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LIBRARY OF THE
CLASSICAL DKFARTMENT
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GESCHICHTE UND SYSTEM
DER
RÖMISCHEN STAATSVERFASSUNG
VON
Dr. ernst HERZOO,
OUD. PBOFK8SOB DBR PHTLOLOOtR AH DBR UtnYXRBITÄT TCBIKOKN.
ZWEITER BAND.
DIE KATSERZEIT VON DER DIKTATUR CÄSARS
BIS ZUM REGIERUNGSANTRITT DIOCLETIANS.
EBBTE ABTEILUNG.
GESCHICHTLICHE ÜBERSICHT.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1887.
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HARVARD U.NiVERSÜY,
Classieal Department.
WUND «:^ 'n 1914
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Einleitung.
Das wichtigste Problem einer Darstellung der Verfassung
des römischen Kaiserreichs besteht in der Definition der Anfönge,
und die Schwierigkeiten dieses Problems liegen nicht sowohl
in der Überlieferung als in den geschichtlichen Thatsachen. Bei
der Neugestaltung des Gemeinwesens^ die der Diktator Cäsar
unternahm, ist das letzte Wort nicht gesprochen worden , die-
jenige Form aber, welche Augustus der Republik gab und welche
Bestand hatte, war ein so künstlicher Kömpromifs, dafs der Ur-
heber selbst seine ganze Lebenszeit hindurch daran zu arbeiten
hatte und Wort wie Sache überhaupt nicht einfach formuliert
werden konnte. Und diese Unbestimmtheit hat sich auf die
Nachfolger des Augustus fortgepflanzt, so lange sie sich zu seinem
System bekannten, in welchem, wie dem Augustus selbst, so jedem
einzelnen ein so weiter Spielraum yerfassungsmäfsigen Handelns
gegeben war, dafs jede neue Persönlichkeit den Charakter der
Regierung neu bestimmte. Wir haben es nun nicht mehr mit
einer Entwicklung zu thun, die durch eine Reihe von Akten der
Gesetzgebung hindurchgeht und daran ihre Epochen hat, sondern
die konstitutiven Momente sind sämtlich schon unter Augustus
gegeben; nur die thatsächliche Mannigfaltigkeit in der Hand-
habung der augusteischen Verfassung macht die politische Ge-
schichte dieser Zeit aus und teilt sie in eine Geschichte der ein-
zelnen Regierungen, denen man Schritt für Schritt nachgehen
mufs. Doch stehen neben diesen kleinsten Zeitabschnitten auch
wieder gröfsere, die bedingt sind durch die allgemeinen Verän-
derungen, die jedes Gemeinwesen im Fortschritt der Zeit in seinem
änfseren Bestand, in den gesellschaftlichen Zuständen seiner Be-
völkerung^ in den die Menschen bewegenden Anschauungen und
Interessen durchmacht, Wandlungen, die sich immer nur in grö-
fseren Zeiträumen vollziehen, wenn auch zum Teil unter Anstöüsen
von einzelnen Personen und einzelnen Thatsachen. Den h
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neraus i
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sich ergebenden Aufgaben einer möglichst genauen Bestimmung
der konstitutionellen Grundlagen, der Charakterisierung der grö-
fseren Perioden und der Verfolgung der einzelnen Regierungen nach
allen Momenten, die sie für die Entfaltung des im augusteischen
System Liegenden beibringen, sucht die nachfolgende geschichtliche
Darstellung, die auch hier wieder der systematischen vorangehen
soll, möglichst gerecht zu werden. Denn von dem allgemeinen Plane
dieses Werks, Geschichte und System der Verfassung neben ein-
ander zu geben und die Geschichte in möglichst kleinen Perioden
zu verfolgen, dem Plane, wie er in der Einleitung zum ersten
Band S. XLV vorgezeichnet ist, kann der Verfasser nicht abgehen;
es ist nicht nur seine Überzeugung, sondern er weifs sich damit
im Einverständnis auch mit andern, dafs ein Ineinanderarbeiten
der beiden Seiten jede beeinträchtigt, eine systematische Darstel-
lung allein aber ohne die historische Auffassung desselben Ver-
fassers vieles unverständlich läfst. Um die Konstruktion eines
Bauwerks klar zu machen, sind nicht nur Grund- und Aufrifs,
sondern auch die Durchschnitte nötig. Der Nachteil, dafs manches
zweimal zu sagen ist, läfst sich auf ein geringes Mafs zurück-
bringen, wogegen der Vorteil, was jederzeit nebeneinander ist,
aber jederzeit auch wieder in andern Verhältnissen, eben in diesem
Wechsel der Verhältnisse kennen zu lernen, weit überwiegt.
Noch ungenügender als das System allein aber wäre eine blofse
Geschichte der Verfassung: sie wäre nur Stückwerk, da es nicht
möglich ist, den inneren Zusammenhang der Institute, das Detail
ihres Inhalts und ihrer Formen, das gleichbleibende im Wechsel
in ihr zu geben und zur Anschauung zu bringen und 60 wichtigen
Fragen wie den Funktionen des Senats, der Gliederung des
Beamtentums, woran zugleich die Verwaltung hängt, oder den
rechtlichen Verhältnissen der Bevölkerungsklassen gebührend
nachzugehen.
Um die Fortsetzung des Werks nicht zu weit hinauszu-
schieben, wird der geschichtliche Teil hiemit besonders veröflFent-
licht; der systematische, der eben mit Bezug auf das Voran-
gehende kürzer gefafst werden kann, soll in thunlichster Bälde
folgen. Auch diesem Band aber soll, da in der Einleitung zum
ersten Band nur die Litteratur über die früheren Perioden berück-
sichtigt war, eine kurze Übersicht über die litterarischen Voraus-
setzungen vorangehen, welche der heutige Bearbeiter der römischen
Eaiserzeit hat.
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Das Interesse für die römische Kaisergeschichte war in der
Zeit der Renaissance und bis ins 18. Jahrhundert hinein wohl
starker als für jede andere Periode der alten Geschichte: Gelehrte
und Gebildete, Kirchenschriftsteller, Juristen, Staatsmänner, Mili-
tärs waren dabei beteiligt, fanden ihr Ergötzen an dem biogra-
phisch erzählten und anekdotenreichen StoflF, und in einer Periode,
in der grofse Monarchieen die Geschichte beherrschten, fehlte es
auch nicht an Motiven zu Parallelen mit der* eigenen Zeit. Man
las die Historia Augusta in den Quellen, doch mehr in jener bio-
graphischen Form, bei Sueton und seinen Nachfolgern, als bei
Tacitus, und für den Gelehrten war durch die Kommentare eines
Casaubonus und Salmasius gesorgt. Die erste ausführlich nach-
erzählende und zugleich in vollem Sinn wissenschaftliche Ge-
schichte der Kaiserzeit kam erst am Ende des 17. Jahrhunderts
aus der Hand des Schülers und Freunds der Jansenisten Le
NaindeTillemont.^) Die Absicht des gelehrten Geistlichen, der
die Kirchengeschichte zu seinem Lebensberuf gemacht und diese
auch zuvor schon bearbeitet hatte, ging darauf, im Dienste der
Geschichte der Heiligen und der Kirche die profane Welt, unter
welcher das Christentum entstand und sich ausbildete, kennen
zu lehren^ und seine ganze Darstellung ist von diesem Stand-
punkt durchzogen. Aber durch die beengenden Schranken, welche
dieser Gesichtspunkt zog, dringt doch überall durch, dafs er, der
schon als Knabe die Annalen des Baronius studierte und mit
kritischen Fragen, die ihm bei dieser Lektüre kamen, seine Lehrer
in die Enge trieb, ein geborener Historiker war. Die Eigen-
schaften^ in denen sich dies ausprägt, der unermüdliche Fleifs im
Sammeln alles ihm zu Gebot stehenden Materials aus den Schrift-
stellern, profanen und kirchlichen, aus Münzen und Inschriften,
gewissenhafteste Erwägung aller Momente und innerhalb der
Grenzen seines kirchlichen Staudpunkts unbestechliche Wahrheits-
liebe, die ihn bei seiner Kirchengeschichte lieber auf die Heraus-
gabe hatte verzichten lassen als dafs er sich zu Änderungen
verstand, die er nicht gerechtfertigt hielt, haben sein Werk zu
der soliden Grundlage der Forschung gemacht, deren Wert auch
heute noch nicht vergangen ist. Näher beruht dieser Wert in
1) Histoire des empereura et des autres princes, qiU ont regne durant
les six Premiers siecles de Viglise (fünf Bände). Paris 1693. Wo er hier
citiert wird, geschieht es nach der Venediger Ausgabe von 1732.
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einer Art der Darstellung^ die allerdings den pragmatischen Zu-
sammenhang zerreiTst^ aber für die methodische Untersuchung
um so nützlicher ist^ in der annalistischen Anlage mit der An-
gabe der Quellen und den Noten und Exkursen. Tillemont ver-
dankt man die erste genauere Chronologie der Eaiserzeit, und
auch der Sammlung des Stoffs ist jene Anlage zu gute gekommen,
sofern viele Einzelheiten, die wegen schwieriger Einfügung in
irgend eine Pragmatik leicht bei Seite gelassen werden, hier ihre
Stelle in objektiver Weise fanden. Seine Aufstellungen sind frei-
lich seitdem durch viele Hände gegangen, durch neue Zeugnisse
kontrolliert und vielfach auch berichtigt worden, aber sie werden
doch jedem Spezialforscher ein wertvoller Ausgangspunkt bleiben,
innerhalb der Zeit, mit der dieses Buch es zu thun hat, zumeist
für das zweite und dritte Jahrhundert. Auch für die Verfassungs-
geschichte im engem Sinn ist Tillemont vorzugsweise wegen der
Einordnung des Thatsächlichen von Bedeutung; der genaueren
Definition der politischen Institute ist schon dadurch Eintri^
gethan, dafs Tillemont zwar mit Augustus den Ausgangspunkt
nimmt, diesen aber nur summarisch behandelt, sich dabei ent-
schuldigend, dafs er vom Standpunkt der Kirchengeschichte aus
überhaupt so weit zurückgehe.
Mit ganz entgegengesetztem Gesichtspunkt und Verfahren
tritt beinahe ein Jahrhundert später der Engländer Gibbon^)
mit seinem grofsen Werk in die Geschichte der Forschung ein.
Hinsichtlich des gelehrten Stoffs fufst er bei aller eigenen Quellen-
forschung auf Tillemont, „dessen unnachahmliche Genauigkeit
beinahe den Charakter der Genialität annimmt/' Auch er kommt,
wenn auch aus andern Gründen als sein Vorgänger nur zu einer
summarischen Würdigung der zwei ersten Jahrhunderte: war es
ja doch der Niedergang und Verfall des Reichs, den er schreiben
wollte, während bis auf M. Aurel für niemand mehr als für ihn
das römische Reich seinen Höhepunkt hatte. Indessen hat er
wenigstens das System des Augustus eingehender charakterisiert
und eine Analyse der zuständlichen Verhältnisse des Reichs im
1) History of the decUne and faU of the Boman empire. Von der ersten
Ausgabe in Quart erschien Band 1 1776, Bd. 2 und 3 1781, Bd. 4—6 1788.
Der erste Band, der mit den beiden Kapiteln (15 und 16) über das Cbristen-
tom Bchlols und in der Geschichte bis zum J. 824 ging, ist in späteren
Ausgaben mehrfach verändert worden. £r war der, welcher am meisten
gelesen und discutiert wurde.
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ersten und zweiten Jahrhundert gegeben. Sein Urteil ist dabei,
obgleich er auch hier nicht die Quellenzeugnisse genauer ver-
gleichty doch tiefer gehend als die gangbare Formel; dafs Augustus
die absolute Monarchie unter republikanischen Formen eingeführt
habe, aber dafs er sein Ziel in den späteren Jahrhunderten hat,
macht sich darin geltend, dafs die Voraussetzungen, welche
Augustus hatte, und damit die Bedeutung der republikanischen
Motive, die er bestehen läfst, doch nicht zu ihrem Rechte kommen.
Was aber seine Stellung in der Geschichtschreibung betrifft, ist
die rückhaltlos aufgeklärte auf dem Standpunkt des modernen
Bewufistseins stehende Darstellung, mit welcher er, den gelehrten
Apparat nur in wenigen Noten kundgebend sonst aber den stoff-
lichen Charakter überhaupt abstreifend, die Periode, die er schil-
dert, in die Interessen der gebildeten Welt einführt mit einem
Werk, das in Form und Haltung überall den Stempel des reifen
and überlegenen Geistes trägt Unter der Buhe des einfach vor-
oehmen Tons ist doch die Begeisterung nicht zu verkennen, welche
der grofse weltgeschichtliche Stoff auf den Verfasser macht,
jenes tiefe Gefühl, das nach eigenem Zeugnis den sonst kühl
denkenden Mann beim ersten Anblick der ewigen Stadt erfalste
und ihm, als er auf der Höhe des Kapitols auf die Trümmer des
alten Roms hinsah, den ersten Gedanken eingab, den Niedergang
der hier versunkenen Gröfse zu schildern. Schon vor Niebuhr
endlich hat er in einem Teil der alten Geschichte ein durch
eigene wenn auch mehr beobachtende als aktiv eingreifende Teil-
nahme am politischen Leben geschärftes Urteil geltend gemacht^)
und ist in der Einführung der wirtschaftlichen Fragen wie in
der Freiheit der Kritik seiner Zeit vorangegangen.
Jahrzehnte lang ist Gibbons Werk einzig in seiner Art ge-
blieben, obgleich die kurze Behandlung der früheren Eaiserge-
schichte zur Ausfüllung der hier vorliegenden Lücke hätte auf-
fordern sollen. Allein am Ende des vorigen Jahrhunderts geschah
es, dafs das Interesse für die Eaiserzeit hiüter dem an der Re-
pubhk zurücktrat, und Niebuhr findet noch in der Zeit, da er
seine Vorträge an der Universität Bonn hielt (nach 1823), dafs
die Geschichte der römischen Kaiser zu sehr vernachlässigt
1) Er sagt selbst in seinen Memoiren: Eight sessions (hat I sat in
parliament teere a school of civil prudence^ the first and most essential virtite
of an historian.
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seiJ) Zuerst waren es wohl die Tendenzen der Revolutionszeit ge-
wesen; welche die Anschauungen des grofsen Publikums bestimm-
ten^), später aber hat Niebuhrs eigene Thätigkeit für die ältere
Zeit eingewirkt, das Interesse dieser vor allem zuzuwenden. Aber
indessen wurde in den Hilfswissenschaften der Numismatik und
Epigraphik um so bedeutender und für zukünftige Historiker
fruchtbarer gearbeitet. Die Münzen der römischen Kaiser hatten
von jeher die Liebhaberei weiter Kreise gebildet und auch viel-
fach die Behandlung durch Fachgelehrte gefunden. Nun aber
hatte die antike Numismatik das Glück, in dem Jesuiten Josef
Eckhel einen Bearbeiter zu finden, der sie eben als geschichtliche
Disziplin neu schuf. Was Eckhel in den Bänden VI— VHI seiner
Doctrina numorum veterum^) geleistet hat sowohl in den Erklä-
rungen zu den einzelnen Kaisem und einzelnen Jahren als in
den allgemeinen Ausführungen des achten Buchs, hat monumen-
tale Bedeutung und bildet bis zum heutigen Tag eine Schule
nicht blofs für die Chronologie und Bedeutung der aus den
Münzen zu entnehmenden Thatsachen, sondern auch für die staats-
rechtliche Benutzung der Münzen. Ahnliches gilt in der Epi-
graphik von GaetanoMarini's Urkunden der Arvalbrüder*) und
der reichen Fülle der Abhandlungen von Bartolomeo Bor-
ghesi^), die jetzt in seinen oeuvres zusammengestellt sind. Hat
sich Marini neben seiner Bedeutung für die methodische Behand-
lung der Inschriften auf geschichtlichem Gebiet besonders um die
Konsularfasten und die Personalkenntnis der Kaiserzeit verdient
gemacht, so ist bei Borghesi die Anknüpfung der epigraphischen
Zeugnisse an die litterarischen besonders von Wert, und in der
1) Römische Geschichte vom ersten punischen Krieg bis zum Tode
Coüstantiüs nach Niebahrs Vortrugen bearbeitet von Leonh. Schmitz, aus
dem Engl, übersetzt von Gast. Zeük. Jena 1845. 2. Bd. S. 232.
2) Vgl. die Aufserongen von Mirabeau über Gibbons tahleau si odieuse-
ment faux de la fiUcite du monde, darüber, dafs ein solches Werk, gewidmet
der Bewunderung eines Eeichs von mehr als 200 Millionen Menschen, in dem
niemand sich frei nennen durfte, in englischer Sprache geschrieben sein
konnte. Bei Sainte-Beuve causeries du lundi, 8 p. 460.
3) Das Werk (in 8 Bänden) erschien Wien 1792—8.
4) Marini, gli atti e monumenti de* fratelU Arvali. I. II. Borna 1795.
5) Bart. Borghesi, oeuvres compUtes pübliees par Us ordres de VEm-
pereur Napoleon III. 9 vol. Paris 1862—79. Der erste und zweite Band
ist numismatisch, die übrigen epigraphisch. Die bei der Herausgabe be-
teiligten Gelehrten L. Renier, Mommsen, Henzen, G. B. Bossi haben die
einzelnen Abhandlungen fortlaufend kommentiert.
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Erklärung einzelner Inschriften, namentlich der Ehren- und Grab-
sehriften hervorragender Männer, ist er von einziger Genauigkeit.
Unverkennbar fühlt er sich in dieser Welt der römischen Ari-
stokratie völlig zu Hause: diese Männer des alten Senats sind
ihm wie die eigenen Vorfahren und es gewinnt den Anschein,
als ob es ihm mehr noch als um die Geschichte des Reichs um
die Genealogie jener Adelsgeschlechter zu thun wäre; sonst ist
es insbesondere die Geschichte und Verwaltung der Provinzen
und das Heerwesen, wofür aus seinen Arbeiten über so viele
ciirstis hononimj über die Inschriften von Priesterkollegien und
von Truppenkörpern Gewinn zu ziehen ist, woneben sich das Be-
streben Marinis, die Eonsularfasten möglichst zu vervollständigen,
auch bei Borghesi fortsetzt. Auch bei ihm hat freilich die Be-
schäftigung mit dem inschriftlichen Material noch den Charakter
eines Privilegiums einiger Auserwählten, die unter den Monumental-
scbätzen des Altertums leben und aus sonst verborgenen Quellen
zu schöpfen wissen: es war den mit ihm verkehrenden deutschen
und französischen Gelehrten vorbehalten, seine Forschungen auch
weiteren Kreisen zu vermitteln, und die deutsche Thätigkeit vor-
zugsweise war es, die was bei den griechischen Inschriften schon
durch Böckh geschehen war, nun in noch viel grofsartigerer
Weise den lateinischen zuteil werden liefs, indem sie durch eine
allgemeine methodisch musterhafte Sammlung wie durch kom-
pendiarische Zusammenstellungen aus denselben ein Werkzeug
der allgemeinen philologisch - historischen Forschung machte,
jedermann zugänglich und für alle Seiten des antiken Lebens
verwertbar. ^)
1) Über die Geschichte der lateinischen Epigraphik, die verschiedenen
Sammlungen von Inschriften, speciell das Berliner Corpus inscriptionum
latinarum vgl. Hübner, röm. Epigraphik in Iwan Müllers Handbuch der
klass. Altertumswissensch. 1, 475—548. — Von kompendiarischen Samm-
luDgen sind zu nennen: Orelli-Henzen, inscriptiones Born, antiquitatis
I — III. 1828.1856. Wilmdnns, exempla imcriptionum latinamm. 2 Bände.
Berlin 1873. Als besonders wertvoll ist ferner zu nennen die nach den
neuen Ausgrabungen beim Lokal der Arvalbrüder veranstaltete neue Aus-
gabe der Urkunden derselben von Henzen, acta fratrum ArvaUum^ Berlin
1874. — In der Numismatik der Eaiserzeit ist jetzt das Material am voll-
ständigsten bei Cohen, description historique des medaüles imperiales. 6 vol.
2. ^t. Paris. Rollin et Feuardent 1880—1886. Sonst gehört zum numis-
matischen Apparat der Kaiserzeit aufser Mommsens römischem Münzwesen
v. Sallet, Die Daten der alexandrioischen Eaisermünzen. Berlin. Weid-
mann 1870. ^ y
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Es ist nicht zu yerkennen, dafs die Stoffzufuhr, welche aus
den monumentalen Quellen kam, dazu beitrug auch das Interesse
für die Eaisergeschichte neu zu beleben , und dies war in der
That notwendig. Bei aller Klage darüber, dafs dieser Teil der
Geschichte vernachlässigt werde, weifs Niebuhr doch nur die
Gesichtspunkte der Praxis geltend zu machen, den Theologen und
Juristen zu mahnen, dafs er mit ihr vertrauter sein müsse. Sonst
ist ,,die ganze Geschichte des Kaiserreichs nur merkwürdig als
ein Teil der Weltgeschichte, als Volks- oder Staatsgeschichte ist
sie im höchsten Grade traurig und entmutigend" (Vorträge 2,
232), und so will er denn seinen Zuhörern nur kurze Übersichten
und Umrisse geben, hauptsächlich Charakteristiken der Kaiser
und litteraturgeschichtliche Bemerkungen, die immer lesenswert
sind. Diese Ungunst der Zeit hatte in Deutschland auch Hock
zu erfahren, als er es unternahm, die Geschichte vom Verfall der
Republik bis zur Vollendung der Monarchie unter Constantin
(Braunschweig 1841) zu schreiben: die Teilnahme des Publikums
reichte nicht zur Vollendung des tüchtigen Buchs; es wurde nur
bis zum Tode Neros fortgeführt. Mehr Glück hatte in England
Charles Merivale mit seiner „Geschichte der Römer unter dem
Kaiserreich".^) Auch er hatte im Sinn, bis zur Zeit Constantins
vorzudringen, von einer bestimmten Tendenz aus. Er wollte eine
Ergänzung Gibbons sein zunächst in dem Sinn, dafs er die von
jenem nur kurz behandelten zwei ersten Jahrhunderte in voller
Ausführlichkeit erzählte, sodann darin, dafs er den viel ange-
fochtenen Kapiteln 15 und 16 Gibbons über das Christentum, die frei-
lich vom Standpunkt des vorigen Jahrhunderts und den besonderen
persönlichen Erfahrungen des Schriftstellers aus begriffen sein wollen,
ein von anderem Standpunkt aus geschriebenes Bild des ältesten
Christentums und seiner Bedeutung gegenüberzustellen wünschte.
Letzteres kam nicht zur Ausführung; der erstere Plan aber wurde
mit der Erzählung der Kaisergeschichte bis zum Tode M. Aureis
ausgeführt. Das Werk hat in der Heimat des Verfassers viel
Beifall gefunden, und es bietet dem Gebildeten eine lesenswerte,
in edlem Ton gehaltene stofflich reiche Erzählung. An die geistige
1) Erste Ausgabe der Eistory of ihe Bomans unäer ike empire, VII. vol.
geht von 1860 an; deutsche Übersetzung Leipzig, Dyk. 1866. — Von eng-
lischer Litteratur ist noch zu nennen Henry Clinton, fastt Bomani from
the death of Äugustua to the death of lustin. II, Oxford 1846, die voll-
ständigste quellenmäfsige Chronologie der röm. Eaiserzeit.
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Höhe Gibbons reicht es nicht In seiner Würdigung der Ver-
fassung ist Merivale bemüht; die Bedeutung des Senats und des
ßechtslebens ins Licht treten zu lassen gegenüber den Vorstel-
lungen Ton einem von Augustus an gleichmäfsig durchgehenden
nur verschleierten Despotismus; namentlich aber^ und dies ist
die bekannteste Seite seines WerkS; vertritt er die Richtung der
Bettungen ; indem er die schlimmsten Namen des ersten Jahr-
hunderts bemüht ist durch eingehende Würdigung ihrer Hand-
lungen von dem Fluch zu befreien^ der auf ihnen lastet, und vor
allem den einseitigen Einflufs des Tacitus auf das Urteil zu zer-
stören. Wie überall; wo dies mit einer gewissen Tendenz ge-
schieht, läuft auch hier Übertreibung mit unter neben annehm-
baren Ausführungen.^) Was vom wissenschaftlichen Standpunkt
aus zu vermissen ist, liegt in dem Mangel an präziserer Behand-
lung der staatsrechtlichen Fragen, die mehr in breiten allgemeinen
Reflexionen besprochen als nach quellenmäfsiger methodischer
Untersuchung dargelegt werden, womit auch die unzureichende
Benutzung der monumentalen Quellen zusammenhängt.
Eben die volle Geltendmachung der beiden letztgenannten
Momente hat zu einer wesentlichen Förderung des Verständnisses
der Grundfragen geführt, welche die Geschichte der Eaiserzeit
bewegen. Die Aufgabe einer genaueren Definition der Kaiser-
gewalt nach Titel und Inhalt, die Beschreibung dessen, was an
konstitutionellen Elementen bei den Neuerungen erhalten ist,
welche Augustus eingeführt hat, die genauere Berücksichtigung
und Analyse der formellen Akte gegenüber blofs allgemeiner
politischer Erwägung war zunächst Aufgabe der Rechtsgeschichte;
allein diese kam bei keinem ihrer Vertreter zu einer Definition,
welche die verschiedenen einander widerstrebenden Momente, das
Imperium der Kaiser und ihr Gebunden sein durch die republi-
kanische Verfassung zu einer befriedigenden Zusammenfassung
und zum Verständnis gebracht und über eine Statistik der ver-
schiedenen Befugnisse hinausgeführt hätte. Erst Mommsen^) hat
1) Da hiervon bei den einzelnen Kaisern, zunächst bei Tiberios, die
Bede sein wird, so möge hier die blofse Erwähnung dieser Eichtung ge-
nfigen.
2) Es gehören hieher neben Rom. Staatsrecht II. 2 (der Principat)
das Werk Bes gestae divi Augusti, Ex monumeniis Äncyrano et Äpolloniensi
iiemm ediäit Th. Mommsen, Äccedunt tabulae undecim. Berlin, Weidmann
1883. Die erste Ausgabe war auf Grund einer französischen Aufnahsae des
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auch auf diesem Gebiete eine neue Grundlage geschafifen, teils von
exegetischer teils von systematischer Behandlimg aus. Aus dem
eigenen Zeugnis des Augustus hebt er die Stelle hervor, worin
dieser erklärt, dass er in den Jahren 28 und 27 v. Chr. die
Republik wiederhergestellt und von da an keine andere Gewalt
angenommen habe als eine solche, wie sie auch andere Magistrate
neben ihm gehabt (lies gestae div. Äug. p. 144 flF.); er weist ferner-
hin nach, wie mit dieser authentischen Aufserung auch die
sichersten Zeugnisse der Schriftsteller übereinstimmen, dafs also
die offizielle Bedeutung der politischen Neueinrichtung nur die
einer Vervollständigung der Magistratur in der Republik sein
sollte. Dem steht gegenüber und wird damit hinfallig die Auf-
fassung, dafs die Gewalt des Imperators Augustus eine neue
aufserordentliche gewesen sei, ein imperium in absolutem Sinn,
eine Auffassung, die Monimsen auch systematisch nicht gelten
läfst, da das römische Gemeinwesen ein imperium schlechthin
nicht kenne, sondern dies immer entweder das des Konsuls oder
eines andern dazu befähigten Magistrats sei (Staatsr. 2, 815).
Bei Augustus sei es als imperium proconsulare definiert, was dann
Monuments (von G. Perrot) 1865 erschienen, die zweite auf Grund der
von der Berliner Akademie veranstalteten Expedition von Humann und
Domaszewski. Der Mommsen'sche Kommentar begleitet die einzelnen
Kapitel. Über die ursprüngliche Bedeutung dieses Monuments in seiner
Originalaufstellung beim Grabmal des Augustus und seine Klassifikation hat
sich eine kleine Litteratur gebildet. Mommsen, Hermes 18, 186 nennt es einfach
den Rechenschaftsbericht des Augustus, Hirschfeld (Verwaltungsgesch. 1, 3.
Wiener Stud. 7, 170—174) sein politisches Testament, Bormann (Marburger
Bektoratsprogr. 1884), Nissen (ital. Landeskunde 1, 38 A 1; 81 A. 1; vgl.
dazu Rhein. Mus. 41 (1886), 481—499), Joh. Schmidt (Philolog. 44, 442 ff.
46, 893 ö. 46, 70 ff.) eine Grabschriffc, Wölfflin (Sitzungsber. der Münchner
Akad., philol. bist. Kl. 1886) in Analogie der tabulae accepH et cxpensi ein
Rechnungsbuch „die Bilanz des Begründers der Monarchie" , v. Wilamowitz
(Hermes 21, 623—7) in Analogie mit den nQa^sig^HQaiiXiovs als Kommentar
zur albanischen Tafel mit der Apotheose der Herakles eine Begründung der
erwarteten Apotheose. Es ist natürlich, dafs man Anknüpfungen sucht; aber
einer Klassifikation bedarf es überhaupt nicht. Die beste Anknüpfung liegt
in dem sonstigen Verfahren des Augustus. Seit er die Rekonstruktion des
Gemeinwesens in versöhnendem Sinn in die Hand genommen, war er
bemüht, durch Reden vor Senat und Volk die Römer von der Redlichkeit
seiner Intentionen und dem Verdienstlichen und Richtigen in seinem Werk
zu überzeugen. Dies will er nun, ernstlich bemüht um seinen Nachruhm
wie um das Gelingen seiner Lebensarbeit, auch noch vom Grabe aus thun
in monumentaler Weise.
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weiterhin an den Zeugnissen auch für die späteren Imperatoren
verfolgt wird. Es gewinnt femer in Konsequenz hiervon der
konstitutionelle Charakter der kaiserlichen Gewalt eine ernst-
haftere Bedeutung und entsteht zugleich die Aufgabe, diese
Stellung in ihren Funktionen durch alle Verhältnisse hindurch,
mit denen sie zu thun hat, zu verfolgen. Dies ist die Aufgabe
des systematischen Staatsrechts, das zugleich auch die andern
Seiten der obersten Gewalt beschreibt und analysiert. Denn
das prokonsularische Imperium giebt zwar an sich schon die
Stellung eines Princeps im Staate, d. h. nicht des princeps senattis,
sondern eines Princeps in absolutem Sinn, bedarf aber einer
Ergänzung nach der nichtmilitärischen Seite: diese hat Augustus
zaerst im Konsulat gesucht, später in der tribunicischen Gewalt;
denn diese als die höchste mit dem Principat notwendig ver-
knöpfte bürgerliche Magistratur ist namentlich in formaler Be-
ziehung der rechte und volle Ausdruck der Herrschergewalt
geworden und geblieben (Staatsr. 2, 837). Letzteres steht in
Zusammenhang mit der Lehre vom Volkstribunat, wie sie Momm-
sen schon für die republikanische Zeit vorgetragen, wovon be-
reits Bd. I (Einl. S. XL und bei der Behandlung des Voljjs-
tribunats) die Rede war. In Verbindung damit steht weiter,
dafs Mommsen die sog. lex de impetio Vespasiani als den Akt
fafet, durch welchen in den comitia tribuniciae potestatis diese Gewalt
erworben worden sei. — Ich glaube, dafs man den exegetischen
Nachweis von der ausgesprochenen Intention des Augustus selbst,
das Principat als eine Magistratur in die Republik einzuführen,
und damit den Ausschlufs einer über dem Gemeinwesen stehen-
den despotischen Gewalt anerkennen mufs, und dafs es im all-
gemeinen richtig ist, dafs letztere Vorstellung von den Schrift-
stellern des dritten Jahrhunderts, schon nach Dio, nach späteren
Eindrücken unrichtig dem originellen System Augusts auf-
gedrängt wurde.^) Es ist die auf dieser Grundlage aufgebaute
1) Ganz anders urteilt freilich Madvig: „Das römische Kaisertum ent-
wickelte sich ans einem rein thatsächlichen Zustand, auf der anerkannten
Notwendigkeit beruhend zu einer allmählich durch die Gewohnheit gnt-
geheiJsenen absoluten Monarchie und vererbte sich als solche sehr lange
Zeit, jeder einigermafsen konsequenten konstitationellen Theorie fremd, sodafs
in hetreff der älteren Zeit die Versuche begrifflicher Bestimmung und Be-
grenzung der Gerechtsame sich in hohle und widersprechende Spitzfindig-
keiten auflösen/' Verf. und Verw. 1, 681. Damit ist doch das Verfahren
des Angnstus und das römische Wesen überhaupt sehr verkannt
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— XIV —
Beschreibung des Prineipats als einer Magistratur nach allen
ihren Rechten und Funktionen wie schon der Aufgabe nach die
erste epochemachende Erfassung eines notwendigen Problems -so
in ihrer Durchführung überall hin lichtgebend und neue Ge-
sichtspunkte auffallend. Von gewissen Punkten dieser Auffassung
aber ist in der folgenden Darstellung abgewichen. Ich halte
weder die Bedeutung ^ welche Mommsen der tribunicischen Ge-
walt der Kaiser giebt, für richtig, noch die Deutung der sog.
lex de imperio, ebenso auch nicht die Ableitung des Titels prin-
ceps und die Lehre, dafs die Erhebung zum Imperator durch
die Soldaten gleichberechtigt gewesen sei der durch den Senat.
Letzteres ist ein Ergebnis, das erst im Verlauf des dritten Jahr-
hunderts sich geltend macht, und ich habe in der Geschichte
des Kaisers Maximinus (S. 502 f.) die Epoche dafür nachzuweisen
gesucht. Überhaupt suche ich die Losung für die der syste-
matisch-theoretischen Betrachtung sich ergebenden und aus der
systematischen Konsequenz nicht zu erledigenden Schwierig-
keiten auf geschichtlichem Wege zu erzielen, wozu eben notig
ist, die Geschichte in möglichst kleinen Perioden zu durchlaufen.
Dafs z. B. bei aller fundamentalen Bedeutung der Art, wie Au-
gustus das Principat eröffnete und die formalen Akte, durch welches
die Rechte desselben erteilt wurden, feststellte, doch diese Gewalt
ihrem Inhalt und ihrer Benennung nach bald auch eine Richtung
auf mehr einheitliche Stellung und autokratischen Charakter er-
hielt, leuchtet ein und zeigt sich auch in der Überlieferung. — Die
Ergänzung der Darstellung des Prineipats durch die Stellung
des Senats steht in Mommsens Staatsrecht noch aus; es wird
sich mit ihr erst genauer darstellen, wie der Begriff der Dyarchie
zu fassen ist, „d. h. der zwischen dem Senat einer- und dem
Princeps als dem Vertrauensmann der Gemeinde andrerseits ein
für allemal geteilten Herrschaft", womit Mommsen das Ver-
hältnis dieser zwei Faktoren bezeichnet (Staatsr. 2, 725).
Eine weitere wesentliche Förderung hat die Geschichte
dieses Zeitraums durch Mommsens Beschreibung der römischen
Provinzen von Cäsar bis Diocletian erhalten, die als fünfter
Band seiner römischen Geschichte erschienen ist (zuerst 1885).
Es ist in dieses aufs vollste ausgeführte Bild des römischen
Reichs all der Gewinn eingelegt, welchen die Zusammenstellung
der inschriftlichen Quellen nach den Provinzen im Corpus in-
scriptionum Utterarum gebracht hat, und hiedurch mehr noch als
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durch die Abwägung der konstitutionellen Verhältnisse dem ur-
teil fiber diese Periode ein Mafsstab gegeben. Gibbon (Kap. 3
gegen Schlufs) hat den Ausspruch gethan: y,wenn jemand die
Periode der Weltgeschichte zu bezeichnen hätte, in welcher der
Zustand des Menschengeschlechts der glücklichste und gedeih-
lichste gewesen, so würde er ohne Zögern diejenige nennen,
welche Tom Tode Domitians zu dem Begierungsantritt des Com-
modus verfloHs''; er hat aber dafür die nähere Begründung durch
die Thatsachen dem Leser nicht gegeben. Nun könnte er auf dieses
Werk Mommsens verweisen, und Mommsen selbst kommt S. 5
auf ein nahezu ähnliches Besultat. Dafs eine absolute Fassung
eines solchen Urteils ihre Beschränkung herausfordert, ist natür-
lich und bei den Vertretern desselben selbst auch zu finden; aber
die grofse Bedeutung dieser Periode für die Kultur der Menschheit,
die Fülle von Leben, die noch in ihr pulsiert, kann uns nicht
deutlicher sich vergegenwärtigen als durch die Möglichkeit jener
Fassung bei so kompetenten Beurteilern.
Die seit dem Erscheinen des Mommsen'schen Staatsrechts
erschienenen Bearbeitungen der Kaisergeschichte stehen hinsicht-
lich der Verfassung mehr oder weniger in Beziehung zu der
Mommsen'schen Darstellung. Unter diesen ist besonders herv^or-
zuheben Herm. Schillers Geschichte der römischen Kaiserzeit
TonCäsars Tod bis zu Theodosius dem Grofsen. 1883—1887. Die
reiche Fülle von StoflP, die Vielseitigkeit in der Berücksichtigung
aller Seiten des antiken Lebens, die Zusammenstellung der
Quellenzeugnisse wie der neueren Litteratur machen diese Schrift
za einem wertvollen Geschichtswerk; in mancher Hinsicht habe
ich filr weitere Ausführung auf dasselbe verwiesen und bekenne
gerne, dafs ich, demselben Stoff nachgehend, viele Erleichterung
des Suchens demselben zu danken habe. In der Verfassungsge-
schichte schliefst sich Schiller an das Mommsen'sche System an.^)
— Eine sehr vollständige, ebenfalls höchst vielseitige und beleh-
rende Darstellung der Kaiserzeit verdankt man dem französischen
Staatsmann und Gelehrten Victor Duruj^); man darf ihm mit
1) Auch die Berichte Schillers für röm. Geschichte und Chronologie
in fioTsiaDs Jahresber. über die Fortechritte der klass. AltertumswisBenscb.
Ton 1883 an sind hier zu erwähnen. Ich verweise auf sie hinsichtlich der
Monographieen, die in diesem Buche nicht erwähnt sind.
2) Higtaire des Bomains depuis les temps lea plus recuUs jusqu* d
ViwtHttum des barhares. 1879—1885. Hieher gehören die Bände 3—6. In
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Recht eine gröfsere Bedeutung beilegen als dem Werk des
Engländers Marivale. Dafs die Darstellung dieser Periode in
L. V. Ranke's Weltgeschichte*) sowohl mit ihrer Charakteristik
der einzelnen Regierungen wie mit der Einstellung der ganzen
Zeit in den gröfseren Rahmen der weltgeschichtlichen Betrach-
tungen ihre eigentümliche Stellung einnimmt^ bedarf kaum be-
sonderer Erwähnung, und das Interesse dafür wird noch gehoben
dadurch, dafs die Ranke'sche Auffassung nach Mommsens Werk
erschienen ist und mehrfach Beziehung auf dasselbe nimmt. —
Endlich ist auch auf juristischer Seite die neueste Darstellung
der römischen Rechtsgeschichte von Karlowa^ zu erwähnen,
die sich ausführlich mit den Verfassungsfragen beschäftigt. Kar-
Iowa bestreitet den Mommsen'schen Begriff von imperiutn als
imp. proconstilare, geht wieder auf die Fassung desselben als
eines allgemeinen neuen Gewaltbegriflfs zurück, woneben die pro-
konsularische Gewalt nur die Aufsicht über die Senatsprovinzen
bedeuten solle. Die tribunicische Gewalt hat für ihn nicht die
Bedeutung wie für Mommsen, die offizielle Bezeichnung des
Trägers der Gewalt ist nicht in ihr, sondern in dem Wort Prin-
ceps gelegen, das die erste amtliche Stellung im Gemeinwesen
bezeichnet. Das rechtliche Fundament dieser Stellung ist die
lex de imperio, von der wir einen Rest aus der Verleihung an
Vespasian haben; in dem verlorenen Teile derselben waren auch
die feldherrlichen Rechte enthalten (1, 492 flf.). Bei diesen Defini-
tionen, mit denen ich nur hinsichtlich einiger negativen Aus-
führungen übereinstimme, ist in der Hauptsache, der Definition
des Imperiums, übersehen, dafs die Starke der Mommsen'schen
Auffassung in ihrer Berufung auf die am meisten authentischen
Zeugnisse liegt, über die man nicht hinweggehen darf. In diesem
Punkte handelt es sich nicht um eine mehr oder weniger zu-
treffende systematische Konstruktion, sondern um die richtige
Würdigung der Zeugnisse.
Beigabe büdlicber Darstellungen ist das Werk dem Geschmack der Zeit
nicht blofs nachgekommen, sondern hat ihn noch überholt. Ins Deutsche
wurde es übersetzt von 6. Hertzberg (Leipzig 1885), dessen eigenes Werk
Bd. I. Einl. XLI. A. 3 erwähnt ist.
1) Es gehören hieher II. 2. 308 ff. (Cäsar). II. 2. 308 ff. (Angnstus).
III. 1.
2) 0. Earlowa, römische Bechtsgeschichte. I. Staatsrecht nnd Bechts-
qaellen. Leipzig 1885.
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— XVII —
Der Reichtum von Belehrung, der sich aus den inschrift-
lichen Quellen als Ergänzung der litterarischen ergiebt^ ist
neuerdings auch für die Kenntnis der Verwaltung verwertet
worden und zwar nicht blofs, wie in dem Handbuch von Joach.
Marquardt^) fQr eine sachliche Detailausföhrung der einzelnen
Verwaltungszweige, sondern namentlich auch för die Organisation
des kaiserlichen Verwaltungsdienstes sowohl in technischer Be-
ziehung als nach der Seite, nach welcher er die konstitutionelle
Stellung der kaiserlichen Regierung veranschaulicht Dieses Ge-
biet verfolgt und auf demselben eine geschichtliche Entwicklung
nachgewiesen zu haben ist das Verdienst von Otto Hirsch-
feld. ^ Durch seine Arbeit hat diese grofse und stoflFlich durch
das ganze Gebiet der Inschriften hindurch zu verfolgende Auf-
gabe ihre Richtung erhalten.
Für die Geschichte der Republik hat die quellengeschicht-
liche Untersuchung unserer Überlieferung eine Rolle von höchst
prinzipieller Bedeutung gespielt. Dies ist in demselben Mafse
för die Geschichte der Kaiserzeit nicht mehr der Fall. Die
Untersuchung bewegt sich hier in der Aufgabe, wie sie für
jede geschichtliche Periode besteht, die verschiedenen Quellen
auf ihre Authentie zu prüfen, die abgeleiteten auf ihre Originale
zurückzuführen, die einzelnen Schriftsteller nach ihrer Stellung
zur Sache zu prüfen. Für keinen Teil unserer Periode fehlt es
in dieser Beziehung an Untersuchungen, und auch in der nach-
folgenden Geschichte der Verfassung ist bei den einzelnen Teilen
stets Rücksicht auf diese Fragen genommen. Eine wesentliche
Rolle spielt dabei die Bedeutung von Tacitus und Dio Cassius.
Es ist am gegebenen Ort die Stellung dieser Manner zu ihrer Auf-
gabe und zu ihrer Zeit, für welche sie nicht blofs als Bericht-
erstatter, sondern auch als Typen in Betracht kommen, eingehend
gezeichnet, dabei hinsichtlich des Dio Cassius auf die von ihm
dem Mäcenas in den Mund gelegte Rede gebührend Bezug ge-
nommen. Ein Aufgabe der Quellenuntersuchung, die wohl an-
gefangen aber nicht vollendet ist, steht noch aus in der Frage
über die Authentie der in die Biographieen der historia Augusta
eingelegten Reden. Dafs hier viel Fälschung mit unterläuft,
1) Von den hierher gehörigen Bänden I und II ist 1 von Marqnardt
selbst, II Ton Dessau und Domazsewski in zweiter Aofiage bearbeitet.
2) Untersuchungen auf dem Gebiet der rOm. Verwaltungsgeschichte.
L Berlin, W^eidmann 1876.
Heraog, d. röm. SUativcrf. H. 1. ot^itized byGoOglC
— XVIII —
dürfte aufser Zweifel sein^ andererseits sind sie aber jedenfalls
in antiquarischer Beziehung nicht ohne Wert, nur auch hier
wegen der Vermischung von Bezeichnungen aus der Zeit der
Biographen mit den Verhältnissen der Zeit, die sie bebandeln,
mit Vorsicht zu gebrauchen.
Die kulturgeschichtlichen Zustände dieser Zeit, die sich mit
den politischen ja so vielfach berühren, haben durch Ludwig
Friedländer eine Bearbeitung gefimden, die mit ihren
Schilderungen wie mit ihrem statistischen Material für die Ver-
hältnisse der leitenden Kreise, des Hofs und der Aristokratie, für
die Gliederung der Stände und die geistigen Motive der Zeit
von hohem Interesse ist.^) Die Förderung, welche die Geschichte
der Zeit, der Martials Dichtung angehört, aus dem Kommentar
desselben Gelehrten zu diesem Dichter gewinnt, konnte diesem
Bande nicht mehr zu gute kommen.
Die Begrenzung der Zeit, innerhalb deren die Verfassung
der Kaiserzeit hier dargestellt wird, ist hinsichtlich des Anfangs
schon in der Einleitung zum ersten Bande (S. XLV f.) begründet
worden. Dafs der Schlufs mit dem Regierungsantritt Diocletians
gemacht wird, liegt in dem Begriffe von Verfassung, der hier
verstanden ist als gebunden an ein Gemeinwesen, in welchem die
oberste Gewalt nicht blofs durch die Anerkennung eines Rechts-
zustandes im allgemeinen und vorzugsweise privatrechtlicher Natur,
sondern durch politische Institute in irgend einem Grade be-
schränkt isi Dafs diese Institute im römischen Staate am Schlufs
des dritten Jahrhunderts n. Chr. sich ausgelebt hatten, ist das
Resultat der geschichtlichen Ausführung.
1) DarstelluDgen aus der SittengeBcbichte Roms in der Zeit von
August bis zum Ausgang der Antonine. Leipzig, Hirzel. 5. Aufl. 1881.
Tübingen, im August 1887.
E. Herzog.
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Inhaltsübersicht.
Drittes Buoh.
Von CSsar bis zum BegiernngBantritt Diocletlans.
I. Die Qesohiohte.
Erster Abschnüt, Die Begründung der Imperatorenherrschaft. S. 1—233.
§ 72. Die Diktatur Cäsars. S. 1—45. Bedeutung der Alleinherrschaft
Cäears 3. 1. Definition der Gewalt Cäaars 4. Yorg&nge in der Zeit vom
Ende des J. 48 bis Mitte des J. 46. 7. Die neuen Gewaltübertragungen
vom J. 46. 9. Politik der Versöhnung 11. Art und Gang der Reformen
Cäsars 12. Ealenderreform 13. Statistische Aufiiahme an Stelle des
alten Census 18. Ausbreitung des Bürgerrechts und der Latinität in
den Provinzen. Eolonieen 1§. Das Munizipalgesetz für Italien 18. Ver-
hältnis zum römischen Volk 19. Bürgerrechtsverleihungen ftn einzelne
und Verhältnis zu den Nationalitäten 21. Finanzverwaltung, öffent-
liche Arbeiten 22. Münzwesen. Rechtspflege 25. öffentliche Biblio-
theken 27. Gesamtauffassung der Reformen Cäsars. Einheit des Reichs
27. Konstitutionelle Bewilligungen an Cäsar 29. Die Magistratur Cäsars
33. Der Senat unter Cäsar. Vermehrung des Patriziats 37. Stimmung
des Senats. Die republikanische Gruppe. Cicero. L. Cassius 39. Das
Volkstribunat 41. Stand der Dinge im März des J. 44 v. Chr. Grund
der Katastrophe 42.
§ 78. Von Cäsars Tod bis zur Aufrichtung des Triumvirats.
8. 45—88. Übersicht 45. Die Übergangstage 46. Die Senatssitzung
vom 17. März. 48. Die Parteigegensätze 51. Die Stellung des M. Antonius
52. Die Stellung der Cäsarmörder 56. M. Lepidus 58. S. Pompejus
58. Octavian 59. Der Senat 60. Der Kampf der Intriguen 62. Die
Vorbereitungen zum Krieg 65. Der mutinensische Krieg 69. Octavians
Konsalat und Vereinigung mit Antonius und Lepidus 81. Kritik der
letzten Zeit der Bepublik 85.
§ 74. Von der Gründung des Triumvirats bis zur Schlacht bei
Aktium. Übersicht 88. Rechtliche Definition des Triumvirats. Inhalt
und umfang der Gewalt 88. Kollegialität 90. Die Bestimmung der
Termine 93. Münzrecht 96. Allgemeine Gesichtspunkte 96. Der Kampf
gegen Brutus und Cassius und der Vertrag von Philippi 98. Der peru-
sinische Eüieg und der Vertrag von Brundisium 100. Die Umgebung
der Machthaber 104. S. Pompejus und der Vertrag von Misenum 108.
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— XX —
Der Krieg mit S. Pompejus, der Vertrag von Tarent und die Beseitigung
des Lepidus 112. Antonius als Herr des Ostens 115. Octavians Regierung
im Westen 116. Agrippa als Ädil 121. Die Begünstigung der Litteratur
121. Die Frauen in der Politik 122. Der Bruch zwischen Octavian
und Antonius 123.
§ 75. Das Principat des Augustus. S. 126—233. Die J. 29 u. 28
V. Ch. 126. Der Name Imperator 127. Reinigung des Senats 129. Ver-
mehrung des Patriziats 130. Definierung der Gewalt Octavians im J. 29.
130. Princepa senatus und princeps in absolutem Sinn 133. Malkregeln
des J. 28. 185. Die Neuordnung des J. 27. 135. Prokonsnlarische Gewalt
Teilung der Provinzen 137. Der Name Augustus 140. Die Modifikationen
vom J. 23. 141. Neue Definier ung der prokonsularischen Gewalt 145.
Chronologische Bedeutung des J. 23. 146. Die Beschlüsse vom J. 19
und die Wahl zum Oberpontifex im J. 12. 148. Besondere Erteilung
des jus edicendi. Die constitutio principis 151. Übersicht über die fernere
Lebenszeit Augusts 155. Die Vorbereitung der Nachfolge 158. Die
Konsequenzen für die republikanischen Institute 164. Die Komitien 165.
Senat und Magistratur 167. Beamte des Princeps 171. Der Eindruck
auf die republikanisch Gesinnten 172. Kabinetspolitik 175. Ausbildung
eines Hofs und persönliche Stellung des Kaisers zu den Bürgern 177.
Einflufs auf die Standesunterschiede 178. Verwaltung Italiens und der
Stadt Rom. Augusteische Kolonieen 179. Kei^e Bezirksbildung zwischen
italischer Stadt und dem Staat 183. Pflege italischen Nationalgefühls 184.
Die Stadt Rom 184. CWra urbis 186. Neubauten 189. Die Provinzen
190. Organisation der einzelnen Provinzen 194. Kolonieen und Aus-
breitung des Bürgerrechts in den Provinzen 198. Heerwesen und Flotte
199. War, was Augustus schuf, eine Militärmonarchie? 211. Das
Finanzwesen 212. Das Münzrecht 218. Der äuTsere Bestand des Reichs
219. Obersicht über die Funktionen der augusteischen Verfassung von
Tiberius bis Diocletiau 231.
Zweiter AbschniU, Das Principat als Tyrannis, Von Tiberius bis DomUian
14-96 n. Ch. S. 233-331.
§ 76. Der Übergang von Regierung zu Regierung. S. 233—242.
Von Augustus zu Tiberius 233. Von Tiberius bis Nero 236. Von Qalba
bis Domitian 239.
§ 77. Die julisch-claudischen Kaiser. S. 242 — 285. Tiberius' Ver-
fassungsänderungen. Abgehen von den Volkswahlen und der Volksgesetz-
gebung 242. Einflufs auf die Zusammensetzung des Senats. Die Stadt-
präfektur 244. Verschiedene Auffassungen des Charakters von Tiberius
246. Die Bedeutung der Kaisergarde 248. Die besseren Seiten von
Tibers Regierung 249. Die Wendung zum Schlimmeren 252. Die
Majestäts- und Repetundenprocesse 255. Parteigegensätze in den Senats-
kreisen 257. Der Beirat des Tiberius 259. Kaiser Gaius 260. Claudius
264. Nero 270. Nero unter dem Einflufs des Tigellinus und der Frei-
gelassenen 278. Das Jahr der vier Kaiser 68—69. 280.
§ 78. Die Flavier. S. 285—808. Übersicht 285. Vespasian. Zustand
bei Übernahme der B«gierung 286. Modifikationen in der Konstruktion
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— XXI —
des Principats 287. Titns als Mitregent 289. Änfserer Friede. Nen-
Ordnung des Reichs 293. Die Censur von 73—74. 293. Günstige Resul-
tate der Verwaltang 296. Soziale Erneaerung der oberen Stände 297.
Titos 298. Domitian 301.
§ 79. Der änfsere Bestand des Reichs von Tiberius bis Domitian.
S. 308—331. Italien 808. Die Provinzen. Britannien. Die germanische
mid die Donaagrenze 312. Der Osten 316. Afrika 318. Anfhebang der
kleinen Dynastieen 320. Senats- und Kaiserprovinzen 324. Eultur-
wirknngen der Verwaltung 326. Städtewesen in den Provinzen 327.
Dritter Abschnitt, Die verfassungsmäfsige Kaiser folge van Nerva bis Com-
modus, S. 332—444.
Allgemeine Charakteristik S. 332—334.
§80. Nerva und TrAJan. S. 334—356. Nerva 334. Bedrohung des
Nerva und Adoption des Trajan 338. Trajan. Die Zeiten seines Aufent-
halts in Rom 340. Thätigkeit in der innem Verwaltung 341. Geistiges
Leben unter Trajan. Tacitus und Plinius 350. Nationalrömischer Charakter
352. Die Christenfrage 353. Trajans Ende und die Adoption Hadrians 355.
§81. Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel. S. 356 — 407.
Charakter dieser Periode 356. Hadrians Persönlichkeit und Regierungs-
antritt 357. Chronologie des Aufenthalts in Rom und der Reisen 358.
Senat und Ritterstand. Heranziehung des letzteren zu der Verwaltung
362. Die wesentlichen Resultate von Hadrians Verwaltung 366. Finanz-
wesen 366. Ädvocatus fisci 368. Rechtswesen. Edictum perpetuum.
Das kaiserliche Konsilium 369. Die constUares in Italien 370. Pro-
vinzen und Heerwesen 371. Geschichtliches Bild Hadrians. Bedeutung
für die geistige Richtung der Zeit 372. Ordnung der Nachfolge 876.
Antoninus Pius und Marc Aurel. Übersicht über die Zeiten der An-
wesenheit in Rom und der Abwesenheit 379. Allgemeine Charakteristik
beider Regierungen 385. Das Glück dieser Zeit 386. Detail der beiden
Regierungen 389. Unterschiede im Charakter der zwei Herrscher 394.
Das Heer 397. Avidius Cassius als Prätendent 398. Schwinden des
Nationalgefühls. Soziale und religiöse Verhältnisse 399. Die Christen-
gemeinden 401. Die konstitutionellen Resultate 403. Die Kollegialität
im Imperium 405.
§ 82. Commodus, Helvius Pertinaz, Didius Julianus. S. 407— 422.
Commodus 407. Pertinaz 415. Didius Julianus 419.
§ 83. Der äufsere Bestand des Reichs von Nerva bis Commodus,
S. 422—447. Unter Nerva und Trajan 422. Die Dakerkriege und die
Provinz Dakien 424. Syrien, Arabien und Palästina 427. Der Parther-
krieg und die neuen Provinzen der Ostgrenze 428. Unter Hadrian 431.
Die Friedenspolitik des Antoninus 437. Die Kriege unter M. Aurel.
Der Partherkrieg 438. Kleinere Kriege 438. Der Markomannenkrieg 440.
Kolonat 443. Barbaren im römischen Kriegsdienst 444. Commodus 444.
Vierier Abschnitt. Die Ausgänge des Principats. Von Septimius Severus
bis zum Begierungsantritt Diocktio/ns. S. 445—602.
Obersicht über die Periode 445—447.
§84. Von L. Septimius Severus zu Severus Alexander. S. 44T--?50]. ,
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— XXII —
Persönlichkeit des Severus und Übersicht über seine Regierung 447.
Die neue Eaisergarde 449. Die Kriege mit Niger und Albinus 450.
Begründung einer Dynastie 453. Die konstitutionelle Auffassung des
Imperiums. Verhältnis zum Senat 455. Die Gardepräfektur und ihre
Inhaber. Plautianus. Papinian 457. Das Heer 459. Finanzverwaltung
463. Provinzialverwaltung 467. Erteilung des iw lidUcum 469. Caracalla
und Geta 471. Caracalla als alleiniger Imperator 474. Die Verall-
gemeinerung des römischen Bürgerrechts 476. Macrinus und Diadume-
nianuB 478. Elagabalus 483. Severus Alexander 487. Die Stellung des
Geschichtschreibers Dio zur Regierung Alezanders 493. Die Regierung
Alexanders ein aufgeklärter Absolutismus 496.
85. Von Maximinus bis Valerianus. Das Heerkaisertum im
Kampfe mit dem Senat. S. 501—526. Maximinus und sein Sohn
Maximus 501. Die beiden Gordiane 505. Die Sonatskaiser Pupienus
und Balbinus 508. Gordian III. 512. Philippus 515. Deciua 520. Gallus
und Amilianus 522. Valerianus und Gallienus bis zum Orientfeldzug des
ersteren 624.
86. Der äufsere Bestand des Reichs von Septimius Severus
bis Valerian. — Die Christenfrage 526—551. Unter Septimius
Severus 526. Caracalla und Macrinus 528. Elagabal und Severus Alexander
531. Von Maximinus bis zu Valerianus 533. Die Christen in ihrem
Verhältnis zum Reich 537.
87. Die Zeit der Verwirrung. — Gallienus im Kampf mit den
provinzialen Gegenkaisern und die Einfälle der Barbaren
ins Reich 551 — 572. Die Ereignisse bis zur Gefangenschaft des Vale-
rianus i. J. 260. 551. Übersicht über die Zeit des Gallienus 664. Die
Zentralregierung 557. Die Provinzen und die Prätendenten 560. Die
gallischen Imperatoren. Postumus. Victorinus. Tetricus 560. Die Donau-
provinzen. Valens. Regalianus. Aureolus 663. Der Osten. Die Macriani.
Odänathus 565. Gallienus beseitigt 570.
88. Von Claudius bisDiocletian. Letztes Schwanken zwischen
Heer- und Senatskaisertum. Das Ausleben der augusteischen
Verfassung 572— 602. Claudius 672. Aurelianua 676. Tacitus. Florianus
585. Probus 689. Carus, Carinus und Numerianus 694. — Das Aus-
leben der römischen respublica 697.
Nachtrag.
Zu S. 244 A. 1. Elimar Klebs schreibt im Rhein. Museum 1887 S. 165
bis 178 die Errichtung der kaiserlichen Stadtpräfektnr noch dem Augustus
zu, setzt aber die Ernennung Pisos erst unter Tiberius ins J. 16/17 und
nimmt in der Zahl XX bei Tac. 6, 11 einen Irrtum in der Zahlangabe an.
Ich möchte dieser Ausführung gegenüber meine Auffassung nicht aufgeben.
Zu S. 377 A.2. Die Erklärung von Casaubonus, dafs es sich vit. Hadr.
c. 26 um ein commendare diis handle, empfiehlt sich bei näherer Betrach-
tung wegen der Art des Omens und des aperire captU doch als die richtigere.
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I.
Die Geschichte.
Erster Abschnitt.
Die Begründung der Imperatorenherrschaft.
§ 72. Die DiktatTir OäaarB.^)
1. Von dem Augenblick an, in welchem nach dem Tode Bedeutung dar
des rompejus die Regierung der romischen Weit von benat und casart.
Volk zu Rom in Cäsars Hände gelegt war, hat dieser sie zwar
1) Unsere litterarischen Quellen umfangreicherer oder zusammenhängen-
der Art sind für diese Zeit Cicero in seinen Briefen und den Eeden für
Marcellus, Ligarius und Dejotarus, Livius in Auszügen, Vellejus, Sueton,
Appian, Plutarch, Dio Cassius. Cicero bietet viel weniger, als man erwartet: er
begleitet, was vorgeht, mit Glossen und giebt so manches Detail, aber er
folgt der Politik Cäsars nicht von staatsmännischen Gesichtspunkten aus,
sondern zeigt nur Sinn für die Beziehungen auf seine persönliche Lage. Die
Rede befcrefTend die Begnadigung des M. Marcellus halte ich nicht nur für
echt, sondern ich glaube, dafs gerade sie für die Zeit, in welcher sie ge-
balten, beziehungsweise ausgearbeitet worden, besonders charakteristisch
ist. Einer geschichtlichen Darstellung mufs Dio zu Grunde liegen, weil wir
in ihm zumeist den Livius haben und damit auch die annalistische Anlage.
Livius selbst hat neben den Historien des Cäsarianers Asinius Pollio, die auch
Plutarcb, Sueton und Appian benützt haben und die jeder benützen mufste,
der über diese Zeit schrieb, jedenfalls auch andere zeitgenössische Quellen
gehabt und gewifs seinem mehr unparteiischen Standpfinkte nicht blofs
hinsichtlich der Persönlichkeit des Pompejus (Tac. Ann. 4, 34), sondern schon
in der Benützung der Berichterstattung, deren Vertreter er zum Teil persön-
lich kannte, Ausdruck gegeben. Dem ist es zuzuschreiben, dafs unsre Über-
lieferung nicht einseitig lautet. Vellejus giebt über diesen Zeitabschnitt nur
vier Kapitel (2, 64—67). Plutarch, der neben Asinius auch den Livius benützt
hat (Cäs. 47), hat in den hierher gehörigen Biographieen von Cicero, Cäsar,
ßratns und Antonius wie immer mehr das menschlich Interessante, als das
staatlich Wichtige im Auge, Sueton aber falst, was Cäsar ad ordinandum
reip. staium gethan, ohne jegliche Rücksicht auf die Chronologie sachlich
zasammen c. 40—44, womit c. 76 die nimii honores zusammenzunehmen
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ununterbrochen bis zu seinem Ende unter der Form der Diktatur
als Alleinherrscher ge fuhrt und dieser Form zuletzt einen lebens-
länglichen Charakter geben lassen, aber die Folge der Gewalt-
pind. Appian ferner, ob er direkt oder indirekt dem Asinius folgt, bat in
ihm jedenfalls eine gute Grundlage; aber, abgesehen Yon der Frage, wie weit
Asinius selbst völlig unterrichtet war, kommt bei Appian in Betracht, dafs
er zwar im allgemeinen nach der Zeitfolge erzählt, aber auch zum Schaden
der Chronologie und nach eigenem Urteil gruppiert, so besonders die Ver-
fassungsvorgänge (vgl. 2, 108), denen er übrigens ziemlich wenig Beachtung
schenkt. — Die monumentalen Quellen, Inschriften und Münzen werden
schon mit Cäsar bedeutsamer. Die letzteren sind nicht blofs historiscb,
sondern auch sowohl wegen der Titulatur als wegen des Münzsystems, das
in ihnen yertreten ist, staatsrechtlich wichtig; unter den Inschriften sind
die bezüglichen Teile der Konsular- und der Triumphalfasten, die Tafel von
Heraklea und das Gesetz für die colonia Genetiva Julia (ürso in Spanien) die
wichtigsten. Über die zuletzt genannte Urkunde s. unt. S. 16 A. 4. Die im Museum
von Neapel befindliche bei Heraklea in ünteritalien gefundene Bronzetafel, ver-
öffentlicht in Corp. inscr lat. 1 n. 206. Brnns, fontes p. 95, ist hinsichtlich ihrer
Bedeutung kontroyers. Sie enthält Bestandteile von dreierlei Art: 1. Vor-
schriften über die Anmeldungen zu unentgeltlichem Getreideempfang in
Rom Z. 1 — 19. 2. Polizeivorschriften für die Stadt Rom Z. 20—82. 8. Muni-
zipalgesetzliche Bestimmungen, bei welchen einmal, hinsichtlich des Census,
italische Gemeinden besonders genannt sind (Z. 142), sonst aber Bürger-
gemeinden überhaupt berücksichtigt werden. Savigny (verm. Schriften 3,
327 ff.) hat zuerst eine lex satura darin gesehen, zugleich aber entdeckt,
dafs die Munizipalvorschriften der lex municipalis angehörten, auf welche
sich der Digeetentitel 50, 1 bezieht und die eine lex Julia municipalis war,
wie sie in einer Inschrift von Patavium (bei Wilmanns, ex. inscr. n. 2180)
genannt wird. Dafs dasselbe Gesetz bei Cic. ad fam. 6, 18, 2 citiert ist,
war schon früher erkannt. Die Ansicht von der lex satura hat Savigny
a. a. 0. S. 829 A. 1 selbst aufgegeben, im übiigen handelt es sich immer
noch darum, ob, was hier beisammen steht, ein einziges Gesetz war oder
eine Zusammenstellung von Teilen verschiedener Gesetze. Beide Ansichten
sind vertreten, danebea aber auch eine vermittelnde. Die Einheit im voll-
sten Sinn, wonach wir hier ein von Cäsar erlassenes Munizipalgesetz hätten,
ist angenommen ton Mommsen, Stadtr. von Salpensa und Malaca in Abb. der
Sachs. G^sellsch. II 409. A. 45. corp. inscr. lat. a. a. 0.; dieses Gesetz hätte
sich gleichmäfsig auf die Stadt Rom, die italischen und Provinzialbürger-
gemeinden bezogen und wäre ein sprechendes Zeugnis dafür, wie Cäsar die
Einheit des Reichs und die Rolle der Stadt Rom, die jetzt nur noch prima
inier pares sein sollte, auffEÜJste. Eine Zusammenstellung von Auszügen aus
cäsarischen Gesetzen sehen in der tab. Her. Nipperdey, die leg. annales S. 14 ff.
und Lange, r. Altert. 3\ 439, und zwar will ersterer dieselbe einem Privat-
mann zuschreiben, während letzterer sich hierüber nicht äufsert. Ver-
mittelnd spricht sich aus Pnchta, Institutionen 1^ 394 ff., welchem sich
Savigny a. a. 0. nachträglich anschlielst. Er hält das auf der Tafel von
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— 3 —
Übertragungen, welche neben dieser einen Form herging, und
was von Nebenumstanden dieselbe begleitete, läfst keinen Zweifel
darüber, dafs zur Zeit der Ermordung des Diktators seine Herr-
schaft noch keine seinem Sinne nach endgültige Gestalt gewonnen
hatte; sein Adoptivsohn und Nachfolger aber ging, als er der
Cäsarengewalt ihre bleibende Formulierung gab, seine eigenen
vorsichtigeren Wege, auf welchen er nicht nur in der Gestaltung
der Form, sondern auch in der Sache hinter dem Plane seines
Heraklea Stehende für ^in Gesetz und zwar seinem ganzen Inhalt nach für
eine lex municipalis, aber in dasselbe ^i^üren Teile anderer Gesetze, auf
welche znr Nachachtnng verwiesen wurde, anfgenommen worden. Meiner
Ansicht nach sind inhaltlich drei verschiedene Gesetze hier vorliegend, ein
ßnichstück der lex Julia frumentaria, die mit dem recensus populi v. J. 46
verbunden war (s. u.), ein Bruchstück von einem Gesetz nicht sowohl über
Polizeianordnungen als über die Magistratur fürdieStrafsenpolizei(n. S.24 A.2),
endlich ein Teil des Munizipalgesetzes, nach dem sich Cicero i. J. 46 bei
Baibus erkundigt, während es in Vorbereitung war (u. S. 19 A. 1). Denn wenn
(dieses Gesetz lex mtmicipälis hiefs, so kann es sich nicht auf die Stadt ^
Rom bezogen haben, die selbst tmter Cäsar nicht den italischen Land- und
den Provinzialgemeinden an die Seite gestellt werden konnte; jedenfalls
würde dann Cicero in ganz anderer Weise gerade hiervon reden, und hätte
nicht so, wie er es thut, die, welchen nach diesem Gesetz in municipiis de-
curiones esse liceret, denen, qui in sencUum Bomae legerentwr gegenüber-
gestellt Dagegen ist denkbar, dafs die Bürgergemeinden in Italien und
die weiiigen, welche in den Provinzen sich befanden, unter einem Gesichts-
ponkt befasst wurden mit spezieller Berücksichtigung dessen, was für die
italischen allein galt. Dafs die Vorschriften über die Anmeldung zum Ge-
treideempfang in Rom auch für die Bürger einer Landstadt Interesse haben
konnten, dass man sich femer die Strafsenpolizeiordnong Roms auch in
Heraklea zum Muster nahm, ist begreiflich; aber wie es kam, dafs man
diese Bruchstücke in der vorliegenden Weise mit der lex Julia municipcdis
verband, ist nicht leicht za sagen. Die Puchtasche Auffassung könnte etwa
damit, dafs in letztere Bestandteile von andern Gesetzen zur Nachachtung auf-
genommen worden wären um mit ihr zugleich zur Geltung za kommen^ be-
greiflich machen, warum man in Heraklea nicht einfach die lex JtUia
municipalis, wie es doch geschehen mufste, öffentlich aufistellte; aber anderer-
seits ist die Art der Zusammenfügung schwer zurechtzulegen. Mit Nipperdey
die Arbeit eines Privatmanns in dieser Zusammenstellung zu sehen vermag ich
noch weniger. Der fragmentarische Zustand versagt eben genauere Einsicht. —
Bei den Schriftstellern werden die leges Juliae nur gelegentlich und zufällig
erwähnt und wie bei den coloniae Juliae, so hängt es auch bei den leges
Juliae, welche citiert werden, von Neben Zeugnissen ab, ob sie von Julius
Cäsar bei Lebzeiten, oder auf seinen Namen nach seinem Tode oder endlich
Ton Angustus gegeben wurden. — Verzeichnisse der leges Juliae bei Baiter
im Onomast. Tüll. III. p. 187 ff. Rein in Paulys Realenc. 4, 976—979.
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— 4 —
VorgäDgers sehr wesentlich zurückblieb. Es hat also von diesen
Gesichtspunkten aus die Diktatur Cäsars nur den Charakter einer
Episode. Allein eben jener Nachfolger hat den Mafsstab für
daS; was er durchführen zu können glaubte, in dem gefunden,
was seinem Vater neben dem Namen der Diktatur von Senat
und Volk bewilligt worden war, und Cäsar selbst hat mit der
thatsächlichen Gewalt, die in seinen Händen lag, für die wesent-
lichsten Teile einer neuen Eeichsordnung die Wege gewiesen.
Darum bietet die Regierung Cäsars für die Geschichte der romi-
schen Kaiserzeit nicht blofs das Interesse des ersten, originellen
und genialen, aber vorübergehenden Versuchs einer Neugründung,
sondern auch eine Summe von Ideen, die zu Resultaten wurden.
Definition der 2. Die Diktatur, welche Cäsar zu Anfanir seines Aufenthalts
Gewalt Cäsare. ' . , ? -r*
in Alexandrien übernahm, hatte ihre zeitliche Beschränkung in
der nächsten Aufgabe, die noch drohenden Kriege zu führen; von
einem Auftrag, mit dieser Gewalt zugleich auch die Verfassung
neu zu gestalten, wie es die veränderte Lage verlangte, wissen
• wenigstens unsere Quellen nichts;^) aber ebensowenig war der
Diktator, wenn er die ihm zustehende Initiative in der Gesetz-
gebung zur Herbeiführung einer Verfassungsänderung benützen
1) Fasti Capit. z. varron. J. 706: C. Julius C, f. C. n. Caesar II
dfict . . . , J M. Antonius M. f. M, n. tnafg . eq J .Mommsen Gr-
enzt za dict. und mag. eq. als Zweckbestimmung reip. constituendae caussa.
Zampt a. a. 0. S. 242 ergänzt für die Diktaturen der verschiedenen Jahre
je eine besondere Zweckbestimmung. Letzteres ist völlig unannehmbar.
Gegen die Mommsensche Ergänzung spricht, dafs in keiner litterarischen
Quelle die Diktatur so benannt wird und dafs in den überlieferten Titeln
urkundlichen Charakters nur dictator schlechthin vorkommt, während
z. B. die spätem Triumvim sich III viri reip. const. nennen; es scheint
deshalb richtiger, die Diktatur rei gerundae caussa anzunehmen, die aber
freilich in dem betreffenden Gesetz näher definiert werden mufete, schon
weil die republikanische Zeitgrenze wegfiel. Aus dieser Definition mag
stammen, was Dio 42, 20 sagt: IloXiiiaiv %ul slgi^vrig xv^tov nffotpdaei %tav
iv 'Aq>Qiii^ avvictocfiivaiv nQog navtag avd'Qcinovg dnidsi^ocv ccvtov ndv ft^rj-
Slv iirjte tm di^iia» iirjte rj ßovl^ nsgi avtmv %oiv(06rjtai. Dals daneben
derselbe Dio, wie die übrigen oben A. 1 genannten litterarischen Quellen,
die Diktatur unrichtig auffaist, wenn er sagt: SinTatmg ovx ig s%firivov dlX*
ig iviavTOv oloy Isxd'rjvai slaßsvy sofern diese zweite Diktatur von Herbst
48 bis Ende des Jahres 46 reichte, d. h. bis zum Antritt der zehnjährigen
Diktatur, zeigt Mommsen c. i. 1. 1 p. 451. Der Irrtum rührt wohl von
Livius her. Die, welche ihn ausgezogen haben, geben fdr diese Annahme
allerdings keine Handhabe, da sie nur angeben: dictator creatus est (epit.
112. OroB. 6, 16, 8).
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- 5 -
wollte, durch den Mangel solcher ausdrücklichen Zweckbe-
stimmung gehindert, während die Unbestimmtheit jener zeit-
lichen Begrenzung ihm für eine darauf gehende Absicht freie
Hand liefs. Dafs die gesetzmäfsige Magistratur neben der Dik-
tatur weiter fungieren und nicht minder Senat und Volk fort-
bestehen sollten, verstand sich von selbst; es fragte sich nur, in
welcher Weise. Senat und Magistratur konnte Sulla, der das
aristokratische Regiment wiederherstellte, nur indirekt und vor-
übergehend beherrschen wollen, Cäsar dagegen, der über die
Mitwirkung dieser Faktoren bei der Regierung anders dachte,
Dahm eine direkte Unterordnung von Anfang an* in Aussicht
dadurch, dafs er sich in den Besitz aller magistratischen Initiative
setzte; in diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn er sich nicht
blofs die Bekleidung des Konsulats für seine Person auf die
nächsten fünf Jahre sicherte, sondern auch — wohl zunächst so
lange als er die ihm bewilligte Diktatur bekleidete — ein Vor-
schlagsrecht für sämtliche Magistrats wählen, hinsichtlich der
Provinzialbeamten aber direkte Vergebung sämtlicher Posten ohne
Verlosung gewähren liefs.*) Der Gehorsam der Magistrate wäh-
rend ihrer Funktion aber war ihm schon durch das jeder Diktatur
zustehende maius Imperium gesichert, insbesondere war damit auch
Alles in seiner Hand konzentriert, was von der Magistratur mit
dem Senat und den allgemeinen Komitien zu verhandeln war.
Dafs er über Krieg und Frieden nicht zu verhandeln habe, son-
dern frei und allein bestimmen dürfe, wurde ihm ausdrücklich
zugestanden, und von der Verfügung über die Einkünfte des
Staats, die dem Diktator verfassungsmäfsig nicht zustand (IS.
722) dürfen wir dasselbe annehmen. In besonderer Weise aber
war mit dem Volkstribunat zu verfahren. Sulla hatte dasselbe
so beschränkt, dafs es ihm kein Hindernis bereiten konnte, Cäsar
konnte diesen Weg nicht einschlagen. Er hatte vor dem Jahre 49
sich desselben in der ausgiebigsten Weise für seine Zwecke be-
dient, hatte den Ausbruch des Konflikts damit begründet, dafs
er diese geheiligte Institution zu schützen habe, er durfte also
jetzt dieselbe nicht antasten. Und doch konnte sie ihm, da er
der Wahlen nicht absolut sicher war, Schwierigkeiten machen.
So kam er auf den Ausweg, sich selbst -— und zwar sofort auf
Lebenszeit — tribunicische Gewalt neben den Jahreskollegien der
1) Die 42, 20.
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— 6 —
Tribunen geben zu lassen ^) und sich so den Einfiufs auf die
plebejischen Wahlen und die Interzession gegen widerspenstige
Tribunen zu verschaffen und sich gegen das Tribunat mit dessen
eigenen Waffen zu schützen. Dafs man diesem Auskunftsmittel
den Schein gegeben hätte, Cäsar wolle damit die Interessen,
welche das Tribunat vertrete, selbst mit in die Hand nehmen,
wird nicht hervorgehoben. Dagegen war die tribunicische ün-
verletzlichkeit ein Recht dieser Gewalt, das gewifs sofort mit in
Betracht kam. — Bewilligt wurde das Alles durch Gesetz-
gebungsakte.*) Wie bei der aufserordeutlichen Natur des Be-
willigten die gewöhnliche Ernennung zum Diktator nicht genügt
hätte, so konnten auch die betreffenden Gesetze nicht einfach auf
die Diktatur und die tribunicische Gewalt lauten, sondern es
mufsten die damit gegebenen Befugnisse für den gegebenen Fall
interpretiert und besonders festgestellt werden. Hinsichtlich der
Diktatur scheint nichts darüber ausgesprochen worden zu sein,
dafs sie auch auf serhalb Italiens angetreten werden konnte —
dafs Cäsar sie so antrat, wird ausdrücklich als Usurpation bezeich-
net') — , hinsichtlich der tribunicischen Gewalt aber mufste,
wenn sie für die nächste und voraussichtlich häufige Abwesenheit
Cäsars von Rom wirksam sein sollte, dieser von persönlicher
Anwesenheit in Rom zu ihrer Ausübung dispensiert und zur
Geltendmachung durch Edikt bevollmächtigt werden.
1) Dio a. a. 0.: vriv i^ovö^av tmv Srifi.aQX(ov dicc ߣov <og slnsiv x^os-
sd'Bto' avynad'sisß&al te yag inl xmv avt(ov ßdd'Qcov ital sg raXXa avvf^e-
tdisod'ai GcpCaiv^ o (iriSevl e^rjv, svqsto' o,t x dq%aiqhi5ia.i näaai nXiiv tmv
xov nXri^'ovg in avxm iysvovxo. So, wie hier gefafst, ist die tribaDicische
Gewalt nur eine Schotzmafsregel, und so kaun Tacitus aun. 3, 56 mit einem
gewissen Recht sagen: id sutnmi fastigii vocdbulum (d. h. den l'itel der
tribunicischen Gewalt) Au^gwtus repperit. Cäsar machte auch in seiner
Titulatur keinen Gebrauch davon.
2) Aus den bei Dio gebrauchten Ausdrücken i'^ri<p(aavxo^ inixQs^txv
avxmy sXaßev, fCQoai&sxo u. dergl. ist nichts zu entnehmen, den formellen
Hergang giebt weder er noch die andern irgendwo genau; auch wenn er
42, 20 sagt: snixQsrffav avxm, tva xal ev vofLca di] rti't avxo noiBtv So^y, so
ist mit letzterem Ausdruck nichts über die Form gesagt. Aber es ergiebt
sich ans dem sonstigen Verfahren Cäsars, dafs er, wo er mit den ver-
ßissungsmäfsigeii Erfordernissen dnrchkam, — und dazu gehörte hier der
Qesetzgebungsweg — ihnen gerecht wurde. Wenn es heifst: didator creatw
est, so schliei^t das natürlich nicht ein Gesetz über seine Diktatur aus.
3) Dio 42, 21: 6 Kctioaq xrjv SmxaxoQÜxv naQccxQ^f'CC nainsQ b^<d triq
'ixaXiag oiv vKeaxrj,
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- 7 —
3. Für die nächste Zeit konnte von einer Verwendung Vorgänge in der
der so vereinigten Gewalten zu einer Änderung der Staat8ver-d.j.48 bis Mitte
fassung nicht die Rede sein; sie diente nur, um die Herrschaft
über die noch immer kritische Lage zu gewähren. Nirgends war
noch Beruhigung eingetreten: in Ägypten stand Cäsar selbst im
Kampf, in Asien und Illyrien seine Untergebenen, in Spanien
fanden infolge der Fehler des cäsarianischen Statthalters die Pom-
pejaner wieder Boden und begannen den Söhnen des Pompejus
ein Heer zu schaffen, in Afrika sammelten sich unter Scipio,
Cato u. A. die Reste der republikanischen Armee, in Rom aber,
wo der von Cäsar zum magister equitum bestellte M. Antonius
der Stellvertreter des Diktators war, konnte jede von aufsen
kommende ungtnstige Nachricht gefährlich werden. Da Cäsar
zur Bestellung der Magistrate durch die Wahlen selbst in Rom
sein wollte, die Rückkehr vor Anfang des neuen Amtsjahres aber
nicht möglich war, so trat man in dieses ohne ordentliche Be-
amte ein, nur die plebejischen Magistrate waren gewählt worden.
So war die Verantwortung des Antonius doppelt grofs, und er
war ihr offenbar nicht völlig gewachsen. Sein rücksichtsloses
und gewaltthätiges Vorgehen verletzte die, welche zu gewinnen
waren, und war doch nicht geeignet, unbotmäfsigen Tribunen,
die selbst jetzt in dem im Allgemeinen cäsarianischen Kollegium
nicht fehlten und in ähnlicher Weise Not machten, wie das Jahr
zuvor der Prätor Cälius Rufus, zu imponieren. Nicht einmal die
Truppen, welche den Sieg von Pharsalus mit erfochten hatten
und nun gewärtig, nach Afrika geführt zu werden, in Cam-
panien standen, wuIste man in Gehorsam zu erhalten. So war es
hohe Zeit, dafs der Diktator selbst in Rom erschien und die
Hoffnung auf eine geordnete Regierung aufrichtete. Im Sommer
des Jahres 47 (*« September des alten Kalenders) traf er ein
und blieb bis in den Herbst (Anfang Dezember des alten Kalen-
ders). Von Neuordnungen konstitutioneller Natur war in dieser
Zeit und unter solchen Umständen wiederum nicht die Rede; es
war genug, wenn er die Verhältnisse des Augenblicks befestigte.
Jene Tribunen wurden zur Ruhe verwiesen, indem man zugleich,
um ihren Agitationen den Grund zu entziehen, Erleichterungen
der materiellen Lage gewährte;^) den meuterischen Soldaten
1) Dio 42, 60 f. Suet. 88, 42. (Abweieang des VerlangeDs nach allge-
meinem Schuldenerlafs, dagegen Nachlalk der Mietzinse für ein Jahr in Rom
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— 8 —
gegenüber half die Macht von Cäsars Persönlichkeit. Nun er-
folgte auch die Einsetzung der ordentlichen Jahresbeamten zu-
nächst für den Rest des Jahres, wobei zugleich die Eriegsgefährten,
die mit ihm gekommen, belohnt werden konnten. Für das fol-
gende Jahr wurden statt, wie bisher, acht, nun zehn Prätoren
bestellt, auch die Priesterkollegien ergänzt und zugleich bei den
drei vornehmsten die Zahl der Stellen um eine, bei dem vierten
um drei vermehrt. Das Eingreifen in die Organisation des Kults
war für ihn schon durch die seit dem Jahre 63 ihm zustehende
Würde des Oberpontifex gegeben; nun behielt er sich auch noch
vor, selbst Mitglied aller dieser Kollegien zu werden. ^ Weitere
Gelegenheit, Dienste zu belohnen, bot die Besetzung der Statt-
halterposten und die Ergänzung des Senats, der infolge der
Kriegsverluste und weil die noch unter den Waflfen stehenden
oder noch nicht begnadigten Pompejaner ihre Mitgliedschaft ver-
loren, Lücken genug aufwies. Dafs den Besiegten keine sulla-
nische Schreckensherrschaft drohe, hatte man bisher schon sehen
können: obgleich dem Cäsar durch besonderen Beschlufs freie
Hand im Verfahren gegen die Pompejaner gegeben war und
angesichts noch vorhandener feindlicher Heere Schonung gefährlich
scheinen konnte, war doch die Milde vorherrschend, und bereits
ging der Diktator, wie er bei seiner Ankunft in Italien das Entgegen-
kommen Ciceros freundlich angenommen hatte, so weit, dafs er
dem Pompejaner M. Brutus das wichtige cisalpinische Gallien
anvertraute;*) doch konnte er hier allerdings daraufrechnen, dafs
bis zu 2000, im übrigen Italien bis zu 500 Sest., also Benachteiligung einer
Kategorie des Besitzes, Anfrechthaltung des Schuldengesetzes von 49
[IS. 668 J, Beschränkung der Anhäufung beweglichen Vermögens.) Ob die
lex dietatoris Caesaris, qua de modo credendi et possidendi intra ItaUam
cavetur in dieses Jahr gehört, läfst sich nicht sagen. Die Grundlage einer
neuen epochemachenden Konkursordnung, durch welche die Haftbarkeit des
Schuldners mit der persönlichen Freiheit ersetzt worden sei durch die
Hingabe seiner Habe, entnimmt den Bestimmungen Cäsars Mommsen,
r. G. 3, 636 f.
1) Dio 42, 60: TOig re novtüpi^i nal toig oloaviotaig^ iv %al avxoq ^,
toii T£ nBvt^%aidB%a TuxXavfisvoig sva hxdatoig n^ogsveifie, naixsQ avtog
ßovXrid'Bls ndaag tag tsgmovvag Xaßetv mansQ sipricpioxo. c. 51: xivl ig rovg
intä av %txXovftsvovg (die VII mri epulones) tgstg szsQovg ngoganodsi^ag.
— Das Oberpontificat erscheint in die Titulatur aufgenommen bei Joseph,
antiq. Jud. 14, 10, 2: rdiog 'lovhog Kaiaag, avTOngdtatQ %al aQXUQSvg, dix-
tdzaiQ t6 dsvzsQov.
2) Um die Rede pro Marcello mit ihrem Ruhme Cäsars nicht zu er-
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- 9 —
die Anhänglichkeit der Bewohner an ihn keine feindliche Haltung
eines Statthalters aufkommen Hesse.
Im letzten Monat des Amtsjahrs, nach Abhaltung der Wahlen
für das J. 46, in dem er selbst mit M. Amilius Lepidus Konsul zum
dritten Mal sein sollte, ging Cäsar uach Afrika hinüber und wurde
daselbst bis über die Mitte des Jahres 46 durch den Krieg gegen
die Republikaner unter Scipio und Cato und gegen deren Ver-
bündeten, den Numidierkönig Juba, in Anspruch genommen.
Während seiner Abwesenheit war Rom diesmal dem Mitkousul
und Reiterobersten Lepidus^) anvertraut und, sei es weil dieser
seine Stellung besser zu behaupten verstand als Antonius oder
weil die Anwesenheit Cäsars einen nachhaltigen Eindruck hinter-
lassen hatte, es scheint während des afrikanischen Kriegs in Italien
vollständig ruhig geblieben zu sein. Am 6. April alten Kalenders
wurde in Afrika die entscheidende Schlacht zwischen der Allein-
herrschaft und der Republik geschlagen; denn während bei Pharsalus
die Person des Pompejus das republikanische Interesse überwogen
hatte, war hier dieses allein vertreten, wenn auch bereits nach
Allem, was vorhergegangen, nicht mehr in einer dem Cäsar eben-
bürtigen Weise. Der Sieg, den letzterer bei Thapsus erfocht,
war so vollständig, dafs er nur noch Trümmer der feindlichen
Partei hinterliefs, die wieder auf den Namen des Pompejus zurück-
kamen und sich um die Söhne desselben sammelten.
4. Am 28. Juli a. K. kam Cäsar nach Rom zurück. Schon Die nouen go-
vor seiner Ankunft war die Frage entschieden, ob die Aufgabe gonv. j. 46.
der ihm i. J. 48 übertragenen Diktatur nun zu Ende sei, indem
ihm — natürlich mit seinem Einverständnis — sofort nach dem
Siege aufs neue die Diktatur übertragen wurde und zwar, wenn
er sie vorher mit Beziehung auf die vorliegenden Kriegsauf gaben
in Anknüpfung an die alte Kriegsdiktatur gehabt hatte, so jetzt
zwar ohne andere offizielle Zweckangabe, aber den begleitenden
Umständen nach eben als Form der Alleinregierung auf 10 Jahre
mit Zählung der einzelnen Jahre im Titel und mit jährlichem Wechsel
wähnen, vgl. Cic. ad fam. 6, 6, 10 (i. J. 46): nunquam nisi honorificentissime
Pompeium appdltU; nos quemadmodwn est complexus! Cassium tibi legavit,
Brutwn GaUia^ praefeeü, Sulpicitim Graecicte, MarceUum, cui maxime succen-
sebai, cum summa UHus dignitate resHtuit.
1) Nach Pasti Capit. z. varr. J. 709 (gegenüber von Dio 43, 1. Entrop.
6, 23 vgl. Mommsen c. i. 1. 1 p. 453) wurde Lepidus mag. eq. mit diesem
Jahre.
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— 10 -
der R^iterobersten.^) Naheliegend war es, dem Cäsar neben
dem Sitz im Senat auf kuruliscliem Stubl bei den Konsuln als
Recht zu bewilligen, dafs er stets zuerst gefragt werde*), während
darüber früher der Vorsitzende bestimmte (1, 886 A. 4). Aufser-
(lem, da vorauszusehen war, dafs in der nächsten Zeit in irgend
einer Weise die früher censorischen Geschäfte vorgenommen
werden müTsteu, in den bisherigen Vollmachten aber nichts
darüber enthalten war, ebenso wenig aber es in seiner Absieht
lag, die alte Censur wieder ins Leben zu rufen, so liefs er sich
die Befugnisse derselben unter dem Titel der praefedura morum
übertragen®); es war damit eine ursprünglich nebensächliche,
später besonders auffallend gewordene Seite jenes Amts für die
Titulatur gewählt, vielleicht weil der weniger bestimmte Titel
für die Handhabung freieren Spielraum gewährte. Indem er sich
diese Funktion auf drei Jahre geben liefs, hatte er wohl die
Absicht, auch für ausgedehntere Reformen, die unter dem Ge-
sichtspunkt censorischer Verwaltungsgeschäfte sich ergeben
konnten, sich die nötige Zeit zu verschaflFen; was er aber wirk-
lich auf diesem Gebiete ausführte, konnte meist auch unter
andern Titeln geschehen und war nicht sehr erheblich; ins-
besondere wurde kein eigentlicher Census gehalten, während die
grofse Reform, die Cäsar in den statistischen Au&ahmen ein-
leitete^ teils auf Gesetzgebung, teils auf Anordnungen beruhte,
welche mit ihrer Tragweite für das Reich -nur von der Diktatur
selbst ausgehen konnten und in dem Moment, in welchem Cäsar
die praefedura fnortim sich geben liefs, wohl noch gar nicht ge-
plant waren.
Aber allerdings begann nun nach den letzten Erfolgen die
Zeit der Entwürfe für Reformen im Staat und für die Befestigung
1) Vgl. folg. Anm. Diese neue Phase seiner Diktatur begann aber erst
mit dem 1. Januar 46. Er hiefs also dictator II von Herbst 48 bis Dezem-
ber 46; dictator III vom 1. Januar 46 an; dictator IV mit 1. Januar 44;
vgl. Fasti Gap. zu d. J. und Mommsen c. i. 1. 1 p. 453 f. Über die Ablösung
des dictator IV durch den dictator perpetuus s. unten.
2) Dio 48, 14: snl aQxtTiov düpgov iistcc rmv dsl vnaxmv iv tm av^s-
difCco %(t^CiHv %al yvmykfiv clbI nqmxov opKotpalvBC^cti,
3) Dio 43, 14: x&v xk xqontov xmv hndaxov Bicicxdxriif {ovtat yuQ n<os
mvoiiaadri mcitBQ ov% d^ücg avxov xi}s xov xtiirjxov nQogffriCBmg otfmjg) sg
tgia ccvzov hrj xol dinxdxof^a kg Öena IqpeS^ff itXorco. Sueton Caes. 76:
recepit praefecturatn morum. Cic. ad fam. 9, 16, 5 (i. J. 46): quam diu ?Uc
mt nosier hie praefectus moribus.
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— 11 —
der Alleinherrschaft. Cäsar hatte jetzt das Oefähl des definitiv
errungenen Sieges: er gab ihm zunächst Ausdruck in den glänzen-
den Triumphen^ in der Belohnung seiner Soldaten und in den
Schenkungen an das Volk, deren Liberalität ein Gegenstück bot
zu den Ehren^ die man ihm entgegenbrachte und hinsichtlich
deren er nur zu sehr die Initiative seinen Anhängern und, wie
schon in unsem Quellen gesagt wird, seinen geheimen Gegnern
überliefs. Italien war jetzt gesichert, die Provinzen, Illyrien in-
begriflfen, mit den erforderlichen Truppen versehen um die Auk-
torität der neuen Regierung aufrecht zu halten, selbst in Spanien
hoffte Cäsar den dort sich sammelnden Rest der Pomppjaner ver-
nichten zu können, ohne selbst gegen sie zu Felde zu ziehen.^)
So kann man von des Diktators eigener Anschauung aus die
Zeit von der Mitte des Jahrs 46 an als diejenige betrachten, in
welcher seine Herrschaft den Charakter einer ordentlichen Regie-
rung des Reichs haben sollte.')
5. Als Grundlage hiefür betrachtete Cäsar die Wiederkehr pöntik der
des Vertrauens. Eine Reihe von einzelnen Akten wie Mafsregeln
allgemeinerer Natur zeigten, dafs er nicht die Wege Sullas gehen
wolle. Nach jedem seiner grofsen Siege, zuletzt noch nach dem
bei Munda, fürchtete man, nun die Proskriptionslisten aushängen
zu sehen, und stets folgten Begnadigungen;^) wo in bestimmten
Fällen Cäsar sie nicht glaubte gewähren zu können, begnügte er
sich mit Verbannung und Konfiskation des Vermögens, die letz-
tere auf die Schuldigen selbst beschränkend und die Angehörigen
schonend; ebenso sollte, wo Unfähigkeit zur Bekleidung von
Ämtern ausgesprochen wurde, dieselbe nicht auf die Söhne aus-
gedehnt werden,*) die Begnadigten aber wurden in immer gröfserer
Zahl von dem Sieger in politische oder militärische Stelliingen
eingesetzt. Selbst die Mifsvergnügten, wie Cicero, mausten zu-
1) Dio 48, 88: %äv xovxtp sfidifd-ave (ihv navta %a^' %%aaxov &v o
Hofinrliog iv r^ 'ißrufia inoCst^ ov fisvtoi %al 9v9vi%r\tov avxov Blvat voilC-
tatv vOTegov ds xal tot azQazsvfiaxa ^nsfi>if}sv mg xal dt stSQmv dianoXs-
2) So läfst ihn auch gerade jetzt Dio 48, 16—18 zu Senat und Volk
reden.
3) Zusammenfassend Appian 2, 107: xarexaXft xal tovg tpsvyovTag 6
KtcutaQ nlr^v st rtg snl dvri'Keoxoig itpvys nal totg ix^'ffoig diriXldoaBxo, xal
tnp irsxoXcfMjxdTOHf oi nollovg ngofiysv ad'Qomg slg evqolovg ccQXccg rj sg
t^rav 7i ^tQataxedcaif Tiysfioviag,
4) Suet Gas. 41: admisit ad honores et proscriptorum liberos,
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geben, dafs man mcht milder und versöhnlicher sein könne. Den
Anhängern wurde darum nichts entzogen, vielen liefs er nur zu
freien Spielraum, und M. Antonius durfte sich erlauben, der von
Cäsar gewollten Bestellung seines persönlichen Gegners Dolabella
zum Konsul mit den Mitteln seiner amtlichen Stellung oflFen ent-
gegenzutreten. ^)
Art und Gaug 6. Dcr Weg, auf dem Cäsar seine Reformen einführte, war
cäsars teils der der Gesetzgebung mit einer Reihe von Einzelgesetzen,
teils der des Edikts') und der Ausnützung der ihm erteilten
besonderen Vollmachten, teils lagen sie in der Art der Bestellung
zu Amtern. Die Aufstellung eines einheitlichen umfassenden
Programms lag ihm ferne; einheitlich war sein Werk in dem
Begriff und Beruf des Herrschens. Damit war für ihn gegeben,
dafs jede staatliche Aufgabe, die sich bot, ergriffen und durch-
geführt werde, die Gebiete aber, auf welchen diese Aufgaben
erwuchsen, waren durch die bisherige Verfassung, die nur auf
ihn zuzurichten war, und die Zustände, welche die Republik ge-
schaffen oder der Bürgerkrieg hervorgerufen, von selbst gegeben,
und die einzelnen Aufgaben brachte Tag um Tag, ihre Zahl war
so unbegrenzt wie die der Bedürfnisse des römischen Weltreichs.
Wie bisher in der Politik und im Felde die glänzendste Seite
seines Genies die Beherrschung des Augenblicks, die Macht über
die kritischen Momente gewesen war, so war es auch jetzt nicht
der reiflich erwogene und methodisch ins Werk gesetzte Plan,
der den Staat umformte, es sind nicht einmal gröfsere Zusammen-
hänge sicher nachweisbar, sondern die allseitige Bethätigung des
Herrschergefühls, des Herrscherwillens und der Herrscherkraft
Darum ist auch die Frage der Zeitfolge seiner Anordnungen von
untergeordneter Wichtigkeit: teils ergab sie sich von selbst
durch die regelmäfsige Beziehung zu den bisherigen Faktoren des
Staatslebens, teils hing sie ab von den Erfordernissen und Wahr-
nehmungen des Moments. In der ruhigen Führung seiner Regie-
rung aber wurde er gegen seine Erwartung unterbrochen durch
den spanischen Feldzug gegen die Söhne des Pompejus. Nicht
blofs wurde er genötigt, die Führung des Kriegs selbst in die
1) Gic. Philipp. 2, 79 ff. Cicero freilich stellt es so dar, als ob Anto-
niae im Einverständnis mit Cäsar gehandelt hätte.
2) Die Bedeutung seines Edikts hing zunächst an der Diktatur, aufser-
dem aber heifst es Dio 44, 6: tä nQaxdyiis6fisva avxm «avxa xv^ia l^eif
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Hand zu nehmen, sondern er wurde auch viel länger hingehalten
als er gemeint hatte. Mit einer selbst bei ihm noch angestaunten
ßaschheit war er gegen Ende des J. 46 nach Spanien gegangen,
überzeugt, wie eben diese Raschheit verrät, dafs es ihm gelingen
werde, mit einigen Schlägen die Feinde niederzuwerfen; statt
dessen fand er einen Kampf, so ge^rlich, wie kaum einer der
vorhergehenden gewesen, wurde bis Ende Juli 45 in Spanien
festgehalten und sah erst im Oktober Rom wieder. So teilt sich
denn die Zeit, die ihm überhaupt für organisatorische Thätigkeit
gegeben war, in die vier Monate seines Aufenthalts in Rom im
J. 46^) und die Zeit von September 45 bis März 44. Die Mehr-
zahl der wenigen ausdrücklich als leges Jüliae bezeichneten Ge-
setze gehört der ersten Periode an; allein es ist zufällig, dafs
gerade diese Gesetze citiert werden, in beiden Zeitabschnitten
mnfs eine reichliche Zahl von weiteren Gesetzen, sei es von Cäsar
selbst, sei es auf seine Initiative von andern eingebracht worden
sein, und wie schon bemerkt, sind wichtige Mafsregeln auch auf
anderem Wege eingeführt worden.
7. Für den universellen und hohen Sinn, mit welchem Cäsarx^ienderroform
die bestehenden römischen Einrichtungen übersah, zeugt nicht
zum wenigsten, dafs er die erste Zeit, in welcher er freiere Hand
hatte, benützte, um den Kalender zu reformieren. Den Mangel
des bisherigen Verfahrens der Pontifices kannte er als Vorstand
ihres Kollegiums aus erster Hand, die Verpflichtungen, die er
seiner Zeit mit der Übernahme dieser in rein politischer Ab-
sicht von ihm gesuchten Stellung übernommen, löste er jetzt
in weltgeschichtlichem Sinne ein, und schon das J. 46 bereitete
die neue Ordnung so weit vor, dafs mit dem 1. Januar 45 der
reformierte Kalender beginnen konnte und von da an Kalender-
und Amtsjahr zusammenfielen.*)
8. Unmittelbar nach der Feier der Triumphe vom J. 46 und8ta*i«««c^'«A.uf
*■ nnbinon an StoHi'
nach den Spenden an das römische Volk, welche dieselbe beglei-d"«»!*^»^'®"''"''
1) Das J. 708 d. St. als das Übergangsjahr von dem alten znm neuen
Kalender nahm die zwei Schaltmonate zwischen November und Dezember
in feich auf; a. d. F. Kai. Interkalares priores ist Cäsar noch in Rom (Cic.
ad fam. 6, 14, 2), vor dem folgenden 1. Januar ist er in Spanien, vgl.
bell. Hisp. c. 2: Caesar dietator III designatus IV — in Hispaniam c?um
Ptnisset, wo Nipperdey unrichtig vor designatus einsetzt consul. Die Stelle
iat eben ein Zeugnis für die Zählung der Diktaturen.
2) Vgl. über Cäaars Kalenderreform: Mommsen, röm. Chronol. 74- 79,
276-304. Matzat, röm. Chronol. 1, 74—78.
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— 14 —
teten, liefs Cäsar in Rom eine Bevolkerungsaufdalime von Haus
zu Haus vornehmen, um einen Mafsstab für die Erteilung des
Rechts auf unentgeltliche Empfangnahme monatlicher Getreide-
spenden zu gewinnen. Infolge dieser Zählung wurde das Recht
solchen Empfangs, zu dem sich zuletzt 320000 herangedrängt
hatten, auf die feste Zahl von 150000 beschränkt und für ein
geordnetes Anmeldesystem sowie regelmäfsigen Ersatz der Ab
gehenden gesorgt.^) Es wurde damit ein unvermeidlich gewor-
denes Institut wenigstens finanziell erträglich gemacht, dem
Mifsbrauch durch Nichtbedürftige gesteuert, der Zuzug der besitz-
losen Menge nach Rom beschränkt und zugleich ein Kontrollamt
für die romische Volksmenge gescha£Pen. Zu einem förmlichen
Census nach der alten noch zu Recht bestehenden Art benützte
dagegen Cäsar sein Amt als praefedus morum nicht; dafs er die
Möglichkeit, die Censur unter dem alten Namen fungieren zu
lassen, aufrecht erhielt, zeigt sein Munizipalgesetz, ebenso ist
aber daraus auch zu ersehen, dafs er den Census nicht mit der
alten Zentralisation, nach welcher alle Bürger nach Rom vor-
geladen wurden, sondern in der Hauptstadt und den einzelnen
Landstädten besonders halten lassen und nur die Ergebnisse in
Rom sammeln wollte.*) Die Geschichte der letzten Census versuche
1) Liv. epit. 116: Eecensum egü quo censa sunt civium capita quinqua-
ginta milia. Dio 43, 21. Suet. Caes. 41: recensum populi nee more nee loco
solito, sed vieatim per dominos insularum egit atque ex viginti treeentis^
mülihus aceipientium frumenium e publieo ad eentum quinqwiginta retraxit,
'ac ne qui novi coetus recensionis caussa moveri quandoque possent, instituity
quotannis in demortuorum locum ex iis, qui reeensi non essent, subsortitio a
praetore fieret, Dafs diejenigen Quellen, welche, wie Appian 2, 102, in
dieser für einen bestimmten Zweck vorgenommenen Teilaufnahme einen
ordentlichen Census sehen, durch Augusts Angabe (monum. Ancyr. p. lat.
12, 2—5), der von ihm im J. 29 gehaltene Census sei der erste nach dem
von 70/69 (ob. 1, 634) gewesen, widerlegt werde, ist allgemein anerkannt.
— Man kann diesen recensus an das Amt des praef, morum anknüpfen, aber
notwendig ist es nicht. — Bestimmungen über die Anmeldung zum Ge-
treideempfang giebt die tab. Heracl. (corp. inscr. lat. 1 n. 206) Z. 1 ff.
2) Tab. HeracL Z. 143 f.: Quei in eis munieipieis — maximum ma-
g(istratum) hdbebit tum eum censor aliusve quis magiistratus) Romas populi
eensum aget, in diebus LX proxumeis^ quibus seiet Romae eensum populi
<^9iy — eensum agito etc. Aus Dio 43, 25 {}n^i9ri rs dcivrj oXtyavd-goivüt
9ta to Toov ccnoXtoXoxcav nX^d'OSy ag ^x ts rmv anoyqottpmv (xal yuq iuB^väg
tä zs uXXa mansQ rif rtfujr^g inoiriaev) xal ^x xrjg S^stog avzqg ^If'yZ*^^»
^p — ) schliefst Lange 3, 440, Cüsar habe einen allgemeinen Census begonnen;
allein nicht nur weist der Ausdruck Dios auf Teilaufnahmen hin, wie jener
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mufste dies als notwendig erscheinen lassen, es mindert dies aber
nichts an dem Verdienste Cäsars, sofort während der ersten
Ruhezeit die Grundlagen dazu gelegt zu haben, auf denen sich
eine Statistik zunächst Italiens aufbauen konnte. Dafs er aufser-
dem den grofsen Plan einer Vermessung des ganzen Reichs
hatte, mit der weitere statistische Aufiiahmen verbunden gedacht
werden können, wird in Quellen späterer Zeit angegeben und der
Anfang der Ausfährung ins J. 44 gesetzt.^) Obgleich nach der
Beruhigung der Provinzen und in Verbindung mit den die Grund-
lage der Vermessung bildenden Strafsenanlagen unter Augustus
eine solche Arbeit leichter begreiflich ist, so ist es doch nicht
undenkbar, dafs der Geist, der die Ealenderreform durchführte,
auch den Plan zu einer solchen Arbeit fafste und geeignete
Kräfte dafür suchte.
9. Mit dem republikanischen Census war stets eine Gliederung Ausbreittmg de«
der Bürtrerffemeinde nach Vermögens- und Bürirerrechtsstufen and der i.a-
verbunden gewesen; selbst m denjenigen Zeiten, m welchen Provinzen.
Bürgerrechtserteilung von grofserem Belange nicht vorkam
und keine neue Tribus mehr gemacht wurde, hatte doch die
blofse Übersicht über den vorhandenen Bestand zu Mafsregeln
geführt, welche die Rechtsstufe ganzer Klassen betrafen, und die
Censuren, welche auf die Gesetze über die Aufnahme der Italiker
ins Bürgerrecht gefolgt waren, hatten mit wichtigen Fragen über
die Anwendung dieser Gesetze und die Einteilung der Neubürger
zu thun gehabt. So hätte auch jetzt schon von den früheren
Gesichtspunkten aus keine Censur gehalten werden können, ohne
dafs vorher die Frage einer Vermehrung der Bürgergemeinde
zur Sprache gekommen wäre, ja, schon der Vorgang der Er-
reccnsus der Getreideempfänger, sondero ea könnte nach Cäears Dispoeitionen
für den Partherkrieg gar keine Zeit für die Vornahme einer Censur heraus-
gefunden werden.
1) Aethicus cosmogr. : Jülitis Gciesa^^ bisaextüts raUonis inventar divtnis
humanisque rebus stngidariter instructus cum consulatus sui fasces erigeret,
ex 8. c. censuit omnem orbem tarn Romani nominis admetiri per prüden-
tissimos viros et omni phtlo8ophi<ie munere decoratos; ergo a Julio Gaesare
et M. Antonio coss. orbis terrarum metiri coepit. Vgl. Bitschi, die Ver-
messung des röm. Reichs in Rhein. Mus. 1, 481 — 623; den Text der angef.
St. S. 486. — Die Richtigkeit dieser Notiz yon der Reichsvermessung,
speziell die Anknüpfung an Cäsar bestreitet mit Berufung darauf, dafs
weder Strabo noch Plinius noch irgend andere Zeugen des Altertums,
sondern erst Quellen aus dem 6. oder 6. Jahrh. davon wissen, MüUenhofi'
in Hermes 9, 188 f.
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~ 16 —
teilang des Bürgerrechts an die Transpadaner i. J. 49 inufste
dazu fuhren. Allein Cäsar fafste die einschlägigen Probleme
nun nicht mehr blofs von dem alten Standpunkt der auf Italien
beschränkten Bürgerschaft auf, sondern von dem Standpunkt des
Reichs. Von hier aus mufste vor Allem die schroffe Trennung
zwischen Italien und den Provinzen aufgegeben, das Bürgerrecht
auch in die Jetzteren getragen und damit selbst bei mäfsiger
Anwendung dieses Prinzips die ganze Stellung der Provinzen
verbessert werden. Die Verbreitung des Bürgerrechts nun ge-
schah teils durch Ansiedlung der Veteranen, teils durch Ab-
führung der städtischen Bevölkerung, ohne dafs wir genau an-
geben könnten, wie diese Elemente verteilt wurden. Die wichtigsten
Bürgerkolonien aufser Narbo, der alten Kolonie (1 S. 477
A. 2), welche nur Verstärkung brauchte, waren Bäterrä, (Beziers),
Arelate (Arles), Arausio (Orange) und Forum Julii (Frejus) im
narbonensischen Gallien, Noviodunum (Nyon) bei den Helvetiern,
Urso oder Julia Genetiva (Osuna) im südwestlichen Spanien,
aufserdem, was die Quellen besonders hervorheben und was
offenbar tiefen Eindruck machte, Karthago und Korinth, end-
lich als östlichste Sinope am schwarzen Meer.^) Land zu der-
artiger Kolonisation hatte man durch die Eroberung von Massalia,
die Unterwerfung der Helvetier, die spanischen Siege zur Ver-
fügung, und in jenen beiden alten Kulturstätten war nur das
von C. Gracchus schon Gewollte zu vervollständigen oder zu er-
neuem. Daneben wurde die Vorstufe des Bürgerrechts, die
1) Über die Kolonien im narbonensischen Qallien vgl. meine Gallia
Narbon. p. 81 ff.; hinsichtlich des cäsarischen Ursprungs von Noviodunum
ist der Schlufs aus dem Namen colonia Julia (Mommsen, inscript. confoedc-
rationis Helvet. p. 18) auf den Diktator nicht sicher, aber in Verbindung mit
allgemeinen Ei-wägungen, wahrscheinlich. Das spanische Urso oder die colonia
Genetiva j deren Stadtrecht im J. 1870/71 gefunden wurde (vgl. ephem.
epigr. 2, 105 ff.; 3, 87 ff.), heifst ebenfalls Julia und zugleich wird sie c. 106
bezeichnet als iussu C. Caesaris dict{atoris) deducta; die Ausfuhrung fällt
allerdings erst nach Cäsars Tode, denn es heifst c. 104 : gut iussu C. Caesaris
dict{atoris) impieratoris) et lege Antonia senat{iM)que c{onsuUo) pl{ebi)qu€
8c(ito) ager datus atsignatus erit. Die Norm für die Art der Acker Verteilung
war dabei wohl die l. Julia agraria aus Cäsars erstem Konsulat (1, 551),
vgl. c. 97: cui colonis agrorum dandorutn atsignandorum ius ex lege Julia
est und eph. epigr. 2, 120. Über Korinth und Karthago Dio 43, 60. Strabo
8 p. 381. 17 p. 833. Plut. Cäs. 67; über Sinope Strabo 12 p. 646. Plin. 2, 6.
corp. inscr. lat. 3 n. 239: c{olonia) J{ülia) F{elix); derselbe Titel auf
Münzen Eckhel doctr. num. 2 p. 380.
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Latinitat in noch bedeutenderem Mafse in die Italien nächst ge-
legenen Provinzen Sicilien und das narbonensische Gallien ge-
tragen, so dafs letzteres jetzt dieselbe Rolle spielte, wie vorher
das transpadanische (1,571)^), und in Spanien wurde die bisher
selbständige einheimische Gemeinde Gades zu einem Municipium
romischer Bürger gemacht,*) So bestand nun von den Pyrenäen
über Südgallien ; nach Italien und Sicilien hin ein geschlossenes
lateinisches Eulturgebiet gleichartiger Stadteverfassung, eine feste
Grundlage für die einer nahen Zukunft vorbehaltene Latinisierung
Spaniens und des neugewonnenen Gallien.') Sueton berichtet,
es seien durch jene Kolonisationen 80000 Bürger in die über-
seeischen Lander geführt worden , so dafs Veranlassung war,
durch Beschränkung der Freizügigkeit und die Bestimmung, dafs
die grofsen Viehzüchter mindestens ein Drittel freier Arbeiter
beschäftigen müfsten, für genügende Bevölkerung Italiens und
gegen den Ersatz der Abgezogenen durch Sklaven Vorsorge zu
trefiFen.*) Übrigens wurden auch in Italien selbst viele Veteranen mit
Assignationen bedacht, nur liefs sie Cäsar hier nicht in der Form
von geschlossenen Kolonien sich ansiedeln, um nicht Landkonfis-
kationen vorzunehmen, sondern er bedachte sie mit Assignationen
aus vorhandenem oder ohne Beschädigung Dritter zu erlangen-
dem Staatsgut.*) Teils diese Art der Verteilung, teils die Er-
1) Cic. ad Att. 14, 12, 1: Multa SictUis Caesar, neque me invito, etsi
LaÜnitas erat non ferenda; so hätte sich Cicero nicht ausgedrfickt , wenn
nicht die Latinitat mindestens einer gröfseren Anzahl von Gemeinden znmal
erteilt worden wäre; über die latinischen Kolonien im narbonens. Gallien
Mommsen r. G. 8, 658 f., meine GaUia Narbon. p. 83 £P.
2) Dio 41, 24 2. J. 49 : xoCg FadeiQBvai noXitfücv anccaiv iSoanev^ rjv xal
6 S^iios atpiaiv vate^ov insnvQtoasv. Plin. nat. hist. 4, 119: oppidum civium
Born, gu* appdlafUur Äugustani urhe Julia Gaditana, Oolum. 8, 16: in
nostro Gadium municipio.
8) Vgl. Ranke, Weltgesch. 2, 2 S. 318: „Cäsar kann als der vor-
nehmste Begründer der romanischen Welt betrachtet werden. Auf dem
Gmnde, den er legte, hat sie sich erhoben nnd die Jahrhunderte über-
dauert."
^4) Suet. Caes. 42: oetoginta civium müibus in transmarinas colonias distn-
hutia, ut exhauBtae quoque urbis frequentia suppeteret, samcit, ne quis civis
maior annis viginti minorve quadraginta, qui sacramenio non teneretur, plus
triennto continuo Itälia abesset, neu qui senatoris füius nisi contubernalis
aut comes magistratus peregre proficisceretur, neve ii gut pecuanam facerent,
minus tertia parte piiberum inter pastores haherent.
6) Ebendas. c. 38 : Veteranis legionibus — adsignavit et agros, sed non
Herzog, d. röm. Staatirerf. H., 1. t^gi^i^^^ byGoOglC
— 18 —
eignisse der unmittelbar folgenden Zeit waren schuld, dafs die
Wirkungen dieser italischen Ansiedlungen sich wenig bemerkbar
machten; in den Provinzen aber haben die Schöpfungen Gäsard
sich bald aufs schönste in ihrem Zusammenhang geltend ge>
macht. Durch die allgemeine Ausdehnung des Bürgerrechts bis
zu den Alpen wurde die Grenze zwischen Italien und dem cisal-
pinischen Gallien haltlos, und nur militärische Gründe konnten
Veranlassung geben, in letzterem Gebiet einen besonderen
Eommandoposten aufrecht zu erhalten; so blieb dort f&r jetzt
der Provinzialcharakter, aber da Illyricum, welches eben noch
unter der Statthalterschaft Cäsars selbst damit verbunden ge-
wesen war, jetzt abgelöst wurde ^), war die zukünftige Verbindung
des Polandes mit Italien noch näher gelegt.
Dm siwnixipai- 10. Für Italien selbst aber wurde nun aus der völligen
Italien. Rechtsgleichheit der Einwohner auch die Eonsequenz gezogen,
dafs die noch vorhandenen Ungleichheiten in der Verfassung der
einzelnen Gemeinden durch ein einheitliches Gemeindegesetz, das
zwar nicht blofs für die Bürgergemeinden Italiens, sondern auch
für die der Provinzen berechnet war, aber doch für Italien in
erster Linie und für alle italischen Landstädte galt, in allen wesent-
lichen Dingen aufgehoben wurden und nur in der Titulatur der
Gemeinden als Munizipien, Kolonien, Präfekturen und der Gemeinde-
beamten als Quattuorvim, Duumvim u. a., Unterschiede blieben,
welche zugleich einen Rangunterschied bezeichneten. Durch dieses
julische Munizipalgesetz ^) wurde den Gemeinden die Wahl ihrer
\ Lokalobrigkeiten und eine ziemlich weitgehende Kompetenz der
Gemeindeversammlung gewährleistet, den Magistraten aber, für
deren Wahl aus den besseren Bevölkerungsklassen gesorgt war,
ebenfalls eine nicht unbedeutende Jurisdiktion und Verwaltuugs-
kompetenz gelassen; auch stand ihnen, wie den republikanischen
Censoren in Rom, die Aufstellung der Liste des Gemeinderats nach
den in diesem Gesetz gegebenen Normen zu. Der Gemeinderat
selbst {ordo decurionum) blieb ein wichtiges Glied der städtischen
contf'nuos, ne quis posseasarum expeUeretw. Dio 42, 54: %mQav i% xs t^$
drjfioa^S '»^ccl Ix tijg iavvov drj naai otpiaiv ^vBifiev^ aXXavg äXXjj %al naw
noQqto an uXXriXayif dnaqxriaag,
1) In dieser Zeit war Vatinius Statthalter von Illyrikam. Cic. Phi-
lipp. 10, 11.
2) tab. Heracl. Z. 88 if. 8. ob. S. 2 A. DaCi dieses Gesetz auf
Italien beschränkt war, steht in dem erhaltenen Teil nicht.
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— 19 - .
Verwaltung. Wir sehen^ dafs dieses Gesetz zu Anfang des J. 45
während Cäsars Aufenthalt in Spanien in Vorbereitung war.*)
Die Erfahrungen^ die man mit den Wirkungen des transpadanischen
Gemeindegesetzes v. J. 49 machte, konnten hier verwertet werden,
anfserdem hatte man Veranlassung, zur Herstellung der Gesetze,
die man den neugeschaffenen Kolonien von Bürgern und von
Latinem mitgeben mufste, sich mit den Fragen der Gemeinde-
verfassung zu beschäftigen. In dem Munizipal gesetz ist, wie
schon bemerkt, für die Gemeinden Italiens speziell Rücksicht
genommen auf die regelmäfsige Wiederkehr des Census und seine
Vornahme den Ortsmagistraten auferlegt.
11. unter den neuen Verhältnissen konnte die Einteiluntr verh&itnii «um
j — j röm. VoDc.
der Bürgerbevolkerung nach den alten Vermögensklassen keinen
Wert mehr haben, für keinen der Zwecke, für welche sie ge-
schaffen war, hatte sie jetzt noch Nutzen, und es ist wohl anzu-
nehmen, dafs Cäsar, wenn er dazu gekommen wäre, einen Census
vorzunehmen, auch in dieser Beziehung reformiert hätte.*) Vor-
läufig waren für die Wahlkomitien der Centurien die Klassen
formell noch notwendig, allein da schon längst kein Census mehr
zu stände gekommen war, konnten sie nur zum Schein angewandt
werden; es handelte sich ja aber bei jenen Komitien überhaupt
nur um Aufrechthaltung eines Scheines, und bei allen Volks-
versammlungen um einen Zusammenlauf von Bevölkerungsteilen,
den man jederzeit in der für die augenblicklichen Bedürfnisse
gewünschten Zusammensetzung haben konnte, ohne über die
hauptstädtische Bevölkerung hinauszugehen. Somit repräsentierte
1) Cicero schreibt im J. 45 (ad fam. 6, 18, 1): Statim quaeaivi e
Balbo per codicillos, quid esset in lege; gemeint ist das Mnnizipalgesetz.
liange 8, 440 schliefst aus dem Ausdruck lege, dafs das Gesetz damals
schon perfekt gewesen sein müsse, da es nicht rogatione heifse, es
sei also schon im J. 46 gegeben worden. Allein über den hihalt eines
fertigen Gesetzes hatte Cicero nicht nötig, sich nengierig an einen Ver-
trauten und Bevollmächtigten Ctlsars zu wenden, vielmehr that er dies, weil
es sich eben noch um einen Entwurf handelte; so gut man aber sagen kann:
^ promüigatur, kann man auch einen Entwurf lex nennen. Dieser wurde
gefertigt während Cäsars Abwesenheit, nach seiner Zurückkunft von ihm
selbst eingebracht.
2) Man könnte vermuten, dafs die Nichtverwertnng der iribtmi cierarii
bei den Geschworenengerichten damit zusammenhing, dafs diese Klasse von
Bürgern, die bei dem alten Census beschäftigt gewesen war, überhaupt
wegfallen sollte.
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- 20 -
di'ese das Volk in politischem Sinn, und von diesem Gesichts-
punkt aus freilich war es ganz unmöglich, ihr irgend einen
wirklichen Einfluls innerhalb der verfassungsmäfsig bestehenden
Rechte zu lassen. Dagegen war es um so notwendiger, sie in
den freieren und schwerer zugänglichen Aufserungen ihrer Zu-
oder Abneigung, die bei den Kontionen, bei Festlichkeiten oder
bei dem öffentlichen Erscheinen Cäsars sich kundgaben, zu dis-
ziplinieren; denn Cäsar übersah keineswegs das Moment, welches
Popularität in Rom für ihn hatte. Zunächst konnte er freilich
nach Allem, was er für die hauptstädtische Menge gethan, trotz
der Verminderung der Getreidespenden auf Sympathien rechnen,
allein diese Stimmung war doch nicht sicher festzuhalten, und
es bedurfte jedenfalls verschiedener Vorsichtsmafsregeln, um
Überraschungen fem zu halten. Das erste Mittel nun war zu
finden in der Disziplinierung der Beamten, welche das Recht za
Kontionen hatten, der Magistrate wie der Volkstribunen, und
dazu hatte der Inhaber der Diktatur und der tribunicischen Gewalt
die Macht in der Hand. AuJGserdem aber war es nützlich, jenen
Mifsbrauch des Assoziationswesens, der sich von den Wahlen
her auf sonstige Gelegenheit zu politischer Agitation übertragen
hatte, zu beseitigen und von den sog. Kollegien nur einige auf
bestimmte unpolitische und leicht zu überwachende Zwecke ge-
richtete zu belassen. Es geschah dies durch die im J. 46 ein-
gebrachte lex de collegiis. *) Nach dem früher (1, 554) Bemerkten
wurde durch diese polizeiliche Kontrolle des Vereins wesens nur
ein Grundsatz aufrecht erhalten, welcher in Rom von Anfang an
gegolten hatte und nur durch ein Gesetz des Tribuns P. Clodius
(1, 1058 f.) vorübergehend bei Seite gesetzt worden war. Dann aber
wurde natürlich von den Anhängern in positiver Weise Stimmung
gemacht, vor Allem, freilich gerade hier mit zweifelhaftem Erfolge,
für eine formliche Proklamierung des Diktators zum Regenten.
Neben dem hauptstädtischen Pöbel stand nun aber auch noch
der ganze grofse Mittelstand in den italischen Landstädten, von
dessen Sympathien die Anhänglichkeit Italiens abhing. Man
darf auch glauben, dafe die Vermeidung der Eigentumsentziehungen,
die versöhnliche Behandlung der in vielen Landstädten vertretenen
1) Säet. Caes. 42: cuncta coUegia praeter antiquüus consHtwta distraxit
Dafs unter den AuBnahmen davon auch die Jadengemeinde sich befand,
sagt Josephus antiq. 14, 17.
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~ 21 —
Pompejaner und die Projekte Cäsars für groüse Arbeiten in Italien
aach aofserhalb Roms (s. unten) auf jene Anhänglichkeit be-
rechnet waren. Die Vorschrift femer, welche mehrjährigen
Kriegsdienst zur Vorbedingung der Bewerbung um ein Gemeinde-
amt machte ^), mufste unter den jetzigen Verhältnissen des Kriegs-
dienstes Männer, die dem Kriegsherrn ergeben waren, in diese
Stellungen bringen, und aufserdem konnten schon jetzt die überall
verteilten Veteranen als eine Garantie für die Treue ihrer Um-
gebung gelten. — Der Absicht, die unteren Klassen der stadt-
romischen Bevölkerung durch das Vereinsgesetz polizeilich schärfer
zu überwachen, kann man als eine Mafsregel der Sittenpolizei,
welche gegen die oberen Stände gerichtet war, das Aufwands-
gesetz vom J. 46 zur Seite stellen.^) Die Erfahrungen mit den
bisherigen Gesetzen dieser Art lieüsen nicht viel Erfolg von
diesem neuen erwarten; indessen ist speziell bezeugt, dafs es
Cäsar ernst damit war, wohl deshalb, weil das Übel, das er
damit bekämpfen wollte, so grofs erschien, dafs jede auch nur
äufserliche und scheinbare Mafshaltung der öffentlichen Meinung
gegenüber Wert hatte.
12.* Es versteht sich, dals neben der Vermehrung der Bürger- Bürgerrechts
Schaft durch Begabung ganzer Städte mit der Civität noch zahl- ^einzei^^d °
reiche Einzelaufnahmen stattfanden, sei es an verdiente Soldaten den NaUonau
aus den Provinzen oder an sonstige Provinzialen, die Anspruch
an Cäsars Dankbarkeit hatten, und es war dies ein Zuwachs,
der mindestens nicht schlimmer war, als der aus den Frei-
lassungen fliefsende. Der Natur der Sache nach werden es vor-
zugsweise Occidentalen, Gallier und Spanier, gewesen sein, welche
auf diese Weise herangezogen wurden'), und dies wie die Art
der Städtegründungen läfst schon jetzt erkennen, dafs von den
zwei grolsen Gmppen von Provinzialen, der hellenischen im Osten
und der barbarischen im Westen und Norden die letztere zur
allmählichen Assimilierung bestimmt war, während die ostliche
mit ihrer eigentümlichen Kultur Ihre Sonderstellung behielt. Es
1) tab. Heracl. Z. 90 f. 100 f.
2) Säet. Caes. 43: LecHcarum usutn — ctdemH^ legem praecipue sump-
Utariam exereuit^ disposUta circa maceUum cuatodibw etc. Der erste Satz
zeigt, dafs Cäsar nicht etwa ältere Gesetze wahrte, sondern ein neaes auf-
stellte. Dio 43, 25.
3) Cic. ad farn. 9, 16, 2: cum cm videam primttm obliUis Lotio tum,
cum in urbem nostram est infusa peregrinitas , nunc vero etiam braccatis et
trfmsaipmis nationibus etc.
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~ 22 -
ist anzunehmen^ dafs gerade für die dem Osten bestimmten
Kolonien die Auswahl in Rom unter den Freigelassenen, d. h.
grofsenteils Leuten hellenistischer Nationalität stattfand. ^) Afrika
dagegen war geteilter Natur: die phönikische und libysche Be-
völkerung war aus ihren nationalen Verhältnissen schwer heraus-
zubringen, dagegen waren durch den lebhaften Verkehr mit
Italien fremde Elemente genug vorhanden, um allmählich
eine Anzahl lateinischer Städte über die Provinz auszubreiten.
Dem Austausch der Kulturverhältnisse aber im ganzen Reich
zwischen Osten und Westen, d. h. der Nutzbarmachung griechischer
Bildung und Kunstfertigkeit für das Abendland*) waren durch
den nunmehr schärfer gefafsten Begriff der Reichseinheit die
Wege viel mehr als bisher geebnet, auch ohne die abenteuer-
lichen Pläne, die mau an das Verhältnis Cäsars zu Kieopatra
knüpfte.
Finanz- 13. Nach dcr systematischen Vernichtung des Wohlstands,
öffontiioiie wclchc die letzte Zeit der republikanischen Verwaltung in Italien
und den Provinzen verschuldet hatte, und nach den Schäden des
Bürgerkrieges galt es, nicht blofs mittelbar und vereinzelt durch
Erteilung von Privilegien für bessere Zeiten zu sorgen,* sondern
auch direkte darauf zielende Verwaltungsmafsregeln zu treffen,
soweit es das Interesse der Reichsfinanzen erlaubte. Wie Cäsar
letzteres im Auge hatte, zeigt die Notiz, dafs nach seinem Tode
700 Mill. Sest im Staatsschatz sich fanden ^)^ und er scheute
sich zu diesem Zweck selbst nicht, die der Hauptstadt wie ganz
Italien empfindlichen Einfuhrzölle auf fremde Waaren, die im
J. 60 abgeschafft worden waren, wieder einzuführen^); aber er
1) Von Eorinth eagt Strabo 8 p. 381: 7/ KÖQiitd'os dvelrupdri ndliv
vnb KccCaticQOS xov d'tov — inoi%ovs nifHAffavtos tov dnsXsvd'€Qi%ov yivovg
nXcüttovg^ von Karthago 17 p. 833: ivslrifpd^ ndXiv vno Ka^naQog tov ^sav
nifiipccvzog ino£%ovg ^Pmfiaioov zovg nQOcciifOVfifvovg nal xmv ox(fati<oxmv
tivag. Die Kolonie Urso heifst bei Tlinius u. h. 3, 12 Gen[€ttvä] urbanorum^
ist also ebenfalls aus der hauptstadtischen Bevölkerung besetzt worden;
aus dieser konnte man die Nationalität entsprechend auswählen.
2) Dahin gehört auch Sneton Cäs. 42: omnis medicinam Bomac pro-
fessos et Uheralium artium doctores, quo libetUius et ipsi urbem incolerent et
ceteri adpeterent^ civitcUe donavit.
3) Cic. Philipp. 5, 11: sestertium septiens mülicns.
4) Suet. Caes. 48: peregrinarum mercium portoria tnstituit; über die
Aufhebung i. J. 60, welche sehr populär gewesen war, (6 fihv voftog 6
nataXvüug avxd naoi'V aQsaxog iyivszo) Dio 37, 51.
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- 23 —
nahm sich auch der Provinz Asien an, welche C. Gracchus durch
Einfiihrung des Zehuten au Stelle der durch die Gemeindehehörden
aufzubringenden festen Steuern den Publikanen in die Hände
geliefert (ob. 1, 468), und führte neben einem Steuererlafs wieder
die ohne jene Vermittelung zu erhebende Grundsteuer, das Stipen-
dium ein^); ebenso war es nicht im Interesse der Ausbeutung,
der Provinz Sicilien die Latinitat zu geben; denn mit dieser
wurde dieselbe stipendiär statt zehntpflichtig, und in ähnlicher
Weise gewann auch das narbonensische Gallien. Eine grofse
und lohnende Aufgabe lag vor in den neueroberten gallischen
Provinzen; die Angaben von der Bedeutung der gallischen Beute
lassen erkennen, dafs das Kriegsrecht stark in Anspruch ge-
nommen wurde ^), aber was wir später von ihnen wissen, läfst
schliefsen, dafs sie bleibend finanziell nicht überlastet wurden.*)
Zeigen ferner verschiedene Fälle von Steuernachlässen, dafs Cäsar
im einzelnen zu helfen bemüht war, wo es anging, so wurden
andererseits auch heilsame Beispiele von Strenge gegen Beamte
statuiert, die sich Erpressungen hatten zu schulden kommen
lassen. '^) DaJ^ Cäsar eine neue Ordnung für die Führung des
Staatshaushalts im Sinne hatte, wird nicht berichtet; zunächst
handelte es sich für ihn darum, das Finanzwesen überhaupt in
der eigenen Hand zu behalten. Zu diesem Zweck liefs er sich,
als an die Stelle des aus der Kriegsvollmacht sich ergebenden
Rechts eine bleibende Ordnung auch für Friedenszeiten begründet
werden sollte, im J. 46 das Recht bewilligen, die Finanzen so
selbständig wie das Kriegswesen zu verwalten^), womit ver-
1) Dio 42, 6: xä aXXa rä ifte^vg (d. h. iv tg 'Aefy) — ditoHSi —
fvsffyszap navxag oaa hsdixeto, rovg yovv telmvag TCiKQoratd atpiai xqm-
nivovg dTcaXXd^ag ig (pOQOv ovvxiXsuxv to ovfißaivov in tmv tsloiv nazs-
uxriüoro; vgl. App. 6, 4. — Dies war schon im J. 48 geschehen.
2) Siiet. Cäs. 64: In GaXlia fana tempJaque deum donis referta expilamt^
urbes diruit saepius ob praedam quam ob delictum; unde factum, ut auro
abundaret iemisque milibus nummum in libras promercaJe per Italiam pro-
vindasque divenderet. Dio 43 : xal avrovg (die Gallier) 6 KataccQ xctl tpgovQaig
*al di,%amcBOi xqrrnMxoiv XB ign^disai. %al tpoQtov ini.xd^eat xovg (ihv ixa-
rnlvacs xovg d\ ^fiiqoHJtv.
3) Entrop. 6, 17: öaUiae tribuH nomine annuum imperavit sestertium
quadringenties. Bei Saeton Cäs. 25 ist die Zahl ausgefallen; indessen liegt
der Mafssiab weniger in ihr als in den Znständen der Folgezeit.
4) Snet. Gas. 43: Eepetundarum convictoa etiam ordine senatorio movit.
5) Dio 43, 45: axQuxuotag xs (iovov i%^tv %al xd dtifioaia ;|r^jffiOTa
oiivov diometv ixsXfvaaVj mexB (tridevl dlXtp firjÖBxiqci^ avxmv, oxat firitll
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- 24 -
buuden war^ dafs er auch die Organe dafQr nach seinem Be-
lieben bestellen durfte. Indessen wurde dies vielleicht von denen^
die ihm solche Gewalt übertrugen^ wie von ihm selbst nur als
ein provisorisches Übergangsstadium angesehen. Jedenfalls waren,
als Cäsar starb, die Grundlagen für einen geregelten Staats-
haushalt mittelst jener diskretionären Vollmacht bereits gelegt.
Jene italischen Zolle, die sonstigen indirekten Steuern und das
provinziale Stipendium gaben die Hauptposten für ein ordent-
liches Einnahmebudget; eine neue Heeresorganisation, wie sie
auf Grund des einheitlichen und dauernden Kriegsbefehls erwartet
werden konnte, war geeignet, einen Kriegsetat zu bieten, und
wenn einerseits die Erhöhung des Solds, welche Cäsar gewährt^
eine stärkere Belastung veranlafste, so stand dem durch die
Beschränkung der Getreidespenden eine erkleckliche Ersparnis
gegenüber. Der durch aufserordentliche Einnahmen gefüllte
Schatz aber gewährte die Mittel zu den gewaltigen Entwürfen
öflFentlicher Arbeiten, die dem Cäsar zugeschrieben werden.^) Unter
diesen waren die wesentlichsten für Born selbst die Ableitung
des Tibers um den Vatikan, so dafs dieser mit dem Janiculum
auf die linke Seite zu liegen kommen und das eigentliche Stadt-
gebiet sehr wesentlich vergröfsert werden sollte, grofse Neuan-
lagen in Nutz- und Prachtbauten innerhalb der Stadt, zumal aaf
dem Forum, woneben die Fürsorge für die äufsere Ordnung der
Stadt bis zur Strafsenreinigung herab nicht unterlassen wurde*),
für Stadt und latinische Landschaft die Weiterführung des ab-
geleiteten Flusses nach Terracina und damit verbundene Ent-
wässerung der pomptinischen Sümpfe, für Italien StraTsenanlagen
und die Ableitung des Fucinersees, für das Reich überhaupt die
insilvos intxQiipHsv i^sivcci X9^<^^<<^- Sueton. Caes. 76 : monetae publicisque
vectigdlibus pectiliares servos praeposuit Von Höhergestellteo war haupt-
Bächlich P. ComeliuB Balbus sein finanzieller Geschäftsmann; vgl. Cic. ad
Att. 18, 62: (Caesar) tertiis SaU^mälibus apud Philippum ad horam VII,
nee quemquam admisit; rationes opinor cum Bälbo,
1) Suet. Cäs. 44. Dio 44, 6.
2) Hierauf bezieht sich der Teil der tab. Heracl. von Z. 20 bis Z. 8S,
nach der oben S. 2 A. vertretenen Auffassung nicht mit dem julischen
Munizipalgesetz zusammengehörig, sondern Teil eines besonderen Gesetzes,
das sich auf die mit diesen Dingen beschäftigten Beamten oder auf die Sache
selbst beziehen konnte. Über die Frage, ob die in diesem Gesetzesabschnitt
genannten IUI viri und II viri vÜ8 pwrgandia cäsarischen Ursprungs
seien oder nicht, vgl 1, 864 f.
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- 25 -
Darchstechang des korinthischen Isthmus. Es ist nichts unter
diesen Entwürfen, das nicht entweder später ausgeführt oder bei
neuen Epochen der Geschichte bis in unsere Zeit herab von kraftigen
Geistern geplant worden wäre. Dafs Cäsar sie alle auf ein-
mal erfafste, zeugt von der gewaltigen Kraft seiner Initiative^
die den schreienden Schäden, welche die damaligen Zustände
zeigten^ gewachsen sein wollte.
14. An die finanziellen Erfolge Cäsars knüpfte sich auch eiue Mou^weBeD.
wichtige Neuerung im Münzwesen. Bis dahin hatte die romische
Münze in Rom nur Silber und Kupfer geprägt und nur aufser-
halb Roms war von siegreichen Feldherrn Prägung von Gold-
münzen angeordnet worden. Cäsar liefs nun das von Gallien
mitgebrachte Gold' in Rom ausprägen, und die daraus hervor-
gehende Goldmünze war so reichlich^ dafs sie geeignet war^ die
Goldwährung vorzubereiten. Von diesem Vorgang an führte
man das Ausgeben von Goldmünzen fort^ bis endlich der formelle
Übergang zur Goldwährung stattfand.^)
15. Unter den Aufgaben, welche Cicero für Cäsar in An- Rechtspflege
Spruch nimmt, nennt er an erster Stelle die Wiederaufrichtung
des Gerichtswesens.*) Dies war noch in viel höherem Sinn richtig
als Cicero es meinte. Denn die romischen Gerichte waren und
zwar nicht erst durch den Bürgerkrieg, sondern durch ihre fort-
währende Verbindung mit der Politik in schwersten Verfall
geraten.
Im Kriminalrecht nun liefs Cäsar die suUanische Organi-
sation der Geschworenengerichte im Allgemeinen bestehen^ und
konservativer, als man erwarten sollte, gab er dieselben zwar
nicht in die Hände der Senatoren, aber er entfernte die Vertreter
des dritten Stands, die tribuni aerarii (1, 533), welche schon
Pompejus im J. 55 nur unter der Bedingung eines hohen Census
belassen hatte (1, 557 A. 2), gänzlich, liefe also nur die Ritter
neben den Senatoren sitzen.^) Es ist jedoch, wie schon bemerkt
1) Mommsen, röm. Münswesen S. 739 f. 750 f. Derselbe vermutet
8. 208 nach andern Vorgängen, dafs die cftsarischen Goldmünzen in erster
Linie fflr das Triomphalgeschenk im J. 46 geprägt worden.
2) pro Marc. 23 : omnia sunt excitanda tibi^ 0. Caesar, wnt, quae iacere
sentis, beUi ipsius itnpetu, quod necesse fuit, prastrata atque perctUsa: con-
stäuenda iudicia, revocanda fides, comprimendae Itbidines etc.
8) Suet Caes. 41: iudida ad duo genera iudicum redegü, eguestris
ordims ac senatorü; tribunos aerarios, quod erat tertium^ sustulü^ Diq
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-^ 26 -- I
(S. 19 A. 2), fraglich, ob dies uicht darin seinen Grund hat, dafs j
die Arartribunen jetzt bedeutungslos waren und eine anderweitige
Vertretung des gewöhnlichen Bürgerstandes nicht leicht zu haben
war. Dein Anscheine nach war dies immer noch eine politische
Besetzung des Geschworenenamts und demnach zu furchten, dafs
die Rivalität der beiden Stände im Rechtsprechen sich fortwäh-
rend geltend mache, allein die Verhältnisse lagen jetzt doch
anders als unter der Republik: es war nun eher zu erwarten,
dafs die gleichmäfsig unter die Regierung des Diktators gebeugten
und in ihrer politischen Selbständigkeit herabgesetzten Stände
den Beruf des Rechtsprechens sachlicher auffassen würden als
bisher. Freilich dieses diktatorische Regiment griff nun aber
seinerseits mit seiner politischen Macht in die Übung der Justiz
ein. Sei es in Berufung auf die allgemeine Kompetenz der Dik-
tatur oder auf die Spezialbestimmung, dafs Cäsar mit den Pom-
pejanern nach Gutdünken verfahren dürfe, zog der Diktator An-
klagen, die sonst vor die Geschworenengerichte zu verweisen
waren, vor sein Gericht und fällte selbst das Urteil. Es ist nicht
sicher zu erkennen, ob darin ein Ausnahmerecht oder ein bleiben-
der Anspruch geltend gemacht werden sollte, vorerst konnte
man angesichts der Proskriptionenfurcht dieses Verfahren leichter
hinnehmen.') — In das materielle Kriminalrecht kam als Reform
herein, dafs für die Quästionen über Majestätsverbrechen und
über Gewaltthat neue Gesetze gegeben wurden, jenes in politi-
schem Sinn, dieses jedenfalls auch in dem ohne Zweifel sehr
notwendig gewordenen Interesse, der Unsicherheit in der Haupt-
stadt, einer unvermeidlichen Folge der Bürgerkriege, zu steuern.*)
43, 25 (z. J. 46) mit dem Motiv: onmg z6 xccd'aQmxaxov oxt itaXiGxa ael
1) Ein hervorragender Fall dieser Art ist der des Q. Ligarius, den
Cicero verteidigte. Dafs Cäsar als Diktator zu Gericht safs, liegt in pro
Lig. 8, 12: Ät isttul ne apud eum qmdem dictaiorem (SuUam)y qui etc. —
quisquam egit isto modo. Allein zugleich kann man daraus, sowie aus
§. 30 (die fe, Caesar, de facto iudicem esse; — taceo, ne Jiaec quidem coüigo,
q%Me fortasse valerent apud iudicem, — ad iudicem sie agi solet, sed ego
apud porentetn loquof) Anspielungen darauf finden, dafs er es zu den der
cäsarischen Diktatur beigegebenen Ausnahmebestimmungen gerechnet wissen
will. — Vgl. übrigens Suet. Caes. 43: Jus laboriosissime ac severissime dixit,
andererseits freilich Dio 43 , 47: ev9vvofi.ivovg Ifd dmQoig rivag yial l{c-
Xeyxofiivovg ys dnfXvasv, coats xal altCav 9(OQo9o%lag ixsiv.
2) Antonius beantragte, dafs wer de vi oder de maiestate verurteilt
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~ 27 ~
Ebenso zweckmäfsig war es, daTs zugleich die bisherige milde
Praxis, welche SelbstverbanDung vor erfolgtem Spruch mit Bei-
behaltung des Vermögens gestattete, aufgehoben und mit der Strafe
der Verbannung gänzliche oder teilweise Konfiskation des Ver-
mögens verbunden wurde. ^) — Hinsichtlich des Civilrechts wer-
den durchgeführte Reformen nicht erwähnt, wohl aber ist
bezeugt, dafs Cäsar die grofse Idee hatte, eine Revision desselben
zum Behuf einer, fQr die Rechtsprechung bequemen Auswahl, Zu-
sammenstellung und Redaktion des Materials zu veranstalten.^)
Dafs hiefür schon vorbereitende Schritte gethan worden wären, wird
nicht gesagt, aber die blofse Idee genügt, um zu zeigen, dafs
Cäsar die staatlichen Aufgaben weit über die politischen Interessen
hinaus erfafste. Dieselbe grofse Auffassung sehen wir endlich ömntucho
daraus, dafs Cäsar die Einrichtung öffentlicher Bibliotheken in
gröfstem Mai^stabe für griechische und römische Litteratur plante,
und es gereicht dem Diktator wie dem M. Varro zur Ehre, dafs
jener für die Ausführung auf letzteren rechnen konnte.^)
16. Was im Vorstehenden aufgezählt ist, giebt einfach in Gesaraiauf-
sachlicher Ordnung wieder, was die Quellen uns geben. Wenn formen c&saif.
° ' ® Binlioit des
man darauf verzichten mufs, diese Mafsregeln als wohlberechnete Kcici.s.
Bei, sollte provocieren dürfen. Darin liege u. A., sagt Cic. Philipp. 1, 23,
dals obrogaiur legibus Caesaris, guae tubeni ei, qui de vi, item gui maiestatis
damnatus sit, agua et igni i/nterdici; quibus cum provocatio datur, nonne
acta Caesaris rescinduntur? Vorher §. 32 war dies so ansgedrfickt, dafs duae
maxime saltUares leges quaestionesgue tolluntur; quam atUem ad pestem furor
tribunicius impeUi non poterit his duabus quaestionibus de vi et de maiestate
subJoHs? Beide hatten also einen politischen Charakter, aber die guaestio
de vi war zugleich auch nicht politisch. Es läfst sich ans Cicero, dem
einzigen Zengen, nicht mit Sicherheit entnehmen, ob zwei ganz nene
Qoätitioneordnangen von Cäsar gegeben wurden^ oder nnr Modificationen
des comelischen Majestäte- (1, 621) ond des plantischen Gewaltgesetzes.
Zumpt, der (Kriminalr. der röm. Rep. 2, 2, 475 ff.) der letzteren Ansicht ibt,
laTst Cäsar nnr nber die Strafen nene Bestimmungen geben, ist aber in der
Kombination von Ciceros Angaben mit Sneton (s. folg. Anm.) willkürlich.
1) Suet. Cäs. 42: I\>enas faeinorum auxit; et cum locupletes eo facilius
scdere se obligarent, quod integiis patrimomis exulabant, parricidas, ut Cicero
acribit, banis omnibus, religuas dimidia parte multavit.
2) Snet. C&s. 44: {destindbat) ius civüe ad certum modum redigere atgue
ex immensa diffusague legum c(^ia optima quaeque et necessaria in pauctssi-
«KW conferre libros.
8) Ebendas.: {destitunbat) bibliothecas graecas latinasque guas maximas
possä publica/r e, data M, Varroni cwa comparandarum atque digerendßrunu
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~ 28 —
Glieder eines einheitlich erfaüsten Planes anzuerkennen , so wäre
es noch viel unrichtiger ^ in ihnen eine abenteuerliche Häufung
von Entwürfen zu sehen, die in überstürzender Eile hingeworfen
worden; es ist vielmehr überall nur die Bethätigung einer ge-
waltigen Kraft, die, nachdem sie, zuerst in dem Getriebe der
politischen Intrigue gebunden, einen grofsen Schauplatz für ihre
Entfaltung gewonnen, ihrer selbst sicher vor keiner Aufgabe
mehr zurückschreckt, mit kühnem Stofs Alles, was sie bisher
noch gehemmt, über den Haufen wirft und nun in freigewordener
Bahn den die Verhältnisse Überschauenden und durchdringenden
Geist schaffensfreudig walten lä&t. So wurde sein Wirken stoff-
lich so umfassend als die menschliche Kraft reichte; aber auch
in anderer Beziehung war es universal. Weit seiner Zeit voraus-
eilend war Cäsar bereits bestrebt, das romische Reich so rasch
wie möglich einer inneren Einheit zuzuführen, rascher als seine
Nachfolger, auch wenn sie auf demselben Wege gingen, möglich
glaubten und fanden. Er hatte dabei wohl in erster Linie das
Interesse seiner Herrschaft und die Machtentfaltung des Reichs
nach aufsen, für welche er alle Kräfte zusammenfassen wollte, im
Auge, aber seine Bürgerrechts- und Latinitätsverleihungen^) zeigen,
dafs er auch die Interessen der einzelnen Teile damit verband. —
Jedoch selbst unbefangenen Zeitgenossen mufste es schwer werden,
in der Unruhe, welche die grofse und entscheidende Frage der Herr-
schaft mit sich brachte, diese Fülle von Thatkraft in allem dem,
was sie für die Zukunft vorbereitete, zu verfolgen und zu würdigen;
wie wenig war vollends eine solche Würdigung zu erwarten in-
mitten des Übelwollens der persönlich Mifsvergnügten, der ge-
heimen, aber schon durch blofse Passivität gefahrlichen Opposition
der politischen Gegner und der blinden, planlos übertreibenden
oder politisch unerfahrenen oder wenig einsichtigen Ergebenheit
der Anhänger. Man fühlte wohl die alle überragende Grofse, aber
man wollte ihr nicht freie Bewunderung zollen; man sah nur,
wie mit der Bethätigung der Herrscherkraft das HerrschergefÖhl
zunahm und das Herrscherziel immer deutlicher hervortrat. Was
in dieser Beziehung geschah, führte die Katastrophe herbei; die
1) In dieser Beziehang ist freüich vieles auf C&sars Namen nach seinem
Tode geschehen, vgl. Gic. Philipp. 1, 24: civitas data non 9olwm singuUs^
sed ncUümibtiS et provinciis universis a morttto; allein er hat diese Liberalitöi
eröffnet und sofort selbst schon, wie oben gezeigt, in grofsem Umfiuig be-
thätigt.
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— 29 —
Kehrseite der grofsen Verwaltungsthaten bilden die Schwierig-
keiten der Umgestaltung der Verfassung.
17. Neben der Diktatur ging scheinbar die überkommene Konstitationeiio
Maschine der konstitutionellen Einrichtungen nach wie vor ihren an cum.
Gang, es war nur zur Ergänzung die aufserordentliche Gewalt
m Anspruch genommen. An den Befugnissen der Bürger-
gemeinde wurde zwar das Wahlrecht durch das dem Diktator
bewilligte Vorschlagsrecht, die Gesetzgebungskompetenz durch die
Erweiterung der den persönlichen Verfügungen Cäsars zukom-
menden Kraft und Bedeutung (ob. S. 12 A. 2) gekürzt, allein
jene Beschränkung des Wahlrechts, der eine Vermehrung der der
Wahl unterstellten Ämter zur Seite stand, fühlte niemand als
eine Verminderung der Volksrechte, sondern man empfand es
nur als eine Veränderung in den Bedingungen der Bewerbung,
mid an Gesetzen, welche den Komitien vorgelegt wurden, fehlte
es auch jetzt nicht; ^) Cäsar hatte kein politisches Interesse, den
Weg der Eomitien zu meiden, und seine Gesetzesvorschläge er-
setzten reichlich, was die sonst berechtigten Rogatoren etwa vor
das Volk gebracht hätten. An den ursprünglichen und geschicht-
lich erworbenen Rechten des Tribunenkollegiums wurde nichts
geändert und dem äufseren Anschein nach auch an den persön-
lichen Rechten und Befugnissen des Senats und der Magistrate nur
Tereinzeltes gemindert, zumal wenn man in Rechnung nahm, dafs
auch unter der Republik die höchste ordentliche Magistratur
durch ein maifis imperium in eine untergeordnete Stellung kommen
konnte. Und doch war durch die aufserordentlichen Befugnisse,
welche dem Cäsar neben diesen Faktoren der Verfassung ver-
liehen worden, und durch die Art, wie er sie handhabte, die bis-
herige Verfassung vollständig über den Haufen geworfen. Um
dies zu erkennen, sind zuerst die Steigerungen, die ihm seit dem
J. 46 zukamen, zu betrachten.
Noch vor Cäsars Rückkehr aus Spanien wurde wohl aus
Veranlassung von der in üblicher Weise an den Senat gebrachten
Meldung, dafs auf den errungenen Sieg das Heer den Cäsar zum
Imperator ausgerufen habe (1, 769 f.), vom Senate dies nicht
blofe wie üblich angenommen und anerkannt, sondern dem sieg-
reichen Feldherm für den neuen Erfolg, für den er zugleich als
Liberator bezeichnet wurde, jener Siegestitel ^, der nach sonstiger
1) Dio 43, 50: tavtd xs inoiei nccl vofMvg tleitpSQS u. s. w.
2) Dio 48, 44 (nach Erwähnung des Titels iXev^SQmrrig): x6 ze toi
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- 30 -
Regel nur bis zum Tage des Triumphs geführt wurde, bleibend
und sogar als erblich wie eine Art Namen zuerkannt, und von
jetzt an nennt sich Cäsar, gewöhnlich unmittelbar nach seinem
Personennamen ^Imperator* .^) Eine Gewalt war, wie Dio sagt,
damit nicht verliehen, und Alles, was von späterer Auffassuüg
des Titels in diesen Akt vom J. 45 etwa hineingetragen werden
möchte, ist fernzuhalten. Was an Gewaltverhältnis in dem Namen
liegen könnte, war in der Diktatur enthalten, die damals aller-
dings noch zehnjährig war, aber bald darauf lebenslänglich ge-
macht wurde. Wohl aber wurde nach Dio um dieselbe Zeit dem
Cäsar das Konsulat auf zehn Jahre angeboten, ferner das in der
Diktatur von Hause aus gegebene malus Imperium dahin inter-
pretiert und ausgedehnt, dafs ihm die Bestellung der Magistrate,
selbst die der plebejischen und die ausschliefsliche Verfügung
über das Heer und über die öflFentlichen Gelder zustehen
solle.*) Der Beschlufs über das Heer und die Finanzen legiti-
avroxQaro^o; ovoficc ov natu to ccqxoclov itt iiovov acnsQ aXXoi ts %al ^xfi-
vog nollduLg i% xa>v noXifioav inBuXri^aaVy ovd* mg ot ziva avtotsXri T^ys-
ILOvCav ^ xal aXXrjv rti/a i^ovaiav Xaßovzsg mvofia^ovzo, aXXä xad-dna^ tovto
dri TO xal vvv toig to x^ccrog dsl ^xov6i di'dofisvov ixB^vco tots ngtotat ts
xal TCQmrov SansQ xi ¥,vqiov nQoai&eaav^ %ccl vooavtrj ys vnsQßoX^ %oXa%siag
iXQT^aavto, coats xal tovg TcaiSocg zovg zs iyyovovg avzov ovzm KctXsia&ai
tpritpiaaod'at fiiqzs zi%vov zi avzov ix^'^''^^^ ^^^ yigovzog tj^tj ovzog.
1) Vgl. die Münzen Cohen, Us monnates de Vetnpire Born. 1 p. 6—14.
Auf diesen steht der Titel impei'ator, wo er sich findet, nach Caesar und
steht auf den der cäsarischen Zeit angehörigen Münzen nie mit einem
andei-n Titel zusammen; nur auf einer von Trajan restituierten Gäsarmünse
(Coh. 1 p. 14 n. 53) heifst es: C. Julius Caes. imp, cos. III. Auf andern
urkundlichen Zeugnissen pflegt imper,, wo es mit dem Diktator- und andern
Titeln zusammen sich findet (vgl. Joseph, antiq. 14, 10, 2. 7.), vor diesen zu
stehen mit Ausnahme der lex coloniac Jul. GeneL, in welcher (eph. p. 112
c. CIIII) steht: imsu C. Caesaris dict. imp. Aus diesem Sach Verhältnis ergiebt
sich einmal, wie Mommsen, Staat8r.,2, 743 A. 3 bemerklich macht, dafs Sueton.
Caes. 76 irrtümlich von praenomen imperatoris spricht. Aufserdem aber führt
Mommsen a. a. 0. S. 748 f. auch die allgemeinere Angabe Dios, dafs imperator
ihm als Eigenname (caansg zi %vqiov) gegeben worden, auf die Fiktion des
Octavian zurück, der für sein Erbrecht es so in Anspruch genommen, wah-
rend Cäsar einen Titel darin gesehen. Letzteres mufs man allerdings dariu
sehen, wenn man Wert darauf legt, dafs in jenem Koloniegeset« imper.
nach dici. steht; die erbliche Verleihung dagegen würde, wenn sie wirklich
dem ersten Cäsar verliehen worden, imper. zu einem Namen inachen, da
die Römer Vererbung von Würden und Rangstufen nicht kannten.
2) Dio 43, 46 vgl. ob. S. 23 A. 6.
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mierte für die Zukunft nur, was Cäsar bis jetzt schon aus den
froheren Beschlüssen abgeleitet; das zehnjährige Konsulat nahm
er nicht an, dagegen alle übrigen Gewaltübertragungen. ^) Unter
dem J. 44 wird ihm neben verschiedenen Ehrendekreten ver-
liehen das Recht der Verrückung der altherkömmlichen Stadt-
grenze des Pomeriums als Symbol der durch ihn gewonnenen
Mehrung des Reichs nach dem Vorgange des Serv. Tullius und
Sulla, der Titel eines Vaters des Vaterlandes, die Ehre, dafs auf
den vom Senat geprägten Münzen an der Stelle, wo das Bild
der Göttin Roma stehen sollte, d. h. auf der Vorderseite, sein
Bild gesetzt werde, die lebenslängliche Censorbefugnis, der Ge-
nuJj8 der sacrosancten Stellung der Tribunen, endlich die lebens-
ISugliche Diktatur.^ Die Censur nun scheint er auch jetzt unter
1) Appian b. c. 2, 107: %ag äXXag tifuig XotQlg t^g SsHastovg vnaxtCag
xifoöifuvog, — Wenn es in der lex coloniae Oenet, heifst (eph. epigr. 2
S. 113 c. 124): qui tum magistraius — iusm C. Caesaris dict((Uori8)
eo(n)8(ülis) prove eo{n)8{ule) habehü, so seig^ dies, dafs der Entwurf des
Geietzes ans der Zeit der noch nicht lebenslänglichen Diktatur stammt,
für deren Ablauf Cäsar vorläufig die indifferente Perspektive des Konsulats
oder Prokonsulats setzt.
2) Liv. 116: cum plurimi maximtgue honores a senatu deereti esseni^
wit«r quo$, ut parens paU-iae appellaretur et sacroscmctus ac dictator in
Perpetuum esset. Sueton Cäs. 76, wo auch die sonstigen honores kurz zu-
sammengestellt werden. Dio 48, 50: ro nmfii^Qtov inl nXelov ins^rjyayBv,
Vgl. 44, 49 (in der Rede des Antonius): 6 xo nafn^Qi.ov avTrjg {nav^riaag.
Gell. 18, 14, 4 : cum Äventinus extra pomerium sit, neque id Servius TülUus
rex neque Sulla, qui proferendi pomerii tittHum quaesivit, neque postea dinus
'JuUus, cum pomerium proferrety intra effatos urbi fines incluserint Ob Cicero
ad Att 13, 20, 1 (de urbe augenda quid sit promülgatum non intellext)
ebenfalls hierauf oder auf Pläne einer Stadterweiterung gehe, ist fraglich,
dagegen ffir die Thataache der Erweiterung des Pomeriums durch Cäsar von
Gewicht, dals Gellius sich auf Mcssala, Consul 53 v. Chr. und Augur, beruft.
Wenn Seneca de brev. vit 13, 8 sagt: Sidlam ultimum Bomanarum protulisse
jxmerium, so scheint mii- der Beisatz: quod numquam provinddli sed ItcUico
figro adquisito proferre moris apud antiquos fuit. darauf hinzuweisen, dafs
die hier vertretene Ansicht die Erweiterungen des Pomeriums durch Cäsar
und August, weil sie sich auf Zuwachs von Provinzialboden bezogen, nach
dem alten ius pomerii nicht auerkennt. Dem Tacitus aber, der 12, 23 als
Vorgänger des Claudius wohl Sulla und August, aber nicht Cäsar nennt,
üt der letztere eben entgangen. Für Augustns liegt die Frage wieder be-
sonders; weiteres unten bei der äufseren Beichsgeschichte und im System
bei dem ius pomerii. Die interessante Erörterung von Detlefsen im Hermes
21, 407 ff., dafs zum Vorrücken des Pomeriums Verbindung von Erweiterung
tler Grenzen Italiens (fines populi If.) und des Provinzialiands gehört habe,
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dem Titel der praefedura morum angenommen zu haben*), die
Bewilligung aber, welche an die ihm schon zustehende tribuni-
cische Gewalt angeknüpft wurde, kann nach den mit Dio gerade
für diese Zeit zusammentreffenden sonstigen Zeugnissen^ nur
darin gefunden werden, dafs für ihn der Titel dieser Gewalt aufs
neue eine Interpretation erhielt, welche die Unverletzlichkeit und
Heiligkeit seiner Person in einer absoluten Weise ohne diejenige
Beschränkung, welche für die Tribunen galt, aussprach, indem,
wer dieselbe durch Wort oder That antasten würde, verfehmt
wurde; es war dies also nur eine Erhöhung der personlichen
Würde und Geltung, nicht ein Gewaltzuwachs, während die cen-
sorische Gewalt, wie sie ihm zugeteilt wurde, ihm für alle Re-
formen auf diesem Gebiet freie Hand gab, aber zugleich auch
die konstitutionellen Eautelen, welche in der Abtrennung des
Amts von der obersten Magistratur, in der Kollegialität und der
Zeitgrenze gelegen waren, mit einem Male preisgab und den
Senator, Ritter und Bürger in allem, was die Censur mit sich
brachte, ganz von ihm allein abhängig machte. Die lebensläng-
liche Diktatur nahm Cäsar an, nachdem er die mit dem I.Januar 44
als vierte gerechnete bisherige formlich niedergelegt hatte.*)
hat mich nicht überzeugt. — Dio 44, 4: ig rä vofUciucta ivsxccQaittv avvov.
Die YorhaDdenen Münzen Cäsars zeigen, daJb es sich hier handelt nm die-
jenige Prägung, welche nach altem Recht der Senat durch die Müni-
beamten vornehmen liefs, also nm die herkömmliche Silbermünze des
römischen Staats, vgl. Mommsen, röm. Münzw. S. 789 f.; mit der Setzung des
Bilds auf die Eopfiseite der Münze aber ist Cäsar als Staatsoberhaupt erklärt.
— Dio 44, 5: xal avrov filv tiiiritriv lud fkovav xal dia ßlov slvai liprm>icairco.
1) Suet. Cäs. 76 : perpetuam dictaturam praefecturamqite morMtn.
2) Dio 44, 5: ta te toig driftdQx^t'i ^sdofiiva xa^sova^a», o^rog, äv xtg
rj i^ym tj xal X6y<p avrov vßQtaijj tegos t€ i xal iv rm ayfi Mx^tcu.
Appian 2, 106: dveggi^dTi dh — xal ro 6mfta tsQog xal aüvlog shai; auch
in der epit. des Liv. (s. yorherg. Anm.) ist nur das sacrosanctum esse her-
vorgehoben.
3) Fastenfragment für die Jahre 46 und 44 gef. 1872, veröff. von
Henzen in cph. epigr. 2 , 286 : fC. JtUius C. f. C. n. Caesajr IUI, ab-
d{icavü\ Ober den Antritt der lebenslänglichen Diktatur zwischen dem
26. Januar und 16. Februar s. Eckhel doctr. n. p. 16 und Henzen a. a. O.
S. 286. Wenn das Aktenstück bei Joseph, antiq. 14, 10, 7 datiert ist dcx-
raroD^ ro xizuQxov, vnaxog dh x6 nifinxov^ dmxdxcaQ dno9tSeiyfiivog (desig-
natm) dia ßiovy so erhellt daraus, dafs die Annahme der lebenslänglichen
Diktatur in dem betreffenden Gesetz auf einen gewissen Termin fixiert war,
an welchem die vierte Diktatur durch die lebenslängliche, zu welcher er
inzwischen designiert hiefs, abgelöst werden sollte.
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Was sie brachte, war die Sicherstell ung des jetzigen Zustandes
bis zu Cäsars Tode, aber für die Verwendung der Gewalt und
fär deren Inhalt brachte dieser Beschlufs nichts Neues; was sie
nicht enthielt, mufste weiter treiben. Die Führung des lebens-
länglichen Amts war jedenfalls so gedacht, dafs die Reiterobersten
jährlich wechseln sollten.*)
18. Diesen Gewalten also gegenüber standen die Jahres- nie M»gi»traiar
raagistrate und der Senat. Die Magistratur gestaltete Cäsar, als
er den spanischen Feldzug vor sich hatte, zunächst rücksichtslos.
Das Konsulat für 45 übernahm er für sich allein, ohne Kollegen,
aniserdem liefs er nur die plebejischen Magistrate wählen, da-
gegen weder Prätoren, noch kurulische Ädilen und Quästoren, er
vertraute vielmehr die Regierung und Verwaltung in Rom dem
Reiterobersten Lepidus und einer entsprechenden Anzahl Präfekten
an, also Männern, die von ihm ernannt waren.*) Ob solches
Vorgehen dabei auch schon für die Zukunft in Aussicht ge-
nommen war, läfst sich nicht ersehen; doch wiederholte er es
nicht im J. 44, wo Veranlassung dazu da war, und so mag es
sein, dafs jenes Verfahren nur aus der damaligen Lage hervor-
gegangen war; indes war damit doch ein Vorgang geschaffen,
der sich erneuern konnte und die Magistratur herabsetzte. Nach
seiner Rückkehr dankte er ab und liefs für den Rest des Jahres
die gewohnlichen Beamten wählen, mit Erhöhung der Zahl der
Prätoren von 10 (ob. S. 8) auf 14, der Quästoren von 20 auf
40. *) Die hieraus sich ergebende kurze Amtszeit hing zusammen
mit der bestehenden Ordnung des festen Amtsjahrs, und auch in
den nächsten Jahren war es nicht Cäsars Schuld, dafs die Konsulate
▼erkürzt waren und wie Dio bemerkt, vom J. 45 an Konsuln
mit jähriger Amtszeit Ausnahmen wurden,*) aber indem es nun
1) Vgl. die Fasten z. J. 710 varr. (corp. inscr. lat. 1 p. 440): Cn. Domitius
M. f. M, n. CalvinfuB mag. eq,] in inseguentem annfum deaignatusj erat,
•W« iniit. Appian 8, 9: 'Oktccovios — tnnaQxog «vtov KaCcuqoq ysyivrjro
'^0$ Iv ^T0(, i^ ov xrivde xi^v uftr^v o Katcaq ig tovg fpiXovg nfift(piQmv
itriciov i6^ Zt8 inoiBtto ilvai,
t) Dio 43, 28. Sueton Cäs. 76: tertium et quartum consulatus tituJo
'«w« gessit, contentm dictaturae potesiate decretae cum constdatibus simüf,
^que utroque anno binos consules substiiuit sibi in iemos navissimos menses,
^^ vt medio tempore comitia nMa habuerit praeter tribunorum et ardüium
pldm praefedosque pro praetoribus constituerit, qui absente se res urbanas ad-
^inistrarent,
8) Dio 43, 47. Suet. Cäs. 41. 76.
4) 43, 46: ^x tou xifovov infivov ovHtti ot avtol 9ia navtog rotJ hovg
H.r.og, d. rom. 8t.»t.,erf. H. 1. ^.|.,.^^^ byGoOglC
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vorkam, dafs infolge des Todesfalls des einen der nachgewäUten
Konsuln am letzten Tag des Jahrs noch eine zweite Nachwahl
stattfand *) und dem so bestellten Magistrate von wenigen Standen
dieselben Rechte erwuchsen wie den andern Eonsularen^ dafs
er femer zehn Prätoriern die Auszeichnungen von Eonsularen
gab, ohne dafs sie das Konsulat bekleidet,*) so war hiedurch die
wirkliche Führung des bisher höchsten ordentlichen Amts in
ihrer Würde beeinträchtigt und die Magistratur als solche er-
niedrigt, und dasselbe war darin gegeben, dafs er in den Senat
Neuaufgenommene oder auch schon darin Befindliche in höhere
Rangstufen mit allen ihren Rechten einstellte, als ihnen gebühr-
ten. *) Bei der Vermehrung der Zahl in den einzelnen Ämtern
bildete zwar neben der Sorge fBr die Verwaltung wiederum die
nXriv oUymv navv ys vitatevacev. Für das J. 44 wollte zwar Cäsar bei seiner
Abreise abdanken nnd den Dolabeila fflr sich eintreten lassen, aber Anto-
nius war fSr das ganze Jahr in Aussicht genommen, ebenso die im März 44
für 43 gewählten Hirtias und Pansa.
1) Dio 43, 46 u. a St. Es ist die von Cicero ad fam. 7, 30 verspottete
Nachwahl des C. Caninius Rebilus am 31. Dezember 45.
2) Sueton Cäs. 76: eadem licentia spreto pairio more magistraUus in
pluris annos ordinavit, decem praetorüs viris consttlaria ornamenta iribuit.
3) Dio 43, 47: noXlovg xal ig tovg evnaxQldag tovg te vnatsvnotag
nocl [aXXriv Nipperdey] a^X^v tt,vct a^^avtag iyxcctiXB^sv, Dies ist nach dem
spätem Sprachgebrauch von der in vorherg. Anm. erwähnten Erteilung der
ornamenta verschieden, indem es nicht blofs Gewährung von den Ehren-
rechten einer Bangatufe im Senat bezeichnet, sondern Einstellung in die
betreffende Rangstufe mit allen Rechten derselben (vgl. Nipperdey, leg. ann.
S. 78 f.), und beide Arten von aufserordentlicher Förderung sind von Augustus
ab als förmliche' Institute ausgebildet worden, wovon später zu reden ist.
Bei Cäsar kommt dies Verfahren zunächst nur als ein Auskunfts mittel vor,
um möglichst vielen eine Gunst zu gewähren {noXXoCg ya^ drj noXXcc vne-
axrj^ivog ov% il%BV onmg atp&g aXXmg dfis^ipBrai %al dicc tovto tavx inoistr^
Dio a. a. 0.); vereinzelte Fälle, in welchen aus der Republik von Senats-
ehren oder Senatsstellung (Dio 36, 40. Plnt. Cato min. 39) die Rede ist,
die nicht auf wirklichem Anrecht beruhten, konnten Anknüpfung bieten. Wil-
lems, le s^nat 1, 629 will wieder Suetons und Dios Angaben auf denselben
Akt beziehen. Allein Sueton sagt sehr bestimmt: decem praetoriis viris,
während Dio auch noch von andern Stufen spricht. Wahrscheinlich hat
Cäsar damit angefangen, dafs er zehn Prätoren die höhere Rangstufe gab
und dann bei einer späteren lectio auch in niedrigere Stufen solche ein-
treten liefs, die noch nicht dahin gehörten; es mögen also mehr zwei ver-
schiedene Fälle als zwei verschiedene Sachen gewesen sein. — Weil dieses
Verfahren wichtiger war fclr die Magistratur als für den Senat, ist es hier
erwähnt.
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Gelegenheit zu Belohnungeu ein Motiv, aber das erstere war
gewiJjs ein ernstliches und voll berechtigtes Interesse; insbeson-
dere war die Vermehrung der Präturen, deren Zahl für 44
sogar noch bis zu 16 stiege auch durch die vermehrte Zahl
der Provinzen notwendig geworden, die der Quästoren durch den-
selben Umstand sowie durch die Vermehrung des Senats.^) In
ähnlicher Weise stand die im J. 44 hinzukommende Vermehrung
der Ädilen um die zwei plebejischen Stellen der sogenannten
aediles Ceriales in Verbindung mit der Fürsorge, die Cäsar der
Wohlfahrtspolizei in Rom zuwandte und die HinzufQguug eines
vierten Münzbeamten mit der Reform des Münzwesens.*) Aber
mit dem Allem vollzog sich zugleich ein Herabsteigen aller dieser
Amter von politischen zu blofsen Verwaltungsposten, und was
die Verwaltung gewann, verlor die alte Würde der Magistratur.
Am unmittelbarsten machte sich dies geltend in der Provinzial-
verwaltung. Vor Allem wurde hier das Prinzip kurzer Dauer
der Statthalterschaften aus leicht begreiflichem politischem Inter-
esse nicht nur beibehalten, sondern noch strenger geregelt: im
J. 46 ordnete Cäsar durch ein Gesetz an, dafs die prätorischen
Posten ein-, die konsularischen zweijährig sein sollten.*) Aufser-
dem aber wählte er die Personen selbst aus^) und erhielt sie als
seine Legaten seiner Disziplin untergeben, so dafs der magistra-
tische Charakter hier überhaupt aufgegeben war. Aber auch bei
1) Die 48, 61, woselbst auch die Vermehrung der übrigen Amter.
2) Vgl. die IV viri monetcHts statt der bisherigen III viri zuerst auf
Münzen des J. 45 Cohen 1, 12 n. 26. Eckhel doct. num. V. 62. VI. 8. Dies
in Kombination mit Sueton Cäs. 41 : minorum etiam magistratuum numerum
ampliavit; vgl. Mommsen, röm. Münzen S. 870.
8) Die 43, 25, wobei das Motiv von Cäsars eigener langer Statthalter-
schaft in Grallien hergeleitet wird. In republikanischem Sinne preist dieses
Gesetz Cic. Phil. 1, 19.
4) Schon im J. 46 tag i^y^iiovlag %aq iv xm vnri%6(p totg filv vndtoig
dtmol dri^'sv iitXi^Qmcav^ totg dh 9ti ffT^an^yotg rov Kcthaqa axXTj^oDTl 9ovvai
ifrifpiattvto' ig rs yocQ rovg vndtovg xal ig tovg axQatriyovg avd'tg ncega ta
9f9oyitiva otpCsiv inavfiXd'ov (Dio 42, 20). Die letztere Bestimmung besagt,
^ damit die l. Pampeia vom J. 52 (1, 569) angehoben worden sei. Die
Beschränkung des Rechts Cäsars auf die prätorischen Provinzen war un-
wesentlich, da es einmal darauf ankam, wie es Cäsar selbst mit Übernahme
des Konsulats halten wollte, sodann aber die untergeordnete Stellung, in
welche das hfichste republikanische Amt nun gekommen, diese Ausnahme
vollends bei nur zwei Posten unbedenklich machte. 43, 47 heifst ea (zum
J- 46) allgemein: ig t« i^vrj d%X7jQa>tl i^enifKpdTiöav,
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~ 36 -
den städtischen Magistraten wurde das Moment von Unabhängig-
keit, welches in der Bestellung durch das Volk lag, so gut wie
aufgehoben. Im J. 45, sagt Dio, sei dem Cäsar das Recht erteilt
worden, sämtliche Magistrate und selbst die Yolkstribunen zu
ernennen; in welcher Ausdehnung von Vollmacht und Zeit dies
gemeint war, läfst sich aus der kurzen Notiz nicht ersehen, ist
auch gleichgültig, da Cäsar eine so allgemeine Befugnis nicht
annahm, sondern durch ein Gesetz, das der Tribun L. Antonius
Ende des J. 45 einbrachte, mit Beibehaltung des Scheins der
Volkswahl seinerseits das Mafs seines Rechts feststellte.") Das
Volk sollte alle Magistrate wählen und zwar die Konsuln, sowie
die Hälfte der andern Beamten blofs unter Cäsars formlos ge-
übtem Einflufs; die andere Hälfte dagegen wurde gesetzlich
solchen Kandidaten vorbehalten, welche er dem Volke empfohlen,
eine eigentümliche Verkleidung der einfachen Ernennung, welche
er in möglichst populärer Form anwandte,*) wobei auch der
materielle Gewinn der Wähler selbst bei diesen Scheinwahlen
den Kandidaten nicht erspart geblieben sein mag.') Übrigens
wurden in Voraussicht der Abreise Cäsars für den von ihm ge-
planten Partherkrieg für 43 die Designationen aller Beamten, für
42 wenigstens die der Konsuln und Tribunen vorgenommen,*) ein
Verfahren, das zwar, wie bemerkt, gegenüber der Vorsicht, welche
während des letzten spanischen Kriegs geübt worden, eine Kon-
1) Dio 43, 45 (im J. 46): tag aQxag ckvtcö xal rag tov nXi^^vg ivi-
d-saavy was in dieser Allgemeiaheit nicht genaa sein kann. Cic. Philipp. 7, 16:
(L. Antonius) est paironus quinque et triginta tribuum, quarum sua lege^
qtM cum C, Caesare tnagistratus partitus est^ suffiragium sustulitt patronus
centuriarum equitum Bomanorum^ quas item sine suffragio esse voluit Suet
Cäs. 41: Comitia am, popitlo partitus est, ut exceptis consulatus competitori-
bus de cetero numero candidatarum pro parte dimidia quos poptUus veUä
pronimtiarentur^ pro parte altera quos ipse edidisset.
2) Sueton a. a. 0. : et edehat per lihellos circum irtbum missos scriptura
brevi: Caesar dictator iUi tribui, Commendo vobis ülum et üliwi, ut vestro
suffragio suam dignitatem teneant.
3) Dafs ambitus vorkam, zeigen die Ambitusprozesse , and dafs Cäsar
solche anstrengen liefs und selbst darüber richtete (Dio 43, 47. Cic. ad Att.
13, 49, 1), beweist nicht, dafs er dies abgeschafft wissen, sondern nur, dafs
er auf diese Waffe gegen unbequeme Bewerber nicht verzichten wollte.
4) Dio 48, 51. Cic. ad Att. 14, 6, 2: Etiamne consuUs et tribunos pl
(tuemur) in biennium quos ille voluit? Dadurch wird Appian 2, 128 wider-
legt, der von Designationen auf fünf Jahre voraus spricht. — Vgl. über
Cäsars Verfahren Stobbe, die candidati Caesaris in Philol. 27 S. 91—98.
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Zession an die frühere Verfassung war, aber doch, weil es schon
mehr eine definitive Ordnung voraussehen liels, einschneidender
wirkte. Über die bevorstehende absolute Unterordnung der Ma-
gistratur unter einen Herrn des Staats konnte kein Zweifel mehr
bestehen.
19. So war der Rest alter Herrlichkeit, welchen das Senats- Der senat uutcr
regiment der späteren Republik der Magistratur noch gewahrt rung des ratri
hatte, geopfert; allein auch jetzt noch hatte das einzelne Amt
in seinen Befugnissen seinen wenn auch untergeordneten Teil an
einer mächtigen Exekutive, Weit fühlbarer, durch den Kontrast
mit der früheren Stellung auffallender, zugleich aber auch in
dieser Bedeutung von Anfang an ganz und voll beabsichtigt war
die Absetzung des Senats von seiner bisherigen Uegierungshoheit
(1, 546). Durch die Heerfolge, welche ein grofser Teil des Senats
dem Pompejus geleistet hatte, und durch die Verluste, welche
der Krieg mit sich gebracht, war der Senat so zusammen-
geschmolzen, dafs die Behörde, welche Cäsar im J. 47 bei seiner
Rückkehr aus Asien zu sich berufen konnte, nach Zahl und Per-
sönlichkeiten nur den dürftigsten Anblick bieten mochte, zumal
da viele der bedeutenderen Anhänger im Felde standen. Die
Begnadigungen führten eine Anzahl Pompejaner zurück,^) und
anfserdem setzte schon jetzt der Diktator einige seiner Offiziere
in den Senat ein von diktatorischer Vollmacht aus und mit will-
kürlicher Bemessung der Qualität.^ Nach dem Feldzug in Afrika
im Sommer 46 fand, wiederum nicht durch censorische Befugnis,
sondern mit Herrschergewalt, eine neue Vermehrung statt, wobei
abermals weder die herkömmlichen Anforderungen des bürger-
lichen Standes noch selbst die der Nationalität beachtet und die
Vorschrift des ^(jpümum quemque' in einer für Optimatenan-
schauung unfaCslichen V^eifie interpretiert wurde ;^) als dann
1) Vgl. die Rede Cioeros pro Maroello.
2) Dio 42, 51: rovg tnniag xov tslovg tovg rc siiarovtciQxovs xal tovg
v%ofu£ovag (dvriQtrjitazo) aXXovg xb tiai xal rm xal ig to awidgiov xtvag an
avxmv avxl xav anolcal6x(ov Haxali^ai; 43, 27: ixi xs ig xrjv ßovXrjv ai^ig
otnc a^ümg xivag avxTig iyi€ccxeleis. Suet. Cäe. 76: Civitate omatoSy et quos-
dam e semibarbaris GaUorum^ rccepit in curiam,
8) Dio 48, 20: xovg ig x6 awidqiov atpiov vn avzov %axaXft%^BVxag
irti^acav. Vgl. über diesen Spott Sueton Cäs. 80. Macrob. SaturD.2, 3, 11.
Oic. ad fam. 6, 18, 1: negue enim er<U fersndum^ cum, qui hodie haruspici'
»MM» facerent, in sefiaiutn Boniae Ugerentur, eos, qui aUguando pracconium
ftciuent^ in niunicipiis äecuriones esse non Heere,
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- 38 —
vollends im J. 45 nach der Niederwerfung der Pompejussöhne in
Spanien eine Neubildung des Senats durch den Diktator mit Er-
höhung der Zahl bis auf 900 stattfand und bis zum Soldaten
und Freigelasseneu berabgegaugen wurde/) da war es klar, dafs
dieser Senat nicht mehr ein Teilhaber an der Regierung, sondern
nur eine Abfindung mit der Vergangenheit war^ und dafs die
Beugung der Exekutive unter die Senatsherrschaft, welche das
Werk der Republik gewesen, jetzt in das vollständigste Gegenteil
verkehrt werden sollte.*) .
In Verbindung mit der Neubildung des Senats wird bei den
Schriftstellern erwähnt, dafs Cäsar im J. 45 den Patriziat ver-
mehrt habe.^) Nach einer Zwischenzeit von beinahe einem halben
Jahrtausend sollte also wieder an die Tradition der Konigszeit
angeknüpft werden nicht blofs damit, dafs überhaupt die Zahl
der Patriziergeschlechter gemehrt wurde, sondern auch damit^ dafs
das Staatsoberhaupt die Aufnahme vorzunehmen hatte. Ob da-
neben eine der cooptatio entsprechende formelle Mitwirkung der
noch vorhandenen Patrizier (1, 116 f) für erforderlich erachtet
wurde, wird nicht berichtet, auch nicht ob dabei die Ver-
einigung des Oberpontifikats mit dem Imperium in der
Person Cäsars in Betracht kam; wir wissen nur, dafs es eine
lex Cassia war, welche dem Diktator das Recht zusprach^); aber
auch die volle Bedeutung dieses Wegs der Gesetzgebung ist nicht
zu erhärten, weil wir nicht wissen, ob der Abschlufs des Patri-
1) Dio 48, 47: nafmXrj^eig inl tr^v ysQovaüxv nr^d^v SianQ^vcov fitjr
af Ti« atQatimvris firi% ef r«? anslBv^eqav natq ^v igiyQUfpsv, äats nal iwtc-
noaCovq x6 nsfpdXatrOV avroiv ysvia^ai.
2) Wie jetzt SenatsbeschlÜBse gemacht wurden, darüber vgl. Cic. ad
fam. 9, 16, 3 f. : tunc — aedebamtis inptippi et clavum tene^amus: mmc autem vix
est in sefiüna loctts. An minus müUa senatus consuUa futura putas^ si ego
sim Neapoli? Bomae cum swm et urgeo forum, senatus consulta scribuntur
apud amatorem tuum^ familiärem metim. Et quidem cum in mentem venit^
ponor ad scribendum et ante audio, s. c. in Ärmeniam et Syriam esse perla-
tum, quod in meam setUentiam factum esse dicatur, quam omtUno mentümem
ullam de ea re esse factam etc,
8) Dio 48, 47 (ob. S. 84 A. 8). Suei Gä«. 41: Senatum supplevii,
patricios adlegit
4) Tacit. annal. 11, 25: Isdem diebus in numerum pairiciarum ascivit
Caesar vetustissimum quemgue e senatu cnU quibus dari parentes fuerant,
poMcis iam reliquis famtliarum quas Romulus wuUorum aut L. Brutus mino-
rum gentium appellavercmt (1, 86 A. 8), exhaustis etiam, quas dictator Caesar
lege Cassia et princeps Äugustus lege Saenia sublegere,
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— 39 —
ziats zu Anfang der Republik auf förmlichem Verbot oder auf
nur thatsächlichem wenn auch verabredetem Grunde und daran
sich schlieijsender Tradition beruhte. Der Zweck der Mafsregel
konnte in dem Bedürfois gefunden werden, mehr Kandidaten für
die patrizischen Priestertümer oder für den Patrizierausschufs im
Senat zu bekommen; indes waren dies in jenem Augenblick zu
untergeordnete Zwecke, als dafs Cäsar daran denken mochte, und
wenn er damit seine Anhänger belohnen wollte/) so sollte doch
wohl eine gröfsere Bedeutung der Sache innewohnen,*) Möglich,
dafs gerade hierin der Kern dieser Wiederaufiiahme der Patrizier-
emennung lag, nämlich über dem gewohnlichen Senatorenstand
einen dem Herrscher, der auch Patrizier war, am nächsten stehen-
den Rang zu schaffen, der nur von ihm abhängig wäre. Es
war dies nicht dasselbe, wie wenn unter den Königen Plebejer
oder Fremde in das römische Vollbürgerrecht aufgenommen wurden,
aber es war doch analog, sofern die Betreffenden mit ihren Fa-
milien zu derjenigen Stufe erhoben wurden, die immer noch die
höchste im Bürgerrecht war. Das republikanische Patriziat aller-
dings, das nur auf Geburt beruhte, wurde jetzt dadurch herab-
gedrückt, dafs durch die Gunst des Diktators Gleichberechtigte
ihm an die Seite kommen sollten. Wiederum aber diente es zur
Herabdrückung des Senats, wenn die Senator würde nun nicht
mehr die höchste unter den auf politischem Wege zu gewinnen-
den Würden war, sondern noch ein besonderer Adel gewonnen
werden konnte. Zu den Akten aber, welche zur lectio senatus
gehörten, konnte man die Schaffung von Patriziern insofern
rechnen, als sie wohl sich äufserlich daran anschlofs und der
Besitz der Senatorenwfirde die Voraussetzung bildete.^)
20. Indessen selbst dieser Senat war nicht völlig servil. Stimmung des
». ^ Senats. Die re-
Neben all den Beschlüssen, welche die Übertreibung der Ehren pubiikanische
Gruppe. Cicero.
bis zur Vergötterung bezeichnen, geht durch Alles eine Zurück- l. cassiua.
haltung hinsichtlich der letzten von Cäsar erwarteten Konzession.
Ob der Vorschlag der lebenslänglichen Diktatur im Scholse des
Senats gemacht oder von Cäsar hineingetragen wurde, niemand
konnte sich darüber täuschen, deSs dies nicht der Schlufsstein
1) So motiviert es Dio.
