erweckung der kritischen Philologie, die grosse
That des fünfzehnten Jahrhunderts welches dieselbe voll-
brachte als es das Werk der kirchUchen Reform müde aus der
lland zu legen schien, mussten der Rechtswissenschaft neue
Bahnen anweisen, indem sie auch hier die Fesseln der mittel-
alterlichen Schultradition sprengten. Es war die historisch-
kritische Forschung welche zuerst Bahn brach. Denn Philo-
logen wie Traversari, NicoU, Maifeo Vegio, Vallau. A. wiesen
auf die alten Rechtsurkunden und die Nothwendigkeit der
sprachlichen Säuberung und Feststellung der Texte hin. Vegio
366 Nationale Literatur. Annalisten.
ging in seinem kritisch -puristischen Eifer so weit, dass er
nicht blos die Tradition der mittelalterlichen Rechtslehrer bei-
seite zu schieben trachtete sondern von den spätrömischen auf
die ältesten Rechtsquellen zurückgreifen wollte. Mehr eine
antiquarische Velleität als ein wirklicher Plan , aber zur Kenu-
Zeichnung des Zeitgeistes und als Vorbedeutung ähnlicher
künftiger Bestrebungen auf anderm Felde nicht ohne Interesse.
Seltsamerweise findet sich keine Spur der Einwirkung dieser
Tendenzen auf einen der namhaftesten Juristen dieser Epoche.
Es war der Aretiner Francesco Accolti, von einer in der Ge-
schichte der Wissenschaft mit Ruhm genannten Familie, der
unter Sixtus IV. in Rom lehrte und, wie es scheint in seinen
Erwartungen getäuscht, in der florentinischen Streitfrage sich
zu des Papstes Widersachern schaarte. Bei diesem Schüler
Filelfos ist von der Eleganz der philologischen Bildung der
Zeit nichts zu merken. Der philologischen Anregung un-
geachtet bheb indess die juristische Wissenschaft in Lehrsy-
stem und Praxis wesentlich in den alten ausgefahrenen Gelei-
sen. Erst im folgenden Jahrhundert brach sich die eigentUche
theoretische Reform Bahn und auch dann nur allmälig. Denn
Jene selbst welche diese Reform herbeiführten, hielten auf
dem Katheder wie vor dem Forum noch an den Systemen fest
die von ihren Vorgängern auf sie übergegangen waren.
Im ganzen fünfzehnten Jahrhundert scheint die italienische
Literatur in Rom gefeiert zu haben. Was uns von Aufzeich-
nungen über römische Dinge geblieben ist, hat grossen localen
Werth, hält sich aber ganz innerhalb der Schranken kunst-
loser Annalen, so dass in diesem Betracht selbst im Ve^leich
mit der Vita di Cola di Rienzo ein Rückschritt bemerklich ist.
Wir besitzen über die Regierung Papst Eugens FV. die Denk-
würdigkeiten des Paolo di Liello Petroni eines päpstUch ge-
sinnten angesehnen Bürgers aus dem Rion Ponte, dem sich
Stefano Infessura und der sogenannte Notar von Antiporto
oder Nantiporto anreihen. Letzterer über dessen Namen man
nichts weiss, erzählt in seinem Diarium die Begebenheiten
1481 bis 1492. Infessura, im Jahre 1478 Prätor in Orte nacb-
mals Senatsschreiber in Rom , beginnt zwar mit Bonifaz Vlli«
aber erst mit Martins V« und Eugens IV. Tagen gewinnt er
eigenthümlichen Werth, den er namentUch für die Regierungen
der drei letzten Päpste des Jahrhunderts bis zum Jahre 1494
Volksthümliohc Poesie. Passionssplele. 367
behauptet mit welchem er endet. Der ächte Repräsentant der
unverwüstlichen romischen Medisance, hat er Allen die sich an
der Scandalgeschichte vergnügen eben so reichen wenn nicht
reichern Stoff geboten, wie der vielbesprochene Strasburger
Johannes Burcard, Bischof von Orte und Ceremonienmeister
der päpstlichen Kapelle von Innocenz VIII. bis Julius II. Aber
man muss in der Art wie bis auf den heutigen Tag Lügen mit
Wahrheit in der römischen Stadtgeschichte vermengt, das viele
Erlogene durch das wenige Wahre accreditirt wird, wenig be-
wandert sein um solchen Berichterstattern aufs Wort zu glau-
ben, mag die Zeit immer noch so schlimm sein. Die Liud-
prande des fünfzehnten Jahrhunderts fordern ebenso strenge
Kritik wie der des zehnten. Von römischen Dichtern in der
Vulgarsprache sind geringe Spuren geblieben. Es kann nicht
daran gefehlt haben. Die Zeit welche einerseits die aus
sprüchwörtUchen Redensarten, Persönlichkeiten, oft banalen
und theilweise heute unverständlichen Witzen zusammengesetz-
ten Burlesken und Capriccios des florentiner Barbiers Burchiello
und die oft imflätigen CamevalsUeder hervorbrachte, andrer-
seits die geistUchen Volkshymnen, die Mysterien und anderen
Dichtungen Feo Belcaris und seiner Nachfolger ins Leben rief,
diese Zeit musste auch in Rom, wo Burchiello im Jahre 1448
starb, Blüten treiben. Der römische Volksgeist und Volkswitz
hat zu viel Frische, Spitze, EigenthümUchkeit um ganz zu rasten.
Die lateinischen Epigramme womit man Päpste und Nepoten,
wie bei Alexander VI. , mit so furchtbar einschneidender Schärfe
verfolgte, nachdem man sie mit gleicher Maasslosigkeit geprie-
sen hatte, haben ohne Zweifel in der Volkssprache Wieder-
hall geweckt, wenn sie hier nicht ihren Ursprung hatten. Für
die bänkelsängerische Epopöe welche zuerst Pulci mit einem
wenngleich zweideutigen Adel ausstattete, war der römische
Boden günstig. Benedetto von Cesena der ein Gedicht von
der Frauenehre in Terzinen schrieb , wurde von Nicolaus V.
zum Dichter gekrönt, ob in Rom selbst, ist freilich nicht be-
kannt. Das Theater hatte mit den Passionsspielen begonnen.
Griuliano Dati ein in Rom heimisch gewordener Florentiner,
Pönitentiar der lateranischen Basilika dann Bischof von San-
leone in Calabrien, verfasste mit dem Römer Bernardo di Ma3tro
Antonio und Mariano Particappa für die Brüderschaft des
Gonfalone das älteste jener Mysterien wovon in der Geschichte
368 Theatralische Darsteihmgen.
des vierzehnten Jahrhunderts die Rede gewesen ist. Der erst«
Druck ist vom Jahre 1501, aber die Abfassung erfolgte viel-
leicht nicht lange nach Feo Belcaris Abraham und Isaak,
dessen Aufführung in der Kirche von Cestello zu Florenz 144!)
stattgefunden hatte. Bei dem mehrgenannten cölnischen Reisen-
den Arnold von Harff findet sich eine Erwähnung der Dar-
stellungen im Colosseum vom Jahre 1497. »Auf dem Platz
im alten Palast sahen wir am Charfreitag imseres Herrn Jesu
(Christi Passion spielen, Alles von Lebenden mit Geisselung.
Kreuzigung und Judas' Tod durch Erhängen. Die Darsteller
waren reicher Leute Kinder und es ging Alles gar ordent-
lich und köstUch zu.«
Unter Sixtus IV. hatte hier wie überall in Italien der Ge-
schmack an theatralischen Darstellungen reissend zugenommen.
Die höchsten Würdenträger der Kirche wetteiferten mit ge-
lehrten Gesellschaften. Das halbreligiöse halbprofane Volks-
theater wetteiferte mit dem classischen. Cardinal Pietro Riario
tliat sich durch Begünstigung des erstem hervor. Bei Anwesen-
heit der Herzogin Eleonore von Ferrara Uess er 1473 die Ge-
schichte der Susanna dramatisch auffuhren, dann aus der alt-
römischen Historie die Ueberbringung des Welttributs an Cäsar,
worauf geistliche Sujets folgten. Mit grösserem Eifer nahm
sich Cardinal Raffiael Riario des lateinischen Theaters an, wo-
bei ihm Pomponio Letos Akademie zu Hülfe kam. Die Ge-
nossen derselben führten sowol classische wie moderne Ko-
mödien auf. Anfangs geschah es im Hofe von Letos Hause,
wo Plautus und Terenz und neuere Dramen gespielt wurden,
dann im »Circus«, vielleicht das Colosseum da von einer Cavea
und von bedecktem Zuschauerraum die Rede ist. Im Cameval
1485 spielten die Akademiker im Hofe des vaticanischen Pa-
lastes ein Drama aus Constantins des Grossen Geschichte. Die
Cardinäle waren zugegen, Innocenz VIU. schaute aus eineui
Fenster zu. Ein zum päpstUchen Hofe gehörender Genuese
der die Hauptrolle gab, wurde so bewundert dass der Nanie
(Konstantin ihm bis an sein Lebensende blieb. Auch in der
Engelsburg liess RafTael Riario vor dem Papste spielen; schon
sah man gemalte Decorationen. Als die Kunde der Eroberuns;
Granadas im Jahre 1492 in Rom ankam, dichtete Carlo \e-
rardi von Cesena Alexanders VI. Secretär der Breven ein diesen
Stoff behandelndes Drama, welches Cardinal Riario in seinem
Aufaiige der Architektur der Reuaissaxice. 369
Paläste auffuhren liess, in Gegenwart von Cardinälen, Curialen
und zahlreichen anderen Zuschauern. Das Stück war in latei-
nischer Prosa, der Prolog in iambischen Versen. Von der
Natur des wahren Uramas hat dasselbe , welchem ein anderes in
lateinischen Hexametern »Femandus serbatus« von einem Nefieu
des Autors folgte, indess ebensowenig an sich wie die latei-
nischen dramatischen Versuche des vierzehnten Jahrhunderts,
welche, wenn sie auch moderne Sujets behandeln, kaum
anderes als aneinandergereihte Erzählungen sind mit schwachen
Versuchen des Dialogs. Die classische Komödie machte dann
die Runde an den oberitalischen Fürstenhöfen und weckte wenige
glückliche Nachahmer. Das italienische Theater hatte jedoch
bereits begonnen. Der schon erwähnte Orpheus Angelo Po-
lizianos, wie es scheint gegen 1480 auf den Wunsch Cardinal
Francesco Gonzagas gedichtet und in Mantua aufgeführt, hat
zwar vom eigentlichen Drama wenig an sich während Idyll
und Lyrik vorherrschen, enthält aber doch in Dialog und
Chören die Keime des spätem Schauspiels, das somit von
einem der elegantesten Geister des scheidenden fünfzehnten
Jahrhunderts eingeführt wurde.
6.
WIEDERAUFLEBEN Kt^NSTLERISCHER THITIGKEIT.
DIE ZEIT NICOLAUS* V.
Lange hatte die Kunst in Rom gefeiert. Als mit Martin V.
Ruhe und Sicherheit zurückkehrten, waren auch die schönen
Künste in deren Gefolge. Sie begleiteten den Papst von Tos-
cana her, wo sie in voller Blüte und freudiger Entwicklung
begriffen waren. Aber diejenige unter ihnen welche zu den
Umwandlungen in Leben und Schaffen im nächsten und sicht-
barsten Wechselverhältniss steht, die Architektur, brachte
nach Rom die praktische Entwicklung und Anwendung der
Eindrücke und Lehren zurück die sie hier gewonnen hatte.
Die Bewegung die sich auf literarischem Gebiete kundgab,
hatte zu gleicher Zeit und in gleichem Maasse die Kunst er-
2:riffen. Die italienische Gothik, welche sich bald nach ihrer
▼. Rcumont, Rom. lU. 24
370 Filippo Bnmellesco in Rom.
Einführung auf eine von den Stilgesetzen des Nordens ab-
weichende Weise entwickelt und auch der Schwesterkunst der
Malerei gegenüber eine andere Stellung eingenommen hatte,
bahnte selbst zur Wiederaufnahme der antiken Motive deo
Weg. Während mit Petrarca und Boccaccio der Humanismus
auf den Kampfplatz trat, baute Orcagna, noch in Halle uod
Tabernakel von Or San Michele ein Meister dieser Gothik, die
Loggia de' Lanzi in welcher die antikisirende Formbildung ent-
schieden den Sieg davonträgt. Die um den Anfang des fiiiif-
zehnten Jahrhunderts wiedererwachte Beschäftigung mit den
altrömischen Bauwerken musste dies Streben mächtig fördern.
Die naive Erzählung des anonymen Biographen Fihppo Bru-
nellescos, welcher diesen noch gesehn hatte obgleich er erst
viele Jahre nach dessen 1446 erfolgtem Tode geschrieben haben
kann, zeigt uns den grossen Florentiner Jahre lang vor 140i
in Rom mit Aufsuchen, Vermessen, Zeichnen der Bauwerke
beschäftigt. »Mit seinem geistigen Auge, sagt er, erkannte er
die Regeln der Baukunst der Alten, ihre Symmetrie, ihre yoq
der damaligen Praxis verschiedenen Gliederungen. Er studirte
Disposition und Construction der Gebäude, die BestimmuDgeii
der einzelnen Theile, die Bogen, die Ornamente, die musika-
lischen Proportionen, die Kunst des Mauerwerks; er erforsclitt
die Werkzeuge und Gerüste deren die alten Meister sich be-
dient hatten. So gelangte er zu einer Menge Anschauungen
und Schlussfolgerungen die seit dem Alterthum keinem klar-
geworden waren.« Man sieht Brunellesco und seinen Gefährten
den Bildhauer Donatello , wie sie , zu Hause mit Gdldschmiede-
arbeit ihren Unterhalt verdienend , auf ihren Wanderungen im
alten Rom Nachgrabungen veranstalten, Fuss und Boden ver-
schütteter Trümmer bloszulegen, sodass sie dem Volke als
Schatzgräber erschienen, wie denn, fiigt der Biograph hinzo.
inderthat Münzen, bisweilen selbst goldene, Gemmen und Ca-
meen und anderes gefunden zu werden pflegen.
Auch während spätem wiederholten Aufenthalts in Rom
beschäftigte Brunellesco sich vorzugsweise mit dem Messen
antiker Bauwerke und dem Studium ihrer Wölbungen, ein
Studium welches namentUch seine Domkuppel zu erkenneo
giebt, die freilich, auch nach seiner eignen Erklärung, auf
ganz anderen Gesetzen als die des Pantheon beruht, während
die Anschauung der grossartigen Basihken für seine EircfaeD
Toscanische Architekten in Rom. 371
Frucht trug, die ein Beispiel sind wie ein genialer Mann eine
gegebene Form modificirten Anforderungen anzupassen versteht.
Seine Zeichnungen römischer Bau- und Sculpturwerke waren
leichte ohne ängstliche Sorgfalt (» grossamen te«) entworfene
Skizzen, wie bald darauf die des Ciriaco Anconitano, dann
jene des Giuliano da Sangallo, des Francesco di Giorgio, des
Bramante und Baidassar Peruzzi, welche, so schwer es bis-
weilen ist wirkUch vorhandenes von der Restauration zu schei-
den, fiir die Erkenntniss des Zustandes der Monumente im
iunfzehnten Jahrhundert vom höchsten Werthe sind. Wir
\rissen durch Leon Batista Albertis eigne Worte, wie er sich
in das Studium der römischen Bauwerke vertiefte und gleich
Brunellesco Nachgrabungen veranstaltete. Die Kunstgeschichte
dieses ganzen Jahrhunderts, namentlich der späteren Zeiten
desselben, ist reich an ähnüchen Beispielen, von den bei-
den Veronesen Giovan Maria Falconetto und Fra Giocondo
deren Sinn für alte Architektur schon durch die antiken Mo-
numente ihrer Vaterstadt geweckt worden war, von dem Flo-
rentiner Simon del Pollsyuolo der ein Fragment in oder an der
Kirche Sta Maria in Campo Carleo (Spolia Christi) zum Vor-
bild seines berühmten Gesimses am Palast Strozzi wählte , und
wegen seiner anschaulichen Erzählungen von Roms Wunder-
werken den Namen Cronaca erhielt. Auch den Malern kam
der Aufenthalt in Rom in der Art zugute dass sie die alten
Bauwerke studirten. Namentlich von Domenico Ghirlandajo
^ird berichtet dass er die »römischen Anticaglien« zeichnete.
Bogen, Thermen, Säulen, ObeUsken, Amphitheater, nach dem
Augenmaass und ohne Lineal noch Quadrant, aber so richtig
dass man die Grösse des Colosseums nach einer auf der Zeich-
nung angebrachten menschhchen Figur schätzen konnte.
Wenn Rom so durch seine Monumente auf den Umschwung
der Architektur bestimmenden Einfluss übte, so erzeugte es
selbst doch keinen namhaften Künstler. Die Ehre den Bau-
stil der Renaissance eingebürgert zu haben, gehört nament-
lich den Toscanem, welche in Rom zur Anwendung brachten
wozu die Anregung von Rom ausgegangen war. Wenn in
anderen Theilen ItaUens, selbst in dem benachbarten Umbrien.
die Gothik noch langem Widerstand leistete, bis sie durch
italienische Neuerungen und angebliche Correcturen mehrund-
mehr ihrem Grundwesen entfremdet den Platz räumte, so war
24*
372 Karakter der roinischeu Architektur des 15. Jahrhunderts.
hier, wo sie überhaupt nur wenig Fuss gefasst hatte, der Sieg
über sie ein leichter und die Rückkehr zum alten Baustil ent-
schieden, obgleich es das ganze fünfzehnte Jahrhundert hin-
durch namentlich bei Kirchenbauten nicht an mittelalterlicheo
Reminiscenzen fehlte. Der Florentiner Antonio Filarete den
wir bald in Rom beschäftigt finden werden, verklagte zur Zeit
Pius' n., welcher ungeachtet seines Classicismus den germani-
schen Stil schätzte, diesen als eine ärmliche von Barbaren
eingeschmuggelte Manier. Gelehrte Architekten wie Leon 6a-
tista Alberti wirkten als Schriftsteller mit. Das Studium der an-
tiken Werke bUeb aber in seinem Einfluss auf die Production
wesentlich ein freies. Wenn das Detail der römischen Archi-
tektur, die allein man damals kennen lernte, ohne rechte Unter-
scheidung des positiven Werthes der verschiedenen Epocheo
wie ihres relativen Ainspruchs auf Mustergültigkeit maassgebend
wurde, olme jedoch originelle Entwicklung auszuschliessen, so
hielt man sich in der Verwendung solchen Details unabhängig
von gegebenen speciellen Vorbildern, indem der Zweck des neuen
Bauwerks allein die Richtschnur lieferte. Eine verständige
Tendenz welche vorzugsweise zur Belebung und Eigenthüm-
lichkeit des neuen Stils beigetragen, ja ihn als solchen con-
stituirt hat — eine Tendenz deren Spur wir selbst da begegnen
wo sie nicht berechtigt ist, in den von den Architekten dieser
Zeit gemachten Versuchen der Reconstruction antiker Gebäude.
Die in Rom erhaltenen Bauwerke der Renaissance beginneo
erst mit der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, so
dass sich deren Entwicklung hier nicht wie in Florenz verfol-
gen lässt. In einer Epoche in welcher der Centralbau, zu
welchem das Pantheon die eigentliche Aufforderung gegeben
hatte, um Rom herum vielfach zur Anwendung kam, finden
wir hier, ein Paar blosser Restaurationen ausgenommen, nur
Langkirchen verschiedener Art. Sie sind nicht wie die Bru-
nellescoschen in Florenz Nachahmungen der alten Basilika mit
Säulen und getäfelter Decke, sondern, iQit Ausnahme einer
einzigen wiederhei^estellten (S. Marco) gewölbt, mit durch
Halbsäulen verstärkten Pfeilern, theilweise mit aus dem Acht-
eck construirten Kuppeln , mit Kapellen von mehr oder weniger
Tiefe, mit in Stockwerke getheilten, durch Pilaster und anti-
kisirende Gurt- und Kranzgesimse verzierten Fa<;^en, an denen
jedoch die gothische Fensterrose nicht selten ist. Der PaUst
Sculptur und Malerei. 373
Ton welchem sich hier vor Paul ü. kein namhaftes Beispiel
fiadet, geht bald vom Festungsartigen und von der selten aber
aach noch im folgenden Jahrhundert vorkommenden florentiner
Kustica zu den mit Mörtel überzogenen Wandflächen oder zu
den abgeglätteten Bossagen über, in letzterm Falle unter An-
wendung antikisirender Decoration, wie sie übrigens um die-
selbe Zeit auch in Florenz durchdrang.
hl geringerem Grade noch als auf die Architektur hat Rom
durch einheimische Künstler auf die Entwicklung der beiden
Schwesterkünste eingewirkt zu einer Zeit als der Einfluss
der Antike, vorerst auf die Plastik, zum entschiedenen Durch-
bruch kam. Die toscanische Bildhauerschule welche in Jacopo
della Quercia, Lorenzo Ghiberti, Donatello stufenweise die
Gothik abstreifte und sich mit weisem Maasse und feinem
Schönheitsinne zu freier Bewegung und Formenfulle ent-
wickelte, ward für Rom maassgebend, wo florentinische Künst-
ler antike Sculptur studirten, aber längere Zeit hindurch keine
Nachfolger der Cosmaten auftraten. Der Malerei erging es vom
vierzehnten Jahrhundert an wie der Plastik. Von einer Schule
Pietro Cavallinis ist ebensowenig die Rede wie überhaupt von
künstlerischer Thätigkeit auf diesem Felde, wenn man die poli-
tischen Malereien der Zeiten Rienzis und des Schismas nicht
dazu zählen wilL Als die verflachte Nachahmung Giottos nach
langem Sträuben einem frischen Geiste Platz machte, als das
wirkUche Leben in sein Recht eintrat, Naturwahrheit nicht nur
die Darstellung der menschlichen Gestalt zu beherrschen begann
sondern sich auch auf die Schauplätze der Handlung, auf die
ganze belebte und unbelebte Welt erstreckte, als die Schule
Masaccios der malerischen Wirkung und naturalistischen Karak-
teristik Bahn brach, ohne jedoch der eigenthümhchen und
schönen Nachblüte der Kunst des Trecento mit ihrem Haupt-
vertareter Fra Angelico da Fiesole ihr Recht zu nehmen, stand
Rom ausserhalb des grossen Kreises künstlerischen Schaffens.
Hier war mit Allem neuzubeginnen. Sehen wir wie die
Päpste ihre Aufgabe erfassten.
Der Zustand der Stadt Hess zunächst an Herstellung kirch-
licher Bauten denken. Die lateranische Basilika wurde in meh-
ren Theilen von Martin V. hergestellt, an welchen, wäre selbst
sein Denkmal nicht in derselben vorhanden, das Säulenwappen
im Fussboden von Opus Alexandrinum im Mittelschiffe erineitt
374 Bauten und Malerwerkc der Zeit Martins V.
würde. Der Auftrag welchen et am 1. Juli 1425 dem Antonio
Picardi Rector der Kirche Sta Maria in Campo Carleo und
dem römischen Bürger Niccolo Bellini zu diesem Behuf er-
theilte, schloss eine bedenkliche Bewilligung ein, welche zu*
gleich von dem trostlosen baulichen Zustand Zeugniss giebt
Sie sollten nämUch die Befugniss haben, aus allen verfallenen
Kirchen, Kapellen und sonstigen gottesdienstUchen Orten in
Stadt und Umgebung Marmore und allen sonstigen Bedarf für
das gedachte Paviment wegzunehmen, unter Aufhebung aller
diesem entgegenstehenden kirchlichen Bestimmungen. Die
Apostelkirche baute Martin V. um; von seiner Wohnung neben
derselben war schon die Rede. Cardinäle folgten seinem Bei-
spiel wie seiner im Jahre 1424 an sie gerichteten Aufforderung,
sich ihrer verfallenen Titelkirchen anzunehmen. Eine Inschrift
am Thurme vor Santi Quattro Coronati berichtet, wie Alfonso
Carillo die Zeit des wiederhergestellten Friedens benutzte den
verfallenen Bau zu erneuern. Cardinal Jean de La Rocbetaille
Erzbischof von Ronen unternahm im Jahre 1427 die Restaura-
tion von S. Lorenzo in Lucina, welche sein Nachfolger im
Titel Jean Le Jeune de Contay, Bischof von Macon dann von
Maurienne und burgundischer Gesandter in Rom vollendete.
Die Meister dieser Werke werden nicht genannt: ihre Namen
sind der Vergessenheit anheimgefallen , während von den Wer-
ken selbst wenig vorhanden ist. Wenn wir auch von Maler-
werken nur wenige und unsichere Spuren finden, sind uns
doch die Namen der Maler bekannt Gentile da Fabriano
wurde von Martin V. gerufen in der Laterankirche Fresken aus-
zufuhren, in denen man den von seinen Cardinalen umgebenen
Papst sah. Auch in Sta Francesca Romana, in dem rechten Quer-
schiff wo nachmals Gregors XI. Denkmal sich erhob, führte Gen-
tile Wandmalereien aus, in deren Nähe er nach seinem im Jahre
1450 hier erfolgten Tode die letzte Ruhestätte fand. Giotteske
Nachklänge in der Anmuth der Köpfe finden sich bei diesem
Künstler, dessen Stil Michel Angelo Buonarroti mit seinem
Namen vergUch, mit einem Reichthum der Composition und
einer frischen Heiterkeit vereint, die in seinen in Florenz be-
findlichen Werken aus den zwanziger Jahren des fünfzehnten
Jahrhunderts die erfreulichste Wirkung hervorbringen. Nichts
ist von seinen römischen Gemälden geblieben, welche Vittore
Pisanello von Verona vollendete und die frühe schon durch
Masaccio. Werke der Zeit Eugens IV. 375
Feuchtigkeit litten , wahrend namentlich die Pröphetengestälten
in Chiaröscuro zwischen den Fenstern der lateranischen Basi-
lika sehr gerühmt wurden. Auch der grosse Meister der tos-
canischen Malerei der ersten Hälfte des Jahrhunderts, er bei
dem alle Späteren in die Schule gingen, Masaccio, malte in
Rom. In Sta Maria maggiore zeigte man zu Vasaris Zeit eines
seiner Werke, die Madonna mit Heiligen, dabei P. Liberius
mit den Zügen Martins V., mit der Schaufel den Grundriss
der Kirche auf dem Boden zeichnend, und Sigmund von Luxem-
burg. Gewöhnlich werden die Fresken in der Kapelle am linken
Seitenschifl' von S. demente, die Kreuzigung und die Ge-
schichte der h. Katharina, Masaccio zugeschrieben, der sie für
den damaligen Titular Cardinal Gabriel Condulmer ausgeführt
haben soll. Aber diese mehrmals wiederhergestellten Darstel-
lungen weisen auf andere Zeit und andere Hand hin. Wahr-
scheinhch geschah es während des Aufenthaltes in Florenz,
dass Martin V. von Lorenzo Ghiberti dem geschicktest-en Bild-
giesser der Zeit einen Knopf für das Pluviale und eine Mitra
von Gold mit zierlichen Figuren, durchbrochenem Blattwerk
und Edelsteinen arbeiten liess , von deren Schönheit man noch
hundertfünfzig Jahre später sprach. Im Jahre 1427 sandte die
Republik Siena dem Papste zwei silberne eine Elle hohe Engel-
statuetten mit emaillirtem Fuss, das Werk zwei sienesischer
Goldschmiede Giovanni Turini und Niccolo di Treguanuccio.
Eugen IV. übertraf seinen Vorgänger an Thätigkeit für
Bauwesen und Kunst, so gross auch zu Zeiten die Ungunst
der Verhältnisse war. Die Brücken der Tiberinsel, der vati-
canische Palast, das lateranische Kloster, eine Reihe von
Kirchen wurden von ihm hergestellt, namentlich während der
ruhigen Jahre die seiner Rückkehr folgten. Unter seiner Re-
gierung entstanden auf dem Janiculum in schönster Lage Kirche
und Kloster von S. Onofrio, von einem Abruzzesen dem sei.
Niccolo de Forca Palena gegründet und seit 1446 in der Ob-
hut der Hieronymiten. Während seines Aufenthaltes in Florenz
Uess auch er durch Lorenzo Ghiberti eine Mitra arbeiten, welche
an Trefflichkeit der Ausfuhrung jener seines Vorgängers gleich-
kam, an Pracht sie übertraf. Von einem Maler Giovanni Foc-
cora oder Fochetta, der in Sta Maria sopra Minerva beschäftigt
war und dort des Papstes Bildniss malte, ist nichts weiter be-
kannt. Das bedeutendste uns aus Eugens Zeit gebliebene Werk
376 Thürc von St. Peter. Filarete. Donatello.
ist die Broncethüre von St. Peter. Schon zu Anfang seines
Pontificats soll Papst Eugen den Auftrag zu diesem Werke den
florentinischen Bildhauern Antonio Averlino bekannt unter dem
Namen Filarete und Simone, den man gewöhnlich aber ohne
(rrund Donatellos Bruder nennt, ertheilt haben. Ist dies der
Fall, so erfuhr das Modell nachmals manche Abänderungen
indem einzelne Theile an Ereignisse später Jahre, an das ferra-
reser Concil und die Wiedervereinigung der Kirchen erinnern.
Ueberaus gross ist der Abstand zwischen dieser Thüre und
den Grhibertischen des florentiner Baptisteriums , von denen
Eugen die ältere vor Augen hatte, während die mittlere erst
in seinem Todesjahre vollendet ward. Die Vermengung my-
thologischer Embleme mit christUchen Gegenständen und mit
Scenen des gewöhnlichen Lebens ist ebenso störend, wie die
künstlerische Ausfuhrung zu wünschen übrig lässt. Vasari
hatte wol Recht indem er bemerkte, der Papst, hätte er sich
umgesehn, würde in Florenz ganz andere Leute gefunden haben:
ihm sei es aber wahrscheinlich wie manchen anderen Fürsten
ergangen, die sich auf Kunstsachen nicht verstehn oder wenig
darum kümmern. Simone arbeitet« auch das Relief für Mar-
tins V. Grabmal im Lateran, 'ein Werk welches Donatellos
Anwesenheit in Rom veranlasst haben soll, wo er zur Ver-
herrlichung der Krönung Kaiser Sigmunds verwendet wurde.
In Sta Maria Araceli sieht man eines seiner Werke , das Denk-
mal des Mailänders Giovanni Crivelli Archidiaconus von Aqui-
leja welches er mit seinem Namen bezeichnete. Simone scheint
in Rom geblieben zu sein, wo er mehre Schüler um sich ver-
sammelte und sein Leben beschloss. Auch Antonio Filarete,
der in Mailand ansehnliche Bauten aufgeführt hatte, kehrte
hieher zurück wo er starb und in Sta Maria sopra Minerra
beerdigt wurde. Es muss zur Zeit Pauls IL gewesen sein,
denn im Jahre 1464 widmete er Piero de' Medici seinen
Tractat über die Baukunst, in welchem er klagt dass mehre
seiner für Eugen IV. unternommenen Werke nach dessen Tode
ins Stocken gerathen seien. Wie die eherne Hauptthüre der
vaticanischen Basilika Hess der genannte Papst im Jahre 1433
hölzerne Flügel für die beiden grösseren Seitenthüren mit bild-
lichen Darstellungen arbeiten, als deren Verfertiger Fra Mi-
chele von Viterbo genannt wird.
Auch unter Eugen IV. bauten die Cardinäle. Sein Neffe
Bauten von Cardinälen. Nicolaiis V. 377
Francesco Condulmer erneuerte inmitten der Ruinen des Pom-
pejustheaters den einst von den Orsinen aufgeführten Palast
der nachmals wieder an die genannte Familie dann an die
Pio von Carpi kam, welche ihn vollständig umbauten, so
dass von Altem keine Spur geblieben ist. Der schon er-
wähnte Cardinal Le Jeune vollendete nicht nur die Kirche
S. Lorenzo in Lucina sondern baute den anstossenden Palast,
welcher nach manchen Wechseln heute den Boncompagni
Ottoboni von Fiano gehört. Dieser Palast, welchen Nioolaus' V.
Bruder Cardinal Calandrini vergrösserte , galt für den schönsten
Roms nächst dem vaticanischen. Nur in dem grossartig ange-
legten Hofraum sind geringe Reste des ursprüngUchen Gebäudes
geblieben, für welches antike Trümmer, man glaubt domitiani-
scher Anlagen, weggeräumt wurden und neben dem auf der
Corsoseite der von Alexander VII. demolirte Marc Aurelsbogen
sich erhob.
In die Fusstapfen seines Vorgängers tretend hatte Papst
Eugen das mögliche gethan die Stadt aus dem tiefen Ver-
fall emporzurichten, in den sie während seiner Abwesen-
heit gerathen war. Unter seinem Nachfolger begann wie in
der Literatur so iu der Kunst die grossartigste Thätigkeit
Nicolaus V. eröffnet die Reihe der Päpste welche das neue
Rom geschaffen haben : er war es der den Impuls gab , welchen
widrige Geschicke oder abweichende Richtungen momentan zu
hemmen , nicht aufzuheben vermögt haben. So ist seine Wirk-
samkeit nicht nur an sich bedeutend, sie ist es ebenso, vielleicht
in erhöhtem Maasse, durch die Bahn welche sie vorzeich-
nete, durch den Geist der sie belebte. Auch Papst Nicolaus
musste sich toscanischer Künstler bedienen. Den Dominicaner-
bruder Fra Angelico da Fiesole fand er in Rom vor wohin
wahrscheinlich Papst Eugen ihn berufen hatte; Florenz sandte
Bemardo Rossellino und Leon Batista Alberti. Das geringe
Geschick welches Antonio Filarete in seiner Sanct Petersthüre
gezeigt hatte, mag Anlass gewesen sein dass der neue Papst
sich seiner nicht bediente.
Die von Nicolaus V. ausgeführten Werke waren verschie-
dener Art. Herstellung antiker wie späterer Bauten, Errich-
tung neuer, Ausschmückung letzterer durch Malerei, alles
nahm ihn in Anspruch. Die Acqua Vergine, einst von Papst
Hadrian I. restaurirt, war die einzige Wasserleitung welche
378 Herstellung der Acqua Vei*gine, der Brücken und Mauern.
■
wenngleich beschädigt noch im Grebrauche wät. Sie wurde
im Jahre 1450 ausgebessert, ihre Hauptfontane, die von
Trevi, künstlerisch geschmückt und mit einer Inschrift ver-
sehn, die Zahl der öffentlichen Brunnen gemehrt. Der Zu-
gang zu der Stadt wurde zugleich erleichtert und gesichert,
was eines wie das andere nach den vorausgegangenen ruhe-
losen Zeiten nöthig war. Die milvische Brücke, seit der
theilweisen Zerstörung in Innocenz' VII. Zeit in der Mitte aus
Holzwerk bestehend, wurde an diesem Theile unter Benutzung
der stehngebliebenen antiken Pfeiler von Stein aufgeführt.
Zugleich wurde sie auf dem rechten Ufer durch einen Thurm
geschützt, welchen Papst CaUxtus III. vollendete, wovon heute
noch dessen Wappen, der Stier der Borgia, Kunde giebt
das unter dem Bogen dieses im Jahre 1805 bei Pius* VII.
Rückkehr aus Paris umgebauten Thurmes angebracht erscheint
Die Reste der alten Brückenköpfe wurden wegger&nmt, die
Aufgänge aber auf beiden Seiten, durch die kleinen Bogen
kenntlich, bUeben bis zu der erwähnten neuesten Restauration,
welche deren auf dem rechten Ufer schiefe Richtung in eine
geradlinige umwandelte, am obern Theile von Holz. Auch die
Brücken über den Anio, dessen Bette zum Zweck des Trans-
ports der Bausteine gereinigt und schiflbar gemacht ward,
MTurden hergestellt und neubefestigt. Die Kriegszüge durch
die Campagnain Papst Eugens Zeit hatten neuerdings gezeigt,
wie wichtig die Behauptung dieser Brücken für die Stadt war.
Noch bewahrt der Ponte Nomentano das malerische zinnen-
gekrönte Castell welches Nicolaus V., ältere Befestigungen be-
nutzend, auf ihm errichtete und mit seinem Namen und dem
Schlüsselvvappen bezeichnete.
Gleiche Sorgfalt wurde den Mauern Roms zu TheiL Sie
waren im traurigsten Zustande. Wenn König Ladislaus die
von seinen Truppen gebrochenen Breschen ausbessern liess,
so zeigt doch schon die Leichtigkeit womit man in wenigen
Stunden grosse Mauerstücke niederlegte, wie schadhaft Alles
war. Die ganze Umschliessung der eigentlichen Stadt entlang,
vom Flussufer beim flaminischen zum ostiensischen Thore, be-
gegnet man den Spuren der Thätigkeit Nicolaus' V., dessen
Namensinschriften man häufiger Uest als die irgendeines andern
Papstes. Piatina berichtet dass die Restauration der Mauern
im Jahre 1451 erfolgte, als die Ankunft Kaiser Friedrichs IIL
Arbeiten an den Befestigungen Ti^asteveres und der Leostadt. 379
erwartet wurde. Die Arbeit legt überall Spuren von Hast an
den Tag, auch in der Wahl des Materials, eines Gemenges
von kleinen Tufwürfeln mit meist zerbrochenen dünnen Zie-
geln. Die zum Theil arg beschädigten Thürme heischten drin-
gend Verstärkung; beim tiburtinischen Thore weist einer der-
selben Nicolaus' Namen auf. Am ostiensischen Thore, wo in
den letzten Zeiten des Schismas die Befestigungen, in welche
die Cestiuspyramide hineingezogen worden war, stark gelitten
hatten, wurde eine bedeutende Ausbesserung vorgenommen.
Nicht minder nahmen Trastevere und die Leostadt den Papst
in Anspruch. Ihre Werke waren ganz unzureichend. Die
Befestigung Trasteveres war umsomehr von Belang, da der
städtische Hafen zu diesem Stadttheile gehörte dessen Mauern
durchgehends hergestellt wurden. Die Leonina bedurfte an-
sehnlicher Werke: Nioolaus' V. Ausspruch über die Noth-
wendigkeit sich gegen innere wie äussere Feinde zu sichern,
giebt zu erkennnen, dass hier Mühe und Kosten nicht ge-
schont wurden. Dasselbe System von Befestigungen umschloss
die aelische Brücke, die Engelsburg, den Borgo und den Va-
tican. Am Aufgange zur Brücke wurde ein Brückenkopf an-
gelegt; über dieselbe sollte ein Porticus führen, -wol ebenso
zum Schutz gegen einen Angriff wie gegen Sonne und Wetter.
Der Mittelthurm des Castells wurde erhöht, dasselbe nach
aussen hin so in der Richtung nach Sto Spirito wie nach dem
Monte Mario unter Verstärkung der Werke Bonifaz' IX. und
Innocenz' VII. gesichert, im Innern Gemächer angelegt. Die
südliche UmschUessungsmauer des Borgo, an Sto Spirito vor-
über bis Porta Pertusa, wo nachmals Sixtus IV. Platz und
Strasse anlegte, schon in Innocenz* Tagen völlig zerfal-
len, wurde mit ihren Thürmen und Wehren neugebaut. Die
Befestigung des vaticanischen Palastes bildete einen wesent-
lichen Theil des Planes. Zwei Bollwerke sollten Palast und
Gärten schützen, aber nur einer der grossen Thürme wurde
ausgeführt Im Innern der Stadt ward mit dem Pflastern der
Strassen begonnen, aber erst die Zeit Sixtus' IV. schuf einiger-
maassen Ordnung in dem unwegsamen Labyrinth welches das
alte Marsfeld eingenommen hatte.
Es galt nun Martins V, und Eugens IV. Werk fortzusetzen
und die verfallenen Kirchen zu restauriren. Alle Stations-
kirchen bedurften ausbessernder Hand. Sto Stefano rotondo
I 380 Kirchen- und Palastbauten.
stand ohne Dach mit zertrümmerten Musiven und geborstenen
Marmorplatten. Die Herstellung verkleinerte den grossen
Kundbau, indem der mittlere Säulenkreis in Mauern einge-
schlossen ward die nun die Aussenseite bildeten, und eine
neue Vorhalle, ohne Kücksicht auf die Lage der alten Tri-
büne hinzugefügt wurde. S. Teodoro am Palatin, anfangs
ausgebessert dann eingestürzt , wurde mit Ausnahme der stehn-
gebliebenen Tribüne neugebaut. Die Restauration der grossen
' Basiliken wurde theils fortgesetzt, theils neu in Angriff genom-
men, unter ihnen namentlich die der Paulskirche und von
S. Lorenzo fuori le mura, welche schon wegen ihrer freien
Lage in den letzten Zeiten des Schismas vorzugsweise gelitten
hatten. Während der Ausbesserung von Sta Maria maggiore
wurde der ans tossende wesentlich zur Wohnung der Chorher-
ren bestimmte päpsthche Palast neugebaut. Auch der Senators-
palast erfuhr eine durchgängige Umgestaltung, mit Bogenhallen
am Erdgeschosse und einer Loggia, jedoch unter Beibehaltung
der Tomacellischen wie der älteren Thürme, so dass der krie-
gerische Karakter welcher ja auch anderen Palästen eigen war,
keineswegs schwand. An der Südseite liest man Nicolaus' V.
Namen. Für den Magistrat der Conservatoren erbaute der Papst
auf dem Capitol den Palast, der ein Jahrhundert später dem
gegenwärtigen Platz machte. Eine Wohnung der Conservatoren
bestand hier aber begreiflicherweise längst; noch Martin V. hatte
im Jahre 1429 für deren Ausbesserung Gelder angewiesen.
Alles dies verschwand jedoch im Vergleich mit dem
Riesenplane für den Umbau der Leostadt und der Peterskirche.
Die Schilderung Roms bei der Rückkehr Martins V. hat ge-
zeigt wie jammervoll der Zustand der Leonina war. Durch
Schutt und Trümmer hatte Eugen IV. zwar einen Weg zur
Brücke geführt, aber es scheint nur wenig gebaut worden
zu sein, obgleich der gedachte Papst auf Cardinal Vitelleschis
Vorschlag im Jahre 1437 den Bewohnern auf fünfundzwanzig
Jahre die Steuern erliess. Nicolaus V. beschloss nun das ganze
vaticanische Gebiet umzuschaffen. Vom Castell aus sollten drei
geradlinige Strassen zu einem geräumigen vor der Kirche an-
gelegten Platze führen, so dass die mittlere Hauptstrasse auf
die BasiUka zuging, die zur Rechten auf den Palast, die zur
Linken auf die demselben im Bereich des neronischen Circus
gegenüberUegenden Bauten. Alle drei waren dem Plane gemäss
Plan fiir den Umbau der Leostadt und St. Peters. 381
von Bogengängen begrenzt, mit Kaufmannsbuden in verschie-
denen Abtheilungen für die einzelnen Gewerke, darüber Woh-
nungen für die zum päpstlichen Hofhalt gehörenden Personen,
bei deren Anlage auch Gesundheitsrücksichten in Betracht kamen,
da das vaticanische Viertel in Bezug auf die Luft in üblem
Rufe stand. Der Platz sollte zweihundert Ellen in der Länge,
hundert in der Breite messen, in der Mitte die Colossalgruppe
der Evangehsten, den neronischen ObeUsk tragend auf dessen
Spitze die eherne Statue des Heilands zu stehn kommen würde.
Am Ende des Platzes sollten die Stufen zur Platform
führen, zu beiden Seiten derselben reich verzierte Glocken-
thürme , zwischen ihnen ein V estibulum mit fünf Thüren als
Einläse zu dem mit einem grossen Brunnen geschmückten, an
beiden Seiten mit Portiken eingefassten Vorhof, auf welchen die
Vorhalle der Kirche folgte, in welche ebensoviele Thüren ein-
liessen. Sie war als fünfschiffige Säulenbasilika gedacht,
mit Kapellenreihen längs den äussersten Seitenschiffen, mit
einer Gesammtlänge von zweihundertfünfunddreissig Ellen,
hundertzwanzig Ellen Breite im Langhause, hundert Ellen
Höhe mit reichverzierter Wölbung, Rundfenster an den Ober-
wänden, in der Kreuzung des Lang- und Querschiffs der
Papstaltar, in der im Halbkreise geschlossenen Tribüne der
päpstliche Thron mit den Sitzen der Cardinäle und ganzen
Curie. Ein Bleidach sollte die Kirche schmücken, neben wel-
cher ein grosser Friedhof zur Aufnahme so der Papst- wie
anderer Gräber bestimmt war. Dem vaticanischen Palast war
entsprechender Umbau zugedacht. Eine grossartige Anlage,
mit der Wohnung für den Papst welche je nach der Jahres-
zeit dreigetheilt gedacht war, mit Quartieren für das Cardinals-
Collegium und Localen für die sämmtlichen Aemter und Ge-
schäfte der Curie, mit Prachtsaal für die Papstkrönungen und
den Empfang von Kaisem, Fürsten, Botschaftern, mit Räumen
für das Conclave, mit Kapellen, Bibhothek, Wasserleitung,
Gärten, zugleich wie eine Burg gegen äussern Angriff geschützt.
So war der Plan Nicolaus' V., von welchem uns nur in
den Aufzeichnungen seines Biographen Giannozzo Manetti ge-
nauere Kunde gebheben, welche von Vasari und allen Späteren
wiederholt worden ist und an die man sich wol in der Haupt-
sache halten darf, mag auch das Einzelne dahingestellt bleiben,
wie sich denn die hier gegebenen Maasse der Basilika nicht
382 Zerstörung der Aiiicischen Grabkapelle.
mit den Verhältnissen eines Grundrisses vereinigen lassen, von
welchem man annehmen muss, dass er den Anfang des dama-
ligen Neubaues darstellt. Man sieht es handelte sich hier um
die Anlage einer monumentalen Residenz , wie sie vom fünfzehn-
ten Jahrhundert an so manchen Fürsten vorgeschwebt hat und
von mehren in kleinerm Maassstabe ausgeführt worden ist Der
Sinn für Symmetrie, im Anschluss an die Prachtfora der römi-
schen Kaiserzeit und an antike Märkte überhaupt, schrieb sol-
chen Anlagen Gesetze vor, von denen die alten Hauptplätze ita-
lienischer Städte nichts wussten und denen sie sich, wo es über-
haupt geschah, nicht ohne Mühe anbequemten. Dass ein schon
alternder Mann einen solchen Plan von riesigsten Dimensionen
ersinnen oder annehmen konnte, dürfte in Verwunderung
setzen, begegnete man nicht bei mehren Päpsten solcher zum
Uebermaass gesteigerten , Zeit wie Mittel ausser Betracht lassen-
den Baulust. Dass eine so radicale Umgestaltung der Leonina
beabsichtigt werden konnte, deutet darauf hin dass sie grossen-
theils ein Trümmerfeld war.
Alsbald wurde begonnen. Es war eine schlimme Vorbedeu-
tung für die Erfahrungen späterer Jahrhunderte, dass der erste
Spatenstich für die neue Peterskirche den Unteigang eines
ehrwürdigen Denkmals des christlichen Alterthums nach sich
zog. An die Absis der Basilika stiess die Anicische Grabkapelle.
Maffeo Vegio der päpstliche Geheimschreiber und vaticanisclie
Stiftsherr erzählt, wie er zur Zeit als Nicolaus V. mit seinem
grossen Entwurf beschäftigt war, zufallig in dies Mausoleum
trat, welches verlassen und vergessen gewesen zu sein scheint
und beim Volke Sanct Peters Wohnhaus hiess. Er sah eine
kleine dreischiffige Basihka vor sich mit zwölf kostbaren
Marmorsäulen im Langhause, vier in der Tribüne, mitMusiveu
und Lischriften, wie es scheint ohne Altar. Er copirte die
Inschriften: es waren die des Sextus Petronius Probus und seiner
Gemalin Anicia Faltonia. Der Humanist des fünfzehnten Jahr-
hunderts fand sich plötzlich in die Mitte des glänzendsten Ge-
schlechts der christlichen Aristokratie der theodosischen Zeit.
der Freunde der lateinischen Kirchenväter wie der letzten
classischen Dichter versetzt — sechs bis sieben Monate später
war das Templum Probi, welches über ein Jahrtausend unver-
sehrt gebheben, von der Erde verschwunden und nichts war
gerettet als die Copien der Inschriften und die Sarkophage,
Anfang des Baues der Tribüne. Vaticanischer Palast. 383
die man unter dem Marmorboden gefunden und worin das
Gold der Gewänder und Schmucksachen mit Staub vermengt
lag. Die Anlage der neuen Tribüne wurde auf wie jenseit
der Statte begonnen wo einst das Mausoleum stand und er-
hielt sich in dem Zustande, wie sie bei Nicolaus' V. Tode war,
vier bis fünf Fuss über der Erde , bis zur Zeit JuUus' IL , der
einen Augenblick an deren Weiterfiihrung gedacht hat. Zugleich
nahm man den Palast in Angriff und förderte ihn rasch. Es war
der Bau Nicolaus' III. welcher erweitert und umgestaltet wurde.
Tritt man heute, die grosse Treppe Pius' IX. hinansteigend, in
den Hof von S. Damaso, so hat man diesen Bau zur Linken,
den grössten Theil seiner Vorderseite durch Bramantes Loggien
verdeckt, mit seiner Längenseite an den grossen Hof Julius' IL
stossend. Das erste Geschoss ist in seiner gegenwärtigen Ge-
stalt von Alexander VI. , das zweite wesentUch von Nicolaus V.
Es sind die berühmten Stanzen welche nachmals von Raffael
Sanzio gemalt wurden , mit den aastossenden Räumen und der
Kapelle des h. Laurentius, in ihrer baulichen Beschaffenheit
grossentheils erhalten, in ihrer malerischen Ausschmückung bis
auf die Kapelle umgestaltet, während die gleichfalls von Nico-
laus V. erbaute SacramentskapeUe bei den durch Paul HL vor-
genommenen Aenderungen zugrunde ging. Die genannten
Wohnzimmer zeigen in ihren Verhältnissen, im Ebenmaass der
im Halbkreis endenden Wände und des Kreuzgewölbes der
Decke einen durchaus würdigen und harmonischen Karakter,
während die ansehnlichen Flächen für die Aufnahme umfang-
reicher Compositionen berechnet erscheinen.
Ein Florentiner, Bemardo genannt, war der Architekt
dessen der Papst sich bei diesen grossen Werken so wie bei
anderen ausserhalb Roms bediente. Vasari sieht in ihm den
Bernardo Gamberelli genannt RosscUino, den im Jahre 1409
gebornen altern Bruder des Bildhauers Antonio Rossellino, und
meist ist man ihm in dieser Annahme gefolgt, indem man dem
Bernardo Rossellino auch die unter Pius U. ausgeführten Werke
zuschrieb von denen bald die Rede sein wird. Der Umstand
dass unter Paul IL ein anderer florentiner Architekt Bernardo
di Lorenzo in Rom auftritt, hat Zweifel an der Begründung
dieser Meinung geweckt, wobei es indes.s thunlich erscheint
die Werke Nicolaus' V. von denen seiner Nachfolger zu trennen
und zwei Künstler desselben Namens anzunehmen. Dass auch
384 Malei*\^'crke. Fiesole. Benozzo Gozzoli.
Leon Batista Alberti der im Jahre 1472 in Rom starb, hier als
Baukünstler thätig war, ist unbezweifelt, obgleich sich kein
Werk von ihm nachweisen lässt Der Papst war durch Biondo
Flavio auf den genialen Mann aufmerksam gemacht wordeu
und scheint sich seiner namentUch bei Arbeiten bedient zu
haben , welche tüchtige mechanische Kenntnisse verlangten ^vie
die Herstellung des Aquäducts. Alberti war es, der auf Ver-
anlassung des Cardinais Prosper Colonna ein antikes Schiff
aus dem See von Nemi hob in den es versenkt war.
Auch die vom Papste herangezogenen Maler waren Tosca-
ner und Norditaliener. Fra Angehco da Fiesole führte die Fres-
ken in den beiden vaticanischen Kapellen aus. Die der einen
derselben sind wohl erhalten, und in den Darstellungen aus der
(leschichte der Märtyrer Stephan und Laurentius haben wir,
mit Ausnahme des Giottoschen Fragments im Lateran, sowol
das älteste, der Zeit wie dem Autor nach sicher beglaubigte
Monument moderner Wandmalerei in Rom, wie einen der be-
deutendsten Cyclen dieses Künstlers, welcher in der Richtuug.
die das religiöse Gefühl und das ruhig milde Gemüthsleben
selbst auf Kosten der freiem Bewegung und des Ausdrucks
bewegterer Affecte überaus glücklich zur Anschauung bringt,
stets den ersten Rang einnehmen wird. Weniger gut als dem
Meister ist es seinem bedeutendsten Schüler in Rom gegangen.
Benozzo Gozzoli, in welchem das naturaUstische Element über
die reUgiös contemplativen Tendenzen Fra AngeUcos den ent-
schiedenen Sieg davonträgt und der Reichthum der Composi-
tion • sich zur Ueberfalle steigert, malte in der Kapelle der
Cesarini in AraceU die Geschichte des h. Antonius von Paduau
im Thurm der Conti in einer Lunett.e die Madonna, aber so
diese Werke wie die Fresken in einer Kapelle in Sta Maria
maggiore sind untergegangen. Benozzo hatte sich seinem Hange
Bildnisse der Zeitgenossen anzubringen auch hier hingegeben,
und in Araceli sah man den Cardinal Giuliano Cesarini und
Antonio Colonna; als er nachmals im pisaner Camposanto
malte, stellte er dort den Argyropulos und Piatina dar. Kr
war in Fra AngeUcos Begleitung als dieser im Sommer 1447
von Rom nach Orvieto ging, die Decke in der Kapelle der
Madonna di S. Brizio zu malen, an deren Wänden nachmals
Luca Signorelli jene grossartigen Darstellungen schuf welcbe
Michelangelo verkünden, und kehrte zwei Jahre später nach
Fiesoles' Tod. Piero della Francesca. 385
Dmbrien zurück wo * das kleine Montefalco ihm eine Stelle in
der Kunstgeschichte verdankt. Fra Angelico aber, der bei
seinem ausserordentlichen Fleisse auch Staffeleibilder malte
und Chorbücher ausschmückte , scheint in seinen letzten Jahren
in Rom gebUeben zu sein, wo er im Jahre 1455, somit um
dieselbe Zeit mit Nicolaus V. starb und in seiner Ordenskirche
der Minerva die Grabstätte fand, mit der schönen Inschrift
welche der Verdienste des Ehrwürdigen als Künstler und
Christ gedenkt:
•Rechnet als Lob mir nicht an dass ich war wie ein andrer Apelles,
Doch dass ich sämmtlichen Lohn, Christus, den Deinigen gab.
Andere Werke verlangt ja der Himmel imd andre die Erde;
Mich hat, Johannes, die Stadt, Tusciens Blute gehegt-
Zu den Künstlern welche Nicolaus V. nach Rom zog,
gehörte Piero della Francesca von Borgo San Sepolcro, einer
von denen die sich namentlich um die wissenschaftliche Fort-
bildung der Malerei verdient gemacht haben, während von
ihren eignen Werken wenig erhalten ist, so dass vielmehr äl-
tere Schilderungen und Urtheile als die eigne Anschauung
späterer Zeiten ihnen ihre Stelle in den Annalen der Kunst an-
weisen. Seine römischen Arbeiten gingen zugrunde, indem
Julius U. sie vernichten liess um für die raffaelischen Fresken
des Heliodorsaales Raum zu gewinnen. Pieros Schüler Bra-,
mantino, in welchem man den Mailänder Bartolommeo Suardi
zu erkennen glaubt, setzte dessen Werk fort, aber jedenfalls
in weit jüngerer Zeit als die hier betrachtete. Vasaris Nach-
richt dass man in Bramantinos Fresken eine Menge Bildnisse
sah, theilweise von Zeitgenossen Eugens IV. und Nicolaus' V.,
wie Carl VII. von Frankreich, Fortebraccio, Francesco Car-
inagnola, Giovanni Vitelleschi, Bessarion ti. A., weckt den
Zweifel ob es sich hier nicht vielmehr um Piero della Fran-
cesca selber handelt, dessen Geübtheit im Portrait man an den
in den florentiner üffizien vorhandenen Bildnissen Herzog Frie-
drichs von Urbino und seiner Gemalin erkennt. Solcherart
war Papst Nicolaus' künstlerische Thätigkeit in Rom. Nicht
geringer war sie in anderen Städten des päpsthchen Gebietes.
Denn so im Patrimonium wie in Umbrien und bis in die
Marken hinein hat Nicolaus V. unermüdet gebaut, Mauern
und Vesten hergestellt, Marktplätze umgeschaffen, Kirchen
T. Beiunoat, Ron. Ul. 25
386 Uilheile über Nicolaus V. Francesco Orsini.
ausgebessert, Badehäuser angelegt, in CiVitavecchia, Viterbo,
Civitacastellana, Orvieto, Narni, Spoleto, Assisi, Gualdo, Fa-
briano, in welcher letztern Stadt, wo er der in Rom herr-
schenden Krankheit wegen mehre Monate verweilte, er die
Franciscanerkirche neubauen, den Hauptplatz erweitern und
mit Budenhallen umgeben Hess. »Wäre diesem Papste, sagt
Vasari, der sich in der Schilderung von Nicolaus' V. Thätig-
keit übrigens fast ganz auf Giannozzo Manetti stützt, längeres
Leben beschieden gewesen, so würde er seine grossartigen
Entwürfe ausgeführt haben. Denn er war hohen und eot-
schiedenen Sinns und verstand sich auf Alles. Die Künstler
leitete er mehr als dass er sich durch sie hätte bestimmen
lassen, und so war er ein Beispiel wie ein verständiger und
entschlossener Mann die Sachen fördert, indem er sie ohne
Zaudern angreift statt mit Hin- und Hersinnen die Zeit zu ver-
lieren.« Aber die von einem Papste solchen jedenfalls nur in
zweiter Linie stehenden Literessen vorzugsweise gewidmete
Thätigkeit musste auch Opposition wecken. Wie Nicolaus
Nachfolger von seinen literarischen Liebhabereien dachte, haben
wir gesehn. Von nördlichen Ländern kam ernste Mahnung.
In Teutschland äusserte sich so Mistrauen wie Unzufriedenheit,
als die päpstlichen Nuntien zum Türkenkriege drängten. Zeug-
niss davon geben die Worte des volksthümlichen Predigers
Fra Giovanni da Capistrano welcher für den Kreuzzug sein
Leben einsetzte. »Alle Fürsten, so schrieb er dem Papste,
alle Herren, alle Welt sagt einstimmig: wie sollen wir Schweiss,
Güter, unserer Kinder Brod gegen die Türken aufs Spiel
setzen, wenn der oberste Pontifex in Thürmen und Mauern.
Kalk und Steinen den Schatz des h. Petrus aufgehn lässt den
er zur Vertheidigung des heiUgen Glaubens verwenden sollt«.*
Unter den edkn Römern welche um die Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts sich durch bauliche Thätigkeit bemerk-
lieh machten, ragte Francesco Orsini Graf von Tagliacozzo
hervor, welcher in der Jugend unter dem Befehl seines Vetters
Paolo an den Kämpfen der letzten Zeiten des Schismas theil-
genommen und von Eugen IV. im Jahre 1436 die römische
Präfectur erhalten hatte. Bei der Kirche S. Pantaleo an Piazza
Navona, wo schon zu Ende des zwölften Jahrhunderts die
Thurmwohnung der Familie Mosca stand von deren Söller aus
bei den Papstumzügen Geld unter die Menge geworfen zu
Palast bei S. Paiitaleo. Kirche zu Vicovaro. 387
werden pflegte, errichtete er den nachmals umgestalteten und
endlich völlig umgebauten Palast mit ragendem Thurme, bei
dessen Anlage die berühmte Pasquinstatue entdeckt worden
sein soll, die ihren Fundort nicht verlassen hat. Kirche und
Kloster von Sta Maria sopra Minerva wurden von ihm im Jahre
1453 vollendet. In Roms Umgebung erinnert an diesen reichen
und glänzenden Mann das zierlichste Bauwerk des Renaissance-
stils welches diese Gegend aufzuweisen hat. Es ist die kleine
dem h. Jakob gewidmete Kirche in Vicovaro, ein Achteck mit
ziemlich flacher Kuppel und reich mit Statuetten und Arabes-
ken verziertem Portal, auf den das Gesimse stützenden schlan-
ken Pfeilern an der gewissermaassen den Tambour der Kuppel
bildenden Attika acht grössere Heiligenstatuen. In der von
emem Bogen mit anbetenden Engeln und dem h. Geist in Ge-
stalt einer Taube eingeschlossenen Lunette sieht man ein vor-
treffliches lebensvolles Relief, in der Mitte die Madonna mit
dem Kinde, zu beiden Seiten knieend Francesco Orsini des
Kirchleins Erbauer und dessen Neffe Giovanni Erzbischof von
Trani der es weihte, jener vom h. Petrus, dieser vom h. Jakob
dem himmlischen Schutze empfohlen. Ein Schüler Brunellescos,
Domenico da Capodistria, der in Vicovaro über der Arbeit
starb, wird als Schöpfer dieses anmuthigen Werkes genannt,
dessen Plan vielleicht von Brunellesco selbst herrührt der sich
auch anderwärts in Centralbauten versuchte, und an welchem
ohne Zweifel mehre Künstler sich betheihgt haben.
ENTWICKLUNG DER RENAISSANCE. SIENA UND PIENZA.
Nach so lebendigem Schaffen und so hervorragendem An-
theil des Herrschers an demselben wie es unter Nicolaus V.
der Fall war, musste die Zeit CaUxtus* III. einen schneidenden
Contrast bilden. Die Ausbesserung des Mauerkreises setzte er
fort; von der Herstellung von Sta Prisca auf dem Aventin
giebt eine zur Linken des Hochaltars befindUche Inschrift
Kunde, welche, indem sie zugleich des Verweilens , der Lehre
und Taufe des Apostels Petrus und des Herkulesaltars imd
25*
388 Calixtus m. Piu8 II. Schutz der Monumente.
Faunusquells , Evanders und des Dianentempels gedenkt, die
Humanistenzeit auch innerhalb einer Kirche spiegelt. Als nach
Calixtus einer der glänzendsten und gelehrtesten Kenner der
Literatur und Bildung zur Regierung kam , mogte man in Rom
die Rückkehr grosser Kunstthätigkeit erwarten. Allerdings kam
Papst Pius' IL antiquarisches Interesse den antiken Monu-
menten zugute. Einst hatte Enea Silvio in einem schonen
Sinngedicht das heillose Treiben der Römer verklagt, indem
er einen Ton anschlug der an Hildebert von Tours erinnert
»Deine Ruinen, o Rom, zu beschauen ist hoher Genuss mir.
In der gefallenen Pracht giebt sich die einstige kund.
Aber das edle Gestein, aus altem Gemäuer erbeutet,
Brennet dein Volk zu Kalk, frohnend dem schnöden Gewinn.
Ruchlose Brut, weim noch du drei Jahrhunderte haustest,
Blieb' auch nicht eine Spur römischer Grösse zurück.«
Eugen IV. hatte einst die römischen IGrchen vor frechen
Händen zu schützen gesucht : Pius IL glaubte weiter gehn zu
müssen. »Da wir, so heisst es in seiner Bulle vom 28. April
1462 , unsere erhabene Stadt in ihrer Würde und ihrem Glänze
zu erhalten wünschen, müssen wir namentlich darauf bedacht
sein dass nicht blos die Basiliken und übrigen gqttesdieost-
liehen Orte in ihrer Integrität geschützt und bewahrt, son-
dern dass gleicherweise die alten Bauten und Trümmer für
die Nachwelt gerettet werden. Denn nicht nur tragen diese
Bauwerke zum Glanz und Schmuck der Stadt wesentlich bei,
während sie die fruchtbare Erinnerung an alte Grösse und
Tugend beleben, sondern, was noch höher anzuschlagen ist.
diese Trümmer lehren uns eindringlicher als anderes die Ver-
gänglichkeit menschUcher Dinge; sie weisen darauf hin wie
auf dieser Welt nichts besteht, indem wir die Bauten welche
unsere Ahnen im Vollgefühl ihrer Macht und ihres Reichthums
im Wettstreit mit der Ewigkeit errichteten, durch Jahre und
Unglücksfölle beschädigt und zu Boden gestürzt sehn.« lo
diesem zwiefachen, des Weltweisen wie des Priesters würdigen
Betracht werden nun im Hinbhck auf frühere päpstliche Con-
stitutionen wie auf die städtischen Statuten , mit Rücksicht auf
die Vorstellungen der Conservatoren und Caporionen, kirch-
liche wie weltliche Strafen über Alle verhängt, die sich in
Rom und seiner Campagna der Beschädigung antiker Beste
Bauten und Sculpturen der Zeit Pius* ü. 389
durch Niederreissen , Ablösen der Steine , Kalkbrennen schuldig
machen, ohne Rücksicht darauf ob diese Reste sich auf ihrem
Grundeigenthum befinden. Die Conservatoren werden ange-
\viesen, auf die Uebertreter zu fahnden, gegen die Arbeiter
einzuschreiten, Lastthiere und Werkzeuge mit Beschlag zu be-
legen. Etwaige frühere Bewilligungen von Päpsten werden
aufgehoben , während die neue Verordnung in der Stadt öflFent-
lich ausgerufen und an die Thüren des capitolinischen Palastes
angeheftet werden soll. So verfügte die Constitution Pius' 11.,
deren Erfolg ebenso wie die Wirkung der von den städtischen
Statuten auf die Beschädigung der Monumente gesetzten Geld-
strafe von hundert Florenen grösser gewesen sein würde,
hätten nicht nachfolgende Päpste selber wider das Verbot ge-
handelt welches er erliess.
Pius' II. römische Bauten sind nicht zahlreich, wie denn
überhaupt, wenn man das Collegium Capranica mit seinen an
die Gothik mahnenden Fenstern ausnimmt, wenig aus seiner
Zeit vorhanden ist. Die zur Platform vor der vaticanischen
BasiUka führenden Stufen liess er erneuem und zu Seiten der-
selben die von dem neapolitanischen Bildhauer Mino gearbei-
teten Statuen der Apostel Petrus und Paulus aufstellen , welche
nachmals vor der neuen Peterskirche standen zu deren colos-
salen Dimensionen sie nicht passten, und im Jahre 1847 durch
neue ersetzt in den Corridor der Sacristei gebracht wurden.
Welcherart die diesem Papste zugeschriebenen Arbeiten zur Her-
stellung des vaticanischen Vorhofes und jene an der Confession
waren, lässt sich nicht beurtheilen. In der BasiUka errichtete
Pius II. zur Aufnahme des Schädels des Apostels Andreas eine
Kapelle, welche später sein eignes Grabmal und das seines Neffen
Pius' UI. aufnahm. Der römische Bildhauer Paolo di Mariano,
gewöhnhch Paolo Romano genannt, war bei diesen Arbeiten
beschäftigt und heferte auch ein Brustbild des Papstes zum
Schmuck des von Andrea da Verona und Luca von Florenz
erbauten neuen Thores des vaticanischen Palastes, welches
mit dem Wappen der Piccolomini in vergoldetem Erz geziert
war. Derselbe war auch der Verfertiger der Statue des
Apostels Paulus welche seit Clemens' VII. Zeit am Aufgang der
Engelsbrücke steht, und wahrscheinlich des Grabmals des Car-
dinais Stefaneschi in Sta Maria in Trastevere. Ein seltsamer
Auftrag für Maestro Paolo war im Jalxre 1459 die Anfertigung
390 Bauten und Scuiptureu Pius' II. Castell von Tivoli.
zweier Bildnisse Sigismondo Malatestas, als dieser gebannt
und in effigie verbrannt zu werden verurtheilt worden war.
£r scheint der einzige römische Künstler in Pius' Dienste ge-
wesen zu sein , in welchem wir noch einen Bildhauer Giovanni
d' Andrea, einen florentinischen Goldschmied Simone di Gio-
vanni, Schüler Lorenzo Ghibertis imd vielleicht identisch mit
dem sogenannten Bruder des Donatello, endlich einen Gio-
vanni da üdine finden, dessen Gewandtheit in der Sticker-
kunst den Anlass zum Beinamen seiner Familie (de' Ricamatorij
gab und der wahrscheinUch der Grossvater des berühmten
Arabeskenmalers der raffaelischen Zeit war.
Die Monumente und Altäre welche ohne Ordnimg die
Peterskirche füllten, Uess Pius II. längs den Wänden der
Seitenschiffe aufstellen; ein gefährliches Beispiel für seine Nach-
folger die mit den Denkmalen seiner wie früherer und späterer
Zeiten schonungslos verfahren sind. Neben der flaminischen
Strasse in der Nähe der milvischen Brücke, auf der Stelle wo
er aus Bessarions Händen das Haupt des Apostels erhielt
liess er ein von vier kleinen karystischen Marmorsäulen ge-
tragenes Tabernakel errichten, unter welchem die von z^ei
Florentinern, Varrone und Niccolö, gearbeitete Statue des
Heiligen sich erhebt. Die nämlichen Schüler Filaretes waren
bei den Arbeiten in St. Peter thätig , ebenso in TivoH , wo der
Papst durch die Schönheit der Lage angezogen , zugleich aber
durch politische Interessen festgehalten im Sommer 1461 bei-
nahe drei Monate verweilte , und sowol um künftigen Unruhen
in der Stadt vorzubeugen, wie um die Strasse nach den
Abruzzen zu sichern, eine Burg anlegte die man mit ihren vier
Rundthürmen noch heute an Porta Sta Croce sieht, leider auf
den Trümmern eines Amphitheaters erbaut, deren Zerstörung
diesen Freund des classischen Alterthums seinen eignen Grund-
sätzen untreu werden liess.
• Guten erwünscht, doch Schlimmen verhasst und Stolzen ein ZflgeL
Hat mich Pius' Beschluss dir, o mein Tibur, geschenkt.«
So steht über dem Eingangsthore des Castells, bezeichnend
genug für seine Bestimmung. Zwei Jahre früher hatte Pius ü.
ebenfalls die ragende Burg von Assisi durch ansehnüche Werke
verstärken lassen.