2) Die geringe BedeutuDg, welche die Vermehrung des Patriziats weiter-
hin in der Eaiserzeit hatte, ist nicht mafsgcbend für die Intentidüen Cäsars.
3) Man kann auch io Betracht ziehen, dals Claudius die Aufnahme ins
Patriziat als Censor vornahm (Tacitus a. a. 0.).
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— 40 —
war, mit welchem Cäsar das Gebäude kroDen wollte, dafs er
aber wünschte, es möchte ihm das, was er wollte, entgegen-
gebracht werden. Aber es fand sich in diesem Senat niemand,
der offen das letzte Wort aussprechen und die Majorität dafür
aufrufen wollte, trotzdem die Majorität unzweifelhaft im Allge-
meinen an Cäsar gebunden war. Es war die Scheu vor dem
Rest des früheren Senats, in welchem zugleich die politische und
geschäftliche Intelligenz vertreten war, und es war der Name
der ehrwürdigen Körperschaft, was es nicht zur Selbstvemichtung
kommen liefs. In dieser Gruppe von republikanischen Senatoren
war Cicero wohl der angesehenste, er ist derjenige, von dem wir
am meisten hören, aber er hatte keinen Einflufs auf den Gang
der Dinge.*) Er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, ob er
reden oder schweigen solle, und wenn er in seinen Briefen von
Politik spricht, so geschieht es in dem einförmigen Tone einer
passiven Wehmut. Eine Führung gab es aber in dieser Gruppe
überhaupt nicht, und es war bei der Haltung, die sie einnahm,
keine Möglichkeit für eine solche; denn das einzige, was wir von
aktivem Auftreten wissen, besteht in dem Eintreten für Begnadi-
gungen; alles übrige war Arger, den zum Halbgott erhoben zu
sehen, der ihnen gleichgestanden,*) imd demonstrative Zurück-
haltung. Aber diese steigerte sich in ihrer Bedeutung, je ent-
schiedener der Diktator ein Vorgehen zu gunsten seiner Wünsche
begehrte, und nun allerdings gelangte sie auch zu wirklicher
Negation. Die wiederholte und lange Abwesenheit Cäsars von
Rom trieb die feindseligen Gedanken der thatenlos zurückbleiben-
den Mifsvergnügten hervor, man mufste zumal während des
spanischen Feldzuges vom J. 45 mit dem Gedanken vertraut
werden, dafs der Diktator verschwinden könnte, und wenn er nun
auch siegreich zurückkehrte, so war er doch mehr als einmal
dem Zufall des Augenblicks preisgegeben gewesen. Und solche
Augenblicke konnte man schaffen. — Der Mann, in dem alle Stufen
dieses Gedankengangs bis zur offenen That vor uns liegen, ist
C. Cassius Longinus, der tüchtige junge Führer des römischen
1) Vgl. zu dem Nachfolgenden dio ciceronischen Verteidigungsreden
aas dieser Zeit, seine Briefe uud was Platarch im Leben des Cäsar, Brutus
und Antonius über Cassius sagt.
2) Nicht ohne Absicht erinnert Cicero den C&sar an die frfihere Gleich-
btellung pro Lig. 30: Causas, Caesar^ egi muttas quidefn tecum, dum te in
foro tenuit ratio Jumorum tuorum.
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— 41 -
Heeres nach der Katastrophe des Crassus, Pompejaner im J. 49,
von Cäsar sofort^ a]s er sich ergab, begnadigt. Stolz auf seine
ersten Verdienste, konnte er es schwer verwinden, dafs er sieh
in einem Augenblicke dem Sieger unterworfen hatte, in dem es
eher zu erwarten gewesen, dafs der Sieger ihm in die Hände
fiele, und Cäsar entrifs ihn solchen Gefühlen nicht durch rasche
Beförderung. So befestigte sich in dem ehrgeizigen Manne die
feindselige Gesiunung, und wenn er auch zugab, dafs, wenn die
Wahl zwischen einem Pompejussohn und Cäsar stehe, der letztere
vorzuziehen sei, so mufste der Gedanke kommen, dafs denn doch
noch ein Drittes moglict) wäre. Nach längerem Fernbleiben von
Rom kehrte er, als Cäsar von Spanien zurück war, ebenfalls
dorthin zurück, wurde zum Peregrinenprätor designiert und ihm
für später die Provinz Syrien, der Schauplatz seiner früheren
Verdienste, bestinimt, aber Brutus allerdings als städtischer Präior
vorgezogen, und während Brutus dem Diktator näher stand,
hatte dieser einen instinktiven Widerwillen gegen Cassius. Es
kamen die mafslosen Anträge zu Cäsars Ehren, Cassius stimmte
ihnen nicht zu *), und damit war eine Stellung gegeben, an die
sich anschliefsen und zu der herangezogen werden konnte, wer
aus politischen und personlichen Gründen feindUch gesinnt war,
und in demselben Verhältnis, in welchem Cäsar seinem Ziele unge-
duldiger zudrängte, kam die blofse Negation dazu, zur Aktion
überzugehen.
21. Die Opposition ermangelte auch nicht ganz eines legalen Das voika
Organs. Das Volkstribunat war wie die Magistratur unter dem
Einfluls Cäsars besetzt, und neben d. h. über ihr stand die mit
der Diktatur vereinigte tribunicische Gewalt. Und dennoch
fanden sich Tribunen, welche sich nicht beugen wollten*), son-
dern, als die Proklamierung der bleibenden Alleinherrschaft vor-
bereitet wurde, ihre Gewalt geltend machten, um die Republik
zu schützen. Sie konnten nun freilich nicht vor Senat und Volk mit
Anträgen oder Intercessionen auftreten, denn sie waren vereinzelt;
aber das jedem Tribun zustehende Einschreiten gegen Bürger,
welche die Gemeinde schädigten oder die Verfassung verletzten,
1) Dio 44, 8: «Xijir y«^ tov Kacaiov nat xhißmv «Uow, o2 mqi^orixoi,
liä tovta iyhovTO, ov fkivroi xal inct^ov Ti, ii ovnBQ xal tcc itdXicxa rj
iMsineta «vtcw dufparq, xoCg ys aXXois ofi^viiaSov lyvoacdTj.
2) Vgl. Sneton Cfts. 78 die Geschichte von dem Tribunen Pontina Aquila,
der rieh vor Cäsar nicht erhob. ^ .
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~ 42 -
konnte, selbst wenn Intercession folgte, Wirkung thun, ebenso das
Auftreten in Kontionen und durch Edikt, und beides wurde gegen
diejenigen, welche dem römischen Volk durch Zurufe und an-
deutende Handlungen einen König geben wollten, von zwei
Tribunen C. Epidius Marullus und L. Cäsetius Flavus, sonst ganz
unbekannten Männern, angewandt. Bei der Wiederholung dieses
tribunicischen Verfahrens schritt der Diktator ein, nicht mit der
Intercession seiner tribunicischen Gewalt, sondern mit einem
illegalen Verfahren, indem er aus dem Schofse des Tribunen-
kollegiums heraus eine Anklage im Senat gegen sie erheben liefs,
infolge deren sie ihres Amtes entsetzif und aus dem Senat ge-
stofsen wurden. Niemand nahm sich direkt der so Bestraften
an^); aber der Vorgang trug dazu bei, dalis die Demonstrationen
für das Königtum keinen Wiederhall fanden*); die Menge stand
hier auf derselben Seite wie jene Tribunen,
stand der Dinge 22. Dics War dcr Stand der Dinge zu Anfang des Monate
Gr^dd"e7Kftta-März im Jahre 44, zu derselben Zeit, da Cäsar mit dem Plane
stror c. gjneg Partherkriegs vor einer Unternehmung stand, die ihn wieder
auf unbestimmte Zeit, jedenfalls langer als bei den letzten Feld-
ztigen, Yon Bom fernhalten sollte. Die Lage schien geklärt zu
sein durch die eben erfolgte Ernennung zum lebenslänglichen
Diktator, aber die fortgehende Agitation für das Köm'gtum, die
Unbestimmtheit der Entwürfe, welche mit dem Partherkrieg ver-
bunden sein mochten, das in römischem Interesse gefürchtete
Verhältnis zu Kleopatra, dies Alles waren Umstände, welche
unter der Menge Unruhe hervorriefen, Cäsar zu einem Entschlüsse
drängten, aber auch den Gegnern die Veranlassung boten, ihm
oder denen, welche in seinem Namen eine Lösung herbeiführen
wollten, zuvorzukommen. Für Cäsar aber lagen die Dinge
folgendermafsen :
Nachdem er zum Diktator auf Lebenszeit ernannt war, gab
es zwar kaum noch Herrscherbefugnisse, die ihm nicht entweder
1) Dio 44, 10: (Nachdem Cäsar im Senat sie zur Verantwortung ge-
zogen und eine Verurteilnng erreicht) ov% aninteivs (ihv cevrovg Maizov im^^
xovtov TLvüv xiitTiadvtoav atplai^ nqoanaXkd^ai d\ i% r^g drjiia^xücg 9i
'EXoviov Klwov avvdffxovTog avtmv anriXsiipev i% zov isvvb9qIov. Saeton
Gas. 79. grämte increpitos potestate privavü. Andere fttgen noch weitere
Strenge hinzu. — Die Reaktion dagegen bestand in Abgabe von Stimmen
für die Gestraften bei den folgenden Eomitien. Dio 44, 11. Sueton C^. 80.
2) Dio 44, 11. Appian 2, 109 u. A.
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— 43 -
ausdrücklich zugestanden oder aus der allgemeinen Stellung ab-
zuleiten gewesen wären, aber diese Gewalt hatte, wie schon der
Name gab, den Charakter des Aufserordentlichen, neben welchem
die Republik fortwährend als die ordentliche zu Recht bestehende
Verfassung galt. Für den Fall des Todes von Cäsar trat sie
entweder unmittelbar wieder ein oder es mufste neue Bestimmung
getroffen werden. Damit war nicht blofs alles bis jetzt Erreichte,
waren die grofsen Anfänge einer Neuordnung der ganzen romischen
Welt in Frage gestellt, sondern es wirkte die Unsicherheit der
Zukunft auch auf die Gegenwart zurück. Cäsar hatte freilich
im Sept. 45 ein Testament gemacht, es war dies aber ein rein
privater Akt gewesen, der infolge der veränderten Verhältnisse
an die Stelle früherer Bestimmungen trat, und ebenso leicht
wieder durch andere ersetzt werden konnte; die später bekannt
gewordenen Bestimmungen zeigen auch, dafs damit nur diejenigen
Personen bezeichnet waren, welche ihm damals am nächsten
standen^), und auch die darin enthaltene Adoption war nicht
blofs nicht bei Lebzeiten offen ausgesprochen, sondern auch da-
durch in ihrer Bedeutung geschwächt, dafs Cäsar daneben die
Eventualität eines natürlichen Leibeserben für sich ins Auge
fafste.*) Eine Bestimmung für die Zukunft, welche für Cäsars
Werk befestigend wirken und einer Herrschernatur, wie die seinige
war, genügen sollte,*" mufste öffentlich rechtlichen Charakter
haben, an Stelle der Diktatur eine definitive Ordnung als ordent-
liche legitime Regierungsform setzen und die Nachfolge gesetz-
lieh feststellen. Es soll freilich dem Cäsar der Imperatortitel
erblich erteilt worden sein, allein damit war jenen Anforderungen
nicht entsprochen; es war dies zwar ein öffentlicher Akt, aber
es wsr keine Regierungsform damit gegeben, und gerade mit
der Erblichkeit nicht einmal ein Titel, sondern nur ein Name.
Die Zeitgenossen nun glaubten, dafs der, welcher sein Bild den
Statuen der sieben Könige zufügen liefs, ebenfalls König werden
und heifsen wolle, von diesem Glauben aus gingen diejenigen
seiner Anhänger, welche seine Winke verstehen wollten, mit
Proben auf die öffentliche Stimmung vor, und diesen Glauben
benützten, als man sah, dafs der Königstitel nicht populär sei.
1) Suet. Gas. 88.
2) a. a. 0.! plerosque percussorum in ttäaribus fUi, si gut sibi na9-
cerdur, nominavU.
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^ 44 —
die Gegner, um eine Handhabe zum Kampf gegen Cäsar zu
haben. Indes so bedeutsam demnach der Eönigstitel jedenfalls
war, das entscheidende Moment lag in ihm nicht, und auf
ihn allein wird Cäsar nicht seine zukünftige Stellung gesetzt
haben. Unter welchem Namen es sein mochte, nur darüber
können wir nicht im Zweifel sein, dafs er die Sache wollte,
d. h. die Alleinherrschaft als ordentliche bleibende Regierungs-
form, also Vernichtung der Senatsregierung und dauernde Ver-
einigung der in der Republik geteilten und zeitlich verkürzten
Exekutive in einer Hand.
Die so gefafste Gewalt erblich zu machen, war durch die
Logik der Sache gegeben, aber die nähere Bestimmung darüber
mufste ihm vorbehalten bleiben. Bei dem völlig Neuen, das in
einer solchen Monarchie lag, wäre es wohl erfolgreicher gewesen,
wenn Cäsar mit eigener Initiative und oflFen verlaugt hätte, was
er wollte, gesetzliche Feststellung oder Usurpation motivierend
mit dem Interesse der Zusammenfassung des Reichs unter einer
festen Regierung. Aber solch entscheidendes Wort kam nicht:
sei es, dafs er nicht davon ablassen wollte, für die künftige
Herrschaft die populäre Grundlage des Anerbietens von Volk
und Senat zu erhalten, oder weil er einen gewissen Moment
zu überraschender Erklärung sich ausgedacht hatte, er ver-
schob, bis es zu spät war. In derselben Zeit, in welcher
die Gefahr eine bestimmte Gestalt gewann, wuchs bei ihm
in wahrhaft tragischer Weise das Vertrauen in sein Werk
oder bemächtigte sich seiner eine vollkommene Sorglosigkeit
um seine Person, ein Gefühl der Erhebung über alle Schwierig-
keiten, dem jede Vorsicht als Schwäche galt. Als ob bereits
ein Zustand allgemeiner Versöhnung eingetreten wäre' wies
er jede Warnung, jede angebotene Schutzmafsregel zurück
und verlor das scharfe Urteil über die Personen, die ihn um-
gaben. Demselben Vertrauen in die Lage entsprang der Plan,
Rom wieder zu verlassen und, was die Republik zu thun nicht
imstande gewesen war, zu vollführen, die letzte grofse Nieder-
lage, die dem Reich zugefügt worden, zu rächen, der Bedrohung
der Ostgrenze ein Ende zu machen und so auf die Bürgerkriege
hin eine neue That auswärtiger Kriegserfolge an seinen Namen
zu knüpfen, gleichwertig der Eroberung Galliens. Seine Gegner
wollten den Alleinherrscher auch um solchen Preis nicht, und
wenn sie ihn nicht wollten, so durften sie nicht zugeben ; dafs
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- 45 -
die Person Gasars ihnen entgehe und sein Name neuen Glanz
gewinne. Dafs aber die Aufrichtung der offenen Monarchie auch
selbst bei der Bevölkerung der Hauptstadt keinen Anklang fand,
erklärt sich nicht allein aus der Abneigung gegen den Namen
Königtum^ sondern aus Gründen allgemeinster Art. Es wieder-
holte sich die Erscheinung vom J. 49, als der Senat sich für
die Republik oder für Cäsar entscheiden mufste (1, 549). Es
war undenkbar, dafs das romische Volk nach all dem, was die
Republik als im Namen von Senat und Volk vollbracht aufwies,
leichten Herzens die bisherige Verfassung selbst einem Cäsar
opfern sollte, und wenn auch die Stimmung des Volks zu über-
winden gewesen wäre, so war es nicht ebenso mit der Opposition
derer, die aus ihrer Stellung einen Rechtsanspruch auf die Mit-
regierung und die Pflicht der Verteidigung der Verfassung ab-
leiteten. Es ist wahr, dafs, wenn man alle gegen Cäsars Leben
Verschworenen nach ihren Motiven prüft, kaum einer ganz im
Dienste dessen stand, was man Freiheit nannte^), und doch ist
Cäsar am 15. März des Jahres 44 in der Senatssitzung, in
welcher er die höchste Stufe der Macht erwartet haben soll,
nicht blofs einer Summe von Einzelinteressen zum Opfer ge-
fallen, sondern dem Kampf derselben Gegensätze, die unter der
nachfolgenden Imperatorenherrschaft noch über ein Jahrhundert
lang selbst unter der vorsichtigsten Führung der Alleinherrschaft
in der römischen Aristokratie sich fortzogen.
§ 73. Von Cäsars Tod bis zur Anfriohtimg des Triumvirats.^)
1. Die Periode vom 15. März des Jahres 44 bis zum Tode übersieht,
des M. Antonius im August 30, welche den Übergang von der
Alleinherrschaft des Julius Cäsar zu der seines Adoptivsohnes
[^ 1) Vgl. die Zusammenstellnng der Verschworenen bei Druraann,
5, 697—721.
2) Unter den Qaellen für diesen Abschnitt tritt Appian durch das
Detail, das er giebt, sehr in den Vordergrund; doch müssen er und Dio
mit ihrer Erzählung nicht blofs chronologisch kontrolliert werden, sondern
es ist bei Appian noch ersichtlich, dafs der Quellenschriftsteller, dem er
folgt, eine dem Cicero feindliche Tendenz hat; derselbe kann insbesondere
nnmittelbar nach dem Tode Cäsars nicht in Rom gewesen sein, da er gerade
für diese Zeit mehrfach ungenau ist, sogar in der Datierung der so wichtigen
ersten Senatssitzung. Dies würde auf Asinius Pollio passen, der damals
bereits in Spanien war. Die Eontrolle für die Folge der Ereignisse bildet
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bildet, zerfallt durch die Aufrichtung des Triumvirats von Antonios,
Lepidus und Octavianus am 27. November des J. 43 in zwei sehr
ungleiche Teile. Der erste Teil ist dadurch bezeichnet, dafs in
ihm die legitime Verfassung wieder die der Republik ist, also
Senat und Konsuln die Regierung in der alten Weise ftthrcD,
im zweiten ist die Regierungsform schon im Titel als die eines
Ausnahmezustands bezeichnet, aus der eine neue Verfassung
hervorgehen sollte; zu dieser führen dann aber nicht konstitutionelle
Akte, sondern der Bürgerkrieg, wie auch schon das Triumvirat
selbst aus einem solchen hervorgegangen war. Unter den wechel-
voUen Ereignissen, in welchen Übergangszustande verlaufen, hat
eine Verfassungsgeschichte vor Allem den Gang der Regierung
im Auge zu behalten, zu sehen, auf welchen Wegen die öffent-
liche Gewalt von den einen zu den andern überging und in
welcher Weise sie ausgeübt wurde, und dies soll zunächst fQr
jenen ersten Teil dargelegt werden.
Dio Übergangs- 2. Die Vcrsch worcucn , welche am 15. März d. J. 44 den
tage.
Diktator Cäsar ermordeten, hatten keine Vorkehrungen für die
Übernahme der Regierung getroffen; es war wie wenn sie an-
genommen hätten, dafs nach Entfernung des Inhabers der aufser-
ordentlichen Gewalt die ordentlichen Organe des republikanischen
Regiments, die ja in der That auch unter der Diktatur vorband^
überall Cicero in den Philippiken und Briefen, zumal in den letzteren.
Die Philippiken enthalten öfter summarische Rekapitulationen dessen, was
Antonius gethan, so gleich die erste am Anfang; man darf aber aus der
Ordnung, in welcher Cicero das Geschehene aufzählt und aus dem, was er
nicht nennt, nicht zu viel schliefsen wollen. Gegenüber diesen Hauptquellen
kommen die summarischen Historiker wenig in Betracht. Auch Plntarch
bietet in den Biographieen des Cicero, Brutus und Antonius gerade für die
politische Geschichte wenig Ausbeute. Kritik von Appian, die übrigens
nicht überall zutreffend ist, bei C. Peter in Philol. 8 (1853), 426— 43S.
Die Briefe Ciceros an Brutus sind zuweilen zur Vergleichung citiert, doch
nicht als Quellen benützt; sie bieten erhebliche Anstöfse, namentlich bei
chronologischen Einzelheiten, sind übrigens für den hier in Frage kommen-
den Gang der politischen Geschichte überhaupt nicht von gröfserem Werte.
— Von Quellenuntersuchungen för diese Zeit vgl. u. A. G. Thouret, de
Cicerone, Äsinio PoUione, C. Oppio rer. Caes. scriptonbus in Leipzig. Stud,
1, 303 ff. 0. Schmidt, die letzten Eilmpfe der röm. Rep. in Fleckeisens
Jahrb. f. Phil. 13. Suppl. S. 655 ff. Schmidt will besonders auf Nicolans
Damascenus als zuverlässige Quelle für diese Zeit aufmerksam machen;
doch läfst sich aus diesem höchstens Korrektur Appians, nicht aber ein
neuer Gesichtspunkt gewinnen.
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waren, ohne weiteres in dem von ihnen gewünschten Sinne
funktionieren würden, obgleich der oberste ordentliche Magistrat,
dessen Schonung Brutus gegenüber von Gassius durchgesetzt,
der entschiedenste Cäsarianer war. Die Folge dieses Mangels
an Vorsicht war, dafs im Momente des ersten Schreckens eine
ßegiening überhaupt fehlte. Die Verschworenen, unsicher über
die Aufiiahme, welche ihre That bei Senat und Volk gefunden
und ohne andern Schutz als die Gladiatoren des D. Brutus,
welche dieser schon für das Attentat bereit gestellt hatte, die
casarianisch gesinnten Magistrate unsicher, wie weit das Attentat
gehen, was es ihnen bringen würde, so war jeder Teil nur auf
seine eigene Sicherheit bedacht, die Mörder durch Flucht auf
das Eapitol, Antonius durch Schutzmafsregeln in seiner Wohnung,
und da die Begierungsfunktionen den Magistraten zustanden,
welche auf beiden Seiten verteilt waren, so stand inmitten der
beiderseitigen Scheu die Exekutive still, der Senat aber war
durch das Attentat gesprengt. Der erste, der handelnd auftrat,
war der bisherige Reiteroberst M. Lepidus, dessen Stellung als
Stellvertreters von Cäsar zwar mit des letzteren Tode erlosch, der aber
eben für die ihm dieses Jahr zugewiesene Statthalterschaft des
narbonensischen Galliens und diesseitigen Spaniens bei Rom ein
Heer bildete. Er führte in der Nacht vom 15. zum 16. seine
Truppen von der Tiberinsel, auf der sie standen, in die Stadt,
verhinderte damit, dafs sich die Verschworenen zu Hen-en der
Lage machen konnten und gab denen, welche sich als von ihnen
bedroht dachten, einen festen Halt. Indem nunmehr der Konsul
M. Antonius wieder hervortrat, sich mit Lepidus verständigte
und gestützt auf die ihm dadurch gegebene Sicherheit die Regierung
übernahm, war eine Exekutive legitimen Charakters vorhanden.
Eben damit fiel der Gedanke, Brutus und Gassius als Prätoren
die Leitung des Staats übernehmen zu lassen^), andrerseits aber war
Antom'us, weil nicht er, sondern Lepidus für den Augenblick
derjenige war, dem die Truppen gehorchten, auf Rücksichten an-
gewiesen wie gegen Lepidus, so auch gegen die Cäsarmörder,
1) Cicero, der zu den Verschworenen anf das Eapitol gegangen war,
^11 dies vorgeschlagen haben, ad Att. 14, 10, 1: mefninistitie me damare
*öo ipso primo CapitoUno die sencOum in Capitolium a praetoribus vocari?
Es wäre mit dieser Nichtbeachtung des Konsuls der Kampf eröflhet ge-
wesen. Die Aufforderung, mit Antonius zu verhandeln, lehnte Cicero ab
Plulipp. 2, 89. _^
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- 48 —
auf letztere auch, weil die Stimmung des Volks fortwährend
unsicher war. Der folgende Tag vervollständigte, wenn auch auf
ungesetzlichem Wege, das Konsulat, indem P. Cornelius Dolabella,
den Cäsar die Absicht gehabt hatte sich nachwählen zu lassen,
wenn er zum Partherkriege auszöge, nunmehr an des gefstorbenen
Cäsars Stelle sich selbst das Konsulat nahm und trotz des
Mangels der Volkswahl und der gesetzlichen Vorbedingungen *)
des Alters und der Vorämter von beiden Parteien zugelassen
wurde, von den Cäsarmördern, weil er ihnen die Hand bot, von
Antonius, weil Widerstand Verwirrung bringen konnte und wohl
auch, weil er seinen Mann kannte. Sobald das Konsulat auf
dem Platze war, konnte auch der Senat in Thätigkeit gesetzt
werden, d. h. man konnte ihn nicht nur berufen — dazu wären auch
Volkstribunen beföhigt gewesen — , sondern seinen Beschlüssen
stand auch ein ausführendes Organ zur Verfügung. In derselben
Nacht aber, in welcher Lepidus die Truppen einführte, hatte
Antonius sich des im Tempel der Ops befindlichen Staatsschatzes
bemächtigt, mit Hilfe von Calpurnia, Cäsars Frau, dessen Hinter-
lassenschaft an sich genommen und damit wichtige Mittel für zu-
künftige Aktion in seine Hand gebracht. Den Versuchen der Ver-
schworenen, das Volk zu gewinnen, trat er mit seinem Kontionsrecht
gegenüber, ihren Antrag, mit ihm zu verhandeln, verwies er an den
Senat, der auf den 17. März in den Tempel der Tellus berufen
wurde. ^) Damit war die Auktorität dieser Behörde, wie sie ihr
nach der früheren Verfassung zukam, aufgerichtet; es kam nun
darauf an, welche Haltung, der Senat zeigen wollte.
Dio senaU' 3. Der Senat bestand zur Zeit der Ermordung Cäsars aus
^n^MäM." Mitgliedern, die im Konflikt mit Pompejus in Rom geblieben
waren und somit sich dem Cäsar wenigstens nicht entzogen
hatten, aus solchen, die Cäsar zu Senatoren gemacht, und aus
begnadigten Pompejanern. Dafs der letzteren Stimmung den
Mördern günstig war, iliefs sich erwarten, aber nach all dem
1) Der Rechtsgnind der Annahme des Konsulats bestand anfser in
einer Vorherbestim mung durch Ctlaar einfach darin, dafs er ti^v vxcctov
iad'qra ri(i,q>iiaaTo %al ra ötjfisicc xrjg ccqxrjg nsQiBOTi^aaTO, Appian 2, 122.
Er war erst 25 Jahre alt (2, 129) und nicht Prätor gewesen (Dio 42, 33).
Weshalb er bei seiner ganzen Vergangenheit von Cäsar so ungemein bevor-
zugt worden war, ist nicht ersichtlich.
2) Philipp. 2, 89 : post diem tertium veni in aedem Tellwris. Irrtumlich
giebt App. 2, 126 den 16. März an.
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Beden und Spotten über Cäsars willkührliche Senatsergänzung
mulste man sich darauf gefafst machen, dafs die Mehrzahl der
900 Mitglieder mindestens den Mördern nicht günstig gesinnt
war, zTimal da bald auch Antonius einen Senatorenschub Yor-
gaiommen hatte. ^) Wenn nun trotzdem in der nächsten Zeit der
Senat als solcher, d. h. die Mehrheit desselben als republikanisch
gesinnt bezeichnet, wenn in dieser Richtung auf ihn gerechnet
wird, so bedarf dies der Erklärung. Sie ist indes nicht schwer
zu finden. Es kommt einmal in Betracht, dafs die regierungs-
fähigen und Auktorität übenden Mitglieder, die Eonsulare, Yon
der Bepublik übernommen waren und jetzt nach dem nur fünf-
jährigen Interyall sofort für den Senat die alte Stellung rekla-
mierten. Sodann waren auch die Mitglieder von Cäsars Gnaden
wohl dem Diktator verbunden, nicht aber dem Antonius oder
irgend einem andern aus Cäsars Partei; Cäsars Sache war aber
bis zu seinem Tode so sehr an seine Persönlichkeit gebunden
gewesen, dafs nach seinem Verschwinden nur ein Mann gleicher
Art die Getreuen um sich sammeln konnte, und ein solcher
konnte nicht entfernt Yorhanden sein, eben weil Cäsar voran-
gegangen. Auch diese Gruppe also konnte leicht dazu gebracht
werden, die Bolle der regierenden Behörde für den Senat auf-
zunehmen und selbst die Pflicht, den Mord zu rächen, hintanzu-
setzen, und schliefslich mag unter der unkontrollierten Menge
der von Cäsar Aufgenommenen die Zahl derer nicht klein ge-
wesen sein, die bei der zweifelhaften Stimmung des Volks ent-
weder auf die Ausübung ihres Rechts verzichteten oder nicht
wagten, sich zum Andenken des Diktators zu bekennen oder die
flieh von den Namen, die an der Spitze der Behörde standen,
imponieren liefsen.
Dem Senat lag am 17. März ob, die Lage zu definieren^),
vor allem zu bestimmen, wie die That der Verschworenen anzu-
sehen sei, ob als berechtigter Tyrannenmord oder als Verbrechen.
Die Republikaner waren bestrebt, die Stimmung des Senats 8Xt
eine Erklärung in dem ersteren Sinn zum Ausdruck zu bringen
und schienen bereits Erfolg zu haben, als Antonius mit dem
1) App. 8, 5: elg t6 ßovlfvri^^ioy nolXovg TtaxiXsyiv. Es geschah auf
Qmiid der angeblichen acta Caesaris,
8) Es war der Sachlage am angemessensten, dals der Konsul infiniUe
ie repubUca referierte nnd fragte (1, 918 A. 8). Für den Yerlanf der
Sitsong selbst ist Appian 8, 127 ff. belehrender als Dio 44, 28 ff.
Heraog, d. röm. SU^tiverf. H. 1. D^itized by CjOOQ IC
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Hinweis aaf die Konsequenzen fOr die einzelnen Versammelten
selbst, wie für den ganzen Staat eine Wendung hervorbrachte.
War Cäsar ein Tyrann, so waren seine Anordnungen jeglicher
Art nichtig; wessen Stellung irgend Yon Cäsar herrührte, wer
irgend eine Gnade von ihm erhalten hatte, war dessen yerlustig,
was fiberall im Reiche in ^en letzten fünf Jahren von dem
Diktator angeordnet war, war gefährdet. Dies wirkte und nicht
zum mindesten auf Dolabella, und die Wirkung tles Arguments
wurde verstärkt durch geschickte Benützung der drauXsen harren-
den Menge, mit welcher Antonius und Lepidns verkehrt hattai,
während in der Sitzung Dolabella sich seiner Konsulswürde zu
wehren hatte. Cäsars Anordnungen sollten also gültig bleiben,
und waren dann nicht die eines Tyrannen. Dann waren aber
seine Morder nicht im Recht, ihre That ein Verbrechen, und nur
Schonung und Begnadigung war es, wenn man sie nicht znr
Rechenschaft zog. Euer nun griff Cicero in die Verhandlung ein,
indem er in Erinnerung an die Amnestie , welche in Athen im
J. 403 nach dem Sturz der Dreifsig den Frieden zwischen den
Parteien hergestellt, in ähnlicher Weise eine Amnestie und Ver-
söhnung mit den Mördern befürwortete. Der Vergleich pafete
wenig, aber er brach dem demütigenden Vorschlag einer Be-
gnadigung die Spitze ab. ^) Materiell freilich war den gepriesenen
„Helden"^ auch damit der Ruhm genommen, sie waren nur zu-
gelassen, ihre That konnte so die Wirkung nicht haben, welche
sie wollten, und nur das Zusammenwirken verschiedener Um-
stände brachte es mit sich, dafs nun, nachdem der Alleinherrscher
1) Cic. Philipp. 1, 1 : tn quo templo (sc. Tdlwris) quantwn in me
fuit, ieci fundametUa pacis Aiheniensiumque renovavi vetus exemplum: Grae-
cum etiam verhum usurpavi, quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas
tUa atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempüema ddendam
censui, Dio Wkt den Cicero diesen Gedanken in aller Breite aasfiihren
und die entscheidende Meinang abgeben, während Appian seiner gar nicht
gedenkt. An Ciceros Anteil bei dem Eesultat kann nach seiner eigenen
Angabe kein Zweifel sein; der Vorschlag einer Amnestie kann aber nicht
spontan gewesen sein, da auch er für die Verschworenen ungünstig w»r
und sie ah Schuldige daretellte, nicht als Befreier; er war aber immer noch
besser als was nach App. 2, 134 Antonius vorschlug xovg aitagtovxag ivai'
vfiv (ilv ovdevl xQOVco^ nsgiöcaisiv dl i^ iXiov ftovov. Den Beschluls selbst
formuliert App. c. 136 so: (povov iilv ovk slvai ^Caag inl x£ KuCca^i^ hvqui
dl ilvai xa ^i'JtQoyfiiva avxa navxa xal iyiKoafiivce, inei x^ nolti evfupiQBi.
2) Cic. ad Ati 14, 6, 1: Antonii coUoquium cum heroibus nosiris.
11, 1: noatri iUiy non heroes, sed di.
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- 51 —
durch sie beseitigt war^ die Republik als die wieder geltende
Regierungsform allgemein anerkannt war. So wurde denn be-
schlossen ^ es solle keine Untersuchung über die Ermordung
Cäsars angestellt werden , andrerseits aber alles, was Cäsar ge-
than und beschlossen habe zu thun, anerkannt sein, weil es dem
Staat so fromme; mit letzterer Motivierung wollten die Republi-
kaner ihren Standpunkt wahren. Antonius, der leitende Konsul
in dieser Republik, konnte mit dem Beschlüsse zufrieden sein.
Auf denselben hin erfolgte noch an demselben Tage die Ver-
söhnung mit den Mördern, besiegelt durch persönliche Höflich-
keitsakte zwischen den Führern der beiden Parteien. Diejenigen
unter den Verschworenen, welche Ämter bekleideten oder solche
von Cäsar zugesagt erhalten hatten, behielten ihr Recht, speziell
Brutus und Cassius ihre Prätorstellung.
4. Indessen der Friede war nur äufserlich hergestellt. Nie- Di« Panei-
mand konnte sich darüber täuschen, dafs zwischen den Tyrannen- ^**°'
mordern und Antonius ein dauerndes Einvernehmen nicht mög-
lich sei, and so wurde denn yom ersten Augenblick an Yon allen
handelnden und nicht blofs redenden Politikern die Lage als ein
Waffenstillstand aufgefalst, während dessen ein jeder Teil sich
nach Bundesgenossen und Aktionsmitteln umsah. Am thätigsten
war Antonius. Sein Auftreten beim Leichenbegängnis Cäsars
und seine agitatorische Verwertung des Testaments von Cäsar
mit den Wohlthaten, die es für das Volk enthielt, war in Wahr-
heit eine Kriegserklärung, sein Verhalten gegenüber den alten
Soldaten Cäsars, denen, die bereits in Kolonien angesiedelt waren
und den noch unter den Fahnen yereinigten aber der Ansiedlung
harrenden, bedeutete die Sammlung eines Kriegsheeres. Die
Verschworenen, im richtigen Verständnis der Lage, verlief sen
Rom, um persönlich sicher zu sein, und auch die vorsichtigeren
Senatoren zogen es vor, den Gang der Dinge auJserhalb Roms
von ihren Gütern aus zu beobachten. Unter diesen Verhältnissen
ist es für das Verständnis der nun folgenden Vorgänge nötig,
die handelnden Kräfte und Personen einzeln und in Gruppen nach
ihren Absichten und Hilfsmitteln zu schildern.
In den Zeiten der früheren Republik hatte sich Widerstreit
unter den öffentlichen Gewalten geäufsert in der Form von Kon-
flikten zwischen der Auktorität des Senats und dem Selbstgefühl
einzelner Konsuln, zwischen Regierung und Volkstribunat, zwischen
den ordentlichen Gewalten und aufserordentlichen zeitweilig jein- .
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- 52 -
gesetzten, und wenn diese Konflikte nicht innerhalb der Wirkringa-
sphäre des Senats zur Erledigung kommen konnten, so hatte die
Bürgerschaft die entscheidende Stimme gehabt; eine sehr wesent-
liche Bolle war aber immer dabei einerseits auktoritatsYollen
Mitgliedern des Senats, andererseits dem Volkstribunat zugefall^
Jetzt waren mehrere dieser Faktoren in ihrer Bedeutung dadurch
geschwächt oder unwirksam gemacht, dafs, nachdem einmal die
Diktatur als bewaffnete Macht aufgerichtet gewesen war, ein-
fache konstitutionelle Mittel nicht mehr wirkten und niemand
mehr mit Erfolg auftreten konnte, der nicht eine bewaiShete
Macht zur Verfügung hatte. An die Stelle der Bürgergemeinde
waren die Legionen getreten, und neben ihnen fiel die büi^erliche
Bevölkerung der Hauptstadt nur noch insofern ins Grewicht, als
sie zu gewaltthätigen Akten hingerissen werden konnte; die
verfassungsmäfsigen Volksversammlungen waren nur ein Mittel
derer, welche die Initiative der Berufung hatten, unter diesen
aber traten die Volkstribunen, eben weil sie keine Exeku-
tive hatten, vollständig zurück, trotzdem dafs durch die Auf-
hebung der tribunicischen Gewalt Cftsars ihre Stellung wieder
frei geworden war: die Tribunen selbst waren jetzt nur noch ein
Werkzeug in der Hand der gegeneinander arbeitenden Intriguen.
Die höchste Verfügung über die Streitkräfte des Staats stand
beim Senat, aber sie ging durch die Magistratur hindurch und
wenn diese den Gehorsam verweigerte und das Volkstribunat
nebst der Volksversammlung nicht mehr mit Erfolg aufgerufen
werden konnte, so gab es kein anderes Mittel für Aufreehthaltung
der Auktorität des Senats, als wieder mit aufserordentlichen Ge-
walten eine bewaffnete Macht gegen die andre aufeubieten, oder,
wenn schon mehrere vorhanden waren, die bereits über Waffen
verfügten, die eine Seite in die Botmäüsigkeit des Senats zu
bringen. Auf diese Mittel war der Senat jetzt angewiesen, nur
war die Voraussetzung für ihre Wirksamkeit, dafs er in seiner
Mehrheit eine feste Politik vertrat.
Die Stauung des &• Der Kousul M. Autouius war vorher nur als unbedingt
"' ergebenes Werkzeug des Diktators bekannt gewesen; wo er in
der Politik selbständig zu handeln gehabt, hatte er sich nicht
bewährt (ob. S. 7.). Nunmehr ganz auf sich selbst gestellt,
zeigte er vom ersten Tage an ein bedeutendes Talent der politi-
schen Intrigue, das gepaart mit vollständiger sittlicher BAick-
sichtslosigkeit Erfolge im Kleinen verbürgte. Für einen bleibenden
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und durchschlagenden Erfolg fehlte ihm die Konsequenz der
Ziele und imponierendes Ansehen bei den andern Cäsarianem.
Anfangs mochte es ihm förderlich sein, dafs in ihm niemand,
weder Freund noch Feind, einen Mann sah, der die Stellung
Cäsars aufnehmen konnte, bald aber schadete ihm dies, vollends
nach dem Auftreten des Cäsarerben, und wenn auch eine Reihe
Ton Jahren hindurch seine sonstigen Eigenschaften genOgteu, um
ihn neben dem jungen Cäsar zu halten, so fiel doch für die
letzte Entscheidung der Mangel einer imponierenden Persönlich-
keit Yoll ins Gewicht. Für den Augenblick jedoch war seine
SteUung die günstigste, zumal nachdem die Cäsarmörder die Stadt
Terlassen hatten, und er wufste sie reichlich auszubeuten. Ganz
abgesehen Yon den Vorteilen, welche die Führung des Konsulats
ordentlicher Weise gab, hatte er die yon Cäsar hinterlassenen
Geldmittel zur Verfügung, und nachdem er mittelst derselben
auch die Opposition seines Kollegen Dolabella zum Schweigen
gebracht, hatte er in seiner Amtsstellung die volle Auktorität.
Am fruchtbarsten aber war in seiner Hand der Beschlufs über
die Anerkennung der Verfügungen Cäsars. Es scheint, dafs schon
die erste Formulierung dieses Beschlusses in einer Weise gemacht
wurde, die nicht blofs auf die schon ins Leben getretenen oder
formell fertigen Verfügungen Cäsars, sondern auch auf schrift-
liche Entwürfe gedeutet werden konnte,*) und es begreift sich,
da& man solche Formulierung zuliefs, weil z. B. wichtige Gesetzes-
entwürfe, wie der über Ausführung von Kolonieen, nur halb fertig
waren, Entwürfe, die man nicht aufzuheben oder der Verzögerung
preiszugeben wagte. Nun hatte sich aber Antonius auch in den
Besitz des schriftlichen Nachlasses von Cäsar gesetzt, und so be-
gann, indem mit Hilfe des Schreibers von Cäsar, eines gewissen
1) Wenn die Formel des S. G. bei Appian (S. 50 A. 1) authentisch ist, so
Wtete sie allgemein genug; hinsichtlich des iyvcaofiivcc aber kommt es auf
<lie lateinische Fassung an. Der allgemeine Ausdruck ada Caesarü, der
^ den Schriftstellern gebraucht wird, mufs auch umschrieben gewesen
sein. Zan&cbst wird man dabei vorzugsweise an die veröffentlichten Ediktal-
^erordnungen und an die Gesetze, die seinen Namen trugen, gedacht haben,
während Senatuskonsulte, auch wenn sie auf seine Veranlassung gefafst
^Aien, eine selbständigere Bedeutung hatten. Das S. G. über die Juden,
^ am 9. Februar gegeben, aber bei Cäsars Tod noch nicht formell perfekt
geworden war und deshalb am 11. April zur Bestätigung nochmals Tor-
kommt (Joseph, antiq. Jnd. 14, 10, 10), braucht mit dieser Frage nicht zu-
^^iQiQeDzuhängen.
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FaberiuS; die Menge der Entwürfe ins unbestimmte erweitert wurde,
ein Wacher mit dem schöpferischen Geiste des toten Gäsar^ der
die Senatoren^ welche dem Beschlüsse über die acta Caesaris am
17. März zugestimmt, in Bestürzung und Schrecken versetzte. ^)
Dabei benutzte^ wie es scheint, Antonius jenen allgemeinen Senate-
beschlufs, um wirkliche oder angebliche Gesetzesentwürfe CäsM8
als mit der Genehmigung des Senats versehen dem Volke vorzu-
legen, auch setzte er sich wohl über die Fristen und Auspizial-
erfordernisse hinweg; die Dekrete und Edikte vollends, welche
des Wegs der Gesetzgebung nicht bedurften, waren überhaupt
nicht kontrollierbar. Auf demselben Wege hatte er auch jene
Ergänzung des Senats vorgenommen.^) Er war aber klug genug
mit solchen Dingen zu beginnen, welche an sich berechtigt oder
jedenfalls nicht leicht zu hemmen waren, wie Eolonialgesetze,
die ihm aber dann wiederum Gelegenheit zu willkürlicher Aus-
führung gaben.') Er half femer selbst dazu, dafs der allgemeine
Beschlufs über die acta Caesaris mit Beziehung auf Erteilung
von Steuerfreiheiten und Bewilligung persönlicher Vorteile dahin
beschränkt werde, dafs neues dieser Art, was am 15. März noch
nicht erlassen gewesen, nicht verfügt werden, auch Verbannte
nicht zurückberufen werden sollten.*) Ja er ging so weit, dafs
er, um das Mifstrauen des Senats zu beschwichtigen, ein Gesetz
einbrachte, das die Diktatur abschafite und in der Art eines
Sakratgesetzes den Zuwiderhandelnden verfehmte.^) Daneben aber
kümmerte er sich nicht einmal um jenen beschränkenden Senats-
beschlufs, benützte, was derselbe nicht ausgenommen, aufs aus-
giebigste und sicherte durch ein Gesetz, das er eigenmächtig
1) Appian 8^ 6. Dio 44, 63. Plnt. Anton. 18. Sueton Aug. 36. -
Giceros Kritik dieses Verfahrens Philipp. 1, 16 ff. und an verschiedeneo
andern Stellen.
2) ob^ S. 49 A. 1 ; daher die senatares orcini Sueton und Plut. a. a. 0.
3) Dafs er solche Gesetze auch imnu C. Caesaris als Uges ÄfUamae
einbringen konnte, zeigt das Gesetz der Kolonie Urso ob. S. 16 A. 1^ vgl.
Lange, de leg, Äntonüs a Cicerone Phil 5, 40 ccmmemoratis l^ II. Leipiig
1872. Nach Lange hat die Vorgänge hinsichtlich der acta Caesaris zu est*
wirren gesucht 0. Schmidt a. a. 0. S. 687 ff. (ob. S. 46 A. 2).
4) Cic. Philipp. 1, 8.
6) Ebendas.; femer App. 3, 26. Dio 44, 61: voftov iie^%av ftrjSiva
ccid-ig dtHtdxoQa ysvicd'ai, dgag ts noiriadftsvot xal d-dvatov nQostnovttg «v
xi xig iüTiyi^afixat xovxo av 9^ vnoax^y xal nqoaixi xal xQrifuaxa avxoig am-
itQvg ini%7iQv^avxfg. Um mehr Glauben zu finden, wurde hier die längst
verschollene Form der leges sacratae wieder auferweckt.
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einbrachte und natürlich seinen Zwecken gemäfs formulierte^ sein
Verfahren vor Anfechtung.^) Das Gesetz über die Diktatur aber
hatte in Wirklichkeit wenig Wert neben den verschiedenen an-
dern Formen von Alleinherrschaft^ die möglich waren, ja es be-
raubte den Senat eines Mittels, das ifti Sinne der alten Verfassung
zur Verteidigung der Republik gebraucht werden konnte. Natür-
lich aber muüste Antonius unter den gegebenen Umständen auch
die Möglichkeit gewinnen , auf eine bewaffnete Macht sich zu
stützen. Die Soldaten des Lepidus waren für dessen Provinzial-
kommando bestimmt und konnten ihm nur durch den Senat zu-
gewiesen werden y jede etwaige sonstige Aushebung in Italien
erforderte ebenfalls einen Senatsbeschlufs, er mufste also auf
besonderen Wegen zu bewaffnetem Rückhalt gelangen. Veran-
lassung hiezu gaben ihm Unruhen, die ein angeblicher Enkel
des Marins zu Ehren des Andenkens von Cäsar erregte; nach-
dem Antonius eingeschritten und bis zur Hinrichtung des Un-
ruhestifters gegangen war, gab er sich als gefährdet durch die
Anhänger desselben aus und verschaffte sich mit Zulassung des
Senats eine Leibwache aus Centurionen und bewährten Soldaten
Cäsars, die er bis auf 6000 Mann gesteigert haben soll. Aber
noch ergiebiger war für ihn die Ausführung der Koloniegesetze ^),
1) Cic. Philipp. 6, 10: Quibus de caasia eas Uges, quas M. Antonius
tulisse dicüur, omnes censeo per vim et contra auspicia Iotas iisque legibus
poptü%*m non teneri; si quam legem de actis Caesaris confirmandis deve dicta-
iura in perpeiumti tollenda deve coloniis in agros deducendis tulisse M, An-
Umus dicitwr, easdem leges de integrOy ut poptUum teneant, salvis atispiciis
ferri placet. Vgl. L. Lange a. a. 0. und r. Altert 3*, 488 ff. 499. Hinsichtlich
der acta Caesaris sind bis hieher zu unterscheiden das s. c. vom 17. März,
das bald darauf von Sulpicius veranlafste beschränkende s. c, wohl veran-
lafst durch den Anfang des Mifsbrauchs, das hier erwähnte Gesetz de actis
Caesaris confirmandis, dessen Formulierung Antonius wohl der Senats-
konkoUe entzogen hat. Vielleicht hat Antonius dieses Gesetz zugleich mit
den beiden andern hier erwähnten eingebracht, das 70n Cicero erwähnte
formwidrige Verfahren dabei eingeschlagen, um es rasch unter Dach zu
bringen, und es wegen des dem Senat willkommenen Gesetzes über die
Diktatur in Verbindung mit diesem ohne weitere Anfechtung dnrchgebracht.
2) Die l. de coloniis in agros deducendis (s. Torherg. Anm.) wird nicht
als ein seinem Inhalt nach neues, sondern als Ausführungsgesetz ftir Cäsars
Anordnungen anzusehen sein; so lief es leichter mit und konnte doch von
Antonius für seine Zwecke in eigentümlicher Weise verwertet werden. Dafs
diese l de col, deduc. nicht mit der zwei Monate nachher von dem Tribnn ,
L. Antonius dnrchgebrachten zu verwechseln sei, ist zweifellos ; vgl. Lange
& a 0. IL p. 11.
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wegen deren er nach Gampanien ging, nm das früher schon den
Veterwien bewilligte durch neue Wohlthaten noch wertvoller m
machen und zugleich für sich auszubeuten. Ohne Zweifel war
seine Absicht, die von Cäsar zerstreut Angesiedelten in Zu-
sammenhänge von Ansiedlungen zu bringen und sich so eine
Armee in der Nähe Roms zu schaffen, die als aus entlassenen
Soldaten bestehend in doppelter Weise, fOr die VolksTersamm-
lungen wie zur Ergreifung der WaiPen, jederzeit zu haben war.
Was Antonius in der zweiten Hälfte des April in dieser Richtung
in Latium und Gampanien that, beunruhigte zwar die Senatoren,
zumal die, welche in den betreffenden Gegenden Grundbesitz
hatten, allein da während dieser Zeit Dolabella in Rom die-
jenigen, die bei einem Altar Cäsars Unruhen veranlafsten, mit
derselben Rücksichtslosigkeit, wie Antonius den falschen Marios,
behandelte, so beruhigte man sich wieder. — Durch all diese
Mittel hatte Antonius in den ersten sechs Wochen nach Gäsars
Tode sich in Rom eine Stellung verschafft, die ihm, bei Wahrung
des konstitutionellen Scheins, Senat und Volk gegenüber die
Führung sicherte und selbst gelegentliche Verletzung der Ver-
fassung gestattete. Aber — und das war die Schwäche seiner
Stellung — es galt dies eben nur für Rom und Italien, im
ganzen übrigen Reich konnten ihm von Seiten der Statthalter
Schwierigkeiten bereitet werden, vollends, da die Anerkennung der
Verfügungen Cäsars auch diejenigen Zuteilungen von Provinzen
sicherte, welche den Verschworenen gemacht worden waren.
Diesteuungder 6* Nachdcm die Verschworenen durch unzureichende Vorbe-
ciisarmörder. j^^j^mig y^^es Unternehmens um Sie Vorteile des Moments der
Überraschung gekommen waren, nachdem sie dann durch die
Senatssitzung vom 17. März nur- unter dem Schutze einer Am-
nestie in die durch sie wiederhergestellte Republik hatten frei
einziehen dürfen, waren sie, ihre Führer voran, durch die Vor-
gänge bei der Leichenfeier Gäsars aus der Stadt gedrängt worden,
und Brutus, der als städtischer Prätor noch mehr an Rom ge-
bunden war als der Peregrinenprätor Gassius, mufste sich, um
den Schein der Gesetzmäfsigkeit zu wahren, durch Antonius Ur-
laub dazu vom Senat erbitten.^) Durch dieses Fernbleiben von
1) Cic. Philipp. 2, 81: cur M, Brutm referente te legibus est solutus, »
ab urhe plus quam decetn dies afuisset Es ist nicht gesagt, wann dies ge-
schah; von der späteren Zuteilung der Provinzen wird es aber weiterhin
getrennt. Ich vermute, dafs es schon im April geschah; es mufste ja doch
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der Hauptstadt war der Zusammenhang unter ihnen selbst er-
schwerty eine richtige Parteif&hrung unmöglich gemacht, die Füh-
lung mit dem Senat offiziell verloren und nur indirekt ermöglicht.
Trotzdem waren sie nicht ganz beseitigt und gerade da, wo die
Stellung des Antonius schwach war, lag ihre Starke. Cäsar hatte
einem Teil von ihnen fQr das laufende Jahr, andern, wie dem
Brutus und Cassius, ffir das folgende wichtige Provinzen zugeteilt^
nämlich für 44 dem D. Brutus das cisalpinische Qallien, dem
Trebonius Asien, dem Tillius Cümber Bithynien, für 43 dem
Brutus Makedonien, dem Cassius Syrien. Für den Augenblick
war die wichtigste Position das cisalpinische Gallien, weil dort
die Rom nächste Truppenmacht in legitimer Weise aufgestellt
werden konnte und die Zugänge zu Italien von Gallien wie vom
Osten aus in der Hand dieses Statthalters lagen; aber auch
Asien und Bithynien waren wertvoll genug. Gelang es, diese
Provinzen in den An&ng des nächsten Jahrs hinüber zu halten,
80 konnte unter Brutus' und Cassius' Führung von Syrien bis
nach Makedonien hin ein Zusammenhang von anticäsarischen
Statthaltern hergestellt werden, der eine wirkliche und bedeutende
Macht darstellte, Trebonius und Tillius waren sofort auf ihre
Posten abgegangen, schon ihrer persönlichen Sicherheit wegen,
D. Brutus nach einigem Zögern ebenfalls und so waren Stütz-
punkte gewonnen. Aber das unentschiedene Verhalten der beiden
Führer liefs es für jetzt noch zu keiner einheitlichen Ausnützung
derselben konunen; sie mufsten sich sogar jene Provinzen aus
den Händen spielen sehen und durften, von Antonius überwacht,
keinen stärkeren Anhang um sich dulden.^) Im übrigen war in
der Führung der Verschworenenpartei nun die Wendung einge-
treten, dafs dem Brutus in der ö£PentIichen Meinung und dadurch,
selbst wenn er keinen Anspruch darauf erhob, bei etwaiger
Aktion die erste Rolle zufiel: er sollte nach der blutigen That
xnm Volke sprechen und mit den Veteranen verhandeln; mit ihm
vorzugsweise verkehrte Cicero, wenn er zu dieser Partei sich ins
Benehmen setzen wollte. Der Grund für dieses Hervortreten des
ancli fOr die Stellvertretong in der städtdachen Prätor, die dann G. Antonius
übernahm, gesorgt werden.
1) Ober die Provinzen s. unten; über die Stellung in Italien ihren Brief
an Antonius bei Cic. ad fam. 11, 2, 1: cum ipsi in tua potestate fuerimus
Utoque adducH coMüio ditniserinms ex tnunidpita nostros necessarios, neque
9okm edicto sed Utteris id fecerimm etc. ^ .
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Brutus lag in dem gröfseren Vertrauen^ das seine Persönlichkeit
einflofste und darin , dafs sein Name und sein Charakter eine
Idee zu repräsentieren schienen, eine Idee, in die er in der That,
nachdem sie ihm aufgedrungen war, selbst einging. Für den Er-
folg der Partei war es kein Vorteil, dafs es nie zu einer ent-
schiedenen Leitung durch einen thatkräftigen Mann kam, sondern
im Wesentlichen geteilte Führung blieb, nur mit einem gewissen
Übergewicht gerade eines Mannes, der, mehr eine nachdenkliche,
ja grübelnde Natur, weder im Feld noch in der Politik als Mann
der That auftreten konnte. Und doch war es sofort notig zu
Entschlüssen zu kommen, um auch nur die Hilfsmittel zu be-
halten, die man in der Hand hatte.
M Lepidai. 7. Während nämlich Brutus und Cassius sich in der Nähe
Yon Rom Umtrieben, ohne zu einem Eingreifen irgend einer Art
zu gelangen, waren andere Persönlichkeiten in die Linie der
aktiven Politik eingerückt. Von untergeordneter Bedeutung, aber
doch nicht unwichtig, wie die Zukunft zeigte, war M. Lepidus,
derselbe, der bereits am Tage des Mords durch rechtzeitiges
Eintreten mit den ihm zu Gebote stehenden Truppen yermittelt
hatte, dafs das verfahrene Staatswesen wieder in eine gewisse
Richtung kam. Das Feld, das er damals besetzt, für sich zu
behaupten, vermochte er nicht; weder hatte er dazu die Stellung,
noch neben Antonius die Geschicklichkeit; sobald der letztere
sich gefafst hatte, brachte er den Lepidus in die zweite Linie.
In dieser aber suchte er ihn sich zu sichern, indem er ihm seine
Tochter verlobte und ihm das durch Cäsars Tod erledigte Ober-
pontifikat verscha£fte; so glaubte er darauf rechnen zu können,
dafs Lepidus, als derselbe nun auf seine spanische Statthalter-
schaft abging, ihm zur Verfügung stehen werde. Zunächst aber
führte er, ohne die Tragweite dessen, was er that> zu übersehen,
mittelst des Lepidus einen andern Prätendenten auf Machtstellung
ein, indem er jenem vom Senat den Auftrag geben liefs, mit dem
t, pompejüB. noch übrig gebliebenen Sohn des grofsen Pompejus, Sextus, der
sich seit der Niederlage seiner Brüder mit Resten des pompeja-
nischen Heers und heimatlosen Leuten im jenseitigen Spanien
umtrieb und den Statthaltern Cäsars zu schaffen machte, einen
Vergleich zu schliessen; wohl half dies den Senat über die Ab-
sichten des Antonius täuschen und machte den Pompejus un-
mittelbar unschädlich, aber es gab diesem auch Zeit und
Mittel, sich, bis die Waffen wieder aufgenommen würden, eine
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Stellmig zu verschaffen. — Indes war nun aber in Rom selbst Oouriftn.
eine neue Persönlichkeit Ton unmittelbarster Bedeutung erschienen,
die Yon yomherein zum Prätendententum bestimmt war. Unter
den Verwandten Cäsars konnte nach den Verhältnissen des Alters,
des Verwandtschaftsgrads und der sonstigen Verwendbarkeit keiner
mehr in Betracht kommen als C. Octavius, sein Grofsneffe, der
Sohn seiner Nichte Atia, derselbe, den er in dem im Herbst 45
gemachten Testament adoptiert hatte. Indem die Schwester
Cäsars, Julia, den Ariciner M. Atius Baibus heiratete und dann
die Tochter aus dieser Ehe sich mit einem C. Octayius verband,
war Cäsar mit einer Familie verwandt geworden, die eben erst
durch diesen Octavius in die Aristokratie hereinkam, aber durch
ihre Wohlhabenheit fähig war, sich in ihr zu behaupten und
anerkannt zu- werden, und nachdem Octavius gestorben war, hatte
die Witwe einen der angesehensten Männer, L. Marcius Philippus,
Konsul im J. 56, geheiratet. Den Sohn des Octavius nun hatte
sich Cäsar zum Erben ersehen, ihn in dieser Absicht in den
Patriziat erhoben, in den spanischen Feldzug nachkommen heifsen,
darauf testamentarisch adoptiert, weiterhin beabsichtigt, von
Apollonia aus, wo fOr seine wissenschaftliche und militärische
Ausbildung gesorgt wurde, ihn in den parthischen Krieg mitzu-
nehmen, endlich ihm im Wechsel seiner magistri equibum eine
Stelle bestimmt« Auf die Nachricht von dem Tode Cäsars ent-
schlofs sich der junge C. Octavius, nachdem er von seiner Ad-
option gehört, nach Rom zu gehen und daselbst die ihm durch
das Testament Cäsars erwachsenen Ansprüche geltend zu machen.
Geboren am 23. September 63 war er noch nicht 19 Jahre alt»
als die Forderung an ihn kam, einen Preis höchster Art, den
das Geschick ihm in Aussicht gestellt hatte, aus einer Welt voll
Gefahren sich herauszuholen und was an diesem Preis noch
nicht vollendet war, zugleich zur Vollendung zu bringen. Aber
die Lage war durch die Geteiltheit der ihm im Wege Stehenden
eine solche, dafs gerade seine Natur, die wie wenige für die
Künste der Diplomatie angelegt war, hier den Boden fand, auf
dem sie mit Erfolg auftreten konnte. Früh verstandesreif, wie
solche Naturen vor andern zu sein pflegen, nahm er die ihm
Yorgezeichnete Aufgabe an, im wesentlichen, so weit geistige
Hilfsmittel in Betracht kamen, auf sich selbst gestellt.^) Zu
1) Die Düchsten Verwandten rieten ihm, die Erbschaft abzulehnen.
App. 3, 10. Nicol. Damasceniu ^Co^ Kuicaqog 18. r^ j
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Anfang April fuhr er Yon ApoIIonia an die Ostküste Italiens
hinüber, landete vorsichtig nicht in Brundisium, dem gewöhn-
lichen Hafenort; sondern an einer Nebenstation, und reiste dann
langsam Rom zu, in der Nähe dieser Stadt von dem Gute seines
Stiefvaters Philippus ans, wo er länger verweilte, sich nach der
Stimmung von Hoch und Niedrig erkundigend. Anfang Mai
sodann liefs er sich in Rom durch einen Tribunen in einer
Kontion dem Volke vorstellen. Viele der Freunde Cäsars hatten
ihn sofort bei seiner Ankunft in Italien begrüfst, die Menge sah
zunächst noch mit mehr Neugier als Sorge auf ihn, Antonios
und die andern für sich selbst arbeitenden Gäsarianer waren
bereit, ihn bei Seite zu schieben, die Republikaner geteilt zwischen
MiCstrauen und der Hofihung, ihn für ihre Zwecke gebrauchen
zu können; alle die aber, welche glaubten, den jungen Mann
täuschen zu können, gingen selbst schwerer Täuschung entgegen.
Der Senat. 8. lumittcu all dicscr Strebungen stand der Senat mit der
Aufgabe, die Regierung des Staats zu führen mittelst des von
einem andern System hinterlassenen Apparats der Magistratur
und mit all der Hinterlassenschaft des Diktators, die man hatte
übernehmen müssen. Die intellektuelle Leitung dieser Körper-
schaft stand — so wollte es die Organisation derselben — bei
den Konsularen, die mit ihrer motivierten Meinungsabgabe die
Beratungen bestimmten. Der angesehenste Konsular war Gicero,
und an gutem Willen, alles das geltend zu machen, was ihm
nach seiner Vergangenheit an Würde und Auktorität vor Senat
und Volk zukam, ja geradezu die Lenkung des Staatsschiffes zu
übernehmen, fehlte es ihm nicht; noch stand ihm auch die alte
Kraft der Beredtsamkeit, ja noch die alte Frische der Invektive
zu Gebot, die, wenn sie einmal in den Wortkampf eingetreten
war, sich von der Macht der Phrase rücksichtslos forttragen liefs.
Aber es waren auch noch alle die alten Schwächen vorhanden,
die Übermacht der Fähigkeit zum Wort über die Fähigkeit zur
That, das dem Augenblick folgende Urteil, das den Personen
gegenüber nicht nur in dem gröfsten Wechsel sich ergeht^
sondern sich auch für den Zweck des Moments bis zur Unwürdig-
keit herabgiebt^) und schliefslich vor keiner Täuschung sicher
1) Das sprechendste Beispiel hiefQr ist seine Stellung zuDolabella, dem
früheren Schwiegersohn; brachte er es doch nach allen von ihm selbst
persönlichst gemachten Erfahrungen, in denen er noch mitten drin stand,
über sich, ihn, den nichtswürdigsten Menschen in seinem erschlicbeDen
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ist Und weil es nicht einmal eines scharfen Blicks bedurfte, um
dies zu sehen, fehlte auch das Vertrauen der andern. Die Ver-
schworenen hatten sich gehütet, ihn bei ihrem Plane „zu dem
herrlichen Mahle" beizuziehen*), nach vollzogener That hatte er
sich ihnen angeschlossen, aber als die Umstände anders wurden,
richtete er seinen Verkehr mit ihnen äuJGserst diplomatisch ein
und nötigte sie ohne ihn zu rechnen; im Senat horten selbst die,
welche im allgemeinen auf seiner Seite* standen, nur halb auf ihn.
Als er es sich herausnahm, Ton der blofsen Stellung eines ange-
sehenen Konsulars auktoritatsYoUe Briefe an die Statthalter zu
schreiben, wurden diese zwar gelesen und beantwortet, aber die
Empfönger handelten, wie es ihnen ihr eigenes Urteil oder der
eigene Nutzen vorschrieb; den Octavius, den „trefiflichen Knaben"*),
wollte er ausnützen und wegwerfen, und der 2()jährige Jüngling
gab den 64jährigen Konsular in die Hände des Mörders. Die
Konsulare, welche neben Cicero noch vorhanden, waren entweder
von Cäsar zu ihrer Würde befördert oder es war das Interesse för
die Bepublik, das zugleich das ihrer Senatorenwürde war, doch
mit anderem gemischt: so bei Piso, dem Schwiegervater Cäsars,
bei L. Philippus, dem Stiefvater des Octavian, bei C. Marcellus,
dem Konsul von 50, dem Gemahl der Octavia, also Schwager
Octavians, mit Rücksichten der Verwandtschaft.') Andere, wie
die designierten Konsuln Hirtius und Pansa, hatten zwar kein
Interesse für die Macht des Antonius, aber auch nicht gegen die
Erinnerungen an Cäsar mit deren Konsequenzen. Aufserdem
fehlte es nicht an solchen, die, wie der Jurist Ser. Sulpicius, stets
vermittelnd auftreten wollten« Die Masse der Senatoren war
denn auch in ihrer Stimmung nicht entschieden; sie stand zwar
ebenfalls dem Antonius nicht von vornherein zur Verfügung,
aber ebensowenig war sie für die Zukunft der Republik gesichert;
KoDsnlat zu loben und sich fClr Zwecke des Augenblicks zu seinem Legaten
machen zu lassen, was ihn dann freilich nicht hinderte, als Dolabella in
Syrien auf der andern Seite stand, für seine Ächtung zu stimmen.
1) Ad fam. 10, 28, 1 (an Trebonius): quam vellem ad iüas ptUcherrimas
eptdas me Idibu8 Martiis invÜMses! reliquiarum nihil häberemus, 12, 4, 1
(an Cassins): vellem Idibus Martiis me ad cenam invitasses: reliquiarum
mhü fumet.
2) Fuer egregius, z. B. ad fiftm. 10, 28, 8; 12, 25, 4 in öffentlicher Bede.
Philipp. 3, 8: C, Caesar adoleseens, paene poUus puer.
3) Cic. ad Att. 16, 14, 2: nee me PMUppus aut Marceüus movet, dlia
mim eorum ratio est 15, 18, 3: cautum MarceUumI ^ j
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und es gilt dies auch für die der alten Aristokratie Angehörigen,
deren Zahl unter den 900 nicht zu schätzen ist; ob die Ehre,
mit zu den Regierenden zu gehören oder die Hoffiiung auf per-
sönliche Vorteile beim Anschlufs an einen Machthaber über-
wiegen sollte, war bei jedem einzelnen eine Frage; eine über-
mächtige Militärgewalt hatte jedenfalls hier leichtes Spiel. Übel
genug aber war es für die zukünftige Festigkeit des Senats zu
deuten, dafs selbst die, welche die Führung beanspruchten, und
zwar Cicero yoran, nicht auf dem Posten blieben, sondern so-
bald die Lage bedenklicher aussah, sich auf ihre Villen begaben
oder gar an Flucht dachten.
Por Kampf der 9. Im Mai warcn alle Stellungen, um die es sich handelte, zu
übersehen, der Kampf der verschiedenen Interessen mufste, zu-
nächst als Kampf der Intrigue, beginnen. Das nächste Interesse
erweckte der junge Octayius; er war die neueste und durch seine
Jugend wie sein Verhältnis zu Cäsar die Teilnahme des Volks
am meisten fesselnde Erscheinung. Vorerst trat er nur auf mit
seinen Erbansprüchen: er meldete die Übernahme der Erbschaft;
mit allen ihren Lasten an, erklärte die Annahme der Adoption
beim Stadtprätor ^) und wollte sie auch durch ein Kuriatgesetz
gültig erklären lassen.^ Doch hiezu verlegte ihm Antonius
den Weg, jedoch ohne wesentlichen Erfolg, da die Adoption selbst
und die aus dem Testament folgenden Rechte rechtlich nicht
bestritten werden konnten, sondern höchstens gewisse neben-
sächliche Konsequenzen des Übertritts in das julische Greschlecht.
Ebenso verweigerte Antonius die Herausgabe des casarischen
Barvermögens und machte ihm Schwierigkeiten, als er nun die
ihm zugefallenen liegenden Güter verkaufen wollte, um den Erlös
nebst seinem eigenen Vermögen zur Bezahlung der Vermächtnisse
Cäsars an die Bürger zu verwenden. Auch bei persönlicher Zu-
sammenkunft hatte er nur schroffe Ablehnung. Somit war der
Zwiespalt zwischen beiden erklärt. Indessen hiels nun Octavius
von jetzt an C. Julius Cäsar Octavianus, und hatte alles das
voraus, was der Name Cäsars enthielt^) Es war nun natür-
1) App. 8, 14.
2) Dio 46, 6. Darüber, dafs die testamentarische Adoption der unter
Lebenden gleich stand and nur das kontrovers war, ob ohne die Bestätigung
des Enriatgesetzes einzebie Rechte nicht ausgeübt werden konnten, vgL
Dramann, 1, 837 A. 5. Mommsen im Hermes 8, 64.
3) Cicero im April ad AU 14, 12, 2: Octavius, quem-^quidem. 8m dte-
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lieh genüg, dafs diejenigen, welche die Politik des Senats leiteten,
wenn sie dem Antonius nicht vertrauten, den einen Prätendenten,
wenn er sich korrekt hielt, gegen den andern zu verwenden
sachten, allein so korrekt sich der Erbe einem Cicero und andern
gegenüber aussprach, Vertrauen konnte doch nur schwer auf-
kommen, und zunächst war derselbe noch keine Macht Immer-
hin suchte man die Verbindung mit ihm zu erhalten. Dies
hinderte nun aber, sich mit den Cäsarmördem offen zu verbinden,
um alles, was diese an Macht zusammenbringen konnten, als
zuverlässigstes Hilfsmittel der republikanischen Sache dem Senat
ZOT Verfügung zu stellen; denn der Cäsarerbe nahm die Rache
an Cäsars Mördern als Teil seiner Erbverpflichtung auf. Die
Eonsequenz von all dem war, daXs der Senat weder in Italien
noch in den Provinzen ein Heer hatte, auf welches er sich ver-
lassen konnte.
Indessen zunächst war eine Veranlassung, dies zu er-
weisen, nicht vorhanden, die Prätendenten hatten genug zu
thnn, um ihre Stellung zu befestigen und die Politik, welche
die Pülirer des Senats auf ihren Villen machten, führte nicht
zmn Handeln. Die weitertreibende Aktion knüpfte sich vielmehr
an die Bemühungen des Antonius, eine Provinz zu erhalten.
Wie schon bemerkt^ hatte er sein Augenmerk zuerst auf Make-
donien gerichtet und um dies zu erreichen, verschaffte er zuvor
dem Dolabella mit Umgehung des Senats durch einen Volks-
beschlufc Syrien, worauf dann ihm Makedonien bewilligt wurde.
Weiterhin kam er mit Dolabella überein, dafs von den Truppen,
die in Makedonien von Cäsar für den parthischen Krieg ge-
sammelt waren und noch dort standen, vier Legionen dem Statt-
halter derselben bleiben sollten. Indessen bald sah er ein, dafs
Mran saMabant, Phüippus non; üaque ne no8 quidem. Im weiteren Ver-
lauf des Jahres nennt er ihn Cäsar; der vermittelnde Akt kann nur der
Akt vor dem Stadtprätor gewesen sein. Sueton Aug. 7: posteaGai Caesairis
^ deinde ÄugwU cognomm asstmpsü, altertm testamento maioris avun-
ciÄ TL s. w. Die 46, 6. Unrichtig ist die Angabe Dio 46, 47, er habe sich
▼or der l, curiata zwar Oaeaar genannt, aber nicht mit Recht Gaeaw
OtUmanm nennt ihn %. B. Cicero ad fam. 12, 26, 4. Im gewöhnlichen
Leben wollte er naifirlich Cäsar, nicht Octavianns genannt werden, während
^ historische Zwecke znr Unterscheidung von dem älteren Cäsar letzterer
Name der bequemere ist. Dio allerdings sagt, nachdem er 46, 47 den
Namen 0. Jtdius Caesar Odavianus angegeben und erklärt hat: lyiio dh ov%
Owtaovutvov aUa Kalca^u avtov ovofidca,
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— 64 -
Makedonien zu entlegen sei and richtete nun sein Äugenmerk
auf das von D. Brutus bereits übernommene cisalpinische GallieiL
Auch dieses liefs er durchs Volk mit Umgehung des Senats dem
D. Brutus abnehmen und auf sich übertragen; zugleich ordnete
ein tribunicisches Gesetz an^ dafs die gewesenen Eonsuhi ihre
Provinzen, statt, wie es Cäsar geordnet, auf zwei, nun auf sechs
Jahre, die Pratoren, statt auf eines, auf zwei Jahre haben sollten;
endlich wurde ihm gestattet, die Legionen von Makedonien nach
der neuen ihm übertragenen Provinz herüberzuziehen. Sehr be-
quem war es ihm dabei gewesen, dafs Brutus und Cassius sieh
von Rom entfernt hatten; damit diese Abwesenheit von ihren
Posten dauernd und zugleich legitimiert sei, hatten sie sich ge-
fallen lassen müssen, sich eine Mission für Getreideaufkauf geben
zu lassen; für das nächste Jahr sollten sie darm Kreta und Eyrene
statt Makedoniens und Syriens erhalten.^) In der Zeit, in welcher
dies geschah, stand die Macht des Konsuls auf ihrer Höhe. Den
einen seiner Brüder in der städtischen Prätur, den andern als
Tribun zur Seite, hatte er die Verwaltung und Gesetzgebung
in der Hand, und die Veteranen seiner Leibwache bürgten fSr
seine Sicherheit; hatte er doch auch ihnen zu lieb ein neues
1) Die 80 wichtige Frage der Provinzialzoteilnng ist bei den Schriftr
Btellem nicht übereinstimmend behandelt , nnd es begreift sich dies, da
gerade hier durch Intrigaenspiel nnd Gewaltmafsregebi besonders onkbur
wurde, was galt Fest steht, daCei am 5. Juni fär sie 1) die KommissioD
des Getreideaufkaufs, für Brutus in Asien^ für Cassius in Sicilien, 2) die
Provinzen Kreta (Brutus) und Kjrene (Cassius) beschlossen wurden. Cic.
ad Att. 15, 6, 2. 9, 1: ut Brutus in Asia, Cassius in Sicilia frumentim
emendum et cid urhem mittendum cttrarent. — Äit atUem, eodem tempore deere-
tum iri, ut et iis et reliquis pravinciae decemantur. Über Kreta und Ejrene
App. 3, 8, 12. Cic. Phil. 2, 98. Die Getreidekommission sollte sie fSr das
lau&nde Jahr von Rom fem halten, Kreta und Kyrene galten f&r das
nächste. Letztere Zuteilung setzt voraus, daSa Makedonien und Syrien, die
dem Brutus und Cassius von Cäsar zugeteilten Provinzen, ihnen bereits
entzogen waren. Appian a. a. 0. lälst dies auch vorhergehen nnd zwar
schon, ehe Octavian nach Born kam. Es mufs dies in einem Zeilpunkt
geschehen sein, in dem die Cäsarmörder machtlos waren, und dies weist
allerdings darauf hin, dab es bald nach ihrer Flucht aus £om geschah und
auch in Abwesenheit ihrer Freunde; denn der Senat begnügte sich mit dem
Vorhehalt künftiger Entschädigung. Der Umtausch von Makedonien und
Gallien muls langem Zeit vor dem 24. Juni geschehen sein, denn an diesem
Tage waren bereits zwei Legionen nach Italien herübergeschafft; Cic. ad Att.
16, 13, 2, vgl. App. 3, 27.
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- 65 —
Ackerverteilungsgesetz durch seinen Bruder einbringen lassen.*)
Von ihnen liefs er den Senat umstellen, die Volksversammlung
beherrschen, und auf sie gestützt wirtschaftete er neben dem,
dafs er wichtige Ordnungen Cäsars umstiefs, mit den angeblichen
aäa Caesaris in aller Willkür. Wohl hatte der Senat beschlossen,
dals Tom 1. Juni ab über das, was als <icta Caesaris gelten
sollte, die Konsuln mit einem Konsilium von Senatoren bestimmen
sollten, und es war dies durch Volksbeschlufs bestätigt worden,
allein Antonius, seines Kollegen Dolabella sicher, wurde dadurch
Dicht gehindert. Nur auf den Erben C'asars mufste er Rücksicht
nehmen, dazu zwangen ihn eben jene Veteranen.^ Unter ihrem
Einflufs kam wiederholt eine Versöhnung zwischen beiden zu-
stande; sie wollten dem Antonius als dem Freunde des verewigten
Cäsar nicht untreu werden, aber der, welcher von diesem als
Sohn angenommen war und nun seinen Namen trug, war ihnen
rechtUch jenem mindestens gleichstehend und persönlich sym-
pathischer, und er hatte gezeigt, dafs er zu belohnen wufste.
ÄuDserdem war es vielen von ihnen ernstlich um Rache für
Cäsars Ermordung zu thun, sie hatten fQr das Intriguenspiel,
mit dem man die Mörder bald wegstiefs bald anerkannte, wenig
Sinn und verlangten klare Verhältnisse, Einigung der Freunde
Cäsars gegen seine Feinde. Allein, sobald Antonius nicht mehr
blofs mit diesen Veteranen zu rechnen hatte, sondern sich auf
andre Kräfte verlassen zu köxmen glaubte, liefs er die eine Zeit
lang genommenen Rücksichten fahren und nahm, obgleich oder
weil er nun sich überzeugt hatte, dafs der Erbe eine Macht zu
werden anfing, den Kampf auf. Dies geschah, nachdem er die
Trappen von Makedonien nach Brundisium beordert hatte.
10. Indessen war es nun auch im Verhältnis des Antonius %ie vor-
zum Senat zu einem Bruch gekommen. -Sein willkürliches Ver- Krieg.
fahren hatte den L. Piso veranlafst, am 1. August im Senat
gegen ihn aufzutreten. Diese RedC; obgleich ohne unmittelbaren
Erfolg, hatte doch grofses Aufsehen gemacht, und war insbesondre,
wie es scheint^ geeignet, den Cäsarmördem Hoffiiung zu geben,
dafs sie nun nach Rom zurückkehren könnten, während Antonius
allerdings sie nicht zulassen wollte.') Sie erliefs'en die dringende
1) VgL auXeer deo Ersählungen den Brief von Brutus und Cassius au
Anioniiu bei Cic. ad fiam. 11, 2.
S) Dies legt besonders ansfOhrlich dar Appian 8, 89fiP.
3) Vgl. ihren Brief an Antonius vom 4. August bei Cic. ad fam. 11, 3.
Her.og, d. röm. StaaUverf. U. 1. O^iti.ed byGoOglC
- 66 -
Aufforderung an ihre Freunde im Senat, ihre Sitze in dieser
Behörde einzunehmen und zu ihren Gunsten zu wirken.*) Auch
Cicero^ der bis zum Amtsantritt der nächsten Konsuln hatte
warten wollen^ mochte sich nuu nicht länger seiner Pflicht ent-
ziehen und begab sich, ungern genug, auf den Weg nach Rom.
Gleichzeitig hatte aber auch der junge Cäsar sich an ihn ge-
wendet und wiederholte seine Bitte um Beratung für sein Vor-
gehen gegen Antonius und um die Vertretung seiner Interessen
im Senat. Cicero konnte sich keine Illusionen darüber machen,
dafs er in Rom in Konflikt mit Antonius kommen muTste, und
es war angezeigt, hieför einen Rückhalt an dessen Gegnern zu
haben, aber diese Gegner waren verschiedener Art und es war
ihm unbequem, sich mit dem einen oder andern für die Zukunft
zu kompromittieren. Indessen langte er am 31. August in Rom
an, eben recht, um von Antonius auf den 1. Sept. in den Senat
geladen zu werden. Er entzog sich der Ladung, obgleich er
vom Konsul dafür bedroht wurde, erschien aber am 2. Sept.,
und nun begann der Kampf seiner Reden gegen Antonius, der
immer heftiger werdend ihn nicht mehr zurücktreten liefs, um
ihn schliefslich zum Untergang zu führen.^) Die erste Rede
führte zu einem unmittelbaren Resultate nicht; ihr Hauptgegen-
stand war, sich zu rechtfertigen und die Anklage gegen das
ganze bisherige Verfahren des Antonius oflfen zu erheben, vor
Allem gegen das Verfahren mit den angeblichen (xcta Caesaris,
während er doch daneben wirkliche Ordnungen Cäsars, wie die
über die Provinzen, über die Zusammensetzung der Gerichtshofe,
über die Verschärfung der Strafjustiz in teils fertigen, teils eben
erst promulgierten Gesetzen umstofse. Dafür, dafs die Cäsar-
mörder zurückkehren sollten, geschah nichts. Auch der einige
Wochen darauf folgende rhetorische Waffengang konnte nur den
Zweck haben, Stimmung unter den Senatoren zu machen, die
1) Ad Att., 16, 7, 1.
2) Zur Charakteristik dieser Eeden ist bemerkenswert, dais die beiden
Gegner in diesem Kampf sich nie persönlich gegenüberstanden. Am 2. Sept.
war Antonius nicht zugegen; eine Erwiderung gab er erst am 19. Sept.,
nachdem er die Zwischenzeit aufserhalb Roms zugebracht; an diesem Tage
war wiederum Cicero nicht anwesend, und die Antwort, die er in der
2. Philippika gab, war nur eine schriftliche. Als Cicero am 20. Dec. wieder
in der Kurie erschien, um den Kampf aufs neue aufzunehmen, stand An-
tonius bereits im Feld, und so sind auch alle folgenden Beden gegen den
abwesenden Gegner gehalten worden.
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- 67 -
wirkliche Aktion hatte bereits auf einem andern Felde begonnen.
Die Truppen von Makedonien waren im September vollends in
Brundisium angekommen, und Aiitonius ging dorthin ab, um sie
zu übernehmen. Nun glaubte Octavian den Augenblick ge-
kommen, in dem auch er rüsten müsse, warb seinerseits unter
den Veteranen in Campanien und suchte die makedonischen
Legionen dem Antonius abwendig zu machen. Das erstere ge-
lang in erheblichem Mafse, das letztere führte schon in Brun-
disium wenigstens zu ernstlichen Schwierigkeiten für Antonius,
und nachdem derselbe dann einen Teil der Truppen an der Ost-
küste hin nordwärts geschickt, einen andern in die Nähe von
Rom verlegt hatte, wurde dieser letztere meuterisch und zwei »
Legionen gingen zu Octavian über. So hatte nun dieser ein
Heer, aber er hatte es als Privatmann ohne jede Berechtigung.*)
Er selbst wufste wohl, was das fQr ihn bedeute, und drängte,
dafs Cicero im Senat ein Imperium für ihn durchsetze, aber
Cicero beeilte sich nicht. Am 9. Dec kam er endlich nach Rom,
das ohne Konsuln war, da Antonius im Feld stand und Dola-
bella, über den auch Cicero sich keiner Täuschung mehr hin-
geben konnte*), fortging, um die Provinz Syrien sich zu sichern.')
In einer von den neuen Tribunen berufenen Sitzung trat er am
20. Dec. für die Erteilung eines Kommandos an Octavian auf,
wobei er es vollkommen billigte, dafs dieser gegen den Konsul
ohne Auftrag ein Heer geworben, Meutereien unter den Legionen
hervorgerufen und gegen ihn nun im Feld stand. Doch sollte
jetzt seine Stellung an der Spitze von Truppen legitimiert, D.
Brutus in Gallien bestätigt und die Veränderungen in der Pro-
vinzenverteilung, welche Antonius veranlafst, für ungültig erklärt
werden.^) Der volle Sinn der Anträge des Cicero war, dem
Antonius direkt den Krieg zu erklären, allein der Senat trat ihm
nicht ganz bei; er liefs dem D. Brutus Gallien, ging auch hin-
1) Monum. Ancyr. tab. lat. 1, 1: Amu)8 undeoiginH natus exercitum
prwmto conaüio et privata in^pensa comparam, per quem remp. dommatione
faetioma oppressam in Itbertatem vindicavi, Oic. Phil. 8, 3.
2) Ad Att 16, 15, 1.
8) Dio 46, 16. 47, 29. App. 8, 24.
4) Cic. Philipp. 8, 87—89. — Die Tribanen hatt<;ii zunächst referiert,
uU senatm KcU, JanuariM tuto ?Mberi senteniiaegue de summa rep, libere
diei paseint, womit eine Erörterung der allgemeinen Lage ?on selbst ge-
geben war.
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^ 68 -
sichtlich der andern Provinzen auf die Ordnung vor den letzten
Änderungen des Antonius zurück, aber er verschob die Erteilung
eines Imperiums an Octavian und die Belohnung der gegen
Antonius im Feld stehenden Führer und Soldaten auf das neue
Konsulat und er erklärte nicht direkt dem Antonius den Krieg. ^)
Cicero konnte dem Volk gegenüber*), als er diesem die Senats-
beschlüsse mitteilte, wohl so sprechen, als ob der Krieg damit
erklärt, Antonius als Feind bezeichnet wäre, der Senat hatte die
Sache doch nur so gefafst, dafs die Möglichkeit zu Unterhand-
lungen noch oflfen bleibe.
Für Brutus und Cassius, welche dem Octavian ebenso mifs-
• trauisch gegenüberstanden wie dem Antonius, war diese Wendung
der Dinge am wenigsten befriedigend. Sie hatten bereits im
September, nachdem ihre Aussicht, in Rom auftreten zu können,
vereitelt war, darauf verzichtet, zu warten, bis ihnen der Senat
helfe, hatten die ihnen zuletzt überwiesene Funktion abgeworfen
und sich nach den Provinzen auf den Weg gemacht, die ihnen
früher Cäsar bestimmt hatte, Brutus nach Makedonien, Cassius
nach Syrien.*) Es war dies durchaus willkürlich; denn über
diese Provinzen war seit Cäsars Tod wiederholt anders verfügt
worden, über Makedonien, nachdem M. Antonius sich Gallien
hatte bewilligen lassen, D. Brutus aber auf den Tausch mit
Makedonien nicht eingegangen war, zuletzt noch zu Gunsten
des Prätors C. Antonius; und auch der Beschlufe vom 20. Dez.,
der die durch Antonius getroffenen Bestimmungen in dieser
Beziehung aufhob, liefe die Frage über die Neubesetzung offen,
indem in denjenigen Provinzen, über welche noch nicht nameni-
1) Ad fam. 12, 22, S: a. d, XIIL KcU. Januar. senat/M mihi est ad-
sensus cum de caeteris rebus magnis et necessarüs tum de provineüs ab Us
qui obtinererU retinendis neque cuiquam tradendis nisi qui ex s. c. succesaisset,
ebenso 12, 26, 2. Damit war der Volksbeschlols über Gallien nicht anerkannt.
Philipp. 4, 4: {C, Caesaris) de laudtbus et Jionortbus — mihi senatus ctd-
sensus decremt, ut primo quoque tempore referretur; damit war der
Beschlufs darüber auf 1. Jan. verschoben. 6, 4: decrevistis, ut et depraemiis
militum et de honoribus imperatorum primo quoque tempore referretur. 4, 1 :
est hostis a senaiu nondum verbo appellatus, sed re iam iudic€Uu8
Antonius.
2) Philipp. 4, 1 ff. (s. vorh. Anm.)
8) Plut. Brut. 28 f., Cic. Philipp. 10, 8: etmdem (Brutum) vidi postea
Veliae (vgl. ad Att. 16, 7), cedentem ItaUa. — Cassii classis paucis post
diebus consequebaiur*
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- 69 -
lieh entschieden — und zu diesen gehörten Makedonien und
Syrien nicht — die bisherigen Statthalter gelassen wurden J)
Der Senat sah auch hierüber hinweg, verzichtete also auch ihnen
gegenüber wie bisher gegenüber dem Octavian auf Geltend-
machung dessen y was seine Regierungsauktorität dagegen einzu-
wenden hatte, und liefs vorläufig die Dinge gehen, wie sie gingen,
sich dabei vorbehaltend, diese Usurpatoren von Provinzen, wenn
sie es zu einer Macht gebracht hätten, zu gebrauchen. Allein
das Bedenkliche, das in diesem Gehenlassen lag, mufsten gerade
die Cäsarmörder wohl empfinden. Nach den bisherigen Vor-
gängen war die Möglichkeit eines Übergewichts des jungen
Cäsar wohl denkbar; dann war der Senat, wenn er dem Cicero
folgte, an ihn gebunden und ihnen der Kampf unter ungünstigen
Bedingungen sicher; ebenso leicht möglich war eine Verbindung
der Rächer Cäsars gegen seine Mörder, und dann war es für
diese noch schlimmer. Für den Senat aber lag im gegenwärtigen
Augenblick die Sache so, dafs die einzige Stütze, welche sich aus-
drücklich zu seiner Verfügung gestellt hatte, der in seiner Pro-
vinz eingeschlossene D. Brutus war. In dieser Provinz lag denn
unn auch die nächste Entscheidung.
11. Als D. Brutus das Kommando im Polande übernommen ner mutiueu-
hatte, war denkbar, dafs ein rasches Vorgehen gegen Rom die
Lage zu Gunsten der Verschworenen hätte ändern und eine
Bestauration in sullanischem Sinn ermöglichen können. Allein
hiezu war Brutus der Mann nicht. Hatte er doch anfangs die
günstige Position, die ihm seine Provinz gewährte, gar nicht er-
kannt und daran gedacht, auf sie zu verzichten; wie er dann
ein Heer unter seinem Befehl hatte, liefs er die Dinge in Rom
gehen wie sie wollten, und wufste nichts besseres zu thun, als
in einem Raubzug gegen Alpenvölker sich den Titel Imperator
und seinen Soldaten Beute zu holen. Antonius war es, der ihn
in die Aktion für die Republik hereinzog, indem er ihm durch
Volksschlufs seine Provinz nahm. Brutus weigerte sich auch
des angebotenen Tausches und erklärte dem Senat gegenüber auf
seinem Posten bleiben und damit zugleich die Sache der Republik
verfechten zu wollen. Inzwischen hatte Antonius seine make-
donischen Truppen gegen ihn mobil gemacht, darüber war
Octavian aufgetreten und hatte die zu ihm haltenden Heeresteile
1) Ad fatn. 12, 22, 3 (ob. S. 68 A. 1).
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— 70 -
nach Etrurien bestellt^ und der Senat stand nun vor der Ent-
scheidung zwischen dem Konsul; der die ihm durch einen Yolb-
schlufs zugesprochene Provinz besetzen wollte; und den Gegnern
desselben, dem diesem Volksschlufs widerstrebenden D. Brutus
und dem ohne jegliche Auktorität handelnden Cäsarerben. Der
Bürgerkrieg konnte verhindert werden, wenn der Senat der
Auktorität des Konsuls beitrat und dann seine Gegner, einer
wesentlichen Stütze beraubt, sich zum Nachgeben bereit erklärten;
auch durfte man den Kampf nicht leicht nehmen, da die Statt-
halter des jenseitigen Galliens und Spaniens dem Antonius geneigt
waren; aber wenn nun Antonius Herr der Lage und auf sechs
Jahre Statthalter an der Grenze Italiens war, was stand dann
zu erwarten? Der Senat versuchte noch einen Mittelweg. Die-
jeDJgen, welche die am 10. Dez. ins Amt gekommenen Tribunen
'zn der Berufung des Senats auf den 20. Dez. und zu dem An-
trag veranlafst hatten, es solle Fürsorge getroffen werden, dafs
der Senat am 1. Januar unter dem Vorsitz der neuen Konsuln
in Sicherheit beraten könne, wollten damit offenbar den An-
tütiius schrecken, aber indem sie keine Weisungen gaben, wie
jene Fürsorge getroffen werden solle, weder den D. Brutus noch
deu Octavian dabei nannten, so konnte ein solches Vorgehen
auf Antonius keinen Eindruck machen, und Cicero hatte von
seinem Standpunkt aus Recht gehabt, wenn er verlangte, dafs
jene beiden anerkannt würden; er hatte aber, wie bereits bemerkt^
seine Anträge nicht sofort ganz durch gebracht. Die Majorität^
vorsichtiger als Cicero, wollte sich, so lange der Senat nicht
Konsuln zu seiner Verfügung hätte, nicht dem Octavian in die
llände geben, der allein zwischen Rom und Antonius stand, und
hoffte trotz allem, dafs die neuen Konsuln die Sache zu besserer
Wendung bringen würden; die kurze Zwischenzeit völlig irre-
gulärer Verhältnisse wollte man auf sich nehmen. In dieser
Zwischenzeit rückte Antonius in die Provinz ein, D. Brutus wich
zurück und warf sich schliefslich in die wohl befestigte und ver-
sehene, auch günstig gelegene Kolonie Mutina, um sich dort zu
halten, bis Antonius von der andern Seite gefafst würde. So
war man denn thatsächlich im Bürgerkrieg, als das sehnlich er-
wartete neue Jahr anbrach. Als die neuen Konsuln am 1. Jan.
den Senat beriefen und über die Lage des Staats berichteten,
trfit sofort noch deutlicher als am 20. Dez. hervor, dafs Ciceros
Drängen gegen Antonius nicht im Sinne der Majorität des Senats
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- 71 -
war, und daXs auch die Konsuln die Stimmung der Mehrzahl
teilten. Die durch die Beschlüsse vom 20. Dez. angezeigte
Richtung der Debatte auf Belohnung der gegen Antonius im
Felde Stehenden wurde zwar im allgemeinen eingehalten , aber
entsprechend dem für diese Sitzung notwendig gegebenen Referat
über die Lage des Staats überhaupt war der Gesichtspunkt er-
weitert Die Wortführer des Antonius waren der Eonsular
Q. Fufius CalenuS; der des referierenden Konsuls Schwiegervater
war, L. Piso^) und der Tribun Salvius. Es war schon unan-
genehm; dafs der Konsul nicht den Cicero, sondern den Calenus
zuerst fragte; als dieser den Vorschlag einer Gesandtschaft an
Antonius machte, war dem, was Cicero wollte, einer Kriegs-
erklärung an denselben mit allen ihren Konsequenzen, zum voraus
die Spitze abgebrochen. Innerhalb der viertägigen Verhandlungen,
deren lange Dauer zum Teil durch den Tribun Salvius veraulafst
war, wurde zuerst in einer Abstimmung vom 3. Jan« dem Cicero
das Zugeständnis gemacht, dafs man den einen Teil seiner An-
träge vom 1. Jan. erledigte und den Gegnern des Antonius be-
deutende Bewilligungen machte, am 4. Jan. aber ging, nachdem
Salvius die Abstimmung über die Hauptfrage bis zu diesem
Tage hioausgezogen, nicht die Kriegserklärung, sondern die Ab-
sendung der Gesandtschaft durch mit der Weisung, dieselbe solle
den Antonius von Fortsetzung der Feindseligkeiten abbringen');
nur war die Klausel zugegeben, dafs, wenn er sich nicht füge,
der Krieg erklärt werden solle.') Jene Beschlüsse aber für die
bereits im Feld Stehenden boten dem D. Brutus den Ausdruck
der Anerkennung, den Soldaten des Octavian, insbesondere den
1) Piso, der Schwiegervater des verst. Cäsar, hatte sich am 1. Aug.
gegen den Mifsbranch des Antonius mit den acta und commentarii Caesarts
erklärt, auch jetzt war er nicht für Antonius (Cic. Phil. 12, 14: excessurum
9e ex ItaJia dixit Piso, si remp, oppreasisset ÄntaniiM)^ er wollte nur nicht
die Kriegserklärung und sprach in diesem Sinn für ihn und gegen Cicero.
2) Die fünfte Philippika, am 1. Jan. gehalten, welche seine Anträge
enthielt, gehört dieser Debatte an; über die Dauer der Debatte App. 3, 60 f.
Die 46^ 29; an letzterer Stelle die Beschlüsse. Letztere teilte er wie nach
der Sitzung vom 20. Dez. in der 4. Philipp., so jetzt in der 6. noch am
4. Jan. dem Volk in einer durch den Tribun P. Appulejus berufenen
Kontio mit, sie für seine Zwecke interpretierend. Die Angabe bei Appian
8, 61, dals Cicero die Instruktion der Gesandten formulieren sollte, un-
walirscheinlich an sich, wird durch Cicero selbst nicht bestätigt.
3) Philipp. 6, 9: est ita decretum, ut, si iUe auctoriiati senatus nan
pamüset, ad aaga iretur,
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— 72 -
von Autouius abgefallenen Legionen die Zusicherung beträchtr
licher Belohnungen^), dem Octavian, und dies war für die Zu-
kunft das wichtigste, eine legitime Stellung. Bei letzterer Kon-
zession ging man sogar über den Antragsteller Cicero in etwas
hinaus. Dieser hatte in Anwendung von Vorgängen unter Cäsar
beantragt, dafs Octavian in den Senat aufgenommen und damit
für die Amterlaufbahn über die unterste Stufe der Magistratur,
die Quästur, hinausgehoben, also fernerhin berechtigt sein solle,
sich um die Magistrate zu bewerben, wie wenn er im vorher-
gehenden Jahre Quästor gewesen wäre; im Senat aber solle er
sein Stimmrecht unter den Prätoriern ausüben dürfen. Der
letztere Teil des Antrags nun wurde noch dahin gesteigert, dafs
man ihn mit der Stufe der Eonsulare stimmen liefs.^) Sodann
1) Über D. Brutus Philipp. 6, 6; über das Heer des Octavian 7, 10:
vacationes, pecunias^ agros, Dio 46, 29: tois ctQaxKotaig %al ins^voig (deo
von ihm geworbenen) xal tois xov 'Jvtciviov iyxatalinovci tb ft^i^t' aXXov
xiva noXefiov noXsfirjacti. xal x^Q^'*^ svd"üs Sod^vai i^ritpiaavto,
2) Cicero beantragt nach onsrer Überlieferung Philipp. 5, 46: C. Ccte-
sarem, C. filium, pantifkem^ pro praetore, senatorem esse sentenHamqiie loco
praetorio dicere: eiusque rationemy quemcunqw magistratum petet, ita haberi
ut haberi per leges liceret^ 8% anno superiore quaestor fuisset. Vorher 45:
demfM igitwr imperium Gaesari: — sit pro praetore eo ittre quo qui optima.
Den Besohl ufs giebt das monum. Ancjr. tab. lat. 1, 8 f.: [senajtus decretis
honorificis in ordinem suum m[e adUgit C. Pansa A. Uirtijo consu-
libufs, cjonfsiilajrem locum fsimtU dans sententiae ferendae et imjperium mihi
dedit; respuhlica n[e quid detrimenH caperet, mej pro praetore simtU cum
consulibus profvidere iussitj. An diese authentischen Erklärungen müssen
vir uns halten, nach ihnen sind die anderen Zeugnisse zn beurteilen; daDs
August in der Angabe von dem locus consuiaris übertrieben habe, ist nicht
anzunehmen, wie es aber dazu kam, dafs man hierin über den Antrag des
Cicero hinausging, wissen wir nicht. Bei Cic. ad Brut. 1, 16, 7 heilst es:
decrevi imperium — ; statuam Philippus decrevit, celeritaUm petitUmis primo
Serv'us, post maiorem etiam Servilius; nihil tum nimium videbiitur. Indessen
bezog sich jene Steigerung im Beschlufs nicht auf die celeritas petüionis^
sondern nur auf die Bangstufe der Abstimmung. Die celeritas petitionis
drücken App. 3, 61. 88, Dio 46, 29 richtig dahin aus, dafs er dabei 10 Jahre
gegenüber dem gesetzlich vorgeschriebenen Alter für Prätur und Eonsalat
gewinnen sollte. Die Beschlüsse über die Senatsehren und über das imperium
waren gesondert. — Über die Bedeutung dieser Beschlüsse haben in ver-
schiedenem Sinne gehandelt Nipperdey, die leges annäles der röm. Rep.
(Abb. der phil.-bist. El. der sächs. Gesellsch., Bd. V) S. 69 ff. Mommsen,
Staatsr. 1, 442 f. Ees gestete divi Aug, p. 3*. Lange 3, 611. Mommsen
zeigt, dafs es nicht richtig ist, mit Nipperdey und Lange Philipp. 6, 46 zu
schreiben loco quaestorio st. l. praetorio.
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- 73 -
aber sollte er an der Spitze der yoq ihm gesammelten Truppen
ein reguläres Kommando mit der Stellung eines Propi^tors haben.
So war dem Octayian viel bewilligt an wirklicher Gewalt, wie
an Ehre; in letzterer Hinsicht ging man noch so weit, ihm in
Analogie der höchsten bisherigen Machthaber ein Reiterstandbild
za dekretieren^); zur Beschränkung sollte es dienen, dafs minde-
stens der eine Konsul sofort ausrücke, indem damit jenes pro-
pratorische Kommando uiunittelbar zu einem untergeordneten
wurde.')
Nachdem durch diese Beschlüsse eine neue Grundlage ge-
scha£Fen war, liefs sich die Lage übersehen. Sie hatte sich mit
diesem Jahresanfang für die Bepublik anscheinend wesentlich
gebessert Die Magistratur in Rom, in den Händen der ordent-
lichen Beamten, war in sich einig für den yerfassungsmäisigen
Zustand, die Konsuln, gemäfsigte Cäsarianer, aber weder dem
jungen Cäsar, noch dem Antonius verpflichtet, waren gewillt, im
Einvernehmen mit dem Senat und unter dessen Auktorität zu
handeln, und hatten für Politik und Kriegführung die zu ihrem Amte
nötige Befähigung. Im Senat, geteilt wie er war, war doch eine
Majorität mindestens für die Au&echthaltung der Republik, das
Volk in Rom war ähnlich gestimmt, und diese Stimmung band
auch diejenigen Elemente des Volkstribunats, welche von Antonius
gewonnen waren. Von solchen hauptstädtischen Verhältnissen
aus hatte man zur unmittelbaren Verfügung, was die Konsuln
mit dem ihnen gewordenen Auftrag an Truppen und sonstigen
Hilfsmitteln aufbringen konnten, das Heer des Octavian und dem
Anschein nach wenigstens die Italien zunächstliegenden Provinzial-
kommandos. Die Verhältnisse im Osten harrten noch der Rege-
lung; augenblicklich waren Brutus und Cassius dort nicht legiti-
miert und was ihnen entgegenstand, C. Antonius in lUyrien und
Dolabella in Syrien, zwar mit einer Vollmacht versehen, aoer
der bestehenden Regierung feindlich; indessen die östlichen Ver-
haltnisse konnte man vorläufig sich selbst überlassen und alle
unmittelbare Fürsorge auf das cisalpinische Gallien konzentrieren.
Nachdem Hirtius den Oberbefehl übernommen, war hier das
Operationsgebiet gegeben durch die Linie der ämilischen Strafse
von Ariminum bis jenseits von Mutina. . Antonius, der den
1) VeU. 2, 61.
2) Philipp. 7, 11: decrevistis, ut consuies aiter anibove ad beUum pro-
ficiaeercntur. ^ .
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~ 74 —
D. Brutus in letzterer Festung eingeschlossen hielt und in der
Richtung gegen Ariminum die Strafse bis Bononia beherrschte^
hatte vor dieser Stadt sich gegenüber zuerst das Heer des HirtinS;
hinter diesem das des Octavian. Zunächst hatte die Gesandtschaft^
mit der Sulpicius^ Piso und Philippus betraut waren, in dem
Lager des Octavian, Antonius und Brutus ihre Aufträge zu be-
stellen und mit Antonius zu verhandeln; unterwegs starb Sal-
picius; die zwei andern voUf&hrten ihren Auftrag, brachten aber
von Antonius Ende Januar nicht Unterwerfung unter den Befehl
des Senats mit, sondern Gegenvorschläge, welche geeignet sein
sollten, den Freunden des Antonius Gelegenheit zu Fortführung
der Verhandlungen zu schaffen, und sie hätten wohl diesen
Erfolg gehabt ^), wenn nicht andere Umstände dazwischen gekommen
wären. Die Verhältnisse im Osten und in Afrika hatten sich
inzwischen so gestaltet, dafs die extremen Gegner des Antonius,
deren Wortführer Cicero war*), dort nun einen Rückhalt hoffen
konnten, und bei allen Wendungen, welche in der nächsten Zeit
das Vorgehen des Senats in Rom bezeichnen, waren diese Neben-
umstände mitbestimmend. Eben im Januar hatte Brutus von
der von ihm usurpierten Provinz Makedonien aus bedeutende Er-
folge gehabt, eine beträchtliche Macht gewonnen und den C. An-
tonius in ApoUonia eingeschlossen. Dies muDste in Rom bekannt
sein, noch ehe Brutus selbst Nachricht gab, und bewirkte ohne
Zweifel, dafs der Senat die von Antonius angebotenen weiteren
Verhandlungen ablehnte und den Kriegszustand eintreten liefs,
jedoch auch jetzt nicht so, wie Cicero wollte, indem man ihm,
wie einem Feinde den Krieg erklärte, sondern indem man sein
Auftreten als Unruhestiftung (tumulius) behandelte'), wohl in der
Absicht, damit rascher zu einem friedlichen Ziel zu gelangen/)
1) Vgl. was Cicero in der 8. Philippika über die Ansichten der Koo-
sulare sagt.
2) In der 7. Philippika, die während der Abwesenheit der Gesandten
im 8enat gehalten wurde, suchte Cicero zum voraus friedlichen Gegen-
vorschlägen entgegenzuarbeiten.
3) Die 8. Philippika, im Senat am Tage nach dem BeschluCB gehalten,
giebt hierüber an § 1: victa est propter verbi cisperUatem tc {Pamä) audare
nostra sententia; vicit L, Caesaris, qui verbi atrocikUe dempta oraHone fuü
quam sententia lenior. 2: BeUi nomen ponendum in sententia tum putabant:
tunmUum appeUare mcUebant.
4) Eigentlich war tumtAUuSf wie Cicero mit Recht hervorhebt, stärker
ab bellum (3 : gravius tumuitum esse quam beUum), weil d^ Wort herkOmm-
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Für den Augenblick aber war damit gegeben sofortiges Auf-
nehmen der Feindseligkeiten auf dem Kriegsschauplatz und Fort-
setzung der Rüstungen in Italien, deren Ergebnis dann der Konsul
Pansa ins Feld führen sollte. Unmittelbar darauf kam offizielle
Notiz des M. Brutus über das, was er in Makedonien erreicht,
und nur diesem thatsächlich Erreichten kann man es zuschreiben,
wenn Pansa bei Vorlage dieser Meldung im Senat das Verlangen
des Brutus, nun als Oberbefehlshaber auf dem ganzen dortigen
Kriegsschauplätze anerkannt zu werden, befürwortend vorlegte
und zur Annahme brachte.^) Es mochte dies durch die that-
sachlichen Umsi&nde geboten sein oder nicht, jedenfalls zeigte
es, dafs, was Konsuln und Senat an Macht zur Verfügung hatten,
nicht ausreichte, um die Auktoritat der Regierung als die herr-
sehende zu erweisen: sonst wäre man nicht genötigt gewesen,
die Usurpatoren, hier den Octavian, dort den M. Brutus anzu-
erkennen. Dieselbe Strömung, welche zu dem letzterwähnten
Beschlufs geführt, gestattete nun auch, an einigen Verfügungen
des verstorbenen Cäsar und des Antonius zu rütteln und dem
Verfahren des letzteren hinsichtlich der Hinterlassenschaft Cäsars
zu Leibe zu gehen ^, ohne dafs jedoch dies eine andere als
symptomatische Bedeutung gehabt hätte. — Mit all dem war
indessen für die Kriegsoperationen in Oberitalien der Februar und
der halbe März so gut wie verloren gegangen; denn das Vor-
rücken der konsularischen Truppen bis Bononia war nicht von
wesentlicher Bedeutung, half insbesondere den in Mutina einge-
schlossenen nicht.
Kein Wunder, wenn darüber in Rom die Freunde des An-
lich bei besoDderer Gefahr für Rom gebraucht und demgemäTa die MaXs-
regehi der Abwehr getroffen worden. Wenn hier tumuUus das für Antonius
mildere sein sollte, so verband man, wie es scheint, damit den Sinn, dafs
es in die Hände der Konsuln gelegt sein sollte, mit Beseitigung der Gefahr
den Kampf beendigt sein zu lassen; nach der Schlacht von Mutina nämlich
▼erlangten nun die Anhänger des Antonius, ut vestitua tnutetur, d. h. die
saga abgelegt, der Kriegszustand als aufgehoben betrachtet werde. Phi-
lipp. 14, 2.
1) Den Antrag Pansas unterstützte Cicero mit der 10. Philippika, nach-
dem vorher Calenns dagegen gesprochen. Der Antrag lautete (§ 26): tUi —
Brutus pro cansuie protnnciam Mttcedoniam, Ulyriam cunctamque Chraeciam
iuMüWy defendat, custoduxt incolumemque canservet eique exercitm, quem ipse
constüuü comparavit, praesü etc. Hortensius sollte Statthalter von Make-
donien bleiben.
2) Vgl darüber die 13. Philippika. ^ ,
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— 76 -
touius wieder mit Yermittlungsvorschlägen kamen^ bei denen sie
jetzt — man sieht nicht klar, weshalb — einen Augenblick so-
gar den Cicero dazu brachten, dafs er bereit war^ Mitglied einer
Gesandtschaft an Antonius zu werden^); mit seiner schlielslichen
Weigerung wurde die Gesandtschaft selbst aufgegeben. Inzwischen
war nun aber gegen die Mitte des März auch die Nachricht ge-
kommen, dafs Dolabella, der in Syrien dem Gassius zuvorge-
kommen war, den Statthalter von Asien, den Cäsarmorder Trebonius,
gpausam getötet habe. Selbst die Freunde des Antonius konnten
in der Verurteilung dieser That nicht zurückbleiben, and es
kostete den Galenus wenig, den Yerdammungsantrag gegen Dola-
bella zu stellen: die Hauptfrage aber war, wer nun den Kampf
gegen Dolabella aufiiehmen und damit die Auktoritat des Staats
in ganz Vorderasien vertreten sollte. Cicero wollte dies in der-
selben Weise dem Gassius verschaffen, wie man es dem Brutus
für Makedonien, Illyrien und Griechenland übertragen^), und dann
freilich war der ganze Osten den Cäsarmordem formlich in die
Hände gegeben; dann war aber auch die jetzige Regierung von
ihnen abhängig, wenn sie, was Cicero als selbstverständlich an-
sah, den Krieg gegen Antonius aufrecht erhalten wollte. Kein
Wunder, wenn der Konsul Pansa hier entschieden Widerstand
leistete und dafür sorgte, dafs der Vorschlag Ciceros im Senat
nicht zur Abstimmung kam, der Krieg in Syrien vielmehr den
Konsuln selbst vorbehalten blieb und Ciceros Versuch, in einer
Kontio Stimmung für seinen Vorschlag zu machen, fehlschlug.
Cicero tröstete sich und den Gassius damit, dafs thatsächlich der
letztere in Asien alles sich nehmen könne, was er ihm durch den
Senat zu verschaffen versucht hatte'), aber es war für den Erfolg
doch nicht gleichgültig, ob Gassius ein legitimer Heerführer war
oder nicht, und vom Eingreifen im Westen wurde er damit
vollends abgehalten.
In der zweiten Hälfte des März ging nun auch der Konsul
Pansa auf den Kriegsschauplatz ab und übergab die Stellver-
tretung in Rom dem städtischen Prätor M. Cornutus, einem
1) Der Senat bescblofs darüber am 19. März. Drnmann 1, 278 deutet
die Zustimmung Ciceros in einem für diesen durchaus ungÜDstigen Sinne.
Cicero selbst erklärt in der 12. Philippika, in der er das Fallenlassen der
Gesandtschaft empfiehlt, er sei getäoscht worden.
2) Dies der Zweck der 11. Philippika.
3) Vgl. über dies alles ad £un. 12, 7.
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Manne, der nur fSr die formelle Repräsentation geeignet war,
so dafs die materielle Leitung des Senats nun ganz bei den Eon-
solaren war. Die nächste Entscheidung lag freilich jetzt auf dem
italischen Kriegsschauplatze, aber die Verwicklungen, welche die
Provinzen boten, kamen vor den Senat in Rom und dieser allein
konnte die Hilfsmittel, welche aus den verschiedenen Teilen des
Reichs zu ziehen waren, verwerten. Für den Augenblick erfolg-
los, aber eine Warnung für die Zukunft waren die Versöhnungs-
versnche der Statthalter Lepidus und Plancus^); sie bildeten für
den ersteren bereits den Anfang zum Übergang und zeigten hin-
sichtlich des zweiten, dals, obgleich derselbe sonst sich eifrig zum
Senat bekannte, wenigstens die ciceronische Seite des Senats nicht
auf ihn zählen konnte. Dagegen stellten sich den Republikanern
zur Verfügung der Statthalter der alten Provinz Afrika Q. Corni-
ficius^ nnd von Massilia aus, wo er sich eben mit seiner Flotte
aufhielt, S. Pompejus.')
Nach einem vergeblichen Versuche des Antonius, die ihm
gegenüberstehenden Cäsarianer zu sich herüberzuziehen, wurde
der Kampf vor Mutina ernsthaft aufgenommen; er endigte nach
vorübergehendem Erfolg des Antonius in der zweiten Hälfte des
April infolge der Schlachten von Forum Gallorum und Mutina
mit dem Sieg der Konsuln.^) Aber der einzige Erfolg war die
Befreiung Mutinas, die beiden Konsuln wurden das Opfer des
Kampfs, der eine in der Schlacht, der andere infolge seiner Ver-
wundung, Antonius entkam, ohne dafs ihn D. Brutus und Octa-
vian verfolgten, unterwegs neue Kräfte an sich ziehend, nach
1) Ad fam. 10, 6, 1 (an Plancas, datiert vom 20. Man, dem Tage der
betr. SenatsBitKong): qu€ie recitatae litterae su/nt in senatu^ nequaquam con-
8enHre cum Fumii araUane videfOur, — de pace litUrae vel Lepidi vd tuae
etc. Cicero spricht darüber in der 13. Philippika, in eben jener Sitzung.
Ober das Datum Drum. 1, 282.
2) Ad fam. 12, 26; nach diesem Briefe wnrde die Stellungnahme des
Q. Comificius im Senat am 19. März anerkannt. Com. hatte als Nachbar
den cäsarianischen Statthalter der neuen afrikanischen Provinz Nomidien
T. Seitias nnd in seiner eigenen Provinz seines Postens sich zo wehren
gehabt. Dio 48, 21.
3) Wenigstens versicherte dies Cicero im Senat. Philipp. 13, 13.
4) Die Daten der Schlachten sind nicht genaa überliefert. Die Aktion
begann am 16. April (Bericht des Galba ad fam. 10, 30, 1) nnd war minde-
stens 2 Tage vor dem 29. zn Ende. (Vgl. den Brief des D. Brutns vom
29. Mai ad fiam. 11, 9.) Die Erz&hlnng von den K&mpfen geben App. 3, 66 ff.
Dio 46, 37 ff. n }
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Gallien, wo Lepidus stand, mit dem er bereits Verbindangen
angeknüpft hatte.
Für den Fall des Yerschwindens beider Konsuln hatte die
alte Verfassung vor Allem das Interregnum vorgesehen, um eine
Neuwahl zu veranstalten, und je nachdem die Verhältnisse lagen,
konnte man dann vermittelst der Konsuln auch noch zu einer
Diktatur gelangen, um über den getrennten Kriegsschauplätzen
Einheit des Kommandos zu haben und die Auktorität der Regie-
rung möglichst kräftig zu vertreten; allein von einem Interregnum
schreckten wohl die Erfahrungen der Jahre 53 und 52 (1, 558)
ab, und die Diktatur war eben feierlichst abgeschafft wordea
Aber man wollte auch nicht auf andere Weise sofort zu neuen
Konsuln kommen, schob die Wahlen hinaus, und so stand das
republikanische Regiment in Rom wieder einmal Heerführern
gefährlichster Art gegenüber ohne ein magistratisches Oberhaupt
von Auktorität, mit einem unselbständigen Stellvertreter eines
solchen, ohne ii^end namhafte eigene Truppen, angewiesen auf
die Unterstützung entlegener Provinzialheere, die in diesen Pro-
vinzen selbst mit Gegnern zu kämpfen hatten, die Oberleitung
aber wollte die rednerische Rührigkeit eines Konsulars über-
nehmen. Eine solche Schwäche der Stellung der Senatsregierung
lud die Heerführer aus Cäsars Schule geradezu ein, sich gegen
sie zu verschwören.^) — Cicero freilich und die, welche im Senat
sich zu ihm hielten, dachten zunächst gar nicht an das Bedenk-
liche der Lage^); wohl machte Cicero denen gegenüber, welche
schon nach dem ersten Siege der Konsuln in Oberitalien im
Interesse des Antonius den Kampf als beendigt ansehen wollten,
geltend, dafe Antonius vernichtet sein müsse, ehe man das Kriegs-
kleid ablegen dürfe ^); allein, da er die Lage nicht übersah, ver-
griffer sich vollständig in den Mitteln, welche zu diesem Ziele führen
sollten. Nach dem Entsatz von Mutina wurde Octavian durch demon-
strative Zurücksetzung beleidigt und D. Brutus, der bis jetzt für
1) Dies sah auch D. Brutos wohl ein. Ad £Eim. 11, 10.
8) Ad fam. 11, 14: victoria fmntiaia in müUa saecula videbamus remp.
libercUam; auch die seitdem bis zu dem betr. Brief eingetretene Einsicht in
den mangelhaften Erfolg dämpfte nur etwas die Zuversicht.
8) Vgl. die 14. Philippika. Es wurde nun auch Antonios förmlich als
Feind erklärt. Liv. epii 119: hostis a senatu cum onmibtu, qui intra prae-
sidia eiuB essent^ iudicatm est. Nach ad Bmt. 1, 5, 1 w&re dies am 26. April
geschehen.
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die republikanische Sache so gut wie nichts geleistet^ ihm voran-
gesetzt, um nun sich erst recht unfähig zu zeigen.^) In Rom
wurde eine Zehnmännerkommission zur Revision des Verfahrens
von Antonius mit den acta Caesaris eingesetzt und eine zweite^
welche die Ackerverteilung mit Beziehung auf die siegreichen
Truppen in die Hand nehmen sollte. Diese letztere hatte nicht
blofs darin eine Spitze gegen Octavian'); dafs er nicht in diese
Kommission gewählt wurde^ sondern man sprach auch von Hint-
ansetzung seiner Veteranen gegenüber den bei den Kämpfen be-
teiligt gewesenen neuausgehobenen Truppen. Andrerseits gab
man nun dem Cassius den Oberbefehl in den asiatischen Pro-
vinzen und dem S. Pompejus ein legitimes Flottenkommando'),
näherte sich also allem, was antic&sarianisch war, ohne zu be-
denken, dafs dem gegenüber nun auch die ganze alte cäsarianische
Partei sich zusammenfinden konnte.
Unter diesen Umständen vollzog sich am 29. Mai die Ver-
einigung von Antonius und Lepidus. Diese erhielt zwar scheinbar
ein Gegengewicht dadurch, dafs auch Plancus und D. Brutus, die
für das nächste Jahr designierten Konsuln, in derselben narbo-
nensischen Provinz sich vereinigten*), allein diesen beiden fehlte
jede Initiative. Nun dachte Cicero an Brutus und Cassius und
rief die afrikanischen Truppen des Comificius herbei^), indes jene
kamen nicht^ und die afrikanischen Legionen hatten unter Cäsar
gedient. Den Lepidus nunmehr wie den Antonius als Feind zu
betrachten, wagte man übrigens auch in Rom noch nicht — er
selbst hatte gemeldet, er sei in einer Zwangslage gewesen. Erst
am 30. Juni, als man sich über den Sinn jener Vereinigung nicht
mehr täuschen konnte, erklärte man ihn als Feind des Staats^,
sah sich aber eben deshalb genötigt, den Octavian, den man
hatte bei Seite schieben wollen, wieder beizuziehen mit dem
Auftrag, die in Gallien stehenden Feinde gemeinsam mit D. Brutus
1) App. 3, 74 f., wo Octavian aufser durch die Thatsachen anch noch
durch den sterbenden Pansa Aber das Verhalten des Senats gegen ihn be-
lehrt wird. Die 46, 40.
2) Vgl. hierüber besonders ad fom. 11, 20 f.
3) Die 46, 40, wo jedoch nngenan das dem M. Bmtns schon früher er-
teilte Kommando sngleich erwähnt wird.
4) Vgl. über beide Daten den Bericht des Plauens ad fam. 10, 83.
6) Ad fam. 11, 14, 26.
6) Ad üan, 10, 35 (entschuldigender Bericht des Lepidus); 12, 10, 1
(Bcflchlufe der Ächtung). ^ t
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- 80 -
zu bekriegeo.') Indes hatte aber Octavian ein anderes Ziel Tor
sich, das Konsulat Als man nach der Sehlacht bei Mutina
zwei seiner Legionen dem D. Brutus zugewiesen hatte, hatten
sich diese geweigert, von ihm wegzugehen, und seitdem war
Octavian noch weiter der Stimmung seiner Truppen gewifs ge-
worden. Nachdem er nunmehr durch den neuen Kriegsauftrag
auch zu genögender Starke gelangt war, liefs er im Juli durch
eine Deputation seines Heeres fär sich das Konsulat verlangen.
Als der Senat die empörerische Forderung zurückwies, marschierte
Octavian gegen Rom. Nun zeigte sich, wie wehrlos der Senat
war. Dem stadtischen Prätor, als Kommandierenden des Senats,
stand eine einzige Legion von den Rüstungen f&r den mutinen-
sischen Krieg her zu Gebot, mit ihr konnte er die zwei ans
Afrika gekommenen verbinden und so versuchen^ die Stadt zu
verteidigen, aber auch diese Truppen gingen zu Octavian fiba
und die Hoffnung, dafs diesem seine eigenen Soldaten abtrünnig
gemacht werden konnten, erwies sich als trügerisch. Man molste
nachgeben, die Konsnlarwahlen anordnen, und so wurde am
19. August Octavian KonsuP) mit einem von ihm bestimmte
Kollegen Q. Pedius. Unter den Senatoren, welche im Lager des
Octavian erschienen waren, be&nd sich auch Cicero; war es der
Stachel der Demütigung oder unüberwindliche Neigung zu HIo*
sionen — er war es, der nochmals in der Nacht darauf durch
ein blofses Gerücht sich verleiten liels, auf Abfall der Truppen
Octavians zu rechnen, um sofort' wieder enttauscht zu werden.^
Die Wahl der neuen Konsuln wurde, da ein Interregnum sdion
deshalb nicht zulässig erfunden wurde, weil möglichst rasche
Herstellung der vollendeten Thatsache notig war, durch zwei vom
städtischen Prätor bestellte Wahlkommissäre konsularischer Ge-
walt zustande gebracht.^)
1) App. 3, 86. Vgl. auch ad fsan. 10, 84. — Von hier an ist man, da
die ciceronische Quelle aufhört, auf die Historiker angewiesen.
2) Monum. Ancyr. tab. lat 1, 7: Popuius eodem atino me comuiem, cm
lco8, uterque hello eeci] disset, — creamt,
3) App. 3, 98, 93 1: 4 ^ovXri 9vnt6g ig to ßovUvtiiifiov fnwi^op j&sc-
i^mvog i%l xaig &VQ€ng ccixovg S^iunfpJpov.
4) Dio 46, 46: vnaxog nffog xov ÖiqfMV dnsdsix^^ dvo tivmp awtl wfo-
Tfloy n(f6g tag aif%aii^zolug atqt^ivxmv^ iml a^vvaxov ijp fLsaoßuatXia di
oUyov ovxmg iit avxitg %axä xa nax^fw ysvia&aij noXXSv avdQoh xth tirff
BvnaxfflSag aQiäg i%6vxm9 axodriiiovTt<ov, Es scheint denmach immerhin in
ErwäguDg gekommen ku sein, die koustiintionelle Form des Interregnums
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- 81 —
l:s. So war denn nnn der Erbe Cäsars an der höchsten ootaTiana Kon.
magistratischen Stelle im Reich. Es war allerdings nur die einigong mit
ordentliche republikanische Magistratur, also kollegialisch und Lepidut.
zeitlich beschränkt, aber da der Kollege unbedingt von ihm ab-
hängig war, so fiel diese Beschränkung thatsächlich weg; die
zeitliche dagegen kam yoU in Rechnung und war um so wich-
tiger, weil es sich ja nur um ein Nachkonsulat von wenigen
Monaten handelte. Da es undenkbar war, dafs Octavian sich
damit begnögte, so lag hierin der unmittelbare Antrieb, so bald
wie möglich fär eine länger befristete Gewalt zu sorgen. An
rechtzeitiger, dabei aber nicht übereilter, sondern sicherer und
zielbewuijster Fürsorge hieftlr liefs es Octavian auch nicht fehlen.
Das erste, worauf er bedacht war, war die Erfüllung der Erb-
schafbsbedingungen mit ihren Rechten und Lasten. Nachdem, um
allen Anfechtungen zu begegnen, und der Adoption einen publi-
eistischen Charakter zu geben, dieselbe nunmehr auch durch die
Formalität der Euriengenehmigung bestätigt war, wurden die
materiellen vom Testament auferlegten Lasten an Legaten und
Schenkungen, soweit sie noch nicht ausgefolgt waren, vollends
erledigt und dann der moralischen Anforderung der Bestrafung
der Morder genug gethan. Durch ein von dem Kollegen Pedius
eingebrachtes Gesetz wurde ein Spezialgerichtshof für diesen Fall
errichtet, die direkten und indirekten Teilnehmer in Anklage»
stand versetzt und vorgeladen und, da niemand erschienen, in
Abwesenheit verurteilt, demgemäljs in die Acht erklärt und ihres
Vermögens verlustig gesprochen.^) Nunmehr war alles hinfallig,
was dem Brutus und Gassius vom Senat verliehen worden war,
and dem letzteren sollte gleichzeitig, indem Dolabella restituiert
wurde, ein Gegner gegenübergestellt sein, der von rechtswegen
ihn zu bekämpfen und die Ächtung zu vollziehen hätte, — letzteres
ohne Bedeutung, da Dolabella von Gassius bedrängt, zur Zeit da
anzuwenden. — Städtischer Prätor war, nachdem ComntuB sich selbst ent-
leibt hatte, Q. Gallins. App. 8, 93. 95.
1) Monnm. Ancyr. 1, 10: Qui parentem meum interfecenmt^ eos in exüium
exptdi iudieiia legiUmis tdtits eorvm facinus. Ober die Qaästio der lex Pedia
Tgl. Appian 3, 96. Dio 46, 48. Vell. 2, 69: lege Pedia, quam consul Pedius
eoüega Caesaris iulerat, onmibus, qui Caesarem pairem interfecerant , aqua
igmque damnaUa interdictum erat, quo tempore Capito^ ptOrum mem^ vir
ordims senatorii, subseripsit in C. Cassium. Ober Motive nnd das Verfahren
bei diesem letzten republikanischen Eriminalgeeeta vgL Zumpt, Eriminabr.
der röm. Eep. 2, 2, 489 ff.
Herzog, d. röm. Sftrrerf. H. 1. ^6.^.^^^ by GoOglC
- 82 —
der Beschlufs in Born erfolgte, sieh selbst getötet hatte. Damit
waren aber bei Beginn des neuen Konsulats die bedeutendsten
Heerführer im Osten und Westen zu gleicher Zeit geachtet und
Octavian zum Krieg gegen beide bevollmächtigt, alle diejenigen
ferner, welche, wie Cicero, bisher gestützt auf die offizielle Stellung
des Brutus und Cassius, mit diesen in Verbindung geblieben
waren, vor die Alternative gestellt, jede Verbindung abzubrechen
oder ihr Schicksal zu teilen. Unter den im Felde stehenden bis-
herigen Beauftragten des Senats sodann war nun auch D. Brutos
geächtet und damit die Lage in Gallien aufs neue in Frs^e ge-
stellt. Indessen zwischen zwei über beträchtliche Hilfsmittel ve^
fügende Feinde gestellt zu bleiben, hatte Octavian nicht im Sinn,
und die Lösung der Situation war schon seit der Schlacht bei
Mutina vorbereitet. Selbstverständlich konnte sie nur in einer
Verbindung mit Antonius bestehen, die von dem Augenblick in
Aussicht genommen war, da er nach jener Schlacht den gefange-
nen Truppen des Antonius die Kückkehr zu diesem frei stellte.^)
Seitdem hatte der letztere seine Stellung wesentlich verstärkt,
sich mit Lepidus vereinigt, den Statthalter des jenseitigen Spaniens,
Asinius PoUio, der vom Senat früher mit seinem Heere nach
Italien berufen worden war, zum Anschlufs gewonnen, nicht
minder den Plauens, der den geächteten D. Brutus abstiefs und
damit der ^Bache des Antonius preisgab. Es fehlte nur noch
Octavian, um die ganze cäsarische Partei vereinigt zu haben.
Der Kreis wurde auch sofort geschlossen. Nachdem Octavian,
anscheinend gegen Antonius, ausgezogen war, brachte Pedius den
Antrag auf Zurücknahme der Achtserklänmg gegen Antonius und
Lepidus ein, Octavian, darüber während des Marsches befragt,
stimmte zu. Noch blieb die persönliche Annäherung der Führer
übrig, mit der die Festsetzimg der gegenseitigen Bedingungen
wenigstens für die nächste Zeit verbunden sein mufste. Wie
schon unmittelbar nach Cäsars Tode Lepidus im richtigen Augen-
blick eingegriffen, so war er auch jetzt der geeignete Vermittler.*)
Der Schauplatz der letzten Kämpfe, eine Flufsinsel bei Bononia,
1) App. 8, 80.
2) Appian (4, 2 ff.) und Dio (46, 54 ff.) geben aosführliche Erzäblong
nach guter Quelle, der erstere insbesondere mit wertvollem DetaiL Soeton
Ang. 27. Vell. 2, 65, die Epitomatoren des Livins, auch Plntarch Cic. 46.
Antoo. 19 geben knrz die Konstituierung des Triumvirats und haben sonst
nur Interesse für die Proskriptionen.
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war der Ort der Zusammenkunft Die Besprechung mufste sich
naturgemäls beziehen auf die Formulierung der neu aufzurichtenden
Gewalt, auf die Ausgleichung der Ansprüche an die Ausübung
derselben, auf die Sicherung gegen die Gegner sowie die Belohnung
der Heere und der hervorragenden einzelnen Anhänger. Die Ge-
walt muiste notwendigerweise eine aufserordentliche und höchste
sein, zugleich aber, um den nicht eingestandenen aber selbst-
Terstandlichen Sonderinteressen Spielraum zu lassen, eine zeitlich
begrenzte und provisorische. Das letzte Moment fand nach früheren
Vorgängen seinen Ausdruck in der Zweckbestimmung einer Neu-
gestaltung des Gemeinwesens; für die Zeitbegrenzung wurden fünf
Jahre in Aussicht genommen; der Vermittler Lepidus sollte mit
den zwei andern gleichberechtigt in die neue Regierung eintreten,
alle drei teilten unter sich das Provinzialgebiet, die Heeresmacht
and damit zugleich auch die nächsten Aufgaben der Kriegführung.
Die bisherigen Faktoren der Verfassung blieben in ihren Funk-
tionen, nur durch die aufserordentliche Gewalt beschränkt^), für
die Magistraturen wurde die Verteilung unter die Anhänger eben-
falls für fünf Jahre verabredet, die Besetzung der nächsten Kon-
sulate teils für die Oberhäupter selbst, teils für die obersten ihrer
Anhänger in Anspruch genommen. Den Gegnern war rücksichts-
lose Vernichtung bestimmt, den friedlichen wie den in Waffen
stehenden, und für eine Anzahl der hervorragendsten, darunter
Cicero, unmittelbar, noch vor dem Einzug in Rom, angeordnet.')
Die Belohnung der Heere sollte auf Kosten Italiens vor sich
gehen, die römische Bürgerschaft, mit der man zu rechnen hatte,
war jetzt im Lager, das Heer vor allem, dessen Kern die cäsa-
rischen Veteranen waren, repräsentierte die Einheit der neuen
Gewalt und deren Kontinuität mit der von Cäsar eingeleiteten
Ordnung des Staats, diesem Heer mufste die friedliche Bevölke-
rung Italiens weichen, und achtzehn Städte wurden dazu bestimmt,
ihr Land für die Belohnung der Soldaten nach beendigtem Kriege
abzutreten. Nach diesen Verabredungen erfolgte im November
der Marsch nach der Hauptstadt, in welche, da selbst der Be-
vollmächtigte des Octavian, Pedius, von dem Verabredeten nicht
1) Über die Art dieser BeschilUikaDg 8. unten.
2) Über die Zahl, ob. 12 oder 17, ist Appian, der c. 6 dies Detail giebt,
nicht sicher. Da diese Exekutionen vor das titische Gesetz fallen, auf
^^nind dessen die Proskriptionstafeln angestellt wurden, so sind sie nackte
Qewaltthaten.
«Digitizedby Google
— 84 -
in Eenntnis gesetzt worden, die drohende Gefahr mit dem ganzen
Gewicht des Überraschenden eingefallen war. Der Einzug selbst
erfolgte mit voller Entfaltung der Macht jedes einzelnen drei
Tage nacheinander. Da Pedius unter den Versuchen, die Bevölke-
rung zu beruhigen, wie gesagt wird, infolge eigener Aufregung
gestorben war, so wurde ein Tribun P. Titius damit beauftragt,
den Inhalt des Abkommens von Bononia in Form eines Gesetzes
bei den Tributkomitien einzubringen, und es geschah dies ohne
Beobachtung der vorbereitenden Formen am 27. November. Der
Titel der neuen Gewalthaber war Illviri reipublicae consiituendae,
so dafs also die so vereinigten den Namen Triumvim nicht wie
einst Pompejus, Cäsar und Crassus blofs thatsächlich (1, 545 A \\
sondern von Gesetzes wegen hatten. Die Zeitfrist von ftnf
Jahren wurde der Frist des Amtswechsels entsprechend gerichtet,
als ob der Übergang in die ordentliche Magistratur vorbehalten
wäre, und demgemäÜB bestimmt vom 27. Nov. 43 bis 31. Dez. 38.*)
Das Konsulat wurde sofort noch für den Rest des Jahres neu be-
setzt. Wie einst in dem Verhältnis zwischen Pompejus und Cäsar,
so sollte auch jetzt eine Verlobung, die des Octavian mit der Stief-
tochter des Antonius, die Eintracht verbürgen.^) Die Proskriptionen,
die noch in der Nacht nach jenem Volksbeschlufs bekannt gemacht
wurden^, kamen unverzüglich zur Ausführung; sie räumten unter
1) Monum. Ancjr. 1, 8: {populus) me trif4mvirutn reipublicae con-
8tituend[ae creavif]. Titel auf Münzen: III vir r. p, c, Cohen 1, p. 32—60,
ebenso in den fasti Colot. zum J. 711, corp. inscr. lat. 1 p. 466 und in
den Triumphalfasten ebendas. p. 461. Appian 4, 7: di(taQ%og TlowtXios
TCxioq ivo[io^ixsi. Ttaivrjv ccQxriv inl nataatdcsi xmv naqovxmv ig nevtasxh
bIvui xqi&v avSgmv — taov iaxvovcav vndtotg — ovxs duamiitarog ig dou-
liacCav ovxB %vQ^ag ig xiiv %smoxov£av rifiigag nQOxsQ'süjrig, all' avxUa
invQOvxo 6 vofiog; in der Überschrift des Edikts c. 8 nennen sie sich ol
XSiQOxovrj^svxsg agnoaccL nal dioff&maai xä %oivd» Dio 46, 65: »ou^ tovg
xQStg ngog xs dioUriaiv %al nQog maxdaxaütv xüxv nffccyfidxmv intpielfjxdg xi
xtvag %al diOQ&axdg %ai xovxo ov% ig del Sr^&sv dlX ig ixr^ nivxe a£Qsdijv€u^
(oaxs xd XB äXla vdvxa, -kccv firiähv vtcIq avxmv (iiqxs xm dqfitf) fn^xs xj
povX'^ 'KOivoiaooaij dioiTieCv xocl xdg uqx^S "t^dg xs dlXag xifjMg olg av id'BXt]aai6i
dtdovai; 47, 2: xofl naQaxQTifitt xd Öo^avxä atpust dut xmv ärjiiaQXfov ivofM-
^ixjiauv. Die zeitliche Befristung fast. Colot. z. J. 711 d. St.: ex a, d, V.
KcU. Dec, ad pr. K. Jan, 8ext{a8),
2) Dio 46, 56. Plut. Ant. 20. Dals diese Ehe nicht zum Vollzag kam,
sagt Sueton Aug. 62.
3) Das Proskriptionsedikt giebt Appian 4, 8. Derselbe giebt c. 5 als
beiläufige Gesamtzahl der proskribierten Senatoren 300 (so auch Plut Ant. 20),
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^- 85 -
den Republikanern so auf, dafs aufserhalb der Heere der Cäsar-
morder und des S. Pompejus von einer republikanischen Partei
nicht mehr die Rede sein konnte. Zum Zeichen dafdr aber, dafs
die Erinnerung an den verewigten Cäsar die Verbindung der drei
zusammenhalte, wurde durch verschiedene Beschlüsse dessen An-
denken gefeiert, seine göttliche Würde anerkannt und die Er-
richtung eines Tempels für ihn beschlossen.^)
13. Die Periode von Cäsars Tode bis zur Aufrichtung des Kritik der
Triumvirats ist die letzte, in welcher die republikanische Yer- Republik.
fassung wirklich in Geltung war, und zwar so vollständig wie
möglich, da sie ja sogar auf die Ausnahmegewalt der Diktatur
verzichtete. Dafs diese Periode so kurz ausfiel, war durch die
Umstände nicht notwendig gegeben. Es waren wohl durch das,
was Cäsar an Einrichtungen und Anhängern hinterliefs, viele
Schwierigkeiten gegeben; allein wenn diejenigen, die ihn beseitigt
hatten, entschlossen die Regierung in die Hand nahmen, so war
eine Periode der Restauration von einiger Dauer so lange nicht
undenkbar, als nicht ein überlegener populärer Mann auftrat Ein
solcher war aber zunächst nicht in Sicht, und bei dem persön-
lichen Ansehen, welches Brutus genofs, sowie mit einer Macht,
wie er und Cassius sie später aufzubringen wufsten, war ein Sieg
der republikanischen Sache über die Prätendenten aus Cäsars
Hinterlassenschaft, auch wenn man von Zufällen, wie sie sich aus
der persönlichen Teilnahme derselben an den Kämpfen ergeben
konnten, absieht, wohl möglich. Ohne Zweifel wären über die Zeit
des Kampfes Ausnahmegewalten nötig gewesen, allein da bei der
Persönlichkeit und ganzen Stellung der Führer als Resultat eines
Siegs die Wiederkehr der Republik nicht zweifelhaft war — wenn
der Bitter 2000 an. Wodd Livius ep. 120 nur 180 Senatoren nennt, so
waren dies wohl die auf der ersten gröfseren Liste stehenden. Val. Max.
9, 6, 4 zeigt an einem konkreten Beispiel, wie willkürlich verfahren wurde.
Dafs nicht blols auf die politische Stellung, sondern auch anf die Einträg-
lichkeit der Konfiskation gesehen wurde, wird überall hervorgehoben, ebenso
dafs nach Art und Umfang diese Proskription schlimmer war als die snlla-
niscbe. In der Entschuldigung Octavians geht am weitesten Vell. 2, 66
mit seioem r^pugnante Caesare sed fmstra (ndveraus ditos. Am richtigsten
charakterisiert wohl seine anfängliche Opposition und spätere Eonsequenz
in der Durchföhrung Sueton c. 27. Appian 4, 16 sagt, dafs es eine ganze
Litteratur über die Proskriptionen gab {noXXä d' htly xal noXlol *Pa>fiaüov
iv TCoUalg ß^Xoi^ avxa ewiyQccfpav i(p' iavtmp).
1) Dio 47, 18.
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~ 86 -
auch der Republik mit allen Schäden des früheren aristokrati-
schen Regiments — , so wären derartige Inkonsequenzen der re-
publikanischen Idee nicht nachteilig gewesen.^) Die Fehler der
Republikaner sind es, welche der wiederhergestellten Verfassung
ein so jähes Ende bereiteten. Nicht blofs versäumten die Cäsar-
mörder den Moment, sich der Gewalt zu bemächtigen, ni^ht blofs
überliefsen die Anhänger der Republik im Senat Monate lang die
Exekutive dem Gegner derselben, sondern auch, nachdem dieser
Gegner zu offener Feindseligkeit gebracht war, versäumte man
ihm gegenüber die volle Einigung dessen, was Interesse an Er-
haltung der alten Verfassung hatte, glaubte insbesondere in Rom,
mit den neuen Konsuln und vom Senat aus eine Regierung durch-
führen zu können, die über den Extremen stand, und wagte nicht,
sich offen zu denjenigen zu bekennen, die allein die Verteidiger
der alten Verfassung sein konnten. Nichts war in dieser Be-
ziehung verderblicher, als die Führung Ciceros, der sehr reellen
und entschlossenen Feinden gegenüber fortwährend mit Illusionen
sich waffnete. Vielleicht in der Meinung, dafs die republikanische
Sache mehr Anhänger gewänne, wenn man sie nicht einfach mit
der der Cäsarmörder identifiziere, jedenfalls mit eiqer gewissen
Scheu vor ihnen und in dem Bestreben, von seiner Stellung als
Senatsredner aus die Leitung der Dinge in der Hand zu behalten,
verhinderte er, als es Zeit war anders zu verfahren, die Herbei-
ziehung jener und rief erst nach ihnen, als es zu spät war. Aber
nicht blofs durch diese Unterlassung, sondern auch durch das,
was er zur Ausführung brachte, hat er zum Untergange der Re-
1) Eine solche Inkonsequenz war es, wenn Brutas auf die im Bereich
seines Kommandos geprägten Münzen seinen Kopf setzen liefs (Cohen 1 p. 26 f.,
Mommsen, röm. MOnzw. 1 S. 740) und eine materiell viel wichtigere, wenn
Cicero Philipp. 11, 28 sagt: Qua lege, quo iure {C. Cassius in Syriam pro-
fectus est)? Eo quod Juppiter ipse sanxit, ut omnia, quae reip. saluUxria
essent, legitima et iusta haberentur. Est enim lex nihil aliud nisi recta ei a
numine deorum tracta ratiOy imperans honesta prohibens contraria; huic igitur
legi paruit Cassius, cum est in Syriam pro fectus, alienam provinciam^ si
homines legibus scriptis uterentur, his vero oppressis suam lege nahtrae.
Cicero citiert hier sich selbst aus de leg. 1, 6: lex est ratio summa insOa
in natura quae iubet ea quae facienda sunt prohibetque contraria, wozu hin-
sichtlich der Anwendung zu vergleichen ebendas. 2, 11 —14. Als Cicero im
J. 52 bei Abfassung der Schrift de legibus zuerst diese Theorie entwickelte,
handelte es sich um eine Ausnahmestellung für Pompejus. Damals der-
artige Gedanken auszusprechen, war für die Republik jedenfalls gefährlicher
als gegenüber einem Brutuä oder Cassius.
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- 87 —
publik beigetragen. Die rhetorische Energie seiner Philippiken
hat in den Augen yieler gerade dieser Periode seines Lebens
einen besonderen Glanz verliehen, die Verwerflichkeit seiner
Gegner hat diesen Eindruck verstärkt, und sein Ende, tragisch
an sich selbst wie dadurch, dafs es mit dem Ende der Republik
zusammenfallt, nimmt vollends das Urteil gefangen. Und doch
kann man über diese Periode seines Lebens nicht anders urteilen,
als über seine frühere politische Thätigkeit. Es ist nicht nötig,
hiefür den für ihn unglücklichen Umstand auszubeuten, dafs die
Erhaltung seiner Korrespondenz die Schwankungen der Entschlüsse
uod Urteile, denen auch kräftigere Naturen unterworfen sind,
besonders deutlich vor Augen stellt, auch nicht den Kontrast
hervorzuheben, so stark er ist, zwischen den Huldigungen, die er,
wenn auch ungern, dem Cäsar dargebracht und der Verherr-
lichung seiner Mörder^) — die Reaktion gegen die lange und
schwer empfundene Demütigung mag das erklären — , die blofsen
Konsequenzen seines öffentlichen Handelns genügen, um seine
Bewunderer zu widerlegen. Nachdem er in der Zeit, in welcher
es galt, persönlich im Senat den Absichten des Antonius ent-
gegenzutreten, von Rom fern geblieben war, kam er zurück, als
er glaubte, den einen Prätendenten gegen den andern gebrauchen,
sich durch den einen gegen den andern schützen zu können, und
führte neben den Konsuln den Cäsarerben ein. Er hat mit seinen
Reden es wohl dahin gebracht, dafs die neuen Konsuln und der
Senat zum Kampf für die Republik sich entschlossen, aber erst
nachdem der Republik gefährlichster Feind durch ihn zu Macht
gekommen war. Als nach dem mutinensischen Kriege Octavian
versagte, verstummte Cicero: von dem Konsulatsantritt des jungen
Cäsar bis zum 7. Dezember, dem Tage der Ermordung Ciceros*),
war dieser vollständig aus dem öffentlichen Leben verschwunden,
er hatte nicht den Entschlufs finden können, die republikanische
Sache an der einzigen Stelle, an der sie noch zu verteidigen war^),
im Lager des Brutus, fortzuführen. Lidessen für die geschieh t-
1) Ein Mahner in dieser Beziehung war, sich selbst verteidigend,
C. Maüns, ygl. seinen Brief ad fam. 11, 28.
2) Hinsichtlich der näheren Umstände vgl. die Kritik der Berichte bei
Dnnnann 6, 377. Datum des Todes VII. id. Dec. bei Tacit. dial. 17.
3) Ad Att. 14, 18, 2: Bestat, ut in castra SexU aut, si forte^ Bruti nos
conferamus; res odiosa et dliena nostris aetatibus est incerto belli exitu. —
Erst die Proskription drängte ihn auf diesen Weg.
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- 88 —
liehe Stellung Ciceros war sein Ende in gewissem Sinne ein natür-
licher Tod. Im iKriegslager war non einmal jetzt sein Platz so
wenig wie zur Zeit des Kampfs zwischen Cäsar und Pompejus; ihn
sich in einem Senat unter den Triumvim zu denken wäre peinlicL
§ 74. Von der Gründung des Triumvirats bis eut Schlaoht
bei Aktiom«
Übersicht. 1. Die Gcschichte des Triumvirats verläuft in einer Reihen-
folge von Verwicklungen zwischen den Machthabem, die, nachdem
sie zu wiederholten Malen eine friedliche Losung gefunden, weiter-
hin zuerst die Zahl der Prätendenten vermindern und sodann, als
nur noch zwei sich gegenüberstehen, in den entscheidenden Kampf
zwischen diesen ausmünden. Die Epochen dieses Zeitabschnitts
sind durch die verschiedenen Abmachungen gegeben, welche die
Verwicklungen lösen und zum Teil mehr privater Natur sind, zum
Teil in formlichen Staatsakten niedergelegt werden. Es sind dies
die Verabredungen von Philippi im J. 42, Brundisium im J. 40,
Misenum im J. 39, Tarent im J. 37. Die Beseitigung des Lepidus
im J. 36 hatte keine neue Vereinbarung zur Folge, der fernere
Verlauf bewegt sich durchaus in der thatsächlichen Ausbildung
lind Ausbeutung der Machtverhältnisse.
Rechtliche De- 2. In dcH Abmachungen von Bononia hat ohne Zweifel die
finitiou des
TriumriratB. crenaucre rcchtlichc Bestimmung der Gewalt der Triumvirn weniß
Inhalt und Um- ^ ,..,., , i * » i i , . , -, i . .
fang der Gewalt. Schwierigkeiten verursacht. Man konnte leicht darüber einig
werden, dafs die neue Gewalt dieselbe Machtvollkommenheit haben
solle, wie sie kurz vorher Cäsar mittelst der Diktatur geübt
Bei ihm hatte freilich wie bei Sulla der Name der Diktatur die
Definition erleichtert, allein der Ersatz hiefür war, da man die
republikanische Verfassung nicht wiederkehren lassen wollte,
wiederum nach dem Beispiel Sullas durch die Zweckbestimmung
reipublicae constikiendae leicht gefunden, ohne dafs man über die
Art dieser Konstituierung sofort sich hätte erklären müssen.
Dafs die übernommene Gewalt im allgemeinen die Exekutive sei,
konnte durch den von einem Gewährsmann angegebenen Zusatz
consula/ri imperio zum Ausdruck kommen; doch ist dies jedenfalls
in der offiziellen Formulierung nicht überliefert^), in dem Ein-
führungsgesetz wird dagegen ausdrücklich angegeben gewesen
sein, was in dem Namen der Diktatur von selbst lag, dafs die
1) App. 4, 7; ob. S. 84 A. 1.
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- 89 —
neue Gewalt allen andern übergeordnet sein sollte. DaCs man
aber die Magistraturen noch mehr als unter Cäsar in ihrer bis-
herigen Verwaltungskompetenz lassen wollte^ erhellt daraus^
dals sofort im J. 42 eine Censur stattfand, die freilich nicht zum
Ziele kam.^) Es war dies auch das einfachste, so lange das
Regiment der Drei mit dem gemeinsamen Zentrum in der Haupt-
stadt gedacht wurde; denn in der kollegialischen Besetzung der
ordentlichen Magistraturen konnte man die Interessen aller drei
berücksichtigen , während bei besonderen Mandaten es sich um
einzelne Persönlichkeiten handeln muTste und danu Zwiespalt hin-
sichtlich der Wahl der einzelnen unausbleiblich war. Anders
wurde dies aber, sobald Octavian mit der Verwaltung der west-
lichen Hälfte des Reichs auch die Regierung in Rom in seine
Hand genommen hatte; von da an war es eben einer seiner Vor-
teile, daCs er nun seine personlichen Organe in aufserordentlichen
Stellungen neben der gemeinsam yereinbarten Magistratur ein-
fiihren konnte. Für das Verhältnis des Triumvirats zu Senat
und Volk mochte genügen, dafs man diese Faktoren liefs, da-
neben aber ausdrücklich bestimmte, dafs die Triumvirn nicht an
ihre Befragung gebunden seien und speziell die Ämter nach ihrem
Gutdünken besetzen dürften.*) Hinsichtlich der Gesetzgebung
liegt die Anwendung dieser Bestimmung darin vor Augen, dafs
dieselbe beinahe vollständig ruht.^) Ebenso wird es aber auch
mit den Wahlen gewesen sein: wenn auch Ausdrücke gebraucht
werden, welche sonst für die Bestellung der Beamten durch Wahl
stehen*), so ist doch nirgends deutlich von Wahlen die Rede,
1) Die Censoren sind verzeichnet in den fast. Colot. zum J. 712: [C
Ajntonius, P. Sulpicius censipres). Lu8tr{um) n(on) fiecerunt). Corp. insor.
lat. 1 p. 466, woza p. 568: P. StUpiciua, ö. Antonius een{8ore8). Dieser
C. AntoDius war der Oheim des Triamvirs, vgl. Mommsen zu 1, 568. Die
Historiker wissen von diesen Censoren nichts zu berichten.
2) Dio 46, 55; ob. S. 84 A. 1.
3) Gemeinsame Gesetze der Trinmvim selbst giebt es nicht. Die gött-
lichen Ehren, welche gleich zu Anfang der Triumviratsherrschaft für Cäsar
beschlossen wurden, bringt Lange 8, 545 mit der Corp. inscr. lat. 1 n. 626
erwähnten Inschrift zusammen: IHvo Jidio iussu popuU Bomani sUUutum
est lege Eufrena, Im J. 40 wurde die tribunicische l. FcUcidia (Dio 48, 83) ^
über die Beschi-änkung der Legate auf drei Viertel des Nachlasses gegeben
(GaL 2, 227: ne plus testatori legare liceat quam dodrantem; falcidische
Qnart), in Zusammenhang mit der Erhebung der Testamentsteuer.
4) Z. B. Dio 48, 35: Im J. 39 nach dem Vertrag von Misenum, vnu-
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— 90 —
und das ganze Verfahren bei Besetzung der Magistraturen, wobei
die damit betrauten oft an demselben Tage wieder das Amt
niederlegten um andern Platz zu machen^), macht wahrscheinlich,
dafs man von Veranstaltung von Wahlen absah; man glaubte
eben, mit der Stütze der Legionen auf eine abstimmende Bürger-
schaft keine Rücksicht nehmen zu müssen. Natürlich mulste
dann aber auch das Volkstribunat zwar nicht aufgehoben, aber
doch mundtot gemacht werden. Cäsar hatte dies teils durch die
eigene tribunicische Gewalt, teils durch den Einflufs auf die Wahlen
erzielen wollen, es aber doch nicht ganz erreicht Die Triumvirn
halfen sich dadurch, dafs sie auch die Tribunen selbst bestelltea
und konnten es im übrigen dem Druck ihrer Gewalt überlassen,
dafs die so bestellten ihr Amt nicht gegen sie gebrauchten.
Koiiogiautttt. Am schwierigsten war die Regelung der Kollegialität Die
Drei sollten von vom herein völlig gleich sein; dies findet seinen
Ausdruck darin, dafs wo sie mit einander auftreten, der Vortritt
nach den gewöhnlichen Regeln, in diesem Falle nach dem Alter
in der Konsularwürde bestimmt wird; die Namensfolge war also
Lepidus, Antonius und Cäsar.*) Doch war dies lediglich eine
formelle Regel, die auf die Art der Funktion höchstens den
Einflufs hatte, dafs Lepidus auch zuerst — im J. 42 — das
Konsulat wieder übernahm; eine gemeinsame Wirkung in dem
Sinne, dafs ein Turnus und dabei ein Vortritt in der Leitung
hätte stattfinden können, war nicht in Aussicht genommen; es
handelte sich vielmehr lediglich um gemeinsames einheitliches
oder gleichzeitiges, aber räumlich getrenntes Wirken. Dabei
mulflten sich die Triumvirn zum voraus darüber klar sein, dafs
die Kollegialität in dem in der Magistratur geltenden Sinne der
rovg ov dvo itri<riovg^ mansQ st^ittxo^ dlXä nXeiovg %6tB n^oixov ev9^g iv
xctig agxaiQtaiaig stXovto.
1) Dio a. a. 0.: rot« hiccvaiog itlv ov9sig T^gidi^j, ngbg Öh dtj xa tov
Xgovov fiLegri alXoi, ital aXXoi dneds^xd^iaocv. 48, 53 : ov yag onmg o? xs Zna-
xoi xal ot axgaxTiyol aXXa xal ol xafiioci in aXXi^Xoig dvxmad^lßxavxo %al
xovx* inl XQOVov iyivsxo^ atxiov 9h oxi napxsg o^x o^<og tv oikoi inl nXttov
ag^maiv a>g tva iv xoig äg^aatv dgi^'fimvxcci xcrl an avxov %al xag r^MCff
xal xäg Svvdfieig xdg i^m Xocfipavcaatv i<fnov9a^ov. Ovhovv ov^ ig ^rjxov
ixi. xivBg XQOVOV jjgovvxo dXX' mor' iniß^vai xs xov ovofiaxog v^g dgx^g xal
dno0xijvat oxav xotg x6 ngdxog ^%ot;<T( d6^y xal noXXoi yc ini xrjg cevxfjg r^iti'
gag Sxdzsgov inga^av.
2) Vgl. die Ordnung in der Folge der Namen in den Fasten und dem
Edikt bei App. 4, 8.
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— 91 -
Interzession (1, 598) för sie nicht möglich sei; diese negative
Seite mufste also ausdrücklich ausgeschlossen werden. Um nun
aber ein positives Zusammenwirken zu ermöglichen, wurden vor
Allem die Provinzen räumlich geteilt, jedem in seinem Teile die
freie Verfügung über die Verwaltungs- und MiliiÄrposten und
über die Verwaltung selbst zugesprochen. Ferner wurden der
jeweiligen Verabredung, die aber auf mehrere Jahre zum voraus
geschah, überwiesen die Bestellung der Magistraturen^), die Be-.
Schaffung von Mitteln für die gemeinsamen Interessen, insbeson-
dere die Aushebung und Steuererhebung in Italien, femer die
Ansiedlung der Veteranen, die Zuteilung von Kriegsaufgaben,
die nicht unmittelbar mit der Verteidigung der Provinzen zu-
sammenhingen, sondern wie die gegen die Cäsarmörder und
S. Pompejus einen allgemeinen Charakter hatten, die Zahl der
jedem zukommenden Legionen^), endlich, wie die Proskriptionen
von 43 und die Verhandlungen von 39 über die Restituierung
der zu S. Pompejus geflüchteten Proskribierten zeigen *), auch
Verurteilungen und Begnadigungen in grofsem Stile. Prinzipiell
ergab sich aus diesem allgemeinen Verfahren, dafs auch einzelne
Zwischenfalle der angegebenen Art, also nötig gewordene Ände-
rungen in der Besetzung der Magistratur, einzelne Verurteilungen
und Begnadigungen u. dgl. der Verabredung anheimfielen, aber
man überliefs die Anwendung dieser Konsequenz ohne Zweifel
der Zukunft.*) Die Verwaltung Roms und Italiens war dem
1) S. d. Yorherg. Stellen. Z. B. im J. 42 waren Konsuln neben Lepi-
das der Vertrauensmann des Antonios Munatios Plancos, 41 der Bruder des
Antonius und Servilius (Oci), 40 Domitius Calvinns (Oci) und Asinius
Pollio (Ant.) n. s. f.
2) Letzteres spielt bei allen Verträgen eine wesentliche Rolle.
3) App. 5, 72. Dio 48, 26.
4) Instruktiv fflr die Erledigung eines einzelnen Falls ist die Begna-
digung des durch seine Frau Turia verborgen gehaltenen C. Lucretius Ve-
spillo (Val. Max. 6, 7, 2), wie sie in dessen Leichenrede auf Turia (corp.
inscr. lat. VI. 1 p. 832 fF. n. 1527) dargestellt ist frgm. d. Z. 11 ff.: {reddito
tarn non irvutüt] cive patriae beneficio apsentis Caesaris Äugustij [quom per te]
de restUtttione mea M. Lepidua conlega praesens interp[ellaretur et ad eins] pedes
prostrata humi non modo non adlevata^ sed tra[cta et servilem in'] modum
raps(tta Uvortbtts corpoHs firmissimo [animo cum admone] res edicti Caesaris
cum gratülaiione restitutionis mt^ae auditisqtte verbis ett]am contumeliosis et
crudelibus, exceptis volneribus pa[lam ea perferres'], ut auctor meorum pericu-
lorum notesceret. Quoi noc[uit mox ea res]. Quid hoc virttäe effwacius?
praebere Caesari clementia[e locum et cum cu]stodia Spiritus mei notare im-
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- 92 —
Prinzip nach gemeinsam, aber da die Machthaber jedenfalls Dicht
in Aassicht nahmen , zusammen ihren Sitz in Rom zu nehmen
und thatsächlich nur ausnahmsweise auch nur zwei von ihnen in
Rom anwesend waren, so lag diese Gemeinsamkeit vorherrschend
darin, dafs jeder durch spezielle Anhänger in der Magistratar
vertreten war und Zwiespalt zwischen diesen Organen unter sidi
oder Zwiespalt zwischen einem derselben und einem Triumfini
wieder der Vereinbarung der letzteren vorbehalten blieb. Alles
aber, was von gemeinsamen Angelegenheiten unter der Verant-
wortung eines der drei vor sich ging, ohne dafs Vereinbarung
gesucht oder erzielt worden wäre, fiel lediglich der thatsächlichen
Politik anheim, d. h. dem Geschehenlassen aus Zweckmäfsigkeiis-
gründen, der Entschädigung durch Repressalien, schliefslich der
Aufhebung des Einverständnisses, d. h. der Kriegserklärung.^)
Für die in der Zweckbestimmung enthaltene Aufgabe der Neu-
gestaltung der Verfassung war eine nähere Bestimmung fon
vornherein völlig überflüssig; denn weder bei Gründung des
Triumvirats noch in den verschiedenen weiteren Phasen desselben
dachte jemand daran, dieser Aufgabe durch eine friedliche Gesetz-
gebungsarbeit nachzukommen. — Im Allgemeinen also war die
Kollegialität in keiner Weise in technischem Sinne geordnet^ son-
dern nur in der Art einer Koalition, welche dadurch, dafs sie
das Zusammenwirken der Koalierten durch ein Gesetz sanktioniert^
dem politischen Belieben eine Rechtsform giebi In welcher präcisen
Formulierung aber dies in dem titischen Gesetz ausgesprochen
war, wissen wir nicht. Diesem Charakter und überhaupt dem
Mangel des republikanischen Begriffs der Kollegialität entspricht
es auch, dafs, nachdem Lepidus beseitigt war, nicht daran ge-
portunam cruddiUxtem [egregia ttut] patientia, Octavian hatte also w&hrend
einer Abwesenheit von Rom den Vespillo durch ein Bchrifblicheß Edikt be-
gnadigt, der in Born anwesende Lepidas (wohl w&hrend seines Konsulats
im J. 42) wollte trotzdem die Proskription zum Vollzug bringen; Taria aber
machte mit Erfolg das Edikt Octavians geltend. Das Wesentliche ist aber
für uns hier nicht blofs der Erfolg, sondern der Umstand, dafs das Edikt
eines der Drei genügte; denn Octavian, indem er seinem Edikt ein Grato-
lationsschreiben beifügte, erachtete die Sache durch sein Edikt allein für
erledigt Wollte Lepidus dies nicht gelten lassen, so kam er in Konflikt
mit Octavian, und es war lediglich eine Frage der Politik, ob dieser sieb
die Nichtachtang seines Edikts gefallen liefe oder nicht.
1) Vgl. das Verhalten des Antonius gegen Octavian gelegentlich der
Beseitignng des Lepidns und ihrer Eonsequenzen. Er sah ruhig zu, brachte
aber die Beschwerde vor, als es zum Konflikt konmien sollte. Dio 60, 1.
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— 93 -
dacht wird, einen andern als dritten beizuziehen und die Gewalt
der zwei andern dieselbe bleibt.^)
Zu den gesetzlichen Grundbestimmungen gehorte auch die DieBesümmTing
zeitliche Begrenzung. Dafs eine solche in dem titischen Gesetz
ausgesprochen war, ist auTser Zweifel (ob. S. 84 A. 1); dagegen
ist kontrovers, wie es mit der prinzipiellen Bedeutung des Ter-
mins sich verhält und wie mit der Verlängerung, welche geschicht-
lich vorliegt. Die Einsicht in die letztere Frage ist die Voraus-
setzung für die erstere. Die alten Quellen sprechen von zwei
Quinquennien, und Octavian selbst sagt, dafs er das Triumvirat
10 Jahre hindurch ununterbrochen geföhrt habe.*) Daraus würde
sich als Schlußtermin der 31. Dezember des J. 33 ergeben.
Damit stimmt, dafs in den kapitolinischen Fasten mit dem
1. Januar 37, also unmittelbar mit dem Ablauf der ersten Früh-
jahrsfrist, die Übernahme des Triumvirats zum zweiten Male ver-
zeichnet ist^), und mit der Einzeichnung in den Fasten ist der
Begriff verbunden, dafs die betrefFende Gewalt legitim ist. Nun
ist aber einmal ein Gesetz über die Erneuerung vor dem J. 37
nicht berichtet, sondern aus späterer Zeit*), und sodann ist —
abgesehen von der Frage, mit welcher Gewalt Octavian nach dem
1) Ebenso hätte wohl, nachdem AntonioB im J. 32 seiner Gewalt ver-
lostig erklärt worden war, Octavian dieselbe noch bis zam vorausbestimmten
Termin behalten können; er zog aber, wie nnten zu zeigen, einen andern
Gewaltstitel vor.
2) App. 6, 95: hi^av iavroig mg^iov nevtasriar, Monum. Ancyr. tab.
gr. 4, 1: XQimv uvS^mv iysvoiiriv druMciatv nQayfidtmv ewi%iciv ixBCiv di%a,
3) Corp. inscr. lat. 1 p. 440. Dals die Münze ans dem J. 88 (archäol.
Zeit. 1878 S. 76, Sallet, num. Zeitschr. 4, 140) mit der Legende der Bück-
seite: M. Agrippa cos. desig. auf ihrer Vorderseite nicht die Iteration des
TrioniTirats enthält, darüber vgl. Mommsen zu Borghesi oeuvres 11. 262 nnd
Staatar. 2, 687 A. 6.
4) Im J. 39 wird zwar für S. Pompejns eine bestimmte Frist ange-
geben (Dio 48, 36: inl nivts irrj, wogegen App. 6, 72: agxsiv — offov
a(fxouv xmv itiqatv 'Avtmviog rs nal Kaiaaq^ nnt. S. 95 A. 3)^ nicht
aber den Triumvim. Dagegen lauten hinsichtlich dieser die Berichte in
widerspruchsvoller Weise. App. 6, 96 sagt zum J. 37 (Vertrag von Tarent):
Iml 0 xQovog avtoig iXriys r^g UQxrig ^ totg vgialv i'ifnjtptato dvdgdaiv, itiqtxv
iovroig mgi^av KBvxasxlav^ ovSlv ixt xov di^fiov Ss'^^'hxsg; derselbe Appian
aber sagt bell. Illyr. zum J. 83: (b Kaiffag) aqx^'" ^** '^^'' '^«»v xqt.&v d(f-
Xriv dvo yccQ ilBinsv ixrj tJ dsvxiQoi nsvxaexi^ xrjgde xrjg dqx^g^ ^v inl
Tj jtqoxigq^ ütpiütv avxotg iiprupürccvxo xal 6 ^^fio^ ini%eyivQ(o%et; Dio end-
lich 48, 54 sagt, wie App. in der ersten Stelle, zum Vertrag von 37: Sccvxotg
xiiv riyffioviar ig aXXa ixri nivxs^ insl xd ngöxega ifcXtjXv^e», inixi^ipav, .
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- 94 —
aktischen Krieg die Regierung führte — sicher, dafs Antonios
und Octavian zu Anfang des J. 32, also nach Ablauf des zweiten
Quinquenniums, noch dieselbe Stellung hatten, wie in den vorher-
gehenden Jahren.^) Dafs nun die Weiterführung der Stellung
nach dem ersten Quinquennium durch eine Bestimmung des titi-
schen Gesetzes den Triumvim anheimgestellt worden wäre*), ist
unwahrscheinlich; denn welchen Sinn hätte dann der in demselben
Gesetz ausgesprochene Termin gehabt? Ebenso wenig ist an-
zunehmen, dals es in dem Wesen der aufserordenÜichen Gewalt
gelegen hätte, sich selbst ein Ziel zu setzen ^); denn nicht nur
sind die in früheren Zeiten verliehenen geschichtlich kontrollier-
baren aufserordentlichen Gewalten, die von Sulla und Cäsar, zeit-
licher Beschränkung unterlegen gewesen, sondern es bestände
auch wiederum ein innerer Widerspruch zwischen der Angabe
eines Endtermins im Gesetz und der Gestattung willkürlicher
Verlängerung durch die Gewalthaber. Es ist also nicht anders
möglich, obgleich die Überlieferung darüber schweigt, als da&
die Verlängerung auf einem neuen gesetzgeberischen Akte be-
ruhte, der aus einer der verschiedenen Vereinbarungen zwischen
den Machthabern hervorging, und zwar mufs diese dem 1. Jan. 37
vorangegangen sein. In der That ist es nun aber auch aus andern
1) Dio 50, 4 (nach Anfang des J. 32): t^v vnaxsucv (roy 'AvtavMv)^
ig fjv nQOSxsiQOtovTixo (für 31) xal rriv aXlriv i^ovaiav naaav dq>eOiccvto.
Octavian behielt dagegen in diesem Augenblicke noch diese aus dem Trium-
virat stammende i^ovcia,
2) Wie man die Angabe bei Appian 5, 95, dafs sie des Volks nicht
mehr bedurft hätten (ob. S. 93 A. 4), deuten könnte.
3) Mommsen, röm. Staatsr. 2, 697: „Bei dem Triumvirat des J. 711
sind von dem theoretischen Satz, dals bei konstituierenden Gewalten die
Zeitgrenze ohne rechtsverbindliche Kraft sei, die schlagendsten und wichtige
sten Anwendungen gemacht worden/* Folgen dann die thatsächlichen Yer*
hältnisse, wonach gesetzmäfsig die Gewalt am 31. Dezember 33 erloschen
wäre, aber ohne besondere Ermächtigung noch länger beibehalten wurde;
darauf S. 699: „unleugbar ist nicht nur von Antonius, sondern auch von
Cäsar die dem Triumvirat gesteckte Endfrist in dem Sinne behandelt worden,
dalJB mit dem Eintritt derselben wohl für die Träger die Verpflichtnug ent-
stand, ihr Amt abzugeben, aber das Amt selbst nicht mit detn Eintritt der
Frist, sondern erst durch die Abgabe von Rechts wegen zu Ende ging/^
Nach uDsrer Auffassung ist die Endfrist erst 31. Dezember 32, und jener
theoretische Satz, den Mommsen auch durch die Beispiele des Decemvirats
und das Verhalten des Censors Ap. Claudius im J. 311 v. Ch. stützen will,
weder für diese Beispiele zutreffend noch prinzipiell haltbar (vgL ob. 1,
680 A. 4).
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— 95 -
Gründen nicht unwahrscheinlich, daCs der Vertrag von Misennm
im J. 39 es war, bei welchem die Weiterführung beschlossen
wurde. Nicht nur brachte das Abkommen mit S. Pompejus ein
wesentliches neues Moment herein, sondern es wurden damals
auch die Magistraturen neugeordnet. Und das letztere Moment
giebt nun auch AufschlulB über den damals verabredeten Termin.
Wir ersehen aus den Angaben über das Konsulat^ daXs dieses bis
zum J. 31 in der Weise yorausbesetzt wurde, dafs am 1. Jan.
dieses Jahres Antonius und Octavian dasselbe übernehmen sollten,
während im J. 32 Cn. Domitius und C. Sosius, die in der That
am 1. Jan. 32 antraten, Konsuln sein sollten. Diese Festsetzung
hatte, wie auch ausdrücklich bemerkt wird, den Sinn, dafs nach
Beendigung der Triumviratszeit die zwei leitenden Machthaber
unter der Form des Konsulats fortfahren würden die Regierung
zu fuhren.^) Es wurde also in Misenum die zweite Periode des
Triumvirats geordnet auf die Zeit vom 1. Januar 37 bis zum
31. Dezember 32, also auf sechs, nicht auf fünf Jahre. Octavian
aber nimmt, was er Yom J. 32 an bis zum Schlufs des aktischen
Kriegs gethan, auf Rechnung des ihm übertragenen Kriegs-
kommandos und zählt so für die Zeit des wirklich geführten
Triumvirats nicht elf, sondern zehn Jahre. In die Angaben
unserer sonstigen Quellen aber ist teils hiedurch teils durch die
angenaue Kenntnis der Verabredungen von Misenum Verwirrung
gekommen.^) Diese Verabredungen müssen aber, schon wegen
des Neuen, das sich mit der Einbeziehung des S. Pompejus ergab,
auch die Form der Gesetzgebung durchgemacht haben.*) Im J. 37
1) App. 6, 73 (nach den Angaben fÖr die Jahre 34—32): üx av^t^
*Art(ovi6y te xal Kaiaaqa tqIxov di} tote fiiHovrag vnatBvasiv xal ilTciio-
luvovg TÖt« xal dnodmösiv x^ 6ri^ xr^ xoUxeücv,
2) Es genügte hiefClr, daÜB in der Hanptqaelle, welcher Dio und Appian
folgten, der Vertrag von Misenum in der angegebenen Beziehung ungenau
dargestellt war; dann war man fclr das übrige auf Kombinationen ange-
wiesen. In eigentümlicher Weise ungenau ist Tacitus ann. 1, 2, Octavian
habe erst tfOerfedo Antonio den Triumviratstitel aufgegeben.
8) Wenn Octavian sich auf Münzen und Inschriften III vir r. p, c.
üerum nennt, Antonius dagegen die Iteration unterläfst (vgl. Mommsen,
Str. 3, 697 f.), so liegt darin wohl, dafs Antonius nicht für nötig erachtete,
den in der Iterationsziffer liegenden Akt einer neuen gesetzlichen Über-
tragung zum Ausdruck zu bringen, nicht aber, dafs ein solcher nicht statt-
gefunden habe und von Octavian nur fingiert worden sei. Vielmehr ist hier
des letzteren ausdrückliche Angabe der Iteration maisgebend für die Er-
kenntnis des Thatsächlichen. Hinsichtlich des S. Pompejus ist bemerkens-
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beim Vertrag von Tarent mag das Abkommen über den Termin
aufs neue besprochen und die im J. 39 beschlossene Frist aus-
drücklich festgehalten worden sein; diese nahm sich von hier
aus dann allerdings aus wie ein weiteres Quinquennium^ bedurfte
auch nicht einer nochmaligen^ Bestätigung.^)
Manxrecht. Das Münzrccht liefsen die TriumYim dem Senat nicht nur
so, wie er es vorher gehabt^ sondern derselbe durfte durch seine
Münzbeamten auch Goldmünzen ausprägen lassen. Dabei nahmen
sie aber allerdings für sich in Anspruch, dafs auch ihr Bild und
Name, wie dies bei Cäsar der Fall gewesen (ob. S. 31), auf den
Senatsmünzen stehe. Nicht minder natürlich liefsen sie auf die-
jenigen Münzen, welche sie nach dem Recht des ihnen zustehen-
den Provinzialkommandos selbständig prägen liefsen, ihre Bilder
setzen, ein Verfahren, das ja übrigens selbst die Gäsarmörder
sich gestattet hatten.^
Allgemeine Go- 3. Die im Vorstehenden erörterten Punkte machen den recht-
lich iixierbaren Gharakter der Gewalt der Triumvim aus, wie er
die ganze Zeit ihrer Ausübung hindurch gefafst wurde, wobei
freilich das Recht eben nur in der Formulierung bestand, wah-
rend der Gehalt der eines Willkürregiments war, welches nur in
wert» dafs zwar Appian 6, 72 sagt, man habe ihm seine Provinzen in Mi-
sennm bewilligt, iqt' ocav tmv ixiqmv &q%oiBv 'AvtmvUg ts %al Kaüc^
dagegen Dio 60, 4 angiebt, er habe von dem Vertrag ab sollen aQxnw Id
nivtB itrj. Letzteres ist das richtigere ; denn es stimmt damit, dafe für das
Jahr nach Ablauf dieser fünf Jahre, d. h. für 83 ihm das Konsulat bestimmt
war, in ähnlicher Weise, wie sie fär sich nach Ablauf der Zeit ihres Trium-
virats sich das Konsulat vorbehielten. Den S. Pompejus ganz sich gleich-
stellen wollten sie sicher nicht.
1) Daher denn die Angabe bei App. 6, 96 (8. 98 A. 4). Obige Darstellung
weicht ab wie in den angegebenen Beziehungen von Mommsen, Str. 2, 697 f^
80 auch Yon Borghesi, der oeuvr. 2, 261 ff. von unrichtig gedeutetem Mfinx-
Zeugnis aus eine Iteration schon für das J. 88 annimmt, femer yon Zumpt,
commeni epigr. 1, 16 ff., der ein zweites Quinquennium im Vertrag tod
Misenum und eine Verlängerung des letzteren im Vertrag von Tarent auf-
stellt, endlich von Lange 8, 666—672, der in Misenum eine Verlängerung Aber
88 hinaus nur geplant und erst nach dem Vertrag von Tarent festgemacht
und legalisiert werden läfst.
2) Über die Prilgung des Senats, die sich durch die Namen der hanpt-
siAdtischen Münzmeister kennzeichnet, vgl. Mommsen, r. Mfiuzw. S. 7411;
über die Münzen des Brutus und Cassius ob. S. 86 A. 1. Die Prftgung
vermöge des Feldhermrechts ist, wie die des Senats durch die Münzmeister,
durch die Namen der vom Feldherm Bevollmächtigten beieichnet. Die
Beispiele für dies alles bei Cohen, m^. imp. 1, 24 ff.
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-- 97 --
der 'Rivalität der Machthaber eine Schranke fand.^) Daneben
existierte aber die Republik immerhin noch insoweit, als sie
nominell nach dem Ablauf der zeitlich fixierten Gewalt wieder
eintreten sollte und als in dem Kampf der Rivalen jeder sich
der Ankündigung einer Wiederherstellung derselben als eines Kampf-
mittels bedienen konnte.^ Die wandelbaren und von der je-
weiligen Konstellation abhängigen Seiten betrafen die Verteilung
der Provinzen und Heere, die Personalfragen der Magistraturen
und Nebenpunkte momentaner* Bedeutung; ihre Erledigung, sowie
die Behauptung der neuen Gewalt gegen die Cäsarmörder, gegen
innere Unruhen, gegen S. Pompejus, die Art, wie die einzelnen
Machthaber in ihrem Gebiete verfuhren, macht die Geschichte des
Triumvirats aus.
Das Bild des römischen Reichs, mit welchem diese Geschichte
anhebt, ist ein ungemein düsteres^ kein Teil des Gebiets und
keine Schichte der Bevölkerung blieb unberührt von dem Elend
dieser Zeit Von dem Augenblick an, in welchem die Schergen
der Triumvim sich auf die Opfer der Proskription stürzten, zum
Hohn der tribunicischen Unverletzlichkeit den Anfang machend
mit dem Volkstribunen Salvius'), bis zu den Exekutionen, welche
auf die Schlacht bei Philippi folgten, war die römische Aristo-
kratie und was mit ihr zusammenhing unter einer Schreckens-
herrechafl^ welche, obgleich der Ursache nach ganz verschieden,
doch in ihren Wirkungen verglichen werden kann mit den
Schrecken der französischen Revolution'; die Versorgung der Vete-
ranen mit Land und Geld hob in ganz Italien die Sicherheit des
Besitzes auf^); denn die Expropriationen, die man sich m^st
ohne Entschädigung gefallen lassen mufste, verbreiteten sich mA-
kürlidi über die ganze Halbinsel und nur persönliche Gunst^ die
ebe Gemeinde oder einzelne bei den Triumvim fanden, konnte
vor Beraubung schützen. Die zur Geldversorgung der Veteranen
1) Die 47, 16: cvvel6vti flnstv nal taHa navta onmq nox\ %al iS6ii€i
<nnoig ixQaaöov' tav fihv yäg iniiiXi^asoiv xmv ifCKp^ovmv %al dia xovto
T^ataXv^iiacäv ovn aininon\coLvto ^ xä dh dij nqdyfiaxa ngog xb x6 ßovljifia
xal UQog x6 iv^iir}fia x6 iavxav di^yov^ maxe x(fV66v xrjv xoü Kalaaqo%
2) Wie im J. 41 L. Antonins, im J. 86 Octa^ian, im J. 32 M. Antonius
(>. unt.).
8) Vgl. die draetiBche Schilderung bei Appian 4, 17.
4) Dio 47, 14; 48, 6. App. 6, 12 f. und die bekannten, den Vergil
(EcL 1, 1) und Horaz (epist. 2, 2, 50) betreffenden Vorgänge.
Hersog, d. rftm. SUaUverf. IL 1. 73igitized by VjOOQIC
- 98 -
nötigen Summen wurden in den Provinzen erhoben, und 'diese
hatten aufserdem noch die Eriegskosten zu bestreiten^ und zwar
die östlichen Provinzen zuerst mit zehnjährigem Steuerbetrag für
die Gäsarmörder und darauf mit neunjährigem für ihre Besieger. ^)
Dazu kam Jahre lange Bedrängung Italiens durch S. Pompejos,
den Herrn des Meeres und der Küste, der nicht blofs diese un-
sicher machte, sondern auch mit Abschneidung der Getreide-
zufuhr der Hauptstadt das tägliche Brot gefährdete. Der grofste
Teil des Reichs glich Jahre hindurch einem Kriegslager, Syrien
war fortwährend in Kriegszustand zuerst in Zusammenhang mit
den Bürgerkriegen, dann im Kampf mit den Parthem, die in
einem versprengten Pompejaner, dem jüngeren Labienus, einen
Führer gegen die Römer gefunden, Italien selbst, während des
perusinischen Kriegs auch im Innern Kriegsschauplatz, bildete
während dieser ganzen Zeit den Boden für die Aushebungen. Die
Bevölkerung der Hauptstadt wurde durch die bewaffnete Macht
niedergehalten, aber zu wiederholten Malen war sie in erregter
Stimmung, und es kam zu offenem Kampf. Politisch spielte sie
sonst freilich keine Rolle, an ihre Stelle waren die Legionen
getreten, deren gemeinsame Interessen das Triumvirat wesentlich
mit geschaffen hatten und die fortwährend für die Aufrecht-
erhaltung der Einigkeit den Ausschlag gaben. Aber in der zweiten
Periode bessern sich, wenigstens überall wo Octavian Herr war, die
Zustände merklich. Die positiven Ziele, welche er verfolgt, ver-
langen eine Politik der Schonung, die Reste der geächteten
früheren Aristokratie, denen S. Pompejus eine Zuflucht gewährt
hatte, kehren schon nach dem Vertrag von Misenum zurück, die
Verhältnisse Italiens konsolidieren sich allmählich und zwischen
Antonius und Octavian hat sich die Lage so gestaltet, dafs der
schliefsliche Kampf auf wenige Teile des Reichs sich beschrankt
und rasch zu Ende geführt wird.
Der Kampf 4. Seiucu äufscren Bestand hatte das Triumvirat zuerst gegen-
nnd^?as8hC"undüber dcu zur Zeit seiner Gründung den Osten beherrschenden
^^'^^ PhiiiiI?i.^'*''Cäsarmördem zu bewähren.^) Die Führung des Kriegs war in
1) App. 4, 74: (Cassius) inircctxs — %al tofg aXXoig ^^büi trjg 'Acücg
anaai tpogovg izAp dina avfi^psQSiv. 6, 5 (Antonius sagt): a idott totg Vf^'
Tc^otc ix'&'QoCg iv hsci Svo, ravta laßsCv dgniosi — all' ivl Ir«*. C. 6:
tiXog naQa%aXovvtsg itvxov hvia ixmv tpoqovg icsvefnsCv hsci Svo,
2) Die Quellen für die fortlaufende Geschichte des Triumvirats sind
dieselben wie bisher Velleius, Appian, Dio, Plutarch und die Epitomatoren;
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- 99 -
Bononia dem Antonius und Octavian zugewiesen worden, während
Lepidus als Konsul in Rom blieb. ^) Dafs es ein Kampf auf Tod
und Leben war, darüber war man auf keiner Seite im Zweifel,
die Verurteilungen durch das Gerfcht des pedischen Gesetzes und
die Proskriptionen beantwortete Brutus durch die Einrichtung des
in seinen Händen befindlichen C. Antonius, und in strengster
Aufbietung aller Kräfte, von Mannschaft und Geld blieben die
republikanischen Führer hinter ihren Gegnern nicht zurück. Der
Sieg war nach der beiderseitigen Macht nicht zum voraus sicher,
aber an Raschheit des Handelns, einsichtiger Leitung der Ope-
rationen und Energie des Vorgehens war Antonius auch dem
Cassius überlegen, und zwischen jenem und Octavian bestand ein
richtigeres Zusammenwirken als zwischen Brutus und Cassius;
endlich war in den Heeren der Triumvim die italische Bürger-
schaft mehr vertreten als in dem der Republikaner. So hing
denn das Unterliegen der republikanischen Sache nicht blofs au
dem zuföUigen Ausgang der zwei Schlachttage bei Philippi, son-
dern wesentlich mit an denselben Fehlem, welche das Vorgehen
der Republikaner seit der Ermordung Cäsars bezeichnet hatten:
es geht im Gegensatz gegen die Illusionen Ciceros durch ihr
ganzes Auftreten neben all dem kriegerischen Treiben eine Stim-
mung der Resignation her, die keinen Erfolg mehr hoffen mag
und dann auch nach dem ersten gröfseren Milserfolg das eigene
Leben und die Sache, für die man die Welt in Bewegung gesetzt
hat, wegwirft. Der Ausgang des Kampfs in Makedonien drückte
nur das Siegel auf das, was schon mit Gründung des Triumvirats
entschieden war und bildet so diesem gegenüber keinen hervor-
ragenden Wendepunkt mehr. Wiederum wurde mit gröfster
Strenge unter den Gegnern aufgeräumt, aber es gelang immerhin
nicht wenigen, sich direkt oder auf Umwegen zu S. Pompejus
zu flüchten.' Unter den Siegern selbst aber mufste die Teilung
des Gewinns zu neuer Vereinbarung führen, bei der nun auch
die ostlichen Provinzen in Betracht zu ziehen waren. Nach dem
sie geben ein genügend vollständiges Bild nnd sind, abgesehen von der
Chronologie des Triumvirats, im Wesentlichen übereinstimmend und, zumal
Appian, auch im Detail zuverlässig, so dafs nur vereinzelt Kontroversen
entstehen oder Kombination nötig ist. Auch die Motive liegen bei Appian
^d Dio zuweilen einfacher und natürlicher vor als in manchen neueren
Darstellungen.
1) Appian 4, 2. Dio 46, 65.
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-- 100 —
Vertrag von Bononia war im Anschlufs an die unmittelbar vorher
eingenommenen Positionen dem Antonius das neugewonnene und
das cisalpinische Gallien^ deni Lepidus das narbonensische und
ganz Spanien, dem Octavian Afrika, Sicilien, Sardinien mit den
übrigen Inseln dieses Teils des Mittelmeers zugewiesen worden.
Für die neue Vereinbarung war die Grundlage dadurch geändert,
dafs Lepidus bei den beiden andern in den Verdacht einer Ver-
bindung mit S. Pompejus gekommen war; nicht blofs wurde er
deshalb von der Mitwirkung beim Vertragsschluls ausgeschlossen,
sondern auch in passiver Weise nur für den Fall seiner Recht-
fertigung berücksichtigt und auch dann in untergeordneter Weise;
andrerseits blieb insofern die Basis dieselbe, als über den Osten
noch nicht als über einen Besitz verfügt wurde, sondern wie
Ober eine noch zu lösende Aufgabe der Kriegführung, womit
freilich das weitere gegeben war: es fiel dies dem Antonius zn,
während Octavian die Ansiedlung der Veteranen in Italien aus-
fuhren sollte. Demgemäfs wurde der feste Besitzstand an Pro-
vinzgebieten wieder allen Beteiligten im Westen angewiesen in
der Weise, dafs von den Provinzen des Lepidus das narbonen-
sische Gallien dem Antonius, Spanien dem Octavian gehören,
dagegen das cisalpinische Gallien als Provinz aufgehoben und mit
Italien verbunden werden sollte; von Afrika sollte Octavian nur
die neunumidische Provinz behalten und dem Antonius das alte
Afrika abtreten. So wurde in der Hoffnung, dafs man sich des
Lepidus entledigen könnte, auf diesen zunächst gar keine Rück-
sicht genommen, im übrigen es dem Octavian anheimgegeben,
mit ihm sich auseinanderzusetzen, wie diesem auch die Bekäm-
pfung des S. Pompejus zufiel.^) Über alle diese Punkte wurde
ein schriftlicher Vertrag zwischen den Zweien aufgesetzt*); doch
war es eben nur ein Vertrag zwischen ihnen, dem keine Sanktio-
nierung durch einen Staatsakt folgte.
Der penisinischo 5. Die Aufgabc Octaviaus war in jeder Beziehung die
Vortrag von' schwierigere, sie war aber zugleich, wenn sie gelang, die dank-
barere,, weil sie ihren Schauplatz in Rom und Italien, überhaupt
im Westen hatte. Als aber Octavian zu Anfang 41 nach Rom
kam, fand er alle die Schwierigkeiten, die er voraussehen konnte,
1) App. 6, 3. Dio 48, 1 f.
2) Dio 48 1 2: tavd"' ovt<o xara fi^vag cvvd'iiisvoi %al yQci'tpavtsg wil
ncetacTiiirivafievoi xa re ygafifuitna dXXriXoig avxidocaVy tv av ti xu^aßtt^^
i^ avtciv ^Isyxd^.
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- 101 -
dadurch; dafs andere die durch die Lacndan Weisungen^); die Geld-
beschaffung und durch S. Pompejus herbeigeführte Not gegen
ihn ausbeuteten^ zu einer grofsen Gefahr zusammengeh'auft. Fulvia^
in ihrer Stellung als Gemahlin des Antonius, Schwiegermutter
Octavians imd Schwägerin des eben ins Amt getretenen Konsuls
L. Antonius, wollte mit letzterem die Gewalt führen, und L. An-
tonius selbst spielte, um diese Absichten zu fordern, ihm gegen-
über die Rolle eines liberalen der Wiederherstellung der Republik
zugeneigten Politikers. Unter diesen Umständen fand es Octavian
für gut, den Lepidus nicht schuldig zu finden, und dieser kam
solcher Auffassung durch Fügsamkeit entgegen. Jetzt, wie später,
mulsten Erwägungen mancherlei Art den Lepidus in seiner Teil-
nahme am Triumvirat schützen: so lange noch ein vierter da
war, der sich lästig genug machte, war die Möglichkeit vor-
handen, dafs, was man dem Lepidus vorgeworfen, wirklich ge-
schah, d. h. dafs der dritte sich mit seinen Mitteln an Geld und
Truppen dem vierten anschlofs; aufserdem aber war selbst für
das Spiel um die Macht unter den zweien die Teilnahme eines
dritten, so lange man Friede unter sich halten wollte, eine
Förderung dieses Friedens — für den Fall des Kriegs eine Hilfe,
mit der inzwischen jeder rechnen konnte; im gegenwärtigen
Augenblick speziell konnte Octavian, wenn er gegen Lepidus
entgegenkommend verfahr, einigen Beistand erhoffen. So trat
er ihm, nachdem er sich mit ihm auseinandergesetzt, Afrika ab;
dafs er auf diese Provinz beschränkt blieb*) und in die gemein-
samen Angelegenheiten nicht störend eingriff, dafür sorgte schon
die Natur des Mannes. — Der Zwist mit Fulvia aber, von deren
Tochter sich Octavian wieder geschieden, und mit L. Antonius
führte im Sommer 41 zum sog. perusinischen Krieg, indem
L, Antonius, der mit den Hilfsmitteln Galliens und den Truppen
1) Über die noch nachweisbar bei diesen Landanweisungen beteiligten
Städte vgl. Mommsen in Hermes 18, 169—172. Dafs nicht blofs die ur-
sprünglich dazu bestimmten 18 oder nach Begnadigung von zweien 16 Städte,
bondem so ziemlich ganz Italien darunter litt, sagt App. 5, 22.
2) Das völlige Zurücktreten in der allgemeinen Regierung zeigen auch
die Münzen; vgl. Mommsen in Sallet, Zeitschr. für Numism. 2, 67: ,J)ie
Denare der Münzmeister L. Livineius Regulus und L. Mussidius Longus
des Jahres 711 — weisen aliein Münzen mit dem Kopf des Lepidus auf,
welche für den Anfang des Triumvirats vortrefflich passen, wogegen, nach-
dem Lepidus' wirkliche Stellung offenkundig geworden war, niemals weiter
mit seinem Bildnis geprägt worden i>t.*'
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- 102 -
der Statthalter seines Bruders den Kampf aufnehmen wollte, auf
dem Wege nach dem Norden nach Perusia gedrängt und da-
selbst belagert wurde. L. Antonius mufste sich trotz der ihm
geleisteten Beihilfe jener Generale seines Bruders zu Anfang 40
ergeben und wurde durch kluge Schonung unschädlich gemacht
Welch losen Charakter aber die Verbindung der Machthaber
hatte, zeigte sich hier in schlagendem Licht. Der Triumvir An-
tonius sah ruhig zu, wie sein Bruder und seine Generale mit
seinem Genossen in der Regierung Krieg fährten, nach keiner
Seite einschreitend und schliefslich auch die Entscheidung über
den Bruder dem Octavian überlassend.^) Es war damit die
Praxis eingeleitet, dafs jeder in seinem Machtgebiet herrsche und
es lediglich Sache des augenblicklichen Interesses war, ob der
Genosse sich um die Vorgänge nicht etwa blofs im Gebiet des
andern, sondern auch in dem der gemeinsamen Interessen
kümmerte. Indessen das Interesse des M. Antonius selbst ver-
langte, auch abgesehen von der Aufforderung, die ihm unmittel-
bar nach dem Ausgang des Kriegs in Italien durch die zu ihm
flüchtende Fulvia zukam, nunmehr doch ein Eingreifen in die
italischen Verhältnisse. Er hatte nach dem Verschwinden der
Cäsarmörder in Asien gegenüber der Bevölkerung und den
Vasallenfürsten leichtes Spiel gehabt, es handelte sich hier nur
noch um einen Beute- und Rachezug, wie denn auch, was in den
Verhältnissen damals etwa neu geordnet wurde, diesen Charakter
trägt, nur in Syrien drohte ein ernster Krieg mit den Parthern.
Jener Durchzug durch Asien war es nun aber, der ihn in Tarsus
im J. 41 in die verhängnisvolle Verbindung mit Kleopatra brachte.
Sofort machte sich dies in dem Auftreten gegen die Parther
geltend. Ihnen gegenüber galt es, entweder nach genügender
Vorbereitung die Offensive zu ergreifen oder mit vorsichtiger
Politik den Ausbruch des Kriegs abzuwenden*, statt dessen vmrden
von Antonius durch leichtsinnige Plünderung der reichen Handels-
stadt Palmyra die Parther nach Syrien hereingezogen*), und dann
der Krieg weder von ihm selbst geleitet, vielmehr, während er in
Ägypten blieb, einer untergeordneten Persönlichkeit überlassen,
noch war daför gesorgt, dafs im Osten selbst genügende Streit-
1) Dafs er über das Vorgehn der Fulvia und seines Bruders später
seine Mifsbilligmig aussprach, sagt Appian 5, 52.
2) Appian 6, 9. Palmyra tritt hier zuerst in den geschichtlichen
Horizont.
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. - 103 -
kräfte für einen so bedeutenden Kampf zur Verfügung standen.
So war denn eben^ als Fulvia die Folgen des Konflikts in Italien
ihm nach Griechenland herüberbrachte ^ Antonius darauf ange-
wiesen, im Westen Verstärkung zu suchen und sich mit den da^
selbst eingetretenen Verhältnissen persönlich zu beschäftigen.
Dabei konnte er aber, was vorgegangen war, nicht einfach igno-
rieren und ebensowenig bei Octävian voraussetzen, dafs er ihm
in Italien keine Schwierigkeiten mache; hatte sich doch so eben
damit, dafs letzterer die bisher unter einem General des Antonius,
Calenus, stehenden Truppen nach dessen Tode an sich gezogen,
ein neuer Streitpunkt ergeben. Er nahm also einen Konflikt
mit Octävian in Aussicht, und da Lepidus, der eben im J. 40
nach Afrika gegangen war, ihm wohl eine schwache Stütze zu
sein schien, so kam er darauf, mit S. Pompejus Verbindung an-
zuknüpfen: er hoffte so, da inzwischen der frühere Kommandant
der Flotte der Cäsarmörder, Domitius Aheuobarbus, mit seinen
Schiffen zu ihm übergegangen war, von der nun gesicherten
Beherrschung des Meeres aus die Fehde mit Octävian aufnehmen
zu können. Der Kampf begann in der That bei Brundisium,
als Antonius im Frühjahr 40 mit der Flotte unter Domitius
vor diesen Hafen kam und den Zugang versperrt fand. Allein,
obgleich auch Pompejus durch Besetzung von Küstenorten mit
in den Kampf eintrat, kam es doch bald einerseits durch diplo-
matische Geschicklichkeit, andrerseits durch das energische Drängen
der beiderseitigen Legionen zur Wiederherstellung der alten Ver-
bindung, wobei die Lage nicht wenig erleichtert wurde durch
den Tod der Fulvia. Die diplomatischen Unterhandlungen gingen
aus von dem Lager des Octävian, und nachdem ein zur Wieder-
herstellung freundlicher Beziehungen geeigneter Unterhändler,
Coccejus Nerva, aus der Umgebung Octavians, aber als beider
Triumvirn Freund bezeichnet, die ersten Schritte eingeleitet und
eine durch Frauen vermittelte Korrespondenz weitere Grundlagen
gelegt hatte, kam es in Brundisium im Verlauf des Sommers 40
durch Kommissäre, neben C. Nerva von Seiten des Octävian
Mäcenas, von Seiten des Antonius Asinius Pollio, zu Verhand-
lungen, die unterstützt durch die Haltung der Heere, vor allem
aber unter dem Drang der Verhältnisse zu einem günstigen
ßesultat führten^): denn, wenn gleich Antonius hoffen konnte.
1) App. 6, 60 ff. in auBführlicher, Dio 48, 28 in kurzer Darstellung.
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- 104 - •
mit Pompejus dem Octavian überlegen zu sein, ein Yollstän-
diger Sieg war doch keineswegs sicher^ bei längerem Aufge-
haltensein mit den westlichen Verhältnissen aber auch das, was er
im Osten sich bereiten wollte, gefährdet; Octavian seinerseits
konnte bei vorläufiger Fortsetzung der bisherigen Verbindung
für die Zukunft nur gewinnen. Wiederum wurde Lepidus zum
Mitverhandeln nicht beigezogen , dagegen in dem, was er hatte,
belassen und während er es bisher durch Octavians einseitige
Bewilligung besessen, wurde es nun von beiden Grenossen an-
erkannt. Den S. Pompejus in irgend einer Weise beizuziehen,
wenigstens zu einem friedlichen Verhältnis mit ihm zu kommen,
war das Bestreben des Antonius, der ja eben vorher ihn an seine
Seite gezogen; jedoch Octavian verweigerte hier jede Konzession.
Unter den zwei leitenden Genossen selbst aber wurde nun zuerst
deutlich Ost und West geschieden, indem was westlich von der
Linie liege, die durch die illyrische Stadt Skodra (Skutari) ging,
dem Octavian, was östlich, dem Antonius unterstehen sollte.
Jener hatte zu sehen, wie er mit S. Pompejus fertig würde,
dieser sollte den Partherkrieg führen, und um bei letzterem den
schlimmen Charakter der Defensive, den die letzten Vorgänge
ihm aufgedrückt, nicht zum Ausdruck zu bringen, wurde als
Zweck die Rache fiir die Niederlage des Crassus angegeben.
Auch jetzt noch sollte die Zentralregierung, wie bisher, gemein-
sam gedacht sein, und gerade unmittelbar nachher wurde sie
persönlich so in Rom ausgeübt, es sollte Italien gemeinsames
Aushebungsgebiet bleiben — dies hatte ja wesentlich mit den
Antonius hergeführt; aber dennoch war diese Teilung in Ost
und West epochemachend, schnitt zum ersten Male, seitdem die
römische Republik ihre Herrschaft über das jonische Meer hin-
übergetragen, bei Abgrenzung von Machtgebieteu zwischen den
zwei Kulturgebieten durch und bereitete jedenfalls für die vor- '
liegenden Verhältnisse in demselben Augenblick, in dem sie
Frieden stiften sollte, die Lösung der Koalition vor. — Der
Friede wurde besiegelt durch die Vermählung des Antonius mit
der eben verwitweten Octavia, Octavians Schwester, eine Bürg-
schaft, welche, wie bei ähnlichen früheren Gelegenheiten, von
den Heeren vor allem als besonders kräftig begrüfst wurde.
Die Umgebung 6. Dic ueucu DispositioDcn veranlafsten nun vor allem
a «r.^^^j^ ^^^^ Verfügungen über die Kommandostellen, zum Teil
auch über die Magistraturen, und überhaupt treten nun, da es
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sich nicht hlofs um militärische Posten, sondern auch um poli-
tische Funktionen im Rahmen der neugeschaffenen Herrscher-
gewalt handelte, zum ersten Male die Persönlichkeiten, welche
den Stab der Herrscher bilden, deutlicher hervor. Des Diktators
Cäsar überlegener Geist hatte aus 4,en Legatenstellungen heraus,
die den aufserordentlichen Gewalten beigegeben wurden, auch
auf dem politischen Gebiet seine Umgebung zu persönlicher
Abhängigkeit gebracht; aber die an die Selbständigkeit der alten
Magistratur gewöhnten hatten dies nicht ertragen, und mit
Cäsars Tode kam ohnedies die alte Selbständigkeit des politischen
Amts wieder zu ihrem Recht. Mit der neuen Herrscherstellung
trat wieder naturgemäfs die Unterordnung aller andern Stellungen
unter Regierende ein, die städtische Magistratur hatte ja nur die
Bedeutung einer Belohnung für die im Felde und in der Um-
gebung des Herrn' geleisteten Dienste, und die persönliche
Stellung der diese Dienste leistenden war durchaus die der
militärisch Untergebenen. Die Proskriptionen und der Bürger-
krieg hatten unter denen ^ die solchen Anforderungen nicht ent-
sprechen wollten, aufgeräumt, und wer von unabhängigen noch
übrig war, hatte nur noch bei S. Pompejus eine Zuflucht, freilich
nur, um dort einen persönlich geringeren Herrn und die Kon-
kurrenz von gewesenen Sklaven «u finden. Bei dem eigentüm-
lichen Charakter des Triumvirats mufsten die, welche ihm dienst-
bar sein wollten, sich an die Person des einen oder anderen
anschliefsen^), und es ist von Interesse zu bemerken, wie diese
Scheidung sich vollzog. Lepidus war so vollständig bei Seite
geschoben und persönlich so wenig imponierend, dafs er nur auf
Angehörige, Subalterne und unter den höheren Offizieren auf
solche rechnen konnte, die eben nur bei ihm ankamen und
aus seinem Reichtum Nutzen zogen. ^) Von den Zweien aber,
welche die Herrschaft wirklich führten, hatte offenbar Antonius
bis jetzt das gröfsere Zutrauen: in seinem Stabe waren die an-
gesehensten der alten Cäsarianer, ein Asinius Pollio, Munatius
Plancus, P. Ventidius, ihm schlofs sich der geächtete und an
1) Vgl. App. 6, 68: 6 Kaioag tmv 'Avtanvlov q>Ü.(ov xal (rr^aTcov ooovg
vvcMttfvs 9UnBii/«Bv inl ngotpaasasv aXXovg dlXaxov.
2) Octavian hatte ihm aufserdem unzuverlässige Legionen und Offiziere
nach Afrika mitgegeben. App. a. a. 0.: xal AtniSov ig zriv iip7i(piafiivi]v
uvT<ß Aißvriv {^nsfunsv) äyovtcc zmv *Avxtov(ov xbX^v tä vnontoxata ^'r\r\n\o
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— 106 —
der Spitze einer Flotte nicht ungefährliche Republikaner Domitius
Ahenobarbus an, ebenso Ti. Nero, der Gemahl der Livia^), ja
einer der tüchtigsten Offiziere des Octavian, mit Agrippa sein
Genosse von Apoll onia her, Q. Salvidienus Rufus, hatte eben ge-
legentlich des letzten Zwiespsdts sich zu Antonius hinüberschlagen
wollen. Es war offenbar, dafs Offiziere wie Soldaten in Antonius
von Cäsar her, dann vollends seit den Kämpfen bei Philippi den
besseren Kriegsmann sahen, und er hatte auch bei der Teilung
der Provinzen bis jetzt diejenigen gehabt, aus denen am meisten
Gewinn und Genufs zu holen war, Gallien und den Ost^n, während
Octavian sich mit den Schwierigkeiten der noch wenig lohnen-
den italischen Aufgabe hatte herumschlagen müssen; auch mochte
es den älteren schwer fallen, von dem jungen Mann, selbst wenn
er den Namen Cäsars führte, Befehle anzunehmen. Aber der
junge Cäsar hatte den grofsen Vorteil, in ^wei neuen Männern
die weitaus tüchtigsten Genossen zu haben^ den von frühester
Jugend an vertrauten M. Vipsanius Agrippa und den eben bei
den letzten Verhandlungen neben Coccejus die erste diplomatische
Rolle spielenden 0. Mäcenas.^) Agrippa hatte zum ersten Male
im perusinischen Krieg seine militärische Begabung gezeigt, war
eben im J. 40 Prätor, hatte die Verteidigung Unteritaliens gegen
S. Pompejus geleitet, und schon jetzt konnte man sehen, dafs er
vollständig geeignet war zu ersetzen, was dem Octavian an mili-
tärischer Fähigkeit abging; namentlich aber hatte bei ihm wie
bei Mäcenas dieser die überaus wertvolle Sicherheit absoluter Zu-
verlässigkeit.^) Wann und wie der letztere, der aus munizipaler
Nobilität stammend, keine Gelegenheit gesucht oder gehabt hatte,
1) Dio 48, 16.
2) Frandsen, M. Agrippa. Altona 1836. C. Cilnina Mäcenas, 1843,
in Disposition und Darstellung umsind lieh and altfränkisch, aber von
tüchtiger Stoff kenntnis aus und mit entschiedenem Urteil. Dafs der genaue
Name des Mannes C. Maecenas sei und Maecenas etruskisches Nomen,
nicht Cognomen, weist nach Bormann, ind. lect. aest. Marb. 1883. Derselbe
vermutet, dafs das Nomen Cilnius, das ihm an einigen Stellen gegeben
wird, von mütterlicher Seite hereingekommen sei.
3) Wie weit dieses Vertrauen Octavians ging, zeigen Plinius nai.
bist. 37, 10. Dio Öl, 3: xoaavtriv ys inl navxa %al t© *Ayqinna %al xm
MaiMTivcf. i^ovaütv ^dmusv^ maxe atpäg xal xäg iiticxoXagy ag xfj xs ßovt^
xal xoCg aXXoig SygafpB nqoav€iyvyvio6%Biv %a% xovxov %al fi^xayifdfpBW o9a
ißovXovxo' xal dia xovxo xal datixvXvov iXctßov nag' avxov, tv' imafpfftPf^
f^sa^ai avras ix<ociv.
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— 107 -
auf dem Wege der gewöhnlichen Magistratur zu den Staats-
geschäften zugelassen zu werden, dazu kam^ in nähere Verbindung
mit Octavian zu treten^ wissen wir nicht; wie finden ihn sogleich
bei seinem ersten geschichtlichen Auftreten in einer diplomatischen
Vertrauensmission erster Bedeutung. In jener Zeit des Jahres 40,
da Verbindungen zwischen Antonius und S. Pompejus im Werk
waren, sollte dem gegenüber Pompejus för Octavian gewonnen
oder wenigstens unschädlich gemacht werden durch eine Werbung
für letzteren um die Hand der Scribonia, einer Schwester von
Pompejus' Gemahlin. Die Aufgabe, dies zustande zu bringen,
fiel dem Mäcenas zu, und es kam auch zu der Vermählung; die
politischen Zwecke, die man dabei gehabt, wurden allerdings
nicht erreicht, doch dies hing von Verhältnissen ab, die kein
Unterhändler beseitigen konnte. Jetzt nun, bei den durch Coccejus
angeknüpften Verhandlungen in Brundisium war Mäcenas wieder
der bevollmächtigte Kommissär gewesen, und diesmal mit vollem
Erfolg. Diese zwei Männer an der Seite konnte Octavian es
ruhig mit ansehen, dafs sein Rivale eine höher im Rang stehende
Umgebung hatte. Eine allgemeinere Betrachtung aber wird nicht
verkennen, dafs der Kontrast zwischen dem beiderseitigen Ver-
halten eine viel tiefere Bedeutung als die des augenblicklichen
Vorteils hatte: Antonius hatte Männer um sich, die ihm gesell-
schaftlich nach bisherigen Anschauungen gleichberechtigt waren,
deren Stellung sich immer noch den verfassungsmäfsigen Be-
dingungen der Magistratur anschlofs und die nie ganz als persön-
lich Untergebene behandelt werden konnten, weil sie von früher her
noch den Charakter eines Kriegsrats oder in der Politik eines
Konsiliums des obersten Magistrats hatten. Bei Agrippa war
der Anschlufs an die Magistratur vorhanden, aber es fehlte die
gesellschaftliche Stellung, Mäcenas war durchaus persönlich Unter-
gebener, der bevollmächtigte Minister eines absoluten Herrn.
Damit nahm auch die Führung der Politik einen andern Charakter
an: der traditionellen und verfassungsmäfsigen Politik und Diplo-
matie, welche von den Beratungen des Senats ihren Ausgang zu
nehmen und in dem, was der persönlichen Handhabung durch
die Beauftragten zufällt, ihre Richtung in den hergebrachten
und bewährten Grundsätzen zu suchen hat, bleibt jetzt nur noch
das untergeordnete Gebiet des täglich Anfallenden: für die höheren
Aufgaben der Staatsleitung ist die geheime Kabinetspolitik er-
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- 108 -
s. PompojuB und 7. Nach dem Abschlufs des Vertrags begaben sich die beiden
Miscuuin. Herrscher nach Rom^ um von dort aus das Verabredete in Voll-
zug zu setzen^ und es ist dies der einzige Zeitabschnitt, in welchem
sie eine einheitliche Regierung wenigstens äufserlich darstellen.
Antonius hatte in der Wahl des Kommandanten P. Ventidias,
den er an seiner Stelle nach Syrien sandte^), glückliche Hand
und konnte so ohne Gefahr für seine dortigen Interessen zurück-
bleiben, und die Vermählung mit Octavia, sowie die Klugheit
des Octavian und seiner Ratgeber trug dazu bei, das Ein-
vernehmen aufrecht zu erhalten. In Rom selbst aber waren die
Verhältnisse für das Triumvirat ungünstig. Alle die Übel, welche
Italien bedrückten, wurden aufs äufserste gesteigert durch den
Krieg mit Pompejus. Es war nun das vierte Jahr, dafs dieser
mit seiner Flotte Herr des westlichen Meeres war. Als man ihn,
während er noch kraft der ihm vom Senat kaum erst verliehenen
legitimen Gewalt (ob. S. 79) mit einer Flotte in Massilien war,
im J. 43 dem pedischen Gesetz zufolge geächtet, hatte man ihn
damit auf das Meer getrieben; da er aber für seine Seemacht
einen festen Puukt haben mufste, so hatte er die Inseln in der
Nähe von Italien zu besetzen gesucht und es war ihm gelungen,
den günstigsten Platz für eine Beherrschung der See, Sicilien^
zu gewinnen, und von da aus dann zeitweilig auch in Sardinien
und Korsika sich festzusetzen. In einer Zeit, in welcher Pro-
skriptionen, Bürgerkrieg und gewaltsame Expropriationen zahl-
lose Existenzen aus ihrer Bahn warfen und in verzweifelte Lage
brachten, war es ihm leicht genug gewesen, Zuzug zu ge-
winnen und da er auch entlaufene Sklaven aufnahm, so hatte er
Meiischenmaterial aller Art zur Verfügung, das nur die Wahl
hatte für ihn zu kämpfen oder in die Hände unerbittlicher
Feinde zu fallen. Den Unterhalt für diese Streitmacht lieferte
neben den Hilfsmitteln der Inseln die Plünderung der Küsten-
plätze Italiens und der Seeraub.*) Bei der Persönlichkeit des
1) Appian 5, 65: xal svd'vg ig ta ins^yovxa tovg tpilovg i%ttxt(fog
avtmv nsQLin€(tnev, OvsvxlSiov ^ihv sig xriv 'Aaiav *Avx(oviog\ unrichtig lafet
Plutarch Anton, c. 33 den Ventidias erst nach dem Vertrag von Misenum
abgeben; vgl. Bürcklein, Quellen und Chronologie der römisch-parthischen
Feldzüge in den Jahren 713—718 d. St. Berlin 1879. S. 61 f.
2) Aagnst bezeichnet deshalb im Mon. Anc. (tab. lai 5, 1 f.) diesen Eaiupf
als Seeräuber- nnd Sklavenkrieg und giebt hinsichtlich der Sklaven Zahlen.
(Marepacavi a pracdonihus. Eo hello servortim, qui fugerant a dominis suisä
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~ 109 -
Pompejus^) war an ein Ziel mit bleibender Machtstellung im Ernste
nicht zu denken*, dagegen war ein Anschlufs an die republikanische
Macht vollends nach Errichtung des Triumvirats nahe genug ge-
lten; aber Pompejus hatte ihn nicht gesucht, weil es ihm eben
an allen höheren politischen Gesichtspunkten fehlte. Nach Ver-
nichtung der Republikaner war anzunehmen^ dafs er der ver-
einten Macht der Triumvim nicht gewachsen sei, allein die Ver-
hältnisse waren selbst jetzt noch nicht dazu angethan, ihn diese
vereinte Macht fühlen zu lassen, und in Wirklichkeit ergab es
sich im J. 40, dafs er einen Anziehungspunkt für den einen
Triumvim gegen den andern bildete. Die Not aber, die er über
Italien mit seinen Einfallen, der Verhinderung der Zufuhr, der
Entziehung der Sklaven, endlich nicht zum geringsten durch die
Last der Kriegsführung gegen ihn brachte, hatte die Bevölkerung
ItaUens und besonders Roms nicht gegen ihn aufgebracht, sondern
gegen seine Gegner, in erster Linie gegen Octavian, von dem man
wufste, dafs er am hartnäckigsten gegen Pompejus war.*) Die
Stimmung der hauptstadtischen Bevölkerung führte während der
Anwesenheit der beiden Herrscher zu bedrohlichen Unruhen, und
wenn auch Antonius diese mit Gewalt niederschlug, so war doch
eine Gefahr blofsgelßgt, die bei der damaligen Lage von ganz
Italien ernst zu nehmen war, vollends, da es eben selbst jetzt
nicht gelang, dem Pompejus auch nur die Küsten der Halbinsel
za verschliefsen. So ergriff denn Antonius, der schon früher
emem Frieden mit Pompejus nicht abgeneigt gewesen, die Ini-
tiative, um letzteren zu einer Verständigung mit jenem zu bringen,
und noch in der ersten Hälfte des Jahrs 39 kam es zu einer
personlichen Zusammenkunft zwischen den drei Beteiligten.*)
Das Verlangen des Pompejus, an die Stelle des Lepidus im
Triumvirat zu treten, wurde rund abgeschlagen, dagegen gegen
das Versprechen Frieden zu halten, die in Italien besetzten
arwa contra rem ptUflicam ceperant^ triginta fere millia capta dominis ad
«•ppKcium sufnendium traditi. Vgl. Gros. G, 18, 33: triginta milia servorum
<i(^'tnini8 restUuit, sex müia, quorum domini non extahant in crucem egit,)
1) Vell. 2, 73: adtdescena erat studiis rudis, sermone barbartis, impetu
^renuus, manu promptus, cogitcUione celer, fide patri dissimillimus, libertorum
»«onim libertus servorumque servus, speciosis invidens, ut pareret humüUmis.
Seine Biographie bei Drumann 4, 660 ff.
2) Bio 48, 31: (in der Stadt) iiQog rov £s^tov inixUvav. App. 6, 67 f.
3) App. 5, 68—73. Dio 48, 36. ^ .
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- 110 -
Punkte zu räumen^ keine entlaufenen Sklaven mehr aufzunelimeD,
den Verkehr nicht mehr zu belästigen, und selbst zur Getreide-
versorgung Roms mitzuhelfen, ihm bewilligt, Herr der Inseln um
Italien, vor allem von Sicilien, Sardinien und Korsika zu seiB
oder vielmehr zu bleiben, und dazu noch den Peloponnes zu er-
halten und für den Verlust der von Antonius genommenen Güter
seines Vaters mit Geld entschädigt zu werden. Pompejus hatte
sich bis jetzt für seine Gewalt auf den Senatsbeschlufs berufen,
der ihn zum Präfekten der Flotte und der Küste gemacht hatte;
möglich, dafs dieser Titel auch jetzt bleiben sollte; denn er ßhrt
fort, auf seinen Münzen ihn zu führen, und wir keimen keinen
andern; doch wäre er wohl nur beibehalten worden, um nicht
einen andern schöpfen zu müssen.^) Die Dauer seiner Gewalt
wurde auf fünf Jahre, bis zum 31. Dez. 34, bestimmt, aber nach
Ablauf der fünf Jahre, also für das Jahr 33 ihm das Konsulat
vorbehalten, auch sollte er Augur werden. Da, wie wir oben
annahmen, zu gleicher Zeit die Triumvirn ihre Gewalt in der
Weise neu festsetzten, dafs sie vom 1. Jan. 37 an auf sechs
weitere Jahre gelten sollte, so blieb das Mafs der vertragsmäCsig
dem Pompejus zuerkannten Gewalt innerhalb der Frist des Trium-
virats. Besonders wichtig aber war die Begnadigung der zu
Pompejus Geflüchteten; dafs er für die ihm zugelaufenen Sklaven
die Freiheit verlangte und durchsetzte, war natürlich, dies konnte
ihm nicht versagt werden; dagegen war die Rückkehr der Ge-
ächteten ihrer Person wegen, wie hinsichtlich ihres Besitzes eine
gewichtige Frage; es entsprach aber der Lage der Dinge, dafs
nicht nur die ohne Verurteilung zu ihm Gekommenen in ihr volles
unbewegliches Besitztum wieder eingesetzt wurden, sondern auch
die durch das Edikt von 43 Geächteten wenigstens in ein Vier-
teil, während die Cäsarmörder von der Begnadigung ausgeschlossen
blieben. Die Restituierten sollten für Magistratur und Senat
berücksichtigt werden, womit zugleich die Interessen des Pom-
pejus darin vertreten erschienen. Hier eben kam das einzige
positive Interesse zum Ausdruck, welches Pompejus vertreten
1) Den Titel eines praefectus ckissis konnte man ihm jedenfalls nur
in dem beschränkten Sinn der von ihm geschaffenen Flotte zugestehen;
za dem praef, orae marüinMC stimmte nicht, dafs er alle Punkte der
italischen Küste räumen mufste, und die Verleihung ex s. c. paTate nicht zu
der Stellung des Senats unter dem Triumvirat, wenn darin nicht etwa eine
Beschränkung gesehen werden wollte.
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- 111 -
hatte: die Erhaltung der bisher unabhängigen Reste der Aristo-
kratie für die neuen Zustände, ein Vorteil, dem nicht geringer
Wert beizulegen war und ein Zugeständnis, das auch mit un-
geheurer Freude aufgenommen wurde. ^) Für ihn selbst war es
lediglich ein Schaden; denn die Zurückgekehrten, welche den
Charakter ihres bisherigen Patrons und das Treiben der frei-
gelassenen Griechen, deren Seekunde er die Erfolge seiner Flotte
verdankte, zur Genüge kennen gelernt hatten, waren nunmehr
unschwer in ein anderes Lager herüberzuziehen. — Da Pompejus
mit den ihm überlassenen Provinzen nicht in ein untergeordnetes
Verhältnis zu den Triumvirn kam, sondern ein selbständiges
Kommando neben ihnen haben sollte, so wäre es nötig gewesen,
den ihn betreffenden Teil durch einen Akt der Gesetzgebung be-
stätigen zu lassen, und unumgänglich notwendig war dies, wenn
die Triumvirn zugleich ihre eigene Gewalt verlängerten. Es ist
uns aber hierüber nichts berichtet, sondern nur, dafs die Urkunde
des Vertrags in Rom bei den Vestalinnen niedergelegt wurde*),
ein Akt, der natürlich nicht eine Legalisierung war, sondern nur
eine Garantieform für ein Privatabkommen. Dafs auf Grund
des Vertrags die Magistraturen nun bis z. J. 31 festgesetzt
wurden^ und zwar in einer Weise, dafs dieselben ihren Charakter
als Verwaltungsstellen beinahe ganz einbüfsten, nur Rangstufe
und den Durchgang zu militärischen Posten geben sollten, wurde
1) Vgl. die Schilderung Dio 48, 87.
2) App. 6, 73: ig tavta avvißriüav %al xavxa itvvsyQd'tf>avto nal iar^
f^iwavTo xal taig h(faig na^d'ivoig <pvldaasiv insfitpav ig *P(6fi/riv. Dio 48,
37: tavta filv ovv avv^'ifisvoi %al avyyQa^dftsvoi td ts ygafifiatstd tai^g
tfQiüiig taig dsl leaQ&ivoig naganatid'evto xal (istd tovto ^e^idg te atpCoiv
Idocav xal itpCXrjaav aXX^Xovg. — Immerhin ist zu beachten, dals wenigstens
f&r einen Teil der Abmachung die Vorlegung im Senat bezeugt ist. App.
5, 131: nal avtoCg (den zu Pompejus geflüchteten Sklaven) triv iXsv&'sgiav
^xcft ilofMTijtoff (eben bei Misenum) %al rj ßovXij xal at avy^^xat ds-
8) Dio 48, 86: dip' ovnsg ital dgxäg aXlag xb in\ nXsüo hrj %al tijv
tmv vndtav ig 6%tm oXa ngo%at8atri6avto tovg (tsv dfiSLßofisvoi tmv
«wßaga^ivoiv ctpüri tovg dh vnay6fievoi; dagegen App. 6, 73: initprivav 91
tili imovarjg vndtovg ig tstgastlg 'Avtdtviov fi^v %al A^ßmva ngdtovg
dvT^%a^latdvtog bito^iog Uvtoaviov ov dv ßovXoito. Aus der Liste, welche
Appian hat, geht hervor, dafs er für die vier Jahre, die er angiebt, die
vier letzten des von Dio gemeinten achtjährigen Zeitraums meint, beide
also dasselbe Ziel, das Jahr 31 im Auge haben, Appian speziell demnach
DQr berücksichtigt, was völlig neu verabredet wurde.
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- 112 -
schon oben bemerkt — Auch dieser Vertrag wurde schliefeUch
durch eine Verlobung besiegelt, die des M. Marcellus, eines nahen
Verwandten der Triumvirn mit der Tochter des Pompejus.
Der Krieg mit 8. Nachdem dies geordnet war, glaubte Antonius die Dinge
Vertrag von im Wcstcn ihren Gang gehen lassen zu können und begab sich
Heseitigung dos zunächst mit Octavia nach Athen; auch Octavian verliefs Rom,
um Gallien zu besuchen, während Pompejus in Sicilien Wieb.
Dafs aber der eben geschlossene Frieden nur für den Augenblick
eine Erleichterung gewähren konnte und sollte, stand für Octavian
von Anfang an fest. Er sah klar ein, dafs fQr seine Herrschaft,
auch wenn er nur den gegenwärtigen Zustand der Teilung mit
Antonius im Auge hatte, Pompejus nicht versöhnt, sondern be-
seitigt werden mufste; darum besann er sich nicht, das durch
den Verrat des pompejanischen Flottenfuhrers Menas ihm ange-
botene Sardinien anzunehmen und durch Scheidung von seiner
Gemahlin Scribonia, die eben im J. 39 Mutter der Julia geworden,
das Verwandtschaftsband wieder zu lösen, kehrte auch von Gallien
möglichst bald zurück, diese Provinz dem Agrippa überlassend;
ein Grund für solches Vorgehen war ja aus dem Verhalten des
Pompejus in Erfüllung seiner Bedingungen leicht zu entnehmen,
und da auch Antonius sich mit der Abtretung Acbajas nicht
beeilte, so war Octavian von dieser Seite vor Einreden sicher.
Indessen der daraus sich ergebende Wiederausbruch des Kriegs
im J. 38 war für letzteren eine ungemein schwierige Aufgabe;
alle Anstrengungen, die gemacht wurden, um eine Flotte aufs
Meer zu bringen, die der des Pompejus gewachsen wäre und ein
Heer in Sicilien landen könnte, waren vergeblich: Elementar-
ereignisse oder die Überlegenheit der Seekunde bei den Gegnern
kosteten ohne irgend einen Erfolg die schwersten Opfer an Mann-
schaft und Geld^), die Bedrängnis Italiens steigerte sich fort-
während, und es war nur ein Glück, dafs Pompejus seinen Vor-
teil nicht zu einer energischen Offensive in Italien selbst ver-
wandte. In dieser Not rief Octavian im J. 37, in demselben
Jahr, mit welchem die zweite Periode des Triumvirats begann,
den Agrippa, der in Gallien sich aufs neue ausgezeichnet, nach
Italien zurück, um ihn abermals mit dem Krieg gegen Pompejus
zu betrauen, zu gleicher Zeit aber wandte er sich an Antonius
1) Von dem Seekrieg gegen Pompejus geben Appian 6, 81 ff. und Dio
48, 46 ff. sehr ausführlichen und lebendigen Bericht
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- 113 —
nnd Lepidus um Beistand. An jenen wurde Mäcenas geschickt
und er brachte es dahin, dafs Antonius; der seinerseits wieder
Aushebungen in Italien machen wollte, nach Italien herüberfuhr.
Aber inzwischen hatte Octavian, wie es scheint, Mifstrauen gegen
ihn gefafst und liefs ihm, als er in Brundisium landen wollte,
dies Tersagen. Die hiedurch entstandene bedenkliche Situation
wurde jedoch durch Octavian und Mäcenas wieder gelöst und es
kam im J. 37 zu einer neuen Zusammenkunft bei Tarent und
einem neuen Vertrag. Octavian erhielt die Zusage einer Flotte
TOü Antonius, dieser Truppen aus Italien, während dem Pompejus
die ihm bei Misenum bewilligten Würden abgesprochen wurden*);
hinsichtlich des Triumvirats waren neue Verabredungen nicht
nötig.*) Nach dem Vertragsschlufs wandte sich Antonius wieder
seinem Herrschaftsgebiet und dem Partherkriege zu. Lepidus,
der abermals in Tarent nicht beigezogen worden war, entschlofs
sich ebenfalls, dem Octavian zu Hilfe zu kommen, und zwar
persönlich, allein keineswegs in freundlicher Absicht. Ihm schien
jetzt der Augenblick gekommen, sich für die Zurücksetzung, die
er erfahren, zu rächen, und mit dem Gedanken, für sich selbst
Bun einzutreten, kam er mit einem bedeutenden Heere. Im
Sommer 36 waren die Rüstungen überall fertig und am 1. Juli
erfolgte die Ausfahrt der drei Flotten, der des Octavian, der des
Antonius unter Statilius Taurus und der des Lepidus von drei
rerschiedenen Punkten, um an drei Stellen in Sicilien einen
kombinierten Angriff zu machen. Der Beginn war aber auch
hier durch Stürme unglücklich, und Octavian nahm diesen
Unfall so ernst, dafs er den Mäcenas nach Rom schickte,
um die Sympathieen für Pompejus, die daselbst immer noch
bestanden, nicht zum Ausbruch kommen zu lassen^); im weiteren
Verlauf jedoch war es insbesondere Agrippa, der wesentliche Erfolge
errang und durch die Schlacht bei Naulochos den Pompejus de-
1) Appian 6, 93 f. Dio 48, 64; jener setzt den Vertrag in den Früh-
ling 37 (c. 93: aQxoi^ivov ^ flQoq\ dieser in den Anfang 38 (49, 1: iv filv
m TflS xsiiiAvi, iv ü5 Aüv-Kiog xs FiXliog xal Koxttriiog Nigovag vndrsvaavt
Taod' ovxmg iyivsxo). Der Abschlufß mufs aber jedenfalls im Verlauf des
Jahrs 37 stattgefunden haben. '
2) Ober die anderweitigen Angaben der Quellen hierüber ob. S. 93 A. 4.
3) App. 6, 99: mg 9^ inl avfitpOQ^ fieC^ovg Mamr^vcLv {ihv üg *Pf6(ir}v
^lintfinf dia tovg inxorjfiivovg ixi nqog Trjv fivi^firiv tov nofinrjiov Mäyvov
«nd c. 112: Mainrjvav d* av^i,g ig 'Pcofitiv ^ns(inB^ woraus hervorgeht, dafs
Mäcenas naeh der ersten Mission bald wieder zu Octavian zuruckkam.^^ .
Herzog, d. röm. SUateverf. II. l. g^igi^ized by VjOOglC
- 114 —
finitiv besiegte, so dafs dieser sich nach Asien flüchtete, während
die Beste seines Heeres sich in Messina konzentrierten. Euer
nun trat Lepidus mit seinen Plänen heraus: er veranlafste die
Pompejaner^ sich ihm zu ergeben, nahm sie unter seinen Befehl,
spielte mit dieser Macht den Herrn von Sicilien und trat in
offener Feindseligkeit gegen Octavian auf. Dieser jedoch wufste,
nachdem er sich versichert, dafs Lepidus an seinen Truppen
keinen Halt habe, durch ein kühnes Wagstück im Lager des
Lepidus sich selbst zum Herrn der Lage zu machen, und mit
einem Schlage war Lepidus beseitigt, einer der glücklichsten
Momente in dem Leben des sonst mehr durch bedächtige Vor-
sicht als durch die mit dem Augenblick spielende Kühnheit eines
Julius Cäsar bekannten Mannes, zwar gegenüber einem Menschen
durchaus untergeordneter Art und unter sonst günstigen Um-
ständen, aber doch mit Gefahr des eigenen Lebens.^) Der Erfolg
war groüs: Pompejus nicht blols besiegt und aus der Nähe Italiens
vertrieben, sondern auch in das Gebiet des Antonius geflüchtet,
diesem eine Verlegenheit; Lepidus durch Octavian in einer Weise
beseitigt, dafs diesem allein die Verfügung über ihn und sein
Gebiet zustand^ Italien von seiner Not befreit und nunmehr freie
Hand für die Regierung Octavians im ganzen Westen. Und dabei
kehrte dieser zurück nicht blofs mit den Erfolgen seines Unter-
gebenen, sondern mit dem Ruhm eigener Grofsthat, und schliefslich
hatte er noch Gelegenheit zu zeigen, dafs er nicht blofs mit den
Sklavenlegionen des Pompejus, sondern auch mit der Unboi-
mäfsigkeit des eigenen Heeres fertig werden konnte.') Hinsicht-
lich des Lepidus genügte es, ihn in Italien zu internieren; selbst
das Oberpontifikat, das er seit Cäsars Tod hatte, blieb ihm. Des
Pompejus abenteuerliche Versuche, in Asien sich wieder geltend
zu machen, nahmen auf der Flucht zu den Parthem ein Ende,
1) App. 6, 124 f. Dio 49, 12. Kai Ämitem. (corp. inscr. lat. 1 p. 324)
za tert, non, Sept. (8. Sept.) fer{iote) et suppltcationes aput omnia p%iltnn4Mriay
quod eo die Cae8(ar) divi fiüius) vidi in Sieilia CensorinHp) et Catvis^io) cos.
Dafs hier das Jahr 37 irrtämlich statt des J. 36 angegeben ist, darüber Tgl.
Eckhel, doctr. namm. 6^ 72^ Mommsen in corp. i. 1. 1 p. 401. Aus dem
Datum dieser Kalendorangabe ergänzt Mommsen in einem nenen Brachstück
des Festverzeichnisses von Gumä Hermes Bd. 17 S. 632 Z. 2: [III, non,
Septembr. eo die exer]citu8 Lepidi trculidit se Caesari. Stippli^c^altio] . . .
Damach würde anf den 3. Sept 36 nicht, wie man bisher annahm, die
Schlacht yon Naulochos, sondern die Unterwerfung des Lepidus fallen.
2) App. 6, 128. 181. Dio 49, 12 f. vgl. auch ob.Ä 108 A, 2.
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~ 115 —
und so standen nun die zwei in Tarent neu yerbündeten Rivalen
allein sich gegenüber.
9. Von nun an aber war es, wie wenn alles darauf zuginge, Antoniui au
die beiden Prätendenten in Kontrast zu einander zu stellen zu
gunsten des Octavian. Antonius hatte sich von Tarent nach
Syrien begeben, wobei er unterwegs in Korkyra dfb Octavia, die
ihn begleiten wollte, zurückschickte. In Syrien war die Lage der
Dinge jetzt im Ganzen günstig.*) Schon in den Jahren 40 — 38
war es dem Yentidius gelungen, die Parther, nachdem er ihnen
erhebliche Niederlagen beigebracht, wieder aus Syrien zu ent-
fernen; im J. 38 war Antonius kurze Zeit von Athen herüber-
gekommen, um sich von dem Stande der Dinge zu überzeugen,
und hatte dabei die Erfolge des Yentidius so bedeutend gefunden,
dafs er ihn in Eifersucht zurückschickte und durch C. Sossius
abloste, der dann hauptsächlich mit den Angelegenheiten Judäas
zu thun hatte. Als der Triumvir nun im J. 37 wieder nach
Syrien kam, schienen ihm die Yerhältnisse, wie sie unter der
neuen Regierung Phraates' lY. im Partherreich sich gestalteten,
einladend, um ofiPensiv gegen den gefahrlichen Nachbar aufzu-
treten. Die Forderung der Herausgabe der dem Crassus ab-
genommenen Feldzeichen gab den Anlafs zu Yerhandlungen, die,
wenn sie friedlich ausgingen, jedenfalls einen Ruhmestitel ge-
währten, bei dem wahrscheinlichen Mifserfolg aber ein passendes
Motiv für eine Kriegserklärung gaben; umfassende Eriegsrüstungen
ni^men das Ende des Jahrs 37 und den Anfang von 36 in An-
spruch. Daneben hatte aber bereits Kleopatra, die in Syrien mit
Antonius zusammengetro£Pen, ihre alte Gewalt über ihn gewonnen,
und von nun an hörte er nicht mehr auf, unter diesem Banne
zu stehen. Im Frühjahr 36 wurde der Feldzug gegen die Parther
unternommen, auf dem ihn indessen Kleopatra nicht begleitete;
im Herbst kehrte Antonius wieder auf schmählichem und gefähr-
lichem Rückzuge nach Armenien zurück und, da er hier nicht über-
wintern wollte, nach weiteren durch die Jahreszeit veranlafsten
Verlusten nach Syrien: er hatte vollständigen Mifserfolg gehabt.
1) Über den Partherfeldzug und was damit zusammenhängt sind wir,
da Appian in den Bürgerkriegen mit dem Tode des S. Pompejus aufhört
and seine nccQ^i%i^ verloren gegangen, für die ausführlichere Erzählung auf
Dio und Plataroh angewiesen. Von Neueren vgl. Drumann 1, 452 ff. Schiller
1, 97—101. HS— 119. Die Kritik der Quellen nnd deren Zurückführung
auf Q. Dellius bei Bürcklein in der ob. S. 108 A. 1 angeführten Abhandla«g.
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— 116 —
Die den wahren Sachverhalt falschenden Berichte nach Rom
konnten hier keine Täuschung hervorbringen^), und der Eindruck
dieses öffentlichen Unglücks steigerte sich, da man erfuhr, wie
es in Alexandrien am Hofe der Eleopatra, an den Antonius
sofort nach seiner Rückkehr sich begeben hatte, zuging und die
Haltung der Octavia, die in Rom das Haus des Antonius weiter-
führte und im J. 35 ihm sogar Hilfe in den Orient zuführen
wollte, damit verglich. Die nächsten Jahre brachte Antonius
mit den Verfügungen über die orientalischen Provinzen zu, das
Jahr 34 mit dem Feldzug gegen den König von Armenien, den
er für untreue Haltung in dem Krieg von 36 strafen wollte, und
es gelang ihm — freilich nicht auf rühmliche Weise — , den
König gefangen nach Alexandrien zu bringen. Aber nun er-
reichte das unrömische Treiben und die Preisgebung aller Inter-
essen des Reichs ihren Gipfel: der Triumph über Armenien in
Alexandrien, statt in Rom, die öffentliche Erklärung des Kleopatra-
sohns Cäsarion für den legitimen Erben des Julius Cäsar, die
neue Gestaltung und Vergröfserung des Königreichs Ägypten, die
Vergebung römischer Provinzen an beliebige Vasallen, die Ten-
denz Alexandrien gegen Rom zu hetzen, — kurz die ganze
Schmach der Herrschaft eines fremden Weibs über deii obersten
Magistrat des römischen Reichs, dies konnte nicht anders als
alles ins Gegenteil verkehren, was Antonius je an Sympathieen
im römischen Volk und in Italien gehabt hatte. ^)
octaviana Be- 10. Inzwischcu wufstc Octaviau die Zeit seiner Herrschaft
weSfn " im Westen und den Vortheil der Regierung in der Hauptstadt
zu nützen. Zum ersten Male waren ihm nun Jahre einer zu-
sammenhängenden Regierungsthätigkeit gegeben, und so tritt
auch für den Historiker zum ersten Male das Bild des Regenten in
ihm hervor, der wie wenige andere eben den Beruf zum Regenten
in sich entwickelte. Dio berichtet, Octavian habe nach der Schlacht
bei Philippi, nachdem ihm die Aufgabe geworden, das Trium-
virat in Italien zu vertreten, an den Senat in Rom geschrieben,
man möge Mut fassen, er werde ein mildes Regiment wie sein
Vater führen.*) Dio läfst diese Zusicherung aus der Furcht vor
^ 1) Dio 49, 32.
2) Plnt. Anton. 50: & (uiXiata 'Patfiaiovs iXvnricsv mg xa %aXa ta^
asfiva xijg nütqCBog Alyvnxioig 9ia KXsonatqav xagiiofABVog.
3) 48, 3: intatSLlf t^ ysQOvaia ^agaftv ts avrjf nagaivav ti. 8. w.
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- 117 —
Unruhen in Rom hervorgehen; es ist aher wohl möglich, dafs in
demselben Manne, der eben noch schonungsloser als Antonius
gegen die Besiegten gewesen war^), zu gleicher Zeit der psycho-
logische Moment eintrat, der ihn erkennen liefs, dafe seine Zu-
kunft in einer Politik der Versöhnung und der Sammlung alles
dessen, was lebensfähig, zu suchen sei. Auch später noch ist
strafendes Vernichten und weise Schonung bei ihm neben ein-
ander Soldaten wie Bürgern gegenüber, die letztere aber nicht
Ausflufs des Gefühls und noch weniger einer genialen Grofsmut,
wie sie der erste Cäsar geübt, auch nicht blofs politischer
Klugheit und auf Furcht beruhender Berechnung, sondern eines
gewissen Instinkts des zum Regenten Geschaffenen, der sein wohl
abgemessenes Ziel verfolgt und diesem gemäfs Menschen und
Dinge zerstört oder erhält. Nun waren die ersten Jahre des
Triumvirats für andere Zwecke als die Erhaltung der eigenen
Stellung gänzlich unfruichtbar gewesen, die Geschichte der auf-
einander folgenden Verträge erklärt dies zur Genüge. Nachdem
aber zuerst durch die in Brundisium im J. 40 gezogene Linie
zwischen Ost und West klarere Verhältnisse geschaffen, dann
durch die Beseitigung des S. Pompejus freie Hand gewonnen
war, wurde die Sachlage anders. In erster Linie galt es, für
Rom und Italien gesicherte Verhältnisse zu schaffen. Es war
aber das grofse Verdienst Octavians, jetzt schon nicht blofs die
Heilung der in den letzten Jahren dem Wohlstand Italiens ge-
schlagenen Wunden sich zur Aufgabe zu machen, sondern seine
ganze Politik in kriegerischer und bürgerlicher Thätigkeit in
erster Linie auf die Wiederherstellung Italiens und auf die Hebung
der Hauptstadt zu richten, während das konstitutionelle Problem
vorläufig kaum in Frage kam. Doch wurde im Verhältnis zu
Senat und Magistratur der Zukunft wenigstens vorgearbeitet.
Der Senat war, so viel zu sehen, in den letzten Jahren nur zu
Steuerauflagen und Ehrendekreten für die Herrscher beigezogen;
nur hatte ihn Octavian im J. 40, nachdem er gelegentlich des
Vertrags von Brundisium von Antonius erfahren, dafs sein Statt-
halter Salvidienus Rufus mit Verrat umgegangen sei, Gericht
über diesen üben lassen.*) Auch die Magistratur hatte, wie schon
1) Sneton August. 18: nee suecessum victoriae moderatus est, sed capite
Bruti Bomam misso tU atatuae Caesaris mbiceretur, in splendidissimum
qjuiemque eaptivum non sine verborum conttmelia saeviit u. a, w.
2) Dio 48, 38: %af rjyoQri^ iv ta ßovlsvtriQÜi) vn avtov tov KaCaa^og, ,
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- 118 -
früher bemerkt, eine ganz untergeordnete Rolle gespielt gegenüber
den anwesenden Triumvirn oder dem Stellvertreter Mäcenas, der
während des sicilischen Kriegs wiederholt in Rom die Polizei
übte (ob. S. 113 A. 3). Nach der Rückkehr aus Sicilien nun
erklärte Octavian, indem er in Anbequemung an die Verfassung
den Senat aufserhalb des Pomeriums sich versammeln liefs, die
Bürgerkriege für beendigt, kündigte Erleichterung der Lasten
Italiens an nind stellte in Aussicht, sich mit Antonius darüber zn
bereden, dafs sie, wenn dieser vom Partherkrieg zurückkäme, die
aufserordentliche Gewalt niederlegen wollten.^) Es war dies Ver-
sprechen, schon an die Zustimmung eines andern gebunden, för
den Augenblick nicht geeignet, grofse Hoffnungen zu erwecken;
es kann aber doch als Anfang der Politik bemerklich gemacht
werden, welche die des Princeps Augustus blieb, die oberste Ge-
walt nur mit dem Charakter einer auüserordentlichen auf Zeit
verliehenen führen zu wollen. Für jetzt beschränkte er sich
darauf, Senat und Magistratur wieder mehr zur Geltung kommen
zu lassen, "so weit es sich eben mit den für die Beruhigung
Italiens notwendig erachteten Ausnahmemafsregeln vertrug. Von
diesen war aber die erste wieder die Aufstellung des Mäcenas
als Polizeiminister für Rom und Italien.*) Die Stellung dieses
Mannes kann weder für das J. 36 noch jetzt mit früheren Vor-
gängen, der republikanischen Stadtpräfektur oder den Präfekten
Cäsars (ob. S. 33 A. 1), verglichen werden; sie ist in ihrer Art einzig
und kann rechtlich nur aus der Befugnis, die sich der Triumvir
zuschrieb, abgeleitet werden, seine Gewalt nicht blofs in den
Provinzen durch Legaten, sondern auch in Rom durch einen
ähnlichen Stellvertreter ausüben zu lassen. Auch mit der späteren
Stadtpräfektur ist sie nicht identisch^); denn diese ist zwar auch
1) App. Ö, 182. Dio 49, 16.
2) Dio 49, 16 : tu ts aXla rä iv t^ noXai^ x^ xb Xovx^ 'Izalia Vaioi t<?
Mai^riva^ dvrj^ tnnsvgj tial rots xal insita inl noXv di(6%ricsv. Velleius
2, 88: urbis custodiis praepositus Maecenas, Seneca epist. 114, 6: cum ah-
sentis Caesaris partibus fungeretur, Signum a discindo pe^ebatur,
3) Wenn Tacitua ann. 6, 11 in der Geschichte der Stadtpräfectar die
Notiz über Mäcenas giebt: ceterum Augustus beUis civüibus Cünium Maece-
naUmy eguestris ordiniSy cunctis apud Bomam cUque Itdliam praeposwtf so
nnterscheidet er doch ebendaselbst diese Stellung von der späteren mit
Messalla eröffiieten Präfektur, will überhaupt nur die Funktionen vergleichen,
^t ohne die von ihm angeführten Stellungen als solche zu identificieren.
iA^^^... Dafs die unter Mäcenas gesammelten Erfahrungen für die sp&tero Stadt-
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r.
— 119 —
eine Yom Kaiser abhängige Polizeigewalt, aber eine gegenüber
andern amtlicfaen Stellangen abgegrenzte und in sich bestimmte;
Mäcenas dagegen stand in dem ihm zugewiesenen Gebiet über
allen Ämtern mit einer völlig diskretionären Gewalt; es hing an
der Persönlichkeit des Mannes, dafs sie in seiner Hand, obgleich
er vor MaXsregeln äuiserster Strenge nicht zurückschreckte^), doch
nicht zam Schrecken wurde. An eine Verwaltung durch die
ordentliche Magistratur allein war in der That auch nur für Rom und
Italien gar nicht zu denken; war doch eine der ersten Mafsregeln,
welche für Italien ergri£Pen werden mufste, die Aufstellung eines
Kommandos gegen die überall auftauchenden Räuberbanden.^)
Zum Dank für die ihm angekündigten Wohlthaten aber bewilligte
der Senat dem Octavian neben verschiedenen andern Ehren auch
tribonicische Unverletzlichkeit und das Recht, auf der Bank der
Tribunen zu sitzen, womit jedoch o£Penbar jedenfalls nicht mehr
gegeben sein wollte, als was ausdrücklich in der Formulierung
gesagt war.') — All dies liefs Antonius ruhig geschehen: er
reklamierte nicht gegen die Aufstellung des Mäcenas zu einer
Funktion, deren Ausübung für beide gleich wichtig war, er liefs
zu, dafs Octavian Modifikationen an der verabredeten Vergebung
präfektnr verwertet wnrden, er also einen Übergang in dieser Beziehung
bildete, mag man wohl sagen.
1) App. 5, 112 zum J. 36: MaiTirjvav 9' av^ig ig ^Pm^riv insfiats 9ia
lovg vBmteQ^tovxag' %a£ tivig na(fa%ivovvtsg i'HoXdadTiaav. Im Allgemeinen
aber sagt Seneca epist. 114, 7: maxima laiM tili tribuittir mansuetiidinia:
pepercit glcidio^ sanguine abstinuit nee uilla alia re, quid posset, quam licenUa
ostendü. Die Art und Geschicklichkeit seines Vorgehens zeigt Vell. 2, 88:
specuiatus est per mmmam quietem ac disstmiUationem praecipitis consilia
iwenis et mira cderitate nulkique cum pertwrhcUione aut rerum aut ?u>minum
(^ppresso Lepido (während des aktischen Kriegs) immane novi ac ressurrecturi
i^ civüis restinxit initium: et iUe quidem male constUtorum poenas exsolvit.
2) App. 5, 132. Wenn dieser weiter sagt, es sei in diesem Jahre
,angeblich' auch schon t6 rij^ atQatiäg tmv vv%to<pvXdHmv ^d'og ts %al slSog^
d. h. die Trappe der vigües eingerichtet worden, so ist dies andern sichern
Nachrichten gegenüber irrtümlich (s. unt.).
3) App. 5, 132: BtXovto 9i^fucQ%ov ig dsl diTjvBnei &(fa d^xy nQOtQi-
^ovxtg trig %^o%if^ag dnoGxipfai' h 9\ iSi^uxo fihv xal xijvd« u. s. w. Dio
49, 16: iipri<p£aavxo — to li^rits ^Qytp ^^£ X6y<p ti vßQ^ea&ai' sl dl fAi;,
Tor$ avtoig top xoiovxo xt, Sgaeavta ivixBa&ai olg nsQ inl xm drjfuXQX^ i'^i-
TffXTo' lud yccQ inl xmv avxäv ßdd'Qcav avyxad'iisad'ai atpiaiv ilaßEV xm
9'^ ovv KaCactQi, xavxa na^ xijg ßovXijg ido^. Oros. 6, 18, 84: ovans ur-
^ ingressus ut in perpetuum tribwniciae potestatis esset a senatu decretum
^ Weiteres darüber s. unt.
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- 120 —
der Ämter vornahm und begnügte sich damit, dafs er in Mi^i*
stratur und Senat durch Männer aus seinem Stabe vertreten war.^i
Da die innere Verwaltung Italiens in festen und sicheren
Händen lag, so konnte Octavian sich in den nächsten Jahren mit
dem Schutz seiner Grenzen befassen. Dazu gehörte, daTs im
ganzen Umkreis der nördlichen Alpengrenze Einfalle der dort
noch nicht unterworfenen Völkerschaften zurückgewiesen oder
verhindert würden; es gehörte dazu aber auch im weiteren Sinne
der Schutz der Ostküste des adriatischen Meers. Indem die
Grenze zwischen den zwei Machtgebieten durch die Linie von
fi^kodra bestimmt war, war diese Aufgabe in ihrem nächsten um-
fange dem Octavian zugefallen; denn damit war ganz lUyrien
seinem Anteile zugewiesen. Nach dem damaligen Stande der
römischen Herrschaft in diesen Gegenden war damit nicht blofs
das Küstenland, sondern es waren auch weiter nach Osten liegende
Verbindungen zu sichern und zu diesem Behuf mindestens alles,
was zwischen der Save und dem Meere lag, in friedlichen Zu-
stand zu bringen; ein Konflikt mit den weiter nach Nordosten
wohnenden Völkern des Dakerreichs auf beiden Seiten der Donau
konnte in Rechnung kommen, war aber nur mit kombinierter
Aktion der beiden Triumvirn erfolgreich aufzunehmen. Jene
nächste Aufgabe nun löste Octavian, persönlich den Befehl über-
nehmend und sich nur kurzen Zwischenaufenthalt in Rom gönnend,
in den Jahren 35 bis 33.^) Die Energie, mit vrelcher er vorging
imd die eigene Person einsetzte, zeigte, welches Kraftgefühl ihm
der sichere Besitz der Macht in Italien gab, und die Resultate;
welche er aus den kriegerischen Erfolgen in der Befriedung dieser
liegend und der Romanisierung der Küste zog^), zeugen dafür,
1) Ein noch auffallenderes Zugeständnis wäre, wenn die von Die (49, 43:
ig t6 Toav svnaTQLÖöiv yivog i% tov nlT}&ovg ttras ilnj(pica(i.ivrig r^ff ßovXfi9
h<f^yayBv) im J. 33 dem Octavian zngescbriebene Vermehrung des Patririat«
richtig wäre; allein sie steht nicht im Einklang mit Mon. Ancyr. 2, 1 und
Tac. 11, 25 und ist auch aus innem Gründen nicht wahrscheinlich. Vgl.
Mommsen, res gestae d. Aug. p. 34.
2) Dio 49, 34—43. App. 6, 145 (Schlufs der Bürgerkriege). Ders.
Illyr. 16 — 28. Zippel, die römische Herrschaft in Uljrien bis auf Augustus.
S. 225-235.
3) Vgl. die Inschriften der durch Octavian hergestellten Mauern von
Tergeste (Triest) corp. inscr. lat. V. n. 525. 526. Wahrscheinlich erhielt
jetzt Tergeste die Plin. n. h. 3, 127 ihm beigelegte Kolonieeigenachaft.
Mommsen c. i. 1. V. p. 53.
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- 121 -
dafs yiel weitere Gesichtspankte als die Beschäftigung unruhiger
Truppen ihn yeranlafsten, in dieser Zeit der Rivalität mit Anto-
nius drei Jahre an diese Aufgabe zu wenden. Nachdem im J. 33
auch im Nordwesten Oberitaliens durch den in Sicilien und Dal-
matien bewährten Messalla Corvinus, den Antonius nach Philippi
begnadigt, aber in seinem Lager nicht hatte festhalten können,
die Salasser zurückgewiesen waren ^), war für diese Unterneh-
mungen ein Ziel erreicht. In demselben Jahre 33 liefs Octavian
nach dem Tode des mauretanischen Königs Bocchus dessen Reich
Yorläufig wenigstens dem römischen einverleiben*), so dafs der
Besitz der Römer in Afrika nun aufs neue vermehrt wurde.
Der Eindruck aber, den diese äufseren Erfolge in Rom Agripp»»!»
machten, wurde gesteigert durch die Leistungen der Adilität des
Agrippa. Das Amt, das diesen Titel trug, hatte in der letzten
Zeit wegen des mit ihm verbundenen Aufwands und ohne Zweifel
auch wegen der gänzlich veränderten Bedingungen der höheren
Amierlaufbahn aus Mangel an Bereitwilligkeit dafür in einzelnen
Jahren nicht besetzt werden können. Da erlangte es nun eine
ganz neue Wichtigkeit, indem im J. 33 Agrippa, ein Mann, der
schon im J. 37 Konsul gewesen, unter dem Titel und Jahresamt
eines Adilen aber ohne Kollegen die Fürsorge für die öfifentlichen
Arbeiten in der Stadt Rom übernahm und mit Nutzbauten, wie
Wasserleitungen, Kloakensystem, Strafsen- und Hochbauten, sowie
mit Spenden an das Volk die Verpflichtungen, welche die republi-
kanische Aristokratie sich einst auferlegt, auf die neu erstehende
Gewalt übertrug'); denn jedermann sah, dafs es trotz des Namens
und trotz der Einfügung in die Jahresfolge der Magistratur nicht
ein republikanisches Amt und nicht ein selbständiger Magistratus
war, der so auftrat, sondern dafs all dies durch das Eingreifen
und mit den Mitteln einer Obergewalt zustande kam.
Li dieser Zeit haben sich ferner bereits die Beziehungen der Die Begttiuu-
romischen Litt^ratur zu der Herrschergewalt gebildet. Dafs noch ^ratw.
mitten in den Drangsalen Italiens die römische Dichtung in
epochemachender Weise auftrat, war Folge ihrer innern Ent-
wicklung: die griechischen Muster waren am Schlufs der Republik
1) Dio 49, 34. 38. App. Ulyr. 17.
2) Dio 49, 43: tov re Bokxov tslsvrqaavxog ovSsvl xriv ßccaiXsiav avtov
Unxiv, dXl* it xa xmv ^Pm^aimv ^dvrj avxriv igiy(fajp8v. Später setzte er
wieder einen Vasallenkönig ein.
3) Dio 49, 43. Prontin de aquaed. 9. ^^^ t ,„^
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der römischen BilduDg so za eigen geworden, dafs der Drang,
sie in der eigenen Sprache nachzuahmen und in die. eigenen
Lebensverhältnisse hereinzuarbeiten, sich von selbst gab; der
neuen Zeit gehorte an der Anschlufs an die Machthaber, die Hul-
digung für die herrschenden Personen als Wohlthäter oder Gotter
des Dichters wie des Staats, das Mäcenatentum, wie es eben jetzt
zu einem geschichtlichen Typus wird. Dabei ist aber auch eben
schon in dieser Periode die positivere Bedeutung des Anschlusses
an die reformierenden Bestrebungen der neuen Herrschaft zu be-
merken, zu allermeist in Vergils Dichtung, die in dem Preis des
Landbaus und in der Verklärung gerade des italischen Land-
lebens schon jetzt leitende Ideen augusteischer Politik vertritt
und auf die bessere Seite der Soldatenansiedlungen, nachdem der
Dichter ihre gewaltthätigen Wirkungen an sich erfahren und
durch die Gunst der Herrscher überwunden, nun idealisierend
eingeht. Indes ist auch jene Form des Mäcenatentums nicht völlig
neu, sondern nur die Überleitung einer republikanischen Erschei-
nung in die Monarchie. Gerade die schone Litteratur war auch
in der Republik stets durch Personen untergeordneter Stellung
vertreten gewesen; hatte zum Schutze dieser Stellung das Patronat
der Mächtigen gesucht und war in der Verwertung des wichtigsten
Zweigs, der dramatischen Litteratur, völlig von den Magistraten
abhängig gewesen; doch hatte der Charakter einer republikani-
schen Aristokratie solchem Verhältnis immer noch eine freiere
Form gewährt und war durch die Einrichtungen des Freistaats
im Kontakt mit dem bürgerlichen Leben geblieben. Jetzt ord-
nete sich die dichterische Kunst direkt oder durch Vermittlung
der Regierenden zweiten Rangs den Zwecken der Alleinherrschaft
unter und bildete einen Teil des werdenden Hofes. — In den-
jenigen Zweigen der Litteratur dagegen, welche für den Romer
sich in dem Begriff der eloquentia zusammenfassen, der Redekunst
und Geschichtschreibung, deren Vertretung traditionell politischen
Persönlichkeiten zustand, führte diese Zeit in einem Asinius PoUio
und Valerius Messalla bedeutende Männer der Monarchie zu,
Männer, welche dann auch, so weit es eben eine solche Monarchie
zuläfst, ihre Selbständigkeit nicht ganz aufgaben.
Die Frauen in Noch ciuc andere Erscheinung dieser Übergangszeit darf
der Politik. jjJ^j^Ij übersehen werden, die Rolle der Frauen in der Politik. Es
soll dabei nicht gedacht sein an die Verhältnisse ganz singularer
Natur, wie das des Cäsar und des Antonius zu Kleopatra, noch
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an die regelmäfsige Wiederkehr der Verlobungen politischen
Charakters bei jeder Phase der Koalition — r spielte hier doch
die Frau eine durchaus passive Bolle, da selbst für unmündige
Kinder solche Verlobungen bestimmt wurden — : was hier ge-
meint ist, ist vielmehr der Anteil, welcher den Frauen an der
Führung der Politik gewährt wird. Auch dies ist nicht völlig
neu. Die Gestaltung der romischen Gesellschaft hatte schon in
den letzten Zeiten der Republik den Frauen wie vermögensrechtlich
so auch persönlich eine Geltendmachung von Einflufs ermöglicht;
und in guten und schlimmen Erscheinungen, in einer Cornelia
wie in den Frauen, die in der Umgebung eines Catilina waren,
war solcher Einflufs in das öffentliche Leben hereingetreten. In
den Bürgerkriegen seit Cäsar finden wir aber das Eingreifen der
Frauen in die Politik in allen Lagern: im republikanischen eine
Servilia und Porcia, in dem der Triumvirn und des Pompejus die
Mutter des letzteren, Mucia, durch ihre irühere Verbindung mit
dem ersten Cäsar zur Vermittlung geeignet, Julia die Mutter
des Antonius, Octavia und in ganz eigentümlicher Rolle die
Fulvia. Wiederum aber wurde nun auch bereits in der beson-
deren Weise, wie es die Monarchie mit sich bringt, dieses Ele-
ment auf einen Weg gebracht, in welchem mittelst der Frauen
die allgemeine Staats- und die Hauspolitik in einander übergehen,
indem Octavian im J. 38 die Li via heiratete, bisher Gemahlin
des Ti. Claudius Nero (ob. S. 106 A. 1).^) Noch war in den ersten
Jahren dieser Ehe der Einflufs dieser Frau nicht offenkundig,
aber es konnte schon als ein Symptom zukünftiger Stellung gelten,
dafs in dieser Zeit der leichten Scheidung, deren Vorteile für
politische Zwecke auch Octavian schon verwertet hatte, er der
kinderlosen Frau treu blieb.
11. Indessen war die Zeit der Auseinandersetzung zwischen per Bruch
den zwei Prätendenten gekommen. Beide waren in den ersten ^n^^unS Snto
Jahren nach dem Vertrag von Tarent dem Konflikt ausgewichen; °*""*
Antonius hatte, wie bereits bemerkt, gegen Octavian bei keiner
Erweiterung seiner Stellung Einsprache erhoben, und dieser
wiederum hatte zwar von Octavia verlangt, dafs sie die von ihrem
Gemahl erfahrene Kränkung mit Scheidung erwidere, war aber,
als sie sich dessen weigerte, nicht weiter in sie gedrungen; er
hatte die Lügenberichte des Antonius über den parthischen Feldzug
1) Dio 48, 44. ^ ,
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~ 124 —
angeuommen und den Senat entsprechende Ehrenbeschlüsse fassen
lassen. Nachdem nun aber beide im J. 33, der eine nach dem
Feldzug in Armenien, der andere nach dem in lUjrien, die Hände
frei hatten, begannen die Feindseligkeiten. Es scheint, dafs
zuerst Antonius den Streit mit Worten und mit Zurüstungen er-
öffnete^), ohne jedoch entsprechend rasch zu handeln. Nachdem
zuerst durch Korrespondenz die beiderseitige Rechnung aufgestellt
war, wurde am 1. Januar 32 mit dem Amtsantritt eines Kon-
sulats, dessen beide Mitglieder der Seite des Antonius angehorten,
die Trennung eingeleitet.^) Den im Senat erhobenen Anklagen
des Konsuls Sossius gegen seine Regierung antwortete Octayian;
er hatte leichtes Spiel damit, und die Konsuln sahen sich ver-
anlafst, Rom zu verlassen und sich zu Antonius zu begeben;
ihnen und allen, die ihnen folgen wollten, liefs Octayian hiezu
volle Freiheit.*) Dagegen erhielt er Zuwachs aus dem Lager des
Antonius; schon vor Jahren war Messalla von diesem zu ihm
übergegangeu, Asinius Pollio hatte sich wenigstens von Antonios
zurückgezogen, jetzt erschienen Munatius Plancus und dessen
Neffe M. Tilius, die nächsten Vertrauten des Antonius, und fahrten
sich damit ein, daüs sie den Inhalt des ganz im Sinne der Kleo-
patra abgefafsten und bei den Yestalinnen in Rom niedergelegten
Testaments ihres bisherigen Gebieters, das sie selbst mit unter-
zeichnet, verrieten und damit dem Octavian, der es an sich nahm
und öffentlich bekannt machte, neue Gelegenheit zur Beschämung
seines Gegners vor allen, die noch römisches Gemeingeföhl hatten,
gewährten.*) Antonius aber vollzog die Trennung von seinem
Genossen in der Gewalt nun auch darin, dafs er die Scheidung
von Octavia aussprach. Um in Rom Popularität zu gewinnen, hels
er erklären, dafs er die auf serordentliche Gewalt, die er als
1) Dio 50, 1: ah^at 91 tov fCoXipLov %al €%rj^Bts atSs avtotg iyhofto'
Uvtmvtog fihv Kaiaaqt inBndXsi a. 8. w. Bei Platarch Anton. 55 heÜBt es
allerdings: tavta dh stg avy%Xrizov i^tpiffonv KoitaaQ %al nolXdiug iv %ö
dfffio) xatrjyoQÖav naQca^vvs to nlrid-og in *Avt(oviov ' ^nsfine dl xal 'Avtmfiog
dvceyncclmv iynivip. Aber, wie dem auch sein mochte, Antonios begann
zuerst mit den Rüstungen, c. 56. 58: KcciactQ dl ro xdxog %al to [Uys^
xfig naQaansvfjg dnovaag id'OffvßridTi,
2) Dio 50, 2: 6 JSoaaiog nolXd ^lIv tov 'Avtaviov h avt^ iv^vg tjj
vovfirjv^a intjvsaSy noXXd dl %a\ tov KaCaaQa natidqafLsv. Octavian war
damals von Rom abwesend.
3) Sueton Aug. 17.
4) Dio 50, 8. Sueton a. a. 0. r^ j
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Triamvir hatte^ innerhalb einer bestimmten Frist niederzulegen
bereit sei^ wenn Octavian gleichzeitig sich dazu verstünde ^); allein
diese Erklärung übte keine Wirkung. Bereits hatte Octavian
beschlielsen lassen^ daijs Antonius der Triumviratgewalt entkleidet
und auch des Konsulats ^ das er im folgenden Jahre mit ihm
führen sollte, verlustig gehen sollte.*) Dann wurde zwar nicht
ihm, aber der Eleopatra der Krieg erklärt. Dafs Octavian seiner-
seits nun die Triumviratgewalt ebenfalls niederlegte und sich
aufs neue in Verbindung mit der Übertragung des Kriegs-
kommandos eine aufserordentliche Gewalt übertragen liefs, sagen
die Historiker nicht, läfst sich aber, wie bemerkt (ob. S. 95), aus
seiner eigenen Erklärung in Kombination mit thatsächlichen Um-
ständen entnehmen. Ein blofses Kriegskommando wird es nicht
gewesen sein, weil daraus allein Anordnungen politischer Natur,
die er in der betreffenden Zeit vornahm, nicht zu erklären wären;
dagegen kann zugleich mit dem Kriegsauftrag auch eine aufser-
ordentliche Vollmacht analog der bisherigen ausdrücklich mit
übertragen worden sein.
Das ganze Jahr 32 kam dem Octavian, der zunächst weniger
vorbereitet war, für seine Rüstungen zu gute*), während Antonius,
auch jetzt von Kleopatra begleitet, die grofse Macht, die er nach
Griechenland herüberführte, nutzlos die Hilfsmittel, welche dieses
Land bot, verzehren liefs, um dann in der entscheidenden Zeit
Mangel zu haben. Zum Glück für das Reich mufste, nachdem
Octavian von Brundisium an die gegenüberliegende Küste hin-
übergelangt war, die Entscheidung zwischen den auf engem Raum
einander gegenüberstehenden Streitkräften rasch erfolgen, und am
2. September 31*) wurde der entscheidende Sieg bei Aktium von
Octavian erfochten. Noch währte es zwar ein ganzes Jahr, bis
es zur Vernichtung des Gegners in Ägypten kam, und war, so
lange Antonius lebte, für Octavian jede Schwierigkeit eine Ge-
fahr; aber die Verkommenheit des Antonius wufste auch das für
ihn günstige nicht mehr zu nützen. Auf dem Zug über Klein-
asien nach Ägypten, der bereits zu verschiedenen Anordnungen
für die östlichen Provinzen Anlafs gab, mufste der Sieger zu
Anfang des J. 30 wieder auf kurze Zeit nach Italien zurück, da
1) Dio 60, 7.
2) Dio 60, 4. Pkt. Anton. 60.
3) Dio 60, 6—8.
4) Dio 61, 1. Kai. Amitern. zu dem Datam. ^ ,
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die ünbotmäfsigkeit der dorthin gebrachten Veteranen und die
schwierige Stimmung in der Hauptstadt; der Mäcenas samt
dem ihm als Beistand gesandten Agrippa nicht ganz Herr ge-
worden war; sein persönliches Eingreifen wünschenswert machte.
Nachdem es ihm gelungen war, von Brundisium aus diese
Schwierigkeiten zu überwinden^), konnte er über Syrien, wo die
Truppen des Antonius zu ihm übergingen, in Ägypten eindringen,
und aqi Jahrestag der Schlacht von Aktium war er nach dem
Einzug in Alexandrien und dem Selbstmord des Antonius und der
Kleopatra^) alleiniger Machthaber im romischen Beich. Nachdem
er die Anordnungen für die erste Einrichtung einer neuen romi-
schen Verwaltung Ägyptens getro£fen, ging er über Syrien nach
Asien und es gelang ihm hier, unter kluger Benützung der augen-
blicklichen Verhältnisse, in ein die Ruhe sicherndes Verhältnis
zu dem Partherreich zu gelangen. Den Winter 30/29 brachte er
in Eleinasien zu, liefs am 1. Jan. 29 seine bis dahin getroffenen
Einrichtungen vom Senat in Rom bestätigen und schiffte sich im
Frühjahr zur Rückkehr nach Rom ein.')
§ 75. Das Frinoipat des Augustus.
Die Jahre 29 1. Als der Erbe Cäsars mit dem Glanz seiner Erfolge sich
^ ^* 'Rom zuwandte, ging die allgemeine Erwartung dahin, dafs nun-
1) Dio 51, 3 f. Auf die Rückkunft des Octavian war das Attentat des
jüngeren Lepidus (ob. S. 119 A. 1) geplant
2) Besetzung ?on Alexandrien am 1. August (Eal. Antiat. z. d. Tag:
Äug{u8tii8) Äl€X(andream) recepit); und damit wurde der vor den Einzug fallende
Tod des Antonius zusammengenommen, (Eal. Amit. z. d. Tag: feriae ex 8. c,
q{uod) e(o) d(ie) imp. Caesar divi f, rempublic(am) iristissimo periculo liherat\
welcher Ausdruck eben auf die Beseitigung des Antonius zu deuten ist
Da mit dem Tode der Eleopatra der Übergang Ägyptens in das römische
Beich zusammenfällt, so sollte fQr jenen bestimmend sein, daJs die römische
Ära Ägyptens am SO. August des J. 30 beginnt; allein kalendarische Rück-
sichten lassen es möglich erscheinen, dafs der Anfang dieses Jahres nach-
träglich so fixiert wurde, wenn auch Eleopatra nicht genau an diesem Tage
gestorben war. Vgl. Ideler, Handb. der Chronol. 1, 154 f. Mommsen, röm.
Chronol. S. 262 f. — Nach Rom kam die Nachricht vom Tode des Antonius
einige Wochen später, da eben der Sohn Ciceros Eonsnl war. Dio 51, 19.
3) Dio 61, 16—21 Auf. c. 20: (in Rom) tä xQUxd^ivta v% avtov
navztt iv avx'^ xy tov 'lavovaqCov vovfirivia oq-kois ißsßaicaffccvxo. Sueton
läfst den Octavian das vierte Eonsulat, das vom J. 30, in Asia, das fünfte
in SamoB antreten; nach Dio 51, 2. 4. 18 war es umgekehrt. Den Breignissen
entspricht die Angabe Dies besser, auch war er mit seiner annalistiBcben
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mehr eine Alleinherrschaft werde aufgerichtet werden, die un-
mittelbar auf den durch die Diktatur Cäsars gelegten Grundlagen
weiter baue. In diesem Sinne waren die Beschlüsse gehalten,
mit denen man den Sieg in Ägypten und das günstige Abkommen
mit den Parthem begrüfste, Beschlüsse, die nicht die Gewaltfrage
betrafen — denn diese lag durchaus in den Händen des Siegers — ,
sondern die personliche Stellung, indem sie durch weitere Aus-
dehnung des Rechts der tribunicia potestas und durch Ehrenbezeu-
gungen religiösen Charakters den Octayian dem Mafs von Erhöhung
zufahren sollten, welches dem Erben des zum Gott erklärten ver-
ewigten Cäsar gebührte. *) In diesem Sinne begrüfste der Dichter
Yergil in der Einleitung seiner Georgica den vor dem Einzug in Rom
in Unteritalien verweilenden Herrn in bisher unerhörter Schmei-
chelei als einen Gott, um den sich Erde und Himmel streiten.^)
Allein Octavian selbst dachte anders. Er kam allerdings als
Imperator Caesar mit der in der Art eines Namens ererbten Be- Der Name
Zeichnung (ob. S. 30 A. 2), die er schon seit einigen Jahren
wieder aufgenommen hatte*), und er führte von da ab diesen
Erzählozigsweise einer Yerwechslong weniger ansgesettt als Saeton mit
seiner statistisch-summarischen.
1) Ober die Ehrendekrete Dio 51, 19; ebendas.: xal xov KaCaaqa xr^v
T8 liovaiav xt^p x&v SfjfiaQxatv dia ß^ov i%Hv tmlI xotq intßonfLSvois avxbv
xal ivxog xov na>fLriifü)v %cci l|a> fiixQig oydoov rutiaxadiov afivvsiv, o firidevl
tuv SrjiuxQxovvxav iirji^. Das beigefügte ixnXrjxov x( SiyidSsiv xal ipijtpop
uva ctvxov iv %aai xotg dvmeiGxriqloii m^niQ 'A^7]vccg tp^Qsad'ai tritt hier auf
ohne Beziehung anf eine umfieissendere Ordnung des Gerichtswesens und
ohne ersichtlichen Zusammenhang mit den späteren Einrichtungen. August
selbst scheint hieraus keine weiteren Eonsequenzen gezogen zu haben.
Über das Verhältnis der verschiedenen Beschlüsse betr. die tribunicische
Gewalt 8. unten; die oben angeführten Worte Dies bis afivvstv darf man
wohl als in dem betr. Gesetz — denn durch ein Gesetz mufs die Über-
tragung gegangen sein — enthalten annehmen. Huldigungen religiöser Art
ebendas. : tov; xe CaQiag xal xag tsQtiag ip xaig vniQ xs xov 9ii(iov %al xrjg
ßovlijg, svxaCg %al vn^Q i%eivov ofioüxtg BvxBod'ai xal iv xoig avaaxloig ovx
OTi xoig notvoig dXla xttl xoig IdCotg ndvxag avxA cnivdsiv ineXsvaav, c. 20:
InsiSri %al xä ncffl xmv Tldq^aiv y^äfifLccxa '^Xd'BVf ig xs xovg vfivovg avxov
ii t0ov xoig ^soig igyQd(pea^ai — nQognaxsaxijaavxo.
2) In dieses Jahr, speziell auf die von Sueton bei Douat (ßeifferscheid,
Suet. reliq. p. 61) erzählte Vorlesung in Atel la gerichtet, beziehe ich Vergil
Qeorg. 1, 24—42, während die Verse 498 ff., wie sie früher gedichtet waren,
auch femer stehen blieben und stehen bleiben konnten; ?gl. insbes. y. 42:
votis iam nunc adauesce vocari mit Dio 51, 20 (?orherg. A.).
3) Imperator Caesar findet sich in den fasti colot. (c. i. 1. 1 p. 466)
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- 128 -
Namen in Anknüpfung der neuen Ordnung an seinen Adoptiv-
vater; eine seiner ersten Handlungen war auch di hung
des Tempels^); den man im J. 42 dem als Gott erklärten Cäsar,
dem diviis Julius , wie er nun zu nennen war, zuerkannt hatte
(ob. S. 85 A. 1); er kam zunächst noch als Inhaber der vollen Kriegs-
gewalt, die ihm zustand bis zum Triumph. Wenn es nun für
die weitere Gestaltung der Regierungsstellung des Imperators auf
die augenblickliche Stimmung der Bevölkerung angekommen wä,re,
so konnte er von dieser alles erreichen: mit voller Freude gab
man sich dem Gedanken hin, dafs nunmehr die Periode der
Bürgerkriege, die schwere Zeit der letzten zwei Jahrzehnte über-
wunden^) und auch nach aui^en der Friede überall so weit ge-
sichert war, dafs der Janustempel geschlossen werden konnte.*)
Allein anders verhielt es sich mit dem Senat und überhaupt den
höheren Schichten der römischen Gesellschaft, zumal den Ange-
hörigen der alten Familien. Einer Majorität im Senat war er
wohl auch jetzt selbst für die weitest gehenden Anträge seiner
Anhänger sicher; aber diese Majorität war aus Elementen von
höchst zweifelhaftem Charakter zusammengesetzt und eine übel-
wollende Minorität, die jetzt widerwillig der Strömung folgte,
beim J. 43; imp, Caes. divi f. in den feisti triumph. Capit. zum J. 40 und
in den fast. cons. Cap. zum J. 37; aber diese Benennung in den Fasten
gehört der Redaktion derselben an. Gleichzeitiges authentisches Zeugnis
geben die Agrippamünzen bei Cohen m^d. cons., woneben auch die In-
schriften der Mauern von Tergeste c. i. 1. V. n. 625. 626 (ob. S. 120 A. 3)
in Betracht kommen. RegelmäTsig aber führt er diesen Namen mit dem
Charakter des imperator als praenomen unter Weglassung des Vornamens
C. vom J. 29 ab. Welche Bedeutung der in der Etymologie liegende Zu-
sammenhang mit imperium haben sollte, hing bei ihm ebenso von der
weiteren Gestaltung der Stellung ab wie früher bei Cäsar (vgl. ob. S. 30 A. 2).
1) Dio 51, 22, wonach im J. 29 die Einweihung der curta Jtäia und
der aedes divi Julii stattfand.
2) Liv. epit. 133: imposito fine civilibus hellis aXtero et vicesimo anno.
Yell. 2, 89: finita vicesimo anno bella civilia etc. Tac. ann. 8, 28: exin
continua per viginti annos discordia.
3) MoDum. Ancyr. lat. 2, 42 (mit den aus dem Griechischen Text ent-
nommenen Ergänzungen, bei Mommsen r. g. p. 49): Janum Quirinum, quem
clausum esse maiores nostri voliienmt, cum per totum imperium popuU Bo-
mani terra marique esset parta victoriis pax, cum priusquam nascerer^ a
condita urbe bis omnino clausum fuisse prodatwr memoriae, ter me principe
senatus claudendum esse censuit. Von Schriftst. u. a. Dio 61, 20, wo be-
merkt ist, dafs Octavian über diesen Senatsbeschlufs besonders erfreut ge-
wesen sei.
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— 129 -
hatte der Herstellung einer festen Regierung die grofsten Schwierig-
keiten tA,iv. Jn können, um so gröfsere, wenn sie nicht offen auf-
trat. An eine Regierung aber, welche den Senat beseitigte oder
auch nur in der Weise herabsetzte, wie es Cäsar gethan, war
selbst gegenüber der Bevölkerung auf die Dauer nicht zu denken.
So entschloss sich Octavian in entschiedenem Gegensatz gegen
Cäsar, den Senat gerade als die Stütze seiner Regierung darzu-
stellen und auf das Verhältnis zu ihm hin auch die Form der
Machtstellung, die er sich zudachte, zu richten. Die Natur dieser
Machtstellung aber sollte der Art sein, dafs sie ihm und dem
Gemeinwesen dieselben Dienste leiste, wie die cäsarische Diktatur
ohne die Gefahren, welche aus dieser erwachsen waren.
Vor allem aber sollte im Interesse der persönlichen Sicher- Beinigung des
Senats.
heit des Imperators wie der Würde der Körperschaft selbst der
Senat als Behörde wie als Repräsentant eines Standes eine Art
Wiedergeburt erfahren. In diesem Sinne ging Octavian, nachdem
er in den vom 13. bis 15. August gefeierten Triumphen die volle
Gröfse seines Siegs entfaltet hatte, zuerst an die Reinigung des
Senats. Es war diese Behörde, deren Normalzahl von Cäsar her
noch 900 war, auf mehr als 1000 Mitglieder angewachsen, und
damit auf eine Zahl, die für eine erspriefsliche Thätigkeit viel
zu grofs war. Da nun überdies eine reichliche Menge gefahr-
licher und unwürdiger Senatoren darunter war, so wurde — und
zwar noch im J. 29 — eine Reduktion vorgenommen, bei welcher
er natürlich auch die Erfahrungen der letzten Zeit verwertete.
Um nicht zu gewaltsam vorzugehen, wurde zuerst zu freiwilligem
Rücktritt aufgefordert; da aber die Zahl der sich dazu erbieten-
den nur etwa fünfzig betrug, wurden noch mehr als zweimal so
viele zwangsweise entfernt und im Ganzen so gegen 200 be-
seitigt.^) Freilich da zugleich neue Mitglieder aufgenommen
wurden^), so war die cäsarische Normalzahl noch nicht aufge-
geben; aber weiter zu gehen war für jetzt bedenklich. Hatte
doch Octavian nur mit ängstlichen Vorkehrungen für seine Sicher-
heit diese Mafsregeln vorgenommen. Um aber die Berechtigung
zu zeigen, machte er die Namen der zwangsweise entfernten be-
kannt, während den andern die Standesehren gelassen wurden.
Im Zusammenhang mit der Vorsicht gegen die im Senate noch
1) Dio 62, 42. Sueton Aug. 35.
2) Dio a. a. 0.: stioovg ti ttvag ßovlsvstv InoCrics. r^^^^T^
[erzog, d. röm. Staatsrerf. ü. 1. 9^ ^ O
- 130 -
verbleibenden gefahrlichen Elemente wurde allen Senatoren yer-
boten, ohne Erlaubnis Octavians in die Provinzen zu reisen.^)
Neben dieser Läuterung des obersten Standes ging eine direkte
vermehnmg Erhöhung der obersten sozialen Klasse her, indem Oetavian, nach-
' dem er schon am Schlufs des J. 30 durch ein Gesetz des Kon-
suls L. Sänius und einen darauf folgenden Senatsbeschlufs dazu
bevollmächtigt worden war, nach dem Beispiel Cäsars (ob. S. 38)
einen Patrizierschub vornahm*), bei ihm zugleich ein Zeichen
dafür, dafs er die Einrichtungen, namentlich religiöser Art, die
von Alters her an das Patriziat gebunden waren, aufrecht erhalten
wollte.
Deünienmg der Die angeführten noch ins J. 29 fallenden Mafsregeln, zu
vian« im j. 29. dcucn auch noch Anordnungen hinsichtlich der Kolonisation
Karthagos und der auswärtigen Politik kommen, sind in ihrem
Verhältnis zu der Stellung, welche Octavian zur Zeit ihrer Vor-
nahme in Anspruch nahm, schwierig zu beurteilen, und es ist
überhaupt nach dem Stande unserer Überlieferung die Definierung
seiner damaligen Gewalt vielleicht das schwierigste Problem, das
seine Laufbahn jetzt noch bietet. Der Grund liegt wesentlich
darin, dafs Octavian selbst den Dingen nicht den richtigen Namen
geben will. Sicher ist, dafs er bis zum J. 27 aufserordentliche
Gewalt in Händen hatte, neben dem, dafs er jedenfalls das Kon-
sulat das ganze J. 28 hindurch bekleidete; denn nach seiner
eigenen Angabe hat er erst am 13. Januar 27 die Verfassung
wiederhergestellt (s. unten), und selbst wenn er im J. 29, ebenso
wie in den vorhergehenden und nachfolgenden Jahren ununter-
brochen Konsul war, so ging doch die Konzentration aller Pro-
vinzen und Heere in seiner Hand über die verfassungsmäfsigen
Befugnisse des Konsulats hinaus. Er sagt ferner von sich selbst^
er habe im J. 28 in dem Konsulat, das er mit Agrippa beklei-
dete, den Census gehalten; ein Teil dieses Census aber war die
Läuterung des Senats, welche er im J. 29 vornahm^), also in
1) Die a. a. 0.: n^oganetns näat totg ßovXevovai ^17 i%9rjiLSiv i^to t^S
*IxaXCag^ r^v yiri avxog xivi Hslsvaij ^ xal ^nixqijpTi,
2) Monum. Anc. I. 2, 1: patriciorum numerum auxt constil quintwn
iussu popuU et senatus. Die a. a. 0. Zu dem iiASSVfS populi, den Die nicht
angiebt, vgl. Tac. ann. 11, 25: exhaustis (familiis), quas dictator Caesar ^9^
Cassia et princeps Äugustus lege Saenia sublegere. Ober einen angeblichen
Vorgang hierin ob. S. 120 A 1.
3) Dio 52, 42 ; (im J. 29) xal fif ra xavxa tifirjxsvaag avv xa 'JyQ^itxa
aXla xi xivcc SicoQd'foae xal x^v povlr^v i^i^xaasv.
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- 131 —
einer Zeit; in welcher er jedenfalls nicht mit Agrippa zusammen
Konsul war, und nach einem Zeugnis im letzten Viertel des
Jahrs nicht einmal selbst^), aber auch wenn Octavian sein fünftes
Konsulat das Jahr durch beibehielt, so wäre es doch unerhört
gewesen, einen Ceusus unter zwei verschiedene Eonsulpaare zu
verteilen, selbst wenn ein Mitglied in beiden Kollegien dasselbe
war; er kann also nicht wohl durchaus als Konsul den Census
gebalten haben. Ebenso wenig aber ist zulässig, dafs er die
eine Hälfte des Census mit einer besonderen, censorischen oder
anderweitigen aufserordentlichen Befugnis abmachte, die andere
als Konsul. Dafs er nun die mit dem Triumvirat gegebene
Exekutive und konstituierende Gewalt sogar nach dem Verschwinden
auch des Antonius ohne weiteres bis zum J. 27 fortgeführt hätte,
kann nach dem oben (S. 123 ff.) Ausgeführten nicht angenommen
werden; jetzt vollends hätte dies als eine Usurpation erscheinen
müssen; aber die anderweitigen Erklärungen, welche. die alteu
Quellen geben, sind ebenso wenig befriedigend. Dio laust im
J. 29 den Octavian die oberste Vollgewalt als in dem Titel Im-
perator gelegen erblich übernehmen und auf dies hin den Census
mit Agrippa führen, Sueton dagegen kraft lebenslänglicher Sitten-
und Gesetzesgewalt, die er erhalten hätte, jenen Census vornehmen,
beide unter sich uneins und jeder mit seiner Auffassung aus-
drücklichem Zeugnis des Octavian zuwider.^ Unter diesen Um-
1) Sneton Aag. 26: Quinque medios consulatus a sexto ad decimum
cmnuos gessit^ .ceteros atU novem atU sex aut quattuor aut tribus mensibxM,
Meeundum vero paucissimis lioris. Das vom J. 29 wäre demnach neun-
monatlich gewesen. Dagegen Dio 51, 21: (6 Kataag) xal tovxo nciv xo hog
mcxBQ Tucl %a dvo tä nQovsQa vndxBvasv, Ein sonstiges entscheidendes
Zeognis giebt es nicht.
2) 52, 41: iv x^ ixu l%BCv(Oy iv m x6 nifinxov vndxBvas — xr^v xov
avxoHQaxoQog inluXrjaiv inid'sxo' Xiym 91 ov xrjv inl xatg vUatg %axd x6
dgxcdov didoftivriv xi^iv — dlXa xriv ixiffccv xr^v xb %Qdxog 9ia0ri(iahovaccv
naxtif tm xs jsoxqI avxov xm Kaüfagi nal xoig ncctal xoig xs syyovoig iiffi^-
<picxo' %al fLsxä xavxa xifiijxBvcccg u. s. w. (ob. S. 180 A. 3). Dagegen spricht die
RQckgabe des Gemeinwesens an Senat und Volk in den J. 28 und 27 (mon.
Anc. 8. unten); denn damit ist nicht nur die Erblichkeit hinfällig, sondern
aach die Bedeutung des imperator als Herrscher, da er ja imperator blieb,
die Ton Dio damit verbundene Gewalt aber abgab. — Sueton Aug. 27:
recepü et tnorum legumque regimen aeque perpetuum, quo iure quamquam sine
censurae honore censum tarnen popuU ter egity primum ac tertium cum cöllega^
medium scHus. Dagegen spricht die Erklärung im Mon. Anc. (s. unt.), dals
ihm die cura morum Ugumque angeboten, aber von ihm nicht angenommen
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- 132 —
ständen bleibt nur übrig, die eigene hinsichtlich der formellen
Vorgänge unbestimmte Erklärung Augusts durch Kombination
auszudeuten. Wenn er sagt, die Gewalt, welche er im J. 27
zurückgegeben, habe er nach den Bürgerkriegen, dem allgemeinen
Wunsche seiner Mitbürger entsprechend, geführt, so liegt darin,
er habe auf Kundgebungen, die ihm im J. 29 geworden, es auf
sich genommen, die aufserordentliche Gewalt, die er aus dem
Kriege mitgebracht, weiter zu fähren. Der Umstand, dafs er
keinen formellen Akt nennt, der diese Fortführung der Gewalt
legalisierte, schliefst nicht aus, dafs er einen solchen vollziehen
liefs; denn es ist immerhin erklärlich, dafs er lieber den Moment
des freiwilligen Entgegenbringens betonte als die formelle Über-
tragung, die als erzwungen erscheinen konnte*), und dafe auch
die übrige Überlieferung über diesen Akt nichts Authentisches
weifs, liefse sich teils dadurch erklären, dafs Octayian selbst ihn
nicht erwähnt, teils dadurch, dafs er ohne besonderes Aufsehen
sich vollzogen. Der Wortlaut der Angabe des Augustus selbst
weist darauf hin, dafs nach den Bürgerkriegen, d. h. im J. 29,
etwas Neues eintrat.*) Die Form solcher Legalisierung aberlälst
sich so denken, dafe ihm das imperium consulare definiert wurde
nicht blofs als über alle Provinzen und Heere sich erstreckende
Exekutive, sondern auch als konstituierende Gewalt einschliefslich
worden sei, wobei noch in Betracht kommt, dafs dieses Angebot ins J. 19
fällt, Augast also nicht vorher schon diese cwa als perpetiM gehabt haben
kann. Wenn Tacitus 1, 2 sagt: postquam — inier fecto Antonio ne JuUanis
quidem partibus niai Caesar dux reliquus, posito triumviri nomine eonsukm
se ferens et ad tttendam plebem tribunicio iure contentum, so ist mit dieser
allgemeinen nnd als solcher richtigen Charakteristik für die Prä,zision der
einzelnen Zeitmomente nichts gegeben.
1) Vgl. Snet. Aug. o. 57: otniUo seruxtus consuUa, quia possunt videri
vel necessitate ecßpressa vel verecundia.
2) Mon. Ancyr. lat. 6, 13: In consulatu sexto et septimo (28 und 27)
b[eUa ubi cimT]ia exstinxeram, per consensum universorum [poiitus rerum
omn]iumf rempublicam ex mea potestate in 8enat[u8 populique Eomani a]rbürium
transtuli. Die hier mit Mommsens Ergänzungen bezeichnete Stelle lautet
im Griechischen: fistä ro tovg ivtpvXlovg ößiocct fis noXifLovg [xjctra täs
svxocg rmv ifioäv noXs\jL]tmv ivnQatrig yevofisvog navTcav xmv nQuyiuitfOV.
Stellung der Satzteile und Ausdruck weisen darauf hin, ivyiQatiig ysvofifvoi
auf einen bestimmten Moment nach der Rückkehr aus dem Krieg zu deuten,
und dafs der Ausdruck nicht die thatsächliche Alleinherrschaft durch den
Sieg, sondern eine politische G^waltübemahme bezeichnet, liegt in dem
per consensum.
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— 133 —
des Rechts der Censur, des letzteren entweder mit eigener Wahl
des Gehilfen oder so^ dafs ihm Agrippa als Kollege dafür gegeben
wurde. Dabei wäre aber anzunehmen, dafs er das Konsulat, wie
Die berichtet, das ganze Jahr hindurch führte. Dafs die disparaten
Elemente, welche die thatsächliche Ausübung seiner Gewalt neben
dem Konsulat in sich schTofs, das Heeres- und Provinzialkommando,
die konstituierende und die censorjsche Gewalt je besonders ver-
liehen imd definiert worden, wäre denkbar und zu vereinigen da-
mit, dafs er, wie Sueton angiebt, im J. 29 das Konsulat nur
9 Monate führte; allein es würde dies in die Darstellung des
Octavian selbst noch viel aufifallendere Lücken hineintragen.^)
Indessen, mit welcher Begründung Octavian die Gewalt nun
fahrte, er betrachtete sie in dieser Weise jedenfalls als eine
vorübergehende und legte in sie die Aufgabe, eine neue Ordnung
auf anderer Grundlage zu schaffen. Schon in der konsularischen
Amtsführung des J. 28 wird hervorgehoben, wie er in dem
Wechsel der Fasces demonstrativ sein Konsulat als verfassungs-
mäfsig vor Augen führte.^) Bei der Feststellung der neuen
Senatsliste sodann liefs er sich als princeps senatns erklären, zw- prinoep» »enatus
nächst in keinem anderen Sinn als in dem althergebrachten des absoiatem sinn,
ersten Votanten, selbstverständlich mit der Tragweite, dafs er
damit, wie dies die alte Übung war, regelmäfsig als solcher
1) Dafs man nicht etwa aus der Angabe Dios die Definition der Be-
dentoDg von imperator herausnehmen nnd sie im übrigen för richtig er-
kiajen darf mit der Deutung, dafs neben feierlicher Übernahme des Impera>
tomamens die Übertragung der censorischen Gewalt (tifirjtsvaas) stattfand,
ergiebt sich daraus, dals dann die prokonsularische Gewalt keinen Boden hat.
Dagegen könnte man zur Erklärung von per consensttm universorum den Vor-
gang Tom J. 12 nach Suetons (c. 58) authentischer Darstellung (ipsa — posut)
beiziehen: Patris patriae cognomen universi repentino maximoque
consensu detulertmt ei: prima pJebs, legaHone Antium missa, dein, quia
non redpiebat, inetmti JRomae spectacula freguens et laureata; mox in curia
senatw neque decreto neque adclamatione , sed per Valerium Messalam. Is
mandaniihiM cundiSy quod bonum, inguit^ fausturngtie sit tibi domuigue tuae,
Caesar Auguste! senatus ie consentiens cum populo B. consalutat pcUriae
patrem. Darauf folgt die annehmende Erwiderung Augusts. Doch war
bieför das^ um was es sich im J. 29 handelte, zu inhaltsreich und wichtig.
2) Vgl. ob. S. 182 A. 2: in conmlatu sexto et septimo ■— remp. transiiUi.
Dio 53, \: td TB aXXa nccta t6 vofitiofisvov dno zov ndvv dq%aiov ino^rjas
Tud rov$ q)a%iXovs tmv (dßdcav tm 'AyQ^nna Gvvdq%ovxl ot %ard to inißdXXov
nttqidm'KsVj ccvtog ts toctg Iriffaig ixQrjaato. Es wird dies dahin zu deuten
sem, dafs er dem Vorgang von Cäsars Konsulat vom J. 59 folgte (1, 691 A. 2).
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— 134 —
aufgerufen werden sollte, während in der den Bürgerkriegen
vorhergehenden Zeit der Vorsitzende sich nicht streng an den
ersten Namen des Verzeichnisses gehalten hatte , sondern mit
einer gewissen Freiheit verfahren war, um Männer, die damit
als principes civitatis bezeichnet werden sollten, zu ehren und vor
der Bürgerschaft zu bezeichnen.^) Wenn nun jetzt wieder beides
vereinigt war, der erste Platz auf der Senatsliste und die erste
Stimme, und zwar, wie einst bei einem Fabius Maximus im zwei-
ten punischen Krieg, dann beim älteren Africanus, bei M. Amilius
Lepidus (1, 383 f.) oder M. ÄniiUus Scaurus (1, 480) wiederholt
oder gar dauernd , so war jener ein zugleich anerkannter prin-
ceps civitatis oder Romanik fwminis (1, 886 A. 4). Aber Octavian
ging nun weiter: er machte aus dem princeps senatus den bleiben-
den Titel princeps^ in dem Siune, dafs er damit durch eine Art
freiwilliger Huldigung, die aber doch eine bestimmte äufsere
Form hatte, als die leitende Persönlichkeit nicht blofs innerhalb
des Senats, sondern auch im sonstigen bürgerlichen Leben be-
zeichnet sein sollte. Zuerst liefs er sich wohl princeps noster
im Senate nennen, dann den Namen auch aufserhalb des Senats
anwenden und schliefslich machte er davon in offizieller Weise
Gebrauch.^) Damit war ein Titel für seine Stellung gefunden,
1) Wie es damit unter Cäsars Diktatur und dem Triumvirat gehalten
wurde, ist nicht berichtet; Cäsar und die Triumvirn stellten sich wohl eben
wie Magistrate dem Senat gegenüber, und so konnte man den Vorzug der
ersten Stimme unter den abstimmenden Senatoren in indifferenter Weise
nach der Anciennetät behandeln.
2) Dio 63, 1: tag dnoyQaq>äg B^stiXsas xttl iv avtai^s ngoxifixog t^s
ycQOvaiag ins-Klri^ri maitsQ ip duifißsi drjfio'KQttxia ivsvofLiazo. Dafs Dio den
allgemeinen Titel princeps aus dem princeps senatus ableitet, geht hervor
aus 67, 8, wo er das Wort des Tiberius wiedergiebt: dsanotrig filv xmv
dovlcavj avTOHQdtmQ 91 tciv ürgaTicDToäv, rmv 91 dri Xotnmv ngotii^izog slfH'
Mommsen, Staatsr. 2, 750 A. 4. 752 A. 1 sieht darin einen schweren Irr-
tum Dies. Gewifs konnte Dio irren und hat sonst Späteres in die
augusteischen Ordnungen hineingetragen; dafs er aber hier recht hat, geht
indirekt aus dem Ancyranum hervor. In diesem gebraucht er wiederholt
die Bezeichnung me principe (lat. 2, 45. 6, 6) in absolutem Sinn, er erwähnt
seine Würde als princeps senattis (graec. 4, 2: ngatov diidfunzog toxov
tc%ov zrig ovv%XrizQV axQi zavvTig zfjg rifieqag^ rig zavza lyqatpov ini hri
zBGcai^dnovza) , aber nirgends erwähnt er eines besonderen Momentes, von
dem die Bezeichnung ^princeps* in ersterem Sinn abzuleiten v^äre, und
doch müTste für diesen neuen und besonderen Titel mindestens der cofi-
sensus universorum als Begründung angenommen werden; den aber hätte
August für eine ihm so genehme Bezeichnung sicher angeführt. Hing dagegen
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- 135 -
der konstitutionell unverfänglich und doch zugleich ebensowohl
von sachlichem Gewicht wie anerkannt höchst ehrenvoll ihn
dauernd über seine Mitbürger erhob.
Was sonst vom J. 28 berichtet wird, war durchaus dazu Mararegein des
angetban anzuzeigen, in welchem Sinn die Leitung des Staats-
wesens künftig geführt werden sollte. Hebung der Verwaltung,
bezüglich der Finanzen durch Neuerung der Geschäftsführung
und Eingreifen mit eigenen Mitteln, des Gerichtswesens durch
zweckmäfsigere Verteilung der Jurisdiktion, der Religion durch
Erneuerung des Nationalen und Verbot verwirrender fremder
Kulte — diese Grundzüge der späteren augusteischen Politik
werden schon jetzt durch einzelne Anordnungen eingeleitet.^)
Schliefslich wurde alles, was in diesem Jahr Verfassungswidriges
geschehen sei, durch eine Verordnung aufser Wirkung gesetzt.^)
Eine so allgemeine Erklärung hatte freilich nur beschränkten
Wert^ denn der BegriflF dessen, was aus der jüngsten Vergangen-
heit „gesetzwidrig" gewesen, war doch im einzelnen Fall zu
prüfen; allein das Edikt mufste guten Eindruck für den Augen-
blick machen und liefs freie Hand für die Zukunft. — Am
31. Dez. dieses Jahres leistete Octavian für sein Konsulat den
Abgangseid auf die Gesetze, wie er unter der Republik üblich
gewesen war, und trat am Tag darauf das siebente an.
2. Am 13. Jan. des J. 27 trat er sodann, um die in demnieNeaordnuug
letzten Jahre eingeleitete Rückkehr zur Verfassung zu vollenden.
der Titel mit dem princeps senatus zusammen, so ist die absolute Bedeu-
tung nioht unmittelbar allgemein geworden, sondern allmählich, indem
Augustus zu erkennen gab, daTs ihm diese Bezeichnung angenehm sei.
Das früheste Zeugnis, gleichsam ein Fühler für den allgemeinen Gebrauch,
ist yielleicht Hör. carm. 1, 2, 50: hie ames dici pcUer atque princeps. Und nun
ist allerdings auch die Bezeichnung eine besondere^ lateinisch princeps ab-
solut, griechisch Tiysfimv (mon. Anc. gr. 7, 9. 17, 9. = 1. 2, 46—6, 6). Ana-
log ist dem princeps semxtus mit dieser Fähigkeit der Erweiterung des
Begriffs der princeps iuventtUis mit seiner Doppelbeziehung auf die Stellung
an der Spitze der Ritterschaft und auf die Designation zur Nachfolge.
Vgl. Ovid. ars amat. 1, 194: nunc iuvenum princeps, deinde fiUure senum.
Übrigens erhellt, dafs das hier Erörterte lediglich eine Frage des Ursprungs
ist; denn nachdem einmal die allgemeinere Bedeutung entstanden war, war
etwas Neues gegeben, das nun seinen besonderen Weg ging.
1) Dio 68, 2.
2) Dio a. a. 0.: insidti noXla ntxvv %ard xe rag ataastg %dv toig
noXiiioig alXwg xe %ccl iv rij xov 'Avxavlov xov XB Aenldov 9vvaQ%C<f %oiX
avofUDg Hai adUcDg ixsxdxet^ ndvxa avxd di ivog nqoyQaftfiaxog %axiXvasv
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— 136 —
im Senat auf mit der Erklärung, dafs er die ihm anvertraute
Leitung des Staats wieder zur Verfügung von Senat und Volk
stelle.^) Es wird dieser Akt von Dio Cassius dargestellt als ein
verabredetes Spiel, das nur einen Anlafs zu förmlicher Über-
tragung monarchischer Gewalt mit einem unanfechtbaren Titel
geben sollte. Sicher hatte auch Octavian damals so wenig wie
je sonst die Absicht, die Gewalt niederzulegen, um sich ins
Privatleben zurückzuziehen *) , aber es lag doch ein ernsthafter
Sinn darin, wenn er jenem Akt eine konstitutionelle Bedeutung
beimafs. Es ist bei dem Charakter des Mannes nicht unmöglich,
dafs er den Schein einer Niederlegung aller besonderen Gewalt
wählte^ um dann gegenüber dem Drängen seiner Anhänger auf
Wiederannahme neuer und zwar ausgesprochen monarchischer
Gewalt ein Programm vorzulegen, das durch seine Mäfsigung
überraschen konnte; aber man kann die Thatsachen auch dahin
deuten, dafs er bei Niederlegung der alten Gewalt sofort in
OQOv Tfjv ^ntrjv avzov vncctsCav nqoad's^g. Tac. ann. 3, 28: sexto consulatu
Caesar Äugustus^ potentiae securus, quae triumviratu iusserat, aholevit dedü-
que iura, quis pace et principe uteremur.
1) Die Erzählung bei Dio 63, 3 ff. mit der Einleitung c. 2 extr.: h
tfiv YBQovciav BlcijXd'ev sßdo^ov vnarsvav ohne Tagesdatum. Dieses iat
zu entnehmen aus fast. Praenest. z. 13. Jan.: Corona quemfa uH super
ianiMtn domus imp. CaesarisJ Ätigusti ponerfetur senatus decrevit, quod
rempvhlicamj p(opulo) B(omano) restituit, und aus Ovid. fast. 1, 689 f. zo
dems. Tag: redditaque est omnis populo provincia nostro et tuus Äugusto
nomine dictus avus. — Das Epochemachende des Aktes v. J. 27 tritt bei
Dio in- der Darstellung wohl hervor, auch knüpft er c. 17 hieran die AnCBe-
rung: an' avtov (sc. rov Avyovatov) xal a-n^ißriq fLOvagx^cc itccriatri nach
seiner Auffassung des Vorgangs; indessen hat er 62, 1 auch zum J. 29 gesagt:
Ix dl xovxov fiovccQxetad'ai. avd'ie d^Qi^ßcig jjq^avto (pt 'Pmfiatoi). Bei der
Art des Aufsteigens des Octavian kann man verschiedene Ausgangspunkte
seiner persönlichen Gewaltstellung nehmen, je nachdem man die besonderen
Akte, durch welche ihm imperium und Magistratstellung verliehen wurde,
auffafst, und die Quellen zeigen auch, dafs man bei persönlichen Ehren-
bezeugungen bald den bald jenen Moment hervorhob, (^g^- Zusammen-
stellungen darüber Mommsen Str. 2, 724 A. 8). Für den Historiker aber,
der nicht die persönliche Stellung allein, sondern die damit verbundene
Begründung des bleibenden Yerfassungszustands ins Auge zu fassen hat,
ist das J. 27 die bedeutendste Epoche.
2) Wie es Sueton deutet c. 28: de reddenda rep. bis cogitavity primtm
post oppressum statim Äntonium — ac rt^rsm taedio diutumae väletudim — ;
sed reputans et se privatum non sine periculo fore et iUam pluriu»
arbitrio temer e committi, in retinenda perseveravit , dubium, eventu meUore
an voluntate.
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Provlusen.
- 137 -
Aussicht stellte^ er wäre bereit, seine Dienste dem Gemein-
wesen auch femer in neuer Weise zu widmen*), und die letztere
Form war mehr geeignet, der liberalen Partei des Senats, der
gegenüber allein jenes Spiel Sinn hatte, einiges Vertrauen für die
Zukunft einzuflöfsen. Wie dem auch sein mag, die neue Ord-
nung selbst wurde nun in der That geschafifen. Prokonsuia-
Octavian drückt, was er abgab, so allgemein wie möglich xeiiapg der
aus, indem er sagt, er habe das „Gemeinwesen" an die her-
kömmlichen Gewalten zurückgegeben^); das sollte aber nicht
heülsen^ dafs er alle Gewaltstellung, die er damals hatte, nieder-
lege; es handelte sich nicht um Abgabe des Konsulats, das er
eben neu angetreten, selbst nicht um Niederlegung der tribuni-
cischen Gewalt, — denn diese sollte eine Garantie der Volks-
rechte sein — wohl aber gab er Heer und Provinzen ab, so
dafs mit dem Moment seiner Erklärung Senat und Volk das
Recht hatten, die Legionen zu entlassen und die Provinzen nach
den alten dafür bestehenden Gesetzen zu vergeben und mit
Truppen auszustatten; er erkannte femer für die Zukunft an,
dafs Gresetze und Senatskonsuite für die Exekutive bindend
bleiben, die letztere aber durch die herkömmlichen Magistrate
in der diesen verfessungsmäfsig zukommenden Weise geführt
werden sollte. In demselben Augenblick aber schlug er, um den
Anforderungen der Lage und den durch die jetzige ßeichsmacht
bedingten Ansprüchen an militärische Bereitschaft zu genügen,
vor, diejenigen Provinzen, welche zu ihrer Sicherung eine Heeres-
macht bedürften, also insbesondere die Grenzprovinzen auszu-
sondern rmd ihm mit dem Titel des prokonsularischen Imperiums
auf Zeit zu überlassen, während die bereits gesicherten, ins-
besondere die Italien zunächst gelegenen, die zugleich die ein-
traglichsten waren, sofort an vom Senat bestellte Magistrate in
jährlichem Wechsel übergingen, dabei aber ohne Legionen zu
verwalten wären; auch für diese übrigens bot er sich an in er-
gänzender Weise Oberaufsicht zu führen, wie ja auch schon
1) Neben der DarstelluDg von der Komödie einer förmlichen Ab-
dankuDg bei Die 58, 8-— 11, welche durchaus rhetorischen Charakter hat,
findet sich c. 12 das einfachere Motiv: xrjv riy^y^ovlav tovtoo reo tgonco %ai
nuQa tijg ysQOva^ag tov X6 9i^iiov ißspaLciaatOy povXr)9'elg 9h 9rj xal oo(
*i?fM)t*icos "ttg slvtti do^ai Trjv (ilv €pqovx£6a ti}v zb n^^oaxacCav xmv %oivmv
viaav mg xal imfisls^ag xivog ÖBOfisvcov VTisSi^axo.
2) Vgl. ob. S. 132 A. 2: rempublicam — transtuU.
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- 138 —
früher von Senat und Volk ein über mehrere Provinzen sich er-
streckendes neben und über den gewöhnlichen Statthaltern stehen-
des prokonsularisches Imperium bewilligt worden war. Rom
und Italien sollten unter der Verwaltung der Konsuln und der
übrigen Magistrate bleiben, wobei er allerdings sich selbst eine
Stelle im Konsulat vorbehielt. Jenes prokonsularische Imperium
war freilich wieder eine aufserordentliche Gewalt, aber eine
solche, wie nie nach Vorgängen vor der Zeit Cäsars als noch
innerhalb der Verfassung stehend betrachtet werden konnte.^)
Jene Teilung der Provinzen mufste Konsequenzen für die Finanz-
verwaltung haben, aber diese waren entweder durch die Natur
des Grundverhältnisses von selbst gegeben oder besonderer Ver-
einbarung vorbehalten. Vor Allem aber sollte diese Ordnung
sich als republikanisch geben durch die Zeitgrenze, indem Octavian
die Provinzialgewalt nur auf zehn Jahre annahm, auch für diese
Frist Verkürzung in Aussicht stellend.*) Indessen war mit dem
letzteren Versprechen das Neue wiederum als provisorisch hin-
gestellt und damit bei allem konstitutionellen Schein dieser
Versicherung der Charakter der konstituierenden Gewalt, von
dem jetzt konsequenter Weise nicht mehr die Rede sein sollte,
noch nicht ganz abgelegt, jedenfalls eine künftige Modifikation
vorbehalten. Republikanisch war auch die Kollegialität, die im
Konsulat lag, und die scheinbare Gleichheit der tribunicischen
Gewalt neben den Tribunen und der prokonsularischen neben
andern Prokonsuln. Aber der ungeheure Unterschied zwischen
diesem Konsul und seinem Kollegen, zwischen dem, der alles
tribunicische Recht auf Lebenszeit in seiner Person konzentrierte
und den jährlich wechselnden Mitgliedern des zehnatelligen
Tribunenkollegiums, zwischen dem auf zehn Jahre bestellten
Verwalter der wichtigsten und militärisch besetzten Provinzen
und dem auf ein Jahr bestellten Statthalter einer firiedlichen
Provinz, zwischen der früheren Initiative gegenüber von Senat
und Volk und der jetzigen, konnte für die in der alten Ver-
1
1) Das Detail der Provinzialteilung bei Dio 63, 12. Strabo 17 p. 840.
Weiteres darüber s. unt.
2) Dio 53, 18: ßovXrid'sls xal mg 6 KaioaQ noQQot otpüg dnayaysip tov
XI pMvaq%i%6v (pQOvsCv donetv, ig dina itri triv aQxiiv tmv do^ivxav ot
vnsfstrj'y toaovtm ts yaQ XQOvq} wxvuatriösiv avvu vniöxBto %al ni^ocsvBavi"
evfsato Blnoav ort, Sv xal d'ätzov r)^eQ(od'ij , d'ättov avtotg xal i%Biva
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— 139 -
fassung Erwacbsenen nur dann nicht als Alleinherrschaft gedeutet
werden, wenn man die Diktatur Cäsars und die Gewalt der
Triamvirn damit verglich. Immerhin war, wenn auch nicht das
Wesen der alten Verfassung, so doch ein verfassungsmäfsiger
Zustand überhaupt begründet, der insbesondere auch darin seinen
Ausdruck fand, dafs Octavian in seinem provinziellen Macht-
gebiet zwar die unter ihm kommandierenden Statthalter wie bisher
nur als Legaten behandelte, sich aber für die Auswahl der Per-
sonen an die republikanischen Vorbedingungen hielt, oder so weit
sich durch die lokalen Verhältnisse etwas anderes empfahl, wie
bei Ägypten und gewissen kleineren Gebieten, neue feste Regel
an die Stelle setzte.
Einen einheitlichen neuen Titel hat auch diese Gewaltordnung
dem Inhaber derselben nicht gebracht. Sie enthielt das, was
den Charakter des Principats in dem Sinne ausmacht, dafs der
erste Mann im Staate im Auftrag von Senat und Volk die oberste
Aufsicht über das Gemeinwesen mit bestimmten Rechten haben
solle, aber ein besonderer Akt, der dies dem Octavian mit dem
Namen des Principats übertragen hätte, ist weder bezeugt noch
anzunehmen. Nach der oben (S. 134 A. 2) schon dargelegten Auf-
fassung geschah es vielmehr in erweiterter Anwendung des Titels
eines princeps senahis, dafs die Bezeichnung princeps als die
eigentlich für jene Stellung bezeichnende aufkam und von Octa-
Tian selbst angenommen wurde.
Mit der dem Senate am 13. Jan. gemachten Eröffnung und
deren Konsequenzen konnten die Rätsel, welche die Politik des
Siegers im Bürgerkrieg bisher geboten, soweit als gelöst erachtet
werden, dafs eine schroffe Ausübung der Gewalt von ihm nicht
zu fürchten war; wer sich der Leistungen Octavians in den letzten
Jahren vor dem Krieg mit Ajitonius erinnerte, konnte sich der neuen
Ordnung mit der Hoflnung unterwerfen, dafs für die Wohlfahrt
des Reichs gesorgt sei. Darum mögen die Ehren, mit welchen
Senat und Volk jene Ankündigung beantworteten, der Stimmung
der überwiegenden Mehrheit entsprochen haben, sie zeigten aber
zugleich, was man bisher noch von ihm gefürchtet hatte und
worüber man nim erst beruhigt war; denn sie wurden ihm be-
willigt wegen Erhaltung seiner Mitbürger, d. h. wegen seiner
Milde gegen die Besiegten.*) Aufserdem war mit ihnen der
1) Monum. Ancyr. tab. lat. 6, 16 (zum Teil nach dem Griech. ergänzt):
§«0 pro merito meo senatM conaülto Äug, appdlatus sutn et laureis poßtcs
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AaguBtns.
- 140 -
Ehrenname gefunden, der auch den Nachfolgern blieb, zugleich
aber durch die Art, wie er dem ersten Träger in der geschicht-
lichen Bezeichnung als Eigenname geblieben ist, seine epoche-
Dor Namo machcndc Bedeutung festgestellt. Der Name Augustus, der
göttlich Erhabene^), reihte den Urheber der neuen Ordnung den
Schutzmächten an, denen Rom seine Entstehung und seine Herr-
lichkeit verdankte; ins politische übersetzt zeigte er, dafs man
sich in dem soeben mit der alten Verfassung geschlossenen Eom-
promifs über die Bedeutung des persönlichen Moments in der
Leitung des Reichs keinen Illusionen hingab. Ein äoTseres
Zeichen f[ir die hohe Stellung des Augustus sollte es sein, dafs
seine Wohnung auf dem Palatin durch entsprechende Insignien
hervorgehoben und dem Charakter einer Privatwohnung ent-
nommen wurde. Die Epochjs selbst aber, welche so der Anfang
des Jahres 27 durch Kundgebung des Grundgedankens der künf-
tigen Verfassungsforra bildete, bezeichnet Augustus am Schlüsse
seines Lebens selbst unzweideutig.^) Es fehlte allerdings noch
die genauere Formulierung und die Durchführung durch die
verschiedenen Zweige des öffentlichen Dienstes; jene erfolgte bald
nachher, diese war die Aufgabe eines langen in organisatorischer
Thätigkeit zugebrachten Lebens.
aedium mearum vestiti publice coronaque civica super ianuam meam fixa
est clupeusque aureus in curia Julia positus, quem mihi senatum popülumque
Eomanum dare virtutis clenientiae iustitiae pietatis causa testatum est per
eim clupei inscriptionem. In der Corona civica, einem Eichenkranz^ war die
Inschrift ob civis servatos; vgl. d. Münze bei Cohen 1* Aug. n. 30: Caesar
COS. VII, civibus servateis; daJGg dies auf die gegen die Besiegten gehende
Schonung zu deuten sei, darüber, sowie über alles, was das Detail dieser
Ehrenbezeugungen betrifft vgl. Mommsen res gestae p. 149—153.
1) Vgl. vorherg. Anm.; femer u. A. Dio 53, 16. Suet. Ang. 7: A%^
gusti nomen assumpsit — MunaH Planci sententia, cum, quibusdam censenti-
bus Bomuium appeüari oportere quasi et ipsum conditorem urbis, praeva-
luisset, ut Augustus potius vocaretur non tantum novo sed etiam ampJiore
cognomine. Die Verleihung dieses Namens durch den Senat fand statt am
16. Jan. nach dem Ealend. Praenest; dafs nach dieser Angabe die im Tag
abweichenden zu korrigieren sind, darüber vgl. Mommsen corp. inscr. L 1.
p. 384 z. 16. Jan.
2) Mon. Anc. tab. lat. 6, 21—23 (ergänzt nach dem griech. t, 18,
6—8): post id tempus praestiti omnibus dignitate, potestatis autem mhHo
amplius habui quam qui fuerunt mihi quoque in magistratu conlegae. —
Von Neueren hat das Epochemachende der Vor^Uige vom 13. — 16. Jan.
in einer Weise, die neuen Grund legte, Mommsen erkannt, nnd im Staats-
recht 2, 723 ff. durchgeführt. Vgl. auch dess. res gestae diytAng.p. 1145—149.
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1
— 141 -
3. Noch im Lauf des J. 27 verliefs Angastus, nachdem er Die Modia-
kftüonen vom
vorher für die Instandsetzung der Strafsen Italiens Fürsorge ge- j. 23.
troffen und die der flaminischen Strafse selbst übernommen
hatte, Rom auf mehrere Jahre, um sich in Gallien und Spanien
der Pro vinzial Verwaltung zu widmen^); es galt zu zeigen, wie
er das neue Imperium zum Besten des Reichs zu verwerten wisse
und wie zugleich die Verhältnisse in Rom unter den wiederher-
gestellten gesetzlichen Bedingungen ihren Weg gehen konnten.
Seine Stellung als Imperator hatte er sofort nach der erneuten
Annahme des Kommandos darin bethätigt, dafs er die jedem
Oberkommando für sein Hauptquartier (Prätorium) zustehende
besondere Wache, die cohors praetoria, in einer den Vorgängen
der jüngstvergangenen Zeit entsprechenden Weise organisierte
und durch Gewährung des doppelten Legionarsolds in eine noch
mehr als früher privilegierte Stellung brachte.*) Nicht mit un-
recht bemerkt Dio, dafs diese Mafsregel einen eigentümlichen
Kontrast zu der Wiederherstellung der Republik gebildet habe.
In jenen beiden Ländern, die damals noch beide mit ihrem
ganzen Umfang zum Provinzialgebiet des Imperators ge-
horten, war seine persönliche Anwesenheit von höchster Be-
deutung, in Gallien durch die Einführung eines Census, in Spanien
neben den für die laufende Verwaltung nötigen Einrichtungen
durch energische Mafsregeln für die Pazifikation des Nordens
und Nordwestens, die zwar nicht vollendet, aber gefördert wurde.
In Rom, wo indessen Agrippa, im übrigen damals Privatmann,
durch Vollendung der von ihm in Amtsstellung unternommenen
Bauten den Glanz der Hauptstadt weiter förderte^), blieb es
ruhig, bis August nach Anfang des J. 24 zurückkehrte. Einen
Stellvertreter, wie er ihn früher in Mäcenas bestellt hatte, hatte
er jetzt nicht wieder zurückgelassen; es wäre dies der eben her-
gestellten alten Ordnung schroflF zuwider gewesen. Wie früher,
that er dem Rechte des Senats dadurch genüge, dafs er seine
Mafsnahmen in den Provinzen demselben zur Genehmigung vor-
legte, worauf der Senat seinerseits auf diese (icta sich eidlich
1) Liv. epist. 134. Dio 53, 22. S. auch unten bei dem Abschnitt über
. die Provinzialzustände.
2) Dio 53, 12 mit der Bemerkung: ovtmg mg dXrjd'mg ncctad'sad'ai xr^v
3) Durchfdhning eines im Amte übernommenen Baues bis zur Ein-
weihung ist ein altes Eecht; s. 1, 841 f.
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- 142 -
verpflichtete^); und da er der hauptstadtischen Plebs eine
Schenkung machen wollte, liefs er sich von dem Gesetz über
Schenkungen dispensieren — ein Verfahren, das mit seiner nach
allem, was in dieser Beziehung vorangegangen, überflüssigen Kor-
rektheit eher geeignet war anzuzeigen, auf welchem Umwege
der Princeps über das Gesetz gestellt werden konnte.*)
Schien nun im Allgemeinen ein ruhiger Fortgang auf Grund
der neuen Ordnung verbürgt, so brachte das J. 23 aus Anlafs
einer tötlichen Erkrankung Augusts neue Fragen und eine neoe
Losung. Jene Erkrankung hatte dem eben geschaffenen Werk
mit einer ernsten Probe gedroht. In einem Moment, in welchem
sich ihm die Todesgefahr besonders nahe gelegt, hatte nun
August symbolisch angedeutet, dafs nach seinem Urteil für das
Gemeinwesen am richtigsten gesorgt wäre, wenn Agrippa die
Rolle, die er sich selbst vorgezeichnet, weiter führte.^) Er hatte
wohl schon begonnen, die ihm gemachten Zugestandnisse auch
seinen Angehörigen zu gute kommen zu lassen*); aber in richtiger
Abstraktion von den verwandtschaftlichen Verhältnissen, wie sie
damals mit der Jugend der in Frage kommenden gegeben
waren, hatte er so gezeigt, dafe ihm das Wohl des Ganzen über
1) Dio 53, 28: iv ty vovyLtivia (J. 24) oifv.ov9 ij ßovXri ßsßaiovea xai
TtQoc^siS avvov inoiiqaato.
2) Dio 53, 28: ta di^fico %ad'' s%az6v dQaxfiag dmaBiv vniaxsto x6 tt
y^dfifia t6 neq! avrmv anriyoQSvas ftrj nqotSQOV intsd'rivtti^ %qIv av xffi
insiv^ avvdo^rjj ndarjg uvxov z^g zoiv vofuov avdynTjg aTrijUafcey, tv* moxs^
itqrixai ^oi^ %al avtovBXiig ovtmg xal avx07iQdt<0Q %al savxov %al xav voiusf
ndvxoc xs oaa ßovXoixo noioCi] %al ndv^' oaa fuj ßovXoito iiq n^dtxoi.
Dafs 68 sieb hier formell nicht um eine allgemeine Dispensation^ sondern
nur um die von der 1. Cincia (1, 366) handle, bemerkt richtig Höckh 1,
334; es steht dies ja auch im Widerspruch damit, dafs nach 52, 18 das
legibus sdlutum esse dem August schon zuvor zugeschrieben war. Der Vor-
gang selbst aber ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie Augustos in
seiner konstitutionellen Praxis es verstand, Mücken zu seigen und Kamele
zu verschlucken.
3) Indem er inmitten eines Konsiliums dem obersten Magistrate ein
Verzeichnis der öffentlichen Mittel, dem Agrippa den Siegelring überreichte.
Dio 63, 30. Über die chronologischen Schwierigkeiten dieser Angabe s.
unten gelegentlich der Verschwörung Murenas.
4) Im J. 24 war dem zwanzigjährigen eben mit Julia vermählten ,
Neffen Marcellus und dem 18 jährigen Stiefsohn Tiberius durch Zulassung
zur Adilität und Quästur beschleunigter cursus honorum bewilligt worden.
Dio 53, 28. Bei jener Vermählung hatte Agrippa als Augusts Stellvertretei
fungiert, c. 27.
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- 143 -
die Familießinteressen ging. Nach seiner Genesung jedoch hatte
ihm der damalige Vorgang Verlegenheiten geschaffen. Die
Liberalen konnten finden , dafs der wenn auch in ganz unver-
bindlicher Form und nur symbolisch gegebene Rat nicht gut
stimme zu der verkündigten Herstellung der alten Verfassung;
Marcellus fühlte sich zurückgesetzt, und er konnte jetzt wieder
für sein Mannesalter die Konsequenzen der Verwandtschaft in
Aussicht nehmen. Agrippa aber, zu den höchsten Hoffnungen
angeregt, war nicht geneigt, das in bedeutsamer Stunde kund
gewordene Urteil des kompetentesten Richters jetzt als nicht
ausgesprochen anzusehen. Den Senatoren gegenüber nun verwies
August auf sein Testament, als mafsgebendes Zeugnis, in dem
er einen Nachfolger für seine Stellung nicht genannt habe; der
Rivalität zwischen Marcellus und Agrippa aber suchte er dadurch
auszuweichen, dafs er den Agrippa als Stellvertreter in seinem
Kommando in den Orient schickte. Agrippa nahm den Auftrag
an, that aber durch sein Verbleiben in Lesbos und Übertragung
der wirklichen Funktion an Legaten in demonstrativer Weise
kund, dafs er den Zweck der Mission verstehe. ^) Doch dies waren
Sorgen der Zukunft; aber sie mochten auch dazu beitragen, dafs
der unablässig an seiner künstlichen Schöpfung arbeitende Prin-
ceps die eigene Stellung in der Gegenwart neuer Erwägung
unterzog. Dabei kam er zu folgendem Resultat: der Grund-
gedanke sollte der im J. 27 kundgegebene bleiben, das römische
Gemeinwesen wie unter der Republik zerfallen in ein herrschen-
des und ein unterthäniges, Rom und Italien mit einheitlicher
Borgerbevölkerung einer-, die Provinzen andrerseits; er selbst für
die Provinzen bleibender Generalstatthalter mit unmittelbarer
und militärischer Verwaltung in den einer bewaffneten Macht
bedürftigen Provinzen, mittelbarer in den andern; für die Haupt-
stadt und Italien mafsgebender Leiter der durch den Senat ge-
führten Regierung mittelst einer der republikanischen Überlieferung
1) Dio, der in Agrippa überall nnr die absolute Selbstlosigkeit siebt,
faÜBt (c. 81) das Verbleiben in Lesbos als ein ixi ftäXlov fistQididv auf.
Die andern sehen richtiger Vell. 2, 98: (Marcellutn) successarem potentiae
eiu8 arbitrabantur futurum, ut tarnen id per M. Agrippam securo ei con-
tingere non existimarent. Sueton c. 66: desideravit — M. Agrippae patien-
tiam, cum — ex levi frigoris suspitione et quod MarceUua sibi anteferretur,
MytQenas se reUctis omnibus contülisset. — Über die Natur der Gewalt,
welche Agrippa im Orient ausübte, s. unten. r^^^/^T^
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- 144 —
angepafsteD Stellung gegenüber dem Senat und neben oder in
der Magistratur^ geschützt und geehrt durch den lebenslänglichen
Titel der tribunicischen Gewalt und durch den eines Princeps.
Aber in einigen Punkten sollte dieses System vom J. 27 ge-
ändert werden: die Form des magistratischen Einflusses auf die
Regierung, für welche eine Stelle im Konsulat vorbehalten war,
wurde aufgegeben und das Konsulat vom Princeps frei gelassen,
mit dem Vorbehalt nur gelegentlicher Bekleidung, anscheinend
also mit einer bescheideneren Rolle, in Wirklichkeit aber, wenn
das Wesen der leitenden Stellung anderweitig gewahrt wurde,
mit dem Erfolg, dafs dieselbe nun erst recht in ihrer Einzigkeit
über die Magistratur zu stehen kam. Ferner sollte nunmehr
die tribunicische Gewalt mehr in den Vordergrund treten; sie
war dem Octavian bereits im J. 36 verliehen und im J. 30 in
ihrer Anwendung schon einmal erweitert worden (ob. S. 127 A. 1),
allein sie hatte bisher wie beim ersten Cäsar nur die Rolle einer
Sicherheitsvorrichtung gehabt. Jetzt sollte alles, was sie ge-
schichtlich in repräsentativer wie in handlungsfähiger Beziehung
enthielt, zu voller Verwertung kommen. In ersterem, geschicht-
lich ältestem und reinstem Sinn war ihr Inhaber der Vertreter
und Anwalt des Volks; alle Befugnisse, welche in dieser Schutz-
pflicht für das Verhältnis zum einzelnen Bürger wie zum ganzen
Volk lagen, konnten hier nützlich angewandt werden. Sodann
waren die Volkstribunen zur Initiative in der Gesetzgebung, zum
Referat im Senat und zu einer strafgerichtlichen Befugnis zuge-
lassen gewesen. Wenn nun dies auf Einen in besonderer Weise
übertragen war, gewann es neue Bedeutung, drängte die ent-
sprechende Befugnis der Mitglieder des Tribunenkollegiums, denen
jener Inhaber der tribunicischen Gewalt, ohne ihr Kollege zu
sein, doch mit dem Rechte der Interzession gegenüberstand,
zurück und gewährte Ersatz für wichtige Befugnisse des auf-
gegebenen Konsulats. Waren aber die Interessen des Volks in
dieser Weise gewahrt, so konnte man auch dessen Mitwirkung
bei der Gesetzgebung, ohne sie prinzipiell aufzuheben, doch
thatsächlich und allmählich einschränken. Zum Zeichen dafür,
dafs er der tribunicischen Gewalt nunmehr eine hervorragende
Rolle in seiner Stellung zur inneren Politik geben wolle, liefs
er dieselbe neu definieren und nahm sie so an, dafs er sie zwar
als lebenslänglich behielt, aber durch die Fiktion jährlicher Er-
neuerung zur Zählung der Jahre geeignet machte; mit dieser
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— 145 —
Bestimmung wurde sie in die Titulatur nicht blofs als ein inte-
grierendes, sondern als ein hervorragendes Glied aufgenommen.
Letzterer Umstand motivierte wohl einen neuen gesetzlichen Akt
über diesen Gewalttitel; im übrigen handelte es sich nicht um
eine rechtliche Erweiterung, sondern nur um eine neue politische
Verwendung.*)
Zugleich mit dem Volkstribunat läfst Dio dem Augustus
das Recht übertragen, in jeder Sitzung über einen Gegenstand
einen Antrag mit dem Anspruch privilegierter Behandlung zu-
gehen zu lassen, wozu dann im folgenden Jahr das weitere Recht
kam, den Senat so oft er wolle zu berufen, und dafs Augustus
dasselbe hatte, ist bezeugt in dem Gesetz über die Regierungs-
gewalt des Vespasian.^) Wie bereits bemerkt, war das Recht
der Senatsberufung und des Referats auch im Volkstribunat ent-
halten, aber von der Republik her wird das Recht des Konsuls
in dieser Beziehung als das vornehmere gegolten haben; auch
zog August wohl vor, gerade in der Leitung des Senats nicht
von der tribunicischen Gewalt auszugehen, während er für die
Gesetzgebung es populärer fand, sie auf diesen Titel hin zu hand-
haben.
Ein anderes besonderes Recht des August, das über Krieg Neue noßnie-
und Frieden, erwähnt Strabo in Verbindung mit dem prokon- konsularischen
snlarischen Imperium.^) Es wird dies identisch sein mit dem
1) Fasti Capit. consul. z. J. 731 Varr.: [postquam consujlatu se ah-
dieavit tr{ibimiciam potestatem accepit], Mommsen Str. 2, 772 A. 1 ergänzt:
tr[ibunicia potestas annua facta est], Dio 53, 32: rj ysQOva^a Si^^aqxov te
ovxov ^ta ßütv slvai itpTjqi^aato xal x^rj^iat^eiv avTco nsgl ivog tivog otov
«»' i^iXi^öTj nad"' indatriv ßovXi^v, tiav (irj vnaxsvr], ^durnsv xi\v t8 o^Qxrjv
zriv av^vnazov ioasl nad-dcna^ ixBiv mats ixTJts iv xij taodcp tij stam tov
*cafi1}^^v xatatld-eo^at avxriv fi'qx' avd'ig dvaveovcd^at xal iv xm vnrjnoo}
To %Ut09 tmv iTutcxocxo^L aQxovxoav inixQBtffSV atp' ov dri xal inetvog xal
Ol lux* avtov avtOHQaxoQsg iv vofia) di} xivi, toig xs aXXoig xal xjj i^ovcCa
2) Dio 68, 82 (a. vorh. A.); 1. de imp. Vesp. 3 f. (corp. i. 1. VI. d. 939.
Braus, fontes iur. Rom. p. 128—131): utique ei senatum habere, relationem
f<icere remitiere, senatus consuUa per relationem discessionemque facere liceat
*to, uU licuit divo Aug. etc. So wie dieses Recht bei Vespasian definiert
ist, hat es bereits eine Entwicklung hinter sich; über seine Bedeutung,
speziell über das relationem facere s. im Syst.
3) Strabo 17 p. 840: insidrj rj nccrglg inixQitpsv avt« xriv ngoaxaciav
^iC Tiysfiovücg, xal noXifiov xal slQiqvrjg yiatiaxrj yivQiog Öioc ßiov. 1. de imp.
^eap. 1 f.: foedusve cum quibus volet facere liceat ita uti licuit divo Aua^etc,
Heriog, d. röm. SUativerf. n. 1. lOigitized by VjOOQIC
— 146 -
Rechte der Bündnisschliefsung^ das in der auf Yespasian bezüg-
lichen Urkunde ebenfalls dem August zugewiesen wird. Es ist
wohl möglich, dafs im J. 23 bei neuer Feststellung und Defi-
nierung jener Generalstatthalterschaft dieses Recht als ihm .ztdu-
Wahrung der Interessen des Reichs in den Grenzprovinzen un-
entbehrlich gegeben wurde. ^) In der Titulatur kam das pro-
konsularische Imperium nicht besonders zum Ausdruck; es schien
wohl bereits in dem Namen Imperator ausgedrückt, der ja schon
früher in den Namen aufgenommen war.
chronoiogiacho Die Akte, in welchen die angegebenen Neuerungen sich voU-
j. 23. zogen, schlössen sich an die Erklärung an, welche August am
Schlufs der ersten Hälfte des J. 23 abgab, dafs er das Konsulat
dieses Jahres niederlege und für die Zukunft auf regelmäfsige
Führung desselben verzichte. Von dem auf diese Erklärung hin
erfolgten Beschlufs über die tribunicische Gewalt, dessen
Tagesdatum nicht direkt überliefert ist, wird nun die Jahres-
folge seiner Führung dieserGewalt bei Augustus datiert.*)
1) Die Spur einer solchen neuen Definition finde ich in den Be-
stimmungen bei Dio von der Lebenslänglichkeit n. s. w. Es war dies
allerdings anch die Eonsequenz des Aktes vom J. 27 : allein jetzt erst mag
es mit Titel und näheren Bestimmungen ausfährlicher als bleibende Gewalt
definiert worden sein. August hielt wohl die Fiktion der Erteilung auf
Decennien und Qninquennien fest, aber er konnte es sich doch daneben ge-
fallen lassen, dafs man ihm in dem Übertragungsakt die Gewalt als lebens-
Ifinglich bestimmte. Nach Mommsen, Str. 2, 769 A. 4 hätte Dio mit dem
iftael Tiad-dnai ix^tv wohl sogen wollen, dafs dem Augustus innerhalb der
jedesmal laufenden Frist das Imperium zustehen solle, ohne durch das
Überschreiten des Pomeriums Tcrloren zu gehen.
2) Dio 53, 32: dnstns triv vnaxiCav ig 'AXßavov iWciv — %al l§a> xov
aatsog avxo inoirjasv tva fii^ nrnlvt^. Fast. fer. Lat. in corp. inscr. 1. 1
p. 422 VIII. z. J. 781 Varr.i [lat(inae) fueriunt) eid] Juh, [tmp. Caes\q.r in
monte fuit\ \imp. Ca\e6m abdicavit. Als genaueres Datum fQr die Annahme
der tribunicischen Gewalt ist es üblich, den 27. Juni anzunehmen; über die
darauf bezuglichen Kombinationen vgl. Noris Cenoi Pis. p. 261 fif. Eckhel,
doctr. numm. 8, 404. Das Hauptargument dabei ist die schon Ton Pan-
vinius geltend gemachte Adoption und Erteilung der tribunicischen Gewalt
an Tiberius, welche nach Yell. 2, 103 am 27., nach Eal. Amitem. am
26. Juni d. J. 4 n. Chr. stattfand, indem man schliefst, August habe dies
auf den Tag gelegt, an dem ihm selbst die tribunicische Gewalt sich er-
neuerte. Mommsen Str. 2, 773 A. 4 ist eher geneigt, den 1. Juli anzu-
nehmen, indem Tiberius zwar am 26. od. 27. Juni adoptiert worden wäre,
aber am 1. Juli die tribunicische Gewalt angetreten hätte. DafSx kann
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Wie die Gewalt selbst^ so kann auch, was sonst nach der oben
angeführten Kombination an wesentlichen Befugnissen auf nicht
militärischem Gebiet ihm bewilligt wurde, nur durch Volks-
beschlufs auf Grund eines Senatuskonsults nicht, wie es bei Dio
erscheint, durch blofsen Senatsbeschlufs ihm zu Teil geworden
sein, was auch durch die Form der Urkunde des Vespasian be-
stätigt wird. Wie es sich mit der prokonsularischen Gewalt in
dieser Beziehung verhielt, ist mehr Sache der systematischen
Kombination als des geschichtlichen Zeugnisses.^) Nach Dio
wäre die Quelle für das Neue des Jahres 23 die Dankbarkeit des
Senats gewesen, die noch dadurch gesteigert worden sei, dafs
August sich einen Nachfolger im Konsulat in L. Sextius gegeben
habe, einem Freunde und treuen Verehrer des M. Brutus. Allein
es kann nicht zweifelhaft sein, dafs alles was damals geschah,
dem genau überlegten Plane Augusts entsprang und ausschliefs-
lich seine Gedanken in Beschlüsse von Senat und Volk umge-
setzt wurden. In der Inschrift seines Mausoleums erwähnt er
dieses Akts von Mitte des J. 23 in keiner Weise, ebensowenig
ist in den Kalendern der augusteischen Zeit davon die Kede, es
war eben ein, wenn auch einschneidender, so doch in seiner
Bedeutung kaum den Eingeweihten klarer Anhang zu der Epoche
des J. 27 und nicht geeignet, wie die übrigen in den genannten
Quellen verzeichneten Ereignisse als Zeugnis für den Ruhm und
die Popularität des Augustus zu dienen. Darum hat Augustus
sein prokonsularisches Imperium nicht aufs neue v. J. 23 an
gerechnet, sondern als Anfangspunkt für das zunächst in Aus-
sicht genommene Decennium auch jetzt noch das Jahr 27 be-
trachtet.
auch das ZaBammentreffen mit dem geeignetsten Tag für den Eonsnlats-
wechsel sprechen: bei Sueton c. 26 zählt das 11. Eonsalat Augasts einfach
als sechsmonatliches. Ein Zengnis aas den nach Jahren der tribanicischen
Gewalt gegebenen Daten, weiches dem 1. Juli widerspräche, giebt es nicht.
0. Hirschfeld, Wiener Stud. 1881 S. 97—108 will den 26. Juni rechtfertigen
durch Kombination mi( der für das J. 28 beabsichtigten, aber darch den
Tod des Marcellas gestörten Säcularfeier; das Säkularjahr, das auf das
J. d. Si 291, ein Pes^ahr, zurückzurechnen wäre, hätte mit der Sommer-
sonnenwende zu beginnen gehabt. Für die nachträgliche Abhaltung im
J. 17 hätte dann die zehnjährige Dauer des Principats und die Geburt des
zweiten Enkels, L. Cäsar, mafsgebend sein können.
1) Dio läüst alle Bewilligungen des Jahrs 23 gleichmäfsig vom Senat
ausgehen; über die prokonsularische Gewalt s. unt. im Syst.
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Die BoohiQBae 4. Mit dem J. 23 stand die prinzipielle Seite der augustei-
di^ Wahl zum sehen Regierungsform fest; weder durch Gründe eigener neuer
im j. 13. Reflexion noch durch mehrfaches Andrängen Anderer lieüs er sich
von jenen Grundlagen abbringen. Als im darauffolgenden Jahr
Italien durch Seuchen und Hungersnot bedrängt war^ wollte die
Bevölkerung ihn zur Übernahme der Diktatur nötigen: er lehnte
mit gröfster Entschiedenheit ab und verstand sich nur dazu, die
Getreideversorgung zu übernehmen, also nicht Macht, sondern nur
Gelegenheit zu Wohlthaten zu holen/) Mehrere Jahre lang wurde
ihm die eine Konsulatstelle vorbehalten; er machte keinen Gebrauch
davon und drang darauf, dafs zwei Konsuln gewählt würden.^) Als
es gelegentlich der Wahlen im J. 19 während der Abwesenheit des
Augustus' Unruhen in Rom gab und man diesem wiederum eine
allgemeine Vollgewalt unter dem Titel der cura legum et morum auf-
nötigen wollte, lehnte er wieder jede über der Verfassung stehende
Gewalt ab und wies darauf hin, dafs er die Lücken, die man in
der Gesetzgebung ausgefüllt haben wollte, mittelst der ihm über-
tragenen tribunicischen Gewalt ausfüllen könne; ebenso wies er
dasselbe Anerbieten in den Jahren 18 und 11 zurück.') Diesem
negativen Verhalten entsprach positiv, dafs er im J. 22 zur Ab-
haltung eines Census verfassungsmäfsig zwei Censoren wählen
liefs*), in demselben Jahr zwei der von ihm übernommenen Pro-
1) Dio 64, 1. Monuin. Anc. gr. 3, 2 f.: Avts^ovaiov fioi aQxnv wl
dn6vti xal naqovxi didofiivriv vno tb xov driit4>v %ccl xijg avynX'qtov Mi^f
Maq%iXXtp %al AsvTiUa 'Aqqowxüo vnatoig ov% ide^ä^iiv n. s. w.; wo auch
die Übernahme der cura annofuu angeführt ist. Die übrigen Zeugnisse bei
Mommsen r. g. p. 23 — 27.
2) Da AagustuB fortfährt: vnatsCav ti (loi zots didofiiptjv %al hi-
avoiov %al diä ß^ov ov% i$siccfi7}v, so vermutet Mommsen a. a. 0. p. 27t
es sei ihm im J. 22 zugleich auch die Führung des Eonsalats in ähnlicher
Weise wie die der tribunicischen Gewalt im J. 28 angeboten worden, uod
bringt damit den Vorbehalt der einen Eonsulstelle in Verbindung; über
letzteren Dio 54, 6. 10.
8) Moniun. Anc. gr. 3, llfif.: In den angegebenen 3 Jahren rfn u
avyuXrjTOV xal %ov dr^fUiv opLoXoyovvtmVy Zva intftsjifltrig tmv xb vofuow mi
xmv XQonmv inl xy (iByiaxrj i^ovaia fiovog x« *^o^o*7?^«o t ^QX^^ ovds^äcf
nccQa xa ndxQUc ^d'r^ didofiivriv avsös^dfiTiV & dh xoxe di' ifiov 17 <si5y%lfitoi
oUovoy^tc^ai ißovXsxOy xrjg 6rjfi,aQX*'^^S i^ovaüig mv ixsXsöcc, Dio 54, 10,
Sneton c. 27 lassen den Angnst das regimen morum legumque mit all-
gemeinster Vollmacht übernehmen; dafs dies nur von falscher AufTassong
der angasteischen Censuren ausgehe, weist Mommsen r. g. p. 28—30 nach.
4) Dio 64, 2. Die gewählten Censoren P. Amilius Lepidu3 und L.
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Yinzen, das narbonensische Gallien und Cypern in die Senats-
Verwaltung übergab*), und dafs er nach Ablauf des ersten
Decenniums das eigene Provinzialkommando zweimal je auf
weitere fönf, dann jedesmal wieder auf zehn Jahre sich neu
geben liefs^, also die Idee der nur zeitweiligen Übertragung der
Form nach festhielt. Dazu kamen endlich eine Menge von Einzel-
zügen, in denen er demonstrativ sich als einen Senator und
Bürger wie die andern gab und mit seinem Hause nur das
Muster einer romischen Bürgerfamilie darstellen wollte.^)
Aber die Ausbildung der Gegenseite dieses Verhältnisses
wurde darüber nicht versäumt, und es kam dabei zu sehr wesent-
lichen Ergänzungen des Werks der Jahre 27 und 23. Am Ende
des J. 22 begab sich der Imperator wieder in die Provinzen und
zwar diesmal in die östlichen, zunächst in solche, die dem Senat
unterstanden, Sicilien, Griechenland und Asien, in denen er also
sein Oberaufsichtsrecht zur Ausübung brachte. Wiederum war
nun, wie nach dem J. «27, während seiner Abwesenheit die
republikanische Seite der Verwaltung sich selbst überlassen,
aber sie bewährte sich weniger gut. Infolge von Wahlunruhen,
mit denen die ordentlichen Beamten nicht fertig wurden, mufste
er mit aufserordentlicher Hilfe einschreiten und er that dies, in-
dem er den Agrippa aus Asien zurückrief und als obersten
Polizeichef in Rom einsetzte.*) Unter allen Vollmachten, welche
für August seit dem J. 27 v. Chr. bezeugt sind, findet sich
keine, aus welcher man für den damals das Konsulat nicht
führenden Princeps die Befugnis ableiten könnte, entweder selbst
einzuschreiten oder einen andern mit einer in Rom zu führenden
aulserordentlichen Gewalt zu bestellen. Es mufs also entweder
Muoatias Plancas, gänzlich nnföhige Männner (Vell. 2, 95) kamen nicht
zum Lnstram; es war das letzte Paar von Ceneoren, die Privatleute waren.
Wenn Dio hinzusetzt : %cil tote dh 6 j4vyovaxog %a£ nsQ ludvmv atqB^ivx(ov
%oUm xmv ig avjovg dvrjnövtmv inQu^sv nnd dann eine Reibe von Anord-
nungen aufzählt, BO ist dies anch ohne Zweifel unrichtig gefafst; dieselben
betreffen nur Dinge, über die ordnnngsmäfsig der Senat zu bestimmen
hatte; Angnst wird also hier durch Senatsbeschlüsse gewirkt haben.
1) Dio 54, 4.
2) Dio 53, 16 z. J. 27, wobei dann auch die übrigen Fristen zusammen-
fassend angegeben werden.
8) Z. B. Sneton c. 63. 64.
i) Dio 54, 6: (tbv *AjQCit9tav) ig xrjv ^Ptflfirjv — inl t^ trjg noXscag
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eine Bewilligung hiueingedacht werden ^ aus der diese Befugnis
abzuleiten wäre, oder eine durch das an Augustus ergangene
Ersuchen motivierte besondere Mafsnahme. Die Spuren der
Überlieferung, welche eine Erweiterung der Vollmachten erst im
J. 19 vermuten lassen, machen die zweite Annahme wahrschein-
lich, wobei angenommen werden kann, dafs Augustus in dem
Edikt, in welchem er den Agrippa aufstellte und seine Befug-
nisse normierte, sich auf das übereinstimmende Verlangen von
Senat und Volk bezog. — Agrippa blieb bis ins J. 20 in Eom;
darauf wurde er als Stellvertreter des Imperators nach Gallien
und Spanien geschickt. Die damit sich selbst wieder überlassene
Senatsregierung aber stand im J. 19 neuen und zwar so be-
deutenden Unruhen gegenüber, dafs der Senat beschlols, den einen
Konsul, dessen Wahl zustande gekommen war, 0. Sentius Satur-
ninus, nach den entsprechenden Vorgangen der Republik mr
Verhängung des Belagerungszustands zu bevollmächtigen.^) Allein
dieser nahm die Vollmacht nicht an .und August, dem solche
Konsequenz seiner Ordnung denn doch nicht erwünscht war, be-
eilte sich einzuschreiten: er ernannte einen zweiten Konsul direkt
und kehrte selbst zurück.^ Jetzt nun, nachdem er mit dieser
Bestellung des Konsuls abermals veranlafst gewesen war, einen
Schritt zu thun, zu dem ihm seine eigene Ordnung ein Recht
nicht gab, scheint es gewesen zu sein, dafs er sich eine Er-
gänzungsvollmacht geben liefs, die für die Zukunft allen aofser-
ordentlichen Bedürfnissen abhalf. Mit Aufgabe der konsularischen
Gewalt hatte Augustus ein höchst bedeutsames Recht, das der
positiven Anordnung für die Administration im weitesten Sinn
oder des magistratischen Edikts, welches im Volkstribanat nicht
gegeben war (1, 1163) und, wenn man dessen Natur berück-
sichtigen wollte, auch nicht wohl in die tribunicische Gewalt
hinein interpretiert werden konnte, aufgegeben. Was ihm da-
1) So wird es docb wohl zu verstehen sein, wenn Dio 64, 10 sa^:
ataaig xe avd'ig iv t^ ^Po^pbjj avvtjvixdTi xal atpayal cwißriaap^ acte tovg
ßovlBvvccg (pQOVQav tm £svtüp 't(>rj(piöccod'cci.
2) Dio a. a. 0., aus dessen Erz&hlung der wahre Hergang entnommen
werden kann. Augustus selbst vertuscht die Wahrheit, indem er mou. Abc.
gr. 6, 16 ff. nur von den ihm bei seiner Bückkehr dekretierten Ebrea
spricht und den Lucretius, der ihm entgegen reist, schon Eonaul sein liTsti
während er ihn erst dazu ernennt (Dio: Ix tmv TtQsoßsvtmv uvtmp Aüv^ff
xiov %ai nsQ iv toig imnrjQvx^siaiv avuyifutpipta vnatov dnid^i^iv). Vgl-
Mommsen r. g. p. 47 f.
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durch entging, hatte ihm nicht verborgen sein können; wenn er
also einen Ersatz dafür auf dem Gebiete der hauptstädtischen
und italischen Verwaltung sich nicht hatte geben lassen, so war
er offenbar der Zuversicht gewesen, dafs es möglich wäre, der
ordentlichen Magistratur f&r die laufende Verwaltung freiere
Hand zu lassen, ohne die Auktorität des Principats und die von
ihm beabsichtigte Politik zu gefährden. Diese Auffassung wurde Besondere Er-
nun nach den jüngsten ErfiJu:xingen aufgegeben und durch ein ^iS//Vie*
besonderes Gesetz dem Augustus das Recht erteilt^ wo auf irgend*^*" ci>^/'^"'
einem Gebiete der Nutzen des gemeinen Wesens es rätlich er-
scheinen lasse, handelnd einzutreten, d. h. mittelst des Edikts
im einzelnen Falle zu bessern und zugleich Anweisung für ähn-
liche Fälle zu geben, wobei natürlich die Kraft des Edikts der
Stellung des Princeps entsprechend so allgemein wie möglich
definiert wurde.*) War diese Vollmacht, so bedeutend sie war,
1) Da£B Augnstus eine solcbe Vollmacht -erhielt, steht in der 1. de
imp. Yesp. Z. 18—20: uti quaecumque ex usu reiptiblicine tnaiestcUe divinarum
humanarum pidblicarum privmtarumque rerutn esse censebit ei agere facere
ftts potestasque sü üa uti divo Aug{ugto) Tiberioque JvXio Caesari Aug.
Tiberioque Claudio Caescm Äug, öermanieo fuit. In den Quellen über
Aogosts Begiemng ist nirgends davon die Bede, insbesondere erwähnt Aug.
selbst eine solche Verleihung nicht; es ist also Sache der Hypothese, einen
Zeitpunkt dafür zu bestimmen. Natürlich liegt es an sich nahe, an das
J. 23 und die Gelegenheit der Niederlegung des Konsulats zu denken und
man würde in diesem Falle die Ernennung Agrippas zum Polizeiminister
in Rom eher unterbringen können. Allein das ganze sonstige Verhalten
des Augustus in dieser Zeit weist darauf hin, dafs er ein solches ius edi-
cendi sich früher nicht hatte geben lassen, vielmehr der ordentlichen
Magistratur freieren Spielraum liefs^ und andrerseits beginnt erst vom J. 19
ab die Reformation der Verwaltung nicht blofs durch Gesetz und Senatus-
kimsulte, sondern auch durch Edikt in energischer Weise. — Der Bericht
Dios 54, 10 bringt hier wieder Richtiges und Unrichtiges durcheinander.
Er läfst dem Augustus in diesem Jahr übertragen werden die cura mortim
und die potestas censoria auf ffinf Jahre, die pot consularia auf Lebenszeit
mit den Insignien derselben und ^hrt dann fort: fpritpicdfisvoL $1 tavza
SiOQd'ovv TS ndvTtt avtov xal vofiod'eTSLV oca ßovXoito rj^tovv xal tove ts
tofiovg tovg yffcctpriöOfbivovg vn avtov Avyovoxov i%stQ'Bv ^6ri TtQoariyoQSVov
%al kftiiivsiv OfpüsLv ofioaai ijd'BXov* 6 9h xa (t^hv aHa mg %al dvaynauc
idi^ato, xovg d* oqiMvg di!pri%Bv avtoig. Hier widerspricht die cura morum
ond die pot, cens. den ausdrücklichen Erklärungen Augusts (ob. S. 148
A 3); die potestaa consülaris kOnnte man als Substrat des ius edicendi an-
nehmen, und dies thut auch HOck 1, 391 f.; es stünde dem auch nicht not-
wendig entgegen, dafs Augustus die späteren Census consuiari cum imperio
abgehalten hat (vgl. Mommsen r. g. p. 27), da ja, wenn diese Censuren auf
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doch bescheiden gegenüber der ihm damals angebotenen xmi.
abgelehnten cura morum et legum, indem sie nicht völlige Ver-
fügungswillkür erteilte, sondern auch die Schranken der Kraft
des magistratischen Edikts an sich trug, so fehlte wohl auch
die populäre Motivierung nicht, dafs auf diese Weise den Be-
dürfnissen und Nöten des Staats da, wo die ordentliche Magistra-
tur nicht ausreiche, abgeholfen werden könne, und war angesichts
des wiederholten Vorkommens solcher Nöten einleuchtend. In
diesem besonders verliehenen Rechte ist wohl die Wurzel för
die consUtutio principis zu suchen als einer besonderen Bechts-
quelle, die weder Gesetz noch Edikt einer ordentlichen Magistra-
tur ist. Aufserdem wurde ihm das Recht bewilligt, die Aus-
zeichnungen des Konsulats, zwölf Liktoren und Sitz zvnschen den
jeweilig fungierenden Konsuln, lebenslänglich zu haben, auch
wenn er nicht Konsul sei.'
Mit der eben ausgeführten Erweiterung war nun auch
die konstitutionelle Ausbildung des Principats auf dem bürger-
lich-politischen wie auf dem militärischen Gebiet im wesent-
lichen fertig. Was Augustus von nun an vornahm, die
wichtigsten und für die bleibende Regelung der Kompetenzen
bedeutendsten Vorgänge werden nicht mehr durch neue Ver-
leihung von allgemeinen Rechten begründet, sondern entweder
als besonders erbetene Vollmacht bewilligt, oder aus den schon
angeführten allgemeinen Vollmachten abgeleitet. So liefs er sich
für die aufserordentliche Revision der Senatsliste, welche er so-
fort im J. 18 vornahm, so später für die Censuren von 8 v. Ch.
und 14 n. Ch. besondere Vollmacht, letztere mit der Definition
als konsularischer erteilen, wahrend für bleibende Anordnungen
in den Verwaltungszweigen, für die Schaffung neuer Ämter, für
Koloniegründungen, die Stellung zum Münzwesen u. A. keinerlei
Akt einer Rechtsverleihung oder einer organisatorischen Gesetz-
gebung nachzuweisen ist. Insbesondere wurde für die Verwaltung
besonderer Anordnnng beruhten, dabei auf die canstUarü potestaa verwiesen
werden konnte, wohl aber verträgt es sich nicht damit, dals Angnstos diese
pot. cona. sonst nicht erwähnt, und dafs die Nachfolger, wie ans der L de
imp. Vesp. hervorgeht, das ius edicendi mit dem Principat als solohem
verbinden.
1) Dafs dem, der diese Insignien und jenes ius edicendi hat, potestas
comülaris zugeschrieben werden kann, ist zuzugeben; allein diesen Titel
hat Augustus nicht aufgenommen.
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die prokonsularische Gewalt so sehr wie möglich ausgedeutet,
and es mag ihrem Inhaber dabei zustatten gekommen sein, dafs
die Yorgänge, welche dieselbe seit Pompejus und Cäsar gegen-
aber der früheren republikanischen so sehr gesteigert hatten,
eine solche Ausdeutung erleichterten; es ist in dieser Beziehung
nicht einmal nötig, an eine genauere Definierung ihrer Attribute
im J. 27 oder 23 zu denken, obwohl dies immerhin möglich ist;
in einem Punkt, dem Recht der Landanweisung und Kolonie-
gründung, haben offenbar die Eonsequenzen der prokonsularischen
Gewalt sich nach Italien hinein geltend gemacht, sofern für das,
was Augustus in dieser Beziehung auf italischem Boden that,
kein gesetzgeberischer Akt nach altem Recht nachweisbar ist
Für einen höchst wichtigen Punkt, den Einfiuüs auf die Wahlen
za den Magistraturen, scheint Augustus sich weder das dem ersten
Cäsar bewilligte Recht erneuern, noch das, welches seine Nach-
folger hatten, schon erworben, sondern neben dem, dafs er in
kritischen Momenten rücksichtslos direkt ernannte, für gewöhnlich
sich damit begnügt zu haben, thatsächlich seine Kandidaten in
dem Umfange, in dem er es jeweilig wollte, dem Volke zu em-
pfehlen.^) Er hat aber mit dieser Art des Vorgehens nicht nur
1) Mafsgebend fSr diese Annahme ist, dafs in der 1. de imp. Vesp. bei
der entsprechenden Bestimmung (Z. 10 ff.) nicht anf Angnstas zurückgegangen
ist; allein anch was über dessen Verfahren berichtet wird, stimmt dasn.
Er hatte das anter dem Triumvirat aufgehobene Wahlrecht überhaupt erst
wieder einznffihren (Sueton c. 40: comüiontm prütinum ius redi*xü. Dio
53, 21 : 0 ts Sriiiog ig tag aQXttiQeciag %al to nlild-og ai cwsHysto), ernannte
aber im J. 19 v. Ch. den Konsul Lncretins selbst und ebenso bei erneuten
Wahlonruhen im J. 7 n. Ch. sfimtliche Beamte (Dio 66, 84: t^ fi^v nqo-
^f9<p itii naißtag tovg UQ^tymag avx6gy insidi^nsQ iaxaata[BtOf aniSsiie);
gewöhnlich jedoch trat er persönlich zur Empfehlung der von ihm speziell
gewünschten Kandidaten vor das Volk, ohne dafs von einer bestimmten
Zahl hei solcher Empfehlung die Bede ist. Dio a. a. 0. (z. J. 8 n. Gh.):
f? TOf dri(u>v ovxixi, nctQ^si, aXXa tm filv nQOtiQ<p hsi — dnidnis [s. vori-
ges Citat], tovtm dh %al toig insita ygä^i-natd xiva i%xi^Blg avpürtri tm ta
^Irfin %al x6 d'q(up ooovg hnovSais ; also erst in den letzten Jahren seiner
Regierung empfahl er schriftlich, vorher hatte er eine Form gewählt, die
der repnblikanisohen Art der Empfehlung näher gestanden, weniger formell
und populärer war. Die Stelle Dio 68, 21 ( — avvBliyeto [s. oben] ov i^sp-
T0( xal inQaxtito vi o urf xal inahtp rigsantif tovg yovv &(f^ortag xovg filv
ttvto9 Irdsyoiuwog nQOißulXito^ xovg Sh %al ixl xm Si^imo x£ xs ofUlo) %axä
to ttQxaiop noiavftevog eigsfieXsixo onag fiTjT dpsitixridsioi firix* 1% nccQani-
hvcttog ^ xal dsnaöfiov dnodeiHvvavxai) kann demnach nicht fttx eine feste
^gel und ein bestimmtes Recht, wie es später allerdings vorhanden war,
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- 154 -
in den nun folgenden Jahren die Reform der Staats verwaltuDg
vollendet^ sondern mit seiner Interpretation der Rechtsstellung des
Princeps seinen Nachfolgern Rechte geschaffen, welche dann
bei diesen als Befugnisse des Principats formell ausgesprochen
wurden.
Nur auf einem Gebiet, dem sacralen, war noch eine weitere
Stufe der Rechtsstellung zu erreichen und damit zugleich eine
neue konstitutionelle Rechtssphäre zu begründen. Schon in den
ersten Stadien seiner Laufbahn war der Sohn Cäsars Mitglied
der grofsen Priestertümer geworden; sicher ist, dafs er im J. 16
den sämtlichen vier grofsen Kollegien angehörte, den Pontifices,
Augurn, Quindecemvim für die Hut der sibyllinischen Büdier
und den mit der Ausrichtung des epudum JoviSy des grolsen
Mahles für die kapitolinischen Götter beauftragten Epulonen, und
dals er schon im J. 32 Fetiale war.^) Dagegen hatte er die
Vorstandschaft des Pontificalkollegiums und damit die leitende
Stelle im ganzen Kult dem gestürzten Triumvir M. Lepidus^
trotzdem dafs dieser sie auf anfechtbare Weise übernommen,
überlassen. Im J. 13 starb Lepidus; seinem bisherigen Verfahren
entsprechend gab nun Augustus die Wiederbesetzung dem vorge-
schriebenen Wahl verfahren durch die Komitien der 17 Tribas anheim
(1,1134) und liefs dann die Wahl am 6. März des J. 12 zu einer
grofsen Kundgebung seiner Popularität werden.*) Indem es so
verwertet werden. Anch die wiederholten Wahlunruhen aeigen, dafs Augnstos
hier noch mehr Freiheit liefs.
1) Zum Pontifex hatte ihn Cäsar schon im J. 48 wählen lassen; Nicol.
Damasc. yit. 4. Yell. 2, 59: quem C, Caesar — pontificatus sacerdotio pumt»
honorawt. Zusammenfassend sagt er selbst mon. Anc. t. gr. 4, 6: aezu^f^
avyovQy xmv dsnaxivxe dvi^mv tcov [fgonoiaVj tmv ifctä awSgmv UgoTfoiär^
ddsXqiOß ccQovaXig^ staiQog TitioSt fpritucXig, Über die Belege eq den ein-
sselnen Priestertümem Borghesi, oeuvr. 1, 847 ff. Mommsen, r. g. p, 82 -H
Die vier grofsen Kollegien sind zusammen durch ihre Symbole ausgedrflckt
auf der dem J. 16/15 angehörigen Mfinse des Münzmeisters C. AntiBÜns
Vetus, Eckhel 6 p. 105. Cohen, m^d. cons. Antistia, pl. HI n. 9. 10, ober
welche eben Borghesi a. a. 0. handelt. Ober die Fetialenwürde Dio 60, i.
2) Mon. Anc. 1. 2, 23 ff. gr. 5, 19: aQxi^SQmcvprjv^ t^v 6 »ori^p pw
ioxri%Biy ro^ di^ftov ftoi %ata<psQOVTog slg tov tov iöavtog Tosro*, ov %(fog-
sde^diiriv ^v d^xiBi^ottiUiv — dfco&avovzog tov nüO%axBiXrifp6zog avr^ h
noXBixmaig tagaxccig dvsiXrjtpa^ slg xct ^fia a^x^^^^ata i£ oXr^g xr^g 'ixaXuti
xoaovxov nXrid'ovg avvsXriXvd'6xog, oöov ovSslg ^vnQOcd'sv t^xoQTiOBv inl ^Pdfitii
ysyovivaii dazu das Jahresdatum; Jahr und Tag s. fast Praen. z. 6. Mars;
den Tag Ovid. fast. 3^ 419 f. — Dio, welcher 54, 27 die Notiz schon vm
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der Form nach dem Zufall überlassen wurde, ob diese Funktion dem
Princeps zukommen solle, war ihr scheinbar eine unwesentliche
Rolle zugewiesen; sie blieb auch jetzt gleichsam aufserhalb des
Systems. Sie war aber darum keineswegs gleichgiltig. Mehr
als andere hat gerade der erste Princeps auch das Religionswesen
in seine Pläne mit hereingezogen, und hiefür konnte ihm das
Oberpontificat auch in diesem Jahre noch wichtig sein. Und
wiederum gilt, daüs für die Würde des Principats überhaupt so-
fort bei dem nächsten Nachfolger dieses Amt eine wesentlichere
Bedeutung gewinnen mufste; denn nun erfolgte die Neuwahl für
den abgegangenen im Zusammenhang mit der Übernahme der
andern Bestandteile der Gewalt, und damit war die Stellung selbst
in engeren Zusammenhang mit diesen gezogen. •— Den höchsten
ihm gewordenen Ehren, die Augustus am Schlufs der Inschrift
seines Mausoleums angegeben, zählt er die Benennung eines
^Vaters des Vaterlandes' bei; er nahm sie an im Jahre seines
dreizehnten Konsulats, am 5. Februar des J. 2 n. Gh.^), doch
war es eben nur eine Ehren-, keine Gewaltsbezeichnung und in
der Führung derselben als eines formlichen Titels war ihm der
erste Cäsar Yorangegangen (ob. S. 31). Augustus nahm diesen
Titel wie den des Oberpontificats unter die offiziell von ihm ge-
führten auf.
5. Wenn die ersten zwölf Jahre nach der durch die Beseiti- übersieht über
die fernere
gung des Antonius gewonnenen Alleingewalt dazu verwendet Lebenszeit
worden waren, dieselbe zu definieren und funktionsfähig zu ge-
stalten, so ist Tom J. 19 an die Regierung des Augustus be-
zeichnet durch die energische Anwendung derselben auf allen
Gebieten des Staatslebens. Was durch Gesetz und Verordnung
emer Neuerung zu bedürfen schien, wurde in Angriff genommen,
nach der Neubildung des Senats (ob. S. 129. 152) die vom Volke
J. 18 giebt (vgl. Mommsen, r. g. 46), bemerkt, dafs er nicht, wie er sollte,
die Amtswohnimg besog und deshalb ein Teil seiner Privatwohnnng zn einer
öffentlichen erkl&rt wnrde.
1) Mon. Anc. L 6, 24: [aenatus et equejster ordo poptdusque Bomanus
iMwersus [appeüavü me patrem p^atriae. Datnm fut. Praen. z, 5. Febr.
Oy. fnat, 2, 127 1 {sancU paier patriae^ tibi pUhs, tibi curia nomm hoc dcditj
hoe dedimus nos tibi nome^ equea; res tarnen ante dedit). Dio 66, 10.
Die letzteren Zeugnisse wie auch Münzen und Inschriften zeigen, dafs er
auch TOr dieser förmlichen Annahme öfter so genannt nvnrde. Ober den
formellen Hergang dieser Ehrenerweisnng im Senat Sneton c. 68 (ob.
S. 138 A. 1). n \
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mit seiDom Verlangen einer cura morum et legum geforderte Geseb-
gebungy ferner die Reformen im Militär-^ Finanz- und Gerichts-
wesen^ in der Verwaltung der Stadt Rom und Italiens, in allen
Stufen der Magistratur; dazu die bestandige Aufsicht über da«
gesamte Provinzialgebiet, die Einrichtung der grofsen neuen Pro-
vinzen und die Besserung allgemeiner Natur in der Organisation
der Provinzialbehörden, vor Allem aber die grofsartigen An-
strengungen, noch über des ersten Cäsars Erfolge hinaus eine
gesicherte und hinlänglich umfangreiche Reichsgrenze zu g^
winnen. Jene Gesetzgebung des Jahrs 18 und was sich daran
anschlofs, fafste Augustus im Sinne einer Erneuerung des herr-
schenden Volkes in sittlicher und religiöser Beziehung, wobri
mit den Einzelgesetzen gegen übertriebenen Luxus, Ehebruch und
Unzucht, Ehelosigkeit, Bestechung vorzugsweise die oberen Stande
getroffen sein sollten. ^) Eine religiöse Weihe aber sollte dieses
Werk und zugleich die ganze bisherige Wirksamkeit des Gewalt-
habers erhalten im J. 17. Indem hier Augustus die althe^
gebrachte, in den vorhergehenden Jahrhunderten aber unterlassene
Säcularfeier in neuer Anknüpfung an den Kult des von ihm ein-
geführten palatinischen Apollon und in eigenmächtiger zeitUcher
Rechnung nun im J. 17 wieder feiern liefs, als fünfte Feier dieser
Art seit Rom bestand, wollte er den epochemachenden Charakter
seines Principats, das mit der in demselben Jahr stattfindenden
1) Sueton 34: Leges retractavit et quasdam ex integro sanxit, ut sun^tua-
riam et de adiilteriis et pudiciOa^ de ambitu, de maritandis ordinibus. Dio
54, 16. Die /. Julia sumptuaria ist der letzte Gesetzgebungsakt dieser Art
(Gell. D. ati 2, 24, 14); die l, Julia de aduHteriis et de pudiciHa und die
de ambitu werden noch citiert cod. Jast. A, 18, 4, 11; die l. Julia de mcsri-
tandis ordinibus (citiert Gai. 1, 178) wurde gemildert durch die l, Julia
Papia Poppaea vom J. 9 n. Ch. (s. unten). Die genannten vier Gesetif
können auf Grund der angegebenen Stellen, speziell auf Dios Zeugnis hin
diesem Jahre zugewiesen werden; sie sind sämtlich mittelst der gesetzgebe-
rischen Kompetenz der tribunicischen Gewalt in Tributkomitien gegeben
worden (mon. Anc. gr. 3, 19: cc tots Si i(iov 17 üvp%lfiTog oixovontiö^oi
ißovlitOy zrjg dfi(iaQx''^^S i^ovaüxg £v etilBaa. Seneca de benef. 6, 32:
forum ipsutn ac rostra, ex quibus pater legem de adulteriis tulerat) ; die ohne-
hin unpopul&re l. de mar. ord, war in ihrem ersten Entwurf so siareng, dsTs
hanc prae tumultu recusanHum perferre non potudt, nisi adempta demum lern-
tave parte poenarum et vacatione irienni data auctisque praemiis, (Saei) Die
Mitwirkung des Senat», welche Horaz (carm. saec. 17—20: diva — patrvm
prosperes decreta super iugandis feminis prolisque novae feraci lege marita)
herrorhebt, war nur mit Mühe gewonnen worden. Dio^54, 16.
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- 157 -
Adoption 4er Sohne Agrippas nun in seinem Bestand gesichert
erschien, so feierlich als möglich zum Ausdruck bringen.^) Aber
diese Feier bildete auch in anderer Beziehung den Höhepunkt in
Augustus' Leben. Wohl geboren der darauf folgenden Zeit die
greisen Eroberungen an der Nordgrenze des Reichs an und be-
währte sich auch fernerhin im Innern die Politik der Versöhnung,
wie er sie verstand , aber es fielen auch tiefe Schatten in das
glänzende Bild, das die Stellung des Princeps bot. Der Tod
süler der Freunde, die von Anfang an mit ihm aufgestiegen oder
sich ihm auf dem Wege angeschlossen, Tor Allem der Tod des
Agrippa und Macenas, war für ihn ein nicht mehr ersetzter Ver-
last So wenig er diesen Männern geistig untergeordnet war, so
waren sie doch in Krieg und Frieden ihm, der nur auf Grund
allseitiger Erwägung und Beratung zu handeln pflegte, unentbehr-
liche Stützen geworden, und auch Mäcenas, der in den letzten
Jahren von offizieller Teilnahme an der Politik ganz zurück ge-
treten war, war doch der intime Ratgeber geblieben und wurde
schmerzlich vermifst") Das Familienleben des Henrschers wurde,
nachdem zuerst der Tod die ihm nächststehenden und liebsten
Glieder weggerissen, durch die Schuld der einen und die Intriguen
der andern vergiftet; dicht neben den grofsen Kriegserfolgen
stehen die selbst für Italien bedrohlichen Aufstände der unter-
worfenen Barbaren und schwere Niederlagen, und selbst den
geistigen Glanz dieser Periode in Dichtung und prosaischer Litte-
rator sieht Augustus ohne entsprechenden Ersatz schwinden.^)
1) Sueton 31. Dio 54, 18: td tb aainovXdi^ia tä nipknta STtstiXecBv.
Cber die Berechnimg der saectUa Censorin de die nat. 17. Ausführliche
Beschreibung der Säknlarfeier bei Zosim. 2, 5. Den Nachweis, dafs diese
Feier ursprünglich mit der Erinnerung an die Gründung Borns nichts zu
Urnn hotte, bei Mommsen, r. Chron. 172 ff. Ober die Rechnung des August
^gl aach Bergk, ind. rer. gest. S. 78. Hirschfeld an dem ob. S. 146—7 A 2
ftng. 0. Ober die religiösen Motive Preller- Jordan, röm. Mythol. 2, 82 ff.
Vgl. auch die Kommentare zu Horaz' Carmen saec,
2) Ober Agrippa s. unten. Mäcenas konnte, da er senatorische Stellung
losschlug, in dem augusteischen System eine offizielle Rolle nicht mehr
spielen; dafs seit der Verschwörung des Gäpio, in welche sein Schwager
Moiena verwickelt war, eine Spannung zwischen ihm und August einge-
treten, sagt Sueton c. 66; dieselbe entzog aber sicherlich dem Princeps
nicht den Rat des im Triumvirat erprobten früheren Ministers. Vgl. Seneca
de benef. 6, 32: 8aq[>e exdamavit: herum mihi nihil (nccidiaset, si aut Agrippa
«tf Maeeenas vixisaet,
3) Von den grofsen litterarischen Namen der augusteischen Zeiten
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— 158 -
Aber für die Festigung des neuen , politischen Systems war ei
ungemein förderlich ^ dass der Gründer desselben nicht nur mit
denen sioJi auseinanderzusetzen hatte ^ mit welchen oder denei
gegenüber er die Gründung vollzogen, sondern auch in da
33 Jahren^ in denen er nach der letzten Epoche der konstitutio-
nellen Festsetzungen vom J. 19 noch das Staatswesen weit^
leitete^ eine ganze zweite Generation in demselben führen konnk
In stetigem Reformieren, nicht in grofsen einheitlichen Beform-
akten ging in dieser Zeit der Prozefs vor sich, durch welchcB
er alle Funktionen des Staatslebens enger oder freier an das
Principat band^), aber der Erfolg war um so dauerhafter.
Dio Vor- Eine Frage aber war noch zu lösen, die in den frühereo
Nachfolge. Akten konstitutionellen Charakters nicht berührt wurde und ab-
sichtlich beseitigt scheinen sollte und die doch eine ganze 8[£tere
Zeit beherrschte, die Frage der Nachfolge. Da keine einzig«
Gewalt dem Augustus erblich übertragen war und er für die
wichtigste Seite seiner Stellung, das militärische und Provinzi&i-
kommando, sogar die Form der fünf- oder zehnjährigen Über-
tragung aufrecht erhielt, so war prinzipiell für den Fall seine»
Ablebens der Zukunft nicht vorgegriffen. Höchstens empfehlen
konnte der in der Gewalt befindliche Princeps einen Nachfolger,
aber nicht designieren. Solche Empfehlung hatte im J. 23 Augofitos
in dem Moment schwerster Erkrankung geübt, jedoch sofort
nachher wieder verdeckt (ob. S. 142). Die Schwierigkeiten, die
ihm gegenüber den in Frage kommenden Prätendenten Agrippa
und Marcellus daraus erwachsen waren, hatte noch im J. 23 der
Tod des Marcellus beseitigt, und nun fand Augustus ein Mittel^
um die Zukunft in dynastischem Sinne zu regeln und doch jenes
Prinzip zu wahren, das verbot, eine förmliche Nachfolgeordnong
aufzustellen: der Nachfolger sollte auf dem thatsächlichen Wege
empfohlen, durch entsprechende Stellung zur Seite des Princeps
k
Prosa und Poesie ist Ovid der einsöge, der ganz dem Principat des Aa-
gustns angehört, indem er anch mit seiner Ausbildung in diesem wonelt,
und der noch in das zweite Principat hineinreicht, aulser ihm hat die
augusteische Regierung keinen aus ihr erwachsenen Ruhm an die des Tiber
hinübergegeben. Das Vermächtnis, das Horaz in seinen LitteratnrbriefeD
den folgenden Generationen hinterliefs, war wohl für die Schule det G^
schmacks fruchtbar, wurde aber von keiner originellen Kraft Bufgenommen.