In seinen Commentarien hat der Papst, der auch Vicovaro
Pius' II. Scliildenmg von Tivoli. 391
und Subiaco besuchte und sich von dem Zustand der Pässe
nach Campanien und den Abruzzen selbst zu überzeugen
wünschte, die Aniostadt und ihre Umgebung anschaulich ge-
schildert »Tivoli, sagt er, ist in zwei Hälften getheilt. Der
jenseit des Flusses gelegene Theil welchen eine hölzerne Brücke
mit dem diesseitigen verbindet, ist klein und wegen der Zwie-
tracht der Bürger schwach bewohnt. In dem grössern Theil
ersetzen Häuser und Felsmassen die Mauer. Im Innern ist
wenig von Bedeutung, mit Ausnahme der mit dem Namen
Porta oscura bezeichneten mächtigen Wölbungen eines alten
Gebäudes (des Herkulestempels mit dem von den Viermännern
Lucius Octavius Vitulus und Cajus Rustius Flavus gebauten
Strassendurchgang) , welches einst der Eingang zur Stadt nebst
der Zollstätte war, heute den Ochsen zum Stall dient, während
ein Garten die Höhe des Gewölbes eingenommen hat. Auch
sieht man auf den Felsenmassen am Anio einen von Säulen
getragenen Tempel der Vesta oder einer andern Gottheit. Bei
der heutigen Burg sah man die Trümmer eines grossartigen
Amphitheaters, welche fast sämmtlich zum Bau des Castells
verwendet worden sind. Ein Theil der Wasser des Stroms,
zum Zweck der Brunnen, der Mühlen und übrigen Anlagen
abgeleitet, verleiht der Stadt besondern Schmuck. Vor den
Thoren, etwa drei Millien entfernt, legte Kaiser Hadrian eine
prächtige Villa an die einer ganzen Stadt ähnUch sah. Noch
sieht man die hohen Wölbungen von Tempeln, halb einge-
gestürzte Säle, Säulen, Peristile, geräumige Portiken, Reste
der Thermen, durch die Wasser des Anio gespeist welche die
Sommerhitze mässigten. Alles hat die Zeit umgewandelt und
vernichtet. Zwischen Villa und Stadt erstrecken sich Vignen
und prächtige Oelbaumwaldungen , Gärten mit schönen Orangen-
bäumen, köstliche schattenreiche Plätze.« Wir glauben den
Papst vor uns zu sehn, wie er hier mit Cardinal en und Hof-
leuten im Freien unter dem Schatten eines Oelbaums Geschäfte
verhandelte und sich am Anblick der schäumenden Cascaden
des Anio vergnügte.
Das Bild Pius* IL würde unvollständig bleiben ohne die
Schilderung seiner Beziehungen zu Siena. Kein Papst ist von
solcher Liebe zu seiner Heimat erfüllt gewesen wie er, und wie
man ihm die übermässige Begünstigimg seiner Angehörigen vor-
wirft, hat man ihm auch die Anhänglichkeit an das Sieneserland
392 Pius II. und das Sieiieserland. Macereto und Petriolo.
zur Last gelegt, gewiss mit ungleich geringerer Berechti-
gung als im erstem Fall. Pius IL hat einen bedeutenden Theil
seiner Regierungszeit in dem Lande zugebracht in welchem er
zuerst das Licht der Welt erblickte. Hatte es den Anschein
als wolle er in späten Jahren sich dafür entschädigen, dass er
sein früheres und selbst sein reiferes Mannesalter meist in der
Fremde verlebte, so suchte er dort auch Abhülfe des gichti-
schen Leidens, welches ihn seit seiner schottischen Reise in
stets erhöhtem Maasse quälte und vor der Zeit zum Greis
machte. Es war wahrlich nicht zum Zeitvertreib dass er
wiederholt in den Bädern von Macereto und Petriolo verweilte.
Wenn man von Siena aus dem Lauf der Mersa eines Neben-
stroms des Ombrone folgend sich der Marcmma zuwendet,
geräth man in tiefe Waldschluchten durch welche die nach
Grosseto führende Strasse sich windet, traurig, unwirtlich,
ungesund. Bei einer aus drei hohen Bogen bestehenden in
unseren Tagen neugebauten Brücke über die Mersa gelangt
man hier zu den jetzt fast verlassenen einst vielgebrauchten
Schwefelquellen von Macereto, welche Kaiser Heinrich VII.
keine, Pius U. geringe Linderung brachten. Tiefer hinab in
einer rings von waldigen Höhen umschlossenen, von dem Bache
Farma durchströmten wilden Thalschlucht liegt Petriolo. Das
Castell des Mittelalters ist in Trümmer gesunken; arme Land-
leute sind die einzigen welche die Schwefelquellen benutzen,
deren Dünste das von der Malaria heimgesuchte Thal füllen
und zu dem traurigen Eindruck des Ortes beitragen. Und an
diesem Orte war es, wo Pius IL wiederholt in den Jaliren
1460, 1462, zuletzt noch im Frühhng seines Todesjahres 1464
mit zahlreichem Gefolge weilte und verschiedene Bullen aus-
stellte, deren letzte die Belehnung der Piccolomini mit Cam-
porsevoli betreflfen. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts sah
man in dem Castell noch die Reste seiner Wohnung, welche
von der Comune von Siena, die im Jahre 1463 die Brücke über
die Farma neubauen liess, eingerichtet worden war, wie den
Stuhl auf dem er zu sitzen pflegte.
Schon wurde Pienzas gedacht, wo alles an Enea Silvio
mahnt und die Stille des menschenleeren Städtchens dazu bei-
trägt, den Besucher in den Traum vergangener Tage zu ver-
senken. Es war nicht die Schönheit der Gegend welche Pios
anzog. Die Aussicht nach den Höhen Radicofanis und des
Pii»n2ii. Abtei San Salvatore. 393
Mont* Amiata ist grossartig aber ernst, die nähere Umgebung
erreicht nicht die Anmuth vieler anderen toscanischen Land-
schaften. Heimatsliebe baute die Stadt. Dom, Palast der
Piccolomini, Episcopium, Canonica, Gemeindehaus, selbst der
Brunnen des Hauptplatzes mit der Jahrzahl 1462 sind von
Pius n.. welcher nach der vom Bischof Francesco Maria Picco-
lomini im Jahre 1597 gesetzten Inschrift den Dom am 24. August
1462 durch Cardinal d'P^stouteville weihen liess. Die Cardinäle
Ammanati und Gonzaga und andere vom Hofe bauten gleich-
falls. Die Miniaturen der Chorbücher, von einem sienesischen
Maler Pellegrino di Mariano Rossini, stammen wol aus der-
selben Zeit. Der Platz ist nicht regelmässig da bereits frühere
Bauten daselbst standen die man nicht vöUig abgetragen zu
haben scheint, aber man sieht den einzelnen Gebäuden ihre
Gleichzeitigkeit an. Der Dom zeigt drei Schiffe von gleicher
Höhe; der Papst berichtet wie diese Anordnung auf seinen
Wunsch getroffen worden sei , nachdem er solche Hallenkirchen
in Teutschland gesehn. Der piccolominische Palast überrascht
durch Grossartigkeit der Anlage wie durch zweckmässige Ein-
richtung und, abgesehn von (der durch die Loggien der Rück-
seite beherrschten weiten Aussicht, durch die schöne Per-
spective des Erdgeschosses. Der Architekt, Bernardo von
Florenz, hatte einen Kostenanschlag von acht- bis zehntausend
Goldgulden eingereicht, aber die Ausgaben stiegen auf das
Zehnfache. Man wollte ihm beim Papste ein Verbrechen
daraus machen, aber dieser belobte ihn dass er ihm die Höhe
der Summe nicht anfangs entdeckt habe. Hätte ich sie ge-
kannt, sagte er, dieser würdige Palast und Tempel würden
nicht entstanden sein. Drauf belohnte er ihn und übertrug
ihm neue Werke. Der Mangel an Festigkeit der Tufmassen
hatte schon vor Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einen ge-
fährlichen Riss im Dom verschuldet.
Auch die von Pienza aus gegen Süden sichtbare mächtige
Trachitmasse des Mont' Amiata bewahrt Erinnerungen an Pius H.
Wenn man unter den riesigen Kastanienbäumen wandelt, welche
dem Plateau, auf dem sich die vom Longobardenkönige Rachis
gegründete nachmals den Cisterciensern übergebene Abtei San
Salvatore erhebt, in der Sommerschwüle erquickenden Schatten
spenden, liest man die Inschrift welche besagt, wie an dieser
Stelle unter dem grössten der Bäume der Papst, der sich so
B94 Abtei Sali Salvatore. Montoliveto maggiore.
gerne dem Eindruck der Naturschönheit hingab, zu sitzen
pflegte und geistliche wie weltliche Angelegenheiten erledigte.
Es war im Jahre 1462 als Pius, nachdem er Rom wegen der
herrschenden Seuche verlassen und in Viterbo das Bad ge-
braucht, dann in Pienza verweilt hatte, die in reiner gesunder
Luft gelegene heute in ärmliche Wohnungen umgewandelte
Abtei zum Sommeraufenthalt wählte, während sein Gefolge
theils in dem an das Klostergebäude stossenden Oertchen
theils in dem benachbarten Pian Castagnajo untergebracht
wurde. So hatte er sich drei Jahre früher in dem grossarti-
gen Kloster von Montoliveto maggiore im Gebiet von Asciano
im Sieneserlande aufgehalten, wo im Jahre 1319 der Olive-
tanerorden durch Bernardo Tolomei seinen Anfang nahm. Mit
jener Anschaulichkeit welche von seinem lebendigen Natursinn
zeugt, hat Pius die Eigen thümhchkeit dieser Localität geschil-
dert. »Willst du, so schrieb er, die Gestalt des Hügels kennen
auf welchem das Kloster liegt, so betrachte ein Kastanienblatt.
Jähe Abhänge und tiefe Schluchten öffnen sich auf allen Seiten.
nimmt man eine schmale Landzunge aus, an deren Beginn ein
durch einen wasserreichen Graben mit Zugbrücke geschützter
Thurm den Zugang vertheidigt. Abschüssig ist die Oberfläche
des Hügels in dessen Mitte sich ein schöner Tempel erhebt,
daneben Portiken, Gänge, Refectorien mit allen Räumen und
Officinen deren das Mönchsleben bedarf. Alles ist schön,
zweckdienlich, der Betrachtung werth. ursprünglich eine
kleine Stiftung, dann durch des Volkes Frömmigkeit erweitert
wozu auch das Geschlecht der Piccolomini beitrug, hat die-
selbe eine grosse segensreiche Wirksamkeit gehabt.« Pius IL
sah noch nicht die prächtigen Fresken in denen Luca Signo-
relli und Giovan Antonio Razzi genannt Soddoma die Geschichte
der Olivetaner darstellten, aber er sah die an Handschriften
reiche Bibliothek welche bei der Aufhebung der Abtei in der
französischen Zeit verschleudert wurde.
In Siena begegnet man allerwärts den Spuren Pius* II. Am
29. Juni 1461 hatte er der öffentUchen Stimme welche die sie-
nesische Färberstochter eine Heilige nannte, in St. Peter die
Sanction der Kircli^ ertheilt; in lateinischen Hymnen hatte er
Caterina gefeiert:
Bauten in Siena. Die h. Caterina. 395
■Wer vereint die Gaben die dir zum Schmuck sind?
Andachtsinn und Klugheit mit weisem Maasse,
Kraft und Freimuth, Tugenden die dich heben
Hoch in den Himmel.-
Die Stadt Siena, nameDtlich aber die Bewohner des Viertels
von Fontebranda liatten »als Söhne Sr. Heiligkeit« das Fest
der Canonisation glänzend begangen; sie schufen dann, von
der Signorie unterstützt, Caterinas elterliches Haus in das
Oratorium um, dessen geistUche Pflege einer Brüderschaft an-
vertraut ward und welches Malerei und Sculptur würdig
schmückten. Nun fing Pius selbst in Siena zu bauen an. Im
Frühling 1462 begann Antonio Federighi die stattliche Drei-
bogenhalle welche gemäss der Inschrift »Pius II. Pont. max.
gentilibus suis Piccolomineis« widmete, gleich andern dieser
Art eine ins Zierliche übersetzte Reminiscenz der florentiner
Loggia de* Lanzi, welche letzterein ihrer Beschränkung so voll-
endet und maassgebend erscheint dass man nicht wol einsieht,
wie Michelangelo bei Gelegenheit eines Projects zur Regularisi-
rung des Platzes der Signorie den Rath geben konnte, Orcagnas
Bogen um denselben herumzuführen. Um dieselbe Zeit baute
Pius' Architekt Bernardo für dessen Schwester Caterina den Pa-
last den das Volk »della papesse« nannte, worauf Giacomo und
Andrea Piccolomini, wie es scheint gleichfalls nach Bernardos
Plan, den grossartigen Palast begannen, der heute dem Staate ge-
hörend und Dicasterien und Archiv enthaltend noch ihren Namen
trägt und erst zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts vollendet
ward, »opera meravigUosa e ne la cittä dignissimo omamento«,
wie es in einem Bericht der Aedilen von 1469 heisst. Alles
Bauten, die bei ihrer AehnUchkeit mit den florentinischen Pa-
lästen der Zeit auch neue Elemente zur Geltung bringen, und
die bis dahin in Siena fast durchgängige und in ihrer Art
musterhafte Anwendung des Backsteins beschränkten. Die
vormaUge Augustinersiedelei von Lecceto bei Siena, in welcher
die Tradition den h. Augustinus weilen lässt, die aber jeden-
falls mit den ältesten Erinnerungen des Christenthums in dieser
Gegend verwachsen ist und wo Gregor XII. , Martin V. , Eugen IV.
weilten, nahm Pius H. in den Schatten ihrer Steineichen auf.
Im Chor der Franciscanerkirche hess er seinen Eltern Silvio
und Vittoria ein Denkmal errichten. Das Distichon ist von
ihm, die Büsten werden ohne genügenden Grund dem Francesco
396 Librcria des Doms von Siena. Paul II.
di Giorgio zugeschrieben. Dieser berühmte Landsmann des
Papstes, welchem man einst die Mehrzahl von dessen Bau-
ten so in Siena wie in Pienza zutheilte, hielt sich in Pius
Zeit und vor wie nach ihm wiederholt in Rom und dessen Um-
gebung auf, wo er manche alte Monumente zeichnete. Aber
es scheint nicht dass er vom Papste Aufträge erhalten hat,
wie er denn überhaupt im Festungsbau am thätigsten gewesen
ist Lebendiger als durch irgendetwas erhält sich Pius' 11.
Andenken in Siena durch den Freskencyclus im Chorbücher-
gemach (Libreria) des Domes, in welchem Francesco Todes-
chini Piccolomini die hervorragendsten Ereignisse im Lebeu
seines grossen Ohms und Vorgängers in der höchsten Würde
der Christenheit darstellen liess. Kaum giebt es eine andere
Schöpfung dieser Art, in welcher Architektur und Malerei
nicht blos in Bezug auf die Vereinigung der historischen Dar-
stellungen mit dem Ornament, sondern auch hinsichtlich des
Verhältnisses der ersteren zu den räumlichen Bedingungen
gleich harmonischen Eindruck machen. Eine Harmonie welche
die neueste Zeit leider durch ungeschickteste Einschachtlung
heterogener Grabmonumente zu stören gewagt hat
8.
PAUL n. UND STXTÜS IV. PALÄSTE, KIRCHEN, DENKMALE.
CASTELLE.
Von den Bauwerken der Päpste seit der Beendigung des
grossen Schismas ist wenig, von den Malereien mit Ausnahme
der Fresken in S. demente und der Kapelle Fiesoles kaum
irgendetwas vorhanden. Mit Paul II. beginnt die Zeit von
deren Thätigkeit in immer steigendem Maasse grosse Alonu-
mente zeugen.
Gleich am Eingange dieser Zeit steht eines der mächtigsten
Bauwerke Roms, der Palast von San Marco, an der Stelle eines
von dem Cardinal Giovanni von Anagni bei gedachter Kirche er-
richteten Hauses. Die Geschichte dieses Riesenbaues ist dunkel:
Giorgio Vasari hat nur dazu beigetragen sie zu verwirren. Nach
seiner Angabe war es der Florentiner Giuhano da Majaoo
Palast von San Marco. 397
welcher für den Papst Palast und Kirche baute. Urkundlich
ist bekannt dass Paul U. bereits als Cardinal Barbo die Wieder«
herstellung der Sanct Marcuskirche und den Bau des dieselbe
einschliessenden Palastes begonnen hatte, von dem ein Theil
schon vollendet und bewohnt war, und dass im zweiten Jahre
seines Pontificats am 25. März 1466 zwischen seinem Kämmerer,
apostolischen Schreiber und Geschäftsführer Francesco von
Borgo San Sepolcro, in welchem man irrthümUch einen Künst-
ler gesehn hat, und dem florentinischen Architekten Bernärdo
di Lorenzo ein Contract zur Fortführung dieser Werke abge-
schlossen wurde. £s handelte sich hier speciell um die Wöl-
bungen der beiden Seitenschiffe der Kirche , wie um die Errich-
tung der Fagade derselben und des Bogengangs um den Hofraum
des Palastes. Diese, von denen letzterer in seinem grössten
Theile unvollendet geblieben ist, sind somit jedenfalls Schöpfun-
gen dieses Bernärdo, welcher von Manchen auch für den Archi-
tekten von Pienza gehalten wird. Eine Annahme die nicht
unbedingt abzuweisen ist, worüber jedoch bei dem Mangel
genauerer Bezeichnung bei den Gleichzeitigen nicht zur Klar-
heit zu kommen sein dürfte. Die römischen Werke stehen
denen zu Pienza jedenfalls nach. Sie sind eine nicht glück-
liche Nachahmung des Colosseums, dessen Travertinquadern
dabei verwendet worden sein sollen, was nur Tradition
aber kaum zu bezweifeln ist. Ein gleiches soll der Fall ge-
wesen sein mit den Resten eines Porticus und Thores auf der
dem Marcellustheater zugewandten Seite des capitolinischen Ber-
ges, von deren Zerstörung Francesco di Giorgio berichtet der
sie maass und zeichnete. Die Verhältnisse der unteren auf hohe
Sockel gestellten Bogen an Fagade und Hofiraum sind gänzlich
verfehlt, die Aneinanderreihimg der toscanischen mit der ko-
rinthischen Ordnung ist ungeschickt. Mit dem Haupttheil des
Palastes wie mit dessen kleinem Hofe haben diese Bauten
durchaus nichts gemein. Der Palast, möglicherweise von Giu-
lianos da Majano Hand, ist ein ernster castellartiger Bau aus
Bruchsteinen mit Kalküberwurf, nur an den Ecken Quadern,
im hohen Erdgeschosse kleinere schmucklose Rundbogen-
fenster, im ersten Stockwerk viereckige von grossen marmor-
nen Fensterkreuzen gebildete, mit dem Namen Papst Pauls und
seinem Wappen bezeichnet, die Krönung ein stark vortreten-
des Consolengesimse mit Zinnenkranz. Das von zwei Säulen
398 Palast von San Marco.
flankirte reichverzierte und mit antikem Giebel endende Thor
wurde von des Papstes Neffen Cardinal Marco Barbo hinzu-
gefugt.
Ganz anderer Art ist der Hof desjenigen Theils, welcher
den Namen des Palazzetto führt und sich im rechten Winkel
dem grössern anschhesst, da wo letztern ein breiter vierecki-
ger thurmartiger Aufsatz, heute ohne architektonische Eigeo-
thümlichkeit, überragt, welchem gegenüber an der andern
nicht zum Ausbau gekommenen Schmalseite ein zweiter Tburm
angebracht werden sollte, wie sich aus einer Denkmünze von
1465 ergiebt. Zwei Arkadengeschosse umgeben diesen Hof,
das untere mit achteckigen Pfeilern, das obere mit korintlü-
sehen Säulen, darüber eine Zinnenkrönung, das Ganze von
anmuthiger harmonischer Wirkung. Vasari schreibt diesen
Hof dem Vellano von Padua zu, welcher in Pauls H. Zeit
nach Rom gezogen und auch zu Bildhauerarbeiten gebraucht
wurde, wie man denn von ihm in demselben Palast des Papstes
Büste, am Dom zu Perugia dessen Erzstatue mit der Jahres-
zahl 1467 sieht. Aber die Aehnlichkeit des Stils mit den
Werken eines Künstlers von dem bald die Rede sein wird,
Baccio Pontelli, hat die Muthmaassung veranlasst, dass dieser
gedachtem Bau nicht fernstehn dürfte. Sonst werden noch
andere Architekten genannt die hier thätig waren, ohne dass
man einzelnes nachweisen könnte, Giacomo di Cristofano von
Pietrasanta, Manfredi d' Antonio von Como u. m. Nicht nur
moderne Sculpturen wurden zur Ausschmückung des Palastes
Pauls n. verwendet, sondern auch antike Statuen, ja der Por-
phyrsarkophag der Constantia welchen aber SixtusIV. wieder
nach dem Mausoleum bei Sant' Agnese bringen Hess. Der Pa-
last von San Marco, wie man ihn nannte, diente auch nach
seinem Erbauer Päpsten zur Wohnung. Durch Paul HI. ward
er mittelst eines bedeckten Ganges mit einem auf der Höbe
von AraceU erbauten, später in das dortige Kloster hineinge-
zogenen Sommerhause verbunden, von Pius IV. im Jahre 1564
der Republik Venedig geschenkt, nach welcher dieser gross-
artige, in neuester Zeit leider durch die Umwandlung der
Hälfte der Fenster der Hauptfa^ade arg verstümmelte Bau
noch gegenwärtig benannt wird.
Der vaticanische Palast erhielt unter Paul II. eine ansehn-
liche Verschönerung. Nach Vasaris Angabe war es Giuliano
Vaticanische und andere Bauten. Sculptur. Mino da Fiesole. 399
da Majano. der in dem an den Vorhof von St. Peter stossen-
(len Theile einen Hof mit dreifaclien Loggien, Localen für die
Datarie und die Plumbatoren und scliönen Gemächern baute,
ein Werk welches das Vorbild des Bramanteschen Cortile di
San Damaso gewesen zu sein scheint, und bei nachmaligen
Umänderungen so spurlos verschwand, dass man selbst die
Stelle die es einnahm nur annähernd anzugeben vermag. An
zwei anderen Werken der Zeit Pauls 11., der am 3. No-
vember 1471 geweihten Kirche des städtischen Spitals der
Consolazione am Fuss des Capitols und dem um dieselbe Zeit
von Pietro Mellini auf Monte Mario bei der damals schon be-
stehenden Villa seiner Familie errichteten Eirchlein Sta Croce,
ist heute nichts altes gebUeben. Von der vom Papste im Jahre
1465 hergestellten Tribüne und Confession der Peterskirche
geben nur Denkmünzen Kunde. Auch Pauls Schwestersohn
Cardinal Batista Zeno machte sich um die Ausschmückung der
Basilika verdient. Spuren der Sorge für Erhaltung des Mauer-
kreises zeigen die Thürme am Pincio bei der Villa Medici.
Mehr ist von Bildhauerarbeiten vorhanden. Unter Paul II. be-
gann in Rom die Thätigkeit des Mannes , der auf den Stil der
Ornamentik mehr als Irgendeiner Einfluss geübt hat und mit
welchem namentlich für die Grabmäler, von denen die Kirchen
der Stadt aus verschiedenen Zeiten so viele schöne aufweisen,
eine neue Glanzepoche beginnt. Dieser Mann war Mino da
Fiesole. Vergleichen wir das unglückUcherweise nur in grossen
Bruchstücken erhaltene Monument welches er für den gedach-
ten Papst arbeitete, mit denen der drei nächsten Vorgänger
desselben, so wird uns der grosse Fortschritt klar. Das Denk-
mal Eugens IV., wie man es bei S. Salvatore in lauro sieht,
eine viereckige Aedicola, der Todte auf einem mit Frucht-
gewinden verzierten Sarkophage liegend, über ihm im Relief
Madonna und Kind zwischen anbetenden Engeln, an den Pi-
laste.rn vier HeiUgengestalten in Nischen, zeigt florentinische
Reminiscenzen, ist aber in seiner harten und beinahe rohen
Ausführung weit entfernt von dem Schönheitssinn und der
technischen Fertigkeit Donatellos, Michelozzos, Antonio Ros-
sellinos, Desiderios von Settignano. Nicolaus' V. Grabmal, von
welchem sich die Todtenlade mit der liegenden Gestalt und
einzelne Figuren in den vaticanischen Grotten befindet, scheint
bei ähnlicher Disposition weit grossem Umfang gehabt zu haben.
400 Grabmal Pauls IL
Das Monument Pius' ü. ist in seiner gegenwärtigen Anordnung
nicht glücklich, aber es liegt die Vermuthung nahe dass Car-
dinal Alessandro Feretti, der es im Jahre 1614 in der von ihm er-
bauten Theatinerkirche Sant' Andrea della Valle an einem Pfeiler
des mächtigen Mittelschiffs über dem Sängerchor aufstellen liess,
manches daran änderte, Der Sarkophag mit der Bildsäule des
Todten, die Reliefs über und unter demselben, auf jenem die
Madonna und das Kind von Cherubim umgeben, der Papst
knieend mit S. Peter und S. Paul, auf diesem die Ceremonie
der Uebertragung des Hauptes des h. Andreas, sind ohne
Zweifel vom ursprüngUchen Monument welches dem Pasquino
von Montepulciano , einem Schüler Filaretes, zugeschrieben
wird. Ueber die ^^usführung zu urtheüen erlaubt die Höhe
nicht.
Pauls H. Grabmal, welches Cardinal Marco Barbo errichten
Hess, galt für das schönste in der alten Peterskirche. £s war
ein grosser Marmorbau. Auf hohem Sockel an welchem man
die drei göttlichen Tugenden nebst Reliefs der Schöpfung des
Menschen und des Sündenfalls sah, stand in viereckigem von
Pfeilern und zwei mit Blätterwerk verzierten Säulen einge-
schlossenem Raum der ziemlich einfache Sarkophag mit der
ruhenden Gestalt des Papstes, darüber ein Relief mit der Dar-
stellung der Auferstehung Christi, das Ganze über dem Ge-
simse durch einen reichgeschmückten Bogen abgeschlossen
innerhalb dessen in einem figurenreichen Rehef das Weltgericht
erschien. Schon in Julius' H. Zeit wurde dies Monument vou
seiner Stelle in St. Peter entfernt, und Vasari berichtet dass
dasselbe unter Schutt liegen blieb, bis einige Venetianer sich
dessen im Jahre 1547 erbarmten und es im noch erhaltenen alten
Theil der BasiUka neben der Kapelle Innocenz' VUI. wiederer-
richteten, eine Stelle von welcher dasselbe beim endUchen Aus-
bau der Kirche wieder weichen musste, um fragmentarisch in die
vaticanischen Grotten zu wandern, wo das Halbrund des Welt-
gerichts von der lebensvollen, so im Kreise der den Heiland
umgebenden Apostel wie in den Gruppen der Sehgen und \'er-
dammten künstlerisch berechneten Composi|ion wie von der
vortrefflichen Marmorausführung Kunde giebt. Mino da Fie-
sole hat es wie Wenige verstanden, vollkommene Naturwalir-
heit, durch welche seine Figuren und Büsten hervorragen, mit
grosser ZierUchkeit des Ornaments zu vereinigen, welches, ohne
Form der Grabmäler. 401
seinen plastischen Karakter zu verlieren und in Ueberfulle aus-
zuarten, mit den Schöpfungen des Pinsels an Manchfaltigkeit
und Zartheit zu wetteifern scheint. Unter seinen römischen
Werken werden noch das Grabmai des Francesco Tomabuoni
in Sta Maria sopra Minerva und ein reichverzierter Altar für
Sta Maria maggiore genannt, welchen Cardinal d'Estouteville
ausfuhren Hess und von welchem einige anmuthige Reüefs
gegenwärtig in der Paramentenkammer neben der Sacristei an-
gebracht sind.
Die Form der Grabmäler hatte begreiflicherweise die Wand-
lungen der Architektur mehr noch als die der Sculptur mit-
durchgemacht. Der antike Sarkophag war auf das Mittelalter
übergegangen, indem er, auch abgesehn von der Verwendung
schon vorhandener Werke, mehr die antikisirende Form nach-
ahmte als die Ausartung der christlichen Imperatorenzeit theilte,
wovon wir in den Porphyrladen der Helena und Constantia in Rom
und in dem mit Pilastern, Thüren und die Gestalt eines gewölb-
ten Daches nachahmendem Deckel versehnen angebUchen Sar-
kophag des Honorius in der Grabkapelle der Galla Placidia zu
Ravenna Beispiele sehen. Die Sitte des Begrabens an der Aussen-
seite der Kirchen fülirte allerlei Modifikationen der Form herbei.
Man brachte die Grabmäler, gewöhnlich Marmorkasten in
längUchem Viereck, entweder auf niederm Untersatz an der
Mauer der Fagade an und überbaute sie mit einem Dach oder
Baldachin, oder man stellte sie höher an der Wand auf Con-
solen. In Rom finden sich wenigstens heute keine Beispiele
dieser in Mittel- und Oberitalien nicht seltnen Anordnung. Die
Üachform folgte in ihren Modificationen denen des Baustils
überhaupt. Die Cosmatenschule spiegelt in Rom den Ueber-
gang aus der vorgothischen in die gothische Zeit; die von ihr
mit so vielem Glück zur Geltung gebrachte Form des Grab-
mals erhielt sich im wesentlichen auch später, wenngleich nicht
ausschUessend. Wenn man hier keine Beispiele jenes Stils
findet der in der Lombardei wie in Süditalien heimisch wurde,
jene mächtigen zum Theil pyramidalischen Bauten von denen
die Mausoleen der Della Scala in Verona und die der Anjous
und Durazzesken in Neapel, andrerseits die Laden des li.
Augustin in Pavift und des Petrus Martyr in Mailand wie die
Monumente avignonischer Päpste Muster bieten, so hat dazu
wol mitgewirkt, dass der Spitzbogenstil hier überhaupt eine
V. Keumont, Kom. III. 26
402 Form der Grabmäler. Tliätigkeit Sixtus' IV.
precäre Existenz hatte und die Glanzepoche dieser gewaltigen
Werke mit dem heinahe gänzUchen Erlöschen der Kunstthatig-
keit in Rom zusammenfiel. Dass die Gothik sich indess nicht
ganz gefangen gab, zeigen die Monumente des Cardinais von
AleuQon in Sta Maria in Trastevere und andere vom Ende des
vierzehnten und dem Anfang des folgenden Jahrhunderts.
Vonnunan gewinnt der florentinische Renaissancestil ent-
schieden das Ueberge wicht. Die alte Anordnung, die hegende
Gestalt auf dem Sarkophage, bleibt auch jetzt die vorherr-
schende. Ungleich seltner sind schlafende auf einen Arm ge-
stützte Figuren, sehr selten sitzende, später auch wol halbauf-
gerichtete. Sonst findet man den einfachen Sarkophag, über
oder unter demselben das ReUefbild des Todten. Die Nische
wird von Pilastern eingeschlossen welche entweder ein flaches
Gebälk oder einen das Ganze abschhessenden Rundbogen tra-
gen. Nachahmungen von Draperien, ein unplastisches Motiv,
erhalten sich lange. Der innere Raum der Nische ist meist
durch ReUefs ausgefüllt, am häufigsten die Madonna zwischen
Heiligen oder der Heiland. Die Ornamente der Pfeiler oder
Säulen, des Architravs und des bisweilen reichgeschmückten
Sarkophags werden inuner belebter in ihrer noch nicht über-
triebenen FiUle, wobei Blätter-, Blumen- und Rankenwerk
sich mit phantastischen Bildungen zu verbinden strebt. Neben
den grösseren Monumenten halten auch die einfachen dem
Fussboden oder dem untern Theil der Wände eingefugten
Grabsteine, so mit den Gestalten in FlachreUef wie in Graphit
mit den Stilmodificationen der verschiedenen Zeiten wenngleich
in beschränkterm Maasse Schritt.
Von allen Päpsten des fünfzehnten Jahrhunderts ist in Be-
zug auf die Stadt Sixtus IV. in künstlerischem Schaffen der
thätigste gewesen. Von keinem andern vor dem Zeitalter
Leos X. sind so bedeutende Monumente gebUeben die allen
Zweigen der schönen Künste angehören. Seine Regierung ist
der Höhepunkt der ganzen Epoche. Auch darin ist er glück-
lich gewesen dass sein Beispiel auf seine Umgebung wirkte,
und so durch gemeinsames Streben Rom zum Sammelplatz der
ausgezeichnetsten Künstler MitteUtaUens wurde. Wenn die von
Vasari erzählte Anekdote von der VorUebe des Papstes für die
von Gold strotzenden Gemälde Cosimo RosseUis wahr ist, so
war Sixtus IV. kein feiner Kunstkenner, aber es wäre nicht
Umwandlung der Strassen. 403
das erstemal dass mittelmässige Kenner gprosae Werke veran-
lasst haben. Seine Thätigkeit kam der Stadt nicht blos durch
Errichtung und Ausschmückung von gemeinnützigen und Pracht-
bauten zugute, sondern auch durch Vorsorge för Wohn-
lichkeit und Leichtigkeit der Verbindung. Wer heute manche
Theile Roms betrachtet, kann sich einen annähernden Begrifi
Yon dem Zustande machen in welchem die Stadt sich vor
vier Jahrhunderten befand. Es war ein Häuserknäuel, ohne
Ordnung, ohne Licht und Luft, ohne Rücksicht auf die ge-
wöhnlichsten Bedürfnisse einer grossen Stadt. Die Strassen,
meist eng und unregelmässig, waren freilich von Papst Mar-
tin V. der Aufsicht von Curatoren überwiesen worden , aber
deren Mühewaltung scheint vornehmlich die Instandhaltung
des Damms und den Abfluss des Gewässers berücksichtigt zu
haben. Den gründlichen Anfang einer Umgestaltung verdankt
man Sixtus IV. Zweierlei kam in Betracht, Pflasterung und
Erbreiterung der Wege. Das Pflaster fehlte bis dahin, einige
von Nicolaus V. verordnete Anfange ausgenommen, beinahe
völlig, wenigstens in der Mitte, meist auch längs den Häusern.
Indem Papst Sixtus diesem Uebelstande abhalf, erwarb er sich
den Ruhm die Stadt aus dem Roth gezogen zu haben — ein
Unternehmen, schwierig genug selbst bei unvollkommensten
Resultaten. Im Jahre 1474 hiess es in einem Breve an den
*curator viarum« Girolamo de' Giganti: »Unter unsem zahl-
losen ObUegenheiten steht die für Reinlichkeit und Schmuck
unserer erhabenen Stadt nicht unten an. Denn wenn irgend-
eine Stadt reinlich und gut gehalten erscheinen muss, so ist
es diese, der Welt Haupt und der Ort, wo des Apostelfursten
Stuhl steht.« Das Pflaster der Engelsbrücke MTirde im Jubel-
jahre 1475 erneuert, während das Thor an derselben mit neuem
Gitter versehn ward. Noch grössere Mühe schuf die Erbreite-
rung. König Ferrante von Neapel soll im Jahre 1475 den Papst
auf die immerwährende Gefahr eines so engen Strassennetzes
für die öffentliche Sicherheit aufmerksam gemacht haben. Aber
es bedurfte solcher Mahnung nicht: Roms ganze mittelalterliche
Geschichte, selbst die der zunächsthegenden Zeiten richtete
dieselbe an den Beherrscher der Stadt.
Die Bulle vom 30. Juni 1480, von den Bauten und neuen
Werken zum Schmuck der Stadt, gewährt eine Anschauung
des Zustandes. In manchen Theilen, heisst es, sind die Strassen
26*
404 Umwandlung der Strassen.
durch vorgebaute Portiken, Buden und Balcone dennaassen
enge, dass die Passage durch dieselben für die zur Curie ge-
hörenden Personen und alle Uebrigen gehemmt ist, selbst ab-
gesehn von Jubeljahren. Hieundda, können selbst einzelne
Reiter einander nicht ausweichen. Nicht einmal die Fapst-
strasse von der Engelsbrücke zum südhchen Theil der Stadt,
dieser Schauplatz grosser feierUcher Cavalcaden, war davon
ausgenonmien: man betrachte noch heute die Curve beim Pa-
last der Massimi und die Enge der von dem modernen Platz
von S. Andrea della Valle bis zum Gesu führenden Wege.
Sixtus' Befehl ging nun dahin, in allen besuchteren Strassen
die Vorbauten wegzuräumen, wenigstens an den Seiten zu
pflastern, vorspringende Häuser ganz oder theilweise abzu-
tragen, verfallene umzubauen, solche an denen kein hin-
reichender Raum bUeb unter Abfindung der Eigenthümer in
die anstossenden hineinzuziehn , neue Plätze anzulegen, die
vorhandenen zu erweitem und regelmässiger zu machen. Der
Camerlengo Cardinal d'Estouteville, ein gewandter und um-
sichtiger Mann, sollte die obere Leitung fuhren, unter üim
zwei Aedilen Francesco de' Porcari und Batista StagUa mit der
Ausfuhrung betraut sein. Expropriationsrecht wurde ihnen yct-
liehen, selbst wo es sich um Kirchen- und Klosterbesitz han-
delte. Diese Bulle, welche durch nachfolgende Päpste, so am
2. November 1516 durch Leo X. unter Ernennung von Schieds-
richtern behufs des Abfindungspreises für die durch Wegrau-
mung einzelner Theile unbewohnbar gewordenen Häuser be-
stätigt ward, brach Bahn. Rom ist in dem hier wesentlich in
Betracht konmienden Theile keine schöne noch bequeme Stadt
geworden, aber es verdankt Sixtus IV. den Uebergang zu einem
mehr civihsirten Aeussem, wobei Gresundheit und Helle ge-
wannen. Gerade an der Via papale scheinen zahlreiche Cor-
rectionen vorgenommen worden zu sein, während die Legung
des grossentheils aus Ziegeln bestehenden Seitenpflasters aucb
auf die Regelung der Abzugscanäle Einfluss übte. Schon fünf
Jahre früher hatte eine päpstliche Bulle die Bauthätigkeit io
Stadt und Umgebung durch Vergünstigungen für neue Hauser
innerhalb eines Umkreises von zehn Milhen zu fördern gesucht.
So hatte Nicolaus V. im Jahre 1449 die im Rion der Monti
zwischen dem Galienusbogen, Sta Maria maggiore und Sta
Prassede sich Anbauenden von Abgaben befreit.
Ponte Sisto. Hospiz von Sto Spirito. 405
Hierauf wie auf wiederholte Ausbesserung der Stadtmauern
und Thürme, so der diesseitigen Stadt wie Trasteveres, auf
die Restauration des Aquäducts der Virgo und Verschönerung
der Fontane von Trevi durch Marmorarbeiten, auf Herstellung
des Corridors der Engelsburg, des Gefängnisses von Tordi-
nona, der nomentanischen Brücke, des Castells von Tivoli,
auf das im Jahre 1474 erneute Verbot des Raubs von Steinen
und Ornamenten in den Kirchen beschränkte sich Sixtus' IV.
gemeinnützige Thätigkeit nicht. Um das Jahr 1472 sicherte er
Porta del popolo durch Erbauung der beiden Thürme welche
man mit modernem Aufbau neben dem modernen Thore sieht.
Leider musste ein antikes Grabmal welches auf dem anstossen-
den Platze stand und dessen Reste nachmals von Paul IIL weg-
geräumt wurden, die Marmorquadem zu dem Bau hergeben.
Am 29. April 1473 legte Sixtus den Grundstein zu der nach
ihm benannten Brücke, welche, neben dem von Martin V. schon
vor seiner Ankunft in Rom ausgebesserten heutigen Ponte rotto
durchaus nöthig , die in Trümmern liegende janiculensische er-
setzte und für das Jubeljahr 1475 vollendet ward, worauf der
Papst besonders bedacht gewesen war um den gefahrvollen An-
drang zur Engelsbrücke möglichst zu vermindern. Der Florenti-
ner Baccio Pontelli war der Architekt dieser aus vier Bogen be-
stehenden nicht schönen aber dauerhaften Brücke, deren mehr
denn einmal erneuerte Parapete heute einen gründüchen Um-
bau heischen. Francesco di Meo von Florenz imd der Römer
Girolamo Melini lieferten die Marmorarbeiten. Eine Bulle vom
16. August 1473 bestimmte, dass die Geldstrafen in Contraven-
tionsfallen bezügüch der vom Papste bestätigten Statuten über
Heiratsgaben, Schmucksachen u. s. w. zu diesem Bau verwen-
det werden sollten. Andere Geldmittel sind wol reichlicher
gewesen als diese, so drohend auch die Phrasen des neuen
Luxusgesetzes lauten mögen.
Im Jahre 1471 begann der Neubau des Hospitiums von Sto
Spirito. Der grosse Bau Innocenz' HI. war von den Stürmen
der Zeiten hart betroffen worden , ja in den letzten Jahren vor
dem Concil von Constanz war er mit völligem Ruin bedroht
gewesen, als Neapolitaner und Päpstliche um den Besitz der
Leonina stritten, die Bombarden des Castells sie in Trünmier
schössen, der Glockenthurm der Kirche befestigt ward, Paolo
Orsini und der Graf von Troja in Angriff und Gegenwehr
406 Sto Spiiito. Baccio Pontelli.
Portiken und Süle des Spitals in eine Burg verwandelten, die un-
glücklichen Bewohner der Umgebung vor Geschossen und Sol*
datesca in der anstossenden Kirche und anderen Räumen Schutz
suchten. Eugen IV. hatte sich des Spitals angenommen dessen
Genossenschaft er der Augustinerregel unterwarf, während er
die Obhut seinem Neffen Pietro Barbo übertrug. Doch finden
wir nicht dass Paul II. während seines Pontificats die Anstalt
bedachte; dieser Ruhm war seinem Nachfolger vorbehalten
w^elcher gegen Ende des Jahres 1471 den Grrundstein zu dem
neuen Bau legte. Architekt desselben war Baccio Pontelli,
dessen sich Sixtus IV. bei allen seinen grossen wie kleineren
Werken bediente, sodass wir ihn während der ganzen Begie-
rungszeit dieses Papstes nur einmal, und auch dann in dessen
Auftrage ausserhalb Rom finden, nämlich im Jahre 1480 in
Assisi, wo er zum Schutze von Kirche und Kloster des h.
Franciscus die riesigen Widerlageu an der Nordseite baute.
Wenig ist vom Leben und den Studien Baccios bekannt, der
bei einem florentiner Bau- und Zimmermeister Namens Fran-
cione in die Schule ging. Seine Werke bilden recht eigent-
lich den Uebergang zu den vollendeten Schöpfungen der Re-
naissance, zu Bramante und seiner Zeit. Noch hält er an
Reminiscenzen der Gothik fest, an Fensterrosen, am Kreoi-
gewölbe der Schiffe , an den mit Halbsäulen zusammengesetzten
Pfeilern, während seine Bauten in anderm, in der aus dem Acht-
eck entwickelten Kuppel, in den mit Vorliebe von ihm ange-
wandten achtseitigen Pilastern der Portiken, in der Ornaoienti-
rung der Facaden an denen die ein paarmal vorkommenden häss-
lichen Voluten in ihrer gegenwärtigen Form schwerlich ihm zur
Last zu legen sind, dem neuen Stil angehören. Sto Spirito ist
Pontellis umfassendster Bau und wurde in fünf Jahren ausge-
führt. Die Wirkung muss einst eine ganz andere gewesen sein
bevor die sechsunddreissig Bogen des Porticus, welcher do-
rische Pilaster mit achtseitigen Pfosten zeigt, geschlossen und
der Platz gegen die Engelsburg zu durch die gegenüber er-
richteten Bauten eingenommen war. Die hohe achtseitige Kup-
pel ist durch Fenster im Spitzbogenstil erleuchtet Der grosse
Krankensaal ist mit dreissig heute ziemlich verblassten Fresken
geschmückt, von denen sechs der Geschichte Innocenz' üLt
die übrigen jener Sixtus' IV. angehören, von dessen Hand-
lungen sie unter andern den Neubau des Spitals und der
Vaticanischer Palast. Sixtinische Kapelle. 407
Brücke, den Empfang der Könige von Neapel und Danemark,
der Königinnen von Bosnien und Cypern darstellen. Barto-
lommeo Piatina verfasste die Unterschriften der Bilder. Der
Palast welcher zur Wohnung des Directors der grossen Anstalt,
des Commendators von Sto Spirito, dient, und die Kirche
wurden im sechzehnten Jahrhundert umgebaut^ und von altem
ist nur der Glockenthurm geblieben, ohne Zweifel ein Werk
Pontellis, der hier den Stil der alten römischen Campanilen
mit Glück verjüngt hat.
Der vaticanische Palast verdankt Sixtus IV. bedeutende
Werke. Vom Beginn seiner Regierung an begegnen wir zahl-
reichen Verordnungen und Aufträgen aller Art zu diesem Be-
hufe, Ankäufe von Balken und Befehle zum Holzfällen im
Gebiet von Velletri für den grossen Papstsaal, Zahlungen für
den Bau der Locale der Curie, für die Wache, für Pferdeställe
and eine Menge anderer Arbeiten, die nicht immer namentlich
angegeben sind. Von der Bibliothek welche sich von der ge-
wöhnUchen Saalconstruction nicht unterscheidet, war die Rede.
Ein Erlass inbetreff der Bausteine ist vom Jahre 1471, drei
Jahre später wurden die Bücherschränke geliefert. Von un-
gleich höherer Bedeutung ist die im Jahre 1473 begonnene
sixtinische Kapelle, durch deren Erbauung Baccio PontelU die
doppelte Aufgabe, einen einfach edlen und zweckmässigen und
für die Ausschmückung mit grossen Wand- und Deckengemälden
geeigneten Raum zu schaffen, glückhch gelöst hat. Ein läng-
liches Viereck, an den beiden Langseiten eine Doppelreihe
korinthischer Pilaster, an einer dieser Langseiten Fenster in
der obern, durch eine auf drei Seiten umlaufende Gallerie von
der untern getrennten Wand, die Decke ein Tonnengewölbe
mit breiten Flächen, in den Wandanschlüssen mit Lunetten
und Spitzbogen, deren Vereinigung Michel Angelo zu der
grossartigsten und ideenreichsten Malerschöpfung der Welt
dienlich gemacht hat. Der Fussboden Opus alexandrinum , die
das Presbyterium vom Vorderraum scheidenden Marmor-
schranken, heutzutage leider ohne die schönen Gitter, und die
Sängertribune mit zierUchem maassvollen Ornament und dem
Wappen der Della Rovere. Es ist ein in sich durchaus voll-
endetes, den Anforderungen voUkommert^entsprechendes Werk.
Nicht in gleichem Maasse lässt sich dies von den von Pontelli
gebauten Kirchen sagen, so vieles auch an denselben zu loben
408 StA Maria dcl popolo und andere Kirchen.
ist. Zu denselben gehören Sta Maria del popolo, im Jahre
1472 begonnen und nach fünf Jahren vollendet, dreischiffig, mit
achtseitiger von vollständigem Tambour getragener Kuppel
welche die erste dieser Art in Rom ist. Sta Maria della pace,
einschiffig mit Kapellen von geringer Tiefe und grossem Chor-
Octogon, welches gewissermaassen den Haupttheil des Gebäudes
bildet. S. Pietro in montorio, gleichfalls einschiffig mit den
vorgenannten ähnelnden Kapellen, die Stirnseite ein einfaches
hohes durch ein stark vortretendes Gesimse in zwei Geschosse
getheiltes Viereck, mit einem Giebeldreieck, über der mit einem
Arabeskenfriese verzierten Marmorthüre eine Fensterrose, an
den Seiten flache Pilaster in zwei Geschossen, das Ganze eine
der ansprechendsten und verständigsten Fagaden in der mit
so vielen überladenen Werken dieser Art prunkenden Stadt
umso anmuthiger in der Wirkung, da die ragende freie La^
auf dem hier den schönsten Umblick bietenden Janiculum nebst
der zur Platform führenden doppelten Freitreppe die schlanke
Form hervortreten lässt. Sant' Agostino und S. Giacomo auf
Piazza Navona werden Baccio Pontelli zugeschrieben. Jedenfalls
sind sie unter dessen Einfluss von Schülern ausgeführt, erstere
Kirche in den Jahren 1479 — 1483 von Sebastiano aus Florenz
und Giacomo di Cristofano von Pietrasanta, der schon unter
Paul n. bei dem Bau von S. Marco thätig war. S. Agostino,
von Cardinal d'Estouteville an der Stelle der vormaligen Kirche
S. Trifone erbaut, dreischiffig mit hohen durch korinthische
Halbsäulen verstärkten, ein Kreuzgewölbe tragenden Pfeilern
und einer Kuppel, die Fagade mit einem grossen und zwei
kleineren Rundfenstem schwerfällig, im ganzen an Sta Maria
del popolo erinnernd. Die heute verlassene spanische National-
kirche an Piazza Navona, mit flachen an den Seiten gekuppel-
ten korinthischen Pilastem und einer gothischen Fensterrose
an der breiten , am Giebelgeschoss völlig verunstalteten Fagade,
scheint unter Baccios Leitung vollendet worden zu sein, ob-
gleich ihre Gründung in die Mitte des Jahrhunderts fallt Die
Vorhallen an SS. Apostoli und S. Pietro in vincoli, für Car-
dinal Giuliano della Rovere errichtet, zeigen dieselben acht-
seitigen Pilaster welche dieser Architekt so gerne anwandte.
Vielleicht erfolgte datnals die an dem verschiedenen Maassc
des Triumphbogens wie an der Construction des obem Theils
der Fagade erkennbare Erweiterung des Mittelschi6fs der
Paläste. Abtei Grottaferrata. 409
esquilinischen Kirche, welche den herkömmlichen Verhältnissen
alter Basihken zu ihrem Nachtheil widerstreitet.
Andere von Pontelli hergestellte oder umgebaute Kirchen
sind im Lauf der Zeiten mehr oder minder umgestaltet worden.
Aach an Palastbauten hat er sich hetheiligt Die unter dem Namen
des Govemo vecchio bekannte gegenwärtig sehr verkommene
vormalige Residenz des Govematore di Roma mit schönem
Thor und doppeltem Hofe wurde im Jahre 1475 für Cardinal
Stefano Nardini von Forli erbaut, in der Nähe eines von ihm
bei S. Tommaso in Parione gegründeten Collegiums für arme
Studirende. Die heutige Wohnung der Pönitentiare von St.
Peter an Piazza Scossacavalli im Borgo , gegenüber dem präch*
tigen Palast des Cardinals von Cometo, entstand fiir den
mehrgenannten Cardinal Domenico della Rovere. Auch die-
ser Bau an dessen Fensterarchitraven man die Inschrift
•Uominicus de Ruvere cardinalis s. Clementis« Uest, ist übel-
zugerichtet worden. Wenn die Decke eines der Säle my-
thologische und andere omamentale Darstellungen, Ceuta^ren
und Sirenen, Adler und Greife, mosaikartig auf Goldgrund
gemalt zeigt, so fragt es sich ob dieselben von dem Erbauer
des Palastes herrüliren oder vom Cardinal Aüdosi, der ihn in
Julius' II. Zeit bewohnte und dessen Wappen man neben dem
der DeUa Rovere und dem savoyischen sieht. Ob Pontelli an
Giulianos della Rovere Bau von Grottaferrata Theil gehabt
bat, ob nicht vielmehr dessen Landsmann Giuliano da San
Gallo der Meister war, ist nicht bekannt. Das Kloster war
gleich anderen freiUegenden Bauten dieser Art ohne Zweifel
auch früher befestigt und hatte bei manchen Anlässen viel zu
leiden gehabt, so in der Hohenstaufenzeit wie unter Papst
Sixtus selbst im neapolitanischen Kriege, als der Herzog von
Calabrien hier lagerte. Sixtus hatte die Abtei seinem Neffen
als Commende verliehen und dieser errichtete, wie es scheint
unter Innocenz' VIII. Regierung, den heute unversehrten Bau,
ein Castell welches ein Kloster einschhesst, mit Gräben und
Basteien nach den Regeln der damals in vollständiger Um-
wandlung begriffenen Befestigungskunst, Mauern, Thürme, Pa-
last mit Zinnen gekrönt. Das Ganze eine unvergleichlich ma-
lerische Gebäudegruppe am Fuss der grünen tusculaner Hügel
auf einem von hundertjährigen Ulmen und Platanen beschatte-
ten Plan. Wahrscheinlich war auch der Palast des Cardinals
410 Cwtell von Ostia.
d'Estouteville neben der Kirche Sant' Apollinare ein Werk
Baccio Pontellis. Pedro de Luna, der oftgenannte Gegenpapst.
hatte hier eine Wohnung in welcher im Jahre 1407 der Pa-
triarch von Alexandria Simon de Cramaud, Haupt der zu
Gregor Xu. gekommenen französischen Gesandtschaft ein*
kehrte. D'Estouteville baute sie um und brachte hier seine
letzten Jahre zu, worauf erst Cardinal Kaffael Riario, dann
zwei andere Nepoten Sixtus' lY. Girolamo Basso und Leonardo
Grosso della Rovere sie bewohnten. Alles wurde anders unter
Gregor XIU., als dieser den Palast zum Local des teutsch-
ungarischen Collegiums bestimmte, von welchem er nach wech-
selnden Geschicken an das römische Seminar überging.
Nach Sixtus' IV. Zeit findet sich von Baccio Pontelli, der
um das Jahr 1491 in Urbino, wo er am herzoghchen Palast
arbeitete, gestorben zu sein scheint, keine Kunde in Rom.
Andere Florentiner aber waren hier damals und später thätig.
Papst Sixtus war noch am Leben , als Giuliano della Rovere den
Bau der Citadelle von Ostia begann welchen er im Jahre i486
beendigte. Cardinal d'Estouteville hatte den kleinen Ort, wel-
cher die Stürme des Mittelalters überstanden hatte und wo
auch Martin V. einige Arbeiten unternommen haben muss , mit
schwachen Mauern umgeben und den Bau der Kathedrale
Sant* Aurea begonnen. Della Rovere beschloss ein Castell
anzulegen welches die alte Strommündung zu schützen im
Stande wäre, gleichsam die Stürme ahnend die so bald
über ihn selbst hereinbrechen sollten. Die grosse Inschrift
am Hauptthurme besagt: Julian von Savona Cardinal von
Ostia errichtete diese Burg zur Zuflucht aus den Gefahren
der See, zum Schutz der römischen Campagna, zur Befeslägong
Ostias und zur Sicherung der Tibermündung, indem er sie
unter der Regierung Papst Sixtus' IV. seines Ohms begann, unter
Papst Innocenz VIII. mittelst Anlegung der durch den Fluss
gefüllten Wassergräben auf seine Kosten zu Ende führte, im
Jahre des Heils 1486, im 2115. nach Ostias Erbauung, im
2129. nach Ancus deüi Grründer der Stadt. Das Fort tod
Ostia, heute im Winter von Sträflingen bewohnt welche bei
den Ausgrabungen im Umkreise der alten Stadt beschädigt
sind, ist in seinem Verfall die schönste Ruine des spätesten
Mittelalters in Roms Umgebung. Der die Spitze des Dreiecks
bildende mächtige Hauptthurm, welcher die beiden anderen
Giuliano da San Gallo. Castelle von Subiaco, Bracciaiio u. a. 411
runden Eckthürme und die gleich denselben von einem massi-
ven Consoiengesimse gekrönte Mauer überragt, an vielen Stellen
schadhaft und nicht immer geschickt ausgebessert, schaut weit-
hin über Land, Strom und See, im Einklang mit dieser öden,
lautlosen, von Schutt und Sanddünen gebildeten Niederung,
über welche schlanke Pinien ihre breiten Kronen ausbreiten,
am melancholischen Ufer des gelben Stroms welchen seltene
Fahrzeuge und Fischerbarken beleben, nicht ferne von der
prächtigen Pineta von Castel Fusano deren immergrüner Baum-
gürtel weithin den durch die Thaten der Aeneis berühmten
Strand umsäumt. Architekt dieses schönen Castells, welches
vermöge der Bauart im Innern, wo die Casematten \md ver-
deckten Gänge mit grossem Geschick angelegt sind und der
beschränkte Raum sehr glückUch benutzt ist, dem Sachver-
ständigen sich empfiehlt, war der Florentiner Giuhano Giam-
berti genannt da San Gallo, aus derselben Schule mit Pontelli
hervorgegangen, der älteste einer Künstlerfamilie welche auch
in Rom bleibende Spuren zurückgelassen hat. Schon im Jahre
1472 war Giuliano neunundzwanzigjährig in Rom, wo wir ihn
noch in voi^erücktem Alter thätig sehn werden.
Wenn das Fort von Ostia einen bedeutenden Fortschritt
im Kriegsbauwesen repräsentirt und noch in der zweiten Hälfte
des sechzehnten Jahrhunderts als Muster geltend unter den
uns erhaltenen Werken dieser Art in Roms Umgebung die
erste Stelle einnimmt, so fehlt es nicht an anderen die den
Uebergang vom einfachen Befestigungssystem des Mittelalters
zu dem künstlichen imd complicirten bezeichnen, welches mit
der Vervollkommnung der Artillerie entstand und gleichen
Schritt hielt. Nicolaus* V. Citadellen liegen ausserhalb des
Kreises der hier vorzugsweise in Betracht kommt, und die
unter seiner Regierung von den Colonnesen wiederaufgerichte-
ten Befestigungen von Palestrina gehören ebenso dem alten
System an wie Pius' IL Burg in Tivoli. Zu den letzten Bei-
spielen derselben Art ist wol das Castell von Subiaco zu zäh-
len welches gemäss der Inschrift am grossen Thurme Cardinal
Kodrigo Borgia im Jahre 1476 mit dreifachem Mauerkreise neu
baute und mit Geschütz versah, und die gewaltige Burg von
Bracciano die dem im Jahre 1480 gestorbenen Napoleon Orsini
ihre Entstehung verdankt. Ein riesiges dem Castelnuovo Neapels
ähnelndes Fünfeck dessen hohe Rundthürme in die gleich hohe
412 Soiistij»e Bauwerke Sixtus* IV.
mit Zinnen und Consolengesimseu gekrönte Mauer eingelassen
sind, die zugleich die Wohnung und den Hofraum umschliesst,
während ein breiter Grang längs den Zinnen um das ganze Ge-
bäude läuft, dessen ragende Lage auf der scharfen Kante des
den schönen See bildenden Kraters die grossartig und eigen-
thümUch malerische Wirkung erhöht. Die Folgezeit sah dann
kriegerische Bauten neuen Stils entstehn. Wie wir Papst
Alexander VL die Aussenwerke der Engelsburg umbauen, Ci-
yita Castellana befestigen sehn werden , liess Napoleon Orsinis
Sohn Gentile Virginio im Kampfe mit den Borgia im Jahre
1490 durch Francesco di Giorgio, den gelehrtesten Militar-
architekten seiner Zeit, die heute in Trümmern liegende Burg
von Campagnano errichten und die Cast«lle am sabatinischen
See verstärken. Die zahlreichen Zeichnungen die uns von
Werken dieser Art erhalten sind , welche grossentheils bald in
Trümmer sanken oder umgestaltet wurden, geben eine klare
Anschauung von der Form der meist niederen Thürme und
dem System der Basteien, bedeckten Gänge und Aussenwerke.
die den Uebergang zu dem modernen Festungswesen bilden
welchem sie an malerischem Effect weit vorausgelm.
9.
FORTSGHREITEKDER EINFLUSS DER ANTIKEN ARCHITEKTUB.
Die grossartige Thätigkeit Sixtus' IV. , von welcher noch
einmal bei der Besprechung der Malerwerke der Zeit die Rede
sein wird und woran die Cardinal -Camerlenge Latino Orsini
und D'Estouteville sich betheiligten, hat in Rom noch andere
0 Monumente zurückgelassen. Namentlich war das Jubeljahr
1475 an Herstellungen von Kirchen reich. S. Cosimato und
S. Salvatore in Trastevere, SS. Nereo ed Achilleo, SS. Quirico
e Giulitta bei Tor de' Conti u. a. wurden damals mehr od«
minder umgebaut. Zahlreiche andere Arbeiten gingen damit
Hand in Hand. Der Palast von San Marco, die Kapelle Car-
dinal Torquemadas in Sta Maria sopra Minerva, die Tribnof
der Apostelkirche, der Palast der Sapienza, die Castelle von
Werke Innocenz' Vin. 413
Tivoli und Ronciglione, Bauten in Viterbo, Orvieto und an-
deren Städten nahmen den thätigen Papst in Anspruch. Dass
er auch für Erhaltung antiker Monumente sorgte, ergiebt sich
aus der in den Jahren 1473 und 1474 stattgefundenen Restau-
ration der Marc Äurelsstatue, so des ehernen Bildes selbst wie
des Fussgestells, eine Restauration die nicht ohne Belang ge-
wesen sein kann, da sie 675 Goldgulden kostete, und bei wel-
cher dem Werke ein anderer Platz, immer noch vor der late-
ranischen Basilika, angewiesen wurde. Die am capitolinischen
Tabularium, dem damaligen Salzmagazin, im Jahre 1477 vor-
genommenen Arbeiten förderten ohne Zweifel keinen archäolo-
gischen Zweck, wie denn die Zerstörung des in dieser Zeit
aufgefundenen Rundtempelchens des Hercules am Forum boa-
rium, dessen Inschriften man im Conservatorenpalaste liest,
au den Tag legt wie gering die Reste des Alterthums geachtet
wurden ,. wenn man das Material oder einzelne Theile derselben
anders verwenden konnte. Neben den namhaften Künstlern
die wir unter Slxtus IV. beschäftigt fanden , kommen viele an-
dere vor von denen die Kunstgeschichte nichts weiss , grossen-
theils Florentiner, neben ihnen Lombarden und einige Römer
wie andere aus dem Kirchenstaat.
Für Sixtus' Nachfolger trat derselbe Umstand ein wie bei Ni-
colaus' V. Tode. Die Regierung Innocenz' VIII. erscheint wenig
bedeutend, wozu allerdings noch mitwirkt dass die ihm ge-
hörenden Werke theils zerstört theils vöUig unkenntlich sind.
Ersteres ist der Fontäne des Petersplatzes und der Kirche
Sta Maria in Via lata begegnet, jene im Jahre 1490 errichtet,
diese am 23. August des folgenden Jahres begonnen, wobei
leider die Reste eines antiken Bogens abgetragen wurden an
welchen sich die frühere Kirchenfa^^ade lehnte , wie denn über-
haupt Papst Innocenz an der Erhaltung alter Bauten keinen
grossen Antheil genommen zu haben scheint, indem er frei-
stellte, Traverdnblöcke zu nehmen wo man deren fand. Die
Fontane war mit Sculpturen geschmückt und bestand aus zwei
übereinander angebrachten runden Schaalen: in ganz Italien,
sagt Stefano Infessura, sah man keine ähnliche. Auch die
Arbeiten welche Innocenz VIII. in St. Peter, im Lateran und
anderwärts ausführen Uess, sind verschwunden. Das Ta-
bernakel in welchem er die h. Lanze verwahrte, ist mit der
vom Cardinal Lorenzo Cybo in St. Peter erbauten Kapelle.
416 Zerstörung der Meta. Appartaniento Borgia.
Castellana herrührt. Alexanders VI. Namen liest man noch
heute am Castell, dessen oberer Theil im Jahre 1497 durch
einen in 4^ Pulvermagazin eingedrungenen Blitz arg beschä-
digt aber von demselben Papste hergestellt ward. Thore und
Thürme an den zwischen dem Vatican und der Engebburg be-
findhchen Befestigungen wurden im Jahre 1492 ausgebessert, der
den Palast mit dem Castell verbindende Corridor tlieilweise neu-
gebaut. Die Anlage der Via Alessandrina brachte den Resten
der sogenannten Meta den Untergang. Seit vielen Jahrhunder-
ten des Marmorschmucks entkleidet, seit lange in ein Vorwerk
der Engelsburg umgewandelt und mit Bombarden besetzt,
wurden die Trümmer des angeblichen Romulus- oder Scipio-
grabes nun dem Erdboden gleichgemacht um für die erste
Strecke der neuen Strasse Raum zu gewinnen. Ueber den
Rest des Platzes verfugte nachmals JuUus U. zum Bau von
Wohnungen für die Sänger der Kapelle. Der vaticanische
Palast und seine Umgebung wurden nicht minder bedacht
Innocenz' VIII. Brunnen wurde unter Leitung des berühmten
Architekten Bramante von Urbino verschönert, die Loggia
der Segenertheilung vollendet wie man sie in RaffaeU
Bilde des Incendio sieht. Die Residenz Nicolaus' IIl. und
V. sah neue grossartige Werke entstehn. Noch bewahren
die Säle und Gemächer hinter dem ersten Stockwerk der
Loggien als Appartamento Borgia den Namen ihres Erbauers,
der sie auch theilweise durch Malereien schmücken liess worin
Leo X. ihm nachfolgte. Auf dem rechten Tiberufer liess
Alexander VI. die Porta Settimiana neubauen welche noch die
von ihm ihr gegebene Gestalt hat. Ueberdies erneuerte er.
oder vielmehr in seinem Namen Cardinal Juan I^opez von Va-
lencia sein vormaliger Geheimschreiber, den Brunnen auf dem
Platze vor Sta Maria in Trastevere, welchen Alexander \' II.
mit einem neuen vertauschte. In der eigentlichen Stadt wurden
die Kirche S. Niccolo in carcere, Dach und Fussboden von
SS. Apostoli hergestellt, die von Calixtus III. begonnene Decke
in Sta Maria maggiore vollendet. Der Tradition zufolge würfle
das erste aus Amerika gesandte Gold zur Ausschmückung der
Cassetten gebraucht, welche unter allen römischen Werken
dieser Gattung die zierUchsten sind. Von dem Neubau der
Universität war schon die Rede.
Indessen sind es nicht die von Alexander VI. selbst
Der Palaststil. Bramaiite. 417
ausgefiihrten "Werke sondern die Schöpfungen mehrer Cardi-
näle seinerzeit, welche in der Kunstgeschichte Epoche bilden.
Unter diesen Cardinälen stehn obenan Giuliano della Rovere,
Raflael Kiario, Adriano Castellesi. Alle drei haben ein be-
wegtes Leben geführt: alle drei haben in Roms politischer und
Hofgeschichte nicht minder als auf künstlerischem Gebiete
einen Namen hinterlassen und der erste von ihnen, dem wir
unter den beiden vorhergegangenen Pontificaten auf diesem
Gebiete begegneten, hat als Cardinal den Papst verkündet.
Inderthat bildet die Kunst der Jahre die wir hier betrachten,
die ersten Gheder der Kette welche die Regierungszeit JuUus' IL
und Leos X. umschlingt. Vor allem ist dies der Fall in der
Architektur. Baccio Pontelli und die beiden Sangallo bilden
den Uebergang zu Bramante. Mit Bramante aber beginnt der
eigentliche moderne Palastbau , für welchen vonnunan Rom die
vornehmsten Muster hergiebt. Der florentinische Palaststil,
wie Benedetto da Majano und Giuliano da Sangallo ihn unter
Bewahrung seiner Eigenthümlichkeit in der Behandlung und Ab-
stufung der Bossagen , der Ausbildung der durch eine Mittelsäule
getheilten Rundbogenfenster, der Markirung der Geschosse zur
höchsten Vollendung brachten , hatte schon in Albertis Werken
durch die Verbindung decorativer Pilaster verschiedener Ordnun-
gen mit glätteren Bossagen, antikisirendem Ornament an den
rechtwinkligen Thüren , Andeutung des Vierecks in den Bogen-
fenstern wie wir es am Palast Rucellai gewahren, den Uebergang
zu Bramantes' Fa^ade und in gleichem Maasse zu dessen Hof-
raum vermittelt. Das Festungsartige ist an diesen römischen
Palästen verschwunden, obgleich das hohe einfache Erd-
geschoss mit den kleinen viereckigen Fenstern noch daran
erinnert. Die Bossagen sind abgeglättet, die Geschosse durch
vollständig entwickelte Gebälke getheilt auf denen die Stilo-
baten der zwischen den Fenstern der oberen Stockwerke paar-
weise angebrachten Pilaster ruhen, die Fenster des Haupt-
geschosses mit geradem Sturz aber mit Rundbogen im Lichten.
Der Eindruck des Ganzen ist ein überwiegend ruhiger und har-
monischer vermöge der maassvollen Behandlung und der Ver-
meidung zu starker Profilirungen, worin bei einem so mächtigen
Bau wie der Palast Cardinal Riarios vielleicht zu weit gegangen
ist. Die Hofräume zeigen theils ein von Pilastern getragenes
Hallen -Grundgeschoss, theils umlaufende Säulenarkaden von
▼. Reumo&i, Rom. IJI. 27
418 Paläste Riario und Casteilesi. S. Pietro in vincoli.
schönstem Effect, wobei Adel und Grossartigkeit sich mit
Leichtigkeit und Anmuth verbinden.
So sind die schönen Paläste welche Bramante für die
Cardinäle Riario und Casteilesi errichtete. Jener, welcher die
umgebaute Kirche S. Lorenzo in Damaso einschUesst, wird
heute nach dem Cardinal Vicekanzler die Cancellaria, dieser
nach seinen späteren Besitzern Giraud oder Torlonia benannt
Der Hofraum der Cancellaria ist der imposanteste und form-
reinste Roms, üebrigens wurden diese Arbeiten Bramantes
unter Alexanders VI. Regierung nur begonnen und sie gehören,
der letztere vielleicht ganz , vielmehr der Zeit Juhus' 11. an
als der seinigen. Denn Bramante, welcher sowol in der Ro-
magna wie in der Lombardei namentlich unter Lodovico U
Moro viel gebaut hatte, kam nicht vor dem Jahre 1499 nach
Rom , wo er von Alexander VL alsbald beschäftigt ward. Der
Palast Raffael Riarios, ursprünglich vielleicht nur ein Umbau
jenes des Cardinais Scarampi, war damals längst im Bau be-
griffen , und vielleicht gehören nur Fagade und Hofraimi dem ge-
nialen Urbinaten. Giuliano della Rovere, welcher sich nacbmab
Bramantes mit Vorliebe bediente , hatte beim Bau seiner Woh-
nung bei S. Pietro in vincoU Giuliano da Sangallo zum Archi-
tekten. Sie ist dem Porticus und Unken Seitenschiff der Kirche
angebaut und von keiner besondern Bedeutung. Auch das
Kloster der regulären Chorherren zur Rechten der Basilika
wird demselben Künstler unter Theilnahme seines Bruders
Antonio zugeschrieben, wobei es freiUch ungewiss bleibt ob
der schöne, vom Bauherrn als Cardinal begonnene als Papst
vollendete Hof mit seinen Säulenarkaden im Erdgeschoss von
den Sangallo oder von Bramante herrührt Der originelle und
zierliche Brunnen mit seinem von vier ionischen Säulen getra-
genen Dach und der mit Masken und anderen Ornamenten ge-
schmückten Marmormündung, welche einem viel spätem Künstler
Simon Mosca von Settignano zugeschrieben wird, wurde von
Julius n. begonnen, vom Cardinal Leonardo Grosso della
Rovere, der auch den Titel von S. Pietro in vincoli führte,
vollendet. Während alle diese Bauwerke vollkonmien erhalten
sind, deuten an dem von Alexander VI. als Cardinal bewohn-
ten, bei seiner Erhebung an die mailändischen Sforza dann an
deren Agnaten von Santa Fiora gelangten Palaste nur Arkaden-
reste des Hofraums auf dessen vormalige Gestalt.