1) Tac. ann. 1, 2: inswrgere patHatim, munia senatus mciffistraitmm ^
gum in se trahere ntiHo adverscmte.
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- 159 -
als der von diesem gewünschte und in die Regierung schon ein-
gefahrte bezeichnet werden. Die Wahl der Person, selbstverständ-
lich prinzipiell ebenfalls ganz frei, bestimmte er nun entschieden
nach Familienverhältnissen, d. h. da er einen leiblichen Sohn nicht
hatl;e, mittelst Adoption und Verschwägerung. In diesem Sinne
wurde sofort nach dem Tode des Marcellus Agrippa mit des
Angustus Tochter Julia, der Wittwe des Marcellus, vermählt und
dadurch in die nächste Stellung zum Princeps gebracht, jedoch
wohl mit der Absicht, dafs, wenn er Sohne erhielte, auf diese
jenes thatsachliche Anrecht übertragen werden und er selbst nur
als eventueller Vormund regieren sollte; zugleich erhielt er, wie
es scheint, prokonsularische Gewalt in einer Weise, die nicht
näher definiert werden kann, die ihm aber jedenfalls in der Pro-
mzialverwaltung eine den einzelnen Statthaltern übergeordnete
Stellung gab.^) Im J. 18 sodann, als Augustus. sein eigenes
prokonsularisches Imperium erneuerte, liefs er dem Agrippa die
1) Über die Stellnng Agrippas zur Provinzialverwaltung hat neaestena
gehandelt Mommsen, r. g. p. 168 ff., wo auch das Material zasamm engestellt
ist, TgL Str. 2, 1094 A. 4. Nach Joseph. Antiq. ind. 16, 8, 3 ist Agrippa
im J. 18 nach Born zurückgekehrt (istä tr^v dioUriciv xmv snl zriq 'Aciag
dnuxcT^ yeyBVTifiivriv und war nach 16, 10, 2 ausgesandt tmv nsQav 'loviov
dittdo%og KaiauQi; in jene zehnjährige Zeit aber föUt zugleich im J. 21 die
Stellyertretnng Augusts in Rom und im J. 20/19 das Kommaudo in Qallien
nnd Spanien, während August im Orient ist, worauf er dann wieder in den
Orient zurückgeht. Mommsen vermutet, dafs dem Agrippa schon im J. 27
zugleich mit Augustus prokonsularische Gewalt verliehen worden sei, so
dalfi er in derselben minor cdüega war, und zwar mit Beziehung auf das
ganze Seich; auch hält er für möglich, dafs die Stellung in Rom im J. 19
ans dieser prokonsularischen Gewalt abzuleiten war (ob. S. 149 A. 4 ). Letztere
Stellung ist oben anders erklärt worden; was aber das Provinzialkommando
betrifft,, 80 ist zwar weder ein besonderer Akt der Übertragung für Agrippa
bezeugt, wie dies später bei andern der Fall ist, noch seine Gewalt irgendwo
als prokonsularisch definiert, aber sie läfst sich allerdings kaum anders
definieren, da, wie Monunsen sicher mit Recht betont, er das Recht eigener
Legaten hatte. Allein die Vorgänge des Jahrs 28 machen es nicht wahr-
scheinlich, dafs Agrippa schon seit 27 solch prokonsularisches Imperium
batte, wohl aber ist es möglich, dafs dem Augustus in der Definition seiner
eigenen Gewalt im J. 27 oder 28 zugleich das Recht erteilt wurde, einen
Stellvertreter mit einer analogen Gewalt nach Bedürfnis in einer durch ihn
ZQ bestimmenden räumlichen und zeitlichen Begränzung auszusenden. Zuerst
ist der förmliche Titel des tmp. procons, für diese Stellung bezeugt für den
lon August adoptierten Sohn des Agrippa, Gajus, der im J. 1 v. Gh. in den
Orient geschickt wurde (Zonaras, der hier für Dio in die Lücke tritt, 10, 36:
^ (iovciav avxm xriv av^vnaxov — iSa}%Bv).
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- 160 -
tribnnicische Gewalt auf dieselben fünf Jahre verleihen, für die sie
der Princeps hatte. ^) Selbstverständlich mufste auch diese triboni-
cische Gewalt so definiert sein^ dafs nicht nur kein Zwiespalt mit
der des Princeps entstehen^ sondern die letztere auch in keiner
Weise in ihrer Thätigkeit gehemmt war. Als dann im J. 17 dem
Agrippa ein zweiter Sohn geboren wurde, adoptierte Augustus seine
beiden Enkel und setzte sie dadurch ihrem natürlichen Vater im
Verhältnis zu sich vor^ aber angesichts der sämtlichen in Frage
kommenden Altersverhältnisse mit der Sicherheit für diesen, keiner
andern Rivalität als dieser ihn nie beschämenden weichen za
müssen. Im J. 13 wird ihm die tribunicische Gewalt erneuert^
aber schon im darauffolgenden Jahre stirbt er. Jetzt tritt in
die personliche Stellung des Agrippa durch Vermählung mit
dessen Wittwe Tiberius, der Stiefsohn Augusts, ein, der bisher
Schwiegersohn Agrippas gewesen; doch erhält er, der im J. 13,
27 Jahre alt, das Konsulat bekleidet hatte, nicht die tribunicische
Gewalt, tritt aber von nun an mit seinem jüngeren Bruder
Drusus, damals gewesenem Prätor, in Provinzialverwaltung und
Kriegführung in die Aufgabe Agrippas ein, jedoch nur in Legaten'
Stellung. Die djmastische Richtung war nun in jeder Beziehung
klar: in den Aufgaben wie in den Ehren, in eigenem ernsten
Thun wie in Repräsentation wurden die zum Hause des Princeps
Gehörigen in die erste Linie gestellt, in ihrem Namen wurden
wie in dem des Princeps selbst Schenkungen gemacht und Bauten
aufgeführt^); wie er das Principat der Regierung von dem Titel
eines princeps senatus aus genommen, so sollten die ihm nächst
stehenden jugendlichen Prinzen in der Ehrenstellung von ptin-
cipes iuventutiSf welche ihnen die Ritter erteilten, an der Spitze '
dieses Standes die Anwartschaft auf den künftigen politischen
Principat zeigen.') Und auch innerhalb der kaiserlichen Familie
1) Dio 64, 12: reo 'Ayginna aXXa xb li taov xri eavxm y,al r^f^ s^ovtistf
tiiv driiiadimriv ig rov avtop x^ovov idmxsv.
2) Dio 64, 26. 66, 6. 8. Suet. Aug. 29.
8) Mon. Anc. lat. 3, 3: Ex eo die^ quo deducti sunt in fortan, ut inttr-
essent consHiis publicis, decrevit senatus; equites auiem Bomani tcmVer»
principem iuventiUis utrumque eorum parmis et hastis argenteis donatum
appeUaverunt, daselbst auch andere ihnen erwiesene Ehren. Es geschah in
den Jahren 6 und 2 v. Ch. Tac. ann. 1,8: {Augustus) Gaium ac Luäum
p; in familiam Caesarum induxerat necdum posita puerüi praetexta prindpef
iuventutis appeUari, destinari consules specie recusantis flagrantissime cupiverat.
Inschriftzeagnisse Mommsen, r. g. p. 63. Or.-Henzen, 634 ff.. Wilmaimi,
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- 161 -
selbst war die Absicht des Augustus klar gestellt: die von ihm
abstammende Linie sollte die nächst berechtigte sein, die Stief-
sohne in zweiter Linie stehen, ein Zug, der angesichts der Alters-
verhältnisse und personlichen Leistungen den dynastischen Cha-
rakter vielleicht deutlicher als alles andere ausprägte. Aber von
hier aus ergab sich auch der Kampf zwischen den beiden Linien,
der fQr Augustus selbst die schmerzlichsten Erfahrungen brachte
und noch über seinen Tod hinaus fortwirkte. Im J. 9 v. Ch.
wird aus der claudischen Linie mit dem Tode des Drusus das-
jenige Glied entfernt, das allein populär und dem Augustus selbst
sympathisch war, obgleich er als Anhänger der republikanischen
Partei galt und als Sprofsling eines der ältesten Adelsgeschlechter
die Sonderstellung der republikanischen Aristokratie vertreten
konnte.*) Die Verdienste der Sohne der Livia waren in den
Jahren, in denen sie das Kommando in Germanien und an der
Donau geführt, so grofs, dafs Augustus dem Tiber die Belohnung
nicht versagen konnte und so gab er ihm 6 v. Gh., nachdem er
ihm das Jahr zuvor das zweite Konsulat gewährt, wie früher
dem Agrippa die tribunicische Gewalt auf fünf Jahre*): aber
Tiber hatte auf Adoption gehofft*); war doch auch das Opfer,
das er durch die Ehe mit Julia dem Augustus gebracht, für ihn
eine Quelle der Unehre geworden und waren die ihm Vorge-
zogenen Sohne eines Mannes, dessen Herkunft tief unter der
eines Claudius stand. Offen brach er nun, indem er sich noch
im J. 6 nach Rhodus zurückzog.^) Hier ist der Moment, an
welchem die Rolle des Historikers in die des Psychologen oder
exempl. inscr. 652. 888; in letzterer Inschrift, den sogen. Cenotaphia Pisana
(■- Or.-Henz. 641) heifßt es von dem zuletzt gestorbenen Gajus: tarn de-
signatum tustissimum ac simillimum parentis sui virtutibus principem. Münzen
£ckhel 6, 171. Cohen, m^d. imp. 1 p. 116. Über die Bedentung des prin-
eeps iuvent. s. unten im Syst. Zum Behuf der deductio in forum der beiden
übernahm Angnst ein zwölftes Konsulat im J. 6, ein dreizehntes und letztes
im J. 2. Suet Aug. 26.
1) Suet. Claud. 1. Tib. 60 {epistola, qua aecutn de eogendo ad restituen-
dam libertaUm Augusto agehat, apokryph, aber bezeichnend für die Ansicht,
die man von Drusus hatte).
2) Dio 66, 9: ßovXrj^slg xQonov rivä fiaXXov avtovs (die übermütig
gewordenen Adoptivsöhne) confpQOvlaai ta TißBQ^a triv dr]fi.aQx^^V^ h nhzB
ivri hniu. Vell. 2, 99.
8) Dio a. a. 0.: ot Si I<pacav %aUnrivai avxov oxi ^rj xcrl Kaicaq
aniitix^fj.
4) Dio a. a. 0. Suet. Tib. 10. Vell. 2, 99. •
Herzog, d. röm. SUattTorf. II. 1. D|^l,ed byGoOglC
- 162 —
wenn man will Untersuchungsrichters übergeht. Auf die immer
entschiedener auftretende Einführung der Enkel ^ trotzdem dafs
ihr Leben einen starken Kontrast zu der verdienstvollen Tüchtig-
keit des Tiberius bildet, folgt die Vernichtung nicht bloüs ihrer,
sondern aller derer ^ die den Ansprüchen des letzteren im Wege
stehen oder stehen können; überall sind äufsere wie moralische
Gründe aufzufinden, welche das Geschehene natürlich erscheinen
lassen, den Tod der Enkel, die Verbannung der Julia und des
Agrippa Postumus, des jüngsten Agrippasohnes ^), aber die Eon-
sequenz in dem Erfolg aller dieser Momente sowie gewisse Einzeln-
heiten in ihrem Verlauf lassen eine leitende und zielbewufste Hand
erkennen. Die ebenso bestimmt überlieferte als in ihrem thatsäch-
lichen Gehalt unwahrscheinliche und unwahre Beschuldigung,
Julia habe das Leben ihres Vaters gefährdet^, eine Anklage,
die schwerlich auf August, der sie nicht glauben konnte, vielmehr
auf die öffentliche Meinung berechnet war, zeigt, mit welchen
Mitteln man vorging, und wenn Augustus nachher neben Tiberius
den Agrippa Postumus adoptierte und am Schlüsse seines Lebens
noch zeigte, wie ungern er ihn verstofsen, so sieht man, wie er
ursprünglich diesen Enkel anders beurteilte und zu seinem späteren
Verfahren gegen ihn ebenso überrumpelt wurde wie zu dem
gegen Julia. Wenn endlich eine der ersten Handlungen der
Regierung Tibers die Ermordung des Postumus war, so wirft
dies das sfÄrkste Licht auf das Vorhergegangene.') Wie weit
Tiberius selbst bei diesem allem beteiligt war, ist nicht zu er-
kennen; es ist denkbar, dafs die eine Hand der Livia Alles allein
leitete und er nur den Nutzen davon hatte und sich gefallen liefs.
Mit Ausnahme des letzten Vorgangs, bei dem man nicht anders
als mit rascher Gewalt zum Ziele gelangen konnte, war bei allem
die Benützung der Umstände nur allzu leicht und an Werkzeugen,
durch welche man sie benützen konnte, wird es nie gefehlt
haben. Es war die Kehrseite der Regierung mit geheimen
1) Dio 65, 10. 10» Bekk. Suet. Ang. 66.
2) Plin. nat. bist. 7, 149: aduUerium fiiae et consüia parricidae pa-
lam facta,
8) Sueton Aug. 66. Tiber 16. 21. 22. Dio 66, 32. Taoit. 1, 6. (Ge-
beimer BeBUcb Augnsts bei dem yerbannten Agrippa und Absiebt ihn zurück-
zurufen.) Plin. n. b. 7, 160: abdicatio Postumi Agrippae post adoptionem,
desiderium post relegaii(^Mm, inde suspitio in Fahium arcanorumque pro-
düionem, hinc uxoris et Tiberi cogitaUones, suprema eins ct4f2r.^^^i^
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^m
- 16ä -
Mitteln, die Augustus hier zu erfahren bekam. Die Unsicherheit
der Historiker über diese Vorgänge zeigt, wie wenig Einsicht
die gleichzeitigen gebildeten Kreise in das Detail des Geschehenen
hatten, aber dafe die öffentliche Meinung, vor welcher der Cha-
rakter der dabei handelnden und leitenden Personen kein ver-
schlossenes Buch sein konnte, die Kaiserin entschieden verurteilte,
geht so ziemlich aus allen Berichten, indirekt selbst ans dem des
Vellejus, hervor.^) Nachdem in den Jahren 2 und 4 n. Ch. zu-
erst der jüngere Lucius, dann der ältere Enkel Gajus gestorben
war, erreichte Tiberius das Ziel seines Strebens. Er hatte im
Sommer des J. 2 n. Ch., kurz ehe Lucius Cäsar in Massilia starb,
die Erlaubnis zur Rückkehr aus dem freiwillig übernommenen,
aber höchst unfreiwillig bis ins achte Jahr verlängerten Exil
erhalten, und nun, nach dem Tode des Gajus, wurde er am
27. Juni 4 n. Ch. adoptiert und ihm zugleich die tribunicische
Gewalt, die in Rhodus abgelaufen und nicht erneuert worden
war, aufs neue verliehen.*) Wie sehr aber auch jetzt noch
Augustus sich dagegen sträubte, allein auf Tiberius angewiesen
za sein, zeigt die gleichzeitige Adoption des Agrippa Postumus
und die dem Tiberius auferlegte Bedingung, seines Bruders Drusus
Sohn Germanicus zu adoptieren.^) Aber Tiberius wufste sich
unentbehrlich zu machen. Durch die Dienste, die er aufs neue
leistete und denen ähnliches weder ein anderes Glied der Familie
nodi ein anderer Heerführer aufzuweisen hatte, blieb ihm, welches
auch die persönlichen Gefühle des Augustus sein mochten*), der
erste Platz nach diesem unbestritten, und im J. 13 n. Ch. wurde
gelegentlich der Erneuerung der tribunicischen Gewalt ihm durch
ein Konsulatgesetz nicht nur die Vornahme des Census als
Kollegen Augusts übertragen, sondern auch bestimmt, dafs er zu-
sammen mit diesem die Provinzen verwalten sollte.^) Hiedurch
1) Von den Neueren vgl. auf Seite der Anklage gegen Livia und Tiber
H5ck, r9m. Gesch. 2, 34—61, auf Seiten der Verteidigung das Extrem bei
Stahr, Tiberius. Berlin 1868. Römische Kaiserfrauen. Berlin 1865.
2) Vell. 2, 103 (Datum). Suet. Aug. 66. Tertium nepotem Agrippam
simtUque prioignum Tiberium adoptavit in foro lege cuHata, Ders. Tib. 16,
Dio 56, 13.
3) Bezeichnend dabei die Aulserung, reip. catAsa adoptare se eum^ zu
gunsten des Tiber gedeutet bei Sueton Aug. 21. Vell. 2, 104.
4) Verschiedene urteile darüber bei Sueton Tiber 21.
5) Sueton Tib. 21: Uge per comüles lata, ut provincias cum Äugusto
^mmuniter administraret sitnulque censum ageret, condüo lustro in Illyriat^QqlQ
11* ^ /
- 164 -
. war ihm ein Besitzstand geschaffen, der, weil er nicht wie seine
bisherige prokonsularische Funktion von persönlicher Verleihung,
sondern von Gesetz ausging, mit dem Tode Augusts nicht erlosch.
Weitere Bestimmungen, welche direkt auf Nachfolge bezüglich
gewesen wären, erschienen dem August mit seinem System un-
verträglich; ja er soll in einer für Tiber nicht unbedenklichen
Weise in einer über seinen Tod hinausgehenden Kundgebung zu
wissen gethan haben, dafs neue Verleihung des Principats auch
von andern Gesichtspunkten erfolgen könnte.^)
Die Kongequen- 6. Mit dem Akt vom J. 27 sollte nach der Erklärung August«
pubiikaniscbon die Republik wiederhergestellt sein ; diese aber bestand in dem
herkömmlichen Ineinandergreifen von Senat, Magistratur und
Volk, oder der Führung der Regierung durch Senat und
stratur unter verfassungsmäfsiger Beiziehung der Volksgemeinde.
Das Principat sollte nur eine weitere Magistratur sein, freilich
trotz aller gegenteiligen Erklärungen eine lebenslängliche und
nichtkollegiale, aber doch eine Magistratur, gebunden an die Ge-
setze. Verglichen nun mit dem Zustand unter dem Triumvirat
war jede Art von Verfassungszustand ein Fortschritt, auch gegen-
über der cäsarischen Zeit war, selbst wenn man auf das Wesen
sah und durch die versöhnenden Formen sich nicht täuschen
liefs, die Stellung der republikanischen Institute eine würdigere;
allein Augustus hatte, je mehr das Staatswesen wieder in ein
geordnetes Geleise überging, um so mehr auch mit den weiter
zurückliegenden Zeiten sich auseinanderzusetzen und ihnen gegen-
über die Probe zu bestehen.
profectus est, Dio 55, 28 : zriv te nf^oavaoCav x&v Koivmv trjv 9B%ixiv xo nifi-
/ nxov amoav dij o Avyovazog iXaßs xal xa TißsQ^co xrjv driftttQxtnriv ai^
^S(o%€. Zugleich wurde er vom Senat an die Spitze dea Ausschusses ge-
stellt, welchen Augustus sich stellvertretend für den Gesamtsenat erbat
I^ (s. unt.). Dio a. a. 0. Dafe hier die prokonsularische Gewalt nicht, wie früher
^, dem Agrippa und C. Cäsar (ob. S. 169 A. 1) auf Grund einer Bestimmung
^r^ der eigenen Gewalt des Augustus durch diesen, sondern durch Gesetz er-
^ teilt wird, hatte seinen Vorgang darin, dafs in der letzten Zeit der Republik
aufserordentliche Prokonsulate an Pompejus u. A. durch Gesetz übertragen
worden waren.
1) Dio 66, 33; (in den hinterlassenen Ratschlagen) zd xb %oiva iräffi
xois dvva^ivoig xal stdivai %al nQcixtsiv inixgensiv xal ig firjdeva dvagtap
avtä Tcagi^vsos CfpCaiv^ oncog firixs xvgavv^Sog xig iniSvfti^aij firjx' av nxai-
cavxog iyiilvQv xo drjfioaiov GtpaXfj, S. darüber unten bei Tiberius Regienmgs-
antritt.
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^
- 165 -
Das Recht der Komitien wurde unzweifelhaft wesentlich be- Die Komitien
schränkt; aber dies machte am wenigsten Schwierigkeit. Die
allein noch zu denselben mit einiger Regelmäfsigkeit sich ein-
findende hauptstädtische Menge fohlte nach der völligen Auf-
hebung unter dem Triumvirat die Minderung des Wahlrechts, die
in dem Vorschlagsrecht des Princeps lag, höchstens in den geringeren
Vorteilen, welche der übrigens auch jetzt noch stattfindende Ambitus
unter den neueren Verhältnissen brachte, und dafiir gab Augustus
sogar noch Ersatz auf eigene Kosten.*) Dazu hatte gerade im
Anfang seines Principats Augustus die Wahlen absichtlich und
probeweise möglichst frei gelassen, und es hatte sich dabei in
greifbarer Weise gezeigt, dafs solche Freiheit nur zu Unruhen
führte (ob. S. 148). Die Gesetzgebung war sowohl von der re-
publikanischen Magistratur wie von der tribunicischen Gewalt in
wichtigen Fragen zur Anwendung gebracht, und, wie die Ehe-
gesetzgebung zeigt, zum Teil in einer Weise, welche der Oppo-
sition Raum liefs (ob. S. 156 A. 1); indessen war diese soziale
Frage so besonderer Art, dafs die öfi'entliche Meinung hier mehr
Spielraum haben mufste. Im übrigen konnte von dem, was
früher die Gesetzgebung belebt hatte, von einer Diskussion in
vorbereitenden Kontionen, jetzt nicht mehr die Rede sein; diese
waren aber in den letzten Jahrzehnten der Republik durch den
Unfug, der mit ihnen getrieben worden, genügend diskreditiert,
um sie für agitatorische Verwendung verschliefsen zu können.
Hinter der Volksmenge Roms stand allerdings noch die Bürger-
schaft Italiens, und wenn es galt, deren Stimme zu Kundgebungen
der Anhänglichkeit zu benützen, wie bei der Wahl des Ober-
pontifex im J. 12, sah man es gerne, wenn sie zu den Komitien
in die Hauptstadt strömte (ob. S. 154 A. 2)j es wird sogar be-
richtet, Augustus habe daran gedacht, das aktive Wahlrecht für
die Magistratur dadurch für die italischen Gemeinden zu einem
reellen zu machen, dafs die Decurionen der Kolonieen in ihren
Gemeinden abstimmten und deren Stimmen auf den Tag der
Komitien nach Rom gesendet würden'); allein welche Tragweite
1) Säet. Aug. 40: Comitiorum pristinwn ins reduxit ac multiplici poena
toercUo ambitu, Fdbianis et Scaptiensibus tribulibiis suis die comitiorum,
neqmd a ^ptoquam candidato desiderarent, singula milia nummum a se dividebat.
2) Suet. Aug. 46: Itcdiam — etiam iure ac dignatione urbi quodam
>wdo pro parte cdigua adaequavit , excogitato gener e suffragiorum, quae de
tnagistTotibus urbicis decuriones colonici in sua quisque colonia ferrent et suh
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- 166 —
man auch dieser Idee eines indirekten Wahlrechts der italischen
Gemeinden neben dem direkten der hauptstädtischen Bevölkerung
zuschreiben mag, sie wurde nicht weiter verwertet Zunächst hätte
es sich doch auch hier nur um die Abstimmung über eine ge-
gebene Kandidatenliste gehandelt, und für weitere Konsequenzen
ist die Notiz zu kurz und zu vereinzelt. Möglich, dafs Augustus
eine Zeit lang erwog, ob er nicht bei der grofsen Popularitatj
die er beim Volk in Rom wie in ganz Italien sich erworben, die
Komitien lebensfähiger machen und eine Stütze in ihnen ge-
winnen könnte; bei näherer Erwägung verzichtete er darauf, und
niemand fühlte sich dadurch beschwert. Eine andere Frage war,
wie man sich darein finden würde, dafs die tribunicische Gewalt
nun ein Hebel für eine Art von Tyrannis geworden und die alt-
republikanischen Volkstribunen zwar jährlich wiedergewählt^ aber
auch jeder politischen Bedeutung entkleidet wurden. Aber der
Gedanke, die Idee der Volksvertretung so auszunützen, dafs man
aus ihr in der tribunicischen Gewalt der Kaiser eine populäre
Einkleidung für die Leitung der inneren Politik gegenüber von
Senat und Volk gewann, hatte Glück: weder auf dem Markt
noch in der Kurie protestierte man gegen diese Verdrehung eines
altgeheiligten Freiheitsprinzips, gegen diese Konfiskation des
wichtigsten aller Volksrechte; der einzige Protest war der still-
schweigende, dafs die Kandidaten für das Jahresamt des Volks-
tribunats fehlten und aufserordentlicher Weise beschafft werden
mufsten. — Die komitialen Gerichte, welche bis zum Ende der
Bepublik anerkannt geblieben waren, hörten nun auf, und das
ordentliche Kriminalverfahren konzentrierte sich im Quästionen-
prozefs. Dies war der Natur der Sache entsprechend und vom
Standpunkte der Gerichtsorganisation aus nur die Vollendung
des schon unter der Republik Eingeführten; es braucht also auch
diese Minderung der Komitialrechte nicht schwer genommen za
werden. Auch die Errungenschaften, welche die persönliche
Freiheit der Bürger in der Republik durch die Provokations-
gesetzgebung gemacht hatte, waren dadurch nicht gefährdet; sie
die comitiorum ohsignata Bomam mitterent. Ans dieser Angabe, der einzigen,
die wir darüber haben, geht hervor, dafs die Idee wirklich zur AusfOliraDg
kam, aber auf die Eolonieen, und wie es scheint, auf die von August aus-
geführten, die am Anfang desselben Kapitels genannt werden, und auf die
Wahlen beschränkt wnrde. Dann molste sie mit der Übertragung des Wahl-
rechts auf den Senat durch Tiberius von selbst fallen.
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— 167 -
konnten in den Strafbestimmungen zum Ausdruck kommen. Allein
indem zugleich das frühere aufserordentliche Gericht des Senats
und der Magistrate nun in ganz anderer Ausdehnung in der
Kriminalkompetenz des Senats und des Princeps mit dem Recht,
auf Todesstrafe zu erkennen, neben die Quästionen trat, war das
Resultat der Provokationsgesetze wieder aufgehoben. Auf welche
Weise diese Veränderungen sich einführten, ist in der Geschichts-
erzählung nicht überliefert und kann nur auf Grund systema-
tischer Erwägung erörtert werden. Die römischen Bürger er-
hoben auch hiegegen keinen Widerspruch; es trafen allerdings
die schwersten Folgen der Neuerung nicht den gemeinen Mann,
sondern die höheren politisch ins Gewicht fallenden Stande.
In sämtlichen hier erörterten Beziehungen kam es dem
Augustus zu statten, dafs teils die Natur der Sache, teils das
Auftreten neuer Interessen die hauptstädtische Bürgerbevölkerung
von der der italischen Landstädte trennte. Es wird weiterhin
noch näher erörtert werden, wie die letztere auf die Pflege der
munizipalen Interessen hingewiesen wurde und in ihr, materiell
unterstützt durch Zuwendungen der Kaiser, einen Ersatz fand für
die frühere Teilnahme an der allgemeinen Politik. Für die erstere
aber, die plebs Romana, welche nun allein noch für den Besuch
der Komitien in Betracht kam, war es schon durch Augustus
vorbereitet, dafs, um es kurz zu sagen, indem ihr Nahrung und
Genufs gesichert wurde ^), die Kundgebungen der Popularität an
die Stelle der politischen Mitwirkung, der Zuruf an die Stelle der
Abstimmung treten sollte.
Von ganz anderer Wichtigkeit als die Stellung der Komitien Senat und
^ ® , ° . MÄgiatratur.
war die des Senats und der Magistratur: in das Verhältnis zu
jenem insbesondere war von nun an der Schwerpunkt der inneren
Politik gelegt, so weit es sich um verfassungsmäfsiges Regiment
handelte, die ordentliche Magistratur aber ist in dieser Beziehung
in die Stellung des Senats eingeschlossen und unter denselben
Gesichtspunkten zu behandeln. In der Darstellung schon der
ursprünglichen römischen Verfassung ist oben der Einrichtung
des Interregnums eine wesentliche Bedeutung zugewiesen und
geltend gemacht worden, dafs der Behörde, welche nach dem
völligen Verschwinden der gewöhnlichen Exekutivgewalt die Re-
1) Vgl. die sammarische Aufzählang der Leistungen Angnsts mon. Anc.
lat. 3, 7-14. Suet. Aug. 41 f.
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- 168 -
gierung bis zum Eintreten einer neuen weiter führte, auch für
die Zeit, in welcher eine magistratische Exekutive vorhanden ist,
mehr als blofs beratende Stellung zuzuschreiben sei. Auch in
der Kaiserzeit tritt die prinzipielle Stellung des Senats wie teil-
weise beim Regierungswechsel überhaupt, so vorzüglich da hervor,
wo nach dem Verschwinden einer Familienfolge von Kaisern die
Verleihung der Kaiserwürde voraussetzungslos erfolgt. Welchen
Einflufs auch das thatsächliche Vorgehen der Heere haben mag,
die Bestellung einer neuen Regierung steht dem Senate zu. In
der Republik nun hat der Senat mit von diesem Recht aus eine
regierende Stellung wirklich geübt, unter den Kaisern jedoch
sind es nur jene vorübergehenden geschichtlichen Momente, in
denen sein Recht deutlich hervortrat; während des Bestands eines
Principats und der durch den Vorgänger bestimmbaren Regenten-
folge war es verdunkelt und einem System fortwährenden Kom-
promisses anheimgegeben.
Wenn man die Idee, welche Augustus in dieser Beziehung
hatte, jeder persönlichen Rücksicht entkleidet und nur vom höch-
sten Staatsinteresse aus fafst, so war es die eines von politischen
Kämpfen und Reibungen freien Zusammenwirkens in der Neu-
gestaltung und fortwährenden Regierung des Staats, wobei aller-
dings die leitenden Impulse vom Principat ausgehen sollten, eine
Idee, wie sie in der Zeit Trajans oder M. Aureis verwirklicht
und in jener von dem jüngeren Plinius in Worte gefafst worden
ist. Allein Augustus selbst war weit entfernt davon, die Verwirk-
lichung dieser Idee zu sehen. Nicht dafs in politisch wichtigen
Fragen sich ihm der Senat oflFen versagt oder dafs er sich mit
Ehrenbezeugungen karg erwiesen hätte, aber die halb offen oder
geheim mifsgünstigen oder feindlichen Stimmungen waren in der
Erinnerung an die Vergangenheit und an eigene überkommene
Stellung noch zu stark, und trotz allem Bemühen, die zweifel-
haften Elemente zu entfernen und die Widerstrebenden zu ge-
winnen, war er am Schlüsse seines Lebens nicht sicher, dafs
sein politisches System das der Zukunft sein werde.*) Das Be-
1) Dies zeigt, was Tac. ann. 1, 13 von seinen Änlserangen über even-
taelle Prätendenten nach seinem Tode berichtet. Es handelt sich hier aller-
dings nicht um das Principat selbst, sondern um solche, die es aufiiehmen
wollten, aber mit solcher Unsicherheit über die Personen war auch jenes
selbst gefährdet.
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~ 169 -
wufetsein, solche feindseligen Kräfte sieb gegenüber zu baben, war
es, was seiner obnehin zu verdecktem Spiel geneigten Natur das
eigentümliche Verfahren eingab, mit dem er die Alleinberrscliaft
in verfassungsmäfsige Formen kleidete.
Wäre die kaiserliche Gewalt unter Beibehaltung der republi-
kauischen Magistratur in der Art der Diktatur des Julius Cäsar
definiert worden, so hätte sich ihr Verhältnis zum Konsulat nach
dem Prinzip des maius imperium gestaltet. Allein nach der Er-
klärung vom J. 27 war die Republik als solche wiederhergestellt,
die Konsuln waren damit wieder die Präsidenten derselben, und
für die zu gleicher Zeit neu bestimmte aufserordentliche Ober-
gewalt mulste ein neues Verhältnis gefunden werden. Augustus hatte
es zunächst darin gefunden, dafs er sich die eine Stelle im Konsulat
selbst geben liefs und damit einen Teil dieser Präsidentschaft
übernahm, nur einen gröfseren als die neben ihm stehenden Kol-
legen, sofern er, während diese halbjährlich wechselten, beinahe
jedes Jahr das Konsulat ganz behielt und an jedem 1. Januar
neu antrat. Zu gleicher Zeit aber hatte er sich, wie oben aus-
geführt, Ergänzungsgewalten geben lassen, die in ein staatsrecht-
liches Verhältnis zur obersten republikanischen Gewalt zu bringen
waren abgesehen davon, ob er selbst Konsul war oder nicht. Ein
maius imperium war in keiner Weise möglich, es hätte den Ge-
danken der hergestellten Republik sofort wieder zerstört. Kol-
legialisches Verhältnis war sinnlos; denn die in diesem liegende
negative Seite mit der Kraft der Interzession lag in der tribuni-
cischen Gewalt, die der Inhaber der aufserordentlichen Stellung
neben dieser behalten sollte, schon der persönlichen Unverletz-
lichkeit wegen, welche jene verlieh. So wurde die Idee einer
positiven Nebengewalt aufgestellt, die sich mit dem Konsulat und
der sonstigen republikanischen Magistratur nicht kreuzen, sondern
nur ausfüllen sollte, was jene nicht bewältigen konnte. Auf dem
Gebiet der Provinzialgewalt geschah diese Auseinandersetzung
in Form der räumlichen Teilung, sonst in der der geschäftlichen.
Wäre nun hinsichtlich der letzteren eine genaue Grenzbestimmung
zwischen der ordentlichen Magistratur und der aufserordentlichen
Stellung getroffen worden, so wäre die letztere eben ein weiteres
Amt gewesen, das dem natürlichen Lauf der Dinge nach mit der
Zeit in die ordentliche Verwaltung hineingezogen worden wäre:
der Generalstatthalter der Republik hätte einen abgegrenzten Platz
in der bürgerlichen Verwaltung, d. h. der von Rom und Italien,
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- 170 -
sowie in der allgemeinen Reichsregierung gehabt. Allein wenn
auch AugustuSy der die Macht hatte ^ sich die Schranken selbst
zu setzen, sie sich in dieser Weise gesetzt hatte, so wäre ein
solches Verhältnis doch nicht auf die Dauer haltbar gewesen-,
der damalige römische Senat mit seinen Konsuln hatte nicht die
Kraft und Selbständigkeit von holländischen Generalstaaten, und
die Stellung an der Spitze aller militärischen Kräfte des römi-
schen Reichs war so gewaltig, dafs hier, die Form mochte im
übrigen sein wie sie wollte, nur ein oberster Wille möglich war.
Der Weg aber, auf dem Augustus dazu kam, diesen zur Geltung
zu bringen, liegt in seiner langen Regierung klar vor Augen:
nachdem er sich eine Stellung zur Gesetzgebung und das Ver-
ordnungsrecht für seine Ergänzungs- und Hilfsmagistratur in
ganz allgemeiner Weise hatte erteilen lassen, machte er der
wiederhergestellten Republik auf allen Gebieten den Unfahigkeits-
prozefs: während er die Provinzen ordnete, erklärten Konsuln und
Senat zu wiederholten Malen sich selbst als hilf- und ratlos; für
die Getreideversorgung, den Verkehr Italiens, die Sicherheits- und
Wohlfalirtspolizei in der Hauptstadt waren die ordentlichen Be-
hörden fortwährend ungenügend, und so mufste die Hilfs- und
Nebengewalt überall eintreten.^) Wenn auf dem provinziellen
Gebiet die räumliche Trennung in Verbindung mit der verschie-
denen Organisation eine im täglichen Verlauf der Funktion selb-
ständige Senatsverwaltung möglich machte, so fiel dies am Sitz der
Zentral Verwaltung weg: im Senat, in welchem derPrinceps durch
ordentliches Amt, besondere Vollmacht und durch die tribuni-
cische Gewalt mafsgebende Stellung hatte, in den Gerichten^ in
der städtischen Verwaltung, in ganz Italien, selbst in Munizipal-
angelegenheiten waren aller Augen zuerst darauf gerichtet, was
der Princeps anordnen und für sich nehmen wolle, und erst, nach-
dem man darüber unterrichtet war, ging man an diejenigen Ge-
schäfte, die der autonomen Thätigkeit anheimgegeben waren. So
wurde den Magistraten und dem Senat nichts genommen und
doch nichts frei gelassen, der Princeps war alles und die Republik
1) Ohne Beziehung anf seine Machtstellnng, sondern lediglich den
sachlichen Zweck aufstellend drückt er sich in einem Edikt bei Snet. c. 28
so ans: Ita mihi scUvam ac sospitem remp. sistere in sua sede liceai^ atque
dw rei fructum perdpere, quem peto, tU optimi Status audor dicar et mariens
ut fercm mecum spem, mensura in vestigio suo fundamenta reip. guae
iecero.
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- 171 -
war alles, aber jener bestimmte in jedem Augenblicke, wer han-
deln solle, und damit war das ursprüngliche Verhältnis in das
Gegenteil verkehrt, der Hilfs- und Ergänzungsmagistrat, der für
sich nur die erste Stellung in der öffentlichen Meinung bean-
spruchte ohne einen einzigen klaren Titel, war, während er
nur der erste an Ansehen sein wollte, die einzige wirkliche
Macht, der Alleinherrscher, in den Augen der Menge die Vor-
sehung, der Gott. Die Lage der Dinge war allerdings so, dafs
jene ünfahigkeitserklärung ganz offen durch die Beteiligten selbst
geschehen mufste, ohne Anwendung von Zwang und ohne Über-
eilung, zumal da das einmal eingeschlagene Verfahren den Unter-
nehmungsgeist Anderer vollends ganz lahm legte. Erst in der
zweiten Hälfte seines Principats griff Augustus mittelst desselben
in der städtischen Verwaltung entschiedener in diesen Prozefs
ein und bereitete hinsichtlich der wichtigsten Fragen, der mili-
tärischen Überwachung Roms und der obersten hauptstädtischen
Polizei vor, was Tiberius dann zur Vollendung brachte. Was
speziell den Senat betrifft, so konnte Augustus mit gröfster
Liberalität die Senatoren auffordern, mit ihm zu wirken und ge-
meinsame Sache zum besten des Gemeinwesens zu machen:^) es ^
war doch immer nur er, der die leitenden Gesichtspunkte angab;
es konnte die Kompetenz des Senats vermehrt werden, wie sie
es in verschiedener Weise wurde, aber der Senat war dabei nur
Werkzeug, und gerade in ^inem Gebiet, das ihm August schon
anfing zuzuweisen, war er es in einer der Freiheit gefährlichsten
Weise, auf dem der Eriminaljustiz. Während der Senat xmd in
seinem Auftrag die Konsuln nur ganz ausnahmsweise ein Forum
der Kriminalgerichtsbarkeit gebildet hatten, nahm diese Kompe-
tenz jetzt den Charakter einer ordentlichen an und wurde bald
genug ein Werkzeug des Despotismus zur Vernichtung der Würde
des Senats durch diesen selbst.
Li allem, was der Princeps für das Gemeinwesen vollbringen Beamte des
sollte, war er als selbstthätig gedacht, so lange die Verfassung "^°^'
des Kaiserreichs auf augusteischer Grundlage stand, war also
die Stellung der Kaiser auf persönliche Regierung berechnet,
und wie Augustus und Tiberius in ihrer früheren Regierungs-
zeit rastlos thätig waren, so waren auch ihre Nachfolger mit
wenigen Ausnahmen wirkliche Regenten. Dies schliefst nicht
1) Vgl z. B. Dio 66, 4. 26. 28.
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— 172 —
aus, dafs sie ihrerseits nicht blofs für ihr Provinzialgebiet, son-
dern auch für das Eingreifen in die sonstige Verwaltung einen
Stab von Beamten brauchten, und so begann schon unter Au-
gustus die Aufstellung eigener Funktionäre des Principats, die
in Konkurrenz mit den Magistraten treten, aber lediglich vom
Princeps abhängig sind. Diese Doppelverwaltung mit Verschiede-
nem Personal in getrennter Laufbahn zu führen hätte die gröfsten
Schwierigkeiten gemacht, wäre überhaupt bei der Ungleichheit
der Stellung in gleichartigen Funktionen nicht lange haltbar
gewesen. Aber Augustus gestaltete die Laufbahn so, dafs die-
selben Personen bald in seinen, bald in des Senats Provinzen
verwendet, auch die oberen Beamten seiner Seite nur aus dem
Senat genommen wurden und für die letzteren also nicht nur ebenso
feste, sondern ganz dieselben Bedingungen der Laufbahn bestanden
wie für die Senatsbeamten, dafs es überhaupt wie unter der
Republik nur einen allgemeinen und festen cursus honorum gab,
dem selbst die kaiserlichen Prinzen, wenn auch mit Begünstigungen,
sich unterzogen. — Damit war auf die Personen Rücksicht ge-
, nommen, aber die republikanischen Amter, das Konsulat, wie
die niedrigeren, litten unter dem Verhältnis in Umfang und Be-
deutung ihres Geschäftskreises, ja sie verloren ihre politische
Bedeutung so gut wie vollständig: nur die äufsere Repräsen-
tation, die hohe Rangstufe, welche es bezeichnete, die gelegent-
liche Kollegialität mit dem Kaiser und die Erinnerungen der
Republik gaben dem Konsulat noch Glanz.
Der Eindruck Jcucr Unfähigkeitsprozefs fiel dem wahren Sachverhältnis
auf die republl- i » r^ /* i -i-ij-i
kaniich Ge- entsprechend aus, und war im Grofsen schon durch die letzten
siuuten.
Zeiten der Republik gemacht worden. Wenn ihn Augustus jetzt
wiederholte, so war das Neue dabei einmal, dafs er auch auf
dem beschränkteren Gebiet, welches die Verfassung von 27 dem
Senat liefs, sich vollziehen konnte, sodann dafs der Princeps
in diesem Vollzug die in die neuen Verhältnisse herübergenomme-
nen Republikaner durch den Augenschein überzeugen und darauf-
hin mit der neuen Ordnung versöhnen wollte. Es gelang ihm,
nicht blofs die Majorität des Senats in Botmäfsigkeit zu er-
halten, sondern die angesehensten 'Republikaner, einen Cn. Cal-
purnius Piso und L. Sestius zu loyaler Mitwirkung heranzuziehen:
diese beiden waren es, welche i. J. 23, in demselben Jahr, in
dem er die Form seiner Herrschaft definitiv machte und in
welchem eine von ihm als gefährlich behandelte Verschworung
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- 173 —
entdeckt wurde, das Konsulat führten.^) Aber vollständig gelang
die Versöhnung nicht. Dum veritati consulitur, lihertas corrumpe-
latur, sagt Tacitus gegenüber dem Eingreifen des Tiberius in
1) Über Piso Tac. ann. 2, 48: insita ferocia a patre Pisane, qui civili
heüo resurgentes in Äfrica partes acerrimo ministerio adver sus Caesar €8
Mtrif, rnox BrtUum et Cassium secutus concesso reditu petitione honorum
dbstinttit, donec tUtro ambiretur delatum ab Äugusto consulaium accipere;
über Sestios Dio 53, 32: av^' iavtov 2riötiov dvd-tiksto aei ts %6 BQOVtcp
evcMOvdatorca %al iv ndat zoCi noUfi^ig avüZQatevaavta aal iti %al tots
tal urfiiuovBvorta avtov %al tt%6vag ixovxa xal inalvovg noiovpisvov. In
diesem Jahr wird als Kollege des Augustas am 1. Jan. genannt A. Terentins
Varro Morena, nach dessen Namen in den kapitolinischen Fasten frag-
mentarisch erhalten 'iBi: ,,, est: in e{i%u) l(ocum) fiflctus) eijst), so dafs nur
ergänzt werden kann: [in magistratu tnartuus] est, Murena, der Schwager
des Mäcenas, starb verurteilt wegen Teilnahme an der Verschwörung des
Fannins Cäpio, die Dio 54, 3 unter dem J. 22 erzählt: ovvopiODfto^ivai sh' dkrj^cig
itre xal i% dtaßolrjs iXix^ri {Movgrivcig)' Korl ov yccQ vni^eivav ro diKaati^Qiov
^QTifiriv lusv dtg nal (psv^Oftsvoi ijXmaaVy dnsafpdyriaav di ov noXXm vategov.
Wenn nach den kapitolinischen Fasten Murena in magistratu mortuus est,
so müssen sich entweder in die erste Hälfte des Jahrs 23 die Amtsführung
des Murena, die Verschwörung und ihre Entdeckung, darauf die Ver-
urteilung und der Tod des Murena zusammengedrängt haben, oder in
9mgi$tratu ist für das durch seinen Namen mit bezeichnete Jahr zu ver-
stehen, und dann kann die Verschwörungsgeschichte noch im zweiten Halb-
jahr von 23 gespielt haben. Ende Juni dieses Jahrs legte Augustus das
Konsulat nieder, um fernerhin mit der PrincipatsvoUmacht und der tribuni-
cischen Gewalt die Regierung zu führen, und Calpurnius Piso wurde sein
Nachfolger. Aus dem Bericht Dios geht hervor, dals August diese Ver-
schwörung, bei deren Verfolgung Tiberius als Ankläger auftrat, (Sueton.
Tib. 8), sehr ernst nahm und keine Fürsprache gelten liefs, während das
Publikum von der Schuld jedenÜEdls des Murena nicht überzeugt war.
Welchen Einflufs nun die Verschwörung auf die Entschlüsse des Augustus
übte, ob sie mit dazu beitrug, dafs er, um den üblen Eindruck zu ver-
wischen, die zwei Republikaner für das Konsulat nahm, oder ob er, weil
er Torher solche Eonzessionen gemacht, nur um so strenger vorging, darüber
zn urteilen, müfste man genauere chronologische Kenntnis der Verbältnisse
baben. Jedenfalls aber sehen wir, dafs unsre Berichte über den Zusammen-
hang der Ereignisse des Jahrs 23 sehr mangelhaft sind. Eigentümlich ist,
dals in dem Chronographen vom J. 354, der doch sonst mit den kapitolin.
l^asten stimmt, femer in den idatian. Fasten und bei Cassiodor das Jahr
nor durch Augustuv und Piso bezeichnet ist (Klein, fast. cons. z. d. J.), so
dafä Murena wie nach seiner Verurteilung ausgemerzt erscheint. Anders
iat es, wenn in den Fasten des Latinerfests (c. i. lat 1 p. 472) zur Zeit
dieses Festes Augustus und Piso zusammen genannt werden. Ober Murena
vgl. Henzen in c. i. 1. 1 p. 450 z. J. 731. Pauly, Realenc. IV. 1077 f.
Kiefeling in Philol. Unters. 2, 55 f. r^^^^T^
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die Jurisdiktion der ordentlichen Gerichte; dieselbe Antwort
hatten auf die wirklich wohlthätigen Neuerungen Augusts in
der Stille viele, die, was sie libertas nannten, nicht ver-
schmerzen wollten, ob sie nun wirklich republikanische Über-
zeugung hatten oder nur ihre personlichen Interessen verletzt
fühlten^), und diese einzelnen Unversöhnlichen liefsen noch auf
lange Zeit das Principat nicht zur Ruhe kommen. Bei aller
Rücksicht, welche Augustus übte, kam er aus den Verschwörungen
nicht heraus*), sei es, dafs die einen überhaupt keinen Herrn
über sich dulden wollten oder dals sie sich durch Geburt und
persönliche Tüchtigkeit zu derselben Stellung berechtigt fühlten,
wie denn in den Gesprächen seiner letzten Tage Augustus noch
eine Anzahl von solchen nennt, die nach ihm auf die Leitung
des Staats Ansprüche erheben könnten (ob. S. 168 A. 1). und
wie nun vollends nach seinem Tode die Nachfolger entweder
nur das Imponierende geltend machen ohne das Gewinnende
oder die brutale Gewalt ohne zu imponieren oder zu gewinnen, da
wird der Kampf in der That, wie ihn Tacitus schildert, zu einem
Konflikt zwischen Despotismus und Charakter, zwischen einer
Monarchie, die trotz aller rechtlichen Begründung als Usurpation
erscheint und der von Augustus selbst anerkannten republi-
kanischen Idee. Erst als die alte Aristokratie sich in eine neue
1) Bezeichnend für die Stimmung der Aristokratie ist, dsJa beim
Leichenbegängnis des Agrippa^ den die republikanische Aristokratie als
einen sie weit überragenden Emporkömmling hafste, von den Spitzen der
Aristokratie keiner an der Feier sich beteiligen wollte. Dio 54, 29.
2) Aufzählung derselben bei Sueton c. 19 und Seneca de dem. 1, 9;
vgl. auch VelL 2, 91 und Zon. 10, 85, wo dicht neben dem Zeugnis über
die grofse Popularität des August die Verschwörung des Julius Antonius
angeführt ist Die des Cinna erwähnt Vellejus und Sueton nicht, sondern
vor Dio 65, 14—22 nur Seneca (de benef. 4, 80 de dem. 1^ 9), und Dio
hat den Seneca benützt, nur dafs er sie erst gelegentlich des Konsulats
Cinnas (5 v. Chr.) erwähnt und weil dieses Konsulat den höchsten Grad
der Versöhnlichkeit zeigen soll, unmittelbar vor dasselbe setzt, während sie
nach Seneca geraume Zeit vorher stattgefunden hätte. Deshalb will
Weichert (Imp. Caes. Augusti librorum rel. p. 181—136) sie als Erfindung
des Seneca betrachten. Immerhin spricht Seneca de beQ^f. 4, 80 davon wie
von einer allgemein bekannten Sache. — Dio hat im Jahre vorher 65, 12 von
Augustus gesagt, dafs er xQaotSQog ts aal ouvrjgotSQog vno tov yiQQmg nQOs
x6 x6iv ßovXBVTav tiaiv ans%^avBa&ai yfyovmg ovdsvl it' avtmv nQog%i^fiv
Tjd'slev, und doch beginnt er c. 14 den Bericht Über Cinna damit: insßov-
Xsvaav amm aUoi ts x«l KoQvi^Xiog. — Vgl. zur Stimmung der Senatoren
auch die sparsos de Augusto in curia famosos libeüos Sue^OO^Ic
r^-i^^ -*^^3j^r
- 175 -
auf die Schule des neuen Beichsdienstes gegründete yerwandelt
hatte, und aus ihr neue Herrscher erwuchsen, die diesem Ur-
sprung entsprechend auftraten, verschwand der Gegensatz und
konnte das Principat leisten, was Augustus gewollt hatte. Man
kann die Frage aufstellen, ob es nicht richtiger und für raschere
Herstellung eines befriedigenden Zustands ersprieJüslicher gewesen
wäre, die veritas entschiedener in der Gestaltung der Verfassung
zur Geltung zu bringen, den Schein von l^)ertas zu opfern und
nur den Teil derselben, der zum Begriff einer Verfassung unent-
behrlich war, zu lassen; aber wo ein so grofsartiges Werk, wie
die politische Neuordnung eines Weltreichs in die Hand ^ines
Mannes gelegt ist, da entscheidet neben dem letzten objektiven
Zweck auch der Mann selbst mit seinem persönlichen Charakter;
Augusts Charakter aber war nicht für die geraden Wege.
Mit all dem hat sein wohl überdachtes und berechnetes Werk
drei Jahrhunderte bestanden, weil es der obersten Aufgabe
des romischen Staats, der Reichspolitik gerecht wurde und durch
deren Gewicht die Machtstellung des Principats sicherte, woneben
es allerdings mit seiner allgemeinen Vollmacht des Princeps
neben dem ebenso allgemeinen Regierungsrecht des Senats die
Funktion der Verfassung von der Persönlichkeit jedes einzelnen
Princeps abhängig liefs.
7. Eine mit der wahren Republik der vergangenen Zeit Kabmotspouuk.
auch in ihrer konservativsten Form verbundene Eigentümlichkeit
war die Öffentlichkeit des politischen Lebens gewesen. Ob die
einzuhaltende Politik, äuTsere wie innere, auf dem Markte oder
in der Kurie darzulegen, zu empfehlen oder zu verteidigen war,
es geschah stets vor grofsem Kreise und mit derjenigen Öffent-
lichkeit, die notwendig war, wenn die Bürgerschaft an der
Bichtung der Politik lebendigen Anteil nehmen sollte. Diese
Teilnahme war nun zur blofsen Dekoration herabgesunken, aber
die Beratung im Senat, in einer Körperschaft von mindestens
600 Mitgliedern, war noch öffentlich genug, um eine konstitu-
tionelle Garantie zu sein. Indes, die Bestimmung darüber, was
aberhaupt vor diese Behörde kommen sollte, war jetzt dem Prin-
ceps überlassen, und mehrfache Interessen brachten es mit sich,
dafs die oberste Leitung der Politik aufserhalb des Senats lag.
Die Verhaltnisse der Verantwortlichkeit waren für den Princeps
andere als für die Konsuln der Republik, es brauchte also ein Rück- .--*-
halt an SenatsbescHüssen keineswegs in dem früheren Mal5e>og.Ie
- 176 -
gesucht zu werden. Ferner konnten die Entwürfe der grofgen
Politik um der Sache willen nicht mehr in der früheren Weise
^ler Besprechung im Senat anheimgegeben werden, und zu den
allgemeinen Interessen kam nun das des Principats hinzu, das
keine ernsthafte Diskussion ertrug. So wird schon für die Zeit
tles Augustus hervorgehoben, dafs die Politik zur Kabinetspolitik
j^eworden und damit auch der Historiker weit ungünstiger als früher
gestellt sei.^) Die Art, wie sich diese monarchische Form einfahrte,
war je nach den Zwecken verschieden. Die intimsten arcam
fniperii^), die Lebensinteressen der Principatsstellung, waren
] persönlichste Sache des Princeps selbst: was Augustus hierüber
juit einem' Mäcenas und Agrippa oder andern Vertrauten ähnlich
imher Stellung beriet, war so gut wie Beratung mit sich selbst
Schon offizielle Form war es, wenn der Princeps für die Fragen
der allgemeinen Politik sich ein Konsilium aus Männern offizieller
Stellung bildete, mochte dasselbe sonst so willkürlich zusammen-
gesetzt sein wie es wollte und die Beratung durchaus an den
Kreis der Berufenen gebunden sein: es war dies die Anwendung
den magistratischen Konsiliums und hatte die Bedeutung einer
ITVrmlichen und sorgfältigen Begründung für den eigenen Entschlufs
tl(?r Berufenden. Die offiziellste Form war die mehr oder weniger
hiiufige Ersetzung der Beratung im Plenum des Senats durch
Bildung eines Senatsausschusses, dessen Zusammensetzung teils
durch Amtsstellung, teils durchs Los der willkürlichen Auswahl
entnommen ihn zu einer wirklichen Kompetenz fähig machte, sei
es in Vorbereitung der Beratung im Plenum oder in definitiver
Beschlufsfassung. Es wurde dies schon durch Augustus einge-
führt, gehörte jedoch zu denjenigen Dingen, deren Anwendung
dem Belieben jedes einzelnen Princeps anheimgegeben war.*)
P
1) Dio 63, 19: ^ filv ovv noXixsia ovtio zoxs (im J. 27) ngog tt to
jßiltiov xal ngog x6 öa>T7iQi(o9iaTSQOv ftstsy.oafLri^. — ov (livtoi, xal oftoi&i
xotg ngoa^sv ra fistä ravta ngax^evta Isz^rivai dvvocTai, ngougot fUf
yag Ig Tfi xriv ßovXiiv %al ig xbv S^fLOv ndvxa — igsq)iQBxo — ix 91 ^i
tov XQOvov ixsivov xa filv nlsica %Qvq)a käI ^t* dnoQQ'qxav yifwtedai
^Q^axo u. 8. w.
2) Tac. ann. 2, 36. 59 (etwas anders bist. 1, 4 =- ein Geheimnis, d«
die Schwäche der Imperatorenherrschafb birgt).
8) Für Augustus Zeit Dio 63, 21 z. J. 27 v. Chr., übrigens in einer Am-
einandersetzung, die späteres mit heranzieht ; 56, 28 (zum J. 13 n. Chr.) als
eine Mafsregel, die durch sein hohes Alter, das ihn an der Beteiligung bei
den Sitzungen hinderte, veranlafst war; allgemein Sue^n c. 36: sibi instüuil
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— 177 —
Für Angastas selbst aber war bei seiner sorgfaltig wägenden
und bei aller eigenen Klugheit doch Ton fremdem Rat abhängigen
Natur die Beratung mit einem Konsilium gewiXs von wesentlichster
Bedeutung: wenn irgendwo, so fand hier die Auseinandersetzung
zwischen den Republikanern und dem neuen System statt und
konnten Vorstellungen und sogar oppositionelle Tendenzen Raum
finden, die im ofiEenen Senat nicht zulässig waren.
Die Ausbildung des Prineipats äulserte aber auch ihren AusbUdung
Einflufs auf die geselligen und gesellschaftlichen Verhältnisse des petBöniicheu
obersten Standes. Wie jeder Senator, war auch der Princeps Kaisers sa den
Haupt eines Hauses und mit seiner Würde hob sich die seines
Haushalts. Die Ordnung desselben zeigt, wie überall im An-
schluß an Gebräuche der Einrichtungen eines Tornehmen Privat-
haushaltes, aber ebenso überall mit entsprechender Modifikation
derselben eine Hofhaltung eingerichtet wurde, die, privater Natur,
wie sie sein sollte, doch mannigfaltige Beziehungen zu der öffent-
lichen Stellung des Princeps hatte. *) Dasselbe gilt für den Ver-
kehr des letzteren mit den Senatorenkreisen, obwohl hier, wenn
irgendwo, die Persönlichkeit in Frage kam und die ganze Stufen-
leiter der Formen von der Gleichstellung im geselligen Verkehr
bis zu monarchischer Abgezogenheit dem Spielraum der recht-
lichen Begriffe entsprach.*) Die höchste Steigerung, die möglich
war, der Charakter der Göttlichkeit, aus mehrfachen Quellen
entsprungen, der orientalisch - hellenistischen Despotentradition,
dem Genien- und Larenkult der Italiker und dem, was man bar-
barischen Nationen erst eingepflanzt hatte, war auf den Verkehr
mit denen, die zugleich Standesgenossen und Mitbürger waren, von
wenig Einflufs.^) Dagegen wufste Augustus aus dem Zug der an
consüia sortiri aemenstria, cum quibtu de negotiia ad frequentem senatum
Teferendis ante tractaret Näheres imt. im System beim Senat.
1) Näheres über die Hofämter, welche von dem persönlichen Dienst
des Princeps in Sekretariats Funktionen und Geldverwaltung aus mit dem
Staatsdienst sich berührten, s. im Syst.
2) Was Sueton c. 53 berichtet, zeigt die persönliche Anspruchs-
losigkeit des Augustus, aber zugleich auch, dafs die Stellung allgemein
80 hoch geachtet war, dafs sie Huldigungen hervorrief und beanspruchen
konnte.
S) Die dichterischen Verwendungen, die bei sämtlichen Porten der
ängosteischen Zeit, wenn auch in verschiedenem Grade sich finden, sind
nicht einflulslos geblieben, aber doch etwas ganz anderes als religiöse Hand-
limgen oder öffentliche Beschlfisse.
Heriog, d, röm. SUatsverf. EL 1. l?)igitized by dOOQ IC
— 178 —
das Dienen gewohnten Kreise, der kaiserlichen Stellung die Göttlich-
keit aufzudrängen, in mehrfacher Beziehung Nutzen zu ziehen. In-
dem er sich für den offiziellen Verkehr jeden Akt von Adulation
verbat und personlich die einfachsten Formen einhielt, erschien
der ihm entgegengebrachten Huldigung gegenüber seine Be-
scheidenheit um so verdienstlicher. Daneben aber nahm er die
Göttlichkeit für seinen Vater imd damit für den Ursprung seiner
Stellung sehr entschieden in Anspruch, liefs in dem Titel Äu-
gustus an göttliche Würde erinnern, liefs sich in den Provinzen,
wenn auch nur in Verbindung mit dem Kult der Bea Borna offen
als Gott verehren, und selbst in Italien solche Verehrung in
Formen gewähren, welche der rein freiwilligen und nicht kon-
trollierbaren Huldigung zugehörten und darum ein um so ent-
schiedeneres Zeugnis für seine Popularität ablegten.^)
Einfluß auf die Dafs die ständische Gliederung, wie sie von der Republik
StandMunter- ,
schiede. ererbt war, nicht zu erschüttern, sondern zu festigen sei, ergab
sich infolge der Stellung des Senats als oberster Reichsbehörde
von selbst, nur mufste sich jeder Rang in die Unterordnung
unter den Princeps finden. Die Regelung der Bedingungen des
Eintritts in den Senat, die Geltung der Rangklassen, die Heran-
ziehung der Familien zu dem Genufs und den Pflichten der sena-
torischen Würde — alle die Eigentümlichkeiten, welche den Be-
griff des Standes ausmachen, werden, soweit sie früher nur that-
sächliche Ehrenvorzüge waren, jetzt fest geregelt, und dies trägt
sich über auf den zweiten Stand, während sich für den dritten
aus verschiedenen Reichs- wie Munizipalfunktionen neue Gesichts-
punkte von Abstufungen ergeben. In diesem Zuge der Ent-
wicklung werden gegenüber der in der Republik erkämpften
prinzipiellen Berechtigung aller Bürger zu jeder Laufbahn jetzt
die Stufen, welche von senatorischer, ritterlicher oder bürger-
licher Stellung aus erreicht werden können, immer bestimmter
abgegrenzt und damit ein System gesellschaftlicher Hierarchie
begründet, wie es der Monarchie, nicht aber den Rechtsunter-
schieden eines republikanischen Volks zugehört.
1) Die 51, 20. Sueton c. 52: Templa quamvis. sciret etiam procon-
aulibus decemi solere, in nulla tarnen provincia ntsi communi 8%io Eomaeque
nomine recepit (nam in urbe quidem pertinadssime absHnuit hoc honore).
Zeagnisse für die einzelnen auf Augusts göttliche Würde bezüglicken Kund-
gebungen bei Preller-Jordan, löm. Myth. 2, 429 f.
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- 179 —
8. In den RegieruDgsmaXsregeln Augasts spielt die Fürsorge TeTwiatan^
für die italische Yerwaltnng eine verhältnismäfsig unbedeutende städt Rom.
Rolle; aber es Hegt hier eben mehr in dem negativen Verhalten
als iD positiven Anordnungen. Wie energisch Octavian die Grund-
bedingung för die Wohlfahrt Italiens^ den Grenzschutz^ schon in
den letzten Jahren des Triumvirats in die Hand nahm, ist oben
(S. 120f.) erwähnt. Nach der Schlacht von Aktium waren es aber
aofs neue die inneren Zustände Italiens, welche in Verwirrung
gerieten. Die Versorgung der Veteranen sollte abermals in Auginieiiciio
Italien vorgenommen werden, und da zugleich die Soldaten des
Antonius und Lepidus berücksichtigt werden mufsten, war wieder
das Schlimmste für die italischen Städte zu fürchten. Indessen
Octavian verfuhr jetzt anders als bei den triumviralen Koloni-
sationen. Zwar wurden auch jetzt einzelne Städte, die ihm feind-
selig gesinnt waren, demgemäfs wie eroberte behandelt und ohue
Entgelt für die Landanweisungen in Anspruch genommen; im
Allgemeinen aber wurde Entschädigung geleistet in Geld oder
in Provinzialland; bei manchen entvölkerten Städten war auch
Gelegenheit zu Ansiedlung neben den vorhandenen Einwohnern
gegeben. Augustus rühmt von sich, dafs er damals in Italien
und später in den Provinzen grofse Summen an Entschädigung^-
geldem gezahlt habe und der erste gewesen sei, der überhaupt
dieses Zugeständnis bei Soldatenansiedlungen machte.^) Es wäre
in der That eine Ungerechtigkeit unklugster Art gewesen, die
friedhche Bevölkerung Italiens, die Octavian in der letzten Zeit
des Triumvirats für sich gewonnen, als völlig rechtlos zu be-
handeln und so auch für die Zukunft niemand in Italien zur
Rohe kommen zu lassen. Die achtundzwanzig Eolonieen aber^
die nun den Augustus als ihren Schöpfer verehrten, waren eben-
soviele Garnisonen von Hütern seiner Machtstellung, und nach
seiner Angabe sah er sie am Schlüsse seines Lebens in blühendstetii
Zustand.*)
1) Dio 61, 3 f. Mon. Anc. tab. lat. 1, 16. 3, 22: Pecimiam [pro]
0^ quo8 in consulatu meo quario (30 v. Chr.) et postea consulibus M. Crassa
rt Cn, Lentuio Äugure (14 v. Chr.) adsignavi müitibus, solvi mtmicipis, Em
«wwina sesteriium circiter sexsiens milliens fuit, quam pro Italicis praeiiis
numeravi, et circiter bis müliens et sescentiens, quod pro agris proüincicUUnts
w^w. Id primus et sohts omnium qui deduxerunt colonias militum in liaha
airf in provincis, ad memoriam aetatis tneae feci. Hygin. de lim. (Schrifteu _
der röm. Feldm. 1 p. 177). MommaeD, r. g. p. 63.
2) Mon« Anc. b, 36 f.: Italia XXVIII colonias, quae vivfo me^-ee
j^2*^igitized by
Cbogle
- 180 —
Als der prokonsalarischen Gewalt nicht unterthan kehrte
Italien ans den Ausnahmezuständen des triumviralen Begiments
durch Augustus wieder in die alten republikanischen Verhältnisse
zurück. Der Verband mit der Hauptstadt war, wie früher durch
die Ausübung der Bürgerrechte bei den romischen Komitien
hergestellt und hinsichtlich der Verwaltung einerseits durch das
allgemeine Oberaufsichtsrecht der Magistratur und des Senats,
andrerseits durch die den einzelnen Gemeinden verliehenen weit-
gehenden Selbstverwaltungsrechte bestimmt Letztere beruhten
auf den Gesetzen, welche Julius Cäsar in den Jahren 49 und 45
hiefür gegeben hatte, den leges Rubria und Julia municipalis
(ob. S. 18 f.), und gewährten in der nichtpolitischen Kriminal-
justiz und Polizei weitgehende Selbständigkeit^), in der Civil»
gerichtsbarkeit bis zur Grenze von 15000 Sest, über welche
hinaus der Prätor in Rom kompetent war.^ Finanziell waren
die Gemeinden als solche ganz unabhängig, die einzelnen romischen
Bürger standen den Anforderungen des Staats eben als einzelne
gegenüber, zunächst dem römischen Census, dann überhaupt der
für die Bürger geltenden Steuer- und Dienstpflicht. Die Steuer-
einforderung auf dem Wege des alten Tributums nun war nie
ausdrücklich aufgehoben, das Recht, den Bürger mit Auflagen
zu belasten, konnte der Staat durch Steuergesetze stets ausüben,
und das Triumvirat hatte mit der Vollmacht, die es sich bei-
gelegt, dasselbe wiederholt rücksichtslos ausgeübt. Nachdem
nun aber im J. 27 Italien wieder unter das alte Recht ge-
kommen war, fielen die durch die Ausnahmezeiten auferlegten
Lasten weg, die Staatskasse begnügte sich mit den Einkünften
berrimaej et frequentimmae fiierunt, mefis auspieis] dedudas hfabetj; daraas
Saat. Ang. 46. Vgl. über diese Eolonieen Mommsen r. g. p. 121—123 und
im Hermes 18, 186 ff.
1) Beschränknng der kriminellen Kompetenz ist nm: aas der 1. Julia
munic. za entnehmen, sofern dort nebeneinander steht Z. 117 — 120: q^eive
iudicio publico Romae condemnatus erit und queive in eo mtMudpio cohnia
praefectwra foro concüiabtUo, quoius erity iitdicio publica condemnatus est erü.
Für welche Fälle das iudicium publ, Bomae vorbehalten war, wissen wir
nicht; dagegen beschränkt die h Cornelia de sicarüs das tudtc. pttibl. wegen
Mords auf das, quod in urbe Borna propiusve nulle passtis factum sii (Coli,
leg. mos. et rom. 1, 3). Vgl. Bethmann-HoUweg, röm. Civilprozefs 2, 24
und die ausführliche Erörterxmg ffir die italischen und Frovinzialstädte bei
Duruy, bist des Romains V p. 360 ff.
2) L. Rubria c. XXI. XXII. Bethmann-Hollw. a. a. 0. p. 23 f.
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~ 181 -
aus den Senatsprovinzen; der Freilassungssteuer und den Zöllen
mit Verzicht auf das Recht, ein Tributum in dem altrepubli-
kanischen Sinn zu erheben^), und soweit jene Einkünfte nicht
reichten, trat der Princeps mit seinen Mitteln ein.*) So blieb
Italien mehrere Jahrzehnte hindurch wieder ohne andere Be-
lastung gegenüber dem Staat als die indirekte durch die Zölle.
Die munizipalen Lasten wurden, soweit die Einkünfte aus den
munizipalen Domänen nicht genügten, auf dem Wege der den
Vermöglichen aufgelegten oder freiwillig übernommenen persön-
lichen Lasten (munera) bestritten und es war dabei ganz den
Munizipalen anheimgegeben, durch zweckmäfsige Sparsamkeit
diese Lasten erträglich zu erhalten.^) Der Staat kümmerte sich
freilich jetzt nicht mehr um die im Interesse einzelner Gemeinden
liegenden Bauten und sonstige Aufwendungen, höchstens die
Liberalität des Princeps trat da und dort ein; indessen blieb
eine wesentliche Last, die Unterhaltung der groüsen Verkehrs-
stra&en {ctira viarum), nach wie vor der Centralverwaltung, nur
jetzt anders geordnet als unter der Republik.*) Unter diesen Um-
ständen konnten die Gremeinden Italiens sich von den Schäden
der Bürgerkriege erholen, und die Segnungen dieses Zustands
wurden gewifs lebhaft genug empfunden, um an Stelle der in
manchen Munizipien ursprünglich vorhandenen republikanischen
Stimmungen die Anhänglichkeit an die Person des Princeps
treten zu lassen. Ahnlich war es mit Geltendmachung der Dienst-
pflicht. Dieselbe galt prinzipiell für alle Bürger, wie früher,
und die Legionen sollten nur aus Bürgern gebildet werden; allein
das neue Militärsystem, die auf allen Seiten von Italien weg-
1) Direkte VerfQguDgen darüber, wie es mit dem tributum ex censu
gehalten werden solle, giebt es nicht; ebensowenig eine Spur davon, dafs
man ein solches erhoben hätte. Der Censns bestand also fort, fand aber
keine Anwendung für das Tributum Dasselbe geht auch hervor aus den
Worten des Claudius (or. Claudii II. Z. 38—41): Quod opus (d. h. ein
Ceneus, wie ihn Claudius im J. 48 n. Chr. veranstaltete) quam arduum
sii nobis nunc cum maximCy quamvia nihil ultra quam ut publice
notae sint facultates nostrae exquiratur, nimia magno experimento
eognoscimua.
2) Monum. Ancyr. 3, 34: Quater pecunia mea iuvi aerarium, ita ut
sesterUum milliens et quingentiens ad eos qui praerant aerario detulerim.
Was der Begriff pecunia mea bedeute^ ist an andrer Stelle zu erörtern.
3) Das System der munera (vgl. den Digestentitel 50, 4 de muneribm
d honoribus) bedarf hier keiner weiteren ßelege.
4) Weiteres hierüber im System bei den Amtsstellungen;
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- 182 -
gerückte Grenzverteidiguug und die Handhabung der neuen
Heeresordnung nahm die Italiker sehr wenig in Anspruch (vgl.
unten S. 208)^ so dafs sich auch in dieser Beziehung das
Land von den Verlusten der Bürgerkriege erholen konnte. Die
Politik Augusts war offenbar, der italischen Bürgerschaft für
die frühere Beteiligung an der grofsen Politik einen Ersatz zu
gewähren in der Pflege der munizipalen Interessen und in der
möglichsten Entlastung durch Abwälzung auf die Provinzen. Für
die Besteuerung hatte dieses Prinzip schon in der letzten Zeit der
Republik gegolten, aber die Bürgerschaft hatte dafür die Kriege
des Reichs durchzukämpfen; jetzt sollte beides möglichst erspart
werden und die von August selbst gerühmte Blüte der italischen
Städte war darauf gegründet. Aber die Kehrseite dieses Ver-
hältnisses lernte August selbst noch kennen, so dafs er sich ge-
nötigt sah, wenigstens im Steuerwesen einen Ersatz für das
Tributum zu schaffen. Zur Deckung der Ausgaben für das Heer
fand er im J. 6 n« Chr. es unumgänglich, eine Auflage einzu-
führen. Er forderte den Senat zu Vorschlägen darüber auf, aber
niemand wufste etwas Annehmbares oder hatte überhaupt Lust
sich besteuern zu lassen. Der darauf von Augustus unter Berufung
auf einen Plan Cäsars eingeführten auf alle römischen Bürger, aber
auch nur auf sie, gelegten Erbschaftssteuer von 5 Proz. (vicesima
hereditatum) mufste man sich fügen; allein sie wurde nicht nur
ungern getragen, sondern fand offene Anfechtung, bis Augustus,
nachdem er aufs neue vergebens zu besseren Vorschlägen auf-
gefordert, dadurch, dalüs er Miene machte, das Recht zur Er-
hebung eines Tributums geltend zu machen und hiezu die liegen-
den Güter einschätzen zu lassen, den Widerspruch zum Schweigen
brachte.^) Ebenso, als im J. 9 n. Chr. im Schrecken über die Varus-
schlacht in Italien Aushebungen für die paar verlorenen Legionen
gemacht werden sollten, zeigte sich der kriegerische Geist bereits
so gesunken, dafs die gröfste Strenge und aufserdem noch starke
Inanspruchnahme der Freigelassenen nötig war, um den Ersatz
zusammen zu bringen.*) Jene Steuer nun blieb, die militärische
Leistung Italiens aber sank bald zu einem Minimum herab,
so dafs gerade das Gegenteil zu dem früheren Verhältnis ein-
trat, und die Dienstpflicht durch eine Geldleistung abgelöst
erscheint.
1) Dio 55, 25. 56, 28.
2) Dio 56, 2S.
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— 183 -
Nach dem oben erörterten munizipalen Prinzip gab es in Keine Bezirk».
Italien keine andere stehende und in festen Einrichtungen aus- «ohen italischer
geprägte Einteilung als die in Stadtgemeinden. Die alte Tribus- stMt. ^^
einteilung bestand wohl noch, wie ja auch die Tributkomitien
noch beibehalten wurden^ aber sie war jetzt nur noch der Rahmen
für die Zugehörigkeit zur römischen Bürgerschaft und für die
Ausübung gewisser Bürgerrechte, der Charakter eines geographisch
abgeschlossenen Bezirks in Italien war blofs noch die geschicht-
liche Grundlage, über welche die neuere Entwicklung der Ver-
breitung des Bürgerrechts unter Beibehaltung der fünfunddreifsig
Tribus von 241 v. Chr. weit hinausgegangen war. Spuren von
Erhaltung alter landschaftlicher Verbände finden sich noch, aber
nur in religiöser Beziehung^), und in dieser Hinsicht mag gerade
Aügastns, der die Pflege der einheimischen althergebrachten
Kulte begünstigte, erhaltend gewirkt haben; doch war jede poli-
tische oder administrative Verwendung solchen Zusammenhangs
schon von der Praxis der Republik her ausgeschlossen. Dagegen
findet sich bei Plinius auf Augustus zurückgeführt eine Ein-
teilung in 11, mit Einschlufs Roms in 12 Regionen, von welcher
die litterarischen Quellen sonst nichts wissen.*) Da den monu-
1} Nach der Urkunde von Hispellum Hensen n. 6580 » Wilmanns,
ex. inscr. n. 2848 worden jährliche Feste mit scenisohen Aufführungen und
Gladiatorenspielen instituio consuetudinia priscae in Volsinii gemeinsam für
Umbrien und Tuscien gefeiert
2) Plin. n. h. 8, 46: Fraefari necessarium est audorem nos divum
Äugustum secubwros discriptionemque ah eo factam Bdliae toHtts in regiones XI,
^ ordine eo qui litorum tractu fiet urbium quidem vicinüates oratiane utt-
9ue praepropera servari non passe, üaque interiore exin parte digestionem
in htleras eiusdem nos sectUuros, cohniarum tnentione signata, qiMS ille in
to prodidit numero. — Heisterbergk, Name und Begr. des ius Itälicuin.
Tnbingen 1885, 8. 68 f. sagt: „Die administrative Einteilung Italiens in
Regionen durch Augustus hat niemals existiert. Mit Worten, wie sie hier
PlinioB gebraucht, beruft sich niemand auf eine schon seit einem Jahr-
bondert als Einrichtung bestehende Landeseinteilung, in solcher Weise
citiert man vielmehr lediglich einen Schriftsteller. Nicht Italien hat Au-
gustus eingeteilt, nur ein Verzeichnis der italischen Gemeinden hat er in
Abschnitte abgeteilt** Eine Landeseinteilung in administrative Kreise mit
eigener Verwaltung war es freilich nicht, aber auch nicht blofs ein Vor-
gang von nur litterarischer Bedeutung, die Einteilung eines Geographie-
liuchs; eine solche hätte man schwerlich weiterhin ffir administrative
Zwecke benützt, wie es geschehen ist. Das in der Mitte liegende ist eine
Einteilung, die sich an gegebene Zusammenhänge anschliefst und für be-
Btimmte administrative Zwecke der Centralverwaltung verwendbar ist. i<^ i
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~- 184 -
mentalen Zeugnissen nach diese geographische Gruppierung zn
Verwaltungszwecken, insbesondere zur Bildung von Bezirken für
die Erhebung der Erbschaftssteuer verwendet wurde ^), so wird
sie hiefür wohl auch entstanden sein. Je nach besonderen Ver-
hältnissen erscheinen diese Regionen einzeln oder in Verbänden
von mehreren^); einen Verwaltungsbezirk für sich mit besonderen
Beamten aber bildet die Region nicht.
ruape italischen Obgleich das römische Bürgerrecht nicht mehr an Italien
gebunden war, so sollte doch nach Augusts Sinn diese Halbinsel
noch auf lange Zeit der einzige geschlossene Komplex von
Bürgerstädten bleiben und als solcher den festen Kern in dem
Ganzen der jetzt im Reiche geeinigten Nationalitäten bilden.
Diesem Zweck diente jene materielle Schonung Italiens, und ihm
zuliebe wurden auch die ideellen Momente, welche die Ver-
gangenheit bot, hervorgesucht. Schon mit der Pflege des muni-
zipalen Wesens an sich hatten die einzelnen Gemeinden gleich-
sam anzuknüpfen an die Zeit jenseits des Bundesgenossenkriegs,
bis zu welcher so viele einzelne Städte ihr eigenes Recht gehabt
hatten, — jetzt konnte man solche Reminiscenzen wohl gestatten.
Aber auch die Litteratur in Dichtung und Prosa und die Religion
mit ihren nationalen Wurzeln und lokalen Anknüpfungspunkten
sollten im Dienste der neuen Ordnung Italien preisen, den Be-
strebungen zur Hebung des italischen Ackerbaus eine geschicht-
liche, poetische und religiöse Grundlage geben und das Selbst-
gefühl des italischen Römers heben ^), und gewifs konnte in allen
diesen Beziehungen Augustus, wenn er in den letzten Jahren
seines Lebens in Italien reiste und was er sah, mit dem Zustand
verglich, den er während des Triumvirats übernommen, die
Wiedergeburt Italiens zu den in seinem Sinn erreichten Zielen
rechnen.
üio Stadt Kom. Die Sonderstellung der Stadt Rom innerhalb des römischen
Bürgergebiets war schon unter der Republik, nachdem ganz
Italien Bürgergebiet geworden, immer schärfer herausgebildet
1) Z. B. Or. Henz. n. 3835 =- Willm. ex. inflcr. n. 2114: pro{cwrQior)
XX. h€r{editatum) region{um) Campan{iae) Ap\d{iae) CaiabriJMe).
• 2) Einzeln Apulien (das mit Calabrien zusammengehört Plin. S| 99)
Wilmanns n. 1195; mehrere zus. s. vorh. A. u. Wilmanns n. 1273 (ümbrien,
Tuscieu, Picenum, Samnium (?), Campanien).
3) Vgl. Verg. Georg. 2, 136 ff. und die italischen, spezieller latinischen
Motive in der Äneia; siiäter Plin. n. h. 3, 39 f.
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-^ 185 —
worden: so im politischen Leben in dem Getriebe der Eontionen,
in denen die hauptstädtische Bevölkerung allein vertreten war,
und der Komitien, bei welchen sie wenigstens den allein regel-
mäfsigen Bestandteil bildete; im sozialen und wirtschaftlichen
Leben, einerseits in den Anstalten für die Versorgung der Haupt-
stadt mit Lebens- und GenuTsmitteln und in der öffentlichen Bau-
thätigkeit; andrerseits in der Ausbildung des munizipalen Wesens.
In der Eaiserzeit trat dies alles noch viel stärker hervor durch
die Bedeutung, welche die Stimmung der Hauptstadt für die
Sicherheit des Principats hatte und durch die grofsartige Zu-
nahme des Umfangs derselben, wie durch die Tendenz den Muni-
zipalgeist geradezu zu fördern. Dem entsprechend kam Rom für
den Princeps sehr wesentlich in Betracht sowohl für die Hilfe-
th^igkeit wie für die Machtstellung. Welche Rolle Rom in den
Entwürfen des Diktators Cäsar gespielt hatte, geht aus dem
froher gesagten hervor; die Art und Weise, wie Augustus den
Bedürfnissen Roms imd seiner Bedeutung als Reichshauptstadt
Rechnung trug, prägte sich bereits in festen Einrichtungen aus,
wobei er übrigens durch die Verhältnisse darauf angewiesen war,
mehr die helfende und fürsorgende Rolle, als die Interessen der
Macht zur Geltung zu bringen. In der italischen Regionenein-
teilnng bildete Rom ein besonderes Ganze neben den 11 andern,
die Stadt selbst wurde im J. 7 v. Ch. in 14 Regionen eingeteilt
und jeder eine Anzahl von Quartieren (vici) zugewiesen. Diese
Regionen wurden dann unter die mit der städtischen Verwaltung
betrauten Magistrate in der Art verlost, dafs aus den Prätoren,
Adilen und Volkstribunen 14 Vorsteher, für jede Region einer,
bestimmt wurden. Ob die Funktionen dieser magistratischen
Vorsteher unter Augustus bedeutender waren, wissen wir nicht;
durch die neue Ordnung des Feuerlöschwesens im J, 6 n. Ch.
trat hiefür schon durch ihn eine kaiserliche Behörde ein, und
später mufsten jene Regionsvorsteher durch die Stadtpräfektur
vollends ziemlich überflüssig werden.^)
1) Dio 65, 8 (z. J. 7 v. Gh.): ot atevoutol iicifksXrjxdiv xivmv in xov
^^«w, ovg xal otsvtoitaQXOVS xoAovfiev xa/ ü(ptat xal vj iö^i^xi xij agx^^V
««i (aßdovxoig Svo iv avtoig TOtff xeop^tg mv Sv UQxaaiv rjiiSQaig xial X9V~
^fffc ido^, ij xe Sovlsia 17 xolg €cyoQ€cv6fiotg xmv ifminQafiivmv Hvsna avv-
^9a i-mstgaicri, %aC xoi %al i%eivav xal xav drjfjLaQX^'^ "^^^ ^^ avQaxrjymv
Wav xTiv noXw dexaxiöCUQa fiiQTj vsfirfi'eiaav xXi^qo) ngogxaxd'Bvxwv o aal
^ yiyinxai. Saeton Aug. 30: SpcUium urbis in regionis vicosque divjsU ,
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- 186 -
cura urMs. HinsichtHch der Fürsorge für die Stadt kam, wie die eben-
genannte Anordnung vom J. 7 v. Ch. zeigt, zunächst die Kompetenz
der alten Magistratur in Betracht; diese bedurfte jedenfalls für diese
Zwecke einer Reform, da die Censur, welche früher einen grofsen
Teil der Bauleitung gehabt hatte, längst nicht mehr regelmäfsig
eintrat, das Konsulat mit seiner kurzen Dauer nicht in die Lücke
treten konnte und überhaupt eine Thätigkeit in grofsem Mals-
stabe, wie sie jetzt nötig, nicht mehr mit jährlichem Wechsel
der leitenden Behörde verträglich war. Das erste grofse Gebiet
städtischer Thätigkeit, in welches August mit Begründung dauern-
der neuer Einrichtungen, zugleich solcher, die am Principat hingen,
eintrat, war das der Getreideversorgung nach ihrer doppelten
Seite, der unentgeltlichen Abgabe an die als bedürftig aner-
kannten Bürger und der Versorgung des hauptstädtischen Marktes^
beziehungsweise der Übernahme des Verkaufs. Wie oben schon
(S. 148) bemerkt, wurde dem Augustus im J. 22 dieser Zweig der
Verwaltung vom Volk aufgedrungen. Er ging auf das Verlangen
ein durch Schöpfung einer bleibenden Administration; aber aoch
ohne jenes Drängen hätte er, da neben den Senatsprovinzen
Afrika, Sicilien imd Sardinien das kaiserliche Ägypten wesentlich
in Frage kam und das Ärar allein die Kosten nicht beschaffen
konnte, dieser Übernahme sich nicht entziehen können. Die
Folge war die Einführung von wechselnden Beamten, deren
Stellung, wenn sie auch anfangs selbständiger und mit Rück-
sicht auf den Senat mehr im Sinne einer Magistratur ausgedacht
war, doch wegen der finanziellen Seite bald in eine ausschliefslich
dem Kaiser untergeordnete übergehen mufste.*) Nächstdem wurden
i-^
instituitque, ut illas annui magistratus sortüo tuerenttir^ hos magistri ejüAt
cuiusque viciniae lecti. Diese Einteilung trat an die Stelle der vier alten
von ServiuB Tallius herrührenden Quartiere {tribus).
1) Bis zum J. 23 v. Ch. war der Dienst der von C. Gracchus her be-
stehenden Getreidegaben vom Arar aus besorgt worden; im J. 23 hatte
Augustus zu dem, was das Ärar that, von sich aus eine Verteilung gegeben
(mon. Anc. 3, 10 : constU undecitnum duodecim frumentationes frumento pri-
vatim coempto emensus 8um)\ dann kam das Neujahr 22 (Dio 64, 1); hier
nun sagt August mon. Anc. gr. 3, 5: ov naQfjtrjödfiriv iv vg {i^ytifTtj toi
(T^TOv andvst xriv inifiiXstav Trjg dyoQCcg, ^v ovrcoff iiranjdfvira, Sax' h
olOfaiq 7i(isQaig tov naqovzog tpoßov %al mvdvvov taCg ii^aig dcendvaig tov
dfjuov iXsvd-SQmaai. Dies lautet, wie wenn es sich nur um ein einmaligei
und vorübergehendes Eingreifen gehandelt hätte. Allein August und Dio
stellen, was das Volk jenem damals aufdrang, in Parallele mit der Diktator
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in ähnlicher Weise übernommen die Verwaltung der Wasser-
leitungen (cura aquarum) und die Aufsicht über die öffentlichen
Gebäude (cura operum publiconm).^) — Anderer Art wurde
die Einrichtung des Löschwesens, wie sie Augustus im J. 6
D. Ch. gestaltete. An Stelle der Funktion der Magistrate mit
dem ihnen zugewiesenen Apparat von Sklaven trat die mili-
tärische Organisation einer Wachmannschaft, der sieben cohortes
vigäum, je eine zu 1000 Mann fUr zwei stadtische Regionen.
Natürlich wurde auch das Kommando als ein militärisches be-
stellt und demgemäfs ist der praefedus vigilum ohne jegliche
weitere Rücksicht kaiserlicher Beamter, aus dem Ritterstand ge-
nommen.*) In keinem der bisher erwähnten politischen Ver-
waltongszweige fehlte die politische Machtfrage; aber sie wurde
überall schonend behandelt Bei der cura annonae war sie von
tud mit dem Getreideamt des Pompejus im J. 67, das wenigstens in der Ab-
fleht derer, die es aufgebracht, einen politischen Charakter gehabt hatte
üod aaf fünf Jahre normiert war; ferner heftet sich an dieses Eingreifen
vom J. 22 die Einrichtung eines administrativen Amts (Dio a. a. 0. : xcrl og tovxo
p-lv dwayxaüog iSi^ccto xccl ineXevoB dvo avdgag xmp nqo nivxB nov aal
Ixmv iatQttT7iy7i%6toi)v ngog xriv to» eizov diavopLrjv %ax itog atgsCc^ai,)
Gegenüber der späteren Einrichtung des Getreidewesens ist dies allerdings
oor eine Erweiterung des bisherigen Systems der Senatsverwaltung und jede
weitergehende Gewalt wurde von Augustus, der eben im J. 23 den kon-
stitutionellen Charakter seiner Gewalt neu festgestellt, abgelehnt, aber die
Obeiaofsicht des Princeps über diesen so wichtigen Zweig der Verwaltung
war damit eingeführt. Ober die weitere Entwicklung s. unten bei den be-
treffenden Ämtern; über die Bedeutung des Eingreifens Augusts, ob vorüber-
gehend oder bleibend, einerseits 0. Hirschfeld, Unters, auf dem Gebiet der
röm. Verwaltungsgesch. 1, 129 f., andrerseits Mommsen, r. g. 25; über die
Gekeideverwaltung überhaupt 0. Hirschfeld im Philol. 29, 1—96; daselbst
auch die ältere Litteratur und speziell Erörterung der Frage, ob unentgelt-
liche Abgabe oder nur Verkauf zu billigem Preis.
1) Sueton Aug. 87: nova officia excogitavit: curam operum puhlicorum,
^ionm, aquarum, alvei Tiberis, frumenti populo dividundi; praefecturam
•w*w etc.; über die cura dlvei Tiberis s. unten bei der Zeit des Tiberius;
^ die cura aquarum giebt Frontin de aq. 99 f. das Datum (11 v. Ch.), die
Art der Anordnung (senatus consuUa facta sunt ac lex promulgata) und den
Senatabeschluls über die Ausstattung der curatores aquai'um.
2) Suet Aug. 80: Ädversus incendia excubias nocturnas vigilesque com-
^entus est. Dag Jahr aus Dio 56, 26. Die Organisation angegeben bei
ülpian Dig. 1, 15, 1. Das J. 6 n. Ch. war ein Notjahr durch Milswachs,
Feuersnot und finanzielle Bedrängnis des Staats, damals war aufserordent-
liehe Getreideschenkung nötig und wurde auch die Erbschaftssteuer ein-
geführt.
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denen, welche sie dem Augustus aufdrangen, in der höchsten
Weise gestellt, von ihm aber in eine administrative Funktion
übergeleitet*) und zugleich wie bei den andern curae durch die
in der Bestellung der Ämter auf den Senat geübten Rücksicht
sehr gemildert worden, die praefectura vigilum aber, der solche
Milderung fehlte, konkurrierte mit magistratischer Gewalt unter-
geordneter Art, wurde auch anfangs nur provisorisch eingeführt-)
In vollem Sinne dagegen war eine Frage der Macht die Hand-
habung der hauptstädtischen Polizei. So lange Augustus selbst
anwesend war, konnte er mit den ihm erteilten Vollmachten
eintreten, konnte durch den Senat die Magistrate zu besonderer
Fürsorge veranlassen und in auTerordentlichen, ernsteren Fallen,
in welchen es sich um Anwendung militärischer Macht handelte,
stand ihm seine Leibwache zu Gebot; allein ein derartiges Ein-
greifen war mit seinem jedesmal aufserordentlichen Charakter
für die Art, wie August seine Stellung aufgefafst wissen wollte,
bedenklich. In Fällen von Abwesenheit des Princeps aber war
die Konsequenz der Teilung der Gewalten die, dafs die ordent-
lichen Magistrate genügen mufsten. Dabei mochte er sich nun
nicht mehr beruhigen und wagte doch auch nicht, einen von ihm
abhängigen Polizeiminister aufzustellen. So setzte er denn »i
wiederholten Malen in Analogie der alten vor Einsetzung der
Prätur bestehenden Stadtpräfektur unter demselben Titel eine
Stellvertretung für sich ein. Beim ersten Mal war diese Gewalt
selbst dem, der damit betraut wurde, zu wenig der wiederher
gestellten Verfassung entsprechend, so dafs er nach wenigen
Tagen abdankte, späterhin aber kam die Funktion doch wieder
in Anwendung.')
1) Welche Mifsstände imd welche Verantwortung die Framentatiooen
imd die ganze cu/ra annonae mit sich brachten, fühlte August wohl und in
jenem Notjahr 6 n. Ch. dachte er nach Suet 42 sogar an Ab8cha£fang der
Getreidegaben; neque tarnen perseverasse {se scribit), quia certum haberet, poti
se per ambitianem quandoque restitui,
2) Dio 55, 26. Zu bemerken ist auch, dafis in dem index rer, go^
August davon nicht spricht.
8) Tacit ann. 6, 11 : antea profecHa domo regibus ac mox magiskaitbuSy
ne urbs sine imperio foret, in tempus deligebcUur, qui iw redderet ac subiM
mederetur; — Augustus — mox rerum potUus ob magnit%uUnem populi 6C
tarda Ugum auxilia sumpsit e consularibus, qui coerceret sertfitia ä quod
dvium audcuna turbidum, nisi vim metuat, Primusque Messaia Corvimis eam
potestatem et paucos intra dies finem accepü, quasi nescius exercendi, Tkm
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Die fQr die Hauptstadt von dem Diktator Cäsar in Aussicht Neabaaton.
genommene Bauthätigkeit hat Augustus in seiner mafsvollen und
doch höchst bedeutsamen Weise aufgenommen. Mit der cura
opemm publicorum hat dies nichts zu thun, es bedurfte dazu
überhaupt keiner besonderen Stellung: es handelte sich vielmehr
hier nur um die Anregung und die Beschaffung der Mittel. In
der Urkunde von Ankyra giebt Augustus selbst eine Aufzählung
der Werke, die er in seinem und in verstorbener Familien-
mitglieder Namen oder in Vollendung des von seinem Vater
Begonnenen geschaffen, nach der Zeitfolge^); bei einigen fügt er
bei, daüs er sie aus den Beutegeldem^), also aus den dem sieg-
reichen Feldherm von jeher zu solcher Verwendung zustehenden
Mitteln bestritten; bei den andern kamen die verschiedenen, unter
seiner persönlichen Verwaltung zusammengefafsten Geldquellen
in Betracht. Dazu kam, was auf seine Anregung andere, vor
Allen Agrippa, schufen, ebenfalls aus Privatmitteln oder solchen,
Aber welche sie nach dem Herkommen von öffentlicher Stellung
aus verfögen konnten, Werke, die gleichfalls seiner Regierung
wm Ruhme gerechnet wurden. Die Verschönerung von Kapitol,
Palatin, Forum und seiner Umgebung, die Hinzufügung eines
neuen . Forums, die grofsartigen Monumente des Marsfelds, die
neuen oder neu hergestellten Tempel überall in der Stadt umher,
dieses ganze Werk der neuen Stadt aus Marmor*) war in der
Geschichte der Hauptstadt ebenso nachhaltig wirksam und ebenso
einschneidend wie die Aufrichtung des Principats in der politi-
schen Verfassung, und das in Rom gegebene Beispiel wirkte auch
auf die italischen Munizipalstädte und die Provinzen. Die grofsen
Bauperioden der folgenden Kaiserzeit, die flavischen, trajanischen,
liadrianischen und antoninischen Bauten haben wohl für jden
TauruB StatiUus quamquatn provecta aetate egregie toleravit Hinsichtlich
des eraten Falls hei&t es bei Hieronym. Chron. z. J. 26: Messala Corvinus
prinus praefectus urbis f actus sexto die magistratu se abdicavU, incivilem
potestatem esse contestans, Statilius war praef. urbi im J. 16 v. Cb.
Dio 64, 19. Über die Stellvertretung durch Agrippa im J. 21 , die andern
Charakter hat, s. ob. 8. 149.
1) Mon. Anc. lat 4, 1—26.
2) Ex manibüs a. a. 0. Z. 21. 24.
8) Suet Aug. 28: ürbem neque pro maiestate imperii omatam et in-
^näaHonibus incendüsque obnoxiam excoli^t adeo, tä iure sä gloriatus, mar-
^^ortam se relinquere, quam latericiam accepisset. Vgl. über das augusteische
^m u. A. Friedl&nder, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms. 1*, laf. j
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Anblick, den die späteren Generationen hatten, die augnsteischoi
Werke in den Hintergrund gedrängt, zumal da diese zum Tdl
vom neronischen Brand betroffen wurden, aber die Geschichte
hat das Epochemachende dieses Eingreifens des ersten Augostm
stets voll und ganz anerkannt.
Die ProTüuen. 9. Wie die Provinzcu seit ihrem Eintritt in den römischen
Staat von wesentlichem Einflufs auf die innere Politik und Ver-
fassung und in der Entscheidung zwischen Republik und Mon-
archie der Ausgangspunkt für den Kampf gewesen waren, so
wurde in sie, wie wir gesehen, bei der Neuordnung vom J. 2T
geradezu das Schwergewicht der Machtverteilung gelegt Sie
waren es, fdr welche der Generalstatthalter nötig war und an
denen die Militärmacht hing; sie nahmen dementsprechend die
persönliche Thätigkeit des Princeps am meisten in Anspruch; sie
sind es aber auch, welche das lohnendste Gebiet für die Kraß
des römischen Kaisertums gebildet haben.
Die Gebiete, welche im J. 27 für die unmittelbare Ve^
waltung des Generalstatthalters ausgesondert wurden, waren
Spanien mit Ausnahme von Bätica, ganz Gallien, Syrien mit
Cilicien und Cypern und in besonderer Weise Ägypten.^) Dies«
Auswahl zeigt, dafs Augustus in der Befichränkung auf das
militärisch Notwendige sehr weit ging, weiter als der fernere
Verlauf rechtfertigte. Nicht blofs wurde der Senatsverwaltong
Afrika — und zwar mit einem Militärkommando — zugewiesen,'
sondern auch Illyrikum, dessen Zustand sich Augustus friedlicher
dachte, als er war. Ebenso mufs auffallen, dafs unter den Ver-
hältnissen der dortigen Nordgrenze Makedonien als friedliehe
Provinz behandelt wurde. Indessen gilt für die beiden letzt-
^^ genannten Gebiete, dafs wenigstens, wenn es sich um grofsere
:|; Kombinationen handelte, die Einrichtung eines umfassenderen an
^/ der prokonsularischen Gewalt des Kaisers hängenden Militär-
g*; kommandos eintreten konnte. Immerhin erwies sich die Senats-
^ Verwaltung solcher Grenzprovinzen auf die Dauer nicht haltbar.
1) Sueton 47: Provincias validiores et qtuis annuis magistraiuum ur-
periis regt nee facile nee tutum erat, tpse stucqnt, ceteras prwmdas «oHifc
permisit\ et tarnen nonnullas commutofoit interdum aJtque ex utroque gt»fre
plerasque saepius adiit. Aosföbrlicher an der geschichtlichen Stelle s. J. ^
und mit Aufzählung der einzelne| Dio53, 12; letztere ebenfalls bei Strabo
p. 840, wo das narbonensische Gallien bereits und Dlyrien noch seDato-
risch ist.
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Dlyrien wurde schon im J. 11 kaiserlich, in Afriki^ wurden die
Hilitarverhältnisse später anders geordnet, und Makedonien konnte
nur deshalb Senatsprovinz bleiben, weil es durch die Fortschritte
der romischen Macht in den Donaulandern aufhorte Grenzprovinz
zu sein; andererseits gab Augustus im J. 22 das narbonensische
Gallien und C;pem als völlig befriedet dem Senat zurück.^)
Übrigens nahm er, wie oben (S. 149) schon bemerkt, unmittelbar
nachdem seine prokonsularische Gewalt definitiv festgestellt, im
J. 22 sein Oberaufsichtsrecht über die Senatsprovinzen sehr ernst-
lich in Anspruch, indem er auf seiner Reise in den Orient, in
Sicilien beginnend, die Verhältnisse derer, die auf seinem Wege
lagen, neu regelte. Die Rücknahme der einen oder andern Pro-
vinz in kaiserliche Verwaltung blieb stets vorbehalten. Wie weit
den Statthaltern der senatorischen Provinzen in der laufenden
Verwaltung freie Hand gelassen wurde, hing von der Persönlich-
keit der einzelnen Kaiser ab; im Allgemeinen aber ist zu be-
merken, dafs in der Eontrolle weniger gethan wurde, als für die
Provinzen gut war, und man es meist darauf ankommen liefs;
ob die Provinzialen von dem ihnen zustehenden Klagerecht Ge-
braach machten. Eine Quelle des Übels suchte Augustus von
vornherein zu verstopfen, indem er an Stelle der wechselnden
und unkontrollierbaren Bezüge, welche die Statthalter bisher ge-
habt, für alle Kategorieen je nach ihrem Raug feste Geldsummen
aussetzte.*) Für das dem Senat unterstehende Ärar wie für die
Statthalter war es wichtig, dafs die senatorischen Provinzen die
reicheren waren, während andrerseits der ehrenvollere Titel Pro-
konsul gegenüber dem kaiserlichen Proprätor niemand darüber
tauschen konnte, dafs der letztere trotz der unmittelbaren Ab-
^gigkeit vom Kaiser doch mit seiner militärischen St-ellung und
der längeren Dauer auf einem wichtigeren Posten stand. In-
dessen war dieser Unterschied der Würde dadurch wieder auf-
gehoben, daCs dieselben Personen das eine Mal im Senats-, das
1) Dio a. a. 0. — Auch Sardinien wurde wegen der Bennrabigung
^orch R&nberbanden im J. 6 n. Ch. in kaiserliche Verwaltang übernommen
ond «war unter einen Proknrator gestellt. Dio 66, 28.
2) Sueton Ang. 86: Äudor et cUtarum rerum fuit', in quis, ut proconsu-
^^ ad mulos et idbemactUa quae publice locari solebcmt certa pecunia con-
^itueräwr. Dio 68, 16, der es unter den Ordnungen des J. 27 aufführt;
^gl. c 16: tavta {tlv ovxm xoxb — Ststdxd'rj, Ob dies unter den Begriff des
Gehalts falle, darüber s. im System.
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andere Mal . im kaiserlichen Dienst thätig und die Regeln der
Laufbahn für heide Seiten die gleichen waren. Dagegen war es
natürlich dem Kaiser überlassen, sich nach den Erfahrungen, die
er machte, die geeigneten Personen auszusuchen und in seinem
Dienst zu Auszeichnungen kommen zu lassen, solche aber, die er
nicht wollte, dem Senatsdienst zu überlassen. Die Bestellung der
Senatsstatthalter sollte in Fortsetzung der republikanischen Über-
lieferung mit Vorbehalt besonderer Ausnahmefälle im gewöhn-
lichen Gang dem Lose anheimgegeben bleiben.
Die personliche Thätigkeit und personliche Verantwortung,
welche in der so ausgedachten Generalstaiithalterschaft lag, bat
Augustus in vollem Mafse auf sich genommen.^) Er selbst ging
noch im J. 27 nach Gallien, nicht blofs um die Einteilung, Or-
ganisation und Verwaltung sämtlicher gallischen Provinzen fest-
zustellen, sondern auch mit der Absicht, zu sehen, ob im Anschlufs
an die Unternehmungen Cäsars Britannien in den Kreis der
Berechnung gezogen werden könnte. Allein hierauf sich einzu-
lassen wurde er verhindert durch den Ausbruch neuer Kämpfe
in Spanien, die seine Anwesenheit erforderten und neben den
gallischen Fragen keiner andern Sorge Raum liefsen. Li Gallien
aber wurde damals das wichtige Werk des Census begründet^,
und die beiden Länder Gallien und Spanien hielten den Augustus
bis Anfang des J. 24 zurück. Ende des J. 22 ging er, während
nun Agrippa sein Stellvertreter in Gallien war, über Sicilien,
Griechenland, Asien nach Syrien, und er und Tiberius waren
trotz der Thätigkeit, die Augustus nach der Schlacht bei Aktium
und wieder nach der Eroberung Ägyptens geübt, mit Verfügungen
über die Provinzen, die kleinen zwischen diesen noch geduldeten
Dynasten und in Verhandlungen mit den Grenznachbam bis über
die Mitte des J. 19 in Anspruch genommen.') Während bei der
früheren Anwesenheit die Rücksicht auf das unmittelbar Vor-
hergegangene bestimmend gewesen war, war jetzt der Blick
freier auf das allgemeine Interesse des Reichs gerichtet. Weiter-
hin im J. 16 führte ihn die Niederlage des M. LoUius gegen die
1) Sueton a. a. 0.: nee est, ut opinoTy provincia, excepta dumtaxat
Äfrica et Sardinia, quam non adierit
2) Dio 53, 22. Liv. epit. 134: censum Narbone egü. Census a tribus
Galliis, quas Caesar pater vicerat, actus. Über die Einteilung Galliens Strabo
4, 1 p. 177.
3) Dio 64, 6 flF.
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Germanen; sowie die gesamte Lage Galliens aufs neue in die
nordlichen Provinzen bis Mitte des J. 13 ^ und während dieser
Zeit WBi es, dafe in der grofsen Unternehmung des Tiberius und
Drusus gegen Ratien das Mittelglied zwischen Gallien und Ulyri-
cum eingefOgt wurde. ^) Zu derselben Zeit war wiederum Agrippa
an der äufsersten Nordostgrenze, beim kimmerischen Bosporus
tbätig. Nochmals war er in den Jahren 10 und 8 in Gallien,
während seine Adoptivsöhne Drusus und Tiberius an der Rhein-
und Donaugrenze kämpften und dazwischen im J. 9, in welchem
Drusus in Germanien starb , hielt er sich wenigstens in Ober-
italieu; zu Ticinum, auf, um den Ereignissen an der Nordgrenze
näher zu sein. Von da ab machte er, obgleich Agrippa tot war
und Tiberius sich ihm entzog, von dem Vorrecht des Alters Ge-
brauch und blieb in Italien, zumeist in Rom; allein auch von
hier aas war er in der Leitung der Provinzen, zumal derer, in
welchen zu kämpfen war, unausgesetzt thätig'), selbst nachdem
er in den jüngeren Gliedern seiner Familie wieder Stellvertretung
in den Provinzen selbst gefunden, und so bildet den richtigen
Abschlufs seines Lebens, dafs er noch im J. 8 n. Gh. zur Zeit,
da der gefährliche illyrische Aufstand vollends niedergeworfen
werden sollte, in Ariminum verweilte und endlich im J. 14, nach-
dem er eben den dritten von ihm veranstalteten Gensus mit
Tiberius als Kollegen beendigt, diesen, wie er aufs neue sich
nach niyricum begab, wenigstens bis Benevent begleitete.
Der Gewinn, welcher sich für die Regierung des Reichs aus
dieser Thätigkeit änes Mannes ergab, war so einleuchtend, dafs
schon von diesem Gesichtspunkt aus eine einheitliche Leitung
des Reichs sich als unentbehrlich behaupten mufste. Auch unter
der Republik war dem Senat als der leitenden Behörde die
Kenntnis der Lokalverhältnisse zu gute gekommen, da es im Rate
ja nie an Männern fehlte, die auf Grund einer solchen ihr Urteil
abgeben konnten. Aber die Schwächen der Kollektivregierung
hatten dieses Moment nicht zur vollen Geltung kommen lassen,
auch abgesehen davon, dafs zwischen der leitenden Behörde und
1) Dio 54, 19 ff. Die weiteren Zeugnisse, mehr zasammenb äugender
oder vereinzelter Art bei Fischer, Zeittafeln bei den betr. Jahren.
2) Aach während er in dem einen Teil des Reichs aofserhalb Italiens
th&tig war, erliels er wichtige organisatorische Verfügungen ober andere
ganz entlegene Teile, so im J. 25 von Spanien ans über Dynastengebiete in
Eleinasien nnd Afrika. Dio 53, 26. ^^
Heriog, d. rönu StaaUverf. n. 1. laitized by VjOOQIC
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dem Vollzug die nie sicheren ausftüirenden Organe lagen, welche
die Amtslaufbahn im jährlichen Wechsel darbot Jetzt war die
beste und umfassendste Kenntnis in diner leitenden Person ver-
einigt; und was die im Senat nach wie vor gegebene Erfahrung
der vielen einzelnen gewesenen Provinzialbeamten bot, war, wenn
auch weniger in der öffentlichen Diskussion im Senat als in der
individuellen Inanspruchnahme durch den obersten und allgemeinen
Prokonsul, stets yerfQgbar zur Unterstützung im Rat und zur
Ausführung der leitenden Gedanken mit der That, und wenn
auch der Ruhm der Erfolge nnr dem äinen voll zu gute kam,
so sorgte Augusts Mäfsigung doch dafür, dafs auch den Werk-
zeugen noch ein Teil der republikanischen Ehren verblieb.^) Für
die Ordnung der Provinzen selbst aber ergab jene einheitliche
Lokalkenntnis eine eingehende Berücksichtigung der Verhältnisse
im Grofisen wie im Kleinen und die Herstellung ^ines Reichs-
und Eulturganzen, wofür die Reichsregierung nun nicht mehr
blofs wie unter der Republik nur den äufseren Rahmen gab,
sondern auch die fördernden Kräfte. Den Ausgangspunkt bil-
dete freilich diese ideelle Seite nicht, und sie war für Augostus
jedenfalls viel weniger bewufst vorhanden als bei Cäsar; aber
auch der durch die Thatsachen allein gewonnene Erfolg isi^ wie
er unmittelbar fühlbar wurde, so auch von der Geschichte bei
der Beurteilung seiner Politik anzuerkennen. Der reale Zweck,
welcher neben der Sicherheit der Herrschaft überall im Vo^de^
grund stand, war der ünanzielle Ertrag und dem entsprechend
war neben der militärischen Besetzung die wichtigste, aber auch
die schwierigste Aufgabe die Regelung der Besteuerung, wobei
ebensowohl allgemeine Grundsätze wie die besonderen ortlichen
Verhältnisse bis zu denen der einzelnen Stadtgemeinden herab
in Betracht kamen und für das grofsere oder geringere Mafs Ton
"^' OrganiMtion Autouomie mitbestimmend waren. Von diesem Gebiet wird unten
d«r eiiueln«n ..
ProTiluen. noch ZU reden sein; hier möge es genügen, die allgememe poli-
^; tische Organisation, in welcher die leitenden Gesichtspunkte ihren
^r^ Ausdruck fanden, in den umrissen zu zeichnen. Schon die Ab-
^ stufung unter den zum Reich nunmehr gehörigen Sondergebieten
1) Die Triumphe von gewöhnlicben ProkonBoln geben in den Triom-
phalfasten noch fort bis zum J. 19 ▼. Ch. (o. i. 1. 1 p. 461); dann folgt eine
neue Ordnung, welche dem Kaiser ausschlieislich die volle Ehre des Triuapbi
zuweist, seinen HeerfQhrem aber noch gewisse Teile jener Ehre Wst K&beret
darüber unten.
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'^^-r^?^:W^.
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war eine sehr mannigfaltige. Obenan steht Ägypten. Dieses
Land war unter der Diadochenherrschaft in viel höherem Grade
als unter den früheren Regierungen in die Mittelmeerverhältnisse
hereingezogen worden, aber es hatte sich doch nnr auf den
Interessenkreis beschränkt, der durch die Reiche der Nachfolger
Alexanders gebildet worden war; nachdem sodann die Römer in
das Mittelmeersystem als bestimmende Macht eingetreten waren,
hatte sich die ägyptische Politik ihnen gegenüber teils passiv,
teils rerbündet verhalten. Nunmehr als Glied eines Reichs, das
den ganzen Umkreis des Mittelmeers umspannte, trat es mit der
Bedeutung seiner geographischen Lage, seinen natürlichen Hilfs-
mitteln, seiner Hauptstadt Alexandrieu, der ersten Handels- und
Industriestadt der Welt, in seiner ganzen Wichtigkeit hervor und
wnrde ihr entsprechend von Augustus behandelt. Negativ wurde
es in jeder Hinsicht dem EinfluTs des Senats entzogen, positiv
politisch und finanziell der möglichst direkten Verfügung des
Princeps tmterstellt Nicht blofs war es nicht Senatsprovinz,
sondern es wurde der Verwalter nicht aus den Senatoren, sondern
aas den Rittern genommen, und dementsprechend auch das Kom-
mando der daselbst stehenden Legionen nicht Männern von sena-
torischem Rang anvertraut; ja ein Senator durfte dieses Land
nicht einmal ohne Erlaubnis des Kaisers betreten und den
Ägyptern selbst war die Möglichkeit^ in den Senat zu gelangen,
versagt^) Die finanzielle Belastung wie die sonstige Verwaltung
1) Tac. hist. 1, 11: Aegyptum copiasque quibua coerceretwr iam inde a
äwo Äugusto equites Bomani obtinent loco regum: üa visum expedire, pro-
vinciam aditu difficilem, annonae fecundatn, superbtitione ac lascivia dücordem
^ füobilem, inseiam legutn, ignaram magistratiium , dornt retinere. Ders.
*Mi. 2, 69: Tiberius — (Germanicum) acerrime increptUt, quod contra in-
^vta AugusU non sponte prindpia Alexandriam introisset; nam Augustus
w»^ dUa dominoHonis cMrcana vetitis nisi permissu ingredi sentUoribus (nut
^uüibw Bomanis inlustribus seposuit Aegyptum^ ne fame urgeret Itäliam,
9^isquis eam provinciam claustraque terrae ac tnaris quamuta levi praesidio
*^w^M«iii ingentes exercitus insedisset. Dio 51, 17 (nach Erwähnung des
Verbots an die Senatoren): ov (tivtoi ov^ hsivoig ßovXeveiv iv x^ 'P<o(ifi
^9nw. 58, 13. 76, 5. — Vgl. Suet. Caes. 85: {Caesar) regnum Aegypti
(^npairae permisU, veritus provinciam facere^ ne quandoque violentiorem
J^ookfei» nacta novarum rerum materia esset. — Über die Organisation des
^^ontkommandoB, das einem praefectus castrorum, also einem Manne aus
dem Ktterstande gegeben wurde, vgl. die Inschrift aus Syene c. i. 1. Xu
^ 6026. Joseph, b. Jud. 6, 4, 8. Renier, conseil de gaerre tenü par 'nt32S
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»^
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unterstand der willkürlichen Verfügung des Kaisers , die Ein-
künfte gehörten ihm persönlich in dem höchsten innerhalb der
Reichsverwaltung überhaupt möglichen Sinn, und die Landes-
angehörigen waren in besonderer Weise und mit eigentümlichen
persönlichen Beschränkungen unterthan, während andrerseits die
kaiserliche Verwaltung den Eigentümlichkeiten des Landes in
Religion und Sitte mit besonderer Vorsicht entgegenkam. Ägypten
zunächst standen die grofsen Militärkommandos , welche die
Grenzprovinzen bildeten, jedes für sich ein Ganzes ausmachend
und wieder mit andern zusammen zu einer gröüseren Verbindung
vereinbar, die für umfassendere Unternehmungen von dem Kaiser
selbst oder einem von ihm mit allgemeinerer prokonsulariseher
Gewalt Abgesandten geleitet wurden. Weiter einwärts kamen die
gröfseren alten, Niedlichen Provinzen und zwischen hinein, zum
Teil auch an den Grenzen, kleinere Distrikte sei es unter Ver-
waltern und Befehlshabern untergeordneten Rangs, sogenannten
Prokuratoren oder auch Präfekten aus dem Ritterstand ^), oder
unter Stammßirsten als Vasallen. Gegen zwanzig solcher Vasallen-
fürsten ^) liefs Augustus im ganzen Umkreis des Reichs, zumeist
im nordöstlichen Europa, in Asien und im westlichen Afrika kq
leichterer Anfügung der ihnen unterstehenden Bevölkerung, znr
einfacheren militärischen und finanziellen Verwertung und znr
Ersparnis an administrativem Personal^), wobei überall durch
in M^m. de TAcad. des inscr. XXVI. 1 p. 816 f. Mommsen arch. Zeit. 26 (1869)
p. 124. Wilmanns in ephem. epigr. 1, 90 f.
1) Unter Augustus sind als prokuratorisoh zu nennen die Alpes man-
timae und Rätien; hinsichtlich Noricnms s. folg. Anm. Ffir die cotüscbeo
Alpen wird auf dem Bogen von Sasa (Orelli-Hensen n. 626) der Sohn des
letzten rex^ M. JtUius regis Donni fUius CotHus, genannt prctefectus cdviUh
tiutn, quae suhscriptae sunt.
2) In den ersten Jahren des Principats sind die Vasallendistrikte das
regnum CoUii, Thracien, der kimmerische Bosporus, Teile {les früheren
pontischen Reichs (der Pontus Cappadocicus und der Pont. Galatica»),
Eappadokien, CkJatien (bis zam J. 25 v. Gh.), Paphlagonien (bis wid
J. 7 V. Ch.), in Cilicien drei, in Syrien sechs (Judäa als einheitlich gerechnet),
Nuraidien (vom J. 80 bis 25 v. Gh.); im J. 25 wird Maoretanien, das Tom
J. 83 an ohne einheimischen Fürsten gewesen war, an den bisherigen K5nig 1
Juba Ton Namidien gegeben, dessen bisheriges (Gebiet dann zur Profim
Afrika kam. Das regnum Noriewn steht später unter einem Prokurator; die
Bezeichnung regnum weist aber darauf hin, dafs wie bei dem rsgmm Ccäü
die erste Stufe der Abhängigkeit auch die eines Vasallenfürsten war.
3) Strabo p. 671 (gelegentlich der cilicischen Dynastieen): i^omt «e^
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Gonstbezeugung oder Bedrohung, durch Überwachung von Pro-
vinze ans, von denen ihre Gebiete eigentlich nur besondere Bezirke
bildeten, durch Bereithaltung von Rivalen, endlich durch Erziehung
der Kinder am Hofe zu Rom für den Gehorsam der Vasallen
gesorgt war. — Neben diesen verschiedenen Formen von ünter-
thanigkeit der Bezirke unter irgend einer verwaltenden Persön-
lichkeit fand in Kleinasicn auch eine föderative Vereinigung
Baum, der lykische Städtebund, dem August das von der Republik
gewahrte und zuletzt wieder von Antonius bestätigte Mafs von
Unabhängigkeit mit den daran hängenden Privilegien liefs.^)
Innerhalb der einzelnen Provinzen war die Rechtsstellung
jeder einzelnen Gemeinde zu regeln, zu erwägen, ob Kolonisation
angezeigt sei, wer romisches Bürgerrecht oder Latinität erhalten
solle, wo Autonomie und Steuerfreiheit zu gewähren sei, und
neben den Verhältnissen jeder Provinz kamen hier auch die all-
gemeineren Verschiedenheiten des Westens und des Ostens, alten
Besitzes mit alter Kultur und neuer nicht nur für das Reich,
sondern auch für die Lebensordnungen der griechisch-römischen
Welt erst zu gewinnender Gebiete in Betracht In den letzteren
waren zuvorderst die Grundlagen für die Besteuerung, die Kataster-
aafnahmen zu beschaffen, und der Entwurf zuerst, dann die Durch-
führung des gallischen Gensus war ein Werk, das einen grofsen
Teil der Regierungszeit wie der Regierungssorgen Augusts in
Anspruch nahm. In Verbindung mit den hiefür nötigen Arbeiten
der grofsen Verwaltung standen auch die Mafsregeln für die
Verkehrsverhältnisse, die Anlage der Strafsenzüge und was damit
zusammenhing, insbesondere auch eine auf denselben laufende
Reichspost.*) Die Pläne, welche Cäsar in dieser Richtung ent-
worfen (ob. S. 23—25), fanden unter Augustus, der ein zu guter
Verwaltungsmann war, um ihre Bedeutung nicht zu würdigen.
(tjutv To xoiovxo ßaailevead'ai fMcXXov xovg tonovg rj vfco toig ^PmiaaCoi^
^c^ur fXvai xotg knl tag %^lang ntunonivoiSj o't nrjt ccsl naQ£ivai
iptUop fiifw ited"' onXav,
1) Für Lykien sind die zwei bekannten Zeitgrenzen das J. 41 v. Ob.,
in welchem Antonius den Lykiem ihre Freiheit bestätigte {Av%iovg axtUig
^^tav atpnlg %al Suv^ov oU^ietv nagaivciv) und das J. 43 n. Gh., in
welchem Claudias ihnen diese Freiheit nahm. Dio 60, 17.
2) Suei Aug. 49: Quo celerius ac 8%ib manttm adnuntiari cognoscique
possä, quid in provincia quaque gereretur, iuvenes primo modicis intervallis
per miUtares via», dehinc vehictUa disposuü,
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ihre Verwirklichung durch Agrippa, der in der Technik vaA
Praxis des Kriegs-^ Bau- und Ingenieurwesena gleich einzig da-
steht, und dessen Thätigkeit speziell fttr die Reichsyerm^sung
auch die Grundlage fOr das geographische Wissen der Eaiserseit
bildete. — Die einfache Zusammenstellung der so gegebenen und
vollzogenen Aufgaben genügt, um zu zeigen, wie tiefgreifend hier
die Zusammenfassung der Regierung in einer Hand und wie
wichtig es für das Provinzialgebiet war, dafs der Eine ein halbes
Jahrhundert hindurch diesen Aufgaben sich widmen konnte.
Koionicen and Eiu einzelner besonders wichtiger Gesichtspunkt war, welche
Borgerrechts in Gmudsätzc Augustus hiusichtlich der Ausbreitung des romischen
nzen. Buj.ggjj.^^jjtg j^ ^^^ Provinzcu befolgte. Er selbst hebt herror,
dafe er in einer Anzahl von Provinzen Yeteranenkolonieen an-
gelegt habe^); dagegen giebt weder er selbst an, noch ist ans
monumentalen Zeugnissen sicher zu erweisen, dafs er einheimi-
schen Provinzialgemeinden das römische Bürgerrecht erteilt habe,
und hinsichtlich der Vergebung desselben an Einzelne ist ge-
nügend bezeugt, dafs er darin möglichst sparsam vorging.^) Es
stand dies durchaus im Einklang mit seinem Bestreben, Italien
als den herrschenden Teil des Reichs hinzustellen, dabei aber
auch das national-römische Gefühl unter den Italikem als Tragen
diefer Herrschaft zu starken und als geschichtlich begründet im
Bewufstsein erhalten. ^) Für die Kulturarbeit unter den Provinzialen
schien daneben durch das Beispiel, das von den Militarkolonieen
und regelmäfsigen Ansiedlungen von entlassenen Veteranen aus-
1) MoD. Anc. ]. 5, 36: Colonias in Africa [Siciliä] Macedonia tctrog«^
Eispania Achaia Äsia Syria Gdüia Narhonensi [Pmdia] miUtum (iediurt.
(SicilieD and Pisidien sind aus dem griech. völlig erhaltenen Text ergänxt)
Welches diese Kolonieen waren, ist nur zum Teil sicher bezeugt, zum Teil
durch Kombination aus monumentalen Zeugnissen zu erscbliefsen. Ein Ver-
zeichnis derselben bei Mommsen res g. p. 119. Derselbe macht geltend,
dafs Augustus hier nur von cöl. militum rede, und will Kombinationen
über Kolonieen anderer Art damit ausgeschlossen wissen.
2) Suet. Oct. 40: Magni existimans sincerum aique a5 omni cdOmoM
peregrini clc servüis sanguinis incorruptum servare populum et civitaUm Bma-
nam parcissime dedit et manumiUendi modum 'terminavit. Tiberio pro diente
Graeco petenti rescripsit, non cUiter se daturum quam si prciesens sibi per
suasisset quam iustas petendi causas haberet, et Litn(»e pro quodam tributario
OcUlo roganti civitatem negavit, immunitatem optülü affirmems faeünu ^
passurum fisco detrahi aliquid quam civitatis Romanae vulgari honorem.
3) Sueton a. a. 0. Die unwillige Äufserung über die puUatorum tut^
in der Kontio: En Romanos^ rerum dominos, gentemque togataml
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- 199 —
ging, durch die Latinitat und auch durch das Wirken der Pro-
Yinzialyerwaltung genügend gesorgt
10. In engster Beziehung mit der Provinzialverwaltung steht Heerwesen
das Heerwesen, da ja die Teilung der Provinzen zwischen E^aiser
ond Senat nach dem Gesichtspunkt der militärischen Besatzung
gemacht war. Hiervon ist denn auch bei der rechtlichen Auf-
fassung der Heeresgewalt des Kaisers auszugehen. Jene Teilung
war geschehen unter dem Verwand, die mühsamen und gefahr-
lichen Posten selbst zu übernehmen, dem Senat diejenigen zu
überlassen, welche nur Genufs boten, aber mit der beabsichtigten
Wirkung, dafs der, welcher jene Posten übernommen, dann auch
allein Heeresmacht habe. In welcher Weise dies formuliert
wurde, ist nicht bekannt; wie es vermutlich geschah, mufs aus
dem bekannten thatsächlichen Verhältnis abgeleitet werden. Da
Angostus sein oberstes Provinzialkommando immer nur auf eine
gewisse Anzahl von Jahren übernahm, so konnte die Bestimmung
ober den daran hängenden Heeresbefehl auch nur so lauten, dafs,
so lange jene Greneralstatthalterschafk bestehe, die Verfügung
fiber das Heer damit verbunden sei. Wenn ferner jene Wirkung
der alleinigen Verfügung mit Sicherheit eintreten sollte — und
darauf mufste Augustus rechnen können — , so mufste durch
eine direkte Bestimmung für dieselbe Zeit nicht blofs dem
Generalstatthalter die alleinige freie Verfügung über die Bildung,
Starke, Führung und Verteilung der Truppen in seinen Pro-
vinzen zugesprochen, und nicht blofs den Statthaltern des Senats
Aufbietung von Truppen verboten, sondern auch dem Senat
selbst das Recht entzogen sein, in den unter ihm stehenden
Provinzen Truppen aufzustellen.^) Dafs das Recht, welches die
tribunicische Gewalt dem Princeps gegenüber dem Senat gab,
ßr genügend erachtet worden wäre, etwaige selbständige mili-
tärische Beschlüsse des Senats zu hindern, ist nicht wahrschein-
lich. Militärische Hilfe in Notzeiten war, soweit nicht gewisse
überall geltende Notwehrmafsregeln ausreichten, für die Senats-
provinzen dadurch gegeben, dafs auch für sie dem Generalstatt-
balter ein Oberaufsichtsrecht zugestanden war; wenn dieses nicht
1) Nicht als AuBfluIs eines beetimmten Gesetzes, sondern bei allge-
meber Charakterisierung der Rechte des In^perators sagt Dio 58, 17 : nccta-
loyovs re MOieio^ai tuA xQi]ftata a^qoCinv noXiftovg ts avai^siad'av %al
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— 200 -
ausreichte, so trat die kaiserliche Verwaltung völlig ein**) Fiel
je die Generalstatthalterschaft weg, so erhielt von selbst der
Senat dasselbe Recht zurück, das ihm von der Bepublik her
zustand und das er iu der Zeit nach Cäsars Tode den Statt-
haltern und Heerführern gegenüber geübt hatte. Ausgeschlossen
war nicht, aber dem Ermessen des Generalstatthalters über-
lassen, ob er über Aushebungen, Vermehrung der Legionen und
ähnliche tiefer eingreifende Mafsregeln sich mit dem Senat ins
Benehmen setzen wollte^), und insoweit als für die Unterhaltung
der Truppen das Ärar beizuziehen war, mufste der Senat darüber
befragt werden.*) — Gegenüber den Statthaltern der kaiserlichen
Provinzen ist das oberste Verfügungsrecht des Generalstatthalters
dadurch gewahrt, dafs diese seine Legaten sind.^) Die Bestell ong
und Organisation des Kommandos steht dem obersten Befehls-
haber zu, aber es werden dafür wie für die Amterlaufbahu über-
haupt feste Regeln aufgestellt.
Augustus hat das romische Heer zu einem stehenden ge-
macht: dies ist ein längst anerkannter Zug in dem Bild, das die
Geschichte von ihm aufstellt Auch dieses Moment bedarf aber
seinem Ausgangspunkt nach näherer rechtlicher Bestimmung.
Die Zeit, in welcher im römischen Staat in einem Teil des Jahres
alle Heere aufgelöst, sämtliche Bürger nach Hause entlassen
worden, war längst vorbei, der Provinzialbesitz allein schon ver-
langte an verschiedenen Punkten fortwährende Besetzung. Allein
rechtlich waren darum doch jedes Jahr die Heere neu gebildet
worden, auch wenn dieselben Leute mit Anfang des neuen
Eonsuljahrs weiter dienten, und für den einzelnen Bürger wurde
die Dienstpflicht nach den alten Bestimmungen über das dienst-
pflichtige Alter geregelt, während im übrigen seit Marius die
Censusverhältnisse nicht mehr die Bedeutung für den Kriegs-
dienst hatten wie früher. In den ersten fün&ebn Jahren des
1) Vgl. ob. S. 191 A. 1 das Beipiel Sardiniens.
2) Zu dem Verhalten des Tiberius gegen den Senat, bei welchem er
speciem libertatis quandam induxit, gehört auch, dais er de legende vd ex-
auctorando milite ac Ugionum et auxiliorum descriptione referierte. Suei Tib.30.
3) Vgl. die Verhandlungen Augusts mit dem Senat, die zu der Ein-
richtung des aerarium militare führten. Dio 55, 24 f.
4) Dio faTst 53, 15 die für die Statthalter beider Eategorieen gelien-
den Regeln dahin zusammen: inl naaiv oikolmq ivotkod'sn^dTi , firti tatu-
loyovQ aq)äg noiBia^ai fL/jZ* d(fyv(fiov i^<o tov tstayfiivov iaxf^acuv^ U |^^
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^/C"
- 201 -
Principats nun begnügte sich Angustus damit, die Heere, welche
er in den Provinzen brauchte, auf der alten Orundlage auszu-
heben; nachdem die alten Legionen, die nach der Besiegung des
Antonius vorhanden waren, soweit er sie nicht beibehalten wollte,
aufgelöst, die Veteranen verabschiedet und durch neue Aus-
hebungen ersetzt waren, konnte er die Leute einfach auf Grund
des fortwährenden Kriegserfordernisses in allen Grenzprovinzen
bei den Fahnen behalten. Im J. 13 v. Chr. jedoch nach der
ßQckkehr ans dem neugeordneten Gallien und dem erfolgreichen
Älpenfeldzug seiner Söhne, da zugleich eine Erneuerung seiner
prokonsularischen Gewalt bevorstand, ordnete er die Dienstpflicht
in einer neuen Weise, indem er für die Ausgehobenen eine An-
zahl Jahre festsetzte, für die Legionäre 16, für seine Garde 12,
welche sie ununterbrochen im Dienst zu bleiben hätten. Zugleich
worden fär den Abschlufs der Dienstzeit statt des Lands eine
Äblohnung in Geld bestimmt. Die Dauer der Dienstzeit wurde
im J. 5 n. Chr. auf 20, bezw. 16 Jahre erhöht Durch diese
Bestimmungen wurde zugleich der Unterschied zwischen den
Truppen der Garde und den Legionen vollends fest gemacht^)
Diese Festsetzungen gingen durch den Senat und mindestens
Aber die daraus hervorgehende Belastung der Staatskasse mufste
förmlicher Beschlufs gefafst werden.*) Nach republikanischem
Recht hätte eine so wichtige Neuerung in den Grundrechten
und -pflichten des Bürgers, wie diese, die keineswegs nur mili-
tärischen Charakter hatte, den Weg der Gesetzgebung gehen
müssen; Augustus scheint sich mit dem Wege durch den Senat
begnügt zu haben. Die bezüglichen Senatsbescblüsse aber sind
die konstitutionellen Grundlagen der Einrichtung des stehenden
1) Schon im J. 27 toi^ 9oQvq>OQi^6ov<ftv avt6v 9inXdciov tov itiad'ov
tov ToJi; aJüLoig et^atuoxccig ds9onivov iprjq>iadiivat dte^rpa^aTO, onov a%(fißij
XT19 (pifOV^V ^XV' ^^^ ^^J ^^'
2) Die 54, 25 (z. J. 13): awayceyatv in tovrov ro ßovXsvTrjQiov avtog
^v ovdlv ilxfv vno ß^yxoVy to 91 9ii ßißXiov zm ttt^iCa dvccyvmvai 9ovg
Tff TS %eM(fcey(tiva ot %atriQtd'ii7ioato xol 9iita^e td ts itrj oaa ot nolCtai
9t(fttxiv60wro %ai td XQrjiiaxa Zca navcdfisvoi xFig azqaxilag dvxl xrig
Zo^ff riv dil X0X8 ^xovv IriipoivxOf oitcag inl (rixoCg ixei^sv rjdri xccxaXsyo-
^»ot ft7j9lv tovtmv ye ivsaa vBtoxsqCimciv x. r. X. Dies lautet so, als ob
es sich nur um eine Mitteilung, nicht am ein Referat zur Abstimmung
dtrfiber gehandelt hätte; allein 55, 23 (z. J. 5 n. Chr.) heifst es: itpri-
(piö^Ti xoig (i,hv in xov 9oQV(poQL%ov nBvxamaxiXlag 9Qax(JMgy insiddv ^%%aC-
dua iri2, xoCg 9\ ixiqoig xqus%iX{ctgy imiSdv Bt%OGi cxqaxevacavxai 9i9oaS^i, . '
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- 202 -
Heers der Eaiserzeit^): alles übrige, was die Einrichtung des-
selben betraf; ging von dem Oberkommando allein aus.
Diese Einrichtung begreift die Festsetzung der Si&rke des
HeerS; seine Organisation und Einteilung, die Verteilung an
die verschiedenen Provinzen, das Kommando und das Dienst-
reglement. In allen diesen Punkten hat Augustus die Ordnung
der Eaiserzeit geschaffen, und seine Festsetzungen werden aus-
drücklich als Grundlage citiert. Die Einteilung in Legionen
blieb mit der von Marius und Cäsar gegebenen Zahl von 6000
im Maximum, nicht wohl weniger als 5000, jede zerfallend in
10 Gehörten und 60 Genturien.^ In der Legion sollen nach
wie vor nur romische Bürger dienen; die Zahl der Legionen
wird nach Bedürfnis bestimmt, jede Provinz, welche einer be-
waffneten Macht bedarf, erhält ihr Kontingent, das in feste Lager
gelegt wird. Das Kommando der Legion haben im Anschluß
an eine schon von Gäsar eingeführte Neuerung nicht mehr die
Kriegstribunen der Legion zusammen und im Wechsel unter-
einander^ sondern es wird einheitlich in die Hände eines l^tUus
AngusH von senatorischer Stellung, gewöhnlich prätorischem Bang,
gelegt^); die Kriegstribunen, vorerst noch zum Teil wie unter
der Republik gewählt^), bald aber durchaus vom Oberkomman-
danten ernannt, sind jetzt dem Legaten untergeordnete Stabs-
offiziere, Führer der einzelnen Gohorten. Wie schon im republi-
kanischen Heer, noch mehr aber in den Heeren der Bürgerkriege
1) Dio bestimmt 62, 27 in der Bede des Mäcenas den Begriff des
stehenden Heers so: tovg ctgatnotag a^avdtovg I« t£ tmv nolttmv %a%
tav vnri%6<ov zmv ts avfifidxmv t^ ft^hv nXsiovg t^ d* iXdtxovg xad"' snaatinf
^d'vog onmg Sv fj XQsia x&v n^ayfidtcDv dnaiz^ T(fi(psa&ai KQOcrpm %al av-
zovg deC ts iv toig onXoig slvat %al trjv dcnrjciv zmv ytolsfii%mv 9id navtog
xoiiiad'ai dei^ %Bifiddid te iv xoig ini%ai.Qoxdtoig xmQioig %axBü%Bvaifiiivovg
Tial xQOVov xaHXOv axi^axsvonivovg maxB xi avxoig %al n^o tov yriomg x^g
TiXinlag ntgisivai. Dies wird dann weiter gegenüber der früheren Ein-
richtung aus den Umständen gerechtfertigt.
2) Das Nähere über die Zahlenverhältnisse bei Marqnardt, röm. Staats-
verw. 2', 455. Der der Zeit des August us nächstliegende Beleg für die
CO Centurien ist Tac. ann. 1, 82, wo diese Zahl Torausgesetst ist. Die
genaue Fixierung der Si&rke der augusteischen Legion wird nicht an-
gegeben.
3) Dio 52, 22 in der Bede des Mäcenas. Vgl. Caes. b. g. 1, 52:
Caesar singulis legionibus singulos legatos et quaestorem praefecU u. a. St
4) Über die unter Augustus vorkommenden tribwni miUHim a popüh
B. an and. St.
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— 203 ~
hat der oberste Befehlshaber eine Gardetruppe ^ cohors praetoria^
jetzt so stark^ daCs sie in eine Anzahl von Cohorten, unter Au-
gnstus neun zu je 1000 Mann^ zerföUt und ein besonderes Korps
bildet, daS; wie bemerkt, durch Beschlüsse der Jahre 27 und
13 T. Chr. und 5 n. Chr. für die neuen Verhältnisse mit be-
sonderen Dienstverhältnissen anerkannt und unter das Kommando
Ton zwei praefecH aus dem Ritterstand gestellt isi^) Eine Leib-
wache, wie sie Augustus aus Spaniern und Germanen gehabt
hatte, sollte dadurch überflüssig gemacht werden.^) Das prae-
toriumy dessen unmittelbaren Dienst diese Truppe zu versehen
hat, ist das Hauptquartier des Oberfeldherrn; es ist überall, wo
dieser verweilt, und kann jetzt auch in Rom selbst sein, indem
der Imperator seine militärische Stellung auch innerhalb der
Stadtgrenze beibehält; doch liels Augustus nur einen kleineren
Teil in der Stadt Quartier beziehen.^ Alle Truppen haben
1) Ober die Stellang der praefecH praetorio 8. an and. St. — Die
cchortee praetaricte worden nicht darch Mannschaft ans den Legionen ge-
bildet, sondern es wurde für sie rekrutiert nnd zwar nur ans der nächsten
N&he von Born, wobei man jedoch stets mit Freiwilligen auskam. Tac.
aniL 4, 6: quamquam insideret urbetn proprius miUs, tres urhanae, navetn
praetoriae cohortes Eirwria fertne ümbriaque dekctae atU vetere Lotio et
toUmiis antiquiiua Bomania, Über die Geschichte der Oardetruppe des
Feldherm in der Republik (Fest.-Paul. p. 223), die neue Ansbildung unter
dem TriumTirat, unter welchem bereits eine Mehrheit yon cohortes pra/t"
toriae bezeugt ist (Oros. 6, 19, 8: octo legiones classi [des Octayian bei
Aetinm] auperpotüae absque cohortibiM quinque praetoriis), und über die
Formation in der Eaiserzeit Tgl. Mommsen im Hermes 14, 25 — 85. Die
von Tacitus a. a. 0. erwähnten tres urhanae cohortes j die bist. 1, 5 als
9tiU8 urbofnts mit den Prätorianern zusammengenommen werden und eben-
&ll8 jede 1000 Mann zählten, treten unter Augustus, unter dem es noch
keinen stehenden praefeclus tirbi giebt, nur wenig heryor. Vgl. folg.
Anm. Eine vierte lag in Lugudunum. — Über die cohortes vigüum, die
neben ihrer speziellen Bedeutung natürlich auch fflr den Schutz des Kaisers
ond der Stadt in Betracht kamen, s. ob.
2) Sueton Aug. 49 wo überhaupt die Grundzüge der augusteischen
Heeresordnung gegeben werden: ceterum numerum partim in urbis partim
in sui custodiam adkffit, dimissa CcUagurritanorum manu quam usque ad
denctum Antonium, item Oermanorum quam usque ad cladem Varianam
inter armigeros circa se habuerat,
3) Dio 53, 17 (ygl. ob. S. 199 A. 1): tov te ievmov %al tov noXitixov
ffcl xocl navtaxov ofAO^ms aq%Biv äctB %ccl ivxog rov nmftriQ^ov %al tovg
txMittg %ai tovg ßovXsvväg ^avatoihf Svvaa&ai Xafißdvovciv» Die letztere
Konsequenz gehört nicht hieher. Sueton Aug. 49: neque tarnen umcpiam .
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- 204 —
dem Kaiser den Eid zu leisten.^) Das Dienstreglement, die
disciplina, wird durch constiMiones Augusti festgestellt^ Es ist
möglich, daTs im Zusammenhang mit jener Regelung der Dienst-
zeit auch diese Konstitutionen zusammengestellt wurden. — Die
Wichtigkeit einer Flotte hatte August im Kriege gegen An-
tonius zu sehr kennen gelernt, um nicht auch sie in sein Wehr-
sjstem aufzunehmen. Seine Organisation derselben bestand darin,
dafs er feste Flottenstationen anlegte, zwei an der italischen
Küste, Misenum und Ravenna, und eine an der gallischen, Forum
JuliL Aber insofern blieb er in der Tradition der Republik, als
auch er diesen Dienst durch die Aushebung aus Freigelassenen
und Peregrinen und durch die Bestellung des Kommandos aus
Rittern oder Freigelassenen als einen untergeordneten hinstellte.')
Aus den Befugnissen der prokonsularischen Gewalt, sowie aus
den Rechten, welche dem Princeps hinsichtlich des Abschlusses
von Bündnissen zustehen, ergiebt sich, dafs die Verwendung aller
Truppengattungen, welche, sei es aus den unterworfenen Be-
völkerungen der Provinzen oder aus verbündeten Gebieten bei-
gezogen werden, dem Ermessen des Imperators zusteht.
Die Art nun, wie Augustus die wichtigste Seite der neuen
Ordnung, die Gesamtstarke des Landheers, festsetzte, zeigt die-
selbe vorsichtige Mäfsigung, die sein sonstiges Vorgehen be-
zeichnet. Am Schlufs der Bürgerkriege hatte er vor allem die
Reduktion oder Auflösung der zu dem Entscheidungskampf auf-
gebotenen Legionenmassen vorzunehmen. Wie viele Legionen
er auflöste, läfst sich nicht sagen, da weder dieser negative Teil
seines Vorgehens noch die darauf folgende Reorganisation be-
richtet, sondern nur das Resultat der letzteren angegeben wird.
plwes quam trea cohortea in wrhe esse passtts est easque sine castris; reUguas
in hiberna et aestiva circa finitima oppida dimittere asstterat.
1) Dio 57, S : {TtßiffMg) tovg iv x^ 'itaXi^ ovtag totg OQHOig zoig v»6
tov Avyovazov ^ata^ctx^siai nQonccziXccßsv , übrigens wird noch in der
Formelf welche Vegetius (2, 5) kennt, auch die respublica Eamana genannt.
2) AIb seine Quellen citiert Vegetius 1, 8. 27 Augusti et Traiani
Hadrianique constitutiones. Aus der disciplina Augusti ist eine Stelle citiert
Digest. 49, 16, 12.
3) Tac. ann. 4, 6: Itdliam utroque mari duae classes, Misenum ap%U
et Bavennam, proximumque Gcdliae litus constratae naves praesidehant, quas
Äctiaca victoria captas Augustus in oppidum Foroitdiense miserai valido
cum remige. Snet. Aug. 49. — Hinsichtlich der Bestellung des Kommandos
vgl. die Liste bei Hirschfeld, Verwaltungsgesch. 1, 123 f.
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— 205 -
wie es am Schlufc seiner Regierung vorlag.^) Die Zahl der
Legionen, welche in diesem Resultat erscheint, ist 25, nicht die
Hälfte der Legionen, die in der Schlacht bei Aktium einander
gegenübergestanden.^ Dals das Heer des Antonius zum weitaus
grdfsten Teil aufgelost wurde, versteht sich von selbst; aber von
einer Legion desselben wissen wir sicher'), dafs sie mit der
Nammer, die sie unter Antonius gehabt, in das neue Heer
herfibergenommen wurde, und so ist es wahrscheinlich, dafs auch
unter den andern, welche Parallelnummern haben, solche zu
Sachen sind, die frOher unter Antonius gedient oder schon unter
Lepidus, dessen Legionen ja August schon früher übernommen
hatte/) Zugleich ist daraus zu ersehen, dals letzterer die schon
bestehenden Legionen nicht durcheinander warf, sondern, soweit
er sie nicht ganz auflöste, in ihrer überkommenen Formation
lie(s, und nur durch Rekrutierung ergänzte. Dafs nun vor der
Zahl 25 infolge xler ersten Reduktion eine wesentlich geringere
gelegen sei und jene erst infolge der Erfahrungen im illyrischen
Krieg erreicht worden wäre, ist kaum anzunehmen, da weder
1) Dio 55, 28 eom J. 5 n. Chr. (vgl. ob. S. 201 A 2) und Tac. ann.
4, 6 lam J. 28 n. Chr.
2) ZasammenBtellimg der Legionen Cäsars und des Triumvirats bei
Marquardt röm. Staatsverw. 2', 444 f. Die Zahl 25 für den Anfang der
Begiemng Tibers, was anch für das Ende der Zeit Augusts gilt, giebt
sicher Tacitos a. a. 0., indem er zugleich die damalige Verteilung beschreibt,
w&hrend Dio, der in seiner Aufsfthlung eben die 19 noch zu seiner Zeit
Torhaodenen Legionen Augusts nennt, yon einem Schwanken der Angaben
zwischen 23 und 25 spricht Tacitns ist mafsgebend, und das Schwanken
anderer erklärt sich aus der Berücksichtigung vorhergehender geschicht-
licher umstände. Die Geschichte der römischen Legionen überhaupt s. bei
Grotefend in Paulys Realencyklop. 4, 868 ff. Borgheai, oenvr. IV p. 182 ff.
Beide geben die Anfänge unter Augast nicht in besonderer Untersuchung,
Bondem berücksichtigen sie bei den einzelnen Legionen; dagegen behandeln
speiiell die Bildung der Legionen Augusts Mommsen, res. g. 1. Aufl. p. 48 f.,
Qod ihn bekämpfend Ch. Robert in comptes rendos de TAcad. des inscr. n.
8. 1868 p. 94—107, wogegen wieder Mommsen r. g. 2. Aufl. p. 68 — 76.
3) Die legio HL Gdllica Tgl. Tac. bist. 3, 24: terüanoa veterum re-
centmngue admonens, ut sub M. Antonio Parthos pepuliasent,
4) Die Vermutung, daüs die Doppelnununem so zu erklären seien, bei
Grotefend p. 875 (leg- HI Cyrenaica), p. 878. 881 (IV. und V. Macedonica)
und Mommsen r. g.' p. 74. Das sichere Zeugnis bei der ^inen läfst diese
Vermutung nicht durch allgemeine Erwägungen beseitigen. Parallelnummem
giebt es in dem Heer Augusts drei für die Nummer III, je zwei für die
Nummern IV. V. VL n \
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V
- 206 —
die indirekte Überlieferung^ auf die wir angewiesen sind, daAr
spricht; noch die innere Wahrscheinlichkeii^) Ja wenn man
bedenkt; dafs ein wesentlich neues Moment in der Heeresrefonn
des Augustus die Aufgebote der Provinzialen als Ergänzung der
Legionen bildete und dafs einige Zeit yerflofs, bis diese organi-
siert wareU; so wird man eher vermuten, dafs die Reduktion des
Heers Schritt hielt mit dem Zuwachs, den die Aushebungen unter
den peregrinen Bestandteilen des Reichs lieferten. So sehr auch
die Finanzlage eine Verminderung des Heers empfahl, so war^i
die Zustände des Reichs doch nicht so gefestigt, daCs der Kern
auch der neuen Formation, an den sich jene (mocüia anlehnen
mufsten, bis 100000 Mann hätte vermindert werden können.
Wie aber auch diese geschichtliche Frage gelost werden mag,
charakteristisch und fQr die Folgezeit mafsgebend ist das Er-
gebnis der Zahl von 25 Legionen, die Augustus hinterlieJGs. Hit
jenen peregrinen Truppenkörpern aber, den auxäiay wurde eben-
falls in den Typus eines stehenden Heers und damit zu neoer
viel gröf serer Bedeutung gebracht, was die spätere Republik in
Truppen von Verbündeten gehabt Es wurden cohortes und ciat
von 1000 und 500 Mann als leichtes Fufsvolk und Reiterei mit
Berücksichtigung der speziellen Beföhigung gebildet und den
einzelnen Legionen je in einer Stärke beigefügt^ welche der der
•1) Mommsen hat a. a. 0. die Verrnntong aufgestellt, Angust habe bei
der Gründung des Principats, um den gewonnenen Frieden möglichst demoo-
strativ hervorzuheben, die von seinem und des Antonius Heer vorhandenen
mehr als 50 Legionen auf 18 reduziert, und erst für die Erfordemisse des
Kriegs in Germanien und Pannonien im J. 6 n. Chr. 8 weitere errichtet;
von diesen seien dann in der Varusschlacht 8 vernichtet worden, an deren
Stelle 2 neue kamen, so dais man auf diese Weise zu den 25 des Taeitoa
gelange. Ich glaube, dafs Ch. Robert mit Recht hiegegen einwendet, dsli
die Zeugnisse über Mafsregeln für den pannonischen Krieg (Vell. 2, 110—113,
Dio 55, 31) nicht auf die Bildung Ton neuen Legionen gehen, sondern nur
auf Ergänzungsmafsregeln für die bestehenden Truppenkörper; die Bildung
von acht neuen Legionen wäre in andern Ausdrücken gegeben. Aulserdeoi
aber scheint mir übersehen, dafs die geringe Zahl der angusteischen Legionen
überhaupt nur erklärlich ist von der Organisation der Hilfstruppen ans, die
längere Zeit brauchte und also gerade am Anfang eine so bedentende
Herabsetzung der Legionenzahl nicht erlaubte. Daher die obige QirsteUiing.
Das Schweigen der Quellen, sowohl des Augustus selbst, als der Historiker
erklärt sich am besten bei Annahme eines successiven Ghmgs der neuen
Heeresorganisation, Auflösung von Legionen nach Maliagstbe der Formation
der auxilxa,
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- 207 —
Legion nahe kam; aulBerdenl wurden solche Abteilungen auch
besonders verwendet und die prokuratorischen Provinzen über-
haupt nur mit solchen belegt. Das Kommando dieser Abteilungen
hatten romische Bürger von Ritterstellung, wobei natürlich Pro-
Tiüzialen, welche das Bürgerrecht gewonnen, verwendbar waren.
Die Bestimmungen über die Dienstzeit dieser Art von Truppen,
— sie wurden auf 25 Jahre in Anspruch genommen^) — konnten
kraft der prokonsularischen Oewalt erlassen werden; auch hin-
sichtlich der Unterhaltung, welche aus den Provinzialeinkünften
bestritten wurde, war der Senat nicht zu befragen.
Wie schon die Legionen der republikanischen Heere nach
der Reihenfolge ihrer Formation Nummern gehabt hatten, so
erhielten solche auch die augusteischen; allein dieselben bekamen
jetzt eine andere Bedeutung. Früher galt die Nummer nur dem
jeweiligen Aufgebot und ging mit dessen Entlassung wieder
imter, nur in den Bürgerkriegen und unter dem Triumvirat hatte
die Zahlung schon einen besonderen Charakter angenommen, als
jeder der Prätendenten seine eigenen Nummern hatte. Jetzt
wurde die Nummer ein wesentliches Moment in dem Charakter
des stehenden Heers, die Doppelnummern veranlafsten, wozu
auch schon von früher her Vorgänge da waren , Beinamen, und
jtie Legion war bestrebt, sich solche in auszeichnendem Sinn
zu gewinnen. Auch die Kohorten und Alen der Hilfstruppen
worden nummeriert und nach den Stämmen, aus denen sie ge-
Dommmen waren, benannt; doch waren die Nummern nicht
durchgehend, sondern hielten sich innerhalb des Stammes und
der Waffengattung.*) Endlich war ein sehr wesentliches Moment
der feste Standort. Die einzelnen Provinzen erhielten ihre
Kontingente, je nach der Wichtigkeit von einer bis zu vier
l^gionen, und diese wurden mit den dazu gehörigen Hilfstruppen
IQ stehenden Lagern untergebracht, in welche sie ge wohnlich
wirückkehrten, selbst wenn sie unter besonderen Verhältnissen
zeitweilig in weit entlegenen Gegenden verwendet worden waren.
Nummer, Name, Standort in Verbindung mit der langen Dienst-
1) 25 Jahre sind, wie die sog. Militärdiplome zeigen (Corp. inacr. lat.
ni. p. S48 fP.) die Voranasetzang ffir das den Yerabaohiedeten zu gebende
Börgerrecht. Näherea über die Formation und den Dienst der auxilia bei
IJarqnardt, Staatsverw. 2, 448 ff.
2} YgL die Yerzeichniase bei Orelli-Henzen, ind. p. 123 ff. Wilmanna
tt. inacr. 11 f. 676—696.
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- 208 -
zeit geben jedem dieser Truppenkörper seine besondere geschicht-
liche Bedeutung; und die Geschichte der einzelnen Legionen,
welche für' die Kriegs- und Proyinzialgeschichte so wichtig ist,
beginnt mit wenigen Ausnahmen , die weiter zurückgehen ^ eben
mit Augustus. Alle diese geschichtlichen Momente liefsen sidi
zu Gunsten der einzelnen Kaiser wie der Kaiserdynastieen yer-
werten, und eine Reihe von Beinamen legt von dieser Verwertung
Zeugnis ab. -— Neben den angeführten Truppen standen dann
noch die Kontingente der verbündeten Dynasten, die, wie oben
bemerkt, im ersten Jahrhundert der Kaiserherrschaft namentlich
für Asien von einiger Bedeutung waren.
Gewifs ist zuzugeben, dals die so gebildete stehende Kriegs-
macht für die Bedürfnisse des romischen Reichs in seinem nun-
mehrigen Bestand und für die Hilfsmittel, welche die in demselben
vereinigten Gebiete mit der Starke ihrer Bevölkerungen boten,
auffallend klein war. Um von den Zahlen der modernen Staaten
nicht zu reden, so hatte ja im J. 225 v. Chr. allein Italien in
seinem damaligen Umfang eine Zahl von 800 000 Waffenfähigen,
also mehr als dreimal so viel geboten (1, 347). Diese Be-
schrankung der Militärmacht ist zunächst allerdings eine Idee
Augusts gewesen^), allein sie ist auch weiterhin für das Prindpat
charakteristisch geblieben, sie ist aber für die spätere Zeit noch
auffallender; denn die späteren Kaiser sind nicht blofs mit der
Vermehrung der Legionen der Mehrung des Reichs nur not-
dürftig oder geradezu ungenügend nachgefolgt, sondern es fielen
für sie auch manche Stützen weg, auf welche Augustus noch
zählen konnte. Denn für diesen kamen folgende Umstände in
Betracht:
Die Entblöfsung Italiens von stehenden Garnisonen mit
Ausnahme der Garde und die Verlegung der Legionen in die
Grenzprovinzen war zunächst ein politischer Gedanke, aber dieser
konnte doch nur angenommen werden, wenn er sich mit der
Sicherheit des Reichs vertrug, und dafs es Augustus mit dieser
\
1) Mommeen führt in Sybels bist. Zeitschr. 88 (1877), 1—16 GiDm
Militärsyatem Cäsarg") aaf Grund der Verteilung der Legionen in den Pro-
vinzen auB, dals Augnst in diesen Einrichtungen nur das von Cäsar Vor-
gezeichnete ausgeführt habe. Allein die Verschiedenheit der politischen
Grundlage wirkt auch hier nach und die Einrichtung des Auziliarheen
durch Augustus l&fot auch die Legionenverteilung in einem anderen Liebt
erscheinen.
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ernst nahm^ hatte er schoD als Triumyirjgezeigi In dieser Beziehung
nun konnte er sich immerhin noch auf die 28 von ihm besetzten
Eolonieen verlassen^ die als ebensoviele dem Kaiser ergebene
Garnisonen betrachtet werden durften, und so war hiedurch, sowie
durch die drei Flottenabteilungen in den umgebenden Meeren doch
auf eine bereitstehende Hilfe zu rechnen. Den Schutz der Nord-
grenze, der Yon Osten her gegebenen Landzugange und der Ost-
kflste herzustellen war Aufgabe der Kämpfe in den Alpen und
in Illyrien. In den Senatsprovinzen waren ebenfalls Bürger-
kolonieen als Posten aufgestellt, in deren Grundgesetzen ausdrücklich
vorgesehen war, dafs die Bürger im Fall der Not sich in Truppen-
korper unter der Führung ihrer Gemeindebeamten zu verwandeln
hätten*), wie sie ja auch zum Teil als Truppenkörper unter
Führung ihrer GfGziere bei Gründung der- Kolonie in diese ein-
gerückt waren. Einen Rückhalt boten die benachbarten be-
waffneten Provinzen. Diese selbst können nun freilich dürftig
besetzt erscheinen gegenüber der mehrfachen Aufgabe, die sie
hatten: sie sollten in erster Linie den Grenzschutz nach aufsen
im Osten gegenüber dem parthischen Reich, im Westen gegen-
über dem in seiner Bedeutung schwer zu übersehenden grofsen
Germanien leisten und zwar von einem Boden aus, der selbst
kaum erst erobert worden war, und wenigstens am Rhein und
an der Donau in einer Weise, bei welcher die Defensive zunächst
noch in der Gewinnung einer weiter vorwärts liegenden Grenze lag;
sodann sollten sie, wie gesagt, den Rückhalt für das Hinterland
bilden, und schliefslich die stärkste Garantie für die Person des
Imperators und die Verfassung, die derselbe vertrat, bieten. Es
scheint unbegreiflich, dafs Augustus unter diesen Verhältnissen
den an der Grenze stehenden Heeren nicht starke Reserven gab.
Indessen, wenn er anders dachte, so kam für ihn persönlich
aufser der Überlegenheit der römischen Kriegskunst in Betracht,
1} YgL das Gesetz der von Jnlins Cäsar gegründeten Kolonie Urso in
Spanien (ob. S. 16 A 1) eph. epigr. 2 p. 112. CHI: QiUcunque in colania
Gmdwa Ilvir praefeehMve iu/re dicwndo praerit, [eum] colonos incolasgue
contribtUoa quocunque tempore coloniae finium ttiendarum causa armatos
educere decurianes censuerinty quot maior pars gut tum aderunt decreverint,
id ei sine fraude sua facere liceto, Eique Ilviro aut quem Ilvir armatis prae-
fecerit idem ius eademque animadversio esto, uti tribuno militum populi
Bomani in exercitu populi B, est, itque ei sine fraude sua facere licetOy ius
poUaasque esto^ dum it^ quot maior pars decurionum decreoerit qui tum
aderant, fiat,
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dafs er^ zumal im Osten, durch Klugheit der Politik zu ergänzen
hoflPte, was der aufgestellten Truppenmacht an Starke abging.
Sodann aber wirkte gewifs noch die Tradition der Republik nach,
die auch die grölsten Kämpfe in den Grenzprovinzen bestanden
hatte ohne bereitgestellte Reserveheere, nur angewiesen auf
eventuell erst vorzunehmende Aushebungen weiterer Legionen.
Auch jetzt noch war die Möglichkeit solcher Aushebungen nicht
blofs im Princip unangetastet, sofern rechtlich jeder Bürger im
Bediirfnisfall aufgeboten werden konnte und Büi^errecht und
Dienstpflicht sich deckten, sondern f&r Augustus lag auch ihre
Ausführung gewifs noch näher als für seine Nachfolger. Den
Ausschlag aber in den Erwägungen des vorsichtigen Politikers
gab die finanzielle Seite, indem der Unterhalt eines stärkeren
Heers unüberwindliche Schwierigkeiten zu machen schien. Auch
in dieser Beziehung konnte er seinen Nachfolgern überlassen, in
Ausnützung der von ihm geschaffenen Verhältnisse mehr Mittel
flüssig zu machen. Indessen erhielt schon seine Regierung
wenigstens eine ernste Mahnung, dafs diese Berechnung, wenn ein
Punkt durchbrochen war, leicht zusammenstürzen konnte. Sie
dauerte gerade lange genug, um die Erfahrung zu machen, dals
eine Bevölkerung, die auch nur in die zweite Greneration hinein
des Kriegsdienstes entwöhnt ist, ebenso kriegsunlustig als un-
tüchtig wird, und der Schrecken nach der Varusschlacht
zeigte, dafs die von ihm aufgerichteten Bollwerke Italien nicht
ersetzten, was die frühere Kraft der eigenen Bevölkerung an
Schutz gewährt hatte. Es kam hinzu, dafs das Verfahren bei
der Aushebung der Abneigung der Bürgerbevölkerung gegen den
Waffendienst in hohem Grade entgegenkam. Stellte die regel-
mäfsige Ergänzung der Legionen und der wenigen Kohortöi der
hauptstädtischen Truppen an eine Bürgerbevölkerung, die ganz
Italien und bedeutende Städte in den Provinzen umfafste, bei
zuerst sechzehn-, später zwanzigjähriger Dienstzeit die denkbar
mäfsigsten Anforderungen, so wurde noch dazu die Rekrutierung
in einer Weise vollzogen, die das Bewufstsein der Dienstpflicht
völlig abhanden kommen liefs. Die geringe Zahl der jeweilig
nötigen Ergänzungen liefs es möglich erscheinen, an die Stelle
geordneter Aushebung freiwilliges Anerbieten treten zu lassen,
und während die an das Bürgerrecht gebundene Dienstpflicht
ein ererbtes oder jedenfalls schon vor der Aushebung erworbenes
Bürgerrecht im Auge hatte, zu diesem Zweck splches Recht erst
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zn verleihen.^) Wenn man sich ferner dabei auf die Provinzial-
bevölkerang mit latinischem Recht beschränkt hätte*), so wäre
eine Analogie dazu erwachsen, dafs unter der Republik den Bürger-
legionen die der Latiner zur Seite standen; allein man zog in
den Notzeiten der Jahre 6 und 9 n. Chr. selbst die nichtbürger-
liche hauptstädtische Menge heran. Unternehmenden Nachfolgern
war in all dem ein Anlafs zu durchgreifenden Änderungen ge-
geben; aber er wurde nicht ergrififen. Nicht blofs wurde die
augusteische Truppenverteilung und das numerisch schwache
Heer beibehalten, sondern auch Italien von Rekrutierungen mit
Aosnahme derer für die Garde ganz befreit, trotzdem dafs der
Rückhalt, den Augustus in seinen Kolonieen hatte, in den
folgenden Generationen bedeutungslos wurde. Die Geschichte
des Reichs in den ersten zwei Jahrhunderten hat die Be-
rechnung des Gründers dieses Systems richtiger erscheinen lassen
als zu vermuten war, selbst den Provinzen eine strengere Mili-
tarherrschaft erspart ohne wesentliche Beeinträchtigung der all-
gemeinen Sicherheit, und sogar weitere Eroberungen ermöglicht.
Daneben hat die Verteilung und Verwendung der Legionen, die
Art ihrer Rekrutierung und die Heranziehung der Provinzialen
znm Ej-iegsdienst einen gewaltigen Hebel für die Romanisierung
gebildet, wobei zugleich auch* das ganz neue Moment eines sol-
datischen Berufsstandes dem bürgerlichen Leben wieder näher
gebracht wurde. Aber das dritte Jahrhundert hat die Kehrseite
gezeigt äufseren und inneren Feinden gegenüber und damit die
geschichtliche Kritik vollzogen.
Die angegebenen Einrichtungen geben das Urteil darüber, war, was au-
ob die augusteische Ordnung der Gewalten eine Militärmonarchie «ine Miutftr.'
, 1. -r-r 1 TN. "»-••11 1 •*«• , monarchie?
darstellte, von selbst an die Hand. Die Erhaltung der Macht
und Stellung des einen Mannes, ^der unter mannichfaltigen ver-
fitösungsmäfsig zugerichteten Formen die Regierung des Reichs
Iran führte, war durchaus auf die Ausschliefslichkeit und Kraft
seiner militärischen Stellung gegründet, aber das Prinzip, den
Schein einer bürgerlichen Verfassung so weit als möglich zu
wahren, kluge Mäfsigung der mafsgebenden Inhaber dieser Gewalt,
1) Vgl. Mommsen, die EoDskriptionsordnang der röm. KaiserEeit in
Hermes 19, 1 ff., Auaffihrangen, welche sich stützen auf die epigraphischen
üntersachmigen von Mommsen und Bohn in ephem. epigr. V. p. 159—268.
Näheres im Syst beim Bürgerrecht.
2) Vgl meme Gallia Narb. p. 161.
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wegen.
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das Überwiegen der finanziellen Gesichtspunkte über das Macht-
geföhl, der Geist der zum Reich gehörigen Bevölkerungen, derer,
welche selbst noch den Gegensatz zwischen ununterbrochenen
Fehden und gesichertem Frieden erlebt und derer, welche in den
letzteren hinein erwachsen waren, endlich die vorsichtig benützte
Gunst der aufseren Verhältnisse — all das machte es möglich,
den Charakter einer militärischen Gewalt so verdeckt zu halten
und dem Beschauer im Mittelpunkt der gebildeten Welt durch
weite und immer mehr sich erweiternde Gebiete hindurch den
Anblick einer durchaus friedlichen und geordneten bürgerlichen
Gesellschaft zu bieten, wie es in der That geschehen ist.
Das Finan*. 11. Wie die Proviuzial Verwaltung und das Heerwesen, so
hing auch die Ordnung der Finanzverwaltung an dem Akt des
J. 27; nur war hier die Auseinandersetzung zwischen dem, was
dem Senat verblieb und dem, was dem Princeps zukommen sollte,
viel weniger klar. Mit der Verwaltung der ihm verbleibenden
Provinzen übernahm Augustus auch ihre Einnahmen und die
Bestreitung ihrer Bedürfnisse für die Administration und für die
in ihr stehenden Truppen in Frieden und Krieg zunächst in jeder
Provinz für sich, doch mit dem Recht, Überschufs in der einen
zur Deckung für Abmangel in der andern zu verwenden. Die
Quellen der Einnahmen zu bestimnen war seine Sache, wie er
denn den Census von Gallien für sich ordnete und auch in den
Senatsprovinzen, sei es von Rom aus sei es bei seinem Auf-
enthalt in denselben, die Steuerverhältnisse festgestellt hatte,
soweit eine Änderung der früheren Ordnung für zweckmäfsig
erachtet worden war. Die rechtliche Eonsequenz davon war die,
dafs die Reichsstaatskasse, das a>erarium publicum populi Romain^
nach wie vor das Zentralinstitut war unter der verfassungs-
mäfsigen Verwaltung des Senats und der Magistratur, und dafs
in sie auch zu fliefsen hatte, was in den dem Imperator unter-
stehenden Gebieten an allgemeinem Überschufs sich ergab, denn
letzterer nahm ja doch nur einen Teil der republikanischen Ver-
waltung zur Förderung der Gesamtinteressen des Gemeinwesens
auf sich. Umgekehrt konnte er, wenn er die ihm obliegenden
Ausgaben von der Einnahme seines Gebiets nicht zu bestreiten
vermochte, sich an das Ararium wenden. Allein so einfach ge-
staltete sich in der Praxis die Sache nicht; teils waren es that-
sächliche, also zufällige Umstände in dem Verhältnis der Ein-
nahmen und Ausgaben, welche die natürliche Eonsequenz ver-
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schoben, teils das Eingreifen der persönlichen Stellung des Princeps,
das auch ohne besondere ihm gemachte Einräumungen die sachlich
gegebene Einrichtung bestimmte, teils endlich Voraussetzungen
der republikanischen Praxis, an welche das Übergehen in ein
neues Verfahren anknüpfen konnte. Das Ärarium hatte als Ein-
nahmequelle wohlhabende Provinzen, ferner eine von Augustus
nach den Bürgerkriegen eingeführte indirekte Steuer^) und Straf-
gelder*) und dabei keinen Aufwand für Heeresmacht; wenn aber
die ganze Last der hauptstädtischen Verwaltung und dessen, was
von Reichs wegen für Italien zu thun war, von ihm getragen
werden sollte, so waren diese Quellen ungenügend, zumal da die
Statthalter in den Provinzen dieser Seite trotz der neuen Ordnung
der Bezüge hier wie unter der Republik immer noch reichlich Ge-
legenheit zur Mehrung ihres Privatvermögens nahmen. Die Steuer-
freiheit Italiens fand also ein entsprechendes Gegengewicht in den
Einnahmen aus den Senatsprovinzen nicht Von den Provinzen des
cäsarischen Imperiums war Ägypten imstande , Überschüsse zu
gewähren, die übrigen kaum oder nicht, da z. B. die HiKsmittel
Gralliens erst noch ihrer Entwicklung bedurften und die Kriege
an der germanischen Grenze viele Kosten verursachten. Ein
klares Verhältnis beider Seiten hätte sich ergeben, wenn der
Imperator regehnäfsig Rechnung geleistet hätte; allein dies that
er nicht. Für Ägypten nahm er von vornherein völlig freie
Verfügung in Anspruch, er leistete wohl von den Naturalein-
künften dieses Landes seinen Beitrag zu der Getreideversorgung
der Hauptstadt, aber mehr unter dem Gesichtspunkt eines Ge-
schenks, als einer festen und rechnungsmäfsigen Auflage. Über
den Stand der übrigen Provinzen gab er von Zeit zu Zeit öffent-
lich Mitteilung*), aber nicht in der Form oder in dem Sinne
1) Tac. ann. 1, 78: cenksimam rerum venalium, post beUa civüia in-
sUtutam,
2) Die StaatsdomäDen ia Italien waren für die Veteranenversorgung
vom Princeps vorbehalten. Vgl. Frontin de contr. agr. p. 54, 8 Lachm.:
pecttmam quarundam coloniarum Vespasicmus exegit, quae non haherent sub-
cisiva (d. h. Teile der Staatsdomänen) amcessa: non enim fieri potuit, ut
ßolum iüud, quod ercU nemini culsigncUum, dlUrius esse passet quam qui
potertU adsignare, Non enim exiguum pecuniae fisco conttUit venditis suh-
sicivis.
3) Saeton Calig. 16: rationes itnperii ab Augusto proponi solitas sed a
Tiberio inUrmissas pt^licavit Dio 59, 9. Denselben Charakter hat auch
das von Aagnstos hinterlassene breviarium totius impcrii, quantum militum
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einer vorschriftsmäfsigen kontrollierbaren Bechnungslegong, son-
dern als freiwillig gegebenen Nachweis , in welchem gleichsam
in für das Principat apologetischer Weise Auskunft erteilt werden
sollte über das, was der Princeps für den Staat erzielt habe. Da
dieser zugleich vermöge seiner Stellung zum Senat sein Augen-
merk stets auf die hauptstädtische Verwaltung und deren Bedürf-
nisse hatte, so war er immer in Kenntnis darüber, wie weit das
Ärar seiner Hilfe bedürfe, und konnte diese eintreten lassen.
Allein auch diese Ausgleichung von der einen Seite zur andern
hatte nicht den Charakter eines staatlichen Geschäfts, sondern
wiederum den einer persönlichen Schenkung. Dafs dem so war,
beruht in erster Linie auf der Art, wie Augustus persönlich dem
Gemeinwesen gegenüberstehen wollte, als grofsmütiger Helfer,
der demnach auch das Mafs seiner Hilfe selbst bemessen dürfe,
und die Machtyerteilung zwischen ihm und dem Senat war nicht
der Art, dafs vom Senat aus auf ein richtiges Rechuungsver-
fahren gedrungen werden konnte, wie es von den Statthaltern
der Bepublik wenigstens verlangt worden war. Daneben kam
aber noch in Betracht, dafs alles, was dem Princeps an Ein-
künften öffentlicher Natur zur Verfügung stand, für die allge-
meinen Ausgaben nicht ausreichte, und er nun mit seinem Privat-
vermögen in die Lücke trat. Endlich aber gab es Leistungen
von der Art, wie sie die römische Magistratur als Eni^elt für
die Wahl zum Amt von jeher dem Volke gegenüber auf sich
genommen hatte, Spiele, Bauten, Ausschmückung der Stadt und
der Tempel, Speisungen u. dgl., teils in Übernahme öffentlicher
Pflicht mit Deckung unzureichender Leistung des Staats aus eigenem
Vermögen, teils mit Übernahme des ganzen Aufwands auf eigene
Kosten. Dafs ein Magistrat von der Stellung des Augustus
diesen Leistungen in ganz besonderem Mafse sich unterziehen
mufste, stand aufser Frage.
Nach der hier gezeichneten Grundlage gab es also zwei
öffentliche Verwaltungen, das aerarium publicum und den Finanz-
dienst der kaiserlichen Provinzialverwaltung, jenes besorgt von
Magistraten, dieses vom Princeps selbst mittelst seiner Prokura-
toren. Einen gemeinsamen Namen für die letztere Verwaltung
sttb signis ubique essety quantum pecimiae in aerario et fiscis et vectigdliorum
residtna, Adiedt et libertorum servorwnque noinina, a quibus ratio exigi
passet. Saeton Aug. 101. Dafs letzteres kein Ersatz für die Verantwort-
lichkeit des Princeps selbst war, bedarf keiner Aosführung.
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gab es noch nicht; wenigstens gebraucht Augustus in dem von
ihm hinterlassenen Aktenstück einen solchen nicht ^) Beiden
Verwaltungen gegenüber stand das Privatvermogen des Princeps,
sein Patrimonium] dem letzteren lag nach dem Herkommen alles
das ob, was der Princeps als Largition^ als freiwillige Schenkung
betrachtet wissen wollte, soweit er dies nicht etwa unter dem her-
kömmlichen Rechte des dem Feldherrn zustehenden und der Ver-
rechnung nicht unterliegenden Beutegelds (manübide) unterbringen
wollte (1, 819 A. 3). Was nun die Behandlung dieser Ver-
mogensgebiete betrifft, so ist nicht zu bezweifeln, dafs in der
Verwaltung selbst das Patrimonium und der Provinzialdienst ge-
sondert gehalten waren und dafs auch der Dienst des ägyptischen
Einkommens nicht mit dem Patrimonium zusammengeworfen
wurde. Allein gegenüber dem Gemeinwesen verfuhr Augustus
anders: ihm ist^ was er diesem auch aus Einkünften öffentlicher
Natur leistet, pecunia sua, und wenn er auch daneben Largitionen
ausdrücklich als vom Patrimonium aus geleistet bezeichnet, so ist
doch durch jenen Ausdruck der wahre Sachverhalt verdeckt;
denn mochte auch in dem, was er pecunia sua that, sein Privat-
vermögen mitbeteiligt sein, so war es doch nur der kleinere Teil
und deshalb jener Ausdruck ungerechtfertigt.*) In diesem Ver-
1) Säet. Aog. 101 (s. vor. A.) gebraucht dafilr fisci; über diese Stelle
vgl. Mommsen, Str. 2, 958 A. 1, der sie als aus Augusts Schriften eot-
Dommen vermutet. Bei Sneton c. 40 ist der Ausdruck fisco detrahere
(ob. S. 198 A 2) gebraucht Vgl. auch Hirschfeld, Verwaltungsgesch. 1,
2 A. 3 und unten im Syst
2) In dem allein für das Verfahren Augusts mafsgebenden Aktenstück,
dem index rerum gestarum^ sind angegeben als Leistungen, die nach dem
J. 27 fallen: im J. 23 lat 3, 11 duodecim frumentationes fnimenU) privatim
comto; im J. 22 1. 1, 34 — gr. 3, 8 die ct^atio annonae, Beseitigung der
BongersBOt tai:g ifuxtg dandvai^; im J. 14, wie schon im J. 30, l. 3, 22:
peeuniam pro agris, quos adsignavi mtlittbus, solvi municipiis und zwar für
die italischen agri im J. 30 600 Mill. Sest, für die provinzialen im J. 14
260 Mill., in den Jahren 7, 6, 4, 3^ 2 v. Ch. an praemia müitiae für die
Veteranen in Geld lat. 3, 28—33 400 Mill. libenter impendi; ferner in ver-
schiedenen Jahren, wobei das erste Mal im J. 28, quater pecunia tnea iuvi
aerariumy ita vt sesterHum milliena et quingentiena (160 Mill.) ad eos gm
praerant aerario detuUrim (vgl. Mommsen r. g. p. 66); femer an Bauten
4, 20 ff. Capüolium et Pompeium tJieatrum impensa grandi feci sine uUa m-
aeripUone nominis tnei, andere Bauten ohne Andeutung über die Kosten,
28 Tempel im J. 28 eo; decreU) senattis, Anderes von Cäsar angefangene
vollendet, wieder Anderes sub titulo nominis fUiorum meorum incohavi ei,
A fntms non perfeeissem, perfid ab heredibus iussi, endlich 4, 21 f. Bauten
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fahren lag die willkürliche Seite im Charakter des Principats
offen zu Tage und konnte keinen politisch Denkenden tauschen.
Allein teils weil das thatsächliche Verhältnis zum Teil wirklich,
ex manuhüs, ebenso dona für Tempel. Femer 1. 8, 40 ff. » gr. 9, 21 ff. im
J. 86 und weiterhin wiederholt cum deficerent vecHgäHa, tum centum miüibm
hominum tum pluribus inlato frumetUo vel ad nummarios ({ributus ex agro]
et pat[rim<mio] m[e]o [opem tult] « asizixag xal aQyvQmag awra^sig h t^
iftrig vnäQiBmg idmna. Sodann cangiaria an die plebs Bamana in dem
Jahre 24 ex patrimonio, in den Jahren 19 und 5 y. Ch. ohne Angabe der
Quelle, aas der es gegeben wurde; ferner 1. 4, 81 ff. Spiele aller Art kr
meo nomine et quinquiens ßiorum mearum; bis meo nomine et tertium nepcüs
mei; meo nomine quater, aiiorum atUem magistratuum vicem ter et videns; pro
conlegio XV virorum magister conlegi, consul; meo nomine out fUiorum meo-
rum et nepotum sexsiens et meiern. Endlich zu dem aerarium müUare im
J. 6 n. Ch. 170 Mill. Sest. ex patrimonio meo detüli. — Dats hier bei den Fra-
mentationen verschiedener Art, den Entschädigungen fflr Veteranengfiter, den
in Geld gezahlten praemia müitiae, bei dem iuvare aerarium und zum Teil
jedenfalls bei den Congiarien der ^eigene Aufwand' nicht die Inanspruch-
nahme des Frivatvermögens bedeutet, wird aufser Zweifel sein. Bei den
Bauten ist was ex decreio senatus wiederhergestellt wurde, auch aus dem
Arar geleistet worden; andere Bauten werden in ähnlicher Weise behandelt
worden sein wie unter der Republik, unter Zufügung eigener Ifittel zu
denen des Arars. Die Inanspruchnahme des reinen Frivatvermögens f3r die
Spiele ist noch weniger kontrollierbar, wie ähnlicher Aufwand bei den
Magistraten; wenn Augustus im Namen anderer Magistrate, wie Sneton
Aug. 43 es deutet, pro äliia magistrcUibus, qui aut ahessent awt non suffioe-
rent^ Spiele gab, so gehört dies unter die Kategorie der Unterstützongen,
die er der senatorischen Aristokratie, deren Mittel jetzt nicht mehr so leicht
wiederherzustellen waren wie unter der Republik, gewährte und billiger
Weise gewähren mufste, nachdem er die höchsten Ehren und Vorteile dar
Magistratur in sich konzentriert hatte. Zu voller Beurteilung dessen aber,
was er auf sein Patrimonium nahm, würde eine genauere Kenntnis der
Quellen gehören, aus denen sich das Patrimonium zusammensetzte osd
mehrte, ob das eigentliche Erbgut und die hinzugekommenen Erbschaftei^
in deren Annahme Augustus übrigens diskreter verfuhr als seine Nachfolger,
genügte, um es auf einer der Stellung entsprechenden Höhe zu erhalten.
Wir müssen uns in dieser Beziehung an die allgemeine Erklärung im
Testament des Augustus halten, wo er (Sueton Aug. 101) erklärte: excusaia
(betr. seiner Legate) rei famüiaris mediocritate^ nee plus perventurum ad
heredes suos quam müies et quingenties (160 Mill, Sest.) professuSj quamm
viginti proximis annis quaterdecies milies (4000 Mill. Sest) ex testameiUis
amicorum percepisset^ quod paene omne cum duobus patemis patrimmii
ceterisque Jiereditatibus in remp. absumsisset. Der Begriff des patrimomvm,
der mit der Fortsetzung des Frincipats eine eigene Geschichte hat, lA
beim ersten Frinceps noch identisch mit dem ererbten Privatvermögen und
dessen sämtlichem Zuwachs während der Reg^erungszeit. — Nach dieser
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zum Teil wenigstens scheinbar zum Vorteil des Ganzen ausschlugt
Tor Allem aber, weil Widerspruch nichts half, liefs man es sich
gefallen.
Indessen schliefslich erwiesen sich die Hilfsmittel des Ärars
und des kaiserlichen Provinzialfonds auf die Dauer unzureichend,
and man mufste sich nach neuen Hilfsmitteln umsehen. Als das
dringendste Bedürfnis erwies sich die Fürsorge für die Veteranen-
Tersorguug, die grofse Summen in Anspruch nahm, trotzdem dals
die Dienstzeit verlängert und dadurch eine Verminderung der
Ausgaben erzielt war. Augustus sonderte nun diesen Ausgabe-
posten der praemia milüiae aus, fixierte dieselben in Geld statt
in Land und gründete hiefür einen besonderen Fonds. Für diesen
stellte er, nachdem er aus eigenen Mitteln ihn mit 170 MilL Sest
fundiert hatte, an den Senat jenes Verlangen einer neuen Steuer
und setzte, da niemand andere Auskunft wufste, trotz dem allge-
meinen Widerwillen die von Cäsar schon ins Auge gefafste und
jetzt von ihm wieder aufgenommene Erbschaftssteuer von 5 Proe»
durch ^) und aufserdem wies er dieser Kasse jene Iprocentige Ver-
kaufssteuer (ob. S. 213 A. 1) zu.*) Hiedurch entstand ein neuer
öffentlicher Eassendienst, der des aerarium müitare, den er ge-
mischter Natur machte, indem er ihn zwar unter seine Leitung
Darlegung kann es sicli für die augusteische Zeit nur darum bandeln, an
der Hand des thatsftchlichen Materials die geschichtliche Grundlage für die
Begriffe Ärar, Fiskus, Privatvermügen zu gewinnen; die weitere Ausbildung
and die DanstelluDg des völlig ausgebildeten Rechts gehört teils der Folge-
zeit teils dem System an.
1) Dio 55, 25 (ausführlichere Darstellung). Mon. Ancjr. 1. 3, 35: in
(urarium militare^ quod ex consilio meo canstihUum est^ ex quo praemia
dwrefdwr militilms, qui vicena ac plura stipendia emeruissent, sest. miliens et
^«ptingepUiens ex patrimomo meo detuli. Sueton Aug. 49. Vgl. Hirschfeld,
das aerarium militare in Fleckeis. Jahrbb. 97 (1S68) S. 683 ff., wo nach-
gewiesen ist, dafs das aer. mil weder die Funktionen des Fiskus überhaupt
^atte, noch die Kosten des Heeres bestritt, sondern nur die Veteranen-
versorgung. Aus der Darstellung Dios ist zu entnehmen, dafs die Ein-
nchtoDg dnrch einen förmlichen Senatsbeschlufs erfolgte. Wenn es bei Dio
heilst: zffv iUoütriv tÄv xs %XriQmv %a\ zmv datQsmv — natsatrlaaTO atg xal
i9 Toig tov Kctiaa^og vnoiivi^fiaci ro riXog tovto ysyQaftftivov svQciv ig^Kto
P-y ya^ %al nqoxBQOv not 8 xataXv^hp dh fierä tavta avd^ig Toxf inavi^x9^y
m wird damit nicht eine Berufung auf das Zurechtbestehen der acta Caesaris
gemeint sein, sondern nur auf den Vorgang Cäsars hinsichtlich der Idee.
2) Vgl. Tac. ann. 1, 78: centesimam rerum vcnalium — deprecante
populo edixit Tiberius müitare aerarium eo subsidio niti.
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nahm, aber die Verwaltung durch magistratische Stellungen be-
sorgen liefs. Endlich bei der Einführung der neuen Feuerwade
im J. 7 n. Ch.^ zu einer Zeit, in welcher die Heeresbedürfiiisse
sich sehr dringend geltend machten, f&hrte er eine Steuer auf
den Sklavenkauf ein.^)
Dies war das System, welches Augustus bei seinem Tode
hinterliefs. Es ist klar, dafs das unbestimmte Verhältnis zwischen
dem aerarium und dem kaiserlichen Provinzialfonds, ferner die
unzureichende Ausstattung des aerarium puiblicum der ganzen
Finanzverwaltung den Stempel des unfertigen aufdrückte. Hier
war für die rechtliche und technische Ausbildung, insbesondere
für die erstere, ein Feld eröffnet. Die Richtung, in welcher diese
Ausbildung sich vollzog, war die, dafs man die Freiheit, welclie
Augustus in der Verwaltung des ihm unterstellten Gebiets sieh
mehr nur thatsächlich genommen, zu rechtlicher Feststellung
brachte, das aerarium nicht durch Zuweisung neuer Quellen sdb-
ständiger stellte, sondern vielmehr schwächte und die kaiserliche
Verwaltung immer mehr übergreifen liefs. Die Arbeit an dieser
Ausbildung aber war eine unausgesetzte; sparsame wie ver-
schwenderische Nachfolger des ersten Augustus suchten sich
durch Beformen zu helfen und die rechtlichen Befugnisse des
Fiskus, wie weiterhin die kaiserliche Seite der öffentlichen Finani-
Verwaltung hiefs, zu sichern.
Das Muusrecht. Mit dem Fiuauzwescn hängt zusammen, ist aber in htrvor-
ragender Weise ein Ausdruck des Systems der politischen Gewalt die
Ordnung des Münzrechts. Nach rechtlicher Konsequenz und dem
überlieferten Recht sollte in dem System des Augustus dem Senat
die Münzprägung im allgemeinen zustehen, dem Generalstatthalter
nur das Recht^ Münzen in seinem Provinzialgebiet prägen zu lassen.
August zog jedoch im Verlauf seiner Regierung das Recht, Gold-
unJ Silbermünzen prägen zu lassen, an sich und überliefs dem
Senat nur die Prägung der kupfernen Scheidemünze.*) Im An-
1) Dio 55, 81: 9(Qogds6fievog XQrnidtatv ngog xb tovs noXißovg nd ig
Tf/V rmv wxtotpvXamov tQoq>riv to tiXog rrjg n£vtri%o<rnig inl rf tmv «fdf«t-
nodiDv KQaoH igriyceyBw. Tac. ann. 18, 81: (im J. 57) vecUgal quimtae et
vicesimae vendliufn mancipiorum remissum, Ea fragt rieh, ob hier eine
Steigerung von 2 Proc. su 4 Proc. anzunehmen oder mit Lipsins und Momm-
8cn Str. 2, 974 A. 2 nsvrtinoütiig zu lesen ist.
2) Vgl. Mommsen, röm. Mönzwesen S. 739 ff. Als Resultat der Unter-
suchung über die Pr&gnngen der vom Senat bestellten Mflnzmeister spnebt
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schlols an den Vorgang Cäsars und der auf diesen folgenden
Machthaber genolB auch der Princeps die £hre, dals sein Bild
aaf die Münzen gesetzt wurde, nicht blofs auf die von ihm ge-
prägten, sondern auch auf die des Senats. — Die Zulassung der
Prägung von Scheidemünzen provinzialen und munizipalen Cha-
rakters fand aus Zweckmälsigkeitsgründen statt, und Augustus
bewilligte sie in noch ziemlich reichlichem Mafse. — Die neue
Ordnung des Münzrechts zog natürlich auch eine Organisation
des betr. Dienstzweigs nach sich, von der wir übrigens aus der
Zeit Augusts wenig wissen.
12. Das Reich, dessen Regierung mit der Übernahme des Der ftocsere
Principats dem Augustus zufiel, hatte seinem äufseren Bestand Beichs.
nach weder überall sichere Grenzen, noch bot es innerhalb der
geographisch angenommenen Begrenzung einen ununterbrochenen
Zusammenhang durchaus romischen oder den Römern wenigstens
botmafsigen Gebiets, noch war es in allen Teilen, die ihm unter-
worfen waren, befriedet. Es ist nun auch in dieser Beziehung
noch darzulegen, welche Aufgaben Augustus hier traf, wie er
sie in Anwendung der ihm verliehenen Gewalt löste und welche
Erfolge er hinterliefs.^)
Die Provinzen des Reichs waren während der Bürgerkriege
im Ganzen auffallend ruhig gewesen; insbesondere war das
mittlere und nördliche Gallien, für das die Römer in jenen Zeiten
wenig Truppen und wenig Fürsorge übrig hatten, ruhig geblieben,
obgleich oder weil es von Cäsar sehr unvollkommen unterworfen
war; in dem neuhinzugekommenen Teil des Südens, in Aquitanien,
wurde zuletzt noch im J. 27 gekämpft.^) In Spanien dagegen,
in dem die Kämpfe mit den Pompejanern noch lange nachwirken
Mommsen S. 743 aus: „Im J. 788 (16 v. Gh.) oder kurz nachher müSBen
die Mdnzmeiater, d. h. der Senat» das Recht verloren haben, in Qold und
Silber zu prägen."
1) Die äolBere Politik des Augustus und die Kriegsgeschichte seiner
Kegierang ist in den neueren Darstellungen der Kaisergeschichte ausführlich
^handelt, zuletzt von MommseD, röm. Gesch. Bd. V, sowohl in dem Ab-
x^mtt fiber die Nordgrenze Italiens (S. 1—66) als bei den einzelnen Fro-
zen. Hier handelt es sich nur um die Grundzüge. Augustus selbst
spricht sich über seine auswärtige Politik aus mon. Anc. lat. 5, 9—6, 12,
wozu der Kommentar von Mommsen. Eine summarische Zusammenstellung
giebt auch Sueton 20—28.
2) Hierauf bezieht sich fast triumph. zum J. 727 varr.: M, Vaieriua
^maüa Carvinus pro cos. ex GäUia.
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- 220 —
mufsten, verharrte der auch früher nie genügend onterworf^uie
Nordwesten in fortwährendem Widerstand; in den Jahren 27— 24,
in denen August selbst in Spanien thätig ist^ wird ununterbroehefl
gegen die Eantabrer und Asturer gekämpft, nach der Unter-
werfung Yom J. 24 bricht der Aufstand im J. 22 aufis neue ans,
und erst in den Jahren 20/19 gelingt es dem Agrippa, duieb
Verpflanzung der noch von den Kämpfen übrigen Bergbewohner
in die Ebene Buhe zu schaffen. Die Dauer derselben sollten die
in jene Gegenden gelegten Legionen verbürgen, deren es nicht
weniger als drei waren. ^) Bei der darauf folgenden neuen Organi-
sation der Halbinsel wurden drei Provinzen gebildet, indem die
jenseitige Provinz in zwei, Bätica und Lusitanien, geteilt wurd^
von denen die erstere dem Senat verblieb.*) Um dieselbe Zeit,
da in Spanien zu kämpfen war, brachen auch in demjenigen Tdl
der Westalpen, der als unterworfen galt und dessen Haltung fSr
die Verbindung mit Gallien sehr wesentlich war, abermals (oben
S. 121 A. 1) die Salasser los; ihre Besiegung nahm die Jahre 26^5 in
Anspruch, an die Stelle des so gut wie ausgerotteten Stammes
trat die Kolonie Augusta Praetoria (Aosta).^) Damit waren aber
die aufständischen Bewegungen in früher schon unterworfenen
Gebieten zu Ende, alle übrigen Kämpfe standen mit dem Grenz-
schutz und der Unterwerfung der bisher noch freien Alpenvolker
in Zusammenhang.
Die Grenzen des Reichs waren nach dem Tode des Diktator»
Cäsar infolge von dessen gallischen Kriegen, seinen Plänen hin-
sichtlich Britanniens und des gegen Parthien beabsichtigten Feld-
zugs an den wichtigsten Punkten nicht fest bestimmt, und die
darauf folgenden anderthalb Jahrzehnte waren nicht geeignet
gewesen, die hier offenen Fragen zu losen, hatten vielmehr dordi
die Kriegführung Octavians in Illyrien, des Antonius in Asien,
die Annexion Ägyptens, die Absetzung des Herrschers von
Mauretanien neue Probleme gebracht Die Losung derselben war
die Aufgabe, welche die auswärtige Politik Augusts während seines
1) Tac. ann. 4, 6: Hispaniae recens perdomüae tribus (tegionibus) habe-
ha/ntwr; über die Nummern und die Verteilaog denelben vgL Mommseo
a. a. 0. S. 69 f.
2) Strabo 8 p. 166. App. Hi8p. 102. Marquardt, Staatsverw. 1', 253
A. 4. MomniB^n, res gestae d. Aug. * p. 222 (ad p. 119), derselbe, röm.
Gesch. 5, 58 A. 1.
3) Dio 58, 26.
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— 221 —
ganzen Principats beschäftigte. Die Frage, ob nach Britannien
eine neue Expedition gemacht werden sollte, hatte schon den
TriumTir im J. 34 beschäftigt und kam, damals aufgegeben, not-
wendig wieder, als Augustus sich im J. 27 nach Gallien begab,
aber nur^ um jetzt wieder aufgegeben zu werden und dann auf-
gegeben zu bleiben.^) In Afrika handelte es sich zunächst um
die Verfügung über Numidien und Mauretanien. Jenes, das der
Diktator Cäsar eingezogen hatte, blieb annektiert und mit der
alten Provinz Afrika vereinigt; Mauretanien, das im J. 33 durch
den Tod des Königs Bocchus herrenlos geworden war, wurde im
J. 25 an Juba, den in Rom erzogenen Sohn des letzten Königs
von Numidien gegeben, also in der Form eines Vasallenreichs
gelassen.^ Die Grenze beider Gebiete gegen Süden blieb damit
80 bestimmt oder unbestimmt, wie sie es unter den froheren
Herrschern gewesen war. Aus der Provinz Afrika werden unter
den Jahren 21 und 19 Kämpfe gemeldet: sie hatten aber nur
ein lokales Interesse, indem es sich blofs um Sicherung der
Grenze gegen einige Nachbarstämme, insbesondere die Gara-
manten, handelte.') Das Königreich Ägypten übernahm Augustus
in der Ausdehnung, die es unter den Ptolemäem gehabt^ d. h. südlich
bis Syene, wo die Grenze gegen Äthiopien war; allein er wurde
durch die von diesem Nachbarland aus um 24 gemachten Ein-
falle genötigt, die Grenze zu überschreiten. Indessen wurde trotz
des Erfolgs, den der die Expedition leitende Statthalter von
Ägypten, Petronius, hatte, die Grenze in dieser Richtung nicht
Terschoben. Diese Mäfsigung stand in Kontrast mit dem offen-
siven Vorgehen, das unter dem Vorgänger des Petronius, Älius
1) Dio 49, 38. 58, 22. 25. Angastos selbst spricht von diesen Plänen
nichts, sondern erwähnt (mon. Ano. 6, 2) nnr, was einige Genngthuung ge-
währte nnd auch von Strabo (p. 200) als Nachwirkung der cäsarisohen Expedi-
tionen erwähnt wird, die Botschaften nnd Geschenke britannischer Fürsten.
2) Ob. S. 196 A. 2. Über die mit andern Thatsachen nicht vereinbaren
Angaben Dios (49, 48. 51, 15), wonach Numidien im J. 38 Provinz geworden,
im J. 29 aber dem König Juba übergeben worden wäre, um 25 diesem,
der dann Mauretanien erhielt, wieder genommen zu werden, vgl. Mommsen,
r. G. 5, 628 A.
3) Vgl. die Trinmphalüisten zu den genannten Jahren und Mommsen,
r. g. d. A. p. 170 f. Die Kämpfe, welche in den Jahren 4 und 1 v. Ch. in
Afrika geführt wurden (Vell. 2, 116: quem honorem [sc ornctmentorum
^nwii]^udium] ernte paucos annos Fässienus et CJossus ex Afirica meruerunt;
vgl. Mommsen, r. g. p. 18. 103), waren wohl derselben Art.
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— 222 -
Gallus, gegen die Sabäer in Arabien anbefohlen worden war.
Dieses bei Augnstus höchst merkwürdige Vorgehen — nra so
merkwürdiger, weil er auch später wieder darauf zurückkam -
scheiterte gänzlich, und der Mifserfolg mochte zu dem Festhalten
an der überkommenen Grenze in Ägypten beitragen.^)
Von gröfster Tragweite war die Stellung, die man von
Augustus den Parthem gegenüber zu erwarten hatte.*) CSsar
hatte beabsichtigt und Antonius versucht, den Krieg über den
Euphrat hinüberzutragen mit der Intention, bei günstigem Erfolg
es nicht bei der Euphratgrenze zu belassen. Jener war durch
den Tod, Antonius durch das yöllige Mifsglücken des Einfalls in
Medien im J. 36 von der Verfolgung solcher Eroberungsplwie
zurückgehalten worden. Augustus entsagte denselben von vorn-
herein: die Euphratgrenze sollte festgehalten bleiben, Grofsarmenien
nicht Provinz werden^), und die Auseinandersetzung mit den Par-
thern reduzierte sich auf Ziele, die man hoffen konnte, ohne
1) Mon. Anc. lat. 6, 18—23: meo itMSU et ausptcio ducti sunt [duo]
exercittis eodem fere tempore in Aethiopiam et in Arld]biam, quae appeX^aiw]
eudaenum etc., wozu Mommsen, r. g. p. 106 sqq., wogegen ErQger, der
Feldzng des Älius Gallns. Wismar 1862 xmd Schiller, r. K. 1 p. 198 nach-
gewiesen wird, dafs Petronios dem Älius Gallus in der Präfektor Ägyptem
nachgefolgt ist und Alias im J. 25/24 den arabischen Feldzag als Präfekt
gemacht hat (Dio 53, 29: 6 trig Alyvnxov agionv). Die Zeitbeetimmnng
untersacht geaaner Joh. Schmidt im Philologus 44 (1885) S. 463 f. and
sacht das eodem tempore des Aagastas noch genauer durch die Darlegung
zu rechtfertigen, dafs der in Ägypten zurückgebliebene Petronios ab Stell-
vertreter des im J. 26 nach Arabien abgegangenen Alias einen EinfEÜl der
Athioper ausgehaltcn und die weiteren Feldzflge gegen diese als Nachfolge
des Alias in der ägyptischen Präfektar gemacht habe. Als Grund der
arabischen Expedition führt Mommsen, r. G. 5, 607 f. die römischen Handeb-
interessen gegenüber den konkurrierenden Sabflem aus. — Auf AralMo
wollte Aagust zurückkommen im J. 1 y. Gh. gelegentlich der Sendung des
C. Gäsar in den Orient (Plin. n. h. 6, 141)'; aber der Tod des Prinzen scbutt
auch dies ab.
2) Über die partbischen, armenischen, modischen Verwicklungen dieser
Zeit Tgl. mon. Anc. 1. 5, 24—81. 40—48. 54—6, 1. 9—12. Die kritische
Behandlung mit Zuziehung der litterarisohen und monmnent^en Zeugnisse
bei Mommsen, r. g. d. A. p. 109 ff., erzählende Darstellung bei Schiller,
Gesch. der r. E. 1, 190 ff. Mommsen, r. G. 5, 389 ff.
3) Mon. Anc. 5, 24: Armeniam maiorem interfecto rege eius Artas»,
cum possem facere provinciam, mcdui mcUorum nostrorum exemph regnum id
Tigrani regis Artavasdis fUio, nepoti autem TigraniB regis, per 2V. Nenmm
iradere, qtU tum mihi privignus erat.
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- 223 —
iprofsen Krieg in Parthien zu erreichen, die Herausgabe der dem
Crassus abgenommenen Feldzeichen, sowie der in den früheren
Kämpfen gemachten Gefangenen und die Besetzung des grofs-
armenischen und womöglich auch medischen Throns mit einem
römischen statt mit einem parthischen Vasallen, also eine Ausübung
Toa Einflufs wenigstens auf dem jenseitigen Ufer des oberen Eu-
pbrat Beides wurde im J. 20 bei der Anwesenheit des Augustus in
Syrien erreicht, ebenso sehr durch Diplomatie als durch das be-
wafihete Einschreiten des jugendlichen Tiberius in Armenien; aber
hinsichtlich dieses Landes hatte die Yorsichtige Politik Augusts,
weil sie in Parthien ein mächtiges Nachbarreich bestehen liefs,
zor Folge, dafs Armenien fort wahrend der Zankapfel zwischen
den beiden Reichen blieb. Im J. 6 v. Ch. kam das Land wieder
auf mehrere Jahre auf die parÜiische Seite, das Eingreifen des
Adoptivsohns C. Cäsar brachte im J. 2 n. Ch. wieder die römische
Partei zur Herrschaft, aber der damals geführte Krieg kostete
dem Kaiser den zum Thronfolger ausersehenen Adoptivsohn, und
in Armenien wurde doch wieder nur auf kurze Zeit geholfen, am
meisten dadurch, daCs die Parther durch Thronstreitigkeiten yer-
anlafst waren, sich von August für das eigene Reich einen König zu
erbitten, der bisher in Rom gewesen war. Durch die Herein-
tiehnng dieses Lands in den Bereich der römischen Macht war
diese veranlafst, sich auch die Noidgrensfe Yorderasiens vom
schwarzen zum kaspischen Meer durch Vasallen zu sichern,
worfiber wohl ebenfalls im J. 20 die erforderlichen Abkommen
getroffen wurden.^) Am schwarzen Meer selbst war das bos-
poranische Reich schon von Cäsar her dem römischen ange-
schlossen.
War es dem Augustus im Orient gegenüber einer bestimmten
einheitlich gestalteten und repräsentierten Macht und unter geogra-
phisch leichter übersehbaren Verhältnissen möglich gewesen, der
eigenen Politik feste Grenzen zu ziehen, so lagen die Verhältnisse
ganz anders im Nordwesten gegenüber von Völkern, die niemals auf
einige Dauer unter einer bestimmten Herrschaft standen und bei
denen alles von den Impulsen einer noch ursprünglichen und
ungeregelten Kraft abhing. Man konnte wohl die Rhein- und
1) Mon. Anc. 5, Bl: nostram am[icitiam petierwnt] per legatos Bastarncie
ScytÄafgii« et Sarmatarum q[ui 8%mt citra ßu]men Tanaim et tdtra reges,
-AifxMiorymque rex et Hiber[ortm et Medorum\. (Der griechische Text ist
^oUstftiidig.)
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- 224 —
DouaDgrenze als Princip aufstellen und sich vor ProvokatioDen
liQten, um dieses Princip zu wahren: wenn die Bewegung yod
der andern Seite diese Grenze nicht anerkannte, so mufste Gegen-
bewegung erfolgen, und dann erwuchsen leicht ganz neue Ziele.
Beinahe drei Jahrzehnte lang nachdem Cäsar den Rhein aber-
schritten, hatte sich die Planlosigkeit und der geringe Zusammen-
halt der germanischen Stamme fQr die Romer günstig erwiesen.
Gallien blieb unbehelligt und Augustus konnte die provinzielle
Organisation dieses Landes, den gallischen Census und die Art
der Besetzung der Grenzdistrikte, grofse Fragen, die ruhige Zeit
verlangten und bei der Belastung, welche sie den Gralliem
brachten, leicht zu Ausbrüchen der Unzufriedenheit führen konnten^
wenn nicht durchführen, so doch fest begründen. Nur im J. 37
war Agrippa veranlafst, über den Rhein zu gehen, um den mit
Jen Römern befreundeten Ubiern zu helfen, wobei es sich jedoch
als notig ergab, dafs man dieselben über den Rhein herüberzog
und im diesseitigen Gebiet zwischen Bonn und Köln ansiedelte
— zugleich ein deutliches Zeichen, dafs man damals an Erobe-
rungen auf dem linken Ufer nicht dachte. Dann wurde Gallien
zum ersten Male wieder von Germanien her beunruhigt im J. 19,
zur selben Zeit, als Agrippa das Kommando in Spanien fahrte
— er konnte in Verbindung damit auch in Gallien Ruhe schaffen;
aber bald wurde die Bedrohung ernster. Zwar war die Nieder-
lage, welche die im J. 16 in Gallien eingefallenen mittelrheini-
sehen Germanenstämme dem Lollius beibrachten, mehr schimpf-
lich — wegen des Verlusts des Legionsadlers — als auf die
Dauer fühlbar, weil diese Stamme, als die romische Gegenwehr
sich ernstlicher gestaltete und Augustus selbst auf den Platx
kam, sich wieder entfernten und Frieden schlössen; aber der
lange Aufenthalt, den Augustus damals in Gallien nahm, sowie
eine Reihe von andern Umstanden in der damaligen Lage des
Reichs führten nun dazu, dafs er umfassenderen Planen, die
schliefslich zur offensiven Kriegführung im grofsen Stil führten^
dcb zuwandte.
Die erste grofse Unternehmung aber betraf nicht die Rhein-
Frenze, sondern die Alpen. Gleichzeitig mit dem Einfall der
fiberrheinischen Germanen hatten Bedrohungen Italiens und
Störungen des durchgehenden Verkehrs durch die noch freien
Alpenvolker die Notwendigkeit, diese unschädhch zu machen, aufs
neue dringend nahe gelegt, und so wurde denn hier zuerst sowohl
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mm Schutz Italiens als zur Sicherung des Verkehrs mit dem
!^orden und zur Rückendeckung für Operationen am Rhein das
criegerisehe Vorgehen in Scene gesetzt. Wenige Jahre vorher
iraren die orientalischen Verhältnisse so geordnet worden, dafs
ron dort keine Verwicklungen zu fürchten waren, Augustus hatte
m seinen Stiefsöhnen kräftige Stützen gewonnen, eine genügende
rruppenstärke stand zur Verfügung, und so wurde denn die Er-
oberung der Alpenländer zwischen Italien und dem oberen
Donangebiet in Angri£P genommen.^) Zum ersten Mal wurde
hier die Kombination gemeinsamen Vormarsches von Süden und
von Westen her angewandt, indem Drusus von Italien, Tiberius
Ton Gallien her gegen die Rater und Vindeliker vorging, und
der eine Feldzug des Jahrs 15 genügte, um die Unternehmung
zu Ende zu führen. Rätien und Vindelicien wurde als Provinz
dem Reiche zugefügt, in den Westalpen die Einfügung der bisher
noch freien Seealpen, des in freier Weise verbündet gewesenen
cottischen Reichs und der die westliche Kette schliefsenden graji-
schen Alpen vollzogen, und da kurz zuvor im J. 16 von lllyricum
her auch das norische Königreich in romische Botmäfsigkeit ge-
bracht war, so war nunmehr vom Fufs der Seealpen bis nach
Uiyrien hin alles Alpengebiet römisch, der Weg von Italien bis
Kar oberen Donau frei und eine Verbindung vom Rhein zur
Donau ermöglicht. Diese Erfolge gestatteten nun auch am Rhein
selbst energisch vorzugehen und mulsten, selbst wenn nicht die
illyrisch-pannonischen Vorgänge von sich aus dies nahegelegt
hatten, auf eine weitere Kombination der Rhein- und der Donau-
armeen führen. Die Operationen am Rhein wurden, nachdem
1) Mon. Anc. 5, 10—18. 44—49. Andere zeitgeDÖssische Qaellen sind
Strabo bei Beschreibung der betreffenden Gegenden (vgl. z. B. für den
räiasch-vindelicischen Feldsng p. 292) nnd VellejuB, der (2, 111) in dem
paonoDitchen Krieg im J. 107 in die Aktion mit eintritt; von späteren ist
der ansfQhrlichste Die zu den betr. Jahren. Die Fülle der historischen und
topographischen Litteratur der Neuzeit anzuführen ist nicht dieses Orts;
von kritischer Bearbeitung neuester Zeit vgl. Abraham, zu den german. und
ponnon. Kriegen des Augustus 1876. Zippel, die rOm. Herrschaft in Illyrien
bis auf Cäsar 1878. Mommsen, r. g. d. A. p. 108 ff., 128 ff. Erzählende
Darstellung bei Dahn, Urgeschichte der german. und roman. Völker 1, 28 ff.
Schiller, Gesch. d. r. K. 1, 206 ff. Mommsen, r. G. 6 Kap. I. IV. VJ. All-
gemeine Beurteilung bei Mommsen, die germanische Politik des Augustus in
d. Zeitschr. 'im neuen Reich* 1 (1871) 67 ff. Victor Duruy, bist, des Ro-
mains IV (1882) p. 96 ff.
Htriog, d. röm. StMitverf. IL 1. 18Digitized by VjOOQIC
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Augustus im J. 13 Gallien verlassen hatte, in die Hände des
Drusus gelegt, und es erfolgten nun teils in selbständigem Offen-
sivplan teils in Erwiderung auf die feindliche Haltung der
Sugambrer und ihrer Verbündeten in den Jahren 12 — 9 die
Untemehnoung gegen das Land zwischen Niederrhein und Weser
Ton der Küste her, der Zug nach der Weser zu den Cheruskern
an der Lippe hin, der Feldzug vom Mittelrhein aus gegen die
Chatten, endlich im Jahre 9 die Überschreitung der Weser und
der Vormarsch zur Elbe, der durch den Tod des Dnisus auf
dem Rückweg bezeichnet ist Der Gedanke an Unterstützung
dieser Operationen von Batien und Noricum aus ist noch nicht
zu bemerken, auch ist zu beachten, dafs zwar von Kastellen bis
zur Elbe hin die Rede ist*), aber nie die Legionen ihr Winter-
lager auf dem linken Ufer angewiesen erhielten, sondern stets
wieder über den Rhein zurückgingen. Die Rheinlinie selbst aber
wurde, wenigstens von Mainz an abwärts neben den groÜBei)
Winterlagern mit Kastellen besetzt und die Truppenstarke in
den beiden linksrheinischen germanisch- keltischen Distrikten auf
acht Legionen normiert. — Indessen waren aber auch an der
unteren und mittleren Donau wichtige Fortschritte gemacht und
durch allmähliches Vorrücken der Anschlufs an die mit der Ein-
beziehung Noricuras erreichte Flufsbesetzung erzielt worden.
Die Stellung, welche Octavian in Illyrien als Triumvir er-
zielt hatte (ob. S. 120), konnte erst vervollständigt werden,
seitdem mit der Besiegüng des Antonius auch Makedonien ihm
zur Verfügung stand. Noch vor der Feststellung des Principais,
im J. 29, ging denn auch der Statthalter von Makedonien, M.
Crassus, dort vor und nahm den bisher unabhängigen mosischen
und thrakischen Stämmen zwischen seiner Provinz und der
Donau ihre Selbständigkeit, wahrscheinlich in der Weise, dafs
wie schon vorher in Thrakien, so nun auch in diesem Gebiet
eingeborene den Römern botmäfsige Fürsten die Grenzhut über-
nehmen sollten. Wie schon oben (S. 190 f.) bemerkt, wurde es
dadurch möglich, bei der Verteilung der Provinzen im J. 21
Makedonien dem Senatsteil zuzuweisen. Von Illyrien ans wurde
damals nicht über das unter dem Triumvirat Erzielte hinaus-
1) Flor. 4, 12 (=» 2, 30 Halm): (DrusuB) praeterea in tutdam prodncuu
praesidia atque custodias ubique dispoßutt per Mosern flumen, per Albin, p^
Vitmrgin; in Rheni quidem ripa quinquaginta atnplius ccuieUa direxit.
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— 227 —
gegangen. Ein Vorgehen wurde auch hier von aufsen hervor-
gerufen um dieselbe Zeit wie in den Alpenläudern und am
Rhein, sei es, dafs in der That gerade damals auch auf dieser
Seite ein besonderer Ansturm stattfand oder dafs man Angriffe,
die wohl auch sonst vorkamen, damals ernster nahm; indessen
spricht der Umstand, dafs bei der Teilung der Provinzen auch
Illyricum dem Senat überlassen worden und die ganze Zeit her
ibm geblieben war, dafür, dafs bis zum J. 16 Ruhe geherrscht
hatte. Die Abwehr des Einfalls von aufsen erfolgte ohne Mühe;
enister dagegen wurde die Sache, als in der illyrischen Provinz
selbst ein Aufstand ausbrach, und hier war nun im J. 13 Agrippas
aafserordentliches Kommando eingetreten. Dieses hatte so rasch
geholfen, dafs Agrippa, der im Herbst erst von Syrien gekommen
war, schon im Frühjahr 12 wieder nach Italien zurückkehren
konnte. In eben diesem Jahr starb er jedoch, und als nun eine
Erneuerung des Aufstands folgte, wurde nicht bloDs di« Provinz
kaiserlich, sondern auch ein neues Oberkommando hergestellt
und in die Hände des Tiberius gelegt, der in den Jahren
12—10 V. Chr. nicht blofs die Ruhe diesseits der Savegrenze
herstellte, sondern jetzt auch über diese hinaus zur Drau vor-
rückte, um von hier aus Anschlufs an die norische Grenze zu
nehmen, während man sich för das Gebiet zwischen Drau und
Donau wohl mit indirekter Abhängigkeit begnügte, auch wohl
hoffte, dafs das schonungslose Verfahren, das Tiberius gegen die
Besiegten geübt, seine Wirkung thun werde. Bald darauf wurde
das Grenzverteidigungssystem an der unteren Donau infolge von
Aufstanden dadurch vervollständigt, dafs das Land zwischen diesem
Flufa und dem Balkan von der Drina ostwärts bis zum schwarzen
Meer zur Provinz Mösieu gemacht wurde, was natürlich auch
ior den oben angrenzenden pannonischen Bezirk von Wichtig-
keit war.
Kurz nach dem pannonischen Kommando wurde Tiberius
dazu berufen, an die Stelle von Drusus in Germanien zu treten,
zunächst um die von letzterem erzielten Erfolge zu befestigen.
Ohne Zweifel hätte die Übernahme dieses Postens durch den
Mann, der soeben die Führung im Donaugebiet gehabt, schon
jetzt bedeutendere Eonsequenzen nach sich gezogen, wenn nicht
eben damals im J. 6 wieder der Orient Schwierigkeiten gemacht
und zugleich Tiberius seinem Stiefvater den Dienst versagt hätte.
In den Jahren, die auf diese Wendung in den Regierungskreisen
lÖ*Digitizedby Google
- 228 -
folgten, wurden zwar die errungenen Vorteile an Rhein ond
Donau nicht unmittelbar beeinträchtigt, aber es bildete sich da-
mals das Markomanenreich des Marbod in Böhmen, gleich ge-
fährlich für die römische Stellung zwischen Rhein^ und Elbe,
wie für die Donauprovinzen ^), zugleich freilich ein wirkhches
Reich, zu dem ein politisches Verhältnis möglich war. In welchem
Zusammenhang mit diesen Verhältnissen die Expedition des
Domitius Ahenobarbus stand, die ihn sogar jenseits der Elbe
führte, ist nicht zu ersehen; es scheint, dafs ein zufalliges Er-
eignis, das Herankommen eines unsteten Hermundurenschwarms
an die römische Grenze, ihn veranlafste, von Rätien oder Norikum
aus in das Markomanengebiet überzugreifen, um jenen Schwann
anzusiedeln, und dafs ein günstiger Augenblick ihm gestattete^
nicht blofs unbehelligt dies auszuführen, sondern sogar eine Re-
kognoszierung über die obere Elbe vorzunehmen: eine gröfsere
Tragweite scheint sein Unternehmen nicht gehabt zu hahen.^
1) VeU. 2, 109: (Maroboduus) erat etiam eo timendus, quod cum Ger-
maniam ad laevam et in fronte, Fannoniam ad dextram^ o tergo sedivm
stutrum hoher et Noricos, tamquam in omnis semper venlurus ab ammbrn
iimebatur. Nee securatn incrementi sui patitbaiur esse Itäliam, quippe eu»
a summis Älpium iugis, quae finem Italiae terminant, initium eius finium
hcmd müUo plus ducenHs müibus passuutn abesset,
2) Diese Expedition des L. Domitius, eines dem Cäsarhanse nahe va--
wandten Mannes, Cons. im J. 16 y. Chr., ist ihrer Bedeutung nach unklar.
Die 65, 10* sagt: *0 Jofi^ttog ngoxigov iiiv, frag hi riov n(f6g''laxQm %(oqüof
fiQx^f ^o^ff T£ * Egfiovvdovffovg in trjg oinBÜxg ovx old' onmg iiccvacxartai
%ctl natu ii^rjciv Brigag yijg nXavmitevovg vnolaßav iv f/J^Bi x^g Mti^M-
ficcvvtdog naxmmaB xal xov 'JXßiav {tTj^Bvog of ivavriovfiBvov duißag qnUaf
ts totg iyLBlvd ßaqßaqoig avvid'szo aal ßmiiov in avxov Tcj5 Avyovcta
iSQvaccTO, Tot 6 Sl nq6g xb xov *Prjvov iiBtBld'mv xai iTUCBaovtag «W
XBQOvciicav natayccyBiv 61' irsgav id'Bli^aag idvexvpiaBv, Domitius komman-
dierte also in der Zeit der Zurückgezogenheit des Tiberius zuerst in lUynen,
später am Rhein. Wie die Expedition von Illyrikum aus geographisch >°
denken ist, ist lediglich der Vermutung anheimgegeben, aber es konnte sidi
da nur um die Richtung gegen die obere Elbe handeln. Dafs 'diese Ex-
pedition nur eine Episode bildete, nicht Teil einer gröfseren Eomhination
war, geht aus Dio hervor. Doch erhellt aus Tac. Ann. 4, 44 {pofi exer-
citu flumen Älbim transcendit longitis penetrata Germania quam quisqita»
priorum; easque ob res insignia triiMnphi adeptus est), dais der glSck-
liche Vorstofs über die Elbe Aufsehen erregte. In seinem Kommando am
Rhein legte er die pontes longi an (Tac. ann. 1, 68). Dafs der sonst nicht
bedeutende Mann jene Unternehmung ausführen konnte, ist nur durch be-
sonders günstige Umstände erklärlich. Der Erfolg mag dazu beigetragen
haben, dafs man sich zu dem Feldzug gegen Marbod entschloß.
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— 229 -
GroCsere Ziele kamen in diese Grenzverhältnisse erst wieder
mit der Rückkehr des Tiberius nach Germanien im J. 2 n. Chr.
Er ergriff das Kommando wieder in einem Augenblick, in dem
unter den Germanen auf dem rechten Rheinufer bedenkliche
Zeichen einer beabsichtigten Erhebung bemerkt wurden. Dies
war nun ihm gegenüber nicht gefährlich, und der Erfolg seines
Auftretens war der, dafs der Plan^ die Rheingrenze zu verlassen
and die Grenzwehr an die Elbe zu verlegen^ immer deutlicher
hervortrat; die wichtigsten Schritte zur Verwirklichung dieser
Idee varen, dafs vom J. 4 auf 5 zum ersten Mal das Winterlager
rechts vom Rhein an den Lippequellen genommen und wie früher
anter Drusus in die Weser, so nun von der Küste her in die
Elbe eingefahren wurde. ^) Aber wenn man diese Stellung be-
haupten wollte, so mufste man mit Marbod auf die eine oder
andere Weise sich auseinandersetzen. Es scheint, dafs August
und Tiber eine Zeit lang hofften, es könnte ein friedliches Ver-
hältnis bestehen, indem Marbod, der den benachbarten Volks-
genossen gegenüber einer Stütze bedurfte, an den Römern diese
suchen könnte, seinerseits in römischem Interesse die böhmische
Grenze hütend in ähnlicher Weise, wie dies in Thrakien und an
der Nordgrenze Vorderasiens durch Vasallen geschah. Allein
das Verhalten des Germanenfürsten war dieser Hofl&iung nicht
g&nstig, und so wurde gegen ihn gerüstet und zwar nunmehr
von zwei Seiten, vom Rhein und von der Donau her. Tiberius
selbst ging von der Donau aus, Sentius Saturninus sollte von
Khein und Main aus sich mit ihm vereinigen, und bereits waren
beide Heere auf dem Punkte, die Vereinigung zu vollziehen, als
ein in Pannonien und Dalmatien ausbrechender Aufstand den
Tiberius nötigte, mit Marbod rasch ein friedliches Abkommen zu
treffen und alle Kraft zur Bekämpfung der Aufstandischen zu
verwenden. Drei Jahre (6 — 8 n. Chr.) währte dieser Kampf,
zom Glück der Römer von Marbod unbenutzt gelassen, und es
schlofs sich an ihn noch ein Feldzug gegen die Daker jenseits
der Donau an, weil diese im J. 6 n. Chr. in Mösien eingefallen
1) Vell. 2, 105: tutela imperii (Ti, Caesarem) veris tnitio reduocit in
^cnRamam, in ciUtM mediia finibus ad captU Lupiae fUtminis hibema di-
9^ediens princeps locaverat 106: tnira felicitate et cttra duds temporumque
^^Wrantta classis, quae Oceani circumnavigaverat mvus, ab ina%idiio atque
***<»^mto anU mari flumine Älbi sübvecta — exereitui Gaesarique se iunxitf
^gl darüber auch mon. Anc. lat. 6, 14 f. r^ i
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waren. Im J. 9 n. Chn war die uotere Donaugrenze wieder
gesichert und es konnte nun aufs neue in Frage kommen, ob
man die unterbrochene Unternehmung gegen Marbod aufnehmen
wolle. Allein nun folgte die Katastrophe im Teutoburger Wald,
die den Tiberius wieder nach Germanien rief, und wenn auch
seine und vom J. 12 n. Chr. an des Germanicus Thätigkeit am
Rhein bald weitere Grefahren ausschloljs, so fand Augustus doch
nicht mehr den Entschlufs, den Plan der Eibgrenze wieder auf-
zunehmen. Bei seinem Tod war die Grenzfrage allerdin^ in
ihren beiden konkreten Aufgaben, hinsichtlich des Vorrütkens
vom Rhein zur Elbe wie hinsichtlich der Stellung zu Marbod,
noch offen, aber damit, dafs sie nicht unmittelbar nach der Ab-
wehr jener Schläge aufgenommen worden, war den Bedenken
gegen ihre Lösung in der früher beabsichtigten Ausdehnung in
entscheidender Weise Raum gegeben, zunächst im Sinne des
Augustus, damit aber auch im Sinne des Nachfolgers, der Yom
Anfang seiner Regierung an die Unterordnung unter das Testa-
ment des Augustus proklamierte. Obgleich nun die schliefshche
Entscheidung erst unter die Regierung des Tiberius fallt, so mag
doch schon hier auf die Gründe der Entscheidung eingegangen
werden. Als untergeordnet darf wohl die Frage der Erreichung
des Ziels betrachtet werden: es mochte schwierig sein, eine fesk
Elbegrenze zu gewinnen und den böhmischen Kessel hinter sich
zu bringen, aber unmöglich war es zunächst nicht. Ob das Ziel
die Opfer rechtfertigte, war die Frage. Dieses Ziel aber konnte
nicht in weiterem Landgewinn, sondern nur in besserer, d. h.
kürzerer und leichter zu verteidigender Grenze gesucht werden.
Dies fiel auch sehr wesentlich ins Gewicht; es stand dem jedoch
gegenüber, dafs schon Galliens wegen die Besetzung des Rheins
damit nicht erspart blieb. Zu solchem Aufwand aber war es schwer
den Mut zu finden, nachdem eben die Rekrutierung für den
pannonischen und germanischen Krieg nur mit der größten
Schwierigkeit hatte vollzogen werden können.*) Indessen in der
Zeit der Erwägung, die dem Augustus gewährt war, mochten
auch andere politische Gründe bei dem ängstlich wägenden
Herrscher sich Geltung verschaffen. Die grofsen Erfolge seines
militärischen Vorgehens im Westen, erreicht einzig und allein
1) Vgl. auch die Besprechung dieser Grenzfrage bei Daruy, h. des
Eom. IV p. 290. Mommaen, r. G. 6, 60—64.
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— 231 -
durch sein und der zu seinem Hause gehörigen Männer Vor-
gehen, hatten die Idee irgend einer Form der Alleinherrschaft
gerechtfertigt und fQr die Zukunft unüberwindlich festgestellt.
Dafs sie in der Form des Principats erhalten bleiben solle, war
des Aagustus Wille, zugleich, dafs diese Würde in seinem Hause
bleibe. Es war dies ein Vermächtnis, in welchem das Interesse
an dem politischen Werk eines ganzen Lebens, die Familien-
politik und der Gedanke an die Wohlfahrt des Reichs, der dem
in der Herrschaft gesicherten Augustus nicht zu bestreiten ist,
sich begegneten. Die Einrichtung und Behauptung von Pro-
vinzen aber, welche in so grofser Entfernung von Rom lagen,
gefährdete das Principat: sie erforderte entweder lange und häufige
Abwesenheit des Princeps von Rom oder Errichtung von grofsen
Kommandos, für welche auf fähige und zugleich ergebene Per-
sönlichkeiten nicht immer gerechnet werden konnte; hatte sich
doch selbst dem von zahlreichen tüchtigen Kräften des eigenen
Hauses umgebenen Augustus die Hilfe versagt, und war doch
auch für Tiberius das dringende Verlangen des Germanicus, die
Eroberungspolitik fortzusetzen, der stärkste Grund, sie aufzugeben.
Die spätere Geschichte, das Vierkaiserjahr 69 n. Chr. und das
dritte Jahrhundert, hat diese Erwägungen gerechtfertigt, und
Trajan hat sie zu den seinigen gemacht, indem er, bestrebt die
Linie der Grenzwehr abzukürzen, zwar vorrückte, aber in sehr
viel engeren Grenzen, als sie der germanischen Politik des Au-
gustus unter Drusus und Tiberius bis zum J. 6 n. Chr. vorge-
schwebt hatten.
Mit dem Aufgeben der grofsen Aufgaben der auswärtigen
Politik fiel auch die Notwendigkeit hinweg, die grofsen, über
mehrere Provinzen sich erstreckenden Kommandos weiter beizu-
behalten, wie sie August für Agrippa und seine Stiefsöhne und
Enkel geschaffen. Aber eben zum Verständnis dieser wichtigen,
wenn auch nur vorübergehenden Einrichtung und zur richtigen
Würdigung der Art, wie später ähnlichen Aufgaben gegenüber
anders verfahren wurde, war es notwendig, die auswärtigen Ver-
haltnisse, denen sie ihren Ursprung verdankt, hier darzulegen.
Die Form, welche Autrustus dem cäsarischen Imperium im üb^aic^t über
ii . ^ dio Funktion
uememwesen ftesehen, blieb durch drei Jahrhunderte in an- ^o«* augu«tei-
, o o 7 sehen Ver-
erkannter Geltung: immer wurde angenommen, dafs das Gemein- fassung von
Wesen seine genaueste Repräsentation habe in Senat, Magistratur inowetian.
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- 232 —
und Volk, dafs es gegründet sei auf die Herrschaft der Gesetze
und dafs die Stellung des Prineeps nur eine Hilfsmagistrator
darstelle^ verfassungsmäfsig bestimmt durch eine Art yon Wahl.
Aber die Art, wie diese Gewalt des Einen sich bethätigte, ist
zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen, indem die mancher-
lei Befugnisse, die in derselben lagen, in mannigfaltiger Weise
sich geltend machten. Schon die Militargewalt, die am ein-
fachsten definiert war, blieb sich in ihrer Bethätigung nicht
immer gleich, aber noch viel mehr treten die andern Motive
des Principats, die Bedeutung der Person in der Herrschafts-
stellung, das Verhältnis zum Senat und die Art der Fortpflanzung
der Gewalt in wechselnder Weise auf. Bei der grofsen Bedeutung
der Persönlichkeit nun, und da die Erblichkeit weder prinzipiell
anerkannt ist^) noch thatsächlich sich behauptet, wäre zu erwarten,
dafs sich die Unterschiede nicht nach grofseren Perioden geltend
machten, sondern nur nach einzelnen Herrscherfiguren ausprilgten;
es ist dem aber infolge des Zusammenwirkens verschiedener
Motive doch nicht so; vielmehr lassen sich neben allem Gewicht
der einzelnen Personen in der Gesamtentwicklung drei grofse
Perioden herausstellen, zwar nicht in so strenger Geschlossen-
heit^ dafs nicht zwischenhinein Regierungszeiten kommen, die den
Typus einer andern Periode vertreten, aber doch im allgemeinen
in sich zusammenhängend und gegen andere Zeiten sich ab-
grenzend. Die erste Periode ist die, in welcher das Principat
die Züge der Tyrannis trägt, in dem griechischen Sinne des
Worts, nach welchem neben einer bestehenden Verfassung Allein-
herrscher übertragene oder usurpierte Gewalt in einer Weise
fuhren, dafs die Person des Herrschers alles bestimmt und in
guter oder schlimmer Richtung wirkend die Funktion der kon-
stitutionellen Faktoren zurückdrängt, wobei solches Unter-
liegen der letzteren um so stärker hervortritt, je näher noch
die Erinnerung an die Republik liegt. Begriffen sind in ihr
die Kaiser bis auf Domitian. Nur teilweise tritt die Re-
gierungsweise des Vespasian aus diesem Rahmen heraus und
liegt in der Zeit der Flavier eine Vorbereitung für die folgende
Periode; entschieden ist die Tyrannis vertreten durch Domitian
1) Vit Alex. Ser. 10: Äugustus primus primw est huius auctar m-
perii et in eitis [nomenl omnes velut quadam adoptione aut iure hereäitario
succedimus.
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^3f^^^-
- 233 -
und Titas, wenn auch bei beiden in sehr verschiedener Weise.
Da in dieser Periode die verwandtschaftlichen Beziehungen wieder-
holt fSr die Nachfolge entscheidend sind, so zerfallt dieselbe
wieder in zwei Gruppen, die der julisch-claudischen und die der
fiavischen Kaiser, beide getrennt durch ein Jahr des Kampfes
von Heeresprätendenten. Die zweite Periode ist bezeichnet durch
das Yon Nerva und Trajan begründete bureaukratisch-konstitu-
tionelle Imperium, aus dem erst Commodus wieder heraustritt
sowohl mit seinem personlichen Charakter als dadurch, dafs er
leiblicher Sohn des Vorgängers ist. In der dritten Periode, der
der Militärkaiser, tritt dem Ursprung der Regierungen entsprechend
die Militärgewalt mit ihren Ansprüchen den konstitutionellen
Faktoren meist rücksichtslos gegenüber, und Regierungen ver-
fassungsmäfsiger Haltung, wie die des Severus Alexander, er-
scheinen nur noch als Episoden. Im Verlauf dieser drei Perioden
vollzieht sich auch eine Verschiebung der persönlichen Be-
dingungen des Principats: die Kaiser der ersten entspringen der
republikanischen Aristokratie oder haben wenigstens italischen
Ursprung aufzuweisen, in der zweiten wird lateinisch-provinzielle
Abkunft in das Imperium eingeführt, in der dritten sind gemischte
Nationalitätsverhältnisse.
Zweiter Abschnitt.
Das Principat als Tyrannis. Von Tiberins bis Domitian
14—96 n. Chr.
§ 76. Der Übergang von Regierung zu Begiening.
1. Aus der früheren Darlegung der Einrichtungen des Au- von Anguii
gustus geht hervor, dafs beim Ableben des ersten Princeps eine
rechtlich zwingende Bestimmung über die Wiederbesetzung seiner
Stellung nicht vorhanden war: hatte er ja doch dieselbe für sich
nicht einmal auf Lebensdauer festsetzen lassen. Seine Nach-
folger haben zwar die Lebenslänglichkeit angenommen, aber eine
rechtliche Ordnung der Nachfolge nicht geschaffen, so dafs nach
dem Ableben oder Verschwinden eines Princeps für die Organe,
denen die Bestellung des ersten Princeps zugekommen war, recht-
lich freie Verfügung vorlag. In Wirklichkeit war aber diese
Freiheit wesentlich beeinträchtigt durch thatsächlichjB^ Verhalt-
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nisse, und es fällt daher der Geschichte anheim^ die Umstände,
unter welchen sich die Nachfolge gestaltete, zu erörtern.
Unmittelbar nach dem Tode des Augustus gab Tiberius,
nachdem er den Agrippa Postumus beseitigt, der Leibwache die
Parole, that den Heeren die Übernahme des Principats kund,
und die Heere wie die Provinzen leisteten ihm den Eid.^) Dies
war eine Usurpation, ein occupare principattimy denn das dem
Tiberius zu Lebzeiten des Augustus yerliehene imperium procan-
sulare gab ihm auch den Truppen und Provinzen gegenüber nicht
das Recht desjenigen Imperiums, welches ein Ausflufs des Prin-
cipats war, sondern nur ein Recht analog dem, welches der
Legat in der Zwischenzeit zwischen dem Abgang des Ober-
kommandanten und dem Antritt des Nachfolgers hatte. Jener
Usurpation kam aber nicht blofs der Gehorsam der Legionen,
sondern auch die Furcht der Behörden in Rom entgegen: ohne
Aufforderung leisteten die Konsuln und die von Augustus ein-
gesetzten Präfekten, der Senat, die hauptstädtische Garnison und
das Volk dem Tiberius den Eid, auch ihrerseits ohne rechtliche
Grundlage, da noch kein formeller Akt vorlag, demzufolge auf
die Person des Tiberius ein Eid geleistet werden konnte.*) So
gesichert, konnte Tiberius mit gleicher Zuversicht den konstitu-
tionellen Weg für die rechtliche Übertragung einschlagen wie
Augustus im J. 27 v. Chr., als er nach Niederlegung der von früher
her überkommenen aufserordentlichen Gewalt dem Senat imd Volk
die Entscheidung über die Zukunft anheim gab. Den Verhandlungen
über die Übertragung der Gewalt im Senat war die Verlesung
des Testaments des Augustus, in welchem er den Tiberius zum
Erben von zwei Dritteln seines Vermögens einsetzte, in einer
1) Tac. ann. 1, 7: Defuncto Augusto Signum praeioriis cohorHbu8 ut
imperalor dederat, — litteras ad exercitus tamquam adepto principatu misü,
nusquam cunctabundus, nisi cum in senatu loqucretur c. 33 : Germanico ptr
Germanias census Mcipienti excessisse Äitgustum adfertur, — SequanaSf
proximas et Belgarum civitcUes in verba eius adigit, Sueton Tib. 24: Prin-
cipcUum quamvis ficque occupare confestim neque agere dubitassei et statione
müiium hoc est vi et specie domineOianis assumpta diu tarnen recusavü im-
pudentissimo mimo. Dio 67, 2: ig xe tu a%(fat6ncda %al ig tä i^vri Tuipta
mg avt(yK(fdT(OQ svd'vg ano tfjg Nmlrig inictttXsv. Auch die in Pannonien
und Germanien revoltierenden Heere hatten den Eid geleistet; Tiberius ist
ihnen novus princeps. Tac. ann. 1, 17.
2) Tac. ann. 1, 7. Erst nach der Beerdigung des Augustus c. 11
kommen die Verhandlungen im Senat über die Annahme de8> Principats.
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- 235 —
früheren Sitzung vorangegangen^), aber die Verhandlung schloss
sich nicht an das Testament an, sondern man wandte sich unabhän-
gig davon im Senat mit der Bitte an Tiberius^ das Principat zu über-
nehmen. Nach längerem Sträuben verstand er, der inzwischen
dem Senat gegenüber nur die unzweifelhaft ihm zukommende
tribunicische Gewalt geltend gemacht, sich zur Annahme, und es
erfolgten die betreffenden Beschlüsse, ohne Zweifel in Analogie
der für Augustus angewandten Formen, wenn auch über die
formellen Akte nichts berichtet wird.*) Dfe Fixierung auf Lebens-
zeit liefs Tiberius nicht zu, aber andrerseits steckte er keinen
Termin, sondern stellte blofs die Niederlegung in Aussicht, wenn
das Bedürfnis nicht mehr da sei'); damit ist der augusteische
Vorgang der Formulierung auf fünf oder zehn Jahre anfgegeben^
nur noch in der Feier der Dezennalien eine Spur hinterlassend.
Dafs Augustus selbst den Schein angenommen, als könnte an
eine Auswahl unter mehreren gedacht werden, (ob. S. 164 A. 1),
machte sich nur darin fühlbar, dafs die so bezeichneten dem
Mifstrauen des Tiberius preisgegeben waren*); dafs die von
Augustus zu seinen Gunsten gemachten Vorbereitungen die
Voraussetzung für den schliefslichen Hergang bildeten, das Vor-
gehen des Tiberius ermöglichten und Senat und Volk in die-
selbe Richtung brachten, war wohl in letzter Linie ausschlag-
gebend gewesen. Es wurde jedoch damit dem Principat nicht
das Zugeständnis der Anordnung der Nachfolge gemacht, immer-
hin aber die Auktorität zuerkannt, durch Adoption, Zuweisung
einer hervorragenden Stellung oder blofs Kundgebung eines
1) Tac. ano. 1, 8. Saeton 101. Die 67, 82.
2) Tac. ann. 1, 7: ne edictutn quidem, qxM patres in curiam vocabat^ nisi
tribunici<u potestcUis praescriptione posuit aub ÄugtMto accepiae, c. 13:
fes8U8 clamore ommutnf expostulutione singtüorum flexit patUl(Uim, non ut
fateretur svscipi a se imperium^ sed %U negare tt rogari dtsineret. Nachdeoi
so die WeigeruDg aufgehört^ erfolgen die betreffenden Beschlüsse, wobei
Tacitas gerade die auf Tiberius bezflglichen als blofse Form nicht herYOr-
hebt, sondern nur (c. 16) die über Livia und Germanicus.
8) Sneton Tib. 24: tandem quasi coactus — recepit imperium; nee tarnen
aliter quam ut deposUurum se quandoque spem facerit. Ipsius verha sunl:^
„dum viniam ad id tempus, quo vobis aequum possit videri dare vos aJiquam
senectuti meae requiem" Wenn dies mit dem taciteischen non vJt fateretur
(s. vorh. k.) vereinigt werden soll, so müssen diese Worte nach den er-
folgten formellen Beschlüssen gesprochen worden sein.
4) Tac.ann. 1, 13, wo die Namen genannt werden mit dem Beisatz: omnes'
que praeter Lepidum varüa mox criminibus struente Tiberio circumventi sunt.
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~ 236 -
Urteils den über die Nachfolge rechtlich bestinimendeo Organen
den Weg zu weisen.^)
2. Bei den drei Nachfolgern des Tiberius aus dem augustei-
schen Hause wurde gleichfalls bei dem Vorhandensein mehrerer
Möglichkeiten durch eine auf militärische Macht gestützte Usur-
pation der rechtlichen Entscheidung vorgegriffen und letztere
darauf beschränkt, dafs vollzogener Thatsache die Bestätigung
ertheilt wurde. Tiberius hinterliefs, nachdem während seiner
Regierung nähere Veni^andte hinweggerafft waren, in seinen zwei
Enkeln, dem einzigen noch übrigen Sohn des von ihm adoptierten
Germanicus, Gaius Cäsar, und demjenigen Enkel, den er von
seinem leiblichen Sohn Drusus hatte, Tiberius Cäsar, zwei Nach-
kommen, zwischen denen er in seinem Testament nicht unter-
schied, obgleich Gaius durch das höhere Lebensalter und die
begonnene Amterlaufbahn voran war'), wogegen dann Gaius bei
dem Tode seines Grofsvaters im Einverständnis mit dem nicht
koUegialisch, sondern allein fungierenden Kommandanten der
Leibwache, Macro, sich als einzigen Nachfolger ausrufen liefs
und dadurch die verfassungsmäfsigen Organe zwang, die Ver-
leihung des Principats auf ihn zu richten« Das Testament des
Grofävat^rs wurde für ungiltig erklärt und ersetzt durch die Adop-
tion des Enkels und rechtmäfsigen Miterben Tiberius.') — Als
1) Ann. 8, 56: M. Agrippam socium (tribuniciae) potestatk^ quo defunäo
Ttberium Neronem delegtt, ne successor in incerto foret; sie cofUberi pravas
dliorum spes rebatur. Dagegen läfst bist 1, 16 (ut principcUum — beHo
adeptus quiescenti o/feram exemplo divi Äugusti, qui sororis ßium MarceUum,
dein generiMU Agrippam — in proximo sibi fasUgio cohloca/vit; aed Augustus
in domo attccessorem quaesivitf ego in rep.) Tacitus den Galba, mit weniger
Vorsicht als in dem ne suceesaor in incerto foret liegt, von den thatsftch-
liehen nicht den rechtlichen Verhältnissen aas sprechen.
2) Der ältere Enkel Gaias war Pontifez und im J. 33, also mit
21 Jahren QuAstor mit Dispensation von den Altersgesetzen für die fernere
Laafbahn; dies galt als ein ad spem auccesaionis (ulmoveri Säet. Galig. 12.
Vgl. Dio 68, 8. 23. Tiberius war fOr die Amterlanfbahn zu jung, anfaer-
dem sagt Dio c. 23: i%etvov dtd xs t^p ijJUiiCav — %al dw ti^p ^oipCav
(ov yä(f imctBvexo ^qovoov naig slvai) na^Bmifa, Eine Entscheidung wollte
er aber nicht treffen, sondern incertus ammt, fesao corpore conaiUum, cui
impar erat, fato permisU, iactis tarnen vocibus, per quaa inUüegeräur pro-
vidus futurorum (d. h. äsSa Qaias sich des Tiberius des jangeren entledigen
werde). In seinem Testament heredes aequia partibua reliquit Gaium — et
Tiberium — aubatittatque in vicem. Säet. Tib. 76. Cal. 14. Dio 69, 1.
3) Sueton und Dio a. a. 0.
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- 237 —
€raius ermordet war, fehlte^ da Tiberius bald nach seiner Adop-
tion beseitigt worden, jede Voraussetzung, und der Senat glaubte
sich schon in dem Besitz voller Entscheidungsfreiheit, bei welcher
sogar die Beibehaltung des Principats selbst in Frage kommen
konnte^): allein wiederum griflFen die Soldaten ein, indem sie
den andern Sohn des älteren Drusus, also Bruder des Germani-
cus und Neffen des alten Tiberius, Oheim des Gaius, den bisher
seiner personlichen Eigenschaften wegen hintangesetzten Claudius,
an den vorher niemand gedacht hatte, auf den Schild hoben und
abermals den Senat zwangen, ihrem Kandidaten die rechtliche
Sanktion zu geben.') — Endlich bei dem gewaltsamen Ende des
Claudius war zwar der von diesem adoptierte Sohn der Agrippina,
Nero, durch Verleihung wichtiger Auszeichnungen, worunter der
Titel princqps iuventutis und die Verleihung prokonsularischer
Gewalt, letztere in einer bis dahin ungewöhnlichen Weise hier
angewandt, femer eine andeutende Erklärung des Claudius be-
sonders hervorgehoben werden, dem ohnedies jüngeren leiblichen
Sohn des Kaisers, Britanniens, vorangestellt worden, aber denen,
welche Neros Nachfolge betrieben, schien damit die Entschei-
dung nicht genügend gesichert, sondern sie fanden für notig, durch
die Prätorianer, deren einziger Befehlshaber Burrus mit Agrippina
im Einverständnis war, zuerst die Leibwache f&r sich zu ge-
winnen imd so die Anerkennung durch Gewalt zu erlangen.')
Das Ergebnis aller dieser Vorgänge war einmal, dafs eine feste
Regel der Nachfolge im Principat in dynastischem Sinn nicht
1) Säet. Claad. 10: consülea cum senaiu et cohartibua urhanis forum
Capitoliumque occupaveratU, asaerturi communem liberUxiem. c. 11: biduum,
quo de mutando reip. statu haesiUUum fuerat Vgl. auch Calig. 60. Vgl.
über diese Vorgänge auch Die 60, 1. Joseph, antiq. iud. 19, 2, Iff.
2) Claud. 10: poaiero die et senatu segniore in exeguendis conatibus per
taedium ac dissenaionem diversa censentium et mültitudine quae circumatäbat
unum rectorem iam et nominatim exposcente armatos pro contione iurare in
8uum nomen pasaus est (Claudias im Prätorianerlager) promisitgue singulis
quina dena sestertia, primus Caesarum fidem militis etiam praemio pignerattu,
Dio 60, 1: ot äl vnatoi timg {tlv aXlovg rc nccl SvifMXQxovg niiinovtsg (in
das Prätorianerlager) dnriyoffevov avtm (irjdlv TOiovro noiBiv dXX' in£ zs rcp
S'^iup %ttl TJ ßovX^ nal xotg v6fioig yeviad'ai' insl dl avxovg ot avvovxeg
Cfpüti etQttziaxtti iynatiXinoVy tote dri %al avtol mnoXoyrjaav netl td Xoina
o€a ig tigv uvxaq%ütv rjiiovta r^v avtm iipri(pCaavto.
3) Tac. ann. 12, 64—69. c. 69: Sententiam militum secuta patrum
consulta nee dübitatum est apud provindas, Sueton Claud. 43—46. Nero
7 f. Dio 61, 1. Zonar. 11, 11. /
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- 238 —
erzielt wurde. Es wäre denkbar gewesen^ dafs ohne Aufhebong
der augustischen Idee von Verhältnis zwischen Princeps und
Senat das Principat erblich geworden wäre, ähnlich wie die
Generalstatthalterschaft in der Republik der vereinigten Nieder-
lande; so aber kommt die Nachfolge in einer Familie daraaf
hinaus, dafs in denjenigen Kreisen^ welche die militärische
Gewalt in der Hauptstadt vertreten, sowie in der öffentlichen
Meinung die Zugehörigkeit zum Hause des ersten Augustus einen
Anspruch der Berücksichtigung gab, dieser jedoch so wenig
an die privatrechtliche Erbfolge gebunden war, dafs jeder, der
jene Zugehörigkeit hatte, in den Verdacht eines Strebens
nach der Gewalt kommen konnte^) und die Nähe der Verwandt-
schaft nur einen thatsächlichen, nicht einen rechtlichen Vor-
sprung gab. Eine weitere Folge aber war die, dafs das Recht
von Senat und Volk, das Principat zu vergeben, jener Reihe von
Usurpationen gegenüber zwar in jedem einzelnen Fall ein nur
formelles war, aber doch durch die jedesmalige Ausübung und
weil in den betreffenden Fällen eine andere Entscheidung immer-
hin möglich war, prinzipiell gewahrt und besser im Gedächtnis
behalten wurde, als wenn die Praxis sich einfach an die Ver-
hältnisse privatrechtlicher Succession gehalten hätte. Endlich,
was die Auktorität vorbereitender Akte betrifft, so bildete diese
in den gegebenen Fällen nur ein unterstützendes Moment:
wenn nicht blofs die Usurpation, sondern auch der Senat
das Testament de§. Tiberius bei der Entscheidung über das
Principat nicht beachtete, so wurde damit kein Recht verletzt.
Aber von grofsem Gewicht war die testamentarische Verfügung
jedenfalls, und die Furcht vor dem Testament des Claudius be-
schleunigte im Falle Neros das Eintreten der Usurpation. In
der geschichtlichen Bezeichnung der Reihenfolge der Principes
als der Herrscher vom julisch-claudischen Hause ^) kommt jener
Schein einer dynastischen Folge zum Ausdruck; Julier heifsen
dabei diejenigen, welche in der Adoptionsfolge von Cäsar und
Augustus her liegen, Tiberius und Gaius; mit Claudius tritt die
cognatische Verwandtschaft ein, die auf die Ehe des Augustus
1) So unter Nero L. Janios Silanus als divi ÄugusH abnepo8 Tac
ann. 13, 1 und Robellius Flau tue per mcUemam originem pari ctc Nero gradu
a divo Äugusto. 13, 19. 14, 22.
2) Tac. bist. 1, 16: Jüliorum Claudiorumqtie domtu,
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mit Livia, der früheren Gemahlin des Ti. Claudius Nero, (ob.
S. 123 A. 1), zurückgeht, und der claudische Name wurde durch die
Adoption auf den Sohn des Cn. Domitius Ahenobarbus, Cons.
32 n. Chr. übertragen, wobei, da Nero durch seine Mutter
Ägrippina Enkel des in die julische Familie hinübergenommenen
Germanicus war, auch diese Seite mit Berücksichtigung fand.
3. Beim Übergang des Principats von Nero auf Galba folgte von oaiua bis
der Senat nicht blofs den usurpatorischen Akten, welche die Er-
hebung des Nachfolgers herbeiführten, sondern er hatte sein
Recht schon in der Verurteilung Neros ausgeübt.*) Die Vor-
gänge in den Provinzen hätten zum Teil wenigstens dem Senat
Veranlassung geben können, das Principat aufzuheben und zur
Republik zurückzukehren; allein er folgte solchen Impulsen nicht,
und mit Becht; denn es wäre unmöglich gewesen die Republik
aufrecht zu erhalten gegenüber dem übermächtigen Eintreten der
Legionen, welche irgend einen Imperator in der Stellung des
Principats haben wollten und damit die Zukunft des letzteren
sicherten.*) Bei der Verleihung selbst war durch dieses Ver-
1) Sueton Nero 49: hgü $e hostem a aevuUu iuduuxium et qtuieri, ut
puniatur more tnaiorum.
2) Dio 68, 29: tm FdXß^ xä xjß ocvtonQatOQi oqx^ n(fogi^%ovta i^ri-
tpUavxo, Plnt. Gkdba 7: (Ikelos, der nach Spanien zu Galba kommt)
amfyyfCiUi', oxi %al i&vxog ixt xov Ni(f<ovog ov% ovxog dh q>ctvsQOv x6
6XQdxfv(ia TiQcixov^ dxa 6 d^/cioff xal 17 <rvy%Xrjxog avxa%QaxoQa xov FdXßav
avayoifivöBiBv y oUyov dh vatsgav dnayysXd'sCrj xsd^xmg ixfCvog, In Rom
also war kein Gedanke an Aufgeben des Principats. In den Provinzen nun
fa&t Mommsen in Hermes 18 S. 90—106. 14, 147—162 die Vorgänge so
aof, dafs aach nach dem Tod des Vindex, der im März mit der Erhebung
begonnen hatte, im Mai 68 sämtliche Generale des Westens, Galba und
Ofcho in Spanien, Macer in Africa, Rufos und Capito in Germanien die
Republik proklamiert hatten und dafs, wie Verginios Rufas, so auch die
übrigen nicht den Wunsch gehabt hätten, die lebenslängliche Oberherr-
Bcbaft in ihrer Person fortzusetzen; so habe die Erneuerung des alteo
aristokratischen Regiments nie näher gelegen als damals, und in diesem
Sinn sei es wie philologisch und juristisch , so auch sachlich angemessen
za deuten, wenn Vindex und die andern Heerfahrer als cidseriores libertaAis,
d. h. als Befreier der Republik, die in der Gewalt eines nicht berechtigten
dominus gewesen sei, bezeichnet würden. H. Schiller dagegen in seiner
Gesch. des röm. Eaiserr. unter Nero, in Bursians Jahresb. 1876—78 S. 509
und Hermes 15, 620 will von republikanischen Tendenzen nichts wissen
und deutet das adserere Ubertaiem nur dahin, dafs der schlechte Herrscher
beseitigt und durch einen bessern ersetzt worden sei. Die entscheidenden
Momente scheinen mir in folgendem zu liegen: nach den vorliegenden Zeug-
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hältnis aufs neue gegeben, dafs der Senat annehmen mufste, was
die Gewalt der Umstände ihm aufdrängte, aber ebenso konstant
wurde bei allen aufeinanderfolgenden Prätendenten des Jahres 69,
nissen haben die Heerführer allerdings zunächst nnr Nero beseitigen nnd
Senat and Volk die Entscheidung anheimgeben wollen. Galba weigert sich
zunächst, von den Soldaten das Imperium anzunehmen, und will nur legaius
seficUm ac populi Born, sein (Plut. Galba 6. Sueton Gralba 10), und Vet-
ginius sagt bei Plut. G^lba 6 (vgl. Dio 63, 25): ovrs avzoq Xri^Botai nj»
r^ffiovücv ov%8 aXlm nsffioipBad'ctt, di9o(iiv7jv ov av nfj ^ evyuXrjtos ilrittu^
aber dafs sie dabei an die Herstellung der Bepublik dachten, ist nicht
wahrscheinlich, da die Stimmung der Truppen deutlich genug dagegen
sprach. Sie wollten eben nur, dafs der Senat einen neuen Imperator er-
nennen solle. Dies konnte unter den damaligen Verhältnissen schon ein
adserere libertatem genannt werden. Lälst doch auch in diesem Sinne
Tacitus bist. 1, 16 den Galba zu Piso sagen: H inmensum imperii corpus
Stare ac librari sine imperio poaset, dignus eram a quo resp. inciperet: wiim
eo necessüatis ventum est, %U nee mea senectus conferre plw poptdo Born,
posait quam bonum successorem nee tua pliAS iuventa qucun bonum prindpem;
loco liberiatis erit quod eligi coepitnus, und auch sonst zu Anfang der
Historien, wo doch mehrfach Gelegenheit dazu gegeben war, wird dessen nicht
Erwähnung gethan, dafs die Wiederherstellung der Republik in Frage stand.
Vielmehr wenn es 1, 8 heifst (Oermanici exercitus) tarde a Nerone desciverant
nee statim proGaXba Ver ginius; an imperare noluisset^ dubium, so ist daraus
deutlich zu ersehen, dafs Tacitus bei Verginius nicht an ein Schwanken
zwischen Galba und der Bepublik, sondern nur zwischen Galba und sich
selbst dachte. Was den Kommandanten der Legion in Afrika, Clodiua
Macer {in Africa haud diibie turbantem Tac. bist 1, 7) betrifft, so weisen
seine Münzen allerdings aus, dafs er den Schein eines Auftretens für die
alte Verfassung annahm (vgl. Cohen 1, p. 317 f. die Münzen mit dem republ.
Titel pro prae{tore) und der Bezeichnung der Legion als liberatrix), aber
dafs dies auf die Dauer nicht ernsthaft gemeint und er kein Mann von
republikanischer Gesinnung war, zeigt nicht nur sein Verfahren in der
Provinz, die ihn bald genug hatte {contenta qudlicunque principe post ex-
perimentum donUni minoris bist 1, 11), sondern auch seine Verbindung mit
Calvia Crispinilla, magislra libidinum Neronis (1, 78). — In Rom aber kam,
wie schon bemerkt, der Senat nicht einmal in die Lage, von der Freiheit der
Beratung über einen neuen Princeps, die ihm die Statthalter geschaffen
hatten, Gebrauch zu machen; denn ehe noch Nero tot war, hatte der praef.
praet. Nymphidius Sabinus die Prätorianer für Galba verpflichtet nnd da-
durch den Senat, dem übrigens wohl Galba auch am meisten genehm sein
mochte, in eine Zwangslage gebracht. In Bevue numism. 7 (1862),
197—284 hat der Herz. v. Blacas eine ziemlich groüse Anzahl von Münzen,
darunter Gold- und Silbermünzen, zusammengestellt (=» Cohen 1, p-
84-2—860), welche im Gewicht mit den Münzen Neros und Galbas nnd im
Typns zum Teil mit Münzen Galbas und des Vitellius, die aber keinen
Kaisemamen haben, zum Teil die Legende s. p. q. r. tragen. Er bezeichnet
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Galba, Otho, Vitellius und VespasiaD, die Anerkennung durch
Senat und Volk als unentbehrliche Notwendigkeit behandelt.^)
Der Übergang von Vespasian auf Titus konnte keine Schwierig-
keiten bieten; wir wissen aber darüber nichts. Domitian hielt
eine Usurpation für notig und handelte demgemäfs^); doch ist
nicht bekannt, daCs Titus bemüht gewesen wäre, ihm die Nach-
folge zu erschweren. Im Gegenteil^ bestimmter als unter den
früheren Kaisern war unten den Flaviern schon von dem leben-
den Princeps die Nachfolge vorbereitet*); woneben noch besonders
diese Münzen, die man früher unter Aogast oder auch unter der Republik
eingestellt, als autonome und bringt sie alle in der Zeit nach dem Tode
Neros unter, indem er in dieser Münzprägung des Senats ausgedrückt findet,
was Tac. hist. 1, 4 sagt: (nach dem Tode Neros) patres laeti usurpata
statitn ItbertaU licentius ut erga principem novum et absentem. Alles dies
zugegeben, so folgt gerade aus diesem trefifenden Citat, dafs der Senat
allerdings sich eine Kompetenz nahm, die er bisher nicht gehabt, aber
bereits unter Anerkennung eines princeps novw^ der dann, nachdem er
sich festgesetzt^ das Münzrecht in der früheren Weise wieder in die
Hand nahm.
1) Tac. hist 1, 47: exacto per scelera die (der Tag, an dem Otho von
den Prätorianem erhoben war) vocat senatum praeior wrhanus: — decemitwr
Oihoni tribunicia potestas et nomen Äugusti et omnes principum honores.
2, 66: ut concessisse Oihonem et a Flavio Säbino praefecto urhis quod erat
in urhe müüum saeramento Vitellii adactum — attülerunt^ ViteUio plausere
(im Theater an den Cerealien); — in senatu longis aliorum prineipatibus
composita stcUim decernuntur. 4, 3: (nach dem Tode des Vitellius und
zwar am Tage darnach Joseph, h. iud. 4, 11, 4) Bomae Senat us cuncta
prineipibus solita Vespasiano (der damals noch in Alexandrien war) decemit.
c 6: «0 sencttus die^ quo de imperio Vespasiani censebcmt, placuerat mitti
ad principem legcUos,
2) Dio 6, 26: ht ^mvtog avtov (sc. tov Tixov) Ig ts triv ^Pmfiriv
afpimiBvat %al ig to atgutönsdov igriX^s ti^v ts inMrjatv wxi t^v i^ovalav
rov avTonQcitOQog flaße, dovg avtoig oaov nsq nal b d&BX€pog avtov iSs-
dm%si', am Tage darauf wird dann der Senat darüber heschlossen haben.
Henzen, act. fratr. Ary. p. 64.
3) Schon den Galba iSÜst Tacitus hist. 1, 14—19 die Adoption Pisos
in einer Weise vollziehen, die ganz offen den Adoptierten als präsumtiven
Nachfolger bezeichnet. Titus aher wird von Vespasian neben dem, dafs er
die tribunicische Gewalt erhält, in neuer Weise als Teilhaher im Imperium
angenommen und dadurch offen schon in Besitz gesetzt; näheres hier-
über unten. Wenn aufserdem Vespasian die Neuerung einführte, seinem
Sohn die Präfektur der Leibwache zu geben (Suet. Tib. 6), so ist dies
nicht sowohl unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Ehre als unter
dem der Sicherheitsffirsorge zu fassen. Das zwischen Domitian und Titus
bestehende Mifsverhältnis nötigte den Titus, in dem, was er dem Domitian
Her.og. d. röm. StaaUverf. n, 1. ^-^^^^ byGoOglC
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die testamentarische Auordnung hervorgehoben wird in einer
Weise, dafs in ihr eine direkte Beziehung auf das Imperium
angenommen werden kann. ^) Hierin liegt eine auf das Dynastische
gerichtete Tendenz^ und es darf wohl angenommen werden, dali
bei ununterbrochener Fortführung des Familienbestands diese
Tendenz rechtliche Ausprägung gesucht und der unter Domitian
ganz besonders ausgeprägte Charakter der Tyrannis auch hierin
Eonsequenzen gezogen hätte. Trotzdem ist nicht zu zweifeln^
dafs die Übertragung durch Senat und Volk, wie sie herkömm-
lich war, obgleich nichts davon berichtet wird; auch bei Titus
und Domitian stattfand.
Über die Art der Übertragungsakte ist durch schriftstelle-
rischen Bericht und urkundliches Zeugnis am meisten zu ersehen
aus dem Regierungsantritt Yespasians; doch sind auch hier die
Zeugnisse keineswegs so vollständig, dafs nicht zur vollen Her-
stellung des Verfahrens Kombination notig wäre.^
§ 77. Die JnliBOh-olaudiBohen Kaiser.
• Tiberiug. 1. Veränderungen der konstitutionellen Grundlagen des
ftndernngen. augusteischcu Systems brachte von den nächstfolgenden Regie-
deo voikswah- rungen nur die des Tiberius und auch sie nur in einer einzigen
voikigeaeu- Mafsrogcl, wclchc Tibcrius im Sinne des Augustus selbst sogleich
nach seinem Regierungsantritt noch im J. 14 vornahm, nämlich
gewährte, zurückhaltend za sein; es heilst zwar Suet. Tit 9: fratrem in-
sidiari sibi non desinentem, — ne in minore quidem honare habere sugtinuU,
sed tU a primo imperii die consortem succeasoremque testari perseveramt; aber
Domitian klagt (Suet. Domii 2): relictum se participem imperii, sed fraudem
testamento cidhibitam; auch hierüber s. näheres unten.
1) Vgl. vorherg. Anm. Bezeichnend für das Bestreben eine dynastische
Reihe herzustellen, ist nicht nur die Herübemahme des Cäsarennamens in
die neue Folge von Principes, sondern auch, dafs Titus seine Tochter
Julia nannte. Und doch war die niedrige Herkunft der Flavier so wenig
vergessen, dals patrizische Abstammung dem Titus gegenüber zur adfectaÜo
imperii zu genügen schien. Suet. Tit. 9. — Von Domitian selbst, der
keinen eigenen Sohn hatte, heilst es Suet. Domit. 16: (FlaoU Clementis
patrwlis 8ui) filios etiam tum parvulos successores ptüam destinaverat ä
abolito prior e nomine aUerum Vespasianum appeüari iusserat, altenm
Domitianum.
2) Deshalb ist auch die Einreihong der uns erhaltenen lex de imperio
Vespasiani in die Bestellungsakte , soweit nicht schon bei der Aufinchtong
des Augusteischen Principats davon die Rede war, im System zu erörtern.
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die Übertragung des Wahlrechts für die sämtlichen ordentlichen
Magistrate vom Volk auf den Senat ^) in der Weise, dafs das
Volk nur noch zur Benuntiation in den alten Formen berufen
wurde. An sich war dies keine Erhöhung der kaiserlichen Ge-
walt: nicht nur war das Empfehlungsrecht des Priuceps dem
Senat gegenüber dasselbe wie gegenüber dem Volk, sondern der
erstere verzichtete dadurch auf die Möglichkeit, gegen den Senat
in den von ihm sicher beherrschten Eomitien ein Gegengewicht
zn haben, und so wurde in dieser Hinsicht sogar ein Mittel der
Macht aufgegeben. Indessen für Tiberius fiel letzteres nicht ins
Gewicht: ohnedies seiner Natur nach wenig volks&eundlich
erachtete er die Wege, auf welchen ein Julius Cäsar zur Macht
gelangt war, jetzt nicht mehr für zeitgemäfs, schuf sich dem
Senat gegenüber eine andere Stütze und liefs so eintreten, was
für die Stetigkeit und Würde der Staatsverwaltung unstreitig
notwendig war. Zugleich wurde dadurch die Aristokratie von der
grofsen Last des Ambitus bei den Tribus befreit und konnte
dem ihr wenig günstigen Kaiser, wenn er auch nicht ihr zu
Danke die Maferegel vorgenommen, doch nur dankbar dafür sein.*)
Von weiterem politischem Gesichtspunkt aus betrachtet verlor
allerdings die Magistratur, indem sie hiedurch von der Volks-
wahl losgelöst war, und mit ihr die Reichsaristokratie, wie sie
im Senat vertreten war und nun aus sich selbst heraus, nur
noch durch die Kaiser beschränkt, die Beamten bestellte, an
Volkstümlichkeit; aber das Volk, das in gesunder Weise Popu-
larität geben konnte, war ebenfalls nicht mehr da. Indirekt
wirkte die Beseitigung der Volkswahlen gewifs auch zum all-
mählichen Aufgeben der Komitialgesetzgebung mit. Die Zahl der
überhaupt noch sei es durch Principes oder durch Magistrate
eingebrachten Gesetze ist aufserordentlich klein, und die gesetz-
geberische Thätigkeit, mit welcher das Volk bei der Bestellung
des Princeps l)eteiligt bleibt, rein formeller Natur. Jetzt also
1) Tac. ann. 1, 16: Tum primum e campo cotnitia ad patres tranalata
8UfU: nam ad eam diem etsi potissima arhitrio prineipis quaedam tarnen
«tudiis tribmtm fiebant, Vell. 2, 124, 8: post redditum coelo patrem — pri-
mum principaiium eius operum fuit ordinatio comüiorum, quam manu sua
scriptam Äugustus religuerat. Alles Nähere ist ans den Angaben über ein-
zelne Wahlvorgänge zn kombinieren.
2) Tac. a. a. 0.: neque populus adeptum tus qu£stu8 est nisi inani
rumore et senat/us largitionibus ac precibus sordidis exsolutus libens tenuit.
jgiMby Google
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begann schon der Ersatz der Volksgesetzgebimg durch die Senats-
beschlüsse und Anordnungen des Princeps.
ünfliifi auf die Jcue eben erwähnte Konsequenz der neuen Art der Wahlen,
Mtrang dei dafs der Senat nun selbst sich ergänzte und die Rangerhöhung
seiner Mii^lieder bestimmte, verdient noch besondere Beachtung.
Sie beruhte darauf, dafs mit bekleideter Quästur der Eintritt in
den Senat verbunden war und das Aufsteigen in den Bangklassen
des Senats an der Bekleidung höherer Ämter hing. An sich war
nun neben dem Empfehlungsrecht des Princeps der freien Wahl
durch den Senat immer noch Spielraum gelassen, selbst dann
noch, als mit der Zeit direkte Ernennung durch den Kaiser {adr
lecHo) hinzukam, und bei wirklich konstitutionellem Verhältnis
wäre so in der Zusammensetzung des Senats eine Ausgleichung
der beiden Seiten, der kaiserlichen und der autonomen der Be-
hörde selbst denkbar gewesen; aber der mit dem Principat ver-
bundene Scheinkonstitutionalismus liefs es durch die angegebenen
Bestimmungen doch höchstens dazu kommen, dafs die Kaiser in
der Ausübung ihres indirekten Einflusses auf die vom Senat ohne
Empfehlung geübte Wahl gewisse Bücksichten nehmen und die
einmal aufgenommenen ihren Weg gehen lassen mufsten; es war
dann für sie nur um so gröfsere Vorsicht bei der Bestellung der
untersten Stufe geboten. Freilich wäre, so wie die Dinge lagen,
eine ernst gemeinte Teilung des Wahlrechts nur möglich ge-
wesen bei zweckmäfsiger und ernstgemeinter Teilung der Funk-
tionen. — Die neue Einrichtung der Wahlen wurde zwar von Cali-
gula wieder beseitigt, aber nur vorübergehend, da sich die Wieder-
erweckung der Volkswahlen sofort als zu sinnlos erwies (s. unten).
w« Stodtprft- 2. Nicht eine Änderung der Verfassung, wohl aber eine
bleibende Neuerung, welche das Verhältnis der beiden grofsen
Gewalten, des Princeps und des Senats, in etwas verschob, wurde
durch die Einführung der Stadtpräfektur als eines stehenden
Amts von Tiberius gemacht. Unter ihm zuerst erscheint das
Amt dauernd von Einern Mann bekleidet, und zwar schon in der
Zeit, in welcher Tiberius stets in Bom selbst oder höchstens in
•^ seiner nächsten Nachbarschaft verweilte, so dafs es offenbar von
J'.. der Abwesenheit des Herrschers unabhängig war.*) Natürlich
f" 1) Tac. ann. 6, 11, nachdem er gelegentlich des Todes des L. Piso
im J. 82 die Geschichte der Stadtpräfektur vor 'J'iberius gegeben (ob. 8. 188
^ A. 8) fÄhrfc fort: dein Piso, viginti per annos pariter probatus publica ftmere
^ €X decreto senatus celebratw est. Von Piso selbst hatte er c. 10 gesagt:
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war es aber während dieser Abwesenheit noch yiel wichtiger und
auch neben der so hoch gesteigerten Gewalt des Präfekten der
Leibwache von grofser Bedeutung. Die erprobte Zuverlässigkeit
des L. PisO; den Tiberius auf diesen Vertrauensposten gestellt^
stand ihm eben noch während der kritischen Zeit des Sturzes
Sejans zur Verfügung.^) Wenn nun die Punktion des Stadt-
präfekten überhaupt nicht mehr für die Stellvertretung des ab-
wesenden Kaisers bestimmt wurde ^ sondern für die Leitung der
hauptstädtischen Polizei und das Kommando der städtischen
Kohorten als Spezialamt^ so trat zum Schein während der Ab-
wesenheit des Kaisers die Stellung der Konsuln wieder hervor^
als derjenigen^ welche nun die Regierungsbehörde in Bom bildeten');
ffotcipiM ex eo gloria, qtwd praefectus urbi recens contimuim potestatem et
insokntia parendi graviorem nitre tetnpercmt. Sueton Tib. 42: postea prin-
eeps in ipsa pt^licortm morum correctiane cum Pompanio Flacco et L. Pisone
noetem continuumque bidtMtn epülando potcmdoque consumpsit^ quomm dlteri
Syriam pravinciain, dlteri praefecturam iMrbis confestim dettüit Plinins n. h.
14, 145: credidere L, Pisonem urhis cwrae ab eo delectum, guod hidtto —
per potcUionem contintMSset apud tp^um iam principem. Da mit der Er-
nennnng unter Tiberius als Princeps die 80 Jahre des Tacitus nicht
stimmen, so wollen Lipsins X, Emesti und Nipperdey XV statt XX lesen;
Mommsen dagegen (Staatsr. 2, 1014 A. 2) behält XX bei und setzt die Er-
nennung des Piso in das J. 18, mit Bezug auf die gemeinsame Abreise des
Augustus und Tiberius im J. 14. Indessen kann man auf diese Art wohl
die 20 Jahre des Tacitus unterbringen, nicht aber den Gegensatz gegen die
Betonung des princeps bei Plinius und Sueton wegschaffen. Ich möchte
die 20 Jahre des Tacitus als runde Zahl fassen, die Einführung der Stadt-
priU'ektur in dem nunmehrigen Sinn in den Anfang des Principats von Tiber,
aber natürUoh nach Tac. 1, 7, wo nur die yon Augustus her übernommenen
Pr&fekten erwähnt werden konnten, setzen und zwar sogleich mit einer
Kompetenz, die neben dem anwesenden Princeps ausgeübt werden sollte.
Diese Kompetenz selbst war nach Tacitus schon von Augustus normiert ob
magnitudinem populi ac tarda legum aiucilia — qui coerceret servitia et quod
civium audacia turbidutn, nisi vim metuat. Tiber konnte sich also auch hier
auf Augustus berufen, und diese Schöpfung eines Polizeiministeriums würde
dann zu den Mafsregeln gehören, mit denen er von Anfang an fflr seinen
persönlichen Schutz sorgte. — Darüber, dafs Tiber vor dem J. 26 es ver-
mied, Bom anders zu verlassen als zu einer peregrinatio süburbana (Tac.
wm. 8, 47), vgl. Sueton Tib. 88.
1) Bei der Verhaftung des Sejan werden zwar die vigiles statt der
Prätorianer verwendet (Dio 68, 9), aber die Aufgabe, über die Ruhe der
Stadt zu wachen, konnte nur dem Stadtpräfekten zufallen.
2) Der abwesende Princeps fährt die Geschäfte durch Korrespondenz
mit Konsuln und Senat. Dio 58, 10. Sueton Tib. 66. Tac. ann. 6,^
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allein eben durch die Aufrichtung der Stadtpräfektur neben den
andern kaiserlichen Präfekten waren jetzt die wichtigsten Teile
der hauptstädtischen Verwaltung der alten Magistratur vollends
entzogen. So war mit dem neuen Amt die Teilung der Macht
zu gunsten des Princeps weiter verschoben.
3. Der Mangel an anderweitigen Verfassungsneuerungen er-
klärt sich zur Genüge durch die bereits hervorgehobene Weite
der Befugnisse des Principats. Es ist also die Handhabung
dieser Gewalt in erster Linie ; welche jetzt in dem Verfassungs-
leben Geschichte macht.
Verschiedene Die Regierung des ersten Nachfolgers des Augustus ist in
dei charaktem der altcu wic in der neueren Geschichtschreibung gleich ve^
schiedenen Urteilen ausgesetzt gewesen. Einem Tacitus und
Dio steht Vellejus gegenüber^), der an die Auktorität des Tacitus
sichj bindenden Jahrhunderte lang in Wissenschaft und Schule
herrschenden Auffassung die günstigere Würdigung neuerer
Historiker ; die teils auf einem gewissen Bedürfnis der Reaktion
gegen das Überkommene beruhend bis zu systematischen Rettungs-
versuchen gehen, teils auf eingehende Kritik und Detailkenntnis
sich stützend von dem engen Standpunkt der aristokratischen
Quellen an die Interessen des ganzen Reichs appellieren.^) Es
1) Bei Tacitus geht von Anfang an die ganze Darstellung von so un-
günstiger Auffassang ans, da& man von dem berühmten günstigen urteil
über das erste Decennium ann. 4, 6 überrascht ist Die dem Principat des
Tiberins gewidmete Schlufspartie des Vellejus 2, 124—181, geschrieben vor
dem Sturz Sejans (über welchen c. 127 f.), preist, was irgend gelobt werden
konnte, übergeht das Bedenkliche, oder stellt sich, wie gegenüber der
Agrippina (c. ISO) auf den Standpunkt der offiziellen Darstellung. Sneton
nimmt wie überall jeden ihm merkwürdig scheinenden Zug, der ihm aaf-
stöfst, unbekümmert um das Gesamtbild, das dabei herauskommt. Dio, der
gleich zu Anfang (67, 1) eine Charakteristik giebt, weicht von Tacitus nicht
im Urteil, sondern nur in der Art der Darstellung ab. Die spätere Auszugs-
litteratur kommt nicht in Betracht, auch Orosius (7, 4) nicht, der fOr seine
Hervorhebung der günstigen Seiten des Tiberius seine besonderen Gründe
hat. — Eine wertvolle Nebenqnelle, die des Josephus, der die Beziehungen
der jüdischen Fürsten zn dem römischen Kaiserhofe mit groDsem Interesse
und greiser Ausführlichkeit verfolgt, kommt in B. XVII 1 der Archäologie
auch der Geschichte des Tiberius zu gute.
2) Niebuhr, Vortr. herausg. von Schmitz- Zeifs 2, 247: „Von Napoleon
wird erzählt, dafs er gesagt habe, Tacitus habe dem Tiberins nicht Ge-
rechtigkeit widerfahren lassen.** Niebuhr selbst meint, bis zu seinem fünfidg-
sten Jahre sei er ein grofser Feldherr und Staatsmann gewes^i: aber ^er
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liegt aber auch in den überlieferten Thatsachen selbst ein greller
Widersprach zwischen dem allgemeinen Zustand des Reichs, der
befriedigend war, und der Stimmung in Rom, zwischen der Sicher-
heit und Festigkeit des Kaisers in der Führung der Reichs-
geschäfte und dem unheimlich Lauernden und Mifstrauischen in
seiner Stellung zum Senat, zwischen Zügen von Menschenfreund-
lichkeit und selbst weichem GefühP) und dem vorherrschenden
Typus eijies grausamen und unerbittlichen Despoten, von ein-
fachem, natürlichem Wesen und abschreckendster Heuchelei. So
ist der Charakter Tibers ein psychologisches Problem. Die un-
abhängige Geschichtschreibung der Alten hat wenigstens für die
Zeit des Principats eine vorherrschend ungünstige Auffassung,
erklärt die besseren Zeiten als Ausflufs einer durch die Verhält-
nisse aufgenötigten Heuchelei, welche die Maske fallen läfst, so-
bald jener Zwang aufhört; aber sie kann sich doch auch nicht
dem Eindruck entziehen, dafs die ungünstigen Seiten der Natur-
anlage sich erst allmählich zu der erschreckenden Erscheinung
ausgebildet haben, welche das Principat des Tiberius zeigt. ^) Für
den Zweck unsrer Darstellung, für die Einsicht in die Fortbildung
des ganzen Systems dieser Regierungsform ist bei der hohen
Bedeutung der Persönlichkeit in diesem System jene psycholo-
gische Seite nicht gleichgültig, aber im Vordergrund der Be-
trachtung steht die Erwägung der mafsgebenden Einrichtungen,
in welchen die Mittel der Ausübung der Herrschaft liegen.
besafs alle die Laster, welche die Alten subdola neDDen; sie alle werden
jetat offenbar/* Weiter in Beschränkung des Urteils Ton Tacitas geben
Merivale, Dorny, Ranke, Mommsen; um förmliche Rettung sind bemüht
Sievers, Tacitus et Tiberius, Hamburg 1850. 1851. Freytag, Tiberius und
Tacitns. Marburg 1868. Stahr, Tiberius. Berlin 1868; letzterer kommt
schlierslich zu einer absurd sentimentalen Auffassung. Auch Schiller
1 § 82. 35. 86 steht der Rettungstendenz sehr nahe. Eine mittlere Auf-
&a8ung findet sich bei Binder, Tacitus und die Gesch. des röm. Reichs
unter Tiberius. Wien 1880, wo insbesondere die Quellenfrage behandelt,
aach die Litteratur über die letztere gegeben ist.
1) Sueton Tib. 7 (Verhältnis zu seiner ersten Frau Agrippina, der
Tochter Agrippas aus dessen erster Ehe).
2) Tac. ann. 6, 51 : Morum quoque tempara Uli diversa: egregium vita
famaque, quoad privcUus vel in imperiis attb Augusto fuit; occultum ac sub-
dolum fingendis virttUibus donec Germanicus ac Drusus superfuere etc.
Saeton Tib. 21 ist der Meinung, dafs August vitiis Tiberii virtutibusque
perpensis poHores duxisse virttUes. \
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Die Bedeutung 4. Da erscheint nun als die durchschlagendste, alles beherr-
schende Mafsregel die Bedeutung, welche der Eaisergarde in Elom
gegeben wurde. Wie Tiberius sofort, indem er nach Augusts
Tod den Befehl über sie an sich nahm, die Lage beherrschte
und dann ruhig das Spiel des Zwangs mit dem Senat treiben
konnte, so blieb die bewafihete Macht, die er in Rom um sich
hatte, die wahre Stütze seiner Regierung. Diese Waffe stand
von Anfang an jeder unabhängigen Aufserung drohend entgegen
und vernichtete damit trotz dem gegenteiligen Schein den Spiel-
raum, der dem Senat und überhaupt dem yerfassungsmäfsigen
Leben von August gelassen. Es gehören hieher die Sicherungs-
mafsregeln und das Auftreten in bewafiheter Begleitung gegen-
über dem Senat, demonstratives Entfalten der bewaffneten Macht
in Rom^), die Steigerung der Stellung des Gardekommandos, die
Zusammenziehung der ganzen Prätorianertruppe in einem Lager
unmittelbar bei der Hauptstadt.^) Auf diese Macht gestützt
konnte Tiber in der laufenden Politik des Tages den Senat in
ausgedehntestem Mafse an der Regierung teilnehmen lassen; er
war sicher, dafs man nicht gegen seinen Willen handeln würde.
Daher die Hervorhebung der äufseren Achtung vor der hohen
Körperschaft und der Magistratur, die Verweisung von Geschäften,
die der Princeps ohne jeglichen Widerspruch allein vollziehen
konnte, an den Senat ^, ja sogar die Steigerung seiner Kompetenz
durch die Übertragung der Magistratswahlen und den Ersatz der
Gesetzgebung durch Senat«konsulte.*) Aber das Verhältnis zum
1) Tac. ann. 1, 7: miles in forum ^ tniUs in cwriam comäabcUur. Dio
67, 2: tovg te aafiLatotpvlaTtag dfttp' avtov i}9rj i%(ov iSeCro trjq yBQOvüieis
GVvaqaö^aC ot u. 8. w. c. 24 (z. J.25): h 9' oiv t6 rote o Ttßigios ttiv xov
doQVtpoQiKOv yvfuvaa^av to£g ßovXevtaig manSQ ayvoovai tr^v dvvafuv avrmy
inidsiisv onag xal noXXovg atpag xal i^fattivovg ISovtsg fuilXov avxov
(foßmvrai,
2) Tac. ann. 4, 2: Vim praefecturae modicam antea intendü, di^peraas
per urbem cohortes una in castra conducendo, Sueton c. 37. Dio 67, 19.
Das Lager lag aulflerhalb der porta Viminalis des Bervianischen Walls,
zwischen diesem und der späteren aorelianischeu Mauer.
3) Tac. ann. 3, 60 : Sed Tiberius vim principatus sibi firmcms itnaginem
antiquitcUis senaiwi praebeboit, postulata provinciarum ad disquisitionem por
trum mittendo, 3, 69. 4, 6: iam primum publica negotia et privatwrum
maxima apud patres tradabantur — ; «ua consuUbus 9ua praetoribus speeies etc.
Sueton 27 fiP. Dio 67, 8 ff.
4) Es ist gelegentlich der Übertragung der Wahlen an den Senat, dals
Mommsen, Staatsr. 2, 898 urteilt: „auch nach dieser Seite hin also wie
/Google
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Senat wurde darum für den Princeps doch kein beruhigendes.
Wäre er auch anderer Natur gewesen als er war, so hätte der
Fluch der Tyrannis^ — und nichts anderes ist es ja eben durch
diese Stellung zur bewafiEoeten Macht, was er einführte — , das
Mifstrauen gegen jeden Mitwirkenden, sein Werk gethan: so aber .
waren durch die Naturanlage, die früheren Schicksale, das Be-
wufstsein der Unpopularität und der eigenen Unfähigkeit solche
zu gewinnen^) gegenüber grölster Popularität anderer, durch die
Möglichkeit, dafs über das Principat auch in anderer Weise ver-
fügt werden konnte, ebenso viele Momente gegeben, das Mifs-
trauen zu erhalten und schliefslich zum entscheidenden in allem
zu machen.^) Die unvermeidliche Begleiterin des Miiatrauens
aber, die Heuchelei, fehlte auch hier nicht, auch hier vorbereitet
durch den Zwang, den der wenig geliebte Stiefsohn Augusts zu
dessen Lebzeiten andern gegenüber sich hatte auferlegen müssen.')
Man wird dem Tiberius nicht unrecht thun, wenn man urteilt,
dafs niemals in seinem ganzen Principat ein aufrichtiges Ver-
hältnis zwischen ihm und dem Senate geherrscht habe, nicht
blofs in dem Sinne, in dem dieser Mangel am Principat über-
haupt, auch an dem des Augustus hing, sondern in dem beson-
deren, dafs jeder Akt des Senats dem Mifstrauen des Herrschers
begegnete und die Ausübung der Funktion des Senators nicht
mehr ein Recht, sondern ein Zwang war, dem unter der stets
wachsamen Eontrolle ängstlich gehorcht wurde.
5. Ein Gegengewicht gegen den Mifsbrauch dieses Gewalt- we beMeren
Verhältnisses bildeten nun allerdings bessere Züge seines Charak- ben BegioruDg.
ters. Angeborenes Gefühl für eine ererbte hohe Stellung, die
keines leeren Aufputzes bedarf, lieÜB ihn leere Ehrenbezeugungen
gering achten und das Wesen der Macht erfassen, nicht deren
Sehein/) Ein in Arbeit und mannigfacher Entsagung zuge-
nach der monarchiBchen hat Tiberins das Princip der Dyarcbie zuerst voll
und scharf zam Ansdrack gebracht.'^
1) Tac. ann. 3, 69: quanto rarior apud Tiberium popidaritas,
2) 4, 70: secutae Utterae — grates agentis quod hominem infensum reip,
punitnssent^ adiecto trepidam sibi vitam^ stupectas inimieorum insidiaa etc.
8) Liefs er sich doch zu einem Gedicht auf den Tod des L. C&sar
herbei, des Eokelsohns Augusts, der seinen Hoffnungen in den Weg gestellt
worden war. Suet. Tib. 70.
4) Tac. 2, 14: (Tib,) moderandos feminarum honores dictitana eademque
se temper amtia usi^um in iis, quae sibi tribuerentwr, 4, 37: {Tib.) vaUd%i^
älioqui spemendis hanoribus. Sueton Tib. 36: praenomen quoque imperatoria ^
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brachtes Leben hatte den Sinn f&r einfache Lebensweise in ihm
erhalten und liefs ihn denselben auch in der Stellung des Herr-
schers nicht nur für sich selbst bewahren , sondern auch in Be-
gierungsmafsregeln bethätigen ohne Übertreibung.^) Dieselbe
rege Thätigkeit in allen Teilen des romischen Herrschaftsgebiets
unter den Augen und in steter Beratung mit einem Politiker wie
Augustus hatte ihn die Bedürfnisse des Reichs in einer Weise
kennen gelehrt, wie kein anderer neben ihm sie kannte, und liels
ihn fortwährend — gleichgültig, ob aus menschlichem Literesse f&r
die Unterthanen oder aus dem Interesse des Staatsmanns, den
überkommenen guten Zustand, den er mitgeschaffen, erhalten zu
sehen — als natürlichen Anwalt der Provinzialen gegen räuberische
Beamte und als Helfer in Unglücksfällen handeln.^) Die augusteische
Idee des Principats als einer Gewalt, die überall aushelfen sollte,
machte er in seiner beständigen Teilnahme an den Gerichts-
verhandlungen^) wie in der Fürsorge für das materielle Wohl
cognomenque pcUris patriae et civicam in vestibiilo coronam recuaavit, ac ne
Augusti quidem nomen, quatnquatn hereditarium tiUis nisi ad reges ac dtffuh
8ta8 epistolis addidit. Dio 67, 2. 8: ovzs yag 9ean6trjv iavtov xois iXev-
^igotg ovts ocvrongatoga nlrjv toCg axgatioaTaig nalsiv iq>£si, das übrige wie
SuetoD. Bestätignng hiefür giebt zum Teil die Titulatur auf Inschriften and
Münzen, vgl. die Indicee von Orelli-Henzen und Wilmanns, sowie die Münzen
bei Cohen I p. 188 fiF. Der Titel ist Ti, Caesar divi Augusti flüius), wozu
dann noch der Augustusname , der die Siege bezeichnende Imperatoreniitel
öfter ohne die Wiederholnngszahl, die trib, pot. und der Pontificat kommen.
1) Vgl. die Verhandlungen über Malfiregeln gegen den Luxus. Tac.
ann. 8, 52 ff. und die CharakterisieruDg des Tiberius selbst c. 62 als princeps
antiquae parsimoniae.
2) Tac. ann. 4, 6 : n« provinciae novis oneribus turbarentur utque velera
sine avaritia aut crudditate magistraiuum tolerarent, provideibat: corponm
verbera^ ademptiones bonorum aberant. Die Ironie des oft citierten Worts Suet
Tib. 82 : boni pastoris esse tondere pecus non deglubere l&Ist verschiedene Deutung '
zu. Dahin gehören dann auch die zahlreichen Repetundenprozesse, wovon
übrigens unten. Auch das coniinuare imperia ac plerosque ad finem vitae in
isdem exercitibus aut iurisdictionibus habere (Tac. ann. 1, 80) wirkte fördernd
mit, obwohl hier anch andere Gründe mit unterliefen. — Positive Hilfe-
leistung nach dem Erdbeben in Asien 2, 47, nach Sueton 48 allerdings der
einzige Fall. •
3) Sueton Tib. 38. Tac. 1, 76: nee patrum cogniHonibus saiiahts
iudiciis adsidebat in cornu tribundlis, ne praetorem eurüli depeUeret, muHaque
eo coram adversus ambitum et potentium preces constüuta; wenn aber Tadtoi
hier beisetzt: sed dum veritati eonstUitur, libertas corrumpebatur^ so hat er
auf diesem Gebiet nicht unrecht, da sich die Selbständigkeit des Becht-
Sprechens mit solch beständiger Überwachung nicht vertrag.
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— 251 —
der Hauptstadt^), in der sorgfaltigen Pflege des Finanzwesens
bis zuletzt geltend.^) Jene Schule des Augustus machte ihn
femer zum vorsichtigen Hüter der auswärtigen Beziehungen des
Reichs y und so auf&llend es sein mochte , den Heerführer , der
in grofsen Unternehmungen Thatkraft und Initiative gezeigt, nun
nachdem er zu freiem Handeln gelang war, das Testament des
Augustus mit seiner Empfehlung der Enthaltsamkeit getreu
wahren zu sehen ^)y so mufste der kühle Beurteiler doch aner-
kennen, dafs diese dem reifen Alter des Herrschers zu verdankende
Vorsicht, wenn sie auch zum Teil Berechnungen der persönlichen
Sicherheit entsprungen war, doch zugleich den wahren Interessen
des Reichs besser diente, als die abenteuerlichen Eroberungspläne
des Germanicus.
Endlich selbst iden Soldaten gegenüber hat Tiberius, nach-
dem einmal die ersten durch den Regierungswechsel hervor-
gerufenen Bewegungen durch mäfsige Eonzessionen überwunden
waren, ohne weitere Zugeständnisse, ja selbst unter Zurücknahme
der früher gemachten, Disciplin und Ergebenheit aufrecht zu er-
halten gewufst.*)
Gelang es ihm so, in Fortführung dessen, was Augustus
erzielt hatte, mit seiner ebenfalls langen Regierung der ganzen
Reichsverwaltung eine Festigkeit und Sicherheit zu geben, wie
sie bisher noch niemals dagewesen, so wirkten nun aber andrer-
seits jene entgegengesetzten Züge seines Charakters, je mehr sie
sich ausbildeten, so verhängnisvoll, dafs die zweite Hälfte seiner
1) Fürsorge gegen Hangersnot Tac. 2, 87. Vell. 2, 126: qwmdo an-
nona moderatior? wozu Tac. 6, 18: addidit, quibua ex provinciis et qtianto
maiorem quam Augtisius rei frumentariae copiam advectaret, Hilfe nach dem
Brandonglück der J. 27 (Tac. 4, 64 f.) und 86 (6, 46). Eingreifen bei Geld-
kalamit&t 6, 17 (refecta fides). Snet. 48.
2) Bei aller Sparsamkeit war er doch erogandae per honesta pecimiae
cupiens, quam virtutem diu retinuit, cum ceteras exueret. Tac. 1, 76. Das
Resaltat seiner Verwaltung war ein wohlgefüllter Staatsschatz. Suet. Cal. 87.
Indessen wollte er dabei unkontrolliert sein, vgl. ebendas. o. 16: raiiones a5
Augusto proponi solitas sed a Tibtrio intermissas publicamt {C. Caesar),
8) Tac. ann. 2, 26.
4) Suet. Tib. 48: Militi post dupUc(xta ex AugusH testamento kgaia
nihü unquam largitus est praeterquam singtila müia denariorum praetorianis,
qw)d Seiano se non accommodassent, et quaedam munera Syriacis legionibus,
quod sölae nuUam Seiani imaginem inter sigfia colu/issent; atque etiam
nissiones veteranarum rarissimaa fecit ex senio mortem ex morte compendium
captans, r^ i
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— 252 ~
Regierungszeit nicht nur für sich zu den düstersten Perioden der
Eaiserzeifr gehört, sondern auch, indem sie die Widerstandsfähig-
keit des Senats systematisch vernichtete, dem Despotismus der
nachfolgenden Regierungen die Wege bahnte.
Die Wendung 6. Die altcu Quellen machen den ersten Einschnitt in der
meren. Rcgicrung dcs Tibcrius bald mit dem Tode des Germanicus, bald
mit dem des eigenen Sohns des Tiberius, des Drusus, im J. 23,
sofern letzteres Ereignis teils an sich von wichtigen Folgen ge-
wesen, teils in Verbindung gestanden sei mit dem Aufkommen
Sejans.^) In der That ist das Verschwinden dieser zwei Sohne,
wenn auch in verschiedener Weise, epochemachend gewesen. Die
Stimmung von Volk und Armee für Germanicus war ein Faktor,
mit dem Tiberius rechnen mufste. Die Vorgänge in Germanien
unmittelbar nach dem Regierungswechsel liefsen zwar die Loyalität
des Adoptivsohns glänzend aus der scharfen Probe hervorgehen,
so dafs selbst das Mifstrauen dieses Herrschers ihm personlich
gegenüber beschwichtigt sein mufste*, allein ebenso hatte man
gesehen, dafs die Popularität des jüngeren Mannes, der alles zu
haben schien, was dem Tiberius fehlte, genügte, um gegen seinen
Willen Bewegungen hervorzurufen, und die Klugheit gebot, dieser
Lage der Dinge nicht durch ein offen despotisches Verfahren
Nahrung zu geben und so die Erinnerung daran wachzurufen,
dafs Germanicus der leibliche Sohn des Mannes war, dem man
republikanische Neigungen zugeschrieben hatte (ob. S. 161 A. 1).
Bitter mochte es Tiberius empfinden, dafs in der öffentlichen Meinung
ihm der Neffe und Adoptivsohn vorgezogen wurde, der an Regie-
rungsfähigkeit weit unter ihm stand, und dessen Auftreten er mit
Recht in wichtigen Punkten Veranlassung hatte in Schranken zu
weisen oder direkt zu tadeln. Denn nachdem Germanicus gezeigt
hatte, dafs er jedenfalls keine Garantie für glückliche Durch-
führung germanischer Eroberungen bot, mufste ihm Tiberius
die Grenzen vorschreiben und ihn auf ein anderes Kommando
versetzen y und wenn von Augustus her für jeden Mann senato-
rischen Standes streng verboten war, ohne Erlaubnis des Prineeps
Ägypten zu betreten, so durfte Tiberius es nicht übersehen, dafs
1) Wendepunkt beim Tode des GermanicoB Dio 67, 18 a. £., bei dem
des Drusas Tac. 4, 7. Schlieralich nach dem Tode der Livia Tac b, Z: ex
eo praerupta tarn et urgens dominatio; nam incolumi Augusta erat adhitc
perfugium, quia Tiberio inveteratum erga matrem obsequium neque Seianus
aiidebat auctoritcUi parentis anteire,
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_ 253 —
Germanicus dieses Verbot mifsachtete.^) Der Tod des letzteren
im J. 19 y an dem ihm die Schuld aufzubürden weder durch die
gegebenen Indicien gerechtfertigt^)^ noch nach den innem Gründen
des Zwecks und daraus zu ziehenden Nutzens angezeigt ist, befreite
ihn immerhin von dem Gefühl, sich mit dem eignen Verhalten
fortwährend in der öffentlichen Meinung an einem andern ge-
messen zu wissen, brachte den eigenen Sohn Drusus in die natür-
liche Stellung und verwies die Ansprüche der Germanicuskinder
in eine fernere Zukunft. Aber diese Zeit einer gewissen Beruhi-
gung währte nicht lange. Der Tod des Drusus im J. 23 brachte
die Nachkommenschaft des Germanicus wieder in die nächste
Anwartschaft und veranlafste damit zugleich das schroffere Her-
vortreten seiner Wittwe, der unversöhnlichen Agrippina, die jetzt
nicht blofs mit ihren Klagen über das Vergangene dem Tiber,
sondern auch mit ihren Hoffnungen für die Zukunft dem Sejan
gegenüberstand, dem derselbe Todesfall die Herrschaft bereiten
sollte. L. Alius Sejanus, gleich zu Anfang der neuen Regierung
seinem Vater Seius Strabo im Kommando der Leibwache bei-
gegeben, Begleiter des jungen Drusus auf seiner Mission zu den
aufständischen Legionen in Illyricum, nach seiner Rückkehr sofort
ein Gregner des Germanicus, seit dem J. 17 alleiniger Inhaber
des Gardekommandos ^) und in dieser Stellung mit Erfolg bemüht,
den Einfluls seines Postens aufs höchste zu steigern, hatte eben
im J. 23 die Zusammenziehung des ganzen Gardekorps in dem
^inen Lager in Rom ausgeführt. Von Tiberius, der, nahezu gegen
alle andern mifstrauisch^), diesem Manne allein unbedingtes Ver-
1) Tac. ann. 2, 69. ,
2) Wenn Antouia, die Mutter des Germanicus, deren Charakter all-
gemein anerkannt war, gegen Tiberius Verdacht gehegt hätte, so hätte sie
ihm nicht die Freundschaft gewahrt, die sie nach Joseph, antiq. 18, 6, 6
ffir ihn hatte.
3) Ober Sejans Laufbahn Tac. 1. 24. 69. 3, 29. 35. 72. 4, 1.
4) Im J. 21 war der von Augnstus übernommene Geheimsekretär
C. Sallustius gestorben, der aetcUe provecta speciem magis in amicitia prin-
dpis quam vim tenuit (Tac. 3, 30). Die sonst genannten Vertrauten und
anch von Tacitus als Charaktere anerkannten Senatoren M\ Lepidus (4, 20),
der Stadtpräfekt L. Piso (ob. S. 244 A. 1), der rcchtegelehrte Eonsular Coccejus
Nerva, Tibers Begleiter nach Capri (4, 68), und der hotno navus Lucilius
Longos, Coos. im J. 7 n. Ch., gest. im J. 23 (4, 15) übten offenbar nur
gelegentlich Einflnfs und hüteten sich entschieden aufzutreten. Dafs Lepidus
dem Kreise des Sejan aus dem Wege ging, zeigt Tac. 3, 36, und Nerva
entaog sich den Eindrücken des Aufenthalts in Capri durch Selbstmord 6^26.
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trauen schenkte, zum Mentor seines Sohnes Drusus bestimmt,
hatte er noch höher gehende Pläne gefa&t und nach der Nach-
folge für sich selbst strebend nun, was freilich erst später er-
wiesen wurde, den Drusus, der sich schon seinen unmittelbaren
Einflufs nicht gefallen lassen wollte, durch Vergiftung beseitigt^)
Jetzt beginnt dann die Zeit, in welcher Sejans Einflufs alles ander«
zurückdrängt, und es entsteht ein wahrhaft dramatisches Inte^
esse, wenn man sieht, wie der betrogene Herrscher den nicht
hoch genug heben kann, der, nachdem er seinen Herrn von Greuel
zu Greuel geführt, ihn selbst zu stürzen sucht, bis er, dem kein
Mann zu trotzen wagte, endlich durch das Eingreifen einer
Frauenhand der Rache verfällt*)
Der Schlüssel nun zum Verständnis des Verhaltens Tibers wäh-
rend der Zeit des Sejanischen Einflusses und in den sechs daraof
folgenden Jahren mag darin gefunden werden, dals Tiberius wah^
nahm, wie Agrippina nunmehr, nachdem Drusus gestorben, durch
die Aussicht auf die Nachfolge ihrer Söhne unter den Senatoren
Freunde gewann. Es galt diese entgegenstehende Seite, die dazu
wirklich gehörenden oder im Verdacht stehenden, zu vernichten.
Sicherheit dagegen suchte er jetzt mehr als je in der jedermann
vor Augen gestellten, unter Sejans Befehl concentrierten Milita^
macht, aber es bildete dies nur den drohenden Hintergrund f&r
anderweitiges Vorgehen. Die Wafien nämlich, welche der Princeps
unmittelbar gebrauchte^ waren die früher schon vereinzelt von
ihm angewandten, auch unter der Bepublik gegen politische
Gegner bewährten, welche der Eriminalprozefs bot, und zwar die
durch das Majestäts- und Repetundengericht gegebenen Anklagen^
die er vor sein Forum ziehen oder dem Senat zur Aburteilung
überlassen konnte, und die ihrer Natur nach eben gegen Schul-
dige aus dem Senatorenstand gerichtet waren. Die Schuldigen
herauszufinden und zu bezeichnen war die Aufgabe der Delatoren,
der freiwilligen Angeber, deren durch die Prozefsordnung be-
günstigtes und durch Belohnungen gefördertes Auftreten nun
eine stets bereite Hilfe für die Verfolgung wird; die Exekution
Immerhin zeigen diese Beispiele wie das Verhalten der Antonia, d&Is die
besseren Seiten im Charakter geeignet waren, ihm nachhaltige Sympathieen
zn erwecken.
1) Dio 67, 22. 68, 11. Tac. 4, 11.
2) Vgl die Erzählung vom Eingreifen der Antonia Joseph, aniiq. 18,
6, 6. Es geschah im J. 81.
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der Urteile und die Niederhaltung der Erbitterung, welche der
gegen die MiTsliebigen eröfifnete Kampf hervorbringen mufste^ war
durch die Prätorianer gesichert
7. Die Einführung des Majestätsprozesses in das römische nie Majestftts-
Kriminalgericht war in der Republik durch ein tribunicisches prozesae.
Gesetz erfolgt (1,485 A. 4); durch Sulla und den Diktator Cäsar
war derselbe durch neue Gesetze weiter ausgebildet worden, und
die lex Jtdia de maiestcUe, ob in der Form des Julius Cäsar, oder
in einer durch Augusti^ schon erweiterten Gestalt, war die
Grundlage des Verfahrens in der Kaiserzeit. ^) Unter den ur-
sprünglichen Motiven der Majestätsanklage war nachweislich mit
begrififen gewesen der Schutz der tribunicischen Gewalt, indem
diese zwar mit dem Becht der Selbsthilfe und dem ganzen Schutz
der lex saoraia ausgestattet, aber in den Parteikämpfen der
späteren Bepublik damit nicht ausgekommen war. Allein dies
war nicht der einzige Zweck des neuen Verfahrens gewesen,
sondern es waren auch Staatsverbrechen in weiterem Sinne mit
in den Begriff aufgenommen worden. Auch in der Kaiserzeit
sollte nicht etwa blofs die tribunicische Gewalt durch dieses
Gesetz geschützt werden, sondern es war, wie die klassischen
Juristen zeigen, immer noch auch auf die Majestät des Staats
und seiner Organe in weiterem Sinne und die Abwehr von Hoch-
verrat gerichtet.*) Eine besondere Verwertung für die Person
des Princeps hatte nun schon Augusti^s eingeführt und ziemlich
weit auszudehnen versucht; allein er war doch selten in den Fall
gekommen, davon Gebrauch zu machen.^) Tiberius dagegen
machte nicht blofs, zuerst sparsam, dann in immer steigendem
Mafse diesen Gebrauch, sondern er nützte auch die Weite des
Begriffs in unerhörter Weise aus, liefs neben die gesetzliche
Strafe der Verbannung die Todesstrafe setzen und die Mittel des
Verfahrens aufs gehässigste handhaben/) Diese Waffe war es
1) Vgl. Dig. 48, 4. Ad legem Jüliam maiestcUis. Von Neuereö vgl. für die
Kaiserzeit Bein, Eriminalrecht S. 604—697. Ders. in Panlys Bealencykl. 4,
1464 ff. Mommsen, röm. Str. 2, 730 f.
2) Tao. 1, 72 und die angef. Digestenstelle.
3) So gegen Cornelins Gallas. Dio 63, 23. Suet. Aug. 66. AuCBerdem
sagt Tacitos ann. 3, 24 mit Bezug auf die bei dem Ehebrach der Julia Be-
teiligten: (Ätigtistus) ctdpam inter viros ac feminas vulgatam grcm nomine
laesarum rüigumum ac violatae maiestatis appelUmdo clementiam tnatorum
suasque ipse leges egrediebatur ; 8. femer folg. Anm.
4) Tac. 1, 72: primus Äugustus cognitionem de fatnosis libeUiaspecie
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denn, welche die zweite Hälfte der tiberianischen Regierung zu
einer Schreckensherrschaft für die römische Gesellschaft machte
und gleich abschreckend gehandhabt wurde unter dem Einflofs
Sejans wie in dem Straf- und Rachegericht, das über diesen
selbst erging, sowie schliefslich nach dessen Sturz in der Ver-
nichtung der Agrippinapartei. Aber immer nur das Majestats-
gesetz anzuwenden war zu einförmig, und da nun in dem Repe-
tundengesetz eine zweite, analoge WaflFe vorhanden war, so wurde
auch diese zu Hilfe genommen. Es ^ar an sich gerade eine
gute Seite der Verwaltung des Tiberius gewesen, dafs er der
Ausplünderung der Pnrvinzen entgegentrat; allein auch hier war
es nicht schwer, Dinge, die durch das Herkommen den Charakter
des Strafbaren verloren hatten, nach strengem Recht zur Strafe
zu ziehen, um das Merkmal des Tendenzprozesses, das hier in
der Auswahl derer, die man vor Gericht zog, gegenüber den un-
behelligten liegt, zu erkennen, ist das Material der Thatsachen
für uns zu unvollständig, doch genügt es immerhin, um den Ein-
druck zu gewinnen, dafs auch hier Mifsbrauch stattfand.^) Die
Gesetze hatten für die genannten Verbrechen den Quästionen-
prozefs in Aussicht genommen; allein wie schon unter Augustus
der Senat ein mit den Quästionen konkurrierendes Forum ge-
worden war, so liefs auch Tiberius den Majestäts- und Repetunden-
legis eiu8 tradavit, cammottis Cassii Severi lihidine (vgl. Dio 56, 27 e. J. IS
it Gh.), mox Tiberius (i. J. 16) consuUante Pompeio Macro praetore, an
ii*dicia maiestatis redderentur^ exercendas leges esse respondit. Zur Greschichte
der Weiterbildung unter Tiberius 2, 50 {adolescebat interea lex maiestatis
zum J. 17); 8, 88: postulaverat de repetundis addito maiestatis crimine, quod
tum omnium accusationum complementum erat; hinsichtlich der angeklagten
Handlungen Sueton Tib. 58. 61. Tac. 4, 34 f. Indessen sind die Fälle in
dem ersten Jahrzehnt yerhältnismäfsig selten, und bei mehreren lehnt
Tiberius die Verfolgung ab, so 1, 78. 2, 50; um so zahlreicher sind sie in
der zweiten Hälfte der Regierung. (Aufzählung z. B. bei Rein, Eriminalr.
S. 548 f.) Die im Qesetz Torgeschriebene Strafe des Exils erscheint gegen-
über den Fällen mit Todesstrafe als Ausnahme. Nach dem Sturze de^
Sejan incitaiu^ suppliciis cunctos qui carcere attinebantur (tccuscUi societcäis
cum Seumo necari iubet. ann. 6, 19. Hinsichtlich des Verfahrens der Dela-
toren, des Zengenverhörs u. dgl. aufser den Ton Tacitus beigebrachten Details
Sueton 61. Hinsichtlich der Strafe besonders zu bemerken die setäentia des
M\ Lepidus Tac. 8, 50 extr.
1) Vgl. die Darstellung vom Prozefs des Prokonsuls Ton Aeio»,
G. SiluDus, im J. 22 bei Tac. 8, 66 ff. (c. 67: multa adgereb<mtur eüam
insontibus periculoea etc.).
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— 257 -
prozefs im Senat vor sich gehen ^), und dies war in seinen Polgen
noch schlimmer als der vom Despoten direkt verübte Justizmord.
Während durch jene Prozesse der erste Stand des Reichs sich
selbst zerfleischte, das Geschwür des Delatorentums am eigenen
Leibe ausbildete, nicht nur ein freisprechendes urteil nicht wagte,
sondern sich in Schärfung der Bluturteile überbot*), stand Tiberius
schweigend daneben, zuweilen, wo er besonders hafste, auftauchen,
den. Gefühlen der Milde entgegentretend^) und gegen die am
bittersten Gehafsten in grausamer Lust des Quälens schwelgend*),
zuweilen mit gleich bitterer Ironie der Sache wie des Willens
mäfsigend und Garantie gegen allzu rasches Vorgehen heuchelnd.^)
Nicht dafs der Senat eine tote Masse war, in der niemand Parteigegen-
besondere Bestrebungen gehabt hätte: im eigenen Anhang des souaukreisen.
Despotismus gab es Parteien, Anhänger des Sejanus und wieder
Männer, die direkt der Person des Princeps nahe genug standen
um der Vermittlung des allmächtigen Günstlings nicht zu be-
dürfen, ja, soweit die Eaiserinmutter eine eigene Stellung am Hofe
einnahm, auch ihre Anhänger^ und diesen allen gegenüber dann
1) Näheres über die EompeteDZ des Senats und die unter andern
Kaisern häufig konkurrierende des Princeps unten im System. Hinsichtlich
des Tiberius vgl. Tac. 4, 16: — patres, apud quos etiam tum cuncta tracta.
bantur, ctdeo ut procu/raior Asiae Lucilius Capito accusante provincia causam
dixerit, m€igna cum adseveratione principis non se ius nisi in servitia et pe-
cunias familiäres dedisse.
2) Tac. ann. 8, 66 : Exequi sententias haud institui nisi insignes per
honestum aut notdbili dedecore, worauf dann Erzählung von Beispielen.
3) So in dem ganz besonders gehässigen Fall des Vibius Serenus
Tac. 4, 28—30, (vgl. c. 29: non occultante Tiberio vetus odium adversus
exulem Serenum). Als hiebei verhandelt wird de praemiis accusatorum ab-
olendiSf st quis maiestaiis postulatus ante perfecttwi iudicium se ipse vita
privavisset, wäre im Senat dies durchgegangen, ni durius contraque morem
suum palam pro accusatoribus Caesar inritas leges — conquestus esset: sub
verterent potius iura quam custodes eorum amoverent
4) Sneton Tib. 61: Mox in omne genus crudelitatis erupit. — Mori
voientibus vis cuihibita vivendi.
6) Tac. ann. 8, 69: (Tib.) prudens moderandi^ si propria ira non im-
peUeretur, — Da Verurteilung durch den Senat sofort exekutiert werden
sollte, veranlafst er im J. 22 ein s. c, ne decreta patrum ante diem decimum
ad €ierarium deferrentur idque viiae spatium damna;tis prorogaretur, Tac.
3, 61. Dio 67, 20. Sed, fügt Tacitns bei, non senatui libertas ad paeniten-
dum eraJt neque Tiberius interiectu temporis mitigahatur, — In seinem ganzen
Verfahren bewährt sich das kompetente Ui-teil Augusts Sueton Tib. 21:
miserum populum Born., qui sub tarn lentis maxillis eritf vgl. c. 67: Saeva
ac lewta natura ne in puero quidem latuit, ^ j
ncrzog, d. Tom. SUatsvcrf. H. 1. D^i^zed by VjOOglC
— 258 —
die Freunde der Agrippina.^) Allein es waren dies nicht poli-
tische Parteien, sondern Interessengruppen, von denen die einen
im Spiel der Intrigue gegen einander um den Einflufs bei Tiber
stritten und gelegentlich ein schwaches Bemühen hatten, die Be-
drohten des eigenen Kreises zu retten, die andern aber, die von
der Gruppe der Agrippina, zwar in Freundschaft und Treue
fQr das UnglQck Selbständigkeit zeigten, aber zu einer politischen
Aktion nicht kommen konnten, sondern nur in Kundgebungen
von Sympathieen und Gemeinsamkeit des Leidens sich erschöpften.
Eine republikanisch gesinnte Partei, wie sie die stoische Philo-
sophie unter den folgenden Regierungen hervorbrachte, ist unter
Tiberius nicht zu bemerken; wer von den alten Familien ver-
einzelt republikanische Erinnerungen und Hoffnungen hegte,
konnte dies nur verstohlen hinter der Maske der Ergebenheit
thun. Noch viel weniger aber hatte irgend eine Partei, auch
die der Agrippina nicht, Rückhalt im Volk. Die romische Bürger-
schaft mochte wohl nach den Beziehungen der einzelnen zu den
grofsen Häusern an deren Geschicken teilnehmen'), und es
mochten weitverbreitete Sympathieen für die Familie des Germa-
nicus bestehen: ein Trieb zur Handlung ergab sich daraus nicht^
und Tiberius, obgleich er nie dem Volke schmeichelte, nicht
seinen Vergnügungen oder Launen, sondern nur seinen Bedürf-
nissen diente, war von dieser Seite her sicher. So blieb der
Kampf des Tyrannen mit den von ihm als Feinde erachteten
Senatoren innerhalb des Senatsgerichts, und wo irgend sein ent-
schiedener Wille zu erkennen war, verstummte in diesem jeder
Widerspruch. Den Despoten selbst soll der Anblick solcher
Servilität angewidert haben*), aber es fehlte ihm das Recht, die
1) Einen interessanten Versach, diese Parteien nach den dasn ge-
hörigen Persönlichkeiten zu skizzieren, macht Abraham^ Vellejus und die
Parteien in Born unter Tiberius. Berlin 1885. Ober die Partei der Agrippinft
vgl. Tac. 4, 17: incusabat {Seianus) didtictam civitatem ut dvüi beüo; tm
qui se partium Agrippinae vocetU ac ni resistatur, fore pluris etc. — Da6
die Haitang der Agrippina selbst heraasfordernd war, geht aooh ans Tacitoi
hervor; dafs aber von ihrer Partei die Stellung des Tiberius bedroht ge-
wesen, wie ihr vorgeworfen wurde (4, 67), liels sich nicht erweisen ond ist
nicht wahrscheinlich. Es war eine Partei der Zakunft, die fär diese ihre
Rolle sehr unvorsichtig vorging.
2) Vgl. aus späterer Zeit Tac. bist. 1, 4: pars popuU integra et magnis
domibus adnexa^ clientes Ubertique damnatorwn et exulum in spem ereeU.
3) Tac. ano. 3, 66: Memoriae proditur, Tiberium quoiiens ctiria egredere-
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— 259 —
zu yerachten^ welche seine unheimliche Herrschaft gesinnungslos
gemacht hatte und vor denen er selbst vom J. 26 an Rom auf
immer verliefs*), um Mifstrauen und Menschenhafs von der
sichern Einsamkeit von Capri aus ungestraft wirken zu lassen.
Bemerkenswert in den Regierungseinrichtungen des Tiberius Dor Beir&t des
ist noch^ dais er dem Vorgang des Augustus (ob. S. 176 f.) ent-
sprechend einen Beirat nicht blofs für das Bechtsprechen, sondern
auch f&r politische Angelegenheiten annahm , aus Senatoren
zusammengesetzt^ doch nicht ausschliefslich^ sofern auch der *
NichtSenator Sejanus dazu gehorte.') Ob dies zu dem von An-
fang an kundgegebenen Princip gehorte, sich möglichst an das
Beispiel des Vorgängers zu halten ; oder zu dem angenommenen
Schein, die Last der Regierung mit andern teilen zu wollen^ oder
ob es eine Mafsregel der Kontrolle gegenüber den principes civi-
tatis war^ lafst sich nicht erkennen. Das Schicksal^ das die
meisten dieser Räte hatten^ macht wahrscheinlich, dafs letzteres
Motiv wenigstens mitwirkte. Dafs dieser Beirat wirklich Einflufs
auf die Regierung gehabt hätte, läfst* sich nicht erkennen. Unter
seinen Nachfolgern ist auf lange Zeit nur noch von einem
richterlichen, nicht von einem allgemein politischen Konsilium
die Rede.
Die Regierungen der drei Nachfolger des Tiberius haben
anter sich wie mit der tiberianischen das gemein, dafs einem
guten Anfang ein schlimmer Fortgang folgte, und so bietet vom
Tode Augusts ab die Geschichte seines Hauses nur verschiedene
Variationen eines Schreckensregiments, dessen Greuel, ob man
sie in Suetons statistischer Aufzählung oder in dem tragisch
gehaltenen Pragmatismus des Tacitus liest, einen ungemein
düstem Eindruck machen. Es besteht indessen nicht blofs ein
Unterschied zwischen den Persönlichkeiten der Herrscher, sondern
es war auch die Wirkung auf den Kernpunkt alles dessen, was
man noch Verfassungsleben nennen konnte, d. h. auf das Ver-
hältnis des Senats zum Princeps, eine verschiedene.
tur, Qraecis verbis in hunc modum doqui solitum: o homines ad servitutem
paratoß! Seüioet etiam iUum, qui Ubertatem publicum noUety tarn proiectae
servienUum pctUentiae taedebat.
1) Tac. 4, 67.
2) Saeton Tiber. 66: Super veUres amicoa ac familiäres viginH sibi e
numero prineipum civitatis depoposcercU veltU consüiarios in negotiis ptiblicis,
Harum vix duos anne tres incöltmiis praesUtü, eeteros älium alia de causa
percvlif, inter quos cum plurimarum clade Aelium Seianum. ^ j
- 260 -
Kaiser Gaiui. 8. Der Übergang von der Bahn konstitutioneller Verheifsungen
zu ausgesprochener Willkür vollzog sich am raschesten bei Kaiser
Gaius.^) Unbekümmert um die Folgen der Erziehung; welche
der jüngste Sohn des Germanicus und der Agrippina am Hofe
des Tiberius durchgemacht und um die schlimmen Eigenschaften^
die er bereits gezeigt, gab man sich, als im März des J. 37 der
25jährige Herrscher von dem Präfekten Macro vorgestellt wurde
und alles gute versprach*), der vollen Freude über die Befreiung
von dem langen Druck und dem Einflufs der populären Familien-
erinnerungen hin, übersah die Usurpation, die in dieser Einffili-
rung lag und entschuldigte mit dem jugendlichen Alter, was in
der persönlichen Haltung an warnenden Anzeichen vorlag. Gegen-
über der jeder Volksfreude feindlichen festlosen Zeit des Vo^
gängers schien die Menge der jetzt gebotenen Feste ein goldenes
Zeitalter einzuleiten.*) Die Ernüchterung folgte früh genug*),
denn bald zeigte die neue Regierung das Treiben eines Knaben,
der aus schwerstem personlichem Zwang zur höchsten Macht ge-
langt, von der Schule des Drucks wohl so viel Klugheit mit-
gebracht hat, um bis zur vollen Sicherheit der Herrschaft gute
Eindrücke erzielen zu wollen, dann aber, sobald dies nicht mehr
1) Der offizielle Name: C, Caesar Augustus Germanicus, Dio 59, 8:
drifto%(fatL%mtatog elvat, Ta nQmta do^ag mcts (ir^ts tm diq^m ri t^ fB ßovXy
yi^dijxtt. XI iii^ts tmv ovofidrmv t^v aqxL'umv nqog&ia^'ai xi {Lwuqxmuoiatog
iysvBto maxs ndvta oca o Avyovaxog iv toao^xm xrig aQxfjg XQovm fLolus wd
xaö"* ?v STiaatov fffriq>iad-ivxa ot idi^uto, mv ivuc 6 TißiQiog ovd' oXmg
TCQO^KaxOj iv fiia riiisga XaßsCv, Hiezu ist za bemerken, dafs er den Im-
peratoniamen so wenig wie Tiberius führt. Der offizielle Antrittstag {dies
imperii) ist der 18. März. Henzen, acta fratr. Arv. p. XLIIl z. d. Dat:
hoc die C. Caesar Augustus Germanicus a senatu impera[tor app€ll4Uus] est,
wozu p. 68. Die potestas trib. wird vom 18. MSjrz 87 an gezählt — Anf
den Regierungsantritt des Oains bezieht sich der Eid, den der Legat von
Lusitanien in seiner Provinz abnimmt und von dem uns eine Urkunde von
der Stadt Aritium erhalten ist. C. inscr. lat. 11. n. 172. Wilmanns, exempla
inscr. n. 2839.
2) Vgl. über den Anfang der Regierung Saeton Gai. 13—16. Dio 69, 6 f.
— Das Thatsächliche^ das der yerlorene Bericht des Tacitus bot, wird wohl
in dem des Dio zu finden sein.
8) Phil. leg. ad Gai. p. 547.
4) Als Wendepunkt wird von dem Zeitgenossen Philo a. a. 0. p. 54S
die Krankheit angegeben, welche den Kaiser im achten Monat befiel; vgl.
Dio 69, 8. Die bezeichnenden Thatsachen waren die Beseitigung des Bruders
Tiberius und des Schwiegervaters Silanus.
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nötig scheint) jeden Zwang abwirft. Seine Naturanlage, die nun
in voller Schrankenlosigkeit sich kundgiebt, brachte es mit sich,
dafs sich in ihm das Gefähl der Selbstherrschaft als solcher bis
zum Wahnsinn steigerte'): bald wurde jeder Ratgeber überflüssig,
weder Präfekten- noch Freigelasseneneinflufs galt unter diesem
Herrscher, er allein war alles, der inhalts- und zweckloseste und
darum von keinem Gefühl einer Verantwortlichkeit begleitete
Eigenwille war es, der, genährt durch die Ideen des orientalischen
Despotismus, die er in seiner Umgebung schöpfte^), schliefslich
jenes ungeheuerliche Bild eines Tyrannen bietet, welcher, der ver-
worfenste der Menschen, der Welt seine Göttlichkeit aufdrängen
will imd bereits mit Erfolg aufdrängt. Unter diesen Um-
standen erscheinen denn auch die Mafsregeln, welche von der
Initiative dieses Kaisers ausgingen, nicht als von sachlicher Er-
wägung, sondern von Laune oder Berechnung des Augenblicks
eingegeben. Zum Teil hat er, was er eingeführt, bald selbst
wieder aufgehoben.*) Die Magistratswahlen wurden im J. 38
der Volkswahl zurückgegeben und dann wieder im J. 39 der-
selben entzogen; die Majestätsprozesse sollten im Kontrast zur
1) Die Quellen nehmen ausgesprochenen Wahnsinn als Krankheit an,
Saaten Cal. 50. Tac. ann. 13, 3: etiam C. Caesaris turbata mens vim dt-
cendi non corrupit. Philo spricht p. 548 wohl von den Folgen der durch
die Lebensweise des Gains herbeigeführten Krankheit, drückt sich aber sonst
Toraichtiger aus and spricht von Selbstverblendung, jugendlicher Über-
hebnng u. dgl. Wirkliche Krankheit bezweifeln Hock 3, 243. Schiller 1, 306.
Physiologisch heredit&ren Wahnsinn will begründen Wiedemeister, der
Cäsarenwahnsinn in der julisch-clandischen Familie. Hannover 1875. Dafs
bei Gaius eine gewaltthätige Natur (Tac. ann. 6, 45: comtnotus ingenio) in
krankhafter Weise aufs äufserste gesteigert erscheint, ist unverkennbar; ob
in einer Weise, welche die Zurechnung aufhebt — denn darauf allein kann
die Frage gerichtet werden — , ist nicht vom Historiker zu entscheiden.
Für unseren Zweck vollends handelt es sich nur um Darstellung der Grenze,
bis zu welcher die augusteische Kaisergewalt im römischen Staat ausgedehnt
werden konnte, d. h. um den Wert, welchen die in ihre rechtliche Fixierung
gelegten Schranken gegenüber solchen Prüfungen hatten.
2) Sueton Cal. 22, besonders Philo a. a. 0. Dio 59^ 24: invv&dvovto
w xt 'JyQ^nnap uvx^ %al xov 'Avt{o%ov %ov£ ßaailfag coctcsq tivag TV(^cewo-
iidaanäXovs cwsipui; vgl. Sueton a. a. 0.: nee muUutn afuit quin statim
diadema sumeret speciemque principatw in regni formam converteret.
8) Vgl. die Ausführung bei Dio 59, 4. Sueton zahlt c. 15 £ die
besseren Seiten auf und geht dann c. 22 (hactentM quasi de principe, reliqua
«< de monstro narranda sunt) zu der Statistik der Unthaten über. Jenes
Bessere gehört gröfstenteil?, aber nicht ganz, der Zeit vor der Krankheiten. t
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vorhergehenden Regierung, auf deren Akte Gaius nicht schworen
liefs, eingestellt werden, im J. 39 wurden sie mit rühmender
Berufung auf Tiberius wieder aufgenommen.^) Es sollte über
die Finanzen des Reichs wie unter Augustus Rechenschaft ge-
geben werden, aber bald folgte die tollste Verschwendung, der
zuerst der reiche von Tiberius gesammelte Schatz und dann die
laufenden Mittel der Verwaltung zum Opfer fielen. Italien wurde
Steuererleichterung gewährt, um dann infolge jener Verschwen-
dung Rom, Italien und die Provinzen mit Steuern und Beraubung
einzelner heimzusuchen.^) Würde und Kompetenz des Senats und
der Magistratur, letztere namentlich in der Jurisdiktion, sollten
gewahrt werden, während Senatoreurund Magistrate jedem Schimpf
und jeder Mifshandlung ausgesetzt waren. •) Von bleibender Be-
deutung und dem sachlichen Bedürfais entsprechend war die
Vermehrung des Ritterstands unter Zuziehung auch von Pro-
vinzialen und die Hinzufügung einer fünften Decurie zum Ge-
schworenendienst*); ebenso wurden in die Provinzialeinrichtungen
einschneidende Neuerungen eingeführt, von denen weiterhin zu
reden ist — Wo Philo von den Gefühlen der Sympathie spricht,
welche die Krankheit des Gaius hervorrief*), führt er dieselben
zurück auf die Furcht, es möchte dem Tod des Princeps der
Rückfall in die Greuel der Bürgerkriege folgen. Drei Jahre nach-
her hatten die Greuel dieses Principats, indem sie alle Stände
des Reichs, zuvörderst den Senat, heimsuchten, die persönliche
Sicherheit der Bürger wie der Provinzialen aufhoben und selbst
das Heer nicht schonten, es dahin gebracht, dafe jene Furcht
1) Dio 69, 6. 16.
2) SaetOQ c. 16: diicentesimam auctionum lialiae remisit Die entgegen-
gesetzte Seite c. 38 fif. Ober die Veröffentlichung der Rechnangen Saei 16,
(ob. S. 261 A. 2). Dio 69, 9.
3) Einerseits Dio 69, 6. Sueton 16 {magistratibus liberam tum dktio-
nem et sine sui appeUatione concessit), andrerseits c 26: nihüo reverentior
leniorve erga senatum etc. und Dio c. 18: idUa^s %ctl Idla xal ^txa *a9rfi
T^g yiqovcCai maC xiva xol ins^vr} xad"* iavriiv ixQiviiß' ov fiivtoi nal ccvxo-
ttXrig ^9, all' Iqpicrtfiot di%ai an avT^s iyiyvovxo ovxraL Letfteres
war^ wie im System zu zeigen, der Ordnang der Kompetenzen zuwider. —
Vgl. auch Joseph, antiq. Jud. 19, 1, 1.
4) Suet. Dio 69, 9. (Vermehrung des Biiterstands , worüber n&hercs
im System beim Ritterstand.) Suet Cal. 16: ut levior läbor iudicantibus
foret, ad quattuor prioris quintam decuriam addidit,
5) Legat, ad Gai. p. 648. ^ j
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Yor dem Sprung ins Ungewisse schwand und die Beaktion gegen
diese Tjrrannei das Principat selbst gefährdete. Gaius fiel durch
einen Akt personlicher Rache^ aber der Pratorianeroffizier, der
den Tyrannen beseitigte, gewann, wie er schon vor der That
Zustimmung in dem Kreise seiner Kameraden gefunden, nach der
That sofort Anschlufs an eine republikanische Strömung, die
stark genug schien, um die Leitung des Staats zu erhalten.^)
Aber die Germanen von der Leibwache und die Pratorianertruppe
machten der neuerstandenen Republik sofort wieder ein Ende
und hielten nicht nur das Principat, sondern speziell die Herr-
schaft des augusteischen Yerwandtschaftskreises aufrecht und
zwar sogar mit der Person eines Claudius. Das war freilich
unwürdig und ungeheuerlich, unwürdig insbesondere die Rolle
des Senats, der bereits wieder im Besitz der Regierung zu sein
schien und doch dem Claudius sich ergab. Indessen die Soldaten
ersparten mit ihrem Eingreifen doch nur Kämpfe, wie sie später
das J. 69 brachte.^) Jene kurze Zeit der freien Diskussion ge-
1) Ob im J. 89 der Statthalter YOn Obergermanien, Cn. Lentalns
GätalicQS^ der zehn Jahre auf seinem Posten gelassen worden war, wirklich
einer Verschwörung, die sich auch an den Hof verzweigte, schuldig war,
l&Tst sich nicht entscheiden. Die offizielle Angabe (Henzen, act. fratr. Arv.
p. XLIX Z. 7; über die Zeit p. 77) wird von Sueton (Gai. 24. Claud. 9)
angenommen; allein Dio 59, 22 sieht als Verbrechen des Mannes doch nur
an, Ott Totff ^T^oTio^Torcff tpnsüüto. War die Beschuldigung richtig, so war
bei der Stellung des Gätulicus an der Spitze eines ihm ergebenen Heeres
nicht blofs die Gefahr grofs, sondern auch der Hintergrund eines politischen
Plans schon damals vorhanden. Auch Seneca war ein Freund des Gätulicus
Tgl. Sen. quaest nat. 4. praef. 16. 17.
2) Über die Verschwörung des Prätorianertribuns Cassius Chärea Sueton
c. 6ef. Dio 69^ 29 f Joseph, antiq. 19, 1, S. —Über die politische Seite:
neqne coniurati cuiqmm imperium destinaverunt; et senatiM in asserenda
Ubertate adeo consensit, ut consuks pritno non in curiam, quae JuMa voca-
biihtr, sed in Cctpitolium canvocarint, quidam vero sentmtiae loco abolendam
dusamm memoriatn ac diruenda iempla cemuerint. Vgl. auch Suei Claud.
10 f. Einsichtlich der Details der Vorgänge kommt vorzugsweise Josephus
in Betracht, dessen höchst ausführlichen Bericht wir der Anwesenheit des
Königs Agrippa am Eaiserhof zu verdanken haben. Dieser Bericht ist im
Allgemeinen wohl gut, aber die Rolle, welche Agrippa bei der Überleitung
der ephemeren Wiederherstellung der Republik zur Anerkennung des Clau-
dios durch den Senat gespielt haben soll, ist sicher zum gröfseren Ruhme
der jüdischen Nation übertrieben. Die Dauer der republikanischen Episode
wird Suet. Claud. 11 auf zwei Tage angegeben; bei solch kurzer Dauer ist
begreiflich, data sie sich im Münzwesen nicht bemerklich macht. -^ Ge- .
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uügte utn zu zeigen, wie bei der vollständigen Schwäche der so
unerwartet und unvorbereitet restaurierten Magistratur und dem
Mangel an leitenden Persönlichkeiten im Senat nur ein Kampf
von Prätendenten entfesselt worden wäre^), die zunächst wenig-
stens sich eine militärische Macht erst hätten suchen müssen.
Die Fortführung des Principats im nächsten Zusammenhang mit
der bisherigen Cäsarenfamilie war so in der That eine Rettung
aus völlig linberechenbarer Lage. Wie wenig Boden die republi-
kanische Richtung hatte , zeigte sich in dem Nachspiel dieser
Vorgänge im J. 42, in der Erhebung des Furius Camillus Scri-
bonianus, Statthalters von Dalmatien. Damals handelten die
Führer der Bewegung, neben Camillus dieselben wie im J. 41,
von einem bedeutenden Truppenkommando aus, fanden aber weder
unter den Truppen noch unter der Bevölkerung Roms oder Italiens
Heerfolge und scheiterten kläglich.*)
ciftudiuH. 9. Die Regierung des Claudius^) ist epochemachend durch
das offene Eingreifen des kaiserlichen Haushalts in die Staats-
legentlich der Erhebung des Claudius durch die Prätorianer wird derselbe
(Suet. Claud. 10} bezeichnet als primus Caesarum fidem müüis etiam pramio
pigneratus,
1) Vgl. die Darstellung bei Dio 60, 1. — Unter den Prätendenten ist
bemerkenswert L. Annius Vinicianns (Borghesi, oeuvr. 4 p. 478. Henien,
act. fratr. Arv. p. XLIV Z. 34, bei Josephus fölschlich Minucianus genannt),
der schon unter Tiberins in einen Majestätsprozels verwickelt ist (Tac
ann. 6, 9), unter Claudius sich an der Verschwörung des Scribonianns (siehe
folg. Anm.) beteiligt und darin untergeht Dio 60, 16. Aufser ihm wird als
Führer einer republikanischen Partei von Josephus ant. Jud. 19, 1, 3 ein
aus der Provinz in den Senat gekommener Amilius Regulus von Corduba
genannt.
2) Dio 60, 16. Suet. Claud. 13. 36. Tac. ann. 12, 62. Nominell
wurde die Bepublik proklamiert (Dio: tov KafUXXov tots tov dijfuov CfpUif
6vo(ia nQOtsivovxog xal t^v aQx^^^v iXev9'8QCav dnoStocstv vntaxvovftivov),
aber man fafste allgemein den Camillus als Prätendenten auf (Dio c. 16:
zl ccv inoCrioag^ el KccfiLlXos iftsiiovaQXV^^f'i Sueton c. 13: denuntiato üd
novutn imperatorem itinere),
3) Name: Ti. Claudius Drusi f. Caesar Äugiistus Germanicus, Da«i
Sueton Claud. 12 : in setnet augendo parcus atque civilis praenomine impera-
toris ahstinuit. Was er als dies imperii annahm, ist nicht bekannt; er wird
ihn wohl nicht von seiner Anerkennung durch den Senat, sondern von
seiner Erhebung durch die Pi-ätorianer, die noch am Todestag des Gains
stattfand, gerechnet haben (Sueton Claud. 11: nihil antiqmus habuit qntu^
id hiduum, quo de mutando reip. statu haesitatum erat, memoriae exitHere)^
P also vom 24. Jan. 41 (Sueton Caüg. 68). Das Datum der trib. pot. dagegen
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r,-^-:
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geschäfte, speziell durch das Hervortreten des Einflusses der
Freigelassenen. Der aus einem Leben tiefster Mifsachtung und
selbst Gefahrdung und einem Augenblick beschämendster Angst
zar Herrschaft über die Welt erhobene von Hause aus geistig
schwache Mann ist der Typus eines untrer Weiber- und Diener-
regiment stehenden Schwächlings in all den Erzählungen von
Messalina und Agrippina, von dem Einflufs nicht nur^ sondern
auch von dem aller römischen Tradition spottenden öffentlichen
Auftreten und Einwirken eines EallistuS; Narcissus und Pallas')^
Yon der Stellung, die diesen und andern gewesenen Sklaven nicht
blofs in der kaiserlichen Regierung, sondern selbst dem Senate
gegenober eingeräumt wurde, von der Art, wie sie diese Stellung
mifsbrauchten, endlich von den Unthaten, die Claudius selbst
unter diesem Einflufs beging.^ Aber allen diesen Un Würdig-
keiten und Verbrechen^) stehen nun andere Züge gegenüber: die
Stellung des Senats unter dieser Regierung, die sofort die Majestäts-
prozesse wieder einstellte und eingestellt sein liefs^), war eine
wesentlich bessere als unter den zwei vorhergehenden, und die
Interessen des Reichs im Ganzen erscheinen nicht wesentlich ge-
fährdet^ in vielen Dingen sogar entschieden gefördert. Der Pedant,
der nun in die Rolle des Augustus eingesetzt war, fühlte sich
doch bei persönlich bescheidenem Auftreten, das in wahrhaft er-
lösendem Kontrast zu dem eben erlebten Yergötterungswahn
stand, in der Berufsstellung der Nachfolge in solchem Namen
hing voD einem Akt ab, der erst nach der Anerkennung durch den Senat
erfolgen konnte.
1) S. über sie Lehmann S. 147 f. Friedländer, Sittenschilderungen
1*, 83. 168 ff.
2) Während im Verlauf des J. 47 die Erzählung des Tacitus mit dem
am Anfang unvollständigen B. 11 eintritt, hört der ausführliche Bericht
Dios (69, 28) auf und treten die Epitomatoren Xipbilinus und Zonaras ein.
Senecas ludtu de morte Claudiif charakteristisch trotz oder in den Über-
treibungen der Satire, giebt im Grunde nicht viel eigentümliche Thatsachen.
— Von Neueren vgl. H. Lehmann, Claudius und Nero und ihre Zeit I.
Qotha 1858 (Band II über Nero nicht erschienen) , der im Anhang auch
die Münz- und Inschriftenzeugnisse zusammenstellt.
8) Bei dem Widerspruch zwischen einer gutmütigen Anlage und Zügen
von empörendster Grausamkeit ist der abstumpfende Einflufs, den die Tra-
dition des Blutvergiefsens im damaligen Rom hervorbringen mnfste, in An-
schlag zu bringen; wie derselbe sich hier gerade bei einem Menschen dieser
Anlage äulserie, ist eben als psychologische Thaisache zu beachten.
4) Dio 60, 8.
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und liefs das Beispiel des grofsen Stifters des Principats anf
sich einwirken*), ein Trieb der Geschäftigkeit liefs ihn, den
schwachen Geist, vieles unternehmen, was selbst die grofsen
Vorgänger nicht gewagt hatten*), derselbe Trieb, der ihn in un-
ruhiger Thätigkeit in den Gang der ordentlichen Jurisdiktion sich
einmischen liefs, veranlafste ihn auch zu eifriger Behandlung der
an ihn kommenden Verwaltungsgeschäfte, und eine ihm nicht
abzustreitende Beigabe gesunden Menschenverstands machte sein
Thun nicht so gar selten zu einem erspriefslichen.*) Die gelehrte
Richtung seiner Pedanterie aber gab ihm auch jene Achtung vor
der Bedeutung des Senats ein, liefs ihn geschichtliche Erinne-
rungen wahren und in nicht unwichtigen Dingen selbst den Geist
der Geschichte des alten Staats richtig erfassen.*) Sein Ehrgeiz
als Redner zu gelten führte ihn mit einer gewissen Regelmäfsig-
keit in den Senat, veranlafste ihn, der Diskussion Raum zu geben,
selbst an ihr teilzunehmen, so mit und durch den Senat zu re-
gieren, und selbst die wider einander streitenden Einflüsse am
Hof suchten ihre Sache vor dem Senat und durch ihn zum Aus-
trag zu bringen.^) Dafs trotz aller Habsucht der Freigelassenen
die Finanzlage bei seinem Tode keine schlechte war, ist aus den
Mitteln zu erkennen, welche dem Nero zu Gebote standen, und
dies nach den grofsen Ausgaben, die Claudius während seiner
Regierung für öffentliche Arbeiten gemacht Italien und die
Provinzen hatten über ihn nicht zu klagen, für Rom schuf er
Wasserleitungen und das grofsartige Werk des Hafens von Ostia,
sorgte auch sonst für den Verkehr durch den Bau und die ünter-
1) Sueton Claud. 11: iusiurandum neque sanctiua sibi neque crebrius
instituit quam per Äugustum. Die Begierangsakte des Osamb wurden nicht
anerkannt (ebendas.: Gai acta omnia rescidit).
2) So die zuversichtliche Ausdehnung des Bürgerrechts in Gallien u^d
die Expedition nach Britannien.
3) Durch das, was Sueton Claud. 14 f. sagt, wird der Hohn, den Seneca
darüber ausgiefst, eingeschränkt.
4) Vgl. seine Rede über das Bürgerrecht der Gallier (Tac. ann. 11, 23 f.,
im Original auf den Lyoner Tafeln Boissieu, inscript. de Lyon p. IW«
Nipperdeys Ansg. von Tac. Annalen, Anh.), die, wie sie auch sonst mit
ihrer krausen Zusammenstellung der YorgUnge beschaffen sein mag, doch
die liberalen Momente auswärtiger römischer Politik richtig erfafst Über
Sinn und Tragweite jener Verleihung s. iip Syst. bei dem Bürgerrecht
5) Lehmann S. 198. 250 f. 360 und sonst bei den einzelnen Jahren;
Schiller 1, 386 f. r^ I
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haltong der Strafsen, yerstarkte den Schatz der Provinzialen
gegen Bedrückung^), kurz die materielle Blüte des Reichs erfuhr
keine Beeinträchtigung und die Verbreitung des römischen Bürger-
rechts unter den Provinzialen/ wie sie Claudius betrieb; war
epochemachend. Der Grenzschutz wurde nicht versäumt, sogar
in aktivem Vorgehen bethätigt'), und an Claudius' Namen knüpft
sich die Eroberung Britanniens. So ist diese Regierung von
dreizehn Jahren, die nach den Persönlichkeiten derer, die sie
führten, bald der Komödie, bald der bittersten Satire und wieder
der schärfsten Verdammung verfallen erscheint, in ihren Resul-
taten ernst zu nehmen; sie ist in ihnen überwiegend positiv
gewesen. Dieser Kontrast zwischen der Persönlichkeit und den
Resultaten wird für die Kritik zum Teil allerdings abgeschwächt
durch die Erwägung, dafs aus der Geschichtschreibung hohen
Stils eines Tacitus und der anekdotenhaften eines Sueton ein
solcher Charakter nur als Zerrbild hervorgehen konnte: wer den
Konflikt zwischen der Freiheit der Republik und der Willkür
des Imperiums mit der Würde der Tragödie beschreibt, sieht
nur die Würdelosigkeit, und wer die Figuren der Geschichte in
den Privatgemächern aufsucht, um ihr Bild zu gewinnen, wird
es von hier aus leicht erreichen, selbst wirkliche Gröfsen klein
zu malen. Indes alle solche Kritik der Berichterstattung läfst
doch ftir jenen Kontrast in der Persönlichkeit des Claudius noch
genug stehen, und es wäre vergebliche Mühe, dem Charakter
dieses Kaisers imponierende Züge retten zu wollen. Nur, was
dann notwendig ein besseres Licht gewinnt', ist, wenn nicht der
Charakter, so doch die persönliche Fähigkeit der Ratgeber.
Jene Freigelassenen, welche Einflufs auf die Verwaltung
übten, besaXsen wirkliches Regierungstalent und verstanden, dafs
es ihr eigenes Interesse war, es zu bethätigen, und es wird dies
insbesondere für Narcissus gelten, dessen Bild selbst in der
taciteischen Schilderung bessere Züge zeigt.') Sodann ist unver-
1) Dio 60, 25 (Mafsregeln allgemeiner und iDdividaeller Art v. J. 45).
2) Tac. ann, 11, 19 f. Dio 60, 80. Die Heerführer in Nieder- und
Obergermanien , Corbalo und Cartius Bafus operieren im J. 47 aaf dem
rechten Rheinufer. Clandius soll allerdings durch kleinliche Intrigne ver-
anlaüit worden eeiu, den Gnrtins zurückgehen za lassen; allein ob die Bat-
geber nicht sachlich recht hatten, kann immerhin gefragt werden.
3) Vgl. Tac. ann. 12, 65: tnuUum adoersante Narcisso, qui Agrippinam
magis magisque suspectans prompsisse inier proximos ferebatur certa^ sitfi
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kenubar^ dafs die durch Augustus und Tiberias geschaffene und
zwei volle Generationen hindurch gehandhabte Reichsordnung,
wo man nicht störend und verwirrend einwirkte, bereits mit der
Macht d^r Tradition sich geltend machte. Endlich kommt in
Betracht, dafs jene Ausbreitung des BQrgerrechts und der Zutritt
neuer Elemente in den öffentlichen Dienst und durch ihn zu den
oberen Ständen bereits frische Kräfte der Verwaltung zur Ver-
fügung stellten, deren untergeordnete Stellung ihre Bedeutung
nicht erkennen läfst, die aber darum nicht minder in allen Zweigen
der Verwaltung fruchtbar wirkten.*)
Hinsichtlich der Verfassungsinstitute ist die Regierung des
Claudius bezeichnet durch die Wiedererweckung der Censur, die
er im J. 47, demselben Jahr, in dem er den 800jährigen Bestand
Roms durch Säcularspiele feierte, nach Niederlegung des Kon-
sulats mit dem von ihm zum Kollegen bestimmten L. Vitellius
übernahm und im Anschlufs an die republikanische Sitte mit
Vornahme des Census bis zum Lustrum im J. 48 durchführte.*)
perniciem seu Britannicus seu Nero poteretur; verum ita de se merihim
Caesarem, ut vitam umi eius impenderet, Tacitas schreibt ihm also wirk-
liche Anhänglichkeit zu. — Den Claudius selbst schildert Mommsen, Hermes
4, 107 als den ^wunderlichsten aller römischen Regenten, in dessen Gemüt
die Keime lagen Ton naiver Ehrlichkeit, humoristischer Laune, Sinn für
Recht und Ordnung, ja selbst von Scharfsinn und Thatkraft, nur dafs diese
schönen Fähigkeiten in Verwirrung geraten waren und in Kopf und Herx
nichts fest zusammenhielt, so dafs alle jene Eigenschaften, wie im Hohl-
spiegel verzerrt und fratzenhaft ein Bild von grausenhafter Lächerlichkeit
ergeben.' Jene Freigelassenen haben oft genug diese Verwirrung benutzt,
nicht selten aber auch die bessere Anlage.
1) Als Beispiel sei der zufällig erwähnte L. Vestinus aus Vienna ge-
nannt, ein zur Umgebung des Claudius gehöriger Ritter (Claud. or. tab.
Lug. I(. 11), von Vespasian mit der cura restituendi CapitoUi beauftragt^
den Tacitus bist. 4, 63 bezeichnet als auctoritcUe famaque inter proceres.
2) Die Dauer dieser Censur, für deren Anfang Tacitus noch nicht ein-
getreten ist, ist bestimmt durch die Inschrift Henzen 6181, in welcher
Claudius heifst: trib, pot VII. cos, IUI, (=■ 47 n. Ch.) censor designatttSf
also nach dem 24. Jan. 47 noch designiert erscheint, und durch Tac. ann.
12, 4, wonach am Ende des J. 48 lectus pridem sencUus lustruinque am-
ditum est. Der genauere Anfang hängt davon ab, ob man annimmt, dsSa
bei Tacitus 11, 13, wo Claudius unmittelbar nach Erwähnung der Säcular-
spiele eingeführt wird als munia censoria usurpans, der Beginn seiner
Censur angegeben ist, oder ob dieser Beginn in dem verlorenen Anfang des
11. Buchs stand, also vor die Säcularfeier föllt Das letztere ist nur wahr-
scheinlicher, weil Tacitus doch wohl jenen Anfang bestimmter hervorhob.
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Diese Censar war wohl zunächst einem altertümelnden Einfall
entsprungen und war politisch^ d. b. für die Verteilung der Ge-
walten, indifferent, da sie unter dieser Regierung vereinzelt da-
steht und ihre Zwecke auch auf anderen Wegen erfüllt werden
konnten; allein da sie unter Yespasian wieder Nachfolge findet,
mufs das Verfahren für die Verwaltung doch Vorteile geboten
haben. Fraglich ist, ob Claudius mehr als seine Vorgänger die
Komitialgesetzgebung eintreten liefs. Indessen sind claudische
^Gesetze', soweit sie überhaupt auf Grund direkter Erwähnung
oder von Andeutung als vorhanden anerkannt werden können,
keinenfalls zahlreich und ihrem Inhalt nach unbedeutend.^) Viel
mehr Gewicht hat unter ihm die Teilnahme des Senats an der
Rechtschaffung durch Senatskonsuite, ja man wird wohl sagen
dürfen, dafs die Verschiebung in den Rechtsquellen, welche von
der Volksgesetzgebung zum Senatskonsult hin stattfand, unter
Claudius zuerst in entscheidender Weise hervortrat.*)
Ob, was für die Republik schon 1 S. 767 A. 4 abgewiesen ist, auf Grund
TOD Zonar. 7, 19 und der für die Censur des Claudius vorliegenden Zeug-
nisse eine fünfjährige Dauer des Amts anzunehmen sei (Nipperdey zu Tac.
ann. 11, 18), ist noch im System zu besprechen. — Über die Säcularfeier
(Tac. ann. 11, 11. Sueton c. 21), die Verbindung <^8 achthundertjährigen
Bestands von Rom (Dio 60, 29) mit dem Begriff der ludi saectäares und das
Verhältnis dieser Säcularfeier zu den vorhergehenden s. Mommseu, Chrono! .
192. — Das Konsulat, welches Claudius im J. 47 annahm, war zweimonat-
lich (Sueton c. 14).
1) Sicher ist die l. Claudia Gai. 1, 167, qvMe quod oi feminas attinety
afffuUorum tutelas 9U8tulit, bestritten, ob Tac. ann. 11, 13 mit der l. lata,
qua aaevitiam creditorufn coercmty ein Eomitialgesetz oder eine h censoria
(1, 786) gemeint ist; doch spricht der Ausdruck hlatai^x ein Volksgesetz.
Ganz unsicher ist, ob 11, 14 unter dem aes publicum per fora ac templafiocum,
das die claudischen Buchstaben zeige, Yolksgesetze in gröfserer Zahl ver-
standen seien. Auch hätte Tacitus, wenn für Claudius ein charakteristisches
Moment in der Legislation durch das Volk läge, dies wohl hervorgehoben.
Vgl. auch Earlowa, rOm. Bechtsgesch. 1, 628.
2) Durch direkte Zeugnisse läfst sich das nicht beweisen, aber es liegt
in der Natur der Sache, dafs unter dem ersten Kaiser seit Augustus, der
den Senat nicht hafste, sondern im Gegenteil ihn zum Schauplatz eigener
Thätigkeit machte, auch die Beschlüsse dieser Körperschaft eine gröfsere
Bedeutung wenigstens in den indifferenten Gebieten des Privatrechts und
der Administration gewannen. Zufällig sind uns aus der Zeit des Claudius
mehrere Senatskonsuite oder Fragmente von solchen im Wortlaut erhalteui
msammengestellt bei Bruns, fontes * p. 162 f. 168 ff. (betr. die Säcularspiele
und den Ankauf von Häusern auf Spekulation aus dem Abbruch). In den
Tafeln von Lyon tritt an die Stelle des S. C. die Rede des Princeps, was .
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Neroj) 10. Claudios' Sturz erfolgte, als es schien, dafs er in einer
Regung Ton Selbständigkeit in der Ordnung der Nachfolge die
ihm aufgedrungene Zurücksetzung des eigenen Sohnes aufheben
wolle, und hier tritt uns nun schon die eigentümliche Verbindung
von Kräften verschiedenster Art entgegen, welche dann die erste
Hälfte der Regierungszeit Neros beherrscht.
Schon im J. 49 hatte Agrippina, die eben ihre Ehe mit
Claudius vollzogen, den Philosophen Seneca, nachdem sie ihm
die Rückkehr aus dem Exil verscha£Ft, mit der Erziehung ihres
Sohnes aus der Ehe mit Cn. Domitius betraut; zu den Mitteln
sodann, mittelst deren sie diesem Sohne Nero, nachdem sie ihm
die Adoption durch Claudius verschafft, den Vorzug vor Britanni-
ens, dem Sohne des Claudius und der Messalina, verschaffen
wollte, gehörte >es, dafs sie nicht nur die Offizierstellen in der
Leibwache mit ihren Günstlingen besetzen, sondern auch die dem
Andenken der Messalina ergebenen zwei Gardepräfekten ent-
fernen und das Kommando des Korps in die Hände eines ein-
zigen ihr ergebenen Mannes legen liefs. Dieser Mann, Afranios
Burrus, galt für einen tüchtigen Militär und ernsten, zuverlässigen
Charakter. So bestand denn nun eine Verbindung zwischen einer
in diesem Falle, da sie gegenüber einem widerstrebenden Senat die Ent-
scheidung gab, besonders berechtigt war. — Auch die andere Bechtsqnelle,
welche neben dem S. C. an die Stelle der Yolksgesetzgebung trat, die
kaiserliche Verordnung, ist aus dieser Zeit (dem J. 46) erhalten in dem
Edikt des Claudius über das Bürgerrecht einiger Eum Trientinischen ge-
hörigen kleinen Gemeinden (Anauni u. a.). Mommsen, Hermes 4, 99— ISO.
1) Name: Nero Claudius, divi Claud, /*., Gcrmanid Caesaris n., Ti,
Caesaris ÄugusH pron., divi Augusti ahn., Caesar Augusius Gemumicus,
(Vgl. das Militärdipl. c. i. 1. III p. 845). Der Name imperaior fehlt anch
bei Nero meist, doch nicht immer, ygl. Wilmanns, ex. inscr. n. 902 n. 1.
— Der dies imperü ist der 13. Okt. 64. Henzen, act fratr. Arval. p. LXIX
Z. 9 f. Tac. ann. 12, 69. Suet Claud. 46. Die comitia tribuniciae pci-
(8, darüber im System) waren am 4. Dez., Henzen a. a. 0. p. LXIV Z. 14.
p. LXX Z 20, wozu die Bemerkungen p. 66. Bei der Zählung der trib.
pot, findet sich das eigentümliche, dafs in den Arvalakten Nero am 3. Jan. 69
trib, poL V., am 1. und 3. Jan. 60 trib, pot, VII. heilst. Vgl. hierüber
Stobbe im Philol. Bd. 32 S. 24 und Mommsen, Staatsr. 2, 774 A. 3. Letc-
terer findet eine Erklärung, welche die Beseitigung urkundlicher Daten, wie
sie Stobbe will, vermeidet, darin ^ dafs Nero im J. 60 in der Zählung der
Jahre habe einen Systemwechsel eintreten lassen, indem nun nach dem
tribunic. Jahr (10. Dez. bis 9. De^) gerechnet worden wäre und 13. Okt. 64
bis 9. Dez. 64 dann » trib. pot, /, 10. Dez. 64 bis 9. Dez. 66 — trib, pot. U
gewesen wären.
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Frau, die um ihre Zwecke zu erreichen vor keinem Verbrechen
zurückscheute, einem politischen Philosophen, der mit seinen
Moralschriften der Wortführer der romischen Stoa sein wollte,
und einem militärischen Politiker, der an dem Platz, an den er
sich hatte stellen lassen, den Ruf eines braven Mannes einsetzte
für die Zwecke der allgemeinen Wohlfahrt, die aber doch zugleich
die Zwecke jener Frau waren, über die niemand sich täuschen
konnte. Eine Welt seltsamer Kontraste, zunächst in den Menschen
liegend, die sie darstellten, aber zugleich tief begründet in dem
Wesen einer Herrschaft, welche über Menschen, die das Spiel
freier Einrichtungen handhaben und die Erinnerungen einer
grofsen Vergangenheit fortführen sollten, die äufserste Enecht-
Bchafb verhängen konnte.
Es ist für das Verständnis der Politik dieser Zeit*) von Inter-
esse zu betrachten, wie in diesem Eomplot der Tugend und des
Lasters die Bollen verteilt waren. Nach dem unverdächtigen
Zeugnis des Tacitus') führte Agrippina die Beseitigung des Clau-
dius allein aus ohne die Beihilfe namhafter Personen'), aber
nachdem die That geschehen, war es Burrus, der unter dem
Schutze der Prätorianer den Nero als Herrscher einführte. Der
Senat, der schon vorher der Agrippina die Bahn geebnet, ver-
sagte unter Senecas Führung der vollendeten Thatsache seine
Zustimmung, nicht, das Volk hatte schon früher den Nero vor
Britanniens bevorzugt und that es auch jetzt, und nochmals
jubelte Rom dem Hause des Germanicus zu ungeachtet des
Schlimmen, das diese Anhänglichkeit schon gebracht. Die Be-
stimmung der Bichtung, in welcher die Regierung geführt werden
sollte, gebot die Klugheit den angesehenen Namen eines Seneca
und Burrus zu überlassen, und diese nahmen die Aufgabe in die
1) Für Nero haben wir den vollen Bericht des Tacitus bis gegen den
Schlafs des J. 66, dagegen von Die nur den Auszug, der übrigens über die
griechische Reise und über den Sturz Neros ausführlich ist Neueste Mono-
graphieen H. Schiller, Gesch. des rOm. Kaiserreichs unter der Regierung des
Nero. Berlin 1862. A. H. Raabe, Qeschichte und Bild von Nero. Utrecht
1872. (Apologie der taciteischen Charakteristik Neros; ohne wissenschaft-
lichen Wert.)
2) Tacitus ist 13, 2 und sonst dem Seneca nicht ungünstig gesinnt,
während bei Dio 61, 10 die Summe des Urteils lautet: ov ilovov h xovxm^
dXXa %al iv äXXoig ndv ta xa ivavtuotata olg i(piXoc6fpH nomv riXiy%^ri,
3) Tac. ann. 12, 66 : Agrippina sceleris olim certa et oblatae occasionis
propera nee ministrorum egens.
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— 272 -
Hand mit der Zuversicht eines grofsen Zwecks ohne Rücksicht
auf das Vorhergegangene^ bei deui sie ja nicht beteiligt gewesen.
Der Plan war beiden gemeinsam, die Beratung des Princeps und
die Vertretung der Politik vor dem Senat fiel dem Lehrer des
Regenten und Senator Seneca zu, die Sorge fQr den militärischen
Schutz und die Mitberatung der allgemeinen Mafsregeln dem
Burrus.^) Nero selbst, im Gegensatz zu den Vorgängern rhetorisch
nicht ausgebildet, und mit dem, was er an geistigen Beschäfti-
gungen trieb, auf anderes gerichtet, überliefs gerne seinem Minister
die Anfertigung ^er Reden, mit welchen er selbst öffentlich au^
zutreten hatte: der erste Princeps, der nicht voll mit seiner
Person eintrat, sondern ein Ministerregiment einführte*), zugleich
aber auch ein beim Antritt der Regierung noch nicht voll
siebenzehnjähriger Jüngling. Eine Weiterbildung dieses Verhält-
nisses bis zur Eonsequenz eines verantwortlichen Ministers war
denkbar und hätte die Einführung einer erblichen Monarchie
über dem Senate mächtig gefordert, aber dieser Gedanke war
dem Sinn des augusteischen Principats vollständig zuwider, und
wie es sich auch mit der Möglichkeit seiner Durchführung ver-
hielt, die Ereignisse sind darüber so hinweggegangen, daCs er
auch in der Folgezeit nicht auftrat. — Das Programm, das Seneca
entwarf, hat uns Tacitus authentisch erhalten*), es geht vollständig
1) Seneca war im J. 67 consul suffectus (Klein, fast. cons. z, d. J.);
eine andere offizielle Stellung als die eines Eonsulars im Senat bekleidete
er seitdem nicht mehr, wenn man nicht die Zuziehung zum Eonsilium des
Kaisers als eine solche betrachten will. - Darnach ist zu beurteilen Tac.
ann. 14, 63: Quartus decimus annus est^ Caesar ^ ex quo spei tuae admotui
«um, octawAS, ut imperium obtines: medio temparis tantum honorum aique
opum in me cumulasti^ ut nihil feliciiati meae desit nisi moderatio aus.
ßurrus war Präfekt vom J. 61 (Tac. ann. 12, 42) bis zu seinem Tode im
J. 62 (14, 51).
2) Tac. ann. 13, 3: oratio (die laudcttio funehris für Claudius) a Seneca
composita, — Ädnotabant seniores, — prinmm ex iis qui rerum potiti essentj
Neronem alienae factmdiae eguisse (folgt das Verhalten der Vorgänger in
dieser Hinsicht). Nero puerilibiM statitn annis vividum ingenium in dHa
detorsit, caelare, pingere, catUus aut regimen equorum exereere, Suet. Nero 63:
a cognitione veterum oraiorum Seneca praeceptor {avertit), quo diutius in
admiratione sui detineret,
8) Ann. 18, 4: tum formam futuri principatus praescripsU (Nero): —
discretam domum et rempniblicam; teneret antiqua munia sentxtus, consulvm
tribunalibus Italia et ptiblicae provinciae assisterent^ iUi patrum adüum prae-
herent, se mandatis exercitibus consulturum,
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— 273 —
zurQck auf die augusteische Idee der wiederaufgerichteten Re-
publik mit der Gewalt des Princeps als einer Hilfsgewalt^ ja es
geht noch über den liberalen Schein des Augustus hinaus durch
die Betonung der militärischen Seite: dieser sollte im wesent-
lichen die Thätigkeit des Princeps gewidmet sein, sonst der Senat
regieren^ der letztere natürlich als Vertreter alles dessen, was
eigentlich Senat und Volk zugestanden war, ohne Eonzessionen
an die Eomitien. Dieses Programm wurde denn auch festgehalten,
80 lange Burrus und Seneca mit am Ruder waren, es bildete den
moralischen Grund des Verharrenö in ihrer Stellung, die einzige
Erklärung für ihr persönliches Verhalten, so lange man irg^id
noch einen höheren Mafsstab an dasselbe legt; es bildete aber
zugleich den entgegenstehenden Einflüsse^ gegenüber seine Durch-
führung eine Aufgabe, an der schliefslich auch der in nachsich-
tigem Geschehenlassen opferwilligste Staatsmann scheitern muTste.
Unter jenen Einflüssen standen oben an der Ehrgeiz der Agrippina
und die jedem ernsten Treiben abgewandte Natur Neros; denn
jene konnte wohl die Männer, die sie selbst in die leitende
Stellung eingesetzt, bis zur vollen Erreichung des Ziels gewähren
lassen, sie war'jedoch nicht gemeint, ihnen die Leitung auch ferner
anheimzugeben; von Nero aber war nicht zu erwarten, d als er
mit seiner Persönlichkeit in die Ausführung jenes Programms
eintrete, man mufste zufrieden sein, wenn er es nicht geradezu
durchkreuzte. Die Politik der Minister war nun dahin gerichtet,
den Einflufs der E-aiserinmutter auf die Geschäfte soviel wie
möglich zu beschränken, den ihrer höfischen Vertrauten zu be-
seitigen oder wenigstens nicht über das Gebiet der Hofintriguen
hinaus wirken zu lassen, den Einflufs der Mutter auf den Sohn
aber womöglich zu brechen und damit auch ihrem direkten Ein-
greifen ein Ende zu bereiten.^) Hinsichtlich Neros selbst war
das Gegenmittel gegen den mütterlichen EinfluCs das einer Ab-
lenkung seiner Neigungen und Interessen auf weibliche Einflüsse
anderer Art*), und dies hing zusammen mit dem Princip, was
nicht zu verhindern war, in einer für den Staat unschädlichen
Richtung gewähren zu lassen, zugleich aber hier vor allem
1) Bezeichnend ist in dieser Beziehimg die Scene beim Empfang der
armenischen Gesandten im Senat Tac. ann. 13, 5.
2) Dio 61, 7 f. Tac. ann. IS, 12 ff. 13, 4: {Seneca et Bumu) iuvantes
iiwieem, quo f acutus lubricam prmcipis aetatem, ai virtutem aspemaretur,
voluptatibus conceasis retinerent.
Her sog, d. röm. Staats verf. II. 1.
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— 274 -
zwischen Hof und Staat eine Wand einzuschieben, nur mit dem
Vorbehalt, was von dem Treiben des Hofs för die eigenen poU-
tischen Zwecke zu verwerten war, sich zu gute kommen zu lassen.
Das Gefahl der Macht und des Herrseins sollte dem jugendlichen
Kaiser nicht bestritten werden — wäre dies doch auch gegenüber
dem, was seine Umgebung ihm hierüber sagte, unmöglich ge-
wesen — , und so unterläfst Seneca nicht, in der dem Nero in
der ersten Zeit seiner Regierung gewidmeten Schrift Won der
Milde' diesem Gefühl zu huldigen^), aber er sucht es nach den
persönlichen, nicht politischen Beziehungen hin zu richten und
leistet den Anforderungen an den Moralisten Genüge, indem er
dem Bewufstsein der Willkür, die über ungezählter Menschen
Los zu entscheiden hat,, den Preis der Milde und Gnade gegen-
überstellt
Weniger aus den annalistischen und biographischen Berichten
über die neronische Zeit selbst als aus dem, was noch spätere
Generationen Über dieselbe wuTsten, ersehen wir, dafs es dem
Seneca und Burrus gelang, während der ersten fünf Jahre mit
den angegebenen Grundsätzen ein Senatsregiment zu erhalten^
das den besten Zeiten der Eaiserherrschaft zugerechnet wurde. *)
Ohne Zweifel wurde dabei als Wendepunkt der im J. 59 erfolgte
Muttermord angenommen; 'vom politischen Standpunkt aus wirkte
das Motiv, das den fünf ersten Jahren den Ruf einer glücklichen
Zeit verschaffte, d. h. der Einflufs der leitenden Minister noch
fort bis zu deren Ausscheiden im J. 62. Denn ihnen kommt das
Verdienst weitaus am meisten zu.^) Der Senat ging zwar auf
ihre Intentionen ein, allein da die persönliche Sicherheit der ein-
zelnen Senatoren dabei doch nicht entsprechend gesichert war,
nur in passiver Weise und, wie die Folgezeit zeigte, ohne eine
prinzipielle Festigung seiner Stellung auch nur anzustreben.
Indessen war es auch für die spätere Bedeutung des Senats
1) De Clement. 1, 1, If.: iuvat — ita loqui secum: egone ex omnibus
mortälibus placui dectusque suiUy qut in terris deonam vice fimgertr? ego
vitcLe necisque getUibus arbiter? etc.
2) Aurel. Yict. epit. 5 : quinquennio toUrdbilis vistis; unde quidam pro-
didere^ Traianwn solitum dicere, proctd distare cunctos prindpes Nerom
quinquennio,
3) Bei Tacitas ist ein solcher Einschnitt bei dem J. 59 nicht her?or-
gehoben. Über die Rolle von Seneca und Barras als rectcres imperatmae
iuventae Tac. ann. 13, 2. Dio 61, 3.
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keineswegs gleichgültig, dafs uun in einer noch entschiedeneren
und freieren Weise als unter Claudius der Senat an den Ge-
schäften der Reichsregierung beteiligt war. Der Kampf gegen
Agrippina und die zu ihr haltenden war erfolgreich; ihr Einflufs
wurde zurückgedrängt, und die Absicht, eine Kluft zwischen
Mutter und Sohn aufi&urichteu, gelang bis zum Resultate des
Muttermords; aber, selbst wenn man von dieser Konsequenz ab-
sehen will, so war bei der Natur Neros auf dem eingeschlagenen
Wege Yon Anfang an ein Geschehenlassen notig, das für den
Moment, in welchem die Auktorität der Führer abgeworfen wurde,
das Schlimmste in Aussicht stellte und wenigstens dem erziehen-
den Einflufs des Philosophen grofse Erfolge nicht versprach.
AUerdings heifst es, dafs die Minister viel Schlimmes verhindert^);
allein, um von dem Tode des Silanus, dem Eröffnungsakte der
neuen Regierung, zu schweigen, da derselbe der Agrippina zur
Last fiel, wie leicht ging man über die Ermordung des Britannicus
hinweg, die doch, man mochte über ihre politischen Folgen
denken, wie man wollte, über den wahren Charakter des Herr-
schers keinen Zweifel lassen konnte. Das allerdings kam den
leitenden Staatsmännern zu gute, dafs dem Nero der autokra-
tische Sinn eines Caligula fehlte, dafs er in der That auf die
Trennung zwischen Privatleben und Regierung einging und für
die vollkommene Freiheit des ersteren sich in der letzteren die
Einflüsse der Politiker gefallen liefs, wobei immerhin zwischen
Seneca und ihm ein personliches Verhältnis bestehen mochte,
das dem ersteren die Illusion einer Möglichkeit auch sittlicher
Leitung gewährte und für Nero selbst das Eingehen auf die Ab-
sichten seiner Führer erleichterte.
Wenn nun aber dies die Lage war, so mochte man wohl
erwarten, dafs irgend gröfsere und durchgreifendere Entwürfe
dieser Gunst der Verhältnisse entsprungen wären, dafs die
Minister, des Senates sicher, ihrerseits Reformen geplant und den
nicht unbegabten jugendlichen Herrscher dafür gewonnen hätten,
solche an seinen Namen zu knüpfen. Allein hiervon nehmen wir
nichts wahr: weder bei den Historikern, noch in den Schriften
Senecas finden wir eine Spur, dafs man daran gedacht hätte.
Von Nero selbst wird berichtet, dafs er einmal den Gedanken
1) Tac ann. 13, 2; ibatur in caedes, nisi Afiramw Bunins et Ännaeus
Seneca ohviatn issent. ^ ,
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gehabt; Italien von der Last der indirekten Steuern zu befreien^);
aber diese Idee trug so sehr den Charakter eines augenblicklichen
Einfalls, entbehrte so sehr des staatsmännnischen Hintergrunds,
dafs sein Mentor hiegegen nur Einsprache erheben konnte.
Offenbar lag der Gesichtskreis von Seneca und Burrus nicht blols
innerhalb der augusteischen Ordnung der Dinge, sondern er ging
nicht einmal über die Ausnützung momentaner Verhältnisse hin-
aus, höchstens dafs man sich von dem gegebenen Beispiel auch
gutes für die Zukunft versprechen konnte. Diese Beschrankung
in den Zielen hinderte indessen nicht, dafs einzelnes in den be-
stehenden Einrichtungen gebessert wurde: so vor allem im Ge-
richtswesen. Es war besonders die Art des Bechtsprechens ge-
wesen, welche Seneca dem Vorgänger Neros vorgeworfen*); nun
konnte er darauf hinwirken, dafs die von ihm gerügten Mifs-
stände, willkürliche Einmischung in die Jurisdiktion, allzu rasches
und einseitiges Urteilen u. A. durch ein überlegteres und gerech-
teres Verfahren beseitigt würden. Daher die grofsere Sorgfalt
in der Art des kaiserlichen Bechtsprechens, dessen Entscheidung
nun erst nach Prüfung der schriftlich gegebenen Ansichten des
Konsiliums erfolgte^), die Steigerung der Ehre und Kompetenz
des Senatsgerichts ^), Neuerungen in den Verwaltungskompetenzen
der Magistrate und in der magistratischen Jurisdiktion^), welcher
übrigens — schwerlich zum Nachteil der Sache — in erweiterter
Kompetenz des Stadtpräfekten Abbruch gethan erscheint^, vor
1) Tac ann. 13, 60: (Im J. 58) crebris populi flagüaUombus inmodettiam
publicanorum arguentis dübitavit Nero, an cuncta vectigalia omiUi iuherä
idque pulcherrimum donum generi mortalium daret. Sed impetum eins muUum
prius laudata magnitudine animi cUÜniKre aeniores (Hdschr. aenatores) dis-
sölutiontm imperii docendo, st fruclus, quibus resp. sustineretur, deminuerentur.
2) Seneca lud. d. m. Cl. 12.
3) Saeton Nero 15.
4) Tac. ann. 14, 29: (Im J. 60) ai$xit patrum Tionorem sUUuendo, vi
qui a privaHs iudidbus ad senatum pravocavissent, eiusdem pecuniae perid^
lum facerentf cmus ii qui imperatorem appellavere; nam antea vacuum id
solutumque poena fueraL Suet. Ner. 17: cautum %U omnes appeUationes ad
senatum fierent. Wann and wodurch Nero zu letzterem kam, ist nicht ge-
sagt; immerhin wird es bei Saeton anter den Mafsregeln der besseren Zeit
aufgefOhrt.
5) Tac. ann. 13, 28 f.
6) 14, 41: (Im J. 61) pari ignominia Vaierius Ponticus afficitur^ quod
reos ne apud praefectutn ttrbis arguereniur, ad praetorem deMitset, interim
specie legum^ mox praevaricando uUionem elusurus. Damals hatte also be-
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Allem aber die thatsächliche Enthaltung von Majestätsprozessen^
die von Claudius her bis zum J. 62 unterblieben.^) Gegen mifs-
bräuchliches Verfahren der Publikanen wurde gelegentlich jenes
projektierten Steuererlasses durch ein Edikt eingeschritten,*)
Noch war die kaiserliche Easse imstande^ dem Arar d. h. den
Finanzen der Senatsyerwaltung zu Hilfe zu kommen.^ In der
Proyinzialverwaltung wurde gegen die zwei wesentlichsten Quellen
der Bedrängnis der Provinzialen^ die Habsucht der Beamten und das
Eingreifen der Steuereinnehmer in die Verhältnisse der Privaten
wie der Gemeinden, einige Vorkehr getroffen^); aber besonderer
Eifer zum Schutz dieser Klasse von Reichsangehörigen war von
einem Minister nicht zu erwarten, dem man vorwerfen konnte,
dafs er selbst durch Wuchergeschäfte zum Ruin einer Provinz
sein redliches Teil beitrage.'') Dafs eine grofsartige Unter-
nehmung, die aus der Initiative eines Statthalters hervorging, an
der Eifersucht eines Kollegen, welcher die des Kaisers ins Spiel
zog, scheiterte, wird ausdrücklich bemerkt.^ Die Reichsverteidi-
reits der Stadtpräfekt die fragliche Eompetens, die soDst der Prätor gehabt.
Wann der Präfekt sie an sich gezogen, ist damit nicht gesagt.
1) Über Claudius ob. 8. 265 A. 4. Tac. ann. 14, 48: tum primum (im
J. 62) revocata ea lex (sc, maiestcUis).
2) IS, 51: ergo edixit princeps, tU leges cuimque publici (d. h. die für
jede Steuer geltenden Grundsätze der Erhebung) occuJtae ad id tempus pro-
scrtbererUur ; otnissas petiitones non ultra annum rcsumerent (Verjährung der
Forderungen); Eomae praetor, per provineiaa qui pro praetore aut consule
essent^ iura adversus puhlicanos extra ordinem redderent, milUibus immunitas
servaretur, nisi in iis quae veno exercerent, aliaque admodum aequa, quae
breüi servata dein frustra habita swnt
3) IS, 48: (Im J. 57) sestertium quadringenties (8700000 Mark) aerario
inUUum est ad retinendam populi fidem, 15, 18 rühmt Nero im J. 62 von
sich se annuum sexcenties sestertium (13 Mill. Mark) reipuhlicae largiri.