Wohnhäuser. Verwendung antiken Materials. 419
Begreiflicherweise mussten die verschiedenen Phasen im
Palaststil auch auf den Bau der gewöhnlichen Wohnhäuser
Einfluss üben. Wären gerade hier die Umwandlungen nicht
so unablässig gewesen, so würde die Parallele mit den grösse-
ren Bauten vollständiger geführt werden können als es gegen-
wärtig der Fall ist. Doch sind in demjenigen Theile der Stadt
welcher in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts
vorzugsweise gesucht war, einige Häuser dieser Zeit geblieben.
Bei Sta Maria della pace erinnert eines derselben lebhaft an
den florentinischen Bossagenstil, Rundbogenfenster, die beiden
unteren Geschosse ohne eine Spur von Ornament, das dritte
mit ionischen Pilastern, während daselbst ein anderes Haus
mit Bossagen im Erdgeschoss, Fenstern mit geradem Sturz,
ionischen und korinthischen Pilastern an den beiden oberen
Stockwerken, schon auf spätere Jahre hindeutet. Letzterer
Zeit gehört auch das von dem Florentiner Gio. Federigo Mar-
telli, einem der Abbreviatoren , gebaute Haus in Via dell' Orso
mit zierlicher Thüre und geradlinigen Fenstern , und eben dort
ein kleineres, leider neuerdings arg verunstaltetes welches
schon an Bramante mahnt. Ein gleiches ist der Fall mit der
in Via del Governo hegenden Wohnung Gio. Pietro Turcis
von Novara, eines päpstlichen Geheimschreibers, welche die
Jahrszahl 1500 trägt. Uebermässig hoch bei .nur drei Fenstern
Breite macht sie doch mit den Bossagen des Erdgeschosses,
mit flachen toscanischen Pilastern an den oberen und Rund-
bogenfenstern, von denen die des ersten Stockwerks mit ge-
radem Sturz gekrönt sind, eine so harmonische wie ruhig an-
muthige Wirkung. Die technische Ausführung der Bauten
dieser Epoche ist im ganzen sorgfältig. Baccio Pontelli und
Giuhano da Sangallo liebten den Ziegelbau und wir haben von
Beiden Muster tüchtiger Behandlung. In Bramantes grossen
Werken herrscht der Travertin vor, welcher übrigens auch
von den Genannten abwechselnd mit Marmor an Thüren, Fen-
stern, Profilirungen gebraucht wurde. Die oft vernommene
Klage der Beraubung des Colosseums ist in diesem Falle wol
schwerlich grundlos. Dass man den Marmor von antiken
Bauten nahm, wie z. B. zum Zweck der Ausschmückung der
Cancellaria und der Kirche S. Lorenzo in Damaso Werke
Gordianus' HI. auf der esquihnischen Höhe beraubt wurden,
giebt für die Befolgung der Vorschriften Pius* II. den Maassstab.
27*
420 Kircheiibauten. Sta Maria dell* aninia.
Die innere Decoration, wie wir sie heute erblicken, gehört
wesentUch dem folgenden Jahrhundert an.
An den Kirchen deren Gründung in diese Zeit fallt, ist
wenig oder nichts Ursprüngliches geblieben. Zu diesen gehören
die SS. Trinita de' monti, auf dem westlichen Abhang des
Monte Pincio von Carl VIII. von Frankreich oder vielmehr
vom Cardinal BriQonnet, welcher dazu französischen Marmor
kommen liess, auf Veranlassung des h. Francesco da Paola
gestiftet, S. Rocco beim Hafen Ripetta, eine im siebzehn-
ten Jahrhundert vollständig umgebaute Brüderschaftskirche,
Sta Maria di Monserrato die nach der Vereinigung Aragons
mit Castihen im Jahre 1495 gegründete spanische National-
kirche in welcher heute Calixtus' III. und Alexanders VI.
sterbliche Reste ohne Denkmal ruhen, S. Giovanni de' Fio-
rentini, im Jahre 1488 von einer florentinischen Brüder-
schaft angelegt, von Leo X. nach grossartigem Plan neu-
gegründet. Auch von der vom Cardinal Pedro Gonzalez
de Mendoza unternommenen Herstellung von Sta Croce in
Gerusalemme, fiir welche sich vor ihm Domenico Capranica
gemüht hattß, ist wol nichts geblieben. Die zur Erinnerung
an des Apostelfürsten Martyrthum von Ferdinand und IsabeUa
von Spanien im Hofe des Franciscanerklosters bei S. Pietro in
montorio errichtete Kapelle vom Jahre 1502 ist erhalten
wenngleich im siebzehnten Jahrhundert stark restaurirt Bra-
mante gestaltete sie als Rundtempelchen, das einst vielbewun-
dert im Grunde nicht viel anders als eine zierUche und sinn-
reiche Spielerei und nur als Beispiel des rasch fortgeschrittenen
Studiums der classischen Architektur von Bedeutung ist Die
durch Cardinal Giovanni de' Medici unter Innocenz VHI. begon-
nene aber erst ziemlich lange nachher beendigte Restauration
seiner Titelkirche Sta Maria in Domnica Uess glückUcherweise
deren Basilikenform unangetastet, und hatte nur bei dem Um-
bau der von Pfeilern getragenen Vorhalle freiere Hand. Von
grösseren Kirchen sehn wir nur Sta Maria dell' anima vor uns,
wie sie unter Alexander VI. wenn nicht früher begonnen, ge-
mäss der Inschrift der FaQade im Jahre 1514 vollendet ward.
Diese Fagade wird durch drei unverjüngte Geschosse gebildet,
mit korinthischen Pilastem, die drei Thüren mit gleichen
Säulen, im Mittelgeschosse Bogenfenster, im obern ein Rund-
Wohlthätigkeits - Anstalten. Lateran und Consolazione. 421
fenster, das Detail völlig antikisirend, zum Theil vielleicht
später als das angegebene Jahr. Das Innere zeigt noch den
Kampf der Gothik mit der modernantiken Kunst in den hohen
durch säulengeschmückte Pfeiler getragenen Schiffen. Die
Meister sind unbekannt. Ein teutscher Architekt soll das Innere
unter modificirendem Einfluss sei es eines der Sangallo oder
Bramantes gebaut haben — Inneres und Stirnseite sind jeden-
falls von verschiedener Hand. Dass unter Hadrians VI. Regie-
rung Baidassar Peruzzi an der Decoration der Fagade Theil
hatte, ist nicht unwahrscheinlich.
Die bauliche Thätigkeit der zweiten Hälfte des fünfzehnten
Jahrhunderts war auch, abgesehn von Sixtus' IV. grossem
Spital, wohlthätigen Zwecken gewidmet. Graf Everso von
Anguillara verordnete in seinem zu Anfang des Jahres 1460
in der Burg von Cerveteri aufgesetzten Letztwillen den Neubau
des lateranischen Spitals neben der Taufkapelle unter Hinter-
lassung eines ansehnlichen Legats. Das gegenwärtige um die
Mitte des siebzehnten Jahrhunderts errichtete Local hat jenes
vernichtet, an welches nur eine Marmortafel an der dem
Lateranplatze zugewandten Langseite erinnert, auf welcher
man das Wappen der Anguillara, zwei gekreuzte Aale, als
Helmschmuck der Vordertheil eines Ebers mit einem Aal in
der Schnauze, daneben den Namen: »Everso secundo« sieht.
Everso, dessen Grabstein mit seiner gewappneten Gestalt, das
Senatorsbarett auf dem Haupte sich einst in Sta Maria mag-
giore befand, hatte früher die Burgwohnung seines Geschlechts
in Trastevere verstärken lassen, schwerlich ahnend dass die
Rolle dieses Geschlechts in Rom bald ausgespielt sein würde.
Um dieselbe Zeit wurde die bei dem Spital gelegene Andreas-
kapelle hergestellt; der eingelegte Marmorfussboden bewahrt
die Namen der beiden Guardiane Mario Diotajuti und Giovanni
Bonadios von 1462. Ein anderer Mann, in der Geschichte be-
kannter als der Graf von Anguillara und auf grösserm Schau-
platz als dieser weit übler berüchtigt, machte sich gleich ihm
auch in den Annalen der römischen Wohlthätigkeitsanstalten
einen Namen. Es war Cesare Borgia, der um den Schluss des
Jahrhunderts den Frauensaal des Spitals der Consolazione
baute. Die bei der Erneuerung im Jahre 1738 gesetzte In-
schrift nennt den »Duca Valentino« als Stifter. In dem Gemach
422 Sculptur. Altäre, Taberuakel, Grabmäler.
aber welches den Rectoren zum Versammlungsorte diente , liest
man unter den Namen der Woblthäterinnen des Instituts den
seiner Mutter Vannozza, welcher man in gleicher Weise im
lateranischen Hospiz begegnet.
■ « >4
10.
SCULPTUR UND MALESBI IM LETZTEN DRITTEL DES FÜNFZEHNTEN
;rAHRfiUNDERTS.
Die Sculptur des letzten Drittels des fünfzehnten Jahr-
hunderts, namentUch in Altären und Grabmonumenten thätig,
folgt vorzugsweise der Tradition der florentinischen Künstler,
unter denen wir Mino da Fiesole in Rom tonangebend ge-
wahrten. Noch ist die schöne Ruhe und Harmonie in der An-
ordnung der Grabmäler ungestört, während das Ornament
zierlich und innerhalb verständiger Schranken bleibt und in
den Figuren meisterhafte Werke vorkommen die sich deo
florentinischen Denkmalen der beiden Aretiner in Sta Croce
und des Cardinais von Portugal in S. Miniato al monte an
die Seite stellen können. Die Marmoraltäre zeigen ähnlichen
Stil. Einige derselben sind noch an ihrer ursprünglichen
Stelle , andere hat man beiseite geschoben um sie durch Bau-
ten der Rococozeit zu ersetzen, wie es dem zierhchen Taber-
nakel von Sta Maria del popolo ergangen ist welches man
heute in der Sacristei sieht, während der Altar der altern
Kapelle Cybö aus derselben Kirche nach S. Cosimato gewan-
dert, der vom Cardinal von Cusa zur Aufbewahrung der Ket-
ten Petri gestiftete Altar gleich so manchen anderen Werken
dieser Art in Stücke zerlegt worden ist. Noch sieht man in
Sta Maria dellaPace, wenngleich nicht mehr an der ursprüng-
lichen Stelle das im Jahre 1490 von Pasquale da Caravaggio
für Innocenz VIII. gearbeitete, für das daselbst aufbewahrte
Gnadenbild bestimmte Tabernakel. Die Kirchen welche sich
in dieser Zeit der besondren Vorhebe von Päpsten und Cardi-
nälen erfreuten, wie Sant' Agostino, Sta Maria del popolo uod
sopra Minerva u. a. sind reich an trefflichen Werken dieser
Art, von deren Urhebern selten etwas verlautet. Die Denkmale
Monumente Salus' IV. und Innocenz' Vm. 423
des im Jahre 1478 verstorbenen Cardinais Cristoforo della Ro-
vere und des sieben Jahre später jung verblichenen edlen Rö-
mers Marc Antonio Albertoni in der erstem dieser Marienkirchen
sind der besten toscanischen Meister dieser Zeit würdig, von
denen ausser den schon Erwähnten auch Andrea del Ver-
rocchio in Rom thätig war, wo er in Sta Maria sopra Minerva
das Monument der Gattin Giovan Francesco Tornabuonis ar-
beitete, welches man dort vergebens sucht, während ein mehr
lebendig wahres als schönes Relief desselben heute in der
Gallerie der Uffizien aufbewahrt wird. Schon versucht sit^h
aber eine andere minder ansprechende Gattung von Grabmonu-
menten Bahn zu brechen. Beispiele davon sind die Denkmale
Sixtus' IV. und Innocenz* VIII. in St. Peter, beide in Erzguss,
Werke des Florentiners Antonio Pollajuolo, der wahrschein-
lich hier wie bei dem zierlichen für Papst Sixtus im Jahre 1477
gearbeiteten Schrank für Petri Ketten in der Sacristei der den-
selben gewidmeten Basilika seinen Bruder Piero bei der Aus-
fuhrung zum Gehülfen hatte. Sixtus' IV. Monument, eine
länghch viereckige nach oben sich verjüngende Lade, darauf
des Papstes Gestalt Hegend, ringsherum in kleinen Figuren
allegorische Darstellungen von Tugenden und Wissenschaften,
die Statue ernst, karaktervoll, markirt, die Statuetten geziert
imd gesucht, wie es so leicht Denen geschieht die als Gold-
schmiede gross geworden sind, Benvenuto Cellini nicht ausge-
nommen. Das Monument wurde im Jahre 1493 für GiuUano
della Rovere vollendet welcher nebst anderen der Famihe in
demselben neben seinem Oheim ruht. Minder bedeutend ist
das in seiner heutigen Aufstellung imvoUständige Denkmal Inno-
cenz* VIII., welches den Papst zweimal darstellt, sitzend den
Segen ertheilend und todt auf dem Sarkophage ausgestreckt.
Antonio Pollajuolo starb in Rom im Jahre 1498 und fand nebst
seinem Bruder eine Ruhestätte in S. Pietro in vincoli, wo man
Beider ausdrucksvolle Marmorbildnisse unter einem merkwür-
digen Gemälde der grossen Pest des Jahres 680 sieht.
Als diese Künstler alterten und starben, pochte eine neue
Kunstrichtung an die römischen Thüren. Am 25. Juni 1496
kam einundzwanzigjährig der Sohn eines an Ahnen mehr als
an Glücksgütern reichen florentinischen Geschlechts in Rom
an, nicht ahnend dass sein Name für alle Zeiten vom Na-
men dieser Stadt unzertrennlich bleiben sollte. Michelangelo
424 Michelangelo Buonarroti. Goldschmiedekunst.
Buonarroti, unter den Augen Lorenzos des Erlauchten au%e-
wachsen, traf mit einem Empfehlungsbriefe eines andern Medici
ein , Lorenzos des Sohnes Pierfrancescos , von der zweiten Linie
des Hauses welcher die toscanischen Grossherzoge entstamm-
ten. Ein florentiner Handelsmann hatte den Cardinal Raffa^l
Riario mit einer von dem jungen Bildhauer gearbeiteten, für
antik ausgegebenen Statue des Cupido getauscht; die Ent-
deckung des Betrugs führte Michelangelo nach Rom und in
das Haus des Cardinais. Dieser nahm ihn gut auf, schien ihn
beschäftigen zu wollen, liess es bei Worten bewenden und
indem er sich an dem betrügerischen Kaufmann schadlos hielt,
war er nicht grossmüthig genug das Talent anzuerkennen von
dem er einen so glänzenden Beweis erhalten hatte. Aber
Buonarroti fand andere Gönner. Wenn die Bildsäule des be-
rauschten Bacchus die er für einen römischen Edelmann Ja-
copo Gälli arbeitete, heute im florentiner Museiun, dem ihr
einst gespendeten Lob nicht entspricht, so ist sein zweites
Werk ein Lichtblick, die Verkündigung des erreichten Höhen-
punktes der modernen Sculptur. Es ist die Gruppe der Pieta.
Der Cardinal von St. Denis Jean de Villiers de La Grolaie
liess sie ausfuhren zum Schmuck des in die Kapelle der li.
Petronilla umgewandelten Mausoleums des Honorius, aus wel-
chem sie nach wiederholter Wanderung auf den Altar der
ersten Kapelle des rechten Seitenschi IFs von St. Peter gelangte,
wo es durchaus unmöglich ist ihre Schönheit zu geniessen.
In einer Zeit welche so vieles schuf und anregte, mussten
auch die Nebenzweige der Plastik, Goldschmiedekunst, Stem-
pelschneidekunst und Niello in Aufnahme kommen. Unter den
namhaften Meistern aber begegnen wir auch in diesen Fächern
fast nur Nichtrömern, Toscanem wie Norditaüenern, von den
für die Päpste Martin V. und Eugen IV. von Ghiberti und
Turini geUeferten Werken an, wie schon unter den letzten
avignonischen Päpsten Sienesen mit solchen Arbeiten betraut
worden waren. Die Florentiner Andrea del Verrocchio und
die Brüder PoUajuoU waren unter Sixtus IV. und seinen näch-
sten Nachfolgern thätig, und Ersterer lieferte für die vatica-
nische Kapelle mehre der grossen silbernen Apostelfigurcn.
Roms Kirchen sind jedoch in Bezug auf die Erhaltung solcher
Schätze minder glücklich gewesen als das florentiner Baptiste-
rium oder die Sagrestia de' belU arredi in Pistoja. Unter den
Nielle. Stempelschneidekiinst. 425
zahlreichen Goldschmieden welche namentlich von Paul IL
und Sixtus IV. beschäftigt wurden und an Triregnen, golde-
nen Rosen, Degen, Ringen u. s. w. arbeiteten, finden wir den
Florentiner Simone di Giovanni, Pietro d' Antonio von Siena,
ßartolommeo Tommasi aus Venedig, die Römer Paolo di
Giordano, Nardo Corbolini, Leonardo Guidocci, welche beide
letztem die Marc Aurelstatue restaurirten. Zu Vasaris Zei-
ten sah man in römischen Kirclien verschiedene emaillirtc
Arbeiten Antonio Pollajuolos, von der Gattung derer die man
nach der häufig auf denselben vorkommenden Darstellung des
segnenden oder des todt von Engeln gehaltenen Heilands Paci
zu nennen pflegt. Da die Niellirkunst zu diesen zierlichen
kleinen Werken in genauester Beziehung stand, ja denselben
ihren für die Kunstgeschichte eigenthümlichsten Werth ver-
Ueü, so mussten auch deren Erzeugnisse sich in Rom ver-
breiten. Es mag dahingestellt bleiben ob die Nielle auf Gold-
grund welche Cardinal Bessarion dem Kloster von Fönte
Avellana, dessen Abt er war, schenkte, bei seiner Anwesen-
heit auf dem Concil zu Florenz dem dortigen Goldschmied
Maso Finiguerra, dem berühmtesten Nielleur seiner Zeit und
angeblichen Erfinder der Kupferstechkunst, zum Muster ge-
dient haben. Dass Papst Paul IL an diesen Arbeiten Geschmack
fand, zeigen die Nielle der Einbände seines Evangelienbuchs
und Epistolariums welche bis zur Wegschleppung Pius' VI.
aus Rom zu den vaticanischen Schätzen gehörten, sowie die-
jenigen am Fuss eines Kelches mit dem Wappen der Barbo.
Das Evangeliarium scheint ein Geschenk des unseligen Cardi-
nais de La Balue gewesen zu sein, dessen Wappen, das keinen
Müllerssohn verräth, man in den vier Ecken zwischen Arabesken
und Kindergestalten sieht. Nicht der genannte Papst allein för-
derte diese Kunstzweige: seine Nepoten Marco Barbo, Batista
Zeno, Giovanni Michiel folgten seinem Beispiel. Auch an
Nielloarbeiten hat Antonio PoUajuolo sich betheiligt.
Die Wiedererweckung der Stempelschneidekunst ging mit
der Wiederbelebung des classischen Alterthums Hand in Hand.
Die den trefiflichen griechischen und süditalischen Münzen ge-
zollte Bewunderung führte notliwendig zu deren Nachahmung,
welche freilich unmittelbar weniger den im ganzen Mittelalter
sehr vernachlässigten Münzen selber zugute kam, indem die
Kunst des Medailleurs sich vorzugsweise mit grossen Denk-
426 Medaillen und MOnzen. Majoliken.
und Porträtmünzen beschäftigte, die ihr schon der Dimensionen
wegen weitem Spielraum gewährten. Aber die neue Richtung
nutzte bald auch der Verkehrsmünze, wie denn von Martin V.
an die päpstliche einen Aufschwung nahm der auch inmitten
der Geschmackscorruption späterer Jahrhunderte sich nie ganz
verleugnet hat. Vittore Pisanello, Andrea von Cremona und
Vittore CameUo werden unter denen genannt, die in dem Zeit-
raum von Martin bis Sixtus IV. so für Medaillen wie für die
Münze beschäftigt wurden. Jedenfalls muss Pisanello, welchem
eine Denkmünze des colonnaschen Papstes zugeschrieben wird,
günstigen Einfluss geübt haben. St. Petrus, bisweilen mit
St. Paul vereint, oder als Fischer in der Barke mit ausgeworfe-
nem Netz, die päpstlichen Schlüssel, in der Umschrift das
Alma Roma, mit dem durch Triregnum und Schlüssel gekrön-
ten päpstlichen Wappen , wechselten mit anderen Emblemen und
Bezeichnungen. Schon war in den Umschriften jene Manch-
faltigkeit in Anspielungen, Erinnerungen, Beziehungen Sitte
geworden, welche den päpstUchen Münzen abgesehn von ihrem
oft trefi'Uchen Gepräge so grossen Reiz verleiht. In die an-
sehnliche Reihe Derer welche als Verfertiger von Papst-
medaillons mit Sicherheit bekannt sind, gehört der Kleriker
Andrea Guazzalotti von Prato, welcher von den letzten Zeiten
Nicolaus' V. an viel in Rom gelebt zu haben scheint und von
welchem wir Denkmünzen des genannten Papstes wie Calix-
tus' UL, Pius' n., Sixtus' IV. besitzen, deren künstletiscbe
Ausführung der karaktervoUen Auffassung der Physiognonüe
beiweitem nachsteht.
Aus einem Breve Sixtus' IV. vom 8. April 1478 an Costanzo
Sforza Herrn von Pesaro ersieht man, dass er sich für einen
Kunstindustriezweig interessirte, welcher damals wennnicbt in
Rom selbst doch in einem Theile des transapenninischen Kirchen-
staats reiche Blüten zu treiben begann. Es waren die Majo-
liken, welche mehren Städten des damaligen wie des nachmals
vergrösserten Herzogthums Urbino Ruhm verliehen haben. Die
Stadt Pesaro ging in diesem Kunstzweige den übrigen voraus.
"Während in Florenz die Familie della Robbia, mit dem im
Jahre 1400 geborenen Luca beginnend, über ein Jahrhundert
lang jene anmuthigen plastischen Werke von gebrannter und
verglaster Erde schuf, welche, zum Theil einfach weiss
und blau zum Theil polychromisch, von Einzelfiguren und
Majoliken der Schule von Pesaro. 427
Ornamenten zu figurenreichen flachen und höheren Reliefs ja zu
Büsten und Statuetten fortschreitend hundert Kirchen, Woh-
nungen, Villen in Toscana zieren und manchem abgelegeneu
Orte, manchem einsamen Gotteshause durch ihre Lunetten,
Friese, Altarbilder, manchem Familien- und Gemeindepalast
durch ihre prachtigen Wappen grossen Reiz verleihen, bildete
sich hier die Kunst der Ceramik in engerm Sinne. Es geschah
in der Production von zierlichem, so zum manchfaltigsten häus-
lichen und kirchlichen Gebrauch, für Sacristeien wie für Apo-
theken, wie namentlich zum Schmuck der Wohnungen und
Prunkgemächer bestimmten Geräth, vor allem Schüsseln und
Gefasse, wobei man von Arabesken, Wappen, anderm Orna-
ment zu Köpfen und Figuren überging. Die glänzende und
schillernde Glasur die man diesen älteren Terracotten durch
metalUschen Fluss bei zwiefachem Brennen zu geben verstand,
verlieh ihnen einen Werth und eine Eigenthümlichkeit welche
ilire eigentUche künstlerische Bedeutung überwogen. Der ge-
steigerte doch nothwendig beschränkte Gebrauch des Silberge-
räths und die Unbekanntschaft mit den kostbaren Porzellanen
des fernen Ostens kamen der Ausbildung dieses Industriezweigs
zugute, der sich um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts
unter der fördernden Pflege Alessandro Sforzas und seines Hau-
ses und unter dem Einfluss der florentinischen Kunst der Della
Robbia nicht wenig hob. Die Darstellungen auf diesen älteren
Schüsseln und Vasen sind häufig w*ie die florentiner ReUefs nur
in zwei Farben, weiss auf blauem Fond, zuweilen auch auf
Gold- oder anderm Grunde; andere sind in Naturfarben aber
ohne grosse Abwechslung. Manche haben auch Figuren iu
flachem ReUef mit landschaftlichem Hintergrund, so dass
sie sich sogleich als decorative Werke zu erkennen geben.
So waren diese älteren pesareser Arbeiten, deren Darstel-
lungen begreiflicherweise dem damaligen Stande der Malerei
entsprachen, im allgemeinen aber figurenreiche Entwürfe ver-
mieden, bis sie im folgenden Jahrhundert jenen feineren, sowol
dem Material wie der künstlerischen Ausschmückung nach un-
endhch vervollkommneten Majoliken Platz machten, welche
eine Menge der schönsten Compositionen der Blütezeit der
Malerei wiedergeben. Das erwähnte Breve Sixtus' IV., dessen
Wappen man auf pesareser Majoliken sieht, zeigt uns wie da-
mals schon Arbeiten dieser Art nach Rom gesandt wurden,
428 Die Malerei. Sixtiiiische Kapelle.
WO man heute in fürstlichen Häusern, so bei den Barbermi,
den schönsten Prunkgefassen späterer Zeiten begegnet. iGe-
liebter Sohn, schreibt der Papst an Constanzo Sforza, mit
Freuden haben wir die mit grösster Zierlichkeit ausgeführten
Thongeßlsse empfangen, welche du uns gesandt hast und die
uns als neue Zeugnisse deiner beständigen Ergebenheit gegen
uns doppelt werth sind. Wir haben dein Geschenk so aufge-
nommen und es ist uns so lieb, als wären diese Gegenstände
nicht aus Thon gebildet sondern in Wahrheit von Gold und
Silber.«
Die bedeutende Thätigkeit der Malerei in Rom beginnt mit
Sixtus IV. , imd seine vaticanische Kapelle ist der Ort wo man
von der Entwicklung der florentinischen Kunst der zweiten
Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts die beste Gesammt-
anschauung gewinnt, während die Nebeneinanderstellung mit
Schöpfungen des vornehmsten Repräsentanten der umbrischen
Schule neue Gesichtspunkte eröffnet. Denn zu dem doppelten
Cyclus von Darstellungen für die Wände dieser Kapelle, einer-
seits die Geschichte Moses, andrerseits das Leben des Hei-
lands, berief der Papst die ausgezeichnetsten toscanischen
Künstler nach Rom. Sandro Botticelli, Cosimo Rosselli, Do-
menico Ghirlandajo, Luca Signorelli, Don Bartolommeo della
Gatta haben hier gemalt, mit ihnen Pietro Perugino. Auch
Rosseliis Gehülfe Piero di Cosimo war hier thätig, welchen
Viele nur als Lehrer Andreas del Sarto kennen, der indess
ausser durch sein Streben nach scharfer Karakteristik durch
ein damals seltnes Talent für die Landschaft bemerkenswerth
ist. Das naturalistische Element welchem schon Beoozzo
Gozzoli Ausdruck gegeben hatte, war in der florentinischen
Schule zum entschiedenen Durchbruch gekommen, wenngleich
wie bei Botticelli und nachmals bei seinem Schüler Filippin^
Lippi ein schwärmerisch phantastischer Zug mit demselben
kämpfte, der nicht ohne Anmuth und Schönheit leicht in Manier
ausartete. Keiner der in der Sixtina beschäftigten Toscaner
hat hier seine bedeutendsten Werke geschaffen, und man winl
sich bei Botticelli zu seinen Staffeleibildern, bei Rosselli nach
Sant' Ambrogio in Florenz, bei Ghirlandajo nach Sta Maria
Novella und Sta Trinita in derselben Stadt, bei Signorelli
nach Orvieto wenden müssen um sie recht zu würdigen.
während die römischen Werke überdies an der Uebcrfullung
Toscaiiische Künstlei*. Pietrt) Perugiiio. 429
mit Figuren und Beiwerk und an den Mängeln der Luft-
perspective kranken die allerdings in der Richtung der Zeit
lagen. Peruginos Uebergabe der Schlüssel an Petrus ist
eins der tüchtigsten Werke des Anfangs seiner reifern Zeit,
welches mit seiner Ruhe und seinem milden Affect der Mehr-
zahl der übrigen Fresken gegenüber einen scharfen Con-
trast bildet. Wie der Gefühlsausdruck und die Massenver-
tkeilung verschieden sind, ist auch der Karakter der Land-
schaft welche von Benozzo an bei den Florentinern eine Rolle
zu spielen beginnt, ein anderer, während der Einfluss der an-
tikisirenden Architektur in beiden Schulen bemerkbar ist. Von
den Florentinern scheint BotticelU, welcher auch die zwischen
den Fenstern der Kapelle befindUchen achtundzwanzig Papst-
iigiu'en malte, am längsten in Rom verweilt zu haben, wie es
denn heisst er sei mit der Leitung des Ganzen betraut ge-
wesen. Auch Pietro Perugino blieb lange in Rom, wohin er
nach Papst Sixtus' Tode mehrmals zurückgekehrt sein muss,
da die Arbeiten in der Kapelle im Jahre 1489 vollendet worden
zu sein scheinen, seine Spuren jedoch sich hier bis zum Jahre
1495 verfolgen lassen. Während zwei seiner Fresken in der
Kapelle weggeräumt wurden um für Buonarrotis Weltgericht
Raum zu schaffen, seine Malereien in S. Marco und im Palast
Colonna ebenfalls untergingen, sieht man von seiner Hand die
Decke in dem nach Raffaels Brand im Borgo benannten Saal
mit allegorisch symbolischen Runddarstellungen und Arabesken
auf Goldgrund welche vorzugsweise Bewunderung erregten.
Er stand auf der Sonnenhöhe seiner Laufbahn als er dauernd
in seine umbrische Heimat zurückkehrte — aus dem Jahre 1495
sind die Himmelfahrt Maria in Lyon und die Pieta im Palast
Pitti.
Schon zu Papst Sixtus' Zeit zog Perugino seinen Lands-
mann Bernardino Pinturicchio nach Rom , wo dieser eine grosse
Tbätigkeit entwickelt hat die sich bis zum Schlüsse des Jahr-
hunderts erstreckte. Die Arbeiten in der Kapelle des Cardinais
Lorenzo Cybo in Sta Maria del popolo und im Palast des
(ardinals Domenico della Rovere in der Leonina, die in der
grossen Sala Borgia im Vatican , im Palast Colonna und in der
Kngelsburg sind untergegangen; zugleich mit letzteren sind die
zahlreichen Bildnisse von Zeitgenossen verloren welche, unter
ihnen Alexander VI, Cesare und Lucrezia Borgia, Niccolö
432 Anblick der Stadt.
Form und Ausführung vorzüglicheren Arbeiten in der Kapelle
Strozzi in Sta Maria Novella zu Florenz nicht eben angenehm
berührt. Innocenz VIII. ging Leo X. in dem Gedanken der
Ausschmückung von Palast und Kirche durch gewirkte Tep-
piche voraus, indem er im Jahre 1484 von den flandrischeu
Kaufleuten Arnold Straper und Genossen solche kaufte, auf
denen man die Darstellungen Sanct Georgs und der freieu
Künste sah.
11.
ROM BEIM BEOINN DES SECHZEHNTEN JAHBHUNDEBTS.
DIE DIESSErriGE STADT.
Dreiundachtzig Jahre waren seit Martins V. Rückkehr ver-
flossen. Die Stadt war, sofeme ihre bew^ohnten Theile in Be-
tracht kamen, eine andere geworden. Aus dem Verfall der
avignonischen Zeit und der des Schismas, ein Verfall der
nochmals unter Eugen IV. gedroht, hatte sie sich erhoben.
Nicolaus V. hatte die Umgestaltung begonnen, Sixtus IV. mehr
denn ein Anderer dafür gethan. Mit Recht rühmte eine der
Inschriften von ihm, er habe Aedilen und Strassenmeister, die
übrigens längst vor ihm bestanden, eingesetzt, die krumnieu
Strassen gerade, die formlosen Plätze regelmässig zu macheu.
durch Beschränkung der Häuser Raum für die Circulation zu
gewinnen. Ueberall hatte er sich in diesem Sinne gemüht, im
Marsfelde, in der Leostadt. Alexander VI. hatte das Werk
fortgesetzt. Inschriften und Strassennamen erinnerten an Beide,
die Marmortafeln am Campo di fiore und am südlichen Ende
des Trajansforums zu welchem der Zugang vom Colosseum her
erweitert wurde, die heute nicht mehr üblichen Benennungeu
der Via Sistina und Alessandrina. Rom hatte die Wohltbat
des Strassenpflasters kennen gelernt, so unvollkommen der
Danun von Ziegeln für die Fussgänger, die Pferdebahn in
der Mitte meist von aufgeschütteter Erde, gewesen sein ma^-
Aber es fehlte viel daran dass es gelungen wäre, der Stadt ein
wohnUches Aussehn zu geben: an vielen Stellen hat sie es
selbst heute nicht gewonnen. Der traditionelle Mangel au
Piazza Navona luid andere Plätze. 433
Reinlichkeit war nicht auszurotten. Die Statuten verboten die
Plätze in Kehrichthaufen zu verwandehi, aber man weiss was
es in dieser Beziehung hier mit Verboten auf sich hat. Auf
das Verunreinigen von Piazza Navona wurde Strafe gesetzt,
seit der Camerlengo Cardinal d'Estouteville im August 1477
den Markt vom Capitolsplatz dahin verlegt hatte. Dieser Markt,
Gemüse, Obst, andere Lebensmittel umfassend, wurde jeden
Mittwoch gehalten ; städtische Beamte hielten PoUzei und ver-
hinderten das MonopoUsiren zum Zweck der Preissteigerung.
Der Circus agonalis nährt uns: Leben spriesst wo einst Kampf
wüthete, sagte ein Distichon. Noch besteht der Markt, Lebens-
mittel und altes Eisen umfassend. Aber auch zu Turnieren
sahen wir Piazza Navona gebrauchen, wie den St. Petersplatz
und jenen vor der Apostelkirche zu Stiergefechten und Schau-
darstellungen. Auf Campo di fiore wo in den Tagen des
Schismas Truppen lagerten und das Volk oft zusammenhef,
wurde Viehmarkt gehalten. Zu Eugens IV. Zeit war der Platz
verwildert und versumpft, so dass er dem Vieh zur Weide
diente; erst unter Sixtus IV. gewann er eine andere Gestalt,
wozu der Umbau des auf der Trümmerstätte des Pompejus-
theaters stehenden orsinischen Palastes, nachmals der Neubau
der heutigen Cancellaria beitrugen.
Die Zahl der Plätze war gering und keiner derselben war
schön. Dem Geschmack ihrer Zeit huldigend hatten Nicolaus V.
und Pius II. an anderen Orten schöne Anlagen ins Leben ge-
rufen: in Rom scheinen sie es, wenn versucht, nicht vermögt
zu haben. Wo man gegenwärtig die Kirche S. Andrea della
Valle mit dem gleichnamigen Platze sieht, war die kleine
Piazza di Siena, so genannt nach dem Palast des Cardinais
Francesco Piccolomini, nachmals Papst PiusUI., bei dem man
damals die antike Marmorgruppe der Grazien sah, die später,
seltsam genug, im Chorbüchersaal des Doms von Siena auf-
gestellt ward. In der Nähe von Navona lag Piazza Lom-
barda, so nach den oberitalischen Ansiedlern geheissen, heute
Madama nach Carls V. Tochter Margarethe von Oestreicli.
Piazza Montanara beim Marcellustheater war wie in unserer
Zeit Sammelplatz der Campagnenarbeiter und Verkäufer länd-
licher. Industrieproducte. Die Plätze bei den Häusern der San-
guigni und bei Sant' ApolUnare waren nicht gross; letzterm
hatte der Palast Girolamo Riarios, nachmals den Alteuips
▼. Rcumont, Rom. m. 28
434 Plätze. Ueberschwemmungen.
gehörend, regelmässigere Form zu geben begonnen. Der Platz
am Fusse des capitolinischen Hügels erstreckte sich noch über
seine gegenwärtigen Grenzen hinaus. Das Trajansforum und
Piazza Colonna waren grossentheils von Kirchen und Häusern
eingenommen. Auf jenem sah man am nördlichen Ende die
noch im Bau begriffene Kirche Sta Maria di Loreto, am süd-
lichen S. Lorenzo und die in jüngster Zeit abgetragene SU
Maria in Campo Carleo, nahe bei der Säule S. Bemardo. Auf die-
ser stand die Kirche Sant' Andrea de columna und auf dem vom
Palast Chigi eingenommenen Baum S. Giovanni decollato, wäh-
rend die gegenüberliegende Seite des Platzes durch die Häuser
der FamiHe Del Bufalo gebildet wurde. Piazza di pietra hatte
ihren Namen von den mächtigen Trümmern der antoninischen
Zeit erhalten, von denen noch der Porticus des Zollamtes ge-
blieben ist. Den Platz am Pantheon welches seit Martin V.
auch zu geistlichen Gerichtssitzungen benutzt wurde, hatte
Eugen IV. nothdürftig von den sich herandrängenden Bauten
säubern lassen, wobei tiefer Schutt weggeschafft worden sein
muss um zum alten Niveau des .Tempels zu gelangen. Der
lateranische Platz war wesentlich unverändert geblieben, abge-
sehn von den durch den Neubau des Spitals und die durch
Sixtus IV. der Marc Aurelstatue angewiesene neue Stelle ver-
anlassten Modificationen. Ausser dem Marsfelde wo die Be-
völkerung sich mehrundmehr zusammendrängte, waren der
Quirinal, der Esquilin, ein Theil des CaeHus bewohnt Die
Zahl der Einwohner seheint hier jedoch nur schwach gewesen
zu sein ; der im Jahre 1386 zu Gunsten des zwischen Colosseum
und Lateran liegenden Viertels, im Jahre 1449 zu Gunsten der
Umgebung von Sta Maria maggiore erlassenen Privilegien zum
Zweck der Heranziehung von Baulustigen ist schon Erwähnung
geschehen.
Der Zustand der Strassen und Plätze wurde durch die
häufigen Ueberschwemmungen verschlimmert. In der Geschichte
des Mittelalters ist dieser Ueberschwemmungen wiederholt ge-
dacht worden: in den späteren Zeiten ward es nicht besser.
Eine grosse Ueberschwemmung erfolgte zw^ei Jahre nach der
Rückkehr Martins V. Am 29. September 1470 stand das Wasser
von der milvischen Brücke bis zum Marc Aurelsbogen am Corso:
einige Wochen später folgten furchtbare Stürme. Im Jahre 1476
setzte der Strom die ganze ebne Stadt unter Wasser mid die
ücberschwemmungen. Bauwesen. 435
Feuchtigkeit erzeugte die ansteckende Krankheit welcher Six-
tus IV. aus dem Wege ging. An einem Hause in Via del para-
diso gegenüber dem Palast Massimo erinnert eine von dem vene-
tianiscfaen Botschafter Girolamo Zorzi gesetzte Inschrift dass
im December 1495 die Wasser des Tiber bis dahin reichten.
Das Jubeljahr 1500 sah wiederum in den Strassen hüben und
drüben Nachen fahren. Die heutige Via del Banco di Sto
Spirito, welche auf die Engelsbrücke zuführt, hiess Canal di
ponte nach den häufigen üeberschwemmungen. Wer das
Wasser in den auf der Ostseite des Corso liegenden Strassen,
den Corso selbst zwischen S. Lorenzo in Lucina und Piazza
Colonna in einen Strom verwandelt gesehn hat, wird die Be-
richte von früheren Nöthen nicht für übertrieben halten. Von
dem Strassenpflaster, das noch beiweitem nicht allgemein war,
ist die Rede gewesen. Dass Spuren des alten Pflasters sich
tief ins Mittelalter hinein erhalten hatten, zeigt ausser dem
Namen von Sta Lucia in selce die Nachricht dass in der
Leonina noch unter Innocenz VII. Stücke desselben, wol
von der Via Aurelia, aufgerissen und zur Herstellung der
Mauern bei Sto Spirito verwendet wurden. Die Vorkehrungen
zum Sperren der Strassen durch Ketten die an Säulenstümpfen
befestigt wurden, sind auch in späteren Zeiten geblieben und
dienten in den Tagen häufiger Aufläufe als zweischneidiges
Schwert bei Vertheidigung und Angriff.
Die Geschichte der Architektur des fünfzehnten Jahrhun-
derts hat gezeigt wie der bürgerliche Baustil in Rom sich von
der Zeit des Brunellesco zu der des Bramante entwickelte.
So gross auch seitdem die Umwandlungen gewesen sind, an
den eigentUchen Häusern namentlich an denen das Material
ungeachtet des trefflichen Mörtels bis zu unseren Tagen nicht
immer das dauerhafteste, das Mauerwerk nicht immer sorg-
faltig gewesen ist, so bleibt uns doch genug uns von damali-
gem Bauwesen einen Begrifl' zu machen. Neben den Palästen
der grossen Baronenfamihen , die ihren burgartigen Karakter
noch nicht verloren hatten und zum Theil, wie Monte Gior-
dano und die colonnaschen Bauten, manchen Angriffen trotzten,
waren zahlreiche andere entstanden, besonders von Cardinälen
welche in diesen Zeiten zur Verschönerung der Stadt so viel
beitrugen. Schon geschah solcher Erwähnung die mehr oder
minder erhalten sind. Viele aber sind ganz oder grösstentheils
28*
436 Wohnungen von Cardinälen und Voniehmen.
umgebaut. So bei S. Marcello der Palast Giovanni Michiels
Cardinalbischofs von Porto , Neflien Pauls II. , bei Sta Maria m
Via lata der des Cardinais Niccolo Acciapacci Erzbischofs von
Capua in Eugens IV. Zeit, von dem ungarischen Cardinal Dio-
nysius Zech vollendet und heute den Doria Pamfilj gehörend,
auf dem Quirinal der Palast Cardinal Carafas dessen Stelle
zum Theil die päpstliche Residenz einnimmt, und jener Gio-
vanni Stefano Ferreros von Vercelli Bischofs von Bologna, bei
Sta Prassede der Paläst Antoniotto Pallavicinis Cardinal-
bischofs von Albano welchen nachmals Cardinal Gabriel Ga-
brielli von Fano vergrösserte , bei Sant' Agostino jener Domenico
Capranicas der von Francesco Borgia Erzbischof von Cosenza
umgebaut worden war, einer Menge anderer nicht zu gedenken.
Wie in unseren Tagen folgte damals ein Cardinal dem andern
als Bewohner von Palästen, wenn sie keine Familienwohnungen
hätten. So hatte der Palast bei S. Lorenzo in Lucina nach
seinem Erbauer dem Cardinal von Maurienne, Filippo Calan-
drini Nicolaus' V. Halbbruder, Giovan Batista Cybö und den
Cardinal von Lissabon Giorgio da Costa zu Insassen. Auch
Paläste grosser Geschlechter nalunen Cardinäle auf. So der
orsinisclie am Campo di fiore erst den Neffen Eugens IV. Fran-
cesco Condulmer der ilm umbaute, dann den Erzbischof von
Reggio Pietro Isualles von Messina der seine Wohnung mit
Statuen und Gemälden schmückte. Nicht minder wurden
päpstliche Paläste Cardinälen eingeräumt. Lorenzo Cybo
wohnte im Palast von S. Marco als Nepote eines Papstes,
nach ihm Domenico Grimani Patriarch von Aquileja als Titular
der anstossenden Kirche. Der Cardinal von Monreale wohnte
im Palast bei Sta Sabina wie einst die savellischen Päpste.
Auch Vignen und Gärten besassen die reicheren Kirchenfur-
sten , so Giovanni de' Medici 'und Federigo Sanseverino auf dem
Abhänge des Quirinal gegen die Subura zu. Die Wichtigkeit der
Geschäfte, die Ausdehnung der Gerichtsbarkeit der geistiichen
Tribunale, die Lebhaftigkeit des Geldverkelirs hatten zahl-
reiche Individuen und Familien herbeigezogen, und ausser Baro-
nen und reichen Cardinälen, ausser wohlhabenden Edlen zweiten
Ranges bauten Angehörige anderer italienischen Staaten, Vor-
nehme, Prälaten und andere Curialen, Geschäftsleute , Speculan-
ten, Glücksritter. Nicht selten wetteiferten ihre Wohnungen mit
denen der grossen Barone. Die Paläste hatten grossentheils nach
Kirchen und nationale Stiftungen. 437
der Strasse zu offene Portiken mit Säulen oder Pfeilern , einen
gewöhnlich von Säulen umgebenen Hof, den man wol wie bei
Kirchen Cbiostro nannte und welchen im Erdgesclioss Räume
für die Besorgung und Verwaltung häuslicher Angelegenheiten
einschlössen, im ersten Geschoss häufig offene Bogenhallen
nach dem Hofe zu, auch wenn letzterer im Erdgeschoss keine
Colonnade besass , einen grossen bisweilen das obere Geschoss
durchschneidenden Saal, oft einen Thurm wie einen Garten,
(leren Zalil jedoch in der mittlem Stadt mehrundmehr abnahm.
Wie sehr die Zahl der Kirchen sich gemehrt hatte, ist so
durch die Geschichte der Päpste wie durch jene der Archi-
tektur klar geworden. Manche neue Gotteshäuser waren ent-
standen, viele hatten die Stelle älterer eingenommen. Mehre
derselben waren mit frommen Stiftungen verbundene National-
kirchen. Dem Beispiel des frühen Mittelalters folgend fanden
die fremden Nationen sich immer mehr in Rom als ihrem reli-
giösen Centrum zusammen, während sie den Gedanken an die
Heimat festhielten indem sie ihren Angehörigen im Fall von
Krankheit und Noth eine Zuflucht schufen. Wie in den spä-
teren Zeiten des vierzehnten Jahrhunderts ein böhmisches,
scandinavisches, engUsches, teutsches Hospiz, schon während
der Kreuzzüge ein vlämisches, das zu S. Giuhano, entstanden
waren, entstand im Jahre 1417 das portugiesische Frauenhospiz
zu S. Antonio welches zwanzig Jahre später durch den Car-
dinal Martinez de Chaves umgestaltet und erweitert ward, im
Jahre 1450 das spanische von S. Giacomo mit welehem eine
hundert Jahre früher in der Nähe der heutigen Cliiesa nuova
ins Leben getretene Stiftung zweier edlen Frauen von Barce-
lona vereinigt wurde. Im Jalire 1448 hatten die Florentiner
während des Wüthens ansteckender Krankheit die Brüder-
schaft der Pieta della nazione fiorentina ins Leben gerufen,
welche vom Kapitel von S. Celso die am Flussufer inmitten
von Gärten gelegene kleine Kirche S. Pantaleo erlangte, wo
nachmals die grossartige St. Johanneskirche entstand. Im Jahre
1471 wurde die Kirche S. Niccolö del tufo den Lombarden
übergeben, welche hier ihr Hospiz gründeten und nachmals
die den h. Ambrosius und Carl Borromaeus gewidmete Kirche
bauten. Wenige Jahre später erhoben sich auf und bei dem
von zwei Kirchlein Sta Maria de cellis und S. Salvatore in
thermis auf den Trümmern der alexandrinischen Thermen
438 Zünftige uud andere Stiftungen.
eingenommenen Raum Kirche und Hospiz von S. Luigi de' Fran-
cesi, als Anfang einer in ihrer Art ansehnlichen Stiftung womit
im folgenden Jahrhundert das bretagnische Hospiz vereint
ward, w^elches einst neben der von CaUxtus HI. der Bretagne
geschenkten kleinen Kirche St Ivo bestand. Dieselbe Zeit sah
S. Girolamo degli Schiavoni am Hafen von Ripetta gründen.
Im Jahre 1481 entstanden durch den Schatzmeister des päpst-
lichen Fiscus Mario Cicala von Genua Kirche und Hospiz von
S. Giovanni de' Genovesi in Trastevere. Die nach der Ver-
einigung von Aragon und Castilien unternommene Gründung
von Kirche und Hospiz von Sta Maria in Monserrato beschloss
die Reihe der Natioualstiftungen des fünfzehnten Jahrhunderts.
Ihnen wie denen der Päpste und Cardinäle der beiden vorher-
gegangenen Jahrhunderte reihten sich neue einheimische an.
Die Apothekerzunft errichtete ein Hospiz bei der vormaligen
Collegiatkirche S. Lorenzo in Miranda am Campo vaccino
welche Martin V. ihr im Jahre 1429 überwiesen hatte. Der
Stadtpräfect Francesco Orsini erweiterte das colonnasche Spital
S. Giacomo in Augusta, wie später Everso von Anguillara das
lateranische umbaute. Cardinal Juan Torquemada stiftete im
Jahre 1460 in Sta Maria sopra Minerva die in unseren Tagen
grosse und thätige Brüderschaft der Annunziata für die Aus-
steuer armer Mädchen. Des unter Sixtus IV. entstandenen
Spitals der Consolazione und des Antheils Cesare Borgias an
demselben geschah bereits Erwähnung. Das Jahr 1500 sah
am Trajan'sforum Kirche und Hospiz der Bäckerzunft zu Sta
Maria di Loreto entstehn. In Trastevere hatten längst schon,
es heisst seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts, mehre
Innungen ein ansehnliches von Gärten umgebenes Hospiz bei
welchem nun die Kirche Sta Maria dell' orto sich erhöh, die in
ihrem modernen Umbau mit überladener Ausschmückung der
Zunft der Speise- und Fruchthändler gehört, deren Kranken-
haus dem colossalen Bau der Tabakverwaltung hat Raum
machen müssen.
Begreiflicherweise waren die einzelnen Stadttheile in sehr
ungleichem Maasse bewohnt, selbst abgesehn von den schon
erwähnten südlichen Höhen. Der östliche Theil des Mars-
feldes, die Abhänge des Quirinal und Pincio gegen die alte
Via lata zu waren grossentheils von Gärten eingenommen; die
Via flaminia , der heutige Corso , begann erst um die Mitte des
Strassen und Bewohner. 439
Jahrhunderts sich mit Häusern zu füllen. Das Annunziaten-
kloster ausgenommen sah man auf der Stätte des augusteischen
Forums und jenes des Nerva meist Gärten und Trümmer neben
Sumpflachen die dem Arco de' pantani seinen Namen gegeben
haben. Der päpstliche Palast bei S. Marco und der des Car-
dinals Acciapacci gaben der Region der julischen Septa ein
verändertes Aussehn. Nicht ferne von ersterm begann die
eigentliche Via papale welche, so nach den Papstcavalcaden
vom Vatican zum Lateran benannt, in ihren einzelnen Theilen
aber wie auch heutzutage verschiedene Namen führend, bis
zur Engelsbrücke das westliche Marsfeld durchschnitt. Die
Gegend des flaminischen Circus mit den auf dessen Trümmern
entstandenen Strassen, der Pellicceria, den Botteghe oscure,
Torre Argentina u. a. zur Linken lassend durchschnitt die Via
papale das an die arge Zerstörung antiker Marmore mah-
nende Calcaranum, zur Rechten den kleinen Platz mit der
Kirche der Santi Quaranta, heute Le Stimmate, und die nach
der Minerva, der Rotunda, Sant' Eustachio führenden Strassen,
lieber Piazza di Siena kam man an den Häusern der Mas-
simi und an der Kirche S. Pantaleo vorüber, welche von
Honorius IIL gegründet nach der Familie Muti zubenannt
wurde, indem eine derselben entstammte Frau zu Anfang
der avignonischeu Zeit zu ihrer Wiederherstellung beigetra-
gen hatte. Links hess man die Berlina vecchia, die Stelle
des Prangers, später nach einem Wirthshausschilde Via del
Paradiso genannt, den Federviehmarkt, Pulleria heute Piazza
PoUarola, das Campo di fiore mit seiner Umgebung, dem Platz
bei S. Lorenzo in Damaso und dem Satro. Neben den Woh-
nungen der Gewerbtreibenden sah man eine ansehnUche Zahl
von Wohnungen edler Geschlechter. Denn in dem zwischen
der heutigen Piazza di Gesü und der des Pasquino, zwischen
dem Campo di fiore und der Rotunda hegenden Stadttheile
zählte man nicht weniger als drei Paläste der Orsini, die des
Cardinais RaiTael Riario, derPichi, Muti, Mazzatosti, Musciani,
Calvi, Grifi, Massimi, Della Valle, Buti, Cosciari, Cavalletti,
Piccolomini, Quatracci, Paparoni, Sinibaldi, Porcari, Stagni,
CaffarelU, Alberini u. m. a. Nicht anders war es in dem nord-
westlichen Theile des Marsfeldes zwischen dem Corso und
dem Flussufer, aufwärts bis gegen S. Lorenzo in Lucina und zur
heutigen Piazza Nicosia. Die grossen Kirchen Sant' Agostino
440 Die Banchi und der Geld verkehr.
und Sant* Apollinare bildeten gewissermaassen den Mittelpunkt,
der teutschen Stiftung waren die französische und die spanische
gefolgt, Piazza Navona war seit Sixtus IV. Schauplatz regsten
Lebens geworden , die in gerader Linie von S. Agostino bis in
die Nähe der Engelsbnicke fuhrende Via de' Coronari, beim
Volke wol einfach Via retta genannt, war eine der grossen
Verkehrsarterien. Die Wohnungen der Cardinäle d'Estouteviile,
Capranica, Ammanati, die der Riari, Sanguigni, Tosti, Cosciari,
Meilini, Gottifredi, Marchegiani - Cavalieri u. v. a. erhoben sich
in diesem Bezirk welcher heute noch an vielen Stellen lebhaft
an die Zeit von der hier die Rede ist, in gleichem Maasse
wenn nicht mehr noch an die erste Hälfte des Jahrhunderts
erinnert an dessen Schwelle wir stehn bleiben.
Der lebendigste Verkehr zog sich vom Capitolsplatz gegen
die Engelsbrücke hin, zur Linken Via papale entlang, zur
Rechten in weitem Bogen über San Marco, Rotunda, Sant'
Apollinare nach der dem Stromufer folgenden Via Sistina,
heute nach einem alten Wirthshaus dell' Orso genannt. Zwischen
diesen Grenzen mitteninne wohnte die Masse der Gewerbtrei-
benden, nach denen heute noch, recht im Centrum des Mars-
feldes, vor allem im Rion Parione, eine Menge Strassen den
Namen fuhren, an dessen Stelle einst mehre derselben den
von alten Familien hatten. Der Geldverkehr hatte namentlich
die auf die Brücke zuführenden Strassen eingenommen, denen
der Name der Banchi geblieben ist während gegenwärtig nur
die mehrmals umgebaute Bank von Sto Spirito , einst die päpst-
liche Münze, an das vormalige, in anderen als den heutigen
Kreisen thätige lieben in dieser Gegend erinnert. Das Aus-
sehn dieser Region ist sehr verändert, seit JuUus ü. die bei
S. Giovanni de' Fiorentini den Fluss erreichende Via Giulia
anlegte und den weit in die jetzige Via del Banco Sto Spirito
vortretenden Porticus der Kirche SS. Celso e Giuliano abtragen
liess, Clemens Vn. die Münze neubaute, PaulIEI. die nach ihm
benannte von S. Giovanni zur Brücke führende Via Paola er-
öffnete. Cola di Rienzo hatte einst bei S. Celso Häuser ein-
reissen lassen um für den Zugang zur Brücke mehr Raum zu
gewinnen, aber dieser Raum war von den Buden der Fisch-
und Gemüsehändler wie der Oelverkäufer usurpirt worden die
man [später nach den benachbarten Strassen von Panico und
Tordinona verlegte. Selbst der Porticus der Kirche war mit
Die toscanischen Banklialter. Agostino Chigi. 441
Bänken und Tischen gefüllt. Nicolaus V. hatte nach dem im
Jubeljahre 1450 auf der Brücke vorgefallenen Unglück den
Platz von S. Celso bis zur Brücke erweitern lassen, aber dem
Bedürfniss noch nicht genügt. Das Eckhaus zur Linken ehe
man an die Piazza di Ponte gelangt, da wo einst der Triumph-
bogen Gratians und Theodosius' des Grossen stand, erinnert
noch durch die vielleicht von diesem Bogen herrührenden ein-
gemauerten antiken Fragmente an die Zeit ifl der man solche
Reste als Baumaterial benutzte.
Hier nun, in der Nähe der grossen Paläste Fieschi von
Lavagna und Borgia welche nachmals die Namen von Sora
und Sforza Cesarini annahmen, wie der trotzigen Orsinenburg
von Monte Giordano, war der' Mittelpunkt des toscanischen
Geldverkehrs. Es ist schon erwähnt worden dass sich seit der
avignonischen Zeit, zum Theil bereits vor derselben, dieser Ver-
kehr grosstentheils in florentinischen, dann auch in genuesischen
nänden befand, obgleich auch römische Familien vom Adel,
wie die Santacroce, die Massimi u. a. im fünfzehnten Jahr-
hundert Geldgeschäfte machten. Die genauen Beziehungen der
Päpste seit Martin V. zu der Republik Florenz waren auch
diesem Verhältnisse günstig. Wir sahen wie Nicolaus V. die
päpstlichen Geldgeschäfte Cosimo dem Alten anvertraute. Die
im Jahre 1476 erfolgte üebertragung derselben an Francesco
de' Pazzi , den Enkel dessen der durch Brunellesco die schöne
Kapelle im Chiostro von Sto Spirito in Florenz bauen Uess,
war einer der Anlässe zu der Feindschaft zwischen den Medici
und Pazzi die in der verhängnissvollen Verschwörung zum
Ausbruch kam. Die Ricasoli, Martelli, Gaddi, Altoviti, die
sienesischen Spannocchi u. A. hatten hier xind in der Nähe ihre
Wechselbanken. Zu Pius' 11. Zeit war Ambrogio Spannocchi
Hof banquier; der Papst spottete über dessen schlechte Schrift,
aber er vertraute ihm seine Fonds an, verheh ihm sein Fa-
milienwappen , war seiner Erhebung in die römische Nobihtät
wol nicht fremd.
Ein Mann den wir in der Geschichte dei' Zeit Julius' IL
und Leos X. oft und mit Ehren genannt finden werden, Ago-
stino Chigi, war Lehrling in der spannocchisciien Bank die
er nachmals übernahm. Schräg gegenüber S. Celso fuhrt ein
Thorbogen zu einem kleinen unscheinbaren Platz, der vor der
Anlage der Via Paola etwas geräumiger war. Das grössere
442 Die Chigi und Altoviti.
der hier befindlichen Häuser wurde im Jahre 1476 an den Sie-
nesen Mariauo de' Chigi vermiethet, und hier bestand bis ium
Jahre 1528 eine der berühmtesten Banken Roms. Mariano
hatte zwei Söhne Agostino und Sigismondo. Dieser ging nach
Siena zurück wo er die Familie fortpflanzte, Jener bahnte sich
durch Aemter und glückliche Geschäfte den Weg zu den glän-
zendsten Verhältnissen. Er trat in die Curie als Sollicitator
der Breven, Scriptor der apostolischen Sendschreiben, Cor-
rector der Bullen, zugleich betheiligte er sich an der Münze
mit den Fugger. Er war zugleich sienesischer Patrizier und
eifriger Förderer der Kunst, vornehmster Compagnon der
Bank von Marianos de' Chigi Erben. Wie der Name der
Chigi ist auch jener der Altoviti mit der Geschichte der
grossen Künstler des sechzehnten Jahrhunderts verknüpft.
Schon im Jahre 1388 erscheint Gentile degU Altoviti »mer-
cator de Florentia« als Besitzer eines Hauses auf dem Platz
vor der Engelsbrücke mit einem an den Tiber stossenden
Garten. Antonio, dessen Schwiegermutter Clarenza Cybo
eine Schwester Innocenz' VIII. war, und welchem wir schon
als Meister der Münze unter diesem Papst begegnet sind,
hatte zugleich ein Haus in der Leostadt. Sein Sohn war der
berühmte Bindo, der den heute ziemlich verkommenen Palast
an der Brücke umbaute und von dem noch wiederholt die
Rede sein wird. Mehr als einmal waren so in der avignoni-
schen Zeit wie später Mitglieder der Familie Altoviti Gesandte
der Republik bei den Päpsten gewesen. Ein Sprössling eines
der ältesten florentinischen Adelsgeschlechter hatte bei S. Celso
sein Haus, Giorgio degU überti, ein Nachkomme des Dichters
des Dittamondo. Auch in späterer Zeit werden wir diese
Stadtgegend namentlich von Geschäftsleuten und Künstlern
aus den verschiedensten Theilen der Halbinsel bewohnt
finden.
Aber auch ein Bevölkerungselement anderer Art gab es in
dieser Stadtgegend. Es waren die Courtisanen, die »honestae
meretrices« wie sie in den schlimmen Geschichten der Diarien
der Zeit, unter andern bei Burcard vorkommen. Die Zahl
derselben wie der niedrigeren Classe der Hetären war in Rom,
der Stadt der Fremden und Ehelosen , überaus gross und blieb
ts im Zeitalter Leos X. und darüber hinaus, als eine arge
Reminiscenz altrömischer Sittenlosigkeit , die sich, so ferne die
Die Courtisanen. 443
verworfensten in Betracht kommen, in anderen italienischen
Städten vorzugsweise an die Trüramerstätten antiker Amphi-
theater und Cirken geheftet zu hahen scheint von denen hier
die Märtyrertraditionen sie vertrieben. Wenn im sechzehn-
ten Jahrhundert eine ganze HetärenUteratur sich entwickelte,
zu welcher leider schon vom vierzehnten an Inhalt und Ton
der die einzige Unterhaltungslectüre bildenden Novellen so
anstössige wie berühmte Vorbilder geliefert hatten, so holte
der schmutzige Held dieses schmutzigen Literaturzweiges,
Pietro Aretino, den Stoff ebensosehr wie aus Venedig aus
Rom zu Clemens' VII. Zeit. In dem erwähnten Cortile de' Chigi
war das Haus der berühmtesten Courtisane vom Anfang jenes
Jahrhunderts, der Ferraresin Imperia, der wir noch begegnen
werden und deren Bildung ihrer Schönheit gleichkam. Die
Inschrift über der Thiire war karakteristisch : »Beim Eintritt
giltTVitz und Verstand — beim Weggehn Geld nur oder Pfand.«
Am Eingang der Leostadt wohnten Courtisanen neben den
päpstlichen Hofbeamten; eine der schönsten, die Grechetta
von Campo di fiore , hatte ihre Wohnung gegenüber den Mas-
simi. Die mit dem Präfecten Francesco Orsini in wilder Ehe
lebende Passarella wurde Mutter eines Grossmeisters von Rho-
dus. Frauen denen ihre Liebesverhältnisse einen Namen ge-
macht haben, hatten Grundbesitz in dieser Stadtgegend. Von
Vannozza de' Catanei war schon die Rede. Das Haus Cardinal
Ammanatis kam an eine »Freundin« Cesare Borgias, Fiam-
metta die Tochter eines Florentiners Michele di Bartolommeo.
Und diese »Honesta mulier Domina Flammetta«, nach welcher
die von der Maschera d'oro nach Sant' ApoUiuare führende
Strasse Piazza Fiammetta heisst, stattete eine Kapelle in Sant'
Agostino reichlich aus und ernannte im Jahre 1512 die Guar-
diane von Sancta Sanctorum, den Prior von Sant' Agostino
und den Propst von Sta Maria della pace zu ihren Testaments-
vollziehern.
Der Platz vor der Engelsbriicke war wie gesagt durch
Nicolaus V. erweitert worden. Seit dem Jahre 1488 fanden auf
demselben die Hinrichtungen statt welche früher vor dem Se-
natspalast vollzogen zu werden pflegten. Zur Linken lagen am
Ufer Nutzgärten deren Raum gegenwärtig die florentinische
Nationalkirche und die sich anschliessenden Häuser einnehmen;
unten am Flusse, bei den Pfeilertrümmern der vaticanischen
444 Engelsbi*ucke und Tor di Noiia. Die Leostadt
Brücke, sah man Mühlen nach denen eine kleine Strasse heisst
Die benachbarte Via Lombarda, heute de' Cimatori, deutete
auf oberitaUsche Ansiedler. Zur Rechten des Platzes öflbete
sich längs dem Flusse die Via di Tordinona welche nach der
Via Sistina führte. Tor di Nona war ursprüngUch gleich
einem ähnlichen Thurme höher hinauf beim heutigen Collegio
Clementino eine Veste der Orsini, vielleicht zum Behuf eines
von Nicolaus IIL ihnen verliehenen Tiberzolls. Zu Ende des
vierzehnten Jahrhunderts war der Thurm an die Brüderschaft
von Sancta Sanctorum gekommen, nicht lange darauf in ein
Gefangniss umgewandelt worden an welchem bis zu der hier
geschilderten Zeit und weit über dieselbe hinaus gebaut wurde.
p]s war ein Thurmhaus mit Zinnen und feuchtem Verliess.
An der Brücke standen die beiden von Nicolaus V. erbauten
Kapellen, der Maria Magdalena und den Innocenti gewidmete
kleine Rotunden, welche, da sie verfallen waren, Clemens VIL
wegräumen und durch die beiden Apostelstatuen ersetzen liess.
Die Buden welche sich auf dieser wie auf so vielen anderen
Brücken eingenistet hatten, waren während der Kämpfe für
und wider König Ladislaus zerstört worden.
12.
LEOSTADT UND PETERSKmCHE. TRASTEVERE. BEWOHNER,
LEBENSWEISE, UMGEBUNG.
Die Leonina war vonjeher eine Stadt für sich. In ihren
Anfängen war sie vorzugsweise die Stadt der Fremden ge-
wesen: im fünfzehnten Jahrhundert wurde sie die der Hofleute.
Ihre Topographie unterlag grossen Wechseln, abgesehn von
den Veränderungen am Castell deren in der Geschichte
Alexanders VI. erwähnt worden ist. Vor der Regierung
Sixtus' IV. hatte die Leonina zwei Strassen gehabt, die
Via de' cavalli welche wesentlich die Richtung des heuti-
gen Borgo Sto Spirito einhielt, und die Via santa oder Car-
raria sanctorum, gegenwärtig Borgo vecchio genannt. Sixtus ß-
welcher dieser Stadtgegend schon durch den Umbau des Spi-
tals von Sto Spirito eine grosse Wohlthat erzeigte, legt«
Strassen der Lcostadt. Die Peterskirche. 445
wie schon berichtet worden ist die Via Sistina an, die sich
vom Thor des päpstlichen Palastes längs der leoninischen
Mauer, ältere Gassen erweiternd, bis zu der nahe an den Grä-
ben des Castells gelegenen Kirche Sta Maria Traspontina er-
streckte, welche im letzten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts
an ihrer gegenwärtigen Stelle im Borgo nuovo neugebant wurde.
Diesen Borgo, einst Via Alessandrina, legt« Alexander VI. an.
Die leoninische Mauer mit dem über sie geführten, von diesem
Papst hergestellten Corridor diente zur Begrenzung auf der
Nordseite. Zwischen der Engelsburg und dem Strome dehnte
sich ein unregelmässiger Platz aus , der mit einem kleinen Hafen,
Porto della Traspontina endete. Vor der Anlage der gedachten
beiden Strassen war der grösste Theil des Raumes von Gärten
eingenommen. Ausser den Kirchen der Fremdenscholen und
von Sto Spirito sah man hier einige andere, S. Lorenzo in
piscibus, S. Giacomo Scossacavalli u. s. w.; der Zerstörung
der sogenannten Meta geschah schon Erwähnung. Der grösste
Platz war der bei S. Giacomo Scossacavalli damals gewöhnlich
nach dem anstossenden Palast Domenicos della Rovere Piazza
(lel Cardinale di S. demente geheissen. Er wurde noch im
letzten Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts gebraucht, Ziegel
an der Sonne zu trocknen.
Die Bedeutung der Leonina kam ihr von der Peterskirche
und dem päpstlichen Palast Der Ausgang der Regierung
Alexanders VI. ist zugleich die letzte Zeit der alten vati-
canischen Basilika Längst schien sie dem Untergang ge-
weiht, aber sei es dass heilige Scheu die zerstörende Hand
hemmte, sei es dass das riesige Unternehmen schreckte, von
Nicolaus' V. Tode an hatten die Päpste nicht aufgehört dem
constantinischen Bau ausbessernde und verschönernde Mühe-
waltung zu widmen. In den Tagen von denen hier die Rede
ist, bot die Peterskirche einen grossartig ehrwürdigen Bauten-
complex dar , bei welchem die Einheit des Gedankens über die
Vielartigkeit der Theile beiweitem den Sieg davontrug. Wir
haben gesehn wie die Stürme des Mittelalters den zum Platz
oder der Cortina führenden alten Doppelporticus vernichtet,
die Anlage der Via Sistina und ein Viertel] ahrhundert später
die der geradlinigen A^ia Alessandrina den Zugängen zur Kirche
wesentlich die Form gegeben hatten welche sie heute bewah-
ren, wenn man die durch Erweiterung der Piazza Rusticucci
446 Petersplatz und Platfonn. Halle der Segenertheilung.
veranlassten Veränderungen ausnimmt. Der Platz auf welchem
einst zwischen den kleinen Kirchen Sta Maria de' Vergari und
S. Gregorio der von Papst Symmachus erbaute Brunnen mit por-
phymem Becken , neuerdings der von Innocenz VIII. errichtete
stand, und der auf seiner linken oder Südseite an die theilweise
von modernen Bauten eingenommene Trümmerstätte des neroni-
schen Circus stiess, reichte wenig hinaus über den Anfang der
beiden geradlinigen Corridore welche die eUiptischen Bogengänge
Alexanders V^II. mit der Vorhalle der heutigen Basilika verbin-
den. Am Ende dieses Platzes führten Stufen auf die Platform
welche die Kirche trug, seit Papst Symmachus' Zeit fünfund-
dreissig in fünf Abtheilungen , theils marmorne theils von Por-
phyr und zuletzt unter Papst Pius II. ausgebessert, welcher im
Jahre 1458 an deren Fuss die schon erwähnten Marmorstatuen
der Apostel Petrus und Paulus aufstellen liess. So die Stufeu
wie der Raum zu dem sie führten, und der denselben ab-
schliessende Vorhof maassen eine Breite von hundertdreiund-
dreissig Fuss, somit gegen drei Fünftel des von den erwähnten
modernen Corridoren eingeschlossenen Raumes. Papst Sym-
machus hatte die Stufen an beiden Enden zum Schutze Derer
die sie auf den Knieen zu ersteigen pflegten, mit einem Dach
versehen lassen welches jedoch unter Benedict XII. im Jahre
1338 weggeräumt worden war, indem es den Effect der ganzen
Anlage störte.