4) Tac. ann. 18, 81. (Durch Verbot von Spielgeben soll den Statt-
haltern und Prokuratoren verwehrt sein, ne quae libidine ddiquerant^ ambitu
propugnarent), 15, 22 (gegen Danksagungsbeschlüsse der Provinzialen).
• Dagegen hatte 15, 20 Pätus Thrasea aus Anlafs der übermütigen Äufse-
mngen eines Eretensers Verwahrung eingelegt, dafs den Provinzialen zu viel
gegenüber den Beamten eingeräumt werde {nunc colimus externes et (tdula-
mur\ hinsichtlich der Publikanen s. vorherg. Anm.
5) Gegen Seneca bringen seine Gegner vor, dafs durch ihn Italiam et
pfoüincias inmenso faenore hauriri; vgl. Dio 62, 2 (der Aufstand in Bri-
tannien vom J. 61 bricht aus) %al ort 6 Zsviuccg xtUag atpiai (ivQiadag
a%ov6i9 in\ xQfiaxatg iXnlai x6%<ov daveloag instx' d^Qoag xs Siux avtäg
%ai ßiaüog slghtifacasv.
6) Tac. ann. 18, 53 (Plan des obergermanischen Statthalters, den
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gung blieb unter Burrus in gatem Stand; für die Eriegfiihrang;
welche yor dem Tode dieses Präfekten, dem man den bestimmen-
den Einflufs hierin zuschreiben mufs^ in Armenien und Britannien
notig wurde y wurden in Corbulo und Suetonius Paulinus die
tüchtigsten Heerführer bestellt. Indessen wurde im Unterschied
von der augusteischen Zeit^ in welcher die leitenden Persönlich-
keiten sich selbst in die Provinzen begaben, dies alles von Rom
aus besorgt, und für die Regierung stand so sehr das Interesse
an den hauptstädtischen Dingen im Vordergrund, dafs hier nur
von defensivem Verhalten die Bede sein, an eine aktive auswär-
tige Politik nicht gedacht werden konnte.^) Dafs auch dem
Detail der Heeresverhältnisse nicht besondere Sorgfalt gewidmet
wurde, zeigen die Klagen, die nach dem Sturze Neros in den
Soldatenkreisen zu Tage kommen.^) *
Nero unter dorn Nachdcm Burrus im J. 62 gestorben und Seneca bei Seite
Kinäufg des -. . t i ^ /» ^i . i-. i. i
TigeUinus und getreten war, um drei Jahre darauf selbst ein Opfer der ver-
der Freige- ° ' , *. .
lassenon. änderten Verhältnisse zu werden, hörte jede Produktivität in der
Regierung auf. An die Stelle der Verbindung eines Führers im
Senat und des Präfekten der Leibwache tritt seit der Nachfolge
des TigeUinus in diesem Kommando die Verbindung des letzteren
mit den Freigelassenen; die Politik, welche den Schutz des Ge-
meinwesens in der Scheidung zwischen dem Privatleben des
Herrschers und seiner öffentlichen Stellung gesucht hatte, wird
völlig über den Haufen geworfen, die Majestätsprozesse kommen
wieder auf, für den Senat bildet die Frage der persönlichen
Sicherheit der einzelnen wieder die erste Sorge, und dem ent-
sprechend kommt für den Princeps die Abwehr der Verschwo-
rungen. Grofse Energie von bleibender Bedeutung wurde für
den Umbau Roms und der zweit-wichtigsten Stadt des Westens
Lugudunum (Lyon) entwickelt; aber die das Brandunglück in der
Hauptstadt begleitenden Umstände und die ihm folgenden Hand-
Bhein mittelst Kanalisation über Mosel und Saone mit der Rhone zu ver-
binden).
^ 1) Sueton charakterisiert c. 18 die auswärtige Politik sogar dahin:
^ a/ugendi propagandique impei-ii neque völuntate ulla neque spe mottts umqMfi^
t ^ etiam ex Britannia deducere exercitum cogitamt, nee msi verecundia, ne o&-
1^. trectare parentis gloriae videretur, destitü,
2) Sowohl bei Othos Erhebung von Seiten der in der Stadt befind-
lichen Truppen als bei der des Vitellius von Seiten des germanischen Heew.
Tac. hisi 1, 46. 68.
S^-^.
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langen grausamster Verfolgung müssen^ welche Meinung man
auch über die Veranlassung des Brandes haben mag, alles was
man Nero bei dem Neubau zum Verdienste anrechnen könnte^
völlig in den Hintergrund drängen und drücken für das Urteil
der Geschichte gleichsam das Siegel auf die Verdammung seines
Andenkens.
In der Erzählung über die vielen Opfer, welche bei dem
Gericht über die pisonische Verschworung fielen, ergreift den
Tacitus ein Gefühl schmerzlichen Staunens, ja des Unwillens
darüber, dafs so viele treffliche Männer sich hinmorden liefsen
oder sich selbst den Tod gaben ohne den Versuch eines mann-
haften Widerstands, er bittet aber den Leser, nicht Hals gegen
die geduldig leidenden Opfer von ihm zu verlangen, sondern dem
Geschick die Schuld zu geben, das es so schlimm mit dem
romischen Staat gemeint habe.^) Auch der moderne Leser, wenn
er sich nicht bei dieser Entschuldigung beruhigen will, muTs bei
der Betrachtung all der despotischen Regierungen und der nach
Unterbrechung weniger Jahre immer sich wiederholenden Greuel
des Kampfes gegen die Aristokratie sich fragen, ob sich denn
so wenig Thatkraft in dieser fand, dafs sie solche Herrscher so
lange geduldig ertrug. Was man zu Erklärung der Resignation
des Selbstmordes anführt, die Sorge für die Hinterbleibenden,
welchen bei einem solchen das Vermögen erhalten blieb, ist
immer nur ein untergeordnetes Motiv, das nur in Betracht
kommen konnte, wenn überhaupt stärkere Entschlüsse nicht vor-
handen waren. Man kann nun wohl sagen, die wiederholten
Verschwörungen, insbesondere die weitverbreitete des Piso, seien
eben ein Beweis, dafs die Geduld der Bedrohten eine Grenze
hatte. Allein schon das verkehrte Bestreben, in möglichst weiter
Ausdehnung der Verschwörung Sicherheit zu suchen, beweist,
me gering das Mafs der Entschlossenheit bei den einzelnen war,
und die Geschichte der Entdeckung wie des Strafgerichts, das
auf dieselbe folgte, zeigt wieder nur Menschen, die eher zu leiden
als zu handeln wufsten, und deren deshalb das despotische Principat
mit den Schutzwehren, die es in der materiellen Macht der Leib-
wache, wie in deren Sympthieen für das Haus der Cäsaren hatte,
1} Aud. 16, 16: patientia servUis tantumque sanguinis domi perditum
faiigant animum et tnaestitia restringuni; neque aliam defensionem ab m,
guibue ista noscentur, exegerim qiMm ne oderim tarn segniter pereuntes. Ira
üla numinwn in res Romanas fuit
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mit demy was das Interesse oder die Ergebenheit der häuslichen
Umgebung für sie that^ und mit den besonderen Schutzmafsregehi,
welche ihre Person vor Angrififen irgend einer Art sichern
sollten^), in Rom Herr wurde. In dem Falle des Piso waren
zudem die für einen Erfolg notwendigen Eigenschaften in der
leitenden Persönlichkeit nicht vorhanden^ da Piso wohl einen
glänzenden, altrepublikanischen Namen hatte, aber seiner Haltung
nach nur den Typus eines vornehmen Lebemanns vertrat.*) Unter
diesen Umstanden war lange unglaubliches möglich; man konnte
sehen^ wie Männer von höchster Bildung, wie ein Cluvius Bufiis,
oder von militärischer Tüchtigkeit, wie Yespasian, sich bei dem
in Griechenland umherziehenden Komödiantenkaiser dem würde-
losesten Hof dienst fügten^), und wie ein Mann von den Ver-
.diensten eines Corbulo willenlos den Todesbefehl eines solchen
Tyrannen an sich vollstreckte.*) Es bedurfte des Ehrgefühls
und der Thatkraft eines Provinzialen, des Julius Vindex^), um
zuerst den Heerführern und dann dem Senat und dem Volk in
Rom dazu zu helfen, sich eines Princeps zu entledigen, der
Namen und Recht des julischen und claudischen Hauses nur
dazu in sich vereinigt hatte, um schliefslich auch die blindeste
Ergebenheit, die der Prätorianer, von sich abzustofsen.
Das Jahr der vier H. Das Jahr, wclchcs dem Sturze Neros folgte^, stellte,
was bisher durch die dynastische Tendenz der Cäsaren verdeckt
1) Dio 60, 3: (Claudius) rd ts aXla dnQißmg ifpvlatttto %al nennag
tovg nQogiovxag ot %al ävdQag xal yvvaixag iQSwäa&cci inoCsi nrj xi ^upüfiof
^Xmciv iv ts roti? av[i7to0^oig navtcog riväg otgatimtag avvovtag elitv «ai
tovto (ilv ii ijisivov xataSeix&hv xal Ssvqo dsl y/yvcTort, ^ dl di} iqswa
rj did navTcav inl Oosenaaiccvov inavcato.
2) Tac. ann. 16, 48.
3) Dio 63, 14. Tac. ann. 16, 8. Suet. Vesp. 4. Vgl. Tac. bist 2, 71:
Neronem — Vitellius — sectari cantaniem solitus non necessiiate, qua
honestissimus quisque,
4) Dio 63, 17.
6) Dio 62, 22 ff. Hinsichtlich der Zeit Suet. Nero AO: Neapoli de motu
Oalliarum cognovit die ipso quo matretn occiderat d. h. nach Tac. ann. 14, 4
um die Zeit des Quinquatrusfests (19. — 23. März.)
6) Hinsichtlich der Quellen ist dieses Jahr besonders bemerkenswert,
weil wir hier neben einander Tacitus' Historien, Plutarch (Gralba und Oiho),
Saeton, Dio (Auszug), haben. Die vielen Verhandlungen über das Ver-
hältnis dieser Schriftsteller zu einander und zu den Originalquellen haben
yiel mehr ein litterargeschichtliches als historisches Interesse;, vollends die für
die Verfassungsgeschichte bedeutsamen Thatsachen werden dadurch kaum
Kaiser
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— 281 —
worden war, nun als eine Eonsequenz der militärischen Stellung
des Principats in schreckenvoller Weise klar vor Augen, dafs
es möglich war, auch anderswo als zu Rom Kaiser zu .werden '),
die bürgerlich konstitutionelle Art der Einsetzung, wie sie Au-
gustus festgestellt, noch rücksichtsloser, als es bisher unter dem
Schutz der Leibwache geschehen war, zum untergeordneten Moment
zu machen und wieder wie der erste Cäsar von der Provinz aus
an der Spitze eines Heeres sich die Herrschaft zu gewinnen.
Allerdings war es, wie schon hervorgehoben (ob. S. 239 f.), die
Meinung weder des Yindex noch des Galba, das Recht des Senats
zu beseitigen, sie wollten nur dem Senat eine geeignete Persön-
lichkeit, die zugleich den Schutz eines Heeres mitbringe, zur Ver-
fügung stellen, und auch die andern Kaiser dieses Jahrs waren
um die Anerkennung durch den Senat bemüht; aber die Initiative
zur Bestellung des Reichsoberhauptes war in die Hand der Sol-
daten gelegt, und willenlos mufste der Senat nach einander die
ihm von den verschiedenen Seiten gebotenen Herrscher bestätigen.
Noch trat dieses Geheimnis des Kaisertums durch den weiteren
Gang der Ereignisse, welcher wieder die friedlichen und ge-
ordneteren Formen zur Geltung brachte, in die Verborgenheit
zurück, aber seine Bedeutung war nicht unbemerkt geblieben,
und mitten aus einer Zeit heraus, welche die Schrecken jenes
Geheimnisses völlig überwunden zu haben schien, ruft es Tacitus
seinen Zeitgenossen ins Gedächtnis, wie wenn er mit vorahnen-
dem Geiste vor der Zukunft hätte warnen wollen.
Wenn irgend eine der damals in Frage kommenden Persön-
lichkeiten den Übergang von der Usurpation zu einem konstitu-
tionellen Regiment hoffen liefs, so war es Galba.*) Mit einem
Heere, wie das seiner spanischen Provinz, das eben genügte, um
die Erhebung in Scene zu setzen, von hohem Alter, zwar nicht
l>erfihii. Eine wertvolle Originalqaelle fSr diese Zeit haben wir dagegen
in den Fragmenten der Arvalakten.
1) Tac. bist. 1, 4: Finis JNeronia — varios motm animorum — conci-
verat, evolgato itnperü arcano, posse principem alibi quam Rotnae fieri,
2) Nach Dio 64, 6 regierte Galba, der am 15. Jan. 69 umkam, 9 Mon.
13 Tage; also von Anfang April 69 an; wenn dies die offizielle Rechnung
war, 80 Kählte er trotz seiner Ergebenheitsversicherung gegen den Senat
sein Imperium von dem Tage seiner Proklamation durch die Truppen in
Spanien an, also fthnllch wie sp&ter Vespasian (s. unten). Neros Tod fällt
erst Aofang Juni (vgl. die Daten bei Schiller, Nero S. 258 A. 5); erst kurz
▼or letzterem Datum hatte der Senat den Galba anerkannt.
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ohne militärischen Ruhm aber ohne Verlangen ihn zu mehren,
als kinderloser Greis in der Vorbereitung der Nachfolge frei
genug gestellt um sie in Gemeinschaft mit dem Senat zu ordnen,
durch Abstammung von einem altrepublikanischen Geschlecht
zwar zu den wenigen Altadeligen des Senats gehurig aber auch
auf Achtung dieser Körperschaft hingewiesen, angesichts der
Stimmung der grofsen Heere doppelt veranlafst^ sich auf den
Senat und was dieser repräsentierte zu stützen, konnte er be-
stimmt erscheinen, eine Periode gemäfsigter Freiheit einzuleiten,
und nicht nur läuft die Grundtendenz seiner kurzen Regierung in der
That in diesen Wegen ^), sondern auch die Zukunft sollte durch die
Adoption des Piso Licinianus derselben Richtung gesichert werden.*)
Aber eben die Schwäche des Heers, auf das er sich stützte, gegen-
über den Ambitionen, welche durch das Vorgehen mit diesem
Heere bei den Prätorianern wie bei den anderen Provinzial-
armeen erweckt wurden, und dazu dann die personlichen Mängel
des Kaisers, die Abhängigkeit von schlecht ausgewählter Um-
gebung, unkluge Verteilung von Strenge und Gehenlassen, und
was ponst von einzelnen Mifsgriffen berichtet wird, zog seiner
1) Die Rede Galbas bei Tac. bist. 1, 16 f. kann in sofern als Zeugnis
gelten, als der Schriftsteller den Galba nicht so reden lassen konnte, weon
er nicht in dem wirklichen Charakter des Kaisers Anknüpfung fflr die da-
selbst entwickelten Grundsätze gefunden hätte. Im übrigen ist die Rede,
wie unten zu zeigen ist, eine Zurechtlegung des Principats aus den An-
Bchauungen des Tacitus selbst und der trajanischen Zeit heraus. Das wirk-
liche Urteil des Tacitus über Galba liegt in 1, 49: ipsi medium ingemuw,
magis extra vitia quam cum virttUihus; — et omnium cofisensu capax im-
perii, nm imperasset. Dafs die Öffentliche Meinung der besseren Kreise in
Galba einen konstitutionellen Kaiser sah uud der Senat im Ganzen seine
Stellung wahren konnte, liegt in 1, 4. 19. Bezeichnend ist auch 3, 7:
Galbae imagines discordia temporum suhversas in omnibus municipiis recoii
iussit Antonius, decorum pro causa ratus, si placere GaXhae principatus et
partes revirescere viderentur; also der Führer der Flavianer glaubt durch
Anknüpfung an Galba Stimmung für Vespasian in Italien zu machen. — Dafs
Galba von Anfang an das augusteische Principat im Auge hatte, zeigt auch
die interessante von ihm in Spanien geschlagene Münze Cohen 1* p. 79
n. 109 mit Divus Augustus — Hispania.
2) Auch in der Interpretation dieses Adoptionsakts g^ht Tacitus
1, 15 f. im Sinne seiner Zeit über die Intention Galbas hinaus, aber die
Wahl der adoptierten Persönlichkeit war gewils von liberalem Geiste ein-
gegeben. — Diese Adoption ist auch erwähnt act. fratr. Arv. b. Henzen
p. XCI. Z. 24 ff. Ober die Genealogie des Adoptierten Mommsen in eph.
epigr. 1 p. 148.
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Regierang den Boden anter den Füfsen weg. Ziemlich zu gleicher
Zeit und unabhängig von einander führten jene Ambitionen in
Rom und am Rhein zu der Erhebung des Otho als Erkorenen
der Prätorianer und des Yitellius als des Prätendenten der Rhein-
armee und der von dieser abhängigen Provinzen. Den Verlauf
des darauf folgenden Kampfes zwischen diesen beiden^ den Sieg
des YitelliuS; das Auftreten und den Erfolg Yespasians gegen diesen
hat Tacitus mit so kunstvoller^ wahrhaft dramatischer Darstellung,
mit so klarer Zeichnung der einander gegenüberstehenden Parteien
nnd der grofsen Wendepunkte erzählt, dafs dem modernen Historiker
kaum etwas hinzuzufügen bleibt. Für uns genügt es, die rechtliche
Datierung dieser Imperien festzustellen. Sofern Otho nach der Er-
mordung Galbas den Senat in Rom zu seiner Verfügung hatte, war
er bis zu seinem Tode legitimer Kaiser; dann trat die Anerkennung
des Vitellius durch den Senat ein, und dieser begnügte sich damit,
sein Imperium von dem Tage dieser Anerkennung ab zu datieren
und die Zeit vom 2. Januar, an dem er von den Soldaten aus-
gerufen wurde, bis zu jenem Senatsbeschlufs nicht nachträglich
in dasselbe hereinziehen zu lassen. Vespasian dagegen, welchen
die Heere des Orients dem Vitellius entgegengestellt, liefs sich
bei der Anerkennung durch den Senat die Regierung zurück-
datieren bis zum Tage der Erhebung durch dasjenige Heer, das
den Anstofs gab, die Truppen in Alexandrien.^)
1) Hinsichtlich Ofcbos vgl. Tao. hisi 1, 47: exacto per scelera (Er-
mordaDg Galbas) die (15. Jan.) ~ vocat senatum praetor urbantis — : dccemitur
OthofU tribtmicia potestaa et nomen Äugusti et omnes principum honores;
dagegen opfern die Arvalen erst am 28. Febr. ob comit{ia) tr%b{%mtctae)
pot(esiatis) imp^eraton's) act. fratr. Arv. bei Henzen p. XCII Z. 60. Damals
also erst fand der Scheinakt des Komitialbeschlusses statt; aber gerechnet
warde die tribunicische Gewalt ohne Zweifel vom Datum des Senatsbe-
schlasses an. Über Vitellius' Erhebung durch die Legionen am 2. Jan. Tac.
hist. 1, 56 f. Von diesem Datum aus hatte er also die Priorität vor Otho;
allein er erhielt vom Senat natürlich die Anerkennung erst, nachdem die
Nachricht vom Tode Othos angekommen (Tac. hist. 2, 65: Ceriäles ludi —
deren letster Tag der 19. April war — ex more spectabantur ; ut cecidisse
Othonem ~ adtiUerunt — in senatu cuncta longis aliorum principatibw
composita statitn decernuntur), und er nahm diesen Tag als den dies imperii
an; vgl. acta fratr. Arv. bei Henzen p. XCIV Z. 86: ob diem imperi [Vitelli
ausgemerzt] ö«fman(tct) imp{era6oris) , quod XIII k. Mai(as) (19. April)
8UUtU{um) est. Ans Tacitus' allgemeiner Angabe erhellt, dafs in dem Senats-
beschlufs auch die trib. pot. gegeben war; dagegen die comitia trib. pot.
waren am 30. April, act. fratr. Arv. am angegebenen Ort Z. 81 f. Vgl,
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— 284 - .
In die Einrichtungen des Reichs wurde in diesem ereignis-
vollen Jahr nichts neues von Bedeutung eingef&hrt; der Eamp{
um das Dasein nahm unter so kurzen Regierungen, während
deren die kaiserliche Initiative ja noch kürzere Zeit in der
Hauptstadt sich befand, alle Interessen und vor allem die der
Regierenden selbst in Anspruch, und was irgend gethan wurde,
trägt personlichen und ephemeren Charakter.*) Für die Kaiser-
regierung selbst aber war es von unzweifelhafter Bedeutung, dafs
die Folge in der einen Familie unterbrochen wurde; das ostensible
Princip des augusteischen Principats, die in jedem Fall neue
Verleihung durch Senat und Volk wurde so durch die That-
Sachen aufs neue in den Vordergrund gedrängt^ and indem jeder
der neuen Herrscher einfach die Bestimmungen seiner Gewalt so
annahm, wie sie die früheren Principes gehabt, wurde auch diese
wieder befestigt Durch Annahme derselben Titel*) war diese
über diese Daten Henzen p. 64. Dieselben Arvalakten geben aach Anf-
schlafs über die comitia constUarta und die Verleihnng der Priestertümer
für Otho. Darüber, dafs in Gelübden, welche für Othos Rückkehr getban
waren, nachträglich an die Stelle von Othos Namen der des Vitellias kam,
vgl. Henzen p. 115. — Vespasian endlich verfahr anders als Vitellias; er
wurde am 1. Jali 69 in Alexandrien au&gerafen and nahm diesen Tag ah
dies imperii an (Tac. hist. 1, 79: initium ferendi ad Vespasianum imperü
AUxandriae coeptum festinante Tiberio Alexandra , qui kdl. Jüliia sacra-
mento eitis legiones adegit, isque primus principatus dies in posterum cdt-
hratus). Die Anerkennung durch den Senat konnte erst nach Vitellias*
Tod im Dez. nach den Satumalien erfolgen (Tac. S, 78. 83 a. E. ; über die
verschiedenen Annahmen des genaaeren Datnms in den Qaellen Chambala,
de magistratibus Flaviorum p. 7 A. 1); vgl. 4, 3: Bomae senaius euncta
principibus solita Vespasiano decemit (über das Verhältnis dieser Stelle in
der lex de imp. Vespasiani a. and. 0.). Die. dabei in Frage kommenden
Rechte, also auch die trib. pot. müssen dann auf den 1. Jali zurückdatiert
worden sein, vgl. Borghe^i, oear. VI. 14—20. Über Sueton Vesp. 12 s. onten
S. 289 A. 1.
1) Was Sueton c. 14 von Galba erwähnt, ist negativer Art oder war
nar geplant. Von Otho, dessen Stellang zum Senat so war, dafs er selbst
und die ihm ergebenen Soldaten sich stets voll Mifstraaen gegen denselben
zeigen (Tac. hist. 1, 80 flF. 2, 52. 54. Säet. Oth. 8), sagt Tacitus hist 1, 77:
fHunera imperii obibat, quaedam ex dignitate reip., pleraque contra deeus ex
praesenti tisu properando. Was von Vitellias' Mafsregeln berichtet wird,
hat für ihn selbst wie für andere nur persönliche Bedeutung. Dafs er sich
zum cansul perpetutis macht (Suei 11: comitia in decem annos ordinavü
seque Perpetuum cotisulem), ist nicht einmal in den Fasten oder aaf Ur-
kunden bemerklieb.
2) Die Münzen Galbas, welche, wie es scheint, unmittelbar nach seiner
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Kontinuität aach äufserlich kund gegeben ^ und indem dabei zu-
gleich der Cäsarenname mit herübergenommen wurde ^), gewann
dieser vor allem die Bedeutung^ künftig jenen Zusammenhang in
freier yon der Familienberechtigung losgelöster Weise darzustellen.
§ 78. Die Plavfer.
1. Die siebenundzwanzigjährige Regierung der Imperatoren übersieht.
des flavischen Namens trägt nach den Persönlichkeiten der
Herrscher keinen einheitlichen Charakter; nicht nur stellen *lie
drei Regenten als Menschen Typen von verschiedenen Eigen-
schaften dar, sondern es unterscheidet sich hinsichtlich des per-
sönlichen Eingreifens insbesondere der Despotismus Domitians
von der mit Mäfsigung gepaarten Festigkeit Yespasians und der
Erhebung in Spanien geschlagen wurden .und seinen Kopf nicht tragen
(Cohen 1\ p. 218 f.), haben die Aufschriften Galba imp. oder Serv. Gälha
imp., Caesar Äug. GaJba imp., die späteren bald imp. ebenso nach dem
l^amen gesetzt, bald als praenomen, am vollständigsten imp. Serv. Galba
Caesar Aug., und zwar finden sich dieselben Varianten auf den kaiserlichen
wier auf den SenatsmOnzen. In dem Militärdiplom c. i. 1. III p. 847
=» Or.-Henzen 737. Wilmanns 915 heij^t es Ser. Galba imperator Caesar
Augusius. ~ Otho heifst auf seinen Münzen, die übrigens bemerkenswerter
Weise in Kupfer nicht existieren, am vollständigsten: imp. M. Oiho Caesar
Augusius^ ebenso in den Anralakten ; andere Inschriften von ihm giebt es bis
jetzt nicht. Von Vitellius heilst esTac. bist. 1, 62: nomine Germanici ViteUio
sia^im addäo (von den Soldaten bei seiner Erhebung) Caesarem se appettari
etiam victor pröhibmt. 2, 62: praemisit in urbem edictumf qw) vocabulum
Augusti differret, Caesaris non reciperet, cum de potestate nihil retraheret.
2, 90: abnuenti nomen Augtisti expresser e ut adsumeret, schliefslich S, 68:
(in der letzten Not) quin et Caesarem se dici voluit, aspemcUus antea, sed
tunc superstitione nominis; in den Arvaltafeln (Henzen XCIIIf.) heifst er
demgemSls auch Vitellius Germanicus imperator, auf den Münzen tritt dazu
zum Teil Aug. Wenn auf Provinzialmonumenten (Henzen 6417 —•Wil-
manns 916) Caesar, erscheint, so ist dies Unkenntnis des für korrekt Er-
achteten. Vitellius hatte also die Caprice — etwas anderes war es sicherlich
nicht — , mit sich anfangen zu wollen; nachher aber fand er doch, dafs
die Anknüpfung an die Cäsaren Vorteile habe. Speziell wollte er wie Otho,
der sogar daran dachte, den Namen Nero anzunehmen (Sueton Otho 7),
den letzten der Cäsaren als sein Vorbild anerkennen (Sueton Vit. c. 11).
1) Eünsichtlich der Kaiser selbst s. vorherg. Anm., aber auch die
präsumtiven Nachfolger oder Prinzen nehmen den Namen Caesar an; YgL
act. fratr. Arv. p. XCI, wo der von Galba adoptierte Piso [Serv. Sulpicius
Gal]ba C[aesar] heilst und Tac. hist. 1, 19: hie (Piso) dignationem Caesaris
laturus; femer hist. 3, 86: (nach Vitellius' Tod) Domitianum — Ci
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beflissenen Milde des Titas. ^) Indessen bietet sich diese PericMfe
doch auch wieder in einheitlicher Beleuchtung dar. Die Zu*
stände, welche Yespasian antraf, blieben dieselben unter seinen
Nachfolgern, die drei Regenten mufsten mit ihnen rechnen, sie
haben mit ihrem darauf gegründeten Verfahren die Überleitung
von der Periode des julisch-claudischen Hauses zu der des zweit^i
Jahrhunderts gebildet, und trotz der Verschiedenheit der Charaktere
geht doch durch die drei flavischen Regierungen ein autoritativer
von Vespasian eingeführter Zug.*)
veapasian. Zu- 2. In dem Augcublick, da Vespasian anerkannter und alleiniger
nähme der Re- Herr wurdc, bot das Reich selbst noch den Anblick einer Zer-
gierung.
rissenheit dar, welche viele örtlich getrennte und der Art nach
verschiedene Aufgaben stellte. Der jüdische Krieg war noch
nicht zu Ende und erhielt den ganzen Osten in Erregung, in
Grermanien und Gallien begann jetzt erst der Kampf des Reichs
mit den aufständischen Provinzialen, in verschiedenen andern 6ren»-
Provinzen hatte die romische Herrschaft in Kampf sich zu be-
haupten, Italien war von Grund aus erschüttert, Rom selbst
hatte eben eine Katastrophe durchgemacht wie seit Sulla und
Marius nicht mehr, und dem allem stand nun ein Mann gegen-
über, der bis jetzt nichts gezeigt hatte als die Eigenschaften
eines guten Soldaten, nicht einmal die eines dem grofsen Krieg
gewachsenen Heerführers. Es gelang aber diesem Mann, aljer
jener Schwierigkeiten in einer Weise Herr zu werden, welche
nicht nur för seine Regierung, sondern auch för fernere Zeiten
eine neue Wohlfahrt des ganzen Reichs begründete.
Die örtlich getrennten Aufgaben verlangten verschiedene
Kräfte zu ihrer Bewältigung. Die östlichen Verhältnisse hatte
naturgemäfs Vespasian selbst noch in der Hand: zwar den Krieg
in Judäa überliefs er seinem Sohne Titus zur VollfQhrung
dieser nächsten Aufgabe selbst wie zur Bewährung für die
Zukunft, aber indem er langsam im Verlauf de» Jahres 70 Ober
Ägypten und die Küstenprovinzen nach Rom reiste, befestigte
er überall auf dieser Seite des Reichs die neue Herrschaft Rom,
consalutatum miles frequens — deduxit, 4, 2: fumen sedemque Caesaris
Domitianus acceperat.
1) Zasammenfassende Charakteristiken bei Anr. Vict in den CaetartM
und der Epitome 9—11.
2) Sueton Vespas. 1: Rebellione trium prineipum et caede ineerhun
diu et quasi vagum imperium suscepit finnavitque tandem^gena Klavia.
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Italien und der Westen mufste während dieser Zeit den Heer-
führern Oberlassen bleiben ^ welche, wie Antonius Primus und
Arrius Varus, den Krieg in Italien gef&hrt oder, wie Mucian,
als Stütze der zunächst aktiyen Kräfte nachgerückt waren. Der
letztere, als der durch Stellung und politische Befähigung unbe-
dingt überlegene übernahm die Leitung; neben ihm stand als
Repräsentant der Herrscherfamilie der zweite Sohn, Domitian,
der aber nach kurzen Velleitäten von Eigenmächtigkeit mehr
geduldet und überwacht als in den Vordergrund gestellt wurde.
Der glückliche Umstand, dafs der Ehrgeiz Mucians eine gewisse
Grenze einhielt, verbunden mit der klugen Übersicht Yespasians
überwand die mancherlei Gefahren dieser Teilung der leitenden
Kräfte, nnd nachdem Yespasian im Sommer 70 selbst in Rom
eingetroffen war, konnte er die oberste Leitung ohne weitere
Schwierigkeit selbst in die Hand nehmen.^)
3. Die nächste Aufgabe, die er hier sich stellte, war die HodifikAtionen
Feststellung des Imperiums selbst. Die Thatsachen hatten ge- •truktion des
zeigt, welchen Halt demselben der dynastische Zug gegeben hatte,
den es unter den Cäsaren gehabt, und wie haltlos das blofse
Soldatenkaisertum war. Unter den Motiven, welche Tacitus dem
Mucian in den Mund legt, da er den Yespasian zur Übernahme
des Imperiums bestimmen will, ist nicht das wenigst schwer-
wiegende, dafs Yespasian zwei Sohne habe, während Mucian
selbst kinderlos sei*) Wiederum also sollte die Nachfolge in
der Familie gesichert werden, aber nun nicht blofs durch Yor-
bereitung der Zukunft, sondern schon durch eine Mitwirkung in
der Gegenwart, die über die in früheren Fällen kaiserlichen
1) Um Einsicht in diese Verhältnisse zu geben, reicht eben noch die
l^telloDg des Tacitns, die fflr diese Dinge bis znm Sohlufs des vierten
Baoha der Historien geht Kürzer ist der Auszug aus Dio 66, 1 fiP. Über
Vespasians Bückkehr Joseph, bell. lud. 4, 11. 7, 2. Zonar. 11, 17. —
Chambalu in Philol. 44, 602 iF. deutet die statos aestivis flatibus dies, welche
Vespasian nach Tac. hist. 8, 81 in Alexandrien abwartete, auf die Zeit
2^i»chen 19. Aug. und 17. Sept. und iSXst ihn nicht vor Mitte Oktober
i^ach Rom kommen und dort die Regierung übernehmen; Pick dagegen
(^rl. Zeitschr. für Numism. 18, 878 A. 2) bezieht jene flatus aesHvi auf
^e frühere Periode der Südwinde und lälst den Kaiser gegen Ende August
11^ Rom ankommen.
2) Hist. 2, 77: tuae domui — duo luvenes, capax iam itnperti älter;
^^(ium fuerit non cedeie imperio et, cuius ßium adoptaturus essem, si
«P«c tniperarwn. r^^^^T^
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Prinzen gewährte Stellung hinausreiche. Zugleich aber wurde
das Principat anders gefafst als bisher. Zunächst natürlich hatte
sich Yespasian einfach die Gewalten, welche dasselbe aasmachten,
in derselben Weise übergeben lassen, wie es von Augiißtus her
üblich gewesen^); aber nachdem er die Aufgabe einer Neuordnung
in Rom selbst in die Hand genommen, brachte er eine Modifi-
kation an. Zwar die militärische Seite der Eaisergewalt blieb
dieselbe: ein Imperator, wie er, der Ton den Legionen erhoben
war und den Tag dieser Erhebung als Antt'ittstag seiner Regie-
rung bestimmt hatte, hätte, wenn er ändern wollte, seine Stellung
eher durch eine allgemeinere Grundlage als die der prokon-
sularischen Gewalt verstärkt; auch die tribunicische Gewalt, die
ihm mit den übrigen Attributen yom Senat übertragen worden
war, behielt er bei, allein er gab ihr nicht die Bedeutung, welche
sie bisher gehabt Die Idee, die einst Julius Cäsar mit diesem
Titel yerbunden hatte, die Anerkennung der demokratischen Ent-
wicklung, welche die romische Verfassung durch sie gehabt und
die ihm die Wege gebahnt hatte, lag dem Yespasian zu ferne
und war auch der damaligen Generation bedeutungslos; für
die besondere Berechnung aber, mit welcher Augustus in seiner
Konstruktion des Principats den Titel wieder aufgenommen, hatte
er keinen Sinn, und so kam er nun auf den Gedanken, den ja eine
Zeit lang auch Augustus gehabt (ob. S. 138. 144) , das Konsulat^
die autoritative Spitze der republikanischen Magistratur, durch jähr-
liche Übernahme desselben enger mit dem Principat zu yerbinden.
Eine Verfassungsänderung war dazu nicht notig, sondern nur
ein anderer Usus als der bisherige; dabei konnte man, wie bis-
her, sich auf die Annahme des ordentlichen Konsulats beschränken
und die Stellen mit nachträglichem Eintritt den Privaten über-
lassen, ja auch innerhalb der gewöhnlichen Funktionszeit der
ordentlichen Konsuln zurücktreten, um einem ergänzenden Privaten
Platz zu machen: es genügte, den ersten republikanischen Magi-
stratstitel mit dem Charakter der Eponymie, der darin lag, an die
Person des Princeps zu knüpfen, auf diese Weise insbesondere
die Leitung des Senats und der ganzen republikanischen Seite in
seiner Hand konzentriert zu zeigen und den Unterschied zwischen
dem Princeps und den Senatoren durch ein weiteres Privilegium
noch schärfer zu bezeichnen; dagegen wurde auf die Zählang
1) Hist 4, 8 (ob. S. 241 A. 1 u. S. 288 A. 1). ^ -
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der Regierungsjahre nach der tribunicischen Gewalt jetzt kein
Wert mehr gelegt.^) Die Übernahme der höchsten republi-
kanischen Würde durch die Prinzen des kaiserlichen Hauses ferner
war auch durch die Praxis der früheren Zeit von selbst gegeben,
nur ebenfalls in sporadischer Weise; jetzt wurde jener Zweck,
das Imperium mittelst der Sohne zu befestigen, mit in dieses
System des kaiserlichen Konsulats hereingezogen, indem der
Kaiser beinahe regelmäfsig den älteren Sohn zum Kollegen im
ordentlichen Konsulat nahm.
Weiter wurde aber nun dieser neben dem, dafs auch Titiu au Mit-
er die tribunicische Gewalt erhielt, zugleich zur Teilnahme an
dem Imperatomamen zugelassen, nachdem er sich im jüdischen
Krieg den Anspruch darauf erworben und jene Ehre von den
Soldaten für ihn gleichsam gefordert worden war.^) Noch kam
1) Über die Titulatur der Flavier und deren ataatsreclitliche und ge-
schichtliche Bedeutung haben neuestens nach Münzen und Inschriften, und zwar
der Natur der Sache nach zumeist nach den ersteren als den offiziellsten Quellen,
gehandelt Mommsen in der Wiener numismat. Zeitschr. 3 (1871), 468 ff. Cham-
balu, de magistratibus Flaviorum. Bonn 1882. Ders. in Philol. 44, 106—131.
502 ff. Hoffmann, quomodo qttando Titus imperaior factus sit. Bonn 1883. Pick,
Berl. Zeitschr. fOr Numismatik 13, 190—239. 856—383. Die Liste der cons,
ordin. von 70—79 ergiebt: 70 Vespasian 11 und Titus, 71 Vespasian III und
Nerya, 72 Vespasian IUI und Titus II, 73 Domitian 11 (nachdem er im
J. 71 suff. gewesen) und Messalinus, 74 Vespasian V Titus III, 75 Vespasian
VI Titus nU, 76 Vespasian VU Titus V, 77 Vespasian VIII Titus VI,
78 L. Ceionius Commodus D. Novins Priscus, 79 Vespasianus Villi Titus VII.
— Von der trib. pot. werden die Jahrzahlen auf den Münzen der ersten Jahre
und wieder im J. 79 angegeben, sonst aber nicht (Cbambalu, Philol. 44, 125 f.,
in einzelnem berichtigt durch Pick, a. a. 0. S. 3 A. 1). Auf Inschriften
jedoch, darunter auch auf den Militärdiplomen wird die trib. pot. gezählt
(Wilmanns II p. 506), so dafs der Plan, sie für die Zählung der Regierungs-
jahre aufzugeben, nicht fest erscheint. Er hätte dies freilich nur sein
können, wenn die jährliche Übernahme des Konsulats ausnahmslos statt-
fand. Auch erscheint die trib. pot. in der gemeinen Auffassung in nicht
geminderter Bedeutung, wenn Plinins in der an Titus gerichteten praefatio
der nat. bist. § 5 den bildlichen Ausdruck gebraucht: Fulgurat in nüllo
unquam verius dicta vis eloquentiae, tribuniciae poteataHs facundia {Cod.
facundiae). — Bei den angegebenen thatsächlichen Verhältnissen kann in
der verstümmelten Stelle Suet. Vesp. 12: ne iribuniciam quidem potestaUm
. . patria patriae appeUcUianem nisi sero recepit nicht blofs et oder atU er-
gänzt werden^ sondern es mufs, wenn die Bemerkung den Thatsachen ent-
sprechen soll, bemerkt gewesen sein, dafs er die Ehre der tribunicischen
Gewalt nicht so würdigte, wie seine Vorgänger.
2) Die pot. trib. führt Titus vom 1. Juli 71 ab, dem Jahrestag; der ,
Hersog, d. röm. Sta»t«verf. H. 1. 19gitized by VjOOQIC
- 290 -
es nicht so weit, dafs zwei Herrscher mit gleicher Würde neben
einander auch nominell die Regierungsakte vertraten, aber die
Stellung, welche Titus mit jenem Imperatornamen und als Mit-
konsul neben seinem Vater einnahm, ist gegenüber dem, was
frühere Imperatoren den ihnen nächststehenden und zur Nach-
folge designierten Familiengliedem gewährt hatten, ein neues
und höheres gewesen. Dazu kam dann noch im J. 73, dafs
Titus mit dem Vater die Censur führte, also in dieser von Ve-
spasian wichtig genommenen Funktion kollegiale Mitwirkung und
Ehre genofs und weiterhin am Münzrecht teilnahm.^) Wenn er
dagegen nach seiner Rückkehr vom jüdischen Krieg das Kommando
der Garde erhielt^), so war die Übertragung dieses notwendig
Gewaltübemahme des Vaters. Sueton Tit. 6: (patri) colkga et in tribuniäa
poUstate et in Septem consulatibus fuit; über das Datam Borghesi, op. VI.
p. 10 f.; ob, wie Pick a. a. 0. S. 128 meint, aus Philostr. vit. ApolL 7, 29 f.
zu entnehmen ist, dafs die Verleihung schon früher statt fond und nur die
Zählung in der angegebenen Weise' geregelt wurde, ist Nebensache. Mit
dem Imperatortitel, d. h. der Acclamation als Sieger ehrten die Sol-
daten den Titus im Moment der gesicherten Eroberung Jerusalems am
6. Aug. 70; zur Annahme dieser Khre bedurfte er aber der Genehmigung
seines Vaters; die Monumente zeigen, dafs dieselbe gewährt wurde. Ebenso
zeigen sie aber auch, dals Titus den Imperator n amen erhielt, und zwar aaf
seinen eigenen Münzen mit der Folge Imp. T. Caesar, aber auf denen des
Senats T, Imp. Caesar^ letzteres übrigens auch auf Inschriften und zwar
nicht blofs in der senatorischen Provinz Afrika (c. i. l. 8, 7057 f.), sondern
auch in dem kaiserlichen Pannonien (archäol. epigr. Mitteil, ans Ostreich
V. 209); vgl. über diese Titel Mommsen, numism. Zeitschr. a. a. 0., Hoff-
mann a. a. 0. u. besonders Pick S. 225 ff. Nun giebt es aber auch eine
Senatsmünze (Coh. 1 Vesp. 46 — 51) nach gewöhnlicher Lesung mit der Legende:
Caesiflr) Aug{usti) /*., des{ignatw) imp(erator) == Titus; ÄugiusH) /[ilius)
co{n)s{uT) d€s(ignatus) iter(um). Pick will S. 190 ff. den des, imp, entfernen,
indem er teilt: Imp{eraior) Aug. f,y cos, des. Her. «= Titus. Coes., Aug. /".,
desig{natus) sc, cansul primum =» Domitian. Aber diese Lesimg ist sehr
bedenklich (vgl. Mommsen in Zeitschr. f. Numism. 14 S. 31—85, und der da.
imp, wird nicht wegzubringen sein. Allein es wurde sonst gar kein offizieller
Gebrauch davon gemacht und so scheint er eine ganz vorübergehende Be-
deutung gehabt zu haben.
1) Suet. Tit. 6. Über Titus auf den Münzen infolge der Erteilung
der Mitregentschaft Mommsen, Zeitschr. f. Numism. 3, 462 ff.
2) Snet. Tit. 6: receptaque ad sc prope omnium officiorum cura, cum
patris nomine et epistolas ipse dictaret et edicta conscrtberet orationesque in
senatu recitaret etiam quaestoris vice, praefecturam quogue praetorii suscepit
nunquam ad id tempus nisi ab equite Romano odmtntstratom. Zugleich
wurde die unter Vitellius bis zu 16 gestiegene Zahl d^ prätor. Kohorten
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— 291 -
untergeordneten Postens, wie schon bemerkt (S. 241 A. 3),
nicht eine Frage ehrenvoller Stellung, sondern der Sicher-
heit.*) Wie bei dem Allem das persönliche Verhältis zwischen
Vater und Sohn war, wem die Initiative zu diesen eigentüm-
lichen Neuerungen zukomme, liegt in den Zeugnissen nicht mit
Yoller Klarheit vor; aber, wenn auch vorübergehend am An-
fang Schatten von Mifstrauen, erzeugt durch die Vorliebe der
Soldaten für Titus und durch gewisse Seiten in dessen Cha-
rakter, das Einvernehmen zwischen den beiden gefährdeten, so
ist doch aus dem Urteil der Zeitgenossen und der geschicht-
lichen Überlieferung überhaupt der Gesamteindruck zu schöpfen,
daüs die Regierung von Vespasian und Titus in einheitlichem
Geiste geführt wurde und dafs mit vollem Willen, ja auch aus
der Initiative und nach dem Plan des ersteren den Wünschen des
Sohnes in der Weise, wie es geschehen ist, Genüge gethan wurde.
Insbesondere ist die Übertragung der Gardepräfektur gar nicht
anders denkbar als auf Grund vollständig gesicherter Eintracht.')
auf die augusieiscbe Neunzahl reduciert; s. den Nachweis bei Mommsen
in Hermes 14, 85. 16, 647.
1) Vgl. jxras Sueton weiter über die Strenge, mit der Titas das Amt
fahrte, sagt mit dem Beisatz: quibus rebus sieiU in posterum aecuritati satis
cavit, ita ad praesens plurimum contraxit invidiae.
2) Aus dem, was Soeton c. 6 berichtet, so wie aus der Laufbahn des
Titos haben insbesondere Chambalu und Hoffmann abgeleitet, Titus habe
sich die ihm von Vespasian erteilte Stellung erzwungen nnd der Vater sie
eben erteilt, um einen Konflikt zu vermeiden. Allein nicht einmal aus
Snetons Darstellung geht hervor, dafs der Schriftsteller selbst das Ver-
halten des Titus in der angegebenen Weise falste, sondern nur, dafs es
Leate gab, welche den Vespasian gegen seinen Sohn, wie es scheint nicht
ohne augenblicklichen Erfolg, einzunehmen suchten, wogegen Titus selbst
io rascher Rückkehr und offener Loyalit&t das Gegenmittel fand. Neque
ex eo destitäf sagt Soeton, participem atque etiam tutorem imperii agere.
In Tacitus' Historien vollends herrscht zwischen Titus und Vespasian dorch-
weg das offenste Verhältnis, wie Tacitos überhaupt eine ganz ausgesprochene
Vorliebe für Titus hat, selbst was onleogbar war, mit seiner Jogend ent^
schuldigt und seine Liebe zu Berenice, — den Bömern ein schwerer Anstofs,
— in einem romantischen Lichte erscheinen läfst (2, 2). Das ist persönliche
Auffassung, aber von da bis zur Annahme wissentlicher Unterdrückung
der Wahrheit bei Tacitus ist ein weiter Schritt, den zu thun schon die
richtige Auffassung des Vespasian hindern muls. Die Momente, welche
Hoffm. und Chamb. aus den Thatsachen der Münz- und Inschriftzeugnisse
entnehmen und unter denen auch jener imperator designatus eine zu
grofse Bolle spielt, nötigen keineswegs zu der von ihnen vertretenen Auf-
fassung. — Mit Pick in der Handhabung des Imperatomamens Bja^ den i
^ 19* dby Google
— 292 -
Anders allerdings verhielt es sich mit dem zweiten Sohne Domi-
tian. Dafs dessen Teilnahme von Anfang an mit in Rechnung
gezogen war, ist aufser Zweifel, und die Lage der Dinge in Rom
begünstigte den Ehrgeiz desselben ausnehmend; auch wurde von
Anfang an Gewicht darauf gelegt, dafs das Haus des neuen
Herrschers auf zwei Söhne sich stütze. Aber die Art, wie der junge
Mann seine Stellung mifsbrauchte, bis zu einem Grade, dafs er in
Verdacht des Reichsverrats kam (unt. S. 304 A. 4), veranlafste den
Vater für diesen Sohn an Ehren und Teilnahme an den Geschäften
nur so viel zu bewilligen, als das dynastische Interesse verlangte,
wenn ihm die Berücksichtigung für die Zukunft überhaupt ge-
wahrt werden sollte.^)
Die angeführten Neuerungen in der Gestaltung und Führung
des Principats durch das neue Herrscherhaus wurden, wie sie
m'cht in eine Form von gesetzlicher Kraft gebracht waren, so
auch nach Ausweis der Monumente schon von Vespasian nicht
mit voller Eonsequenz gehandhabt.*) Unter der kurzen Regie-
rung des Titus sodann wurde schon im zweiten Jahr, im J. 81,
das ordentliche Konsulat wieder Privaten bewilligt und die Jahres-
zählung nach Jahren der tribunicischen Gewalt wieder eingeführt,
die Rechte der Mitregentschaft aber dem Domitian nicht ge-
währt, sondern derselbe auf die Aussicht der Nachfolge be-
schränkt. Domitian endlich nahm allerdings wieder für sich
das Konsulat zunächst Jahr um Jahr in Anspruch und dann in
neuer Weise als bleibendes Attribut; allein es war dies, wie
weiterhin zu zeigen, Ausflufs einer persönlichen Auffassung ohne
SenatsmüDzen eine gewisse Opposition zu erkennen, ist nach dem S. 8S9
A. 2 Bemerkten nicht angezeigt; das Verfahren des Senats kann aach harm-
loser staatsrechtlicher DOftelei entsprungen sein.
1) Sueton Domit. 1 f. Tac. hist 4, 61 f. 86. • Tacitus lä&t den Titas
als Vermittler zwischen Domitian nnd dem Vater auftreten, und auch Sueton
sagt Domit. 2: in sex consükUtbus nonnisi unum ordinarium gessit^ eumg^e
cedente ac suffragante fratre. Auch dies will Chambalu p. 106 ff. nicht
gelten lassen, da vielmehr Titus überall den Domitian zurückgedrängt hätte.
Allein die Beweise, welche er und Hoffmann aus den Daten über die Lauf-
bahn der Brüder beibringen, sind nicht zureichend und werden auch durch
die Zurechtlegung der Konsulate Domitians bei Pick S. 356 ff. entkräftet
Dals Titus der regelmälsige Teilhaber im ordentlichen Konsulat war, lag
in der Natur der Sache; daneben aber war es Ve8i>asian in erster Linie,
der gegenüber dem Ehrgeiz und den Intriguen Domitians für gut fand,
diesen zurückzuhalten.
2) S. d. vorhergehenden Anmerkungen.
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Aufnahme der Gedanken Vespasians, wie er denn daneben eben-
falls die Jahre der tribonicischen Gewalt zählte.^)
4. Die nächste Aufgabe nach der Befestigung im Principat^larserer Friede,
die Wiederherstellung des äufseren Friedens konnte Vespasian ^^Seichs.^
seinen Generalen überlassen^ deren richtige Auswahl ihm nicht
schwer fiel. Der Erfolg eines gesicherten Friedenszustands wurde
denn auch nach einiger Zeit erreicht, im J. 71 durch Schliefsung
des Janustempels feierlich besiegelt und durch die Erbauung
eines Friedenstempels auch für die Erinnerung der folgenden
Generationen in seiner Bedeutung erhalten.^)
Aber von bleibenderen Folgen wie von gröfster Bedeutung
fQr die Gegenwart war die Neuordnung des Reichs. Sie wurde
von Vespasian mit Recht in erster Linie von der finanziellen
Seite erfafst, zunächst wohl weil für eine geordnete Verwaltung
dies unentbehrlich war, aber jedenfalls auch in den Folgen mit
tieferer politischer Bedeutung; denn unter früheren Regierungen,
bei einem Gaius und Nero, hatte die finanzielle Zerrüttung nicht
die geringste Rolle unter den Motiven der tyrannischen Akte
gespielt. Zu dem nun, was in dieser Beziehung neu eingeführt
werden sollte, hätten wohl die gewöhnlichen Wege der Gesetz-
gebung und Verordnung genügt. Aber indem Vespasian die
Reformen in der Verwaltung als ein Ganzes auffafste, ersah er
sich ein besonderes Mittel, mittelst dessen das ganze Werk in
einheitlicher Weise ausgeführt werden konnte, die Censur.*) Von Di© censnr
den früheren Kaisern hatte Augustus diese Magistratur im An-
schlufs an die republikanische Tradition wieder aufgenommen,
Claudius mehr im Sinne seiner archäologischen Politik, bei
Vespasian kann weder das eine noch das andere dieser Motive in
Frage kommen, ihn kann nur der Nutzen der Sache bestimmt
haben. Wir besitzen leider keine Berichte über die Führung
dieser Censur, über die Zwecke, die sie erfüllen sollte und über
ihre Resultate, sondern nur vereinzelte Notizen^); aus der Natur
der Sache aber ergiebt sich hierüber etwa Folgendes:
Die alte Censur hatte mit ihren Aufgaben der Übersicht
1) Die Zeagnisse übersichtlich zusammengestellt bei Chambalu, de
wtagistr. Flav. p. 24—27.
2) Beides nach dem jüdischen Krieg Oros. 7, 9. Joseph, b. ind. 7, 6, 7.
3) Säet. Vesp. 8: mscepit et censwram ac per totum imperii tempus
nüiü hahuU antiguius quam propa afflictam nutantemque remp, stcibüire
primo, deinde et omare.
4) S. die folg. Anmerkungen; eine Zusammenfassung ist am ehesten
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über die Wehr- und Steuerkräfte des Staats, mit ihrer Feststellung
der verschiedenen RjBchtskreise in der Bürgerschaft, mit dem Ein-
flufs, den sie auf die ständische Gliederung hatte, mit der seit
dem ovinischen Gesetz ihr anheimgegebenen Feststellung der
Senatsliste, mit ihren finanziellen und baulichen Fumktionen den
Mittelpunkt der Verwaltung gebildet. Sie war nun als regel-
mäfsig in Funktion tretendes Institut überflüssig und unpraktisch
geworden infolge -des numerischen Verhältnisses der Bürgerschaft
zu den anderen Klassen der Reichsbevölkerung, infolge der Pro-
vinzialverfassung und der Neuerungen im Heerwesen, endlich aucb,
wenigstens wenn man sie kollegial fafste, infolge der auf einheit-
liches Handeln gerichteten Form des Principats, das lieb^ andere
Machtbefugnisse für ihre Zwecke anwandte. Allein wenn nun
in einem Ausnahmezustand eine allgemeine Revision all der an-
gegebenen Verhältnisse nötig war, so liefs sich das alte Amt
mit der Freiheit seines Waltens als auf eine gewisse Zeit an-
genommene Gesamtbefugnis wohl verwenden, und so wie Vespasian
den Titus neben sich gestellt hatte , pafste nun hiezu auch die
Kollegialität in der Censur. Von diesem Amt aus wurde nun
der gründlich zusammengeschmolzene und seiner altadeligen Be-
standteile beraubte Senat erneuert, ihm durch Hereinziehung des
italischen Munizipal- und Provinzialadels neue Bestandteile zu-
geführt^), schon vorhandene durch Erhebung in das Patriziat zu
bei Sueton c. 9—11 zu finden. Vgl. über diesen Censue auch de Boor^
fasH cens. p. 83. 99.
1) Snet. c. 9: amplisaimos ordines et exhaustos caede varia et conta-
minatos vetert neglegentia purgavit supplevitque recenso senatu et equite
summotis indignissimis et honestissimo quoque Italicorum ac provinciaUum
cUlecto. Vgl. Plin. ep. 1, 14: Miniciw Macrinus, equestris ordinis princeps,
quia nihil altius voluit: adlectiis enim a Divo Vespasiano inter praetorios
honestam quictem huic noatrcu ambitioni prcietuUt; er stammte aus Brixia
ex illa nostra ItaUa, quae mtUtutn culhuc verectmdiae, frugalüatis atgue etiam
rusticitatis antiquae retinet ac servcA* Der Sohn Minicios Acilianns wnrde
dann Senator. Beispiel eines Provinzialen corp. i. 1. 8, 7058, wo ein ad-
lectus ab imp. Caes. Vespasiano Aug. et Tito imp, Aug{ti8ti) f[ilio) heifot
constU ex Africa primus (nach Borghesi opp. 8, 668 Pactumeius Fronto
Eons. 80). Auf die Censur wird senatorische Beförderung znrückgefSbrt
Orell.-Henz. 3669 (adlecttis inter praetorios a divis Vespasiano et Tito cen-
soribtts), aber auch sonst wo, wie in der Inschrift des Pactnmeius, die
beiden Regenten genannt werden ohne den Beisatz censores^ kann nur die
Censnr gemeint sein, flber die Bedentnng der adlectio in eine gewisse
Rangklasse s. unt. im Byst.
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höherer Stufe gebracht ^); der Ritterstand nach seinen Bestand-
teilen übersehen und nach seiner Brauchbarkeit für die Verwal-
tung geprüft^ die Grundlagen für das Mafs der Ausdehnung des
Bürgerrechts und der Latinität gewonnen^); ebenso die Übersicht
über- die Bezugsquellen für die Aushebung der Legionen^ über
den Yermögensstand der Bürgerschaft und ihre Befähigung in-
direkte Steuern zu ertragen, über die Notwendigkeit öffentlicher
Arbeiten und über andere Dinge mehr^), welche zur Herstellung
einer festen Ordnung zunächst in Italien, aber auch durch die
Provinzen hindurch nötig waren. Um so beklagenswerter ist es,
dafs die Bücher dieser Censur, die ohne Zweifel in gesetzmäfsiger
Weise und innerhalb des gesetzmäfsigen Termins, wenn auch in
den Formen der Aufnahmen den damaligen Verhältnissen ent-
sprechend, bis zum Lustrum durchgeführt wurde*), für uns ver-
1) Tac. Agric. 9. Capitol. vit. Marci 1: adscitus in patricios a Vespa-
siano et Tito censoribus. Wilmanns ex. inscr. 1154: (L. Neratio Marcello
cons. II 129) adlecto inter pcUric{io8) ab divo Vespasiano.
2) Der Gensns bezog sich nach altem Recht auf die römischen Bürger;
indem man aber diese durch das ganze Reich hindurch zählte, gewann man
den Maßstab für die Erweiterung des Bürgerrechts.
3) Dafs aach die Baothätigkeit Yespasians znm Teil hier anknüpfte,
geht hervor aus Plinins n. h. 3, 66, wo die Aufnahme des Umfangs der
Maaern Roms an den Census angeknüpft wird, femer aus Or.-Henz. 2364:
Vespasiano — censori conseroatori ceremoniarum publicarum et restitutari
aedium sacrarum ~; vgl. auch die Ausscheidung öffentlichen Eigentums
Suet Vesp. 8. Or.-Henz. 3260. Ausdehnung auf Provinzen Henzen 6419
(Sardinien). — Vor die Censur fällt die Sorge för die Wiederherstellung
des Kapitels (Tac. bist. 4, 4. 9. Suet. 8) und die Erneuerung der zerstörten
BroDzetafeln (Suet. Vesp. 8): aerearum tahuJarum tria milia, quae sitnul
conflagraverant , restitumda suscepit u/ndique investigatis exemplaribus , in-
strumentum imperii pukherrimum ac vetustissimum quo continebantur paene
ah exordio urbis aenatus consulta, pUbiscita de societate et foedere ac privilegio
cuicunque concessis. Tac. bist. 4, 40: sorte ducti, — qui aera legum vetustcUe
delapsa noscerent figerentque et fastos adulatione temporum foedatos exone-
rarent. Vgl. darüber Mommsen in ann. delF inst. 1858 p. 200. Während
Saeton in einer summarischen Darstellung das Verdienst einfach dem Vesp.
zuschreibt, giebt Tacitus präciser, dafs im Senat unter Vorsitz des Prinzen
Domitian eine Kommission dafür niedergesetzt wurde. Der Auftrag an die
Kommission lautet bei Tacitus allgemeiner und wird so wohl auch in dem
S. C. gestanden haben. Gewifs war aber auch in diesem dann die Be-
schränkung auf die im Tempel der Fides auf dem Kapitel aufbewahrten
internationalen Urkunden ausgesprochen.
4) Censorin. de die nai 18, 14: inter primum a Servio rege conditum
Iwtrum et id quod ab imperatore Vespasiano V, et T. Cc^esare III cos, (74)
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schlössen sind und nicht einmal die Schlufszahl des Bürgercensos
uns erhalten ist.*)
Gttnsüge Besui. 5. Nachdem durch den Census mindestens die Grundlagen
waittmg. der neuen Reichs Verwaltung gegeben waren , schritt diese^ wenn
sie auch anfangs namentlich nach den Leiden des Kriegs mit
ihren Lasten als drückend gefühlt wurde, doch in ungestörter
Weise fort, ohne dafs wir, da uns der annalistische Bericht des
Tacitus ohne Ersatz fehlt, diesem Gang folgen könnten. Das
Resultat dieser Regierung war ein neuer Status des Reichs, Her-
stellung geordneter Finanzen nach einem Zustand tiefster Zer-
rüttung*), Belebung der Provinzen und mächtige Fortschritte in
der Romanisierung derselben^) und insbesondere Einführung
factum est. Allgemeine Zeitangabe bei Plin. n. h. 7, 162 inlra quaedriennium
d. h. vier Jahre, ehe Plinins das Buch schrieb. In der ersten Hälfte des
J. 73 heifst Vespasian noch censor designcUus (corp. inscr. L II. d. 185.
ephem. epigr. IV. p. 9); wenn die alte Regel galt (Monunsen, StaaUr.
2, 340 A. 3), 80 mag diese Censur von April 73 an zu rechnen sein mit
dem üblichen Zeitraum von 18 Monaten.
1) Aus den Listen hat Plinius a. a. 0. einige nach den italischen
Regionen verzeichnete Angaben über die höchsten Altersstufen erhalten.
2) Sueton Yesp. 16: sunt gui opincTUur, ad manübias et r azinös ne-
cessitate eompuhum summa aerarii fiscique inopia; de qua tettifkaJtus sü
initio statim principatus, professus quadringenties millies opus esse tU resp.
Stare posset. Diese vielbesprochene und für statistische Verwertung in An-
spruch genommene Angabe mnfs vor AUem auf einen geschichtlichen
Moment gebracht werden. Sie ist sehr allgemein gehalten und doch nicht
in so rander Zahl, dafs sie nicht als eine Summieiung gewisser Ziffern
erscheinen müfste; so Wie sie ihrem Betrag nach in der Oberlieferung
lautet, 40 Milliarden Sest «= rund 8700 Mill. Mark, ist sie gewifs sehr
hoch, aber nicht undenkbar und deshalb, da keinerlei Anhaltspunkt fflr
eine Korrektur vorliegt, beizubehalten; in ihrer Höhe mag in vieler Be-
ziehung einmaliger Aufwand, bei anderem fortlaufende Befriedigung von
Bedürfnissen gerechnet sein, also Zuschufs an die grofsen Eiissen, um fOr
einige Zeit die laufenden Ausgaben bestreiten zu können. Die Interpretation
kann sich in dieser Beziehung nur halten an den Ausdruck „u^ respublica
Stare posset, ^^ In dem Moment also, da Vespasian in Rom die Regierung in
die Hand nahm, überschlug er die zunächst dringenden Ausgaben; dazu
gehörte neben der Speisung der entleerten Centralkassen die Errichtung
neuer Truppenkörper, der Wiederaufbau des Kapitels, der Krieg in Germanien
u. s. w., und beim Oberschlag über diese Bedürfnisse des Reichs kam er
auf die obige Summe. Anderweitige Einsicht in das römische Finanzwesen
dieser Zeit bietet die Stelle nicht.
3) Plin. n. h. 3, 30: universae Hispaniae Vespasianus Augustus iaäa-
tum proceUis reip. L<üium tribuit. Näheres darüber s. unten bei der Über-
sicht über die Provinzen.
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neuen Bluts in die oberen Stande (ob. S. 294 A. 1.) Der letztere
Punkt liegt statistisch Yor in der Namenreihe der Fasten^ in dem,
was wir von der Zusammensetzung des Senats wissen imd über-
haupt in allen den Quellen, welche Beitrage zum Personalbestand
der Verwaltung und Regierung der Folgezeit geben. In dieser somuie Emeac-
Beziehung nicht zum wenigsten bildet diese Periode eine Über- stände.
gangszeit; denn in ihr bereitet sich diejenige Gesellschaft vor,
mit welcher Trajan und seine Nachfolger in anderer Weise als
die julisch-claudischen Kaiser regiert haben und regieren konnten.
Fertig also werden wir diese gesellschaftliche Umwandlung erst
in der folgenden Periode sehen; dagegen möge hier hervorgehoben
werden, was gerade diesem Obergang angehört: der Geist, welcher
von der bisherigen Aristokratie sich auf die neue übertrug, war
noch immer machtig genug, um die neuen Elemente nicht blofs
im Allgemeinen in die Tradition des Trüberen einzuführen, son-
dern in einzelnen neuen Persönlichkeiten, wie in einem Tacitus,
die republikanischen Traditionen wie altererbte wirken zu lassen.
Soweit diese Richtung sich auf politischem Gebiet hielt, konnte
sie unter der Regierung eines Vespasian wohl bestehen; denn
sie muCste die ernsthafte Fürsorge für das Gemeinwesen aner-
kennen, daran mitarbeiten und wuIste sich jedenfalls der poli-
tischen Notwendigkeit der Gegenwart zu fügen. Wenngleich
dem Senat als mitregierender Behörde auch jetzt nur ein be-
schränkter Anteil verblieb, so war doch das Verhältnis zwischen
den beiden höchsten Faktoren ein geregeltes, und gegenüber dem
Zastand unter den früheren Regierungen fQhlte man sich gegen-
seitig persönlich sicherer.^) Dagegen die stoischen Doktrinäre,
welche wie unter Nero in Pätus Thrasea, so unter Vespasian in
Thraseas Schwiegersohn Helvidius Priscus ihre Wortführer im Senat
hatten, spielten die Unversöhnlichen, aber dies allerdings mit üblem
Erfolg, indem der Konflikt, den sie suchten, sehr ernstlich aufge-
nommen wurde. Der eigenen Natur des Kaisers widerwärtig,
fanden sie auch noch in Mucian einen rücksichtslosen Gegner,
Helvidius Priscus büfste seine schroflFe Opposition zuerst mit
Verbannung, dann mit dem Tode, und der Anhang im Publikum,
1) Sueton 16 c. 11: stoHm ab initio prindpcUtM usque ad exUum civilis
^ Clemens, non Umere quis pwnit%n8 insom reperiet^r nisi äbsente eo et
igmro out certe invito aique decepto; andererseits Gefflhl der Sicherheit
bei ihm, c. 12: eansuetttdinem scrutandi saluiantes manente adhuc heÜo civHi
omwcrot.
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die philosophischen Sekten^ wurden aus Rom yerwiesen, einzeke
auf Inseln verbannt.^)
Vespasian wird geschildert als in seiner Lebensföhrung schlicbt
und bürgerlich einfach, jeder Verschwendung, auch für die eigene
Person abgeneigt, hinsichtlich geistiger Interessen nüchtern, und
wenn auch persönlich im Besitz höherer Bildung, doch zu sehr
aufs praktische gerichtet, um ein Protektor von Kunst und Wissen-
schaft zu sein. Indessen ist schon unter seiner Regierung und
nicht ohne seine Initiative Kunst, Wissenschaft und Litteratur
sehr wesentlich gefördert worden, da es seinem Sinne keines-
wegs fremd war, auch diese Gebiete unter die staatlichen Auf-
gaben zu begreifen. Dieser seiner Auffietösung entsprechend war
es und wird als geradezu epochemachend angeführt, dafs er durch
Bewilligung staatlicher Gehälter die höchsten Unterrichtszweige
als ordentliche Gegenstände der staatlichen Fürsorge anerkannte.^}
Titui.") Bei der Stellung, welche der Nachfolger Vespasians zu der
Regierung bisher gehabt hatte, war von vornherein zu erwarten,
dafs der ^ neue Herrscher, wenn gleich die Leitung des Staats
unter eigener Verantwortung eine wirklich neue Stellung be-
gründete*), doch konstitutionelle Neuerungen nicht eintreten
würden; höchstens konnte man, da schärfere Mafsregeln des
früheren Regiments in der öflfentlichen Meinung dem Titus zur
Last gelegt wurden, erwarten, dafs die Auktorität der kaiser-
lichen Stellung sich noch strenger fühlbar mache, und war am
so mehr überrascht, als das Gegenteil eintrat.^) DsSg der Cha-
rakter ganz ausnehmender Milde, welcher die Regierung des Titns
in der Geschichte auszeichnet, geschichtlich wahr ist, dafür spricht
neben der Einstimmigkeit der Zeugnisse besonders wieder das
1) Sueton Vesp. 15: Die 66, 12 f. Zur Charakteristik des HelTidius
Tac. bist 4, 5. 48. Epikt diss. 1, 2.
V 2) Sueton 18 : Primus e fisco Latinis grciecisque rhetoribus annua
centena constüuit
3) Der Todestag Vespasians und damit der dies imperii des Titas war
der 28. Juni 79. Suet. Vesp. 24.
^' 4) Die in der 1. de imp. Vesp. enthaltenen Rechte muiaten nach unsrer
y^l Auffassung durch einen neuen Akt verliehen werden. Neu ist femer der
^f . Titel ÄugustiiS und das Oberpontifikat (Suet. Tit 9), übernommen wohl in
^ thunlichster Bälde nach dem Regierungsantritt. Der Name lautet jetsi
offiziell Imp. T, Caesar divi f. Vespasianus Äugustus; vgl. die Mflnsen naä
Inschriften.
6) Suet. Tit. 6 f.
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Urteil des Tacitus, sofern dieses gewifs über den Prinzen Titus
ganz anders lauten würde, wenn der Geschichtschreiber, der unter
Titus bereits im Senat war, gegen den Kaiser hätte Vorwürfe zu
erheben gehabt. Indessen bedarf sowohl die Würdigung der
Person des Kaisers wie seiner Regierung einer genaueren Be-
stimmung. Von der letzteren werden keine Züge berichtet, welche
eine Verletzung der dem Senate zustehenden Rechte^) oder ein
Eingreifen in die Funktionen der Magistratur in sich schlössen,
und so mag ihr der Ruhm verfassungsmäfsigen Verfahrens ge-
bühren; allein sie war doch durch und durch persönliches Re-
giereU; und in nichts erscheint die kaiserliche Initiative zu Gunsten
eines selbständigeren Eingreifens des Senats geopfert oder be-
schränkt. Noch deutlicher tritt die Wahrung des Rechts der
eigenen Stellung darin hervor, dafs eine Mitregentschaft nicht
zugelassen, vielmehr der Bruder Domitian auf die Aussicht der
Nachfolge beschränkt bleibt^) Nach der Überlieferung war Titus
durch das Verhalten Domitians dazu genötigt; immerhin fragt
sich, ob er seiner Natur nach auch unter andern Umständen
geneigt gewesen wäre, eine Teilung der Regierungsgewalt einzu-
räumen. Der einheitliche Zug in seinem Wesen, für den Mit-
regenten wie den Kaiser gleich bezeichnend, ist der Trieb einer
leicht an- und erregbaren Natur, die Entfaltung einer glänzenden
Thätigkeit liebt; mit edler Anlage verbunden, in grofse Verhältnisse
hineingestellt konnte es dieser nicht fehlen, blendend zu wirken
und grofse Erfolge der That und der Popularität zu haben,' aber
unruhig und Widerstand gegenüber reizbar, wie sie zugleich war,
dabei zu vollem Lebensgenufs drängend und in die Lage gebracht,
ihn sich zu schaffen, war sie auch schlimmer Richtung ausgesetzt
Titus Wulste der letzteren zu entgehen, in der früheren Zeit ge-
1) Über die Popularität des Titus beim Senat Suet. 11.
2) Da& in den Worten Suet. Tit. 9: Fratrem insidiari sibi non de-
mefUem — ne in minore quidem honore habere stuiinwt, sed ut a primo
iiitpm» die consortem successoremque testari perseveravit eine ofBeielle Stellung
als Mitregent nicht liegt, zeigt die Klage Domitians (Suet. Dom. 2): relic-
tum se parUcipem imperii, sed fraudem testamento adhibitam. Die Monuinente
aber seigen (s. unten), dals Domitian die trib, pot. vor seinem Regierungs-
antritt nicht hatte. Noch weniger konnte Titus in Nachahmung seiner
eigenen Stellung dem Domitian das Kommando der Garde anvertrauen,
wenn man denselben im Verdacht hatte, er habe die Soldaten beim Re-
gierungswechsel für sich za gewinnen gesucht. Säet. Dom 2. Wer dieses
Kommando unter Titus führte, ist nicht bekannt.
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wüs unter dem Einfluls des Vaters^ unter der eigenen Regierung
aber blieb ihm die schwierigste Probe erspart. Die zeitgenössische
Geschieh tschreibung^ geblendet durch die glänzenden Seiten dieses
Charakters, war geneigt, ihm schon bei der Regeneration des
Reichs unter Vespasian nicht blofs eine hervorragende, sondern
sogar die überwiegende Rolle zuzuweisen, aber die Thatsachea,
welche diese selbe Geschichtschreibung aus der eigenen Regierung
des Titus beibringt, dienen dazu, ihr Urteil zu berichtigen. Es
ist nicht blofs der für die zwei Jahre des Titus besonders dürf-
tige Stand der Überlieferung, der uns auch auf dem Gebiete der
Verwaltung beinahe nur Akte des Princeps kennen lehrt, die
persönlicher Entscheidung des Augenblicks angehören oder äufser-
lieber Art sind^), sondern es liegt dies tiefer in jener mehr
glänzenden als nachhaltig eingreifenden Natur. Vor Allem aber
bildet ein Gegengewicht gegen allzu günstige Beurteilung die
Sorglosigkeit hinsichtlich der Zukunft: was ihm im tagliehen
Leben gesagt wurde, dafs er mehr verspreche, als er halten
könne*), gilt für seine Regierung überhaupt. Die Verschwendung,
die sie bezeichnet, ohne dafs neue Einnahmen beschafft wurden,
mufste die Zukunft beeinträchtigen^), und dafs dann der Charakter
des Herrschers die Einhaltung der durch Vespasian eingeleiteten
1) Die geschieh tUche Litteratnr geht ganz auf in der Schilderung der
dementia und liheralitas. Der Versuch, bei deujenigen, welche die Historien
des Tacitus benützt haben können, Spuren von dessen jedenfalls das Poli-
tische gebendem Bericht zu finden, bietet kein Ergebnis. Auch die sonstige
Litteratur der Zeit und selbst die monumentalen Zeugnisse versagen. Die
Verfügung über die Jurisdiktion in Fideikommifssachen (Dig. 1, 2, 2, 32.
s. im System beim Konsulat) ist indifferent und unbedeutend; der Verzicht
auf die Geltendmachung des Majestätsgesetzes und die Bestrafung der De-
latoren (Dio 66, 19. Snei 8) begründet kein bleibendes Verfahren; dagegen
wirkt die generelle Bestätigung der von den Vorgängern bewilligten Bene-
fizien ohne besonderes Nachsuchen darum (Sueton 8. Dio 66, 19 Vict de
Caes. 10 und unten im Syst) zwar nicht rechtlich, aber als Vorgang for
das Gefühl der Sicherheit des Rechtsstands in vorteilhafter Weise auf das
Verfahren der Nachfolger.
2) Suet Tit. 8: admanenUbw domesticis, quasi plura polliceretur quam
praestare posset.
3) Bei der Fürsorge für die vom Vesuv verschütteten Orte und für
das aufs neue von Brandunglück betroffene B^m war er bemüht, die öffent-
liche Fürsorge thunlichst zu entlasten (Suet. Tit 8); dagegen der Luxus
der Spiele, das hunderttägige Fest (Suet. 9. Dio 66, 25) war neben der
übermäfsigen Liberalität für die Zukunft dem öffentlichen Geist ebenso
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Richtung nicht verbürgte, ist auch dem Altertum nicht ent-
gangen.*)
7. Die schärfere Betonung der Regierungsgewalt des Princi- Domuian.
pats, welche die Flayier Ton Anfang an vertraten, hatte in der
Persönlichkeit des Titus eine Form angenommen, welche geeignet
war, sogar den Schein des Gegenteils hervorzurufen. Sein Bruder
und Nachfolger, der bisher niedergehaltene Domitian^), suchte
nun die Herrscherstellung aufs höchste zu steigern, und die Idee
des Principats als einer nicht erblichen, sondern von Person zu
Person neu zu verleihenden Gewalt blieb durch ihn wohl nur
deshalb unangetastet, weil er kinderlos war. Im übrigen that er
innerhalb des gegebenen Rahmens alles, um sämtliche Regierungs-
funktionen in sich zu vereinigen, wenn auch insofern im Anschlufs
an die geschichtlich gegebene Ordnung, als seine Gewalt eine
aus den überlieferten Teilgewalten zusammengesetzte blieb. ^)
Nachdem er die bisher üblichen Rechte und Titel des Principats
angenommen und mit ihnen bis zum J. 84 ein ordentliches Kon-
sulat in der herkömmlichen Weise der jährlichen Ernennung
Jahr für Jahr übernommen hatte, liefs er sich im J. 84 auf die
zehn nächsten Jahre zumal designieren und zugleich sich die cen-
gefährlich wie den Fioansen, wenngleich ihm bei Zonara« 11, 18 bezeugt
ist: ^ xbqI xQi^pLata dyiQißrig %al ov fidtrjv dvi^liansv.
1) Zonaras a. a. 0. Aason. de XII Caes. 11: Titus imperii felix brc-
ffitate.
2) Name: Imperator Caesar divi Vespasiani f. Domüianus Aug., wozu
nach dem germanischen Feldzng im J. 84 Germanicus kam. (Säet. Dom. 13.
Eckhel doctr. nnmm. 6, 896 f.) Über die Titulatur, zu welcher neben den
sogleich angenommenen wesentlichsten Gewaltstiteln in thnnlichster B&lde
der Oberpontifikat kam, vgl. die Indices der Inschriftensammlnngen und
Ghambaln, de mag. Flav. 26—27. — Titns starb am 18. Sept. 81 im Sa-
bmerland; ehe er noch gestorben, eilte Domitian nach Rom and liels sich
Yon den Prfttorianem als Imperator anerkennen. (Snet. Tii 11. Domit. 8.
Die 66, 26.) Als sein Tod bekannt wnrde, senatus prius quam edicto con-
voearetur ad curiam cucurrtt, obseraHsque adhuc foribus^ deinde apertis
tantas mortuo gratias egit laxidesqtie congessit etc. Das Auftreten bei den
Prätorianem kann noch am 13., aber auch erst am 14. Sept. vorgefallen
sein; der Senat, der am 18. Sept. eine ordentliche Sitzung gehabt hatte,
komite am 14., oder, wenn die Nachricht erst im Laufe des 14. allgemein
bekannt wnrde, am 16. in der angegebenen Weise zusammenkommen; am
14. opfern die Arralen auf dem Eapitol ob Imperium OaesariSy divi /!, Do-
miHani Äug, Henzen, act. p. CX. S. 64.
3) Trotz gehässiger Haltung gegenüber den zwei vorhergegangenen
Regierungen (Dio 67, 2. Sueton Domit. 2 a. E.) bestätigte er übrigensr^em i
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sorische Gewalt auf Lebenszeit verleihen.*) War für Vespasian
die Übernahme der Censur das Mittel für die Neugestaltung des
Senats und fQr leichtere Durchführung mannigfaltiger Reformen
gewesen, so stand jetzt die censorische Gewalt für die ganze
Regierungszeit zum Behuf der Entfernung oder Nichtzulassong
mifsliebiger Persönlichkeiten in vollerem Mafse als durch den
bisherigen Einflufs zur Verfügung und die sonstigen censorischen
Befugnisse gestatteten Eingriffe auch in das Privatleben.^ Da-
gegen diente die konsularische Gewalt, die meist nur je auf
wenige Tage beibehalten wurde, blofs zur Repräsentation^) und
für denselben Zweck wurden die Insignien der Herrscherstellong
gesteigert. Vom Hof dieses Kaisers aus wurde die Bezeichnung
des Herrschers als dominus und deus auch dem Publikum auf-
gedrängt.*)
Die Führung des Regiments mit diesen Mitteln hat in der
BeiBpjel des Titas (ob. S. 300 A. 1) folgend, die von diesen erteilten Benefiaen
(Die a. a. 0.: ygafifia i^id-rins triQmv navta tä nQog t€ 1%b£v<ov %al %^
rmv ccXXmv avtoHQutOQmv xtoCv). Auffallen muTa daher, dafs Mariial, der
das 1148 tHum Uberorum schon von Titos erhalten hat (3, 95, 5 f. 9, 97, 5 f.),
doch 2, 91 den Domitian wieder dämm bittet and aaf seine Bitte diese
Vergünstigung erhalt (2, 92; natorum mihi im trium roganti — dedä).
1) Dio 67, 4: vnavog filv ixri dia^c itpi^Tig^ tifiTjxrig ^h 6ta ßiov 9ffmtoi
Örj xal IduDtav xal avtoyiQaxogmv ixsiQovovTjd^ , ^aßdovxoig dh tiaoa^
nccl Bt%oci xal rjj atol-fj tri Inivt^ica^ ozav ig to ßovXsvxriQiov igiy^ Z9^^*
fXaßev, Hinsichtlich des Konsnlats wird bemerkt, dafs vom J. 84 an die
vorher regelmftisige Designation zom nächsten Eonsalate in der Titulatur
nicht mehr erscheint (Momrosen, Str. 2, 1043 A. 8). Der Titel der Cemor
laatet bald censoria potestate bald censar perpetuus.
2) Suet. Domit. 8. Martial 5, 8.
3) Von der zehnjährigen Designation machte Domitian nicht ToUen
Gebrauch; in den Jahren 89, 91, 93, 94, 96 finden sich prwati als ordent-
liche Konsuln. Über die Führung der einseinen Konsulate Saeton 13: Gm-
stUcUus septemdecim cepü, quot ante eum nemo; ex quibus Septem medios eon-
tinuavitj omnes autem paene tittUo tenus geasit, nee quemquam ultra K. Maka,
plerosque ad Id. usque Januarias, Das 17. Konsulat, vom J. 95, feiert
Statins silv. 4, 1. Wenn es dort heifst v. 9 f.: precibusque receptis Oma
Caesareum gaudet vicisse pudorem (vgl. v. 33 f.), so sieht man, dafs Domitian,
nachdem er auf das eontinuare der 10 Konsulate verzichtet hatte, sich ?oni
Senat um neue Übernahme bitten liefs.
4) Suet. 13: Äddamari in amphitheatro epuli die libent^ audiit: do-
rn ino et dominae feliciter. — Pari arroganUa cum procwratorum suorwK^ «o-
mine formalem dittaret epistolamy sie coepit: 'dominus et deus noster hoc fieri
iubei', ut ne scripta quidem ac sermone cudtisquam appdlarehtr äliter.
- 303 -
Geschichte*) den Ruf eines Despotismus, der den Domitian an
die Seite eines Tiberius, Caligula, Nero*) stellt, und Tacitus
kann für das Gesamtbild der Zeit, das er in seinen Historien giebt,
nicht anders als in dem unmittelbar nach dem Sturze Domitians
geschriebenen Agricola nur die düstersten Schatten aus ihr ge-
wimien.^) Domitian selbst suchte in Tiberius sein Vorbild^), und
mit ihm ist er in der That am ehesten zu vergleichen. Wie
unter Tiberius, so war auch unter ihm die Lage des Reichs im
Ganzen eine günstige^) und dies nicht blofs dadurch, dafs der
Princeps sich der Bedrückung der Provinzen enthielt, sondern
mit durch sein Verdienst: niemals sollen die Beamten schärfer
in Ordnung gehalten worden sein. Sein Eingreifen in die Juris-
diktion wird als wohlthätig gerühmt, in der bürgerlichen wie in
der militärischen Verwaltung fanden eingreifende Reformen statt,
in der letzteren freilich teils nur aus Gründen der Vorsicht^,
1) Die Zeugen der Prosa , die Historiker Tacitus und Sueton, sowie
der jüngere Plinius sind den Ereignissen gleichzeitig, dabei Tacitus und
Plinius in Amtsstellung, aber ihr Urteil über Domitian ist aus der Zeit
nach dem Sturze desselben geschrieben. ^Qniutilian steht der Politik ganz
fera. Von den Dichtem hat der yomehme Silius Italiens, der unter Nero
Delator gewesen sein soll, es an gelegentlicher Huldigung (Fun. 3, 594 ff.)
nicht fehlen lassen, bei Martial und Statins, die noch unter Domitian publi-
zieren, entspricht der Ton den Anforderungen der Zeit (vgl. bei Martial die
Geschichte seines 10. Buchs. — Stobbe im Philol. 26, 71 ff. 27, 630 ff.
Friedländer, Sittengesch. 3, 386 f. und die Stellen 5^ 8: edictum domini
deique nostri. Dagegen 10, 72: dicturus dominum deumque non sum — non est
hie dominus, sed imperator). Als entgegengesetzte Enden kann man betrachten
Statins silv. 4, 1 nnd die vierte Satire Jnvenals. Zengnisse gleiohzeitiger
Stimmung unabhängiger Zengen haben wir nicht. Bestimmter aber läist
sich der Vorwurf ungerechten Urteils über den Kaiser hinsichtlich des
Kriegs in Germanien erheben. Die Fortschritte, welche die römische Macht
onter Domitian hier erzielte, sind unzweifelhaft.
2) Juv. Sat. 4, 38: ccdvus Nero, Eutrop. 7, 23: Neroni aut Caligtüae
aiA Tihtrio similior quam patri vel fraltri suo.
3) Hist. 1, 2 f. Agric. 2, 39 ff.
4) Sneton 20: Praeter commentarios et acta Tiberi Caesaris nihil
lecOtabat,
5) Sueton stellt 7 f. die günstigen Seiten zusammen.
6) So dafs er die Zusammenlegung der Legionen in einzelnen Pro-
vinzen nicht mehr zuliefs und verbot, die Ersparnisse der Soldaten in
grölseren Snmmen in der Legionskasse anzuhäufen (Suet. 7: geminari Jegio-
num castra prohibitit, nee plus quam mille nummos a quoquum ad signa de-
poni), beides infolge des Aufstands des Satuminus.
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teils mit zweifelhaftem Wert.^) Aber das personliche Verdienst
bei den guten Seiten der Verwaltung ist nicht dasselbe: an die
Regierungsfahigkeit und -kraft des Tiberius reicht Domitian ent-
fernt nicht heran^ dazu ist viel zu sehr das personliche Interesse,
die eifersüchtige Herrschsucht bei ihm mafsgebend^ während bei
seinem Gegenbild eine lange Übung in Stellungen zweiten Ranges
und die eigene personliche Tüchtigkeit ein Interesse an der
Sache erzeugt hatte. Wenn Domitian bald als Princeps und
Imperator, bald als Oberpontifex^) und Censor strafend und re*
formierend eingreift, so ist es, wo nicht geradezu grausame Lust,
nur ein unruhiger Drang, die Macht zur Geltung zu bringen,
nicht Ausflufs eines tiefer gehenden Plans ^); die Feldzüge, die
unter ihm unternommen wurden, mögen sämtlich mit durch die
Lage der Dinge motiviert gewesen sein, aber ihm, der als Prinz
in gefahrvollster Lage des Staats fähig gewesen, einen vor dem
auswärtigen Feinde stehenden Obergeneral zu Verrat an Kaiser
imd Reich aufzufordern^), war es dabei nicht um Sicherheit und
Gröfse des Reichs, sondern um persönlichen Erfolg eigenen
Kriegsruhms zu thun.
Wiederum gleich aber ^t die mifstrauisch verschlossene Art
der beiden Despoten, und gleich ist auch die Wirkung, der Krieg
mit dem Senat und den Senatoren, auch hier zuerst nur zu spo-
radischen Strafurteilen führend, dann aber, nachdem dadurch
Verschwörungen hervorgerufen waren, von Seiten des Kaisers
ununterbrochen und mit allen Waflfen der Tyrannei geführt.^)
1) So die Erhöhung des Solds, der eine Verminderung der Heeresstftrke
entsprechen sollte; da letztere sich unausführbar erwies, fahrte die ver-
mehrte Last dazu, d als er nihil pensi Tiabuit, quin prttedareiur omni modo.
Sueton 7. 12.
2) Vgl. das Urteil bei Plinius ep. 4, 11 über die Vestalinnenprosesee.
8) Wenn Schiller, Gesch. der Kaisers. 1, ÖS6, dem Kaiser einen iibe^
legten Kampf mit geistigen Mitteln gegen die philosophischen und religio«^
Sekten zuschreibt, so thut er ihm zu viel Ehre an.
4) Tac. bist. 4, 86: creditur Domitianus occwUis ad Cerialem nuntOs
fidem eius temptavisae, an praeaenti sibi exercitunt imperiumgue tradikiru» forä.
6) Epochemachend ist die Verschwörung des L. Antonius Satuminos
in Obergermanien, wahrscheinlich, da die im Sept. 87 erwähnten deteäa
scelera nefariorum (act fratr. Arv. p. GXX Z. 61 Henz.) nicht notwendig
sich auf diese Verschwörung beziehen müssen, 88/89 zu setzen (vgl. die
Litter. darüber Schiller, Kaiserz. 1, 524). Dio 67, 11: 6 dopt, aipoQ^fig if-
tsv^ev svnoQT^oag in\ tovg q>6vove OQiirioag ovd' äv etnoi tig ocovg dninxsi-
vsv. Sueton 10. Tacitas setzt aber die eigentliche Schreckensherrschaft
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Tiberidfl hatte gegen den Geist der alten Aristokratie und die
Opposition* geschichtlicher Ansprüche gekämpft^ Domitian sah
den jüngeren Adel und die seit Nero im Senat vertretene philo-
sophische Opposition^ die seinem Vater schon lästig geworden
war, sich gegenüber, und die letztere vor allem, welche die Un-
abhängigkeit der Gesinnung als Glaubensartikel aufstellte, reizte
ihn.^) Der Senat verlangte, das von diesem Kaiser zu erwar-
tende richtig würdigend, dafs die Senatoren nicht vom Kaiser,
sondern vom Senat gerichtet werden sollten; es war dies nicht
zu erreichen*): das Gericht des Kaisers war so furchtbar wie je.
Yen einem offenen Auftreten als Partei im Senat konnte auch
damals nicht die Rede sein; die Opposition machte sich vielmehr
auf litterarischem Gebiet oder im Senat bei einzelnen Gelegen-
heiten zu Meinungsäufserungen und bei Abstimmungen geltend,
and dies eben war der Kampfplatz für die Philosophenpartei. ^)
SchlieJblich, als Kriegführung und Bauten den kaiserlichen Schatz
erschöpft hatten, kamen auch hier die Verurteilungen mit dem
Zweck der Konfiskationen hinzu. ^) Immerhin konnten vorsichtige
ent nach dem Tode des Agricola im J. 93. Agric. c. 44: fettinatae mariis
grande solMum tulit evasisse postremum ülud tempus, quo Domitianus non
ioM per intervaUa et spiramerUa tempor^m, aed cantinuo et velut uno ietu
ren^, eschausü c. 45: Non vidü Agricola obsesaam curictm etc.
1) Aufzahlung der Opfer beiTac. Agric. 46. Suet. lOff: Plin. ep. 3, 11.
Die zweimalige Philosophenverfolgnng Euseb. (89 und 95) Chron. p. 160 Schöne.
2) Die 67, 2: ovn itpQovttesv — Ott ^ yBQikvaüc noXluKig ^^iov fffrjq)!^
^f^vai, fi^ i^Bivat ta avto%QäxoQt tAv oiioxiyMV tiva dnoXicai' ndw yd(f
ovp a<püti noXv diiq>SQSv ei^ts Idla xtvl ccvtmv stts nal di' kttihtov icora-
Z^^itfffiro, &cneQ xi dvtsinsiv rj nal firi xaxtnprjfpiaaa^aC xtvos 9wa(i4vois,
8) Die Vertreter derselben sind der jüngere Helvidins Priscns, Heren-
nius Senecio, die beiden Brüder Junius MaoricuB und Arnlenua Busticus
(dieser Ton Begnlns stoicorum simia genannt Plin. ep. 1, 5, 2). Bei aller
Qage um sie (Agric. 45) sind sie dem Tacitus doch diejenigen, qui con-
iwnacia et inani iadatione UbertcUia famam fatumque provocabant, die, quibus
^^Mris erat illicita nUrari, und welche per abrupta, sed in nuttum reip. usum,
wnbüiosa tnorte indaruerunt (c. 42). Herennius wird verurteilt wegen seiner
Lebensbeschreibung des alteren Helvidius (Plin. ep. 7, 19, 6. Tao. Agric. 2),
fiosticus weg& des Lobs des Thrasea und Helvidius (Tac. a. a. 0. Sueton 10).
Wie man wegen gelegentlicher Meinungsäulserung gefiEifst werden konnte,
seigt Plinius ep. 1, 5, 5. — Schilderungen des Belagerungszustands, unter
dem Seoatssitztmgen gehalten wurden, bei Tac. Agric. 45 (ob. S. 804 A. 5).
l*liö. ep. 8, 14, 8. Paneg. 76.
4) Sueton Dom. 10: Sed neque in clementiae neque in äbstinentiae tenore
P^ifnansit, et tarnen cUiquanto cekrim ad saevitiam desdvit quam ad W>i4i\rTl/>
HerEog, d. rom. Staatsverf. IL 1. 2^9'^'^"^ ^^ ^OOglL
- 306 -
Männer zwar nicht ohne Gesinnungsopfer, aber doch ohne Scr-
vilität auch jetzt noch durchkommen; der jüngere Plinius ver-
säumt nicht; die Gelegenheiten aufzuzählen^ bei denen er seine
Unabhängigkeit in gefährlichster Zeit bewiesen habe^), und er
scheint nie die Gunst des Domitian verloren zu haben*), und
Tacitus, der SchrofiTieit und Herausforderung vermied, dem aber
noch v^eniger als dem Plinius, eine Handlung nachzuweisen ist^
in welcher er über die Linie der blofsen Vorsicht hinausgegangen
wäre^), hatte höchstens vielleicht gegen das Ende dieser Regie-
rung Ungnade zu erfahren.^) Indessen diese Männer waren da-
mals jung, ohne Auktorität und ihrer Herkunft nach ohne be-
deutende Familienstellung, ja Tacitus als Sohn, Plinius als Neffe
eines kaiserlichen Beamten, waren von Hause aus den Interessen
des Hofes nahestehend; sie forderten weder das Mifstrauen noch
die Eifersucht Domitians heraus, neben der Rachsucht die ge-
föhrlichsten Eigenschaften dieses Despoten, der darum freilich
auch keinen Günstling weder unter Freigelassenen noch unter
seinen Beamten hatte und von keinem beherrscht wurde. ^) Je
mehr jedoch im Laufe seiner Regierung der Mangel einer sicheren
Nachfolge sich geltend machte, desto gefährlicher erschien dem
tatem. 12: exJuMSttis aperum <ic msmerum impensis stipendioque quod adu-
cerat — nihil penai habuü quin praedaretwr omni modo etc.
1) Ep. 1, 5. 3, 11.
2) Zu Anfang seiner Laufbahn mnh er, da er quaestor Caestms war
(ep. 7, 16), dem Kaiser genehm gewesen sein. Vgl. die Darlegung seiner
Laufbahn überhaupt bei Mommsen, Hermes 3, 79 ff. Die Art seiner Vor-
sicht gegenüber yersuchtem Angriff des Delator Regulus zeigt 1, 6. Scbliefa-
lieh allerdings will er in Gefahr geschwebt sein ep. 7, 28, 14: non fui ret»,
futwrus, si DomitianuB longius vixiaset; nam in scrinio eius datus a Coro
de me lihelhu inventus est.
3) Die oben angeführte Stelle Agric. c. 42 sieht ans wie eine Abwehr
gegen nachträgliche Angriffe der Philosophen gegen Agricola und ihn, weil
sie nicht deren Wege gegangen waren; indessen war der Charakter des
Historikers, wie wir ihn aus seinen Schriften entnehmen können^ deren
Auftreten zuwider. Das Wort von Stoicorum arrogantia^ qmie turbidos H
negotiorum adpeient^ facit, legt er zwar ann. 14, 57 dem Tigellinus in den
Mund; er selbst wird aber ähnlich gedacht haben.
4) Dafs der grofse Zwischenraum zwischen der Prätur des Tacitus im
J. 88 (ann. 11, 11) und seinem Konsulat unter Nerva auf Zurücksetsung
durch Domitian deute, macht Mommsen, Hermes 3, 88 bemerklich.
5) Dio 67, 14: vitontsvcov navtag av^Qmnovg ovniz' ovdh iv roii?
^lev^iQOig mansQ ovdh iv zotg inaQxoig, ovg ys %eci muq avrrfv xffw i}yf-
{lovCav HffCvtü^ai, InoUt,^ iXnida datpaXeiag slxsp, ^ j
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sich gehafst wissenden Despoten Geburt und Verdienst. Einen
der wenigen Übriggebliebenen der alten republikanischen Nobi-
litat, den M*. Acilius Glabrio, schützte weder persönlicher Un-
wert noch Servilismus vor dem Verdacht versuchten Umsturzes*),
und die unter den vorhergehenden Regierungen aufgekommenen
tüchtigen Manner der Verwaltung fanden früher oder später f&r
got^ sich von den Geschäften zurückzuziehen. Der trefiFliche
Frontin^ der schon im J. 70 unter dem Prinzen Domitian im
Krieg gegen Civilis gedient, später Britannien verwaltet und
unter Domitian wahrscheinlich in Germanien kommandiert hatte^),
tritt in den späteren Jahren Domitiaus nicht mehr hervor. Ver-
ginios Rufus lieüs sich unter dieser Regierung noch weniger als
unter den zwei vorhergehenden zur Teilnahme am Staatsleben
herbei, Agricola fand für gut, nach seiner Rückkehr aus Bri-
tannien auf weitere Verwendung zu verzichten, und wie es sich
auch mit der Schuld Domitians an dem Tode dieses Mannes
verhalten mag, jedenfalls fühlte derselbe sich dem Despoten
gegenüber nicht sicher. Auch Vestricius Spurinna und der Vater
Trajans mögen dieser Seite beigezählt werden.^) Möglich, dafs
diese Männer, deren Tüchtigkeit das Produkt der besten Seite
des Kaisertums, des Geists einer geordneten Verwaltung war, in
der Hoffnung einer baldigen Änderung der Lage sich reservierten,
möglich auch, dafs sie zu dem Umsturz des Despotismus, nach-
dem er unerträglich geworden, mitwirkten; wenigstens mufste der
1) Jnyen. Sat. 4, 94 ff. Sueton 10: Complurea senatores, in iis aliquot
consuiares interemü; ex ^pMÖua Civicam Cereakm in ipso Äsiae proconstüatu,
SdkridienuM Orfitum, Acüium Gläbrianem in exüio qwm moUtares rerum
ncvarwn,
2) Strateg. 4, 8, 14. Tac. Agric. 17. Ein Kommando im germanischen
Krieg von 84 oder Teilnahme an demselben als Begleiter nnd Katgeber des
Kaisers ist nicht bezengt, allein sehr wahrscheinlich durch die Bezugnahme
aof diesen Krieg in den straUgemaUca (1, 1, 8. 8, 10 n. a. St.).
8) Diese beiden hatten sich unter den früheren Regierungen zum
Konsulat und zu konsularischer Statthalterschaft erhoben, werden aber
unter Demitian nicht genannt. Ulpius TngaAus war übrigens zur Zeit der
Erhebung seines Sohnes gestorben (Plin. paneg. 89), während Spurinna in
den neuen Verhältnissen wieder thätig war. Plin. ep. 2, 7. '— Was die
Quellen, litterarische und monumentale, zur Orientierung über die Personal-
▼erhältnisse dieser Zeit bieten, ist zusammengestellt yon Mommsen im
Iudex nominum zu Piini epistul. ed. H. Keil. Leipzig 1870. Vgl. auch
ürlichs, de yita et honoribus Agricolae 1868. De Tita et honoribus Ta-
citi 1879. ^ I
— 308 —
an Domitians Stelle erhobene M. Coccejus Nerva, der ihnen nalie
stand, zum voraus verständigt sein und, wenn er es war, mit
diesen Männern Fühlung suchen.^) Jedenfalls beeilte sich die
neue Regierung, die Erfahrung und Auktorität dieser Männer
wieder für das Staatsleben nutzbar zu machen.
§ 79. Der ftuTsere Bestand des Beiohs von Tiberios biB
Domitian.
1. In der äufseren Ordnung, welche Augustus für Italien und
die Provinzen hinterlassen, wurde in den achtzig Jahren, die seit
seinem Tod verflossen, verhältnismäfsig wenig geändert, jedenfalls
in den allgemeinen Dispositionen der Verwaltung seine Grund-
sätze beibehalten, und so konnten die Früchte von dem, was er
luuen. gesäet, zur Reife gelangen. In Italien wurde während dieser
Zeit an dem Princip der Verwaltung wohl nichts geändert: die
einzelnen Städtebezirke, in welche die ganze Halbinsel zerfiel, —
denn die Regioneneinteilung macht sich für die politische Ver-
waltung nicht ' bemerklich — behielten das Maus von lokaler
Autonomie, das ihnen von den Municipalgesetzen der cäsarischen
Zeit her bewilligt war, im allgemeinen unverkürzt, auf keinem
Gebiet, weder bezüglich der Wahlen noch der Finanzverwaltuug
noch der Kriminal- und Civiljurisdiktion ist eine Beschränkung
1) Dio 67, 16: (Die Verschwörer am Hofe) ov nQott^op iM(%BiQfictcw
ioytp nglv xov dia8si6(isvov xriv d^xriv avtov ßBßaiaeaad'ai' SieXi^ttvto iilw
d^ xttl aXlois tiaCv^ firidavog d^ i%s£v<ov Ssiaptivov inl xov Ni^ovaw ^Id-ov,
ineidrj %al svyeviaxccxoe xttl iniBiniatatoe t^v. Wenn Sueton c 15 über die
Hinrichtung des Flavius Clemens, welchen Dom. tanttMn non ipso eius con-
sülatu interemit, sagt: quo maxime facto maturavU sibi exitium, so hat er
wohl im Sinn, dals diese ünthat endlich die Senatskreise, in denen sie zu-
nächst einschlug, in Erregung brachte. — Das Verhältnis des Ner?a zu
Domitian in der letzten Zeit dieses Kaisers ist unklar. Von der Noüz des
Aurelius Victor Gaes. 12, nach der er apud Sequanos, quo tyranni defecU
metu^ imperium arbitrio legionum cepisset, ist ganz ahzusehen. Mit mehr
Anspruch auf Glaubwürdigkeit tritt die Angabe des Philostratos vit ApolL
7, 8 auf, Nerva sei in Verdacht einer Verschwörung mit Orfitus und Bufus
(im J. 95) gekommen und nach Tarent verwiesen worden; aber sie kann
mit der Darstellung in den Auszügen aus Dio (Xiphil. a. a. 0. u. Zon. 11, 20)
eben nur so vereinigt werden, dafs Domitian den Nerva zwar nicht ge-
tötet, aber ans Rom verwiesen und dann die Verabredungen zwischen Born
und Tarent stattgefunden hätten. Indes da beide Auszüge aus Dio, der
seinerseits die Wahrsagung des Apollonius aus Philostratos kannte (67, 18),
keine Spur von der Verbannung nach Tarent enthalten^^so wird bei Dio
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— 309 —
sicher nachzuweisen.^) Dafs Italien unter den friedlichen Ver-
hältnissen sich einer grofsen Blüte erfreute, dafür sprechen die
monumentalen wie die litterarischen Zeugnisse. Auch hat der
davon oichts gestanden haben. Es gab eben yerschiedene Angaben über
'die Sache; die des Philostratus könnte auf einer Verwechslung damit be-
ruhen, dafs Nerva den Calpnmius Crassus, der sich gegen ihn versohworen,
nach Tarent verwies. Dio 68, 3.
1) Dals die Beamten der städtischen Gemeinden in Italien wie in den
Provinzen diese ganze Periode hindurch noch von der Yolksgemeinde
gewählt wurden, beweisen — abgesehen von den meist nicht datierten In-
schriften — die unter Domitian gegebenen Stadtrechte der spanischen
Latinerstädte: was diesen bewilligt ist, kann Gemeinden höheren Rechts
nicht gefehlt haben. Die Beispiele von kaiserlicher Eommendation (Momm-
sen, Staatsr. 2, 887 A. 8) beruhen wohl auf gelegentlichen Ausnahmen;
denn regelmäüsig sie zu üben verbot schon die Menge der Fälle und die
Unmöglichkeit, die Lokal Verhältnisse zu beurteilen. Wie weit sich son-
stiges Abstimmungsrecht der Eomitien erstreckte, ist nicht zu ersehen. Be-
schränkung der städtischen Kriminaljurisdiktion (über deren Ausdehnung s. ob.
S. 180), ist nicht bekannt, ebensowenig der Civiljurisdiktion über das Mafs
der in der lex Bubria ausgesprochenen Grenze (Bethman-Hollweg, Civil -
proz. 2, 65). Die Frage über die Beschränkung der sonstigen, speziell der
finanziellen Verwaltung hängt an der über den Ursprung der von den
Kaisem eingesetzten curatores reipüblicae von Gemeinden. Die Stelle aus
ülpian Dig. 48, 24, 3, 4 {Plane $i praeses vel curator reip. permiserit in
publica facere: Nerva scribit exceptionem locutn non habere) deutet Kuhn,
städt. Verf. des r. Reichs 1 S. 37 A. 162 auf den Kaiser Nerva, Mommsen,
Str. 2, 1034 A. 2 ohne nähere Begründung auf den unter Tiberius lebenden
Juristen. Für letzteren scheint mir zu sprechen, dafs auch sonst in der
Weise: N, N. scribit, Juristen citiert werden, vom Kaiser dagegen gesagt
werden mufste: divas Nerva rescripsit (vgl. 16, 7 aus demselben Buch
Ulpians: ita divus Pius et deinceps omnes prindpes rescripserun^, dagegen
Casaius scribit, Neratius scribit u. dgl.). Aber damit ist die Frage noch
schwieriger gemacht; denn dann müssen solche curatores reip. schon in den
Monicipalgesetzen vorgesehen gewesen sein, da es weiter heifst: hoc ita verum
est, si non lex munidpälis cwratori reip, amplius concedaJt. Wenn aber dies,
weshalb erscheinen sie so spät auf Inschriften? Zwar ist es nicht ganz
richtig, dafs, wie Henzen (annali d. inst. arch. 1851 p. 5—35) meint, die
curatores inschriftlich nicht überTrajan zurück nachzuweisen wären; vgl. die
von Ed. Degner de curatore reip. I. Halle 1883 p. 14 namhaft gemachte In-
schrift c. i. 1. Z, 291, wo ein Prätorier, der auf der expeditio Suebica, also
unter Domitian, ausgezeichnet wurde, curator coloniarum et municipiorum
heilst; allein eine Folge von curatores , wie sie auf eine stehende Einrich-
tung deutet, ist allerdings erst von Trajan an nachzuweisen. Kombinationen
einer Stufenfolge in der Durchführung einer kaiserlichen Kontrolle der
Bauschen Verwaltungen, wie sie mit diesen cu/ratores eintreten sollte,
lassen sich auf Grund des angegebenen Quellenmaterials wohl machen>>yon .
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— 310 —
Despotismus hier nicht tief eingegriffen, während andrerseits die
munizipale Aristokratie durch die neue politische Ordnung ihren
Besitzstand und ihre gesellschaftliche Bedeutung so gut gewähr-
leistet erhielt wie die senatorische in Rom ohne die Gefahren,
denen diese ausgesetzt war; darum konnte sie auch, als die letz-
tere schwand, in die Lücke treten. Allerdings ergofs sich im
J. 69 schweres Unheil beinahe über alle Teile der Halbinsel, und
es wird ein gutes Stück der Regierung Vespasians vorüber-
gegangen sein, bis die Landstädte sich von dem über sie er-
gangenen erholten. Indessen zeigt das Beispiel Pompejis, wie
wir aus den heutigen Ruinen ersehen, was zwischen der Zer-
störung durch das Erdbeben im J. 63 und der vom J. 79 auf-
gerichtet worden war, in sprechendster Weise, wieviel unter
günstigen Verhältnissen geschehen konnte. Schwerer als diese
vorübergehenden Ereignisse wog für die Wohlfahrt Italiens die
Gestaltung der Bevölkerung und des Besitzes. Augustus hatte
nach dem Abschlufs der Kolonisation eine Sicherheit der Besitz-
verhältnisse hergestellt, die nachher nicht mehr erschüttert wurde.
Der Despotismus seiner Nachfolger griff wohl in seinem E[ampf
mit der Aristokratie oft genug mit Konfiskationen in das Privat-
eigentum ein, allein der dadurch hervorgerufene Besitswechsel
änderte an den allgemeinen Verhältnissen nichts, und es war
eben die Folge der neuen festen Regierungsform, dafs keine
soziale Krise revolutionärer Art mehr zu fürchten war. Damit
war aber der von der Republik her vorhandene Grofsgrundbesitz
des senatorischen und ritterlichen Reichsadels wie der landstädti-
schen Familien nicht nur gesichert, sondern zugleich auch in
seiner Ausdehnung begünstigt; denn der natürliche Zug des
grofsen Besitzes treibt ihn zu fortwährender Steigerung, und die
Konkurrenz zieht nur mäfsige Schranken. Die Ansiedlung der
Veteranenkolonieen nach den Bürgerkriegen bildete wohl ein
jener Inschrift der domitianischen Zeit aus, welche die cura als bereits all-
gemeiner üblich bezeichnet, könnte man z. B. auf die Censur Vespasians
zorückschliefsen, yon dem sonstigen Bestand der Inschriften in Verbindimg
mit dem, was Nerva fQr. Italien that (s. unt.), auf diesen Kaiser, ohne jedoch
darum die DigestensteUe auf ihn zu beziehen. Allein all dies ist zn anbe-
stimmt, nnd es bleibt nur, dafs man erst im zweiten Jahrhundert mit dieser
Kontrolle ernstlicher vorging. — Eine Darstellung der Verwaltung Italiens anf
Gnmd des Inschriftenmaterials ist noch zu erwarten. Camille JulUan, Us
transformcUions pQlüiques de Vltdlie sous les empereurs Bomains, Paris 1883
erfafst die Aufgabe, erledigt sie aber nicht.
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- 311 —
Gegengewicht zu goiiBten des kleineren Besitzes und Augustus
versicherte, dafs dieselben zu seinen Lebzeiten blühend geblieben
(ob. S. 179 iu 2); aber der spätere Zustand zeigt doch, daCs sie
zar Aufrechthaltung einer normalen BevölkeruDgsstarke nicht
genügten. Man hatte es nun freilich in der Hand, auch ferner-
hin die Yeteranenversorgung zur Ausfüllung der Lücken zu ver-
wenden statt mit Geld abzulehnen, und man wandte dies Mittel
auch an; es konkurrierten jedoch hier die Provinzen, und dann
erwiesen sich die von den Legionen nach Italien gebrachten
Veteranen als ein sehr wenig brauchbares Material für die Kultur
des Landes, während sie unter Provinzialverhältnissen, die sie,
wie es scheint, selbst auch vorzogen, besser verwendbar waren. ^)
Einigen Ersatz gewährten die Freigelassenen; denn diese ver-
mehrten wohl auch die ländliche Bevölkerung, aber es wurde
mit ihnen doch nicht die Widerherstellung des alten freien Bauern-
standes möglich, bei dem die Anhäuglichkeit an den ererbten
und heimischen Boden die moralische Stütze der Wohlfahrt ge-
wesen war. Gewüjs darf man sich darum den Zustand Italiens
in dieser Zeit nicht so denken, dafs die Grofisgrundbesitzer über-
wiegend mit Sklaven den Landbau betrieben hätten, es war viel-
mehr in den meisten Teilen Italiens der kleine freie Pächter,
welcher an die Stelle des freien kleinen Eigentümers trat, und
in dieses Pachtverhältnis mag sich eben der Freigelassene und
der frühere Bauer geteilt haben ^); aber solche Eulturverhältnisse
mit dem geringen Gewinn, den sie bieten, waren nicht geeignet,
die BcTÖlkerung zu mehren, sie konnten sie höchstens auf not-
dürftigem Stand erhalten, und die Bodenkultur Italiens, beschrälakt
durch Luzusanlagen und in manchen Teilen durch Weidewirt-
schafb, genügte, wenngleich dieser über so bedeutende Kapitalien
1) Tac. anD. 14, 27: (im J. 60) veieram Tarentvm et Antium adscripH
non tarnen infrequentiae locorum suibvenere, dilapsis pluribus in provincuu,
in quilms stipendia expleverant; neque covdugiis suscipiendis neque alendis
Uberis 8neti orhas sine posteris domos relinquebant. Non enim ut olim uni-
versae Ugiones deducehantur — sed ignoti inter se diversis e manipttlia —
numerus magis quam colonia. Übersicht der italischen Eolonieen bis auf
Vespasian bei Mommsen im Hermes 18, 211 f.
2) Übertriebenen Yorsteliongen von der Anhänfong des Grofsgrnnd-
bezitzes und dem Vorherrschen des Sklavenbetriebs begegnet Mommsen
Hermes 20, 398—416 mit Verwertung des Materials, welches die Urkunden
der Alimentartafeln fflr die Erkenntnis der Verteilung des Grundbesitzes
geben.
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- 312 -
verfügende Grofsgrundbesitz auch mit dem Pächtersystem den
Ertrag steigern konnte, doch auch jetzt entfernt nicht fär die
Bedürfnisse Italiens.^) In normalen Zeiten trat nun allerdings
die auf die Eornprovinzen gegründete Fürsorge ein, allein nicht
nur war in Eriegszeiten Rom und Italien überhaupt sofort dem
Mangel ausgesetzt, sondern es erhellt auch aus den gleichzeitigen
Zeugnissen, dafs man nicht das Gefühl hatte, für den Rückgang
des Ackerbaus Ersatz in ähnlicher Weise gefunden zu haben,
wie ihn in unsrer Zeit Industrieländer, die der Eorneinfuhr be-
dürfen, durch andere Erwerbsgebiete ünden: es blieben eben doch
alle Verhältnisse in Italien auf den Grundbesitz angelegt. Im
übrigen genofs die Halbinsel die ganze Zeit hindurch nicht nur
die Segnungen des Friedens, sondern auch die Vorteile jedenfalls
thatsächlicher Freiheit von direkten Abgaben, nur vorübergehend
drückten die indirekten Auflagen des Willkürregiments geld-
bedürftiger Despoten (ob. S. 262 A. 2), und endlich fiel die
Militärlast weg.^ Das J. 69 freilich brachte die unerfreuliche
Seite dieses Zustandes klar zu Tage: es zeigte das Land, dessen
Bürger die Welt erobert hatten, ^jeglicher Enechtschaft aus-
gesetzt' und Oberitalien mit seinen stattlichen Städten einer kleinen
Schaar Reiter willenlos preisgegeben.')
Die provinMn. 2. Der Bestand des Reichs an Provinzen, sowie die Ver-
BritannidiL. Die
gerniftiüsohe u. tcilung derselben zwischen der kaiserlichen und der Senatsver-
die Donau-
groMe. waltung erlitt einige Veränderungen. Vorher völlig fremdes
Gebiet, durch Eroberung gewonnen, kam in bedeutendem Mafse
in Britannien hinzu: hier gelang es in der Zeit von der ersten
Expedition unter Claudius im J. 43 bis auf Domitian, d. h. bis
1) Tac. 8, 54. 12, 43. An der ersten Stelle klagt Tiberias darüber,
dafs die Villen und die Luxuskultur das Ackerfeld verdrängt hätten, an der
zweiten Tacitus selbst, dafs man wohl Ägypten und Afrika bebaue, aber
Italien nicht.
2) Was die Pratoriauer, die siÄdtischen Gehörten und die sog. Cohorten
der italischen Freiwilligen an Italikern in Anspruch nahmen, dafür konote
freiwillige Meldung genügen. Hinsichtlich des Dienstes in den Legiooen
vermutet Mommsen, Hermes 19, 18 f., dafs seit Vespasian die ItaJiker ge-
radezu von ihm ausgeschlossen waren.
8) Tac. bist. 1, 11: inermes provtnciae atque ipsa in primis ItdUa,
ctticumque servitio exposita, in pretium belli cessurae erant, c. 70 : (die Sol-
daten der ala Süiana) transiere in partes (Vitellii) et ut donum cUiquod
novo principi firmissima transpadanae regionis tnunicipia Medioianum ac
Novariam et Eporediam et Vercellas adiunxere.
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- 313 ~
za der uns zuletzt geuauer bekannten Statthalterschaft Agricolas^
in systematischem Vorgehen die römische Herrschaft nach Nor-
den so weit auszudehnen, als von Eburacum (York) aus beherrscht
werden konnte; das kühne Vordringen Agricolas in Schottland
war nicht von Erfolg begleitet gewesen und nach Irland hin-
öberzugehen wurde ihm geradezu untersagt An der germanischen
Grenze steht am Anfang dieses Zeitabschnitts das Aufgeben des
rechten Rheinufers nach den Feldzügen des Germanicus, wovon
oben schon die Rede war (S. 230 f.). Doch wurde dafür gesorgt,
dafs die Flufsübergänge durch rechtsrheinische Festungen gesichert
blieben^ zumal bei Köln und Mainz. Das Schreckensjahr 69 stellte
die römische Herrschaft in Gallien und am Rhein auf die schärfste
Probe, aber nur um so deutlicher zeigte sich einerseits, dafs das
in den vorhergehenden Jahrzehnten eingeführte Römertum in
den römischen Grenzgebieten doch den Resten nationaler Ten-
denzen überlegen, andrerseits, da& das rechtsrheinische freie
Germanien noch keiner Zusammenfassung gegen die Römer fähig
war. Alle die aufeinanderfolgenden Schläge und unglücklichen
Umstände, die Empörung der batavischen Truppen und des bata-
vischen Stamms und damit die Gefahr eines Ansturms der freien
Germanen, in Gallien selbst der Versuch der Gründung eines
eigenen gallischen Reichs, die Demoralisierung des römischen
Rheinbeers, das in dem Schwanken zwischen Vitellius und seinen
Gegnern nicht wulste, woran es sich halten konnte und den
Keichsgedanken ohne festen Halt an einem Imperatornamen nicht
zu erfassen vermochte — all das wurde, nachdem ein kräftiger
Herrscher dem Reiche gesichert war, überwunden in erster Linie
durch die Fürsorge dieses Mannes, wesentlich aber auch mit da-
durch, dafs in dem Widerstreit zwischen Germanen und Galliern
und gegenüber der Halbheit des romanisierten Galliertums das
romische Imperium allein ein klares, imponierendes und anziehend
wirkendes Wort war. Nach Wiederherstellung der Ordnung
wurden die beiden grofsen Kommandos am Rhein in der alten
Weise, nur infolge der Verschiebung, Auflösung und Neubildung
der Legionen mit anderer Verteilung der Truppenkörper wieder
aufgerichtet. Die Grenzverhältnisse blieben in Niedergermanien
dieselben, trotzdem dafs die Bataver von jenseits des Rheins
Bundesgenossen an sich gezogen hatten: man hatte hier kein
Interesse, weiter nach Osten zu gehen und fühlte sich mit der
Beherrschung des Rheinstroms genügend gesichert. Dagegen^yon
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- 314 -
Obergermanien aus ging man nun über den Rhein herüber; denn
hier lag die Aufgabe Yor^ neben der Beseitigung der Chatten-
einfalle auch eine möglichst gute Verbindung mit den Donao-
ländem herzustellen. Das Vorgehen geschah in mehr£acher
Weise: von Mainz aus in das Neckargebiet und von Strafsburg
aus nach dem Schwarzwald zu^ und zwar vollzog es sich hier,
so viel aus dem Vorhandensein nur indirekter Zeugnisse zu er-
schliefsen ist^ in friedlicher Weise durch Anlegung von Strafsra-
zügen mit dem dafür nötigen Schutz. Dies ist schon vor Domitian
nachweisbar.^) Das Vordringen von Mainz aus gegen den Taunus
dagegen wurde von Domitian im J. 83 unternommen in einem
förmlichen Eriegszug gegen die Chatten. Das Resultat des
kurzen und wie es scheint unblutigen^ aber doch erfolgreichen
Feldzugs war die Ausdehnung der Grenze über das Mattiakerland
(um Wiesbaden) bis zum Taunus.*) Ebenfalls unter den flavi-
sehen Kaisern erfolgte nun auch ein ernstlicheres Vorgehen von
der Linie des Oberrheins (Basel -Bodensee) aus. Schon vor 69
finden wir Truppen des festen Lagers von Vindonissa nördlich
vom Rhein, aber nicht über eine mäüsige Entfernung hin-
1) Zangemeister in Westdentsche ZeiUchr. f. Gesch. und Eonst 3,
237-265. 307—326. Mommaen, r. G. 6, 184 f.
2) Über den Gbattenkrieg Domitians, der nach den monomentalen
Zeugnissen über die Annahme des Titels Germanicus ins J. 83, nicht 84,
föllt^ 8. anfser den allgemeinen Darstellungen der Eaisergeschichte Asbach
in Westd. Zeitschr. 3, 6 ff. Mommsen, r. G. 6, 136 f. — Den Vorwürfen»
dals Domitian den Krieg gar nicht gesehen (Dio 67, 4), einen erlogenen
Triumph gefeiert xmd Gefangene für denselben zusammengekauft habe (Tac.
Agr. 39), muTs etwas wahres zu Grunde liegen. Mit dem unbestreitbaren
Zeugnis des bei dem Feldzug beteiligten Frontin (strateg. 1, 1, 8. 1, 3, 10.
2, 3, 23. 2, 10, 7), dafs Erfolge errungen wurden, lassen sich jene Vorwürfe
so yereinigen, dals Domitian selbst, wie später im dakischen Krieg (Dio
67, 6) hinter der vorrückenden Armee blieb, dafs keine wirkliche Schlacht
geliefert wurde und die Erfolge wesentlich strategischen Mitteln und
auch klugem Entgegenkommen zu danken waren. Dafs für Land zu Kastell-
zwecken im Chattengebi6t Entschädigung geleistet wurde, mochte als ein
Erkaufen des Siegs gedeutet werden; dals aber Frontin überall die Anord-
nung der Mittel, durch welche die Erfolge gewomien wurden, dem Domituui
als dem obersten Kriegsherrn zuschrieb, verstand sich von selbst. — Die
Frage, ob die limües, welche Domitian auf 120 Meilen anlegen lieis, nörd-
lich oder südlich vom Main anzunehmen seien, ob sie mit Teilen des noch
heute erhaltenen Tfahlgrabens' identisch seien oder nicht, ist fortwährend
kontrovers und wird es bleiben, bis ein entscheidendes monumentales Zeug-
nis aufgefunden wird.
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- 316 -
aas.^) Das Land zwischen Rhein, Schwarzwald und Main^ seit dem
Markomanenabzug'^anter Augustas kaum noch mit Resten von
Bevölkerung ausgestattet, war damals wohl unter einer gewissen
allgemeinen Hut der Römer, aber nicht zur Provinz geschlagen
und der Occupation unter römischer Aufsicht überlassen. Zwischen
Rhein und Schwarzwald und wiederum von diesem ab nach Osten
war kalturfahiges Land, jenes, wie schon bemerkt, von Strafsburg
aus gehütet und besetzt, letzteres von dem Lager und den Kastellen
der Schweiz aus; der dazwischen, liegende Schwarzwald mufs
keine Gefahr geboten haben, er war zweifellos ohne Bevölkerung.
Die unter Yespasian nach Yindonissa gelegte Legion nun rückte,
wie es scheint, mit einem Teil ihrer Mannschaft vor bis Rott-
weil am oberen Neckar^), und an derselben Stelle, jedenfalls in
derselben Gegend, finden wir den Ort Arae Flaviae'), der schon
durch seine Bezeichnung sich kund thut als einen gewichtigen
Mittelpunkt für neubesetztes Land, das damit im Namen des
Kaiserhauses feierlich als annektiert erklärt wird. Zu welcher
Zeit dies genauer anzusetzen ist, läfst sich nicht sagen, da wir
über die örtlichen Vorgänge bei dem Aufstand des Saturninus
im J. 88 nicht unterrichtet sind; es ist nicht unmöglich, dafs
erst nach demselben dieses Ziel erreicht wurde. In Verbindung
mit der Bewegung vom unteren Neckar her war damit die Neckar-
linie überhaupt gewonnen und die notwendige Konsequenz ge-
geben, diese an das östliche Ende der Mainlinie anzuschliefsen.
Dies wird, wie die Neckarlinie selbst durch Kastelle befestigt
wurde, unter Domitian noch durch eine Reihe von Kastellen ge-
schehen und damit die erste befestigte Grenzlinie jenseits des
Oberrheins gewonnen worden sein.*) — Der Bestand des Reichs
1) YgL die Ziegel der 21. Legion bei Schieitheim Mommsen, insc.
Helv. n. 344.
2) An diesem Ort sind wiederholt Ziegel der 11. Legion, die nach 70
in Vindonissa stand, gefunden worden.
3) Ptolem, 2, 11, 30. tab. Penting.
4) Diese Verhältnisse durch Aufsuchen der Kastelllinie klar zu stellen
ist die Lokalforschong gegenwärtig bemühi Nach den Truppendislokationen
zu'schÜefsen, boten sich die von der Schweiz einerseits, Yom unteren Neckar
andrerseits yorrückenden Truppen bei Bottweil und Rottenburg a. N. die
Hand. Das damit in Besitz genommene Land, das Tac. Germ. 29 mit dem
Ausdruck ^deewmates agri* bezeichnet und in welchem der Bezirk Sumelo-
cenne (Rottenburg a. N.) yon der ursprünglichen rechtlichen Lage selbst
noch bei munizipaler Organisation saltm Sumelocennensia heifst (Brambach,,
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— 316 -
an der Donaugrenze wurde nicht geändert. Die rätische und
norische Donaugrenze war durch das günstige Verhältnis zu den
Germanen auf dem linken Ufer leicht zu hüten ^) und ebenso
konnte man an der pannonischen Donaulinie durch diplomatische
Behandlung der jenseitigen Germanenfürsten den Frieden wahren.
Dagegen war von Mösien aus das thrakische Ufer und Thrakien
selbst nicht genügend gegen Einfalle gesichert^ Doch gab es
bis auf Domitian nördlich von der Donau grofsere feindliche
Macht nicht; und dem entsprechend war das romische Grenzheer
schwach an Zahl gehalten worden: der Einfall vom J. 69 führte
zur Verlegung der in ihrer bisherigen Provinz entbehrlich ge-
wordenen zwei Legionen von Dalmatien nach Mösien ^ so dafs
hier die Truppenzahl verdoppelt wurde. Bald dai'auf erstand das
neue Reich der Daker unter Dekebalus^ und stellte auf einmal der
Grenzhut an der Donau ^ speziell den Provinzen Pannonien und
Mösien ganz neue Aufgaben. Der dakische Krieg Domitians
änderte an den Gebietsverhältnissen nichts , brachte aber auch
die Markomanen in Feindschaft mit dem Reich und endigte im
J. 89 mit einem für die Würde desselben bedenklichen Frieden.
Zur Erleichterung der Wacht an der unteren Donau diente im
Gefolge dieses Kriegs die Teilung der ^inen Provinz Mösien in
zwei, eine obere und untere. •)
dot Osten. 3. Was an der Nordost- und Ostgrenze des Reichs vorging,
stand beinahe durchaus im Zusammenhang mit dem Verhältnis
zum Partherreiche. Es handelte sich auch nach Augustus nicbt
um eine Gebietsvermehrung, weder in Armenien noch in Parthien,
und ebenso wenig hatten die Parther Eroberungspläne, sondern
die Kämpfe um die Besetzung des armenischen Thrones wie das
inscr. Rhen. n. 1638), mag zunächst als kaiserliche Domäne (saltus) behan-
delt und mit der Auflage eines Zehnten verpachtet worden sein, bis die
vorgeschrittene Kultur die Einrichtung eines munizipalen Bezirks gestattete.
.1) Tac. Germ. 41: Hermunduronmi civitas, fida Bomams, eoque idlu
Oermanarum nan in ripa commercium ^ sed penitus atque in splendidissima
Baeticte provindae colonia. Pausim sine custode transeumt^ et cum cäeris
gentibus arma modo castraque nostra ostendamuSy Ms domos villasque pate-
fecimus non concupiscentibus.
2) Suet. Tib. 41: Eegressus in inaulam (Tiberius) reip. curam usque
adeo abiecit, ut — Moesiam a Bctcis SarmaHsque — vasiari neglexerÜ.
Tac. hist. 1, 79 (Einfall der sarmatischen Rhoxolanen in Mösien im J. 69).
3) Über den Dakerkrieg Domitians Mommsen im Hermes 3, 115 f.
Ders. r. G. 5, 200 ff. Schiller 1, 528 ff.
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- 317 -
sonstige aktive Vorgehen hatte stets nur defensive Bedeutung^
and so v^urde in den Grenzverhältnissen nichts geändert. Auch
die grofste kriegerische Machtentfaltung Roms gegen Parthien
unter Nero ftihrte nur zu einem Ausgleich^ bei dem der Gewinn
eher den Parthern zufiel, wenn diese gleich hinsichtlich der Form
auf den Stolz Roms Rücksicht nahmen.^) Dieselbe Vorsicht und
Rücksicht herrschte in den persönlichen Beziehungen zwischen
den beiderseitigen Regierungen und in der Einmischung in die
Thronstreitigkeiten. Die Römer hatten durch die Parther gar
zu oft; Gelegenheit solche zu benützen, um es nicht zu thun,
und die Parther ihrerseits lieüsen es sich nicht ganz entgehen,
das Auftreten eines falschen Nero eine Reihe von Jahren hin-
durch unter Vespasian, Titus und Domitian zu verwerten, bis
der Betrüger endlich ausgeliefert wurde; aber überall waren es
nur augenblickliche Zwecke, wegen deren man sich um die
inneren Verhältnisse des Nachbarreichs kümmerte, und die Par-
ther insbesondere waren im J. 69 keineswegs bemüht, die Wirren
im römischen Reich gründlich für sich auszunützen, sondern
wollten nur so eingreifen, dafs sie sich erboten, den ihnen zu-
nächst stehenden Prätendenten zu unterstützen. Noch herrschte
beiderseits die Überzeugung, dafs die beiden Grofsstaaten nur in
dem ^inen Punkte Armenien sich berührten, und wenn dieser
befriedigend geordnet sei, am besten thun, Frieden zu halten,
weil im Kriege nichts zu gewinnen wäre. Erweiterung des Reichs
im Nordosten hat Nero am Ende seiner Regierung allerdings
angestrebt, aber gegenüber einem Rom und den Parthern gemein-
samen Feind. — Einen Rückschlag auf die Ordnung des römi-
schen Staatswesens haben die Vorgänge in Parthien insofern
geübt, als sie dazu führten, mehrere der kleinen einheimischen
Dynastieen zu beseitigen, um die ihnen bisher überlassenen Ge-
biete zu Provinzialland zu machen (s. unten), und als der Krieg
unter Nero wieder einmal zur Aufstellung eines grofsen kom-
binierten Kommandos unter Corbulo führte.*) — Während der
1) Der Friedenßscblufs im J. 63 bei Tac. 15, 28-31. 16,23. Dio62,23.
63, 1 ff. Der partbische Schätzliog Tiridates wird von den Römern für
Armenien angenommen, holt sich aber die Anerkennung in Born. Über die
KriegsgeBchichte selbst nnd das ganze Verhältnis der Römer zu den Par-
them V. Gutscbmid in der Encyclopaedia Briteumica vol. XVIII. (Artikel
Persia), speziell p. 601 ff. Mommsen, r. G. Ö, 375 ff.
2) Tac. aun. 15, 25: Corbulo — gerendete rei praeßeiiur ; Syriae executio
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- 318 -
Verwicklungen mit Parthien erwuchs den Römern in Palästina
ein Eampf^ der einzig in der Reichsgeschichte dasteht Von
weltgeschichtlicher Bedeutung wird er doch wie auf einer Insel
geführt; denn die Verzweigungen, die er nach Ägypten und nach
den jüdischen Ansiedlungen der Zerstreuung hat, stehen nur in
geistigem Zusammenhang mit den Vorgängen in der Heimat des
Judentums, und zu den Parthern finden keine Beziehungen statt.
Aufserlich handelt es sich hier nur um die Durchführung der
Provinzialregierung in vorher mittelbar abhängigem Gebiet;
aber die Art des Volks stellt dieser Aufgabe gröfeere Schwierig-
keiten entgegen als in irgend einem anderen Teile des Reichs.
Der im J. 66 zum o£fenen Ausbruch gekommene Krieg führt
ebenfalls zur Bildung eines besonderen grofsen dem Vespasian
anvertrauten Kommandos^) und tritt dadurch schon in seiner
ernsten Bedeutung hervor, aber derselbe Charakter der aufstän-
dischen Nation, der ihn schwer und langwierig macht, hindert
seine Ausdehnung, da das sich gegen alle andern Völker ab-
schliefsende Judentum nirgends Hilfe findet. Dem Sieg folgen
auch hier dieselben Mittel der Verwaltung und Wiederherstellung,
die an andern' Orten einen Ersatz für das zerstörte nationale
Wesen geben, Belegung des Landes mit Truppen*) und mit An-
siedlungen, aber mit noch weniger Erfolg als sonst im Orient,
weil ein Anschlufs an die einheimische ländliche Bevölkerung
nicht möglich war: aus ihr hatte der Aufstand die besten Kräfte
gezogen, und was von ihr übrig blieb, fügte sich dem Sieger nichi
Afrika. 4. In Ägypten und Nordafrika brachte die Aufgabe des
Grenzschutzes öfter militärische Unternehmungen mit sich;
doch führten diese nirgends zu einer bedeutenderen Grenzver-
C, Gestio, copiae miliiares Corbidoni permissae ; — Bcribüur tetrarchis ac regi-
bu8 praefectisque et procuratoribiM et qui praetorum fifUtimas pravineias rege-
bant^ iussis Corbulonie obsequi^ in tantum ferme moämm awAa potesUäe, q^m
populus Born. Cn. Pompeio bellum piraticutn gestwro dederat. Über dieie
Art von Kommando vgl. unten im Syst.
1) Joseph, b. ind. 8, 1, 8: (Nero) ni(inst tov av9qa iiaXrifpoikBvov t^
Tiytfiovlav tmp inl Zvqlag otQctt^vpMttov, Tac. bist. 1, 10: Beüum Judai-
cum Flavius Vespasianus {ducem eum Nero ddegeratj tribw legiombus ad-
ministrabctt ; daneben war Mncianns Statthalter von Syrien.
2) In das zerstörte Jerusalem wurde eine Legion, die X Fretensis, ge-
legt. Joseph, b. Jud. 7, 1, 1. 3. epb. epigr. 2, p. 292 f., nach Emmans
(Nicopolis) Veteranen Jos. 7, 6, 6. Site der römischen Verwaltong war wie
unter den Prokuratoren das jetzt zur Kolonie erhobene jC^sarea. ,
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rücknng; auch da nicht^ wo^ wie in Äthiopien, die geographischen
Yerhältnisae nicht besonders hinderlich gewesen wären. Von
Nero wird berichtet, dafs er jenseits der ägyptischen Grenze bei
Syene Vermessungen nach Äthiopien hinein vornehmen liefs, und
Spuren romischer Kultur sind noch südlich von Syene nach-
zuweisen^), allein eine Yerrückung der Provinzgrenze war damit,
so viel wir sehen, nicht gegeben. — In der Provinz Afrika war
unter Tiberius einmal ein ernstlicher Kampf gegen die südlichen
Wüstenbewohner zu bestehen, der in Tacitus' Annalen eine Reihe
von Jahren hindurch (17 — 24 n, Chr.) eine regelmäfsige Stelle
hai Aber nach der Überwindung des Führers in diesem Aufstand,
Tacfarinas, wird eine Kriegführung im Gro&en in dieser Periode
nicht mehr erwähnt Es wurde eben auch hier — allerdings
nicht blols aus militärischen Gründen — der Grenzschutz ähnlich
wie in Germanien in besonderer Weise organisiert Bis in die
Regierung des Kaisers Gaius hinein war die Civil- und Militär-
verwaltung der Provinz Afrika in der Hand des vom Senate be-
stellten Prokonsuls vereinigt, nur dafs in bedenklichen Zeiten,
wie während des Kriegs mit Tacfarinas die Bestellung nicht der
Losung unter den Berechtigten überlassen wurde. Gaius da-
gegen stellte innerhalb der Provinz die Grenze gegen die Wüste
und den westlichen Teil des Provinzialgebiets, d. h. Numidien,
besonders, zog in diesem alle militärischen Kräfte zusammen
und stellte die letzteren unter ein von dem Prokonsul unab-
hängiges Kommando eines prätorischen Legaten. Damit war die
Beschränkung der senatorischen Statthalter auf die Civilverwal-
tung in allen dem Senat unterstehenden Provinzen durchgeführt
und hier zugleich in dem kaiserlichen Legaten dem senatorischen
Prokonsul eine Kontrolle gesetzt^)
1) Plin. n. h. 6, 181. 184. 12, 19; vgl. Senec. nat quaeat 6, 8, 3. cOrp.
i. lat. III p. 16. Mommsen, r. Q. 5, 693. 694 A. 1 mit den daselbst er-
wUmten Zengnieflen^ darunter c. i. gr. III n. 5101 das eines T. Julius
Seztns, ctQ€ctn6t7ig Isystovog III Kv(fTiva'(%fig x^Q^9^9^^^S aus dem Jahre
33 B. Chr.
2) Tac. 4, 48: Legio in Africa auxüiague ttUandis imperii finibus sub
dwo Auguato Tiberioque prindpibus procansuli parebant, mox Gaius Caesar
tiwrbidMS amimi ac M, Süanum obtinentem Africam metuens ablatam pro-
eonsuli Jeffionem misso in eam rem legato tradidit; aequatus inter duos bene-
ficiorwn ntitnerus et mixtis utriusque mandatis diseordia quaesiia auctaque
eertamine legatorum vis adolemt diuturnitate officii vel quia minoribus maior
aemtUandi cura^ proconst4ium ^lendidissimus quisque securitati magis
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C^ogle
- 320 -
Unter demselben Kaiser Gaius wurde das Königreich Maure-
tanien gewaltsam, durch die Ermordung des Königs, aufgehoben,
und das Gebiet desselben direkt zum Reiche geschlagen in der
von Kaiser Claudius eingerichteten Form von zwei prokuratorischen
Statthaltereien Mauretania CaesariensiSy unmittelbar an die Provinz
anstofsend, und Tingitana, die afrikanische West^enze des Reichs
büdend.i)
Aufhebung der 5. Es stcht dicscr Vorgang, wenn auch gerade er nicht so-
uastieen. wohl einem staatsmännischen Gedanken als schnödem Despotismus
entsprungen war, doch in einer Reihe von Veränderungen des von
August hinterlassenen Zustands, durch welche der unmittelbare
Bestand des Reichs vorzugsweise vermehrt wurde. Augustus hatte,
wie wir gesehen, noch eine grofse Anzahl von lokalen Djnastieen,
t^ils an den Grenzen, teils innerhalb des Reichs zwischen
den Provinzen liegend, gelassen (ob. S. 196 f.). Von ihnen ver-
schwindet in dieser Periode der gröfste Teil, je nach GröDse und
Bedeutung schon bestehenden Provinzen zugeschlagen oder in
eigene Provinzen verwandelt. Es waren teils persönliche Be-
ziehungen zum Herrscherhaus, teils Zweckmäfsigkeitsrücksichten
gewesen, was diesen Dynasten ihre Herrenstellung bewahrt hatte:
aus denselben Gründen wurde auch jetzt noch Schonung geabt,
potentiae consulebant (c. 49) Sed tum legionem in Africa regebat Valerius
Festus. Wie Tacitus, so weist auch Dio 59, 20, wo er zum J. 39 die Maß-
regel erwähnt, dem Legaten nur das militärische Kommando su, und dals
das Gebiet, in welchem die Truppen unter demselben standen, zur Provinz
Afrika gerechnet wurde, ist schon nach diesen Zeugnissen auTser Zweifel;
aber ohne Verwaltungsbefugnisse innerhalb des den Garnisonen zugewiesenen
Gebiets konnte die Stellung nicht sein, und Tacitus zeigt eben, wie wenig
definiert einerseits diese Befugnis war und wie man sie andrerseits nch
ausdehnen liefs. Zugleich sieht man aus Tacitus, wie man in den Kreisen,
die den Senat hochgehalten wissen wollten, ober diese Yerkürzung der
einzigen miliÜLrisch ausgerüsteten Provinz, welche dem Senat noch ver-
blieben war, dachte. Bezeichnend für die Bedeutung dieses prätoriBchen
Legatenpostens ist auch, dafs 30 Jahre nach der Einrichtung ein solcher
Legat Clodius Macer (bei Sueton Galba 11 legatus genannt) wagen konnte,
sich dem Galba gegenüberzustellen. — Vgl. über die Sonderstellung dieses
Kommandos Mommsen in Ber. der sächs. Gesellsch. 188i S. 213—230.
Henzen in anncili deU* inst. 1860 p. 24 ff. Corp. inscr. lat, VIII p. XV sq.
und die Karte zu diesem Band.
1) Suet. Cal. 26. 35. Dio 59, 25 z. J. 40 (Ermordung des dem Cali-
gula verwandten Königs Ptolemäus). 60, 9 z. J. 42 (Einrichtung der iwei
Provinzen). Dazwischen liegt eine Empörung der Mauren Plin.jn. h. 5, 11.
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— 321 —
aber der allgemeine Zug ging doch früh auf Einziehung der
kleinen Fürstentümer. Augustus selbst hatte schon ^ nachdem
er die Teilung des Reichs von Herodes unter seine Söhne zuge-
lassen^ Judäa^ den wichtigsten Teil, dem Archelaus genommen,
am eine prokuratorische Provinz daraus zu machen und in Eappa-
dokien dem altersschwachen Fürsten Archelaus einen Prokurator
zugesellt.^) Veranlafst teils durch nötig gewordene allgemeine
Fürsorge für die östlichen Grenzländer, teils durch persönliche
Stimmungen oder zufällige Umstände beseitigte sodann Tiberius
die kappadokische Herrschaft ganz und ebenso die von Komma-
gene. In derselben Zeit, in der er die Mission des Germanicus
in den Osten anordnete, im J. 17, liefs er nämlich den alten
Archelaus, den er von früher her hafste, nach Rom kommen,
und als dieser dort unter der Behandlung, die ihm zu teil wurde,
gestorben war und zu gleicher Zeit der Fürst der Grenzherrschaft
Eommagene starb, wurde beschlossen, [Eappadokien zu einer
prokuratorischen Provinz zu machen, Eommagene aber mit Syrien
zu verbinden: Germanicus liefs dann durch zwei seiner Legaten
die Veränderung durchführen.*) In Thrakien griff er im J. 19
von Aufsichtswegen in den Streit zwischen den zwei vorhandenen
Fürsten ein, und nachdem der eine durch den andern und der zweite
durch römische Verfügung beseitigt war, führte er für die minder-
jährigen Nachfolger, die man liefs, vormundschaftliche Regierung
mit einem römischen Beamten ein, die dann unter seiner ganzen
Regierung auch blieb; das wichtige Land, auf dessen Eräfte sich
der Statthalter von Mösien zum Schutz der unteren Donau stützen
mufste, konnte in der That nicht unsicheren Zuständen überlassen
werden; aber die durch dieses Eingreifen verursachten Eämpfe
zeigten immerhin, dafs Vorsicht im Zerstören solcher Reste von
Unabhängigkeit angezeigt sei.^) Des Eaisers Gaius Verfahren
1) Joseph, ant. Jud. 17, 11—18. Die 55, 27. (JudOa). Die 57, 17.
(Kappad.).
2) Tac. ann. 2, 42. Dio a. a. 0. (beide zum J. 17). Strabo p. 534.
8uet Tib. 87. Tac. ann. 2, 56: Cappadoces in formam provinciae redacti
Q, Veranium Ugatutn accepere; — Commagenis Q. Servaeus praeponitur tum
primum ad ius praetoris translatis; beide Legaten des Qerm. waren nur
ZOT Dorchführung der Annexion beordert. Im J. 17 war auch der Fürst
einer ciliciechen Teilherrschaft gestorben (2, 42); was mit dessen Gebiet
geschah, sagt Tacitas nicht.
8) Tac. 2, 67. 8, 38 f. 4, 5. Strabo p. 556. Vgl. die Geschichte der
thrakischen Dynastie bei Mommsen, ephem. epigr. 2, 250 — 261.
Uerzog, d. röm. Staattvorf. n. 1. 2titized by VjOOQIC
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in dieser Richtung beruhte durchaus auf persönlicher Willkür:
mehrere solcher Prinzen, zum Teil mit ihm verwandt, waren am
Hofe des Tiberius mit ihm aufgewachsen, und daher ihm be-
freundet; nachdem er auf den Thron gekommen, wuTsten sie die
Gunst eines Herrschers, der selbst die Wege des orientalischen
Despotismus ging, auszunützen. So erhielt Agrippa, der Enkel
des Herodes, in Judäa zuerst im J. 37 die eine Tetrarchie, im
J. 39 die zweite^), einem andern dieser Prinzen, Antiochus, wurde
Kommagene zurückgegeben, — freilich gleich darauf wieder ge-
nommen — ^), dem Vertreter der einen thrakischen Familie wurde
ganz Thrakien überlassen und von der zweiten Familie am Pontus
ein Sprosse in Trapezunt, wo sein Grofsvater mütterlicher Seite
früher geherrscht hatte, der andre in Kleinarmenien eingesetzt.*)
Aber derselbe Kaiser war es, der aus Baubsucht den ihm eben-
falls verwandten König von Mauretanien umbringen liefs und
sein Land einzog (ob. S. 320 A. 1). Kaiser Claudius liefs die Anord-
nungen seines Vorgängers zunächst bestehen und war sogar
zum Teil noch freigebiger gegen die Fürsten: Agrippa erhielt
von ihm im J. 41 auch noch Judäa, so dafs in dieser Hand nun
wieder das ganze Reich des Herodes vereinigt war, und der von
Gaius wieder abgesetzte Antiochus wurde in Kommagene aufs neue
eingesetzt, auüserdem gab er einem Mithridates einen Teil des
Pontusreichs, wofür der aus Thrakien in den Pontus versetzte FiSrst
Entschädigung in Cilicien erhielt. All das geschah sogleich nach
der Thronbesteigung*); später wurde es anders: die Freigelassenen
am Hofe, die als Minister die Geschäfte führten, lenkten in eine
andere Richtung ein. Als im J. 44 Agrippa starb, wurde Judaa
wieder prokuratorisch, und der Sohn des Verstorbenen auf ein
kleineres Gebiet gesetzt, im J. 46 wurde nach dem Tode des
thrakischen Königs dessen Land zur Prokuratur gemacht, ob-
gleich mit Sicherheit ein Aufstand dagegen zu erwarten war,
der denn auch eintrat.^) Und wie diesen Fürstentümern, so war
1) Vgl. über Agrippa die ausführliche Erzählung bei Joseph, ani Jod.
18, 1—7. 19, 5.
2) Die 69, 8. 60, 8 (ont. A. 4).
3) Mommsen, eph, epigr. a. a. 0.
4) Zasammenfassend aufgezählt Die 60, 8 mit dem Beisatz: Tccrta
filv ovv avtov TB xov KlavdCov ^gya f/v xal v<p' aiedvtmv iwjjveitOf worauf
folgt, was die Freigelassenen weniger löbliches getban hätten.
ö) Joseph, ant. 19, 8 f. (Jud.) Mommsen, eph. ep. Ä5>269 (Thrak.).
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schon vorher der freien Landschaft Lykien ihre Sonderstellung
genommen und sie zur prätorischen Provinz gemacht worden.*)
Unter diesen Verhältnissen hatte es nur die Bedeutung einer
Titelverleihung, wenn im J. 44 dem Nachkommen der früheren
„Konige" der cottischen Alpen , der sonst als romischer Präfekt
die Verwaltung geführt^ wieder der Titel Konig bewilligt wurde,*)
Die Regierung unter Nero fuhr in der Verminderung der Fürsten-
tümer fort: die eben erwähnte cottische Königswürde wurde
nicht nur nach dem Tode des Inhabers nicht wieder hergestellt,
sondern das Land unter gewöhnliche Prokuratoren gestellt, im
J. 63 wurde die pontische Herrschaft des Polemo eingezogen
und zu Galatien geschlagen.^) Am entschiedensten aber ging
schliefslich Vespasian vor: Kommagene wurde jetzt definitiv ein-
gezogen und mit Syrien verbunden, ebenso das bergige Cilicien
und wohl auch Kleinarmenien; ebenso wurde einer Reihe von
freien Städten die Freiheit genommen.*) Nicht nur wurde durch
jene erstgenannten Mafsregeln die Provinz Syrien einheitlicher
hingestellt, sondern es wurde zugleich in Kappadokien, mit dem
Galatien wenigstens bis auf Domitian vereinigt war^), ein
starkes Provinzkommando mit zwei Legionen errichtet. Indem
nun Syrien vier, Kappadokien zwei, Judäa eine Legion mit den
entsprechenden Nebentruppen hatte, war eine grofse gegen Osten
und Norden gerichtete Macht als stehende Grenzwacht vorhanden.
Was noch innerhalb Syriens an kleinen Herrschaften bestand,
wie die des jüngeren Agrippa im nördlichen Palästina, war so
gut wie auf den Aussterbeetat gesetzt; nur das jenseits der
Grenze gelegene Arabien blieb als selbständige Dynastie noch
von BedeutuDg.*)
1) Dio 60, 17 zum J. 43. Suet. Claud. 26.
2) Dio 60, 24: Maquco 'lovXi<p Kotxlq) ttiv natQmav aQxriv — nQog-
sxfiv^Tlos ßaailia avxbv xoxb ngatov ovoftMcag,
3) Sueton Nero 18: Ponti regnum concedente Polemone item Alpium
defundo Cottio in provinciae formatn redegit. Über das Jahr 63 and die
Zuteilung von Fontus zn Galatien Marquardt, Staatsverw. 4*, 360 A. 8. 9.
Über das regnum Cottii und die daraus entstandene Provinz c. i. 1. 5,
p. 808—810.
4) Suet. Vesp. 8: Ächaiam, Lyciam, Bhodum, Byzantium, Samum
libertate adempta, item tracheam Ciliciam {Thraciam, öiliciam d. Handschr.)
et öommagenem diciotUs regiae usque ad id tempus in provinciarum formatn
redegü,
5^ Die Beweise biefür bei Marquardt 4', S. 361 f.
6) Über die arabische Dynastie des Nabatäerreichs up4 ihre,
21 ♦ dby Google
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Senats- und 6. HinsicfatHch der Yerteilong der Provinzen zwischen Kaiser
proTüuen. und Senat verschob sich das Verhältnis schon insofern^ als der
durch Eroberung x)der Einziehung bisher nominell selbständiger
Gebiete gewonnene Zuwachs vom Kaiser übernommen wurde,
dessen Teil also betrachtlich wuchs: dafs früher freie Städte oder
Inselgebiete, wie Rhodos, der Senatsprovinz zugeschlagen wurden,
in der oder der sie zunächst lagen, kommt dagegen nicht in
Betracht. Direkt verkürzt wurde der Teil des Senats einmal
durch die schon erwähnte Ausscheidung des Militärbezirks in
Afrika, sodann durch wenigstens zeitweilige Übernahme von Senats-
provinzen, die aus vorübergehenden Ursachen militärischen
Schutzes oder auch infolge von senatorischer Mifsregiemng einer
Erleichterung bedurften. Der erste Grund war es, der im J. 15
den Tiberius veranlasste , die Provinzen Makedonien und Achaja
dem Senat abzunehmen und dem Statthalter von Mösien zu übe^
geben, und in dieser Stellung blieben sie dann, bis Claudius im
J. 44 wieder zwei Senatsprovinzen daraus machte. *) Dabei wurde
N es dann belassen mit Ausnahme einer kurzen Zeit; Achaja ward näm-
lich von Nero gelegentlich seiner griechischen Kunstreise im J. 67
für frei erklärt, eine Gunst, die Yespasian dann für gat
fand sogleich wieder rückgängig zu machen.*) Die Notwendig-
keit militärischer Hilfe hatte noch - den Augustus veranlafst, einen
kaiserlichen Prokurator mit Truppen auf die Insel Sardinien zu
schicken, um diese, zu der Korsika gehörte, von den Bäubem zu
Beziehnngen zu den Römern Strabo p. 779 f. Mommsen, r. G. 5,
576—679.
1) Tac. ann. 1, 76: Ächaiam ac Macedoniam onera deprecanUs levm
in praesens proconstdari imperio tradigue Caesari placuü, c. 80: Propa-
gatur Poppaeo Sdbino provincia Moesia^ additis Achaia ac Macedoma^
Da gerade die mösische Statihalterei besonders lange in denselben
Händen blieb (Tac c 80. Marqoardt, Staatsverw. 4«, 802 A. 7), to
kam die Stabilität dieser Verwaltung auch jenen zugefügten Provinzen
zu gute. Durch den geringen Betrag des stipendiären Teils von Ghriechen-
land neben den freien Städten und römischen Eolonieen erklärt es sich, wie
diese Provinz leicht einen Anhang an eine andere bilden konnte. Dio
60, 24 (z. J. 44): rriv 'Axalav %otl t^v Mansdoviav atif^tots a^iovöif H
ovntQ 6 Tipigiog ^q^e didopLSvag ccnidoDTisv 6 KXavSiog totB t^ nXfiQO.
Sueton Claud. 26.
2) Sneton Ner. 24: Decedens provinciam univcrsam libertaU donavü
simtUque iudices civitate Bomana et peamia grandi; quae hm^icia < medio
studio Isthmiorum die sua ipse voce pronwntiavit Pansan. 7, 17, 3. s. folg.
Anmerkimg. ^ j
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- 325 —
befreien. Als Ersatz f&r Achaja gab sie Nero dem Senat zurück,
aber wie dann dieser von Yespasian Makedonien und Achaja
zurückerhielt, ging Sardinien wieder in kaiserliche Verwaltung
über.*)
7. In der grofsen Masse, welche die Provinzen gegenüber Kuuur-
Ton Italien bilden, bleibt der Unterschied der Eulturgebiete verwaitang.
natürlich bestehen. Der hellenische und hellenistische Osten, der
letztere mit den zum Teil, wie in Syrien, recht beträchtlichen,
in den unteren Schichten vorherrschenden semitischen oder
sonstigen vorgriechischen Volksteilen^, nimmt zwar in Eolo-
nieen, Verkehrsmitteln, Verwaltungsorganen Bestandteile des
westlichen und allgemeinen Staatswesens auf, behalt aber im
übrigen seine Eigentümlichkeit, es besteht kein Bestreben, die-
selbe zu störeu, ja sie wird, namentlich in Griechenland selbst,
sogar gepflegt. Ägypten behält ebenfalls seinen Sondercharakter,
nur dafs unter dem Schutz der römischen Verwaltung der helle-
nistische Verkehr das noch weiter ausbreiten kann, was unter
den Ptolemäern an neuen Eulturelementen eingeführt worden
war.*) Dagegen föllt die ganze übrige Ländermasse den Ein-
wirkungen der italischen Eultur anheim. Durch die Art
der Truppenverteilung und Rekrutierung wird die Trennung
zwischen den beiden Hälften auch auf das Militärwesen ausge-
1) Dio 66, 28 z. J. 6 n. Chr.: Xjjaral avxvä nccritQSxov, äcts xifv
Za(fdm ikTid' &^%orta ßovXsvrriv hsai. xQtal üxei9 dXlcc CTQatn6zai.g ts %al
oxQattaQxaig tnnevöip imtQanrjvai, Pausan. a. a. 0. Sa^dm tiiv vrjoov
ig tä fidXiata sv9aC(iovcc dvtl ^EXXdSog atplaiv (den Römern, d. h. dem Senat
und Volk) dvTsSayKev {NiQcnv), — ov fi^v "EXXricC ys iisyivsTo ovaa^ai tov
daQW Ovsanaaiccvov yot^ — aQ^avtos ig i(i(pvXiov axdaiv TCQOi/ixd'rjaav nal
atpdg vnottXsTg xb av^ig h Ovsanacuxvog ilvai (poQfov xal d%ovsi>v iniXBvcsv
Tiyeiiovog d7eonB(ia^ri%ivai tpriaccg xrjv iXsvd'Bifiav to iXXrivmov, Über die
Zeityerhältnisse des Umtauschs von Sardinien und Achaja Mommsen,
Hermes 2, 111. 8, 172. Marqnardt, Staatsverw. 4*, 249. — Unter Vespasian
ist Sardinien anfangs noch unter Prokonsuln (Mommsen, Herrn. 2, 173),
spater wieder unter Prokuratoren. Or.-Henz. n. 6190 (74 n. Chr.); 4031
(anbest. Jahr); sp&tere Inschriften Wilmanns, ex. 2. ind. p. 468.
2) Vgl. Nöldeke in Zeitschr. der deutscjien morgenl. G^esellsch. XXXIX
(1886) S. 1 ffl (mit Beziehung auf Mommsens Darstellung in röm. Gesch.
Bd. V.)
8) Der Stand der römischen Verwaltung zu Anfang dieser Periode bei
Strabo p. 797; Schilderung der zust&ndlichen Verhältnisse nach neuen
Quellen bei W. v. Hartel, über die griech. Papyri Erzh. Bainer, Wien
1886 S. 19 ff. n ]
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dehnt ^); und in der Teilnahme der Bevölkerung an den staatlichen
Rechten macht sich das Verhältnis zur westlichen Seite auch darin
geltend, dafs ein Aufsteigen in die oberen Reichsstände der Ritter-
schaft und des Senats den westlichen Provinzen schon ziemlicli
freigebig gewährt ist, als aus den ostlichen erst vereinzelte Beförde-
rungen bemerklich werden.*) Durch alle Teile dieses Provinzial-
gebiets hindurch aber zeigt sich die Macht der römischen Ver-
waltung. Sie zieht mit einem geringen Apparate in jeder Provinz
auf und läfst oft die bisherigen Gemeinden beinahe unverändert
fortbestehen, und doch welche Wirkungen bringt sie im ganzen
wie im einzelnen hervor! Sie trennt, wo sie grofsen, weit ver-
breiteten Nationalitäten gegenübersteht, zuerst durch die Schöpfung
der provinziellen Bezirke die bisherigen nationalen Zusammen-
hänge und richtet die Interessen auf neue von ihr geschaffene
Mittelpunkte hin; dabei werden je nach den Verhältnissen die
Verbände bald gröfser bald kleiner gestaltet: die einzelnen Pro-
vinzen müssen ein beschränktes Gröfsenmafs haben, daneben
aber wird in Gallien ein gemeinsamer Landtag für drei Provinzen
gewährt, während in Spanien jede Provinz einen besonderen
Landtag erhält Gerade in Gallien zeigt das Jahr 69, wie selbst
eine grofse Nationalität nach kurzer Zeit unter dem Einflufs der
romischen Verwaltung so sehr auf die neuen Verhältnisse zu-
gerichtet worden ist, dafs sie die nationale Vereinigung nicht
mehr finden kann. Daneben aber wahrt diese selbe Verwaltung
die Reichseinheit, indem sie alle Besonderheiten der einzelnen
Provinzen in denselben Rahmen der gleichen leicht verständlichen
allgemeinen Einrichtungen fafst, mit denen jeder überall zu thnn
hat, und indem sie die durch das ganze Reich gehenden Ver-
kehrswege schafft, auf denen man, nur wenig gehindert durch die
Provinzgrenzen, alle Teile durchziehen kann.^)
1) Vgl. Mommsen, die Konskriptionsordnung der röm. Eaiserzeit in
Hermes XIX, 1 flF.
2) Vgl. die Beispiele bei Friedl&nder, Sittenschild. 1*, 219. Das Ein-
treten von Griechen und Orientalen zuerst in den Ritter-, dann auch in den
Senatorenstand wird von Domitian an bemerkbar; dagegen die Opposition
bei Martial 10, 76; Juv. 7, 14; nur für die Ägypter blieb der von Angastas
angeordnete Ansschluls noch bis zum Anfiang des dritten Jahrb. bestehen.
Dio 61, 17. 76, 6.
3) Was in dieser Beziehung unter den einzelnen Kaisern, oder ancb
unter einzelnen Statthaltern geschah, zeigen die Inschiifben der Meilensteine,
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Die gröfsten Wirkungen aber brachte sie hervor durch die städtowoscn in
Übertragung der italischen Städteverfassung in die Provinzen.
So weit dies in den ostlichen durch Anlage von römischen
Bürgerkolonieen oder Erhebung vorhandener Orte zum Rang von
solchen geschieht^ hat es neben den überkommenen griechischen
Städten nur den Zweck, die Bevölkerung zu mehren, neue Stütz-
punkte für die Verwaltung zu schaffen und die Verkehrslinien
zu hüten; die Zahl der östlichen Kolonieen ist darum auch gering
und in der Periode von Tiberius bis auf Domitian sind es nur
die Regierungen des Claudius imd Vespasian, welche sich durch
eine bewufste und geplante Vermehrung dessen, was Augustus
in dieser Richtung gethan, bemerklich machen.^) In der west-
lichen Hälfte des Reichs dagegen war auch nach Cäsar und
Augustus noch jungfräulicher Boden, für neue Saat günstig, im
weitesten Umfang vorhanden, und wie jene zwei Begründer der
Cäsarenherrschaft auf diesem Gebiet gegenüber der Republik
neue Wege eingeschlagen hatten, so fanden sich auch Nachfolger,
welche diese Wege weiter gingen, während andere mit Absicht
oder aus Indifferenz die Romanisierung der natürlichen Entwick-
lang der vorhandenen Grundlagen überliefsen. Es wurde bereits
bemerkt, dalüs schon Augustus in dieser Beziehung vorsichtiger
war als der erste Cäsar: Tiberius hielt vollständig zurück; denn
weder monumentale noch inschriftliche Zeugnisse legen ihm irgend
einen Akt dieser Art bei; aber er hatte gerade in dem Lande,
das zunächst in Betracht kam, in Gallien noch zu kämpfen.
die jetzt im corp. inscr. lat. durch die einzelnen Provinzen verfolgt werden
können. Wie in wenig bevölkerten Provinzen der Strafsenzug zugleich die
Anfänge für Ortschaften giebt, zeigt die Inschr. aus Mahalä in Bulgarien
c. i. 1. III n. 6123 v. J. 61 n. Chr.: {Nero Chaudius) divi Claudi f{iUu8),
Germ{anici) Caesaris n{epo8\ Ti. Caesaris Äug{u8ti) pron{epo8), divi Äug(usti)
abn{epo8), Caesar Äitg{u8tw) Gemi(anicu8) pontif{ex) max{imiU8), trib(unicia)
pci{est€ite) VIII. cos. IUI. p{ater) p{atriae) tdbernas et praetoria per vias
müitares fieri iussit per Ti, Jülium proc{wrator€m) provinciae Thrac{iae).
1) In Galatien finden wir Iconium und Claudiopolis, (Marquardt 1',
364), in Eappadokien Archelais (Plin. n. h. 6, 8), in Syrien Ptolemais (Plin.
6} 75) als claudische Kolonieen, während sonst weder in diesen noch in den
andern Provinzen seit Augustus weitere Städte angelegt waren. Unter
Yespasian wird Kolonie Cäsarea in Palästina (Plin. 5, 69 vgl. auch Emmaus-
Nikopolis ob. 8. 318 A. 2). AufschluTs hierüber geben auch die Beinamen der
Städte auf Inschriften und Münzen; vgl. die Indices in corp. inscr. lat. III.
und die Btädtemünzen bei Cohen, monnaies frappdes 50M5 l'emp. rom.
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Caligulas Herrschaft war zu sehr rein personlich; als dafs ein
sachlicher Gesichtspunkt, wie er hier erforderlich war, von ihm
in Betracht gezogen worden wäre. Mit Claudius dagegen beginnt
ein energischeres Vorgehen, Es gab drei Wege, die man ein-
schlagen konnte, die Provinzen Italien näher zu fahren: Erhebung
der besten Elemente zu den Ehrenstellungen des Reichs, Gründung
von Eolonieen, Erteilung der Latinität oder des Bürgerrechts an
eine gröfsere Anzahl, beziehungsweise an zusammenhängende
Bevölkerungen. Alle diese Mittel hat Claudius angewandt: er
hat die höchste Stufe persönlicher Rechte, das ius honorum im
nördlichen Gallien freigebig ausgeteilt und dieses liberale Ver-
fahren dem wenig hiezu geneigten Senat gegenüber ausführlich
begründet^); nach ihm benennen sich, wie im Orient (ob. S. 327
A. 1) so auch im Westen neu angelegte oder vermehrte Eolonieen
bürgerlichen oder latinischen Charakters*) und vielleicht war er
es, der einigen zwischen der gallischen Südprovinz und Italien
gelegenen Alpenstämmen die Latinität gab.^ Von seinem Nach-
1) Tao. ann. 11, 28 ff. und die Lyoner Rede des Clandius vgl oben
S. 266 A. 4.
2) Z. B. in den zwei mauretanischen Provinzen, die^Clandias ein-
richtete, vier: Tingis und Lixos (Plin. n. h. 5, 2) in Tingitana, Cäsarea nnd
Oppidum ncvnrn in Caesariensis (Plin. 6, 20); die Hauptstadt der Narbo-
nensis nennt sieb col. Julia Patema Claudia (vgl. meine Gallia Narb.
p. 110); in Thrakien ist die colonia Claudia Aprensis (Apri des Plin. 4, 47)
Orelli 612; in Pannonien Plin. 3, 146: oppida {Noricorum) Virunum, Cdeia,
Teumia^ Agtmium, Juvavum, omnia Claudia, Flavium Solvense. Norids
iunguntur locus Peiso, deserta Boiorum: iam tarnen colonia divi Glaudii
Saharia {colonia Savaria in Pannonien) et oppido Saräbantia Julia habt-
tantur,
3) Plin. n. h. 3, 135: Sunt praeterea Latio donati incolae, ut Oetod^
renses et finitimi Ceutrones, CoUianae civitates, Esturi Ligurihua orti, Vagienni
Ligures et qui Mofitani vocantur Capiüatorumque plura genera ad confinium
Ligustici maris. Mommsen, c. i. 1. V. 810 schreibt diese Verleihung dem
Augustus zu, weil die Beschreibung der Provinzen bei Plinius auf diesen
zurückgehe, und 0. Hirschfeld, zur Gesch. des latin. Rechte S. 9 stimmt
ihm bei. Ich habe in meiner Gall. Narb. p. 96 n. 68 vermutet, dafs die
Ceutronen, in deren Gebiet ein forum Claudii liegt, von Claudius die La-
tinität erhalten hätten, und p. 110 n. 18, dafs die cottischen Alpen, wie die
Seealpen (s. folg. Anm.) sie dem Nero dankten. Das erstere halte ich
auch jetzt noch für das nächstliegende; das andere ist allerdings zweifel-
haft, weil in dem Zeugnis über Nero die cottischen Alpen nicht mit er-
wähnt werden. Was aber das Zeugnis des Plinius betrifft , so erscheint er
gerade in dem betreffenden Abschnitt von seiner sonstigen Hauptqnelle
unabhängig. — Wenn es femer bei Plin. 6, 20 heifst: oppidum (in Maure-
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folger Nero wird berichtet, dalisi ihm der südlichste Teil der
Westalpen, die Seealpenprovinz, diese Vergünstigung verdankte^),
sonst aber ist seine Regierung den Grundsätzen des Claudius
nicht gefolgt. Mit Hohn spricht sein Minister Seneca von den
Bürgerrechtsverteilungen des Vorgangers*), wohl nicht blofs,
weil eben dieser nach allen Seiten hin verunglimpft werden sollte,
sondern auch hier in Einklang mit der Stimmung in Senats-
kreisen, die einer rascheren Ausbreitung der Civitat abhold war.
In den auf Nero folgenden Kämpfen war die Verleihung höherer
Rechtsstufen ein Mittel um Anhänger zu gewinnen oder zu be-
lohnen, wobei mit dem Untergang des Verleihers öfter auch das
Verliehene wieder entzogen wurde. '^ Dagegen trat mit Vespasian
auch hier wieder ein überlegtes Verfahren ein: in Kolonisationen,
Verleihung von Bürgerrecht und Latinität, in Verbindung damit
Vergebung von Stadtrechten an bisherige Unterthanenorte, wo-
durch dieselben Municipien wurden. Das hervorragendste Bei-
spiel hievon ist die Verleihung der Latinität an die bisher in
gemeinem Unterthanenverhältnis stehenden Gemeinden Spaniens,
eine Mafsregel, die von der Censur des Vespasian und Titus aus-
gehend (ob. S. 295. 296) mit ihren Konsequenzen begreiflicherweise
erst unter der Regierung Domitians völlig durchgeführt werden
tanien) cekberrimum Caesarea^ (mtea vocitatum Joly Jubae regia a divo
Claudio eoUmiae iure donata, eiusdem iußsu deductis veUranis Oppidum
Novum, et Lotio dato Tipasa^ itemque a Vespasiano imperatore eodem mutiere
donatum Icosiutn, so erscheint auch hier Claudias als Verbreiter der Latini-
tät; B. überdies unten S. 880 A 2.
1) Tac. ann. 15, 82: Eodem anno (im J. 68) Caesar nationes Älpium
maritimarum in tu« Latii transtülit.
2) Lud. de morte Ol. 8: Clotho: ego mehercuka, inquit, pusiUum tcm-
poris adicere Uli voJebam^ dum hos paucvHos, gui super sunt, civitate donaret;
constituerat enim omnes Graecos, Gallos, Hispanos, Britannos togatos videre.
8) Plinins n. h. 8, 80: iactatum procellis reip. Latium (ob. S. 296 A. 8);
dieser Ausdruck für das zu Parteizwecken in den Prätendentenkämpfen des
J. 69 vergebene latinische Recht wird verstandlich durch Tac. bist. 1, 8:
Gälliae super memoriam Vindicis obligatae (dem Galba) recenti dono Bomanae
civitatis et in posterum tributi levamento; proximae tarnen Germanicis exer-
citibus Galliarum civitates non eodem honore habitae; 1, 78: Eadem Jargitione
(Otho) civitatium quoque ac provinciarum animos adgressus — Lingonibiis
universis civitatem Bomanam — dono dedit; nova iura Cappadociae^ nova
Äfricae, ostentata magis quam mansura. 8, 55: (Vitellins) foedera sociis,
Latium externis düargiri; his tributa dimittere^ alios immunitatibus iuvare.
Vgl. 0. flirschfeld a. a. 0. r^ ]
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- 330 —
konnte.^) Durch direkte und indirekte Zeugnisse ergiebt sich
aber; dafs Vespasian auch sonst die Latinität in bedeutsamer
Weise verwendet, z. B. sie den Helvetiem gegeben hat.*) Ins-
besondere war er es, der wie im Orient so auch in den sonst der
Bomanisierung noch weniger zugänglichen Donaugegenden einige
beträchtliche weitere Mittelpunkte derselben schuf) — Ali
dieses ging in den kaiserlichen Provinzen wie in denen des Senats
vor sich. Von den letzteren war in Sicilien, Hispania Baetica,
dem narbonensischen Gallien , Afrika durch Augustus schon so
viel geschehen, dafs die bereits Italien näher gebrachte Gestaltung
mit ein Motiv für die Überlassung an den Senat war. Was
aber in dieser Richtung weiter gethan werden sollte^), konnte
1) Infolge der Verleihung wurden den jetzt zn mimicipia civium Laii-
norum gewordenen Städten Stadtrechte gegeben; die zwei davon auf uns
gekommeDen Exemplare der Städte Salpensa und Malaca in Bätica (c. L
1. II n. 1963. 1964. BruDS, fontes^ p. 180—141) sind zwischen 82 und 84
gegeben (Mommsen, Stadtr. von Salp. und Mal. in Abh. der sächs. GeseUscL
2, 389 f. 399 f.). Verzeichnisse von Bpanischen Latinerstädten , die nun als
municipia Flavia bezeugt sind, bei Monunsen a. a. 0. S. 400 A. 24. Inl
zu corp. i. 1. n p. 747 f.; vgl überdies das in diesem Bande von Hfibner
zn den einzelnen Städten bemerkte.
2) Hinsichtlich Helvetiens vgl. Mommsen, Schweizer Nachstudien in
Hermes 16, 467—474. Mommsen sucht a. a. 0. nachzuweisen, dals die von
Hadrian eingeführte kaiserliche Leibwache der equitea singülares aus Völker-
schaften und Gemeinden von latinischem Recht genommen worden sei, und
bestimmt dann nach diesem Gesichtspunkt das Rechtsverhältnis der Heimate-
gemeinden, die auf den Inschriften der egwites sing, angegeben sind. Es ergiebt
sich daraus, dafs eine Reihe von Städten, welche bei Plinius und auf Inschriften
coloniae genannt werden (aufgezählt S. 472), darunter eben solche, die ihr
Eolonierecht von Claudius und Vespasian herleiten, nicht Bürger-, sondern
Latinerkolonieen waren. Damach ist also nun von Claudius und Vespasian
das von Julius Cäsar angewandte Princip der Verbreitung der Latinität als
Vorstufe des Bürgerrechts im Grofsen aufs neue wieder angewandt worden.
3) Vgl. die col Flaviae Sirmium und Sciscia, vielleicht auch das
tnunidpium Vindobona, Von Bedeutung für diese Gebiete war auch Flwno-
polis in Thrakien, das Plin. 4, 47 nennt, wozu nach Zumpt 1, 396 and
Marquardt, Verw. 1, 315 auch noch Develtus und Oleiticos {Avlalov rcixo;)
zu fügen wären. — Mösien dagegen blieb hiervon noch unberührt.
4) Über Sicilien vgl. Marquardt, Verw. 1, 246; über Bätica sagt schon
Strabo p. 161: ot nsgi zhv Baitiv rsXims slg tov ^Pmnaüov futaßißXrjrtai
ZQonov ovdh trjg diaXinrov rrjg atpsti^ag ixv (iBiivrifiivoi, ÄazivoC ts oT
TtXBioxoi ysyovaai xod inoinovg slXi^fpaci *P(0(iMÜivg Süts iutlqov dxi%ov9i
tov ndvtsg thai ^PatfiaCoi; genauer Plinius 3, 7 nach der augustischen
Quelle: col Villi, municipia c. Ä. X, Latio antiquiius donata XXVII,
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- 331 —
^rohl durch Statthalter oder durch Initiative von Senatoren beim
Senate angeregt werden; aber die Erteilung von Rechten war
Sache des Kaisers. Es ist jedoch allem nach der kaiserlichen
Regierung überall auch die Initiative zuzuschreiben; nur werden
die Kaiser Mafsregeln von mehr als personlicher Bedeutung mit
dem Senat vereinbart haben. Ob man in diesen friedlichen Pro-
vinzen schon in dieser Periode über die Latinität hinaus ging
und latinischen Gemeinden das Bürgerrecht erteilte, dafür fehlen
sichere Daten.*)
Die auf diese Weise durch das Reich in die Provinzen ge-
tragene Kultur hat natürlich je nach den Formen des Ein-
heimischen, das sie dort traf, verschiedene Gestalt gehabt, und
ein Gang durch die römischen Provinzen bietet darnach sehr
mannichfaltige Bilder, aber diesen nachzugehen ist nicht die Auf-
gabe dieser Darstellung*); dieselbe hat vielmehr gerade die einheit-
liche Kraft hervorzuheben, der diese Wirkungen entspringen.
Dafs es das Verdienst des Kaisertums war, diese Kraft geübt zu
haben, ist allgemein anerkannt; der Anteil, der den einzelnen
Regierungen an diesem Werke zukommt, tritt für die heutige
Forschung immer deutlicher zu Tage^) und dient wesentlich mit -
dazu, das Urteil über dieselben festzustellen.
libertcUe VI foedere III, sHpendiaria XX; über das südl. Gallien meine
Gall. Narb. p. 97 ff. und Hirscbfeld a. a. 0.; über Afrika der bei Plinios
6, 29 f. beschriebene Zustand mit Vergleichung des in c. i. lat. VIII ge-
gebenen und verarbeiteten Materials.
1) Wenn in Bätica die von Plinius erwähnten 120 St&dte erst unter
den Flaviem die Latinität erhielten, sind sie in dieser Periode jedenfalls la-
tinisch geblieben. Hinsichtlich des narbonensischen Galliens giebt Plinius
in seiner Beschreibung 8, 31 — 37 den durch Augustus erreichten Zustand
wieder, ohne wie in Spanien eine seitdem eingetretene Neuerung anzufügen.
Mommsen schliefst Hermes 16, 471 aus dem Nichtvorkommen von equites
singulares dieser Provinz, dafs dieselbe vor Hadrian das römische Bürger-
recht hatte. In Afrika können wir nur sagen, dafs die Einrichtung italischer
Städte in dieser Periode nicht tiefer in das Binnenland hinein getragen
wurde. — Übrigens sind beim römischen Bürgerrecht selbst wieder mehrere
Stufen zu unterscheiden, worüber jedoch erst im System zu reden ist.
2) Vgl. für diesen Zweck J. Jung, die romanischen Landschaften des
röm. Reichs. Innsbruck 1881, vor allem aber Mommsen, röm. G^sch. Bd. V.
3) Die Zusammenstellung, welche Zumpt commentat, epigraph. (1860)
1, 381— -438 für die einzelnen Regierungen giebt, für ihre Zeit verdienstlich,
bedürfte einer Erneuerung nach dem seither so ungemein vermehrten In-
schriftenmaterial; doch ist bei Marquardt, Verw. Bd. 1 in die Statistik der
einzelnen Provinzen dieses Material zu einem guten Teil eingearbeitete j
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— 332 -
Dritter Abschnitt.
Die verfassnngsmäMge Eaiserfolge von Nerva bis Commodus.
Allgemeino
charakteriBtik. Wclchei Initiative auch der neue Kaiser die Nennung seines
Namens für das Principat zu danken hatte ^)y nachdem er genannt
war, wurde er vom Senat formell anerkannt und war damit ein
verfassungsmäfsiger Princeps. Von ihm aus sind die nächst-
folgenden Principes in geordneter Weise zu ihrer Stellung ge-
kommen mit einem als korrekt anzusehenden Verfahren und
diese konstitutionelle Regierungsfolge ist es, welche die ganze
Reihe einschliefslich des Commodus zu einem Ganzen vereinigt
Hinsichtlich des letzteren macht sich eben noch in seinem
Regierungsantritt der Einflufs der vorhergehenden Zeit geltend;
denn er ist zwar als leiblicher Sohn eines Herrschers auf den
Thron gekommen, während seine Vorgänger durch Adoption dazu
gelangt waren, aber formell wurde bei seiner Erhebung dasselbe
Verfahren wie vorher eingeschlagen und damit anerkannt, daCs
nicht die Geburt, sondern die mit dem Senat vorgenommenen
politischen Akte die rechtliche Grundlage der Gewalt seien. In
dieser Regelmäfsigkeit der Übertragungsform spiegelt sich der
verfassungsmäfsige materielle Charakter dieser Regierungen wieder;
er reicht so weit als die Initi'ative der Übertragung geht, bis auf
Marcus Aurelius, während der letzte der Reihe tyrannisch auf-
tritt, aber auch dem entsprechend endigt. Das Programm dieser
Periode wird von senatorischer Seite gleich zu Anfang ver-
kündigt.^) Was sonst unversöhnlicher Gegensatz war, Principat
1) Der Hergang der Erhebnng des Nerva wird nicht näher berichtet,
aber da er nicht von den Soldaten erhoben war, so kann es nicht anders
zugegangen sein, als dafs die Anhänger der Verschworenen im Senat ihn
in dieser Behörde vorschlagen nnd der Senat für ihn cuncta princ^pilm
soUta beschlofs.
2) Tac. Agric. 3: quamquam primo statim heatissimi saecuU ortu N&w
Caesar res olim disaocidbihs tnisctierit^ principatum ac libertatem, augeatque
guotidie felicitatem temporum Nerva Traianus, nee spem modo ac ro<«»
secwrüas publica sed ipsius voti fiduciam ac robur adsumserü. — Hist. 1, 16
(dem Ghilba in den Mund gelegt, aber auf die eigene Zeit des Tacitos
gehend): si inmensum imperii corpus stare ac librari sine rectore posset, digrm
eram a quo respublica inciperet : nunc eo necessitatis iam pridem ventum estj
ut nee mea senectus conferre plus poptHo Bomano possit quam bonum suc-
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- 333 -
und Freiheit, wird jetzt vereinigt. Die Republik, die volle Form
der Freiheit, ist allerdings nicht mehr möglich; aber man kann
ihr mit dem Principat wenigstens nahe kommen. Die Grundlage
daför ist eben, dals man den Princeps wählt, daTs die Adoption
es ist, welche den för die Wahl empfehlenswertesten findet und
vorschlägt. Was man unter Freiheit in materiellem Sinn ver-
steht, wird nicht ausgef&hrt; sie hätte genau genommen nicht
anders als dahin definiert werden können, dafs die eigentliche
Regierung wieder der Magistratur und dem Senat zustehe und
das Principat zur bloISsen Hilfsgewalt zurückgebracht werde; allein
dies wagt man denn doch nicht auszusprechen, vielleicht kaum
ernstlich zu wünschen, und so begnügt man sich, die Wirkung
zu bezeichnen, welche man sich von dem neu angebrochenen glück-
lichen Zeitalter verspricht, die Wiederkehr der öffentlichen Sicher-
heit, gewils nach der eben durchlebten Zeit Domitians der natür-
lichste und in jeder Hinsicht berechtigtste Wunsch. Die Darstellung
der nun folgenden Regierungen wird zeigen, in welcher Weise
die Hoffnungen, die an den Aufgang der neuen Zeit geknüpft
waren, sich erfüllten, dafs nicht blofs die persönliche Rechts-
sicherheit erzielt wurde, sondern auch ein Zustand vorher nie
gesehener positiver Wohlfahrt, aber freilich nicht durch Ge-
währenlassen, sondern dadurch, dafs das Principat sich als die
lebendigste, handlungsfähigste und handlungskräftigste Magistratur
bewährte, die von ihren herkömmlichen Befugnissen nicht nur
nichts abgiebt, sondern sie so sehr wie möglich verwertet und
die republikanischen Faktoren in bestimmten Grenzen der Mit-
wirkung erhält. Die Regierung des Commodus aber bildet zu den
vorhergehenden Principaten nicht nur den Kontrast, sondern auch
gewissermafsen die Kritik: sie zeigt aufs neue, dals ein Verhält-
nis öffentlicher Gewalten, bei dem die Mäfsigimg des mächtigeren
Teils in der Hauptsache auf dem guten Willen beruht, nicht
genügt, wie denn auch der Widerspruch zwischen Wahl und
Erbrecht nur durch die Thatsachen eine Zeit lang auf dem
cesforem, nee tua plus inventa quam honum principem, Suh Tjberio et Gaio
et Claudio unius familiae quasi hereditas fuimus: hco libertatis erit guod
^igi eoepitnus, et finita Juliorum Claudiorumque domo Optimum quemque
adoptio iw>eniet; nam generari et nasci a principibus fortuitum nee uitra
aestimatur: adoptandi iudieium integrum et, si velis eligere, consensu mon-
stratur. — Imperaturus es hominihus qui nee totam servitutem pati possunt
nee totam libertatem. ^ I
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- 334 -
Weg der Adoption gelöst wurde^ nicht wie Tacitus es meinte,
durch prinzipielle Festsetzung.
Aber die Generationen , die unter den guten Regierungen
des zweiten Jahrhunderts lebten^ hatten Ursache, diesem tbat-
sächlichen Verhältnis dankbar zu sein und sorgten unter der
Gunst der Gegenwart nicht um die Zukunft.
§ 80. Nerva tuid Trajan.^)
Ncrva.») 1. In den ersten Monaten von Nervas Regierung war
neben der Restitution der Verbannten die allgemeine Losung die
Rache an den Angebern, überhaupt an den Feinden, die man
unter dem vorigen Regiment gehabt und als dessen Anhänger
verfolgen konnte.*) Nerva, zunächst nicht kräftig genug, nm
die Bewegung in Schranken zu halten, fand endlich auf ein
mahnendes Woii des ^inen der damals fungierenden Konsuln
den Mut Einhalt zu thun, so dafs sogar mehrere der verhafstesten
Ankläger später in allen Ehren weiter lebten.*) Überhaupt aber
hatten weite Kreise zu erfahren, dafs die Zeit der Verfolgungen
vorüber sei.^) Eine andre Art von Reparatur war es, dafs Nerva
Männer von Auktorität wie Verginius Rufus, der freilich nur
1) Für Nerva und Trajan ist von erzählenden Qaellen die Auwiigs-
litteratur vorhanden, Xiphilinns und Zonaraa aus Dio, Aurelius Victor in
den Caesares und der Epitome, wobei för Nerva die letztere ergiebiger itt,
endlich Eutrop und Orosins. Philostratus giebt in dem romanhaften Lebeo
des Apollonins von Tyana seinem Helden nahe Beziehungen zn Nerva; was
daran wahr ist, läfst sich nicht sagen.
2) Namen und Titel auf Inschriften und Münzen: Imperator Neroa
Caesar Augustus Germanicus pont, max. trib. pot. , , cos . , pat. patf'
Zum dies imperii (18 Sept. 96) corp. i. 1. VI. 472 = Henzen 6486. Wil-
manns n. 64: Libertati ah imp. Nerva Ca[e8]are Aug. anno ab urbe conääa
DCCCXXXXIIX XIIIL [k.] Oc[tl restitultae'] s, p. q. r.
3) Dio 68, 1. Plin. ep. 9, 13: occiso Domitiano Statut mecum ae deU-
beravi esse magnam pülchramque materiam insectandi nocentes^ miseros vindir
candif se proferendi. — ac primis quidem diebus redditae Itbertatis pro se
quisque initnicos suos, dumtaxcU minores, incondito turbidoque damore postur
laverat simul et oppresserat
4) Dio a. a. 0. Plin. 1, 6. 4, 22; auch die von Domitian verliehenen
Beneficien wurden anerkannt, und wir haben in Plinius' Briefen an Tnyan
(ep. 68 Keil) noch den Wortlaut des betr. Edikts.
6) So wurden die Verfolgungen wegen der Judensteuer eingestellt;
Dio a. a. 0., bestätigt durch die Münzen mit fisci Judaici calumnia suhhia
Cohen 2*, p. 6.