Die mit Marmorplatten belegte Platform welche man mittelst
dieser Stufen erreichte, hatte eine Tiefe von fünfzig Fuss und
diente zu feierlichen Handlungen. Hier wurden die Päpste ge-
krönt, hier empfingen sie die Kaiser und die zur ErönuDg
kommenden römisch -teutschen Könige wie andere Souveräne
in feierlichem Aufzuge, von hier ertheilten sie dem auf dem
Platz vor den Stufen versammelten Volke den Segen. Zu
diesem Zwecke hatte Papst Innocenz VIU. den Bau der aus
drei Geschossen bestehenden, durch je vier von Säulen getragene
Arkaden gebildeten Halle begonnen welche wir Alexander \ 1
vollenden sahen , und die ebensowie Bonifaz' VIII. lateraniscbe
Loggia die Segenertheilung von Nahen xind Fernen besser zu ge-
wahren erlaubte, indem sie ihr grössere FeierUchkeit verheh. Zur
Linken gegenüber dieser Halle stand voxmals, seit Honorius l.
eine Kirche des h. ApoUinaris, die wie es heisst wegen der
Nähe der Stelle wo den Siegern im Circus Preise gereicht zu
Vorhof, Glockeiithnrm , Sta Maria in tunü. 447
weiden pflegten, den Namen Palmata führte, falls dieser Name
nicht von der in der Nähe vollzogenen Palmenweihe herrührt.
Als die Kirche verfallen war, wurde sie der Dienerschaft des
Cardinal -Erzpriesters der Basilika eingeräumt , der in der Nähe
seinen Palast hatte von welchem sogleich die Rede sein wird.
In der Mitte des Raumes führten drei Thüren in den Vor-
hof dessen vordere oder Ostseite eine Art Vestibulum bildete.
Vier ägyptische Granitsäulen, heute an der Fontana PaoUna
auf dem Janiculum, standen an diesen Thüren, welche ur-
sprünglich von Erz durch Hadrian I. aus Perugia hierherver-
setzt worden waren und auf denen man die Namen der zins-
pflichtigen Reiche, Provinzen, Städte las. Da die Erzthüren
im Lauf der Jahrhunderte, namentlich bei der Belagerung der
Basilika durch Friedrich den Rothbart im Jahre 1167 zu Schaden
gekommen waren, hatte Nicolaus V. sie durch hölzerne Flügel
mit Pfosten von parischem Marmor ersetzt und darauf die er-
wähnten Namen in silbernen Buchstaben einlegen lassen. Trat
man in den Vorhof ein, so befand man sich, in den Tagen
als derselbe noch unversehrt war, in einem länglichen von
geräumigen Säulengängen umschlossene» Viereck, dessen beide
Langseiten nach aussen hin durch Pfeiler und mit diesen
verbundene Mauern gebildet wurden. An der schon erwähnten
östlichen Eintrittshalle, von der doppelten Breite der übrigen,
erhoben sich zur Rechten und Linken ansehnliche Bauwerke.
Zur Rechten stand der Glockenthurm dessen erste Anlage
schwerlich über Papst Zacharias, nach Andern nicht über
Leo IV. hinausgeht, obgleich man ihm altern Ursprung zu-
weisen möffte. Seine Stelle war da wo heute vor den Stufen
der neuen Basilika die Colossalstatue des Apostels Paulus steht.
Der Thurm war unter Bonifaz VIII. abgebrannt, von ihm wieder-
erbaut, im December 1352 vom Blitz getroffen, von Innocenz VI.
und Urban V. wiederhergestellt, endlich von Pius IL ausge-
bessert worden. Der metallene Hahn der dessen Spitze bil-
dete, befindet sich in der Sacristei Pius' VI. Zur Linken des
Eingangs war einst die Stelle der Kirche Sta Maria in turri
oder in laborerio. Der Ursprung derselben scheint dem Ende
des siebenten oder dem Anfang des achten Jahrhunderts an-
zugehören, der Neubau Papst Innocenz IL der sie dem vati-
canischen Kapitel überwies. Hier wurden am Palmsonntag die
Palmen geweiht die man dann in feierlichem Umzug nach der
448 Inneres des Vorhofs.
Basilika trug. Hier leistete der römische König nach der Be-
gegnung mit dem Papste auf der Platform den Eid, treuer
Sachwalter der Kirche zu sein, und wurde unter die vaticaDi-
sehen Stiftsherren aufgenommeu. Die Belagerung des Vaticans
durch Friedrich L wurde Sta Maria in turri verderbUch. Sie
ging in Flammen auf, wälirend das anstossende Nonnenkloster
so beschädigt ward dass seine Bewohnerinnen es zu Anfang
des dreizehnten Jahrhunderts ganz verUessen. Ein mit einem
Altar versehenes Kapellchen bewahrte den alten Namen, an
dem man so festhielt dass er im Jahre 1530 bei Carls V. Kaiser-
krönung in Bologna einem auf den Stufen von San Petronio
zum Behuf der Eidesleistung errichteten provisorischen Kirch-
lein beigelegt ward. Der Raum aber nebst der nächsten Um-
gebung wurde für die Errichtung der Wohnung des jeweUigeD
Cardinal -Erzpriesters von St. Peter benutzt, welche Richard
OUvier de Longueil der schon genannte Cardinal von Cou-
tances umbauen und mit Gemälden schmücken Uess, wovon
eine Inschrift Kunde gab.
Liess man nun Glockenthurm und Marienkirche hinter sich,
so stand man in dem die Vorderseite des Vorhofs bildenden
Säulengang, in dessen Mitte drei andere mit den obenbeschrie-
benen übereinstimmende eherne Thüren in die innere Area
führten. Der innere Vorhof oder Paradisus hatte eine Länge
von 157 Fuss bei 133 Fuss Breite. Zu Anfang mit symboli-
schen Bäumen, Palmen, Cypressen, Oelbäumen, Rosen u. s. w.
bepflanzt, wurde er von Papst Donus mit Marmorplatten be-
legt. Der EfiFect dieses grossen von korinthischen Marmor-
säulen, je dreizehn an den Langseiten, gebildeten Vierecks
muss ein so bedeutender wie schöner gewesen sein. Auf allen
Seiten von Säulen eingeschlossen hatte man vor sich die gold-
stralende den Porticus hoch überragende Fa<;ade der Kirche.
Die vier Säulengänge , vonaltersher mit Hülfesuchenden gelullt,
boten eine Reihe merkwürdiger Monumente dar, von denen
indess zur Zeit von der hier die Rede ist die meisten halb
oder ganz zerstört waren und die blosse Tradition bestand.
Gleich zur Linken des Eingangs wies man auf das Grabmal
Valentinians III. , in welchem gemäss der Tradition auch dessen
Mutter Galla Placidia beigesetzt war. Dabei stand das Monu-
ment Kaiser Ottos 11., welches römische Ruhelosigkeit nicht
unversehrt gelassen hatte. Auch die Gräber der britischen
Inneres des Yorhofs. Die Vorhalle. 449
Könige Cedwalla und Offa zeigte man hier, während die schöne
Giabschrift der Elpis in die letzte altrömische Kaiserzeit zu-
rückversetzte. In der Mitte des freien Mittelraums stand der
von Papst Damasus für die Pilger und übrigen Andächtigen
errichtete, von verschiedenen seiner Nachfolger hergestellte
und verschönerte Brunnen dessen Wasserstral versiegt war.
Mit Marmor und Alabaster reich geschmückt hatte er über
sich ein auf acht Porphyrsäulen ruhendes ehernes Dach, in der
Mitte den colossalen broncenen Pinienapfel, den man fiir die
Krönung des Hadrians- Mausoleums zu halten pflegt und aus
dessen Oefihungen einst Wasser hervordrang, nebst zwei Pfauen
von demselben Metall. Ein zweiter Brunnen von Erz für den
gewöhnlichen Gebrauch stand in der Nähe des erstem. An
der Ausschmückung des Vorhofs mit Marmoren, Musiven, Ge-
mälden, Dachbalken u. s. w. hatten eine Menge Päpste ge-
arbeitet, aber in den spätem Tagen der alten Basilika war sein
Crlanz geschwunden. Feuersbrünste und Kämpfe, namentlich
in der Epoche der Salier und S tauf er, hatten den Porticua
mehrfach und arg beschädigt; schlimmer noch war's ihm mit
der ganzen Leonina in den letzten Zeiten des Schismas er-
gangen. Als Martin V. nach Rom ziurückkehrte, war der Vor-
hof eine Trümmerstätte. Einen AugenbUck dachte der Papst
an dessen Wiederherstellung, aber die Kosten schreckten ihn
und er beschränkte sich auf die Ausbesserung der eigentUchen
Vorhalle. Dem Verfall der Portiken folgte dann rasch deren
Umwandlung. Auf der Südostseite entstanden der schon er-
wähnte Palast des Cardinal -Erzpriesters, die Wohnung des
Altaristen oder Vorstehers des Oekonomats, die der Kirchen-
diener, gegenüber, zur Rechten des Eintretenden, die Locale
für die Datarie, die Rota, die Plumbatoren und andere mit
der päpsthchen Hofhaltung verbundene Dikasterien. So war
die ursprünglich schöne und harmonische Anlage vöUig umge-
staltet.
Nur die vierte, die eigentUche Vorhalle der Kirche bil-
dende Seite des Porticus war stehn gebUeben. Zehn Säulen
und zwei Pfeiler trugen dieselbe, mit korinthischen Kapitalen
und darüber sich wölbenden Bogen, über deren Gebälk in der
Mitte eine sitzende Marmorstatue des Apostels Petrus ange-
bracht war, die man heute in den vaticanischen Grotten in
der Kapelle der Maria Parturientium sieht. Trat man in
V. Beumont, Rom. III. 29
460 Thüren der Basilika.
diesö mit eherner Mittelthüre versehene Säulenhalle, so er*
blickte man längs den Wänden eine Reihe von Papatmonu-
menten vom sechsten zum eilften Jahrhundert deren Inschriften
zum Theil erhalten sind, unter ihnen das Monument Gregors
des Grossen in welchem bis zum Jahre 827 seine sterblichen
Reste ruhten , Trophäen aus den spanischen und anderen Mau-
ren- und Türkenkriegen, bis zu denen Cardinal Olivieri Carafas,
über den Säulen zahlreiche Darstellungen aus der Apostel-
geschichte. GiottoB berühmtes Musiv der Navicella schmückte
seit Bonifaz* VIII. Zeit die Vorhalle. Fünf grosse Thüren
führten in das Innere der Basilika. Die mittlere wurde Regia
und auch dann noch Argentea genannt, als die von Gr^r
dem Grossen herrührende, nach der Saracenenplünderung von
Leo IV. erneuerte Bekleidung mit Silberplatten in den Kämpfen
zwischen Innocenz n. und Anaclet U. verschwunden war, worauf
sie drei Jahrhunderte lang von Holz blieb, bis Eugen IV. die
noch vorhandene Erzthüre giessen liess. Ueber dieser Thüre
sah man eine Statue des Heilands von vergoldetem Silb^, vor
derselben eine Porphyrplatte welche die angebliche Grabstatte
Badas des Ehrwürdigen, des Lehrers und Geschichtschreibers
der Angelsachsen bezeichnete, der aber nie in Rom gewesen
ist Zu den Seiten der Mittelthüre öffneten sich zwei von
gleicher Grfisse mit Holzsculpturen. Sie hiessen die Romana
und Ravignana, welcher letztere Name sich von Trasterere
und seinem Ravennatenquartier herschreibt. Diese drei Thü-
ren führten zum Mittelschiff. Auch die Seitenschiffe hatten
je eine Thüre. Zur Rechten Uess in das gröss^e die
Porta Guidonea ein, so genannt nach den Giiiden der Pilger,
in das äussere die von Alexander VI. im Jahre 1500 erbaute
Porta Santa, welche die damals geschlossene kleine Porta del
voito Santo ersetate die ihren Namen von der Veronicareliqnie
erhalten hatte. Zum grossem linken Seitenschiff führte mit
der Guidonea übereinstimmend die Porta del giudizio, durch
welche man die Leichen zu tri^en pflegte. Es folgte noch
eine Thüre, die der Paramentenkammer in welche man vom
Porticus aus gelangte. Ausser diesen Thüren der Stirnseite
hatte die Kirche deren dreizehn an Langseiten und Qner-
schiff, die zu anstossenden Kapellen und anderen Bauten oder
ins Freie führten.
Treten wir nun ins Innere. Beinahe zwölf Jahrhunderte
Das Innere. Mittelschiff. 451
hatten diese ehrwürdigen Hallen erlebt, alle Geschicke und
Stürme des Pontificats hatten sie mitdurchgemacht, Triumph
und Fall und Wiedererhebung in raschem Wechsel geschaut,
wiederholt Schauplatz welthistorischer Ereignisse in denen
Rom Mittelpunkt, die ganze Christen weit Peripherie war. Der
lebendige Earakter dieser grossen Geschichte war der vati-
canischen Basihka aufgedrückt Auch in den Tagen fortschrei-
tenden Verfalls und ungeachtet der Merkmale der gesunkenen
Kunst der Zeit ihres Entstehens war sie ein mächtig impo-
santer Bau, ergreifender als in den Jahren ihres frischen Glan-
zes durch die mit ihr gealterten Zeugnisse des Sieges des
Christenglaubens über das Heidenthum. Man mogte der man-
gehiden Harmonie der Verhältnisse, der Ungleichartigkeit der
Materialien vergessen, wenn man sich dem Jahrhundert Con-
stantins, Leos, Gregors des Grossen, Carls und Ottos, Gre-
gors Vn. , Alexanders III., Innocenz' III. nahegerückt fand,
Riesenhoch strebte das Mittelschiff der Basilika empor, von
je zweiundzwanzig korinthischen, keineswegs immer gleich-
artigen Marmor- und Granitsäulen und vier Pfeilern getragen,
mit flachem seit I^icolaus IQ. mit Papstbildem in Musiv ge-
schmücktem, gleich den Säulen von älteren Bauten entlehntem
Marmorgebälk. Die darüber sich erhebende Wand, wie bei
allen der Bogen über den Säulen ermangelnden BasiUkenbauten
unbelebt und yon übermässiger Höhe, war seit neun Jahrhun-
derten mit zwei Reihen Darstellungen aus der Heiligenge-
schichte geziert, während oben eine Reihe dreitheiliger Fen-
ster im Spitzbogenstil, zwischen denen Geschichten aus dem
Leben der Apostel Petrus und Paulus angebracht waren,
Licht einfallen Uess. Die Seitenschiffe hatten über den Säulen
Bogen, die Wände waren ursprünglich mit Marmorplatten be-
kleidet wovon nur Reste erhalten waren. Der Dachstuhl
des Mittelschiffs war sichtbar, das Faviment verschieden-
artig von Marmormusiv und Marmorplatten , im Hauptschiff mit
mehren jener grossen Porphyr- und Granitrunde, von denen
das eine, auf welchem das Gebet über den zu krönenden Kaiser
gesprochen zu werden pflegte, durch die Geschichte Pascha-
lis* II. und Heinrichs V. berühmt geworden ist.
So Mittelschiff wie Seitenschiffe wiesen längs Säulenreihen und
Wänden zahlreiche Altäre, Heiligthümer, Monumente auf , von
den ältesten Zeiten zum fünfzehnten Jahrhundert herabreichend.
29 •
452 MoDumente und Reliquien.
Hier lagen viele der Päpste des frühem Mittelalters, die mei-
sten der letzten Jahrhunderte. Von jenen waren manche eist
im Lauf späterer Jahre in die Basilika übertragen, zum Tbeil
aus Anlass ihrer Canonisation sodass ihre sterblichen Reste
unter Altartischen ruhten; von diesen lag die Mehrzahl in prach-
tigen Marmormonumenten, deren im Verlauf dieser Geschichte
Erwähnung geschehn ist, bald an den Wänden der Basilika
wo Pius IL ihnen theilweise neue Plätze anwies, bald in ein-
zelnen Kapellen. Zu den ansehnlichsten Denkmalen späterer
Zeiten gehörten jene Nicolaus' IIL, Bonifaz' VIII. , Urbans VL,
Nicolaus' V., Pius' 11., Pauls IL, Sixtus' IV., Innocenz' VIIL
Ihnen sollte sich Alexanders VL Grab anreihen — was ist
heute von allen diesen Werken geblieben, in denen die Kunst
der Cosmatenzeit und die der toscanischen Quattrocentisten
ihr Bestes that? Nur ein Paar sind unversehrt, andere sind nach
neueren Kirchen versetzt worden : von den übrigen sieht man
nichts als in den vaticanischen Grotten die disiecta membra.
Den Päpsten schlössen sich zahlreiche Cardinäle, Bischöfe, an-
dere Würdenträger an, GeistUche wie WeltUche, Wohlthäter des
grossen Tempels durch Stiftungen und Bauten, fremde Herrscher
die in Rom eine Ruhestätte suchten und fanden welche die eigne
Heimat ihnen verweigert hatte. Ehrwürdige Reliquien deren
Tradition nicht selten in die entlegensten Zeiten zurückreichte,
fromme Exvota mehrten die den Altären und Kapellen gezollte
Verehrung. Zu der Veronica oder dem Volto santo, im ganzen
Mittelalter vornehmstes Ziel der Pilgerfahrten, und dem b.
Kreuz waren in dem Jahrhundert an dessen Ausgang wir stehn,
das Haupt des Apostels Andreas und die h. Lanze gekommen,
heute sämmtlicli in den Nischen der vier Hauptpfeiler der Kup-
pel niedergelegt wo sie den Gläubigen gezeigt zu werden pflegen.
Eines der ältesten und gefeiertsten Werke, die sitzende Erz-
statue des Apostelfürsten, wurde erst nach der Zeit von wel-
cher hier die Rede ist, bei der Gründung der Kuppelpfeiler
der neuen Basiüka, aus der damals zerstörten anstossenden
Klosterkirche des h. Martin hiehergebracht Manche Verän-
derungen, namentlich wie wir wissen durch und seit FiusD.,
waren in der Anordnung der einzelnen Monumente vorgenom-
men worden. Aber die Verschiedenheit derselben, im Zu-
sammenhang mit den grossen Wechseln im Kunstgeschmact
der vielen seit dem Bau und der Ausschmückung der Basilika
QuerschiflT, Confession und Hochaltar. 453
verflossenen Jahrhunderte, veranlassten eine Manchfaltigkeit
die einen von dem heutigen ganz verschiedenen Eindruck
machte.
Das Langhaus der Kirche stand durch fünf mehr oder min-
der hohe BogenöflFnungen mit dem Querschiff in Verbindung.
Zwei Riesensäulen trugen den Triumphbogen des Mittelschiffs.
Trat man aus demselben in das Querschiff, so stand man vor dem
Presbyterium , an der Vorderseite durch eine von zwölf in dop-
pelter Reihe stehenden gewundenen Marmorsäulen überragte por-
phyme Brustwehr gebildet, mit gleichem Architrav über welchem
das Christusmonogramm angebracht war. Diese mit drei Thür-
offhungen versehene Wand bildete zugleich den Eingang zur
Confession die sich vor dem Hochaltar befand. Von den Schick-
salen beider in traurigen Zeiten Roms und der Kirche , inmitten
saracenischer Plünderungen und innerer Bewegungen ist mehr-
fach die Rede gewesen. Im Laufe der Jahrhunderte war der
Altar wiederholt umgestaltet worden; sowie man ihn damals
sah, gehörte er dem ersten Drittel des zwölften Jahrhunderts
an. Auf acht Stufen stieg man von der Westseite zu ihm empor.
Vier Porphyrsäulen, einst mit Silberplatten belegt, trugen das
zuletzt unter Paul II. modemisirte marmorne Spitzbogentaber-
nakel, dessen innere silberne Decke in Bonifaz' VIII. Tagen
von Rauch und Alter geschwärzt erschien. Alle Zeitalter
hatten auf dem Altar und dem Apostelgrabe Geschenke ge-
häuft, Momente der Verwirrung und Noth sie geraubt, Tage
der Ruhe sie zu ersetzen gesucht. Gold- und Silberplatten
mit ReUefdarstellungen aus der h. Schrift, kostbare ReUquiarien
und Kreuze, silberne Engelstatuen, gewirkte Teppiche mit Dar-
stellungen des Anthtzes des Heilands, der h. Jungfrau, der
Apostel. Noch Sixtus IV. hatte Marmorreliefs mit Leben und
Martyrthum Petrus' und Paulus' zum Schmuck der Confession
beigesteuert.
Hinter dem Hochaltar öffnete sich nach Westen der Halb-
kreis der Tribüne, in dessen Mitte der Papststuhl stand. Die
nicht weit über den Anfang der heute zum Hochaltar fuhren-
den Stufen hinausreichende Tribüne war von Constantin dem
Grossen n^t Musiven geschmückt worden , welche durch Papst
Severin im siebenten Jahrhundert ausgebessert, im dreizehnten
durch Innocenz IH. durchgehends erneuert und bedeutend um-
gestaltet wurden, wie sie sich denn in dieser Emeurung bis
454 Tribüne und Musive.
gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts erhielten, wo
die Tribüne von Sixtus V. abgetragen ward der eine kleine
Copie derselben anfertigen liess. Die Musive bildeten iwci
Abtheilungen, deren untere schmale über dem senkrechten
Theil der Wand begann, die obere die concave Wölbung be-
deckte. In der ersten sah man in der Mitte das Lamm vor
einem vom Kreuze überragten edelsteingeschmückten Altar
zwischen den Darstellungen von Jerusalem und Betlehem und
den zwölf zu dem Lebeusstrome gehenden Lämmern, mit Palm-
bäumen und Sträuchern, neben dem Kreuze einerseits Papst
Innocenz ELL, andrerseits eine mit einem Mantel bekleidete
weibUche Gestalt, Banner und Schlüssel haltend, die römische
Kirche. Die Mitte der obern Abtheilung nahm der auf dem
Throne sitzende mit einem Purpurgewande bekleidete segnende
Heiland ein, zwischen den neben ragenden Palmen stehenden
Aposteln Petrus und Paulus, zu seinen Füssen die Paradieses-
ströme denen sich die Hirsche nahten. Ueber dem Heiland
sah man ein Kreuz unter welchem eine segnende Hand aus
Wolken ragte. Inschriften, so lateinische wie griechische, zum
Theil in Distichen , waren an verschiedenen Stellen des Musivs
zu lesen. An beiden Seiten des Querschifis, welche durch je
zwei Säulen und ebensoviele Pfeiler abgetrennte Ausladungen
bildeten, waren mehre Altäre und Kapellen angebracht, so zur
Linken die Kapelle des h. Mauritius in welcher die Salbung
des zu krönenden Kaisers stattfand, und die Kapelle Ha-
drians I. mit dem Stuhl Petri.
So war in seinen Haupttheilen das Innere der BasLÜka
beschaffen, die seit den Tagen des Sieges des Christentbums
so viele Glorie und Feste, so viele Profanirungen undPlünde»
rungen erlebt hatte, zuletzt im Jahre 1413 durch König La-
dislaus* wüste Horden, worauf hundertvierzehn Jahre lang
Frieden und Ruhe herrschten, bis zu jener Verheerung welche,
der saracenischen vergleichbar, den schon im Dmbau begriffenen
Tempel durch das Heer eines römischen Kaisers betraf. Frieden
imd Ruhe, die aber doch nicht Beraubungen mancher Art aus-
schlössen, selbst von der Hand Solcher die geistliches Gewand
trugen, so dass noch Papst Eugen IV., das Beispiel seiner
avignonischen Vorgänger nachahmend, die sogar den päpst-
Uchen Thron nicht schonenden Beraubungen mit schweren
Kirchenstrafen zu belegen sich genöthigt fand.
Nebenbauten. Sacristei. Kapellen. 455
Zahlreiche Bau|en, ältere wie neuere, umschlossen Mf
allen Seiten die Basilika, so dass nach aussen ihre ut»
spruDgliche Gestalt schwer erkennbar, ihre Mauern an den
Langseiten überall durchbrochen waren. Bei der Schilderung
der ansehnlichsten dieser Nebenbauten beginnen wir mit der
alten Sacristei, Secretarium , am linken Ende des Porticus der
Stirnseite aus welchem die schon erwähnte kleine Thüre in
deren schmales Vestibulum führte. Papst Gregor IV. ver-
wandelte sie in eine durch acht Säulen in drei Schiffe getheilte
Kapelle mit einer durch Musive geschmückten Absis, in welcher
die sterblichen Reste Gregors des Grossen niedergelegt wurden
und bUeben, bis Pius IL sie nach dem von ihm erbauten
Andreasaltar brachte. Unter Sixtus IV. wurde dies Oratorium
St. Gregors, wo die Bischofsweihe des neugewählten Papstes vor-
genonmien zu werden pflegte, wesentlich umgestaltet. Als die Ea*
pelle der Madonna della Febbre, von welcher bald die Rede sein
wird, als Sacristei der Basihka verwendet wurde, brachte man
das Gnadenbild derselben hieher, womit denn auch der Name
auf das Oratorium überging, welches zugleich einen kostbairen
Schmuck erhielt, Buonarrotis Gruppe der Pieta, das Geschenk
des Cardinals von St. Denis das es bei seiner nachmaligen Zerstö-
rung an die neue Peterskirche abgab. Statt der ältesten Sacristei
hatte Papst Gregor IV. an derselben Südseite der Kirche eine
neue gebaut, welche bis zu Pius* II. Zeit zu diesem Zwecke
gedient zu haben scheint, dann bis zu Pius V. Nonnen, den
sogenannten Murate di S. Pietro, eingeräumt war. Ging man
weiter, so fand man ein von Papst Symmachus dem Apostel
Thomas gewidmetes Oratorium, welches zugleich als Baptiste*
rium und als Anhang zur Sacristei benutzt wurde. Nun folgte
die von Sixtus IV. zur Aufstellung seines eignen Monumente
erbaute geräumige Kapelle, welche zugleich als Chor für die
Stiftsherren und Beneficiaten diente und der die kleinere Sa-
cristei und das Winterchor sich anschlössen, bei dem sich
auch die Bibliothek der Basilika befand. Treppe und Thüre
führten von hier ins Freie, wo man auf der Spina des
alten Circus den Obelisken und hart neben demselben zwei
durch einen Gang miteinander verbundene Rotunden vor sich
sah, deren zweite mit dem südlichen Querschiff der Kirche
in Verbindung stand. Die eine war dem Apostel Andrea««
die andere der h. Petronilla gewidmet: die ansehnUcbsten uQCl
456 Rotunden des h. Andreas und der h. Petronilla.
nach Zerstörung der Anicischen Grabkap^lle die merkwürdig-
sten unter den Bauten welche St. Peter umgaben.
Beide waren einander in .Form und Anlage durchaus ähn-
lich und augenscheinlich hatte die eine der Rotunden der
andern zum Muster gedient, indem sie, nach aussen kreisför-
mig, im Innern durch die für Altäre oder Monumente ange-
brachten Nischen zu Achtecken gestaltet und mit einem Kuppel-
gewölbe versehen waren. Die an die Spitzsäule stossende
Andreaskirche, in welcher man einen heidnischen Tempel sab
ohne zu beachten dass ihre Lage auf der Spina des Circus
eine solche Annahme ausschloss , wurde von Papst Symmachus
zu Anfang des sechsten Jahrhunderts erbaut und mit Säulen-
porticus und Brunnen geschmückt. Ein auf die Wand gemal-
tes für wunderthätig gehaltenes Marienbild, die Madonna della
Febbre verdrängte den ursprüngUchen Namen, bis der Rundbau
unter Julius U. in die Sacristei der Basilika verwandelt ward,
eine Bestimmung die ihm bis zum Bau der neuen Sacristei
Pius* VI. das Dasein fristete. Von ungleich grösserm Interesse
war aber die zweite Rotunde, jenes Mausoleum des Honorius
von welchem in der Geschichte der Dynastie Theodosius' des
Grossen die Rede gewesen ist. Papst Stephan 11. hatte im
achten Jahrhundert diese Grabkapelle in eine Earche der h.
Petronilla, der sogenannten Tochter des Apostels Petrus um-
geschaffen, deren Sarkophag aus dem Friedhof der Domitilla
hieherversetzt ward. Die späteren Zeiten hatten dieser Statte,
wo Kaiser Heinrichs IV. Mutter Agnes von Poitiers beerdigt
wurde und welche unter den besondem Schutz der französi-
schen Könige gelangte, grosse Verehrung gewidmet; durch
König Ludwig XI. war der Altar der Schutzheiligen erneuert
worden. Die Zerstörung des altehrwürdigen Bauwerks in
dem Jahrhundert, an dessen Schwelle wir hier stehn bleiben,
führte zur Entdeckung der vergessenen Gräber Jener die es
errichtet hatten. Zu Anfang December 1519 fand man beim
Graben zum Behuf der Anlage des linken Querschiffs der neuen
Basilika einen Sarkophag, wahrscheinlich den des Honorius,
im Jahre 1544 jenen seiner ersten Gemalin Maria der Tochter
Stilichos, beide mit einer Menge von Goldstoffen, Kostbar-
keiten, geschnittenen Steinen, aufweiche die ganz vom Drange
eignen Schaffens in Anspruch genonunene Zeit keineswegs den
Werth gelegt hat der ihrer Bedeutung entsprochen hätte. Das
Coemeterium. Kapellen der Nordseite. 457
Oratorium des h. Michael, ein längliches Quadrat, wahrschein-
lich zur Zeit der Verwendung des Mausoleums zu kirchlichen
Zwecken entstanden, verband letzteres mit dem südUchen Quer-
schiff der Basilika.
Ging man um die West- oder Chorseite der Kirche, deren
vielleicht ältester Anbau, die Anicische Grabkapelle, hier ver-
schwunden war, so sah man auf dem vaticanischen Friedhofe,
dem Coemeterium fontis beati Petri , die nur wenige Fuss hohen
Mauern des von Nicolaus V. begonnenen Baues der Tribüne
die seit einem halben Jahrhundert der Fortsetzung harrten.
Längs der Nordseite reihten sich mehre Kapellen aneinander,
welche indess in der Zeit von der hier die Rede ist, nicht
von der Bedeutung jener der Südseite waren, obgleich mehre
mit denselben an Alter wetteiferten. Dazu gehörten unter
andern die Diaconie der hh. Sergius und Bacchus, ein Hospiz
in welchem einst die Regionär -Diaconen Unterstützung spen-
deten, und das Kloster der hh. Johannes und Paulus, des-
sen Gründung Papst Leo dem Grossen zugeschrieben wird
und welches auf der Stelle stand wo heute das Mauso-
leum Clemens' XTTL sich erhebt. Die Kapelle des h. Am-
brosius wird in der neuen Peterskirche durch die prächtige
Sacramentskapelle ersetzt. Dem vordersten Theile des nörd-
lichen Seitenschiffs schlössen sich Kirche und Kloster des h.
Vlncenz an, einst Jerusalem genannt, eine kleine dreischiffige
Säulenbasilika welche schon unter Nicolaus V. dem kirchhchen
Gebrauch entzogen ward und bei den Neubauten an dem hier
hart an Kirche und Vorhof herantretenden vaticanischen Palast
verschwand. Von den Klöstern welche zu beiden Seiten des
Vorhofs wie des Platzes vor demselben lagen, zum Theil sehr
alten Ursprungs, zum Theil neueren Zeiten angehörend, waren
mehre bereits eingegangen bevor die grosse Umwandlung der
Basilika stattfand.
Von den Herstellungsarbeiten im Innern und am Aeussem
der Kirche, deren verschiedene Theile wir betrachtet haben
ohne die Beschreibung des Einzelnen versuchen zu können,
ist so oft die Rede gewesen im Verlauf dieser Geschichte,
dass es hinreicht hier in der Kürze auf dieselben zu verweisen.
Schon um die Zeit des Unterganges des Westreichs hatten die
Restaurationsarbeiten begonnen. Es erklärt sich leicht durch
den Umstand, dass die alte soUde Praxis des Ziegelbaues in
458 Herstellungsarbeiten an der Basilika.
der Epoche, welche die Basilika errichtete, bereits in Abnahme
begriffen war, dass man auf durchwühltem theilweise feuchtem
Boden stand, dass die ganze südliche Langseite auf den Con-
structionen des neronischen Circus ruhte. So bedurften die
äusseren Theile, Stufen, Portiken, Vorhof, Paviment, nach-
mals der Glockenthurm, wie das Hauptgebäude selbst immer
erneuter Herstellung. Der Umstand dass stets neue Bauten,
Kapellen, Kirchen, Klöster, Wohnungen sich anreihten, trug
begreiflicherweise zur Steigerung des Bedürfnisses von Restiu-
ration^arbeiten bei. Nimmt man Säulen und Mauerwerk aus.
so war wenig mehr vom ürsprüngüchen geblieben als der Neu-
bau unternommen wurde. Blicken wir auf das Hauptgebäude,
so nahm das Dach zahlreiche kostspielige Erneuerungen in
Anspruch, deren älteste Spuren, soweit sie an den Stempelnder
Ziegel erkennbar sind , auf Theodorichs Regierung zurückfuhren.
Von Gregor dem Grossen wird berichtet, wie er den Subdiaco-
nus Sabinus mit dem Herbeischaffen von Balken und sonstigem
Bauholz aus den Waldungen der klrchUchen Patrimonien in Süd-
italien beauftragte, und unter ihm und Honorius I. viele der
Hauptbalken des Dachstuhls durch neue ersetzt wurden, wäh-
rend Letzterer die vergoldeten erzenen Dachziegel vom hadria-
nischen Tempel auf der Velia zur Ausschmückung der Peters-
kirche verwendete. Das Ersetzen von Balken hat dann be-
greiflicherweise in späteren Jahrhunderten nie aufgehört und
in manchen Zeiten grossartige Verhältnisse angenommen. Es
konnte jedoch fortschreitendem Verfall nicht steuern, sodass
nicht etwa blos in der in Bezug auf römische Monument«
übelberufenen avignonischen Zeit sondern bereits zu Anfi&ng
des achten Jahrhunderts der Regen eindrang, Dachstuhl wie
Mauern Utten. Gerade von den avignonischen Päpsten sind
uns viele Urkunden geblieben , die von ihrer Sorg£alt für diesen
Avichtigen Theil des Gebäudes Zeugniss ablegen, namentlich
von Johannes XXn. , Benedict XU., Clemens VI., Gregor XL.
während sie wie Clemens V. und Urban V. auch mit dem La-
teran vollauf beschäftigt waren. Die Waldungen der Abru«zen
und Calabriens, wahrscheinlich auch jene Umbriens lieferten
das Material. Lehnzinse, persönUche Einkünfte der Papste,
Vermächtnisse, Geschenke, milde Gaben, wurden so zudiwcm
Zweck wie zur Herstellung anderer Theile bestimmt Von den
vielen Einzelarbeiten welche die Päpste ausfuhren liessen, selbst
Verfall der Kirche. Vaticanischer Palast. 459
dinü noch als die Tage der alten Kirche gezählt schienen,
Kapellen, Altäre, Bildwerke, Grabmale, Fresken und Musive,
ist in den Betrachtungen über die Kunst, namentlich des fünf-
zehnten Jahrhunderts, die Rede gewesen. Alle Anstrengungen
aber vermogten dem fortschreitenden Verfall nicht Einhalt zu
thuD. Beinahe in höherm Grade noch als die Schadhaftigkeit
des Daches beunruhigte der Zustand der südlichen nicht ge-
hörig fundamentirten Mauer. Ohne durchgreifenden Umbau,
der zum Theil ein Neubau werden musste, schien an die Er-
haltung des ehrwürdigen Werkes nicht gedacht wexden zu
können. Nur darauf kam es an, ob man sich an die alten
Formen halten , ob man , wie es im Plane Nicolaus' V. gelegen,
dem Anspruch der modernen Architektur Rechnung tragen
werde, welche die ursprüngliche christUche Basilika nicht
mehr begriff, obgleich kaum zwei Menschenalter vorher der
^osse Brunellesco diese schöne und harmonische Form wieder-
zubeleben mit entschiedenem Glück unternommen hatte.
Von den vielen und grossen Veränderungen denen seit
3Iartins V. Rückkehr der vaticanische Palast unterlag, ist na-
mentlich in der Geschichte Nicolaus' V., Sixtus' IV., Inno-
cenz' Vin. , Alexanders VI. gehandelt worden. In welchem
Zustande der Palast am Ende des Schismas war, ersieht man
daraus dass Papst Martin vor seiner Ankunft für Fenster,
Schlösser und Schlüssel sorgen musste. Bei Alexanders VI.
Tode bot der Palast, dessen Hauptthor sich an der Ostseite
neben der Loggia für die Segenertheilung befand , eine ansehn-
liche wenngleich aus heterogenen Theilen zusammengesetzte
Gebäudegruppe dar, die sich der Basilika enge anschloss.
Das Belvedere, Innocenz' VIII. Gartenhaus am Rande des Hü-
gels, war der Anfang der Bauten die im folgenden Jahrhundert
dem Vatican ein verändertes Aussehn zu geben bestimmt waren.
Grosse Familien haben in der Leostadt nicht gewohnt,
Würdenträger der Kirche indeas längst vor der Zeit die uns
hier beschäftigt. In Nicolaus' III. Tagen hatte Cardinal Latino
Malabranca einen Palast bei der Friesenkirche gebaut, der
durch Cölestin V. an das vaticanische Kapitel kam. In der
avignonischen Zeit war der wichtigste Anlass Bewohner anzu-
ziehn, die Nähe des Hofes, weggefallen, in der des Schismas
war dieser Stadttheil mehr denn ein anderer der Verwüstung
preisgegeben gewesen. Eugen IV. hatte, wie schon erzählt
460 Paläste der Leostadt.
worden ist, im Jahre 1437 den Bewohnern oder zur Änsiedlung
Geneigten Privilegien ertheilt. Damals lag der grössere Theil der
Häuser, von denen viele dem vaticanischen Kapitel gehörten,
in Trümmern. Von Sixtus IV. an veränderte die Leonina ihr
Aussehn. Mehrer der Paläste ist gedacht worden, so jener
der Cardinäle della Rovere und von Cometo und der eine
Zeitlang den genuesischen Spinola gehörenden Wohnung der
heimatlosen Königinnen Bosniens und Cypems, wo nach-
mals, es heisst verschiedentUch nach Bramantes oder Peruzzis
Plan, der Palazzo de' Convertendi entstand. In der Nähe
war die Wohnung der Cybö, nämUch Maurizios des Bruders
Innocenz' VIII. und seines Sohnes Franceschetto. Im Borgo
vecchio sieht man noch das mit Porticus und Loggia versehene
um das Jahr 1493 erbaute Haus des Cardinais Ardicino della
Porta des Jüngern, Bischofs von Aleria und Datars Sixtus' IV.
und Innocenz' VIII. , in späteren Zeiten von einflussreichen Car-
dinälen bewohnt, von Giulio de' Medici nachmals Clemens VII.,
von Ercole Rangoni, von Marino Grimani. Bei dem Arco della
purita wohnte Francesco Soderini Cardinal von Volterra. lu
einem dem Herzog von Valentinois in Erbpacht gehörenden
Hause wohnte Bartolommeo della Rovere Cardinal von Ferrara
und nach ihm Bemardo Accolti von Arezzo, einer der Gmnst-
linge Leos X. Bei S. Michele in Sassia war die Wohnung des
Cardinais von Alessandria, Giovan Antonio di San Giorgio,
welche im Jahre 1505 durch Vermäch tniss an das vaticanische
Kapitel kam. Cardinal folgte auf Cardinal in den grösseren
Palästen. Nach dem im Jahre 1501 erfolgten Tode Domenicos
della Rovere bezog den von ihm erbauten heute so unschein-
baren Palast der Cardinal von Elvas Francisco de Loris,
welcher Julius' ü. Günstling Francesco Alidosi, Luigi d'Ara-
gona, Francesco Comaro, Bemardo Salviati, Cristoforo Ma-
druzzi u. A. zu Nachfolgern hatte. Unter den Häusern in
diesem Viertel finden wir auch das des gelehrten aber übel-
beleumundeten Arztes Alexanders VI. , Gasparo Torella, der als
Bischof von Sta Giusta auf der Insel Sardinien starb. Der
teutsche Orden besass hier das erwähnte Haus in welchem
sein Procurator beim h. Stuhl residirte, bis er das nachmalige
Ordenshaus bezog welches im Vicolo de' venti zwischen der
Piazza Famese und dem heutigen Palazzo Spada lag.
Von der Leonina aus führte die Posterula Saxonum nach
Lungara und Trastevere. 461
der Lungara oder Via Trasteverina welche damals nicht in
den Mauerkreis eingeschlossen war. Zur Rechten lagen auf
dem östlichen Abhänge des Janiculuin seit Eugens IV. Zeit
Kirche und Kloster der Hieronymiten zu Sant* Onofrio, zur Lin-
ken bildete die Krümmung des Stromes den kleinen Hafen von
S. Leonardo, wo man heute die neue Kettenbrücke sieht. Fast
der ganze Baum war von Gärten und Vignen eingenommen.
Zwei derselben , die der benachbarten Kirche S. Giacomo in Sep-
tiniano, gegenwärtig S. Giacomo alla Lungara und der Kapelle
der Geburt des Herrn in St Peter gehörten , nebst einem dritten,
Sonntags dem PubUcum geöfBaeten des Cardinais Alessandro
Farnese wurden von Agostino Chigi zu der berühmten Farne-
sina vereinigt. Gegenüber lag eine Villa Girolamo Riarios, der
heutige Palast Corsini. Die Porta Settimiana welche zum
eigentlichen Trastevere führt, hatte ihre moderne Gestalt durch
Alexander VI. erhalten. Noch hatten mehre alte Famihen ihren
Sitz im transtiberinischen Viertel. Eine der Linien der Mattei
erhielt sich hier bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts;
man sieht ihren in ein ärmUches Wirthshaus umgewandelten
Palast in der Nähe der Brücke S. Bartolommeo beim Eingang
der Lungaretta mit ihrem Wappen, dem geschachten Schilde.
Die Castellani, in den späteren Zeiten des sechzehnten Jahr-
hunderts mit den weder von dem berühmten Senator noch von
den Herren von Casteldurante stammenden Brancaleoni ver-
einigt, mit den Porcari verschwägert, hatten ihre Wohnung
ebenfalls an der Lungaretta, wo das zierliche einem antiken
Fries nachgeahmte Portal die Jahreszahl 1495 zeigt. Von der
Famihe della Molara erhielt der am Aufgang gedachter Brücke
liegende Platz den Namen. Das im fünfzehnten Jahrhundert
mächtigste der trasteverinischen Geschlechter, das der Grafen
von Anguillara, erholte sich nicht wieder dauernd von den
Schlägen des Geschicks welche der ruhelose Graf Everso
wesentlich 'sich selber zuzuschreiben hatte. Doch mussten die
Verhältnisse der Grafen unter SixtusIV. noch gut genug sein,
wenn Deifebo dell' Anguillara den König Ferrante in seinem
Palast in Trastevere zu Gast bitten konnte. Nachdem Inno-
cenz Vin. Eversos Söhnen das Lehn nach welchem sie benannt
>vurden genommen, kam dieser Palast an die Nebenlinie der Her-
ren von Stabio und Calcata, und in der ersten Hälfte des sech-
zehnten Jahrhunderts theils durch Schenkung theils durch Kauf
462 Die Einwohner.
an die Mattei, die Orsini von Cere und Andere. Diese Hauser,
darunter die mehrerwähnte Thurmwohnung, warei} aber in
sehr verwahrlostem Zustande. Ueberhaupt hatte der Verfall
dieser Stadtgegend schon begonnen, und war vonnuDan un-
aufhaltbar. Wenn man die Umgebung von Sta Maria mit dem
im sechzehnten Jahrhundert umgebauten Benedictinerkloster
S. Calisto und die von dort nach S. Francesco a Ripa und
dem Tiberhafen, damals Ripa Romea, fahrende Strasse ausoimmt,
zeigt Trastevere wenige Spuren besserer Zeiten, während Wap-
penschilder und Architekturfragmente neben Strassennamen wie
Anicia und Frangipana, deren letztem, wodurch wahrscheiolich
der erstere veranlasst ward, man im Jahre 1370 findet, die vor-
nehmen Geschlechter der Vergangenheit ins Gedächtniss zurück-
rufen. Die Umwandlungen der Kirchen dieses Stadtviertels im
fünfzehnten Jahrhundert sind bereits erwähnt worden.
Abgesehn von den vielen Ansiedlem fremder Nationen an
welche noch manche Strassennamen erinnern, hatte sich die Ein-
wohnerschaft; Roms aus allen Theilen Italiens recrutirt und war
allmälig zu 85,000 Seelen gestiegen. So viele fremde Elemente
aber eindrangen und währten, namentlich unter den Gewerb-
treibenden die vonjeher grossentheils von auswärts kamen,
so behielt doch ein specifisch römischer Typus die Oberband
Die Schilderungen der Zeit Eug^isIV. passten freilich nicht mehr
in gleichem Maasse auf die Gesammtheit, und wenn der floren-
tiner Berichterstatter von der Unreinlichkeit der Frauen redet,
wird man daran erinnert dass es doch in der Stadt Schwiti-
bäder. für. das weibliche Geschlecht, so für Gresunde wie fiir
Kranke gab , unter andern in der Leostadt und bei Sanf Apolli-
nare, wie denn der Name der Via della stufa noch an eine
solche Anstalt erinnert Die unteren Classen waren aber doch
schwerhch sehr verändert. Es war ein rohes zügelloses Volt
immer zum Tumultuiren bereit, unbotmässig, in stetem Wechsel
zwischen sklavischer Unterwürfigkeit und frecher Auflehnung,
mit der scharfen Zunge wovon die höheren Stande das Bei-
spiel gaben , unordentlich im Aeussern und im Innern der Woh-
nungen, sonst prunkUebend und vei^ügungsüchtig, durch die
weniger dem Elend abhelfende als den Müssiggang fördernde Art
der reichlichen öffentUchen Wohlthätigkeit an Sorglosigkeit ge-
wöhnt. Es würde weit schlimmer geworden sein ohne die Zünfte
welche , nachdem ihnen der politische Karakter abgestreift
Volksspiele. Cai7ie>uü. 463
war, dem Handwerkerstände eine feste Gestaltung gaben , wäh-
rend sie die höhere Bürgerclasse miteinschlossen und durch
ihre stets gemehrten milden Stiftungen wie durch die geist-
lichen Uebungen so zur Abwehr der Noth wie der Inunoralität
unter den Arbeitenden wesentlich beitrugen. Die schon ge-
schilderten Volksspiele des Mittelalters standen in voller Blüte.
Unter den Päpsten that Paul ü. am meisten für dieselben , und
in deiner Zeit begann der Cameval den Karakter anzunehmen
den er bis auf neuere Zeiten bewahrt hat. Nicht blos auf
Piazza Navona und auf dem Felde des Testaccio fanden Spiele
und Wettrennen statt, sondern auch auf Campo di fiore, auf dem
Capitolsplatz, vom Palast von San Marco bis zum flaminischen
Thore. Der Name Corso der Hauptstrasse Roms schreibt sich
von diesen Wettrennen her. Die Zahl der Pallien wurde ver-
mehrt. Dass ausser Pferden, Eseln und Büffeln auch Knaben,
Jünglinge, Greise, die Strassendirnen in sehr leichtem Costüm,
dass endlich die Juden die auch sonst zum Fest beisteuern
mussten und von ihrer Genossenschaft jeder einzeln zu diesem
Behufe geschätzt wurden, in ihren rothen Mänteln um den
Preis liefen , selbst noch in dem glanzvollen Zeitalter Leos X.,
zeigt auf wie niedriger Stufe das Volksvergnügen stand und wie
viel Rohheit demselben anklebte. Paul U., welcher unter andern
auch den romagnohschen Städten Cesena und Brettinoro einen
Corso erlaubte , fand ein besonderes Vergnügen daran Volksbe-
lustigungen zuzuschauen, Geld unter die Menge zu werfen oder
werfen zu lassen. Das Fenster des Palastes aus welchem er
dem Kennen zugesehn haben soll, ist ohne Zweifel dasselbe
an welchem heutzutage der Senator mit der übrigen Municipa-
lität Platz nimmt. Mit Spielen solcher Art contrastirten histo-
risch-mythologische Aufzüge die indess mit der ganzen Geistes-
richtung des Humanismus im Einklang waren und von dessen
Einwirkung auf die Erscheinungen des äussern Lebens Zeug-
uiss geben. Turniere auf Piazza Navona und dem Petersplatze,
Thierjagden auf demselben Platz und dem capitolinischen,
grosse Treibjagden wie die von 1480 bei der Magliana, boten
der Jugend der vornehmen Stände Gelegenheit ihre Fertigkeit
zu zeigen. Die Diarien erwähnen ihrer, aber kein Poet verlieh
ihnen unvergänglichen Ruhm wie PoUzians Octaven der Giostra
Giulianos de' Medici auf dem Platz vor Sta Croce.
Mit dem Wohlstande war begreiflicherweise der Luxus
464 Schmuck der Häuser. Pracht und Luxusgesetze.
gestiegen. Die vornehmen Häuser füllten sich mit Silbecge-
räth und Seidenstoffen. Ersteres hatte unendlich zugenommen
und die zahllosen Geschenke welche Päpsten , Cardinälen, Prä
laten von fremden Gesandten und Anderen gemacht wurden,
bestanden grossentheils in Prunkgefassen , Schüsseln, Bechern.
Der Gebrauch des Silbers war um so vorherrschender, da
Kristallglas erst in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahr-
hunderts häufiger wurde, die MajoUken noch ziemlich selten
waren , wie sie denn erst später in der Romagna und im ürbi-
natischen jene technische wie künstlerische Vollendung erlang-
ten, welche sie zu Luxusgegenständen werden liess während
sie häuslichem Gebrauch gewidmet bUeben. Seidenstoffe aber,
unter denen die florentinischen neben den venetianischen Bro-
caten sich auszeichneten, waren vonjeher zum Schmuck der
Gemächer wie bei festhchen Anlässen zu dem der Aussenseite
der Häuser verwendet worden. Gewirkte Teppiche kamen aus
Flandern, feine Leinwand grossentheils aus Teutschland, so
aus Augsburg und Ulm. Kunstreiche Holzarbeiten, Marmor-
und Erzwerke, Gemälde, antike Bildwerke und Anticaglien
aller Art begannen die Paläste zu zieren. Die Kleidung war
bei älteren Männern ernst und bequem, bei jüngeren glän-
zend und übermässig bunt; Pelzwerk war bei dep Reichen
häufig. Die Frauentracht von welcher uns namentlich die
Wandgemälde der florentinischen Meister von Orcagna bis
zu Benozzo, Domenico Ghirlandajo und ihren Zeitgenossen
zahlreiche Beispiele bieten, war seit Jahrhunderten ein Kampf
gegen die Luxusgesetze, welche zu erlassen namentlich die
RepubUken, welche zu umgehen die Frauen nicht müde wur-
den. Wie die Romagnolinnen in Papst Nicolaus' HI. Zeit die
Verordnungen des Cardinais Latino Malabranca inbetreff des
Schleiertragens corrigirten indem sie golddurchwirkte durch-
sichtige Leinen- und Seidengewebe über ihr Gesicht fallen lies-
sen, wie sie an ihren die Strasse fegenden Schleppen so fest-
hielten dass sie dem Minoriten Fra Salimbene erklärten, ao
der Schleppe liege ihnen mehr als am ganzen übrigen Rock
so werden die Römerinnen es zweihundert Jahre später mit
päpstlichen Statuten gemacht haben. Paul H. bestimmte, vne
es scheint auf Andringen der Bürger denen die steigende Höhe
der Mitgift und die übermässige Pracht der Aussteuer der
Töchter Besorgniss weckte , im Einverständniss mit dem
Die Frauen. Hochzeiten. 465
römischen Magistrat, die Mitgift solle nicht achthundert Flore-
neu, die Aussteuer in Juwelen und Kleidungsstücken nicht sechs-
hundert übersteigen , wobei jedoch für Rom selbst zweihundert
Florenen mehr gestattet wurden. Dass man sich daran nicht
kehrte, bezeugt Sixtus lY., indem er in einer am 16. August
1473 zu Tivoli erlassenen Constitution bemerkt, die auf die
Uebertretung gesetzten Strafen fruchteten nichts. Die uner-
schwingUche Höhe der Mitgift, fugt er hinzu, und der grenzen-
lose Luxus der Aussteuer tragen Schuld daran dass eine Menge
Mädchen bei Eltern und Verwandten unverheiratet bleiben,
sodass die Volkszahl darunter zu leiden beginnt Diesem
Uebelstande abzuhelfen, sollten alle Uebertretenden Geldstrafen
unterliegen deren Ertrag wir schon der im Bau begriffenen
Sixtusbrücke zuwenden sahen, während die neuen Verord-
nungen an die Capitolsthüren angeheftet, dort eine verschlossene
Kapsel aufgestellt werden sollte, in welche Jeder die bezeugten
Denunciationen hineinzuwerfen aufgefordert ward.
Schon begannen die Frauen eine grosse Rolle zu spielen,
nicht blos in den Baronalfamiüen welche deren zu jeder Zeit
ausgezeichnete gezählt hatten. Mehr denn einmal stand der
Vatican unter weiblichem Einfluss: neben Lucrezia Borgia
nannte man GiuUa Famese. In anderer Art war in Sixtus' IV.
Zeit die Gemahn seines Neffen Girolamo Uiario mächtig gewesen,
jene Caterina Sforza, deren männlicher Geist sich bei so manchen
Anlässen bewährt hat und auf ihren Sohn zweiter Ehe über-
ging, auf Giovanni de*Medici, den tapfem Führer der schwar-
zen Banden, den nur sein früher Tod verhinderte in der Ge-
schichte des itaUenischen Kriegswesens eine der ersten Stellen
einzunehmen, wie er jetzt schon zu den tüchtigsten Haupt-
leuten gezählt wird.
Die Hochzeiten wurden glänzend gefeiert und dauerten
zumTheil mehre Tage mit Gastmalen, Spielen, Gesang, Musik,
Tanz. Es geschah wol dass grosse Herren dabei Kleidungs-
stücke mit ihren Devisen an die Gäste vertheilten. Bei der
Heirat Antonio CaffareUis mit Rita Margani im April 1431
wurde der Garten der Familie mit einem Leinwanddach und
schonen Teppichen ringsherum in einen Saal verwandelt wel-
chen zahlreiche Edelfrauen schmückten. Als Marcello del
Bufalo sich mit Gregoria Caffarelh vermalte, Hess er Piazza
Colonna mit Leinwand überspannen, und Alles was von Baronen
▼. Reuaoat, Rom. Hl, 30
466 Hochzeiten. Dienerschaft. Händel.
und Yomehmen in Rom war wohnte dem Bankett bei. Der
festliche Anfang der Ehe Hess den in Pauls U. Zeit erfolgten
tragischen Ausgang nicht ahnen. Bei der Hochzeit SabbaPor-
caris mit Agostina Sinibaldi wurde auf gleiche Weise der Platz
von S. Giovannino della Pigna an welchen das porcarische
Haus stösst, in einen Festsaal verwandelt, ebenso beiderVer-
mälung Pier Paolo Crescenzis mit Eugenia Leni im Jahre 1487
der Platz neben Sant' Eustachio , wo man den Palast der Cres-
cenzi sieht der einer benachbarten Strasse den Namen giebt
Ringsumher waren Tribunen errichtet zur Aufnahme aller Edel-
leute welche dem Feste beiwohnen wollten, und mit den pracht-
vollen Teppichen , dem vielen Silbergeräthe , den reichbesetzten
Tafeln wetteiferte die Heiterkeit von Musik und Tänzen. Die
Hochzeit Francesco Massimos, des nachmaligen Rectors der
Universität Pisa, mit Petronilla Capranica zeigte nach gleich-
zeitigen Berichten königlichen Glanz. Die in den späteren
Zeiten des fünfzehnten Jahrhunderts in Rom schon übliche
zahlreiche Dienerschaft steigerte Festgepränge und Aufwand.
Nicht blos die grossen Barone, die reichen Cardinäle hatten
eine Menge Diener: die Familien zweiten Ranges, die vorneh-
meren Curialen, die fremden Gesandten machten diese Sitte
möglichst mit. AnselmUche Einkünfte wurden dadurch rer-
schlungen. Die vornehmen Ejrchenfärsten hatten einen ofit
aus hunderten von Personen bestehenden Hofstaat; begreif-
licherweise standen die Barone ihnen nicht nach. Wenn sie
auch nicht ganze bewaffnete Vasallenbanden in die Stadt zogen
wie es während der unablässigen Unruhen geschah, hatten sie
ihre Paläste mit Dienstleuten gefüllt die sie von ihren eignen
Lehnen holten. Da Alles ritt, auch die vornehmen Frauen, war
es nöthig eine Menge Pferde zu halten, Streitrosse, Zelter.
Packthiere; nur mit zahlreichem Gefolge konnte man zum päpst-
lichen Palaste oder sonst wohin reiten. Da Alles Waffen trug,
waren Händel unvermeidUch und die eingewurzelten erblichen
Feindschaften arteten nur zu oft in blutige Raufereien und Ven-
detten, ja in wahre Strassenkriege aus, gegen welche dann
mit Hinrichtungen und Häusereinreissen eingeschritten wurde.
Die römischen Barone standen ausserhalb aller bürgerlichen
Verhältnisse auf welche sie umso verächtlicher herabschauten.
da die städtische Magistratur in Rom nach der Einbusse ihrer
Unabhängigkeit ihrem Ehrgeiz keinen Spielraum mehr bot
Stellung und Lebensweise der Barone. 467
Ihre FamilienyerbindtmgeD mit auswärtigen furstliolien Häuserti,
die Bedeutung die ihnen der Kriegsdienst gab, daftientlich als
gegen das Ende des Jahrhunderts mehr denn einer dich in die
Reihe der ausgezeichnetsten Heerführer stellte, die furstUehen
Wurden die sie selber im Königreich Neapel erlangten, stei-
gerten ihre Ansprüche. In Florenz, wo die repubUkanische
Einfachheit und Sparsamkeit des Lebens auch nach dem Auf-
kommen der Medici fortdauerte, schrieb man den unbürger-
lichen Stolz und Pomp Pieros des unklugen Sohnes Lorenzos
des Erlauchten in nicht geringem Grade dem Beispiel seiner
orsinischen Verwandten zu. Indem sie^ sagt ein florentiner
Historiker , ihre Castelle mit der Stadt Florenz , die nach ihrer
Meinung dem ersten Manne in der Stadt gebührende äussere
Stellung nach der eines romischen Papstes maassen, schien es
ihnen eine Herabwürdigung dass der, dem die höchste Auto-
rität gehörte , in äusserer Erscheinung Andern gleichstehn sollte.
Man weiss welche schlimmen Folgen die Autokratie Pieros und
der Stolz Madonna Alfonsinas Orsini de' Medici nach sich
zogen. Die Sitten waren roh und gewaltsam, Mordthaten und
Blutrache häufig. Stefano Colonna von Palestrina wurde im
Jahre 1433 von seinem Neffen Salvatore ermordet, worauf die
Bewohner der Stadt den Thäter und die angebhchen Mitschul-
digen in Genazzano umbrachten. Drei Jahre darauf ward
Lodovico Colonna in Ardea von seinem eignen Schwager um-
gebracht, der auf solche Weise die Mitgift der Schwester
sparen wollte. Es war nichts seltenes dass die päpstliche
Regierung bedeutende Summen auf den Kopf rebellischer oder
ruheloser Barone setzte, mogten sie todt oder lebend einge-
liefert werden. Aber Begnadigungen waren ebenso häufig wie
Achtserklärungen.
Zu der Zeit als Cesare und Lucrezia Borgia durch die
Pracht ihrer Cavalcaden glänzten, Cardinäle wie Ascan Maria
Sforza und Ippolito d'Este mit ihnen wetteiferten , Gentile Vir-
ginio Orsini eine fursthche Stellung hatte, Papst Alexander VI.
seine Tochter mit Perlen bedeckte, waren aber die Römer
auch in der Erscheinung ihrer städtischen Würdenträger und
Beamten längst ebenso an bunte Pracht gewohnt, wie durch
die Papstprocessionen die ein Gemisch von geistUchem und
weltlichem Gepränge boten. Der Bannerträger der Kirche und
der Präfect, der Senator und seine Beisitzer, die Conservatoren«
30*
468 Glanz der Magisti-atc. Besitzverhältuisso.
die Banderesen und ihre Ratbe als der gefurchtete Magistrat
noch bestand, die Caporionen mit ihrem Prior schienen es
darauf anzulegen , den Pomp ihrer Trachten und Aufzüge wie
die Zahl ihrer in allen Farben gekleideten Dienerschaft umso-
mehr zu steigern je grösser die Abnahme ihrer wirkhchen Be-
deutung war. Ein Bestreben welches im vierzehnten Jahr-
hundert begonnen hatte, im fünfzehnten auffallender wurde
und von welchem heute noch Spuren genug gebUeben sind.
Zu allen Zeiten ist Rom die Stadt der Gegensätze gewe-
sen. Pracht und Armuth, Prunk der Formen und nur zu oft
geringer Gehalt, furstUche Paläste neben verfallenen Hüt-
ten, Devotion in der Haltung und Auflehnung im Herzen,
Geschick zu jeder Arbeit und geringe Industrie, Reminiscenzen
alter Grösse und Festhalten an Aeusserlichkeiten die sie nicht
wiederbringen konnten, HerzHchkeit und wilde Leidenschaf-
ten — nach dem Wort eines neuern italienischen Dichters
»orgogho di nomi, ludibrio di sorte«. Wie viel fehlt daran
dass fortschreitende Bildung überall der tiefwurzelnden Ten-
denzen Meister geworden wäre, welche in der Geschichte
vieler Jahrhunderte ihren Ausdruck wie ihre Erklärung finden!
Die unter den drei letzten Papstregierungen des fünfzehn-
ten Jahrhunderts über die grossen Familien hereingebrochenen
Stürme hatten die Besitzverhältnisse in der nähern und fernem
Umgebung wesentUch verändert. Wenn Alexander VI. durch
seine Bulle vom 1. October 1501 seinen beiden Enkeln Rodrigo
und Juan d'Aragona Borgia je achtundzwanzig und sechsund-
dreissig Städte, Castelle, Tenuten die den Colonna, Caetani,
SavelH, D'Estouteville, Mattei u. A. abgesprochen worden wa-
ren, zu Lehn gab, so zeigt dies wie die Dinge bei seinem Tode
standen. Aber dieser Tod machte der borgiaschen Herrschaß
in diesem wie in andern Fällen ein Ende. Doch auch ab-
gesehn von so jähen Wechseln hatte seit Martins V. Tagen
manches Besitzthum aus einer in die andere Hand gelangen
müssen. Zu den neuen Dynasten gehörten die D*£stoute-
ville oder Tuttavilla imd die Cybö die sich indess beide
ebensowenig wie die Riari und Borgia in Rom zu halten
vermogten. Der Cardinal von Ronen kaufte für seine Nepo«
ten Girolamo und Agostino von dem unglückUchen Proto-
notar Giovanni Colonna im Jahre 1479 Genzano und Nemi
denen er Frascati und Citta Lavigna hinzufugte, aber sechs
Besitzverhältnisse in der Umgebung. 469
Jahre später setzten sich die Colonna mit Gewalt wieder in
den Besitz der Ortschaften, da die Tuttavilla es mit den yer-
schwägerten Orsinen hielten, und Genzano und Nemi blieben
bis zu den borgiaschen Händeln in ihrer Gewalt. Auch Mon-
ticelli welches Paul IL den ruhelosen Anguillara genommen
hatte, war durch Sixtus IV. in den Besitz Cardinal d'Estoute«
villes gelangt aber nur pfandweise und auf Lebenszeit, wie es
später mit andern Orten durch InnocenzVIIL an den berüch-
tigten Cardinal La Balue kam. Cerveteri war nach dem Aus-
sterben der Yenturini an die Ejrche , durch Sixtus lY. an Bar-
tolommeo della Rovere gekommen der es im Jahre 1487 an
Franceschetto Cybö verkaufte. Dieser erlangte auch Anguillara
und andern Besitz, verkaufte jedoch fünf Jahre später seine
Herrschaften , deren er sich nach Innocenz' YIII. Tode nicht
mehr sicher erachtete, an Gentile Yirginio Orsini von Brac-
ciano , durch dessen Sohn Carlo dann die jüngere Linie von
Anguillara gegründet ward, bei deren im Jahre 1548 erfolgtem
Aussterben die Grafschaft an die Hauptlinie von Bracciano
zurückfiel. Ein anderes Besitzthum der Familie von Anguillara,
Torrimpietra an der Strasse nach Civitavecchia nicht ferne von
Ceri, heute noch in seinem Baronalpalaste den mittelalterhchen
Burgkarakter bewahrend, kam im Jahre 1457 durch Kauf an
die Massimi.
üeberhaupt ging im Besitz der grossen Tenuten welche
nur Wirthschaftsgebäude , hie und da auch herrschaftUche
Wohnungen hatten, vielfacher Wechsel vor sich. Maccarese
war nach dem Aussterben der Normanni an die Grafen . von
Anguillara und Andere gekommen, wie es dann ebenfalls stück-
weise an die Mattei gelangte. Yon Campomorto, wie es an An-
tonio Rido dann an das vaticanische Kapitel kam, war schon
die Rede. Castel di Guido war von den Grafen von Anguillara
wieder an seine ursprünglichen Besitzer die Camaldulenser von
S. Gregorio gelangt die es bis zum Jahre 1573 behielten.
Castel Giubileo, damals wie heute ein blosses Casale, wurde
im Jahre 1458 von den Eremitanem von Sto Stefano rotondo
dem vaticanischen Kapitel verkauft. Sette Bassi vor Porta
S. Giovanni wurde im Jahre 1463 von den Astalli zur Hälfte
an das lateranische Spital veräussert Eine Menge Ortschaften
waren längst in Casale verwandelt, deren Verpachtung dann,
wenn sie Eigenthum der todten Hand waren oder wurden wie
470 Allgemeine Zustände.
es immer häufiger geschah, entweder auf eine Reihe Jahre odei
auf Lebenszeit mittelst Belehnung stattfand. Zu diesen ge-
hörte neben manchen andern das alte CoUatia, welches iB
Eugens lY. letzten Jahren menschenleer war. Dass zahlreiche
Corsen zum Feldbau herangezogen wurden, ergiebt sich aas
einer Verordnung Sixtus' IV. vom Jahre 1475 , welche wegen
der vielen von diesen leidenschaftlich ruhelosen Leuten began-
genen Missethaten eine Caution von zweihundert Florenen fiii
jeden von ihnen verlangte und das Waffentragen untersagte.
Auf die Zustande der Campagna lassen die vielen Kriege und
Fehden schliessen deren Schauplatz seit Eugens IV. Regie-
rungsantritt diese Gegend war. Der furchtbare colonnesische
Krieg und die übrigen Kämpfe unter dem gedachten Papste,
der Untergang des Hauses der Präfecten von Vico, die Fehde
zwischen den Orsinen von Tagliacozzo und von AnguiUara
unter Pius II. , die Ezecution Pauls II. gegen die Letzteren, der
Kampf zwischen Colonna und Orsini und die neapoUtanische
Expedition unter Sixtus IV. , der Krieg Innocenz' Vlll. wegen
Aquilas — alle diese Schilderhebungen liessen die Umgebung
Roms nicht zu Athem kommen. Die Regierung Alexanders VI
setzte durch den Vernichtungskrieg wider die grossen Ge-
schlechter und die Durchzüge fremder Heere dem furchtbaren
Treiben und dem Elend die Krone auf.
Wir sind an die Grenze eines verhängnissvollen Zeit-
raums gelangt.
Noch stand dem Anschein nach das grosse hierarchische
Gebäude fest, unerschüttert, in sich abgeschlossen da. Noch
hatten Primat und kirchhche Tradition im Abendlande keinen
Abfall erhtten. Aber die morahsche Macht des Papstthums
war tief gesunken. Die Reaction war unvenneidUch. Sie
drohte um so heftiger zu werden, da das grosse und legitime
Mittel der ersten Hälfte des zu Ende gegangenen Zeitalters
zur Heilung von Ausartungen und Misbräuchen, die Concilien.
den Zweck unvollkommen erreicht hatte. Die Uteraiisch-
wissenschaftUche Bewegung war auf den bedenklichsten Bah-
nen und hatte, nicht in Italien allein, in den Gemüthem die
geßhrhchste Gabrung erzeugt. Italien war der Kampfplatz
fiir Spanier, Franzosen, Schweizer, Teutsche; Norden und
Süden der Eblbinsel standen unter fremder Herrschaft. Der
Kirchenstaat rang mit der gewaltsamen Auflösung seiner alten
Allgemeine Zustände. 471
politischen Ordnungen. Die Stadt Rom schwankte zwischen
Alleingewalt und Anarchie und bot in ihren inneren Verhältnis-
sen wie in der äussern Erscheinung die grellsten Contraste von
Cultur und Barbarei, von Glanz und Elend, von Frömmigkeit
und Unglauben. Die römische Umgebung war wüst und scho-
nungslos zertreten.
Das beginnende sechzehnte Jahrhundert hatte viele Schä-
den zu heilen.
ANMERKUNGEN.
uTeschichte des Papstthums des 15. Jahrhunderts *). Theilweise
die Band II. S. 1175 angefiihrten Werke, überdies Bart. Piatina, De
vitis Pontificttm, zuerst Venedig 1479, für diese Zeit Quelle. Die einzelnen
Biographien finden sieh bei den verschiedenen Pftpsten genannt. Milmans
Uistory of Latin Christianity , schliesst mit Nicolaus V. Neue franzSs. Bearbei-
tung: J. B. Christophe, Histoire de la Papaute pendant le XV. siecle,
2 Bde. , Lyon 1863. Steht der Geschichte des avignon. Papstthums dess. Verf.
beiweitem nach. -^ Von gleichzeitigen Historikern kommen hier namentlieh in
Betracht Papst P ins II. (J. Gobellinus) und Jac. Ammanati, wie die flor.
Geschichtschreiber des 15. Jahrb., von denen einzelne gehör. Orts erwähnt
werden. Von sp&teren flor. Geschichtschr. vor allen brauchbar ScipioneAm-
mtrato dem das flor. Archiv zu Gebote stand. Sigismondo de' Conti (vgl.
Aiun. zu S. 360) leider noch iuedirt. Die mail. und venet. Chronisten stehen uns
femer, da die Beziehungen zu dem letzten Visconti und zu den Sforza hier
nur gelegentlich berfihrt werden konnten. Die peruginische Chronik des Gra-
ziani (Arch. Stör. Ital. XVI. 1) giebt manches Detail; der wichtige Fr. Ma-
tarazzo (Maturanzio, ebd. 2.) beginnt mit 1492, wo das Detail aller Art bei-
nalie erdrflckend wird.
Geschichte der Cardinäle , bei Ciaceonivs, namentlich bei L. Cardella,
Memorie storiche dei Cardinali della S. R. C, R. 1792. Im Auszug bei
Novaes. (Vgl. Anm. zu S. 250.)
Zust&nde am p&pstlichen Hofe von den letzten Zeiten des Schismas an,
nach den Berichten der Abgesandten des teutschen Ordens, bei J. Voigt,
Stimmen aus Rom Aber den päpstlichen Hof im 15. Jahrhundert, in Raumers
hUtor. Taschenbuch 1833, 44^184.
Geschichte der Stadt Rom. Auch hier ist, ebensowie für die Ge-
schichte der Umgebung und der Städte des Kirchenstaats, auf die Mehrzahl
der Band 11. 1 175 — 1 177 angefiihrten Werke zu verweisen. T h e i n e r s Cod. dipl.
dorn. temp. hat im IH. Bande noch viele Materialien obgleich in geringerem
Maasse als für das 13. und 14. Jahrhundert. Eine Reihe inedirter vaticau.
*) In Besag auf den bibliographiachen TheiL der nachfolgenden Anmerkungen mnss hier
wiederholt darauf hingedeutet werden, dass aie keine auch nur relative Voliattndigkeit lite-
rarlteher Angaben beswecken, eine Aufgabe welche bei dem eoloBsalen Reichtham der römi-
schen Bibliographie, namentlieh der speciellen, sowol unthanlich wie der Bestimmung dea
vorliegenden Baches nicht entsprechend sein wfirde. Es handelt sich hier in der Mehrsahl
der Fftlle nur um solche Nachweisungen welche dem Leser genaueres Eingehen, als hier mög-
lich, erleichtern können.
476 Anmerkungen.
Urkunden hat mir, Dank der GefHUigkeit A. Theiners, auch für diese Epoche
vorgelegen. Ueber die verschiedenen Diarien desinfessura u. A. vgl. S. 366
u. Anm. zu S. 76. Papencordts Gesch. der St. R. im MA. endigt mit
Sixtus IV., ist aber, mit Ausschluss der nur in diesem Zeitraum beachteten
Literar- und Kunstgeschichte, vom Ende des Schismas an blos skizzirt und
ohne tieferes Eingehen. Die überaus zahlreichen speciellen Werke und Abhand-
lungen finden sich theilweise an den betreffl Stellen erwähnt. Reiches Ma-
terial zur Stadt- und Familiengeschichte bieten Gallettislnscriptiones, deren
Gebrauch leider durch die ungeschickte Ordnung erschwert wird. Besser wird
Forcellas Sammlung ihrem Zweck entsprechen. Für Familiengeschichte bleibt
aber noch sehr viel zu thun, denn die meisten älteren Arbeiten in diesem
Fach sind zum Theil ganz unbrauchbar. Das Büchlein des Grafen v. Tournon
(des Sohnes des verdienten napoleonischen Präfecten von Rom): Le Livre
d'or du Capitole, Paris 1864, ist ohne Bedeutung. Eine Uebersicht der Ge-
schichten einzelner Familien, die indess auf Vollständigkeit keinen Anspruch
erheben kann, möge hier folgen.
Albani von P. E. Visconti in dessen bald unterbrochenem Weric über
die Familien des Kli^chenstaats ; Aldobrandini ebds.; Altemps von P. Litta b
den Famiglie celebri Italiane; Altieri von P. £. Visconti; Boccapaduli von
Bicci 1762; Boncompagni von E. Gamurrini 1662, und P. Litta; Bonelli,
ebds. und von P. Litta; Caetani, von £. Alvignano 1790, Cost Caetasi
in der Vita di P. Gelasio 11. 1802, G* B. Carinci in den Documenti scelti
deirArchivio della famiglia Caetani 1846; Capizucchi von Arm an ni 1668—1680;
Carpegna von P. A. Guerrieri 1667; Cesarini von Fr. Sansovino in den
Famiglie illustri d'Italia, Ven. 1582, Ratti in der Geschichte der Sforza,
P. Litta; Cesi von P. Litta; Chigi von G. Buonafede 1660 imd einem Ano-
n3anus 1658; Colonna von Fr. Sansovino, Ughelli 1650, F. Mngnos
1658, De Santis 1675, P. Litta, A. Coppi 1855; Conti von F. Contelori
1650, M. Dionigi 1663, Ratti in der Gesch. der Sforza; Corsini von F.
Zazzera in der Nobilta dltalia, Neapel 1628, L. Passerini 1858; Fanese
von F. Odorici in der Forts, von Littas Werk; Frangipani (s. unten Anm. zu
S. 45); Marescotü-Ruspoli von P. Litta; Massimo von dems.; Matte! von
F. Zazzera; Mellini von Fr. Sansovino, J. Lauri 1636; Orsini von Fr.
Sansovino 1565 (zugleich die Grafen von Anguillara), E. Gamurrini 1691,
P. Litta; Peretti von Ratti in der Gresch. der Sforza; Sant' Eustachio von
F. Zazzera; Savelli von Fr. Sansovino, N. Ratti in der Gesch. der Sforza;
Sforza von N. Ratti 1794. — Unter den handschrifU. Materialien zur Fa-
miliengeschichte sind die reichlichsten die des Onofrio Panvinio und des
Teodoro Amidenio (Ameyden), aus dem 16. und 17. Jahrhundert, aber sie
sind mit den Mängeln der älteren Genealogisten behaftet
Darstellung der Stadt Rom im XIV. Jahrhundert
auf dem Siegel Kaiser Ludwigs des Baiem.
(Nach dem Exemplar des Aachener Stadtarchivs.)
Vgl. S. 10.
S.3. Topographie von Rom am Schlüsse des Constanzer Concils (sowie zu
Anlang des 16. Jahrb. S. 432). Neben den zahlreichen allgemeineren Werken,
von weichen in den Anmerkungen zu Bd. II. die Rede war, unter denen na-
mentlich Gasparo Alveris Roma in ogni aCato, R. 1664, Bd. U., F. Mar-
linellis Roma ricercata nel suo sito (ohne Jahreszahl, gegen 16.S0 gedruckt),
und C. Feaa Dissertaiione sulle rovine di Roma im m. Bande seiner Ueber-
setzung des Winkelmann zu nennen sind (von den grösseren neueren Stadt-
beschreibungen ist die Platner- Bunsensche für diese Zeit unvoltstindig,
die Nibbfsche von 1839, Band Ul. und IV. von «Roma nel 1838., welche nur
des bald nach Beginn des Drucks verstorbenen Verf. Namen trigt, kommt
kaum in Betracht), sind folgende über einzelne Stadttbeile und Bauwerke zu
erwähnen, die auch ftlr das 11. Kapicel des 3. Abschnitts, die Stadt zu Anfang
des 16. Jahrhunderts, gelten. Franc. Cancellieri, De secretariis Basilicae
vaücuiae veUns sc novae, K. 1788; Ds., Noüzie del carcere Tulliano, R. 1788;
Os., Stona dei solenni poaaessi, R. 1602; Da., Le due nuove campane di Cani-
pldoglio, R. 1807; Ds., II Mercato, il Lago dell' Acqua vei^e ec. R. 1811;
1'. Adinolfi, Lnleranoe Viamaggiore, R. 1657; Da., La Portica di S. Pietro,
R. 1859; Ds., 11 Canale di Ponte, Ninii 1860; Da., La Torrs de' Sanguigni
e S. ApoUin&re, R. 1863; Ds., La Via sacra o del Papa, R. 1865. — Camillo
|Viitorio] Massimo, Notizie istoriche della Villa Massimo alle Tenne Diocle-
iiane, R. 1836 (enthält iilr die Zeit vor Gregor XUL nur wenige Notizen);
Ds., Cenni storici sulla Torre Anguillara iß Trastevere, R. 1847; Ds., Sopra
ima inedita medaglis, di Francesco Massimo, R. 1860; Ds-, Memorie atoriche
della chiesa di S. Beiiedetto in piscinula, R. 1864.
S. 3. Schilderung Roms durch Poggio Bracciotini in dessen Historiae
de varieute fortunae, ed. D. Geoi^ius, Paria 1723, 5£
S. 8. Fazio degli Ubertl. Fil. Viltani, Liber de civiutis Florentiae
famosis civihus, ed. 6. C. Galletti, Flor. 1847, 32 — -de Bonifatio de
Ubertis semipoeta vulgari-. Schilderung Roms im DitUmoudo, von wetehem
478 Aiimerkiuigen.
eine mit Montis, Perticaris u. A. Hülfe verbesserte aber immer noch sehr
mangelhafte Ausg. , Mail. 1826 , 11. c.31. — Manuel ChrysolpraSi Epistola
ad loannem imp. qua veteris ac novae Romae comparatio continetur, bei G.
Codinus, Excerpta de antiquitatibus Constantinopolitanis , Par. 1665, 107 £
S. 10. Der auf dem Capitol befindliche zu einem Getreidemaass ausgehöhlte
Grabcippus der altern Agrippina hat die Inschrift: «Rugitella de gnno«,
darunter die Wappen des Senats und der Conservatoren von 1635 mit fol-
gender Inschrifl:
Virilis auimi foeminae
Quae voluntaria inedia
Fiiimenti usum et vitae sibi ademit
Scpiilcrali hoc lapide
Tiiuislato e Mausoleo Augusti excavatoque
Dimensus est CCC frumeuti pondo rudi oHm seculo
S. P. Q. R.
Eumdem alia iam aetate literis perpolita
Expoliendum ornamdumq. curavit
Octavio Muto
Alexandro Rondanino Cosss.
BiMto Gottifredo
Leone Vcrospio priore.
S. 10. Das Capitol in seiner mittelalterlichen Gestalt Cancellieri, Cam-
pane, passim; Nibby, Roma nel 1838, I. 495; Beschreibung der Stadt II,
III. 1. passim. Capitolinischer Markt (»Locus nundinanim« in Anaclets Bulle)
bis zum J. 1477, Cancellieri, Mercato, 5 — 15. Erliuterung der Bulle Ana-
clets n. über die Grenzen der Jimsdiction des Klosters von Araceli, 1130
— 1138, bei P. Casimiro, Memorie dl S. M. d'Araceli 431—442. Vgl. Fr.
Valesio, Spiegazione d'una bolla d'Anacleto Antipapa in cai si descrivouo
gii antichi confini del Monte Capitolino, in den Opuscoli des Calogerjk, XX.
Der unter Paul 11. stattgefundenen Zerstörung capitolinischer Trümmer gegen-
über dem Marcellustbeater (vgl. S. 397) erwähnt Francesco di Giorgio
(Titittato d'Architettora ed. C. Promis, Turin 1841, I. 93) in einer seiner
architekton* Hss.: »il portico incontra a casa Savelli — a sempo di Pavolo la
porta el portico ruinato et dispogliato fu.«
Nach N. Signorili sah man bei der zweiten Thüre des Senatx)rspalaste9
das Bild eines auf eine vor ihm liegende Ratze grimmig blickenden Lowe» mit
folgender Inschrift auf der Schwelle:
•Iratus recole quod nobilis ira leonis
In sibi prostratos se negat esse feram.«
Die Statue Carls von Anjou, wie es scheint lange vernachlässigt, niiirde
erst im Jahre 1481 wiederaufgestelit
S. 12. Marforio - Statue. Fr. Cancellieri, Notizie delle due famose
Statue di un fiume e di Patroclo dette volgarmente di Pasquino e di Marforio.
2. Aufl., R. 1854. Inschrift gegenüber dem Carcer Mamertinus:
Hie aliquando insigne
Marmoreü simulacru fuit
Quod vulgus ob Martis forum
Marfodium
nuncupavit
In Capitoliü ubi nnc est
Traslatii.
Aumcrkungen. 479
An den seltatmsten Interpretotioneii , vom Jupiter pistor zum Rheinfluss unter
den Hufen des domitianischen Rosses, hat es nicht gefehlt (Vgl. Anm. zu
ö. 387.)
S. 13. Du Colosseum. Vgl. Bd. H. S. 993, 999, 1212.
S. 14. Der Lateran. Alte Beschreibung aus den Zeiten Alexanders IV. —
Bonifaz VIII., bei Mabillon, Museum Ital. U. 560 ff.; Rasponi nach Ono-
frio Panvinio 1656; Baldeschi und Crescimbeni 1720 — 1725; Ciampini,
De sacris aedificiis ete. 1 ff. , wo Abbildungen der alten Faf ade und des Pa-
triarchiums nebst SLirche und Kapellen wie Grundriss des Platzes nach Bu-
falini, welcher nebst Nollis Plan von 1748 dem dem vorliegenden Bande
beigegebenen, von dem in römischer Topographie bewanderten Architekten
R. Bergau in Danzig gezeichneten Plane ;eugrunde liegt; P. Adinolfi, La-
tcrano e Via maggiore, R. 1857; Letarouilly Edifices de Rome moderne.
Notices historiques et critiques.
S. 17 (auch 8. 444). Vatican und Peterskirche. Von Petrus Mallius
(vergl. Bd. IL S. 676) und Maffeo Vegios De rebus antiquis memorabilibus
Basilicae S. Petri (in den Acta Sanctorum lun. VI., wo auch P. Mallius —
über Vegio vgl. oben S. 322) an eine ganze Bibliothek von Autoren, worüber
Beschreib, d. St R. II. 1. passim. , und Ranghia^ci, Bibliografia Art.
Roma. Ciampini, De sacris aedificiis ete. 27 ff. hat eine gedrängte Beschrei-
bung mit Plänen und Abbildungen, die Pläne der alten und neuen Kirche
auch Ciacconius zu Anfang der Vitae Pontificum. Neueste Darstellungen,
ausser der gedachten Beschreib, d. St. R., E. Pistolesi, II Vaticano
descritto ed illustrato, 8 Bde., R. 1829 ff; F. M. Mignanti, Istoria della
sacrosanta patriarcale Basilica Vaticana, R. 1867. Cancellieris De Secre-
tariis Basilicae Vaticanae ist des fleissigen Mannes Hauptwerk. — Ueber den
Stuhl des h. Petrus (vgl. S. 454) N. Wiseman in den Bemerkungen über
Lady Morgans Reisebuch, übers, v. A. de Luca, R. 1832 und bei Moroni,
Dizion. d'erudiz. ecclesiast X. 266; Mignanti a. a. 0. 1. 288 ff.; 6. B. de
Rossi, La Catedra di S. Pietro nel Vaticano e quella del Cemetero Ostriano,
Bulletdno di Arch. crist 1867, 33 ff. Ueber die verschiedenen Entwürfe für
den Neubau von Nicolaus V. an handelt H. v. Geymüller, Carlsruhe 1868.
Der dem vorliegenden Bande beigegebene vergleichende Plan ist von R.
Bergau gezeichnet
S. 19. Sta Maria deir Anima. A. Kerschbaumer, Geschichte des
teutschen Nationalhospizes Anima in Rom. Wien 1868. Das Gelübde der
Stiftung nUlt in das J. 1386, die Stiftung selbst, zu welcher drei Häuser im
Rion Parione, deren mittleres zur Kapelle dienen sollte, angewiesen wurden,
in das J. 1399. Approbationsbulle der damit verbundenen Brüderschaft von
Bonifaz IX. vom 9. Nov. 1399. InnoccnzVU. empfahl 1406 das Hospiz, dem
er auch Coemeterialrecht verlieh, dem bosondem Schutz des päpstl. Vicars,
Eugen rV. gewährte 1444 das Recht der Sacramentspendung, nachdem er 1431
die Stiftung zu S. Andreas im Rion Regola ftir arme in Rom angesiedelte
Teutsche , von Nicolaus Henrici von Culm Kaplan an S. Lorenzo in paneperna
1413, mit dem Hospiz vereinigt hatte. Spätere Vereinigungen der Besitzungen
der teutschen Schusterbrüderschaft St Crispin 1535 und des Schwesterhauses
der teutschen Tertiarierinnen 1555. Zu den Wohlthätem gehorte u. A. der
gelehrte Christian Ameyden. Reorganisation mittelst Bulle Pius' IX. vom
15. März 1859.
S. 19. Paläste und Thürme. Vgl. Bd. U. S. 418, 1187.
S. 22. Stadtregiment mid städtische Zustände. Boccaccio: "Roma la
480 Anmeriningen.
quäle, conie e oggi coda, cosi pk fa capo del mondo.« (Decam. Giorn. V.
Nov. 3.) Bartolo da Sassoferrato, De re^mine civitatis. (»Civitas ronuma
Caput politiarum ad tantam monstruositatem civiliis regiminia venit, quod non
regimen nee regiminis formam habet.«) — Rom bei MarUna V. Rückkehr, Pla-
tina, VitaMart. y.; unter Eugen IV. , Poggio, De varietate fortunae, L. IIL;
Vespasiano im Leben Eugens; Alberto degli Alberti an Giovanni de' Medici
Cosimos Bruder, bei A. Fabroni M. Cosmi Med. Vita, ü. 86.
S. 28. Finanzwesen und Ackerbauverhältnisse. Cencius Camerarias.
Liber censuum, bei Muratori S. R. I. III. 1., und in einzelnen Theilen bei
Baron i US. (Vgl. Bd. IL S. 502, 1192.) Nicolai, Memorie sulle Campagne e sul-
l'Annona di Roma, R. 1803. Coppi, Discorso sopra le finanze di Roma nei
secoli di mezzo, R. 1847; Ds., Diqcorso suir Agricoltura dell' Agro Romano,
2. Aufl. R. 1841; Ds., Dei luoghi una volta abitati ed ora deserd nell' Agro
Romano, in den Atti deir Accad. rom. di Archeologia, I — VIII.; Ds., Do-
cumenti stör, del medio evo relativi a Roma e all' Agro romano, ebda. XV.
173-^368; Nibby, Analisi della caita dei Dintomi di Roma, 11. Aufl. R.1848;
Fr. Forti, Libri due delle Istituzioni civili, Flor. 1841 — 42. £. Poggi,
Cenni storici delle Leggi sull' Agricoltura, Flor. 1845 — 48. G. Canestrini,
La scienza e Tarte di. stato ; I. Flor. 1862.
Urkunde Card. Stefimeschis ftir die Zunfl der Bovattieri, vom 15. Nov.
1407, bei Nicolai a. a. 0. 11. 28 — 30. — Document für Vicarello , nach Mitta-
relli Annales Camaldulenses erwShnt bei Nibby, Analisi m. 475. Ui^udeii
Pius' n. von 1460 und 1462 bei Theiner, Cod. diplomat m. 414, 420.
S. 38. Geschichten romisclier Familien. Vgl. oben S. 476, und Bd. II.
Anmerkungen inbetreff der Colonna, Orsini, Conti, Savelli u. A.
S. 45. Frangipani. Benedetto Pucci, Genealogia degli 111. Sign. Frangi*
paniRomani, Venedig 1621; F. Zazzera in der Nobiltadltalia, Neapel 1628.
Panvinio, De gente Frajap. MS. Ueber die Fr. in Friaul, vgl. Cicogna,
Bibliografia Veneziana passim. , sowie Vorrede zu : In laude di Venezia ietten
di Comelio Frangipane scrittore Friulano del sec. XVL , Ven. 1850. Ueber die
spätere römische Linie (Renazzi) Notizie istoriche degli antichi Vioedomini,
R. 1784, 101. Im J. 1551 kaufte Cencio Fr. einen Theil von SolfaraU von
Girolamo Altieri, der es nach 6 J. wieder an sich brachte. Coppi, Doc.
stör. 333. Die Kapelle dieser sp&teren Frangipani ist in S. MarceUo. Zahl-
reiche Inschriften bei Galletti, Inscr. Rom. — Die Familie Trasmondo leitet
ihren Ursprung von den Frangipani ab.
S. 51. Die Vicariate und Card. Albomoz. Vgl. Bd. U. S. 949, 1210.
Theiner, Cod. diplom. 11. passim. Statistik der Mark Ancona, Massa Tra-
baria u. s. w. um das J. 1356, ebd. No. 325; Auszug aus den Recfanusgs-
bflchem Angelo Taverinis Schatzmeisters im Patrimonium 1351 — 1363, cbds.
No. 338; Statistik der Romagna un J. 1371 unter der Verwaltung des Card.
Angelic de Grimoard, ebda. No. 525., Statistik Bolognas und seines Comitats
aus derselben Zeit, ebends. No. 526. (Die . Aufführung der Soldbanden, erst
der schweren Reiterei, dann der Ungarn und leichten Reiter, endlich des ita-
lienischen Fussvolks, im Bolognesischen, letzterm Document angehängt S.523fi.)
Ein schönes Zeugniss der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit womit der Cardiiial
de Grimoard die Verwaltung der transapenninischen Provinzen führte, ist die
filr seinen Nachfolger den Cardinal von Bourges Pierre d'Estaing im Ortober
1371 verfasste ausfiihrliche Instruction (Theiner No. 527), zugleich eine Art
Rechnungslegung über seine eigne Administration, welche zeigt wie er 6ms
Detail kannte und welche Grundsätze er befolgte. »Zuerst, so beginnt diese
Anmerkungen. 481
merkwürdige Instruction, muss mein Herr (»Dominus meus« d. i. Cai'dinal
d'£8taing) darauf achten, namentlich in der Stadt Bologna ein friedfertiges
und bescheidenes und soviel als möglich wohlwollendes und reehtliebendes
Gefolge zu haben und dasselbe durch seinen Kämmerer so in Zucht halten zu
lassen, dass es weder bei Tag noch bei Nacht durch Thaten oder Worte unter
den Bürgern, namentlich unter den Frauen Aergemiss errege. Sollte es doch
geschehn so darf es nicht ungeahndet bleiben, indem sonst sowol mein Herr
wie die Herrschaft der Kirche in Gefahr gerathen würden. Mein Herr wolle
oft erforschen wie sein Gefolge sich beträgt und ob es reine Hände bewahrt
Denn die welche Bestechung üben, werden die Ersten sein den Herrn und
sein Gefolge zu verlästern, und ich glaube es giebt keine Stadt der Welt
welche sosehr zum Schwätzen und vorkommendenfalls zum Murren aufgelegt
ist, und wo Beamte und Dienerschaft auf so verschiedene Weise und mit so
grosser Feinheit durch Geld gewonnen werden. Sodann soll er besonders
dafür sorgen, dass die Curie und Auditoren reine Hände halten und dass
das Recht in den Audienzen und der Curie des Podesta und bei den übrigen
Gerichten der Provinzen gerecht und so rasch als möglich gesprochen werde.
Denn die Bewohner dieser Landestheile sehen es namentlich gerne wenn die
Gerichte nicht säumig sind. Da es wegen der hier herrschenden Factiouen
gefährlich ist, Eingebome zu Richtern zu bestellen die sich nur zu oft durch
Hass oder Vorliebe leiten lassen , so wird es rathsam sein , zuverlässige fremde
Juristen anzustellen. Ich habe dies nicht gethau indem ich die Sache zu spät
erwog. Mein Herr wird es leichter finden Jene nicht zuzulassen, als ich die
einmal Zugelassenen loszuwerden. Das Verhalten des Herrn und seines Ge-
folges soll gegen Alle gleich sein, und Stand und Qualität, nicht die Partei
beachten. Denn bei den Factionen dieser Länder würde sonst arger Verdacht
rege werden. Jeder soll gut und standesgemäss empfangen werden, wie es
gegenwärtig Regel und den Bürgern genehm ist. Mein Herr soll, so esWhm
gefällt, täglich zweimal Audienz ertheilen, eine kurze morgens früh nach der
Messe, namentlich zur Entgegennahme der Suppliken, und nach Mittag an
einem Allen zugänglichen Ort, wo Reiche, Arme, Frauen erscheinen können
ohne Belästigung durch Pfortner und Gefolge. Mein Herr soll, so es ihm ge-
fällt, darauf achten, dass den Armen und Bedrängten eher ihr Recht werde
als den Vornehmen und Reichen. Solches habe ich mir zur Regel gemacht.
Man muss sich vorsehn, die Vornehmen dabei nicht zu beleidigen, was durch
gute Manier zu vermeiden ist, sodass mein Herr sich bei Gott und den
Menschen ein Verdienst ei-werben kann.»
Nachdem nun über eine Menge Einzelheiten , so über die historische Entwick-
lung der Factionen in Bologna, über die municipalen Statuten («manche ver-
ständig, manche übermässig strenge, manche unvernünftig gemäss meinem
Unheil, aber, nun sie einmal da und gutgeheissen sind, sorgsam zu beob-
achten-), über die Verfassung, städtische Beamte, Zünfte, Cameralverwaltung
u. s. w. gehandelt worden , folgen ähnliche Details über die verschiedenen Ort-
schaften und Verhältnisse der Provinzen. So heisst es von den Flüssen,
einem für die bolognesisch - romagnolische Ebne zu allen Zeiten so wichtigen
Gegenstande: »Der Beachtung meines Herrn muss noch empfohlen werden
dass für die Flüsse des Comitats von Bologna durch Die gesorgt werde denen
dies obliegt. Der Zustand derselben ist heutzutage so vernachlässigt dass,
wenn nicht Abhülfe erfolgt, der Ruin eines grossen Theils des bolognesischen
Territoriums zu befi&rchten ist. Denn das Land ist flach und niedrig und die
Wasser haben nicht den gehörigen Ablauf, während die Dämme, welche
▼. Retimont, Rom. III. 31
482 Anmerkungen.
ehemals in gutem Stande gehalten wurden und das Laud sicherten, sodass es
reichlichen Ertrag gab, vernachlässigt sind. Die Folge davon ist dass von
Tag zu Tage Dörfer überschwemmt und Felder in Sümpfe verwandelt werden
was auch auf die Luflbeschaffenheit ungünstigen Einfluss übt, so dass gegen-
wärtig an manchen Orten schlechte Lufl herrscht wo sie vorzeiten gesund
war.« In dieser Beziehung wird über den die Grenze zwischen dem Bologne-
sischen und Modenesischen bildenden Fluss Panaro noch speciell gehandelt
Ein guter Rath betrifft die pecuuiäre Verwaltung. »Wenn mein Herr mir
Glauben schenkt , so mischt er sich nicht in die Finanzverwaltung in der Weise
dass er selbst die Gelder einnimmt und Rechenschaft legt, sondern beschränkt
sich auf die Anweisung zu regelmässiger Einnahme und verständiger Ausgabe.
Sparsamkeit ist nöthig da unvorgesehene Fälle leicht eintreten können , und ver-
mieden werden muss dass den Unterthanen wegen Geldmangels Lasten auf-
erlegt werden.« Und über die Beziehungen zu den Nachbarn: »Meinem Ur-
thcil zufolge wird es sehr forderlich sein, wenn mein Herr sich zu den
benachbaiten Comunen von Florenz und Venedig so gut wie möglich stellt
Denn ich zweifle nicht dass sie ihm vielerlei Schwierigkeiten machen werden
(•quod multas habebit puncturas ab eis«), wie mir geschehn ist Ich habe mlM
nicht merken lassen («dissimulavi«) um das Uebel nicht ärger zu machen, und
weil ich eine Menge anderer ernster Geschäfte auf dem Halse hatte. Meto
Herr wird passende Abhülfe zu ersinnen haben.«
Dies ist eine Prophezeiung des argen Zerwür&isses welches unter d'Estaings
Nachfolger de Noellct mit Florenz zum Ausbruch kam. Ueber den Kampf der
guelfischeu Republik gegen die Kirche ist neuerdings eine wesentlich auf die
Urkunden des florentiner Archivs begründete Arbeit erschienen [A. Gherardi,
La guen'a dei Fiorentini con Papa Gregorio XL detta la Guerra degli Ono
Santi, im Arch. stör. Ital. S. UI. V. 2. 35 — 121, VL 1. 208—232, VI. 2.
229—251, Vn. 1. 211—232; die Urkundenabdriicke noch nicht beendigt],
welche, wenn sie weit entfernt ist die Päpste und Legaten in allem zu recht-
feitigen, es klar macht wie grundlos und unerwiesen die Beschuldigungen
thcilweise waren, und welchen bestimmenden Antheil das florentinische Partei-
treiben an diesem traurigen Kriege hatte, der im vorliegenden Buche Bd. II.
S. 967 ff. in seinen Hauptereignissen, sofeme sie Rom betreffen, dargestellt
ist. Ich finde auch jetzt keinen Anlass von dem daselbst geäusserten Ur-
thcil abzugehn, habe aber die Ueberzeugung gewonnen dass die floreutiui-
sehen Magistrate in Bezug auf die Führung des Krieges ihre Sache weit besser
verstanden als die päpstlichen Legaten. Um zu dem besten dieser letzteren.
Angelic de Grimoard, zurückzukehren, so macht die Lecture der von ihm her-
rührenden Documente deutlich, wie wenig die Schilderung der floreutiner Suats-
mäimer und Historiker von den auswärtigen Verwaltern der Provinzen (vgl
Band U. 967 ff.) auf den Bmden Urbans V. passt
Die den Städten und Oiten der Marken durch Card. Albomoz im J. 1^^
auferlegte Taille (vgl. oben S. 52, 54) betrug im ganzen 55,440 Florenen.
Ancona zahlte 4600, Ascoli 5000, Camerino 3000, Fabriano 4000, Fenno65K\
Macerata 14(X), Recanati 8000, San Severino 4000 Florenen. Fano, Fossora-
brone, Pesaro, Urbino zahlten nicht weil die Taille in den Lehnzins einge-
schlossen war; Ofiagna im Gebiet von Osimo und Staffolo im Gebiet von Jcm.
heute Orte von 2000 und 2500 Einwohnern, war die Steuer erUssen weil sie
durch Compagnien zerstört wai*en. (Theiner a.a.O. IL 348.)
S. 53. Unter den «Raccomandati« der Republik Florenz finden sich im Jährt
1350 die Malatesta von Giaggiuolo, 1381 die Paulucci von Calvoli, 1384 die
Anmerkungen. 483
Manfredi von Faeuza, 1386 die Accoramboni von Gubbio und die Gabriclli
aus derselben Stadt, 1392 die Alidosi von Imola und Castel del Rio, 1396 die
Trinci von FuHgno, 1413 die Grafen von Montefeltro, 1414 die Fortebracci
von Montone, 1441 die OrdelafB von Forli, 1448 die Manfredi von Imola.
Die Accomandigia der Colonna von Palestrina nebst Condotta auf fünf Jalire
ist von 1395 f die der Orsiui von Sovaiia von 1389. Cardinal Lodovico Fieschi
Legat von Bologna bestätigte nicht blos 1413 die Accomandigia seines Neffen
Lodovico degli Alidosi, sondern empfahl ihn dazu der Republik. Die Reser-
vationen wurden zu Gunsten des regierenden Papstes und seiner Nachfolger,
•canonice intrantes- gemacht, bisweilen auch, wie im Falle der Grafen von
Montefeltro, zu Gunsten des Kaisers (weil Montefeltro Reichslehn, Urbino
Kirchenlehn war), sonst sollten Freunde und Gegner des einen contra-
hirenden Theib Freunde und Gegner des andern sein, unter dem Vorbe-
halt dass die Republik zu keiner Hülfleistung veipflichtet war, wenn der
Raccomandato aus freiem Antriebe Händel anfing. Die gewöhnliche Leistimg
war ein Weihegeschenk, Pallium, am Johannesfeate. Die Accomandigia wurde
auf eine bestimmte Reihe oahre abgeschlossen und nach gegenseitiger Uebei^in-
kunfl bestätigt. Auf die Uebertretung der Bedingungen waren Geldstrafen ge-
setzt Wie mit den umbrischen und romagnolischen Herren hatte Florenz auch
mit den Malaspina, kaiserlichen Lehnträgeni, mit den Grimaldi, Campofregoso
u. A. ähnliche Verträge geschlossen, namentlich aber mit toscanischen Herren,
den Appiani, den vielen Linien der Guidi, den Casali von Cortona, den Bar-
bolani von Montauto, den Tarlati von Pietramala, den Ubaldiui mid Uber-
tini u. V. a. Bei diesen Letzteren führte das Verhältniss meist zur Unter-
thänigkeit Vgl.: I Capitoli del Comune di Firenze, Bd. L, Flor. 1866 passim.
S. 56. Leben Majtins V. nach einer vatican. Hs. u. s. w.: Muratori,
R. Ital. Scr. 111. , 2. 857--868. Eugen IV. ebds. 868—904. — Mit Martin V.
beginnt die umständlichere Erzählung in Stefano Infessuras Diario dcUa
citta di Roma, zuerst gedruckt bei Eccard, Corpus bist. m. aevi, II., 1863
-2016, dann Muratori a. a. O. 1111—1252. Gobelin Person, vgL Bd. IL,
8.1212. Von Späteren: Fr. Cirocco, Fuligno 1638, mid Feiice Conte-
lori, Rom 1641. Stammtafel der Colonna, vgl. Bd. 11.
Zu meinem Bedaueni ist mir B. Hüblers Buch: Die constanzer Re-
formation und das Coucordat von 1418 (Leipzig 1867) erst während des
Drucks gegenwärtiger Anmerkungen bekanntgeworden. Der Gang der Ver-
handlungen des Concils inbetreff der drei Hauptfragen ist hier klar entwickelt.
Die Refonnatio in capite welche erst mit der Absetzung des nunmehr schis-
matischen Benedict XIII. ihre Losung eiTcichte. Die Neuwahl nach der durch
Synodaldecret beschlossenen Verpflichtung des künftigen Papstes zur Erledi-
gung der Reformfragen vor Auflösung des Concils. Das von Martin V. ehige-
setzte Refonnationstribunal mit seinen unvollständigen neuen Synodaldecrcten
und die drei Concordate mit Teutschland, England, Frankreich, welches letz-
tere im wesentlichen auch für Italien und Spanien galt
8. 68. Sta Francesca Romana. Die Genealogie ihrer Angehörigen ist wie
folgt:
31
484 Anmerkungen.
Paolo Busfia de' Leoni sss Jacomella Rofiredeschi.
I
Francesca, f 1440
=s Lorenzo Ponziani.
Gio. Bat Ponziani Bussa de' Leoni
^ Mabilia Pappazurri.
Vannozza Ponziani Busaa
SS 1. Mattia Muti. 2. Gio. Bat Forteguerri.
I
Batiata Muti Ponziani Bussa
=s 1. Domenico Maddaleni Capodiferro.
2. Mariano Crescenzi.
Das Leben der Francesca wurde so von ihrem Beichtvater Giovanni Mat-
tiotti veie von der Oberin der Oblaten Maria Mac^alena von Anguillara be-
schrieben; beide in den Acta Sanct IX., Mz. ü. niodeme Bearbeitung tod
Lady Georgina Fullerton, Lond. 1855, teutsch Coln 1855. Ihr AVohnhaus
war in Trastevere am Ponte rotto, wo heute die geistlichen Exercitien der
armem Olasse stattfinden. Das Institut der Oblate wurde gutgeheissen von
Eugen IV. im Jahre 1437; drei Jahre sp&ter starb Francesca an einer Krank-
heit die sie bei der Pflege eines ihrer Sohne ergriffen hatte. Audi in Va
Feiice bei Capo le Gase ist eine ihr gewidmete Kirche, in der Hut derTrini-
tarier (frati del riscatto), einst in S. Tommaso auf dem Caelius. Vgl. Can-
cellieri Campane 112, Mercato 158; Belli, Delle case abitate in Roma da
parecchi uomini illustri, R. 1850, 70, 110. Inschriften auf dem Capitol (s-
miten) und in der Vorhalle von Sta Maria in Trastevere.
S. 69. Ueber Bemhardin von Siena, Lebensbeschreibungen des Maffeo
Vegio u. A. in den Acta Sanct 20. Mai, V. L. Maini, Compendio della
vita di S. Bemardino da Siena, Modena 1855. Manches Detul in Gigli^
Diario Sanese. Die volksthOmliche Ansicht von seiner Heiligkeit spricht siel)
lebendig aus in den Worten Paolos di Liello Petrone (s. unten) , bei der Nach-
richt von seinem in Aquila erfolgten Tode.
In dem aus dem Jahre 1430 stammenden Buch mit Handzeichnungen GU-
como Bellinis , nach manchem Besitzwechsel (einst bei den Soranzo und Conan))
heute un British Museum, sind zwei Blätter mit der Abbildung Fra 6e^la^
dinos auf tragbarer Kanzel predigend. Bei Cicogna, lascrizioni Veneiiane.
VI., 756 ff. wo auch eine ungenügende Nachbildung.
Ein Nonnenkloster S. Bemardino befand sich neben Sant' Urbano a Campo
Carleo beim Eingang der Via Alessandrina. Seit Clemens VIE. S. Benardino
a' Monti gegenüber dem Seiteneingang von Sant' Agata alla Subuira in V»
Magnanapoli , Franciscaner - Tertiarierinnen.
S. 70. Martins V. Monument, welches die Stelle eines an diesem Platze
befindlichen, unter colonnaschem Juspatronat stehenden Altars der h. Mar«
Magd, einnahm, wurde mich der Herstellung des Tabernakels UrbansV. un^
Erbauung der jetzigen Confession am 7. Febr. 1853 in letztere versetzt Zoo
Erstaunen der Anwesenden fand man unter dem Deckel des Grabmals keiw
Todtenlade, sondern nur unter dem aus unregelm&ssig aneinandergefügt«^
Steinfragmenten zusammengesetzten Fussboden ein Skelett ohne iigeadeifi«
Spur von päpstl. oder anderen Ornamenten. Da man vermuthete diss nun
Martins sterbliche Reste vor sich sehe und bei einem feindlichen Üebfrfii'-
Anmerkungen. 485
vielleicht bei der Plünderung im Jahre 1527, eine Spoliation stattgefunden
habe, setzte man die Gebeme unter dem Monumente bei. Vergl. Coppi,
Memorie Colonnesi 180 C, wo auch die von Antonio Loschi in Hezameteni
abgefasste Inschrift, deren Schluss lautet:
•Composuit iustos et mundi regna redegit
Et virtute sua pacato vixit in orbe.«
S. 72. P. £ugen IV. Quellen zum Theil wie für Martin V. Ueberdies
Vespasiano da Bisticci, Vite dl uomini illustri del secolo XV. (herausg.
von Angelo Mai im Spicilegium romanum 1839, neue Ausg. von A. Bar-
te li, Flor. 1859), 6 ff. Neuere Bearbeitungen in den Vite di cinque sommi
Pontefici Veneziani tratte dal Sandini, Ven. 1797, und in der Tiara et pur-
pura Veneta von A. M. Quirini und G. A. Gradenigo, Brescia 1761. —
Verwandtschaft der Condulmer mit den Correr und Barbo, vgl. Bd. II. S. 1214. —
S. Giorgio in Alga. J. Ph. Tommasini (Bischof von Gemona), Annales
canonicorum secularium S. Georgii in Alga, Venedig 1642. In dessen Werk
fiber die venetiau. Bibliotheken, 58, finden sich Nachrichten über die vormal.
Bibliothek des Klosters. Dieser Bibliothek schenkte Cardinal Antonio Correr
Neffe P. Gregors Xn. die von ihm gesammelten Handschriften. (Vgl. Marco
Foscarini, Dei Veneziani raccoglitori di codici, im Arch. stör. Ital. V., 255 ff)
S. 76. Die romischen Angelegenheiten unter Eugen IV. Stef. Infessura,
Diarium, bei Muratori R. I. S-, ID.; Biondo Flavio, Hist dec, HI.;
Paolo di Liello Petrone (de lo rione di Ponte), Mesticanza . . . della
cecita de' Romani, R. I. S., XXIV.; Pietro Caffarelli, Aufzeichnungen,
1431 — 1434, bei Coppi, Documenti, 324 — 327. Ueberdies die florentin.
Historiker Poggio, Sant' Antonino u. A.
S. 78. Kaiser Sigmunds spätere Jahre und das Baseler Concil. Asch-
bach, Palack^, Raumer, Janssen a. a. 0. (vgl. Anm. zu Bd. 11.). Ueber-
dies: C. Hof 1er, die Zeit der luxemburgischen Kaiser, Wien 1867, 168 ff.
Die Geschichte der hussitischen Bewegung, namentlich soweit der kirchliche
und wissenschaftliche Karakter derselben in Betracht kommt, bat durcb Höfler
eine neue Gestalt gewonnen. Quellen der Concilsgeschichte, Gieseler, §. 132,
Hase, §.244. Vgl. die Autoren über Enea Silvio Piccolomini und Nicolaus
von Cusa.
S. 86. Cyriacus Anconitanus. Am gründlichsten beiTiraboscbi, VI., 1 .
(Bd. 7), 263 — ^297, wo auch die Literatur. L. Mehus' Ausg. von -Kyriaci
Ancon. Itinerarium« (Flor. 1742) nach einer Stoschschen Hs. bringt einen ganz
verworrenen Text In der Vorrede, XI. — LXXH., eine Menge brauchbarer
Notizen. Auch im Leben des Traversari. Ueber Ciriacos Verhftltniss zu
Signorilis Inscbriflensammlung: G. B. de Rossi, Le prime raecolte d'antiche
iscrizioni compilate hi Roma tra il finire del secolo XIV. e il cominciare del XV.
R. 1852 (aus dem Giomale Arcad. 127. 128), 18 ff.
S. 93. Giovanni Vitelleschi. Erlass Gregors XI. vom 17. April 1377 an
Gomez d'Albomoz und die Conservatoren zu Gunsten des -dilectus filius la^
cobus Petri Pandulphi de Vitellensibus alias Domine Guide nuncupatus laicus
Tuscanensis diocesis« und seiner Söhne, bei Tb ein er. Cod. dipl., 11., No. 609.
Karakterisüsch für Vitelleschi ist die von Neri Capponi (Cacdata del Conte
di Poppi, bei Muratori, R. I Scr. XVIII., 1217 ff) erzählte Geschichte
der Veriiandlung zwischen P. Eugen FV., der Republik Florenz, dem Patiiar-
chen und dem Grafen von Poppi inbetreff der kleinen Stadt Borgo San Se-
polcro im obem Tiberthal. Eugen IV. hatte 1432 den Borgo dem Niccolo
Fortebracci zu Lehn gegeben, dieser aber sich nachmals gegen den Papst
486 Amnerktuigen.
gewandt. Als Fortebraccio 1435 starb, besetzte dessen Scliwiegcnater Fran-
cesco de' Conti Guidi da BattifoUe Graf von Poppi den Ort, unter dem Vor-
wand die Mitgift der Wittwe, seiner Tochter, sei darauf hypotheriit. Die
Republik Florenz erbot sich zur Vermittlung die der Papst annahm ; während-
dessen bemäcluigte sich aber Vitclleschi mit päpstlichen Truppen des Borgo uud
mchrer Castelle der Guidi die er den Florentinern anbot, unter der Bedingung
dass sie dieselben dem Grafen von Poppi nicht wiedergeben dürften. Da diese
darauf nicht eingehn wollten , drohte er die Castelle anzuzünden. Nun rieth
der Papst selbst der Republik, auf Vitelleschis Antrag einzugehn: von der Be-
dingung werde er sie losen, denn die Sache gehe ihn an, nicht den Patriar-
chen. So standen der Papst und der Patriarch damals schon zu einander.
Die Florentiner wurden in Besitz der Ortschaften gesetzt; Eugen IV. verpfän-
dete ihnen nachmals Borgo San Sepolcro für funfundzwanzigtausend Goldgulden
(Act vom 29. Febr. 1441, Theiner, Cod. dipl., lU. No. 294; Rcpciii.
Dizion. della Toscana, V., 121) und der Ort blieb toscanisch. Die andereii
Castelle kamen wieder in den Besitz des Grafen von Poppi, der sich dann in
das Bündniss mit dem Visconti einliess welches ihn um seinen kleinen Stait
brachte. (S. unten Anm. zu S. 104.)
Ein ausftihrliches Schreiben Alfons' von Aragon über einen von Vitellesehi
gegen ihn versuchten Ueberfall, Gaeta 16. Jan. 1438 (Arch. stör. Ital., IV..
465 flf.) bezeichnet den päpstlichen Günstling so: »Johannes Yoltelliscus. qui
Patriarcham, qui Cardinalem, qui Legatum Summi Pontificis se nominat, simu-
latione induciarum et pacis amator belli inventus est, pacis inimicus, hostis
fidei et iustitiae magis quam nostri adversarius, nee tam nostrae dignitatis
quam suae proditor, ut haec tanta nomina tantosque ac tot titulos ostenderit
non omamento sibi esse, sed turpitudini atque infamiae, nee ab Ulis se ho-
nestari sed ab se maxime illa dehonestari.« — Capitolin. Decret wegen Errich-
tujig einer Marmorstatue («loanni Vitellescho patriarchae Alexandrino tertio a
Romulo Romanae Vrbis parenti«) und Ertheilung des röm. Bürgerrechts »k
die Cometaner: »sint Cometani omnes de cetero illius nieritis Romani cives».
bei Coppi, Docum. stör, del M. E., 328, vgl. Ciacconius, IL, 900, wo
auch die Aussprüche späterer Päpste , Sixtus* IV. , Julius* 11. u. a. über Vitcl-
leschi. Dessen Monument im Dome zu Conieto mit der Inschrift: •Reverendissiroo
Domino — loanni de Vitelleschis de Conieto — Patriarchae Alexandrino —
Card. Florentino — Bartholomaeus episcopus Cometanus — Nepos — ifl
posteritatis memoriam.«
Bartolommeo Vitelleschi Bischof von Cometo und Montefiascone , welcher
das Monument errichten Hess , floh nach des Oheims Ende zu Felix V. von
dem er die Cardinalswürde annahm. Nach Eugens IV. Tode unterwarf er sifb
Nicolaus V. , der ihm s. Bischofsitz wiedergab aber den Cardinalat nicht be-
stätigte. Er starb auf der Rückkehr von emer Pilgerfahrt nach Jerusalem m
Modon 1463 und liegt zu Füssen seines Ohms begraben. (Ciacconius U., M)
Der unvollendete prächtige Palast Vitelleschi in Cometo kam später an dif
Soderini und ist heute sehr veifallen.
Gio. Cavalcanti (s. Anm. zu S. 100) eraälilt die Geschichte Bcmar-
dettos de* Medici, der, zum Gesandten bei Alfons von Aragon bestimrai.
einen Geleitsbrief des Patriarchen erlangte und doch bei seiner Ankunft iß
Rom in der Engelsburg gefangengehalten wurde, worauf die Florentiner in
des Papstes Gegenwart Repressalien übten. (IL, 212 — 214.)
S. 94. Die Genealogie der Präfecten von Vico ist in ihren Hauptpcreonca
folgende :
Anmerkungen. 487
Pietro
(Zeit der letzten SUufer) f 1268.
I
Manfred
(Zeit Heinrichs Vü.).
I I
Giovanni Faziolo (natürlich),
Herr von Viterbo 1338 Herr von Viterbo, f 1338.
(Zeit Rieuzis und Albomoz').
I
Francesco,
t Viterbo 1387.
Giovaiuii Sciaira.
Giacomo,
-[• Soriano 1435.
Die Präfecten theilten sich in mehre Zweige denen zeitweilig Cometo,
Bracciano, andere Orte gehörten.
S. 99. Antonio de Rido. Verleihung von S. Pietro in formis (Campo-
morto) durch Eugen IV. 1445 auf drei Generationen gegen Lehnzins von zwei
Pfund Wachs, Bull. Vat, H., 105. Bestätigung durch Nicolaus V., 1457,
ib. 110. Verkauf an das Kapitel von St. Peter 1458 für neuntausend Gold-
gulden, päpstl. Bestätigung ib. 117, Ennächtigung des Kapitels zum Verkauf
anderweit. Besitzes zum Behuf der Zahlung, ib. 129. Vgl. Nibby, Analisi
I., 365. — Rido hatte ein Haus in Florenz in Parione, ehemals den Ardinghelli
gehörig, welches von der Republik an Card. Scarampi, von ihm dem Castellan
geschenkt worden war. Vgl. Due Legazioni al Somnio Pontefice per il Comune
di Firenze presedute da Sant' Antonino arcivescovo (lierausg. von C. Guasti),
Flor. 1857, 39, 40.
S. 100. Rinaldos degli Albizzi Worte an Eugen IV.: »0 Eugenio sommo
pontefice, io non mi meraviglio di questa mia rovina; ma io mi dolgo bene di
me medcsimo di fidarmi sotto le tante promesse di chi e stato insufBciente ad
aiutare se medesimo: conciossiacosache chi e impotente per se, mai non fio
potente per altrui. Io dovevo conoscere che le tante parole di Messer Giovanni
Vitelleschi crano esche e lacci a cavarmi Tarmi di mano.« Gio. Cavalcanti,
Istorie fiorentine 1. X. Ausg. von F. Polidori, Flor. 1838, L, 608. —
Rinaldo war im Jahi'e 1432 Senator von Rom gewesen; die Ernennung ist
vom 27. Januar gedachten Jahres. Er nennt sich »Raynaldus de Albicis de
Florentia miles et Comes palatinus, Dei gratia Almae Urbis Senator«. Für
die Geschichte des langen Aufenthalts Eugens IV. in Florenz , eine Zeit des
eonfuscstcn und widerwärtigsten , kleinlichsten und gewissenlosesten politischen
und Parteitreibens, sind besonders wichtig die gleichzeitigen florentinischen
Historiker, vor allen der erwähnte Gio. Cavalcanti, dessen Geschichten ein
merkwürdiges wenngleich nicht gerade erquickliches Product sind (vgl. Ger-
viiius, Gesch. der florentiu. Historiographie', 73 ff.) und die Commentarien
Ncri Capponis bei Muratori, R. I. Scr. XVHL, 1175 ff. (vgl. Gervi-
iius 71). Das Thatsächliche bei Scipione Ammirato, Buch XX — XXII.,
Machiavellis flor. Gesch. für diese Epoche ohne eigenth. Bedeutung. Mit der
Zeit Eugens IV. beginnen die bis zum Tode Lorenzos des Erlauchten reichenden
Florentuiae Historiae Giovanni MichelcBrutos, geb. zu Venedig um 1 515,
488 Anmerkungen.
lange in Teutschland, Polen u. s. w., um 1594 in Siebenbürgen gestorben
(Lyon 1562, mit ital. Uebers. von StanislaoGatteschi, Flor. 1838). Nicht
ohne Talent noch Werth, wenngleich ein Nachklang der rhetorischen Ge-
schichtschreibung der Humanistenschule, in der antipäpstlichen Gesinnung (na-
mentlich in Bezug auf Sixtus IV.) und in der Abneigung gegen die mediceische
Pailei gleichsam ein Opus posthummn.
Die Rriegsereignisse übersichtlich bei Ricotti, Compaguie di Ventura,
III., 47 ff. Papst Eugens Streitmacht, ebds. 418. Ueber Baidassar d'Offidt
Castellan der Engelsburg und Senator von Rom (oben S. 92, 93), -cattivo
soldato, peggior comigliero« , ebds. 61 ff. — Für die Geschichte des Cou-
dottierenwesens kommen im fünfzehnten Jahrh. neben E. Ricottis Buch
namentlich A. Fabrettis Capitani venturieri dell* Umbria, Montepulciaito
1842 — 1846, in Betracht, welche füi* diese Zeit im I. — DI. Bande die Bio-
gi*aphien Braccios da Montone , Niccolo Piccininos und ihrer Angehörigen und
Zöglinge bringen. Das Sinken der Bedeutung wie des Glucks der Condot-
tieren zeigt namentlich die Geschichte des im Jahre 1465 , der allgemeinen An-
nahme zufolge auf Veranstaltung König Ferrantes , in Neapel ermordeten Ja-
copo Piccinino, über welchen G. Canestrini in den Documenti per senire
alla storia della milizia Italiana interessante Doeumente beigebracht hat.
S. 102. Capitoli stabiliti in Bologna dai rappresentanti del Papa e del
Marchese d*Este per Tottavo Concilio ecumenico, mitgetheilt von N. L. Citta-
della in den Atti e Memorie della R. Deputazione di storia patHa per le
prov. di Romagna, 11., 189—198 (Bol. 1866).
S. 103. Unionsdecret für die lateinische und die griechische Kirche, la-
teinischer und griechischer Text nach dem laurentianischen Exemplar, mh
historisch -kritischen Bemerkungen von Carlo Milanesi, im Giomde storico
dcgli Archivi toscani, I. (Flor. 1857), 196—225.
S. 103. Kaiser Sigmimds Todestag ist ungewiss. Manche haben den 7..
9., 11. December. Vgl. Aschbach a. a. 0., IV., 396, Hof 1er, luxemburg.
Kaiser, 212.
S. 104. Lodovico Scarampi Mezzarota. Vgl. Ciacconius, II., 919 C
Bei Gio. Cavalcanti (in den Fragmenten seiner Geschichte von 1441—1447.
a. a. 0. n., 225): »(Eugenio) prcstamente chiamo maestro Luigi, il quäle, di
medico non molto negli studi della medicina reputato , aveva fatto patriarca . . .
II medico spesse volte uccide gli uomini . . . e ora, per la papale chiamata. il
fece pubblico ucciditore . . . A questo patriarca Eugenio commise la gente del-
Tarme , e balia che della guerra facesse quanto gli pare , e il volere stesse a lui.
A voi , lettori , dico questo , che voi siate ammaestrati , dove voi avretc a eleg-
gcre uomo a govemamento di popoli, desideratclo piuttosto valente
che Santo.« An dem Tage bei Anghiaii (vgl. oben S. 104) befehligte Sca-
rampi mit dem Condottiere Simonetta die den. rechten Flügel des florent. Heere?
bildenden päpstlichen Truppen, dreitausendfünfhundert Mann, meist Reiterei
Es ist die Schlacht mit deren Darstellung Leonardo da Vinci den grossen Saal
des Priorcnpalastes schmücken sollte ^ und von welcher Machiavelli, der
Gegner des Condottierenwesens , erzählt es sei ein Mann darin lungekominei!.
was freilich mit Biondo Flavio nicht stimmt. Die letzte grosse Schilderbe-
bung der toscanischen Gibellinen , und in diesem Betracht nicht ohne historiseht'
Bedeutimg, abgesehn vom militärischen Erfolge. Die Niederlage von Anghiaa
welche den Hoffiiungen der Albizzi ein Ende machte (Rinaldo pilgerte zum b.
Grabe und starb dann in Ancona 1452), führte auch den Sturz der Goldi
herbei, indem die Florentiner nun Herren des ganzen Casentino wuideo.
Anmerkungen. 489
Interessant ist die Schildei-ung der Ausweisung Francescos de' Guidi in Neri
Capponis Cacciata del Conte di Poppi. »Wir schlugen, so erzahlt Neri,
Commissar der Republik, zwei Lager vor Poppi auf, das ehie bei Fronzole,
das andere auf der Ebne von Certomondo (wo einst Dante im Guelfenheere
gefochten hatte). Da es dem Grafen an Proviant mangelte, musste er capitu-
liren. So stieg er herunter und wir trafen auf der Aniobrücke zusammen.
Das erste was er sagte war: Ist es möglich dass eure Signoreii mir dies Haus
nicht gönnen wollen, welches neun Jahrhunderte lang unser war? Aber thuet
was ihr thun wollt Ich erwiederte: Schlagt euch das aus dem Sinn. Bir
habt euch nicht so benommen dass meine Signoren euch zum Nachbar haben
wollen. Sie hätten nichts dagegen dass ihr ein grosser Herr in Teutschland
würdet. Drauf er zornig: Ich wünschte euch noch weiter weg! Dies nothigte
mir ein Lächeln ab.- Das Ende war dass Francesco de' Guidi am 29. Juli
1440 alles abtrat und mit Kuidem und Habe abzog. Das Castell der alten
Grafen, ein Bau der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts welcher an den flor.
Pal. del Podesta und den der Siguorie erinnert, gleich so manchen Dynasteu-
burgen nachmals Gefangniss, blickt unvergleichlich malerisch mit hohem Thurme
von dem das Städtchen ti-ageiiden Hügel ius Amothal (Casentino) hmab.
Weshalb G. Voigt (Enea Silvio Piccolomini, HL, 507) Scarampi so »un-
heimlich« und als »bösen Geist« schildert, weiss ich nicht. Der Cardinal war
ehi durchaus weltlichgesiimter Mann, aber das waren Viele. P. Pauls H. Ab-
neigung zeigte sich auch nach Scarampis in seinem 63. Lebensjalire erfolgten Tode
(22. März 1465), indem er dessen Testament umstiess und die beiden Erben
denen der Cardinal seinen Namen gegeben , einsperren liess , bis sie den grossem
Theil des immensen Nachlasses abtraten. Lodovico Scarampi wurde in S.
Lorenzo in Damaso begraben, wo ihm erst im Jahre 1505 der päpstliche
Schatzmeister Enrico Hunis Erzbischof von Tarent ein Denkmal errichtete.
Grabschrift bei Ciacconius a. a. 0.
S . 105. Eugens IV. Abreise von Florenz. Scipione Ammirato, Ist.
Fiorent, H., 37. L. Passerini, Baldaccio da Anghiari, im Arch. stör. Ital.,
III. S. m. , 2. 130 ff. Vespasianoim Leben Eugens und Giannozzo Manettis.
S. 110. Nicolaus V. Giannozzo Manetti bei Muratori R. I. Sci'.HL,
2,905 — 960; Vespasiano daBisticci, 20 — 48; Dom. Giorgi, Vita Nicolai
V. P. M. R. 1742.
S. 111, 112. Niccolo Albergati liegt in der Certosa von Montaguto bei
Florenz, dem stolzen und malerischen, mit schönsten Kunstwerken geschmück-
ten, nun auch der Verödung oder dem Ruin preisgegebenen Bau des Gross-
seneschals Niccolo Acciajuoli (s. unten Anm. zu S. 291) begraben. Von den
drei zu verschiedenen Zeiten ihm gesetzten Inschriften wird die folgende
Papst Nicolaus V. zugeschrieben :
Carthusiae me terra tegit quae sumpsit alumnum
Ac dedit esse patrem; nativa Bononia tandem
Me sibi pastorem tenuit de iure vocatum.
Cardinis Ecclesiae compulsus pondera sumpsi
Et Crucis in titulo mihi fulsit rubra tiara.
Mille quater centum denos quater egerat annos,
Tres etiam ciclus solaris, dum Nicolaus
Mente petens coelum sub saxo corpore claudor.
Vgl. D. Moreni, Notizie istoriche dei coniomi di Firenze, VI. (Flor. 1792),
123, 176, 177. Man sieht Albergatis Bildniss in den schönen von Bemardino
Poccetti ausgeführten Fresken der Kirche.
490 Aiiinerkuiigeii.
Iii der Grabkapelle der Acciajuoli in der Certosa sieht man das prächtige
Marmordenknial mit liegender Gestalt in halberhabener Arbeit des in der Ge-
schichte des Schismas oftgenamiten Cardinais Angelo Acciajuoli, geb. umlSaO,
vormal. Bischofs von Florenz, gest in Pisa 1409 als Decan des h. Collegioms.
(Moreni, VI., 142, Litta fam. Acciajuoli 5.) Sein Bruder Neri, durch
den Grossseueschal nach Neapel gezogen, erhielt 1392 von König Ladislaus
die Belehnung mit Athen und Theben, eine Herrschaft in welcher ihm erst
sem natürlicher Sohn Antonio, dann Neri Enkel seines altem Bruders Donato
folgte, die letzte fränkische Herzogslmie in Athen die im Jahre 1463 durch
Erwürgung des Fürsten Franco II. ein Ende nalun, nachdem sie der türki-
schen Gewalt durch christlichen Hader die Wege geebnet hatte. Dieser letzte
Heraog von Athen kämpfte im türkischen Heere gegen Leonardo Tocco Despo-
ten von Arta. (Vgl. S. 148.) Vgl. Litta a. a.0., C. Hopf und die übrigen
Historiker Griechenlands im Mittelalter.
S. 122. Leon Batista Albertis Commentar, De coniuratione Forcaria,
bei Muratori, R. L Script. XXV., 293 ff. Nachrichten über Stefano Por-
cari und seine Verschworung zusammengestellt bei Giorgi a. a. 0., Stef.
Infessura, Diarium, Vespasiano un Leben Nie. V. — Brief in der Bibl.
zu Nimes, vom 13. Jan. 1453, gedruckt von A. Germain 1843, wiedcrabgi'-
druckt bei Christophe, Histoire de la papaute peudant le XV. siecle, U
495 — 498. Ambrogio Traversaris Schreiben bei Mehus, XXTV., 26, 27. Der
römische Poet Orazio, Uebersetzer des Homer, schrieb eine »Porcaria«. Uebor
die Familie: C. Massimo, Medaglia di Fr. Massimo, 10, wo auch die beute
in Villa PamüH befindliche Inschrift des Hauses:
nie ego sum nostrae sobolis Cato Portius auctor
Nobile quod nonien os dedit anna toga.
S. 125. Eroberung von Constaiitinopel. NiccoloBarbaro, Giomale de]-
l'Assedio di Costautinopoli 1453 ed. E. Cornet, Wien 1856; A. D. Mordt-
mann, Belagerung und Eroberung Constantinopels, Stuttg. 1857. Vgl. An»h.
stör. Ital. , N. S. VUI. ,2,1 27 ff. LodovicoSauli, Della colonia dei Genovesi
a Galata, Turin 1831, ist ein werthvoller Beitrag zu der Geschichte der letzten
Zeiten des griech. Reiches, auf welche hier nur im Vorbeigehn hingedeutet
werden kann.
S. 127. CalixtusIU. Bartol. Piatina, bei Muratori a. a. 0., %l-96*5.
Die Genealogie der Borgia (Borja) und Lenzoli Borgia folgt bei den Stamm-
tafeln.
S. 129. Pius II. G. Voigt, die Briefe des Aeueas Sylvius vor s. Er-
hebung auf den päpstl. Stuhl chronologisch geordnet, im Archiv f. d. £auide
Ostreich. Geschichtsq. , XVI. (Wien 1856). J. Gobellinus, Commentarii rerum
memorabilium etc. (von Pius selbst verfasst), Frankf. 1619, und in Aeocae
Sylvii Opera omnia. Heimst. 1699, Frankf. 1707; Gio. Ant. Campano Biseh.
von Teramo, Vita Pii U., in C*s. Werken, zuerst Ven. und R. 1495 u. s. w.i
Unter den neueren Werken über den berühmten Sieuesen vornehmlich G.Voigt,
Enea Silvio de' Piccolomiui, als Papst Pius IL, und s. Zeitalter, Berl. l^J^
— 1863. Ein flcissigcs und in einzelnen Theilen ziemlich erschöpfendes Werk,
das namentlich die teutsclien kirchlichen Verhältnisse vom Beginn des bascler
Concils an mit grosser Klarheit und Anschaulichkeit entwickelt. Jemehr
dies anzuerkennen ist, umso aufrichtiger ist mein Bedauern, dass ein in
Bezug auf Forschung imd Darstellmig gleich tüchtiges Buch durch eine dem
Helden desselben abgeneigte, selbst bis zu entschiedener Feindseli^eit ge-
steigerte Gcsinnimg entstellt ist. Man würde versucht sein, Unkenntniss der
Aiunerkungen.
491
Italien. Zustände im fönfzehnten Jahrh. (abgesehn von der völlig mangelhaften
Localkunde) habe den Verf. zu falscher Auffiissung verleitet, zeigte nicht ein
anderes s. Werke dass er den Geist dieser Zeit richtig erkannt hat. Man
ma^ an £nea Silvios Jugendleben manches auszusetzen finden, man mag sein
Abgehn von der auf dem baseler Coucil eingeschlagenen Richtung in anderm
Lichte als in dem seiner Retractationen anschauen , man mag endlich über seine
Thätigkeit in Bezug auf die teutschen Kirchenangelegenheiten, besonders wenn
man auf die späteren Folgen blickt, nicht lobend urtheilen: alles dies be-
rechtigt nicht zu der maasslosen Härte welche selbst des Hohns nicht spait.
Ausdrücke wie Lascivität, kupplerisch, lügnerisch, gewissenlos, lüderlich, ent-
larvter Apostat, eitler Abenteurer, Heuchler, Spion und ähnliche, von gerin-
gerem nicht zu reden da eine solche Blumenlese unerfreulich genug ist, auf
Knea Silvio angewandt, sind des Gegenstands und des Autors in vollem
Maasse unwürdig. Kaum würdiger ist das Herabziehn der Motive des Kreuzzugs.
S. 180. Genealogie der Piccolomini von der Linie Papst Pius' II.
Silvio Piccolomini ==» Vittoria Forteguerri.
Enea Silvio
Laudomia
Costanza
P. PiusU.
^
SS
Nanni Todeschini
Bartolommeo
von Sarteano.
Guglielmi.
1
Francesco Antonio
Giacomo,
Andrea,
Antonia
Todeschini Piccolomini
Herren
Herren
sss
Piccolomini d'Aragona,
von
von
Bai*t Pieri
P. PiuslII. Herzog von
Camp -
Casti-
durch Pius U.
Amalfi 1461,
orsevoli,
glionc
Pieri Piccolomini,
Graf von Celano
Herzoge
della
Linie Ottavios
= L Maria d'Aragoua von
Pescaja
kais. Feldmarsch.
2. Maria Marzano,
Monte
und Insel
Fürsten
Herzoge von
Marciano,
Giglio,
d. h. r. R. und
A m a 1 f i ,
erloschen 1591
erloschen
von Nachod,
erloschen 1566,
in Alfonso
im
Herz, von Amalfi.
Fürsten von
Piccolomini,
16. Jahrh.
Erloschen 1758.
Valle,
in Florenz
erloschen 1783
gehangen.
(Erben 1765 der Reichswürdc
und von Nachod)
Marchesi von Deliceto,
erloschen im 17. Jahrh midert
k«
Antonio Todeschini Piccolomini erlangte durch Beschluss der Republik
Siena nach Pius' II. Thronbesteigung Antheil an der Vei-waltung in seiner
Vaterstadt, wurde Castellan der Eugelsburg, 1459 nach der Belehnung König
Fcrraiites Gross -Justitiar des Königreichs Neapel und mit dessen natürlicher
Tochter Maria d*Aragona (-t* 1460) verlobt, dann Herzog von Amalfi ungeachtet
des Widerspruchs der Stadt welche nicht als Lehn vergeben werden zu können
behauptete. (Hierüber und über Amalfis spätere Loskaufung und Wieder-
vcrleihuugan eine andere piccolominische Linie s. M. Camera Storia d Amalfi.)
Ini Jahre U63 erhielt Antonio vom Papste als Lehn Scnigallia und Mondavio,
ivelche Sixtus IV. ihm nahm um sie den Della Rovere zu geben. Antonio nach
Pius' U. Tode ui Neapel , 1484 Graf von Celano und Marchese von Capistrano.
492 Anmerkungen.
Giacomo erhielt 1463 Montem&rciano in der Mark Ancona und Camponevoli
in der Diocese Chiusi, einst Besitz der GiTifen von Corvara, welches später u
die florentin. Familie Giugiü kam. Von dem Letzten seines Stammes, dem
Banditenhäuptling Alfonso, wird in der Geschichte des zu Ende gehendeB
sechzehnten Jahrhunderts die Rede sem. Andrea erhielt von König Ferrante
Castiglione della Pescaja in der toscan. Maremma und die Insel Giglio welche
Alfons von Aragon im Jahre 1448 den Florentinern weggenommen hatte und
welche durch seine Enkelin Silvia an die Linie von Amalfi kamen , von welcher
Grossherzog Cosmus I. von Toscana sie kaufte. Die Tochter dieser Silvia und
Inigo Piccolominis von Amalfi, Costanza, war es welche im Jahre 1582 den
Palast an Piazza di Siena in Rom den Theatinem schenkte die hier Kirche
und Kloster Sant' Andrea della Valle bauten. Vgl. G. Gigli, Diario Sanese,
Lucca 1723, L, 427 ff., Litta, Farn. cel. Italiane.
S. 136. Sienesische Gesandtschaften an Pius 11. vom 14. Dec. 1458 und
31. Jan. 1459, -in: Istruzioni ad Ambasciatori Senesi pubbl. da Luciano BanchL
Siena 1863, 61, 69. Florentinische Gesandtschaft 28. Sept. 1458 in: Due Le-
gazioui ec. presedute da Sant' Antonino, 43 ff., wo auch die Legation an Ca-
lixtus ni. von 1455.
S. 138. lieber Pius 11. im Verhältniss zu Albrecht Achill und dessen Ge-
schichte vgl. Riedel im Monatsbericht der k. preuss. Akademie der Wissen-
schaften, 1867, 549 — 571, wo die Schwächen der piccolominischen Historio-
graphie in Bezug auf Teutschland nachgewiesen werden. Muss die Begründung
des Vorwurfs der Ungenauigkeit in der Schilderung der Fehden des Mark-
grafen mit der Stadt Nürnberg zugegeben werden, so fragt sich doch, ob
davon auf Enea Silvios Unglaubwürdigkeit in der Darstellung unendlich wich-
tigerer zeitgenossischer Dinge ein Schluss gezogen werden darf, wie auch
ob es bei manchen anderen Historikern einer Zeit, welche auf die Form so
grossen Werth legte wie das Quattrocento, in Bezug auf Genauigkeit des De-
tails besser steht.
S. 140. Everso von Aiiguillara. Jac. Amman ati (Card. Papien.), Renun
suo tempore gestarum commentarii, Frankf 1614. CamilloMassimo, Cenni
stör, sulla Torre Anguillara, 12 ff. Das Erbbegräbniss der Grafen von An-
guillara ist in S. Francesco a ripa. Eversos leider unvollständige Grabschrift
in Sta Maria maggiore, bei der Erneuerung des Fussbodens durch Benedict XTV.
verschwunden (Massimo a. a. O. , 15), heisst wie folgt:
Hie Eversus obit vinci qui nescius armis
Compulit hostiles vertere terga manus
Pace bonus frugi et condere moenia muris
Oppida turritis qualia multa vides
Romano si quae
. . . vetustis cedere nostra negat
Iure i^tur lacniinas rapto libamus Everso
opem.
Obiit anno Domini MCCCCLXIV. die HE. Septcmbris.