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- 335 -
kurz mehr lebte*), und Frontin für 97 und 98 neben sich zu
Konsuln machte; unter solcher Leitung konnte der Senat sich
allmählich der neuen Lage entsprechend einrichten, mit jenen
Männern konnte der Kaiser sich unter den Kräften, die der
Senat bot, umsehen und die Auswahl derer trefiFen, die seine In-
tentionen unterstützen sollten. Die laufenden Greschäfte wurden
in durchaus konstitutionellem Sinn mit dem Senat oder den
Spitzen desselben beraten, den Senatoren wurde die feste Zu-
sicherung gegeben, es solle unter dem neuen Kaiser kein
Todesurteil über einen Senator gefallt werden, und man glaubte
in der Kurie wieder an die Freiheit der Rede.*) Der geschäfts-
erfahrene Kaiser war aber nicht blofs Organ des Senats, sondern
hatte auch seine eigenen Ideen, die er unverzüglich zur Aus-
führung brachte. Seine Erfahrung bezog sich allerdings nach
einem mehr der Thätigkeit des Beamten und Senators in Rom
als der Proyinzialyerwaltung gewidmeten Leben vorzugsweise auf
die Centralregierung und Italien, aber was er hier that, zeigt,
dafs er über die Schäden des Reichs und die Zustände des
Mutterlandes vielfach nachgedacht hatte, so dafs er nun in der
kurzen ihm zugemessenen Zeit schwieriger Verhältnisse Herr
wurde und eingreifende Reformen schuf. Erstaunlich rasch wurden
unter Mitwirkung einer Senatskommission die schwer zerrütteten
Finanzen geordnet und durch Sparsamkeit in Largitionen wie in
regelmäfisigen Ausgaben sogar noch Mittel gewonnen, um sogar
— in Italien wenigstens — Erleichterung der Lasten bewilligen zu
können.') Auf dieser Grundlage wurde sodann der wirtschaft-
1) Plin. ep. 2, 1; über die genaue Zeit seines Todes im J. 98 und
damit auch des Konsulats von Tacitns, der als Eonsnl dem Verginins die
Leichenrede hielt, vgl. Asbach, anal, histor. et epigr. p. 16 f., dem Urlichs,
de viU et hon. Tac. f. 18 beistimmt.
8) Die 68, 2: mfiooe xal iv xA cwid^Cm (itiSiva tmv ßovlBvtmv (poP€v-
9H9y ißeßcUmai ts tor Zq%ov %aCnBQ inißovlev^iig' inQcctts dl ovdlp Ott
f^4 fiera tov ngoitap dvögAv. Jener Eid band aber nur ihn und schuf
keine bleibende Befireiong von dem Eapitalgericht des Kaisers. So war man
freilich noch weit genog entfernt von den Errangenschaften des römischen
Bürgers unter der Bepublik, fühlte sich aber doch in rara temporum fdi-
^^kAe, vkbi sentke quae vdis et quae sentias dicere licet. Tac. bist. 1, 1.
8) Dio a. a. 0. Plin. 2, 1, 9: (Der kranke Verginius besorgte) ne inter
gy^nqueviros crearetur, qui minuendis püblieis sumptibus iudicio senatus
conktäuebantur. Die Angabe der Münze bei Cohen 2, Nerva n. 127 (plebei
fomanae frumento constituto) deutet Mommsen, röm. Trib. S. 198 dpauf, t
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liehen Lage Italiens wieder aufgeholfen einmal durch neue Ver-
teilung von Land; das zu diesem Zwecke aufgekauft wurde,
sodann durch Erleichterung der Eindererziehung, um in unmittel-
bar fruchtbarerer Weise als es von August durch die Gesetz-
gebung über Ehelosigkeit und die Privilegien für die Au&iehimg
mehrerer Kinder geschehen war, für die Vermehrung der Be-
völkerung zu sorgen. Für den ersteren Zweck wurde zugleich
die alte Form eines komitialen Ackergesetzes ins Leben gerufen^)
und damit wieder ein Versuch gemacht, die Volksrechte in Übung
zu bringen, ein Versuch, der bei dem Charakter der Bürgerschaft
und in dem Ganzen der Institute der Kaiserherrschaft natürlich
keine weiteren Folgen und bei diesem einmaligen Vorkommen
einen sachlichen Zweck nur etwa darin haben konnte, dafs darch
die Empfehlung des Plans vor allem Volk diejenigen selbst, za
deren Gunsten das Gesetz gegeben wurde, für die grofsen hier
vorliegenden Literessen gewonnen würden. Über die Art und
Weise der Ausführung ist bezeugt, dafs sie durch eine Kommisaion
geschah^ und dafs diese ihr Werk zu Ende brachte, liegt indirekt
in dem Bericht darüber ausgesprochen. Daneben verstärkte er
einige alte Kolonieen und zwar nicht blofs in Italien.^ Dafs
Nerva daran dachte, die Assignationen zu einer von Zeit zu Zeit
sich wiederholenden Einrichtung zu machen, wird nicht berichtet:
dazu hätte die Bildung eines Fonds gehört, zu dem er die Mittel
nicht bereit hatte; doch konnte, was freilich in Wirklichkeit
nicht geschah, das einmalige Beispiel wirken, wenn gleichgesinnte
dafs eine Zeit lang Nerva die Eorngaben sistiert und dann wieder gegeben
hätte. Besonders hervorgehoben wird femer anf Münzen, dafs ItalieO) d. h.
den italischen Gemeinden die Last der Unterhaltung der Reichspost abge-
nommen wurde. Cohen 2, 148 mit der Legende : VehictiUtHone lUüiae re-
missa und entsprechendem Bild.
1) Dio 68, 2: toCg itdvv nivTjai xmv *PcD(Mximv ig xiXidSa nttl Msvia-
noüCag (iVQiddag y^( %tijai.v ixaqiaaxo^ ßovXevtaig xmi x'fyß t€ afOffasktv
avtmv xal trjv SuivofJLrjv itgogra^ag. Plin. ep. 7, 81: a CordUo nostro ex
liberälitate imperatoris Nervae emendis dividendisque agris (idiutor adsumpUa.
Dig. 47, 21, 3: Lege agrariay quam Gaius Caesar ttUü — ; aiia quoque Uge
agraria, quam divus Nerva tülü, cavetur etc.
2) Agrimens. ed. Lachm. p. 239 (das Feld yon VertUae im Heroiker-
land) ah imp. Nerva colonis est redditus. Or.-Henz. «» Momms. inscr. Keap. 68:
cöloniae Minerviae Nerviae ScoTlacio (Scyllacium in Bruttium) aquam dfA
(Hadrian). Wilmanns n. 1030: {cölonia) Nerviana Aug(usta) MartiaUs ve-
teranorum S%tifen{sium) vgL Zumpt comm. epigr. 1, 399^ i
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- 337 —
Nachfolger kamen. Das zweite Institut dagegen war bei seiner
Begründung so gedacht , dafs es dauernd wirken sollte, und es
hat auch von der ersten Einrichtung aus Nachahmung und Er-
weiterung gefunden; Nerva konnte es übrigens nur begründen,
erst Trajan hat es ausgeführt*) Der Zweck, der damit erreicht
werden sollte, war ein doppelter: der eine, der im Namen lag,
bestand darin, durch Schaffung eines Fonds, dessen Zinsen diesem
Zweck dienen sollten, Mittel zu gewinnen, um Waisen erziehen
zu lassen und bedürftigen Eltern Unterstützung zur Kinder-
erziehung zu gewähren. Der andere nicht ausgesprochene Zweck
lag in der Art der Anlage des Fonds. Derselbe wurde, an die
Grandbesitzer gewisser Gemeinden gegen mafsigen Zins gegeben
und damit Gelegenheit geschaffen, Ackerbesitz mit fremdem
Kapital günstig zu erwerben und umzutreiben. ^) Da Trajan noch
weiteres daran knüpfte und da, nachdem die Sache sich befestigt
hatte, ein neuer Yerwaltungsposten dafür eingestellt wurde, so
wird noch weiter davon die Rede sein; zur Charakteristik Nervas
dient es aber, dals er in seiner kurzen Regierung sofort Gelegen-
heit nahm diesen Plan anzuregen.')
1) Yict. epit. 12: pueUas puerosque ncctos parentihus egestosia sumpiu
pyblico per Itcdiae oppida alt ius9Ü. Der Auszug aus Die erwähnt unter
Nerra die Sache nicht, sondern l&Xst erst den Trajan und zwar sofort nach
seiner ersten Rückkehr nach Rom im J. 99 solche Fürsorge treffen, auch
hier, ohne daüs des Nerra Erwähnung gethan wird. Dafs nun Trajan in
dieser Richtung thätig war, ist aufser Zweifel; aber gerade, dafs er so frühe
schon hier eingreifen konnte^ spricht dafür, dals ein AnfiEing Ton Nerva da
war, und zu dem Zeugnis der Epitome tritt die Münze Tom J. 97, Cohen
2, 142. Schwieriger scheint mir eine andere Frage zu sein. Plinius hat,
wie ep. 1, 8 berichtet ist, in seiner Heimat Comvm eine ähnliche Stiftung
gemacht. Wie kommt es, dafs er weder an dieser Stelle, noch im J. 18,
wo er sein Beispiel einem andern empfiehlt, des kaiserlichen Vorgangs ge-
denkt? Ist er mit seiner Schenkung dem Nerva vorangegangen und sind
überhaupt Vorgänge für diesen da gewesen? Indessen als Plinius 7, 18
schrieb, (i J. 107), hatte er jedenfalls das Beispiel auch Trajans vor sich
(vgl. auch Panegyr. 26) und spricht doch nicht davon; so ist wohl auch
aus dem Schweigen in seinem Brief von 97 nichts anderes zu schliefsen, als
dals er eben sein Thnn nicht in Parallele mit dem des Kaisers setzen wollte.
2) Vgl. die Obligationsurkunde vom J. 101, in welcher [ob liberaii-
tatem opUmi] maocimiqus principis obligarurU prae[dia ex propo8]üo Li-
ffurea B<ubia{ni et Comeliani, ujß ex indulgentia eius jpiim pueUaeque
<d{menta a}(!cipiaM, Text bei Henzen n. 6664, Wilmanns 2844. Weiteres
s. bei Tngan.
8) Vgl. auch oben S. 309 Anm. 1. ^ .
Her»og, d. röm. StaaUverfL H. 1. I^atized by VjOOglC
— 338 -
Bedrohnog des 2. Mitten in den anscheinend ruhigen Gang der Überleitung
Adoption des in die neue Bahn konstitutioneller Regierung ^) fiel eine Militar-
revolte. Es scheint, dafs sich Nerva in der Besetzung der einen
Gardepräfektenstelle getäuscht hatte, indem er als Nachfolger des
bei seiner Erhebung thätig gewesenen Norbanus einen schon
früher unter Domitian verwendeten Casperius Alianus bestellte.
Dieser regte die Prätorianer auf, den Tod derer, die den Domi-
tian beseitigt^ darunter des anderen Befehlshabers der Garde, zu
verlangen, und Nerva, offenbar von niemand unterstützt, mnfste
ihnen willfahren.^) Daneben wurde ihm bekannt, daCs ein Cal-
purnius Crassus, aus einer der ersten Adelsfamilien, sich gegen
ihn verschwor.^) Dies veranlafste ihn, unverzüglich eine Ad-
option vorzunehmen, durch die für das Imperium eine Persön-
lichkeit gewonnen würde, die mit der Aussicht auf gutes
Einvernehmen mit dem Senat und auf Regierungsfilhigkeit mili-
tärische Tüchtigkeit verbände: er adoptierte den damals in Ober-
germanien kommandierenden M. Ulpius Trajanus, das erste Bei-
spiel eines ans der Provinz stammenden Princeps.*) Aber letzteren
Umstand zu übersehen war der Senat in seiner jetzigen Zu-
1) Die der Zeit Nervas angehörigen Briefe des Pliniaa (1. Bach Qod
Anf. des 2.) machen den Eindruck ruhiger normaler Zeit.
2) Dio 68, 8. Viot. epit. 12.
8) Ebendas. (Dio a. a. 0.: K^dacov ts KaXnavi^Cov^ xmv K(fat€aw
inehayif inyovov). Vgl. Plin. Panegyr. 6.
4) Ebendas.; überall werden die angegebenen Vorgänge als Motiv für
die Erhebung Trajans angeben. Nach Vict. epit. 18 war L. Licinios Sara
der, cuius studio imperium arripuerat, d. h. der die Wahl des Nerva aof
ihn lenkte. Ebendas. über die frühere Laufbahn des Tr^an; neuerdings
ist diese behandelt hauptsächlich von Dierauer, Beitr. zu einer krii. Qesohichte
Trajans in Büdingers Unters, zur röm. Kaisergesch. 1, 8 ff. Das Datum der
Adoption ist zu berechnen nach Vict epit. 12, wonach Nerva, der am
27. Jan. 98 (nach der Berechnung aus Dio 68, 4) starb, den Trojan noch
8 Monate als Mitregenten hatte. Mommsen, Str. 2, 776 A. 8 (unter teil-
weiser Berichtigung von Hermes 8, 126 f.), vermutet, dals zu gleicher Zeit
die Jahresberechnung der tribunicischen Gewalt geändert worden sei. Dm
spätere feste Jahr derselben, das identisch ist mit dem republikanischen,
10. Dez. bis 9. Dez. (Dio 63, 17), sei bei dieser Gelegenheit eingeführt
worden, so dafs Trajans trib. pot. I von Ende Okt. bis 9. Dez. 97 währte,
trib. pot II vom 10. Dez. 97 an gerechnet wurde. — Vielleicht war bei
dieser Änderung, welche an Stelle der nach dem Datum des Regierongs-
antritts wechselnden früheren Berechi^ung ein festes Datum wenigstens je
vom 10. Dezember nach jeder Regierungsübemahme an^tate, neben dem
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- 339 -
sammeDsetzimg ohne Schwierigkeit bereit*); wenn aber die Wahl
eines Mannes gebilligt wurde, dessen Adel yon ganz neuem
Datum war, so bewies dies, dafs selbst der Adel julischer
Schöpfung keine imponierende Kraft mehr aufzuweisen hatte und
zeigt wieder die Bedeutung der neuen Schichten im Senat, die
in Trajan den ihrigen sahen. Mit der Adoption war die Erteilung
der tribunicischen Gewalt und Teil am Imperium, d. h. die Mit-
regentschaffc, verliehen.^)
Jene Angriffe, welche Nervas Regierung zu erfahren hatte,
liefsen erkennen, dafs er die Auktorität der Herrschaft, welche
für den Imperator unentbehrlich war, nicht besafs und dafs die
Yon ihm eingenommene Stellung zum Senat auf die Dauer nicht
zu halten war: in Gefahren einen Rückhalt zu gewähren, über-
haupt die Zügel auch nur neben dem Kaiser zu führen, war
diese Behörde nicht mehr imstande. Aber um eine neue Zeit
herbeizuführen, dazu war jene Schwäche vielleicht geradezu
förderlich. Die Momente eines letzten geistigen Erwachens nach
dem Yorhergegangenen Druck, die frische, frohe Stimmung, aus
welcher heraus die Vorreden des Agricola und der Historien
Natzen fclr die Zählung auch die Eonzession an die herkömmliche Rechnung
des altrepublikanischen Tribnnats ein Motiv. Vgl. auch ob. S. 270 A. 1.
1) In sämtlichen Quellen wird das Epochemachende des Eintretens
eines Nichtitalieners hervorgehoben, am stärksten Dio 68, 4: oti 'IßriQ 6
Tffatavog all' ovn *ItaXog ovd' 'ixaXimxrn ^v (d. h. nicht in Italien geboren
und nicht einmal daselbst ansässig); aber von einer Opposition dagegen
ist nicht die Bede. Plinius geht in seiner Rede darüber kurz hinweg, nur
etwa in denjenigen Teilen darauf Rücksicht nehmend, in denen er die absolut
freie Wahl von Seiten Nervas und das persönliche Verdienst Trajans her-
vorhebt, das ihn den alten Heerführern gleichstelle; vgl. §§ 8 ff.
2) Plin. Panegyr. 8 f.: gimul ßius, simui Caesar, mox iwperaior et
consors tribuniciae poiestatis et omnia pariter et stcUim f actus es, guae pro-
xime parens verus tantutn in älterum filiutn contulit. Magnum hoc tuae
moderationis indiciim, quod non solum successor imperii sed particeps eHam
8oeii48^»e placuiati; nam successor, etiamsi nolis, häbendus est; non est ha-
hendus socius, nisi velis. — Durch diese Stellung war Trajan über die des
Statthalters einer einzelnen Provinz erhoben, und so konnte er, während er
bis zu seiner Adoption Statthalter von Obergermanien war, die Nachricht
vom Tode Nervas zu Köln in Ni^dergermanien erhalten. Eutrop. 8, 2.
Vict. epit. 18. In der oberen germanischen Provinz war ihm Servianus
nachgefolgt (vit Hadr. c. 2. Plin. ep. 8, 28), in der untern kommandierte
Spurinna (Plin. 2, 7), über beiden stand Trajan. VgU Henzen, iscr.
d'Adriano in annal. dell' inst. 84, 145 ff. ^ y
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geschrieben sind, hat er der romischen Welt gegeben, und jene
Schwäche der Politik hat er eben selbst noch erkannt und geheilt
durch die Fürsorge für die Nachfolge.
Trajan. Die 3. Trajau^) ist Seit Augustus der erste romische Kaiser, der
Aufenthaita in währcud sciucr Regierung wiederholt und je auf längere Zeit-
räume in ernster Kriegführung yon Rom abwesend war: seine
friedliche Regierungsthätigkeit ist demnach in ihren verschiedenen
Stadien nach den Zeiten seiner Anwesenheit in Rom zu be-
messen. Es war ein starkes Zeugnis f&r die richtige Wahl, die
Nerva getroffen, dafs der zu neuen Kräften gelangte Senat die
Übernahme des Imperiums auf Grund der Adoption ohne Weite-
rung bestätigte und Trajan es wagen konnte, noch längere Zeit
von Rom fortzubleiben, während es andererseits nicht minder
ein Zugeständnis des neuen Kaisers an Magistratur und Senat
in Rom war, dafs er diesen Behörden durch seine Abwesenheit
gröfseren Spielraum liefs. Allerdings hatte er in Männern Ton
dem Ansehen eines Licinius Sura kräftige und zuverlässige Ver-
treter seines Willens. Nach seinem Einzug in Rom im Sommer
99 blieb er in der Hauptstadt bis zum Auszug in den dakischen
Krieg Ende März 101.^) Der zweite Aufenthalt in Rom ist be-
grenzt durch die Rückkehr vom ersten Dakerkrieg gegen den
Schlufs des J. 102 und die Abreise für den zweiten Anfang
1) Name: Imperator Caesar, Divi Nervae f,, Nerva Traianus Augustus
Germanicus. Letzteren Teil des Namens nahm Trajan noch als adoptiert
zugleich mit Nerva im Spätherbst des J. 97 an (Mommsen, im Hermes
3, 117); den Namen Badens Ende des J. 102 (vgl. die Münzen mit dem-
selben neben cos. IUI bei Cohen 2, Trai. 128. 129; Mommsen im Hermes
3, 131); der Name Farthicus wird ihm bewiUigt im J. 116 (das genauere
Datnm und die Kritik der Zeitfolge bei Dio 68, 23, bei Mommsen r. 6.
5, 398 A. 1). Das cognomen OpHmtiS ist dem Tngan schon im J. 100 vom
Senat beschlossen (Plin. Paneg. 2, 88), er nimmt es erst im J. 114 als Teil
des Namens (zwischen Trajanns und Aogostas) an, wenn er anch schon
früher auf Denkmälern opUmus princeps genannt wird. Eckhel, d. n. VI
p. 448. 468 f. Wilmanns ex. inscr. n. 936. Über den Titel proeonsui, der
im J. 116 in der Titulatur Trajans auftritt (c. i. 1. 3 p. 870) und anch von
seinen Nachfolgern aufserhalb Roms gefuhrt wird, s. im System. -- Als T«g
des Regierungsantritt?, von dem jetzt nach S. 338 A. 4 die Z&hlung der tri-
bunicischen Jahre unabhängig ist, ist aus Dio 68, 4 (Nerras Regierongs-
dauer) der 27. Jan. 98 zu berechnen.
2) Acta fratr. Arv. bei Henzen p. CXL Z. 23 «. 26. März 101: i^pre
sfüute et reäU)u et victoria imp, Caesaris Nervae . Traiani Äug, Germ.
(folgen die vota),
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Juni 105.*) Die dritte römische Regierungsperiode begreift die
Zeit zwischen dem dakischen Triumph von 106^ dessen genaueres
Datum nicht zu bestimmen ist, und der Abreise für den Orient-
krieg 114^ von dem er nicht mehr wiederkehrte.^) Die Quellen
Rauben y der ersten dieser drei Perioden eine Reihe charakte-
ristischer Handlungen zuzuweisen , die zweite tritt in der Über-
lieferung kaum besonders hervor und war auch bald wieder
durch die Vorbereitungen för eine neue Donauexpedition in An-
spruch genommen^ fÖr die dritte sind wir, obgleich sie acht
Jahre umfafst^ doch wesentlich auf allgemeine Gesichtspunkte
angewiesen«')
4 In den Mafsregeln, die Trajan in jener ersten Periode ThäUgkeit in
traf, tritt durchaus das Bestreben hervor, mit den durch Nerva vorwaitung.
noch nicht beseitigten Schäden aufzuräumen, durch Reformen im
einzelnen, namentlich auf finanziellem Gebiet, sowie durch gute
Justiz einen befriedigenden Zustand zu begründen und durch die
Art des persönlichen Regiments dem Principat einen Charakter
zu geben, der es als mit der Herrschaft des Gesetzes verträglich,
ja geradezu als Wahrer und Hüter solcher Ordnung erscheinen
liefse.^) Offenbar hatte Trajan in den anderthalb Jahren, die er
1) Acta fratr. Arv. p. GXLVil Z. 40. — Diese erst 1867—71 aufge-
fondenen Fragmente berichtigen frühere Annahmen.
2) Vgl. Dieraner 164 A. 4. Mommsen röm. Gesch. 6, 400 A. 1.
S) Mafegebend für das der ersten Periode zuzuweisende ist die in der
2. Hälfte des J. 100 gehaltene grattarum cuiio (Panegyricus) des Konsuls
Plinias. Über die Disposition imd Ausarbeitung dieser Bede s. Dieraner
187 ff. Die AnszOge aas der Gesohichtsdarstellung, die wir haben, geben
fSr die innere Geschichte eben Züge, welche zur Charakterzeichnnng dienen,
daneben die Bautlüktigkeit sowie die Schenkungen Trajans. Für die dritte
Periode geben Ausbeute die Briefe des Plinias, die bis 109 reichen, histo-
risch geordnet, wie de sind (Mommsen, Hermes 8, 86 ff), und sein Brief-
wechsel mit Trajan, der mit Wahrscheinlichkeit 111—113 föllt (Mommsen,
a. a. 0. S. 56—69). Für die Personenkenntnis und einzelne Daten (s. S. 840
A. 2 n. S. 841 A. 1) sind auTser diesem Briefwechsel TOn Bedeutimg die acta
fratrom ArraHnm, ron denen ziemlich umfangreiche Fragmente ans 101,
105 nnd 117 vorhanden sind; vgl. Henzen, acta fr. A. p. GXXXIX— GL. —
Die Edikte n. s. w. Trajans, die den juristischen Quellen zu entnehmen
sind, haben zusammengestellt Franke, zur Geschichte Trajans u. s. Zeit-
genossen. Güstrow, 1887 S. 871 ff. Hänel, corp. leg. p. 69 — 85. Aufser
diesem und Dierauer vgl. von Neueren auch de la Berge, sur le r^gne de
Tngan. Paris 1877. Fröhner, la colonne Trf^'ane. Paris 1865.
4) Paneg. 65: 'in rostris quoque sitnüi religione ipse U legibus stibiedsti,
legibus, Caesar, guas nemo princtpi scripsit; sed tu nihil amplius yis tibi j
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nach der Übernahme des Imperiums noch in Germanien zu-
brachte, sich einen festen Plan gebildet. Mit der Vergangenheit
wurde abgeschlossen durch die Bestrafung der Pratorianer, die
den Nerva gezwungen hatten den Präfekten zu opfern, und der
Delatoren, der verhafsten Überbleibsel der domitianischen Herr-
schaft, ferner durch die Beschränkung des Majestatsgesetzes and
durch den Nachlafs der von den früheren Regierungen her vor-
handenen Steuerrückstände. ^) Die Grundlage für eine würdige
Stellung des Senats, die Garantie der persönlichen Sicherheit
wurde wie unter Nerva wenigstens dadurch gewährt, dafs auch
Trajan versprach, keinen Senator am Leben zu strafen.*) Die
Formen eines ersten unter gleichen, welche Trajan einhielt,
sollten nicht blofs Formen sein, sondern die Achtung einer recht-
lichen Stellung bezeugen, und man empfand lebhaft den Kontrast
zwischen einer Senatssitzung, welche der jetzige Princeps leitete,
und dem Vorsitz eines Domitian.^ Trajan ging sogar so weit,
dafs er für die Beamtenwahlen im Senat geheime Abstinunimg
einführte^), wobei zu bemerken ist, dafs gerade für das Amt,
das den Eintritt in die Magistratur und damit auch in den Senat
bedeutete, die Quästur, die weitaus gröfste Zahl der Stellen durch
freie Wahl des Senats besetzt wurde. Die Gefahr war freilich
licere quam nohis: sie vis ut nos tibi plus velimus, Quod ego nunc primvm
audio; non est princeps super leges, sed leges super principen^ idemque Caesan
consuli quod ceteris non licet,
1) Dio 68, 5 f. Plin. Paneg. 34 fP. Die finanziellen Vergünstigungen
zusammengefalst c. 41: mihi cogitanii eundem te collationes remisisse, dona-
tivum reddidissCj congiarium ohtulisse, delatores dbegisse^ vectigaUa tempe-
rosse, interrogandus videris satisne computaveris imperii reditus, c. 40:
vetuisti exigif quod deberi non tuo saeculo coeperat. Dieser ErlaTs der Eück-
stände wird nach dem Zusammenhang sich auf die Erbschaftssteuer be-
schränkt haben. — Hinsichtlich der Majestätsverbrechen Tgl. auch Plin. et
Trai. ep. 82.
2) Dio 68, 5 (Zusicherung und Schwur.). Eutrop. 8, 5: nihü non
tranquillum et placidum agens, adeo ut omni eius aetate umts Senator, dam-
natus sitf atque is tarnen per senatum ignorante Traiano. Vgl. bei Dio:
Kai Tovro iQy<p ivsnitfcoas %a£nsQ inißovXevd^Bis. Das hier gemeinte Tbat-
sächlicBe ist nicht näher bekannt.
8) Paneg. 48. 76 : quis antea loqui, quis hiscere audebat praeter misen»
illos qui primi interrogäbantur?
4) Plin. ep. 3, 20 (aus dem J. 101) : nunc in senatu sine uUa dissensione
hoc idem {sc. lex tabettaria) ut Optimum placuit: omnes comiüorum die tdbdias
postulaverunt.
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nicht grofs, da eben in diese Stufe doch nur junge Männer in-
differenten politischen Charakters kamen und der Princeps weiter-
hin die Mittel hatte, bedenkliche Elemente zu beseitigen oder
unschädlich zu machen; nach der Darstellung des Plinius kann
man es sogar in erster Linie als Ordnungsmafsregel ansehen.^)
Aber es lag doch auch Anerkennung selbständiger Stellung des
Senats darin^ und die Wahlen erhielten wieder mehr einen poli-
tischen Charakter als den eines Wetteifers in der Ausbeutung
einer gesellschaftlichen Stellung. Der Magistratur wurde die
Ehre erwiesen^ daJGs der Kaiser sein eigenes Konsulat in kon-
stitutionellen Formen hielt, es nur annahm, wenn er es in Rom
selbst zur Anwendung bringen konnte, und wiederum war es
eine Rücksicht auf die Senatoren, dafs er — anders als die
Flavier — überhaupt nicht oft es übernahm und so auch Pri-
Tate zum ordentlichen Konsulat gelangen liefs.^) Von Seiten
des Emporkömmlings war es ein Zeichen grofser Unbefangenheit,
dafs er die Sohne der älteren Adelsfamilien in ihrer Laufbahn
begünstigte und so mit dem Aufkommen neuer Familien zu yer-
sohnen suchte.')
Für die Ordnung im Staatshaushalt war es schon ein grofser
Vorteil, dafe Trajan, persönlich anspruchslos, denselben für sich
nicht über das seiner Stellung notwendig zukommende Mafs hinaus
belastete. Die Spenden, welche er der Bevölkerung Roms in der
Form von Kongiarien d. h. Zugaben von Wein oder Ol zu den
Getreidegaben gewährte, waren allerdings wesentlich höher als
früher^); aber er fand die Mittel dazu, ohne die Provinzialsteuem
zu erhöhen und neben Erleichterungen der die römischen Bürger
belastenden Erbschaftssteuer.^) Die Ausführung der von Nerva
1) A. a. 0.: excesseramus sane manifesHs Ulis apertisque iuffragiis U-
emiiam contionum,
2) Paneg. c. 66 ff. 63 ff. Letztere Stelle namentlich far die Abhaltung
der Eomitien in dieser Zeit wichtig. — Trajan war Konsul nach 98 in den
Jahren 100 III, 101 IUI, 108 F, 112 VI,
8) 69: tandem ergo nobüiUis non obacuratur sed inluatratwr a principe:
tandem iüos vngenHwn vircmMn nepotes, lUos posteroa libertatis nee terret Caesar
nee pavet; quin itnmo festinatis honoribw amplificat atque äuget et maioribua
suis reddit.
4) Vgl. die Notizen, welche sich darüber für die verschiedenen Regie-
rungen im Chronogr. von 364 finden (Mommsenin Abh. der sächs. Ges. I
S. 646. Marq. Staatsverw. 2\ 184 ff.); für Trajan speziell Paneg. 26.
6) Über die Milderung derselben spricht ausführlich und instruktiv
für das ganze Institut Plinius Paneg. 37 ff.
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geplanten Alimentareinrichtungen nahm er sofort in die Hand^)
und erweiterte das von Nerva nur för freigeborene Kinder in
den italischen Gemeinden ins Werk Gesetzte nun auch durch
Leistungen fär die Stadtbevölkerung in der Weise^ daTs hier be-
dürftige freigeborene EnabeU; die in Listen verzeichnet wurden,
für ihren Unterhalt regelmäfsige Getreidegaben erhielten.^ Als
Motiv für diese Mafsregehi wird in altrömischem Sinn angegeben,
dafs dadurch Lager und Tribus wieder gefüllt werden sollten.*)
Nach der Abwälzung des Militärdienstes von Italien und bei der
politischen Bedeutungslosigkeit der Tribus war dies freilich eine
inhaltlose Phrase; indes darf in diesem Teil der öffentlichen
Fürsorge wenigstens ein wirkliches Humanitätsinteresse an-
erkannt werden ganz anders als in der Fütterung von er-
werbsfähigen Bürgern. Übrigens sorgte Trajan auch hiefur sor
Genüge, und die Getreideversorgung von Rom und Italien über-
haupt wurde durch Anlegung grofserer Vorräte von zufäUigen
Unterbrechungen der Zufuhren unabhängig gemacht.^) Endlich
1) Dio 68, 6: ig xriv Pmiirjv noXXa inoCu, — mg xorl xcttg %6Uoi xaSi
Iv 'ixaXia rcQog t^v tmv naiSoav tQOtpriv noXXä xagiaaed-ai. Erhalten sind
die Urkunden, in welchen die für die Zwecke der Stiftung hypothekarisch
angelegten Kapitalien mit Angabe der verpfändeten Grundstücke verzeichnet
sind aus den Gemeinden der Ligttres Baebiani et Comeliani in ünteritalien
(bei Benevent) vom J. 101 und von Veleja in Oberitalien (nach 1Ö2), die
erstere bei Henzen 6664. Wilmanns 2844, die letztere Wilm. 2845. Litte-
ratur: Henzen in annali deir inst 1844 S. 5 fp. Bull. d. inst 1847 p. 8 ff. aon.
1849 220 fiP. Hirschfeld, Yerwaltungsgesch. S. 114—122. Marquardt, röm.
Staatsverw. 2', 141 ff. Über die Organisation dieses Verwaltongszweig« ist im
System zu reden. Die erste Einrichtung wurde durch zwei in den ürkanden
erwähnte aufserordentliche Kommissäre hoher senatorischer Stellung ge-
macht. — Vgl. auch die Patronatstafel von Ferentinum für den einen dieser
Kommissäre T. Pomponius Bassus, Wilmanns 2863. Plinius erwähnt, wie
ob. S. 387 A. 1 bemerkt, diese italische Einrichtung nicht
2) Plin. Paneg. 26 f. Henzen, ann. delF inst. a. a. 0. p. 9ff. Hirsch,
feld im Phüol. 29, 10.
8) Paneg. 28: ^t subsidium hdlorufn, omamentum pacis pubUds sumpü-
bn8 dlwitur; — ex his castra ex his tribus replebuntur, ex his gtumdoque
nascentur quibus cUimentis opus non sit.
4) Paneg. 26. 29—31, wonach Trajan sogar dem damals zuföllig be-
drängten Ägypten zu Hilfe kommen konnte. Dafs aber die Berechnung der
Fürsorge für 7 Jahre dem- Trajan zukomme, wird von Hirschfeld, Philol 29
S. 24 mit Recht bezweifelt und vorgeschlagen, in der vita Heliog. 27 statt
cum — iuxta provisionem Severi et Traiani Septem annorum canon firumen-
tarius esset, zu lesen: Bassiani (d. h. des Caracalla). In VerbindoDg da-
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wird er schon in dieser Zeit den Reichspostdienst yerbessert
haben« ^)
Die achtjährige Periode zwischen dem zweiten Dakerkrie^
and dem Orientfeldzng dient^ zum Teil eben wegen der wenigen
Nachrichten, die wir von ihr haben, dazu, das Gesamturteil
über den Charakter der Regierung Trajans festzustellen. Wenn
Nerra sich geneigt gezeigt hatte, die Rechte Ton Senat und Volk
wieder in republikanischem Sinn zu erweitem, so lag dies dem
Trajan fem; aber schon er hat den Charakter des Principats als
der höchsten Magistratur in loyaler und für den Staatszweck
fruchtbarer Weise zur Geltung gebracht Tritt bei ihm person-
licher Begabung und Neigung gemäfs die militärische Seite seiner
Stellung allerdings über die Idee einer Generalstatthalterschaft
der Republik weit hinaus zu monarchischer Eriegshoheit und
Eroberungspolitik, so war seine Thätigkeit in der inneren Politik
doch eine ideelle Erfüllung der Aufgaben des Principats, wenn
anders man diese richtig darin sieht, dafs es mit seiner obersten
Gewalt einmal die Einheit und Beharrlichkeit der Verwaltungs-
gmndsätze wahrte und sodann überall in die Lücke trat, wo die
ordentliche Verwaltung nicht genügte. Im Senat war er be*
müht^ das Aufkommen der Proyinzialen mit dem früheren Vor-
zugsrecht Italiens zu vermitteln durch eine Verordnung, daüs
jeder Senator mindestens ein Drittteil seines Vermögens in ita-
lischem Grandbesitz angelegt haben solle, auch hierin um so un-
befangener, als bei ihm selbst dies in seiner früheren Laufbahn
nicht der Fall gewesen zu sein scheint.*) Ferner wie er geheime
mit steht auch eine Reform der B&ekerzrinft Vict. Caes. 18': annonae per-
petuae mire consultum reperto firmatoque pistarum coUegio, Dals vorher ein
coU. pigt, überhaupt nicht bestand, ist nicht wahrscheinlich, vgl. Hirsch feld
a. a. 0. S. 44 A. 60. — Bei diesen Einrichtungen ist immer wohl zn unter-
scheiden Kwischen der Besorgung von Getreide zum Marktverkauf auf
Rechnung des Staats, womit fOr die Bevölkening überhaupt gesorgt wurde,
und den unentgeltlichen Frumentationen für die Armen.
1) Vict Caes. 18 im Anschlufs an die Notiz über das coli, pist.: aimul
noscendis ocius, quae tibique e rep, gerehatUur^ admota media pubJici curms.
Es ist übrigens, da diese Dinge im Panegyr. nicht erw&hnt werden, mOglich,
dab sie der späteren Periode angehören.
S) Plin. ep. 6, 19: (candidatos) patrimonii terüam partem conferre '
iwiit in ea quae solo continererUur, deforme arbitratus — et erat — honorem
petitwros wrbem Bdliamque non pro patria, sed pro hospüio aut stahtdo quasi
peregrinantes habere. Hinsichtlich des Trajan selbst vgl. ob. S. 839 A. 1.
Dafs die Maisregel für den Augenblick Anlals zu bedeutenden spekulativen j
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Abstimmimg yerlt^ngte; so erliefs er auch Verbote gegen den im
Senat üblich gewordenen AmbituS; was der Würde wie dem Ver-
mögen der Senatoren gleich dienlich war.^) Die wiederholten Falle
von längerer Abwesenheit des Kaisers im Feld brachten es mit sich,
dafs die Kompetenz des Senats sich selbständiger geben konnte,
jedoch nicht in eigentlich politischen, sondern nur in Verwaltnngs-
fragen; indem er aber mit und neben dem Princeps die Ver-
waltung leitete, war er durch die Summe von Kräften, die in
ihm sich zusammenfanden, ein keineswegs überflüssiger Faktor,
und Trajan wiederum, der diese Kräfte heranbildete und durch
sein persönliches Beispiel bestimmte, sorgte damit für die Würde
der Körperschaft Die Teilnahme des Senats an der Becht-
schafiPung durch Senatuskonsulte macht sich mehr geltend^), und
die vor ihm yerhandelten Repetundenprozesse, die früher neben
den Majestätsprozessen auch zu einem Mittel politischer Ver^
folgung und der Rache geworden waren, werden sachlicher be-
handelt.^) An diesen Funktionen des Senats nimmt der Kaiser,
wenn er in Rom ist, als Vorsitzender regen Anteil, ohne die
Freiheit der Meinungsäufserung zu beschränken. Daneben steht
seine richterliche und administratiye Entscheidung in den ihm
mit seinem Konsilium vorgelegten Sachen^), und das aus eigner
Initiative oder aus gegebenem Anlafs fliefsende kaiserliche Edikt
Nicht als ob diese Organe der Rechtschöpfung unter den früheren
Kaisem, selbst den am meisten despotischen, nicht auch ord-
nuDgsmäfsig fungiert und auch sachlich entschieden hätten,
allein das sachliche Motiv hat jetzt nicht mehr mit der Kon-
kurrenz der politischen und persönlichen Willkür zu kämpfen.
Bewegungen im Provinzial- und italischen Grundbesitz gab, ist aus Plinios
zu ersehen: si paenitet U Itcdicorum praediorum, hoc vmdendi Umpua tarn
hercule quam in provinciis comparandi, dum Odem candidati üUc vendwüt
ut hie emant. Mit der Anordnung, die unter Tiberius hinsichtlich der Geld-
anlage der feneratorea in italischem Grundbesitz (Tac. ann. 6, 16 f.) gegeben
worden war, ist dies nicht in Parallele au setzen. — Die Briefe des betr.
Buchs sind aus den J. 106/7.
1) Plin. a. a. 0.: sumptus candidatorum, foedos iüos ei infames, amMM
lege restrinxit
2) AuTser Francke S. 492 f. vgl. Kariowa, Rechtsgesch. 1, 643 ff.
8) Vgl. Plin. ep. 2, 11, wo eine Verhandlung unter dem Vorsitz des
Kaisers geschildert wird, femer 3, 4. 9. 4, 9.
4) Falle, in welchen Plinius zum Konsilium gezogen wurde 4, M.
6, 22. 6, 31.
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Die Bechtsweisimg xmd Rechtspflege trägt, so weit aus den hie-
für vorhandenen Zeugnissen zu ersehen ist, den Charakter der
Billigkeit; doch ist noch nicht ein dem nationalen Recht fremder
Zug neuer philosophischer oder religiöser Humanität zu bemerken,
sondern es handelt sich nur um Milderungen, die ofiPenbarem Mifs-
brauch steuern sollen.^) — Die Finanzyerwaltung wird in dieser
Zeit in ihren Grundzügen nicht verändert: es verrät sich hier
Unfruchtbarkeit an grolsen prinzipiellen Gedanken in der Re-
gierung, aber man war auch in dieser Periode, in welche die
grofsen Bauten Trajans fielen, durch den Ertrag der dakischen
Beute und eine geregelte Verwaltung der ordentlichen Einnahmen
imstande, das Gleichgewicht zu erhalten, ohne auf die Steuer-
pflichtigen mehr zu drücken, als die Art der Steuererhebung
ohnehin mit sich brachte, vielmehr unter Behandlung von
Steuerprozessen in aller Form Rechtens.^ Für die Aufrecht-
1) Vgl. die Yerfagong zu Gunsten derer, welche widerrechtlichen
Besitz selbet zur Anzeige brachten Dig. 49, 14, 13, die in Dig. 48, 18 auf
Trajan gehenden Bestimmungen über die quaestiones n. A. Die Bestimmungen
über Freigelassene hinsichtlich der Beiziehung zur Folter, eventnell znr Mit-
bestrafdng im Fall der Ermordung des Herrn durch einen unbekannten
waren ein Zugeständnis an eine vermeintliche Sichorheitsgarantie für die
Herren, das zeigt, welch wichtige Bolle in den Interessen der herrschenden
Klasse die Abwehr der von den Sklaven drohenden Gefahr spielte. Vgl.
die Yerhaudlnngen bei Plin. ep. 8, 14 und Dig. 29, 5, 10. Eingreifen in
die Härten der patria poUstas gestattet sich Trajan nnr noch in einem
einzelnen Fall und weiterhin durch indirekte Bestimmung hinsichtlich des
Erbrechts, noch nicht in einer allgemeinen direkten Milderung (Dig. 37, 12, 5,
wobei die Entscheidung besonders bemerkenswert ist wegen der Angabe
der ^a der betr. Entscheidung ratenden Juristen des Konsiliums). Die Be-
stimmungen über das Testament haben darin einen politischen Charakter,
dafis sie gegenüber dem Bestreben früherer Kaiser, Vermächtnisse sich zu
verschaffen und ganze Vermögen fflr den Fiskus zu gewinnen, die Freiheit
des Testierens wieder herstellten. Plin. Paneg. 43: in eodem gener e ponen-
dwm est, quod Ustamenta nostra secwa swU nee unua omnium nimc quia
eeripim, nunc quia non scriptus, heres,
2) Dafs ein Reformer in den Steuerqnellen und der Verwaltung der
Steuern vieles hätte ändern können, ist angesichts des ümstands, dafs stets
betriLchtliche Steuerrückständc vorhanden waren und dafs schwere Zeiten
den Druck sofort unverhältnismäfsig steigerten, unbestreitbar. Mit solchem
Besserungsbedürfnis steht in starkem Kontrast, wenn Trigan die Mittel des
Staat« dadurch zu mehren sucht, dals er die Münze verschlechterte.
(Mommsen, r. Münzw. 764. 767. 766.) Für die Sparsamkeit und Ordnung
in der laufenden Verwaltung spricht dagegen der Briefwechsel mit Plinins
(vgl. 18. 24 K. u. sonst); hinsichtlich der Steuerprozesse vgL Plin. paneg. 36: j
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haltung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden hatte Trajan ein
wachsames Auge: jetzt haben wir Sicherheit über die Existenz
Yon Gemeindekuratoren y die Yon Staats wegen die Lokalverwal-
tungen zu revidieren und zu beaufsichtigen hatten^); und hin-
sichtlich der Provinzen ist uns dadurch ^ dafs die Senatsprovinz
BithjuieU; in welcher sich die Mifsbräuche der Senatsverwaltung
besonders deutlich gezeigt hatten , in die kaiserliche Yerwaltong
übernommen wurde ^), ein Einblick in die Yerwaltungsgnmdsatze
Trajans geboten. Für die Fähigkeit und den Eifer des Kaisers
in der Oberleitung legen die Detailentscheidungen auf die An-
fragen des Statthalters mit ihren sachlich ebenso einfach als
klar begründeten ; kurz gefafsten und bestimmt eingreifenden
Weisungen ein glänzendes Zeugnis ab. Nicht alle Statthalter
werden so viel gefragt und damit so viele Entscheidungen er-
halten haben, aber nach Abzug der besonderen Verhältnisse darf
man dieses Beispiel doch wohl als eines unter vielen annehmen.
Aber freilich mit Entscheidungen im einzelnen Fall war für die
Besserung der wirtschaftlichen Lage der verschiedenen Teile des
Reichs nicht gesorgt, und wenn wir sehen, dafs unter den im
übrigen für das Erwerbsleben ungemein günstigen Verhältnissen
des Friedens im Innern, eines gewinnreichen Kriegs nach auüsen,
der Erleichterung des Verkehrs unter allen Teilen des Reichs
und des Handels nach aufsen doch ein wesentlicher Mafsstab für
das Resultat, der Wohlstand der Gemeinden, bereits im Still-
stand, wo nicht im Verfall erscheint, so zeugt dies für unrichtige
Verwendung und Verteilung des erworbenen Reichtums. Eine
Seite dieses Übelstands lassen die noch vorhandenen munizipalen
Luxusbauten erkennen, die, wie Theater, Bäder und Gymnasien
selbst in kleineren Städten nicht nur mit unverhältnismafsig
grofsen Kosten erbaut wurden, sondern auch mit ihren Zwecken
Qiuim %uv(xt cemere aerarium süens et quietum et gtude ernte delatores eratf —
eodem foro tUuntur principattis et libertM, quaeque praecipaa iua gloria est^
saepius vincüur fiscus, cuitM mala causa nunquam est nisi sub hono prinäpe,
Ingens hoc merttum, maiiM üluä, quod eos procuratores hohes, ^ phrwnqne
eives tut non dlios iudices mälint,
1) Die Reihe der fortlaufeoden Inschriften von solchen curatares be-
ginnt mit der Zeit Trsgans. Henzen, ann. d. inst 1861 p. 9S. Im Qbrigen
8. ob. S. 309 A. 1.
2) Trajan an Plin. (ep. 82 K.): Meminerimus idcirco te in istam pro-
vinciam missum, quoniam muUa in ea emendanda apparuerunt; über die Zeit
dieser Übernahme Bithyniens ob. S. 341 A. 3.
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^ 349 ~
den fortwährenden Aufwand der Einzelnen wie der Privaten in
der wenigst produktiven, ja häufig in ruinierender Weise in An-
spruch nehmen mufisten. Trajan hat allerdings dies erkannt und
so nach Bithynien entsprechende Mahnung ergehen lassen ^)^ er
hat femer durch die Nutzbauten, die er in Rom, Italien und den
Provinzen aufif&hren liefs, dem Unternehmungsgeist richtigere
Wege gewiesen, daneben aber durch die eigenen Luxnswerke
und durch das, was er fQr das Vergnügen und die Schaulust der
Hauptstadt that, verführerisch gewirkt.*) Aber noch bedenk-
licher war, daXs Trajan die Leistungsfähigkeit des römischen
Reichs im Wehrsystem nicht wesentlich forderte. Der Kaiser,
der zuerst nach langer Pause wieder erobernd auftrat, der das
bestehende Heerwesen und was im ganzen Reich an Hülfsmitteln
für die Förderung desselben vorhanden war übersah wie wenige,
der in dem Siegesdenkmal des dakischen Kriegs die Leistungen
dieses Heers, seine Organisation, seine technischen Mittel, seine
Verwendung im grofsen Krieg wie in kleinen Kämpfen der
Nachwelt in einziger Weise dargelegt hat, ist nicht zu dem
Entschluls gekommen, die Grundlage des Heerwesens, die Aus- *
hebungsordnung im Sinne stärkerer Inanspruchuahme der Bürger
zu ändern und den Militäraufwand so zu gestalten, daüs dauernde
Aufstellung stärkerer Wehrkraft möglich war ohne Störung des
Gleichgewichts der Finanzen. Er hat wohl neue Legionen ge-
schaffen, aber nur an Stelle von eingegangenen älteren"), wäh-
rend doch die neuen Provinzen das Bedürfnis vermehrten, und
die Schonung nicht nur der Italiker, sondern auch der Bürger-
bevölkerung in den Provinzen hat er beibehalten. Das am An-
fang dieser Regierung ausgesprochene Wort von den inermes
pravinciae und ipsa inprimis Italia cuicmnque servitio exposita (ob.
S. 312 A. 3) gilt am Ende derselben in dem gleichen Sinne, ja noch
1) Traj. an Plin. 88 K.: ad diligentiam tuam pertinet inquirere, quorum
vüio ad hoc iempua tantam pecimiatn Nicomedenses perdiderint, ne, dum inter
se graUficanUtr, et inchoaverint aquae ductus et reliquerint. 40 E.: gymnasiis
induXgent Graeculi, ideo forsitan Nicaeenses maiore animo constructionem
ehu adgressi sunt; sed opportet tllos eo contentos esse, quod possit Ulis sufficere.
2) Dio 68, 7. Kurze Zasammenstellung der Werke bei Schiller 1, 567.
8) Dio 66, 24: Tgcoavog (ovvsta^e) to dsvtBQOV tb Alyvnxtov %al xo
xqux%ocxbv x6 FeiffMcvinov, a %al ä(p' iccvxov in(ov6(Mcasv. Die Nummer 80
war Dicht in der Reihenfolge der Nommem gegeben, sondern sollte die
Qetamtmhl anzeigen; aber 80 Legionen gab es anch schon unter Yespasian
(vgl. die Aufzählung bei ßorghesi oeuyr. IV. p. 240 A. 2).
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— 350 —
viel stärker mit allen Konsequenzen^ welche die Abwendung einer
Bevölkerung vom Kriegsdienst nach sich zieht; und fOr jede
weitere Generation schärft.^) Der Grund dieses Verfahrens ist
unschwer zu finden: die Abneigung der kultivierten Bevölkerung
gegen den Kriegsdienst schien zu grofs, um überwunden za
werden^ und man glaubte, besseres Material in den noch jüngeren
Bestandteilen des Reichs zur Genüge zu finden. Die Folge zeigte,
dafs dies kurzsichtige Politik war, und Trajan trägt hieran viel-
leicht in besonderem Mafse die Schuld , sofern unter ihm noch
am meisten die Möglichkeit vorlag, gröfsere Anforderungen an
die Bevölkerung zu machen. Und wenn nun ein Gesamtarteil
über die Reichsverwaltung Trajans gefällt werden soll, so wird
es dahin festzustellen sein, dafs der Kaiser den Zustand des
römischen Reichs, den er antraf, in allen Teilen besserte und
überall fOr zweckmäfsige Anwendung des Bestehenden sorgte,
dafs er von den besten Intentionen geleitet allen Schichten der
Bevölkerung aufzuhelfen suchte, dafs er in seinem ganzen Auf-
treten Milde mit Festigkeit zu vereinigen wufste und durch seine
' persönliche Haltung das Principat in ein natürliches Verhältnis
zu den Unterthanen brachte, dafs er endlich dies alles that aas
eigener Kraft, ohne Günstlingseinflufis nur mit denjenigen Be-
ratern, welche die Reichsverfassung ihm als die legitimen zur
Verfügung stellte, dafs aber ein reformierendes Hinausgehen über
die Zustände, die er antraf, und in die er durch seine Laafbi^
* sich hineingelebt hatte, seinem Willen oder seinem Gesichtskreis
ferne lag.
Geistiges Leben 5. Für das politisch-seistiiTe Leben der in demselben f&hren-
unter Trjyan. f o o
Tacitus und dcu Kxcise uud für das geistige Leben im Reich überhaupt ist
die Zeit Trajans in mehr als einer Beziehung von grofser sympto-
matischer Bedeutung. Trajan selbst hat allerdings in die geistige
Bewegung seiner Zeit wenig eingegrifien, sein Verdienst — und
es ist dies grofs genug — war, dafs er ihr freie Bahn liefe;
direkt fördernd und zwar mit grofsen Mitteln erscheint er, ab-
gesehen von der Gründung der Bibliothek auf seinem Forum,
nur auf dem Gebiete der Kunst; es sind Männer zweiten und
dritten Rangs, ein Licinius Sura und Titinius Oapito, die unter
1) Wenn die Verdienste um Hebung des Heerwesens, welche dem
Hadrian zugeschrieben werden (s. unten), nicht übertrieben sind, so
hätte Trajan trotz seines beständigen Verkehrs mit den Soldaten sich weniger
um das Detail des Dienstes gekümmert.
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— 351 -
ihm als Mäcenate für die Litteratur auftreten.*) Aber indirekt
war die Wirkung seines milden Regiments eine bedeutende. Jene
Freiheit des Gedankens^ die wir zu Anfang der Regierung Tra-
Jans begrüfst sehen mit dem Jubelruf des Tacitus über das Glück
der Zeit^ in der erlaubt sei zu denken was man wolle und aus-
zusprechen was man denke, gestattete Yor Allem unbeschränkte
Kritik der Vergangenheit^ aber auch bis zu einem gewissen
Grade jedenfalls Diskussion der Bedürfnisse der Gegenwart. Plinius
benützte diese Kritik gegen die Zeit Domitians zu Beschwerden
personlicher Art und zur Begründung seines Anspruchs auf be-
sondere Berücksichtigung unter der neuen Regierung, Sueton zur
Sammlung und Preisgebung aller auch der intimsten und ge-
ringsten Kammerdieneranekdoten über die früheren Regenten,
Martial, soweit dieser überhaupt noch in Betracht kommt, zur^
Ausbeutung der Gegenwart auf Kosten der Vergangenheit und
zur Rache des unbelohnten Dichters, Juvenal zu der freiesten rheto-
rischen Steigerung der sozialen Satire, Tacitus für die Ausbildung
einer Geschichtschreibung, welche die selbsterlebten oder von den
nächstvorhergehenden Geschlechtern überlieferten Ereignisse mit
der Wirkung dramatischer Spannung und einem grofsen idealen Ge-
halt darzustellen weifs. So sind es wohl bekannte und selbst grofse
Namen, welche diese Zeit bietet, aber wenn wir fragen, was auf die-
selbe gefolgt ist und daran die Nachhaltigkeit ihrer Kraft messen,
ist eine Herabstimmung des Urteils unmittelbar gegeben. Wie in
der allgemeinen Reichsgeschichte nicht Politiker auftreten, sondern
nur tüchtige Verwaltungsmänner und Soldaten, so vertritt in der
Litteratur Plinius seine Zeit, nicht Tacitus. Was entspricht bei
diesem letzteren am Ende dieser Regierung jener freudigen Er-
hebung, der er am Anfang Worte geliehen? Erscheint ihm
das Programm des mit der Freiheit verbundenen Imperiums, der
Monarchie, welche zwar nicht die Freiheit selbst ist aber doch
ihr nächstberechtigter Ersatz, in befriedigender Weise erfüllt?
Offenbar nicht Das Proomium der Annalen ist weit entfernt von
denen des Agricola und der Historien, und die Geschichte Nervas
und Trajans, die er nach den Historien schreiben wollte, hat er
mit der des weiter zurückliegenden Despotismus vertauscht. Es
liegt darin gewifs viel von jener individuellen Richtung der
eigentümlich historisch-rednerischen Tendenz, die an dem grofsen
1) Hart. 6, 64, 13. Plin. ep. 5, 8. 8, 12. Auch PÜDins selbst kann
diesen logerechnet werden ep. 3, 21. r^ T
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- 352 —
Gegensatz der Republik und der Ausbildung eines monarchisdien
Despotismus sich nährt und ihm ihre kräftigsten , Motive ent-
nimmt, jener Tendenz, die bei diesem Geschichtschreiber, einem
neuen Manne, der eher den frischen Interessen der Gegenwart,
als den Erinnerungen der aristokratischen Republik angehorte,
nicht in äufseren Umständen, sondern in geistiger IndiTiduahüt
und der Richtung seiner Bildung begründet war. Allein es ist
dies nicht das einzigbestimmende für jene Umkehr seines Plans.
Ob es der Geschmack für schriftstellerische Thätigkeit oder
Widerwille war, der ihn zu der Zurückgezogenheit vom öffent-
lichen Leben veranlafste, die er unter Trajan einhielt, ist nicht
zu sagen; aber die ganze Richtung der Annalen zeigt gegenüber
den Historien eine bittere Stimmung. Es ist, wie wenn ein
Vorgeschmack des nun kommenden Niedergangs über ihn ge-
kommen wäi'e, ein Gefühl dafür, dafs bei allem Düsteren, welches
das Ringen der früheren Cäsaren mit den Resten der Republik
bot, diese Zeit doch selbst aus dem blofsen Leiden, zu dem sie
verurteilt war, mehr Kraft zog und zeigte, als die politisch in-
difiPerente Gegenwart aus dem alles versöhnenden Regiment des
besten Kaisers. Dem Plinius ' lagen solche Gefühle ferne; und
ihr Ausdruck bei einem andern ist ihm höchstens eine Form
von litterarischer Bedeutung. Er gehört zu den Befriedigten
ohne Rückhalt, ihm ist wirklich jetzt das Lnperium mit der
Freiheit und allen ihren Segnungen verknüpft, imd nur nach
^iner Seite hin steht er noch auf demselben Boden wie Tacitas^
Vfie der Kaiser selbst und wie die übrige leitende Gesellschafl
dieser Zeit, in der national -römischen nur mit griechischer Bil-
dung vereinigten Gefühls- und Denkungsweise.
N«uonairöini- 6. In dicscm Sinne macht die Zeit Trajans einen gewissen
•eher Charakter. •' °
Abschlufs, und dafs hier die Art und Weise des Kaisers von
grofser Bedeutung war, zeigt die unmittelbar darauf folgende
Regierung. Trajan war, wie der ganze in der Yerwaltong
emporgekommene Kreis, einfach in die Tradition des römischen
Wesens eingegangen, und seine spanische Heimat war so weit
römisch geworden, dafs seine Herkunft dem entgegenwirkende
Einflüsse nicht üben konnte. Unterrichtet genug, um in einer
hochgebildeten Gesellschaft ebenbürtig zu erscheinen^), stand er
1) Dio 68, 7: naidsCag (ikv yäq d%(fvßovgf ocij iv Xoyo^, ov (istht^^
x6 ys iiiiV ^Qyov avtrjg xal rin^atato xal ixoist»
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— 353 —
doch dem litterarischen Treiben seiner Zeit ungeföhr so fern
nnd frei gegenüber wie ein Staatsmann der vorciceronischen
Zeit, nnd vollends phantastischen fremden Einflüssen war sein
schlichter, nüchterner Sinn vollständig unzugänglich. Auch
soziale Fragen, wie sie in den unteren Klassen der Bevolkenmg
auftauchten und in dem Genossenschaftswesen wenigstens auf
griechischem oder hellenistischem Boden zunächst ein Element von
gesellschaftlicher Selbsthilfe hereinbrachten und mindestens neue
Probleme schaffen konnten, wies er voll Mifstrauen ab und setzte
ihnen einfach die Auktorität der Gewalt von oben enl^egen,
welche, so weit ihre Mittel und ihr Herkommen reicht^ sorgt und
überwacht und im übrigen ihre Anforderungen an den ein-
zelnen stellt.^) Aber es war die letzte Zeit der Herrschaft; des
nationalen Geistes; denn was Trajan thun konnte, um denselben
mit den dafür in den oberen Ständen noch vorhandenen Ejräfken
auch für die Zukunft zu sichern, nämlich einen Nachfolger von
denselben Grundsätzen zu bestellen, geschah nicht.
7. Unter Trajan hatte die romische Regierung zum ersten nie christeu-
Mal Veranlassung, sich über ihre Stellung gegenüber den Christen
offen zu erklären. Auch hiezu gab der Eifer des Plinius als Statt-
halters in Bithynien den Anlafs. Erfunden hat dieser die Christen-
frage nicht, sondern sie bot sich ihm dar; allein sie hätte sich ebenso
den übrigen Statthaltern der ostlichen Provinzen, namentlich dem
der Provinz Asien bieten können, wo das Christentum in derselben
Weise in den Städten wie auf dem platten Lande Verbreitung
gefunden, aber in dem für die Augen der Verwaltung inoffen-
siven Charakter der bereits vom Judentum sich emanzipierenden
christlichen Genossenschaften zu keiner allgemeinen Mafsregel
Anlafs gegeben hatte. Delationen gegen Christen, sei es aus dem
Brodneid der von dem heidnischen Kultus Gewinn ziehenden
Kreise heraus, wie solche Plinius erwähnt, oder aus andern Motiven
personlicher Feindschaft kamen wohl überall vor und werden
zumeist auf dieselbe Anklage, zu der die Christen Veranlassung
geben mufsten, hinausgekommen sein, die Weigerung, den
Kaisem die in den ostlichen Provinzen in besonderem Mafse ge-
steigerten gottlichen Ehren zu erweisen, überhaupt an Ceremo-
nien teilzunehmen, die solche Gotteslästenmg in sich schlössen.
Bei Christen, die vom Judentum herkamen oder mit ihm Fühlung
1) Trajan an Plin. S4 K. n ]
Her.og, d. röm. StaatoTerl IL 1. Dg^^ed byLjOOglC
— 354 —
hatten^ war dies weniger aujBTallend; denn diese Frage war g^en-
über den Juden ja längst aufgeworfen und wurde im Allgemeinen
tolerant behandelt, und so war es immerhin der Verwaltung und
den Gerichten möglich, die christliche supersHtio dem analog
anzusehen. Aber man konnte auch anders verfahren, auf etwaiges
Vorhandensein nationaler Motive, die einer gewissen Dnldong
herkömmlich teilhaftig waren, überhaupt keine Bücksicht nehmen
oder wenigstens nicht für die, welche früher Heiden gewesen
waren und nun plötzlich und auffallend, eigenem früherem Ver-
halten zuwider, die Verehrung des Kaisers wie der heidnischen
Götter einstellten. Der Prozefs wurde den Verhaltnissen der
Zeit entsprechend am einfachsten auf Majestfttsverbrechen gestellt^
eine Art der Klage, die wohl in Rom gegen die bisher dadurch
beunruhigten Kreise ruhte, aber in solchen Fallen jederzeit zu-
lässig war. Dazu kam in Bithynien das eben vorher von Trajan
selbst angeordnete Verbot der Hetärien oder Genossenschaften,
das nach dem Zeugnis des Plinius die Christen selbst sofort
als mit auf sie anwendbar erachtet hatten, obgleich es ganz
andern Anlafs gehabt.^) Soweit Plinius selbst zu urteilen hatte,
verfuhr er zunächst ungefähr wie Pilatus gegen Christus: die
religiöse Seite kam ihm nur in ihrer Verbindung mit der poUii-
sehen in Betracht; andrerseits war er unbefangen genug, die
sonstige gute Haltung der Christen anzuerkennen, und als ein
nicht inhumaner Mann war er geneigt, soweit ihm die Ange-
klagten irgend es erleichterten, Schonung eintreten zu lassen;
wo sie dagegen jedes Zugeständnis verweigerten, nahm er mit
der bei den römischen Beamten üblichen Nichtachtung der
Existenz der Provinzialen keinen Anstand, Kapitalurteile g^en
diese zu fällen, während gegen römische Bürger das gegen sie
vorgeschriebene Verfahren der Einsendung nach Rom eintrat
Immerhin veranlafste ihn die Häufigkeit der Fälle und die Un-
sicherheit über die Denkungsweise des Kaisers zu einer Anfrage.^)
Die Antwort des Kaisers war im Ganzen anerkennend für den
1) Plin. an Tr%j. 96 E.: (die reuigen Angeklagten sagen aus) quod
ipsum facere (<L h. sich an den YersammlnDgen der Christen zu beteiligen)
desisse post edictum meum, quo sectmdum mandata tua hetaerias esse ve-
tueram.
2) Ebendas.: nihü aliud inveni quam superstitumempravamimmodicttm;
ideo dtkUa cognitione ad consviendum te decucurri; visa est enim res digna
consultcUione maxime propter pcriditantium numerum, ^ ,
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- 355 —
Statthalter, zugleich in den Entscheidongsgründen und dem ge>
naneren Inhalt der Entscheidung dem Charakter des Kaisers
entsprechend. Getreu den Grundsätzen humanen und gerechten
Verfahrens ; die er auch sonst in seinen Edikten über gericht-
liehes Verfahren Tertrat, verbot er Berücksichtigung anonymer
Klagen, wollte also offenes^ geordnetes Verfahren, billigte die
Schonung derer, welche irgend zu einer solchen die Hand boten,
übei^ng die Beziehung auf seine Person mit Stillschweigen und
yerlangte nur als Kennzeichen der Gresinnung das Sichherbeilassen
zu Opfern *far unsere Götter*; dagegen mit der Bestrafung der
Hartnackigen war er einTcrstanden.^) Die Art der Klage be*
zeichnet er so wenig wie Pliniüs; er konnte jedoch, auch wenn
er von der Verweigerung der Verehrung seiner Person ganz ab-
sah, die Nichtanerkennung der römischen Götter unter den Begriff
des Majestätsverbrechens als gegen die Majestät des Reichs und
der offiziellen Religion gerichtet befassen. Bemerkenswerter
Weise wird von ihm das Vergehen gegen sein eigenes Verbot
der Hetarien gar nicht in Betracht gezogen. Das Neue, das
damit gegeben war, lag eben in dem kaiserlichen Edikt an sich:
nun war das Verfahren gegen die Christen von der höchsten
Obrigkeit anerkannt und selbst milden Statthaltern es erschwert^
sie zu ignorieren.
8. Die zwei letzten Jahre Trajans gehören ganz der aus- Trajant Ende
wartigen Politik an. Dafs er, mehr als sechzigjährig und ohne Hadrians.
leiblichen Sohn, zu dem groüsen Unternehmen eines Eroberungs-
zQgs im Orient auszog, ohne durch Vornahme einer Adoption die
Nachfolge vorzubereiten, ist verschiedener Deutung filhig; die
einfachste mag immerhin die sein, dafs dieselbe Zuversicht, die
ihn in so hohem Alter den Feldzug unternehmen liefs, ihm ^uch
das Bedürfnis solcher Fürsorge entfernter und die Möglichkeit
offen erscheinen liefs, im Verlauf eben dieses Kriegs den rich-
tigen Mann zu finden, oder den, den er schon im Auge hatte, zu
erproben. Unter den Rückschlägen, welche nach den grofsen
1) ep. 97: qui negaverü se Christicmum esse idque re ipsa mamfestum
fecerü id est supplieando dis nostris, quanwis siupectm in pratUriiuim^ re-
mam ex paenüetUia impetret. — HioBichtlich der Bonstigen Zeognisse über
das Verfohren gegen die Christen unter Trojan Tgl. Hansrath, neuteat.
Zeitgesohiehte 8, 894: j^Direkte glaubwürdige Nachrichten üher Umfemg und
Verlaof der Trajanischen Yerfolgong sind, PlinioB abgerechnet, nicht vor-
handen.**
a«fitizedby Google
- 356 -
Erfolgen der Anfange des Kriegs eintraten, war der Kaiser
totlich erkrankt Dafs man nach seinem Tode ein Adoptions-
dokument von seiner Hand vorzeigen konnte, lautend auf den
Namen des P. Alius Hadrianus, Verwandten des Kaisers und
Günstlings der Kaiserin Plotina, kann als erwiesen betrachtet
werden; ein anderweitiges Zeugnis ö£fentlicher Art aber für die
darauf zielende Willensäufserung war nicht vorhanden.^)
§ 81. Hadrian, AntoninuB Pins und Maro AureL^
Charakter der 1. Das durch Trajau gefestigte Reich genofs unter den drei
folgenden Regierungen einer Sicherheit und Pflege der Ver-
waltung und — mit Ausnahme des Schlusses der letzten dieser
Regierungen — einer äufseren Ruhe, wie zu keiner andern Zeit
und ist deshalb auch arm an StolBT geschichtlicher Einzeldaten.
Aber die römische Welt erlitt unter diesen Regierungen und
mit durch den Charakter der Herrscher eine Umwandlung tief-
greifendster Bedeutung politischer und geistiger Art, es bereitet
sich eben jetzt unter der Oberflache einer Zeit höchster Blüte
der Übergang zu den Zeiten des niedergehenden Reichs vor.
1) Die Frage, ob das Dokument echt war (Dio 69, 1. vita Hadr. 4),
ist nicht zn entscheiden. Unter den gegebenen Umständen aber, da Trojan
keinen andern bestimmt hatte — denn was von Neratins Priscns gesagt
wurde (vit. 4), war ja nur Gerücht — , in Wirklichkeit kein unbedingt her-
vorragender Mann neben Hadrian vorhanden war, dieser selbst von Trajan
bereits die Stellvertretung im Oberkommando der Orientarmee erhalten
hatte (Dio 68, 33), war es sicherlich der einzige Weg, eine ruhige Nach-
folge zu haben, dafs Hadrian dieselbe erhielt. Dem Charakter Trajans
mochte es allerdings nicht ganz fern liegen, daran zu denken, dafs dem
Senat die Wahl unter mehreren namentlich bezeichneten überlassen bleiben
sollte (vit. Hadr. 4).
2) Mit Hadrian kommt neu herein die nun fortlaufende Quelle der
Biographieen der Scriptores historiae Augustae, von denen die zunächst hier
in Betracht kommenden von Älius Spartianus sind mit einer Widmung an
Diocletian, und deren Quellen, soweit sie nicht authentisch sind, für die
Zeit des zweiten Jahrhunderts auf den Anfang des dritten zurückgehn. Die
Litteratur über diese Quellen, über die Art der Darstellung und die Olanb-
Würdigkeit s. bei Teuffel-Schwabe, Litteraturgesch. § 892. Über Marius
Maximus als die wesentlichste Quelle für die Biographieen deijenigen
Kaiser, mit denen dieser sich beschäftigt, J. J. Müller in Büdingers Unter-
suchungen ni S. 67 — 202. In einzelnen Notizen kommt Ammian in dem uns
erhaltenen späteren Teil seiner Berum gesta/rum libri auf die frühere Zeit
zurück; begonnen hat er mit Nerva. — Die monumentalen Quellen sind
zahlreich, doch fehlen Urkunden ersten Bangs.
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2. Nachdem der neue Kaiser^) die Anerkenoung des syrischen HMirianf Por-
Heeres erhalten, handelte es sich um die Auseinandersetzung mit Be^er^ng^"
dem Senai Der Kaiser kam diesem entgegen , indem er das ^
Verstimmen des Heers als ein ungewöhnliches und von dem
Herkommen abweichendes Verfahren anerkannte und entschul-
digte, dem Senat das Recht der eigentlichen Entscheidung zu-
gestand und seine Anerkennung sich erbai^) Die Folge zeigte,
dafe es im Senat keineswegs an Gegnern Hadrians fehlte, aber
fOr den Augenblick konnten sie, sei es wegen des Überraschen-
den oder weil sie nicht Fühlung unter sich hatten, nicht gegen
ihn auftreten, und so bewilligte der Senat ohne Opposition die
Anerkennung und gewährte die Titel der kaiserlichen Würde, was,
da nichts vorbereitet war, für die verschiedenen Seiten der Gewalt
zumal geschehen mufste.
Die ersten Schritte, welche Hadrian zur Sicherstellung seines
Imperiums sowohl in dem erwähnten Verhalten zu Heer und
Senat wie in der äufseren Politik that, zeigen, dafs er der Mann
war, die Lage zu beherrschen. Eine bestreitbare Herrscher-
stellung ohne Widerstand behaupten, eine Eroberungspolitik ohne
Beeinträchtigung der eigenen wie des Reiches Würde aufgeben
1) Geb. 24. JaD. 76 vit. Hadr. 1, 8. Die Laufbahn bis zum J. 112
giebt neben der vita die iDschr. yon Athen bei Henzen ann. d. inst. 1862
p. 187. Corp. i. 1. 8, 550, wozu Mommsen; Wilmanns, ex. n. 987. Znr
Begierongsübemahme Tit. 4, 6: quinto id. Äug. die (11. Aug.) legatus Syriae
lUteras adoptumis aecepit^ quando et natalem adoptionis celebrari iussü;
ierHum iduum earundem (13. Aug.), guando et natalem imperii statuit
eeMfrandum, excessus ei Traiani nuntiatus est, Namen und Titel: Imp.
Caes. Divi Traiani f, Divi Nervae nep. Traianus Hadrianus Aug. pont. m€ix,
tfib. pot, €08. — Hadrian hat die Benützung seiner Titulatur zu chronolo-
gischen Zwecken dadurch sehr erschwert, dafs er das Konsulat nach 119,
wo er et zum dritten Male geführt, nicht mehr annahm^ die Iterations-
zahlen der irib. pot nur ausnahmsweise angab und doch keine andere
Datierung an die Stelle setzte^ insbesondere, da er keine Kriege führte, den
Siegestitel bis zum J. 185, dem Jahre des jüdischen Kriege, nicht wieder-
holte. Der Titel pater patriae findet sich zu Anfang seiner Regierung, so
lange seine Ablehnung desselben (vit. 6, 4) nicht bekannt war; später nahm
ihn Hadrian an und so tritt er in die offizielle Titulatur ein und zwar im
J. 128. VgL Dürr, die Reisen des Kaisers Hadrian. Wien 1881. S. 28 ff.;
somit ist dies ein ohronolog. Terminus. — Monogr. von Gregorovius, der
Kaiser Hadrian. 2. Aufl. Stuttg. 1884.
2) Vit 6, 2: cum ad senatum scriberet, veniam petit, quod de imperio
iuo iudicium senatui non dedisset, saiutatus scilicet praepropere a milüibus
ifnperator, quod esse resp» sine imperatore non passet, r^ t
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kann nur ein Mann^ der zu imponieren weifs. Dem ist als drittes
Zeugnis für die Festigkeit seiner Stellung und das Gewicht seiner
Persönlichkeit aus dem ganzen Lauf seiner Regierung beizuf&geu;
dafs er es wagen konnte^ in Rom nur yorübergehenden Auf-
enthalt zu nehmen^ |den weitaus grofsten Teil seiner Regierung
ungefährdet auf Reisen zuzubringen und bei stets wechselnder
Residenz das Regiment zu führen.
Chronologie des 3. Der geschichtliche Verlauf der Regierung Hadrians hängt
ik>m°uud der au dem Wechsel seines Aufenthalts in Rom und seiner Reisen.
^"'^^ Epochemachend war natürlich sein erstes Eingreifen in Rom
nach der Rückkehr aus dem Osten , und hiefür liegen auch be-
stimmbare Daten vor; einige Handlungen bleibender Bedeutung
knüpfen sich an die einzelnen Etappen seiner Reisen ^ für vieles
aber fehlt die genauere zeitliche Bestimmung. Die erste An-
wesenheit in Rom ist, wie es scheint, wenige Monate nach dem
Regierungsantritt zu setzen: noch von Syrien aus hatte er den
Senat erkennen lassen, dafs er seinen Gregnem gegenüber die
Vorsicht nicht bis zur Verfolgung ausdehnen wolle; nach
der Ankunft in Rom stellte er das durch schriftlichen Verkehr
angebahnte Verhältnis zum Senat nun persönlich fest, liefs die
dem Trajan schuldigen Ehren, darunter den rückständigen parthi-
schen Triumph, der auf des Toten Namen begangen werden
sollte, bewilligen und gewährte nach dem Beispiel Trajans Erlafs
der mit dem Regierungsantritt verbundenen Lasten. Abgerufen
durch Sarmateneinfalle ging er nach Mösien, und während dieser
Abwesenheit war es, dafs angeblich von seinen Gegnern in Senat
und Heer, Nigrinus, Celsus, Palma und Lusius Quietus, also
mifsrergnügten Generalen Trajans, ein Anschlag gegen ihn ge-
macht, jedoch rechtzeitig entdeckt wurde. Gegen den Willen des
Kaisers soll der Senat die Verschwörer zum Tode gebracht haben;
aber man belastete doch jenen damit, so dafs Hadrian nach seiner
Zurückkunft im Sommer 118 zur Zerstreuung der durch dieses Straf-
verfahren erregten Besorgnisse ebenfalls wie Trajan das Versprechen
abgab, nie einen Senator anders als durch Senatsgericht zur
Strafe zu ziehen.^) Nunmehr konnte er sich der Regierung in
1) Die Folge der Ereignisse ist hier im Ansohlufs an die vita gegeben.
Dieser stellt Dürr in seiner trefif liehen Monographie über die Reisen Hadrimos
(ob. 8. 367 A. 1) eine andere örtliche und zeitliche gegenüber, indem er den
Hadrian von Syrien ans durch Kleinasien nach Mösien gegen die Sarmaten
ziehen ond erst nach Beendigung dieses Feldzags im Aug. 118 nach Born
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Born in Ruhe widmen: es folgten auch sofort einzelne Reformen,
Gewährung von Erleichterungen in der Verwaltung nebst person-
lichen und einmaligen Gnadenbezeugungen ^); aber von Inangriff-
nahme eines umfassenderen Plans ist nicht die Rede. Die eine
jener Reformen bezieht sich auf die Neueinrichtung des Post-
wesenSy die anderen, so wichtig sie an sich waren, dienten doch
in erster Linie der Popularität, und aus den zwei und ein halb
Jahren seines jetzigen Aufenthalts in Rom wird sonst keine tiefer
eingreifende Handlung von ihm erwähnt Offenbar war jetzt
schon Hadrians Absicht darauf gerichtet, die Reichsregierung auf
Grund eingehender Kenntnis der einzelnen Teile zu führen und
sie von der Anwesenheit in Rom unabhängig zu machen. In diesem
Sinne hatte er schon im J. 119 Unteritalien bereist und unter-
nahm es nun, vom J. 121 an alle Provinzen des Reichs zu be-
suchen und die Wohlfahrt des Ganzen in der der Teile zu
erstreben. Begreiflicherweise konnte er dies nur thun, wenn er
der Hauptstadt völlig sicher war, und diese Sicherheit lag in dem
Kommando der Leibwache. Hadrian hatte dieses zu Anfang
seiner Regierung zwei Männern anvertraut, von denen der eine,
Cälius Attianus, ihm zum Thron verholfen, der andere, Sulpicius
Similis, ein durchaus tüchtiger aber selbständig denkender Mann
kommen läfet. Allein keines der hieför beigebrachten ZeagnisBe ist für
diese Annahme beweisend, auch nicht die aus den Acta fratmm Arval.; die
Tita dagegen wird schon durch ihre Anlage in ihrer Darstellung gerecht-
fertigt: sie fängt chronologisch an und will dies festhalten, wenn auch die
Ideenverknfipfung die seitliche Fortfuhrung der Erzählung unterbricht (vgl.
S. 361 A. 2); auch ihre Quellen waren chronologisch, und in ihrem Ausschreiben
derselben konnte sie in diesem Punkt nicht wohl fehl gehen. Es ist ferner
nach dem Vorgang Trajans nicht wahrscheinlich, dafs er während seines zwei-
ten Konsulats abwesend von Rom blieb, auch nicht, dals er unter den ge-
gebenen Verhältnissen seinen Gegnern in Rom so lange das Feld frei liefs.
Er wird, wenn nicht schon am 1. Jan., so doch am 24. bei der Feier seines
Geburtstags in Rom gewesen sein.
1) Vit. 7,6: statitn (Hirschfeld, Verw.- Gesch. S. 98 A. 5. korrigiert
nach Juret sUUum, unrichtig, wie ich glaube, da es dem Biographen eben
auf die zeitliche Folge hier ankommt) cttrsum fi$C(üem instUMy ne magistra-
tU8 hoc anere gravarentur, Äd coUigendam autem grcUiam nihil praetermittens
infinOam pecwniam, guae fisco debebatw, privcUis debitoribtts in urbe atque
ItaHOy in pravinciis vero etiam ex religuis ingentes swnmas remisit, syngraphis
in faro divi Traicm, qw> magis secuHias omnibtis robora/retwr, incensis. Barn*
naiorum bona in fiscum privatum redigi vetuit omni summa in aerario
publico recepta etc.
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von untergeordnetem Werte, da, wie schon bemerkt, ein einheit-
licher Plan in ihnen nicht zu erkennen ist, wenn sie auch als
einzelne yon gewissen Begierungsprinzipien des Kaisers ausgehen.
Hier möge es genQgen, das einzebie Charakteristische eben unier
diese prinzipiellen Seiten und allgemeinen Gesichtspunkte zu be-
fassen und die Resultate erkennen zu lassen.
s^nat u. Bitter. 4. Dic PoUtik dcs Ealscrs gegenüber dem Senat wird als
sieh'nng des eiuc hochst rücksichtsvollc herrorgehoben und in diesem Charakter
vcrwaituDg. durch Äufseruugen aus seinem eigenen Munde bezeugt^) In der
That erschien ja schon darin, daCs während der Abwesenheit des
Kaisers in Rom die Magistratur und der Senat unbehelligt durch
den Druck persönlichen Einflusses walteten, diesen Faktoren ein
grofserer Spielraum gelassen, und weder die äulseren Ehren noch
die herkömmlichen Rechte des Senats und des Senatorenstands
wurden gemindert Allein es zieht sich doch durch die Regierang
Hadrians ein Mifstrauen gegen den ersten Stand hin, welches
am Schlufs seiner Regierung, als Alter und körperliches Leiden
früher zurückgehaltene gehässigere Motive hervortrieben, seibat
in blutigen Handlungen zum Ausbruch kam. Schon jene Ein*
Setzung eines Ritters, des Marcius Turbo, wenn auch nur in
vorübergehender Weise in ein senatorisches Kommando (oben
S. 360) war ein Mifstrauenszeichen gegen den Senat, und wenn
derselbe Mann als Präfekt des Prätoriums offenbar sich so hielt^
dafs er bei aller Wahrung der Interessen des Senats diesen in
der Form schonte, so war dies ein Zeugnis für die Richtigkeit
der Wahl, die Hadrian getroffen, minderte aber nichts daran,*
dafs eben wegen der Abwesenheit des Kaisers ein Stellvertreter
desselben aus dem zweiten Stande die wirkliche Leitung der
Dinge in Rom und Italien hatte.
Aber neben dieser militärisch-politischen Stellung des ritter-
lichen Gardekommandanten bereitete sich für diesen auch eine
andere für das bürgerlich-politische Gebiet vor, die in Zusammen-
hang mit einer für den Ritterstand noch viel wichtigeren Neue-
rung zusammenhing. Bisher hatte dieser Stand, sofern er nicht
blofs eine durch Vermögensstellung bezeichnete gesellschaftliche
Während der Reisen werden o. 11, 3 von Britannien ans Olarus und Sueton
entlassen, daran schliefsen sich dann ähnliche Dinge, die allgemein charakte-
ristisch sind oder später yorkamen u. s. w.
1) Vit. c. 8. Dio 69, 7: ingatts dh %cel dia tov ßovltvtriQÜfv icavza
%a iisydXa %a\ dvay%ai6tatcc n. s. w.
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- 363 —
Bangklasse war, nur durch die Teilnahme am Geschworenen-
gericht, in Offizierstellen y in der kaiserlichen Finanzverwaltung,
in dieser übrigens nicht ohne Konkurrenz mit Freigelassenen,
endlich in einigen hohen Präfekturen öffentliche Funktionen
geübt; der Hofdienst in weitestem Sinn jedoch, auch der, welcher
fK>litische Bedeutung hatte, war in den Händen Yon Freigelassenen.
Hadrian nun gab die hohen Hofömter in die Hände von Rittern^),
vermehrte die durch Bitter zu besetzenden Funktionen in den
übrigen Verwaltungszweigen und regelte zugleich die Laufbahn
durch diese Ämter genauer, so daüs sich eine festere Praxis im
Aufsteigen durch die Terschiedenen Grade ergab. Zugleich scheint
er in der FinanzTerwaltung, indem er jedenfalls teilweise die
Steueryerpachtung durch direkte Erhebung ersetzte, nicht nur die
Funktionen der ritterlichen Steuerbeamten gemehrt und gestärkt,
sondern auch eine erbliche Schwäche der romischen Finanz-
Verwaltung wenigstens bis zu einem gewissen Grade gehoben zu
haben. *) Aulserdem wird an ihm strenge Kontrolle der Pro-
kuratoren nicht minder als der Statthalter in den Provinzen
gerühmt.*) — Nachdem aber so die Bitter in wichtige Funktionen
aller Zweige der praktischen Verwaltung eingeführt waren, fand
man sie auch geschäftlich durchaus fähig, in der kaiserlichen
Zentral Verwaltung eine beratende Stellung zu erhalten, und so
nahm Hadrian auch einen beträchtlichen Bestandteil seines Kon-
siliums in Bechtsentscheidungen aus diesem Stande^), der dann
1) Vit 22, 8: Ab epütulis et a Ubellis primus equites Botnanos habuU,
Die Vorgänge, welche von Vitellins (Tac. bist. 1, 68) und Domitian (Suet. 7)
berichtet werden, waren nur von vorübergehender Bedeutung, so dafs ^pri-
mus' bei Spartian immerhin seine Richtigkeit hat. Die persönlichen Belege
dazu Friedländer, Sittengesch. 1*, 170. 172. 179. Liebenam, Beitr. zur Ver-
waltnngsgesch. des röm. Kaiserr. Jena 1886. S. 87 fiP. Über das Eingreifen
Uadrians in die Verwaltung überhaupt Hirschfeld, Verwaltungsgeech. an
zahlreichen Einzelstellen und zusammenfassend S. 290—293. W. Schurz, de
mutationibus in imperio Rom. ordinando ab imp. Hadriano factis I. Bonn 1883.
2) Direkt wird diese Reform der Art der Erhebung nicht berichtet, sie
ist auch nicht als allgemeine prinzipielle Mafsregel durchgeführt worden;
dafi) Hadrian dazu den Anstois gab, ist aus dem allmählichen Verschwinden
der Pnblikaneninschriften und der Mehrung der Inschriften kaiserlicher
Steuerbeamten bei der vicesima Jiereditixtum von Mommsen, Str. 2, 977 ver-
mutet und von Hirschfeld, Verw.- Gesch. S. 64 weiter ausgeführt worden.
8) Vit. 18, 10: eircumiena provinciaa procuratorea ei praeaides pro facti»
»uppHicio cidfecit ita severe^ ut euicuscUorea per se crederetur inmütere,
4) Vit. 8, 9: erat tunc mos ut cum princeps causa» agnosceret, fi^sena- j
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- 364 -
auch hier seine Spitze in dem Gardebefehlshaber fand; denn schon
jetzt nahm dieser^ wenn auch noch nicht mit derselben Bedeutung
wie später^ die erste Stelle in dem Beirat des Kaisers ein.^)
Diese ausgiebige Heranziehung des Ritterstands hatte zu-
nächst eine grofse geschäftliche Bedeutung, sofern die Mitarbeit
eines gewichtigen, angesehenen und sehr leistungsföhigen bürger-
lichen Standes in den grofsen Yerwaltungszweigen diese ent-
schieden fördern mufste. Aber es lag darin auch eine Begünstigung
des einen Stands gegenüber von zwei andern. Zwar geht man
zu weit, wenn man dem Hadrian zuschreiben wollte, er habe den
Ritterstand geradezu dem senatorischen entgegenstellen wollen:
nicht nur wurde dem letzteren nichts genommen, sondern bei
allem Ansehen, welches die höchsten Ritterstellen genossen, blieb
das letzte Ziel des Ehrgeizes der Einzelnen doch der Übergang
in den Senat ^, und wenn der Gardepräfekt dem ganzen Senat
als Stellvertreter des Kaisers überlegen gegenüber stand, so blieb
er doch unfähig zu den senatorischen Ämtern. Allein es war
eben doch für das Gewicht der Senatoren von grofser Bedeutung,
wenn neben ihnen ein Beamtenstaat erstand, wohl organisiert,
dem Kaiser gegenüber unselbständig, keinem Mifstrauen von
seiner Seite ausgesetzt und deshalb gerade zu den thatsächlich
wichtigsten. Geschäften und Stellungen geeignet Man kann
fragen, ob nicht jetzt die Zeit gewesen wäre, mit der augusteischen
Tradition, welche den Senat neben den Princeps stellte, zu brechen,
die Senatoren in das System der Monarchie einzugliedern und
eben mit den grofsen Stellungen zu betrauen, welche Hadrian
den Rittern gab. Wenn der Stadtpräfekt ein Konsular war,
weshalb konnte es nicht auch der Kommandant der Garde sein?
Allein es bestand eben noch die augusteische Form der Über^
tragung des Principats. In dieser Hinsicht war, so lange Erb-
lichkeit noch nicht rechtlich hergestellt war, hinsichtlich der
tores et eguües Rom, in consüium vocaret et sententiam ex omnium deUbera-
turne proferret.
1) Vgl. Dio 69, 18: (Turbo) td ts alXa xal tfjv r^iffav näcap m^l
top ßaciXia ^liT^ißs %al noXlomig xal nQo fUatov vvvitdiv nQog avzop je»
Q. 8. w.
2) Vgl. yit. 8, 7: senvtua fastigium in tanhtm eocMit difficiU faeiens
eencUores^ ut, cum Ättiantmi ex praefecto praei, omamentis consukmilnu prae-
äitutn faceret senatorem, nihü ae amplius habere quoä in ewn conferri passet
ostenderit ^ ,
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- 365 -
Amtsfähigkeit jeder Eonsular dem Princeps ebenbürtig und der
Senat war es, der das Kecht der Übertragung hatte. Dies
machte ein Herabgeben der Senatoren zu einem Beamtenstand
unmöglich y und ebenso wenig konnte man den Senatoren die
Statthalterstellen, in deuen sie eine dem imperium proconstdare
des Kaisers analoge Gewalt hatten, nehmen. Aber man konnte
sie Yon dem zweiten Machtmittel, den Finanzen, ferne halten,
indem man diese dem Kitterstand anvertraute, und eben weil
man den Stadtpräfekten nicht besonderes Vertrauen entgegen-
brachte^), brauchte man das Gegen- und Übei^ewicht des ritter-
lichen Gardebefehlshabers. So hatte die hadrianische Yerwaltungs-
ordnung allerdings entschieden einen politischen Sinn. Sie hatte
ihn aber auch nach der Seite hin, dafs durch sie die Freigelassenen
zurückgedrängt wurden. In gewisser Beziehung war dies eine
konstitutionelle Mafsregel: an die Stelle eines personlich durch-
aus abhängigen, unfreien Standes trat ein angesehener freier,
der nur thatsächlich Ursachen zur Ergebenheit hatte. Die Frei-
gelassenen wurden zwar nicht aus der Umgebung des Kaisers
entfernt und konnten auf anders denkende Kaiser immer wieder
Einflufs üben, aber die hadrianische Einrichtung war doch nicht
leicht wieder zu beseitigen und jedem der Nachfolger, der über
Freigelasseneneinflufs ähnlich wie Hadrian dachte'), war damit
von vornherein ein Ausgangspunkt gegeben. Jedenfalls gewann
die Würde der Verwaltung. Allein dies ist allerdings nur die
eine Seite. Die andere ist die, dafs abgesehen von der Her-
stellung der Erblichkeit die Monarchie mit diesem Beamtentum
einen wesentlichen Fortschritt machte. Die Fiktion, dafs der
Princeps mit seinem Haushalt für einen gewissen Teil der Staats-
verwaltung aushilfsweise eintrete im übrigen aber die Ilepublik
bestehe, wurde beseitigt, wenn der Haushalt sich in einen staat-
lichen Beamtenkorper verwandelte. Ein späterer Schriftsteller
sieht in Hadrian bereits den, der den byzantinischen Beamten-
staat hergestellt hat^; dies ist freilich zu viel gesagt; aber den
1) YgL yit. 6, 5: ctufi — ab ÄUiano per epistolaa esset admanüus, tU
Baebku Macer, praefedue urhis, si remkreiwr eiw imperio, necaretur.
2) Yii 21 : liberios iuoa nee seki vol%Ut in p%tbl%co nee aUquid apud se
posse, diclo au) amnibua superioribus principibua vitia impuiana Uhertarum,
äaimnaHs ommbue hbertis suis guicunque se de ea iaekwerant.
d) Aar. Vict epii 14: officia sa/ne publica et paMina nee nan miUtiae
in eam fortnam statuit^ quae paucis per Constaniinum immutaHs hodie
perseveranL
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— 366 —
Weg dazu hat er eröffnet Überhaupt beginnt nun mit Hadrian
dasjenige Stadium der Eaiserzeit^ in welchem der Mechanismus
der Verwaltung an die Stelle des Spiels konstitutioneller Interessen
und Ideen tritt und die Ordnung des Staatswesens den Begriff
der Freiheit ersetzt Die Schranken der absoluten Gewalt waren
jetzt nur noch gegeben in dem Gewicht der Ordnung, die der
Gewalthaber vorfindet oder selbst schafft, in der Existenz des
Senats mit seinen Erinnerungen, in der gelegentlichen Einwirkung
desselben auf den erledigten Thron, vor allem aber in der Un-
sicherheit der Nachfolge, welche den jeweiligen Träger des Throns
den Gefahren des Pratendententums aussetzte.
Die weient- 5. Das Eingreifen der hadrianischen Verwaltung, wie es
lieben Resultate . , ° . .
Tou Hadrians innerhalb jener Ordnung stattfand, geschah vorzugsweise in der
Form von Einzelentscheidungen auf den verschiedenen ortliehen
und administrativen Gebieten; es konnte aber darum doch von
bleibender Bedeutung sein, weil ja die Auktoritat einer kaiser-
lichen Entscheidung allgemein mafsgebend war, und die juristische
Litteratur zeigt, dafs die hadrianischen Edikte und Reskripte
Epoche machten. ^) Indessen fehlt es auch nicht an allgemeinen
Anordnungen reformatorischen Charakters, die nur in unsrer
Überlieferung nicht deutlich genug hervortreten. Die wesent-
lichsten Resultate fOr die verschiedenen Verwaltungszweige sind
folgende:
PinaMwewn. Aus dem früher (ob. S. 348 f.) Bemerkten geht hervor, daCs
die Finanzen des Reichs nicht die Erträgnisse aufwiesen, die
man hätte erwarten sollen. Bei Hadrians Regierungsantritt war
der Stand der öffentlichen Kassen nicht sehr günstig^; dennoch
erliefs Hadrian nicht blofs das dem neuen Regenten herkömm-
licher Weise zukommende sogen. Erongeld, sondern die Steuer-
rückstände der letzten 15 Jahre in Italien ganz, in den Provinzen
teilweise, im Granzen eine Summe von über 196 Mill. Mark.')
1) Die Sammlung von Sentenzen des Hadrian bei Dositheas (Aasg. von
Böcking, p. 1 ff.) ist zwar nicht wegen der Auswahl des Inhalts, der unbedeutend
ist, von Wert, aber deshalb, weil man sieht, dafs sur Zeit des Dositheas
(Anf. des 8. Jahrh.) Hadrians Entscheidungen einen besonderen Buf ge-
nossen. Dasselbe ist auch aus der AnfShrung hadrianischer Reskripte bei
späteren Juristen zu entnehmen.
2) Vit. 6, 6: aurum coranärium Itdliae remisU, in prowticiii mimtU^
et quidem difficuUatibus aerarii ambitiöse ae diligenter ex-
poaitis.
8) Vit 7, 6: infinitam pecuniam, quae fisco debebatur, privatis dM-
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— 367 —
Solehe Freigebigkeit y ob sie nun notwendig war oder nicht,
spricht schon durch ihren Anlafs nicht zu Gunsten des Finanz-
systems; auch kann man die Zweckmäfsigkeit einer solchen Art
der Steuerliberalitat bezweifeln. Indessen Hadrian bemühte sich
der Wiederholung vorzubeugen durch geregelten Haushalt, durch
Beformen in der Steuererhebung und -Verwaltung und durch
Hebung der Steuerkraft Es wird an ihm gerühmt, dafs er den
Staatshaushalt kannte, wie nicht leicht ein anderer und ein
tre£nicher Haushalter war^), und da zudem grSfsere Eriegsaus-
gaben wegfielen, so wird es ihm nicht schwer gefallen sein das
Gleichgewicht im Budget, soweit dies von ihm abhing, aufrecht
zu erhalten, trotz des ungeheuren Bauaufwands, den er in allen
toribus in whe atque Baiia, in provinciis vero etiatn ex religuis ingentes
mtmmas remisit syngrapkis in foro divi Traianiy qiu> magis aectmtas Omni-
bus roborarehir, incenais. Dio 69, 8: &(pfi%8 tot 6q>tiX6pi,iva taS xt ßcietXinm
«al Tfl» dfifMolqi TCO tadv *PmficeUav Ixxat^cicafT^ OQ^aag x^t^o^y «9* oi tt
ncd (iixQit ov trufridiicBcd'ai tovt' iitBllsv. Inschrift, welche Senat und
Volk dem Kaiser widmen, qu4 pritnus omnium principum et sölus remittendo
sestertium navies tnilies centena nUlia n. debitum fiscis non praesentes tcmtum
cioes 8U08 sed et posteros eorum praestüit hoc liberalitate seeuros. Corp. i.
l. 6 n. 967. Wilmanns ex. n. 9S8. Vgl. Senatsmünze bei Cohen 2, 1910—13:
rdiqua vetera HS. navies miU. aholita (mit Darstellang der Verbrennung
der Dokumente). Fraglich ist hier einmal, ob der Nachlafs für Fiekus*
nnd Ärarschulden galt, wie Dio ausdrücklich sagt, oder nur für den Fiskus.
Verfassnngsm&fsig und nach früheren Vorgängen hfttte es hinsichtlich des
Arars entweder eines Senatsbeschlusses bedurft oder hfttte der Kaiser das
Arar schadlos halten müssen. Ich möchte Hirschfeld, Yerwaltungsgesch.
S. 12 A. 1 recht geben, wenn er gestützt auf die Senatsinschriffc nur den
Fiskus in Mitleidenschaft sieht, während Mommsen Str. 2, 976 Ärarium
und Fiskus beteiligt sein läTst. Anzunehmen ist allerdings, dals auf irgend
eine Weise dafür gesorgt war, dals auch in den Senatsprovinzen bei gewissen
Steuern die Wohlthat fühlbar wurde. Eine zweite Frage ist, ob die Notiz
Dios von dem ixnocidBTUietrig xQovog auf eine bleibende Einrichtung zu
deuten ist in der Weise, wie Mommsen thut, der a. a. 0. „eine von 16 zu
15 Jahren eintretende Gesamtrevision der Bestforderungen und über-
haupt des Steuerwesens, die Grundlage der Indiktionenordnung der kon-
stantinischen Zeit^ daran anknüpft. Sowohl der Wortlaut bei Dio als
sachliche Gründe sprechen dafür, dals eben nur damals für den einmaligen
Erlafs ein Termin, wie weit die Malsregel zurückgehen sollte, angesetzt
wurde. Abgesehen davon, dafs die Anknüpfung der Revision gerade an
diesen Erlafs zur Säumigkeit im Steuerzahlen veranlafst hätte, war das,
was mit dieser Revision gegeben sein sollte, besser durch die Einführung
der adoocoH fisei (s. nni) zu erzielen.
1) Vit. 20, 11: omnes publicas rationes ita complexus est, ut domitm
privatam quivis paterfamüias diligens non satius novit. ^ ,
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— 368 —
Teilen des Reichs aus eigenen Mitteln machte oder yeranlafste.^)
Indessen lag hier wieder eine Seite, welche geeignet war, die gnten
Wirkungen der hadrianischen Finanzverwaltung au&uheben. Der
Vorgang des Kaisers, die Unterstützungen, die er gewährte und
augenblicklich günstige Verhältnisse veranlafsten die ohnedies
hiezu nur allzu leicht geneigten Gemeinden aufs neue zu Bauten
von Bädern, Theater-, Gymnasien u. dgl., die weit über das Be-
dürfnis hinausgingen^ neben der einmaligen Herstellung grofsen
jährlichen Aufwand verursachten und die Leistungsfähigkeit der
Städte untergruben. Die Lage auch der Folgezeit zeigt^ dafs der
Aufschwung, den Handel und Verkehr in den Jahrzehnten vollen
Friedens nehmen mufste, nicht genügte, um die finanzielle Wohl-
fahrt des Reichs auf längere Zeit fest zu begründen. An das
System der Steuern selbst hat^Hadrian nicht gerührt; was er
erstrebte und wohl erreichte, war, dafs die bestehenden Steuern
ohne zu grofse Belastung mit einem für die Bedürfhisse des
Staats ausreichenden Betrag einkämen. Die überkommene
Scheidung der oflFentlichen Kassen scheint er nicht angetastet
zu haben'); insbesondere liegt es in seiner Art den Senat zu
behandeln, dals er der Senatskasse, dem aerarium popuii R^ nichts
entzog. Ohne dafs im System des Fiskus und in seinem Ver-
hältnis zum Privatvermogen des Kaisers jetzt schon eine Änderung
eintrat, wurde der Charakter des Fiskus als einer Staatskasse
durch die Einführung der ritterlichen Verwaltung unzweideutig
Advocaius/isci.'k.xmdgegehen. Eine wesentliche Neuerung endlich war es, dals
die rechtliche Vertretung des Fiskus, d. h. die Führung der
Fiskalprocesse, überhaupt die Verfolgung der Ansprüche des
Fiskus den Prokuratoren genommen und besonderen Advokaten
übergeben wurde ^), wodurch jene zu gunsten ihrer Rechnongs-
1) Das durch die BeiBon veranlaüste s. bei Dürr a. a. 0.; über die
sonstigen Bauten Hadrians Schiller 1, 625.
2) Mit den Quellen der Hadrianischen Zeit tritt man in eine Periode
ein, in welcher die Sch'riftsteller zwischen aerarium und fisctia nicht mehr
genau scheiden, während Tacitus und der jüngere Plinius diese Scheidoiig
streng beobachten. Wenn es vit. 7, 7 heilst: damnatorum bona in fiseum
privatum redigi vetuit, omni st$mma in (lerario publico recepta, so ist hier
der fiscus privatus das Patrimonium principis als Teil des allgemeinen
kaiserlichen Fiskus und mit aerarium publicum ist der andere, der Haupt-
teil des letzteren gemeint, wie Spartian ja kurz vorher 6, 5 {diffieuUaUlms
aerarii) den fiscua durch aerarium bezeichnet hat
8) Vit. 20, 6: fisci advocatum primus instiMU Wm in dieser so knn
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— 369 —
thätigkeit Entlastung fanden und zugleich der Fiskus eine bessere
juristisclie Vertretung gewann.
Die Rechtspflege hat dem Hadrian verschiedene grofse Re- Beohuweaen.
formen zu danken. Wie mehrere seiner Vorgänger hat er selbst^
80 weit es seine sonstigen Geschäfte erlaubten^ personlich Juris-
diktion geübt und sich in allgemeiner Weise wie in einzelnen
Entscheidungen den Ruhm grofster Gewissenhaftigkeit erworben^);
aber bedeutsamer war, was er für die Organisation des Rechts-
wesens und die Rechtsquellen that. In letzterer Hinsicht ist
Yor Allem zu erwähnen die Zusammenfassung des in der bis-
herigen Rechtsentwicklung aufgelaufenen Materials an ins hono- Edictumper-
rarinm (1, 749 f.) in dem edidum perpehium als einer nun mit **^
einem gewissen Umfang sanktionierten und abgeschlossenen
Bechtsquelle.') Es war damit allerdings zugleich der rechts-
bildenden Thätigkeit der republikanischen Magistrate ein Ende
gemacht, da die Edikte derselben nichts neues mehr hinzuzufügen,
vielmehr der kaiserlichen Auktorität und dem Senatuskonsult
weitere Rechtschopfung zu überlassen hatten; allein es war dies
nur den Zeitverhältnissen und der wirklichen Bedeutung jener
Magistrate entsprechend. Immerhin gewinnt durch diesen Ge-
sichtspunkt jene Neuerung auch einen politischen Charakter.
Die kaiserlichen Erlasse, bleibender oder einmaliger Be- Bas luiseruche
deutung, vor allem die constüutiones, jetzt die wichtigste Rechts-
angegebenen Beform liegt, ist aus den Notizen der späteren Zeit von den
Funktionen dieser Beamten zn entnehmen; s. im Syst.
1) Vit. 22, 11: Causa» Bomae atque in provincits freqtienter audivit
adhibitis in cansilio suo cons%$lilni8 atque praetoribus et opttmis senatoribtts,
Dio 69, 7: id^xats i^exä tmv nQtoxoav tozl ^Iv iv xm naXatCoi xox\ 6\ iv
TJ ayoqa tao xb Ilav^iCm xal alXovq noX}M%6^i dno ßfjfMCxog ägxs drj^oüi-
BVic^ui XU yiyvoiisva' %al xoig vndxotg iaxiv oxs dmdiovat, cvptyiyvsxo.
Beispiele seiner Entscheidungen auTser im Dositheus (ob. S. 866 A. 1) in
der tn'to, a. a. 0. Vgl. auch die Zusammenstellung sämtlicher bekannten
Erlasse Hadrians bei Hänel corp. leg. p. 86—101.
2) Cod. lust. 1, 17, 2, 18: Julianus legum et edicti perpetui conditor
in suis Itbris hoc rettuiit — et non ipse solus, sed et divus Hadrianus in
compositione edicti et senatus constUto, quod eam secutum est, hoc apertissime
definivit, ut si quid in edicto positum non inveniatur, hoc ad eas regulas
easque coniecturas et imitationes possit nova instruere audoritas, 4, 6, 10.
Const. Inst. Jid<o%Bv § 18. Eutrop. 8, 17 Hart. Dafs das J. 181, bei
welchem Hieronymns' Chron. die Hotiz giebt, nicht verbärgt sei, darüber
vgL Mommsen, über den Chronogr. von 854 S. 678 A. 1. Vgl. Budorff,
Edicti perpetui quae rdiqua sunt. Lenel, das edictum perpetuum, Leipzig
1883. Kariowa, Bechtsgesch. 1, 628 ff. DgtzedbyGoOQlc
Herzog, d. rOm. Staatsverf. IL 1. 24 ^
— 370 -
quelle, erhielten eine neue innere Auktorität dadurch ^ dafs der
Beirat des Kaisers beim Rechtsprechen und bei Feststellung der
Konstitutionen einen fachmäfsigen Charakter annahm, indem
Pachjuristen senatorischen und ritterlichen Standes darin eine
hervorragende Stelle erhielten und zwar als auf längere Zeit
mit Gehalt angestellte Beamte, wobei, wie schon bemerkt, der
Gardepräfekt die erste Stelle einnahm. Näheres hierüber ist an
anderem Orte zu geben; die Konsequenzen für die Jurisprudenz
sind ohnedies hier nicht zu erörtern. Dagegen sei hier hervor-
gehoben, dafs auch dies eine politische Seite hatte. Es war
damit der Weg gegeben, Dinge, für welche bisher der Kaiser im
Senat sich Rat geholt, die er also diesem zur Entscheidung vor-
gelegt, wie zahlreiche Fälle die aus den Provinzen kamen, nun
in "diesem Konsilium zu entscheiden, und in dieser Beschränkung
der thatsächlichen Kompetenz des Senats lag eine Herabminderung
der allgemeinen Bedeutung dieser Behörde. Dafür, dafs dies
wohl gefühlt wurde, ist ein Zeichen die Notiz, der Kaiser habe
für die, welche er in sein Konsilium aufnahm, die Zustimmung
des Senats eingeholt^) Wenn aber ein Senator dieser Zeit nun
verglich, was in den Büchern des Tacitus noch unter Tiberius
dem Senate vorgelegt worden war und was nunmehr vor ihn
kam, so wird er eine merkliche Differenz gefunden haben.
Vollends was der Kaiser auf seinen Reisen an Akten der Rechts-
pflege vornahm, das Gericht, das er über untreue Statthalter und
Prokuratoren mit einem Konsilium aus seiner jeweiligen Um-
gebung hielt, that ebenso sehr, wie die administrativen Kon-
stitutionen dem Abbruch, was sonst wohl dem Senat an Mit-
wirkung eingeräumt wurde.
Die amiuiares Der Rechtspflege gehört es an, ist aber ebenfalls von poli-
tischer Bedeutung, dafs unter Hadrian zuerst die Jurisdiktion
1) Vit. 18: Cum iudicaret, in consüio hdbuit non atnicos suoe oirf
eomites solum sed iuris constUtos et praecipue Jülium Celsumy Salvium JuUa-
num, Neratium Priscum aliosque, guos tarnen senatus omnis pröbasset. Ober
die Stellung dieser Räte und speoiell die des praef, praet. s. unt im Syst;
über die Beiziehung der Bitter ob. S. 363 A. 4. Den Senatoren wurde auch
das Zugeständnis gemacht, dalJs zum Gericht über einen Senator Bitter
nicht zugezogen werden sollten. Vit. 8. — Von dem consüium su unter-
scheiden ist das coniubemium, welches durch die jeweilig zur Gesellschaft
des Kaisers zugezogenen Männer von Stande bezeichnet wird. Vii 8, 1:
optimos quosque de senatu in conivrbemium imperatoriae nuUesUUis adsdvii.
Vgl. im Syst. und Schurz, de mutat. p. 16 £ ^ i
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- 371 —
der römischen Magistrate hinsichtlich Italiens entlastet wurde,
indem für wesentliche Teile der freiwilligen Gerichtsbarkeit und
der Civiljurisdiktion in den über eine gewisse Entfernung von
Born hinausliegenden Teilen Italiens vier besondere Beamte kon-
sularischen Rangs, consulareSj jeder mit einem besonderen Bezirk,
aufgestellt wurden.*) Nach dem, was über die Kompetenz dieser
Beamten zu ersehen ist, sind sie nicht in dieselbe Linie mit den
Kuratoren zu stellen, da sie nicht die bisherige Jurisdiktion der
Munizipalbeamten beschränken sollten, sondern sie sind zur Er-
leichterung der stadtrömischen Rechtspflege und damit zugleich
zur Herstellung einer prompteren und besseren Justiz bestimmt.
Die Bestellung dieser Konsulare geschah durch den Kaiser, nicht
durch Senatswahl. Bei der Jurisdiktionellen Bedeutung dieser
Funktionen und dem damaligen Charakter der Magistratsbestellung
konnte man geneigt sein, dem nur Bedeutung für die personliche
Auswahl zuzuschreiben und die Interessen des Senats dadurch
gewahrt zu finden, dals die Auszuwählenden Senatoren sein
mufsten; indessen war damit einmal die altrepublikanische Magi-
stratur in ihren Funktionen in ähnlicher Weise beschränkt, wie
in der Hauptstadt durch den vom Kaiser ernannten Stadtpräfekten,
dessen Stellung eine ähnliche war, und sodann war es immerhin
ein gewichtiger Anfang dazu, Italien von der Hauptstadt zu
trennen und den Provinzen näher zu bringen. Abermals war
ein Stück von den augusteischen Zugeständnissen an den Senats-
teil weggezogen.
Die Verdienste Hadrians um die Provinzen, die schon zu Provinxen «nd
Anfang seiner Regierung durch die bessere Einrichtung der offi-
ziellen Verkehrseinrichtungen eröflfnet worden^), wurden schon
1) Vit. 22, 13: quaituor constdares per omnem Itäliafn iudices constituit
Über Titel nnd Kompetenz s. im Syst.
2) Vit. c. 7. ob. S. 369 A. 1. Die Worte 'ne magtstratus hoc onere
gravarerduT^ sind undeutlich. Gewöhnlich versteht man sie jetzt von der
Erleichterong der Munizipalbeamten mit Beziehung auf Galba 8, wo diese
bei der kaiserlichen Post beschäftigt erscheinen (vgl. Hirschfeld, Verw.
S. 98 A. 5). Dafs jener Ausdruck dies heifsen kann, soll natürlich
nicht bestritten werden; vgl. abgesehen von dem Sprachgebrauch von magi-
strcUus bei den Juristen der Zeit die besonders nahe liegende Parallele vita
Pii 8, 4: miiUas etiam civitcUes adiuvit pecunia, ut opera — facerent — , ita ut
et magtstratus adiuvaret et senatores urbis ad functiones suas. Allein sachlich
ist mir diese Deutung nicht aufser Zweifel. Die Kosten lagen nach wie
vor den Provinzialen ob; für deren Leistungen werden also wohl di(
24«bbyLjOOgre
- 372 ~
bei seinen Reisen erwähnt Die wichtigste Seite an dem, was
er hier that, lag in der Gründung neuer Städte, der Erhebung
schon bestehender zu Kolonieen oder Munizipien römischen Bürger-
rechts und der weiteren Verbreitung des Latinerrechts.^) Den
Reisen gehört auch an, was die Schriftsteller über die Reformen
Hadrians im Militärwesen zu berichten wissen, und die Detail-
angaben, die hier gemacht werden, zeigen, dals der vielseitige
Herrscher auch hier den Dienst bis in die kleinsten Einzelheiten
kannte und gar manchfach mit Verständnis zu bessern suchte
und auch besserte.*)
Geachichtuchei 6. Mit all dem, was die hier skizzierte Thätigkeit Hadrians
Bild Hadrians. ' . ° .
Bedoutung für dem Rcichc gethan, hat er unstreitig nachhaltigere Wirtungen
Bichtung der hintcrlasscn als sein Vorgänger, und doch ist das Bild, das die
Geschichte uns von ihm überliefert, keineswegs so glänzend wie
das Trajans, es ist überhaupt nicht das eines grofsen Mannes.
Neben dem Lob findet sich aufwiegender Tadel, ganz unvermittelt
stehen starkes Licht und ebenso starker Schatten neben einander.
Die Art dieser Darstellung erklärt sich nun wohl daraus, dafs
die Berichte, auf die wir angewiesen sind, eben unvermittelt
kompiliert haben: neben einer dem Hadrian feindlichen Geschicht-
schreibung sind seine eigenen Aufzeichnungen oder die von ihm
veranlafsten gleichmäfsig benützt worden, und so ergab sich ein
Bild voll eigentümlicher Widersprüche: bald mild, bald rach-
Gemeindebeamten verantwortlich geblieben und im Zasammenhang damit
auch zu dem lokalen Dienst herangezogen worden sein. Dagegen mochte
es zweckmäfsig sein, die Oberaufsicht in jeder Provinz den Statthaltern
(magistraiiis) abzunehmen und Fiskalbeamten unter der Oberleitung eines
praefectus vehiculorumy welcher Titel seit Hadrian vorkommt (Hirschfeld,
a. a. 0. S. 100 A. 3), zu übergeben.
1) Die nachweisbaren Fälle bei Dürr a. a. 0. durch die einzelnen
Provinzen hindurch. Der Einzelnachweis för das in der Vita sehr allge-
mein gehaltene: Latium miUtts civitatibiM dedit (c. 21, 7) kann nur in
Untersuchungen über die einzelnen Provinzen gefunden werden. — Alles,
was die nach aufsen gerichtete Provinzialpolitik betrifft, s. unten.
2) Vit. 10, 2 anknüpfend an den Aufenthalt in Germanien. Dio 69, 9
macht dies zur Hauptaufgabe der Reisen. Fronte (p. 206 Nah.) erkennt
zwar an, dafs Hadrian regundis et facunde appellandis exercitibus suis im-
piger gewesen sei, aber die guten Wirkungen hievon werden ihm auf-
gehoben durch das Aufgeben der von Trajan eroberten Provinzen und den
darauf begründeten Friedenszustand , da longa desuetudine heUandi mües
Romanus ad ignaviam redactus sei. Allerdings dient das Frühere dem
Fronto eben als Folie für die Verdienste des L. Verus in Syrien.
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süchtig, gewissenhaft sachlich xmd dano wieder in kleiner Weise
personlich, bemüht, Hohe wie Niedrige zu erfreuen, und doch
mifsgünstig und voll gehässigen Mifstrauens.^) DaÜB diese Wider-
sprüche so, wie sie uns hier entgegentreten, nicht anzunehmen
sind, ist leicht zuzugeben, aber es bleibt über die Darstellungen
dritter Hand, die wir haben, zurück bestehen, dafs schon
die frühere Geschichtschreibung ein in hohem Grade un-
günstiges Urteil über diesen Kaiser vorfand. Die Schuld daran
liegt nun freilich an dem Eindruck, den er in dem Senatskreise
hinterlassen hat, welchem diese Quellen entstammen, während
gerade diejenigen, welche die Wohlthaten seiner Regierung ge-
nossen, keine Stimme in der Geschichte hatten. Indessen blofse
Parteigehässigkeit liegt in jenem ungünstigen Urteil doch wieder
nicht, und wenn die neueste Geschichtschreibung unter dem Ein-
druck des Bedeutenden, das die tiefer gehende geschichtliche For-
schung aus objektiveren Quellen über Hadrian zu Tage gefördert
hat, bemüht ist, den Kaiser hoch zu heben, geht sie ihrerseits darin
vielfach zu weit Hadrian hatte grofse auf die Wohlfahrt des
Reichs gerichtete Zwecke und den ernstlichen Willen, zum Besten
des Staats zu regieren, aber er gab sein Wollen in gar zu kleiner
Münze und oft in kleinlicher Weise aus. Die Kehrseite femer
seines unermüdlichen Thätigkeitstriebs und jener so sehr ge-
rühmten Vielseitigkeit war eine Unruhe des Urteilens und
Handelns, eine Unsicherheit im Verhalten zu Menschen und
Dingen, und wie er im Mifstrauen gegen andere bis zu den
kleinlichsten Polizeimafsregeln ging, so war auch er unfähig,
Vertrauen zu erwecken.*) Er hatte nie einen Kreis wirklicher
1) So findet es sich in der yita wie bei Dio. In der ersteren nament-
lich läTst sich onschwer scheiden, was auf die ungünstige Quelle, Marius
Mazimus (c. 3. 12. 20. 26. yit. Alex. Sev. 30) und was auf die von Hadrian
ausgehende Litteratur zurückging (vit 16: famae celebris Hadrianus tarn cu-
pidus fuü ut libros vitae sitae scriptoa a 8e Ixbertis suis litteratis dederit
iubens ut eos suis nomintbus publicarent; nam et PKUgontis libri Hadriani
esse dicuntt^).
2) Vit. 11, 4: erat curiasus tum solum domus suae sed etiam amicarum,
ita ut per frumentarios occulta omnia exploraret u. s. w. Für das Verhält-
nis selbst Nahestehender zum Kaiser Fronto ad M. Caes. p. 26 Nab.:
Hadrianum ego, quod bona venia pietaiis tuae dictum sit, ut Martern
Gradivom, ut Ditem Fairem^ prapitium et placatum magis volui quam amavi.
Quare? quia ad amandum fiducia dliqua opus est et famüiaritate: quia
fiducia mihi defuit, eo quem tantopere vener dbar non sum ausus ^l^9^AQ]e
■ igi ize y g
— 374 -
Vertrauten und Freunde um sich^ und die letzten Jahre seines
Lebens waren hiedurcli nicht nur vereinsamt, sondern geradezu
vergiftet.^) Er hat, wie die besseren seiner Vorgänger, auf die
Majestätsprozesse verzichtet^), aber es gelang ihm nicht Blut-
urteile zu vermeiden, die ihn verhafst machten. Jedoch, die
Aufgabe eines geschichtlichen Urteils über seine Persönlichkeit
geht nicht auf in der Abwägung von Lob und Tadel: von
gröfserem Interesse ist es, zu erkennen, wie er mit wesentlichen
Eigenschaften typisch war fiir seine Zeit und mit diesen Zügen,
als Herrscher und hochbegabter Mensch, im vollen Besitz der
Bildung seiner Zeit das, was ihm und seinen Zeitgenossen eigen-
tümlich war, steigerte und zu weiterer Entwicklung brachte.
Der wesentlichste dieser Züge ist die Abkehr von dem streng
romischen Typus, die Aufaahmefähigkeit für die verschiedensten
nationalen Kulturelemente. Es wird wohl hervorgehoben, dafs
Hadrian von den Bomern romische Haltung verlangt habe^,
aber dies war nur eine äufserliche Huldigung an die grofse
Vergangenheit des römischen Wesens; das übrige entsprach dem
nicht, sondern es tritt nun mit Hadrian eine entschiedene Wendung
zu einem allgemeinen Reichsgefühl in der Politik und einem
kosmopolitischen Kulturinteresse ein. Vergangenheit und Zukunft
scheiden sich besonders scharf. Unter den Griechen dieser Zeit
bewegt sich Hadrian mit Kundgebungen einer Romantik, wie sie
kein Römer vor ihm selbst besseren griechischen Zustanden
gegenüber bekannt, wie sie aber auch durch Hervorrufung einer
reichen und inhaltlich bedeutenden Kunstübung geradezu eine
neue Blüte der bildenden Kunst erzeugt hat. Aber auch der
fernere 'Osten schlofs sich dem Geiste des Kaisers auf, er wird
von ihm nicht blofs zugelassen, sondern aufgesucht, um ihm
seine Geheimnisse zu entlocken*), und so tritt er auch für die
ganze Zeit in ein neues Licht. Es wird sich in den Konsequenzen
zeigen, mit welchen Schwächen vom reichspolitischen Gesichts-
1) Dio 69, 17. Vit. 23.
2) Vit 18, 4: mcUestatis crimina nan admisit
3) Vit. 22: disciplinam civtlem non aliter tenuit quam militarem; sena-
tores et equites Bomanos semper in pvhlico togaios esse iussit; — ipse, cum
in Italia esset, semper togatus processit.
4) Tertull. apolog. 6: Quales leges istae, quas adversus nos sali ex-
sequunttMT impiiy qtMS nuUtis Hadrianus, quamquam cnriositatum omnium
explorator impressit, r~^ i
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- 376 —
puokt dies verbunden war; aber 6me Folge jedenfalls von gröfster
Tragweite kann rühmend hervorgehoben werden, die Änderung,
die im Verhalten der Volksstände zu einander eintritt: das Ver-
hältnis der Bürger zu den Peregrinen wird ein weniger schroffes,
die Rolle, welche die Freigelassenen spielen, so viel abstofsendes
sie in den Erscheinungen in den höchsten Kreisen hat, hat doch
in dem munizipalen Leben eine viel bessere Bedeutung und er-
scheint im Ganzen als eine Reparation fQr das unrecht der
Sklaverei; diese selbst wird in den Milderungen, die man dem
Sklaven im häuslichen Leben gewährt, erleichtert^) Insbesondere
aber tritt jetzt zum ersten Male die Gesetzgebung mit Zugeständ-
nissen an die Sklaverei auf, wie sie auch innerhalb des Familien-
lebens die schroffisten Seiten des alten Rechts abschwächt.') Dies
alles bahnt dem Christentum auf dem Boden des sittlichen Lebens
die Wege. Dasselbe aber ergiebt sich auch aus dem religiösen
Synkretismus und der Pflege der Philosophie. Hadrian hat wohl auch
hier sich bemüht, seinen Pflichten dem römisch-nationalen Kultus
gegenüber nachzukommen'); im übrigen ist durch seinen Vorgang
dem weiteren Hereindringen der orientalischen Religionen mächtiger
Vorschub geleistet worden, aber wieder geht neben dem abstofsen-
den damit verbundenen Treiben die bessere Seite einer Abschwächung
des schroff heidnischen und einer zunehmenden Aufnahmefähigkeit
1) Hiefur bieten die Inschriften dieser Zeit, die dem manizipalen und
häusliclien Leben entstammen, insbesondere anch die Gh-abschriften Belege.
Hinsichtlich der Gesetzgebung vgl. vit. Hadr. 18, 7 : servos a dominis occidi
vetuü eosque iussit damnari per iudices, si digni e88erd\ lenoni et lanistae
servum vel anciUam vendi vetuü causa non praestita. Si dominus in domo
interemptus esset, non de omnibus servis quaestionem haheri sed de is qui
per vtdnitatem poterant sentire praecepit. Es schliefsen sich diese Mildenmgen
an an Vorgänge der lex Petronia nnter Angostns (Dig. 48, 8, 11, 2: post
legem Fetroniam et senoitus consvUa ad eam legem pertinentia dominie potestas
äblata est ad bestias depugnandas suo arhitrio servos tradere; oblato tarnen
iudici servo, si iusta sit domini quereüa, sie poenae tradetur) and eine Yer-
ordnong des Claadius (Sneton Cland. 25: cum quidem aegra et adfecta
mancipia in insuiam Aesculapii taedio medendi exponerent, omnes gui ex-
ponerentur liberos esse sanxit nee redire in dicionem domini, si convcduissent.)
2) Vgl. die hierauf bezdglichen Gesetzgebungsakte und Entscheidungen
bei Hänel, corp, legum a. a. 0. (ob. S. 869 A 1).
8) Vit. 22: Sacra Bomana düigentissime curavit, peregrina contempsit;
ponHfieis maximi officium peregit. Dem gegenüber vgl. die Zeugnisse für
die synkretistischen Neigungen und das Aufsuchen griechischer und orien-
talischer Mysterien bei Gregorovius S. 400 f.
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Nachfolge.
— 376 -
für christliches Denken und Glauben her, die dann noch gefordert
wird durch den Einflufs der praktischen Philosophie dieser Zeit
Ein Charakter wie Hadrian konnte auf diesem Gebiete nur tolerant
sein, und so ist von ihm auch kein Akt der Verfolgung von Christen
geschichtlich beglaubigt; der jüdische Krieg aber war ihm ein
nationaler und politischer, nicht ein religiöser. Er selbst freilidi
steht dem allem nur mit dem Interesse der Wifsbegierde gegen-
über, auch in der Philosophie ist er Dilettant wie in den andern
Gebieten geistigen Lebens, aber vom Standpunkt des Regenten
aus heifst dies doch nur, dafs er noch Staatsmann genug war,
um nicht die Pflichten des Herrscherberufs der Neigung zu opfern.
Ordnung der 7. Eiucu Nachfolger sich zu bestellen, beeilte sich auch
Hadrian nicht; doch lehnte er diese wichtige Pflicht gegen das
Reich in höherem Alter nicht ab. Ein natürlicher Erbe war
ihm versagt, aber er hatte an seinem Schwager Servianus einen
Verwandten, in dessen Enkel eine Bürgschaft für künftige regel-
mäfsige Nachfolge zu liegen schien. Allein, sei es aus Abneigung
und Mifstrauen gegen Servianus oder weil er principiell freiere
Wahl haben wollte, Hadrian adoptierte im J. 136 den ihm sonst
nicht nahe stehenden L. Ceionius Commodus Verus, Schwieger-
sohn des zu Anfang der Regierung als Verschwörer hingerichteten
Nigrinus; den Servianus und seinen Enkel Fuscus aber kostete
das, dafs sie übergangen wurden, auch noch das Leben. ^) Es
scheint, dafs für die Stellung des so zur Nachfolge designierten,
der nun L. Älius Verus Cäsar hiefs, Hadrian eigentümlich ver-
fuhr. Er legte in den Namen Cäsar formell die Aussicht auf
die Zukunft*), die sonstigen Machtbefugnisse der Mitregentschafl
1} Dio 69, 17. vit. Hadr. 23 ohne Zweifel nach Marius Mazimas mit
dessen Deutung der Motive des Hadrian.
2) Name nach vit. Hadr. L, Ädius Verus Caesar; auf Münzen und
Inschriften fehlt Verus, Vgl. die Münzen bei Cohen 2, p. 258 ff. Inschr.
b. Wilmanns n. 942. — Eine besondere Bedeutung des Cäsarentitels ist so
kombinieren aus vit. Ael. 2, 1 primus tantum Caesar est appdlaius; o. 8:
quoniam de Caesarwn nomine in huius praecipue vita est dliquid di^puta$i'
dum^ qm hoc solum nomen indeptus est; Capit. yit. Yen: primus Caesar esi
dictus et in eadem statione constitutus periit und der allerdings nicht ganz
sicheren Münze bei y. Sallet, Daten der alez. Eaiserm. S. 83 f., welche den
L. Älius Cäsar im 3. Jahr stehend nennt, woraus, da Veras am 1. Jan. 188
starb, zugleich hervorgeht, dafs seine Adoption ins Jahr 136 vor den
29. Aug. (Anfiekng des ägypt. Jahrs) fallen muls. Vgl. Eckhel 6, 524, der
schon jene Mfinze verwertet.
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- 377 —
aber gab er ihm nicht sofort Um ihn zu erproben, hatte er
ihm ein gröfseres Kommando in Pannonien als Vorstufe gegeben,
mit der Adoption erhielt er jedoch nicht das imperium proconsulare,
wohl aber bald, vermutlich am 10. Dez. 136, die tribunicische
Gewalt und für 137 das zweite Konsulat.^) Dafs er einen Sohn
hatte, war, wie die Folge zeigt, bei seiner Wahl in Rechnung
genommen. Indes L. Alius, ein kränklicher Mann, starb am
1. Jan. 138, und nun fiel, da an seinen erst siebenjährigen Sohn
unmittelbar nicht gedacht werden konnte, die Wahl Hadrians
auf einen in jeder Beziehung sicheren Mann T. Aurelius Fulvus
Boionius Antoninus. Seine Bestellung ging in voller Offenheit
vor sich. Der Kaiser empfahl an seinem Geburtstag, dem
24. Januar, den damals im 52. Lebensjahr stehenden Konsular,
nachdem er zuerst mit seiner nächsten Umgebung Rücksprache
genommen, dem Senat, gab dann dem Ausersehenen Bedenkzeit
und nahm erst nach dessen Zustimmung am 25. Februar die
Adoption vor.*) Antoninus, der schon im J. 121 das erste Kon-
sulat bekleidet, wurde hoher gestellt als Verus; er erhielt sofort
den Imperatortitel, hiefs also nun Imperator T. Ädius Caesar
AntoninuSj und war Mitregent im vollen Sinn mit imperium pro-
consulare und potestas tribunicia.^ Zu gleicher Zeit aber sollte,
da Antoninus keine Söhne hatte, für die fernere Zukunft gesorgt
werden: er mufste seinerseits seinen Neffen, der Hadrians In-
1) Vit. Ael. 8: stoHm praetor f actus et Pannaniis dux ac rector im-
P08ÜU8, mox consul creah^s et quia erat deputatus imperio Herum consul
designatus est. Eonsnl I war Älins zu Anfang 186 gewesen. Trib. poi cob.
II heiüat er auf verschiedenen Münzen und Wilmanns, ex. inscr. n. 942; es
ist also zu vermuten, da(s Hadrian beim Jahreswechsel seiner tribonicischen
Gewalt dem Älins dieselbe verlieh. Hätte dieser sie schon vor dem 10. Dez.
136 gehabt, so würde er 187 trib. pot. II heifsen.
2) Vit. Hadr. 24. Pii 1—4. Die 69, 17. 20. In der Stelle Hadr.
c. 26, wo es heilst: nattüt suo ultimo, ct*m Äntoninum commendaret (Hadrianus),
praetexta sponte delapsa caput ei aperuit, dentet Casanbonns (not. in Spart.
Hadr. p. 42) commendare anf das Gebnrtstagsopfer *- diis eommendare\ allein
solches commendare hätte an dem Geburtstag des Antoninus stattfinden
müssen, nicht an dem des Hadrian, und so fasse ich es als eine Art von
pubUce commendare,
8) Vit Pii 4, 6: adoptaius est V. Kai, Hart. — factus^tue est pairi et
in imperio proeonstdari et in tribunicia potestate collega. Münzen bei Cohen
2 p. 407 n. 1 : Imp. T. Aelius Caesar Antoninus zusammen mit Hadrianus
Äug, WS. III, p, p. Die Abstammungsverhältnisse des Antoninus giebt
Capitolin vit. 1.
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- 378 —
teresse gewonnen hatte, den damals achtzehnjährigen M. Annios
Yerus, nun M. Äurelius Antoninus genannt, adoptieren und
zugleich mit diesem den Sohn des verstorbenen L. Alias
Verus, der zufolge jener ersten Adoption Hadrians Enkel war,
von nun an aber L. Älius Äurelius Commodus hiefs.^) So war
die in den nächsten Verhältnissen gegebene freie Auswahl zu-
gleich wieder auf die Aussicht der natürlichen Erbfolge hin-
geleitet, obgleich jener Mangel eines direkten Erben bei dem
zunächst auserkorenen die fernere freie Auswahl eines bereits
erprobten Maimes erleichtert hätte.*)
Der neue Mitregent erhielt durch die Krankheit Hadrians,
die denselben zur Reise nach Bajä veranlafste, sofort Gelegenheit
zur ßethätigung seiner Stellung in Rom; er wurde als Stell-
vertreter hier zurückgelassen. Am 10. Juli 138 starb Hadrian
und fand die Nachfolge statt. ^) Antoninus wurde nun sofort
Augustus, von den beiden Adoptivsöhnen wurde Marcus im
J. 139 zum Cäsar erklärt imd in seiner Laufbahn gefordert.^)
Letzteres wurde auch dem jüngeren Adoptivsohn zu teil; dagegen
wurde derselbe, so lange Antoninus lebte, nicht Cäsar ^) und in
1) Vii Hadr. 24. Pii 4. M. Ant. 6. An letaterer Stelle heilkt es bei
Capitolinus unrichtig: ea lege ut sibi Marcum Pitts adopiaret ita tarnen, ut
et Marcus sün Lucium Commodum adopiaret (ebenso Yer. 2); denn Marcus
und Lncins wurden beide von Plus adoptiert. — Den vollen Namen de«
Lucius als Cäsar giebt die Inschrift Wilmanns n. 947. Vgl. unt. S. dSl A. 1.
2) Die umstände der Adoption des Antoninus machen notwendig an-
zunehmen, dafs zur Zeit derselben seine eigenen zwei Söhne, die wir ans
den Inschriften des Grabmonuments der Alier (c. i. 1. 6, 988. 989. =» Wil-
manns 961. 962) kennen, bereits gestorben waren.
8) Vit. Hadr. 25. — Den Beinamen Pius fährt Antoninus zuerst auf
Münzen des J. 138 zusammen mit Aug., tr, pot cos, XI des. H, Cohen 2,
p. 277. Über die Veranlassung zu dem Namen gehen unsre Berichte aus-
einander (vgl. Bossart und Müller in Büdinger, Jlnters. 2, 296 ffl); jeden-
falls v^ird dieser Beiname ihm durch einen Senatsbeschluis zugesprochen
worden sein.
4) Vit. Marci: constdem secutn Pius Marcum designavit et Caesaris
appeUoHone donavit; das Konsulat fällt ins J. 140.
6) Nicht nur wird davon im Leben des Antoninus nichts berichtet,
sondern es wird vit. Marci 7 ausdrücklich gesagt, dafs erst Marctts Lucmm
Caesarem atque Augustum dixit Es giebt auch keine Münzen des Antonin
und Verus, während es solche mit Antonin und Marcus giebt, und auf letsteren
heifst dieser ohne Vornamen Äurelius Caesar (Cohen 2, 409—412), woraus
erhellt, dafs es nicht zwei Aurelii Caesares gab. Vgl. auch Tillemont 2,
p. 647 f.
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5*:x^
— 379 -
allem hinter Marcus zurückgehalten. Dieser wird mit der ur-
sprünglich dem Lucius bestimmten Faustina, Antoninus Tochter^
vermählt^ erhält darauf die tribunicische Gewalt ^ das prokon-
sularische Imperium und eine privilegierte Stellung im Senat ^);
er wird mit allen Ehren der Mitregentschaft ausgestattet und
ist während der ganzen Regierung seines Vaters in ununter-
brochenem unmittelbarstem Verkehr mit diesem^; während Lucius
zwar Sohn des Kaisers ist, aber nicht zu einer Stufe gelangt,
die am Principat selbst Teil gegeben hätte.*)
8. Die beinahe durchaus friedliche Regierung des Antoninus Antoninai piai
and Marc
AnreL«) Über-
1) Capit. yit Marc. 6: post haec Faustinam duxit uxorem et «««cepto ^Jj^n^der Au-
fiJia trib. pcieskUe donatus est atque imperio extra wrhem proconeulari addito Wesenheit in
iwre quintae relaiionis. Über letzteres Recht 8. im Syst. HinBichtlich der Abwesenheit.
trib. pot, vgl. corp. i. graec. n. 8176. Hier dankt M. Aarel drjfiaQx^nrjg
iiov^^av vncctog x6 ff (also im 1. Jahr der trib. Gewalt und zwar am
28. März) der OenossenBchaft des DioDjioa Briseas in Smyma fflr einen
Glfickwnnsch zur Gebort eines Sohnes, der aber znr Zeit, da dieser Brief
geschrieben wurde, bereits gestorben war. Das Jahr ist durch die Ver-
bindung von trib. pot. und zweitem Konsulat als 147 gegeben. Die Er-
teilung der trib. pot. ist demnach zu bestimmen auf 10. Dez. 146, vgl.
Mommsen, Str. 2, 277 A. 8. Damit stimmen die sonstigen Jahreszahlen
der trib. pot. des M. Aurel. Nach Capitolins Angabe mufs der Geburt des
Sohns die einer Tochter vorangegangen sein, infolge deren die trib. pot.
erteilt wurde. Diese Angabe ist mit der Inschrift nicht unverträglich, wie
BOckh z. d. Inschr. andeutet und Waddington in m^m. de Tacad. 26
p. 212 A. 2 bestimmt meint, sondern das Verhältnis ist so, dafs die Heirat
des Marcus 145, die Geburt der Tochter 146 zu setzen ist, beim darauf
folgenden Termin des Wechsels der trib. pot. die Erteilung der letzteren,
dann die Geburt eines Sohns folgt. Vgl. auch Borghesi oeuvr. 7, 118 f.
Mommsen in /Hermes 8, 206 A. 4.
2) Vit. Marc. 7: per vigifUi et tres atmos in domo patris ita versatus,
ut eiu8 cotidie amor cresceret, nee praeter duas noctes per tot annos ab eo
maneit divereia vicibw.
8) Vit. Veri c. 2: fuU privatus in domo imperatoria viginti et tribus
cmnis mit der näheien Darlegung seiner Zurflcksetzung hinter Marcus in c. 8.
4) Für Antoninus flielsen die Quellen besonders spärlich. Die vita,
die wie die des M. Aurel von Julius Capitolinus stammt, ist kurz, Victor,
die epitome und Eutrop sind noch viel dürftiger, und Xiphilinus hat fdr
diese Partie nicht den Dio zur Verfügung gehabt, sondern anderweitig die
Lficke ausgefflUt (70, 1); auch Zonaras (12, 1) scheint nicht den Dio selbst
vor sich gehabt zu haben, sondern nur den Xiphilinus. Malalas (p. 280 f.
ed. Bonn.) ist hier nicht ganz ohne Wert (s. unten). Charakteristiken von
Antoninus geben M. Aurel Elg iccvtov 1, 17. 6, 30. Pausan. 8, 48. Von
Alins Aristides gehören unter Antonin die zwei Reden, die nähere Be-
ziehung zur Politik haben, slg 'Ptiitriv und Big ßocetXia. (Waddingtonr>7iep.^Tp
• igi ize y g
— 380 -
Pius, des zweiten Numa, wie er bezeichnet wird^), verlief aacli
im Innern so einfach, dafs es so gut wie keine Chronologie der-
selben giebt; kaum gewähren einige Kämpfe an den Grenzen
eine nähere zeitliche Bestimmung.*) Es wird heryorgehoben,
dafs Antoninus und demgemäfs auch M. Aurel als Cäsar niemals
Rom verlassen hätten*), und nur durch Kombination ersehen
wir, dafs beide im J. 154/5 durch die Verwicklungen mit dem
Partherreich veranlafst wurden, in den Orient zu gehen.*) So
du rh6teur Aelius Aristide in mim. de VAcad. des inscr. *. XXVI. p. 265).
Für M. Aurel ist der Auszug aus Dio wieder ausführlicher; daneben haben
wir Frontos Briefe, die zwar für diese Zeit charakteristisch genog^ sind^
aber wenig historische und politische Ausbeute geben. Vgl. dazu Monunseo,
die Chronologie der Briefe Frontos in Hermes 8, 198—216. Die Schrift des
Kaisers selbst Elg iccvrov giebt wenig Geschichtliches, so interessaiit sie
für die Charakteristik ist. Herodian beschäftigt sich mit M. Aurel 1, 1—4.
Historisches Detail giebt auch die rhetorische, philosophische and belle-
tristische Litteratur der Zeit (vgl. insbes. Lucian zu dem Partnerkrieg in
Tcmg dsi tcxoq. ovyyq.) sowie die aufkommende christliche Apologetik (vgl
hiezu E. Renan, origines du chrütianisme Bd. 7. 8. 290—818. Bd. 8. {Marc
AwrhU), Baur, christl. Eirchengesch. 18, 878 — 382. 440 ff.; YOr allem aber
ist diese Litteratur von gröfstem Interesse für die geistigen und sociale
Zustände dieser Zeit. Münzen und Inschriften sind zahlreich. Das Material,
dxis den Rechtsquellen zu entnehmen ist, beiH&nel, corpus legum-p. 101 — 132.
— Von Neueren vgL über Antouin Sievers, Studien zur Gesch. der r&n.
Kaiser S. 171—223. Xav. Bossart und Jak. Müller in Büdingers Unter-
suchungen zur Kaisergesch. 2, 287—820; über M. Aurel NoSl des Vergers,
essai sur Marc AurMe. Paris 1860. — Über die kaiserliche Familie und
die hervorragenden Persönlichkeiten der Zeit bieten vieles Borghesi, oeuvr.
comph an verschiedenen Stellen, Waddington a. a. 0., femer in Le Bas-
Waddington, descripL de VAsie mineure vol. III zu einzelnen Inschriften und
fMtes des provinces Asiatigues bei den Statthaltern dieser Zeit.
1) Vit. Ant. 13. Eutrop. 8, 8 Hart Vict. ep. 16: quamvis eum Numae
contülerit aetas sua.
2) Vgl. BoBsart-Müller a. a. 0. S. 304 ff., wo zu erweisen gesncfai
wird, dals alle Kämpfe vor 146 fielen. Daraus, dals der Kaiser, nacbdem
er im J. 142 wahrscheinlich aus AnlaTs der Erfolge in Britannien den
Titel itnp. II angenommen, diesen Titel nicht wiederholt, ist wohl zu
schliefsen, dafs nach 142 keine ernstlicheren Kämpfe mehr stattfiemden.
Die Verwicklungen mit den Parthern aber, die erst 164 eintreten, setien
Bo8s.-Müller zu frühe an, s. unt. A. 4.
3) Vit. Pii 7, 11: nee uücts expeditiones ohiit nisi quod ad agros suos
profectus et ad Campaniam, dieens gravem esse promncicdibus comitatum
principis eHaim nimis parci; et tarnen ingenti auctoritate apud omnes gentes
fuit, cum in urbe propterea sederet, %U undique nuntios medius utpote eiUus
passet accipere.
4) Waddington, vie du rhä. Arist, p. 260 f. zeigif>dars nach Malalaa
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beschränkt sich denn alles ^ was wir über die 23 Jahre des An-
toninus wissen^ auf seine Charakteristik^ eine Anzahl meist zeit-
los berichteter Anordnungen, die er traf, seine Familienverhält-
nisse und einige Notizen auf Münzen und Inschriften. Von der
Regierung des M. Aurel ist die Zeitfolge der auf die innere
Politik bezüglichen einzelnen Akte kaum viel besser bekannt;
dagegen teilt sich dieselbe durch die Einschnitte, welche die
Kriegsgeschichte macht, in verschiedene genauer bestimmbare
Perioden. Unmittelbar an die eigene Übernahme der Herrschaft
schliefst sich die folgenreiche Erhebung des bisher L. Commodus,
jetzt L. Verus genannten Adoptivbruders zum Mitkaiser, d. h.
zur Gleichstellung in Macht und TiteH), ein Vorgang, der in
seiner geschichtlichen Bedeutung weiterhin zu würdigen ist. Da
Verus schon im J. 162 zur Führung des Partherkriegs sich nach
Asien begiebt, führt M. Aurel die Regierung in Rom wenn auch
nominell mit Verus zusammen, so thatsächlich doch allein, und
so stellt sich in diesen Jahren , da er in Ruhe in Rom regieren
kann, der Charakter seiner Führung des Principats fest^); nur
da, wo L. Verus seinerseits thätig sein mufs, persönliche Auktorität
ausübt und mit seinen persönlichen Eigenschaften einwirkt, wird
der Eindruck, den die gemeinsame Regierung macht, mit durch
ihn bestimmt^ doch tritt er auch hier als untergeordneter Cha-
rakter auf.^) Unmittelbar an die Beendigung des Kampfes im
p. 280 an einem längeren Aufenthalt des Antonin im Osten, m Kleinasien,
Syrien und Ägypten, nicht zu zweifeln sei nnd zwar aus AnlaTs der Haltung
des Partherkönigs Yolagäses; gelegentlich dieses Aufenthalts hielt wohl
Aristides die Rede slg ßaaiXia, Die Verhandlungen mit dem PartherkÖnig
fielen in den Febr. 166; die Dauer des Aufenthalts ist nicht näher zu be-
stimmen.
1) Vit. M. 7, 6: post excessum divi Pii a seiuxtu coactus regimm publi-
cum capere fratrem aibi participem in imperio designavit, quem L, Aurelium
Verum Commodum appeUavit Caesaremque atgue At^ustum dixit; aique ex
eo pariter coeperunt retnp, agere, tuncque primum imperium duos Augustes
habere coepü, Vit. Veri 8, 8—4, 1: defuncto Pio Marcus in eum omnia
contulit, participatu etiam imperatoriae potestaHs induUo, sibique consortem
fecit, cum Uli sali senatus detulisset imperium. Dato igitur imperio et in-
dulta tribunieia potestate post consül(xtus etiam honorem delatum Verum vocari
praecepit suum in eum transferens nomen, cum ante Commodus vocaretur.
2) V. M. 12, 7: cum se Marcus äbsente Vero erga omnes Senator es at-
que homines moderatissime gessisset.
Z) Vgl. yit. Veri 8 f. Dies schliefst nicht aus, dafs er da und dort
eigenmächtig erscheint, ebendas. 8, 6: reversus e Parthico bello minore circa
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~ 382 —
Orient im J. 166^) schliefst sich der erste Markomanenkrieg
an der Donau^) an, und nachdem zu Anfang 167 die beiden
Kaiser auf den Kriegsschauplatz abgegangen waren , kommt es
nur noch ^vorübergehend dazu, dafs beiden^ oder nachdem Veras
im J. 169 gestorben y dem M. Äurel der Aufenthalt in Kom
möglich wird. Im J. 175 bricht in Syrien der Aufstand des
dortigen Statthalters Avidius Cassius aus^ der den M. Aurel Ter-
anlafst, nach Asien und Ägypten zu gehen; nachdem er toq
dort über Griechenland gegen Ende 176 nach Rom zurückgekehrt
war^ ist es ihm vergönnt, wenigstens bis Sommer 178 daselbst
bleiben zu können. Dann wird er durch die Kriegsereignisse
aufs neue an die Donau gerufen , um von da nicht wiederzu-
kehren.^) In die Zeit des letzten längeren Aufenthalts in Rom
fr (Urem cultu fuit Verus; nam et libertis inhonestius indulsü et multa sim
frcUre disposuit,
1) In dem Militärdiplom Epbem. epigr. II. p. 460 heifst L. Veras in
dem EoDBulatenundiniam Febr.-März 166 proconsul, ist also aas dem Parther-
krieg noch nicht nach Rom zurückgekehrt, während M. Aarel als in Rom
befindlich diesen Titel nicht führt. Über den gemeinsamen Triamph t. li
12, 8 ff. V. Veri 7, 9. Zogleich wird beiden der Name pater patriae de< I
kretiert v. M. 12, 7.
2) V. M. 12, 13: Dum Farthicum bellum geritur, natum est Marcomam-
cum, quod diu eorum qui aderant arte suspensum est, ut finito tarn arientali
hello Marcomanicum agi posset et cum famis tempore populo insinuasset de
hello, fratre post quinquennium reoerso in senatu egit, ambos necessariof
dicens hello Germanico imperatores. Die Vorbereitungen für den Aumag
nahmen jedenfalls den Rest Yom J. 166 weg, so dafs dieser erst Aof&ng
167 erfolgen konnte.
8) Am 6. Jan. 168 hielt M. Aurel eine Rede in Rom {iur. ram, fragm.
Vat, § 195), mufs also Ende 167 dorthin zurückgekehrt sein; TgL
Fort(una) Med{ux) auf der Münze vom J. 168 Cohen III M. Aur^le n. 207;
Borghesi oeuvres 3, 116 f. Im Lauf des J. 168 erfolgt sehr g^^ den
Willen des Verus die Rückkehr auf den Eriegsschauplats, Yon dem su An-
fang 169, da er nicht ausharren will, M. Aurel ihn nach Rom zarückgehen
lassen will; unterwegs stirbt Verus v. M. 14. V. 9, 10 f. M. Aurel kehrt
mit der Leiche zurück und ordnet in Rom die Konsekration seines Mit-
kaisers (y. M. 16. 20.) sowie das durch die Yeränderte Sachlage sonst not-
wendig gewordene und das weiter für den Krieg erforderliche. Dann
aber eilt er noch 169 auf den Kriegsschauplatz zurück (Münzen bei Cohen III
M. Aur. n. 500: Profeebio Äug. Yom J. 169). Um diese Zeit Yerheinitet«
er seine Tochter Lucilla, die Wittwe des Verus, an Claudius Pompejaoos^
einen Mann von ritterlicher und provinzialer Abkunft, in dem er eine Stütse
für die Kriegsführung sah. Im Feldlager an der Donau blieb der Kaiser,
bis er in den Orient gegen Cassius ziehen muiste. DaQ^ nach I)io 71, 17 ff.
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i
- 383 -
fallt die Erhebung seines Sohnes Commodus zum Mitkaiser.
Dieser, der am 31. Aug. 161 geboren, im J. 166 zusammen mit
seinem jüngeren Bruder Annius Veras Cäsar geworden war,
diesen Bruder aber schop im J. 170 verloren hatte, erhielt nach
der Rückkehr im J. 176 den Imperatortitel, die Teilnahme am
Triumph, für 177 das Konsulat, obgleich er erst 16 Jahre alt
war, und darauf die volle Mitkaiserschaft mit dem Titel Augustus,
wie sie vorher L. Verus gehabt hatte.*) — Die vielfache und
und vit. M. 26, 1. Avid. 7, 7 M. Aurel vom Donaukrieg aus gegen Cassias
EOg and nicht, wie ans den in der. vit. Avid. 9. 10 eingelegten Briefen zu
sehliellBen wäre, von Italien aus, und dafs nicht im J. 172, sondern 175 die
Erhebung des Cassius zu setzen ist, führt gegen Waddington aus Napp, de
rebus M. Aur. imp. gestis p. 42 ff. Bemerkenswert ist allerdings, dafs nunmehr
M. Aurel, während er in dem ersten Feldzug Ende 167 wieder zurückgekehrt
war, so lange von Rom fortbleibt, und der Zustand unsrer litterarischen Ober-
lieferung könnte wohl veranlassen, einen vorübergehenden Aufenthalt in
Rom zwischen 169 und 176 anzunehmen; allein davon wären wohl Spuren
in den monumentalen Quellen, zumal auf den Münzen zu finden. Cassius
wird 3 Monate 6 Tage nach seiner Erhebung getötet (Dio 71, 27); der An-
fang dieser Erhebung kann bestimmt werden nach vit. Comm. 2, 2: Non.
JtUiarum die — eo tempore qtio Cassius a Marco descivit Über die Expedition
nach Ägypten und den Tod der Faustina in Eappadokien vit. M. 26, 1 , die
Rfickreise über Athen nach Rom c. 27. Der Triumph findet statt im Dez.
176; denn von Commodus ist bezeugt, dafs er am 23. Dez. iriutnphavU cum
patre. (Vit Comm. 2, 4. 12, 5; s. darüber weiter folg. Anm.) Die Rück-
kehr auf den Kriegsschauplatz findet statt am 3. Aug. 178;. ebendas. 12, 6.
Während dieses Feldzugs stirbt M. Aurel, nach TertuUian apolog. 26 und
Dio 71, 33 am 17. März 100; letzterer giebt als Ort an Sirmium, während
Victor und die epitome in ihren Quellen Vindohona genannt fanden. (Hero-
dian 1, 3 allgemein: diaz^lßovxa iv Ilaioüi,)
1) Summarisches Verzeichnis der Laufbahn mit Jahres- und Tages-
daten vit. Comm. 12. Hinsichtlich des einzelnen v. Marc. 12, 8: gelegent-
lich des Triumphs v. 166 petü Luciiu, ut filii Marci Caesares appeliarentur.
22, 12: fUio Commodo arcessito ad limitem togam virilem dedit (nach vit.
Comm. 12, 3 im J. 175), guare congiarium poptUo divisit et eum ante tempus
consulem designavit. Vor der Rückkehr aus dem Orient erfolgen im Senat
wegen der Milde des Kaisers gegen die Anhänger des Cassius Acclamationen
(vit. Avid. 13, 3: Commodo imperium iustum rogamus; progeniem tuam
rohora, fac securi sint liberi noetri, — Commodo Äntonino tribuniciam potes-
statem rogamus). Nach der Rückkehr v. Comm. 12, 4 (vgl. 2, 4 vorherg.
Anm.): cum patre appeUatus imperator V, Kai. Exsuperatorias (« Dec.)
PoUione et Apro II cos, (176) et triumphavit cum patre; vgl. 16, 2: statim-
que (in ßium conttUit) nomen imperaioris ac triumphi participationem et
consuiatum. Der Triumph des Sohns mufs aber besonders gefeiert worden
sein; denn einmal heilst es v. M. 16, 2: ipse imperator ßio ad triumphalem ^\^
o
— 384 -
lange Abwesenheit des Kaisers von Rom störte die Ausübang
der Reichsregiemng nicht in dem Grade^ wie zu erwarten war;
denn der unermüdlich arbeitsame M. Aurel kam auch im Feld-
currum in circa pedes cucurrit, und dann ist die Inschrift des Triumph-
bogens (corp. i. L 6, 1014 <» Wibnanns n. 962), deren Datom doch wohl
auf den Tag des Trinmphs gerichtet ist, mit der trib. pot, XXX datiert,
welche läaft vom 10. Dez. 175 — 9. Dez. 176; der Triamph des Sohns
aber war am 23. Dez. 176 (vgl. vorh. Anm.); auch gilt jene Inschrift dem
Vater allein. Möglich, dals der Triamph des Vaters am 24. Nov. gefeiert
wurde und daTs bei dieser Gelegenheit der Sohn den Titel imperaior^ d. h.
das imperium proconstdare erhielt (vgl. dazu das Beispiel des Hadriao , der
bei der Adoption dem Antonin den Imperatortitel giebt, ob. S. 877 A. 3).
Jener Annahme scheint entgegenzustehen, dafs auf der Mfinze Ck>h. DI
p. 827 n. 788 Vater und Sohn zusammen auf dem Triumphwagen stehen,
allein wie der Schriftsteller zwei jedenfalls auf dieselben Erfolge bezfig-
lichen und zeitlich sich naheliegenden Triumphe in das cum patre triumpha-
Vit zusammenfassen kann, so auch die Münzdarstellung. Nach dem Triumph
Lavinium profectus est. Commodum deinde sibi coUegam in tribumiciam
potestatem iunxity congiarium poptUo dedit etc. Die genauere Zeit dieser
trib. pot. wird nicht berichtet; sie mufs durch Kombination gefunden werden.
Am 1. Jan. 177 trat Commodus das Konsulat an. Nun giebt es Münsen
1. mit imp, Caes. L. Aurel, Comm. Germ, Sarm, und sowohl trib. pot cot
(Cohen 111 Comm. n. 788—738) als auch trib. pot. II cos, (n. 789. 741.
742), 2. mit L, Aur, Comm. Aug. und trib. pot. II cos. p. p. (n. 748 £);
8. am Schlafs des Lebens des Kaisers noch mit trib. pot. XYIII^ was sich,
da Commodus am 81. Dez. 192 starb, mit einer Übertragung im J. 177
oder nach 10. Dez. 176 nicht verträgt. Aus diesen Daten nun geht hervor,
dafs der Titel Augustus im Verlauf der trib. pot. II dem Commodus n
teil wurde, also nicht, wie dem L. Verus, trib. *pot. und volle Kaiserwflrde
gleich zufiel (ob. S. 881 A. 1). Das Rätsel der trib, pot. XFJJJ aber, das schon
Eckhel 8, 417 beschäftigt hat, wollen Stobbe, Philol. 82 S. 48 und Mommsen,
Str. 2, 777 A. 8 so lösen, dafs sie annehmen, die trib. pot. sei dem Commodus
zuerst im J. 177 gegeben, weiterhin aber auf den 27. Nov. 176 zurück-
datiert worden, und zwar wäre nach Stobbe diese Rückdatierung gelegent-
lich der Verheiratung des Commodus mit Crispina erfolgt. Nach Mommsen,
der den Wechsel der Tribunatszählung auf 10. Dez. setzt, wäre dann trib.
pot. 1 — 27. Nov. — 9. Dez. 176, trib. pot, II 10. Dez. 176. — 9. De».
177. trib. pot. XVni von 10. Dez. 192 ab. Könnten indessen nicht, wenn
die trib. pot. wenige Tage vor dem 10. Dez. 176 gegeben wurde, suD&chst
in der Münze jene paar Tage nicht in Berechnung genommen und so von
dem Tage der Übertragung bis 9. Dez. 177 ein wenig übervolles Jahr
*» 1 Jahr gerechnet, dann aber dies als Benachteiligung korrigiert worden
sein, so dafs man die durch keine Analogie zu motivierende Rückdatienmg
vermiede? Jedenfalls kommt dann aber im Laufe von 177 der Augustus-
titel hinzu, den neben den Münzen die Inschriften (Wilmanns n. 953. 964
corp. i. 1. VI. 1016) und Akten (Hänel, carp. legum pr^ao--iafi^ zu Leb-
— .385 -
lager den Geschäften der Beichsregierung, insbesondere auch
den jurisdiktionellen Aufgaben des Principats, so weit es immer
ging, nach.O
9. Dies ist der äufsere Rahmen der Regierungen des Anto- Allgemeine
ninos und M. Aurel, welche mit den zweiundvierzig Jahren ihrer beider Begie-
Dauer den Hohe- und zugleich Wendepunkt der ersten grofsen
Periode der römischen Imperatorenherrschaft bilden. Sie in ihrer
Charakterisierung zusammenzunehmen ist man durch mancherlei
äufsere und innere Gründe berechtigt; denn sie heben sich
gegen Früheres und Späteres durch gemeinsame Züge ab. Schon
änfserlich ist eine enge Verbindung beider Regierungen dadurch
gegeben, daüs, wie schon bemerkt, der zweite dieser Herrscher
vom Antritt des ersten an ohne Unterbrechung in dessen Um-
gebung war, unter seiner Leitung auf den Regentenberuf vor-
bereitet wurde und, nachdem er selbst das Principat übernommen,
sich dazu bekannte, es im Geiste seines Vorgängers zu führen.^)
Piaton läfst in seinem Dialog vom Staate den Ausspruch thun:
„Wo nicht die Philosophen Könige in. den Staaten werden, oder
die, welche jetzt Könige und Herrscher heifsen, ernstlich und
tüchtig Philosophie treiben, und wo so nicht beides zusammen-
fallt, Macht im Staate und Philosophie, da giebt es für die Ge-
meinwesen und für die Menschheit überhaupt kein Ende ihrer
Leiden.*'^ Jene Voraussetzung war nun erfüllt, M. Aurel beruft
sich ausdrücklich auf das Wort Piatons und bekennt sich zu
dem Bemühen, die Leiden der Menschheit zu lindern. Und in
der That, wenn unter den vorhergehenden Principaten es in
Zeiten des M. Aurel geben, während die Schriftsteller die Erteilung desselben
nieht erwähnen. Bei Enseb. Ghron. heilst es zwar zum J. 177 (aas dem
armen, fibers.): Antaninus Cammodum ßium 8%mm imperii socium fecü;
allein dieser Ansdrack ist za allgemein, zumal da zum J. 182 der Antritt
der AUeinregierung bezeichnet wird damit, dafs der Senat dem Commodos
den Namen Angostos gegeben habe; auch ist die Zugehörigkeit der Notiz
z. J. 177 nicht einmal sicher. Den Biographen mols die Notiz ent-
gangen sein.
1) So richtet er in der Klage der Athener gegen Herodes Attikus in
Sirmium, Philostr. vit soph. p. 661.
8) Bk Bavt. 1, 16: IlaQU %ov naxQhg x6 rJiUQOV u. s. w. 6, 30: Uavxu
a) Plat Polit p. 478. yit. M. 27, 7: setUetUta PlaUmia semper in ore
iOius fuü, florere dvitates, si aut philosopM imperarent aut imperantes pkUo-
8opharet4i»r.
Hersog, d. rö». StwktiTerf. II. 1. J^ized byCiOOglC
— 386 —
Dm Giflck erster Linie die Ordnung des Reichs und der politische Zustand
war, der in möglichst befriedigender Weise hergestellt werden
sollte ; woraus die Wirkung auf die Reichsangehorigen mehr in
mittelbarer Weise sich ergab, so sollte jetzt neben der Auf-
rechterhaltung der von den Vorgängern Qberkommenen Blüte des
Reichs die Fürsorge möglichst unmittelbar den einzelnen Klassen
der Bevölkerung zugute kommen, ja den einzelnen Menschen, so
weit sie von der Stellung des Herrschers erreichbar waren. ^)
Anordnungen der Verwaltung, Reskripte auf Anfragen, Richter-
sprüche und Ordnung des Rechtswesens überhaupt*), Einschreiten
mit Akten der Wohlthätigkeit in gegebenem Fall, kurz alle Ge-
legenheiten zur Bethätigung wohlwollenden und doch zugleieb
gerechten und umsichtigen Eingreifens sollten pflichtmäTsig be-
nützt werden, um der Aufgabe des Herrschers nachzukommen.')
Der Grundsatz der Humanität wurde jetzt öffentlich aufgestellt und
befolgt, wie bisher nie im Altertum^), so wie es eben möglich war
in einer Gesellschaft, welche auf die Sklaverei begründet ist
Wenn diese gesellschaftliche Organisation nicht zu ändern war,
' so konnte man sie wenigstens mildern, durch allgemeine Be-
stimmungen wie durch Einzelverfügungen auch der Sklaven sich
annehmen und hier besonders die Tendenz walten lassen, den
1) V. Pii 7, 1: Tanta sane diligentia subiectos sibi poptUos rexü, fä
omnia et omnes, quasi sua essent, curaret. Provinctae sub eo cunäae flo-
ruerunt.
2) Vit. Marci 10, 10: iudiciariae rei singularem düigentiam adhibuU.
8) Die Citate aus den Bechtsquellen, zusammengestellt bei Hänel,
corpus legum, und die einzelnen von den Biographen hervorgehobenen Ent-
scheidungen geben hieför reichliche Beweise, sie betreffen insbesondere das
Erbrecht, Familienrecht, Vormundschaftsweaen, Bflrgerrecht nnd persönliche
Rechtsstellung überhaupt, Milderung zu gunsten der Sklaven, Herabminde-
rung d$r Ansprüche des Fiskos u. dgl. Um die Eonstatierung der persÖn-
^ liehen Rechtsverhältnisse zu erleichtern, wird Aufzeichnung der (Geburten
eingeführt, v. M. 9, 7.
4) Dig. 29, 2, 86: restitutionem in integrum impiarabant, quae stricto
iure non campetit ~; divum tarnen Pium contra constituisse Maedanus —
refert — ; quod et hie humanitatis causa ohtinendum est. 28, 4, 8: (Änto-
ninus Caesar d. h. M. Aurel) remotis omnibus cum ddiberasset — dixit:
causa praesens admittere videtur humaniorem interpretationem
(zn gunsten der Ansprüche eines Sklaven auf Freilassung). In derselben
Frage 28, 6, 86: et humanius est et magis aequitaiis ratione subnixum^
worauf eine dem entsprechende Entscheidung erfolgt ex eonstiMione divi
Marci, — Hinsichtlich der Strafgerichtsbarkeit vgl. vit, Marc. 24: enU
mos — , ut omnia crimina minore supplicio quam legibus plecti soient ptmiret,
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~ 387 —
Schwachen zu Hilfe zu kommen. Gerade in dieser Zeit finden
sich denn auch Spuren, dafs man das wichtige und nunmehr
über das ganze Reich verbreitete Institut der Genossenschaften
in den niederen Klassen der Bevölkerung (coUegia tenuiorum)
auch positiver Aufmerksamkeit wert hält und nicht blofs inner-
halb der polizeilichen Beschränkungen sich selbst überläfsi^)
Beihilfe in Unglücksfallen, wozu es an Gelegenheit nicht fehlte,
wird für alle Teile des Reichs berichtet, Erleichterung der Lasten
bis ins E^eine angestrebt und von den Organen besonders der
Finanzverwaltung verlangt, dafs sie im Sinne des Herrschers ihr
Amt führen.*) Der Erfolg einer solchen Regierung war auch
ein glücklicher: die Menschheit fand gewifs kein Ende ihrer
Leiden, aber sie kam in volleren Genufs der von früher her schon
angebahnten Wohlthaten der Verwaltung und sie atmete auf
wie nie zuvor. Der Preis der Regierung des Pius, den vrir von
dem Rhetor Aristides haben'), ist eine Deklamation und zeigt
dies in der Leere der Begründung des Lobs, aber das Lob selbst
entspricht der Wirklichkeit Kürzer und einfacher, aber mit ein-
dringlicherer Wirkung bezeichnet Pausanias denselben Kaiser als
* Vater der Menschen*.*) Dabei ist aber nicht zu verkennen,
dafs eine Wechselwirkung zwischen den Herrschern und der
Welt, die sie beherrschten, stattfand. Die ganze Zeit ist dem
Gedanken der Humanität zugänglicher als je sonst. Wie den
Unterworfenen der Zugang zu besserem Recht immer mehr er-
leichtert, das Bürgerrecht und die Latiniiät fortwährend weiter
verbreitet werden, die höhere Laufbahn in Ritter- und Senatoren-
stand neuen Kreisen offen wird, so geht der Zug, welcher den
1) M. Anrel berechtigt die RollegieD, Legate anzunehmen und Sklaven
frei zu lassen. Dig. 84, 5, 20. 40, 8, 1 f. Näheres über dieses Institat im
System.
2) Vit. Pii 9: (Hilfe bei adversa temporis). 7: (Sparsamkeit zu gun-
sten der Unterthanen). 6^ 1: Procuraiores suaa et modesie suseipere tri^mta
UusU et excedentea modum raUonem factorum auorum reddere praecepit nee
unfuam uüo laetatua est luero, quo pravineialis oppressus est; contra pro-
euratorea suos conquerentes libenter audwit, v. Msrci 11, 8: Italicis civita-
tibus fcmis tempore frumeniwn ex urhe donawt etc. 28, 8. M. Anrel hatte
znmal in den Zeiten der Pest Gelegenheit genug zn hetfen.
8) In den Beden tlq ßaadia nnd ik'Pmfirtp; vgl. auch Appian praef. 7.
4) Paus. 8, 48, 6: Tovtop Evötßrj tov ßaöUict ixuXsöav ot 'Pmiiaioiy
dioti ti ig x6 ^Biov tifi^ iidXiövcc itpaivBxo XQ^f^^^og' do^y dh ifiy xal to
ovofia TO KvQOv tpiifoito uv xov nQsaßvtiQOVf^atriQ dv^Qonoav naXovfisvos.
25* clby
raS'gle
— 388 -
zurückgesetzten Klassen bei ihren Mitmenschen mehr Beachtung
verschafiFt); weiter. Nach dem^ was die Inschriften bieten, müssai
die f^reilassungen überaU in ungemeiner Zunahme begriffen ge-
wesen sein, und auch die Anerkennung der Freigelassenen im
munizipalen Leben scheint Fortschritte zu machen.^) Wenn die
Kluft zwischen Freien und Sklaven schon früher unter dem Ein-
flufs der Nationalitätenmisohung weniger schroff geworden war,
so trug jetzt auch die Philosophie dazu bei^ menschenwürdigere
Anschauungen aufkommen zu lassen.') So wird man anerkennen
dürfen, dafs durch das Zusammenwirken der Initiative der Herr-
scher und des eigenen Sinnes der Beherrschten die Menschheit
im Altertum niemals einen äufserlich befriedigenderen Zustand
erlebt^ die Menge der Volker^ die nun im römischen Reiche ver-
einigt war, nie ein solches und so allgemein verbreitetes Glück
gesehen hat wie in der Periode unter Antoninus Pius und M. AureL
Wären doch, wenn es auf die Herrscher allein angekommen wäre,
selbst die grausamen Züge des romischen Charakters, welche die
Lust an Gladiatoren- und Tierkämpfen hervorgebracht^ abgethan
worden.*)
Indes dieser glückliche Zustand nahm mit M. Aureis Tode
ein Ende, und schon dies weist darauf hin, in der Analyse des
Charakters dieser Zeit tiefer zu gehen, um auch die Gründe fQr
den Verfall kennen zu lernen; der Geschichte der Verfassung
aber liegt es noch weiter ob, vor allem die politischen Ver-
hältnisse ins Auge zu fassen und von ihnen aus die Zeit zu
beurteilen.
1) Vgl. was im Syst. Ober die Bedeutung der Korporationen von Frei-
gelassenen in den italischen Land- und den Provinzialstftdten zu sagen ist
2) Es wird hinsichtlich der Sklaven wenigstens iure naturaU an-
erkannt, dafs omnea Jiomines aequaks sunt (Dig. 60, 17, 32). YgL ferner
Dig. 1, 6, 1, 2: Hoc tempore nuUis hominibus, qui sub imperio Born, swU,
licet 8upra modum et sine causa legibus cognita in servos suos saetnre; mam
ex constitutione divi Antonini qui sine causa servum suum ocdderü non
minus puniri iubetur, quam qui dlienum servum ocdderü, sed et motor oiperi-
tas dominorum eiusdem principis constitutione coercetur.
8) Vit. M. 28, 6: fuit popuio hie sermo, cum sustuUsset ad beüum
gtadiatores, quod populum sublatis voh^tatibus vellet cogere ad philosophiam.
15, 1: Bei Qladiatorenspielen fuit consuetudo Marco, ut legeret a%uliretgue
et subscrtberetf ex quo quidem saepe iocis popularibus dicitwr lacessitms. Dasa
kann auch der Zug genommen werden 12, 12: funambulis post puerum lap&nm
eulpitas subici iussit, ^ ^
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- 389 «-
10. Als Hadrians Wahl auf Antoninus fiel, soll dies im Senat Deuii der
bei vielen Eifersucht erregt haben^ am meisten bei dem damaligen ^ r^gen^^'
Stadtprafekten Gatilius Seyerus^ der sich bereits auf die Nach-
folge gefaüst gemacht hatte , und Hadrian sah sich yeranlaXst^
den Catilius darum seiner Stelle zu entheben.^) In der That
fehlte es im damaligen Senat nicht an Männern^ die wohl vor
Antoninus an eine Wahl denken konnten; allein diese Biyalitaten
waren weitaus weniger gefährlich , als seiner Zeit die der Gene-
rale TrajanS; welche Hadrian sich gegenüber gehabt; denn hinter
den Wünschen der einzelnen stand offenbar kein Anspruch allge-
meinerer Art. Nachdem dies überwunden war, mufste der Senat
zu der Überzeugung kommen, dafs für seine Interessen, die der
ganzen Eörperscbaft wie der einzelnen Senatoren, nichts forder-
licher war^ als das Principat eines Mannes, der eben noch voll-
ständig ihnen gleich gewesen und vor Allem durch die Milde
seines Charakters sich empfohlen hatte. Sie machten denn auch
sogleich bei der Frage der Apotheose Hadrians Miene, von dieser
Auffassung des neuen Principats Gebrauch zu machen und das,
was der Adoptivsohn för den verstorbenen Vater verlangte, zu
verweigern. Die Opposition soll weniger an der Auktoritat des
neuen Kaisers als daran gescheitert sein, dals hinter dem Ver-
langen, das Heer stand.') Für seine eigene Regierung hatte
Antoninus zwar noch vereinzeltes Prätendententum zu erfahren,
der Senat im Ganzen aber war ihm ergeben und empfand dank-
bar die absolute persönliche Sicherheit und die sorgfaltige
Schonung seiner Kompetenz und seiner Würde.*) Für die fernere
Nachfolge war gesorgt und damit ein Grund der Unruhe für die
Regierung eines betagten Herrschers beseitigt. Die Reife des
Alters wie der Charakter waren eine Bürgschaft dafür, dafs
keine einschneidenden Reformen zu erwarten waren und damit
auch keine Verletzung herkömmlicher Interessen, nur Handhabung
1) Vit. Hadr. 24, 6.
2) Vit. Hadr. 27. Vit. Pii 6, 1. Dio 70, 1: ixovaaöa (ij ßovXii) dh
tavxo (die Bede des Pias) %al aiSfö^iCca tov &vdQa to di ti %al zovg otqu-
xuotag ipoßri&si^a uniSmxB x& ^ASquxv^ räq tifidg.
8) Vit Pii 6, 5: senah/ii tanUim deMit, quantum^ cum privatus esset^
deferri Hbi ab äliio principe qptavit; patris patriae notnen delatwn a senaiu,
quod primo disMerat, cwn ingenti groHarwn acUone suseepü. Vgl. rit. M.
10, 2: neque quisquam principum ampUus senatui deMü, wozu dann einzelne
Beweise.
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- 390 —
des bestehenden Apparats in gerechtem . und mildem Geist und
Repression des Mifsbrauchs. An eine Fortbildung oder radikale
Besserung dieses Apparats dachte der neue Kaiser so wenig, dafs
er sogar die Einrichtung Hadrians, die Jurisdiktion in Italien
unter besondere Beamte zu stellen (ob, S. 371 A. 1), wieder
aufhob^), trotzdem dafs er selbst die Stelle eines solchen itali-
schen Oberrichters bekleidet hatte. Es ist schwer anzunehmen,
dafs Antonin in seiner eigenen Funktion zu der Überzeugung
gekommen wäre, die hadrianische Beform sei verkehrt oder über-
flüssig, da M. Aurel sich veranlafst sah, sie wieder aufzunehmen.')
Aber mag es Nachgiebigkeit gegen die Wünsche des Senats
oder die Schwierigkeit gewesen sein, Konsulare für diese wohl
wenig dankbaren Stellungen zu gewinnen, in jedem Fall ersieht
man daraus, dafs Antonin leicht für die Erhaltung des Herge-
brachten zu stimmen war. In der Verwaltung wird hervor-
gehoben, dafs er die Beamten so lange als möglich auf ihren
Posten liefs^, also auch hier einen möglichst ruhigen und gleich-
mäfsigen Gang wollte, dafs er die Regierung beinahe durchaus
von Rom aus führte (ob. S. 380 A. 3 f.), sich somit für die Kennt-
nis der Provinzialverhältnisse mit den Erfahrungen eigenen
früheren Aufenthalts in denselben begnügte und von ihnen aus
die Entscheidungen, für die er in Anspruch genommen wurde,
gab, in schroffstem Kontrast zu dem Verfahren Hadrians. Die
dem Antonin bekannte Unzufriedenheit, die in Rom und nament-
lich in Senatskreisen über die Reisen dieses Vorgängers geherrscht
liatte, mochte dieses Verharren in der Hauptstadt mit bestimmt
haben. Der schon unter den vorhergehenden Regierungen in
seiner Bedeutung gesteigerte Beirat des Kaisers für Rechts- und
Verwaltungsentscheidungen gewann jetzt noch höheres Gewicht
sowohl durch die Auktorität, die ihm der Princeps zugestand,
als auch dadurch, dafs hier manches, was früher vor den Senat
gekommen war, nun von dem Kaiser entschieden wurde.*) Von
1) Appian b. civ. 1, 38: (die Einricbiang Hadrians von t^^ 'itaXüts
aQXOvreg civ&vnatoi natoc fiiQTi) fut' avxov InifiBivsv ig §Q9cxv.
2) Vit. Marc. 11: datis ittridicis Itäliae cansuHuit ad id exemplum, quo
Hadrianus constdares viros reddere iura praeceperaL
8) Vit. Pii 6, 3: fact%t8 imperator ntUli eorutn^ quos Hadrianus pro-
vexerat, successorem dedit fuitque ea constantia, ut septenis et novenis amus
in provinciis bonos praesides detineret.
4) Vit. 6, 11: negue de provinciis neque de ullis acUbui quicquam con-
stituit, nisi quod prius ad amicos rettulU, atque ex corum sentenüa formas
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— 391 -
jetzt an wird die Zahl der kaiserlichen Entscheidungen, welche
in unsem Kechtsquellen als för die Folgezeit mafsgebend citiert
werden, immer groCser, d. h. es wird eben die Thätigkeit des
Eidsers mit seinem Konsilium in seiner Bedeutung als Rechts-
quelle immer sichtbarer. In diesen Reskripten und Edikten ist
nun abär unverkennbar, wie neben der durch das Konsilium
gegebenen allseitigen Erwägung des Falls das personliche Zu-
thun des Kaisers in Aufstellung allgemeiner Grundsätze und
insbesondere in Geltendmachung humaner Entsch^dungsgründe
Einflufs übt. Die Stellung, welche die Kaiser überhaupt und in
besonderem Mause Antonin und M. Aurel in dieser Beziehung
einnahmen, ist im Grunde genommen auch jetzt nicht die eines
Herrschers, wie ihn sonst das monarchische System auffafst,
der nur als oberste Gnadeninstanz mit den Einzelfallen der
Justiz zu thun hat, sondern eines solchen, der regelmäfsig
als Appellationsinstanz an der Rechtsprechung teilnimmt Allein
das Principat war von Anfang an auf diese Art des persönlichen
Eintretens l^gelegt, und es ist nur die besondere Gewissen-
haftigkeit und der Eifer in dieser Funktion, was solcher Thätig-
keit eine grolsere Bedeutuug in dem Leben der beiden Kaiser
giebt, wobei* aber allerdings nicht zu verkennen ist, dals ein
ohnehin mehr auf daä Einzelne gerichteter Sinn hiedurch leicht
von gröfseren Aufgaben des Regenten abgezogen werden konnte,
auch innerhalb des einzelnen das Eingreifen in dem dinen und das
Übersehen des andern Falls den Charakter des Zufälligen hatte.
Neben dem Interesse für die Jurisdiktion war von beson-
derer Wichtigkeit und wird auch gebührend hervorgehoben die
Sorge für die Finanzen. Neben dem, dals von beiden Regenten
hervorgehoben wird, sie hätten weiser Sparsamkeit sich befleifsigt^
ohne darum zu kargen, wenn es Schenkungen ans Volk bei be-
sonderen Gelegenheiten oder Beihilfe in Unglücksfällen in irgend
einem Teil des Reichs galt, wird von Antonin, dem man auch
in seinem Privathaushalt besondere Genauigkeit nachsagte, ge-
c<mpo6uit. 12, 1 : mtUta de iure sanxit ususque est iuris periHs Vindio Vero^
Saldo Vdlewte, Volusio Maeciano^ ülpio Marceüo et Diavöleno, Vit M.
11, 10 : habuit secum praefectos, quorttm et auctorüate et periculo semper iura
dictavit; usus autem est Seaevola praecipue iuris perito. Übrigens überlielk
M. Anrel auch solches, das er hätte an sich nehmen können, dem Senat«
yit. 10, 9: senatum appeüatumibus a consule [actis iudicem dedit — Näheres
tlber das Eonsilinm im System.
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rühmty dafs er sorgfältig die Etats der Provinzen prüfte, Gehälter
entzog, wo keine entsprechende Leistung vorlag, seinen eigenen
Haushalt aufs einfachste einrichtete, so dafis er mit seinen Be-
dürfnissen der Staatskasse nicht nur nicht zur Last fiel, sondern
helfen konnte, und dafs er so erreichte, einen wohlgefüllten
Schatz zu hinterlassen, trotzdem dab er Milde hei der Steuer-
erhebung empfahl, Steuernachlässe bewilligte, auf Erbschaften,
die ihm personlich oder dem Fiskus zufallen sollten, verzichtete,
Konfiskationen nicht vornahm, die Yermögensstrafen bei Ver-
urteilungen wegen Erpressung nicht auf die Kinder ausdehnte,
daneben aber im Ausgabenbudget noch Baum fand für Bauten,
für eine Reihe von Liberalitätsakten in Rom, f&r Erweiterung
der Alimentarstiftungen, für Gründung von besoldeten Lehrstühlen
und für eine Erleichterung der Lasten, welche die Unterhaltung
der Reichspost den Provinzen auflegte.^) Freilich hatte er auoh
kein aufserordentliches Kriegsbudget, da er Angriffskriege völlig
vermied und die Grenz Verteidigung nur unbedeutende, wenig
Kosten verursachende Kämpfe mit sich brachte. In letzterer
Beziehung war die Lage für M. Aurel eine ungleich ungünstigere:
vom Anfang seiner Regierung an schwere Kriege in ganz ent-
gegengesetzten Teilen des Reichs und dabei Verwüstung von
Provinzen durch feindliche EinfUlle, welche die betreffenden
Gegenden in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigten, dann die
Jahre lang währende Pest mit ähnlicher Wirkung^ — all das
1) Vgl. aolser dem ob. S. 387 A. 2 bemerkten vit. Pii 7 t 10. 12, S.
M. Aarel rühmt an Antonin, zogleich damit sich selbst hiezu bekennend,
slg iavx. 1, 16: to tpvXantixov asl tmv ävayuaimv xy uqx^ xcel Tafucvrixofr
T^ff XOiffjyCag %al vnofisvBti^iiov tijg ixl tmv toiovzmv xivmv iiatatuactmg.
Mit dem letzteren, dafs er sich nm Tadel seiner Sparsamkeit nicht kümmerte,
ist wohl angespielt auf das bei Dio 70. 3 berührte: liyttat ifitfitivog ywwi-
od'ai xal fiTidl isbqI t« fuxQa nal ta xvxovta tijg dnQißoloyCag dtpinae^ai'
od'sv avtov ot andnrovteg nal nv(ttvonQi<rtriv indlow. Von Antonin wird
wie von M. Aurel (S. 393 A. 2) berichtet, er habe in Finanznot das Gerate
ans dem kaiserlichen Hanshalt Öffentlich verkauft, Zonar. 12, 1 p. 524 ed.
Bonn. Allein dies ist nur irrtümlich übertragen von dem Nachfolger. Es
ist nach dem sonst von Antonin Gesagten gar nicht za verstehen, wie er
sein sollte iv inoqCff ysyovag aQyvQCmv noXifimv innui^hcav, Anführungen
der Erweise von Freigebigkeit {f,%b€ralüaJte8) auf Münzen Cohen 2, p. 316
n. soff.
2) Über diese Epidemie, welche das Heer des L. Yems aus dem Orient
mitbrachte, und die während der ganzen Regierungszeit des M. Aurel nicht
mehr erlosch, vgl. Friedländer, Sittengesch. 1^ 35 f.^ woselbst anch die
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bot ftlr das Gleichgewicht des Budgets ganz andere Schwierig-
keiten und M. Aurel, der so wenig wie sein Vorgänger Ein-
nahmen wollte, die er für ungerecht hielt, bekam auch diese
Schwierigkeiten zu fahlen; allein trotzdem gelang es auch ihm,
mit seiner ungemeinen Gewissenhaftigkeit, gute Wirtschaft zu
f&hren und ohne Steigerung der Auflagen durchzukommen.^)
An eine Änderung im Steuersystem dachte er so wenig wie seine
Vorgänger; soweit nicht die Sparsamkeit und die Mittel des
kaiserlichen Haushalts genügten, suchte man durch Münz-
verschlechterung zu helfen.') Die Konzentration der Finanzen
in der kaiserlichen Verwaltung aber mufste unter diesen Um-
standen noch weitere Fortschritte machen, und auch das Personal
der oberen durch Ritter geführten Verwaltung scheint zum Be-
huf einer pünktlicheren Geschäftsführung versiärkt worden zu
sein.') Man kann finden, dafs beide Kaiser in der Steuererhebung
zu lax waren und insbesondere der zweite in Milderungen und
Nachlässen, überhaupt in der Hintansetzung des Rechts des
Fiskus weiter ging als die Lage des Reichs zuliefs, so dafs dazu
herausgefordert war, im Vertrauen auf die kaiserliche Milde sich
den Leistungen zu entziehen: indes wog der Schaden, der hie-
durch erzeugt wurde, da im ordentlichen Lauf der Geschäfte die
Interessen des Fiskus durch dessen Advokaten gewahrt blieben,
Zeugxusse nod die Litterator darüber. Es mag wohl keine andere mit ihrer
Aasbreitang über daiS Reich und ihrer langen Daner so yerderblich ge-
wesen sein.
1) Vit. M. 11, wo verschiedenes Detail« — Die liberdlitates auf Münzen
Cohen 3 p. 41 n. 401 ff.
2) 17, 4: Cum ad {Hilarcomanicum) hdlum omnt aerarium exhansisset
suum neque in animum induceret, ut extra ardinem provincidlibus aliquid
imperaret, in foro divi Traiani auctionem omamentorum imperialiutn fecit
vendidOque aureapoeüla etc.; dieselbe Notiz 21, 9. Vgl. S. 892 A. 1. — Ober
die schlechte Mfinze vgL Mommsen, röm. Münzw. S. 764: „Die reelle Prägung
erstreckt sich aach noch auf Nervas Regierung nnd die ersten zwei Jahre
Tr%)aDS; späterhin hat dieser Kaiser sowie Hadrian etwa wie Nero gemünzt,
etwas vollwichtiger Pins. Erst von M. Anrelins an erhebt sich das effektive
Gewicht (des aweus) nicht mehr über 7,3 Gr. (anter Aug. 7,95—7,80, unter
Nero 7,39 nnd weniger) und zeigen sich zugleich einzelne um 1 Gr. und
mehr nntermünzte Goldstücke."
3) Nachweis von Einführung weiterer Beamten bei der Reichskasse
(procuratar summarum raiumum) nnd der Getreideverwaltung (subpraef. an-
nonae) ans den Inschriften, wahrscheinlich von M. Aarel an bei Hirschfeld,
Verw.-Geech. 1, 36 f. 13Q. Vgl. auch vii 11, 6: rei frumentariae graviter
provm.
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wohl nicht so schwer^ um zu schweigen yon der YergleichaDg
mit den Erpressungen und Konfiskationen unter früheren Eaiseni.