Man sah den mächtigen Baron auf dem Grabstein in voller Rüstung, das Haupt
mit dem senatorischen Barett bedeckt, auf dem Rissen zu beiden Seiten das
Familienwappen mit Helm und Helmschmuck des halben Ebers mit zwei Alles
im Maul. Das Wappen mit der Insclirift: Everso secundo, in der Wand des
lateranischen Spitals, bei dem Neubau um 1650 wiedereingemaaert mit dem
Zusatz: »Hoc insigne repertum afBxum mnro veteri dd. custodes muro nov«
eodem in loco afBgi mandarunt«
Anmericungen. 493
S. 145. Dia Geschicke der letzten .Palaeologen bei Ducange, Familiae
auguatae byzanliiiae, Pius'II. Commentarien , Fallmerayer, Geschichte Mo-
reaa,IL, 334—409.
Unter den Fresken im Hospiz von Sto Spirito sieht man auch die auf die
Palaeologen und auf den Despoten von Arta (S. 148) bezügliche Darstellung mit
folgender Inschrift:
Andream (?) Palaeologum Peloponnesi
Et Leonardum Toccum Epyri dynastia
A Turcarum tyranno exutos
Regio sumptu aluit
Sophiam Thomae Palaeologi filiam
Ruthenorum duci uuptam
Cum aliis muneribus
Tum sex mille aureorum dote auxit.
S. 146. Charlotte Lusignan. Pius' U. Commentarien , 175 ff., Litta,
Duchi di Savoia, X., Adinolfi, Portica di S. t^ietro , 96 ff., Dionisi, Grotte
vaticane, Taf. 38. — Caterina Konigin von Bosnien. Ducange, Historia by-
zantina, Par. 1680, 313, P. Casimiro, Mem. d'Araceli, 147, Ciacconius,
IIL, 41, Adinolfi, 102 ff. — Im Jahre 1461 begegnete Landgraf Wilhelm
der Tapfere von Thüringen auf s. Pilgerfahrt nach dem h. Lande Charlotte
Lusignan auf Rhodus, wo sie im Schlosse wohnte und savoyische, genuesische
und catalanische Hülfe zum Kampfe -wider den Despoten der meinte König
zu sein« sammelte. Vgl. J. G. Kohl, Pilgerfahrt des Landgr. W. v. Th.,
Bremen 1868, 97. Im November dess. Jahres war Charlotte in Florenz. Vgl.
Ajazzi, Ricordi storici di Filippo Rinaccini, Flor. 1840, LXXXDC. Ueber
die Verschwörung von 1473 zu Gunsten Charlottens vgl. Roman in, Storia di
Venezia, IV., 360 ff.; Malipiero, Anuali Veneti, 600 ff.; E. Cornet, Let-
tcre al Senate Veneto di Giosafatte Barbaro ambasciatore ad Usunhasan,
Wien 1852. Uebrigeus hatten die Venetianer selber Jakob von Lusignan ge-
droht, Charlotte gegen ihn als Prätendentin aufzustellen, falls er nicht auf die
Elie mit Caterina Comaro einginge um deren Hand er sich erst beworben , wäh-
rend er nachmals schwankend ward, als Ferrante von Neapel ihm eine seiner
vielen Töchter antrug. -Ein Botschafter der Republik, erzählt Marco Barbaro
in den Famiglie nobili Venete , kam zum Könige — in dem einen Aermel hielt
er eine Braut mit hunderttausend Scudi Mitgift und dem Schutz Venedigs, im
andern Carlotta seine rechtmässige Schwester welcher der Vater König Zuanne
das Reich hinterlassen hatte. König Giacomo nahm die Braut.« Caterina
Comaro, deren Schönheit zu dem Wort Anlass gab, eine zweite Venus sei auf
Cypem erschienen, hatte griechbches Blut in den Adern: Marco Comaros
Gattin war Fiorenza, Tochter Niccolo Crispos Herzogs von Naxos und der
Valenza Comnena Tochter Johannes Comneuus' ELaisers von Trapczunt. Mehre
Schwestern Fiorenzas waren an vornehme Venetianer verheiratet.
In Sto Spirito liest man folgende In schrill :
Kariota Cypri regina
Regno fortunisque
Spoliata
Ad Sixtum IV. supplex confugiens
Ab eodem
Summa benignitate ac munificentia
Suscipitur.
494 Anmerkungen.
S. 149. Die letzten Zeiten Pius' II. und der Kreuzzug, in Card. Am-
man ati 8 Briefen und Gio. Ant. CampanosLeben des Papste«. Yeriiiltnisse
zu Burgund, Bar ante, Histoire des Ducs de Bourgogne de la maison de
Valois, 1. XI. (Ausg. Paris 1860, V., 177 ff,). Zu Venedig, Roman in, Stori«
documcnt. di Venezia, IV., 30-') ff., Cicogna, Inscrizioni Veneziane, VI.,
573 ff., aus Anlass des Grabsteins Cristoforo Moros in S. Giobbe. Anklage
gegen Pius, dass des Dogen Ankunft ihm unerfreulich gewesen, fonnulirt in
D. Malipieris Annali Veneti (Arch. stör. Ital., VII.), I., 29.
S. 151. Unter denen die mit Pius II. in Ancona waren, befand sich der
gelehrte Venetianer Domenico de' Domenichi , zu Eugens IV. Zeit Prof. der
Theologie an der rom. Universität , unter Nicolaus V. apostol. Protonottr und
Bischof von Torcello, unter Calixtus V. apostol. Referendar, mit Pius II. in
Mantua luid in der Streitsache des Card, von Cusa wie in Verhandlungen mit
K. Friedrich IIL u. A. verwendet, nachmals unter Paul 11. und Sixtus I^^
geistl. Vicar in Rom und Bischof von Brescia wo er 1478 starb. Vgl. Gio.
degli Agostini, Scrittori Veneziaiii , I., 386 ff. , Cicogna, a.a. O. II., 116 £
S. 152. Paul II. Michele Cannesio von Viterbo, bei Muratori, R. I.
Scr. III., 2, 993—1022, und bei A. M. Quirini, Paulin. vita pracmissis
ipsius S. Pontificis Vindiciis adversus Platinam aliosque obtrectatores, R. 1740;
Gasparo Veronese, unvollständig, Muratori a. a. O., 1023 — 1050. —
Vgl. Foscarini, Letteratura Veneziana, 295. Familie Barbo von Fed. Ste-
fani in Litta Fam. cel. Ital.
Malipiero berichtet in s. Amialen (a. a. 0. 661), wie im Jahre 147*2
P. Pauls Schwester Isabella (Elisabctta) Zeno des Cardinais Z. Mutter, u. A.
auf Befehl des Rathes der Zehn verhaftet wurden weil sie dem romischen Hofe
Staatsgeheimnisse mittheilten. Isabella wurde nach Capo d'Istria verbannt, kam
aber später nach Rom, wo sie starb und vor dem von ihrem Sohne errichte-
ten Altar in St. Peter beigesetzt ward, mit folgender Inschrift:
Eugeni ncptes quarti Paulique secundi
Pontificum soror hie Elisabetha iacet
Baptistae Zeni mater pii cardinis illi
Barba domus Veneta patria celsa fuit.
Cicogna hat in s. Inscrizioni Veneziane zahlreiche Daten zur Geschichte
Pauls II. aber keine grössere Arbeit , hingegen Vieles über Card. Marco Btrix'
und andere Mitglieder der Familie.
S. 155. Collegium der Abbreviatoren , s. unten Anm. zu S. 272 und 340.
S. 156. Cardinal Niccolo Forteguerri (Forteguerra). Gio. Bat, Forte-
guerra in P. Zaccarias Bibliotheca Pistoriensis (Turin 1752), IL, 331.
wo auch langes Schreiben über denselben von G. Cor belli. — Im pistojfser
Dom, wo man ein Ehrenmal Forteguerris von Andrea Verrocchio und Loirn-
zetto Lotto sieht (Monuments sepulcraux de la Toscane, 141), wird jihrHeh
am 24. Sept. dessen Gedächtniss mit latein. Rede gefeiert Von diesen Reden
sind verschiedene gedruckt. t>ie ursprünglich für dies Monument bestimmte
Statue des Cardinais sieht man im Lyceum Forteguerri, oder der Sapienu.
im August 1473 mittelst einer ansehnlichen Donation von ihm gestiftet, im
Jahre 1474 von Papst Sixtus IV. bestätigt, in seiner gegenwärtigen Locilität
1533 erbaut, mit der theils vom Cardinal Niccolo theils von seinem Lands-
mann und altem Zeitgenossen dem Historiker Sozzomeno u. A. herrührenden
Bibliothek. Inschrift des Grabmals in Sta Cecilia s. unten. Inschrift des Denk-
mals in Pistoja: D. S. Nicoiao Fortiguerrae Cardiuali grata patria civi suo de se
optime merito posuit. Vixit annis LIV. mens. II. d. XIV. Obiit MCCCCLXXllI —
Anmerkungen. 495
Die Familie Forteguerri, welche auch nach Siena verpflanzt ward, hat mehre
ausgezeichnete Männer hervorgebracht, so den gelelirten Scipione F., mit s.
akademischen Namen Carteromacus , einen tüchtigen Kenner der alten Literatur,
gest. zu Florenz 1515, und Niccolo F. den jungem, gest. 1735, den Verf. des
Ricciardetto , welcher Pulcis, Ariosts und Beniis Poesie im achtzehnten Jahrh.
wiederzubeleben unternahm.
S. 158. Friedrich III. Augustini Patritii Senensis Descriptio adven-
tus Friderici III. imp. ad Paulum p. II. bei Muratori R. Ital. Scr. XXIII.
203 flr.
S. 159. Die Geschichte der auswärtigen namentlich der aussereuropäischen
Kriege der Päpste liegt der Aufgabe der Gesch. der Stadt Rom fenie. So
möge hier nur eine kui*zc Notiz über das werthvolle Material für die Geschichte
der Kämpfe gegen die Türken in der Zeit Pauls II. und Sixtus' IV. Raum
finden, Material welches von Zinkeisen in der Gesch. des türk. Reichs, von
Rom an in in der Gesch. Venedigs, von Mas Latrie in der Gesch. Cypems
(Urkundenband) theilweise benutzt worden ist. Verlust von Negroponte 1470
und naclmialige Kämpfe: lacopo Rizzardo, La presa di Negroponte, ed.
E. Cicogna, Ven. 1844, vgl. Roman in. Buch XL, Kap. 2. Due ritmi e
una narrazione in prosa di autori contcmporanei intorno alla presa di Negi'o-
ponte, ed. F. L. Polidori, Ai'ch. stör. Ital. Append. IX., 397 ff.; E. Com et,
Le guerre dei Veneti nell' Asia, 1470 — 1474, documenti . cavati dall' archivio
ai Frari, Wien 1856, von grosser Wichtigkeit ftir die Kenntniss der Begeben-
Iiciten von dem gedachten schweren Schlage an bis zu den letzten Versuchen,
den Schah von Persien Usun Hassan nach der Niederlage bei Terdschan hn
Bündniss mit dem Abendlande zu halten. Auf die Verhandlungen mit Rom
1472, SixtusIV., werfen die Schreiben an den Botschafler daselbst, Federigo
Cornaro, vieles Licht. Dem Jahre 1473 gehören die gleichfalls vonE. Cornet
hci'ausgegebenen Lettere al Senato Veneto di Giosafattc Barbaro deren oben,
Anm. zu S. 146 Erwähnung geschehn ist, und die für die Geschichte Caterina
Comaros w^ichtig sind. Aus den venetian. Documcnten geht hen^or, wie Konig
Ferraiite von Neapel auch in den cypriotischen "Wirren die Hand hatte. —
Einualime von Otranto 1480 (vgl. S. 173): Vespasiano da Bisticci, La-
mento d'Italia per la presa d'Otranto, im Arch. stör. Ital., IV., 452 ff. Vgl.
Cronaca di Napoli di Notar Giacomo ed. P. Garzilli, Neapel 1845, 146.
S. 159. Romischer Canieval. Vgl. Bd. IL, S. 997, 1212, so wie oben
S. 4C3.
S. 163. Leben Sixtus' IV. nach einer Vat. Hs. Muratori, R. Ital. Scr. IlL,
2, 1051 — 1068. Jacobi Vol^terrani Diarium romanuni 1472 — 1484, ebds.
XXUL 81 ff. Das Diarium des sog. Notars von Antiporto oder Nantiporto,
von 1481 bis 1492, ebds. III. 2.. 1069—1108. — Genealogie der Della Rovere
bei den Stammtafehi.
S. 164. (S. 254 ff.) Cardinal d'Estouteville. Recueil des titres de la
inaison dXstouteville, 1741. Camillo Massimo, Sopra una inedita medaglia
di Francesco Massimo, R. 1860, 29 ff. P. Adinolfi, La Ton-e de* San-
guigni, 97 ff. Zwei Denkmünzen des Cardinais im Tresor de Numismatique
et de Gl3rptique. Die Ainiahme dass die rumischen Tuttavilla des Cardinais
Kinder waren, lässt sich mit docwnentirten Daten nicht wohl vereinigen. Giro-
lania de' Tosti war in erster Ehe mit Robert d'Estouteville Herrn von Angc-
lost, in dritter 1483 mit Strozza Strozzi verheiratet; die Kinder waren 1481,
als der Cardinal in hohem Alter stand, in jugendlichen Jahi*en.
496
Anmerkungen.
S. 164. Genealogie der Riari.
Paolo Riario von Savona
SS Bianca della Rovere.
1
Pietro Cardinal Girolamo Violante
f 1474. Herr von Forli und Imola =; Antonio
t 1488
= 1477
Caterina Sforza
t 1509.
1
Sansoni.
I
Raffaello
Cardinal Riario
t 1520.
Ottaviano
Herr von Forli
und Imolä
=s Isotta
Bentivoglio.
Cesare
Patriarch
von Alexandria
Erzbischof
von Pisa.
Galeazzo
:= Isabella Pepoli
I — ' — I 1
Alessandro Raffiiello Ercole
Cardinal Ritter von =sGinevra
1578. S. Jago. Malvezu.
I
Giulio Marche^e di Castelletto
% (erloschen in Caterina
Tochter Francesco Boiisis
Grafen von Vagliano).
Eine Linie der Riario -Sforza besteht noch in Neapel.
S. 171. Verschwörung der Pazzi. Angelo Poliziano, De coniuntione
Pactiana commentarius. Schon 1478 in Florenz ohne Angabe des Drackorts
erschienen, dann Basel 1551 in P's. Werken, am sorgfältigsten mit den be-
treff. Documenten von Gio. Adimari 1769, wonach bei Roscoe, Loreuzo
de Medici called the Magnificent, Append. No. XXI., HL, 69. Daselbst auch
Sixtus' rV. Bulle: »Iniquitatis filius et perditionis alumnus Laurentius Medi-
ces« vom 1. Juni 1478 und die florentin. Gegenschriften. Polizian war vier-
undzwanzigjährig als der tragische Vorfall stattfand. Vgl. Moreni, Biblio-
grafia della Toscana H., 207. — Ueberdies alle florentin. Historiker der Zeit
wie des 16. Jalirh., unter letzteren am zuverlässigsten Scipione Ammirato.
dessen Relation aus den Istorie fiorentine [Buch XXIV., Ausg. Florenz \^l
IL, 115 ff.] auch einzeln: Congiura de' Pazzi e guerra dalla Repubblica fioreu-
tina sostenuta contro gli Stati Romano e Napolitano 1478 — 1480, Florenz 1826.
Die Darstellung Gio. Mich.,Brutos (vgl. oben zu S. 100) ist P. Sixtusvfiug
günstig, kommt übrigens hier nicht besonders in Betracht Zalilreicbe Docu-
mente bei Fabroni, Laur. Med. vita, wo auch das Bekenntniss Giovan Batistas
da Montesecco, und bei Roscoe a. a. 0.
S. 174. Ferraresischer Krieg, 1482 — 83. Marino Sanuto, Commentaiii
della guerra di Ferrara tra li Viniziani e il Duca Ercole d*Este. Venedig 1829.
Andere Druckschriften und Aktenstücke bei Cicogna, Bibliografia Veneziani.
107, 108.
S. 179. Die neapolitanische Chronik Notar Giacomos (149) erwähnt der
Anwesenheit Francescos di Paola in Neapel 1483: -A di 25 de Febraro fh
Francisco di Paula venne in la cita de Napoli et ando ad stanciare ad sancto
Loyse a lo incontro de la ecclesia de sancta Croce dove hebbe uno gnn-
dissimo concurso de homini et de donne le quäle con devocione li basa^'aoo
la mano et dalla a pochi di senne ando in Franza.»
Anmerkungen. 497
Wie Ludwig XI. sich an wuudertliätige Heilsmittel anklammerte, ersieht
man aus seinem letzten Schreiben an Lorenzo de' Medici, den er gebeten
hatte ihm den bei der Familie Girolami aufbewahrten Bischofsring des h. Za-
nobi zu verschaffen, welchem heilende Kraft bei Hautkrankheiten beigemessen
wurde. Das Schreiben lautet: •Notre-Dame-de-Clery 9 Juillet 1483. Mon
cousin, mon amy, j'ay veu Tancau que avez baille k mousieur de Soliers
(Palamede Forbin de SoUiers Gouverneur der Provence). Mais je desire bien
savoii* si c'est le mesme que le sainct portoit; pareillement quelz miracles il a
faictSy et s*il a nul guery, et quy, et comment il le fault porter. Je vous prie
que me advertissiez de tout le plus tost que pourrez, ou en rescripviez au
general de Normandie bien au long. Pareillement, se vous avez de par dela
nulle autre chose plus especiale, qui porte la vertu du dit aneau, et se vous
en pouvez retrouver, envoyez - le - moy ou audit general; et je vous en prie,
siur tout le plaisir que me desirez faire. Et adieu, mon cousin, mon amy.«
A. Desjardins, Negociations diplomatiques de la France avec la Toscane,
Par. 1859 ff. I. 191.
S. 184. Letzter Concilsversuch in Basel. Farlati und Coletti, Illyri-
cum sacrum VE., 436 ff. J. Burckhardt, Erzbischof Andreas von Kjniin,
Basel 1852. Vgl. Arch. stör. Ital. N. S. ü. 2. 249 ff. Burckliardts Darstellung
hat namentlich durch das in Bezug auf die baseler Vorfalle beigebrachte reich-
liche Detail Werth.
S. 184. InnocenzVni. Stefano Infessura a. a. O. G. Viani, Me-
morie della famiglia Cybo e delle monete di Massa di Lunigiana, Pisa 1808;
C. Roncaglia, Statistica degli Stati Estensi, Modena 1849, L, 60 ff. Vgl.
»Eleonora Cybo und ihre Angehörigen« in m. Beitr. zur ital. Gesch. IV., 189 ff.
Die spätere Wappendevise der Cybo - Malaspina war teutsch: Von Guetten
in Besser.
Mit dem Conclave nach Sixtus' FV. Tode beginnt das Diarium lohannis
Burchardi Argentinensis , in vielen öffentlichen und mehren Privatbibliotheken
hs., Druck begonnen von A. Gennarelli (Flor. 1854), welche Ausg. nur bis
zum J. 1494 reicht. Geschichte des Pontificats Innoceuz' VIII. das. 33 — 199. —
Manches Detail bei Fabroni, Laurentii Medicis Magnifici Vita, Pisa 1784, IL,
und bei A. Cappelli, Lettere di Lorenzo de' Mcdici, aus den Arch. v. Mo-
dena und Florenz, Atti della Comm. stör, delle prov. Modenesi I., 231 — 320. —
In Bezug auf die Verwicklungen mit Neapel (S. 190 ff.) kommen die neapoli-
tanischen Historiker vielfach in Betracht. CamilloPorzios Congiura dei ba-
roni (sorgfältige mit den Processen gegen die königl. Geheimschreiber und die
Barone anjouscher Partei versehene Ausg. von St. d'Aloe, Neapel 1859)
ist zu bekannt als dass es nöthig wäre speciell auf dieselbe hinzudeuten. Diese
beredte und farbenreiche Darstellung aus der Mitte des 16. Jalirhunderts wird
aber inbetreff der Politik König Ferrantes vielfach ergänzt und auch berichtigt
durch die wichtigen Documente in dem von Scipione Volpicella heraus-
gegebenen Regia Ferdinandi primi Instructionum Über 1486 — 87, Neapel 1861,
leider unvollendet. Vgl. Arch. stör. Ital. N. S. XVII. 1. 66 — 74. Man mag
des Königs Regierungssystem und Politik misbilligen und die nach dem Siege
ergriffenen Maassregeln verdammen : seine Thätigkeit und Umsicht , sein Scharf-
sinn in der Benutzung der günstigen Chancen wie der offenbaren Schwächen
der Gegner, deren Handlungsweise dem Könige und seinem Sohne Alfons
von Calabrien, der Seele des ganzen Unternehmens, nur zu scharfe Waffen in
die Hand gaben, sind ungewöhnlich. Giannone, Storia civile del Regno di
Napoli XXI. Buch, giebt eine gute Uebersicht der Verwicklungen.
V. Rfumont, Rom. DI. 32
498 Anmerkungen.
Rede des Bischofs von Arezzo Geutile Becchi im Namen der Gesandten
von Venedig und Florenz inbetreff der neapolitanischen Angelegenheiten an
Innocenz VIII., 1485, bei Desj ardin s, a. a. O. I. 205. Merkwürdige«
Schreiben Lorenzos de' Medici an den florentin. Gesandten bei Innocenz Vm.,
22. Oct. 1487, eine Abmahnung von einem durch Konig Ferrante dem Papste
angetragenen Sonderbflndnisse , ebds. 214 ffl
S. 192. Prinz Dschem. Burcards Diarium zum J. 1489, bei Genna-
relli 112 ff. mit vielen Erläuterungen und Documenten, darunter Schreiben
des Johanniter - Grossmeisters an P. Sixtus IV. Brief Andrea Mantegnas
an den Markgrafen Gian Francesco da Gonzaga, Rom 15. Juni 1489, vgl.
Ticozzis Ausg. von Bottaris Lettere pittoriche, VBI. , und Feuillet de
Conches, Causeries d*un Curieux, IV. (Paris 1868), 461 ff
S. 197. Wie Lorenzo de' Medici es in Bezug auf geistliche Benefiden hielt,
zeigen die bei Rose oe (Append. No. LXII. , IIL, 253) mitgetheilten •Ricordi«
desselben von 1483 inbetreff der dem siebenjährigen Giovanni verliehenen and
zu verleihenden Pfründen. Ludwig XI. verlieh ihm das Erzbisthum Aix, aber
Innocenz VIU. nahm doch Anstand das Kind als Erzbischof zu bestatigeo,
obgleich er dies Kind zum apostol. Protonotar ernannt hatte. Dann kim
aus Frankreich die Kunde , der Erzbischof sei gar nicht gestorben.
S. 199. Papst Alexander VI. Das Condave. Raff. Volterrano, In-
fessura, Burcard (bei Gennarelli 203 ff.), Guicciardini, Panvinio;
die Spanier Zurita und Mariana. Bartolommeos de' Cavalieri Brief
vom 6. August 1492 an Eleonora d'Aragona d'Este, bei A. Cappelli Pandotfo
Malatesta in Atti e Memorie della R. Deputazioue di storia patria per le prov.
Modenesi ec. I. 427 ff. — Die Regierung. Burcard a. a. O. bis 1494, sowie
bei Leibnitz, Historia arcana s. de vita Alexandri VI., Hannover 1696, und
bei Eccard, Corp. bist. 11.
Unter den Italien. Historikeni vor allen Franc. Guicciardini, Istor.
d'Italia, Buch I — VI., ungeachtet einzelner Ausstellungen, die namentlich die
Art der Behandlung der Quellen betreffen, schon für diese Zeit von grossem
Wcrth, für die spätere, wo der Autor Mithandelnder wird, uoschitzbar.
Der Florentiner Francesco Vettori, welcher im Jahre 1474 geboren
und somit um acht Jahre älter als Guicciardini, die Zeit Alexanders VI. nodi
besser als dieser kennen lernen konnte, entwirft am Schlüsse seines Dialogs:
Sacco di Roma (Viaggio in Alemagna di Fr. Vettori, Paris 1837) folgende
Schilderung des Papstes: -Rodrigo Borgia zeigte sich so gewandt in der Kunst
des Schenkens, dass es ihm gelang zum Papst gewählt zu werden. Und wie
Einer dem ein Grundstück theuer zu stehn kommt, den Ertrag desselben mög-
lichst zu steigern sucht, so war er, der das Papstthum zu hohem Preise ge-
kauft hatte, entschlossen, alles ins Werk zu setzen um so viel Geld als mög-
lich herauszuschlagen und seine Kinder grosszumachen. . . . Wer sein Leben
und seine Regierung genau betrachtet, wird finden dass er jenen romiscbeo
Kaisem glich, denen es nur auf eines ankam, aufs Henvchen. Um Geld xq
machen verkaufte er die Beneficien; starb in Rom ein Prälat, so nahm er
dessen Nachlass in Anspruch; war Einer au geistlichem oder weltlichem Ein-
kommen reich, so stellte er ihm nach dem Leben. Er versprach, bewilligte,
fing die Leichtgläubigen ein, entledigte sich ihrer. Ueber die Unehrbvieit
seines Lebenswandels will ich nicht reden. Man erzählt so viele schändliche
Dinge von ihm, dass mir schwer wird sie für wahr zu halten, und ich wieder-
erzähle ungern was sich als Lüge herausstellen könnte. Wemi Fürsten ein-
mal Hass auf sich geladen haben, thut jeder das Seinige dazu, erfindet und
Anmerkuiigei). 499
bürdet ihneu alle luoglicheu Laster auf. Wie dem immer seiu möge, Papst
Alexander sah alle seine Pläne gelingen und starb, nach weltlichem Begriff,
glücklich.« Moderne specielle Bearbeitungen der Geschichte Alexanders VI.
übergehe ich, da sie nichts neues bringen, daftlr aber zum Theil umsomehr
Dcclamation.
Für die Geschichte Carls VIII. (S. 208 ff.) in dessen Beziehungen zu
Alexander VI. und überhaupt zu Italien kommen vorzugsweise in Betracht die
Berichte der florentin. Gesandten in Rom, Neapel, Venedig, Mailand, die der
Gesandten am französ. Hofe, endlich die Nachrichten über die fraiizös. Mis-
sionen, jene Perons de Basche, d'Aubignys, Bri^onnets, Matharons wid die
Depeschen Philippe de Commines', bei Desjardins, Negociations L, 193 ff.
Die Zer&hrenheit der italienischen Politik, das gegenseitige Mistrauen, die
lialtuugslosigkeit nach dem Tode Lorenzos de' Medici , die nach dem Ableben
Ferrantes von Aragon in Neapel rasch eintretende Auflösung, der Wankel-
niuth des Papstes und sein Haschen nach kleinlichen Mitteln inmitten mancher
Zeugnisse richtiger Erkenntniss der Sachlage , alle diese Umstände welche zum
raschen Siege des französ. Königs fuhren mussten , treten bei Durchsicht dieser
Schriftstücke klar vor Augen. Für den franz. Krieg vergl. namentlich Bern.
Rucellai, De hello italico (s. unten Anm. zu S. 3G0), Marin Sanuto De
hello gallico bei Muratori R. Ital. Scr. XXIV. (schwerlich von Sanuto, vgl.
Rawdon Brown Ragguagli I. 22) mid Philippe de Commines' Memoiren.
(Die diplomatischen Papiere Commines' wurden neuerdings gesammelt von
Baron Kervyn de Lettenhove: Lettrcs et negociations de Philippe de
Commines, Brüssel 1867.) Carls VIII. Zug (S. 212 ff.): Le Vergier d'hon-
neur von Andre de La Vigne. W. Havemann, Geschichte der italienisch-
französischen Kriege 1494 — 1515, Hannover 1833 — 1835. — Ueber die gleich-
zeitigen neapolitanischen Quellen, die Cronica di Napoli di Notar Giacoaio
(s. oben) und die Diumali di Giacomo Gallo, herausgegeben von S. Vol-
picella, Neapel 1846, vergl. m. Carafa von Maddaloni IL, 345 ff. Ueber
gleichzeitige und spätere Historiker vgl. L. Ranke, Zur Kritik neuerer Ge-
schichtschreiber, Berlin 1824, Beilage zu dessen Geschichten der roman. und
gennan. Völker von 1494 bis 1514. Gerne würde ich 0. de Cherriers auf
grundlichen Forschungen beruhende Geschichte Carls VUI. benutzt haben,
wenn dieselbe die Presse verlassen hätte.
Von venetianischen Relationen über diese Zeit haben wir (ausser Zaccaria
Contarinis Bericht über s. Sendimg an Carl VUI. 1492 — bei £. Alberi,
Relazioni degli Ambasc. Veneti, Serie I. Bd. 4. 1 — 26 — die für die Vor-
geschichte des neapol. Zuges von Bedeutung) nur Marin Sanutos Auszug aus
dem Bericht des Paolo Capello, ebds. Serie IL Bd. 3. 1—14; vgl. Ranke,
Römische Päpste L, Buch 1. Kap. 2, und UL, Anh. 3. Paolos Nachrichten
sind jedoch mit Vorsicht zu gebrauchen. Er langte erst am 23. Mai 1499 in
Rom an, so dass s. Erzählungen früherer Ereignisse, z. B. des Mordes des
Herzogs von Gandia (s. oben S. 222) auf Hörensagen beruhen. Botschafler im
J. 1495 war Gu-olamb Zorzi (Giorgi) von dem die Insclrnft an Via papale
(s. oben S. 435), im J. 1497 Niccolo Michiel dessen am 6. Nov. voi-getragene
Relation leider bei Saimto fehlt, nach ihm Girolamo Donato. Rawdon Brown,
Ragguagli sulla vita e sulle opei*e di Marin Sanuto, Ven. 1837, L, 73 ff.
208 ff. Die Nachrichten über Gandias Tod, verglichen mit denen bei
Malipieri, Annali Ven. L, 489, und bei Fr. Matarazzo ( Maturanzio) ,
Cronaca della Citti di Penigia in den Cronache e Storie Perug. (Arch. stör.
Ital. XVI.) IL, 70, wo Giovanni Sforza von Pesaro als Anstifter des
32 ♦
500 Anmerkungen.
Mordes bezeichnet wird, zeigen welches Dunkel über der ganzen Geschichte
schwebt die zur Bewahrheitung des Sprüchworts »On ne prete qu'aux riches-
dient. Tomasis Vita di Cesare Borgia, Montechiaro 1671, auch in fruiz.
Uebersetzung mit falscher Angabe desselben Druckorts, ist Compilation von
Wahrem und Falschem. Von Machiavellis Gesandtschaflsberichten die -Le-
gazione al Duca Valentino« (aus welchem selbst teutsche Autoren unserer Zeit
ehien »Herzog Valentin Borgia« zu machen fortfahren!) Oct 1502 — Jan. 1503.
welcher sich die nur zu berühmt gewordene Erzählung der Blutthat von Seni-
gallia anreiht. Die Nachrichten über die Wegnahme der Bibliothek von Urbino
(s. oben S. 242), Rawdon Brown ü., 16. Eigenhändiges Beglaubigungs-
schreiben für Cesare Borgia »cor nostrumi videlicet dilectum filium Ducem Vt-
lentinensem, quo nihil carius habemus« an Ludwig XII. vom 28. Sept 1498
(s. oben S. 227) bei Molini (G. Capponi), Documenti di storia italiana , Flor.
1836, I., 28. Im J. 1502 nannte sich Cesare: »Caesar Borgia de Francia, Dei
gratia dux Romandiole Urbinique et Valentie princeps, Hadrie Plumbini etc.
dominus ac S. R. E. confalonerius generalis.« Inschrift von 1735 im Spital
der Consolazione (s. oben S. 399): Archinosocomium — Ab Immacolatae
Virginia Mariae nomine — Porticus Consolationis et Gratiarum dictum — A
Duce Valentmo excitatum — Ad sanandas aegras a vulneribus mulieres u. s. w.
Vgl. Morichini, Degl' istituti di pubblica cariti, L, 83 ff.
Lucrezia Borgia. Plaidoyer Roscoes in den Anmerk. zu: Life aud
Pontificate of Le^o X. (Heidelberg. Ausg. III. 359 ff., Henkes Anmerk. ebds-
IV., 522.). Chronique de Bayard par le Loyal Serviteur, 44. Kap. Armand
Baschet hat in den Archiven zu Rom, Mantua, Ferrara, Modena, Mailand,
Venedig eine Menge Documente gesammelt die unter dem Titel: »LuCTezia
Borgia, sa famille, sa cour et son temps« erscheinen sollen. Ueber die
Hochzeitsfeste in Ferrara sind viele Details enthalten in den Briefen, welche
Herzog Ercoles' Tochter Isabella d'Este Gonzaga von dort an ihren Gemal
den Markgrafen von Mantua richtete. (C. D'Arco, Notizie d'Isabella Estense,
Arch. stör. Ital. Append. IL 203 — 326.) Die Aufzüge, Ceremonien, Scbao-
spiele, Ballfeste u. s. w. sind genau beschrieben, auch die Trachten, nament-
lich die verschiedenen Costüme der Braut, leider diese selbst nicht: »de la
statura de Madonna Lucretia non scrivo, sapendo che V. S. llia vedota.-
Die Schauspiele scheinen zum Theil langweilig genug gewesen zu sein, die
ganze Hochzeit glänzend aber nicht heiter. Die Schönheit der Perlen und
Juwelen Lucrezias wird auch von der Markgräfin gerühmt. (»AI collo ono
vezo de perle grosse cum uno balasso [hellrother Rubin] pendente forato, com
una perla in pera sotto.-) Die ambrosian. Bibliothek bewahrt Lucrezias Briefe
an Pietro Bembo, dessen Beziehungen zu ihr namentlich in den Jahren 15(13
— 1506 intimer waren, aber bis zu ihrem Tode währten, wie es denn noch
Briefe von 1517 giebt. Condolenzschreiben der Signorie von Venedig an
Herzog Alfons, R. Brown IIL, 344. Lucrezia soll in der innem Kirche der
Nonnen vom Corpus Domini in Ferrara beigesetzt sein, aber vergebens socht
man nach einer Grabschrift. Ilir Bildniss will man in der blonden Fraa auf
dem Gemälde des Sterndeuters von Giorgione erkennen welches aus der
Gall. Manfrin nach England gelangt ist. (Les femmes blondes seien les
peintres de l'Ecole de Vcnise par deux Venitiens. [F. Fcuillet de Con-
ches u. A. Baschet] Paris 1865, 5.) Man sieht ihren anmuthigen Kopf
auf einer schonen Medaille welche Jnl. Friedländer (Beri. Blätter ^
Münz- u. s. w. Kunde, 1866, No. 8., vgl. H. Grimm, Ueber Künstler nnd
Kunstwerke, ü. 81 ff.) dem Filippino Lippi zutheilt, und ähnlich auf einer
Anmerkungen. 501
andern, beidemale schon als Herzogin von Ferrara was sie im J. 1505 wurde. —
Nicht umhin kann man der Verse Ariostos (Ras. RoL Xm. 69) zu ge-
denken, der freilich dem Hause Este in vollen Zügen schmeichelte:
"Lucrezia Borgia, die mit jeder Stunde
An Schönheit wächst, au Tugend, am Gewinn
Von Ruhm und Glück, sowie die junge Pflanze
Im lockern Erdreich wächst beim Sonuenglanze.«
Unter den urbinatischeu Papieren im florentiner Archiv befindet sich ein
merkwürdiges Schreiben Alexanders VI. an seine Tochter vom 24. Juli 1494,
somit aus der Zeit ihrer Ehe mit Giovanni Sforza von Pesaro. Der Inhalt ist
folgender: »Donna Lucrezia geliebteste Tochter. Seit mehren Tagen haben
wir keinen Brief von dir, worüber wir uns sehr wimdem, da uns nicht recht
scheint dass du so nachlässig darin bist, uns von deiner Gesundheit und der
des Herrn Giovanni unseres geliebten Sohnes Nachricht zu geben. Sorge dafür
in Zukunft achtsamer und fleissiger zu sein. Madonna Adriana (eine be-
jahrte Verwandte des Papstes welche Lucrezia später nach Ferrara beglei-
tete) und Giulia (Famese) sind in Capo di monte (am See von Bolsena)
angelangt, wo sie ihren Bruder todt gefunden haben. Dieser Tod schmerzt
den Cardinal (Alessandro Famese) und Giulia' so sehr dass Beide vom Fie-
ber ergriffen worden sind. Wir haben Pietro Carranca zu ihnen gesandt
und für Aerzte und alles nöthige gesorgt. Wir hoffen zu Gott und der
glorreichsten Jungfrau dass sie bald hergestellt sein werden. In Wahr-
heit habt ihr Beide, der Herr Giovanni und du, in dieser Sache geringe
Rücksicht auf mis genommen indem ihr Madonna und Giulia ohne unsere be-
sondere Erlaubniss reisen liesset, während ihr wol denken konntet dass eine
so plötzliche und heimliche Abreise uns misfallen musste. Man wird sagen
sie wollten so weil der Cardinal Famese es begehrte und befahl: ihr aber
hättet euch fragen müssen ob es dem Papste genehm sein würde. Jetzt ist's
nicht zu ändern , ein andermal aber werden wir vorsichtiger sein und gut zusehn,
welchen Händen wir unsere Angelegenheiten anvertrauen. Gott und der glor-
reichen Jungfrau sei Dank, uns geht's recht wohl. Wir haben den durch-
lauchtigen König Alfons bei uns gehabt, der sich mit solcher Liebe und De-
votion gegen uns benommen hat als wäre er unser eigner Sohn. Wir können
dir nicht ausdrücken, mit welchem gegenseitigen Vertrauen wir voneinander
geschieden sind. Glaube mir Se. Majestät wird für unsem Dienst und Staat
alles aufwenden was er auf dieser Welt besitzt. Die verwickelten Angelegen-
heiten der Colonnesen werden, so hoffen wir, binnen drei oder vier Tagen
zur Entscheidung gelangen. Für jetzt weiter nichts, als der Wunsch dass du
gesund und unserer glorreichen Madonna andächtig ergeben bleiben mögest.
Rom bei St. Peter 24. Juli 1494. An unsere geliebteste Tochter Donna Lu-
crezia de Borgia.« (Bei ügolini, Conti e Duchi d'ürbino ü., 521.)
Als Probe der Schreibart Alexanders VI. stehe hier ein ungedruckter Brief
an seine Tochter aus dem modenesischen Archiv, von 1501 oder 1502.
»Dis Maria
Duquessa figlola carissima. La tua Irä ci e stata gratissima per haver
enteso el tuo benessere. Nuy per gri de dio e de la sua gloriosa matre
estamo molto bcne. P la presente te avisamo come havemo receputa una Irä
del nro nuncio sopra le cose de Cento e de la Pieve, la quäl potray comunjcar
a li toy embaxatore de Ferrara li quali devono esser certi que nuy pensamo
di e notte en el benefitio et augmento de quelle estato. De Civita Castellana
502 Aiuiiei'kungen.
rultimo de settembre. Alexander ppa VI. manu ppria. — A la nostra carissiina
figlola La Duquessa.«
Wie schlimm es mit dem Ruf Lucrezias bei der den Borgia feindseligen
Familie von Urbino stand, zeigt eine Aeussei*ung Guidubaidos (II.) della Ro-
vere, als sein Vater Herzog Francesco Maria Um mit der Erbin von Cameriiio
vermalen wollte was gegen seine Neigung ging. Er tröstete sich, der Vater
werde ihm kcinenfalls eine Frau wie Lucrezia Borgia geben, »di quella mala
Sorte che fu quella, e con tante disonestc parti.«
Vannozza de' Cattanei. Adinolfi, II Canal di poute, passim. Nachrichtcu
über sie und ihren Grundbesitz von 1480 bis 1506. In einem Briefe an Lu-
crezia vom 19. Dec. 1515 (Modenes. Archiv) zeiclmet sie »di V. Illma Sria
perpetua oratrice Vauoza«, in Briefen an Cardinal Ippolito d'Este, so vom
3. April 1517 (ebendas.) »La felicc et infelice come matrc Vanotia Borgia de
Cathaneys.«
S. 208. Auf die Beziehungen zwischen Neapel und Müland werfen vieles
Licht die Depeschen der florentinischen Gesandten Niccolo Michelozzi, Piero
Alamaimi u. A. in Neapel, 1492 — 1494, bei Desjardins, Negociations I., 422 £
König Ferrante entwiiil im Januar 1493 folgendes Rarakterbild Lodovicos il
Moro: »Der Herzog von Bari ist von der Natur Galeazzo Marias, ja schlim-
mer, indem er mehr noch dem Herzog Filippo (Visconti) gleicht, der stets
ruhelos war und auf neues sann, mogte es ihm auch zu Schaden und Schmach
gereichen. Ein ganz verschiedener Maim wai* sein Vater Herzog Francesco.
Der Hei7;og von Bari findet Gefallen daran die Dinge stets in Ungewissheit
und Dunkel zu erhalten und Wechsel zu veranlassen, was mir und eurer
Signorie (Floi'enz) widerstrebt. Man darf nicht glauben, Verhandeln mit ihm
mid Schreiben werden ihn auf andere Gedanken bringen: das kann nur Ge-
walt erreichen. Zum Glück hat er nicht Verstand genug, seine Absichten ins
Werk zu setzen. Projectc kann er genug entwerfen, meist aber zerrinnen sie
in nichts. Mit einem solchen Karakter muss man Geduld haben, und wir
müssen uns unter uns vorsehn auf dass er uns nicht schade. Mit Gottes Hülfe
hoffe ich, werden wir und eure Signorie dies erreicjien.« In diesem Urtbeil
liegt des Wahren mehr als des Falschen. Lodovico sü'ebte übrigens ohne
Rückhalt danach, seinen Neffen beiseite zu schieben. Schon zu Anfang 1492
sagte er, er wolle den Staat für sich haben.
S. 209. Wie König Ferrante so die Colonna wie die Orsini [an sein
Literesse zu fesseln wusste, zeigen Depeschen der fiorent. Gesandten Paolan-
tonio Soderini an Lorenzo de' Medici vom 6. Sept 1490, Piero Alamanni an
Piero de' Medici vom 12. — 17. Nov. 1492 u. s. w. Desjardins, Nego-
ciations etc. I. , 435 ff. Von der Autorität welche Virginio Oraini wie in Neapel
und Rom so durch seinen Einfluss auf den miverstandigen Piero de' Medici
in Florenz ausübte , zeugt em Schreiben des florent. Gesandten in Rom Puecio
Pucci vom 16. Juni 1494 an Letztem. »Mein Gebieter, ich rede fireimüthig
zu euch wie meui Dienst es verlangt, denn ich will nicht dass mein Gewissen
mir Vorwüi-fe mache. Mir scheint der HeiT Virginio verspricht in eurem Na-
men etwas zu sehr ohne Umstände. Bir habt gesehn wie er zum Papste ge-
sprochen hat und wie die Angelegenheit der Herrin von Forli (Caterina Riario
Sfoi-za, welche Alexander VI. und Neapel zu gewinnen wünschten, auch weil
man sich dadurch Giovanni Bentivoglios zu versicheni glaubte) uns auf die
Schultern gepackt wird. Der Papst, der ungeme Geld ausgiebt, wird uns
und andern Bereitwilligen die Kosten aufbürden. Ueberdies herrscht hier die
Meinung, dass ihr ganz von Virginio abhangt und er mit euch schaltet wie ih»
Aumerkuugeii. 503
beliebt Mau berichtete mir, der Papst, als er den Vertrag mit Ronig Alfons
schloss, habe zu sagen gepflegt: Virginio hat uns die Interessen des erlauchten
Piero sehr empfohlen, gerade als handelte es sich um seine eignen. Noch ist
mir hinterbracht worden. Konig Alfons habe geäussert, er vei'fiige über euch
und Florenz mittelst des Herrn Virginio, gleichsam als wisse er Diesem mehr
Dank dafür als euch. £s sieht aus, als ständen die Dinge eures Hauses und
imserer Stadt mehr in ihrem als in eurem Belieben. Erzeigten die Orsincn
euch mehr Achtung und thäten sie sich auf ihre Autorität über euch weniger
zugute, so entsprächen sie besser ihrer Pflicht und der Lage der Dinge. Mein
Gebieter, loquor ex corde. Ich ermahne euch, machet Gebrauch von eurer
angebomen Geschicklichkeit und zeigt dass ihr Herr im Hause seid, indem ihr
euch jedoch Zuneigung und Vertrauen bewahrt, da die Umstände es erfordern.«
(Desjardins a. a. O. I., 493.) Was ein halbes Jahr später in Florenz voi-fiel,
liefert den besten Commentar zu diesem Schreiben.
S. 212. Die Vorbereitungen und Hoffiiungen K. Alfons' U. beim Heran-
nahen der französ. Rrisis und die kleinen Ereignisse des Feldzugs, wenn der
Marsch des Königs nach der Campagna, der des Herzogs von Calabrien zur
Deckung der Romagna und des Patrimoniums diesen Namen verdienen, sowie
die Maassregein des Papstes und die Bewegungen der romischen Barone na-
mentlich der Colonna und Virginio Orsinis, ergeben sich aus den Berichten
Filippo Valoris florentin. Gesandten in Neapel, 4. — 23. October 1495. Bei
Desjardins, Negociations I. 451 — 483.
S. 218. Vertrag vom 15. Januar 1495. -Articles de la paix faicte entre
nostre Sainct pere le pape Alexandre sisiesme et le roy Charles« nach einer
IIs. im franz. Staatsarchiv bei Molini, Documenti di stör. Ital. L, 22.
S. 221. Carl Vlll. zeigte den römischen Edelleuten die zu ihm hielten,
Fabrizio Colonna, dem Präfecten, den Savelli, von Turin aus am 29. August
den Kampf bei Fomovo in gleichlautenden Briefen an. «Tres eher et grand
amy. Nous croyons que vous serez assez adverty, comme k Foumoue prez
Palma (Parma), avons rencontre les Venitiens et une partie de la puissance
du Seigneur Ludovic, et grant nombre, qui s'attendoient k nous faire deshon-
neur et dommaige. Mais, gräces en soient k Dieu, nous y avons passe ä
nostre honneur, et descouru toute Tltalie maugre eulx, avec nostre aitillerie
grosse, et mesme sans grant perte de noz gens; et auplus n'en est demourc
des nostres, en bons et mauvays, que environ LX, et d'eulx il en demoura
jusques a ini°> et plus, et IUI« hommes d'armes, dont il y avoit de grans
personnaiges et chefs de guerre.« Bei Desjardins, Negociations L, 626.
Ebendaselbst Bericht Pier Vettoris über die Schlacht an Herzog Guidubaido
von Urbino, Florenz 14. Juli 1495. Ausfuhrliche Schilderungen des Kampfes
bei Rosmini, Istoria ec. di Gian Giacomo Trivulzio, Mail. 1815, I., 255 ff.,
und A. Pezzana, Storia della Citti di Parma V. (Parma 1859), 277 ff.
Unter den Todten auf Italien. Seite waren Rodolfo da Gonzaga und Ranuccio
da Famese, auf französischer der Bastard von Bourbon. Die gegenseitigen
Angaben der Todten, Verwundeten, Gefangenen (Pezzana, 299 ff.) zeigen,
wie behutsam man selbst officielle Berichte gebrauchen muss.
S. 226. Die Geschichte Fra Girolamo Savonarolas kann in einer Geschichte
der St Rom selbstverständlich nur berührt werden. K. Hase hat in dem be-
treffenden Absclmitt in s. »Neuen Propheten« (Q. Aufl. Leipz. 1861) Leben
und Wirksamkeit des feurigen und geistvollen Dominicaners vom protestanti-
schen Gesichtspunkt in jener maassvollen Weise dargestellt, welche, mit seiner
sorgsamen Benutzung der Quellen vereint , auch Solche befriedigen kann deren
504 AjimerkuDgen.
dogmatischer Standpunkt ein verschiedener ist. Nach zahlreichen italienischen,
franzosischen, teutschen Arbeiten über diesen Gegenstand hat P. Villari (La
Storia di Girolamo Savonarola e dei suoi tempi, Flor. 1859 — 1861) unter Be-
nutzung vieler theils inedirten theils von V. Marchese, Carlo Capponi,
Fr. Bonaini u. A. bekanntgemachten Documente (zu denen neuerdings die
von C. Lupi im Arch. stör. Ital., 111. S. m. 1. 3 ff. über den Process publi-
zirten gekommen sind) ein umfassendes Gemälde der Thätigkeit Fra Girohnnos
und der Umgebung in der er sich befand geliefert, mit der ausgesprochenen
Absicht, Den aus dessen Sclu'iflen man ein vollständiges System protestanti-
scher Theologie zusammenzusetzen versucht hat, als innerhalb des entschieden
katholischen Bekenntnisses stehend zu zeigen , aber nicht ohne die Widersprüche
und gewagten Behauptungen, welche bei eingehender Darstellimg dieser com-
plicirten und nicht selten leidenschaftlichen Thätigkeit auf dem Felde religiöser
Reform und politischer Umgestaltung zu vermeiden unendlich schwer ist Der
Einfluss, welchen Savonarolas Ansichten, Schriften, Thätigkeit, Erinnennig
viele Jahre nach seinem Tode, namentlich während der Umwälzung von 1527
bis 1530, wie zur Zeit der Opposition gegen Herzog Alexander Medici und
noch unter Grossherzog Franz I. als der Erzbischof Alessandro de' Medici
(nachmals P. Leo XL) sich im J. 1583 zum Einschreiten geuothigt sah, nicht
auf seinen Orden allein sondern auf den emstgläubigen wie den enthusiasti-
schen Theil der florentiner Bevölkerung ausgeübt haben , verleiht diesem Manne
für die letzten Zeiten der Republik Florenz grösste Bedeutung, mag auch
in der Schilderung und Schätzung dieses Einflusses auf den Clenis einige
Uebertreibung mitunterlaufen. Yiuc. Marcheses Geschichte des St Marcus-
klosters (in dem Prachtwerk: San Marco convento dei Domenicani in Fircnzc*
illustrato e inciso, Flor. 1853) ist in dieser Beziehung sehr beachtenswertb.
Der savonarolasche Geist hat in seinem Kloster Jahrhunderte lang fortgedauert
S. 238. Bulle Alexanders VI. über die Creirung der Herzogthümer Ser-
moneta und Nepi, »Coelestis altitudinis potentiae«, vom 1. October 1501, bei
(Ratti) Storia di Genzano, 155. Die »Filii iniquitatis« fehlen hier ebenso-
wenig wie in ähnlichen Documenten Bonifaz' VIII. und IX., Eugens IV. u. a.
S. 250. Cardinalat und Cai'dinäle. A. Ciacconius, Vitae et res gestae
Pontificum rom. et Cardhialium, R. 1677, mit der Forts.; L. Cardella, Mc-
morie storiche dei Cardinali della S. Romana Chiesa, R. 1792 C Zur Ge-
schichte der französischen Cardinäle: Frizon, Gallia purpurata (bis zum Jahre
1629), Paris 1638, Duchesne, Histoire des Cardinaux fran^s, Par. I66D,
Roy, Nouvelle Histoire des Cardinaux fran^ais, Paris 1785 ff. Dazu zahl-
reiche specielle Werke, die zum Theil bei Einzelnen aufgeführt sind.
S. 263. Cardinal Ascan Maria Sforza. (Ratti) Della fami^ia Sforza,
L, 78 — 91. Sein prachtvolles Grabmal im Chor von Sta Maria dei popolo,
von Andrea Sansovino, mit dem ihm gegenüberstehenden des Card. Leonardo
Basso della Rovere wol das schönste dieser Gattung, hat folgende Inschrift:
D. O. M.
Ascanio Mariae Sfortiae Vicecomiti
Francisci Sfortiae Insubrum ducis filio
Diacono Card. S. R. E. Vicecancellario
In secundis rebus moderato
In adversis summo viro
Vixit aun. L. mens. II. dies XXV.
lulius II. Pontifex maximus
Virtutum memor
Anmerkimgeii.
505
Honestissimarum contentionum oblitus
Saceilo a fundamentis erecto posuit
MDV.
S. 265. Cai'diual Giovanni de' Medici. Die Literatur (f^ die frühere
Lebenszeit namentlich Fabroni und Roscoe) folgt beim VIIL Buche: Zeit-
alter Leos X.
S. 267. Cardinal Francesco Soderint. Die Genealogie der aus Gangalan di
bei Signa im uutem Amothal stammenden Soderini ist filr die hier wie im
VIII. Buche in Betracht kommende Zeit folgende:
Lorenzo.
Tommaso,
florent. Botschafter bei Paul II. 1471,
fiinfmal Gonfaloniere , -|- 1484.
Niccolo,
letzte flor. Linie,
erloschen 1840.
Francesco,
Bischof von
Volterra,
Cardinal,
t 1524.
^. _ I-
Piero, Paolo
lebenslängl. Antonio,
Gonfaloniere Gonfalon.
1502, t 1522 1497.
Argentina Giuliano,
Malaspina Bischof von
von Saintes.
Fosdinovo.
Tommaso,
Ritter durch
Leo X.
(Eine seiner
Töchter
Mutter
Lorenzinos
de' Medici.)
Gian Vettorio,
mehrfach BotschaAer
der Republik.
Tommaso,
Senator unter
Cosmus I. Med.
I
Alessandro,
Römische Linie.
Die florentinische Geschichte des fünfzehnten und der drei ersten Decen-
nieu des sechzehnten Jahrhunderts erzählt an hundert Stellen von den Sode-
rini. Francesco Soderini war in alle politischen Angelegenheiten seiner Zeit
verwickelt; es ist von ihm gesagt worden, wäre er an seines Bruders Piero
(des Opfers eines machiavellischen Epigramms) Stelle gestanden , so würde die
florent. Staatsumwälzung von 1512 nicht erfolgt sein. Er war ein Kenner der
classischen Literatur und Bücherfreund. Zu ihm wurden im Jahre 1508 die in
CoiTei aufgefundenen fünf ersten Bücher der Annalcn des Tacitus gebracht, wor-
über sein Brief an den flor. Kanzler Marc. Virg. Adrian! , Rom 1. Jan. 1509: »ex
Germania nobis allatus fuit proxime pervetustus in membrana codex, descriptus
litteris non multum distantibus a longobardis«. Card. Giovanni de' Medici
kaufte die Handschrift fiir fiinf hundert Goldgulden. Card. Soderini starb als
Dccan und Bischof von Ostia siebzigjährig, nach verschiedenen Angaben
17. Mai, 17. Juni, 17. Juli 1524 und liegt in Sta Maria del popolo begraben.
Inschrift : Francisci Soderini episcopi Ostiensis et Volaterrani depositum. Dort
ruht auch sein ihm um zwei Jahre im Tode vorausgegangener Bruder Piero,
denn das schöne ihm errichtete Grabmal von Benedettos da Rovezzano Hand
in dem von den Soderini erbauten Chor des Carmine in Florenz ist leer. Die
heutigen römisch - cometanischen Soderini (eigentlich Roberti) fiihren diesen
Namen nur wegen einer Erbschaft. (Ademollo, Marietta de' Ricci L, ä35 iL
L. Passerini, Soderini, in Littas Fam. cel. Ital. Ciacconius HI., 203.
Manni, Sigilli HI., 15L Tiraboschi VI.)
S. 268. Cardinal Adriano Castellesi. Vgl. Anm. zu S. 287.
S. 272. Päpstliche Hofhaltung und Verwaltung. H. Plettenberg, No-
titia congregationum et tribunalium curiae romanae, Hildesheim 1693; Luna-
doros, Bangens, Mejers, Phillips' (Bd. VI.) u. A. Arbeiten. (Vgl.
506 Aumerkuiigeii.
Bd. II. S. 1175.) Die bedeutenderen Schriften über die einzelnen päpstl. Aemter:
J. Cohellius, Notitia Cardinalatus, R. 1653; J. Ciampini, De S. R. E. Vice-
Canceliario, R. 1697; Amydenius, De officio et iurisdictione Datarii, R, 1654;
F. Vitale, Memorie dei Tesorieri generali, Neapel 1782; F. M. Renazzi,
Notizie storiche degli antichi Vicedomini, R. 1794; J. Catalanus, De Magistro
S. Palatii apost., Rom 1751; J. Ciampini, De Abbreviatorum dignitate, Rom
1691; H. Faber, De Protonotariis apostolicis. Bot. 1672; F. Buonamici, De
claris pontificiarum epistolanim scriptoribus , R. 1753, II. Aufl. 1770.
S. 274, Rota romana. Vgl. Bd. II. S. 814, 1207.
S. 275. Die Palastwache. Theiner, Cod. dipl. 11., No. 503, m., No. 198;
Cancellieri, Possessi, 131, 278, Novaes VI., 49.
Gesandtschaften der Ritterorden. Teutscher Orden : Joh. Voigt, Stimmeu
aus Rom a. a. O. , 50 ff. Conrad von Brühl Ordensgesandter in Avignon untrr
Clemens V., Heinrich Brunner um 1370. (Vgl. J. Voigt, Stimmen aus Rom,
8. oben S. 475.) Die Gesandtschaft des Johanniterordens war auf die Emkünfte
der Comthurei von S. Jacopo in Campo Corbolini in Florenz angewiesen , welche
Kirche der Orden im Jahre 1206 erlangt und bei der er zu Anfang des folg.
Jahrh. ein Hospiz angelegt hatte. Wohnung des Ordensgesandten in späte-
ren Zeiten in Via Condotti, wo gegenwärtig die Residenz (Convent) des Ma-
gisteriums. Seit dem 13. Jahrhundert besassen die Johanniter das vormalige
Basilianerkloster, heute SS. Annunziata, beim Arco de' pantani.
S. 281. Alaunwerke von Tolfa. Erlasse Pius' H. inbetreff der Alauu-
gewinnung, für Gio. de Castro, Biagio Spinola u. A. von 1461 und 1462,
bei Theiner, Cod. dipl. HI., No. 365, 370, 371, 372. Die Bulle für Gio.
de Castro ist datirt -Tibure a. MCCCCLXI. X. Kai. Sept Pontifl n. a. III-
wonach die Jahrszahl 1462 bei dem viterbes. Chronisten Niccolo della Tuccia
zu verbessern ist Vgl. Pius' H. Conmientarien B. VH. und XIL, 185, 186,
339. Ueber die auf die Alaun werke angewiesenen, von Leo X. ereilten
St Petersritter vgl. Bonanni, Catal. ord. equestr., R. 1706. Andere AJu-
mieren wiu'den in Italien entdeckt und längere Zeit bearbeitet, so in Toscaiu
die von Castelnuovo di Val di Cecina (im Volterranischen) welche m der
zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrh. unergiebig wurden, nachdem sie ein
Jahrhundeit zuvor einen Streit zwischen Volterra und Florenz veranlasst hat-
ten, dessen blutiger Ausgang Lorenzo de* Medici zur Last fallt, die von
Monte Leo bei Monte rotondo und von Montioni in Val di Comia.
S. 287. Die Geschichte des Humanismus im vierzehnten und funÜEehnten
Jahrhundert hat eine ausserordentlich reiche Literatur hervorgerufen. Qudlen,
ausser Petrarcas Briefen (Anm. zu U., 823), Boccaccios Schriften, den Briefen
Salutatis, Brunis, Poggios (Anm. zu H., 1015) und Vespasianos Biographien
(Anm. zu n., 1136) bei L. Mehus, Ambrosii Traversarii Generalis Camal-
dulensium Epistolae, Flor. 1759, mit einer an Nachrichten und literarischen
Documenten ausserordentlich reichen aber nicht leicht zu handhabenden Ein-
leitung von weit über vierhundert Folioseiten; C. de' Rosmini, Vita diFnn-
cesco Filelfo, Mail. 1808; A. M. Quirini, Francisci Barbari Epistolae, Brescts
1741, und den anderen zahlreichen Brie&ammlungen der Zeit, die aus ital.
Bibliotheken sehr bedeutend, nicht blos an Masse sondern an Stoff, vennehrt
werden könnten; G. C. Galletti, Philipp! VillaniLiber de civitatis Florentiae
famosis civibus et de Florentinorum litteratura principes fere synchroni scri-
ptores, Flor. 1847. Die ital. Literatur hat keine Gesammtdarstellung dieser
merkwüi'djgeu Bewegung. Tiraboschi, welcher seltsamerweise das funfiEehnte
Anmerkungen. 507
Jahrb. für das berühmteste und glon^ichste der ital. Lit.- Gesch. erklärt, giebt
in seinem, in der mail. Ausg. nicht weniger als 1772 S. umüissenden VI. Bde.
eine Menge biograph. und literai*. Notizen , aber keine Anschauung des Geistes
und Ganges. Seine Nachfolger sind oberfl&chlich, Cantü muss sich auf eine
Skizze beschranken. Von teutschen Bearbeitungen, nach Heere ns Geschichte
des Studiums der class. Literatur: C. v. Raum er im I. Bde der Geschichte
der Pädagogik, 3. Aufl., Stuttg. 1857 ff.; G. Voigt, die Wiederbelebung des
classischen Alterthums, Berlin 1859 (von Petrai'ca bis Nicolaus V., woran sich
des Vf. Gesch. Pius' II. in den Abschn. über Enea Silvio als Schriflstellcr
und als Mäcen der Humanisten anschliesst) ; J. Schuck, Zur Karakteristik d.
ital. Humanisten des vierzehnten und filnfzehnten Jahrb.. Breslau 1857; F.
Piper, Einleitung in die monumentale Theologie, Gotlia 1867. J. Burck-
hardts Cultur der Renaissance in Italien, Basel 1860, ist auch für den der
nicht alle Meinungen des Vf. theilt, ein geistreich lebendiges und anschauliches
Gemälde der sittlichen und socialen Zustände und Anschauungen der Zeit,
die für Literatur und Kmist den Boden bilden und hergeben.
Von ital. Werken über Einzelne kommen ausser den schon angeführten in
Betracht: ApostoloZeno, Dissertazioni Vossiane, Ven. 1753, Abhandlungen
über die latein. Historiker der Renaissaucezeit, in miglücklicher Form aber mit
reichhaltigem Material ; Rosmini, Vita e disciplina di Guarino Veronesc e de'
suoi discepoli, Brescia 1805 — 1806, im 3. Bande biographische Skizzen von eui-
unddreissig Schülern des Veronesers; Ds., Vita di Vittorino da Feltro, Bas-
sauo 1801; T. Barbieri-Borghini, Cenni storici intomo Gio. Antonio e Cc-
sai*e Campana, R. 1851; A. Fabroni, Pallantis Stroctii vita, Parma 1802;
Ds., Magni Cosmi Medice! vita, Pisa 1789; Ds., Laurentii Medicis magnifici
vita, Pisa 1784; A. M. Bandini, Specimen literaturae florentinae saeculi XV.,
Flor. 1748, vornehmlich Geschichte der piaton. Akademie in Form einer Bio-
gi*aphie Crist. Landinos; L. Galeotti, Saggio intomo alla vita e agli scritti
di Marsilio Ficino, im Arch. stör. Ital., N. S. IX. 2, X. 1; G. Gar-
ducci, Delle poesie toscane di M. Angelo Poliziano, vor der Ausg. von
dessen Dichtungen, Flor. 1863; G. Ferri, De rebus gestis et scriptis Hadriani
Castel. Cardinalis, in dessen: Pro linguae latinae usu Epistolae, Faenza 1771.
Ueber die venetianischen Handschriflensammler handelte M. Foscarini:
Dei Veneziani raccoglitori di oodici, im Arch. stör. Ital. V., 253 ff.
Unter den Werken fremder Literaturen sind zu nennen: C. G. Zumpt,
Laureutius Valla, in Schmidts Zeitschr. für Gesch., IV. (1845); W. Roscoe,
The life of Lorenzo de' Medici called the Magnificent, Liverpool 1795. (Später
wiederholt mit zahlreichen Beilagen aller Art, wozu Fabroni viel beigesteuert
hat, ohne selbständiges polit. .und literar. Urtheil, aber mit reichem Detail; auf
die Beurtheilung Lorenzos und der Tendenzen der ganzen Zeit im Auslande
von grösserm Einfluss als Geist und Einsicht des Vf. rechtfertigen. Sheph'erds
Leben Poggios ist unter dem Einfluss Roscoes entstanden.) K. Sieveking,
Geschichte der platonischen Akademie, Göttingen 1812; N. A. Bonafous,
De Angeli Politiani vita et operibus, Paiis 1845; J. Mähly, Angelus Poli-
tianus, Leipz. 1864. — H. Ritters Geschichte der Philosophie VID., 272 ff.
und Erdmanns Grundriss der Gesch. der Plül. I., 502 fL enthalten die Phi-
losophie der Renaissancezeit. Ueber Nicolaus von Cusa (S. 255, 338), der ehic
Stelle für sich einnimmt, die Biographien von F. A. Scharpff 1843 und
J. M. Düx 1847; F. J. Clemens, Giordano Bruno und Nie. von Cusa, Bonn
1847; Th. Stumpf, die politischen Ideen des N. v. C, Cöln 1864. Erd-
mann a. a. O. I., 457 ff.; G. Voigt in Pius U.
508 Anmerkungen.
S. 291. Niccolo Acciajuoli. Der Grossseneschal war jedenfalls ein sehr
merkwürdiger Mann. Dieser florentinische Kaufmann der in einem Feudal-
Staat die höchste Autorität erlangte und in Griechenland ein erbliches Fürsten-
thum gründete (vgl. Anm. zu S. 111), schrieb in Palermo während der Un-
ruhe und Sorgen einer von ihm geführten Kriegsoperation eine Kreuzzagge-
schichte in französischer Sprache, und gab Petrarca zu dem Ausspruch Anlass,
die Beredsamkeit sei vielmehr Naturgabe als durch Studium zu erlangen. Vgl.
Matteo Palmieri, VitaN. A., bei Muratori, R. Ital. Scr. XIII.; L. Tau-
fan i, N. A. Flor. 1863.
S. 291. (S. 363.) Inschriftensammler des fünfzehnten Jahriiunderts. G. B.
de Rossi, Le prime raccolte d'antiche Iscrizioni compilate in Roma ec. Ds.,
I fasti municipali di Venosa, im Giom. arcad. 13'^; L. Mehus in der Vorrede
zu Ambrogio Traversaris Briefen und in jener zum Itinerarium Ciriacos von
Ancona; Scip. Maffei in der Verona illustrata; Tiraboschi im 6. Tbeile der
Storia della Letteratui-a Italiana. Vgl. »Del Corpus Inscriptionum latiDarum
intrapreso per cura della R. Accad. delle Scienze di Prussia« im Arch. stör.
Ital. N. S. Vn., 2.
S. 294. Die päpstlichen Geheimschreiber. Fil. Buonamici, De claris
pontificiarum epistolarum scriptoribus, R. 1753, 11. Aufl. 1770. Tiraboschi
V. , 2 , 963 ff. Buonamicis sonst verdienstliche Arbeit bedarf mancher Ergän-
zimgen.
S. 297. Dietrich von Niem und Gobelin Person. Vgl. Band II. , S. 1212.
(Anm. zu S. 1015.) Evelt, Gelehrte Westphalen aus der ersten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts , in der Zeitschrift für westphäl. Gescliichte und Alter-
thumskunde III., 1, 281 ff. Inwiefcmc die neuercüngs gelteudgemachte An-
sicht, Dietrichs Schriften über die Zeit des Schismas seien stark interpolirt«
begrilndet ist, vermag ich nicht zu entscheiden.
S. 298. Herman Dwerg. Evelt a. a. O.
S. 306. Cardinal Giordano Orsini. Fr. Sansovino, Uomini illuMri
della Casa Orsina, 4; L. Mehus, Ambros. Trav. Epist. , XL. ff., CCCXCVII.
wo Lapos da Castiglionchio Vorrede zur Uebers. des Lebens des Poplicola.
Seine Büchcrsammlung : Marini, Archiatri pont, 11., 130, Tiraboschi M.,
210, Mignanti I., 104, 105, wo auch über die Bibliothek der vatican. Ba-
silika. Seine Wohnung: Adinolfi, Via papale, 90 ff.
S. 308. Lebensbeschreibungen oder vielmehr Karakteristiken der Cardi-
näle Albergati, Cesarini, Capranica, in den Vite des Vespasiano (123, 126,
140) und bei Ciacconius IL 849, 861, 832. Ueber Albergati (s. oben
S. 111, 112): Fantuzzi, Scrittori bolognesi, Bol. 1781 ff, L, 99 fil üeber
Cesarini (s. oben S. 80 ff.): Poggios Gedäc^tnissrede , theilweise bei Me-
hus, Vita Ambros. Camald., CCCCXIX ff., Traversaris Briefe ib. pas-
sim, (Ratti) Della Famiglia Sforza U., 253 ff. Ueber Capranica: (M. Ca-
talani) De vita et scriptis Dominici Capranicae Card, commentarius, Fenno
1793, mit zahlreichen Documenten und einer Abhandlung »De Cardinalibus
creatis nee promulgatis.« Ueberdies alle Schriftsteller über das baseler Conril
und die kirchl. Angelegenheiten der Zeit, neuerdings G. Voigt in s. PiusII.
Ueber Gregorio Correr (Vespasiano, 236), vgl. Anm. zu Bd. IL llö.
Ueber Leonardo Dati S. Salvini Leben dess. bei L. Mehus, Leon. Daii
Epistolae, Flor. 1743. Mehus' Ausg. der Briefe Traversaris und sein den-
selben beigegebenes Leben des Camaldulensergenenüs sind eine unerschöpf-
liche Fundgrube von Nachrichten über die Literaten dieser Zeit.
S. 320. Was das an Cruditäten und Nuditäten gewohnte litenuisehe
Anmerbmgen. 509
Quattrocento nicht gewagt hatte, den Hermaphroditus zu drucken, wagten im
letzten Decennium des vorigen, im dritten unseres Jahrhunderts ein französi-
scher Abbe anonym (wenn ja die Behauptung, Mercier Abbe de St. Leger sei
Herausgeber der »Quinque illustrium poetarum lusus in Venerem«, Paris 1791 —
vgl. Brunet IV. 1021 — begründet ist), ein teutscher Philolog mit seinem
vollen Namen: • An ton ii Panormitae Hermaphroditus. Primas in Germania
edidit et apophoreta adiecit Fridcr. Carol. Forbergius«, Coburg 1824. Mit
liebevollster Sorgfalt hat Letzterer aus allen alten Autoren über die sogenaimte
Ars amandi und aus Bildwerken eine Menge schmutziger Erläuterungen seines
schmutzigen Autors zusammengetragen, mit der gewohnten Entschuldigung für
den »pudor omnis positus-, er sei «imllus in artibus et disciplinis, nullus in
re seria, nullus in lingua ab usu communi remota*. So rechtfeiligt sein Buch
in doppelter Beziehung Maffeo Vegios Invective gegen den Panormita:
»Plaudite lenones, meretrices plaudite testes,
Quam bene membrosus Hermaphroditus adest.«
S. 324. Die Homer -üebersetzcr. Ap. Zeno, Dissertazioni Vossiane L
210 ff:, Tiraboschi VL, 1217 0". — Vgl. unten Anm. zu S. 349. (Niccolo
deUa Valle.)
S. 331. (S. 352 01) Vaticanische Bibliothek. S. E. Assemani und
S. A. Assemani, Bibliothecae apost. Vaticanae Codd. mss. catalogus,
R. 1756 — 1759, in der Einleitung; G. Mariui, Memorie storiche degli Ar-
chivi della SS., nebst C. Ruggieri, Mem. stör, deila Bibl. Ottoboniana, her-
ausg. von A. Mai, R. 1825; F. Blume, Iter Italicum lU. (Halle 1830),
13—114; Rostell, in der Beschreib, d. St. R. H., 2. 303 — 323; D. Zanelli,
La Bibl. Vat. dalla sua origine fino al prcsente, R. 1857 (vgl. Arch. stör.
Ital. N. S. Vin., 1.); C. Greith, Spicilcgium Vaticanum, Frauenfeld 1838,
3 — 18, über Catalogc und Repertorien. Die Werke von Muzio Pansa, R.
1590 mid Angelo Rocca, R. 1591, über die Vaticana Sixtus* V., sind haupt-
sächlich der Beschreibung des gegenwärt Locals gewidmet, worüber Beschr.
d. St. R,, IL, 2. 323 — 337, wo über Handschriften und Miniaturen 337—363.
S. 340. (S. 350.) Pomponio Leto und die Accademia Romana , übersichtl.
bei Tiraboschi VI., 1. (Bd. 7) 158 0"., Ap. Zeno, Dissertazioni Vossiane
II. 232 ff: A. M. Quirini, Vita et vindiciae Paulli IL, R. 1740, wo des
Michael Cannens. Leben Pauls, auch bei Muratori, R. LS. III., 2.,
Piatina im Leben P. IL, mit welchem s. Papstbiographien enden. Die Spuren
der Akademiker in den Cömeterien: De Rossi, Roma cristiana sotteiT. L, 2 ff.,
wo auf Card. Fed. Borromeos Samml. von Nachrichten über die rom. Akad.
in einem Ambros. Cod. verwiesen ist Apologie des P. Leto, in der Engels-
burg den Richtei-n vorgelegt. Cod. Vat 2934. I.
S. 345. Die noch nicht vollständig aufgehellte Geschichte der florentini«
sehen Accademia del piano bildet ein interessantes Kapitel in der Gelehiten-
geschichte des 16. Jahrhunderts, die in diesem Falle mit der politischen , speciell
mit der Geschichte der Opposition gegen die Medici, aufs engste zusammen-
hängt Das vornehmste Document dieser Geheimbündlerei ist die wegen ihrer
eonventionellen Sprache und ihrer vielfachen personlichen Beziehungen schwer-
verständliche Apologia dei Cappucci des Jacopo Pitti, gedruckt im 2. Bde.
der Vite di illustri ItaHani, 270—384 (Arch. stör. Ital. IV., 2.). Vgl. Pittis
Istoria fior. XXXVI. ff: Ein eigenthümliches Product eines flor. Senators , der
diese Apologie freilich geheimhielt.
S. 346. Römische Typographie. A. M. Quirini, Liber singularis de
optimomm scriptorum editionibus quae Romae primum prodierunt. Lind. 1761.
510 Anmerkungen.
J. B. Audiffredi, Catalogus historico - criticus romanarum editionum saec.
XV,, R. 1783.
Des Lactantius Firmianus Buch: De divinis nommibus hat am Schlüsse
folgende Inschrift:
Hoc Conradus opus Sweinheim cum ordine roiro
Amoldusque simul Pannartz una aede colendi
Gente theutonica Romae expediere sodales.
In domo Petri de Maximo MCCCCLXVm.
Der Bischof von Aleria Gio. Antonio Bussi versah die Massimoschen
Drucke mit folgendem Sinngedicht:
Aspicis illustris lector quicumque libellos,
Si cupis artificum nomina nosse, lege.
Aspera ridebis cognomina teutona, forsan
Mitiget ars musis inscia verba virum.
Conradus Suueynheym , Amoldus Pannartzque , magistri
Romae impresserunt talia multa simul.
Petrus cum fratre Francisco Maximus, ambo
Huic operi optatam contribuere domum.
Ueber Bemardo Cennini, den florentin. Lettemgpesser und Drucker,
A. M. Bandini, Spec. lit flor. ü., 190 ff. F. Fantozzi, Notizie biognüche
di Bern. Cennini, Flor. 1839.
S. 347. Aldo Pio Manuzio. D. M. Manni, Vita di Aldo Pio Mamizio,
Venedig 1749; A. Rcnouard, Annales de rimprimcrie des Aldes, 3. Aufl.,
Paris 1834; J. Schuck, Aldus Man. und seine Zeitgenossen, Beri. 1862:
Armand Bas che t, Aldo Manuzio. Lettres et Documents 1495 — 1515, Ve-
nedig 1867. Dies Büchlebi enthält eine Reihe Urkunden aus den Archiven
von Venedig und Mantua, so über die Aldiuische Druckerei und den Büdicr-
verkauf wie über einen unangenehmen Vorfall der dem Aldo im J. 1506 aii
der mantuanischen Grenze bege^ete , wo er von den Zollbeamten verhaftet und
erst durch Dazwischentreten des Markgrafen befreit wurde. Das Testament
vom 16. Jan. 1515 findet sich nebst einer Reihe von Erläuterungen beigefugt. —
Am Hause wo die Aldinische Druckerei sich in Venedig befand, beim Campo
S. Agostino, liest man folgende Inschrift:
Manuela, gens. eruditor. nem.
Ignota. hoc. loci, arte
Tipographica. excelluit
Die Annahme der Verwandtschaft der Alden mit den florentinischen Man-
nucci Benincasa, die mit der Familie der h. Caterina von Siena zusammenhangen
sollen (AdemoUo, Marietta de' Ricci, IL, 633), entbehrt aller Begründung.
Aldos Name Pio wurde ihm von den Grafen von Carpi verliehen.
S. 348. Francesco de' Massimi. Camillo Massimo, Sopra una iiio<iitt
niedaglia di Francesco Massimo, R. 1860. Wie alle Schriften des kenntniss-
reichen Verf. voll dankenswerther Nachrichten über die Geschichte Roms. I>i«
Medaille zeigt das Bild Fr. M. mit der Umschrift: Franciscus Max. miles at-
u. i. doc, auf der Kehrseite eine über eine Flanune gehaltene Hand mit den
Worten : Pro patria. Die Genealogie der hier in Betracht kommenden Massimi
(vgl. Litta, in den Farn. cel. Ital. und obige Schrift S. 6) ist wie folgt:
Anmerkungen . 511
Francesco,
Sohn des Lello, S. des Andrea, S. des Pietro, S. des Massimo, Mitte
14. Jahrh.
I
Lello,
stellvertret Senator 1418, f 1420.
Massimo, Francesco,
Conservator 1454, f 1465. f vor 1461.
I ' 1 I
Pietro, Francesco, Paolo, f 1477.
t 1489 t 1471 I
(die beiden Forderer der Typographie). Francesco,
I Ritter u. Doctor, f 1498.
Domenico, -f* bald nach 1527. |
( Mario, t 1497
Angelo, f 1550. sss Margherita
r^ — I d'Estouteville.
Fabrizio, Tiberio,
I/inie von A r s o 1 i. Linie von R i g n a n o.
S. 349. Niccolo della Valle. Mariui, Archiatri pontif. 1., 122; Audi-
fredi, Cat rom. edit. etc. 76, 161, 407, 416 (die Ilias, gedruckt in domo
lohannis Philippi de Lignamine Messan., Februar 1474); Tiraboschi VI.,
1218. Gian Pierio Valeriani, De litteratorum infelicitate und Paolo C or-
te se. De hominibus doctis, erwähnen des Junggestorbenen. Inschrift in Ara-
celi (P. Casimiro 206, Forcella 145):
D. Nicoiao. de. Valle. legum. doctori. Ba
silicae. principis. apostolorum. canon
ico. Lelius. in. memoriam. dulcissimi. filii.
posuit. Hie. in. vita. sua. nulli. maledixit
sine, voluntate. parentis. nihil, fecit
magno, et. cxcelleuti. damit ingeni
o. Iliadem. Homeri. et Hesiodum. heroic
o. carmine. in. latinum. vertit obiit pr
imo. iuventutis. flore. maxima. omn
ium. mestitia
MCCCCLXXm VI Kl Octobris
S. 349. Bessarions Bibliothek erlitt, wie die Mehrzahl der Bibliotheken,
mancherlei Schicksale bevor sie ihre gegenwärtige Stelle in Venedigs Marciaiia
einnahm. Zeugniss davon giebt ein Brief Olambatista Ramusios an den Sc-
cretär des Dogen, Benedetto Ramberti, bei der nach Card. Bembos Voi-schrift
stattgefundenen Uebergabe, 31. Aug. 1543, bei Cicogna, Inscrizioni Vcneziaue
V., 309. Vierzig Jahre lang, erzäiiltRamusio, lagen die Handschriften in offenen
aiifeinandergestapelten Kisten in einem Känmierchen des Palastes, wo viele
abhanden gekommen waren, manche nicht wiedererlangt wurden imgeachtet
eines päpstl. Breves, welches Jeden der das Entlehnte nicht wiedergab mit
dem Bann bedrohte. Eine Zahl von Papyrus aus Bessarions Sammlung sieht
mau heute in |der Marciana. Verzeichniss der Sammlung bei Tommasini,
Blbliothecae Venetae manuscripta, Udine 1650, 31 ff., Lami, Deiiciae erud.
Vm., 728. Vgl. Morellis Abhandl. über die Marciana in dessen Operette,
Ven. 1820, L, 35.
512 Anmerkungen.
S. 350. Sigismondo de' Conti, aus der Familie der Conti von Antignano
(nicht jener von Segni imd Valmontone wie man wol irrig angegeben findet),
einer der Abbreviatoren und seit Paul II. von den Päpsten vielfach gebraucht,
gestorben gegen 1512. (Grabschrifl bei P. Casimiro, Memorie d'Amceli,
143, und bei Y. Force IIa. Isciizioni ec. I. Campidoglio, Parte 2. Sta Maria
in Aracoeli [R. 1867] No. 678.) Giustiniano Pagliarini hatte die Herausgabe
der lateinisch geschriebenen Geschichte seiner Zeit in 19 Büchern vorbereitet;
in unserer Zeit hatte March. Giuseppe Melchiorri den grossem Theil nebst
einer von Domenico Zanelli gefertigten , übrigens ziemlich überflüssigen Uebcr-
setzung schon gedruckt, als erst das J. 1848, dann Melchiorris Tod hem-
mend eintraten. Manuscript und Gedrucktes liegen wenn ich nicht irre in
der Stamperia camerale.
S. 353. L. A r i o s t o Satira VIT. :
»Di libri antichi anco mi puoi proporre
U numer grande, che per pubblico uso
Sisto da tutto '1 mondo fe raccorre.«
S. 355. Die Schilderung der greulichen Geschmacksverwimmg welche im
Gefolge der einseitigen humanistischen Bestrebungen in Italien einzureissen
drohte, gehört in die allgemeine Literaturgeschichte. Leonardo Datis Hexa-
meter zeigen auf welchem Wege die italienische Poesie inmitten des Dranges
der Alterthumsei'wecker war. Vgl. L. Mehus in der Einleitung zu Traver-
saris Briefen, CLXXVI; Poliziano, Le Stanze, l'Orfeo e le Rime illustr. da
G, Carducci, Flor. 1863, XIX. ff., L. B. Alberti, Operc ed. A. Bonucci,
Flor. 1843, I., C. Cantü, Storia della Letteratura Italiana, 133 ff.
S. 360. Bemardo Rucellai. L. Mehus, Ambros. Travers. Epist LV,
LVLff.; Tiraboschi VL, 155, 301, 958, 959, 1038; L. Passerini, Gc-
nealogia e storia della famiglia Rucellai, Flor. 1861, 122 ff. Das Werk: De
Urbe Roma bei (Manni) Rerum Ital. Script. 11., 755 ff. In der Marucelliana
zu Florenz ausfiilirl. Commentar Ant. Fr. Goris, Cod. A. 282. Von Rucellai«
(geb. 1448, gest. 1514) übrigen Schriften gehört hierher: De hello italico cora-
mentarius (die Expedition Carls VIII.) , London (Flor.) 1733, und die Oratio de
Tifematibus auxilio adferendo, bei Gelegenheit des Krieges Sixtus' IV. gegen
Citta di Castello, ebds. am Schlüsse. Bemardos Sohn Giovanni, unter Leo X.
oflgenannt, war der Verfasser des Lehrgedichts Le Api und der Tragödie
Rosmunda. — Ueber die Orti Oricellari L. Passerini, Curiosita storico-
artistiche fiorentine, Flor. 1866, I. 57 ff.
S. 361. Adriano Castellesi. G. Ferris Schrift über sein Leben und
seine Schriften, vgl. Anm. zu S. 287.
S. 362. Die falschen Regionarier, Publius Victor und Sextus Rufus. Vgl.
Bd.L, S. 629, 795, 810; Beschreibung d. St. R. L, 173 ff., m., 1. 662. Die
einleitende Abhandlung in L. Prellers Regionen der Stadt Rom, Jena 184ti,
verfolgt die Geschichte der intei-polirenden Compilation, aus welcher der spatere
als ein Werk der Kaiserzeit acceptirte Text hervorging. Dem Namen de»
S. Rufus begegnen wir zuerst bei Biondo Flavio, der ein von ihm in einer
Hs. von Monte Cassino benutztes Exemplar der Notitia diesem Autor zuschrieb,
dessen Breviarium rerum gestarum populi romani (Bahr, Ge^ch. d. röiiL
Lit. IL, 192) vorausging. Der sogenannte Publius Victor, eigentlich S. Aureliiis
Victor (Bahr a. a. O. II., 186), erscheint zueret bei Giano Parrasto zu Anftng
des 16. Jahrhunderts. Den bedeutendsten Antheil an der den Text dieseji
Victor bildenden Interpolation hatte w^ol Pomponio Leto; der erste Abdrwk
war von 1510, mit Letos schon erwähnter Topographie. Der Text des
Anmerkungen. 513
sogenannten S. Rofus, sowie er in dem Druck von 1558 und später vorliegt,
ist von Onofiio Panvinio.
Ueber ein ilteres topographisches Monument anderer Art, den fragmen-
tirten sogenannten capitolinischen Stadtplan (vgl. Bd. L, S. 579, 80; Canina,
Indicaz. topografica, 25 — 90), sind in neuester Zeit von zwei Seiten her schone
Untersuchungen angestellt worden. Von H. Jordan in dem Monatsbericht
der k. preuss. Akademie der Wissensch. 1867, 526 — 548, von 6. B. de Rossi
in dem Bullettino di archeol. crist. 1867, No. 5, bei Gelegenheit der Auffin-
dung neuer Fragmente des Plans. Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich
mit Gewissheit dass der unter Pius IV. entdeckte , zuerst von dem talentvollen
toscanischen Architekten Gio. Antonio Dosio gezeichnete Plan nicht zum Fuss-
boden der Kirche SS. Cosma e Damiano verwendet war (wonach die ange-
führte Stelle Bd. I. zu verbessern ist), sondern zum Schmuck der äusseni
Wand eines hinter der Absis dieser Kirche gelegenen nach dem Forum pacis
blickenden, seit Urbans VHI. Zeit nur noch theil weise erhaltenen Raumes
diente, auf welchen auch Canina (a. a. O. 131 — 133) hinweist und der, ur-
sprünglich mit dem vordem Raum, der nachmaligen Kirche zusammenhangend
wahrscheinlich ein unter Sept. Severus hergestellter Theil des unter Commodus
abgebrannten Forums war. Onofrio Panvinio erwähnt in der bei Mai,
Spicilegium rom. Vlil. , 634 abgedruckten umgearbeiteten Vorrede zu der beab-
sichtigten Gesammtausgabe seiner antiquar. Schriften (Canina a. a. 0. 27;
Jordana.a.0. 528) die Fragmente seien «a Torquato comite, campi possessore,
Alexandro cardinali Famesio dono data«. Es handelt sich hier, was Jordans
Aufgabe ferne lag, um Torquato de' Conti, den Erbauer der Villa Catena bei
Poli, welchen seine kriegerische Laufbahn weit über Italiens Gi*enzen hinaus-
führte. Durch seine Gemalin Violante Famese war er mit der Familie Pauls III.
verschwägert, wie er denn auch mit Card. Alessandros Geheimschreiber Anni-
bal Caro in vertrautem Briefwechsel stand. (P. E. Visconti, Memorie e
descrizione della villa detta la Catena, R. 1850, 16 ff.) Das heute von der
Via Alessandrina durchschnittene Grundstück hinter der Kirche SS. Cosma e
Damiano hing damals ohne Zweifel mit dem alten Besitzthum der Conti, der
Localität ihres berühmten Thurmes zusammen.
Zur Ergänzung des Bd. U., S. 73 über die Kirche SS. Cosma e Damiano
Gesagten möge hier stehn , dass die von Felix IV. gebaute Absis der heutigen
Kirche das erwähnte oblonge antike Viereck, welches im 6. Jahrhundert viel-
leicht eben nach dem in die Wand eingelassenen Mannorplan den Namen
eines Templum Romae führte, in zwei Hälften theilte. Die drei in der Absis
angebrachten Oeffiaungen lassen vemmthen dass der Raum hinter derselben
das Matroneum war. Die runde Vorhalle, der Romulustempel , auch Renms-
tempel genannt, wurde schon von Canina auf jenen Sohn des Maxentius
bezogen , welchem der Vater auch an der Via Appia in der Nähe seines Circus
ein Heiligthum errichtete. Dass diese Rotunde, welche eine reiche Säulcn-
fa^ade hatte, nach Constantins Siege dem ersten christlichen Kaiser vom Se-
nate geweiht wurde, ergiebt sich aus einer noch in Abschrift vorhandenen
Inschrift. Vgl. de Rossi a. a. 0. Die Umwandlung der Fa^ade ist in Ur-
bans VHI. Zeit erfolgt.
S. 363. Die Mädchenleiche an der Appia, Infessura, 1951; Nanti-
porto, 1094; Francesco Matarazzo (Maturanzio), Cronaca della cittä di
Perugia, 2. 180.
S. 364. Rechtswissenschaft in Italien im 15. Jahrhraidert, Savigny, Rom.
Recht im M. A. VI. 259 ff., Einwirkung des Humanismus ebds. 419 ff.
T. Rcumont, Kom. III. 33
514 Aimiei'kiiiigen.
S. 364. Der Herciilestempel am Forum boariuin , vgl. Band I., S. 13, 797.
G. B. de Rossi in den Annali dell' Ist di corr. arch. XXVL, wo ein Facsi-
milc von Baidassar Peruzzis Zeichnung. — Andreas Fulvius lässt in einem
an Leo X. gerichteten Poem, bei Mazocchi, Antiquaria Urbis, R. 1513,
die Ära maxima von Sixtus IV. zerstört werden :
Stabat et ad Circum quae maxima dicitur ara,
Numinis eiusdem quondam celeberrima votis,
Unde canes muscaeque aberant formidine clavae,
Quae posita ad postes limen servabat opacum.
Uanc Sixtus quartus quondam a radicibus imis
Funditus evertit, qua nudo corpore Signum
EfTossum fuit et Tarpeio in monte locatum
Conservatorum dextra intra limina tectis
Aereus Aleides et clava notus abena.
S. 369. Die Kunst des fünfzehnten Jahriiunderts. Ausser Vasari (auf
den hier immer nach der flor. Ausg. mit Anmerk. von V. Marchese, G. u.
C. Milanesi, C. Piui, bei F. Lemonnier 1846 ff. verwiesen) kommen nament-
lich in Betracht des Anonymus Vita di Fil. Brunellesco (vgl. S. 370) mit der
des Baldinucci herausg. von D. Moreni, Flor. 1812, L. B. Alberti,
Ti*actat von der Architektur, lat. und ital., G. della Valle, Lettere Senesi,
R. 1782 ff., Francesco di Giorgio Martini, Trattato d'Architettura ed.
C. Promis, Turin 1841, die Urkundensammlungen von Joh. Gaye (Carteggio
iuedito d'Artisti, Flor. 1839 — 1840) u. G. Milanesi (Documenti dell* Arte Senese,
Siena 18.^)4 — 1856) nebst dem in anderen Sammlungen, der Bottari-Ticozz i-
sehen, der Gualandi sehen, bei Th einer u. A. Zerstreuten. — In die reiche
neuere Literatur einzugehn ist hier nicht der Ort. Die grosseren ital. Werke«
Lanzi, Rosini f&r die Malerei, Cieognara fUr die Sculptur, A. Ricci für
die Architektur, sowie Fr. Miliz ias Memorie degli Ai'chitetti, bieten ver-
hähnissmässig geringes Detail. Die teutsche Literatur hat vornehmlich Rumobr.
Kuglers Geschichte der Malerei und dessen von W. Lubke umgearbeitetes
Handbuch der Kunstgeschichte zum Behuf der Uebersicht, Jakob Burck-
hardts Geschichte der ital. Baukunst der Renaissauce (als erste Abth. des
IV. Bandes von Kuglers Gesch. der Baukunst, Stuttg. 1867) aufzuweisen
welche letztere einen ausserordentlichen Reichthum an Thatsacheu und An-
schauungen, oft etwas zu skizzenhaft, enthält. P er kins' Geschichte der Sculp-
tur war mir nicht zur Hand. Crowes und Cavalcaselles History of Paiot-
uig in Italy, Lond. 1864 — 1866, ist jedenfalls ein Fortschritt auch im Detail
der Forschung, wenn man gleich nicht überall zustimmen kann. Eine Menge
hiehergehöriger Nachrichten liefern die Papstbiographien mid übrigen ^etch-
zcitigen Historiker.
Für römisches Bauwesen (vgl. weiter unten über Pius H., Sixtus IV. u. s. w.)
speciell von Vasaris Biographien: Giuliano da Majano IV., 1, L. B. AI-
berti IV., 52, Baccio PintcUi (Pontelli) IV., 135, Francesco di Giorgio IV., 2M,
Bemardo Rosselliui IV., 220, Bramante VII., 124, Giuliano und Antonio da
San Gallo VII., 209; A. Ferri, L'Architettui-a in Roma nei secoli XV. e XM-,
R. 1867 (bis jetzt niu* die Zeit Sixtus' IV.); L. Pungileoni, Memoria intorao
alla vita ed alle opere di Douato o Donnino Bmmante, R. 1836; Pereier
und Fontaine, Palais, niaisous et autres edifices modernes a Rome, Paria
1798; Letarouilly, Edifices de Rome modenie, Paris 1825 — 1857, bride
Werke freilich fir das sechzehnte Jahrh. und die Folgezeit weit reicher als für
das fünfzehnte, was in der Natur der Saciic liegt, wie es denn in Ferri cris
Anmerkungen. 515
Palazzi di Roma und anderen ähnlichen Werken in noch grösserm Maaflse vor-
kommt Von besonderm Literesse, nicht fiir Kunstgeschichte allein, ist die
Saimnlung der Grabmale und Monumente des Quattrocento von dem Archi-
tekten A. Tosi, R. 1837 ff.
S. 373. Herstellung der Lateraukirche durch Martin V. Päpstl. Breve vom
1. Juli 1425, im vat Archiv, so viel ich weiss inedirt. «Martinus episcopus etc.
Dilectis filiis Anthouio Picardi ecclesic Saiicte Marie in campo Carleo de Urbe
rectori et Nicoiao Bellini civi romano salutem etc. Probata in magiiis
nostris et Romane ecclesie negotiis vestre fidelitatis integritas uos inducunt
(sie) ut nostra et ecciesiarum Urbis negotia devotioni vestre fiducialiter coni-
mittimus. Cum itaque Ecclesia Lateranensis, erga quam continue nostre cou-
siderationis oculos intendimus, propter ygnis incendia quibus pluries combusta
extitit, solo deformata permanet pavimento minime refulgens, Nos cupieutes ut
dicta ecclesia, que inter alias orbis ecclesias fidey et devotionis prerogativam
habere diguoscitur, omamento iuxta presentium temporum possibilitatem deco-
rata existat, vobis et cuilibet vestrum, ut a quibuscumque ecclesiis, capcUis
et locis ecclesiasticis campestribus tam intra quam extra dictam Urbem existen-
tibus desolatis et ruinam patieutibus marmores et lapides cuiuscunque generis
et ceteras alias res ad fabricam pavimenti dicte Lateranensis ecclesie pertinentes
tam per vos et quemlibet vestrum quam personas ydoneas ad id a vobis de-
putandas evelli, capi et exinde ad predictam ecclesiam Lateranensem libere et
impune et sine aliquo sacrilegii aut alterius culpc nota deduci facerc possitis,
quibuscumque privilegiis, indulgentiis ac constitutionibus apostolicis necnon
sacrorum canonum institutis et legibus in contrarium editis non obstantibus,
auctoritate apostolica tenore presentium hac vice dumtaxat usque ad perfectio-
nem dicte fabrice licentiam elargimur, volentes ac mandantes ut de huiusmodi
rebus tam per vos sive alteiiim vestrum deputandos predictis ab ecclesiis,
sicut permittitur, ruinam patientibus evellendis et capiendis et ad ecclesiam
Lateranensem deferendis nullo tempore a quoquam quovis modo aut quovis
quesito colore molestaii valeatis , irritum et inane decementes ex nunc , si aliter
per quoscunque quavis auctoritate seien tcr vel ygnoranter coatingerit atteroptari.
Nulli ergo omnino etc. nostre largitionis, voluntatis et mandati infringere etc.
Datmn Rome apud SS. Apost. Kai. lulii Pont, nostri a. YIU.«
Vom 17. Sept. 1426 ist ein Breve an Filippo di Jacobello Pepc einen der
Conservatoren zum Behuf der Zahlung von fünfundzwanzig Goldgulden an
Antonio di Giovanni genannt Quintaferia Aufseher der Arbeiten am Fussboden
und der Malereien. G. Amati, Notizia di MSS. dell' Arch. segr. Vat, im
Arch. stör. Ital. III. Ser. III. 1 , 194 , wo einige andere Notizen zur Kunst-
geschichte des fünfzehnten Jahrh.
S. 374. Gentile da Fabriano. Vasari IV. 152 (zugleich Vittore Pisa-
nello). Zahlungen für die lateranischen Fresken, fünfundzwanzig Goldguldeu
Monatsgehalt, vom J. 1427, bei Amati a. a. 0. 194. Vgl. Amico Ricci,
Memorie stör, delle arti della Marca d'Ancona, Macerata 1834, I., 145 ff.
(Joh. Gaye begann in den W. Jahrb. der Lit, Bd. 90, 91, einen leider durch
s. frühen Tod unterbroch. Aufs., worin die zahlreichen chronolog. und an-
deren Irrthümer des immer doch verdienstlichen Riccischen Buches verbessert
wurden.)
S. 375. Masaccio, Vasari m. 153.
S. 376. Antonio Filarete luid Simone, Vasari lü. 287.
S. 377. Nicolaus' V. künstlerische Thatigkeit, namentlich Giannozzo
Manetti, und nach ihm bei Vasari im Leben des Bemardo Rossellino und
33*
516 Anmerkungen.
anderwärts und bei Dom. Giorgi a. a. 0. In Bezug auf die Feterskircfae
(S. 381) s. oben Anm. zu S. 17. Dazu: H. v. Geymfiller, Notizen über die
Entwürfe zu St Peter in Rom, Carlsruhe 1868, besondere S. 8. (Dankens-
werthe aber zu kurze Nachrichten über die in der fior. Sammlung derUfBzien
vorhandenen Entwüife.) Anicische Grabkapelle oder Templum Probi (S. 382)
vgl. Bd. I. S. 690, 770, 813.
S. 383. Bemardo Rossellino. Vgl. Anm. zu S. 391.
S. 384. Fra Angelico da Fiesole, Vasari IV. 25; V. Marchese, Me-
morie dei piü insigiii pittori ec. Domenicaui, Flor. 1845, I. 211 — 349 und in
der Geschichte des Klosters von S. Marco. Benozzo Gozzoli, Vasari IV. 184.
S. 385. Piero della Francesca, Vasari IV. 13. Ueber Bramantino ebds.
und im Leben des Garofalo.
S. 386. Palast Francesco Orsinis bei S. Pantaleo. Adinolfi, La via
papale, 20 flf. Inschrift über der Hauptthüi*e: Francisci de Ursinis Urbis prac-
fecti filiorumque. Abbildung nach dem Umbau des Thurmes (von Piazza Na-
vona gesehn zur Linken) durch Antonio da Sangallo, nach einem Kupferstich
Israel Silvestres, bei Letarouilly, Notices historiques, 416. Der Palast
kehrte in den Besitz der Orsini zurück die ihn bis zum Aussterben der Linie
von Bracciano in der Person der berühmten »Princesse des Ursins« (1722)
behielten, worauf er an die Caracciolo-Santobuono von Neapel kam, wonach
die Irrthümer Beschreib, der St. R., m., 3, 404 zu berichtigen.
Wann die Pasquinstatue entdeckt ward, ist ebensowenig wie der Ort,
wahrscheinlich der Eingang zum Stadium Domitians (Piazza Navona) ge-
nau anzugeben. Vielleicht beim Bau Francesco Orsinis. Dann hätte ne aber
noch lange halb im Boden steckend als Nothbehelf für das mangelnde oder
schlechte Pflaster gedient, denn erst Cardinal Olivieri Carafa stellte sie im J.
1501 an der Seite von Piazza Navona auf, nach der Inschrift: Oliverii Carafia
beneficio hie sum anno salutis MDL Ei*st manche Jahre nachher wurde der
orsinische Palast — die Toire Orsina, nicht Torre Carafa — durch Antonio
Picconi da San Gallo ftir den Cardinal Antonio Ciocchi del Monte Oheim
Julius' in. (gestorben 1533 und in S. Pietro in montorio begraben) umgebaut.
(Die Darstellung bei L. Urlichs in seiner werthvollen Abhandlung: Ueber
die Gruppe des Pasquino, Bonn 1867, 3, konnte leicht zu dem Misverstind-
niss Anlass geben , es sei vorher geschehn.) Von diesem Cardinal del Monte
wurde die auf die Ueberschwemmung von 1530 (vgl. Buch VHI. vorlieg. Gesch.)
bezügliche Inschrift gesetzt. Zur Literatur über den Pasquin ausser ürliehs
F. Cancellieri, Notizie delle due famose statue di Pasquino e Marforio,
2. Ausg. R. 1855; Ds. im Mercato ec. 155 ff.; Beschreib, der St R. HI.
3, 399.
Die St. Jakobskirche zu Vicovaro. Aufriss und Details bei Litta, Fan.
Orsini. Vgl. das. Taf 22, 23. Inschrift über der Thüre:
Taliacodiadae. comites. Ursina. propago
Fimdavere. sacnim. devota. mente. sacellum
Hac. heres. Trani. pi*aesul. de. prole. loannes
Dive. lacobe. tibi, merita. pietate dicavit.
Vgl. Nibby, Analisi 111. , 485. Vasari, Leben Brunellescos (am Sehlus^
wo falschlich ein Simone genannt) DL, 241; Gaye, L, 204.
S. 389. Zwischen dem Monument des zu Ende 1417 verstorbenen Cardi-
nals Stefaneschi an welchem man »Magister Paulus fecit hoc hopus« liest, ^
den Werken für Pins 11. liegt allerdbigs ein Menschenaltcr, denn es ist kiuni
Aiiuicrkuugeii. 517
anzunehmen dass jenes Monument sehr lange nach des Cardinais Tode ent-
standen sein sollte, wie denn auch der Stil an ältere Vorbilder mahnt. Doch
stammen diese Werke wol von demselben Künstler, von welchem Antonio Fila-
rete i'edet und dessen Schüler um die Zeit von Pius'II. Tode schon namhafte
Bildhauer sein mussten. (Vasari, IV., 131 ff.)
S. 391. PiusII. in s. Beziehungen zu Siena. Gir. Gigli, Diario Sanese,
Lucca 1728, passim. Ueber Pienza Pius'II. Commentarien ; Rum oh r, Ital.
Forschungen, IL, 177 ff., Repetti, Dizionario della Toscana, L, 807, IV.,
190. — Ob Bemardo Rossellino oder Bemai*do di Lorenzo in Pienza u. s. w.
gebaut? Vasari, IV., 207, 223, C. Promis, Trattato d'Architettura di
Francesco di Giorgio, I., 9, 10 (vgl. Kunstblatt 1843 No. 9; die Promisscheu
Arbeiten über Francesco dt Gioi^io haben die Unhaltbarkeit jener des Pater G.
della Valle in den Lettere Senesi mid der älteren sieneser Localhistoriker
immer mehr dargethan) , Gaye, Carteggio inedito, L, 197, 21^» G. Milanesi,
Documenti dell' arte Senese, 11., 323, 324. — Bemardo di Lorenzo baute für
Paul n. den spätem Theil des Palastes von S. Marco (S. 396) , Contract vom
25. März 1466 bei Theiner, Cod. dipl., m., No. 386. Auch an der Kirche
S. Marco: Marini, Arch. pont, II., 199.
Gio. Antonio Campano dichtete auf Pienza folgende Distichen:
»Quae nova sublimi prosurgo Pientia coUe,
Causa mei quae sit nominis ipsa loquar.
Me Pius omatam templo murisque refectam
Esse Urbem volult quae fuit oppidulum.
Tecta suae gentis primis in moenibus aedes
Tangere marmoreum sidera iussit opus.
Addidit et nomen lectique e more senatu
Urbanos ritus et nova iura dedit.
At vos vicina quae surgitis oppida terris
Invidiae nihil est, nam tulit ipsa Pium.«
Am Bnmnen zu Pienza liest man: Pius PP. 11. MCCCCLXII. Am Dom:
A. D. MCCCCLXII. die XXIV. Augusti Pius ü. PM. templum a se cxstnictum
per Cardinalem Hostiensem consecravit et ante maioris frontem per se ipsum
uuxit. Franc. Maria Picol. epus hanc inscriptionem f. c. A. D. MDXCVII.
Die grosse Domglocke hat folgende Lischrift:
Parva fui nuper, qualis delubra deceret,
Et non urbani moenia pressa loci.
Mox Pius, ut templum constmxit et intulit urbem,
Quantam urbs atque aedes postulat esse iubet.
Ergo Pientinos si latius impleo campos,
Nimc urbi sed timc oppidulo sonui.
loannes Tofani de Senis fecit A. MCCCCLXUI.
Im Baptisterium liest man:
Hie duo pontifices sacri baptismatis undas
Patmus accepit et Pius inde nepos.
Die Canonisationsbulle der h. Caterina von Siena (S. 394) ist vom 29. Juni
1461. (Capecelatro, Storia di Sta Caterina da Siena, 477 ffl Daselbst
473 ffl latein. Dichtungen Pius' H. zu Ehren der Heiligen.) Darstellung der
Canonisation in Pinttuicchios Fresken in der Libreria des sieneser Doms. Ge-
such der Bewohner des Viertels von Fontebranda an die Gemeinde inbetreff
der Umwandlung des Hauses der Benincasa in ein Oratorium , vom 24. April
518 Anmerkungen.
1464, bei Milanesi a. a. 0. 11., 326. Andere hieher gehörige Urinmden bei
Regoli, Documenti relativi a Sta Caterina da Siena, S. 1859.
S. 398. Vellano von Padua, Vasari IV. 108. Die Statue Pauls E in
Perugia ist in der französischen Revohitionszeit eingeschmolzen worden.
Die bei Vasari im Leben Giulianos da Majano enthaltene Angabe,
derselbe habe für P. Paul II. »im ersten Hofe des Palastes von St Peter
die Loggien von Travertin mit drei Säulenordnungen« erbaut (TV., 4), hat lu
dem seltsamen Irrthum Anlass gegeben, es handle sich hier um den Hof von
San Damaso. Ein Irrthum in welchen Bottari verfallen ist und welchen die
neuesten florent Herausgeber des Vasari (1848) nicht aufgeklärt haben, ob-
gleich schon 1832 Platner in der Beschreibung d. St R., ü., 1, 295 dartui
hinwies, wie es sich hier um einen ganz andern Hof handelt welcher wthr-
scheinlich bei der Verlängerung des Langhauses der Basilika unter Paul V.
zerstört wurde. • Schorn in d. Uebers. des Vasari, U., 1, 293, ist dieser
Annahme gefolgt
S. 399. Mino da Fiesole, Vasari IV. 231.
S. 402. Sixtus' IV. Bau- und sonstige Kmistthätigkeit Vgl. Anm. zu
S. 369. Bauten: A. Ferri, L'Architettura in Roma u. s. w.; Gaye, Mitthei-
lungen aus einer unedirten Handschrift von Giovanni Santi Vater Raflbels,
Kunstblatt 1836, No. 86 — 88 (über Baccio Pontelli und Francesco dl Giorgio).
Eine Menge urkundlicher Nachrichten über kflnstlerische Untemehmongen
und in Rom vorgenommene Arbeiten von Sixtus IV. bis zu Paul HL geben
A. V. Zahns »Notizie artistiche tratte dair Archivio segreto Vaticano«
(Arch. stör. Ital. UI. Ser. VI. 1, 166 — 194), aber man kann nur m das
von dem fleissigen Mittheiler derselben geäusserte Bedauern einstimmen dass
die Acten und RechnungsbQcher der Curie so geringen Aufschluss fiber
die grossen Werke einer so thätigen und glänzenden Zeit geben, und mit
verhältnissmässig wenigen Ausnahmen niu* unbekannte Namen , statt der Archi-
tekten Maurermeister und Tischler, statt der grossen Maler Lieferanten von
Fahnen und Decorationen zum Vorschein kommen. Emige auf alte Monumente
(Marc Aurelstatue von deren Restauration S. 413 die Rede ist, Tabulariom
u. s. w.) bezügliche Nachrichten aus Sixtus' IV. Zeit hat Zahn in dem Biillet-
tino deir Ist. di comsp. arch. 1867, 197 ff. mitgetheilt Von der AufsteUung
antiker Werke im Coiiservatorenpalast im Jahre 1471 und der Wiedererrichtung
der Statue Carls von Anjou im Senatorspalast durch den Senator Matteo Tos-
cano aus Mailand im Jahre 1481 geben die unten . mitgetheilten Inschriften
Kunde.
Die Biographien bei Vasari, namentlich die der Architekten (a. oben),
sind sehr unvollständig und zum Theil verworren, Mängel denen die Lemon*
uiersche Ausg. soviel wie möglich aber keineswegs genügend abzuhelfen versucht
hat Sandro Botticelli V. 110, Cosimo Rosselli V. 27, Domenico Ghirltndyo
V. 60, Luca Signorelli VI. 136, Bartolommeo della Gatte V. 44, Picro di
Cosimo VI. 112, Melozzo da Fori! IV. 189, 198, Andrea Mantegna V. 157,
FUippino Lippi V. 242. üeber Pietro Penigino (Vasari VL 29 — B. Pin-
turicchio V. 264) und die umbrische Schule (S. 428—430) speciell A. Mariotti,
Lettere pittoriche Perugine 1788, B. Orsini Viu di P. Penigino 1804, und
Streitschrift gegen Mariotti, G. B. Vermiglioli, Memorie di Bemardino Pin-
turicchio, Perugia 1837. A. Mezzanottcs Buch über Penigino, ebda. 1836,
ist nur rhetorische Umschreibung bekannter richtiger und unrichtiger Dinge.
Ueber den ziemlich räthselhaften Morto daFeltre (S. 430) Vasari, IX. 106 ff,
Vermiglioli, Pinturicchio, 52 ff.
Anmerkungen. 519
Sto Spirito (S. 405) , A d i n o 1 f i , Portica , 19 1 ff Sixtinische Kapelle (S. 407),
Beschreibung der St. R., II., I, 245 ff. und alle Beschreibungen des Vatican.
Sta Maria del popolo (S. 408), J. Alberic i, Uistoriarum SS. Virginia Mariae
de populo Almae Urbis compendium, R. 1599. Dass Sixtus IV. zum Behuf
seiner Strassen- und a. Bauten den Uiiiversitätsprofessoren, den Plumbatoren
u. A. Gehaltsabzüge machte, ersieht man aus den Aktenstücken des J. 1474.
S. 410. Citadelie von Ostia. A. Guglielmotti, Della rocca d'Ostia
e delle condizioni deir architettura militare in Italia prima della calata di
Carlo Vm. , R. 1862 (aus Bd. XV. der Atti delF Accad. pont. d'Archeologia) ;
C. Ravioli, Notizie sui lavori di architettura militare det nove da Sangallo,
R. 1863; P. £. Visconti, Iscrizioui della rocca d'Ostia, im Giom. arcad.,
Bd. 139.
S. 414. La Magliana. L. Grüner und £. Platner, I Freschi della
Villa Magliana di Raffaelle d'Urbmo, London 1847 (vgl. Kunstblatt 1848,
No. 48); Nibby, Analisi, IL, 284.
S. 418. Giulianos della Rovere Wohnung neben der Kirche S. Pietro in
vincoli erhielt bei ihrer Restauration folgende Iiischrifl:
Pio IX. Pont. Maximo
Aedes luliani Roborei Card. tit. Petri ad vinc.
Temporum mvidia fatiscentes
loannes Vimercati comes sibi ad incolendum
Restituit auxit anno Christi
MDCCCLXIV.
S. 419. Zerstörung eines angeblichen Bogens des Gordianus beim esqui-
linischen Agger. Lucio Mauro, Autichita di Roma, R. 1556, 72; Nardiui,
B. IV. Kap. 2; (Massimo) Notizie istoriche della Villa Massimo, 11.
S. 423. Andrea del Verroochio, Vasari, V. 139, die Biüder Pollajuolo
ebds. 90. Es ist hier noch nicht der Ott Michelangelos speciell zu gedenken»
so dass die einfache Verweisung auf Hermann Grimms schönes Werk ge-
nügen möge.
S. 424. Goldschmied- und Niello- Arbeiten mit Bezug auf Rom. Va-
sari im Leben des Ghiberti, des Verrocchio, der Pollajuoli wo auch (V., 92)
über Finiguerra (über welchen überdies im Leben Marcantons, IX., 2.i6) und
über Gio. Turini (V., 104). Die Niellen der Zeit Pauls II., im Besitz des
Herzogs von Hamilton u. A. , bei Cicognara, Memorie spettanti alla storia
della Calcografia, Prato 1881, 59, 60, 75, 166. Daselbst über A. Pollajuolo
47 und über die Niellen Bessarions 44, 72. (Die gegen die Aechtheit mehrer
bei Cicognara beschriebenen und abgebildeten gi'ossen Niellen geltendgemachten
nur zu sehr begründeten Zweifel schreiben beim Gebrauch seines Werkes Vor-
sicht vor, was indess in obigem Falle keine Anwendung findet.)
S. 425. Päpstliche Münzen des fünfzehnten Jahrhundeits. Bonanni,
Numismata pontificum roman. a Martmo V. usque ad a. 1699, R. 1699. Ve-
uuti, Numismata rom. pont. praestantiora a Mait. V. ad Bened. XIV., R. 1744.
Garampi, Os8er\'azioni sul valore delle monete pontificic. Serie de' conj di
medaglie pontificie da Mart. V. a PioVU., R. Ib24. Urkunden bei (Vettori)
Fioriuo d'oro, 322 ff. G. Acami, Dell' origine ed antichita della Zecca pon-
tificia, R. 17.=»2.
Ueber die Medaillen und Medaillons des fünfzehnten Jahrhunderts, vgl.
Cicognaras Storia della Scultura und namentlich den Col asschen Tresor
de numismatique et de glyptiquae, welcher in seiner mittelalterlichen Abthei-
lung eine reiche Auswahl von Papstmünzen und Medaillen enthält. Man vgl.
520 Aiimerkuiigcu.
überdies Jul. Friedländers fleissige Abhandlungen : Welche sind die älteaten
Medaillen? Berl. 1857 (worin die Frage, ob die geprägten Medaillen oder
die gegossenen vorausgehn , zu Gunsten der ersteren entschieden und Pisanellos
bekanntes Medaillon Johannes Palaeologus' als das älteste mit sicherm Datum,
1438 — 1439, bezeichnet wird, da die von Vasari nach Paolo Giovio aufgeführte
Medaille Martins V. von Pisanello nicht existirt) und: Andrea Guacialoti von
Prato, Berl. 1857, ital. mit Zusätzen und Documenten von Cesare Guasti,
Prato 1862.
S. 426. Breve Sixtus' lY. an Costanzo Sforza, Rom 8. April 1488, aus dem
flor. Archiv, Urbinat. Abth. bei Ugolini, Conti e Duchi d'Urbino, IL, 530-
Ueber die pesareser Majoliken G. B. Passe ri, Istoria delle pitture in Majolica
fatte in Pesaro e ne' luoghi circonvicini, U. Aufl. mit Zusätzen von G. J. Mon-
tanari, F. Ranghiasci-Brancaleoni U.A., Pesaro 1857. Die bedeutend-
sten Majolicamanufacturen waren ausser Pesaro die von Urbino, Gabbio,
Castel Durante (Urbania). Ueber die Della Robbia vgl. Vasari 111. , 59 iL
Das hier gegebene Yerzeichniss der bedeutenderen Arbeiten in terra invetriau
macht selbst soweit Toscana in Betracht kommt, keinen Anspruch auf Voll-
ständigkeit. Auch der Catalog bei H. Barbet de Jouy: Les Della Robbia,
sculpteurs en terre emaillee, Paris 1855 (der historisch durchaus nichts neue«
bringt), ist sehr ungenügend.
S. 432. Schilderung der Stadt beim Anfang des sechzehnten Jahrh.
Literatur s. oben Anm. zu S. 3. — Leider enthält die Schilderung Arnold
von Harffs, der Rom gegen Ende des fünfzehnten Jahrh. besuchte (Pilger-
fahrt u. s. w. 14 — 37) , mit Ausnahme weniger gelegentlicher Bemerkungen Aber
kirchliche und a. Vorgänge nichts als die trockne Aufzählung von lürchen,
Reliquien, Indulgenzen und ähnlichem, im wesentlichen nach den Mirabilien-
Wegweisem.
S. 433. Piazza Navona. Cancellieri, II Mercato u. s. w. (s. oben Amn.
zu S. 386). Ein wahres Repertorium von Curiosen, freilich grossentheils aus
späterer Zeit Andrea Marianis (Urbis Romae Epigrammata, Bologna 1641)
Distichon auf den Markt:
»Circus agonalis nos nutrit, vitaque victum
Invenit in Circo, victus agone ventt«
Die Statuten enthalten eine Menge Bestimmungen über die Marktpolizei.
S. 434. Bei der Ausgrabung des Platzes vor der Rotunda wurde die
schone Porphyrwaime , der angebliche Sarkophag M. Agrippas gefunden welche
Leo X. unter dem Porticus des Pantheon aufstellen Hess , und die später zum
Grabmal Clemens XII. verwandt wurde.
Ueberschwemmungen des Tiber. Ludovicus Cannesius, De pro-
digiosis Tyberis inundationibus, R. 1531; G. Castiglione, Trattato del-
l'iuondazione del Tevere, R. 1599; F. M. Bonini, II Tevere incatenato, R 1663-
Die Gedächtnisstafel Girol. Zorzis von 1495 s. bei den Inschriften.
S. 442. Das römische Courtisanenwesen. Pietro Aretino in den Ca-
pricctosi e piacevoli ragionamenti , am vollständigsten in der Elzeviriana tob
16^:0. Ueber die Grechetta, Adinolfi, Via papale, 29; die Fiammetta, Ds^
Torre de' Sanguigni, 15 ff., wo auch das Testament von 1512, Doc. No. 3.
Von Mona Imperia, welche sich durch elegante Bildung ebenso wie durch ihre
Schönheit auszeichnete, wird noch im VIII. Buche dieser Gesch. die Rede sein.
Die Kinder der »donna libera« La Passarella und des Präfecten von Rom Fran-
cesco Orsini (vgl. Anm. zu S. 386) wurden von der Königin Johanna 11. wn
Neapel und Alfons von Aragon legitimirt. Zu diesen gehörte Giambatista Orsini
Aiiuierkungcu. 521
welchen P. Paul II. im J. 1467 nach Zacostas Tode zum Grossmeister der Johanni-
ter ernannte , als welcher er nach tapferer Vertheidigung von Rhodus im J. 1476
starb. Wo] das einzige Beispiel dieser Art bei einem solchen Ritterorden.
S. 445. Peterskirche. S. Anmerk. zu S. 17, 377, 381.
S. 453. Die von Lotario Conti erbaute Kapeile der Villa La Catena bei
Poli bewahrt zwei Fragmente der Musive der Tribüne imd der Fa^ade der
alten Peterskirche mit den Bildnissen Innocenz* IIL und Gregors IX. Dabei
folgende Inschrift:
Anno MDCXVin.
Innocentio m. fece nella tribuna
Di S. Pietro in Vatieano
Ritrarre di musaico la sua effigie
Con la colomba che nel punto
Della sua elezione
Si poso nella sua spalla
Eccoti questa sopra Taltare
£ Taltra a mano sinistra di esso
Et a mano destra Teffi^e di Gregorio IX.
La quäle era nella facciata della stessa chiesa
Donate a Lotario Conti Duca di Poli
In memoria del suo casato
La prima da demente Vin. Tanno MDLXXXXVI.
La seconda da Paolo V. l'anno MDCVI.
^ Quando gittorno in terra quello la tribuna
Et questo la facciata della detta chiesa.
S. 455. Mausoleum des Honorius — Kirche der h. Petronilla. Vgl. Bd. L,
S. 422, 764, 807, 816; G. B. de Rossi, Bullettino di Arch. cristiana, 1863,
53—56, 1865, 22, Roma sotterranea, I., 265— 267, 319— 321. Fünfundzwanzig
Jahre vor der Auffindung des Sarkophags der Kaiserin Maria, nämlich gegen
Ende November 1519, wurde in der Rotunde der h. Petronilla ein anderer
Sarkophag entdeckt, wahrscheinlich der des kaiserlichen Erbauers des Monu-
ments. Man findet die Notiz in den Diarien des Venetianers Marcantonio
Michiel unter dem 4. December gedachten Jahres. »Li giomi avanti cavando
nella capella del Re di Francia per fondar alcuni pilastri per la capella nuova
appresso la chiesa di S. Pietro (d. h. das Südende des Querschifib der neuen
Kirche welches den Raum des ehemaligen Mausoleums einnimmt) furono tro-
vate alcune arche antique, in una delle quali aperta fu trovata una vesta d'oro
awolta ad alcune ossa di qualche principe Christiane, come si pensavano,
pcrche non ci era lettera alcuna, con alcune gioie, cioe uno coUarino con una
*}• che furono stimate in tutto ducati 3000. Anzi alcuni orefici volsero dare a
Iiiliano Lena che aveva questo carico dal Papa li danari ditti della sola vesta,
perche il pontefice volse le gioie, benche molto guaste, e non le volse dare,
benche dappot fu scoperto non valere ducati 2000. Da la quäle speranza di
trovare andavano aprendo tutte queste sepoltui^e.« Und unter dem 23. d.M.:
»El tesoro che s'haveva trovato in Tarcha cavandosi nella capella del Re di
Francia riusci in libre otto d*oro cavato dalla vesta, et una coronetta ovver
gioia d'oro con alcuni smeraldi, et una crocetta di valuta in tutto di ducati 1000
o poco piü, chel Papa havea dato al capitolo di S. Pietro, che facesse una
cassa d'oro alla testa di Santa Petronilla.« E. Cicogna, Intomo la vita
e le opere di M. A. Michiel (aus Bd. IX. der Memorie deir Istituto Veneto),
Venedig 1861 , 48.
522 AumerkiiDgen.
S. 464. Leben des römischen Adels. Hochzeiten: C. Massimo, Me-
daglia di Franc. Massimo, 7 ff. nach einer Hs. Marcantonio Altieris. Mitgift
und Aussteuer: Constitution Sixtus* IV., bei The ine r, Cod. dipl-, III., No.405.
(Die Frauen gegen den Card. Latino: Fra Salimbene, Chronica, 54, 55.)
Ueber die Orshii und Piero de' Medici vgl. Jac. Pitti, Istoria Fiorentina
(Arch. stör. Ital., I., Flor. 1842), 27. Die Beschreibung -Ordine e magniü-
cenze dei Magistrati romani nel tempo che la Corte del Papa era' in Avignone«,
bei Muratori, Antiq. Ital., IL, 856, Manzi, Discorso sopra gli spetticoli
ec, R. 1818, 121 ff., P. E. Visconti im Giorn. arcad., CXLVIIL (vgl.
Anm. zu Bd. 11., S. 812) ist ohne Zweifel zu Anfang des siebzehnten Jahrh.
entstanden und soll von einem Mitgliede der Familie Muti herrühren. Die
Farbe dieser Schilderung ist beiweitem mehr die der spätem als der avignoni-
schen Zeit. Doch mag manche Aehnlichkeit obgewaltet, möglicherweise eine
authentische Aufzeichnung zugrunde gelegen haben.
S. 470. Das merkwürdige Polizeiedict inbetreff der Corsen vom September
1475, bei Theiner, Cod. dipl., IIL, 410. Beinahe zwei Jahrhunderte später
wurden die Corsen in Rom von einer andern nicht polizeilichen sondern poD-
tischen Maassregel betroffen.
INSCHRIFTEN.
-|- Grabmal Urbans VI.
Vadcanisehe Grotten. J. 1389.
Hac auimo magnus sapiens iustusq. monarcha
Parthenopeus adest Urbanus sextus in archa
Fervebat fidei latebras conferre magistris
0 decus bis fretus semper post pi*andia sistris
Schismatibus magnis animo maiore regebat
Omne simoniacum tanto sub patre tremebat
Quid iuvat hunc terris mortali tollere laude
Pro meritis caeli splendet sibi gloria valde.
-|- Grabmal des Card. Philipp von Alen^on.
Sto Maria in TrAStevere. J. 1397.
Franconim geuitus rcgum de stirpe Philippus
Alenconiades Hostie titulatus ab Urbe
Ecclesie cardo tanta virtute reluxit
Vt sua supplicibus iiimulentur marmora votis.
Anno milleno cum C quater abde sed I ter
OcGubuit qua luce Dei pia virgoque mater.
Thurm bei Santi Quattro.
J. 1420 -1431.
Hec quecumque vides veteri prostrata ruina
Obruta verbenis ederis dumisque iacebant
Non tulit Hispanus Carillo Alfonsus honore
Cardineo fulgens sed opus licet occupat ingens
Sic animus magno reparatque palatia sumptu
Dum sedet extincto Martinus scismate quintus.
Die mit -f bezrichneten Insrliriflen sind durch Veraehen im II. Bande ausgefallen, die mit
dem Zeichen * versebenen nicht mehr vorhanden.
526 Inschriften.
Grabmal des Giovanni Crivelli.
Sta Maria Araeeli. J. 1432.
Hie iacet venerabilis vir dnus lohes de
Crivellis de Mediolano archidiaconus Aquilegen
et c[aiitor] mediolui ac literar apostolicar
ii . . .. •
scptor et abbreviator. qui obiit a. d. M. CCCCXXXTT
die XXVIU. lulii pont 8. dm Eugenü pp. IV.
a[nno] II. cuius ania requiescat in pace. Amen.
Opus Donatelli Florentini.
Grabmal Martins V.
Lateran. J. 1433.
Martinus pp V sedit annos XITT
Mens III dies XII obiit an
MCCCCXXXI die XX febniarü
Temporum suorum felicitas.
Inacbrift im J. 1853 hinzugefügt.
Martini. V. R. P. i^onditorium
Marmoreis. emblematibus. omatum
Aeneo. occlusum. operculo
Simonis. Florentini. arte, caelato
Anno. MCCCCXXXXm
Pio. IX. pontifice. maximo
Reclusum. et opei*tum
E. tessellato. ecclesiae. pavimento
Huc. translatum. est
V. Id. Febr. MDCCCLIH
Thüre der Peterskircbe.
Um das J. 1440.
Sunt haec Eugenü monumenta illustria Quarti
Excelsi haec animi simt monumenta sui.
Iiischi'ifien. 527
Grabmal Eugens IV.
S. SaWatore in laaro (einst St Peter). J. 1447. (SpHtor errichtet.)
Urbs Venetum dedit ortum cui Roma urbis et orbia
Iui*a det optanti caelica regna Deus
Memoriae
Eugenii Uli.
Summi atq optimi pontificis
Hie in pace gravis in bellis pro Christi
Ecclesia impiger
In iniuriis patiens religiosonim amator ac in
Eruditos viros munificus
Concilii Basileensis insolentiam
Adversus pontificiam romanam potestatem
Concilio Florentiae eelebrato refrenavit ac {regit
In quo
loannes Paleologus Graeciae Imperator
Romanum caput agnoscens
Eins pedibus se multasq. extemas et remotas
Nationes humill. substravit
Cougregatio Canonicorum S. Georgii in Alga Yeuet.
Fwidatori religiosisaimo pietatis caussa p. c.
Santa Francesca Romana.
ConservatoreDpalast (gesetzt 1638).
DOM
Aetemae memoriae
B. Franciscae Bussiae de Fontianis
Eximia pietate ac romana nobilitate matronae
Quam pari virtutum et miraculorum gloria inter sanctos relatam veneratur
Orbis terrarum
Et sacrum eiusdem corpus fausto urbanae foeiicitatis auspicio
Urbano VIII pont opt max
In lucem publicam e loco abdito educi ac nobiliori tumulo inferri
Roma conspexit
S. P. Q. R.
Monumentum pü obsequii certissimum argumentum posuit anno saluiis
MDCXXXVni
Urbano Erasmo I. V. C.
Augustino Caballetto Coss.
Roderigo Cimenes
Aegidio Carduccio pr.
528 Inschriften.
*FoutaDa Trevi.
P. NicoUns V. J. 1453.
Nicolaus V. Pont max.
Post, illustratam. insignibus
Monumentis. Urbem
Ductum. aquae. virginis
Vetustate. collapsum
Sua. impensa. in. splendidiorem. cultum
Restitui. omarique. mandavit
Anno Domin. I. C. MCCCCLm
Pontificatus. VII
Grabmal Nicolaus' V.
Vatican. Grotten. J. 1455.
(Inschrift von Enea Silvio Piccolomini?)
Hie sita sunt quintl Nicolai antistitis ossa,
Aurea qui dedei*at secula Roma tibi.
Consilio illustris, virtutc illustrior omni,
Excoluit doctos doctior ipse viros.
Abstulit errorem quo schisma infecerat Urbem,
Restituit mores moenia templa domos.
Tum Bemardino statuit sua sacra Senensi,
Sancta lubilaei tempora dum celebrat.
Cinxit honoi'e caput Friderici ac coniugis aureo,
Res Italas arcto foedere composuit
Attica Romanae complura voliunina linguae
Prodidit: en tumulo fundite thura sacro.
Grabschrift Fra Angelicos da Fiesole.
Sta Maria sopra Minerva. J. 1455.
Hie. iacet. vene««. picto'. 5?. To. de. Ftö. ordTs. pdicato.
14LV.
Non mihi sit laudi quod eram velut alter Apelles
Sed quod lucra tuis omnia Christe dabam.
Altera nam terris opera extant altera coelo
Ürbs me loannem flos tuüt Etruriae.
Inschnften. 529
Sta Prisca.
P. CaUxtos III. J. 1455 — 58.
Prima ubi ab Evandro sacrata est Herculis ara,
Urbis romanae prima superstitio,
Post ubi stnicta aedes longe celebrata Dianae,
Structaque tot veterum templa pudenda deum,
Montis Ayentini nunc facta est gloria maior
Unius veri religione Dei.
Praecipue ob Priscae quod cemis nobile templum
Quod priscum merito par sibi nomen habet.
Nam Petinis id docuit populos dum saepe doceret,
Dum faceret magno sacraque saepe Deo,
Dum quos Faunorum fontis decaeperat error,
Hie melius sacra purificaret aqua.
Quod demum multis sese volventibus annis
Comiit, haud ulla subveniente manu,
Summus at antistes Calistus tertius ipsum
Extulit, omne eius restituitque decus,
Cui simul aetemae tribuit dona ampla salutis,
Ipsius ne qua parte careret ope.
Grabschrift Lorenzo Vallas.
J. 1457. S. Johann im Lateran.
(Gesetzt 18 . . von Francesco CanceUieri.)
Salve rex linguae Laurenti Valla latinae,
Cultor in hac ipsa iam tuus aede iacet.
Virginia in cella superas quae traxit ad auras
Bisseno sacras sidere cincta comas:
Donec tecum una postrema luce resurgens
Felix caelestes possit adire domos.
T. Bcumont, Kom. lU. 34
530 luschrifteii.
• Grabmal Pius' IL *)
Andreaskirche im Vatican. J. 1464.
Pius n. Pont. max. natione Hetruscus patria Senensis
Gente Picolominea sedit ann. VI. brevis pont.
Ingens fuit gloria conventum christ pro fide
Habuit oppugnatoribus Rom. Sedis intra atque
Extra Italiam restitit Catharinam Senensem inter
Sa. Christi retulit Pragmaticam in Gallia abrogavit
Ferdinaadum Arrag. in regem Siciliae eis fretum
Restltuit Rem Eccies auxit fodinas inventi tum
Primum aluminis apud Tolpham instituit cultor
lustitiae et religionis admirabilis eloquio vadens
In bellmn quod Turcis indixerat Anconae
Decessit ibi et classem paratam et ducem
Yenetorwn cum suo senatu commilitones Christi
Habuit relatus in Urbem patrum decreto est
Hie conditus ubi caput Andreae apostoli ad
Se ex Peloponneso advectum collocari iusserat
Yixit annos quinquaginta octo menses novem
Dies XXVII. Franciscus Cai'dinalis Senensis avun-
culo suo sanetissimo fecit MCDLXTV.
Grabmal Card. Nicolaus' von Cusa.
S. Pietro in yincoli. J. 1464 (1465).
Qui iacet ante tuns Nicolaus Petre catenas
Hoc opus erexit cetera mannor habet.
MCCCCLXV.
Nicolaus de Cusa Treveren. Sancti Petri ad vincula
Cardinalis Brixinen. epus. Tuderti obüt 1464 XI
Augusti. Ob devocionem cathenarum Sancti Petri
hie sepeliri voluit
Dilexit Deum timuit et veneratus est et Uli soll
servivit. Promissio retribucionis non fefellit cum.
Vixit annis LXIE.
*) Die heute in S. Andrea della Valle befindliche . Ton Aleasandro Peretti Cwdiial re«
Montalto im Jahre 1623 gesetzte InBchrifIt ist im wesentlichen dieselbe, in einigen Eintdbeitn ,
und am Schlüsse yerschieden.
Inschriften. 531
Grabmal Card. Juan Torquemadas.
Sta Maria iop?a Minerra. J. 1468.
F. loanni Hispano Yallisoletano
£x vetere pura nobilique familia
De Turrecremata
Ordlnis Praedicatonim
S. R. E. Cardinali Episcopo Sabinensi
Pietate ac doctrina clarissimo
Multis legationibus egregie functo
Beatae Virginia annunciatae
Sodalitas
Auetori 8U0 posuit
Obiit Romae VI. Kai. Octobris
An. Domini MCCCCLXVm
Aetatis vero suae LXXX.
* Inschrift Card. Richard Oliviers de Longueil
Bischofs von Coutances.
Palast des Erzpriesters von St. Peter. J. 1470.
Quam bene stare vides quondam diaiecta iacebam
Et decus hoc facies fert modo culta novum.
Riccardus Normanna tuus Conatantia praesul
Cardineae stnixit gloria magna togae
Presbiter et Veneto Paulo regnante secundo
Primus in hac sede qui fuit ecclesiae.
MCCCCLXX.
34
532 LischriA«u.
Sammlung antiker Bildwerke durch Sixtus IV.
ConservatorenpalMt J. 1471.
Sixtus Uli. Pont. max.
Ob immensam benignita
tem aeiieas insignes sta
tuas priscae excellentiae
virtutisque monumen
tum romano populo
unde extorte fuere resti
tuendas condonandaa
que censuit
Latino de Ursinis cardina
li camerario administra
nte et lohanne Alperino
Phil. Paloscio Nicoiao Pi
nciaronio Vrbis conser
vatoribus procuratibus
Ano salutis nostre MCCCC
LXXI. XVni. Kl. lanuar.
Grabschrift Cardinal Bessarions.
SS. ApostoU. 1472. (1466.)
TOYT' ETI BHSAPIQN ZQN ANY2A ZQMATI ZHMA
HNEYMA AE <I>EY£EITAI HPOS GEON AOANATON.
Bessario episcopus Tusculanus
Sanctae romanae ecclesiae cardinalis
Patriarcha Constautinopolitanus
Nobili Graecia ortus oriundusque
Sibi vivens posuit
Anno salutis MCCCCLXVI.
Grabmal des Card. Niccol6 Forteguerri.
Sta Cecilia. J. 1473.
Nicoiao Pistoriensi cognomento Fortiguerra
S. Caeciliae presbytero card. expugnato Fano
Superata Flaminia devictis Sabinis Eversaiiisq.
Hostibus de ecciesia benemerito fratres
Pientissimi faciundum curarunt is ut fortis
Invicti ita domi sententiis dicendis gravis et
Constantis animi est habitus
Vixit an. Lim. nienses U. dies XIIII. MCDLXXUI.
luschriftcii. 533
Ponte Sisto.
1475.
MCCCCLXXV
Qui transis Xysti Quarti beneficio
Deum roga ut pontificexn optimum maximum
Diu nobis salvet ac sospitet
Bene vale quisquia es ubi haec precatus
Fueris.
* Xystus IUI. Pont, max
Ad utilitatem P. Ro. peregrineque multitudinis
Ad lubileum venture pontem
Hunc quem merito niptum vocabant
A fundamentis magna eure et impensa restituit
Xystumque suo de nomine appellari
Voluit
Alte Vaticanische Bibliothek.
J. 1475.
Templa domum expositis vicos fore moenia pontes
Yirgineam Trivii quod repareris aquam,
Prisca licet nautls atatuas dare commoda portus
Et Vaticanum cingere Sixte iugiun.
Plus tarnen Urbs debet: nam quae squallora iacebat
Cernitur in celebri Bibliotheca loco.
Via Sistina der Leostadt
J. 1475.
Quam bene Sixtma haec quae praeter fluminis undas
Auctoris meruit nomen habere sui.
Haec Mariae quae templa dedit via tramite recto
Fecit ut Petri sedibus esset iter.
Sixte tuum munus iam nunc Sixtina vocari
Roma potes, minus est condere quam colere.
534 iDschrifteu.
Castell von Subiaco.
J. 1476.
Divo Benedicto
Rhodorious Borgia Eps Portaen Card
Valentiiius S R £ Vicecancel Callisti III
P M nepos ad securitatem xnona
chorum oppidorumque totias tractus
Sublaqueen proximosque fines imperii Ro
manae eccieaiae tutandis haue arcem
vetere coUabente detruncatis undique
rupibus aubducto rudere propognacu
lis temo murali ambitu dUtinctis ad
ditia cisterniB tormentiaque bellicis et
insuper tutelari turri gentia suae
cognomento Borgia appdlata immenso pari
que magnitudini sui animi impendio a fiind
erexit dicavitque
A. 8. MCCCCLXXYI sedente
Xisto IV p m
Grabmal des Card. Ammanati.
Sant* AgosÜno. J. 1479.
Lttca ortu Sena lege fuit mihi patria nomen
Dum vixi lacobus mens bona pro genere
Papa Pius sedem Papiensem detulit idem
Cardineo omavit munere genta domo
Vivite qui legitis caelestia quaerite nostra haec
In cinerea tandem gloria tota redit
Obiit apud Laurent.
Vulainien. an. aal.
MCCCLXXIX X aeptemb.
In Urbem relatua
Pia famllia domeatica proaequente
Et hie conditUB
Xy9Ü inL Pont. maz. beneficio
Vix. an. LVII mena. VI d. 11.
Lischrüteu. 535
Inschrift des Senators Francesco degli Scannasorici.
Consarratorenpalast. J. 1480.
De Scanna surcis miles coguomen avitum
Franciscus duxi patria Parthenope
Sex menses annumque dedi bona iura Senator
Que dederat Sixtus inclita sceptra tuli.
A. MCCCCLXXX
Aprilis die X.
* Statue Carls von Ai\jou
im Senatorspalast wiederaofgestellt J. 1481.
Ule ego preclari tuleram qui sceptra senatus
Rex Siculis Carolus iura dedi populis
ObrutuB heu iaculis saxis fumoque dedenmt
Hunc tua conspieuum tempora Sixte locum
Hac me Matheus posuit Tuschanus in aula
Et patriae et gentis gloria magna sue
Is dedit et populo post me bona iura Senator
Insignifi titulis dotibus atque animi.
Anno Domini MCCCCLXXXI. m. semestri.
Campo di fiore.
J. 1483.
Quae modo putris eras tolenti sordida caeno
Plenaque deformi Martia terra situ,
Exivit hanc turpem Sixto sub principe formam,
Omnia sunt nltidis conspicienda loci«.
Digna salutifero debentur praemia Sixto:
O quantum est summo debita Roma duci.
Via Florea
Baptista Archionius ) ^ . i ^. •. joo
T j ' -^M I curatores viarum anno salutis 14oo.
Ludovicus Marganus )
536 Inschinflen.
* Inschrift des Senators Lodovico Orei von Forli.
Senatonpalast. J. 1483.
Ter Septem menses Sixto regnante Senator
Romulidas rexit non sine laude prpbus
Ursia progenie titulo Ludovicus equestri
Insignis Livi natus in urbe tua
Signa viri sunt haec ursus tria sidera pinus
Dos animi bonitas cum pietate fides.
Claro viro nimium coniunx Victoria debes
Quod generis renovet signa vetusta tui.
Prisca senatorem viderunt saecula Carlum
Urbs quem de Lapis clara Cesena dedit.
MCCCCLXXXm.
Grabmal Sixtus' IV.
St. Peter. J. 1484.
Sixto quar. Pont. max. ex ordine minonun doctrina
Et animi magnitudine omnis memoriae principi
Turcis Italia summotis auctoritate sedis aucta
Urbe instaurata templis ponte foro viis bibliotheca
In Vaticano publicata lubileo celebrato
Liguria Servitute liberata cum modice ac piano
Solo condi se mandavisset
lulianus cainlinaUs patruo b. m. maiore pietate
Quam impensa f. cur.
Obiit idibus Sextil. hora ab occasu quinta an. Chr. MCCCLXXXIin
Vixit annos LXX dies XXII horas XTT.
Castell von Ostia.
Cardinal della Rovere. 1486.
lulianus. Saonas. Card. Ostien. aleae
Mar. excipiend. ergo. pro. q. agro. r
Servan. Ostia, q. munien. Tyb. q. orib
Tuend, arcem. quam. Xysto. IUI. pont
Max. patruo. s. coep. success. Innocentio
Vm. P. M. amne. ducto. circum. sua
Impensa. a. fund. absolvit
An. human, sal. MCCCCLXXXVI
Ab. Ostia, con. MMXCV
21
Ab. Anco. urb. auct ZCXXIX
Inschriften. 537
Grabmal des Card, de La Balue.
Sto Prutede. J. 1491.
Deo opttmo maximo
loanni Andegarensi epiflcopo Albanensi
Hie heros prospera et adversa varia ubus
Fortuna in Piceno sub Innocentio
VUL legatos agens septuagenarius
Gloriose obiit infelicitatis humanae et
Felicitatis exemplum memorabile
Antonius episc. veteris amicitiae memor
posuit.
Grabmal Innocenz' VIII.
St. Peter. J. 1492 (neu errichtet J. 1621).
Innocentio YIIL Cibo P. M. Italiae pacis per
petuo custodi novi orbis suo aevo inventi
Gloria regi Hispaniarum catholici nomine
impo^ito crucis sacrosanctae invento titu
lo lancea quae Christi hausit latus a Ba
iazete Turcarum imp. dono missa aetemum
insigne monumentum e veteri basilica
huc translatum Albericus Cibo Malaspina
Princeps Massae Ferentilli dux marchio Car
rariae etc. pronepos omatius augustiusq.
posuit anno Domini MDCXXI.
* Inschrift Card. Lorenzo Cybos.
St. Peter. Kapelle Sta Maria de conventa. J. 1495.
Genitrici Dei Mariae
A Gregorio III. Pont max. antea positum et dedicatum
Innocentius VHI Cybo lanuensis Pont. max.
Laurentio nepoti S. Caeciliae presb. card. Beneventano
A fundamentis renovandum
Supraque femun quo patuit latus Salvatoris
Sanctitati suae Bisantio missum
A Baiazethe maximo Turcarum tyranno
Asservandum reliquit Anno Domini MCCCCXCV.
538 Iiischnfteu.
Tiber - Ueberschwemmung.
Via dd paradiso. J. 1495.
Alexandro Sex. Pont.
Max. Tibris hoc signü
undis invasit Hiero
nymufl Georgias
YenetuB orator in
Urbe poBuit Deceb.
quinto MCCCCLXXXXV.
Rundtempel von S. Pietro in montorio.
J. 1502.
B. Petri apostolorum principis
Marlyrio sacnun
FerdmanduB rex Hispanianim
Et EUsabetha regina catholici
Post erectam ab eis aedem posnere .
Anno salatis MDII.
Apostolorum principi
Philippus m. Hispanianun rex
Tholum huiusce sacelli vetustate
CoUabentem diligentia
Omatissimi viri loannis Femandez
Paceco Marchionis Villenae piam
Operis anti memoriam hereditaria
Religione renovavit MDCV,
CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
VOM JAHRE 1420-1503.
Vn. AUSBILDUNG DER PAPSTLICHEN MONARCHIE.
L WIEDERHERSTELLUNG GEISTLICHER UND WELTLICHER MACHT.
Jmhr.
1420
1421
1422
1423
1424
1425
28. September P. Martins V. Ankunft in Rom.
Zerwürfnisse im Königreich Neapel zwischen Johanna II. und
ihrem Adoptivsohn Ludwig III. von Anjou. Unterhandlung
P. Martins mit Ludwig III. Adoption Alfons* von Aragon durch
Johanna IL Sforza Attendolo.
Giordano Colonna Herzog von Amalfi und Venosa zum Fürsten
von Salemo ernannt.
Alfons von Aragon in Neapel. Kampf der anjouschen und ara-
gonischen Partei. Braccio da Montone Fürst von Capua, Graf
von Foggia und Grossconnetable von Neapel.
Bemhardin von Siena in Rom.
Versuch einer Annäherung zwischen Martin V. und Alfons von
Aragon. Uebei'wiegen der Aragonesen in Neapel. Ludwig HL
in Rom.
Braccio da Montone in Perugia, gegen Cittii di Castello.
Ueberschwenmaung in Rom.
Concilsversuch in Pavia dann in Siena.
Zerwürfniss zwischen Johanna IL und Alfons von Aragon. Sforza
für Johanna. Neue Adoption Ludwigs III. von Anjou. Braccios
da Montone Heerzug gegen Aquila. Päpstliche Truppen unter
Lodovico Colonna mit denen der Königin vereint unter Sforza
zum Entsatz Aquilas.
4. Januar Sforzas Tod. Belagenmg von Aquila. 2. Juni Sieg
Francesco Sforzas und Jacopo Caldoras über Braccio da Mon-
tone und Jacopo Piccinino. Braccios Tod in Aquila, seine
Leiche nach Rom gebracht.
Wiedereinnahme der umbrischen Städte.
Antonio Colonna Fürst von Salemo.
Pedro de Luna, Benedict Xlll. , stirbt in Paniscola. Gü Sanchez
de Miinoz als Gegenpapst Clemens VIII.
Krieg in der Romagna zwischen den Florentinern und Filippo
Mana Visconti Herzog von Mailand.
Paliano und Serrone im Besitz der Colonna,
542
Chronologische Uebersicht.
Jilir.
1425
1426
1427
1428
1429
1430
1431
Wiederherstellung von St Johann im Lateran.
Martin V. FriedensvermitÜer zwischen Filippo Maria Visconti und
Venedig.
Niccolo Albergati und Giuliano Cesarini zu Cardinalen ernannt
Rocca di Papa, Nettuno, Astura im Besitz der Colonna.
Leonardo Bruni von Arezzo, vormals päpstl. Geheimschreiber,
als florentin. Gesandter in Rom. (Stirbt 1444 als florentin.
Kanzler.)
Friedensunterhandlungen in Ferrara. Card. Albergati Lßgat
Pandolfo Malatesta von Rimioi stirbt
Gentiles da Fabriano und Vittore Pisanellos Wandmalereien in
der Laterankirche. Spätere in Sta Maria nuova (Sta Fran*
cesca Romana).
Aufstand in Bologna. Päpstliche Truppen unter Ladislao Gmoig^
von Lucca.
Tod Carlo Malatestas Herrn von Rimini und Malatesta Malatestas
Herrn von Pesaro.
Unterwerfung von Bologna, Fermo, Citta di Castello.
Ende des Schismas. Abdankung Clemens' VIII. Cardinal Pierre
de Foix.
Hospiz der Apothekerzunfb bei S. Lorenzo in Miranda.
Unterwerfung von Borgo San Sepolcro, Cervia, Osimo, Pergola,
Fano, Senigallia und anderen malatestaschen Ortschaften.
Hospiz von Sant' Antonio de' Portoghesi.
Schilderung Roms durch Poggio Bracdolini.
— In Martins V. Zeit Neubau von S. Lorenzo in Ludna und
des anstossenden Cardinalspalastes, Herstellung von Santi
Quattro u«8.w. Malereien, angeblich von Masaccio, in S. de-
mente.
19. Februar. Tod Martins V.
3. März. Eugen IV. Gabriel Condulmer von Venedig, StifU-
herr von S. Giorgio in Alga, Cardinal von S. demente 1408.
Grabmal in S. Salvatore in lauro.
Streit mit den Colonna wegen des päpstlichen Schatzes. Die Co-
lonna, Savelli, Caetani verlassen Rom. 23. April Ueberfall der
Stadt durch Antonio Fürsten von Salemo und Stefano von
Palestrina. Niederrcissung der colonnaschen Häuser. Kampf
in der Campagna. Giovanni Vitellescfai von Cometo Bischof
von Recanati Commissar der päpstlichen Truppen.
Kampf gegen den Präfecten Giacomo di Vico.
20. Juni. Entdeckung einer Verschworung in Rom zu Gunsten
der Colonna.
23. Juli. Eröffnung des Concils zu Basel. Cardinal Giuliano
Cesarini. (12. November — 18. December Decrete Ober die
Verlegung des Concils nach Bologna.)
-22. September. Vergleich mit den Colonna.
Chronologische Uebersicht. 543
Jahr. I
1431 König Sigmund in Italien. 25. November Lombardische Königs-
krönong in Sant' Ambrogio zu Mailand.
WiederhersteUung der romischen Universität. (Local bei Sant'
Eustachio.)
1432 Zerwürfniss zwischen Eugen IV. und dem baseler Concil. Appel-
lation an einen besser unterrichteten Papst und Aufforderung
zu personlichem Erscheinen.
Konig Sigmund in Lucca und Siena.
1433 Unterhandlungen zwischen Eugen IV. , Konig Sigmund imd dem
Condl.
Filippo Maria Viscontis Parteinahme fiir das Concil gegen den
Papst Eroberung der Mark Ancona durch Francesco Sforza.
30. April. Neues Abkommen zwischen Eugen IV. und den Colonna.
21. Mai. K. Sigmund in Rom. 31. Mai Kaiserkrönung Sig-
munds von Luxemburg. 14. August Des Kaisers Abzug von
Rom. (11. October Ankunft in Basel.)
25. August. Niccolo Fortebracdo della SteUa mailandischer Con-
dottiere in der Campagna. Einnahme von Subiaco und Tivoli.
Verheerung der nächsten Umgebung Roms. Bedrängniss der Stadt«
15. December. Eugens IV. Vergleich mit dem Concil mittelst An-
erkennung der Rechtmässigkeit und Continuität der Versamm-
lung imd Rücknahme der Verlegungsdecrete.
Ciriaoo PizzicoUi von Ancona in Rom.
1434 25. März. Die Mark Ancona Vicariat für Francesco Sforza.
Niccolo Picdnino mit mailändischen Truppen in Umbrien.
Streifzüge Fortebraccios bis zu den Thoren Roms.
29. Mai. Aufstand in Rom. Republikanische Regierung. 4. Juni
Flucht Eugens IV. nach Ostia dann nach Pisa. 23. Juni An-
kunft in Florenz. Florentinische Staatsumwilzung. Cosimo
de* Medici an der Spitze der Republik.
Kampf in der Campagna und im Patrimonium. Sieg Francesco
Sforzas über Piccinino und Fortebracdo bei Vetralla. Vergeb-
liche Belagerung der für den Papst aushaltenden Engelsburg
durch Fortebracdo. Elend in Rom.
26. October. Sieg der päpstlichen Partei in Rom. Giovanni
Vitelleschi päpstlicher Bevollmächtigter.
I Tommaso von Sarzana (Nicolaus V.) mit dem päpstl. Hofe in
! Florenz.
1435 i 2. Fehruar. Tod Johannas II. Königin von Neapel, der letzten
des Hauses Anjou-Durazzo. Thronstreit zwischen Alfons von
Aragon und Ren^ von Anjou, Bruder des im Jahre 1434 ge-
storbenen Ludwig III. (Belagerung von Gaeta durch Alfons;
5. August Seeschlacht bei den Ponzainseln, K. Alfons von den
Genuesen besiegt und gefangen, durch Filippo Maria Visconti
wieder in Frdheit gesetzt.) Versuch Eugens IV., Neapel als
hdmgefallenes Lehn einzuziehn.
544 Chronologische Uebereicht.
Jahr. I
1435 I Krieg Giovanni Vitelleschis mit dem Prafecten. Giacomo di Vico
28. September in Soriano enthauptet Auflosung des Prafectur-
staats.
Vergleich zwischen Eugen IV. und Filippo Maria Visconti
! Fortwährende Opposition des Concils gegen den Papst Auf-
I hebung der Annaten und Expectationen.
1436 Francesco Orsini Graf von Tagliacozzo Präfect von Rom.
18. April. Eugen IV. geht von Florenz nach Bologna.
I Kampf in der Campagna. Giovanni Vitelleschi Erzbischof von
I Florenz und Patriarch von Alexandria gegen Antonio da Ponte-
dera, die Colonna und ihre Anhänger. Eroberung von Ponte
Lucano, Borghetto bei Marino, Rocca Priora, Castel Gandolfo.
Albano, Castel Savello. 15. Mai Sieg Vitelleschis bei Pipemo.
, 18. August Einnahme von Palestrina nach, dem Fall von Zaga-
! rolo, Gallicano, S. Gregorio , Citta Lavigna. 29. August
! Triumpheinzug Vitelleschis.
' BeschlQsse des Concils über Cardinalat, Condave, Wahl, Eid
! u. s. w. des Papstes.
1437 20. März. Zerstörung von Palestrina durch Vitelleschi. (Palast
Vitelleschi in Cometo.)
31. Juli. Vorladung des Papstes durch das Concil.
9. August Vitelleschis Erhebung zur Cardinais würde.
1. October. Verlegung des Concils von Basel nach Eerrara.
9. (?) December. Tod Kaiser Sigmunds zu Znaim in Mähren.
Erweiterung des portugiesischen Frauenhospizes zu S. Antonio.
24. Januar. Suspension des Papstes durch das baseler Concil.
Concil zu Ferrara. 15. Februar Zweite Sitzung in Gegenwart
Eugens IV. 4. März Ankunft des griechischen Kaisers Jo-
hannes Palaeologus.
29. April. Königswahl Albrechts IL von Habsburg.
Pragmatische Sanction für die gallicanische Kirche.
Tod Cardinal Giordano Orsinis. Vermächtniss seiner Bibliothek
an die Peterskirche.
Januar. Eröffnung des Concils zu Florenz.
4. Februar. Zerstönmg von Zagarolo durch Vitelleschi.
26. März. Annahme der baseler Reformdecrete in Teutschland
Neutralität der Reichsstände.
25. Mai. Absetzung Eugens IV. durch das baseler Condliabalum.
6. Juli. Vereinigung der orientalischen mit der römischen Kirche
auf dem Concil zu Florenz. Bessarion Erzbischof von Nicäa
Cardinal.
27. October. Tod K. Albrechts 11.
30. October. Herzog Amadeus von Savoyen Gegenpapst Felix ^ .
I Erbauung von Sant' Onofrio auf dem Janiculum.
1440 1 2. Februar. Friedrich III. von Habsburg teutscher König.
I 18. März. Gefangennehmung Cardinal Vitelleschis durch Antonio
1438
1439
Chronologische Uebersicht 545
Jdw.
Bido CasteUan der Eogelsburg. 2. April Vitelleschis Tod.
•Lodovico Scarampi Mezzarota päpstlicher Statthalter, Erzbischof
von Florenz, Patriarch von Aquilcja; 22. Juni Cardinal von
I S. Lorenzo in Damaso.
1440 I 29. Juni. Sieg der Florentiner und der päpstlichen Truppen bei
Anghiari über Niccolo Piccinino Feldhauptmann Filippo Maria
Viscontis.
Tod der h. Francesca Romana.
I Eherne Thüre von St. Peter von Antonio Filarete und Simone
I von Florenz vollendet.
1441 ! Kampf im Königreich Neapel zwischen Alfons von Aragon und
Rene von Anjou. Parteinahme Eugens IV. filr Ren6.
Ravenna im Besitz der Venetianer. Ende des Hauses Da Polenta.
Tod Niccolos von Este Markgrafen von Ferrara. Lionello von
Este.
1442 Einnahme von Neapel durch Alfons von Aragon.
Eugen IV. gegen Francesco Sforza.
Herstellungsai'beiten am Pantheon. Ausgrabung des vor der Kirche
liegenden Platzes.
1443 I Verständigung zwischen Eugen IV. und Alfons von Aragon.
7. März. Eugen IV. geht von Florenz nach Sicna. 28. September
Einzug in Rom. Erofinung des lateranischen Condls.
Ende des baseler Conciliabulums.
Tod Cardinal Niccolo Albergatis.
1444 Krieg in der Mark zwischen den Päpstlichen und Francesco
Sforza.
10. November. Schlacht bei Vama. Tod König Wladislaws von
Polen Regenten von Ungarn und des Cardinais Giuliano Cesarini.
1445 Alessandro Sforza Herr von Pesaro.
1446 Enea Silvio Piccolomini Gesandter Friedrichs III. in Rom, nach
Abschluss eines Vergleichs in den kirchlichen Angelegenheiten
Teutschlands. (Juan de Carviyal, Td^nmaso da Sarzana, Nico-
laus von Cusa.)
Herstellung mehrer Kirchen, Brücken, des vatican. Palastes u. s. w.
1447 ! 6. Februar. Bestätigung des Abkommens mit Teutschland durch
Eugen IV. 23. Februar Tod Eugens IV.
6. März. Nico laus V. Tommaso Parentucelli von Sarzana,
Bischof von Bologna, Cardinal von Sta Susanna 1446. Grab-
mal in den vaticanischen Grotten.
Abkommen zwischen dem Papst und Francesco Sforza. Beruhi-
gung des Kirchenstaats durch Vergleich mit den Vicaren und
Städten.
13. August Tod Filippo Maria Viscontis. Ambrosianische Re-
publik (bis 1450).
Aschaffenburger Concordat
Musenhof Nicolaus' V. Eifrige Bemühungen zu Gunsten der
T. Benmont, Rom. IIT. 35
546 Chronologisclie Uebersichr.
Jahr.
classischen Literatur. Griechische Studien. Anlage der vati-
I canischen Bibliothek. Giovanni Tortelli Bibliothekar. »
1447 Biondo Flavio von Forli päpstlicher Geheimschreiber vollendet
seine Roma instaurata. (Stirbt 1463.)
Bauten zur Vergrösserung des vaticanischen Palastes.
Fra Angelico da Fiesole, von Eugen IV. nach Rom berufen, malt
im Vatican in den Kapellen des Sacraments und des h. Lau-
rentius. Benozzo Gozzoli in Rom.
1448 ' Ansteckende Krankheit in der Romagna und in Rom. Predigten
und Bussübungen Fra Robertos da Leoce.
Lorenzo Valla apostolischer Scriptor.
1449 Fortdauer der Seuche in Rom.
Verzichtleistung Felix' V., des letzten Gegenpapstes.
San Salvatore in lauro. (Stiftsherren von S. Giorgio in Alga.)
Aldo Pio Manuzio zu Bassiano im Volskergebirge geboren.
1450 Fünftes (sechstes) Jube^ahr. Unfall auf der Engelsbrücke. Er-
bauung von zwei kleinen Kapellen am Aufgang zur Brücke.
Längere Anwesenheit des Papstes in der Mark Ancona. (Bauten
in Fabriano und an anderen Orten.)
Francesco Sforza Herzog von Mailand« Borso von Este Mark-
graf von Ferrara.
Anfang des Neubaus der Peterskirche. Bemardo Rossellino.
Zerstörung der Grabkapelle der Anider. Beschreibung der
Peterskirche von Maffeo Vegio.
Herstellung der Acqua Vergine. Fontana Trevi. Umfassende
Ausbesserung der Mauern und Thürme. Restaurationsarbeiten
am Senatorspalast Neubau von Sto Stefano rotondo und
S. Teodoro. Päpstliche Wohnung bei Sta Maria maggiore.
S. Giacomo degli Spagnuoli.
1451 Leon Batista Alberti widmet Nicolaus V. sein Werk über die
Baukunst.
Fortsetzung der von Nicolaus V. unternommenen Bauten.
1452 Konig Friedrich 111. in Italien, 30. Januar in Florenz, 9. März in
Rom. 16. März Lombardische Königskrönung und Vermälung
des Königs mit Eleonore von Portugal. 18. März Kaiser-
krönung Friedrichs 111. (Letzte römische Kaiserkrönung.)
26. April Rückkehr Friedrichs nach Teutschland.
1453 Verschwörung Stefano Porcaros.
29. Mai. Eroberung von Constantinopel durch Mohammed 11-
Kreuzzugspredigten. Fra Giovanni da Capistrano.
Poggio Bracciolini verlässt Rom zui* Uebemahme des florentin.
Kanzleramtes. (Stirbt 1459.)
Vollendung von Sta Maria sopra Minerva durch Francesco Or-
sini. (Palast Orsini an Piazza Navona. St Jacobskircfae in
Vicovaro.)
Francesco Filelfo in Rom.
Chronolo^fiche Uebersicht. 547
Jmhx.
1454
Irrungen mit Everso Grafen von AnguiUara und Jacopo Piccinino.
Fortschritte der Türken im aegeischen Meer. Bemühungen Ni-
colaus' V. zur Herstellung des Friedens und zum Abschluss
eines Bündnisses in Italien.
1455 24. März. Tod Nicolaus' V.
8. April. Calixtus III. Alfonso Borgia von Xativa bei Valencia,
Bischof von Valencia, Cardinal von SS. Quattro 1444. Grab
in Sta Maria di Monserrato. — Unruhen in Rom bei der Be-
sitznaAmie.
Kreuzzug gegen die Türken. Cardinal Lodovico Scarampi mit
päpstlichen Galeeren im Archipel.
Palast von San Marco. Card. Pietro Barbo.
Tod Fra Angelicos da Fiesole.
1456 1 Vertheidigung der griechischen Inseln und Belgrads gegen die
Türken.
Wiederherstellung von Sta Prisca.
1457 Zerwürfniss zwischen Calixtus HI. und Alfons von Aragon.
Pedro Luis Lansol Borgia Herzog von Spoleto, dann auch von
Benevent und Graf von Terracina, Castellan der Engelsburg.
1458 27. Juni. Tod Alfons' von Aragon. Ferrante König von Neapel.
Verweigerung der Investitur durch Calixtus III.
6. August. Tod Calixtus' III. Aufstand in Rom gegen die Cata-
lanen. Pedro Luis Borgias Flucht nach Civitavecchia und Tod.
19. August. Pius IL Enea Silvio Piccolomini aus Corsignano im
Sienesischen , Bischof von Triest und von Siena, Cardinal von
Sta Sabina 1456. Grabmal in S. Andrea della Valle.
Belehnung Ferrantes von Aragon mit Neapel.
Beruhigung des Kirchenstaats unter Mitwirkung Konig Ferrantes.
Jacopo Piccinino in Umbrien. Sigismondo Malatesta in Rimini.
Abfindung -mit den catalanischen Befehlshabern.
Tod Cardinal Domenico Capranicas.
1459 Congress zu Mantua zur Vereinigung des Abendlands gegen die
Türken. 22. Januar Pius' IL Abreise von Rom. 27. Mai An-
kunft in Mantua. Markgraf Albrecht Achilles von Hohenzollem-
Brandenburg.
14601 20. Januar. Pius IL verlässt Mantua, verweilt in Siena und in
den Bädern von Macereto und Petriolo. 6. October Rückkehr
nach Rom.
Krieg im Königreich Neapel zwischen König Ferrante und der
anjouschen Partei unter Herzog Johann von Calabrien König
Renes Sohn. Pius IL für Ferrante. Schlachten am Samo und
bei S. Fabiano. Unruhen in Rom und den Umgebungen.
Everso von Anguillara und Cardinal Pietro Barbo. Die catili-
narische Bande. Die Savelli und Graf Federigo von Urbino.
Einnahme Moreas durch Mohammed II. Ende der palaeologischen
Herrschaft
35*
548 Chronologische Üebersicht.
iaht.
1460 Streit zwischen Cardinal Nicolaus von Cusa und Herzog Sigmund
von Oestreich Tirol.
Collegium Capranica. — Brüderschaft der SS. Annunziata.
Neubau des Lateranischen Spitals durch Everso von Angmllart
verordnet.
1461 29 Juni. Canonisation Caterinas von Siena.
Pius' II. Aufenthalt in Tivoli. Erbauung des dortigen Castells.
Thomas Palaeologus Despot von Morea in Rom. Der Schädel des
Apostels Andreas. (Thomas starb in Rom 14651)
Charlotte von Lusignan Konigin von Cypem m Rom. (Kehrte
spSter hieher zurück wo sie am 16. Juli 1487 starb.)
Jacopo Ammanati Bischof von Pavia Cardinal, Fortsetzer der
Commentarien Pius' IL (Stirbt 1479.)
Temporäre Aufhebung der pragmatischen Sanction von 1438 durch
Konig Ludwig XI.
Antonio Todeschini Piccolomini Herzog von Amalfi.
Andreasaltar in S. Peter. Restaurationen und Veränderungen
ebendaselbst Apostelstatuen an den Stufen der Basilika.
Tabernakel hei Ponte moUe.
Alaunwerke von Tolfa bei Civitavecchia.
1462 Seuche in Rom. Pius IL in Viterbo dann in Corsignano-Pienza
und in der Abtei S. Salvatore am Mont* Amiata. Pienza Bi-
schofsitz. Grosse Bauten daselbst, Dom, Episcopium, Palast
Piccolomini. Bemardo (Rossellino ?) von Florenz.
Bulle gegen das Kalkbrennen aus antiken Marmoren.
Kampf in der Romagna gegen Sigismondo Malatesta.
1463 Congress zu Rom wegen der Angelegenheiten des Ostens.
Unterwerfung Sigismondo Malatestas. Rimini mit kleinem Ge-
biete päpstliches Vicariat
Ende des neapolitanischen Krieges. Johann von Anjou verlässt
Italien.
Zerstörung des Castells Lari^o bei VeUetri.
(Ungef.) Giulio Pomponio Leto und Bartolommeo Piatina in Rom.
Römische Akademie. Fortschritte der Alterthumsforschusg.
Sammlungen von Antiquitäten.
1464 Pius IL im Bade zu Petriolo und in Siena. 18. Juni Aufbruch
von Rom zum Kreuzzug. 18. Juli Ankunft in Ancoiuu
12. August Eintreffen der venetianischen Flotte unter dem
Dogen Cristoforo Moro. 14. August Tod Pius' II.
30. August Paul IL Pietro Barbo von Venedig, Cardinaldiakon
von Sta Maria nuova 1440, dann Cardinalpriester von S. Marco.
Grabmal in den vaticanischen Grotten.
Tod Nicolaus' von Cusa und Eversos Grafen von Anguillara.
Tod Cosimos de' MedicL Piero sein Sohn an der Spitze der
Republik Florenz.
Vorgehen K. Ferrantes gegen die Barone anjouscher Partei.
Chronologische Uebersicht 549
Jabr.
1465
Kampf gegen die Grafen von Anguillara Francesco und Deifebo
Eversos Söhne. Cardinal Niccolo Forteguerri.
Neue Unruhen in der Romagna. Tod Malatesta Novellos Herrn
von Cesena. Roberto Malatesta Sigismondos Sohn.
Erste Druckerei im Benedictinerkloster von Subiaco. Conrad
Schweinheim und Arnold Pannartz.
1466 Aufbebung des Collegiums der Abbreviatoren Bartolommeo Pia-
tina. Einschreiten des Papstes gegen die römische Akademie.
Pomponio Leto, Filippo Buonaccorsi u. A.
Caterina Königin von Bosnien in Rom. (Stirbt daselbst 1478.)
Tod Francesco Sforzas Herzogs von Mailand. Galeazzo Maria
Sforza.
Zerwürfniss Pauls II. mit König Ferrante.
Wiederherstellung der Kirche und Ausbau des Palastes von San
Marco. Bemardo di Lorenzo aus Florenz. Antike und mo-
derne Sculpturen und andere Kunstwerke im Palast
1467 Kampf in der Romagna. Bartolommeo CoUeone mit den floren-
tinischen Ausgewanderten, romagnolischen Herren und venetia-
nischer Hülfe gegen Florenz. Schlacht bei La Molinella.^
Druckerei im Hause der Massimi in Rom. Erster Druck : Ciceros
Briefe an die Freunde. Giovan Andrea Bussi nachmals Bischof
von Aleria Corrector.
1468 Tod Sigismondo Malatestas Herrn von Rimini. Roberto Mala-
testa bemächtigt sich der Herrschaft
Kaiser Friedrich III. in Rom.
1469 Kampf um Rimini. Paul H. im Bunde mit Venedig gegen Fer-
rante von Neapel und die übrigen Verbündeten Roberto Mala-
testas. 23. August Niederlage der päpstlich -venetianischen
Truppen.
Tod Pieros de' Medici. Lorenzo (der Erlauchte) und Giuliano
seine Söhne.
Reform der römischen Statuten. Erster Druck derselben 1470 —
1471.
1470 Bündniss des Papstes mit mehren italienischen Staaten gegen die
Türken.
Johannes Argyropulos in Rom.
Ueberschwemmung und Herbststürme.
1471 Borso von Este Markgraf von Ferrara und Herzog von Modena
in Rom zum Herzog von Ferrara erhoben, stirbt am 27. Mai.
Ercole von Este sein Bruder und Nachfolger.
26. Juli. Tod Pauls U.
550
Jalir.
Chronologische Ueberaicht
2. ÜBERGEWICHT POLITISCHER TENDENZEN. J. 1471 -1503.
1471 9. August. Sixtus IV. Francesco della Rovere aus Albizzola
bei Savona, Minorit, Cardinal von S. Pietro in vincoli 1467.
Grabmal in St Peter.
I Giuliano della Rovere Cardinal von S. Pietro in vincoli.
i Neubau des Hospizes von Sto Spirito begonnen. Baccio Pootelli.
Vaticanische Bibliothek (heutige Floreria apostolica) zu bauen be-
gonnen. Bauten zur Vergrosserung des vaticanischen Palastes.
Bauten an S. Pietro in vincoli, SS. Apostoli u. s. w. Einwei-
hung der Earche des Spitals der Consolazione. Aufstelluog
antiker Bildwerke im Conservatorenpalast
Lombardisches Hospiz bei S. Niccolo al tufo (S. Carlo).
1472 Elreuzzug des Card. Olivieri Carafa mit päpstlichen Galeeren nach
dem Archipel und den kleinasiatischen Küsten.
Die Della Rovere und Riari im römischen Adel.
Tod Cardinal Bessarions. Grabmal in SS. Apostoli«
Sta Maria del popolo. Baccio Pontelli. — Herstellung der Aoqua
Vergine. — Giuliano da San Gallo in Rom.
1473 Girolamo Riario Herr von Imola.
Restauration der Marc Aurelstatue auf dem Lateranplatz.
Sixtinische Kapelle begonnen. Toscanische und umbrische Kflost-
1er zur Ausschmückung derselben berufen.
Mysterien und andere Schauspiele auf Piazza SS. Apostoli auf
I Veranstaltung Card. Pietro Riarios.
1474 ! Tod des Cardinais Pietro Riario.
I Giuliano della Rovere in Todi und Spoleto. Gegen Citta di
Castello; Unterwerfung Niccol6 Vitellis.
Konig Christian von Dänemark in Rom.
Federigo von Montefeltro Herzog von Urbino. (Stirbt 1482.)
I Anlage der Via Sistina in der Leostadt Ausbesserung der Mauern
von Trastevere, des Corridors der Engelsburg, der nomen-
i tanischen Brücke u. s. w. Maassregeln fiir die Reinlichkeit der
' Strassen. Herstellung zahlreicher Earchen.
1475 I Sechstes (siebentes) Jube\jahr. König Ferrante von Neapel in
Rom.
I Giovanni della Rovere Herr von Senigallia und Präfect von Rom,
Eidam Federigos von Montefeltro Herzogs von Urbino.
I Bartolommeo Piatina Bibliothekar der Vaticana. (Fresco Melozzos
von Forli.)
Ponte Sisto vollendet Palast Card. Nardinis (Govemo vecchio).
147(5; Grosse Ueberschwemmung und Seuche in Rom. Sixtus IV. nach
Campagnano und anderen Orten des Patrimoniums und Um-
briens. 23. October Rückkehr nach Rom.
Ermordung Galeazzo Maria Sforzas. Gian Galeazzo sein Sohn
Chronologische Uebersicht 551
Jabr. I
folgt ihm unter Vormundschaft seiner Mutter Bona von Savoyen
nachmals seines Oheims Lodovico Herzogs von Bari, genannt
il Moro.
1476 Castell von Subiaco ftLr Rodrigo Borgia.
1477 VerunglQckte Unternehmung Carlos da Montone gegen Perugia.
• Tod Cardinal Latino Orsinis. Cardinal d'Estouteville Camerlengo.
< Verlegung des Marktes vom Capitolsplatz nach Piazza Navona.
1478 I Verschwörung der Pazzi gegen Lorenzo und Giuliano de' Medid.
Cardinal RafTael Sansoni Riario in Florenz. Interdict über die
Florentiner. Alfons Herzog von Calabrien Konig Ferrantes
Sohn in Rom. Päpstlich -neapolitanischer Krieg gegen Florenz.
S. Girolamo degli Schiavoni. S. Luigi de' Francesi.
1479 I Ungünstige Wendung des Krieges för die Florentiner. Lorenzo
de' Medici in Neapel.
Erster venetianischer Druck von Piatinas Lebensbeschreibungen
der Päpste.
Bau von Sant' Agostino begonnen. Vollendet 1483. Cardinal
d'Estouteville.
1480 Versöhnung der Republik Florenz mit König Ferrante. Erobe-
rung von Otranto durch die Türken.
Girolamo Riario Generalcapitän der Kirche. 3. December Ver-
söhnung der Florentiner mit der Kirche.
Päpstiiche Bulle inbetreff der Erweiterung und Verschönerung
der Strassen und Plätze der Stadt
1481 Bündniss der italienischen Staaten gegen die Türken in Rom ge-
schlossen. Wiedereroberung Otrantos durch Alfons von Ca-
labrien.
Wiederaufstellung der Statue Carls von Ai^jou im Senatorspalast.
Tod Francesco Filelfos und Bartolonuneo Piatinas.
S. Giovannino de' Genovesi in Trastevere.
1482 Krieg zwischen Sixtus IV. und Neapel. Alfons von Calabrien
vor den Thoren Roms. Unterstützung von Venedig. 21. August
Sieg Roberto Malatestas über die Neapolitaner bei S. Pietro in
Formis (Campomorto). Siegesfest in Rom. Malatestas Tod.
23. December. Friede zwischen dem Papst und Neapel und
dessen Verbündeten. Fortsetzung des Krieges durch die Vene-
tianer.
Guidubaldo della Rovere Herzog von Urbino.
Johann Reuchlin in Rom.
Sta Maria della pace. Glockenthurm von S. Cosimato.
1483 I Fehde zwischen den Orsini und Colonna. Der Papst und Giro-
lamo Riario auf Seiten der Ersteren.
S. Francesco di Paola in Rom.
Tod Cardinal d'Estoutevilles. (Voimal. Altar in Sta Maria mag-
giore. Kirche Sant' Aurea in Ostia, nach B. Pontellis Plan,
von Giuliano della Rovere vollendet.)
552
Chronologische Uebenicht.
Jahr.
1483
1484
1485
1486
1487
1488
1489
Erste Feier des Palilienfestes durch die römische Akademie.
Fehden und Unordnungen in Rom. Orsini, Santacroce, Tutta-
villa, Crescenzi u. A. gegen Colonna, Savelli, Conti, Della
Valle u. M. Angriff auf die colonnaschen Wohnungen. Gre-
fangennehmung und Tod Lorenzo Colonnas. Kampf in der
Campagna. Prospero und Fabrizio Colonna. Belagerung von
Paliano durch Girolamo Riario.
7. August. Friede zu Bagnolo zwischen Venedig und seinen
Gegnern ohne Betheiligung des Papstes.
12. August Tod Sixtus' IV. Grosse Aufregung in Rom. Angriff
auf den Palast Girolamo Riarios. Aufhebung der Belagerung
von Paliano. Räumung der Stadt durch die Barone beider
Parteien.
29. August Innocenz VIII., Giovan Batista Cybo aus Genua,
Bischof von Molfetta, Cardinal von Sta Balbina 1473. Grab-
mal in St Peter.
Versuche Innocenz' VIII. durch Friedenstiflung zwischen den Ba-
ronen den Unordnungen in der Stadt ein Ende zu machen.
Neue Kämpfe in der Campagna und unvollkommene Versöhnung.
Neapolitanischer Baronenkrieg. Erhebung von Aquila gegen König
Ferrante. Parteinahme des Papstes und Venedigs ftlr die Aqui-
laner. Kampf in der römischen Campagna. Alfons von Cala-
brien nochmals vor den Thoren der Stadt
Auffindung einer altrömischen Leiche an der Via Appia.
Lateinisches Schauspiel im Hof des vaticanischen Palastes.
Friede zwischen Innocenz VIII. und König Ferrante. Bruch der
Friedensbedingungen durch den König und neues Zerwürfniss.
Cardinal Giuliano della Rovere mit päpstlichen Truppen g^en
das empörte Osimo.
Giovanni Pico von Mirandola in Rom. Conrad Peutinger ver-
lässt Rom nach längerm Aufenthalt
Giuliano da San Gallo erbaut das Castell von Ostia fiir Giuliano
della Rovere.
Einnahme von Osimo durch Vermittlung Lorenzos de' Media.
Verschwagerung der Cyb6 mit den Medici.
Angelo Poliziano übersetzt den Herodian ftlr Innocenz VIII.
Girolamo Riario in Forli ermordet.
S. Giovanni de' Fiorentini durch die flor. Brüderschaft der Pieta
gegründet.
Andrea Mantegna malt die Kapelle im fielvedere.
Majoliken von Pesaro in Rom.
Prinz Dschem Bruder Sultan Biyazets in Rom.
Cardinalscreirung Giovannis de' Medici, Sohnes Lorenzos des
Erlauchten.
Heftiger Streit zwischen dem Papste und König Ferrante, der
der Krone verlustig erklärt wird.
Chronologische Ueberaicht. 553
Jal». 1
1490 ■ Türkische Gesandtschaft in Rom. Unterhandlungen inbetreff des
Prinzen Dschem.
' Vittoria Colonna, Tochter Fabri^os geboren in Marino.
; Fontäne des Petersplatzes.
' Francesco di Giorgio von Siena baut das Castell von Campagnano.
1491 Vereinigung des Herzogthums Bretagne mit Frankreich und Be-
ginn der Plane Carls VIII. von Frankreich (König seit 1483)
' zur Geltendmachung der anjouschen Ansprüche auf die Krone
Neapel.
Sta Maria in Via lata.
1492 , Feier der Eroberung Granadas. Die h. Lanze in Rom. Noch-
I malige Versöhnung mit König Ferrante.
25. Juni. Tod Innocenz' VIII.
.11. August. Alexander VI., Rodrigo Lenzuoli Borgia von Va-
lencia, Bischof von Valencia, Cardinal von S. Niccolo in car-
' cere 1456. Grab in Sta Maria di Monserrato.'
I 26. August Cesare Borgia Bischof von Pampeluna Erzbischof
von Valencia. (Sept. 1493 Cardinaldiakon von Sta Maria nuova.)
Tod Lorenzos de' Medici. Sein Sohn Piero an der Spitze der
flor. Republik.
Entdeckung von America.
Arbeiten an der Engelsburg. Antonio da San Gallo.
Vaticanische Bauten. Appartamento Borgia. Frescomalereien
Pietro Peruginos und Bemardino Pinturicchios. Halle der Be-
nediction bei St. Peter (von Innocenz VIII. begonnen).
Päpstliche Theilung der überseeischen Entdeckungen zwischen
Spanien und Portugal.
Vermälung Lucrezia Borgias mit Giovanni Sforza Herrn von Pesaro.
Maximilian I. von Oestreich, nach Kaiser Friedrichs III. Tode
(19. August) als römischer König Repräsentant der Kaiserwürde.
(Seit 1508 mit dem Titel: Erwählter römischer Kaiser.)
Grabmal Papst Sixtus' IV. in St Peter von Antonio Pollajuolo.
1494 I 25. Januar. Tod König Ferrantes. Alfons U. von Aragon König
von Neapel.
13. März. Neapolitanische Gesandtschaft in Rom. Bündniss
Alexanders VI. mit König Alfons. (7. Mai Alfons' H. Krönung.)
Grosse Autorität Gentile Virginio Orsinis , Grossconnetables von
Neapel.
Cardinal Giuliano della Rovere nach Frankreich.
Französische Gesandtschaft in Rom zur Erklärung der neapoli-
tanischen Ansprüche Carls VIII.
Vorbereitungen zum französischen Feldzug gegen Neapel. Fer-
rante (Ferrandino) Herzog von Calabrien mit dem neapolitani-
schen Heere und päpstlichen Schaaren im Patrimonium zur
Deckung der Romagna und Umbriens. Federigo von Aragon mit
der neapol. Flotte an der Küste Liguriens.
1493*
554
Chronologische Ueberaicht
Jahr.
1494
1495
August Aufbruch des französischen Heeres. 9. September
Carl VIII. in Asti. Lodovico il Moro. 14. October Carl VIII.
in Pavia. Gian Galeazzo Sforza stirbt 20. October. Lodovico
Herzog von Mailand. 2d. October Carl VIII. in Pontremoli
dann in Sarzana. Piero de* Medid in Sarzana, Vertrag mit
den Franzosen, Uebergabe der florentin. Festungen. 8. No-
vember Umwälzung in Florenz , Vertreibung der Medid.
9. November Carl VIII. in Pisa, Wiederaufleben der pisani-
sehen Unabhängigkeit. 17. November Carl VIII. in Florenz,
Vertrag mit der Republik. 28. November Der König verlässt
Florenz und errdcht Siena am 2. December.
Unglücklicher Fddzug Don Federigos von Aragon an der liguri-
sehen Küste gegen Herzog Ludwig von Orleans. Niederlage
bei Rapallo.
Französisches Heer unter Montpensier und D'Aubigny, verstärkt
durch mailandische Truppen unter Francesco da Sasseverino
Grafen von Ciyazzo von der untern Lombardd aus gegen die
Romagna. Rückzug des Herzogs von Calabrien durch die
Mark Ancona nach Umbrien und dem Patrimonium.
Unruhen in der Umgebung Roms. Schilderhebung der Colonna
zu Gunsten Frankreichs. Unschlüssigkeit des Papstes. Fran-
zösische Ambassade in Rom. Besetzung Roms durch den Her-
zog von Calabrien.
Vorrücken der Franzosen. Einnahme von Montefiascone und
Viterbo. Vertrag Virginio Orsinis mit dem Könige. Bracdano,
Corneto, Civitavecchia, Ostia von den Franzosen besetzt
19. December Die Franzosen am Monte Mario.
Vorläufiges Abkommen zwischen Alexander VI. und dem Könige.
31. December Einzug Carls VIII. in Rom. Abzug des Herzogs
von Calabrien.
15. Januar. Vertrag zwischen Alexander VI. und Carl Vni.
28. Januar. Abzug der Franzosen von Rom. 3. Februar AI-
fons II. verlässt Neapel nach seiner Thronentsagung zu Gunsten
des Herzogs von Calabrien FerrantesII. 21. Februar Aufstand
in Neapel , Ferrante nach Ischia. 24. Februar Einzug Carls VIII.
in Neapel.
Bündniss Alexanders VI. , Maximilians, Venedigs, Spaniens, Lo>
dovico Sforzas gegen Carl VIII. 20. Mai Abzug des Königs
aus Neapel. 30. Mai Der Papst nach Orvieto und Perugia.
1. Juni Carl VIII. in Rom, 13. Juni in Siena. 6. JuH Schlacht
bei Fomovo. Rückkehr des Königs nach Frankrdch.
Fabrizio und Prospero Colonna im Interesse der neapolitanischen
Aragonesen nach Carls VIII. Abzug.
Gründung der SS. Trinita de' monti. (Späterer Fortbau durch
Card. Brigonnet) Sta Maria di Monserrato.
Ende der Thätigkeit Pietro Peruginos in Rom.
Chronologische Uebersicht 555
Jalir.
1495 Ueberschwemmung in Rom.
1496 ' Fehde Alexanders VI. mit den Orsini. Erfolglose Belagerung von
I Bracciano. Niederlage der Päpstlichen bei Soriano. Einnahme
I von Ostia durch Gonsalvo de Cordova.
I Ruckzug der Franzosen aus Neapel. Tod König Ferrantes II.
I Federigo von Aragon Graf von Alfamura Konig von Neapel.
Fra Girolamo Savonarola zur Verantwortung wegen seiner Pre-
digten nach Rom berufen.
I Michelangelo Buonarroti in Rom. (Gruppe der Pieta fQr den
I Cardinal von St Denis.)
14971 Juan Borgia Herzog von Gandia, Herzog von Benevent, Ponte-
I Corvo und Terradna. 14. Juli Mord des Herzogs von Gandia.
I Neubau der Universität (Sapienza) begonnen.
1498 Tod Carls Vni. Ludwig XII. König von Frankreich.
Cesare Borgia Herzog von Valentinois. Bundniss Alexanders VI.
mit Ludwig XII.
Krieg zwischen den Colonna und Orsini. Gefecht bei Monticelli.
Vertrag zu Tivoli.
Vermälung Lucrezia Borgias mit Alfonso d'Aragona Herzog von
Bisceglia natürl. Sohne König Alfons' II.
Feuertod Fra Girolamo Savonarolas in Florenz.
Tod Pomponio Letos und Antonio PoUajuolos.
Literarische Fälschungen Fra Annios von Viterbo.
1499 Ludwig XII. in der Lombardei. Flucht Lodovico Sforzas.
Alexander VI. gegen die romagnolischen Signoren. Cesare Borgia
Generalcapitän der Kirche.
Bramante in Rom. (Paläste des Card. Raffael Riario und des
Cardinais von Cometo.)
Via Alessandrina (Borgo nuovo) in der Leostadt. Zerstörung der
Meta.
1500 Siebentes (achtes) Jubeljahr. Grosse Ueberschwemmung in Rom.
Unternehmen Cesare Borgias in der Romagna. Einnahme von
Imola und anderen Städten.
Mord Alfonsos d'Aragona Herzogs von Bisceglia.
Rückkehr Lodovico Sforzas nach der Lombardei. Seine Ge-
fangennehmung und Wegfuhrung nach Frankreich. (Stirbt
1510 in Loches.)
Lucrezia Borgia Herrin von Sermoneta und anderen caetanischen
u. a. Besitzungen.
Sta Maria di Loreto mit dem Hospiz der Bäckerzunfl.
1501 1 Eroberung der Romagna durch Cesare Borgia. Cesare Herzog
von Romagna. Unternehmungen gegen Bologna und Florenz.
Belagerung und Einnahme von Piombino.
Theilung des Königreichs Neapel zwischen Spanien und Frank-
reich. Französisches Heer unter D'Aubigny vor Rom. Cesare
Borgia mit den Franzosen gegen Neapel. 4. August Ueber-
556 Chronolo^sche Uebenicht.
Jahr.
gäbe von Neapel. König Friedrich nach Ischia dann nach
Frankreich. (Stirbt 1504 in Tours.)
1501 Der Papst gegen die Colonna und ihre Partei Herzogthümer
Sermoneta und Nepi für Rodrigo und Juan d'Aragona Borgia.
Verlobung Lucrezia Borgias mit Alfonso von Este Erbprinzen von
Ferrara.
Aufstellung der Pasquinstatue durch Card. Olivieri Carafa.
1502 Cesare Borgia im Besitz von Urbino und Camerino. AbfaU der
Condottieren Cesares und Bündniss derselben zu La Magione
im Peruginischen. Ihre Ueberlistung. Tragödie von Senigallia
und von Castel della Pieve.
Krieg im Königreich Neapel zwischen den Spaniern und Fran-
zosen.
Rundtempelchen Bramantes bei S. Pietro in montorio.
1503 Alexander VI. und Cesare Borgia gegen die Orsini. Kämpfe in
der Campagna. Vergebliche Belagerung Bracdanos.
Uebergabe von Palestrina an den Papst
Sieg Gonsalvos de Cordova über die Franzosen bei Cirignola.
18. August. Tod Alexanders VI.
STAMMTAFELN.
«
560
Stammtafeln.
Feltrino um 1190.
Buonconte ,
unter K. Heinrich YL 1193»
Graf von ürbino, f 1241.
Feltrino der Jüngere, f 1255.
J
Guido,
Senator von Rom 1268, Feldhauptmann der Piaaner,
Franciacanerbruder 1293, f 1298.
Taddeo.
Federigo , Buonconte ,
Graf von Montefeltro und Urbino 1293, f in der Schlacht von
f 1322 bei einem Aufstände der Urbinaten. Campaldino 1289.
Nolfo,
Feldhauptmann der Pisaner 1H41, vom Cardinal Albomoz
aus Umbrien vertrieben, f nach 1359.
Federigo 11.,
gelangte nie zum Besitz des Staates.
Antonio,
scheint erst 1372 die Verwaltung angetreten zu haben,
t 1403 (l4Ca).
I
Guid' Antonio, f 1442
sas 1. Rengarda Malatesta. 2. Caterina Colonna.
I '^
Odd' Antonio,
jeeb. 1424, durch K. Sigmund zum
Kitter geschlagen 1433, Hei*zog von
Urbino durch Eugen lY. 1442,
ermordet 1444
ass Isotta d'Este.
Federigo,
Guiduoaldo,
geb. 1472, Herzog
von ürbino 1482,
t 13. April 15Ü8
SB Elisabetta
Gonzaga.
(nat von einer Ubaldini) eeb. 1422,
legitim. 1426, Graf von Üniino 1444,
Herzog 1474,
Gonfaloniere der Kirche, f 1482
3s 1. Geutile Brancaleom von
Casteldurante.
2. Batista Sforza von Pesaro, f 1471
Giovonna
SS Giovanni della
Rovere, Herr
von Senigallia
Francesco
Maria.
Aenese
= Fabrizio
Colonna, Herr
von Tagliacozzo
und Alba.
Antonio (nat.)
Eniilia Pia.
MONTEFELTRO - UBBINO.
Stammtafeln.
561
«^
9
S-*«^ SS
'S cSl i
cS II
« As
S §0$
.2313 o
27-11
CO
o
2 ^ s
«4 -II
CS
«2'5 §
.OS II -o
C»3
T. Reamont, liom. m.
36
562
Stammtafeln.
Giovenco,
MEDICI TOD OTTAJANO in Neapel,
(Papst Leo XL, + 16' >•*>•)
MEDICI -TORNAaUINCI in Floi*enz.
Chlarissimo, mn 1200.
Filippo.
Averardo, wn 1280.
Averardo, Gonfaloniere 1314.
Cosimo der Alte, 1389—1464
^ Contessina de' Bardi.
Sdvctro gen^jnt Chi«U.i«o.
Averardo genannt Bicci, 1357.
Giovanni, geb. 1360, f 1429.
Piero,
1416 — 1469
^ Lucrezia
Toruabuoni.
I
Giovanni,
t 1463.
Lorenzo, 1395—1440
^ Ginevra Cavalcanti.
^ I
Pier Francesco, f 1467.
Lorenzo Giuliano,
der Erlauchte, 1453—1478.
1448—1492 I
= Clarice Orsini, Giulio (nat.?)
t 1488. 1478—1534,
I P. ClemensVU.
Lorenzo ,
t 1503.
Pier Francesco.
Lorenzlno,
t 1547.
' 1
Giovanni, f 1498
^ Caterina Sforza,
Wittwe GiroUmo
Riarios, -|- 1509.
Piero, Giovanni,
1471—1503 1475—1521,
SS Alfonsina Oi-sini, Papst Leo X.
t 1520.
^ 1.
Lorenzo, Ciarice,
1492—1519, t 1528
Herzog von Urbino ^ Filippo Strozzi.
= Madeicine de la
Tour d'Auvergue,
t 1519.
Giuliano,
1479—1516,
Heraog von
Nemours
= Filiberta von
Savoyen.
Giovanni
(delle Bande nere)
1498— 15-J6
SS Maria Salviati.
Cosimo,
1519—1574,
Herzog von Floreni,
Grossherzog von
Toscana
=s Eieonora di
Toledo.
Ippolito, Card.
(natO 1511—1535.
Caterina,
151*.»— 1589,
Königin von
Frankreich.
Alessandro,
(nat.), t 1537,
Hei-zoff von Florenz
^ Margareta von
Oestreich,
t 1586.
Francesco,
t 1589,
M.L.
Koniein von
Frankreich,
t 1643,
r. '
Gian Gastone,
t 1737.
^
Ferdinande,
t 1609,
Cosimo H,
t 1621.
Ferdinande ü.,
t 1670.
Cosimo m.,
t 1723.
Maria Anna Lodovica,
ChurftLrstin von der
Pfalz,
t 1741.
MEDia.
Stammtafeln.
563
•73 CJ
o
o
CS
CO
O i-
^"^ r~«p* Co
(3
P<1
o.SS
E
H
gö
II
es
^ '3C9
M ^
O
O
JS c
Cl
CO
rt o
•SlH
PQ o
SC
^_ ^
5 I occ «
»1« y ^^ •■" -^
"cS
I
ee
SS
- c«.S >>
O u .
O m'^
O) a 3
->*^ rK CS
^^ QO
SCO
3 PC/:
CO
s
00
0
^^
M
•5
CS
0
s
fi
'S
—
s
41
^
41
Ä?^
c«
S
t*
•c
o
a:>
OS
O r^^-^
«•H^-
II
^H-
O 4>
ü.22*g
» 3 2
-•g o s
V a
.9-1 13
3 1«
ft! O a
II
s^
_s o *
CS S
a ö X
So o
"4 Vi
*» . CO
11^
ch
3
»-9
n
OD
OS
e
o
>
n
O CO
P4
• S
p^»
C
3
O
u
►So
^11
-J-S «*
ä
OQ
•'S •
OEXQQ
SÖS.
CO
&
PU
PU s «
s a
o
OB
c
• OOi-H
a 0) 4»co*ö
a S « S ö
'^ a 3^,-^^
"^ «»-Sin
-Ü o
cd
CJ
83
"f§S
JS 3
o
•öl«
o ^^
CJ
36
564
StAmmtafeln.
R
O
i
09
o
N
(0
o
08
s
o
•c 8
SO ^ 2 «J
pq etf cK •
P4 O Ctf)
II ^
08
OD
08
oj «
S »^
O Q)
OQ
3.«
f-i
a
«>
- ü
OB
O
o
(8 O
S V
kl
O
S
SOB
_o
o <s
Cfl ^
«" N
« S
egg
^ oT
4>
O
-1
•« o
o
OB
OQ
08
pq
O 3
«■e
08 oe
»X3 pH
CO >4
« §^
O O
o
^S «8 O
O'C
H
S
II
■IS
s-
II
. 08
08^
c8 «
IM Ul
4>
a> >
M O
i%
o
'Vi
o
08
o
I
«>
.S c:
fc .1
(0
i
•C o
^^
Hg
2
II S
«s
s
^Ä 7-g
'S
s
o
>
>
o
60 J9
■-'S
08^^
^ « fi
O 1-4
s n
u
VH ^
O.
p2
O
e
OB
Sog
- ^1-5 c
O £• S
>2
SU
•«
t«
o
I
Stammtafeln.
565
Arano,
Senator von Rom 1455, f 1457.
Maurizio.
I
Lorenzo,
genannt de' Mari,
angebl. Maurizios Sohn,
Cardinal - Erzbischof
von Beneveut,
t 1503.
1
Giovan Batista, Clareuza
Papst Innocenz VHI. = 1448 Stoldo Altoviti.
I I
Francesco (Franceschetto), Dianora
geb. in Neapel 1449, =a 1487 Antonio Altoviti.
Graf von Anguillara |
imd Cerveteri, f 1519 Bindo Altoviti.
SS Maddalena de* Medici,
Tochter Lorenzos des
Erlauchten.
Innocenzo, Lorenzo,
geb. 1491, geb. 1500,
Cardinal -Diaconus f 1549
1513, CamerleDgo, =s Ricciarda
Herr von Fabriano, Malaspina, Mark-
f 1550. gräfin von Massa,
Herrin von
Carrara.
Giovan Batista,
Bischof von
Marseille,
t 1550.
geb. 1501,
t 1547
:= Giovanni Maria
Varano, Herzog
von Camerino.
liio.
Giul
Markgraf von Massa,
t 1548.
T
Alberico,
Markgraf und erster
Ffirst von Massa,
geb. 1532, t 1623,
Cybo Malaspina,
Fürsten und Herzoge von MASSA -CARRARA,
erloschen 1790 in Maria Teresa,
Gemalin Ercole Rinaldos von Este,
Herzogs von Modena.
Eleonora,
t 1594
^ 1. Gian Luigi Fiesco,
2. Chiappino Vitelli.
CYBÖ.
566
SJtBmtntafeln.
Gentile,
guclfischer Partei in den letzten Staufischen Zeiten,
Grat' von Campanien durch Maitin IV., f 1284.
Rodolfo,
Graf von Campanien 1285 durch
Honorius IV. , Haupt der Guelfen
in Camerino, f 1316.
Rodolfo,
beim Kreuzzug in Klein-
asien 1350, unter Albomoz
für, dann wider die Kirche,
Herr von Camerino,
t in Tolentino 1384.
Giovanni,
HeiT von Tolentino,
von Camerino 1384,
t 1385.
1
Berardo,
Capitano del popolo in Perugia 1289,
in den Kriegen der ersten
avignonischen Päpste *j- 1329.
Gentile,
päpstlicher Vicar in Camerino 1332,
t 1355.
I
Berardo, f 1350.
1
Gentile Fandolfo,
theilte 1430 mit den
Brüdern das Gebiet,
+ 1434. (Camerino 1434
rreie Comune , 1444 Lehn
Francesco Sforzas.)
Giovanni,
unter Martin V. und
Eugen IV., f »434.
Gentile,
Senator von Rom 1368,
Herr von Camerino 1385,
im Kampf gegen
Bouifaz IX. dann päpstl.
Vicar, t 1399.
Rodolfo,
Feldhauptmann der
Florentiner 1395, betheiligt
an den Kämpfen der letz-
ten Zeiten aes Schismas,
t 1424.
Pier Gentile,
noch bestehende Linie im
Venetianischen , Parma etc.
Giulio Cesaro,
päpstlicher Vicar in
Camerino 1447 durch
Nicolaus V., f 1502
(Cesare Borgia).
Venanzio,
t 1502 (C. Borgia)
Maria, Tochter Giovannis della
Rovcre.
Sigismondo,
hadert um Camerino mit Giovanni
Maria, f 1522.
Giovanni Maria»
Herr von Camerino 1503, Herzog
durch Leo X. 1515, Herr von
Senigallia 1519, f 1527
=s Caterina Cybo,
Tochter Franceschettos, f 1547.
Giulia,
Erbin von Camerino, welches 1539
von Paul III. als erledigtes Lehn
eingezogen wird, + 1547
=s Guidubaldo II.,
Herzog von Urbino.
VARANO.
Stammtafeln.
567
Gerozzo,
Mitte des 14. Jahrhunderts ansehnliche Familie des Handelsstandes in
Cittli di Castello. 1398 Prior des Findelliauses
sBs Guglielma Migliorati.
I N
Vitellozzo,
an den politischen und Familien-
Streitigkeiten in seiner Vaterstadt viel
betheiligt, unter Braccio da Montone,
1440 päpstlicher Vicar in Citt4 di
Castello, t 1462.
I ,
Vitellozzo, Paolo,
Condottiere in den Heerfiihrer der Florentiner
französisch - italienischen im pisanischen Kriege
Kriegen, Graf von f 1499.
Montone, f in Senigallia
1502 (C. Borgia).
Giovanni,
in bürgerlichen Aemtem seit 1399,
t 1415.
I
Niccolo,
Kämpfe um den Besitz von Citta di
Castello unter Paul IL, Sixtus IV.
Govematore von Campagna, Marittima
und Sabina, -f 1496.
Camillo,
Condottiere in den
französisch - italienischen
Kriegen, f 1496
SS Lucrezia Baglioni,
Schwester Gian Paolos.
Grafen von MONTONE.
Niccolo,
im Dienste Venedigs, Leos X.,
Clemens' Vn., f 1529.
I
Chiappino,
im mediceischen und spanischen
Dienst, f 1575 in den Niederlanden
=s Eleonora Cybo,
Wittwc Gian Luigi Fiescos.
Grafen von CETONÄ.
Alessandro,
im Dienste Clemens' VII. , Carls V.
und der Famesen, f 1556,
Herren von AMATRICE,
Marchesen von MONTEFIORE
und von BUCINE,
erloschen 1790 als letzter Zweig
der Familie.
VITELLI.
ZUSATZE.
I. zu DEN ANMERKUNGEN.
S. 192. Das so eben erschienene Schlusshefl des YII. Bandes m. Serie
des Archivio storico Italiano enthält S. 1 — 22, von M. Tabarrini mit-
getheilt, einen interessanten Beitrag zur Geschichte Papst Innocenz' VIII. Es
sind Depeschen vom September bis October 1487, an den Papst gerichtet von
seinem Geheimschreiber Jacopo da YolteiTa, den er an Lorenzo de' Medici in
der Absicht gesandt hatte, die Republik Florenz in ein Bündniss gegen König
Ferrante von Neapel hineinzuziehn , unter Betheiligung Venedigs und Lodovico
Sforzas. Die Aufnahme welche des Papstes Anträge bei Lorenzo fanden, zei-
gen wie dieser, der ungeachtet der Freundschaft und Verschwägerung vom
politischen Talent und Karakter Innocenz' VUI. keine glänzende Meimmg hatte,
sich angelegen sein Hess die mit so grosser Muhe endlich erlangte Ruhe Italiens
nicht wieder aufs Spiel zu setzen, was ihm denn auch während seiner noch
übrigen fünf Lebensjahre gelang. Die Antworten welche er dem päpstlichen
Abgeordneten ertheilt, und eine Art Instruction die er für denselben zum Behuf
der vom Papste befohlenen Verhandlung mit Lodovico il Moro aufsetzt, dessen
Ehrgeiz Lorenzo ebensosehr ängstigte wie die Ruhelosigkeit Innocenz' VIIL,
sind des geübten und feinen Staatsmanns würdig. Er warnt den Papst so
vor Anwendung der Excommunication wie vor jener der Waffengewalt. Der
päpstliche Schatz sei erschöpft, die bewaffiiete Macht ungenügend und schlecht
befehligt, die Unterthanen uneinig und keineswegs alle zufrieden, im h. Colle-
^um herrsche ebensowenig Eintracht. Die Verhältnisse des Papstes und sei-
ne» Staates seien nicht von der Art dass man sich in neuen Elrieg stürzen
dürfe: jene aller übrigen italienischen Staaten heischten Ruhe. Was die Ehre
betreffe, so scheine ihm, die Ehre eines Papstes könne nie darunter leiden,
wenn er sein Recht durch bündige Erklärungen wahre, ohne den Frieden
Italiens zu stören. Zur Karakteristik der hier in Betracht kommenden Per-
sonen sind diese Briefe, welche bei der bourbonischen Plünderung aus dem
vaticanischen Archiv entwendet durch emen venetianischen Botschafter ange-
kauft und erhalten wurden, ein wichtiger Beitrag. Machiavells und Guicciar-
dinis ungünstiges Urtheil über Innocenz VIII. als Regent ist auch bei Lorenzo
de' Medici zwischen den Zeilen zu lesen.
Der Verfasser der Briefe, Jacopo Gherardi von Volterra, erst Secretär
Cardinal Anmianatis, der ihn bei der Abfassung seiner Annalen brauchte und
570 Zusätze.
dessen Briefsammlung er ordnete, nach dem Tode seines Gönners Geheim-
schreiber Sixtus* IV. , erlebte die Zeit Leos X. und starb mehr denn achtzig
Jahre alt 1516 als Bischof von Aquino. Die Eleganz vieler Epistolographen
der Zeit vrar nicht seine Sache.
S. 518 (Anm. zu S. 398). Der hier in Rede stehende Theil des vaticani-
sehen Palastes ist wahrscheinlich derselbe von welchem Yasari im Leben
Taddeo Zuccaros (XII. 119) redet. »Als im Jahre 1560 der Papst (PiusIV.)
den Herzog Cosimo und die Herzogin Eleonora in Rom erwartete, beschloss
er ihnen die Zimmer anzuweisen welche in Lmocenz' YIII. Zeit gebaut wor-
den waren. Diese gehn auf den vordem Hof des Palastes und auf jenen der
Basilika hinaus und haben an der Vorderseite Loggien, die dem Platz zuge-
wandt sind wo der Segen ertheilt wird. Taddeo erhielt den Auftrag hier
einige Friese zu malen und die neuen Decken, welche die alten schadhaften
ersetzten, mit Gold zu verzieren.«
n. zu DEN INSCHRIFTEN.
Tiber - Ueberschwemmung.
Fa^ade von Sta Maria sopra Minerva. J. 1422.
t Anö Do MCCCCXxil in die Sc!
Andree crevit aqua Tiberis usque
ad sumitate isti' lapidis. tpre Dm
Marüni pp V — A VI —
Fagade von Sta Maria sopra Minerva.
J. 1453.
Franciscus. de. Ursinis. Gravine
et Cupersani. comes. alme. ur
bis. prefectus. illustris. aedes
Marie, virgmis. sup. Minervam
iamdiu. medio. opere. interrup
tas. ppriis. suptib*. absolvei«
curavit. p. e'. äie. salute
anno. DuT. MCCCCLIH.
pont Dm. nli. Nicolai
Papa. V.
Zusätze. 571
* Grabschrift Leonardo Datis.
St« fiiUria «opora MlnerT». J. U72.
Sacnim
Leonardo Datho civi florentino viro doctissimo
optimoq Pauli secundi et Sixti IIII. secre
tario episcopo Massano vix. ann. LXm.
mens. ü. MCCCCLXXII.
Grabschrift der Konigin von Bosnien.
Sto Maria Araeeli. J. 1478.
D. 0. ,M.
Catharinae reginae Bosnensi
Stephan! ducis santi Sabbae sorori
Et genere Helene et domo prineipis
Stephan! natae Thomae regis Bosnae
Vxori quantum vixit annorum LUII
Et obdormlvlt Romae anno Domini
MCCCCLXXVm. die XXV Octobris
Monumentum ipsius scriptiB positü.
Grabmal Cardinal Cristoforos della Rovere.
Sta Maria del popolo. J. 1478.
Concordes animos piasq. mentes
Ut dicas licet unicam fuisse
CommiBti cineres sequentur: et se
Credi corporis imius iuvahat.
Christophoro Ruvereo. tit. s. Vita
lis presbytero car.
Doctrina moribus ac pietate insigni
Dominicus Xysti im. pont. maximi
Beneficio mox tituli
Successor ac muneris fratri
B. m. et sibi posuit
V. a. XLIII. m. Vü. d. XIX
Ob. an. VIII. pont. Xysti
Kl. Fbr.
572 Zusätze.
Grabmal Giovannis della Rovere.
Sta Maria del popolo. J. 1483.
loanni de Ruvere. Xysti llll. pont. max. sororio
Civi Saonen. ordinis equestris. qui vix.
Ann. LXXX. m. VII. d. X. Hier, cardinalis
Recan. Franciscus prior Pisanus. Bartholameus
Filii superstites patri bnmeren posuer
Obiit M. CCCC. LXXXm die XVH augusti
Grabmal Marco Albertonis.
Sta Maria del popolo. J. 1485.
Marco Antonii equitis romani
Filio ex nobili Albertonum familia
Corpore animoq insigni
Qui annum agens XXX
Feste inguinaria interiit
An salutis christianae
MCCCCLXXXV die XXIH Julü
Heredes b m p
Grabmal Francesco Tomabuonis.
Sta Maria sopra Minerva. J. 1486.
Francisco Tomabono nobili florentino
Sixto mi. pont max ceterisque chariss
Acerba morte magna de se
Expectationi subtracto loanes patruus pos
Zusätze. 573
Inschrift Catrdinal Giorgios da Costa.
Sto Maria del popolo. J. 1489.
Georgias. Car. Portugallen
hanc. capellam divae Cathe
rine. dicavit. dotemq. dedit
alia etiam bona. ob. suam in
virg. singularem. devotio
nem. huic. monast religiöse
contulit.
An. D. MCCCCLXXXTX
Grabschrifl Ermolao Barbaros.
Sta Maria del popolo. J. 1494.
Barbariem Hermoleos Latio qui depolit omnem
Barbanis hie situs est utraque lingua gemit.
Urbs Venetum vitam moitem dedit inclyta Roma
Non potuit nasci nobiliusque mori.
Ob. an. MCCCCL:
Grabmal Filippos della Valle.
Sta Maria Araceli. J. 1494.
Philippe de Valle patritio Ro. philosophiae bonarumq.
litter gloria inclyto culus apud Romanos pontt et
Italiae principp autoritas tantum florentiss familiae
dignitatis contulit quantimi ab illa nobilitatis adcoepit
Vix. ann. LXIII. m. V. d. X. "^nr. kal. Mart
MVID
Andreas episcop Crotoniat et Bartholomeus patn opt p
574 Zuafttxe.
Tiber- Ueberscbwemmung.
Facacte yon Sta Maria sopra MUierra. J. 1495.
Ann. Chr. mud. non. Decemb.
Auctus in unmensum Tiberis dum
profluit alveo
Extulit huc txuntdad turbidoB
amnis aquad
Grabschrift Cardinal Gio. Bat Savellis.
Sta Maria Araceli. J. 1498.
Joannes. Baptista. Sabellus. S. Ro. Eccl. Diaconus. Card.
Tempor. varietate. atq. inalignit. bis. ad. cardinalatum.
Electus. et. in. mole. Hadriani. detentus. semper. tarnen.
Honorifice. liberatus. sub. Paulo. Xysto. Innocentio.
Alexandro. ducatus. Bonontae. Marchiae. Genuae. legat.
Plene. et. clare. functus. fragilit humani. gener. meditat.
Moniment. vivens. sibi. po«.
Vix. an. LXX.
* Inschrift Cardinal Lorenzo Cybös.
SU Maria del popolo. J. 1503.
D. Laurentio martyri sanctiss. Laurent eps. Alban'e
sis Card. Beneventa. ne mors devotionis affectum prae
veniret sacell. hoc dedicavit dotavitq.
' - - - - - ■ ^ - 1
DRUCKFEHLER - BERICHTIGUNG.
Seite 91 Zeile 25 statt Mai lies Juni.
» 103 > 9 statt 19 lies 9.
- 141 - 18 statt 1461 lies 1460.
169 » 23. Inbetreff der Reihe der Jubiläen ist zu bemerken, dass
wegen der Ungewissheit des Jubeljahrs 1425 die fernere
Zählung bei den Historikern verschieden ist.
- 230 - 19 statt 1499 lies ir)00.
254 - 16 statt Arduino lies Ardicino.
255 - 1 statt Martin lies M artin ez.
305 • 18 statt Mai lies Juni.
504 > 11 statt Leonardo lies Girolamo.
Id Band II. sind noch zu verbessern:
8eite 499 Zeile 24 statt 1220 lies 1226.
1111 " 20 statt Andrea lies Antonello.
1234 » 15 statt Leonovicensi lies Lemoviceusi.
DES AlTEK UND NEUEN lATBHAN.
m
es .
c
'-1
• •
^
i
v