Und in einer Hinsicht war M. Aurel auch für bleibende Siche-
rung der Leistungsfähigkeit besorgt^ indem er das Institut der
staatlichen Aufsichtsbeamten für die Stadtgemeinden (curatores
civitaium) in sehr ausgedehntem Mafse eintreten liefs.^) Aber dies
war eine späte und^ wie die Folgezeit zeigte, ungenügende ELUfe,
und die eine grofse Schwäche dieser Verwaltung, die ungenügende
Entwicklung der Mittel, tritt in ihren Folgen unter M. Aurel
klar zu Tage. Wenn aligemein eine vorher nie in solchem
Mafse vorhandene Blüte Italiens und der Provinzen bezeugt wird,
wie unter Antoninus Pius, wie kommt es, dafs die Regierung des
Nachfolgers bald in grofse Finanznot gerät? Dies ist ein klarer
Beweis, dafs das Vorhandensein eines Staatsschatzes beim Be-
gierungswechsel nicht zu einem günstigen Abschlufs genügte,
sondern doch auch nur einem unerhört günstigen äufseren Ver-
lauf entsprang. Trotz aller Fürsorge für die überlieferte Ver-
waltung kam man nicht über ein Leben von der Hand in den
Mund hinaus. Vielleicht lag die Hauptschuld an der gesellschaft-
lichen Organisation, der Verteilung der Güter, dem unrichtigen
Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen in dem ausschlag-
gebenden Mittelstand, dem Mangel an Energie im Erwerbsleben
dieser Klassen, aber dafs die Vorteile der so langen Friedenszeit
so wenig sichere und dauerhafte Resultate für den Staatshaushalt
brachten, weist notwendig auf die Schwäche der staatlichen Ini-
tiative hin.*)
unterichiede im H. Bci aller Übereinstimmung in den allccemeinen Grand-
Charakier der ° ° . .
iwei Horracher. Sätzen warcu aber doch auch wieder die beiden Kaiser ihrem
persönlichen Charakter nach und in der Führung der Herrschaft
nicht unwesentlich verschieden. Antoninus, aus einer bis zu den
höchsten Stufen durchmessenen Laufbahn im Staatsdienst zu der
1) Vit. 11, 2: curatores multis eivüatibus, quo laHtts senatorias tenderet
digniiates, a senatu dedit. Das hier angegebene Motiv wäre kleinlich ge-
wesen. Der Zweck war, wie anch der Zusammenhang der andern Notizen,
unter denen dies steht, zeigt, ein finanzieller. Dafs es die Quelle des Bio-
graphen so auffafste, zeigt eben dieser Zusammenhang; daneben mag die
dadurch vermehrte Thätigkeit der Senatoren als Eonsequenz angegeben
gewesen sein. Die Notiz der vita aber wird durch die zahlreichen Inschriften
von Stadtekuratoren bestätigt
2) Vit. Mard 11, 10: im magis väus restituit guam novum feeU ist
charakteristisch für die beiden Regierungen.
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Stellung des Princeps berufen, ist in erster Linie Staatsmann;
seine philosophische Bildung und Lebensgestaltung hat wohl
bestimmenden Einflufs auf seine AufiPassung der Pflichten eines
Herrschers geübt, aber das, was ihn in den Berufsgeschäften des
Tages leitet, ist das Interesse der richtigen sachlichen Erledigung
der vorliegenden Aufgaben, zu deren Anforderungen er in einem
natürlichen und unmittelbaren Verhältnis steht, und so war er,
wenn vielleicht auch weniger begabt und weniger tief als sein
Nachfolger, doch als Regent nicht blofs glücklicher, sondern
auch mehr am richtigen Platze. Bei M. Aurel, der von Jugend auf
den Philosophen in die Schule gegeben war und sich zu einer
bestimmten Philosophie, dem Stoicismus, bekannte, geht jede
Aufgabe, die sich ihm bietet, durch eine Reflexion über sich
selbst hindurch, und sein Verhalten gewinnt den Anschein, als
ob er in seiner Herrscherstellung nicht sich selbst, sondern eine
Rolle zu geben hätte. ^) In seinen Selbstbetrachtungen ist die
Forderung der Pflichterfüllung und des gewissenhaftesten Berufs-
lebens nach allen Seiten ausgeführt und auch speziell auf die
Pflichten des Regenten angewandt; aber der Verfasser steht
dieser speziellen PQicht nicht anders gegenüber als jeder andern;
er ist ein gewissenhafter Regent, weil ihn die Vorsehung einmal
auf diesen Posten gestellt hat; der Stoiker soll ja am Staatsleben
immer sich beteiligen, wenn er hoffen kann, mit seiner Lehre
Einflufs üben zu können^), und bei wem wäre dies mehr der
Fall gewesen als bei einem Herrscher? Aber die Frage ist in
erster Linie für M. Aurel immer die, ob er in dem, was er thut,
den Anforderungen an sich selbst genüge leistet; die der Sache
stehen in zweiter Linie. Er ist eben immer nur Moralist, nicht
Staatsmann. Im Verkehr mit den Menschen soll man Milde
üben und sie ertragen'), aber dieser Verkehr ist wegen der Art
der meisten Menschen ein so grofses Übel, dafs der Gedanke an
die Befreiung davon genügt, um einen mit dem Tod zu ver-
söhnen.*) Das sind nicht die Ideen, nach denen ein praktischer
1) So mag sich wohl auch der bei dem so wahrheitsliebenden Cha-
rakter auffallende Vorwurf erklären (vit. 29, 6): quod effictu8 fuisaet nee
tarn Simplex quam videretur aut quam vel Pius veH Verus fuisaet.
2) Seneca dial. 8, 3, 2: Epicwrus ait: non accedei ad remp, sapiens, nisi
si quid intervenerii. Zenan ait: accedet ad remp., nisi si quid impedierit.
3) Z. B. «& iavt, 9, 3. 11.
4) 9, 3: tovto yccQ yiovov, Bl^ntq &(foc^ dv^silnev iv %al xatstj^ h ,
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Politiker sein Verhalten zu den Menschen regelt Als Philosoph
ond Mensch steht er unendlich hoch über der Mehrziüil der
Fachphilosophen und Rhetoren, die er zu Lehrern hatte oder su
seinem Umgang heranzog, und die Art, wie er die stoische
Pflichtenlehre zu einer Lebensphilosophie fQr sich gestaltet und
befolgt; nötigt die höchste Achtung ab; auch fehlt es ihm nidit
ganz an kritischem Urteil über die, welche seine persönliche
Neigung zu philosophischem Umgang auszunützen suchen.^) Aber
sein Verkehr mit Fronto und die Stellung, die er dieser ganzen
Menschenklasse in seiner Umgebung und sogar in Staatsamtem
gestattete, zeigt doch, dafs ihm die durch diesen Kreis beein-
flufste Richtung den klaren Blick getrübt hat, verrät eine Schwäche
des Urteils und hat Männer von ihm ferne gehalten, oder gegen
ihn aufgebracht, die mehr berufen waren die Umgebung eines
römischen Kaisers zu bilden.^
^9^ i^^f £^ cvifjp iq>tCto toCg xa avta doyftaxa %B^i%B%ovii^ivoig' nw d\
hffägf oaog 6 nonog iv t^ duKtpmvCa tfjs avfißttoasmg, Säte iinetv 0dTxo9
iXd'oig, £0 9'dvattf ftif nov xal avtog iniXäd'oafuci, inavrov.
1) Er rühmt an Antoninns 1, 16 to firfil av zwa einstv, urixB ort ctHpi-
<FT7j$, firitB ort ovtifvänXog fiijxs Sri cxoXacu%6g, dXX' oti dv^^ Tfiictigog,
tiXsiog, axoXaxfvroff, n^oectavat dvvdpLBvog xal xmv ictvtov %al %mv Stllmv,
Er ist 1, 17 dankbar dafür, onrng te ine^i^rjöa tpdoaotpiccg firi ifimtö^üf
sCg Tiva öotptCTTiv (irjÖl dno%a9'Caai i%\ tovg avyyqatpeCg iq avXloyiü[iovg dwa-
XvBiv Tj nsgl tcc (tstemQoXoymd %cttayCyvBC^ai,y anch 1, 7, dala er von dem
Philosophen Rusticas gelernt habe xo (itj intganrivai sig t^Xov aotplötixov —
%al x6 oKocxrivat (rixoQixrjg n. s. w. — vit. 28, 9: fama fuit sane, quod
9u6 phüosophorum specie guidam renip. vexarent et privatas; gMod ük
purgavit,
2) Vgl. die Vorwürfe, welche in dem Schreiben in vit Avid. Cass. 14
gegen M. Aurel ausgesprochen sind: Marcus sane optttnus, qtU dum aietmens
dici cupitf eos patitur vivere quorum ipse non probat vitam n. s. w., femer
den Brief des Vems ebendas. 1: (Ävidius) te phüosopham anietilamy me
luxariosum morionem vocat. Teils Schwäche, teils Inkonsequenz des Urteilt
liegt in dem Verhalten gegenüber seinen nächsten Angehörigen, zn L. Veras
und Faustina, deren Lob e^; iavx. 1, 17 nur begreiflich ist Yon einer Gut-
mütigkeit ans^ welche die schlimme Wahrheit über andre nicht an aich
kommen lassen will (ygl. yit. 29, 1) und sich an den besseren Schein hftlt,
▼oUends in Commodns, über dessen Zukunft nur der nrteilssoh wache Opti-
mismus des Vaters sich täuschen konnte. In Claudius Pompejanns, den er
nach dem Tode des L. Veras zu seinem Schwiegersohn machte, gewann er
sich eine tüchtige militärische Stütze; allein da er aus nichtaenatorischer
antiochenischer Familie stammte (vit 20, 6), konnte er nicht die militärische
und politische Seite in der Umgebung des Kaisers mit voller Auktorität reprä-
sentieren. — Eine eigentümliche Schwäche liegt auch i|i>der Ängstlichkeit
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12. Letzterer Umstand kam namentlich in Betracht in der Be- dm Heer
Ziehung zum Heere. Antonin hatte dieses in gutem Zustand von
Hadrian fiberkommen und in den ersten Jahren seiner Regierung
war ja auch an yerschiedenen Punkten der Grenze Beschäftigung
für dasselbe vorhanden; im zweiten Jahrzehnt war er wenigstens
an der wichtigsten Grenzstrecke selbst veranlafst nachzusehen
(ob. S. 380 A. 4). Man kann aber nicht ein zweiter Numa sein^ sich
?on jeder eigenen Heerf&hrung fernhalten^) und dabei doch die
wenig beschäftigten Truppen als eine schneidige Wafife erhalten.
So fand denn L. Verus, als er die syrische Armee für den
Partherkrieg fibemahm^ dieselbe in üblem Zustand.^) Doch hatte
Antoninus während seiner ganzen Regierung mit keinem Militär-
aufstand zu thun und M. Aurel fand bei seinem Antritt der Herr-
schaft verschiedene treffliche Generale vor, die er dem bald zur
Heerführung untauglich erwiesenen Mitkaiser zur Seite stellen
konnte.*) Dann kam er selbst in die Lage^ den Krieg zu ffibren,
und wenn er auch schwerlich die Eigenschaften eines Feldherm
hatte, so hat er doch pflichtgetreu die Auktorität des Imperiums
im Feldlager geltend gemacht und die unter ihm kommandierenden
Feldherren in der Botmäfsigkeit desselben erhalten/) Dagegen
machte sich da, wo er nicht war, die Minderung der Auktorität
des philosophischen Kaisertums wiederholt geltend. In Britannien
boten sogleich im J. 161 die Soldaten ihrem Kommandanten
gegenüber fremdem üriei], die er gezeigt haben soU, vii 20, 6 : erat famae snae
cmummmus, reguiren$advenm,quidqm$quede8edieeret, emendansquaehene
reprehensa viderejüwr, 29, 5: nihü magis HtMMt et deprecatus est quam
aoaritiae famam, de qua se muitia epis^ulis purgavU. Vgl auch 9, 5: Bamam
staHm rediit revocatus eorum semumibus, qui dicdtant Marcum veüe finiti
hdU gloriam sünmet vindicare atque idcirco in Syriam proficisci.
1) Vit Pii 6, 4: per legatos piurima belia geesit,. worauf die AuMhlung
der wenigen E&mpfe folgt, die unter seiner Regierung statt&nden.
2) Frönto p. 206 f. Nab.
8) Vit. Marci 8, 10: Verum Mcurcus — amicis comitantibus e eenatu
omavü additis officiorum omnium principibus, — 12: Et Verus quidem —
eimm pef legatos bdhtm Parthicum gerena imperator appeUatus esset, etc.
Über diese Legaten vgl. Napp, de rebus imp. M. Aurelio in or. gestis
p. 58 ff.
4) Vgl y. 28, 7: exercitus eognäa mala vaietudine v^hementissime dole-
haiU, quia iUum unioe amarunt. — Seine Anktorit&t machte er auch in
der Vergebung der Statthalter- beziehungsweise Eommandoposten geltend
22, 9; pravindas ex procansularibus consulares aut ex consuiaribus procan-
sviares aut praetorias pro bsUi neccessitate fedt. ^ .
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Statins Priscus das Imperium an ^), und es war ein groläes Glücky
dafs die Aufforderang an einen pflichttreuen Mann kam; doch
schien es nötige denselben von seinem damaligen Kommando zu
entfernen und ihm auf dem östlichen Kriegsschauplatz Gelten-
heit zur Bewährung seiner Tüchtigkeit zu geben.*) Im J. 175
aber erhob sich wirklich ein gefahrlicher Prätendent aus der
Zahl der bedeutendsten Heerführer^ der Statthalter von Syrioi
Avidius Cassini Ayidius Cassius. Derselbe hatte sich im parthischen Krieg aus-
gezeichnet, hatte dann die Provinz Syrien erhalten und in dieser
Stellung bei den Soldaten als bis zur Grausamkeit strenger
Führer Gehorsam und Mannszucht hergestellt, bei den Provin-
zialen, seinen Landsleuten, Anhänglichkeit gewonnen. Sdion
Yerus soll vor ihm gewarnt haben; jedenfalls scheint seiner
Natur die Art des Kaisers zuwider gewesen zu sein. Ob er
durch anderweitige Aufreizung veranlafst wurde oder aus eigenem
Antrieb sich erhob, ist nicht zu erkennen; jedenfalls war sein
Versuch ungenügend vorbereitet und schwach begründet Die
Soldaten, sei es aus Anhänglichkeit an den Kaiser oder aus
Furcht vor der Strenge des Cassius, waren nicht auf dessen
Seite, und ehe noch M. Aurel selbst zur Bek&mpfung des Auf-
Stands im Orient eintraf, war der Prätendent bereits von der
Hand eines Centurio gefallen. Allein das Beispiel eines vom
Heer proklamierten Kaisers war nun nach mehr als hundert Jahr»
wieder einmal gegeben und wurde bald genug zur Regel. Auch
war aus diesem Vorgang zu entnehmen, dafs ein Regent, der
das Schwergewicht auf die friedliche Seite seiner Stellung legte,
oder ein solcher, der nicht, wie Friedrich der Grofse von PreuXsen,
den Philosophen mit dem Heerführer vereinigte, weniger als je
den Anforderungen entsprach in einer Zeit, in welcher die bürger-
liche Bevölkerung jeder kriegerischen Thätigkeit entwöhnt war
und alle Widerstandsfähigkeit wie alle Kraft zum Handeln in
den Provinzialheeren lag. Die durchaus bürgerliche Regierung
1) Dio ed. Bekker p. 854 Anm.: ort ot iv Bifstrccvio^ atifcctimrai iZ^-
CHOV vnoatQatrjyov sTXovto avtoniftttOQa; 6 ih vag'gtiqcato sbtdify oti Yiua«TO$
iym sifn avtcx^aroo^ oloi viietg cxqcctimxai iars. Dafs diese Notiz an den
Anfang der Regierung des M. Anrel gehört, darfiber vgl. Boighesi, oeiivr. 3»
249 f. NoSi des Vergers p. 29 f.; über Statins Priscus Laufbahn überhaupt
die Inschrift corp. i. 1. 6, 1623 » Henzen n. 5480. Napp a. a. 0. 55 f.
2) Dio 71, 22—81. Vit. M. 24—26. Vulc. Gallic. vita Avidii Catai
Vgl. über ihn Napp a. a. 0. p. 42—50. 67—65. ^ ,
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des Antoninus Pios^ während welcher eine mäfsige Anzahl von
Legionen \md Hilfstrnppen^ ohne dafs der Kaiser sich zu bemühen
brauchte y die Grenze hütete , die übrige Bevölkerung aber unter
dem denkbar mildesten Herrscher ihren friedlichen Beschäfti-
gungen nachging, schien einen idealen Zustand herbeigeführt zu
haben ^), und doch war eben damit der Grund zu einem Zwiespalt
zwischen dem Interesse der bürgerlichen Bevölkerung und dem
des Heeres an der Besetzung des Imperiums gelegt, und es waren
darauf in den schweren Kriegen unter M. Aurel die Heere zu
einem solchen Bewufstsein ihrer Kraft und Bedeutung gelangt,
dafs nach kurzer Zeit das Heerkaisertum mit allen seinen
Schrecken heraufbeschworen war. An dem Vorgang des Cassius
aber suchte man die bedenklichste Seite darin, dafs er in seiner
heimatlichen Provinz ein so bedeutendes Kommando gehabt und
darin eine verstärkte Ermutigung gefunden hatte. Deshalb sollte
nun kein Provinziale mehr in seiner Heimat ein Kommando er-
halten.*)
13. An der Minderung der Kraft der bürgerlichen Gesellschaft sohwinden des
. • 1 j 1 1 - ••. -r-i 1 "TTT nr» 1. <■ i Nation»lgefühl8.
war aber nicht blofs die Entwöhnung vom Waffendienst schul- soziale und rcii.
dig, sondern auch der Mangel jeder Bethätigung von politischem niase.
Bürgersinn. Die Bomanisierung der Landschaften des Westens
hatte nunmehr die alten Nationalitäten vollends aufgezehrt, indem -
die Latinität und das Bürgerrecht in immer weiteren Kreisen
sich verbreitete.*) Im Osten war der Hellenismus wohl herr-
1) AriBÜd. elg ^Pmtiriv L p. 216 (Jebb): noXiiMi ovd* bI nmnotB iyi-
vovxo izi niczBvovxcciy aXX' iv SlIXohv ftv^atv Ta£«t tots noXXotg dnovovTai.
p. 217: nmg ovv iiroir/(rarf ; svqbxb oUeiov at^axBvyM x&v noXitmv ov% ho'
%tMVfiivtov' xovxo d\ vfuv inoffutsv ^ nsffl ndaqg xrjg dQxfjq ßovlri %al x6
1111619 i%%^iv6Cv Big fifjdlv ip av Öi^vrjxai xb %al difj noiBtif u. 8. w. — M. Aurel
brachte auch den bfirgerlichen Charakter der heimkehrenden Heere wieder
in Erinnerung; vii 27, 8: per Brwfidi9ivm veniens in Itdliam togam et ipse
9um8it et müites togatos esse iussit, nee unquam sagati erant sub eo müites,
2) Die 71, 31: ivofio^BvridTi xoxb utidiva iv xm id-vBi Zd-Bv x6 uqxcUöv
icttv aifXBiVy Zxi o Kiaaiog iv xjj SvqUf xriv naxq^a avxov ixovaji i^ye/M»-
vBvmv ivB6xfi^eBP,
8) Es wird zwwr weder von Antonin noch von M. Aurel besondere
Liberalit&t hierin ausgesagt, Eolonieen oder Munizipien sind kaum mit
Sicherheit auf sie surückzufQhren und ob die vielen Älier und Aurelier in
den Provinzen ihren römischen Namen und damit ihr Bürgerrecht einem von
ihnen zu danken haben, läTst sich nicht nachweisen, aber schon die natür-
liche Fortpflanzung der höheren Rechtsstufen und die Aushebung f£lr die
Legionen zog immer weitere Kreise in das Bürgerrecht herein; es istgaber .
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- 400 —
sehend, aber nicht als eine Art von Nationalitat , sondern ab
eine Eulturform von kosmopolitischem Charakter, und wer irgend
unter den dazu gehörigen Individuen höher strebte, suchte eben-
falls das römische Bürgerrecht zu gewinnen. Dieses war aber
jetzt in keiner Weise mehr der Ausdruck für die Zugehörigkeit
zu einem Gemeinwesen, das wie es Rechte giebt so auch ein
aktives Interesse, ein Einsetzen der Person für seine Zwecke in
Anspruch nimmt, sondern es ist eben eine Stufe persönlichen
Rechts, welche dem, der sie besitzt, weniger Lasten f&r Aaß
Reich auferlegt als andere Stufen. Als Teil eines Gemein weseos
fühlt man sich nur etwa innerhalb des munizipalen Zusanunen-
hangs und auch hier kaum mehr mit einigem Selbstbewufstsein
oder mit dem Gefühl der befriedigten Eitelkeit in den diesem
Kreise zugehörigen Ehren, sondern bereits mit der Sorgq wegen
belastender Leistungen und mit dem Bewulstsein des untergeord-
neten Standpunkts.^) Der Vernichtung der Nationalitaten folgt
in dem ungeheuren Reich die Vernichtung des Gemeingeffthls
und der gemeinnützigen Thätigkeit. Im Interesse der Massen
tritt an die Stelle des politischen Lebens die Sorge für die soziale
Existenz und im Zusammenhang damit die Frage der Religion«
Auf dem sozialen Gebiet haben wir oben als einen positiven
und neuen Zug ein gewisses Humanitatsgefühl in der Masse
hervorgehoben, das an die Ausgleichung der persönlichen Rechts-
verhältnisse sich anschliefst. Ein anderer Zug ist der nach kor-
porativem Zusammenschlufs, der in den unteren Schichten das
ersetzt, was in den oberen der ständische Zusammenhalt repra-
bei der Gesinnungsweise dieser Kaiser auch anzunehmen^ dafs sie mit der
Erteilang an einzelne nicht kargten. — DsSs andrerseits mit der Ansiedlong
barbarischer Elemente diesseits der Grenze ein Neues hereinkam, darüber
ist unten zu reden.
1) Dig. 60, 4, 6 : Bescripto divorum fratrum ad Euiüiwn Lupum üa deda-
ratur: ConsHMio,quaeaiUum estpratU quisque decwrio crecOw est ut itaetmagi-
Stratum apiscatur^ tatiens servari debet, guotiens idoneos et suffidentes onmts
contingU, Ceterum si üa quidem tenues et exhausH swU^ ut non modopv^
eis hanaribw pares non sint, sed et vix de suo victum sustinere passint, (t
minus %Uile et nequaguam konestum est tälibm mmndari magistratum, prae-
serUrn cum sint qui con/veniewter ei et suae fortunae et splendori pubUco possitU
creari. Seiant igitur locupletiares non debere se hoc praetexto legis uU ä de
tempore, quo quisque in curiam adlectus sit, inter eos demum esse quaerend^m,
qui pro suhsta^ia sua capiant honoris dignitatem. Dies verrät andere Zu-
stände als sie zu An&ng der Eaiserzeit waren, als die Auktorität des Princepe
wegen zu lebhafter Wahlomtriebe einschreiten mulste.
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sentiert, und das Kollegienwesen in ausgedehntestem Mafse erzeugt.
Wir sind diesem bereits darin begegnet, dafs es Gegenstand der
kaiserlichen Fürsorge bildete, aber die Voraussetzung für letztere
war eben die ungemein grofse über das ganze Reich sich er-
streckende Verbreitung, die es gewann und die nur wunderbar
erscheinen läfst, dafs die Rechtsquellen so wenig sich damit be-
schäftigen.^)
Dieser Zug des Zusammenschlusses der hilflosen Einzelnen Die christen-
verbindet sich nun in eigentümlicher Weise mit dem religiösen
Interesse in den christlichen Gemeinden. Schon Trajan war
darauf aufmerksam geworden, wie bei der Christenfrage neben
der Stellung des religiösen Gefühls des Einzelnen zum Staate
auch die christliche Genossenschaft in Betracht komme (oben
S. 354). In den zwei Generationen, die seitdem verflossen waren,
hatte sowohl die christliche Religion als Bekenntnis des Einzelnen
einen breiteren Boden im Reich gewonnen als auch die Gemeinde-
bildang sich immer mehr befestigt und zwar nicht blofs für die
Organisation der einzelnen Gemeinde, sondern auch hinsichtlich
des Zusammenhangs der Gemeinden unter sich. Es leuchtet ein, wie
sehr dies nicht blofs äufserlich, sondern auch nach den inneren
Motiven mit der Richtung der Geister in der heidnischen Welt zu-
sammenhing. Noch aber bildete die christliche Gemeinschaft keine
Frage, die man unter die wichtigeren Angelegenheiten des Reichs
rechnete. Weder die neu aufgekommene christliche Apologetik,
die sich mit den Argumenten rhetorischer und philosophischer
Bildung an die Philosophie auf dem Throne wandte, noch anderer-
seits die Beschwerden, welche man gegen die Christen erhob,
hatten den Erfolg, die Reichsregierung lebhaft dafür zu inter-
essieren. Für die Lehre des Christentums gab es keinen Anschlufs
an die Philosophie der beiden Kaiser; andererseits achteten sie
direkter geflissentlicher Bekämpfung die neue Sekte nicht wert;
von gelegentlicher Repression hielt den Antonin selbst sein überall
zar Milde geneigter Sinn zurück, und die Statthalter hatten von
ihm wenigstens nicht Vorwürfe zu fürchten, wenn sie die Christen
gewähren liefsen oder sie etwa auch gegen die feindliche Volks-
stimmung in Schutz nahmen. M. Aurel indessen, bei dem die
natürliche Milde stets mit der Pflichtenlehre abzurechnen hatte,
1) Die Hanptqaellen sind die Inschriften. Über die Sache ist näher
im System zu reden. ^ j
Herzog, d. röm. Stantaverf. n. 1. t^itized by VjOOglC
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der sich ein System bildete, das deo Stoicismus nicht blofs mit
den Funktionen der Staatsreligion, sondern mit der Anstibimg
der absurdesten Formen peregriner Kulte vereinigte^), und der,
wie Überhaupi gegen die öffentliche Meinung so offenbar auch
gegen den Ausdruck der heidnischen Yolkswut nicht gleichgültig
war, gewährte den Christen, nachdem er ihr Auftreten als mit
dem Staatsinteresse nicht verträglich gefunden, nicht nur kernen
Schutz, sondern billigte geradezu die Repression und hatte kein
Wort der Mifsbilligung oder gar Ahndung gegen die wildesten
und grausamsten Formen ihres Auftretens. Wenn die Anklagen,
welche die christliche Überlieferang in letzterer Beziehung gegen
die Zeit des M. Aurel und gegen diesen selbst erhebt, thatsächlidi
begründet sind, so ist gegenüber den Grundsätzen, welche der-
selbe für die Jurisdiktion aufstellte, keine Entschuldigung- ans
dem Staatsinteresse für sein Verfahren zu gewinnen.^)
1) Vit. 13, 1: tofUus terror belli Marcotnanici fuit, vi undique saeer-
dotes Äntoninus acciverit^ peregrinos ritus itnplevent, Bomam omni genere
Itistraverit retardattisque a bellica profectione sit,
2) Für die Beurteilung des Verfahrens M. Aureis gegenüber den
Christen sind die folgenden Zeugnisse maisgebend: dafs er eine besonda^e
Verordnung gegen die Christen als solche nicht erliefs und ihnen den
Rechtsschutz nicht entziehen wollte, geht hervor aus TertuUian Apolog. 6,
wo er den debellatores Christianorum sogar als protector gegenübergestellt
wird {qiii siciU non pdlam ab eiusmodi hominibus poenam dimavit, ita älio
modo palam dispersit^ adiecta eüam acctMotoribus damnatione et guidm
tetriore). Dagegen konnte die Verordnung in Dig. 48, 19, dl (YgL PanL
Sent. 6, 21, 2): «t quis dliquid fecerit, guo leves hominum animi supentäiom
numinis terrentur, diviM Marcus huitismodi homines in instdam rdegari re-
scripsit, gegen sie angewandt werden; aber es läfst sich nicht behaupten,
worauf es hier allein ankommt, dafs sie gegen sie gerichtet war. Insoweit
läfst sich ein Vorwurf nicht erheben. Dagegen zeigt die Stelle eig lovr.
11, 8, man müsse zum Tode bereit sein ^^ kutcc ^ipiXrjv naoata^iv, ag U
XQiatiMvoiy aXka IsloytüfLivoag %al esftvmg %al mcxe %al aULov ns^cat atga-
ycoScag^ dafs dem M. Aurel die Vorkommnisse^ die den Christen Veran-
lassung gaben, sich zum Tode zu drängen, sehr wohl bekannt waren. In
direkter Weise endlich wurde er veranlafst sich mit ihnen zu befassen in
dem Prozefs der Christen von Lngudnnum und Vienna (Euseb. bist. eccl. 6, 1).
Dals er hier auf die Anfrage des Statthalters, wie es mit den ge&ngen
gesetzten Christen, die römische Bürger seien, zu halten wäre, keinen andan
Bescheid zu geben wufste als rovj filv anotvfinavutdiivai, sl di xivig a^oTrto
TovTovc dnoXv^vaiy und kein Wort der Mahnung fand, man solle nicht
die gegen die Christen gerichtete Volkswut das Verfahren beeinflussen
lassen, kann nur als eine Schwäche erklärt werden. — tJber die Vor^^üi^
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13. Noch bleibt übrig, die konstitutionellen Resultate der Re- ne konttituuo-
gierung der beiden Kaiser kritisch zu prüfen. Es legt sich die "'"'°'^"'*'*'
Frage nahe, ob durch ihr yielgerühmtes rücksichtsvolles Verhalten
zum Senat die Stellung dieser Körperschaft eine selbständigere
und einfluJjsreichere geworden sei als vorher. Irgend eine neue
Bechtsfestsetzung über die politische Kompetenz des Senats oder
eine Verzichtleistung des Princeps auf eines seiner Rechte wird
weder von dem einen noch dem andern berichtet*), und es blieb
auch unter ihnen bei dem von Anfang an bestehenden Verhältnis,
dafs der Senat im Grunde zu jeder Kompetenz fähig war, ebenso
aber auch der Princeps jede Initiative an sich ziehen und mit
den ihm übertragenen Rechten überall für den Senat handelnd
auftreten konnte. Jene Rücksicht bestand also lediglich in dem
praktischen Verhalten, zu dem allerdings gehörte, dafs der Prin-
ceps dem Senat Rechenschaft; von seinen Handlungen gab.^)
Wir finden nun freilich, wie auch schon früher, dafs der Senat
selbständig und vom Kaiser unabhängig verföhrt, indem er
Majestätsprozesse gegen den Willen des Princeps vor sein Forum
zieht, das Urteil spricht und vollziehen läfst.*) Allein diese
Selbständigkeit ist nicht von grofsem praktischem Wert für die
Frage der konstitutionellen Gewalt. Im übrigen erscheint gerade
bei der Gewissenhaftigkeit, mit welcher diese Kaiser sich selbst
der Geschäfte annehmen, die Rolle des Senats erst recht auf
die eines Staatsrats beschränkt. Wir hören nichts mehr von
verschiedenen politischen Richtungen, um nicht zu sagen Parteien,
im Senat: es kommen nur die Rang- und Abstimmungsstufen in
Betracht. Wenn von M. Aurel berichtet wird, dafs er, so lange
er in der Hauptstadt oder in deren Nähe sich befand, nicht
in Lyon handeln ansführlich Aabd, bist, des pers^cutions de r^glise 1, 876 ^
Renan, origmes du christianisme VU (=a Marc AnrMe) p. 302 ff.
1) Die oben S. 490 A. 4 erwähnte Zuweisung der Appellationen von
den Eonsnln an den Senat hat nur Jurisdiktionellen Charakter.
2) Vit. Pii 12, 3: omnium quae gessit et in senaiu et per edicta ratio-
nem reddidit.
3) Ib. 7, 8: publicatio bonorum rarior quam unguam fuit, ita ut unue
iantum proseriberetur adfectatae tyrannidia reus hoc est Atüius Titianus
senatu ptmiente, a quo conscios requiri vetuit Marcus richtet nach dem
Aufstand des Cassius an den Senat nur die Bitte (jpetit) ne qui Senator
tempore principatus sui occideretur, ne eitM poUueretur imperium und eos qui
dqfortati fuerant revocari tussit.
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leicht eine Senatssitzung versäumte^), so folgte daraus, dafs er
in allen Dingen für nötig fand, seine Mitwirkung eintreten in
lassen. Innerhalb dieses Rahmens war der Spielraum, den man
der Auktoritat einzelner Senatoren, der freien Meinnngsäufsening,
der Abstimmung lassen konnte, ein willkürlicher, aber die SteHong
des anwesenden Princeps mufste doch zur Geltung kommciL
Und selbst vom Felde aus behielt M. Aurel die Leitung der
Gesamtregierung in der Hand und liefs nicht etwa den Senat in
irgend einem Gebiet der Regierung unabhängig von sich oder
seinen Organen frei walten. Von der Konkurrenz des kaiser-
lichen Konsiliums mit dem Senat auf dem Jurisdiktions- und Ver-
waltungsgebiet war schon oben S. 390 f. die Rede. Wenn aber
von M. Aurel gesagt wird, er habe mit dem romischen Volk
nicht anders verhandelt als es unter der Republik Sitte gewesen^
so kann dies über gewisse äufsere Formen nicht hinausgegangen
sein. Wir vrissen nichts davon, dafs für Wahlen oder Gesetz-
gebung die Komitien wieder in Anspruch genommen worden
waren, wie unter der Republik. Davon konnte nun freilich über-
haupt im Ernste nicht mehr die Rede sein; dagegen wäre es
allerdings eine Frage von grofster Bedeutung gewesen, das in
der Persönlichkeit der Herrscher begründete geordnete Reehts-
leben und den geregelten Gang der Verwaltung dem Zufälligen
zu entreifsen sei es durch eine festere Ordnung der Nachfolge
oder durch Einräumungen an den Senai Es war ja wohl
schon durch Hadrian und noch mehr durch Antonin der erstere
Punkt dadurch auf neue Wege gebracht, dafs der jeweilig das
Principat führende wenn nicht unter eigentlicher Mitwirkung, so
doch unter einer gewissen Kontrolle des Senats einen Nachfolger
designierte, und wenn vollends, wie es von Antonin zu M. Aurel
geschah, diese Designation sofort beim Regierungsantritt geschah,
•so war hinlänglich Gelegenheit für den Designierten, in die
künftige Stellung eingeführt zu werden und sich in dieser m
erproben. Allein solches Verfahren war doch dem guten Willen
1) Vit 10, 7: semper cum potuit interfuit sentUui, etiamsi nihü eüä
referendum, si Bomae fuü; si vero aliquid referre volutt^ etiam de Campama
ipse venit Comitiis (d. h. den im Senat stattfindenden Magistratswahleo)
praeterea etiam usgue ad noctem frequenUr interfuit neque unquam rtce$sU
de curia^ nisi consiU dixisaet: „nihü vo8 moramur, p, e/'
2) Vit. 12, 1: cum populo non aliter egit quam est actum sub dvitaU
libera,
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der jeweiligen Regenten anheimgegeben und es blieb dabei die
freie Auswahl in Konkurrenz mit der Erblichkeit Es muijste,
wenn man die bisherigen Grundlagen festhalten wollte ^ ent-
weder die freie Wahl unter den Beföhigten zu Lebzeiten des
Regierenden in einem wenn auch nur formellen Einvernehmen
mit dem Senat zum Prinzip und zur stehenden Einrichtung er-
hoben oder das Prinzip der Erblichkeit unter gleichzeitiger Stärkung
der Stellung des Senats ^ also eine erbliche Generalstatthalter-
schaft eingeführt werden« Beim Senat setzte dies allerdings mehr
voraus y als was er in dieser Zeit darstellt: denn so wenig wie
bei dem, was man römische Bürgerschaft nennt, ist bei ihm ein
GemeingefÜhl bemerklich. Er schliefst eine nicht geringe An-
zahl von tüchtigen Verwaltungskräften in sich, aber als Körper-
schaft fehlt ihm der Zusammenhalt und das Interesse am Ge-
meinwesen: wir sehen ihn nur bewegt durch die Sorge um die
Privilegien und Vorteile der einzelnen, um den Rechtsschutz für
die Person der Senatoren, unter despotischen Kaisem um die
Existenz jedes einzelnen. Das Zunehmen der Sonderstellung des
Heeres, die Schwäche des Senats und das ungeheure Gewicht der
Person des Princeps neben der Unsicherheit über den jeweilig im
Principat nachfolgenden sind die schwachen Seiten, die am Schlufs
der Regierung M. Aureis so drohend wie je die Zukunft belasten.
14. Indessen dem nachdenklichen und vorsorglichen Geiste des Die KuiieRiaii-
Kaisers waren diese in den Verhältnissen liegenden Gefahren von
Anfang an nicht entgangen, er hatte ihnen durch Einführung
einer neuen Gestaltung der höchsten Gewalt gleich beim Regie-
rungsantritt zu begegnen gesucht und er kam in den letzten
Jahren seines Lebens auf denselben Plan zurück: es war die
Einführung der Kollegialität in das Principat statt der bisher in
der Mitregentschaft gesuchten Hilfe. Dafs dies sein eigenster
und wohlerwogener Gedanke war, ist unverkennbar. Antonin
hatte ja absichtlich den L. Verus zurückgesetzt, so dafs von
seiner Seite jeder Gedanke an eine solche Neuerung ausgeschlossen
war; M. Aurel aber führte sie ein nicht etwa, weil er Verpflich-
tungen g^en seinen Adoptivbruder zu haben glaubte — das
motivierte höchstens, dafs er sich an dessen Person hielt — ,
sondern aus sachlichen Gründen; denn er kam ja später mit
Commodus wieder darauf zurück. Seinem Wesen nach schlofs
das Principat die Kollegialität keineswegs aus; die Gröfse der
Aufgaben, die ihm gestellt waren, konnten eine Verdoppel»|ig
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der Ejraft wohl rechtfertigen und der römischen Magistratur, zu
welcher konstitutionell gedacht das Principat doch auch zu rechnen
war, lag der Gedanke ja nahe genug. Die negative Seite der
Gewalt mufste dabei freilich bei Seite bleiben: dafs der eine
Kaiser gegen den andern intercediere, war undenkbar. Dagegen
blieb die positive Seite, dafs beide vollständig dieselbe Gewalt
hatten, weder eine räumliche noch eine sachliche Teilung anders
stattfand als unter Verabredung, im übrigen auch wo jeder für
sich entschied, jeder Regierungsakt als von beiden ausgehend
galt und formuliert wurde. Die Möglichkeit einer derartigen
Einrichtung war unter der Republik garantiert worden durch
die verfassungsmäfsigen Schranken der Magistratur, die im Senat
und Yolkstribunat lagen, und sie hatten in der That damals
Jahrhunderte lang genügt, um wo etwa der gute Wille des Ein-
vernehmens fehlte, dasselbe zu erzwingen. Von solchen Schranken
war jetzt nicht mehr viel zu erwarten; dagegen sollte wohl das
verwandtschaftliche Gefühl eintreten zuerst des Bruders, dann
des Sohns. Gegenüber der bisherigen untergeordneten Stellung
des mit tribunicischer und prokonsularischer Gewalt zur Regierung
beigezogenen bot diese neue Form den Vorteil, dafs bei ge-
trennter Aktion jeder mit gleich voller Auktorität eintreten
konnte, und hinsichtlich der sachlichen Aufgaben konnte beson-
derer Begabung für die militärische Seite Raum gegeben werden,
ohne die Funktionen förmlich zu trennen, was notwendig zu
gunsten der militärischen Seite ausgefallen wäre und direkt zur
Militärherrschaft hätte führen müssen. AuCserdem war bei
gröfseren über mehrere Provinzen sich erstreckenden Kriegen
dem Zwiespalt und der Eifersucht der Generale dadurch vorge-
beugt, dafs leichter ein anerkannter Oberfeldherr zur Stelle sein
konnte. Sogleich in dem ersten Fall der Anwendung fand diese
Trennung statt, indem der zweite Augustus die Kriegführung im
Partherkrieg übernahm.^) Davon, dafs diese Motive irgend einer
Diskussion unterlegen gewesen wären, ist nicht die Rede; die
1) Für beide Motive ist die orientalische KriegfOhrung anter M. Anrel
exemplarisch. L. Veras galt als geeigneter zar Heerffihrung (Dio 71, 1:
6 9^ Aovniog iQQoato t£ %ai vs(6t€(fog fjv^ toCg axQaxKotmotg ts iQyois xa-
taXXrilo'reQog). Nach seinem Verschwinden war es nötig, im Orient ein
gröCseres Kommando za bilden in Analogie der früheren Fälle eines Corbulo
n. A. (s. onten); es war dies aber mit eine Hilfe für den damit betraaten
Avidias Cassias za seiner Erhebung gegen den Kaiser. ^^ ,
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Form der Einführung ist nur die, dafs der bereits vorhandene
Princeps einem zweiten dieselben Attribute und Gewalten ver-
schafft, die er selbst hat, auf demselben Wege, auf dem er sie
selbst erhalten. Es geschieht dies^nur für die jeweilig in Frage
kommende Person: als eine bleibende Einrichtung von zwingen-
dem Charakter wird es weder in das öffentliche Becht eingeführt
noch auch nur angekündigt^)
Der letzterwähnte Umstand zeigt^ dafs M. Aurel seine Neue-
rung zunächst nur als einen Versuch aufstellen wollte, und vor-
erst blieb es ein solcher; für die weitere Zukunft aber war es
ein Vorgang. Es gab Fälle, wo der verwandtschaftliche Zu-
sammenhang und die natürliche Auktorität des einen Augustus
über den andern das kollegiale Imperium möglich machte, wie
es unter M. Aurel selbst zwar wegen der Persönlichkeit der von
ihm gewählten Kollegen keine wesentlichen Vorteile brachte,
aber eben wegen der unanfechtbaren Auktorität des einen Augustus
aueh keine erheblichen Nachteile; im späteren Verlauf aber in
dem diokletianisch-konstantinischen System hat es zur Zerreifsung
des Reichs geführt.
§ 82. OcmmodTiSy Helvins FeHinax, Didins Jalianiis.
1. Denen, welche die Zeit des M. Aurel imd seines Sohnes commodu».')
erlebten, mufste das helle Licht nur um so stärker auf die Periode
der Adoptivkaiser fallen, nachdem es sich so gefügt hatte, dafs
der erste, der nach einem Jahrhundert wieder als wirklicher
Sohn des Vorgängers zum Principat gelangte, sich einem Caligula
1) Vgl die oben S. 381. 383 angeführten Stellen über die betreffenden
Akte. Ober die Eonaequenzen in der Aasführang s. im System.
2) Gommodus, der seinen Kaiserstammbaam bis auf Nerva zurückfahrt
(dki Nervae culnep.) und seine nobüiUis auf den Münzen und Inschriften
hervorhebt (Cohen 3 Comm. n. 379—386. Henzen 5486, wo zuerst nobilüsi-
mu8 prtncep«; vgl. auch Herod. 1, 7, 4), heifst bis zu seiner Thronbesteigung
L. Äureliua Commodus, nach derselben M. Aurelius (Jotnmodus Antonintis,
im J. 191 nimmt er wieder den Vornamen L, an und nennt sich mit Beziehung
auf den Ahn Hadrian L. Aelius Aurelius Commodus. Wilmanns, ex. inscr.
957. 969. Den Beinamen Pius nimmt er 183 an, Felix nach dem Sturz
des Perennis 186; vgl. über diese Namen yit. 8, 1, über Felix unten S. 410
A. 3. PonUfex max. heilst er in der Arvaltafel von 183 v. 13, dagegen nicht
?. 4 (Henzen act. fr. Arv. p. CLXXXV sq.), auf Münzen führt er den Titel
erst vom J. 184 an. Die Titulatur der späteren Zeit mit den verschiedenen
Beinamen Dio 72, 16. Vgl. Eckhel 7, 134 ff. Cohen 3 p. 227.
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und Nero zur Seite stellte. — Die auf zeit^euossische Erinne-
rungen zurückgehenden Berichte^) sind im Zwiespalt darüber,
ob Commodus schon gründlich verdorben zur Regierung kam
oder erst im Genüsse derselben durch schlimme Ratgeber ver-
kehrt wurde.*) Es ist wahrscheinlich, dafs die erstere Anschauung
die richtigere ist, dafs die Belege, welche man dafür beibringt*),
zuerst nur in den unmittelbarsten Hofkreisen bekannt waren und
erst später, nachdem der wahre Charakter offenkundig geworden,
zur Sprache kamen. Die Bevölkerung des Reichs nahm indessen
den neuen Regenten günstig auf^), und dieser wagte auch in
der That nicht sogleich, sich dem Einfiulis der Staatsmänner zu
entziehen, die seinem Vater zur Seite gestanden waren. ^) Allein
1) Mit der Zeit des Commodus haben wir drei Quellen von Zeit-
genossen: das was uns in den Auszügen aus Dio erhalten ist, den Marina
Maximus in der vita des Commodus von Alius Lampridius und den Herodian.
Dio und Marius Maximus gehörten den senatorischen Kreisen an und waren
damit in der Lage, besser unterrichtet zu sein; sie weichen in ihrem Urtal
Öfter von einander ab und sind darauf zu prüfen, inwieweit sie unbefiuigen
waren. Im Allgemeinen ist Marius Maximus aufs schärfste absprechend
über Commodus und seine Werkzeuge, Dio zum Teil günstiger urteilend
(s. unten). Herodian war Beamter (1, 25: S (istä triv Magnov tsUvri^
naga ndvxa tov ifuxvtov ß^ov sldov xs %al Tjnavaa^ iati 9* mv %al ffe%
fisxiaxov iv ßaaiU%aig ^ drjiioeiaig hnrig^alaiq ysvofievog tavta trwfy^cf^a),
aber offenbar in untergeordneten Stellungen und steht mit seiner Kenntnis
auch der Persönlichkeiten den leitenden Kreisen femer: für Ereignisse und
Vorgänge, die sich vor jedermanns Augen abspielten, ist er öfter eine er-
gänzende Quelle, sein Urteil aber ist beschränkt teils durch das Mals seiner
Einsicht, teils durch die Tendenz seiner rhetorischen Darstellung. Vgl so
seiner Kritik Sievers in Philologus 26, 29—48. 253—270. Zürcher, Commo-
dus, ein Beitrag zur Kritik der Historien Herodians in Büdingers Unters.
1, 221—264.
2) Vit. 1, 7: a prima stcUim pueriiia turpis impröbus crudeUs Ubidino-
Sfi8 u. s. w. 1, 2, 6. Dio 72, 1: ovtog nccvovQyog (ihv ov% iqfv, all' ft ttg
x»l alXog dvd^Qmnmv &%a%og^ vno d\ xrig noXXrig aitlottitog xal ir^o^^n wi
SstXiag idovXsvas totg avvovci xal vtc' avtmv oLyvoUt t6 ngmxov xw %Qtit-
xovog a(ucQX(ov elg ^9'og xax xovxov ig (pvaiv dcfXyij xal fiiaKp6pov ngorijfi^'
Herod. 1, 6.
3) Vgl. yit. 1, 9 die Geschichte von dem Sklaven, den er als zwölf-
jähriger Knabe in den Ofen werfen lassen wollte.
4) Herod. 1, 7.
5) Herod. 1 , 6 , 1 : oXiyov (i^v ovv xtvog xqovov ndvxa inQoxxtto t$
yvmfifj xöov naxQcoav tpikonv. Dem widerstreitet nicht absolut die summa-
rische Angabe vit. 3, 1: pati^ ministeria seniora summovü, amicos senes
dbiccit, da keine Zeit dafür angegeben ist. Die Natur der Sache sprieht
dafür, dafs er zunächst vorsichtig war.
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schon durch die RQckkehr nach Rom und die Art^ wie an der
Donau die Erfolge seines Vaters zum gröfsten Teil aufgegeben
wurden (s. unten)^ war die Wendung bezeichnet, und sie vollzog
sich in ähnlicher Weise in der Hauptstadt selbst Hier war von
individuellen Einflüssen, die fOr den jungen , kaum neunzehn*
jährigen Herrscher in Betracht kamen , der wichtigste jedenfalls
der der Präfekten der Leibwache, und so bestimmen sich denn
auch die Perioden der Regierung dieses Kaisers nach dem Wechsel,
der in der Besetzimg dieses Postens vorging. Commodus traf
in demselben zwei von seinem Vater eingesetzte Männer^), Tar-
run tenus Paternus und Perennis^, ohne Zweifel tüchtige Männer;
dies gilt zumal für Patemus, während Perennis, um leitender
Minister zu werden, in den Mitteln nicht wählerisch war. Als
im J. 183 die an Claudius Pompejanus vermählte Schwester des
Commodus, Lucilla, aus Gründen und mit Zwecken, die nicht mehr
zu erkennen sind*), eine Verschwörung gegen ihren Bruder veran-
lafste, die nicht zum Ziele führte, gelang es dem Perennis, den
Paternus der Teilnahme verdächtig zu machen und so zu be-
seitigen: er wurde zuerst mit einer Standeserhöhung der Präfektur
enthoben und darauf getötei^) Die Politik, welche Perennis,
1) Vit. 14, 8: praefectos Patemum et Perennetn non diu tulit^ ita
tarnen ut etiam de iis praefectis, quos ipse fecerat, triennium nullus itnpleret,
guorum plurimos interfecit vel veneno vel gladio; et praefectos urbi eadem
facilitate mutavit. Daraus folgt, dafs Fat. und Per. nicht von ihm selbst
eingesetzt waren. Die Stelle 7it. 4, 7: Patemum et huiua caedis (d. h. des
Günstliogs von Commodus, Saoteros) auctorem et quantum videbatur paratae
necis Commodi conscium et interventorem, ne caniwrcUio latius punirehtr, in-
stigante Tigidio per laticlavi honorem a praefecturae administrcUione summo-
vit, deutet Hirechfeld, Verw. 1, 228 so, dafs Tigidius nur das Nomen des
Perennis seL Jedenfalls ist es ungenau und irreführend, wenn bei Dio und
Herodian der Mann TIsQivviog heifst. — Vgl. über die Personen sämtlicher
bekannter praef, praet. unter Commodus Hirschfeld a. a. 0. 227—229.
2) Paternus ist der dtligentissimus iuris müitaris assertor bei Vegei
de re miL 1, 8, der erste bekannte Jurist unter den Präfekten; vgl. Earlowa,
Bechtsgesch. 1, 782. Über Perennis s. weiterhin.
3) Nach der vita Comm. 4, 1 wäre es die Grausamkeit des Commodus
gewesen, was die Lucilla zu ihrem Vorgehen veranlafste; allein nach Dio 72, 4
war sie nicht besser als ihr Bruder. Was Herod. 1^ 8, 4 von Eifersucht
auf die Stellung der Crispina, des Commodus Frau, sagt, ist in der bei-
gegebenen Begründung nachweislich falsch. Es müssen persönliche Gründe
gewesen sein^ welche die Lucilla bestimmten.
4) Vit. 4, 7: Patemum — per laticlavi honorem a praefecturae ad- i
"* o
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jetzt alleiniger Präfekt^ nun einschlug, erscheint wie eine Kopie
des Verfahrens von Seneca und Burrus gegenüber Ton Nero: der
Kaiser sollte ganz seinen Vergnügungen überlassen werden, die
Regierung in der Hand des Präfekten als ersten Ministers sein.^)
Auch hier ging es ähnlich wie unter Nero: neben dem politischen
Minister kamen in der unmittelbaren Umgebung des Kaisers
andere Einflüsse auf, die sich nicht auf das Treiben am Hof
beschränken wollten, die Freigelassenen- und Kammerdiener-
herrschaft griff wieder um sich und untergrub die Macht des
Präfekten. Über das Regiment^ das dieser führte, finden sich in
den zeitgenössischen Berichten verschiedene Urteile; während er
nach der einen Seite der Typus eines eigennützigen, rücksichts-
losen, willkürlichen Ministers ist, waren nach der andern die
Interessen des Kaisers wie des Reichs bei ihm gewahrt, verdiente
er das Schicksal, das ihm bereitet wurde, nicht und war der
grofste Vorwurf, den man ihm machen konnte, die Beseitigung
des Paternus.^) Die Motive, die bei seinem Sturz im J. 185
erscheinen^), gewähren einen etwas deutlicheren Einblick in die
tninistraiüme sutnmovit; post paucos dies insimülavü cum comwratiom —
qaare et Patemum et Jtdianum — interfecit.
1) Vit. 6, 2: PerentUs Cammodi persciens invenit^ quemadmoätMn ipse
potens esset; nam persuasü CommodOy ui ipse ddiciis vacaret^ idem vero
Perennis curis incuniberet; qtiod Cammodus laetanter accepit, Herodian 8, 1 f.
Mit etwas anderer Wendung giebt Dio 72» 9 von seinem Standpunkt ans
(s. folg. Anm.) dies so: xov Kofinodov aQfkatriXttaücis %al aaslyBÜtii inii-
damoxog savrbv %al rav t^ c^QXV *Q0£fj%6pti»p ov9lv ms slxsip HQattovxoi
b ÜBifivviog TivayxaitTO ovx OTf tä tfr^arMSTixa alXa xal tiXXa dta xn^g
^XSiv Mal xov moifpov nqqaraTSiv, Die Darstellung der vita wird hier wohl
die richtigere sein.
2) Nur Ungünstiges über Perennis bringt die Tita c. 4 — 6 und damit
stimmt Herodian 8 f. Dio dagegen sagt bei seinem Stnrz 72, 10: 6 i^hv ov9
ovtag ia(pdyfjy fjnKSta drj tovto xad'CiV %al di,' iavtbv %al Sia r^y xatf«cv
tav ^Pmiialav ceqxv^ 6(psilav nXrjv %a9* ocov Siä xriv tpiXct^x^^ alxuazoxog
ttp Tlcctiifpa} tm awd(fXOvti. xov olid'QOV iyivsxo' I9i<f ^v yag ovdlv xanou
0VX8 ngbg do^av ovxs ngbg nXovxow mgi^ßdlixo dUd %al dSagoxccxa %al
cmtpgoviaxttxa 9i,ijyaysp, xov 9h KopLfiodov %cel xijg dgxfjg avtov ndcav dcipa-
Isiav inoiBho. Es ist möglich, dals Dio persönliche Verpflichtongen gegen
Perennis hatte; doch spricht dafilr, dafs zu seiner günstigeren AnfiiMBQng auch
sachliche Gründe vorhanden waren, der Umstand, dafs M. Anrel es gewesen,
der ihn zum Präfekten gemacht hatte, und die gemäfsigte Art, mit der Dio för
ihn eintritt. Herodian übertreibt schon darin, dafs er den Perennis ab
Prätendenten darstellt; aulserdem ist seine Darstellung der Vorgänge unrichtig.
3) Die Zeitbestimmung hiefür hängt an dem Beinamen Felix, den
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wirkliche Lage der Dinge. Das Heer in Britannien, ohnehin
schwierig niederzuhalten^), lehnte sich, nicht ohne Mitschuld der
Offiziere senatorischen Rangs, welche sich von Perennis in ihrer
Stellung bedroht sahen, auf nicht gegen den Kaiser, aber gegen
den Präfekten. Es scheint, dafs dieser beabsichtigte, mit Ein-
fähmng des Ritterstands in die oberen Kommandostellen die
Senatoren allmählich aus den militärischen Stellungen zu ver-
drängen, und dafs der Versuch, der hiemit in Britannien gemacht
wurde, die Unzufriedenheit auch der Soldaten erregte.*) Es ge-
schah, was unter geordneten Verhältnissen undenkbar war: eine
Schaar von 1500 Mann zog offenbar mit Bewilligung des Ober-
kommandos aus ihrer Provinz weg, gelangte unbehelligt nach
Italien, und der Kaiser zog ihr entgegen: seiner Prätorianer, die
mit ihrem Präfekten ebenfalls nicht zufrieden waren, nicht sicher,
gab er den Perennis, von dem man ihm sagte, dafs er seinen
Sohn auf den Thron setzen wolle, den Soldaten und den Ein-
flüsterungen des am Hofe herrschenden Kammerdieners Kleander
preis.') Daraus geht hervor, dafs Perennis, wenn auch kein
Prätendent, doch ein energischer Mann von weittragenden Plänen
war, für die er sich auf den Ritterstand stützen wollte. Für die
damit gegebene Zurücksetzung des Senats konnte er glauben, der
Zustimmung des Commodus gewifs zu sein, da dieser von jener
Verschworung her, bei welcher der gegen ihn geworbene Atten-
nach vit. 8, 1 CommoduB nach der Eataetrophe des Perennis erhielt; dieser
findet sich auf Münzen zuerst im J. 185 (Eckhel 7^ 135 f ), auf einer Inschrift
Orelli n. 1918 allerdings schon 183; allein letztere hat keine offizielle Be-
deutung.
1) Dio 72, 9: ot iv BQsrtccvi^ xoCvvv vnaifxovtsg ifCBtSi^ ti xal insti-
{irfiriisav i(p' olg iatcta^aiov u. s. w. Vgl. oben S. 897 f. und die kurz nach
den hier erwähnten Vorgängen von 185 unter Pertinax' Statthalterschaft
versuchte Meuterei vit. Pert. 3, 6.
2) Vit. 6, 2 : Perennis, qui tafUum potuit^ subito, quod hello Britannico
militibus equestris loci vires praefecerat amotis senatoribus prodita re per
legatos exercitus hosiis appeUatus lacerandusque militibus est deditus. Was
prod. re per kg, ex, bedeutet, macht die in der folg. Anm. citierte Erzählung
Dios klar.
3) Dio 72, 9: ot iv BQStxavloi (Vgl. ob. A. 1) xiUovs xal nsvxa-
noeiovg d%ovuatag and atpav dnoli^avtsg ig triv 'izaUav ^nsittpccv' äv {itj-
divog %(oXvovtog %^ ^Pfof^V nXriöutadvzap 6 Koiifiodog dn^vtrjai rc avtoCg
u. 8. w.; es folgt die Erzählung vom Sturze des Perennis. Die ganz
anders lautende Darstellung Herodians kann gegen die ?ita und Dio nicht
aufkommen. ^ j
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— 412 -
täter ihm zugerufen hatte^ er sei vom Senat gesdiickt, dem Senat
so feindlich wie möglich gesinnt war.^) Es ist möglich, dads
Perennis, wie Dio versichert, mit dieser Politik nicht blofs sein
eigenes Interesse im Auge hatte, sondern auch fOr den Bestand
des Imperiums sorgen wollte, wie es sich ebenso leicht begreift^
dafs die in ihrer Stellung von ihm Bedrohten ihm das Schlimmste
nachsagten. Aber der Weg, den er einschlagen wollte, war in
der That ein sehr bedenklicher und hätte sofort entweder zum
Bürgerkrieg oder zum reinsten Absolutismus, yielleicht zunächst
einer Art Hausmeiertum geführt. Sein Schicksal zeigte aber zu-
gleich, wie jede Hoffnung, unter Gommodus die Regierung mit
Aussicht auf Dauer führen zu können, an dessen Charakter zu
Schanden werden mufste: bei der ersten Grelegenheit wurde der
bisherige Günstling ohne jegliches Bedenken preisgegeben. Mit
der nun beginnenden Herrschaft des Eleander war man wieder
bei dem tollsten Despotismus ohne jedes legitime Gegengewicht
angelangt, bei dem Despotismus, dessen gleichsam natürliche
Schranke die Palastverschwörung oder die Empörung der Statt-
halter bildet. Der Gladiator und Tierkämpfer Gommodus, dessen
Schilderung in unsern Berichten einen reichlichen Platz einnimmt,
bildet das Gegenstück zu dem Schauspieler Nero, seine Regierung
ist ebenso unfruchtbar wie die der letzten neronischen Jahre,
nirgends zeigen sich positive Leistungen, wie unter Tiber, Clau-
dius oder Domitian. Nachdem das Regiment Eleanders kaum
vier Jahre gewährt, wird er im J. 189 der Wut des römischen
Volks ebenso leicht geopfert, wie vordem Perennis den Soldaten.*)
Kleandcr, der Freigelassene, hatte nach rascher Folge einiger
Nachfolger des Perennis die Präfektur des Prätoriums in der
Weise übernommen, dafs er allein die wirkliche Gewalt und das
Abzeichen des Dolches hatte, neben ihm aber noch zwei Prä-
1) Vit. 4. Dio 72, 4. Herodian 1, 8, 6 ff.
2) Vit, 7. Dio 72, 13. Über die auch hier abweichende rhetoriBche
Daratellong Herodiana (1, 13) Zürcher a. a. 0. S. 242—246. Nach Tüle-
mont 2, 438. 566 kann der Sturz des Perennis nicht wohl vor 189 falleo,
weil das Konsulat des Septimius Severus, das in 189 zu setzen ist (EleiD,
fact. cons. z. d. J.), unter die 25 unter Eleander in einem Jahr bestellten
Konsulate (uni S. 413 A. 8) zu rechnen ist (vit. Sev. 4. 6: consuUshm am
Äpuleio Bufino pnmvm egit Gommodo se inter plurimos desigmmU),
Kleander also in diesem Jahr noch gelebt haben mofs. Andererseits erlaabi
der weitere Verlauf der Regierung des Gommodus nicht, die Katastrophe
später zu setzen. ^^ I
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- 413 —
fekten als militärische Befehlshaber standen^); ihm folgte kein
Prafekt mehr von ähnlichem Einflufs; die, welche den Posten
übernahmen, wurden bald genug und ohne dafs davon viel Auf-
hebens gemacht wurde, den Vorgängern nachgeschickt, bis die
Reihe an einen kam, der, als er sich bedroht sah, dem Kaiser zu-
vorzukommen wuTste. Mit Eleander zogen alle die andern Kenn-
zeichen der Preigelassenenwirtschaft wieder ein, das Überwiegen
des kaiserlichen Haushalts über den Staat^), die Einführung von
Freigelassenen in die oberen Stände des Reichs, die Käuflichkeit
aller Stellen und der richterlichen Entscheidung, um die Mittel
für die kaiserliche Verschwendung zu erzielen und die eigene
Gewinnsucht der am Hofe herrschenden Personen zu befriedigen')
— Übel, die man wohl aus der Geschichte der weit zurück-
liegenden Regierungen kannte, die aber doppelt empfindlich
waren nach den unmittelbar vorhergegangenen Kaisem. Wenn
in diesem Zusammenhang erwähnt wird, dafs unter Kleander
nicht blofs Provinzen verkauft, sondern in dem einen Jahre 189
1) Nach dem Tod des Perennis hatte Commodas wieder zwei Präfekten
eingesetzt (Herod. 1, 9, 10); als Kleander eintrat, heilst es v. Comm. 6, 12:
in cuius (Aehtdiani inieremptt) locum ipse Oleander cum aliis duobus, qtws ipse
deUgerat, praefedus est factm^ tuncque primum tres praefecti praetorio fuere^
inter quos libertintis, gut a pugione appelUxtus est. Unter dem libertinus ver-
stand Casanbonns z. d. St. einen Diener, der den Dolch, das insigne der
der Präfektur znstehenden Gewalt, den andern nachgetragen hätte. Dagegen
hat Salmasins z. d. St mit Recht bemerkt, dafs es der Freigelassene Eleander
ist, der aUein von den Dreien jenes Zeichen der militärischen Qewalt der
Präfektnr hat und daher a pugione hiefs. Ebenso xurteilen Mommsen, Str.
1, 419 A. 1. Hirschfeld, Verwaltmigsgesch. 1, 228 f., während Friedländer
1*, 111 in der Bezeichnung einen populären Beinamen sieht.
2) Vgl. die sprechende Scene Dio 72, 21; femer 72, 10: ot xaLcdqsioi
Tovtov (d. h. tov TlBQtvvlov) unaXXayivTsg (^v d^ avtmv iiOQV(paios o KliapSgog)
ovSlv ort %u%6v ovK idgtov nmlovvtsg ncivtec^ vßQliovxsg^ dctXya^vovxtg. Vgl.
Tit. 6 f. die Opfer, welche ans Senatskreisen diesem Eammerdienerregiment
fielen, wonmter der Schwager des Commodns, L. Antistius Bnrrns, nnd
Arriüs Antoninus von den Arrii Ani, zu denen Antoninns Pins gehört hatte.
Der Tod dieses Arrios brachte nach vit. 7, 1 die Volkswnt gegen Eleander
zom Ausbruch.
3) Vit 6, 8: horum (des sechsstündigen praef, praet. Niger nnd des
fOnfi&gigen Marcius Qoartus) successares ad arhitrium Cleandri aut retenti
suni aut occisi. Ad cuius wuiwn etiam libertim in senatum atque in patricios
lecU swnty tuncque primum viginti quinque cansuies in unum annum, venditae-
que omnes provindae, Omnia Cleander pecunia venditabat: revocatos de
exüio dignüatihus orndbat, res iudicatas rescindebat. Dio 72, 18. ^ j
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— 414 —
nicht weniger als 25 Konsuln gemacht wurden ^)y so zeigt dies
in erschreckender Weise, wie wenig die Aristokratie, die sich so
kaufen liefs, widerstandsfähig geworden war.^) Nur darin zeigte
sich der Erfolg der vorhergehenden Regierungen, dals die Grenz-
Verteidigung aufrecht erhalten blieb ^), während in Rom der Kaiser,
der sich den gewöhnlichsten Verpflichtungen seiner Stellung ent-
zog*), von dem unwürdigsten Treiben hinweg nach den Vor-
gängen eines Caligula und Nero das alte Spiel der Yei^otteroug
bei Lebzeiten hervorholte, Rom, den Senat, die Legionen, das
römische Volk nach sich benannte, die Namen der Monate auf
seine Ptcton richtete^), während im Innern des Reichs Pest und
Hiangersnot auftrat^), in den Provinzen Banden von Deserteuren
und Räubern sich zusammenrotteten, mit denen man nur schwer
fertig wurde ^), und endlich ganz nach dem Beispiel Neros, als
1) S. Yorberg. Anm. und S. 412 A. 2.
2) Bezeichnend für die Stimmung im Senat ist neben der schon er-
wähnten Schilderung bei Dio 72, 21 das Wort des Pertdnax an den Eoneul
Falco, der ihm seine Verbindung mit den ministrt scelerum Cammodi vorwirft:
iuvenis es consid nee parendi scis necemtaUs; pannenAWt invüi Commodo, sed
ubi habuerunt facuUatem, quid semper voluerint ostenderufU (vit Pert. 6, 8 f.).
8) Dio 72, 8 (Kämpfe in Dacien und Britannien) vit IS, 5: vidi s%uU
sub eo tarnen cum tue sie viverety per legatos Mauri, vidi Daci, Pannoniae
quoque compositae, in Britannia, in Germania et in Dada imperium eimi
recusantibus provinciaübus^ quae omnia ista per duces sedata sunt
4) 13, 7: ipse Commodus in subscribendo tardus et neglegens iia ut
libeüis una forma müUis subscriberet^ in epistulis autem plurimis Vah tan-
tum scriberet agebanturque omnia per cdios, qui etiam condemnaHones t»
sinum vertisse dicuniur.
5) Vit 8. Dio 72, 16. Herod. I, 14, 8.
6) Herod. 1, 12. Vit 14, 1. Dio 72, 14.
7) Herodian, 1, 10 giebt eine ausführliche Erzählung von einem IIa-
temus <STgaxmTfig (ilv hqoxbüov nolXa &\ %al dhiva xoX^tr^aaqy xf^» 9% Tcrgcr
Xmdav %al xsüsag ixigovg dno xmv avxcov iffymv öwanod^dvaiy xtl^ft noll^
natiovQymv iv oXiyto ad'QOÜras XQovia u. s. w., der in g^anz G^allien nnd
Spanien sein Unwesen treibt, sich in Rom einschleicht, um den Commodus
zu ermorden, »ol itbqI ßaöiXsias ^^i} %al li^sitortov nQayfuncop ißovlsvtTO,
Es ist hier dasselbe gemeint, wie vit Comm. 16, 2: ante bellum dtser-
torum caelum arsit und vit Nigri 3, 3: et Pescennius quidem Severo to
tempore quo Lugdunensem provindam regebat amicissimus fuU; nam ipse
missus erat ad comprehendendos desertores, qui innumeri GaXUas tuncvexdbamL
Es geht femer auch aus den kurzen Erwähnungen der vitae hervor, da£s
die Sache von Bedeutung war und grdlsere Ausdehnung gewann; war doch
ein Feldzug ipeüum) dagegen nötig. Herodians Darstellung mag übertriebe«
sein, doch nicht in dem Grade, wie Zürcher a. a. 0. 241X meint. Zu der
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Konfiskationen, Stellenverkanf; Erpres^uBg^n nicht niehr genügten,
vermehrter Steuerdruck die Bevölkerung belastete.^) Nach dem
Sturze Eleanders regierte Commodus noch etwas mehr als drei
weitere Jahre ohne einen ähnlich einflufsreichen Günstling. Am
31. Dez. 192 machte die Verbindung der sich am Hofe be-
droht fühlenden, der Konkubine Maroia^ des Kammerdkneq»
Eklektus und des Pr&fekten der Leibwache Q. Ämilius Ltttns
den unmöglichen Zustanden ein Ende.')
2. Der Mann, welchen der Leiter des Attentats, Lätus^ an Pertinax.
Stelle des Ciommodus zunächst den Prätoriauern in Vorschlag
brachte, war F. HeMus Pertinax: so sollte an die Stell« desseii,
bei dem die Ahnenreihe so sehr betont worden, der Sohn eines
Freigelassenen, eines Handlers, gesetzt werden, ein Masn, d#r in
seiner Jugend selbst zum Erwerbsleben bestimmt aber durch
günstige Verbindung in den militärischen Dienst gekommen und
in diesem durch die ritterlichen Stellen zur senatoriscken Laaf-
bahn gelangt war.') Er hatte sich unter Marc Aurel vielfäeh
Übertreibung gehört, dafs er ihm wie dem Perennis und Eleauder die Ab-
sicht zaschreibt, eelbst das Imperium zu gewinneu; aber im übrigen ist es
wohl möglich, dafs Herodian aus wirklicher Sachkunde schreibt als einer,
der die so weithin fühlbare Sache in der Nähe sah. Die Zeit bestimmt sich
einerseits nach Herod. 1, 10, 1, wonach Matemus nach dem Sturz des Perennis
Xffovov ov nolXov diayevoiiipov auftrat, andererseits nach vit. Pescenn. a. a. 0.,
wonach der Krieg gegen die Deserteure unter die lugdunensische Statt-
halterschaft des Septimius Severus fiel, die nicht yor 186 angesetzt werden
kann; der Aufstand wird in das J. 187 fallen, vgl. Tillemont 2, 484 f. Sievers
a. a. 0. 41 f.
1) Dies geht indirekt herror aus vit Pert. 8, 6: coactus es$ (Pertinax)
ea exigere, qwu Commodus indixerat, contra quam proftssus ftterat,
2) Vit. 17. Dio 72, 22. Herod. 1, 16 f. mit manchen bei Zürcher
a. a. 0. 249 aufgei^lten Ausschmückungen und üngenauigkeiten.
8) Qeburt und frühere Laufbahn des Pertinax ist am genauesten ge> *
gegeben in der vita c. 1—8. In der Beurteilung dieses Kaisers sind die
▼erschiedenen Quellen im allgemeinen übereinstimmend, nur dafs Dio, der
selbst erklärt, dals er dem Pertinax zu Dank verpflichtet gewesen (78, 12),
was ihn niedriger erscheinen läfst, mildert oder verschweigt. So ist der
Vater bei ihm blofs ov% tvytviig (78, 8); w&hrend Pert dem Biographen
magis hlandus quam benignus nee unquam creditus simpUx ist, et cum verbis
esset affabüis, re erat ihliberälis et prope sordidus (vgl. 9, 4 ff.), ist er nach
Dio 78, 1 tav %tiXmv %aya^mv und (piXapd'qan^a tt %al xf^ctorrig %al ol-
%opoiUa ßsltüstfi %al n(f6voicc lov %oivov tmpLtlsatdxfj ihm nachzurühmen
(c. 6), und ist er zwar sparsam, aber inl tovxm ot (i^p nlovcioi %al i/ksya-
Xavxoi disyiXtov avxov^ ot 91 «IZoi, oh ä(ftefi dosXyiütg n^oti(ioxiQa fyf^
htgrovfiBv (c. 8.) ^ j
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ausgezeichnet und unter Commodus verschiedene bedeutendere
Statthalterschaften versehen, darunter das gefahrliche Britannien^
wo er eine Meuterei mit Gefahr seines Lebens bestanden aber
auch überwältigt hatte. ^) Damals war er Stadtpräfekt und hatte
eben im J. 192 neben Commodus' siebentem Konsulat sein zweites
gehabt.^) Der Grund, weshalb der siebenundsechzigjährige Mann
ausersehen wurde, konnte nur darin liegen, dafs man in ihm die
meiste Energie und militärische Fähigkeit unter den zur Stelle
befindlichen vertreten sah, verbunden mit einem Charakter, der
ihn dem Senat geföllig und trotz seiner niederen Greburt an-
nehmbar machen würde. Auf den Senat kam es in erster Linie
allerdings nicht an; aber nachdem die Soldaten, wenn auch über
sein Auftreten ihnen gegenüber verstimmt^), die Usurpation
angenommen, war Pertinax selbst bemüht, dieselbe in verfassungs-
mäfsige Bahnen zu bringen.^) Erklärte er sich ja doch, ängst-
lich über die Folgen, bereit, wieder zurückzutreten und ange-
seheneren Männern, wie dem alten Claudius Pompejanus, dem Eidam
des Marc Aurel und Nachfolger des Kaisers Verus in der Ehe
mit Lucilla, der die Schreckenszeit des Commodus glückUch
überlebt hatte, die gefahrliche Stellung zu überlassen.^) Da sie
ihm nicht abgenommen wurde, erbat er sich vom Senat die An-
erkennung und erhielt sie nicht ungern, wenn auch nicht ohne
Opposition, die sogar durch den einen Konsul Q. Sosius Faleo
vertreten war.^) Es gelang ihm auch weiterhin mit dem Senat
1) Vit. 2 f. Dio 72, 9.
2) Dies steckt in der verderbten Stelle vit 4, 3: (als Stadtpräfekt) mi-
tiasimm et humanmimus fuit et ipsi Cammodo plurimum pUicuU^ qnia üH
esset iterum cum Pertinax factus est (etwa: qui {cum ipse VII] esset, itenm
cum [eo] Pertinax factus est.) Dio Zeugnisse über die Konsuln von 192 bei
Klein fast. cons. z. d. J.
3) Dio 13, 1; anch dafs er am ersten und zweiten Tag die Parole
„militemusf' gab, fafsten sie als Vorwurf wegen ihres bisherigen Sichgehen-
lassens auf; exprohrationem istam milites non tiderunt statimque de imperor
tore mutando cogitarunt; vit 6, 7. 6, liF. Schon am 8. Jan. wollen sie
einen vornehmen Senator an die Stelle des Pertinax setzen; der aber
weigert sich. 6, 4.
4) Vit. 6, 7: susdpere se etiam Imperium a senatu dixä^ quod iam
sponie inierat,
6) Vit, 4, 10. Vgl. Dio 78, 3. Herod. 2, 3, 3.
6) Vit 5, 2 : cum Laeto gratias egtsset PertinaXy Faleo conaul dixü: quaüi
imperator es futurus, hinc intellegimus, quod Laetum et Mardam, ministn»
scelerum Commodi, post te videmus. Darauf die Antwort ob. 8.^ 412 A, 2.
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- 417 ^
in wirklichem Einvernehmen zu bleiben, ja die von Commodus
mifshandelte Behörde fühlte sich unter ihm wie befreit, da er
die Majestatsanklagen aufhob, die Verbannten zurückrief, das
Andenken der Getöteten wiederherstellte und die konfiszierten
Vermögen zurückgab^), andrerseits regelwidrige Bevorzugungen,
welche Günstlingen des Commodus in ihrer Senatsstellung zu
Teil geworden, aufhob.*) In den Beratungen liefs er sich Oppo-
sition gefallen^ und sein Verkehr mit den Senatoren war im
Tone nicht des Herrschers, sondern in dem eines Kollegen,
höchstens in dem eines Princeps in der bescheidensten Bedeutung
des Worts gehalten.*) So ist es nämlich wohl zu verstehen,
wenn er zwar die üblichen Titel annahm, darunter den eines
pater patriae sofort*^), aber auch den eines princeps senatus,^)
Wie mit dem Senat, so stellte er sich auch mit dem Volke gut;
denn man sah, dafs es ihm ernst damit war, eine geordnete.
1) Vit 6, 8: quaestionem maiestaUs penitus Mit cum iureiurando,
revocavit etiam eos gut deportati fuerant crimine maiestaUs y earum memoria
restiiuta, gut occisi fuerant, 9, 8: omntbus sane possessiones suas reddidit,
guibus Commodus ademerat^ sed non sine pretio; letzteres heilst nach dem
Zosammenhang, dafs er sich persönlich diese Heimgabe habe bezahlen lassen.
2) 6, 10: cum Commodus adlectiontbus innumeris praetorias Ihiscuissety
senatus constUtum Pertinax fecit iiASsitque eos gut praeturas non gessissent
sed adlectione aecepissent post eos esse gut vere praetores fuissent; sed hinc
quoque grande odium müUorum commovit.
8) 7, 7: aggressus eum Lollianus Gentianus constdaris, quod contra
promissimt (der Aufhebung der Steuern des Commodus) facerety necessitatis
rationem accepit,
4) Dio 73, -d: ^XQTixo d\ xal riy^tv d7j(i4fti%(6xccta' %al yccQ S'öngogiqyoQog
^ u. 8. w.
5) Vit. 5, 5: primus sane omnium ea die qua Äugustus est appellatus,
etiam patris patriae nomen recepit necnon simiU etiam imperium proconstdare
nee non ius guartae reUxtionis. Auf den Münzen findet sich der Titel p. p.
nicht, dagegen auf Inschriften zn seinen Ehren. Or. 896 (=» Wilm. 981).
Corp. insc. lat. II n. 4126 (=- Wilm. n. 876). Vgl. folg. Anm.
6) Dio 73, 5: iXaßs Tag ts ällag inmXiqa^ig tag ngogri%ovaccg %al ixiqav
inl TCO 9fiyLOxi%og elvai ßovls69'ai>' nQOHQitog yäq tijg ysQOVciag %axa tb
agz^f^ov inayifOi/MoQiriy wobei in Betracht zu ziehen ist, dafs Dio den Titel
princeps von princeps sena;t/us ableitete (ob. S. 134 A. 2). Auf seinen Münzen
führt er übrigens auch diesen Titel nichi Von Inschriften vgl. die in der
vorh. Anm. cltierten, die eine vom 11. Februar, die andre (Or. 896) vom
20, M&rz 198: Imp. Caes. P. Helvio Pertinaci Äug. cos. II pontifid maximo
trib. pot. p, p. principi sen. fortissimo duci et omnium virtutuum (so) prin-
dpi Capenates u. s. w.
H«T«og, d. röm. StaatsTorf. II. 1. §^1\t\zeö byGoOglC
- 418 —
leistungsfähige Verwaltung herzustellen.^) Gleich zu An&ng
machte er die Würde des Reichs geltend, indem er die Auszahlung
der Gelder, die man den BarbarenfÖrsten an der Grenze leistete,
einstellte^); im übrigen war er vorzugsweise bedacht, die durch
Commodus in arge Zerrüttung geratenen Finanzen wieder her-
zustellen, was ihm, einem vom Privatleben her sparsamen und
erwerbseifrigen Mann, auch in merkwürdig kurzer Zeit gelangt),
und nur das wurde von wohlwollender Seite ausgesetzt, da& er
zu viel zumal in Angriff nahm.^) Dieser Hätigkeitstrieb ist es
auch, was ihn von Galba, mit dessen Charakter und Lage manche
Ähnlichkeit besteht, unterscheidet. Aber eines fehlte, die volle
Auktorität der Person, und darum gelang es auch den ihm
feindlichen Kräften, ihn zu stürzen. Diese waren vor allem das
Hofgesinde und die Garde, welche beide von Commodus zu viel
Gewinn gehabt, um mit dem sparsamen neuen Regiment zufrieden
zu sein; auch der Gardepräfekt Latus, der den Pertinax erhoben
hatte, wurde ihm bald untreu und suchte seine Stellung zu unter-
graben.^) Zuerst suchte man den Falco, der in der Sitzung vom
1) Vit. 14, 6: populus mortem eius indignissime Mii, quia videM
omnia per eum antiqua posse restitui,
2) Dio 73, 6: ßaQ^aQOVS rtvag %qvalov naq' avxov icoXv in' bI^^
stXri(p6ta9' (i8tan£(iflfdiisvos (Irt yaQ h 6dm ijaav) an^xijasv avro, il%m
oti liysTS Tots otxoi nsQTiva%a a(fXBi'V' ^dsaav ycr^ xal ndw x6 oro^
avTov l^ ajv nsnovd'eaav ort fj^srä tov Mdgxov iatgaxsvsto,
3) Vit. 7, 1—6 werden Mafsregeln von Liberalität anfgez&hlt; deshalb
ist auch 7, 1 : eensus reiractari iussit in dem Sinn aufsnfassen, dafs gegen-
über zu grofser und willkürlicher Belastung unter der vorigen Begieroog
Erleichterung und billige Taxation erfolgen sollte. 7, 6 — c. 9 folgen dann
Mafsregeln zur Hebung der Finanznot. Dio 78, 5. Eine einzelne Maisregel
nennt Herodian allein 2, 4, 6: n^mtop näcav t^ %at' 'itaUav nal h tois
loinoCg i&vseiv dystogyritov xs %al navxdxaciv ovaav dgyov inixgt^tv ono-
ajjv xig ßovlBxai xal ^vi^arai sl %al ßaaiXiag %x^(Ut e^ nutxaXai^dwtuff
intfislrjd'ivxi xs xal ysoDQyi^aavxi dsanoxjj slvai' idaxi xs ysaffyovüip tcxt-
iBiav ndvxfov ig ds%a ixrj xal Sid navxog SBonoxBiag dusgiiikvCav. DaCi
eine so wichtige Anordnung, die zu dem Detail bei Herodian zu rechnen
ist, das er nicht erfunden, in den andern Quellen nicht erwähnt wird, hat
seinen Grund wohl nur darin, dafs sie bei der Kürze dieser Regierung keine
Wirkung hatte. So hat sie denn vorzugsweise symptomatische Bedeutung
als Zeichen für die zunehmende Entvölkerung. Dafs er auf finanziellem
Gebiet Erfolg hatte, zeigt vit. 9, 1 f.
4) Dio 73, 10: ovxod o TlB^xlva^ im%BigTicag iv oUya ndvxa dwanM-
XicaaO'ai, ixBlBvxriCBv ovS\ iyvm ncUnsq ifi^fCBiQoxuxog ngayfiaxmv &9y 9U
ddvvaxov iaxiv dO'Qoa. xwd dofpaXmg iiiavoQd'ovad'at.
5) Dio 73, 8: insl ovxb roti; öxqccximxaig dgitd^Biv ovxe xoig xauro^^
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— 419 -
1. Januar dem neuen Kaiser entgegen getreten war^ zu erheben.
Dies mifslangy und Falco selbst, vom Senat verurteilt aber von
Pertinax begnadigt, stand von weiterem Versuch ab. Allein die
Soldaten, nun vollends erbittert durch Hinrichtungen, die ihren
Kreis getroffen, gaben sich damit nicht zufrieden, sondern erhoben
sich jetzt ohne einen Prätendenten, nur um den Pertinax zu be-
seitigen, drangen in den Palast und mordeten den von seinem
Gesinde preisgegebenen Herrscher.') Er hatte nicht ganz drei
Monate die Regierung geführt^, aber in dieser Zeit die Idee
des Principats als einer obersten Hilfsmagistratur vielleicht reiner
als irgend ein anderer dargestellt. Und dafs dies bei Senat und
Volk des Eindrucks nicht verfehlte, zeigen die Ehren, die man
unter Severus dem Andenken des Pertinax tA& eines bonus princeps
erwies.^)
3. Aber das Mafs dessen, was die Ziigellosigkeit der Prä-nidina juiianu?.
torianertruppe in Rom leisten konnte, war dadurch noch nicht
voll: es folgte die Scene, in welcher der eigene Eidara des er-
mordeten Kaisers, der Stadtprafekt Sulpicianus, der von Pertinax
gesendet sich ins Lager begeben hatte, und ein älterer Senator,
M. Didius Julianus, von der Frechheit der Soldaten das Imperium
ersteigerten. Julianus war der Meistbietende, der es dann über
den Verwandten des Ermordeten gewann.*) Auch ihn erkannte
der Senat, widerwillig aber ohne eine Spur des Widerstands
gegen die Soldaten, an, und die Soldaten hielten ihn zunächst
aufrechi^) Er zählte unter seinen Vorfahren mütterlicherseits
düBlyalpstv in iirjv, ^£iyc5ff oixot ifUaovv avxov. Vit. 14, 6: milites eum
et iiulici odio häbueruni.
1) Vit. 10 f. Dio 78, 8—10. Herod. 2, 6.
2) 87 Tage nach Dio c. 10 extr., 2 Monate 25 Tage nach vita 15, 6.
Dio ist der onmittelbarBte Zange. Der Todeetag wäre nach ihm (vom
1. Jan. an gerechnet) der 28. März, welcher Tag auch in der vita unmittel-
bar vor jener Regiemngsdaner angegeben ist.
3) Vit. 15, 1—5. Dio 74, 8—5.
4) Die VersteigemngsBcene drastisch geschildert Dio 73, 11; kürzer
und mit einigen Abweichungen vit. Jul. 2, 2. üerodian 2, 6. Abstammung
und sonstige Personalien des Jul. vit. 1.
5) Dio 78, 12 f., wo mit derselben Offenheit wie unter Com modus das
Verhalten des Senats und des Dio selbst geschildert werden. — Julianua
nahm auch den in seiner Familie erblichen Beinamen Severus an (vit. 7, 2)
und ftlhrt ihn auf seinen Münzen. Inschriften von ihm giebt es nicht. Zu
Dio 73, 12: »al avxov ot cxQaxmxai xd xs äXXa ifiBydXvvov xal Kofinodov
inmvoiia^ov geben die Münzen keinen Beleg. — In der Charakterschilderung
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den berühmten Juristen der hadrianischen Zeit Salvius Julianns
(s. ob. S. 369 A. 2), väterlicherseits war seine Familie vom italischen
Munizipaladel in den Senat gekommen , er selbst hatte , durch
Beziehungen zum Kaiserhaus gefordert, die senatorische Lauf-
bahn ohne besondere Auszeichnung durchlaufen, wie er denn
auch persönlich nur den Genufs seiner Stellung haben wollte.
Seine Regierung war von Anfang an so sehr geföhrdet und auf
die Sorge um die Existenz angewiesen, dafs von positiven Resul-
taten nicht die Rede sein konnte. Der Senat zwar war unter-
würfig, und er seinerseits that alles, um sich die angeseheneren
Männer gewogen zu machen, aber die Bevölkerung Roms, in
eigentümlicher Unabhängigkeit von der Garde, bezeugte dem
Manne, der das Imperium erkauft, von Anfang an Hafs und Ver-
achtung und war nahe an offener Empörung. Dies veranla&te
denn auch den Julianus zu Gewaltmafsregeln, die aber die
Stimmung nicht besserten, und nur die Hoffnung auf ein Los-
brechen der grofsen Heere hielt die Erregung zurück.^) Bald
genug hörte man auch von Aufständen der Statthalter in den
grofsen Provinzen. Ermimtert durch die Stimmung, die man
ihm aus Rom berichtete, durch die Sympathieen, die er bei seinem
Heere und in seiner Provinz fand, durch die Heeresmacht, über
die er schon verfügte und die er leicht hoffen konnte zur be-
deutendsten im Reiche zu machen, nahm der Statthalter von
Syrien, Pescennius Niger, das Unternehmen des Yespasian und
Avidius Cassius, vom Osten aus das Reich zu erobern, seiner-
seits auf und liefs sich von seinen Truppen und den Provinzialen
in Antiochia zum Imperator ausrufen. Allein zur selben Zeit
des Julianus besteht ein auffallender unterschied zwischen der vita und
Dio. Letzterer ist voll Hafs und Verachtung, in der Biographie wird mög-
lichst gemildert Die Schmach des ersteigerten Imperiums und der Hafs
des Volks kann zwar nicht weggenommen werden, aber haec omtda Juliamu
placide tulit totoque imperii 8ui tempore müissimfAS fuä. 4, 8. Die Angpabe
von dem üppigen Mahl angesichts der Leiche des Pertinaz (Dio 78, 13) ist
unwahr (vit. 3, 8), andre Vorwürfe, die man ihm macht, widersprechen
seinem ganzen Wesen (9, 1 f.), nur der Tadel hat keine Erwiderung, gfuod
eo8 quo8 regere auctoritate sua debuerat regendae reip. sibi praesules ipu
fecisset (9, 4). Diese Verschiedenheit des Urteils rührt deutlich von der
verschiedenen Stellung der Urheber her; die geschichtliche Wahrheit wird
mehr bei Dio zu suchen sein.
1) Dio 73, 13. Vit. 4. Herod. 2, 7, der auch die Soldaten schon un-
zufrieden sein läfst, weil der Kaiser nicht alles erföllen^onnte.,
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hatte in Pannonien an der Spitze einer ebenfalls bedeutenden
Macht L. Septimius Severus, ein geborener Afrikaner, auf die
Nachricht vom Sturze des Pertinax, indem er sich als Racher
dieses in Pannonien in gutem Andenken stehenden Kaisers auf-
warf und selbst den Namen des Pertinax annahm, sich gegen
Julianus erhoben. Endlich lehnte der Statthalter von Britannien
wenigstens nicht ab, als er von seinem Heere, das schon
wiederholt einen Kaiser hatte stellen wollen, als solcher aus-
gerufen wurde, und so waren noch mehr Prätendenten yorhanden
als im J. 69.^) Der rührigste von diesen, zugleich der, welcher
der Hauptstadt am nächsten stand, war Septimius Severus.*) Er
schaffte sich für den Augenblick Ruhe vor Albinus, indem er
ihn zum Cäsar machte, rückte dann in Italien ein, besetzte ohne
Schwertstreich Ravenna und durfte ohne Kampf die Huldigung
der wehrlosen italischen Städte entgegennehmen. Die ihm ent-
gegengesandten Prätorianer erwiesen sich als gänzlich unfähig,
die Anstalten zur Rüstung in Rom und zur Verteidigung der
Hauptstadt waren nur lächerlich, der in der Not ergriffene Aus-
weg, den eben vorher geächteten Severus nun durch einen Senats-
beschlufs zum Mitkaiser erklären zu lassen, führte natürlich zu
nichts, vielmehr sobald der den Sieg mit sich bringende Afrikaner
Yor der Hauptstadt stand und Verbindungen mit den Römern
1) Mit besonderer ÄDsführlichkeit and eingelegten Beden schildert
diese Vorgftnge 2, 7—10; den Namen des Albinus führte er erst nach dem
Einzog des Severns in Rom in die Ereignisse ein. Dagegen heifst es vit.
Clod Alb. Ij 1: Uno eodemque prope tempore post Pertinacem, qui aitetore
Attnno interemptus est JiUianns a sencUu Eomae, Septimius Severus od exer-
cUu in lUyrico^ Pescennivs Niger in Oriente, Clodius Albinus in GaUia impera-
tares appeüati. Damit stimmt aach Dio 78, 14. Vielleicht zögerte Albinas
und gab so dem Severus Gelegenheit zu Unterhandlang. Fflr die Zeit der
Erhebang des Severns selbst ist Voraossetzang, dafs die Nachricht von der
Ermordung des Pertinax nach Pannonien gekommen war. Die Angabe idihus
AugusUs vit Sev. 6, 1 ist jedenfalls unrichtig überliefert. Für Niger wird
angenommen, dafs ihm die Stimmung des römischen Volks gegen Julianas
und für ihn bereits bekannt war. — Dafs Clodius Albinus schon bei der
Ermordong des Pertinax beteiligt gewesen, wird zwar auch von Eutr. 8, 18.
Oros. 7, 17^ 6 gesagt, ist aber doch nicht anzunehmen, sowohl wegen des
Schweigens von Dio als weil die Angabe jener beiden (tn occidendo Pcr-
tinace socius fuercft Albino) mit der beglaubigten Erzählung von Jalianns'
Erhebung nicht stinunt.
2) Dio 73, 15: tav dij XQmv riysfiovav wv saQri%a dsivotccxog 6
Zeov^Qog Sv, ^ ,
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Uutor Nerva
uud Trajan.
- 422 -
anknüpfen konnte^ wurde Julianus vom Senat preisgegeben, zum
Tode verurteilt und am 1. Juni umgebracht. Durch einen zweiten
Beschlufs wurde Severus als Imperator anerkannt. Ehe aber der
neue Kaiser einzog, entledigte er sich der Prätorianer. Durch
kluge Verhandlungen mit ihnen erlangte er die Auslieferung der
Mörder des Pertinax, veranlafste die ganze Truppe wehrlos vor
ihm zu erscheinen und löste sie dann auf, so dafs er freie Hand
zur Reorganisation des Korps auf neuer Grundlage sich schuf.
Darauf hielt er, nachdem er sich zuvor des Prätorianerlagers ver-
sichert, seinen Einzug in Rom, von Senat und Volk begrüdst
und geleitet. So stand er nun mit wesentlich besserer Stellang,
als legitimer Kaiser und mit den Hilfsmitteln, die diesem die
Zentralregierung bot, dem Pescennius Niger gegenüber, der den
Fortschritten seines Rivalen unthätig zugesehen und diesem die
Vorteile, die ihm die Stimmung der Hauptstadt anfanglich ver-
sprochen hatte, preisgegeben hatte. Dem Andenken des Pertinai
liefe Severus die höchsten Ehren erweisen.^)
§ 83. Der änfsere Bestand des Beichs von Nerva bis
Commodiis.
1. Die mit Nerva und Trajan beginnende neue Periode sab
schon in ihrem Anfang eine Machtentfaltung des römischen Reichs,
wie sie nicht einmal zur Zeit des Augustus da gewesen war,
und wenn auch die damit betretene Bahn der Eroberungen nicht
weiter verfolgt wurde, so blieb doch unter den nächsten Nadi-
1) Dio 73, 15—17. Vit Jul. 6—8. Sev. 6 f. Herod. 2, 11—18. HIb-
Bichtlich der Ermordung des JuUanus ist bei Vict. epit. 19 ein abweichen-
des Detail gegeben. — Die BeschlösBe des Senats vit Jal. 8, 7: (nachdem
alles den Julianus verlassen) actum est denique, ut Juiiano senatus auctori-
tote abrogaretur imperium ; et dbrogatum est appellatusque statim Sevenis im-
perator, cum fingeretur, quod veneno [se] (ibsumpsisset Jülianus; missi tarnen a
senatu, quarum cura per militem gregarium in Palatio idem Julianus oceisus
est, fidem Caesaris implorans. Dio 73, 17: (Der Konsul Silius Messalla)
cvvayayoiv ^ftag ig t6 'Ad"rjvaLov %ccloviievov dno trjg iv avrA xmv ituUfiffO-
(livcav daTii^osmg to nciQcc t<5i^ axQazioatmv idi^Xoaösv (dafs sie n&mlich die
Mörder des Pertinax ausgeliefert); xal tov xe 'lovXiavov d'dvaxov »«m-
yffitpiadiisd^a xal xov Zsov^qov avxonqdxoQa (ivo(id<sa(iiv ^ x^ x€ Ilciftifinn
rjq<oi%ttg xifidg dnedmuaiifv, Datum des Todes von Jnlianns nach der An-
gabe seiner Regierungsdauer (66 Tage Dio a. a. 0., 2 Monate 5 Tage vit
Jul. 9, 3). — Der glänzende Einzog in Rom beschrieben Dio 74, 1, die
Konsekration c. 4f. r^ I
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— 423 —
folgern Trajans jene Macht auf einer so achtunggebietenden
Höhe, dals niemand ernstlich an einen Angriff auf dasselbe dachte.
Erst unter den zwei letzten Regierungen kam es wieder an den-
jenigen Punkten^ die stets die bedrohtesten waren, an der syrischen
und der Donaugrenze, zu grofsen Verteidigungskriegen , die ein
Vorspiel f&r die Bedrohung des Reichs in dem darauffolgenden
Jahrhundert bildeten.
Nenra übernahm das Reich in einem nirgends ernstlich be-
drohlichen Zustand. Italien war vollständig ruhig, und blieb es
mit einer Ausnahme unter M. Aurel dieses ganze Jahrhundert
hindurch; es war nur ein Objekt der friedlichen Verwaltung^
woYon bereits bei den einzelnen Regierungen gehandelt wurde.
Auch in den Provinzen und an den Grenzen war der Thron-
wechsel von keinen Ruhestörungen gefolgt. Am Rhein war manches
zu ordnen^); aber in Trajan war^ nachdem er vollends die Stellung
des Adoptivsohns erhalten, ein Mann zur Stelle, der diese Ord-
nung zu schaffen vermochte; an der mittleren Donau wurde zwar
im Gefolge der Bewegung, die unter Domitian hier geherrscht
hatte, noch gekämpft, allein in kleinen Verhältnissen und glück-
lich.^ Der gesamten Donau- und Rheingrenze wandte dann
Trajan sofort, nachdem er selbst das Imperium übernommen,
seine Fürsorge zu. In den Jahren 98 und 99 lieüs er unter
seiner persönlichen Leitung den grofsen Strafsenzug beginnen, der
von der unteren Donau an der Reichsgrenze hin nach dem oberen
Grermanien und weiter nach Gallien führte. Im Zusammenhang
damit geschah es ferner, dafs aus dem Militärbezirk der beiden
Germanien, welche bisher der Provinz Belgica zugeteilt und mit
ihrer bürgerlichen Verwaltung von dieser abhängig gewesen
waren, nunmehr zwei besondere Provinzen gemacht wurden. Auch
1) Dahin gehört auch das Plin. ep. 2, 7 erwähnte, daTs Vestricius
Sparinna Bructerum regem vi et armis induxit in regnwm ostentatoque hello
ferocissimam gentem terrore percUnnuit. Aus Tac. Germ. 33 geht hervor,
daiii die Politik der Römer dabei darin bestand, die Germanen sich
unter einander bek&mpfen zu lassen. Vgl. darüber Mommsen in Hermes
3, 39 f. Asbach, Bonner Jahrb. 69, 1 ff. Westdeutsche Zeitschr. 3 (1884), 18.
Die Sache spielte unter Nerva und Tn^an.
2) Orelli-Henzen n. 5439: Inschrift gewidmet einem donis donato ah
imp. Nerva (Jaesare Aug. Oerm. hello Suehic(p); vgl. über diesen bei den
Schriftstellern nicht erwähnten Suebenkrieg Henzen ann. 1862 p. 146 f.
Mommsen im Hermes 3, 116 f., der nachweist, dafs derselbe von Pannonien
aus an der Donau gefuhrt wurde.
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ist es mit jenem Strafsenbau verbunden zu denken, dafs jetzt
die Grenze von Rätien nördlich von der Donau ihre definitifc
Gestalt erhielt, der rätische Limes an den germanischen sicli
anschlofs und letzterer im Anschlufs an daS; was Domitian hier
hinterlassen, neue Anlagen erhielt.^) Hinter dem Limes erfolgten
im Anschlufs an die inneren Verkehrslinien fortifikatorische and
munizipale Anlagen im Neckar -Schwarzwald- und Maingebiet,
und in Niedergermanien wurde der grofse WaflFenplatz der frtlheren
Castra Vetera beim heutigen Xanten, der im J. 69 so heftig um-
stritten und der Zerstörung anheimgefallen war, wieder auf-
gerichtet zur Aufnahme der von Trajan neu errichteten 30. Legion,
woran sich die Einrichtung einer dvüas Traianensis schlofs.*)
Die Hauptsache blieb aber hier, dafs jenseits der Grenze keine
drohende grofse Macht war, sondern die Germanen in friedlichem
Verkehr mit den Römern standen oder wenigstens keine Ver-
bindung, die zu einem Angriff föhig gewesen wäre, unter ein-
ander hatten.') Die Römer ihrerseits, oder vielmehr Trajan
dachte an dieser Grenze, der er eben jetzt die Form einer de-
finitiven gegeben, nicht mehr an weitere Eroberungen.
Bio Dakerkriege Dagcgcu lagcu fur eiuc kriegcrischc Politik an der unteren
und dio Provinz ^7 m» iii^taa
Dakieu. Douau Voraussctzungcn vor. Irajan war wohl noch im J. vv
nach Rom zurückgekehrt, aber nachdem er dort seine Regierung
aufgerichtet, beeilte er sich die Entschlüsse auszuführen, die ihm
sein Aufenthalt in Pannonien und Mösien eingegeben. Ein be-
stimmter Anlafs, hier Krieg anzufangen, lag nicht vor; es waren
1) Vgl. über diese Verhältnisse u. A. Mommsen in Ber. der s&chs.
Gesellsch. 1862 S. 280 ff. und Hermes 3, 117. Marquardt, Staatsverw. 1'
S. 271 ff. 0. Hirschfeld in comment. Mommsen. p. 433 ff. Hübner in Bonner
Jahrb. 63 (1878) S. 17 ff. Meine 'Vermessung des römischen Grenawalls' in
Württ. Jahrb. 1880 S. 116—118. Asbach in Westd. Zeitschr. a. a. 0. -
Über den groisen Strafsenzug Vict. Caes. 13: tnterea iter condikm ptr
feras gentes, quo facile ab usgue Pontico mari in Galliam permeaiwr\ feroer
die Inschrift von Orsova vom J. 100, welche Bezog auf den StraDsenban
hat, c. inscr. lat. 3, 1699 => Wilmanns n. 801. Benndorf bei Hirschfeld,
epigr. Nachlese z. c. i. 1. S. 57—60.
2) Die einzelnen Niederlassungen der Lage und Zeit nach zu be-
stimmen^ ist Aufgabe der Lokalforschung. — Ober das Lager der le^
XXX Ulpia Victrix bei Xanten und die civitas Traianensis vgl. die
Laschriften von Xanten Brambach corp. inscr. Rhen. 196 ff.
3) Der S. 423 A. 1 erwähnte Vorfall mit den Bructerem zeigt, da&
im Gegenteil die Römer mit Zwiespalt unter den Germanen selbst rechnen
konnten.
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lediglich Erwägungen allgemeiner Art und die eigene Eriegslust^
welche die schneidige Waffe, die er in seinen Legionen hatte,
gebrauchen wollte, was den Ausbruch des Kriegs veranlaTste.
Von jenen Erwägungen wird genannt, dafs es fQr das Reich
lästig und unrühmlich sei, dem Eonig Decebalus ein Jahrgeld
zu zahlen, woneben demselben allerdings noch bedenkliche
Rüstungen und Bezeigung feindlichen Sinns vorgeworfen wurden.^)
Dies wird Trajan selbst angegeben haben. Dafs er von vom
herein an Verlegung der Grenze über die Donau hinüber gedacht
habe, läTst sich nach seinem Verfahren nach dem ersten Krieg
nicht sagen; dafs aber jedenfalls Vernichtung der Macht des
Dakerreichs beabsichtigt war, liegt auf der Hand; denn die all-
gemeinste Erwägung war die, dafs diese von Decebalus ge-
gründete Macht in der Hand eines solchen Mannes eine bleibende
Gefahr für den Grenznachbar bilde. Der Erfolg des ersten Feld-
zugs im Dakerland 101/2 war die vollste Demütigung des Feinds,
aber nicht seine Vernichtung; es mag sein, dafs Trajan darin,
dafs er den Decebalus bewältigte, das Volk selbst noch nicht so
geschwächt sah, dafs er den Kampf jetzt schon zu Eude führen
konnte. Der Friedensschlufs wurde unter denjenigen Bedingungen
gemacht, die auch unter der Republik einem geschlagenen Gegner
auferlegt worden waren, so lange man ihn noch fortexistieren
lassen wollte: Entwaffnung bezw. Schleifung der Festungen, Ver-
lust an Land, ungleiches Bündnis mit den Romern, waren die
Hauptpunkte, wozu dann Trajan noch verlangte, dafs durch Ge-
sandte der Friede auch noch vom Senat erbeten werden sollte.^) Aber
sehr viel rascher als in früheren Fällen erfolgte auf den Frieden von
102 die Erneuerung des Kriegs im J. 105, und zwar diesmal wirklich
hervorgerufen durch die bedrohliche Haltung des Dakerkönigs, zu-
gleich aber auch mit den schon in den Zurüstungen, wie dem Brücken-
bau über die Donau ausgesprochenen Entschlufs, dem feindlichen
Reich das Ende zu bereiten und Dakien zur Provinz zu machen.^)
1) Dio 68, 6. — Vgl. über die Dakerkriege Fröhner, la colonne Trojane
(ob. S. 341 A. 3). Dierauer (ob. S. 838 A. 4) S. 63—112. Schiller 1,
550—554. Dabo, Urgesch. der germ. und röm. Völker 2, 164 ff. Mommsen,
r. G. 5, 202—208.
2) Dio 68, 9: td X8 i(fvii€cta nad'Blsiv %al tTJg ^o^a; tijs ialwuviag
a%06t7J9ai, %al nQogixi, tovg xb avxovg ix^'QOvg aal tp^ovg xoig ^PmiiaCotg
ixti9 u. 8. w.
8) Ammian. 24, 3, 9: Traianus fertur aliquotiens iurando dicta con-
suaae firmare: sie in provinciarum speciem redactam videam Daciam,^ .
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Schon im J. 107 war der Krieg zu Ende ^), nicht hlofs der Konig
selbst verschwunden; sondern die dakische Macht überhaupt zer-
stört und die Möglichkeit der Einrichtung einer Provinz gegeben.
Die Begrenzung derselben ergab sich durch die geographische
Beschaffenheit des Landes und die Bevolkerungsverhältnisse: im
Süden bildete die Donau die Grenze, im Westen und Norden war
sie durch die Abfalle des siebenbürgischen Berglands, im Westen
auch durch die Abgrenzung gegen die Jazygen der Theifsebene
gegeben, im Osten durch den Pruth.*) Befestigte Grenzlinien,
welche zum schwarzen Meer liefen, vielleicht auch eine, welche
die Nordgrenze Daciens nach Westen mit der Donau verband
und das Jazjgenland einschlols, sicherten die Ost- und Westseite
des durch jene Grenzen gegebenen Vierecks; jedenfalls wurde daf&r
gesorgt, dafs das nicht einverleibte Jazjgenland zwischen Donau
und Theifs keine Gefahr bilden sollte. Es war auch unterdessen
die pannonische Grenze bis zur Donau vorgerückt worden'), so
dafs die Jazygen von hier aus leichter überwacht werden konnten.
Ferner war, wie früher Mösien, so jetzt zwischen dem ersten
und zweiten dakischen Krieg Pannonien in zwei Provinzen, eine
obere und untere geteilt worden*), jene konsularisch an der
oberen Donau, Drau und Save, diese zunächst prätorisch weiter
unten an der Donau und am Unterlauf der zwei andern Flüsse.
Die neue dakische Provinz^) wurde zunächst prätorisch und mit
einer Legion belegt. Mit bürgerlicher Bevölkerung mufste es
1) Über die Zeit der Beendigung Mommsen zu der athen. Inschrift
HadriauB o. i. 1. 3, n. 550.
2) Ptolem. 8, 8: 'H Ja%(a negioifitstai. dno (lIv aQHXoav iUqh xifg
2aQiiaxlag rijs ^v EvQtonjj xm dno xov KaQitdxov OQOvg fiixQi' Jtigaxog xijg
BliffifiivTjg iniaxQoqtiig xov Tvga noxafiov (Dnieater), dno dl dvetag xo£s
7ajvjt xoig Mezavdaxaig %axd xov Tipianov noxa^ov (TheifB), dno dl l^^^fift-
ßgiccg (Ltgei xov Javovpiov noxafiov xm dno v^g i%xQonrig xov Ttpiaxov
noxaiiov ft^^^t 'A^iovnoXstag. Dafs eine bestimmt vermessene Grenze da
war^ zeigt die wenn auch summarisch gegebene Zahl bei Eutarop. 8, 2:
Dada provincia decies centena mtlia passuum in eircuitu tenuü,
8) Mommsen in c. inscr. 1. 3, p. 415. Dafs diefe jetzt geschah, ist
Kombination.
4) Mommsen a. a. 0., wo aus inschriftlichen Zeugnissen dargethan
wird, dafs die Teilung zwischen 102 und 107 stattfand.
6) Ober die Einrichtung der Provinz zwischen 107 und 110 Mommsen
c. i. 1. 3, p. 160. Dac(Mi) cap{ta) erscheint auf den Münzen schon 105,
(Cohen 2, Traj. n. 118 f.), dagegen Dada Äugust{a) provinda (Cohen n.
126) erst 112. ^ j
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- . 427 —
nach der Art, wie man mit der einheimischen aufgeräumt^ neu
versehen werden , und «war waren es neben Dalmatern und
Pannoniem vorzugsweise Leute aus Asien, die Trajan herbeizog.^)
Die frühere Residenz der dakischen Eonige, Sarmizegetusa wurde
jetzt romische Kolonie.*) Die römische Hauptmacht aber blieb
südlich von der Donau, wo während der nächsten Jahrzehnte in den
pannonischen und mosischen Provinzen zusammen nicht weniger
als neun Legionen lagen.') Mit dieser Macht war hier für die
damaligen Verhältnisse die Sicherheit der Provinzen verbürgt
Da, wie bemerkt, die germanische Grenze ruhig war und in Syrien, Arabien
Britannien damals nichts vorfiel, was über lokale Bedeutung
hinausgegangen wäre, so war der ganze europäische Teil des
Reichs nach den dakischen Kriegen befriedet. Nicht minder war
es damals der Osten. Um die Zeit des zweiten dakischen Kriegs
hatte allerdings der Statthalter von Syrien Sosius Palma das
bisher selbständig gebliebene nabatäische Land (ob. S. 323 A. 6)
ostlich und südostlich von Palästina, d. h. den Hauran mit der Stadt
Bostra und weiter südUch die Umgegend von Petra, unterthänig
gemacht, und Trajan gestaltete daraus die prätorische Provinz
Aj-abia, aber dieser Vorgang war, wenn auch vielleicht nicht
ohne Kampf, doch für das übrige Reich unmerklich erfolgt. Die
zahlreichen Reste der Rdmerherrschaft, die in den bewohnbaren
Teilen dieser Gegend noch vorhanden sind, zeigen, dafs weder
die Grenzbefestigung noch die Kultur hier von den Römern
vernachlässigt wurde.*) Kurz vorher, im J. 100, war der
1) Eatrop. 8, 6: Traianus victa Dada ex toto orbe Botnano infinüas
eo copias hominum iranstulerai ad agros et urbes colendas, Dafs dabei
vorzugsweise Leute aus den asiatischen Provinzen herüberkamen, darüber
vgl. Hensen Bollett. d. inst. 1848 (nach den Kulten und Namen) p. 129—135.
Mommsen, c. i. 1. 3. p. 169. Uirschfeld, epigr. Nachlese z. corp. inscr.
L IIL S. 7.
2) Colonia Ulpia Traiana Äugusta Dacica Sarmizegetusa j deren zahl-
reiche Inschriften c. i. 1. 3, nn. 1417 ff. Die Gründungsinschr. n. 1443.
Vgl. auch Hirschfeld a. a. 0. S. 5 A. 2.
3) Legionenverzeichnis corp. L 1. 6, 8492 (» Or. 3369. Wilm. 1458)
mit der Zuteilung an die einzelnen Provinzen bei Borghesi, oeuv. 260 ff.
Marq., r. Verw. 2, 461.
4) Dio 68, 14 a E.: nara %ov avxov xqovov (mit dem zweiten da-
kischen Krieg) %al Udlfirocs rrig ZvQiag aQxmv xrjv 'Aqa^Uiv triv ngög ty
nitQcc ixBiQmactxo %ocl ^PtoyLalmv vTrrJxooy inoiiqaato. Ammian. 14, 8, 13.
Über die Ära der Provinz (von 22. März 106 ab) Marquardt, r. Verw. 1, 431
A. 2 f. Die Grenzen bei Ptolem. 5, 17. Lateinische Inschriften ^.1*^3.
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letzte der Dynasten ans dem Hause des Herodes, der König
Agrippa IL, der seit Claudias im nordöstlichen Theil von Pala-
stina belassen worden war (ob. S. 322), gestorben^) und nach
seinem Tod auch dessen Gebiet als Teil Syriens ProTinzialland
geworden. Damit und mit dem Verschwinden der nabalaischen
Herrschaft waren alle die kleinen früher im Reichsgebiet ge-
duldeten Dynastieen beseitigt
Der Parther- Die Einverleibung Arabiens war nach dem Verhältnis, das
ueuen provinseu die früheren Herrscher zum römischen Reich gehabt, so gut wie
' eine innere Angelegenheit gewesen. Die äufsere Politik hatte
ihre Aufgabe in dem Verhältnis zu den Parthern und in den
Vorkehrungen gegen die den Römern wie den Parthern gleich-
mäfsig gegenüberstehenden Stamme am kaspischen Meer. Die
Grenzhut stand den syrischen und kappadokischen Truppen za.
Gegenüber den Parthern handelte es sich, wie damals die Lage
war, nicht um einen von deren Seite zu befürchtenden Angriff
wohl aber um die von jeher zwischen den beiden Reichen um-
strittene Frage der Besetzung des Throns von Armenien.*)
Hinsichtlich dieser hatte der König Chosroes von Parthien,
Bruder des im J. 112 gestorbenen Pakorus H und statt eines
Sohnes des letzteren auf den Thron gekommen, willkürlich ein-
gegriffen, um einen seiner Neffen auf den Thron von Armenien
zu bringen.^) Es war dies gegen das Abkommen, das von Nero
nn. 86 £f. Nach Bostra kam die legio III. Cyrenaica, Vgl. bei Ptolemäos
unter den Orten Boöxqa Isysciv. Über die monumentalen Reste der rö-
mischen Periode, unter denen neben den öffentlichen Bauten namentlich
auch die steinernen Wohnhäuser zu beachten sind, die heute noch bewohnt
werden, Vogüö, Syrie centrale, archüectwre civile et rdigiewe, Paris 1865
bis 1877. Über die römische Kultur des Landes überhaupt Mommsen, r.
G. 5, 481 ff
1) Justus Tiber, bei Phot. bibl. cod. ^^\ er starb hn xqltm Tgaun^ov.
Eckhel, doctr. num. 3 p. 496. Vgl. über ihn Pauly, Realenc. 4, 70 f.
2) 7gl. über den Partherkrieg Trajans Dierauer a a. 0. 162—186 (mit
Bemerkungen v. Gutschmids S. 154 ff.) Schiller 1, 656—561. v. Gutschmid
in Encyclopaedia Britann. vol. XVIII (Persia) p. 603 f. Mommsen, r. ö.
6, 897—403. — Hinsichtlich der Quellen kommt neben Dio, Eubrop,
Orosius auch der eigentümliche Bericht des Syrers Malalas chronogr. 11
(p. 269 ff'. Bonn.) in Betracht, zu dessen Kritik v. Gutschmid bei Dierauer,
wogegen Mommsen a. a. 0. S. 400 A. 1.
3) Volle Einsicht in das Sachverhältnis hinsichtlich Armeniens fehlt
Dio 68, 17 lafst den Chosroes, (Vict. Caes. 18 Cosdroes, bei Dio Osroßa,
Malalas OsdroSs) zu seiner Entschuldigung sagen, er h&he^tov 'Ehjda^ is
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- 429 —
her galt (ob. S. 317 A. 1), aber man hatte sonst wohl zunächst ver-
sacht, auf diplomatischem Wege den bestehenden Vertrag zur
Geltang zu bringen, um so mehr, als der Partherkonig selbst
dazu Gelegenheit bot.^) Dessen zu gedenken, dafs vor Jahren
Decebalus mit Pakoras Verbindungen angeknüpft*), lag, nach-
dem man seither dem im Verhältnis zu den Parthern keine Be-
achtung geschenkt, jetzt unter dem neuen König ein dringender
Grund nicht vor. So wird für den Entschlufs, den gegebenen
Anlals zu einem Konflikt sofort zu einer Kriegserklärung zu
benützen, nur die Kriegslust Trajans und seine Politik der Reichs-
mehrung, die durch den dakischen Erfolg Nahrung erhalten
hatte, bestimmend gewesen sein'), und die Verhältnisse des
Partherreichs kamen dieser Politik allerdings entgegen. Chosroes
Stellung war umstritten durch seine Verwandten, die Vasallen-
könige waren nicht zuverlässig, und so fehlte dem nominellen
König die volle Auktorität und Macht. Unter diesen günstigen
Verhältnissen rückte der Kaiser, indem er selbst wieder die
Führung übernahm, im J. 114 in Armenien ein, gelangte ohne
Widerstand zu finden in das Herz von Armenien und sah bald
den von den Parthem eingesetzten König zu seinen Füfsen.
Statt nun aber, wie dieser gehofiPfc, die Unterwerfung anzunehmen
und das vor ihm niedergelegte Diadem nach dem Beispiel Neros
gegenüber von Tiridates (ob. S. 317) wieder zurückzugeben, hob
Trajan das armenische Königreich auf und verwandelte es in
eine römische Provinz.*) Dieser armenische Feldzug endigte
ov% initiidsiov ovts toig *Pm(iaioig ovxs xotg Hd^oiq ovta ninavnivai. Der
so Gunsten des Neffen von ChosroSs, Parthamasiris , verdrängte Ezedares
war wohl mit Znstimmnng der Römer, wenigstens ohne deren Widersprach
auf den armenischen Thron gekommen; welchen Verwand Chosroes hatte,
um ihn mg ovh inirr^d. xotq Pmii, zu bezeichnen, wissen wir nicht. Vertrags-
widrig war aber das Eingreifen des Partherkönigs jedenfalls.
1) Dio 68, 17: (OüQOtjg) %atidHCB xol vqtslg xov q>ifoviiiiaxog insfiiffsv
C%8X€va>p |»4 nolsiiri^vai, n. s. w.
2) Plin. ep. ad Trai. 74. E. die Geschichte von dem Gefangenen, der
von Decebalus dem Pacoms als Geschenk geschickt worden war.
3) So urteilt Dio 68, 17.
4) Dio 68, 18—20. Damals ordnete er auch das Verhältnis zu den
angrenzenden Gebieten. Dio c. 18: insl naaav xr^v 'Aq^LivCoav %(OQav slXsy
nal noXXoifg xAv ßaeiXicav xovg fily vwmsifovxag iv xoCg (pä,oig ^ys xovg di
xivag %ccl oTtBt^ovvxccg ciiucxl ixeiQovxo. Eutrop 8, 3: Ärmeniam quam
oecupaverant Parthi, recepit Parthamasire occiso qui cum tenebat Älbanis
regtm dedit Iherorum regem et Sauromatarum et Bosporanorum e^rahum
- 430 -
also mit yollem Erfolg. Mehr Kampf kostete der im J. 115
unternommene Krieg in Mesopotamien. Zwar der zunächst ge-
legene Fürst Abgarus VII von Osroeue, dessen Residenz Edessa
war, huldigte ihm, aber gegen den Herrn von Adiabene hatte er um
Nisibis und sonst zu kämpfen ; indes auch hier, wie in Armenien,
hatte er nur die ortlichen Kräfte, nicht die parthische Macht sich
gegenüber; denn das parthische Königtum war gerade jetzt durch
den inneren Zwist in höchster Noi So war es möglich, im
J. 116 in das parthische Hauptland einzudringen, über Babylon
bis zu den Mündungen des Tigris vorzudringen, die Reichshaupir
stadt Ktesiphon zu erobern und diese Erfolge damit zu besiegeln,
dafs zwei weitere neue Provinzen Mesopotamien und Assyrien
eingerichtet wurden.^) Allein kaum war dieser Erfolg erreicht^
so kam der Rückschlag. Es hatte sich unterdessen durch groljsere
Einigung in der Konigsfamilie eine parthische Macht neugebildet,
und auch die Eingeborenen rafften sich zum Widerstand auf.
Romische Besatzungen wurden niedergemacht, die Generale
Trajans sahen sich in die heftigsten Kämpfe verwickelt, einer
davon vnirde geschlagen, selbst Edessa, dessen früherer Herr
et Osdroenorutn et Colcharum in fidem accepit, Dafs die Art, wie man den
Partbamasiris beseitigte, aucb den Römern nicbt gefiel, zeigt Fronto
p. 209 Nab.: Traiano caedes Parihamasiri regis stippUcis hattd satis ex-
cusata. Ober die Provinz vit. Hadr. c. 21, 11: Armeniis regem habere per-
misit {Uadrianus), cum sub Traiano legatum habuisseni. Entr. 8, 8 (s. unt.).
Dieselbe biefs Armenia maiar, wie aus der Inschrift eines Prokurators der-
selben (Henzen n. 6947) hervorgeht. Die Einrichtung ist nach 114 zu setzen.
1) Dio 68, 21—29. Kurz znsammengefalst Eutrop: Corduenos Marco-
medos occupavü et Anthemusiam^ magnam Persidis regionem, Seleuciam,
Ctesiphontem^ Babylonem, Messenios vicit ac tenuit; tisque ad Indiae fines
et mare rubrum accessit atque ibi tres proüincias fecit, Armeniam, Assyriam,
Mesopotamiam cum his gentibus, guae Madenam cUtingunt, Auf das Vor-
dringen bis zum persischen Meerbnsen nimmt auch Tacit. ann. 2, 61 Be-
zug, wenn er vom römischen Reich sagt, dals es nunc rubrum ad mare
patescit. Wenn dies genauer zu nehmen ist, so hätte die Provinz Meso-
potamien bis zum Meer gereicht Der zeitliche Hergang ist bei dem
trümmerhaften Zustand des Berichts von Dio mit Berücksichtigung der
geographischen Verhältnisse und des Malalas (Erdbeben von Antiochia)
kritisch zu ordnen, worüber vgl. die ob. S. 428 A. 2 angeführte Litteratar.
Die Münzen mit Armenia et Mesopotamia in potestatem p. r, redactae, Parthia
capta, rex Parthis datus und rex Parthus bei Eckhel 6, 488—440. Cohen
2 Traj. 39. 184. 828. 829 (116/117). — Unter den Provinzen wird Assyrien
(jenseits des Tigris) weiter nicht genannt; es kam vielleicht nicht einmal
dazu den Apparat der römischen Verwaltung einzuführen. ^^ ,
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- 431 -
Abgarus inzwischen gestorben war, mufste wie Nisibis wieder
erobert werden, und der Kaiser selbst hatte eine umstrittene
Rückkehr. Indessen jene Städte wurden immerhin wieder ge-
wonnen und der Kaiser konnte in Ktesiphon sogar, nachdem in
der parthischen Königsfamilie abermals Zwist ausgebrochen war,
in dem Sohn des Chosroes, Parthamaspates, einen Partherkönig
seiner eigenen Mache als Vasallen einsetzen. Allein dieser Er-
folg war ungenügend. Die mitten in dem mesopotamischen
Steppengebiet gelegene Feste Hatra setzte dem Kaiser einen
Widerstand entgegen, den dieser unter den ungünstigsten klima-
tischen Verhältnissen nicht bewältigen konnte, Trajan selbst er-
krankte, der römische Vasallenkönig wurde von Chosroes ver-
trieben und so waren die neuen Provinzen zwar nicht verloren,
aber ein sehr gefährdeter Besitz. Zu all dem hin brach ein all-
gemeiner Aufstand unter der jüdischen Diaspora in den östlichen
Provinzen und in Judäa selbst aus, so dafs der orientalische
Feldzug neben seinem eigentlichen Ziel sich noch über ver-
schiedene Provinzen des Reichs erstreckte.^) Angesichts dieser
Schwierigkeiten war es, dafs Trajan, nachdem er sich zur Rück-
kehr entschlossen und den Hadrian zum Oberkommandanten in
Syrien gemacht, in Selinunt starb und Hadrian sein Nachfolger
wurde.*)
2. Im Augenblick des Todes Trajans hatten seine Generale unter Hadrian.
in den neuen Provinzen so viel erreicht, dafs von beängstigen-
der Lage nicht die Rede war und der neue Besitz hätte ge-
halten werden können; man konnte immerhin darauf rechnen,
daCs die parthische Macht durch den erlittenen Stofs und
die inneren Wirren stark geschwächt sei. Allein von einem
ruhigen Besitz konnte nicht die Rede sein, — das hatte schon
die Vertreibung des aufgedrungenen Partherkönigs gezeigt, —
und keinenfalls wäre es ohne starke militärische Besetzung der
gemachten Eroberungen abgegangen. Auch war unter den
Voraussetzungen einer gedeihlichen Entwicklung dieser Provinzen
ein Moment, die Anknüpfung an die griechische Kolonisation
1) Dio 68, 80--82.
2) Dio 68, 82. ^& (z. J. 117): Tgaucvbg 91 TtaQSCMvdtsto (ilv av^tg
ig triv Meconotafiiccv otQatsvaixi, mg dh x& voarjfMcti inii^Bto, avxog (ilv
ig xij^p 'ixtxlCav £Q(Lriae nUtv, UovnXtov d\ ACXiov ^ASf^iavov iv x^ Ikjf^Ca
naxiXmB iiexa xov cxgaxov — xal ig ZsUvovvxa xrjg KiXmüxg ild'mv —
iiai€pvrig dniiffv^sv.
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— 432 -
dieser Gegenden^ durch die schwere Beschädigung des griechischen
Seleucia*) ziemlich hinfallig geworden, während andrerseits der
Widerstand der einheimischen Araber bei Hatra alle Gefahren,
welche die lokalen Verhältnisse bargen, klarstellten. So begreift
sich der Entschlufs Hadrians, jene Provinzen aufzugeben*), sach-
lich unschwer; dafs er ihn aber fafste und im Interesse des
Reichs sowie den Generalen gegenüber durchführte, hing in
doppelter Weise an seiner Persönlichkeit. Er war kein Eroberer,
aber er hatte Geschick und Energie bei Transaktionen, und dies
war in diesem Fall nützlicher. Erleichtert wurde ihm sein Ver-
fahren dadurch, dafs der Judenaufstand noch alle Kraft in An-
spruch nahm; dafs er jedoch in seiner Stellung als Kaiser immer-
hin den Rivalen dadurch eine Handhabe gegen sich bot, ist schon
oben (S. 357 f.) erwähnt. In der Sache selbst aber wufste Hadrian
hier wie auch sonst nicht blofs dem Rückzug eine annehmbare
Form zu geben, sondern auch ein dauerndes Verhältnis herzu-
stellen. Der zurückgekehrte Chosroes wurde anerkannt und
weiterhin sogar durch Liberalität gewonnen, in der Grenzland-
schaft Osrhoene, wo nach Abgarus VII Tode der parthische
Gegenkonig untergebracht worden war, wurde später wieder die
Abgarusdynastie eingesetzt und in Armenien endlich das alte
Verhältnis einer romischen Lehensdynastie hergestellt.') Von
den Resultaten Trajans blieb für den romischen Horizont nur
der Bruch mit dem Verzicht auf Erwerbungen jenseits des Enphrat
als einem prinzipiellen; denn Mesopotamien wurde unter späteren
Kaisern wieder annektiert Hadrian aber konnte seinem Friedens-
system im Orient treu bleiben: als einige Jahre nach seinem
Regierungsantritt, zur Zeit seiner ersten grofsen Reise, es an der
Parthergrenze unruhig aussah, legte er die Gefahr durch eine
1) Dio 68, 80: iaXm dh %al rj SslevTista ~ xal hav^,
2) Vit. Hadr. 5, 1 : Adeptua imperium — tenendae per arbem terratum
paci operam intendü; — c. 8: quare omnia Irans EufrcUen ac Tigrim reU-
quü exemplo tU dicebat Catanis^ qui Macedonas liberos pronutUiavU, qtUa
tuert non poterant. 9, 1. Dio 68, 33.
3) Vit. Hadr. 21, 10: PartJios in amicitia semper habuU, guod inde
regem retraxii, quem Traian%A8 imposuerat; Ärmeniis regem habere permtsU^
cum 8ub Traiano legatum Tiabuissent; Mesopotamenos nan exegit tribuibum,
quod Traianus imposuü. 5, 4: Sarmatosirim^ quem TrcUanus Parthis regem
fecerat, (gemeint kann also nur sein der bei Dio 68, 80 Parthamaspatea
genannte), quod cum non magni ponderis apud Partkos videre^^ proximis
gentibus dedit regem. Vgl. v. Gutschmid S. 604 A. 3. 6. ^ ,
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- 433 —
Zusammenkunft bei'), und ein Jahrzehnt später hielt er einen
Fürstentag an der Parthergrenze mit all den Dynasten der Grenz-
provinzen zur Aufrechthaltung des guten Einvernehmens.*) —
Ebenso gelang es ihm die Ruhe an der Donau herzustellen. In
dem mösischen Feldzug, den er sogleich nach Antritt der Regie-
rung zu führen hatte ^)y nahm er den von den Feinden jenseits
der Grenze gebotenen Krieg auf und führte ihn glücklich; im
übrigen aber zog er es vor, friedlichen Verkehr zu pflegen und
konnte nach jenem Kriege sich selbst dazu verstehen, die Be-
ziehungen zu den Barbarenfürsten durch regelmäfsige Geschenke
friedlich zu erhalten in einer Form natürlich, die weniger an-
stofsig war, als unter Domitian.^)
Sonst war in den ersten Zeiten der Regierung Hadrians
auch noch in Mauretanien zu kämpfen, aber dies war nur da-
durch bedenklich, dafs der dorthin gesandte im Parther- und
Judenkrieg bewährte Lusius Quietus sich für den Kaiser gefähr-
lich erwies. Nachdem er ersetzt war, wurde durch den zuver-
lässigen Marcius Turbo dort die Ruhe wiederhergestellt.^)
In dem weiteren Verlauf seiner Regierung arbeitete Hadrian
unausgesetzt thätig an den zwei für den Bestand des Reichs
wesentlichen Grundlagen, der Erhaltung eines tüchtigen und
schlagfertigen Heeres und der Vervollständigung des Grenz-
schutzes. In ersterer Beziehung stimmen Schriftsteller und In-
1) Vit. Hadr. 12, 7. 8: Germania regem canstittUt, motus Maurorum
campressit et a senatu supplicationes emeruit. Bellum Parihorum per idem
tempus in motu tantum fuit idque Hadriani conloquio repressum est Zeit-
punkt, Ort und Personen dieser mündlichen Verhandlungen sind nicht ge-
nauer zu beBtimmen.
2) Vit. Hadr. 13, 8: per Jsiam iter faciens (i. J. 130. Dürr, Reisen
S. 61 f.) toparchas et reges ad amicitiam invitavit, invitato etiam Osdroe rege
J^rihorum remissaque iüi fiiia, quam Traianus cepercU^ ac pr amissa sella
quae itidem capta fuerat; cumque ad eum quidam reges venissenty ita cum
his egit ut eos paeniteret^ qui venire noluerunt. Jener Thronsessel ist übrigCDs
noch unter Pius nicht zurückgegeben vit. Pii 9, 7.
8) Der Feldzug führte zur Aufstellung eines über mehrere Provinzen
sich erstreckenden Oberkommandos, das dem nachmaligen Prätorianerpräfekten
Marcius Turbo, also einem Mann vom Ritterstand, gegeben wurde, ob. S. 360 A. 2.
4) Vit. 6, 8 : cum rege Boxolanorum, qui de inminutis stipendiis quere-
baiwr, cognüo negotio pacem composuit. 21, 11: Älbanos et Hiberos ami-
dssimos hahuit, quod reges eorum largitionibus prosecutw est, cum ad illum
venire contempsissent.
6) 6, 8. Vgl. ob. A. 1.
Hersog, d. röm. StaaUverf. IL 1. ogSzed byGoOglC
— 434 —
Schriften überein in der Bezeugung der einsichtigen und bis ins
Detail gehenden Fürsorge des Kaisers^), in letzterer hat er das
schon unter seinen Vorgängern eingeführte System fortlaufender
befestigter Grenzlinien^ bestehend in Erdwällen oder Mauern, die
durch Kastelle geschützt sind, noch weiter ausgedehnt') und in
Britannien in dem Wall zwischen dem Solway-Firth und der
Mündung des Tyne (bei Newcastle) ein Denkmal hinterlassen,
in dem jenes System in seiner vollständigsten Gestalt damals
dargestellt wurde und heute noch sich darvstellt.') Die Provinz
Dacien, über deren Beibehaltung er eine Zeit lang schwankte,
galt ihm als ein noch nicht gesicherter Besitz, da er den Ober-
bau der trajanischen Donaubrücke abtragen liefs, nm die südlich
des Flusses gelegenen Provinzen vor Einfällen zu sichern^); indes
nachdem er sich einmal zur Beibehaltung entschlossen, wandte
er ihr auch die gebührende Fürsorge zu: die Provinz wurde in
zwei gesonderte Verwaltungsbezirke unter einem Legaten ge-
teilt^), und neben dem, dafs auch hier die Grenze ihre Be-
festigungen erhielt, begannen schon jetzt die Veteranennieder-
1) Ob. S. 360 f. Vit. 10. Dio 69, 9; von Einzelheiten ist be-
sonders sprechend der im Lager von Lambäsis gefundene Tagesbefehl, den
er bei seiner Anwesenheit daselbst im J. 128 erliefs. Renier, inscr. rom.
de TAIg. n. 5. Corp. i. 1. 8, 2632. Wilmanns in comment. Mommsen.
p. 207 ff.
2) Vit. 12, 6: per ea tempora (d. h. bei seiner ersten grofsen Reise)
et alias frequenUr in plurimia loeis, in qutbua barbari nan fluminibtu sed
limitilms dividuntur^ stipitibus tnagnis in modum muralis saepis fmuUtms
iactis atque eonexia barbaros supera^it. Die Notiz ist ganz allgemein ge-
halten und gilt demnach für verschiedene Limites; was er an den einzelnen
that, wäre höchstens durch inschriftliche Zeugnisse, wenn solche sich fänden,
zu erhärten. Es erhellt femer, dafs er nur ein von den früheren Impera-
toren her eingeführtes System weiterfahrte. Vgl. Hübner, der röm. Grenz-
wall in Deutschland in Bonner Jahrb. Heft 68 S. 17 ff. fi. 66 S. 13ff. H. 80
S. 23 ff. V. Gohausen, der röm. Grenzwall in Deutschland. Wiesbaden 1884.
3) Vit. 11, 2: Britanniam petit, in qua muUa eorrexit mwrumqite per
odoginta milia passuum primus duxü, qui barbaros Bamanosque dMderti.
John CoUingwood Bruce, the Boman wall. 3. Aufl. London 1867. Hfibner
Corp. i. 1. 7 p. 91 ff. Deutsche Rundschau 1878. S. 821 ff.
4) Entrop. 8, 6: revocavit exereitus (beim Aufgeben von Mesopotamien)
— idem de Dada faeere canatum amiei deterrttertmt, ne mtUti cives Bomam
barbaris traderentur. Dio 68, 13: 'jldQietvog q>oßrfi8£gy lari %ccl toHg ßaoßa^oti
tovg q>(fovQOvg avtrjg ßiaio(Livoig ^ad(a duißaüig ig trjv MvöütP y, mtp^iXt
rr^v intnoXrig nccxacntvi^p,
6) Momrosen in c. i. 1. 3 p. 160. r^ i
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- 435 —
lassungen, die Arbeiten f&r den Bergbau und was sonst zur
Kultur und Ausbeutung der natürlichen Hilfsmittel zu thun
war.*) Die Folgezeit hat gezeigt, dafs dieser Aufsenposten des
römischen Reichs genügte, um anderthalb Jahrhunderte die
Grenzwacht an der unteren Donau zu üben und die südlich der-
selben gelegenen Provinzen vor Einfallen zu sichern.
Die Geschichte der Reisen Hadrians ist zugleich eine Ge-
schichte dessen, was er für die Romanisierung that; von der Aus-
breitung der Latinitat war schon die Rede, was er sonst in den
einzelnen Provinzen hinterliefs, bezeugen die Beinamen der Eolo-
nieen undMunicipien.^) Hier möge nur hervorgehoben werden, was
in dieser Beziehung den Donauprovinzen zu gute kam. In Pannonien
war der an Italien angrenzende Teil nunmehr vollständig romani-
siert, so dafs Hadrian das Resultat dieses Prozesses darin ge-
zogen zu haben scheint, dafs er einen nicht unbeträchtlichen
Teil des südlichen Pannoniens zu Italien schlug.^ Dagegen
war durch die allgemeine Ausdehnung des Reichs an der Donau
bis zum Fluüsufer und darüber hinaus neuer Boden für die Kultur
zu bearbeiten oder das bereits angefangene zu befestigen. Dies
geschah dadurch, dafs die bei den Legionslagem entstandenen
bürgerlichen Niederlassungen an der Donau entlang Stadtrecht
erhielten, an der Draumündung die Kolonie Mursa angelegt und
an der Save das flavische Siscia neu kolonisiert wurde. ^)
So friedlich die Tendenz der hadrianischen Politik war,
so blieben ihm doch Kriege in den Provinzen auch nach Bei-
legung dessen, was er bei seinem Antritt angetroffen, nicht
1} Vgl. die zahlreichen inschriftlichen Zeugnisse im C. inscr. lat. III.
Dacia. Von neueren handelt darüber ausführlicher Jung, die roman. Land-
schaften des r. Reichs S. 87S— 406.
2) Vgl. die Zosammenstellungen bei Dürr im Verfolg der Reisen
S. 34 ff.
3) Mommsen in c. i. 1. 3 p, 482. 489. 496.
4) Ober die Lagerstädte Camuntnm, Aquincum und Viminacium
Mommsen im Hermes 7, 323; fiber colonda Aelia Mursa c. i. 1. 3 p. 423,
über ocH. Aelia Siscia p. 601. Nach Hadrian nennen sich an der Donau
entlang und in ihrer Nähe Drobeta (Tumu Severinu) in Dacien, Viminacium
(Kostolatz) in Obermösien, Aquincum (Alt- Ofen), Oamuntum (Petronell) in
Oberpannonien, Cetium (bei Mautem, NiederOstr.) in Noricnm, Augusta
Vindelicorum (Augsburg). Vgl. das Register zu c. i. 1. Bd. 3. — Vielleicht
ist auch Nikopolis (Nikup) in Niedermösien den hadrianischen Sitten
wegen der Tribus Sergia zuzuschreiben. Mommsen in ephem. epigr. 3, 234. /
J^i^dbyGoOgk
.^
— 436 —
erspari In Britannien kam es bei seiner ersten Reise zu einem
bedeutenderen Grenzkrieg, in dem er selbst das Kommando über-
nahm; eben damals war es, dafs der Grenzwall gebaut wurde,
der auch den Vorteil hatte, die unruhigen Briganteu innerhalb
der festen Grenze zähmen zu können.^) — Ein viel bedeutenderer
Kampf aber war der gegen das jüdische Volk in dem Aufstand des
Bar-Kochba. Die Gründung der Kolonie Aelia Capitolina an der
Stelle des zerstörten Jerusalem war für die Juden das Wahr-
zeichen dafür, dafs ihre Heimat nicht mehr ihnen gehören und
die Jehovahreligion vernichtet werden sollte. Der mehrjährige
Kriegt, für dessen Führung Hadrian in Julius Severus einen
treflFIichen Feldherm hatte, in dem er aber auch persönlich ein-
griflf, endigte nach schweren Kämpfen nicht nur, wie vorauszu-
sehen, mit der Besiegung der Juden, sondern auch mit unend-
lichen Opfern an Menschen und den tiefsten Schäden für die
Kultur des Landes.^) Die jüdische Diaspora war durch die Ver-
luste, die sie zu Anfang dieser Regierung zu erleiden gehabt,
nicht imstande gewesen, dem Mutterlande Hilfe zu bringen. —
Am Ende der Regierung Hadrians wurde die nordöstliche Grenze
in Asien, ebenso aber auch das Partherreich durch einen ver-
heerenden Einfall der Iberer in Mitleidenschaft gezogen; doch
war die Bedrohung eine vorübergehende, und Hadrian zog vor,
keine weiteren Feindseligkeiten daraus hervorgehen zu lassen*),
so dafs bei seinem Tode im ganzen Umfang des Reichs Friede
herrschte.
In der Verteilung der Provinzen wurde unter dieser Regie-
1) Vit. 5, 2: Britanni teneri 8ub romana ditione non poterant (auf die
Zeit nach Obernahme der Regierung bezogen). Näheres HObuer corp. incr.
J. 7, p. 99 f. Schiller, Gesch. der r. K. 1, 607 A. 6 MommBcn, r. G. 6, 16» f.
Dafs die Kampfe verlustreich waren, zeigt Pronto p. 217 Nab.: Quid?
avo vestro Hadriano imperium optinenU quantum miUtum a Judaeis^ quan-
tum a Britannis caesum.
2) Über den Aiilafs Dio 69, 12 Anf., woran sich c. 12—14 die Bo-
schreibung des Kriegs reiht. Hadrian gewinnt dadurch den Titel in^. II.
Der Kampf dauert in der Hauptsache von 132—184. Vgl. über ihn Sdiiller,
Gesch. d. r. K. 1, 618—15, woselbst auch die kirchengeschichtliche Litteratnr
angegeben ist, und Mommsen, r. G. 6, 644—46. Über Julius Sevems, der
frflher in Britannien kommandiert hatte, c. i. L 8, n. 2830.
8) Dio 69, 14. Aufzählung der Opfer: 986 Ortschaften zerstört, 580000
Menschen getötet, mgtf nacav oUyov 9fiv t^v 'lovdaitxv iQrjfuo^rjvai u. b. w.;
noXlol (livtoi iv reo noXiiuo tovrcp xcrl tmv *P(afiai(09 axmXavxo.
4) Dio 69, 15. ^ .
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- 437 -
rung Bitbynien nun für immer in kaiserliche Verwaltung über-
nommen und dafür dem Senat Pamphylien überlassen.^)
3. Dafs Hadrians Nachfolger in noch viel höherem Grade nie Friedeua-
ein Friedensfürst war, ist schon früher gesagt. Ein einziger Antonious
Kampf, wahrscheinlich der in Britannien^ war bedeutend genug,
um ihm die Acclamation als imperator zu verschaffen (ob.
8. 380 A. 2); alle andern in den Quellen aufgezählten sog. Kriege
waren unbedeutende Lokalkämpfe, die in der Lage des Reichs
keinerlei Veränderung hervorbrachten.*) Von gröfserer Bedeutung
war allerdings jener Krieg in Britannien, der unter LoUius
ürbicus vom J. 140 an geführt wurde; denn er fährte zu einer
zweiten weiter nördlich angelegten befestigten, aber nur aus
einem Erd wall bestehenden Linie an der nächstgelegenen schmälsten
Stelle zwischen den zwei Meeren, dem Firth of Glyde (Clota)
und Firth of Forth (Bodotria), so dafs ein Gebiet, das bisher
nur durch Aufsenposten besetzt war, so zu sagen innerhalb der
Festungsthore zu liegen kam und damit die darin wohnenden ein-
heimischen sicherer in der Uand blieben, die Kaledonier aber
leichter abgewehrt wurden.^) — Dafs im J. 155 Antoninus ver-
anlafst wurde, zur Abwehr drohender parthischer Friedensver-
letzung nach Syrien zu gehen, wurde ebenfalls schon erwähut
(ob. S. 380 A. 4). Es war in Volagäses III abermals ein Parther-
könig vorhanden, der Armenien von den Römern wieder los-
reüjsen wollte. Es gelaug, durch Unterhandlungen, die durch
militärische Drohungen unterstützt wurden*), den Frieden noch
zu erhalten, allein dafs die Diplomatie, welche bisher die Grenz-
1) Dio 69, 13: T^ (SovX^ xal rcS %XriQ(p rj TlaiKpvXia dvtl r^g Btdvvüts
iSo^jj. Es war also nach der Übernahme durch Trajan Bitbynien wieder
senatoriijcb geworden.
2) Vit. Pii 5, 4: per legcUos stws plurima bella gessit; nam et Britannos
per Lollium Urbicum vicU legatum alio muro cespiticio summotis barbaris
ducto et Mauros ad pacetn postulatidam coegit et Gcrmanos et Dacos et
muUas gentes atque Judaeos rebellarUes eontudit per praesides ac legatos, in
Achaia etiam atque Äegypto rebelHones repressit; AWanos moUentis scicpe
refrenamt Yermotungen über diese Kämpfe, für welche kaum das Wort
beVa pafste, bei Bossart und Müller in Badingers Untersuch. 2, 304—320.
3) S. Yorherg. A. und Hübner in corp. i. 1. 7 p. 191 f. Mommsen,
r. G. 6, 170 f.
4) Wenn der imp. Antoninus Äug. Pius, welcher den L. Keratins
Proculns ad deducendas vexülationes in Syriam mittit ob bellum Parthicum
(Gr.* 3393), dieser Antoninus ist und nicht M. Aurel.
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nachbarn in ßuhe gehalten hatte, auf die Dauer nicht ausreichte,
hatte Antoninus selbst noch zu erfahren, indem das Verhalten
der „Könige", um deren Befriedigung er sich so sehr bemuht
hatte, ihn noch in seinen letzten Tagen beunruhigte.^)
Die Kriege unter 4. Unter sciucm Nachfolger wurde denn auch die Kriegs-
"**' politik den Römern wieder aufgedrungen. Sei es von einer un-
richtigen Auffassung des Charakters von M. Aurel und von
richtiger Kenntnis der römischen Heereszustande in Kappadokien
und Syrien aus oder von eigener Kriegslust und Herrschsucht
getrieben drang Volagäses nach dem Tode des Pius sofort in
Armenien ein, setzte auf den Thron des Landes seinen Kandi-
daten Pacoros, schlug den ihm entgegentretenden Statthalter von
Kappadokien gänzlich, überschritt nach diesem Erfolg auch die
syrische Grenze und erfocht auch hier einen bedeutsamen Sieg.
Mit schwerer Erfahrung ersah man jetzt, dafs man sich auf die
in dem langen Frieden gänzlich demoralisierten orientalischen
Truppen durchaus nicht verlassen konnte und auch, dafs man
einen ernstlichen Krieg führen müsse.
Der Parther- So cntschlofs sich M. Aurcl, das Oberkommando dem Mit-
kxieff.
augustus L. Verus, der europäische Truppen mit ins Feld führte,
zu überlassen, und gegen Ende des J. 162 traf Verus in Syrien
ein. Dieser selbst war zwar untüchtig, hatte aber treflFliche
Feldherm, welche 162 — 165 die erlittenen Niederlagen rächten
und überall Erfolge erzielten. Wie unter Trajan war es wieder
ein doppelter Feldzug-, der eine in Armenien von Kappadokien
aus unter dem Statthalter M. Statius Priscus und dessen Nach-
folger P. Martius Verus, der andere von Syrien aus unter Avidius
Cassius, dem nachmaligen Prätendenten, in Mesopotamien. Das
Resultat des ersteren war die Vertreibung des Pacorus, der durch
einen andern Spröfsling des parthischen Königshauses und zu-
gleich römischen Senator, Soämus, ersetzt wurde, und Martius
Verus drang von Armenien aus sogar nach Medien vor, in Meso-
potamien wurde bis Seleucia und Ktesiphon vorgedrungen, beide
Städte erobert, dabei jedoch auch das griechische Seleucia, das
schon unter Trajan hart mitgenommen worden aber wieder auf-
geblüht war, niedergebrannt. Der Friede brachte hier wiederum
1) Vit. Pii 9, 6 ff. wird gerühmt, welche Erfolge er bei allen mög-
lichen reges hatte, und dafs tantum sane auctaritoHs apud exteras genks
nemo Tiabuüy cum semper amaverit pacem, allein in seiner letzten Krankheit
nihil aliud quam de rep, et de iis regibus quibus irasceba^ loct^us est.*
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~ 439 —
eine Reichs Vermehrung in Mesopotamien , indem die an Syrien
anstoCsende Herrschaft Osrhoeue von den Römern mit einem
Fürsten besetzt und zu ihrem Reich geschlagen und ebenso die
Stadt Karrhä als Freistadt römisch veurde.^) Indessen auch
diesmal erhielten die Römer eine Mahnung über die Gefährlich-
keit der Kriege im Euphrat- und Tigrisland , Cassius brach te,
nachdem er grofse Not wegen Mangels an Proviant erlitten^ die
Pest in seinem Heere mit, die dann weiterhin das römische
Reich verheerte.^) Immerbin aber wurde das Ergebnis des
ganzen Kriegs als ein grofser und ruhmreicher Erfolg gefühlt.^)
Es war in der That auch nachhaltig. Der in Syrien verbleibende
Avidius Cassius hatte zwar noch zu kämpfen^) und wurde zu
diesem Zweck mit einem Kommaudo ausgestattet, das über das
eines Statthalters^) hinausging, aber die Parther blieben ruhig,
1) Vit Marci 8 f. Dio 71, If., wozu Suid. 8. v. Md(ftiog» Beiträge
^eben Lucian nmg det tatog. avyyQ., wo die Satire auf die sich auf den
Pariherkrieg stürzende Qeschichtschreibung zu Daten über denselben Anlafs
giebt, und die Fragmente von Frontos offizieller Beschreibung in den principia
Mstoriiie p. 202 ff.; aolserdem die Inschriften und Münzen. Von Neueren
Tgl. E. Napp, de rebus imp, L. Aurelio Ant. in Oriente gestis, Bonn 1879,
wo auch die Persönlichkeiten der Heerführer besprochen sind. Schiller
Gesch. d. r. K. 1, 639 ff. Mommsen, r. G. 5, 406—409. v. Gutschmid, Enc.
Brit. XVIII p. 604. — Die verschiedenen Kriegsschauplätze aufgezählt
bei Lucian c. 80: xa nengayfiiv« j oaa iv 'Agfisvicc, oaa iv SvgUfy Zca iv
Mtoovcoxaykia ^ xa inl to» TfyQtjti, xoc h Mriöia. Als Resultat rex Armeniis
datiu auf der Münze Cohen 3 Marc. Aur. n. 541; über Soämns Dio 71, 1
(wo von xorrayaycJV die Rede ist, so dafs es scheinen könnte, er sei vorher
schon eingesetzt gewesen), Fronto p. 127. Photius bibl. p. 75 Bekk. (inl
ZoaifLOv xov 'Axaiiisvidov xov UgoaiiCdov, og ßaciXsvg tjv iK naxsQoav ßaci-
ZeW, yiyovs dl oiimg xal xijg övyuXrixov ßovliig xrig iv *P(o(ij] %al vjiaxog
dh eIxu xal paatlavg naXiv xi^g fisyaXrig 'Agiievlag); hinsichtlich Mesopo-
tamiens Rufus brev, 14 einfach reeepta Mesapotatnia; genaueres aus den
Münzen von Karrhä und Edessa mit den Bildern und Namen der röm.
Kaiser Eckhel 3, 506 f. 512 ff.
2) Dio 71, 2: iv r^ vnoaxQOcpy nXsi'axovg xmv cxQaxi.a}xmv vno Xifiov
xal voaov anspctXsv.
3) Lucian a. a. 0. 2: dq>' ov o «oXsfiog 6 ngbg xovg ßagßdgovg xal
x6 iv 'jQiievC^ xgavfia xal at avvBX6i:g vC%ai ovdelg oaxig ov% taxoglav
avyyQcitpsi, 5: ov yuQ n(fbg rjfiäg ye xoX(it]osiev &v xig {noXsiiov avaxrioaa^ai)
andvxtov ridri HiXBtoaniivmv.
4) So bei dem Aufstand der räuberischen Bewohner der BovKoXia
in Unterägypten (bei Damiette), Dio 71, 4, vit Marc. 21, 2; dann vit. 6, 5:
correcta disciplina et in Armenia et in Ardbia et in Aegypto res optime gessit.
' 5) Vor der Erwähnung des Aufstands in Ägypten heif^ es Dio 71, 3:
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und als Avidius Cassius sicli im J. 175 gegen den Kaiser erhob,
suchten die Parther dies nicht für sich auszunützen.
Kieiiiero Kriege. Wohl aber gab CS auderwärts schwerere Kämpfe zu bestehen.
Von einem Maureneinfall in Spanien zwar wird kein besonderes
Aufheben gemacht, weil solche Überfölle nur den Charakter von
ßäuberzOgen hatten.^) Vereinzelt waren auch die Kämpfe. in
Britannien, am Nieder- und Oberrhein gewesen, die in den An-
fang der Regierung des M. Aurel fallen.^) Dagegen brach kurz
Her Marko- uach Bccudigung des Partherkriegs an der europäischen Nordost-
grenze des Reichs ein Sturm los, der alle Kraft in Anspruch
nahm und in der ganzen Weltlage eine neue Epoche bezeichnet *)
Von irgend einem Punkte aus war auf die jenseits der oberen
und mittleren Donau wohnenden Völker ein Druck ausgeübt
worden, der sie nach vorwärts trieb, und zwar machte sich die
Bewegung beinahe von den Donauquellen bis gegen Dacien hin
bemerklich.*) Zuerst waren Schaaren von Barbaren nach Panuo-
mancnkrieg.
Tov Kdeaiov 6 Magtiog trjg 'AcCag andarjg iniTQonsvsiv iitsXsvasv; bei dieser
Stellang mufste dann durch ihn geschehen, was an Hilfe in Ägypten ge-
leistet wurde; es bedurfte aber doch zum Eingreifen eines besonderen Be-
fehls (c. 4: triv 'AXs^dvdQsiav stlov, sl firi Kdoüiog i% Zvg^ag nBiiq>^6lg h'
avtovg u. s. w.). Man darf also schon deshalb, wenn es auch bei Philostr.
vit. Sophist. 13 noch allgemeiner heifst: iort tig löyog^ mg vscixBQa fiiv o
t^v smav inixQOTcsvcov Kdaciog inl rov Mdguov iitBßovlBvae, Ägypten
nicht iu dieses Kommando mit einbegreifen.
1) Vit. Marc. 21, 1: cum Mauri Hispanias prope omnes vastarerU, res
per legatos bene gestae sunt; 22, 11 wird Lusitanien als beschädigt hervor-
gehoben, vit. Severi 2, 3 Biltica. Vgl. über diese Einfälle maurischer
Piraten Mommsen r. G. 5, 639. Von Severus wird a. a. 0. gesagt, dafis er,
für die Senatsprovinz Bätica bestimmt, wegen der Maureneinfälle nach
Sardinien geschickt worden sei. Zumpt stnd. rom. p. 145 nimmt einen
damals erfolgten Tausch von Bätica und Sardinien zwischen Kaiser und
Senat an, wozu vgl. vit. M. 22, 9: provinctas ex proconsularibtts consulares
aut ex consularibus proconstUares aut praetorias pro belli necessiiate fecii.
2) Vit. Marci 8, 7 : imminebab etiam Britannicum bellum et Caiti in Ger-
maniam et Eaetiam inruperant. Vit. Did. Jul. 1, 7: (Julianns als Legat von
Belgica) Chaucis, Gennaniae popülis, qui Älbim fluvium accolebant^ erum-
pcntibus restitit tumultuariis auxiliis provincicUium ; — Cattos etiam debellacit^
3) Die Geschichte des Marko manenkriegs ist im wesentlichen zn
kombinieren aus vit. Marci 12. 14. 17. 22. 24 f. 27, 9 f. Dio 71, 3. 6.
7-23. 33—36. Von Neueren vgl. Schiller, 1, 642-662. Dahn, germ. and
rom. Völker 2, 170 flF. Mommsen, r G. 5, 209-216.
4) Vit. Marci 22, 1: Gentes omnes ah lUyrid limite usque in Galliam
conspiraverant, tU Marcomani Varistae Hcrmunduri ei Qmdi Suem Sarmatae
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nien hereingekommen, um daselbst Wohnsitze sich zu erbitten,
waren aber wieder ober den Flufs zurück gewiesen worden*);
dann erfolgte an der Westgrenze dieser germanischen Zusammen-
hänge von der oberen Donau aus ein Einfall durch Noricum
und Rätien, der bei der dort schwachen Grenzverteidigung keine
entsprechende Gegenwehr fand, bis nach Italien herein sich er-
streckte und erst vor Aquileja zum Stehen kam.*) Damals war
es, dafs die beiden Kaiser zusammen auszogen, um vor allem
die italische Grenzwehr mit den ihr vorliegenden Provinzen in
besseren Stand zu setzen. Die Mauern der Grenzstädte wurden
befestigt, zwei neue Legionen errichtet, die eine nach Noricum,
die andere nach Rätien gelegt und damit beide Provinzen von
prokuratorischen zu proprätorischen gemacht, indem nun natürlich
ein Legat Statthalter und Legionskommandant war.') Dann
wurde das Hauptquartier, indem jetzt nach des Verus Tode
M. Aurel alleinige aber auch freie Leitung hätte, mit wechseln-
den Stationen an die mittlere Donau verlegt, wo nunmehr der
Hauptsturm abzuwehren war. Dort waren Quaden, Markomanen,
Sarmaten und Jazygen die mächtigsten und gefahrlichsten Feinde,
und nur mit harten Kämpfen war die Donaugrenze zu wahren.
Da war es nun jene unermüdliche Pflichttreue des Kaisers, der,
auf dem gefährdeten Posten ausharrend und Truppön wie Führer
durch sein Beispiel festigend, der Gefahr Herr wurde. Wie
immer gegen Barbaren, half die Trennung der verbündeten Feinde.
Die Quaden wurden von den Markomanen weggezogen, die
Jazygen konnten von den Donaufestungen einerseits, von Dacien
andererseits in die Mitte genommen und kleinere Stämme der
LacrifKjes et Burei Vanddlique cum Victualis Ost Be8:>i Cobotes Hoxolani
Basternae Halani Teudni Costoboci. Bezeichnend ist, dafa auch die Hermun-
duren an der rätischcn Grenze, deren friedlichen Verkehr mit den Römern
Tacitns (ob. S. 3 IG A. 1) rühmt, in dem Bund erscheinen.
1) Vita Marci 14, 1 : VictiMlis et Marcomanis cuncta iurhantibus, oZii «
äiam gentibtis, quae pulsae a superioribus barbaris fugerant, nisi recipa-entur,
bellum infcrtntibus. Über das erste Stadium 12, 13: dum Parthicum bellum
gerüur, natum est Marcomanicum, quod diu eorum qui aderant arte suspen
sum est, ut finito tarn orientali bello Marcomanicum agi posset.
2) Vit. 14, 2: nee parum profuit isla profectio, cum Aquileiam usque
venissent (barbari). Am miau. 29, 6, 1 : obsessa ab isdeni {QtMdis) ac Marco-
manis Aquileia Opitergiumque excisum — vix resistente perruptis Alpibus
Jutiis principe serio — Marco.
3) Dio 66, 24: 'Avtcovivog 6 Md^nog x6 x% ^svtSQOv (at^atoitB^ov) tb
iv Noqi%(p xal %o xf^Cxov xo iv ^FaixCtf, a nal 'iraAtxa xaxAijTcx», {cwixciihv), j
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eine gegen den andern verwendet werden. Die besten Truppen
und besten Generale wurden hier zusammengezogen, und Dacien
wie Niederpannonien zu konsularischen Provinzen gemacht.') Im
J. 175 war der Kaiser so weit gekommen, dafs nicht blofs die
Gefahr abgewehrt war, sondern auch an ein Festsetzen in Feindes-
land gedacht werden konnte. Wie an der Euphratgrenze, so
war von ganz anderem Ausgangspunkt M. Aurel veranlafst^ dem
Beispiel des Trajan zu folgen und jenseits der durch den Fluljs
gegebenen natürlichen Grenze einen neuen Halt für die absolute
Festhaltung dieser selbst zu haben. Er dachte bereits daran,
zwei neue jenseitige Provinzen, Markomanien und Sarmatien, zu
bilden, als der Aufstand des Cassius ausbrach und ihn zwang,
nach Syrien zu gehen. ^ Ohne EinfluCs auf das an der Donau
der Vollendung nahe Werk blieb diese Störung nicht; doch
konnte der Kaiser gegen drei Jahre lang die Leitung daselbst
seinen Generalen überlassen. Als er im Spätsommer 178 mit
üommodus auf den Kriegsschauplatz zurückkehrte, gab es zwar
noch bedeutende Kämpfe, aber im J. 180 beim Tode des Mark
Aurel war der Krieg im wesentlichen beendigt') Commodos
hatte wohl noch zu kämpfen, aber es war ihm, als er um nach
Rom zurückzukommen (ob. S. 408 f.) auf den vollen Erfolg ver-
zichtete, doch möglich, die Erfahrung seiner Generale so zu ver-
werten, dafs er einen haltbaren Zustand zuröckliefs« Zu einer
Provinzbildung kam es nicht, man blieb im wesentlichen bei
den Abmachungen, welche schon im J. 175 erzielt worden waren,
und wie damals, so wurden sie auch jetzt mit den verschiedenen
Stämmen besonders verabredet. Schon früher waren Bedingungen
festgesetzt, welche den Verkehr der Barbaren unter sich und
mit den Römern mit aller Vorsicht regelten: diese wurden natür-
lich erneuert; dagegen wurden die starken Besatzungen, welche
1) Für PannonieQ b. den Nachweis bei Borghesi, oeavr. VIII. 456 fil
Corp. i. 1. 3, p. 415; der Anfangspunkt ist nicht anzugeben, für Dacien Borgh.
Vlll. 474, c. i. 1. 3, p. 160. Da Dacien nunmehr in drei statt in zwei Ver-
waltungsbezirke geteilt erscheint und zwar schon im J. 168 und die Besetauing
mit einem Konsulat wohl innerlich damit zusammenhing, so wird beides an
den Anfang des Kriegs zu setzen sein.
2) Vit. 24, 5: voluü Marcomaniam provinciam velut etiam SarmaÜam
facere et fedsset, nisi Avidius Oasstua rebdlassei.
3) Vit. 27, 10: (Von 178 an) triennio bellum postea cum Mareomanis
Ilennunduris SarmtxUs Quadis etiam egü et^ si anno uno superfuisset, provincias
ex his fedsset
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— 443 -
Marcus in das feindliche Land gelegt hatte, wieder zurückgezogen,
andererseits den Barbaren auferlegt, sich so weit fernzuhalten,
daCs ein breiter Streifen zwischen der Donau und ihnen lag.
Es war schon während des Kriegs wiederholt vorgekommen, dafs
manchen Stämmen, wenn man sie zu etwas brauchte, Geld be-
willigt wurde; dies scheint auch bei Friedensbedingungen da und
dort als jährliches Geschenk gewährt worden zu sein, immerhin
in einer Weise, welche einen unwürdigen Anschein hatte, weshalb
eben Pertinax sie sofort aufhob (ob. 418 A. 2).*) Die Hauptsache
war, dafs die Barbaren auf der ganzen Donaulinie auf Jahrzehnte
hinein unfähig gemacht waren, sich wieder zu erheben. M. Aurel
hatte an Erfolgen erzielt, was billig verlangt werden konnte und
auch in dem, was Gommodus seine Ratgeber festsetzen lieüs, war
noch die Sicherheit des Reichs gewahrt, wie dies ja auch daraus
hervorgeht, dafs die Einstellung der Geldgaben keine Feindselig-
keiten veranlafste. Es war freilich angesichts dessen, was sich
jenseits des damaligen römischen Horizonts vorbereitete, selbst
mit HinausrQckung der Verteidigungslinie im Sinne des M. Aurel, die
Gefahr, die von dem Barbarenandraug drohte, nicht beseitigt,
aber der Teil der Arbeit, der der lebenden Generation zufiel, war
gethan, und es wäre den folgenden zugekommen, das Errungene
zu vervollständigen und dann auch auf die entfernteren Volker-
bewegungen hinauszublicken. — In den Anfangen des Kriegs Koionat
hatten Barbaren Land innerhalb des römischen Reichs verlangt;
es war ihnen aber auf solche Art der Forderung dieses nicht be-
willigt worden. Allein im Verlauf des Kriegs kam es nun vor.
1) Dio 72, 2 : (Commodus) ionsicaro avtoCs {roCg Ma^nofidvoig) InC te
totg aXXoie i<p' olg o natrjg avxov avvixi^eiTO xal a. s. w.) £& sind des-
halb die Bedingungen zasammenzanebmen aus 71, 16—21 und 72, 2 f. Vgl.
insbesondere 71, 20: Beschwerde der Quaden und Markomanen unter M. Aurel
über die ihnen ins Land gelegten 20 000 Mann; dagegen 72, 2 (Commodus)
ta (p^ovffuc ndpxa tä iv vj x<oi^ cevtav vnhg trjv fiB^Oifiav trjv dnotBtfirii^imjv
ovta iiiXmeif, c. 8: Bedingung ofioaai mgxs firjr' ivomiiaiiv noth firit'
iw^iuiv tscaandnovra atddia xrig x<>^(ff>^S aqtmv xrjg ngog x^ Ja%i^ ovcrig. Die
Herausgabe der Überläufer und Gefangenen spielte in den Bedingungen eine
bedeutende Rolle, weil bei den Einfällen in römischem Gebiet auDserordentlich
viele Leute weggeschleppt worden waren. — Ober die Leistungen an Geld 71,
12. 73, 6. — Die Verkehrsbeschränkungen und der Streifen wQsten Landes
sind besonders instruktiv fOr die Behandlung der Grenzverhältnisse, vgl.
K. Samwer, die Grenzpolizei des röm. Reichs in Westdeutsch. Zeitschrift
6. 8. 317.
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— 444 -
(lafs Schaaren barbarischer Stamme in den Donauproyinzen Land
angewiesen erhielten, sei es auf ihre Bitte, sei es zwangsweise,
und Markomanen sogar in Italien bei Ravenna augesiedelt wurden.
Dafs für diese Leute ein besonderes Rechtsverhältnis gebildet
werden mufste, zeigt vor Allem die Ansiedlung in Italien; doch
ist es Sache der systematischen Untersuchung^ dieses, d. h. den
Stand des Kolonats, zu definieren. Die Ansiedlung in Italien
erwies sich übrigens als bedenklich, ohne Zweifel wegen des
Mangels lokalen militärischen Schutzes, und wurde nicht wieder-
Barbaren im holt.*) Eine weitere wichtige Folge dieses Kriegs war, dafs in
KriegßdiciiHt. dou Friedensbedinguugen die Stellung gröfserer Eontingente der
überwundenen, im übrigen aufserhalb des Reichs bleibenden
Barbaren für das römische Heer verlangt wurde, auch dies eine
Mafsregel, die nicht ohne Vorgänge war, selbst aber den Vor-
gang zu einem wichtigen neuen Moment in dem romischen Heer-
wesen bildete.*)
comuiodus. 5. Während der ganzen Regierung des Commodus wurde,
unbedeutendere Vorgänge in einzelnen Provinzen abgerechnet*),
der Friede mit den Grenznachbarn aufrecht erhalten, und es kam
keine Veränderung im Bestand des Reichs vor. Auch nach seiner
Ermordung, als der Bürgerkrieg entbrannte, brachte es der Um-
stand, dafs gerade die drei grofsen Gebiete, welche am meisten
feindliche Einfälle zu fürchten hatten, Syrien, Britannien, die
Donauprovinzen, das Rüstungsgebiet der um das Imperium
streitenden Statthalter waren, mit sich, dafs zunächst wenigstens
keine Greuzbedrohung dort zu fürchten war. Dafs in Britannien
die Soldaten selbst schon unter Commodus unruhig waren und
in Gallien ein nicht unbedenklicher Räuberaufstand statt fand,
ist schon oben (S. 411. 417 A. 7) bemerkt worden und gehört
zu den Kennzeichen der inneren Regierung.
1) Vit. 22, 2: (iccepit in dedittonem Marcomanos pltnimis in Italiam
traductis. 24, 3: infinitos ex gentibus in romano solo conlocavü. Dio 71, H:
ot d^ xal yrjv oi fihv h da%ia ot de iv IlavvovCa ot dl Mvat^ %al Tfp-
fiavia T^ tB 'ixaXloi avr^ ilaßov; dabei die Vorgänge in Ravenna, wo sich
die Leute empörten; femer bei den Abmachungen mit den einielnen
Stämmen c. 15 ff. z. B.: Nagiaxal taXainmffi^cavxeg tqisx^Xioi afia 179TO-
lioXrjaav xal yrjv iv tfi tifLsxiffu iXaßov,
2) Dio 72, 2. Die Qnaden allein 18000 Mann.
3) Dio 72, 8 (Dacien und Britannien). Vit Alb. 6, 3 (in Niede^
germanien).
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Vierter Abschnitt.
Die Ausgänge des Principats. Von Septimius Severus bis zum
Regiemngsantritt Diokletians.
Dafe die Regierung des Septimius Severus Epoche niaeht,^®^'*^^^*.^^''
ist von der alten Geschichtschreibung verkannt worden, von
der gleichzeitigen, weil das Neue nicht in einer oflfenen Reform
der Verfassung bestand, von der um einige Generationen später
liegenden aus Mangel an geschichtlicher Einsicht^), die neuere
Geschichtschreibung dagegen ist der Bedeutung dieser Epoche
gerecht geworden nicht blofs in allgemeiner geschichtlicher Auf-
fassung, sondern auch — und zwar mit nicht geringem Erfolg für
die allgemeinen Gesichtspunkte — durch Untersuchung der Einzel-
heiten der Verwaltung.*) Die letztere Seite berichtigt in wesent-
1) Bei Dio genügt der Aufzog, den wir haben, um zu sehen, dafs er
in Septimius Severus nur eine besondere Persönlichkeit in der Reihenfolge
der Kaiser sah, nicht einen Neuerer. Besonders bezeichnend aber ist für
ihn, dafs er nach der unter Severus Alexander geschriebenen Programmrede,
die er 52, 14 ff. dem Mücenas in den Mund legt, die aber yon der Zeit des
Dio selbst su beurteilen ist, alles von Angnstus bis auf seine Zeit Ein-
gerichtete in ^in System befafst. Ebenso bezeichnend ferner fiSr die Art der
Reform des Septimius ist, dals Alexander, um seine dieser entgegengesetzten
Grundsätze geltend zu machen, seinerseits keiner Verfassuogsveränderung
bedarf. — Dem Herodian ist Septimius einzig in seinen Kriegsthaten (3, 7. 15),
epochemachend aber nur als Yerderber der Eriegszucht (8, 8). Die Ilistoria
Augusta kommt mit eigenem Urteil nicht in Betracht; es ist aber aus ihr
und den sonstigen späteren Darstellungen zu ersehen, dals in ihren Quellen
das Nene nicht hervorgehoben war. Septimius Seyerus selbst scheint in
seinen Memoiren, in denen er vitam suam privatam ptiblicamgue ipse compo-
9uit ad fidem, solum tarnen Vitium crudelitatis excusans (vit. Sev. 18, 6),
eine apologetische Tendenz verfolgt zu haben nicht sowohl für sein Re-
giernngssystem als für seinen Charakter und einzelne Handlungen. Die
Zeugnisse von diesen Memoiren s. bei Müller (fragm. bist graec. 3, 657 f.),
der es für wahrscheinlicher hält, dafs Severus griechisch geschrieben habe.
2) Vgl. Niebuhr, Vortr., herausg. von Schmitz- Zeifs 2, 386: „Es ist
zu beklagen, dafs wir von den von Severus eingeführten politischen Ein-
richtungen so wenig wissen ; denn es ist augenscheinlich, dafa er, besonders
in Besiehung auf Italien, gro&e Veränderungen getroffen haben mufs.**
Seitdem hat man das dürftige Quellemnaterial zu ergänzen gesucht durch
die Verwertung der Inschriften und zur Würdigung jener Veränderungen
die Verwaltung genauer ins Auge gefafet. Monographieen giebt es mehrere,
so von Schulte, de imperatore L. Septimio Severo, Münster 1869. Uöfner,
Unters, zur Geschichte des Kaisers Sept. Sev. Giefsen 1875. Du^y in j
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- 44G —
liehen Dingen verbreitete Anschauungen. Von dem Ausgangs-
punkt der höchsten Gewalt, von den Mitteln, mit welchen dieselbe
aufrecht erhalten wurde, von den Kämpfen, welche daraus her-
vorgingen, pflegt man die durch Septimius Severus eingeleitete
Zeit die der Soldatenkaiser zu nennen, aber es genügt dies nicht
zu ihrer Charakteristik. Die Übertragung der Eaisergewalt durch
die Soldaten ist auch jetzt weder die allgemeine Regel noch eine
gesetzlich anerkannte Form, sondern Usurpation, die Stützen der
Gewalt, wie sie Septimius Severus übt, sind ebensowohl bürger-
licher als militärischer Art, es wird sogar bereits der Ansatz
dazu gemacht, den Dienst der bürgerlichen Verwaltung selbst-
ständig neben den der militärischen zu stellen, und die Form,
auf welche die Begierungsweise zustrebt, ist nicht eine Militar-
monarchie, sondern der Absolutismus in allgemeinster Gestalt
So bestimmt sich negativ der Charakter dieser Periode als die
Untergrabung des Systems des augusteischen Principats. Noch
wird von den Grundeinrichtungen kaum die eine oder die andere
völlig beseitigt, aber der Spielraum, den das System Augusts
der Handhabung des Principats und Imperiums läfst, wird zu
Gunsten der absoluten Gewalt voll ausgenützt und damit ein
sehr entschiedener und bewufster Schritt dazu gethan, dafs der,
dessen Stellung die eines Hilfsmagistrats sein sollte, in den allein
gewaltigen verwandelt, der Generalstatthalter der Republik in
Praxis und Theorie zum selbständigen Herrn wird, die höchste
Gewalt auf sich selbst ruht und sich selbst weiter giebt. Wenn
auf Septimius Severus Männer desselben Geistes gefolgt wären,
so würde die förmliche Änderung der Verfassung noch früher
eingetreten sein; so aber kamen zunächst Vertreter der rein
persönlichen Willkür, dann einer, unter dem das augusteische
System möglichst restauriert werden sollte, und darauf folgte als
stärkste Reaktion der Ansturm des prinziplosen Soldatenkaiser-
turas gegen die Centralgewalt in Rom und der Kampf der Im-
Revne histor. VII. p. 241—315 <=« bist, des Rom. 6,40—143 (in dorohauB
apologetischer Richtang). A. de Genleneer, essai snr la vie et le r^e de
Sept. Sev. Brüssel 1880 (aas den M^m. de FAcad. roy. de Belgiqoe i 43).
Über das Nene in der Verwaltung ygl. Torzngsweise 0. Hirschfelds Unters,
aaf dem Gebiete der Verwaltnngsgesch. W. Liebenam, Beitr. znr Ver-
waltongsgesch. des röm. Eaiserr. Jena 1886. Unter den allgemeinen Dar-
stellungen ist die von Schiller ,- Gesch. d. röm. Kaisen. 1, 726—739 be-
sonders ausführlich darauf eingegangen.
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peratoTen unter einander, jene Zeit^ in welcher in dem täglichen
Siareit um die eigene Existenz, wie um die Grenzen des Reichs
nnd um dessen inneren Zusammenhalt von ernstlicher Inangriff-
nahme einer Reform der Verfassung nicht wohl die Rede sein
konnte. Nachdem aber am Ende des dritten Jahrhunderts
energische Männer, welche wieder das Ganze übersahen und
dauernd in ihre Hand brachten, zur Regierung gekommen, waren
sie darauf bedacht, das was unter Septimius Severus eingeleitet
worden war, zu vollenden, ihm feste Formen zu geben und so
das augusteische System völlig zu beseitigen.
§ 84. Von L. SepÜmiufl SeTernB^) an Sevems Alexander.
1. Von Geburt Afrikaner und einer Ritterfamilie angehörig, Persönlichkeit
die eben erst anfing, durch einige ihrer Glieder in den Senatoren- und übersieht
stand zu kommen, hatte Severus keinen engeren Zusammenhang BegieraiTg^.
mit den Senatskreisen. ^ Seine eigene höhere Laufbahn hatte mit
dem ritterlichen Amt eines Advokaten des Fiskus begonnen'),
1) Zu seinem Namen L. Stptimms Sevems fügt der Kaiser bis 201
den Namen Pertinax und von 105 an nennt er sich fortwährend Plus nach
Antoninns Pins; pater patriae heifst er seit 194. Über den Titel proconsul
8. nnten. Die Siegestitel Arabiens , AdiabenicM, Parthicus maximuSj Bri-
tamiicus max. scbliefsen sich an die FeldzQge an. Die Inschriften des
Sevems sind ungemein zahlreich; eine Übersicht über die ihm gewidmeten
Monumente giebt Ceuleneer a. a. 0. S. 169—187. Die Zahl der Typen
von Reichsmfinzen bei Cohen 4 S. 3—82 ist 798. — An Specialunter-
snchungen über die Quellen für die Zeit des Severus vgl. Sievers in Philol.
26 S. 269 ff. (mit besonderer Bez. auf Herodian). Müller in BQdingers
Unters. 3 S. 76 ff. 151 ff. (Herausstellung dessen, was auf Marius Maximus
geht). Höfner a. a. 0. 1, 1 ff. Ceuleneer 1 ff. H. Haupt in Philol. 44.
S. 563 ff. (woselbst noch weitere Litteraturangabe). Dio und Marius Maximus,
die beiden Senatoren, wollen die Wahrheit geben, aber sie sind in ihrem
Urteil zu einseitig und sehen nicht die Bedeutung dieser Regierung. Die
Zuge der Grausamkeit und der Habsucht, unter denen der Senat so schwer
zu leiden hatte, sind ihnen so überwiegend, dafs sie schon darüber zu einer
tiefer gehenden Würdigung nicht kommen.
2) Abstammung und Familienbeziehungen vit. 1. Über die Laufbahn
bis zur Übernahme des Imperiums vgl. die angeführten Monographieen,
femer Klein, die Verwaltungsbeamten des röm. Reichs I, 1 S. 112 ff.
Gellens-Wilford, la famiüe et le cwrsuB honcrum de Sept Sev, Paris 1884.
0. Hirschfeld in Wiener Studien 1884, S. 121—128.
3) vit Gel 2, 3 f.: Severum (Ptu«) od fisei advocationem ddegerai ex
formuiaria (?) forensi. Dafs der im J. 146 geborene Severus nicht vom Kaiser
Pins diese Stelle erhalten haben kann, ist zuzugeben, dafs er sm^aber
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und voD da aus erst war er zu den senatorischen Ämtern ge-
langt, indes war unmittelbar vorher ein Mann geringer Her-
kunft, PertinaXy dem Senat ein annehmbarer Princeps gewesen.
Durch jenes juristische Amt aber war Severus, was für seine
spätere Politik nicht gleichgültig war^ mit derjenigen Yerwaltungs-
laufbahn, mit der er sich viel beschäftigen sollte, personlich ver-
traut geworden. Seine senatorische Laufbahn führte ihn nicht
mehr als andere zu militärischen Stellungen, aber als Kaiser hat
er gezeigt, dafs er auch die Fähigkeiten eines Kriegsmanns im
höchsten Mafse besafs. So hat er, wenn auch von seiner Regierung
ab bereits eine grofsere Scheidung von militärischer und bürger-
lich-politischer Laufbahn bemerklich ist, in sich wenigstens den
Typus des römischen Staatsmanns, der den politischen Magistrat
und den Feldherrn in einer Person vereinigt, in der alten Weise
dargestellt.
So sehr die Stellung des nun vom Senat anerkannten Im-
perators durch die Besitznahme von Rom und Italien gehoben
war, so hatte sie doch noch starken Widerstand zu überwinden,
und dies war von wesentlichem Einflufs auf den Gang der inneren
Regierung. Die Motive, welche den definitiven Charakter der-
selben bestimmten, kamen erst während der Kriege zur Reife
und die Ausführung von Organisationen, wie er sie durchführte,
war, wenn Severus auch vom Feld aus die Gentralregierung in
der Hand behalten wollte, doch erst möglich während der Zeit
dauernden Aufenthalts in Rom in den Jahren 202 bis 208.^)
Dies schliefst nicht aus, dafs die Tendenzen, die der Kaiser in
Oberhaupt nicht bekleidet habe (Hdüier 1, 56 f ) daraus noch nicht za folgern.
Die vita Severi spricht allerdings nicht davon, s. aber vit. Carac. 8, 3.
Vict Caes. 20. Eutrop. 8, 18.
1) Chronologische Daten: nach dem Einzug in Rom am 1. Juni 193
(s. ob. S. 422) bleibt Severus 30 Tage in Born (vit Sev. 8, 8); der Kri^
im Orient gegen Niger und die Grenznachbarn jenseits des Euphrat dauert
bis in die zweite HüJfte von 196 ; Zug über die Donauprovinzen nach Gallien
gegen Albinus mit kurzem Aufenthalt in Rom (vit. 10, 1); am 19. Febr. 197
Schlacht bei Lyon (vit. 11, 7); Aufenthalt in Gallien bis Mai 197; Ankunft
in Rom Sommer 197 (die Münzen mit Fort, redtuo aus dieser Periode gehen
bis 197). Noch Ausgang Sommers 197 beginnt der parthische Krieg (Münaea
mit profectio Äugusti und imp. VIII bei Cohen 4 Sev. 578. 681); Rück<
kehr nach Rom, nachdem vorher noch Ägypten besucht war (Dio 76, 13)
im J. 202 (Münzen mit Advent. Augg. von 202 Cohen 4 Sev. 1 f.). Datum
des Triumphbogens (c. i. l. 6, 1083. Orell. 912. Wüm^87) 203.
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Kaisergairde.
— 449 -
dieser Organisation verwirklichte, schon in froheren Zeiten und
nach weiter zurückliegenden Ideen in ihm vorbereitet waren.
2. Eine einschneidende Mafsregel jedoch muTste sofort nach Die neue
dem Einzug in Rom vorgenommen werden, die Neueinrichtung
des Gardekorps, nachdem die alten pratorischen Kohorten auf-
gelöst worden waren (ob. S. 422).
Die bisherige Garde war in der Weise beschafft worden,
dafs in Italien und in gewissen hierfür besonders geeigneten
Provinzen unter den bürgerlichen Kreisen für die pratorischen
Kohorten rekrutiert wurde; jetzt sollte die Hut des Prätoriums
aus den Legionen gebildet werden, der Vorzug des Dienstes
in ihr wurde also den Italikem entzogen und an Legionare nach
einer gewissen Dienstzeit überwiesen, d. h. durchaus an Soldaten,
die aus den Provinzen stammten. Damit war nicht blofs ein
bisheriges Privilegium der italischen Bevölkerung beseitigt,
sondern mit der Bedeutung, welche die Garde in der Umgebung
des Kaisers, vor Allem aber in Italien und Rom hatte, in dem
Mittelpunkt des Reichs ein Element mit mafsgebender Stellung
eingeführt, das der bisher herrschenden Klasse von Reichs-
bürgern. fremd und unebenbürtig erscheinen mufste. Diese neue
Art der Formation sollte bleiben, unter den Legionen selbst aber
hinsichtlich der Auswahl kein Vorzugsrecht bestehen; indessen
wie zunächst die von Severus mitgebrachten Truppen, die allein
in Betracht kamen, so erschienen auch weiterhin die Armeen
gewisser Provinzen bevorzugt In den Senatskreisen aber nahm
man diese Reform ungünstig auf, obgleich man zunächst mehr
an der barbarischen Erscheinung der neuen Gardetruppen Anstofs
nahm und die sonstige Tragweite der Mafsregel nicht erkannte.^)
1) Dio 74, 2. Herod. 2, 14, 5. Dio tadelt an der Mafsregel nur, dafs
sie triv ts riXi%Cav tijv In tfig 'itaUag nctganciXeoB ngog Xjjatsiag xcrl (lovo-
{uex^ag avxl xi\g nqlv öTQaxeiag tQanofjiivTjv xal t6 afftv oxXov argaTKOTcöv
GvfiiiCxtatv xal li^stv dy^ifoxutmv naX dnovaat (poßsQcatdrav ofAiXrjaai re
dyttoinotdrav inlriQcaGtv. Bei der im Verhältnis zur Bevölkerung Italiens
geringen Zabl von Mannschaft, welche dieses Land zur Garde bisher ge-
stellt hatte, war der erste Gesichtspunkt untergeordnet; der zweite mochte
auffallend genug sein, dafQr war aber die frühere Garde, die sich eben als
dorcbans untüchtig gezeigt hatte, jetzt durch eine kriegstüchtige ersetzt.
Der wahre Gegensatz zu der Mafsregel Severus wäre eine ausgiebige und
regelmäfsige Heranziehung der Italiker zum Kriegsdienst überhaupt gewesen.
— Als Vorspiel der Reform des Severus wird öfter die ähnliche Um-
gestaltung der Garde durch Vitellius (Tac. bist. 2, 94) genannt; allein so
Her sog, d. röm. Staatsverf. H. 1. 29 ^ ^^
lern so f
Google
— 450 -
Bio Kriege mit 3. So lange Severus mit den andern Prätendenten zu thon
Aibinns. hatte, zeigte er sich politisch ebenso klug und vorsichtig, wie
nachher autokratisch rücksichtslos; daneben war er seinen Gregnern
durch rasches Vorgehen überlegen. Pescennius Niger hatte ihm
gegenüber die Sympathieen des römischen Volkes für sieh,
Albinus die des Senats. Letzteren nun wufste er zu bewegwi,
dals er sich die Rolle nicht eines Mitregenten, sondern eines
Cäsars gefallen liefs und vermied so die Auseinandersetzung mit
zwei Gegnern zumal Dem ersteren suchte er durch reichlichste
Schenkungen an die Bevölkerung der Hauptstadt den Boden, den
er in dieser hatte, zu entziehen und es gelang ihm dadurch, den
Kampf mit Niger zu einer reinen Eriegsaufgabe zu machen, in
welcher er sich dem Gegner überlegen erwies. Bei Eröffnung
dieses Kriegs konnte allerdings trotz des Abkommens mit Albinos
die Gefahr eines Zerfalls des Reichs nahe scheinen; denn dals
jene Übereinkunft mit dem Statthalter von Britannien nur eine
provisorische Lösung war, liefs sich wohl erkennen, und so
standen sich unter Führern, die sämtlich als fähig zur Herrschaft
galten, drei je mit einer starken Armee ausgerüstete Gruppen
gegenüber, von denen jede ein unschwer abzugrenzendes Ganze
von Provinzen umfafste.
Noch waren indessen die Dinge nicht so weit gediehen:
denn gerade die zwei von den Provinzen aus operierenden Präten-
denten waren durch die Verbindungen, die sie hatten, mehr römiseh
und italisch als Severus und keiner hatte die Tendenz eines
Teilimperiums. Auch die Erhebung des Albinus zum Cäsar tbat
der einheitlichen Gewaltübung keinen Eintrag; denn nicht nur
regierte Severus durchaus für sich ohne Berücksichtigung des
Cäsars, sondern er bewilligte ihm nicht einmal die tribuniciscbe
Gewalt, die er wohl erwarten konnte, vielmehr nur für das
wie Tacitns diesen Vorgang schildert, war er wie die Besetzung der Hof-
ämter mit Rittern nicht ans einem Prinzip hervorgegangen, sondern am
den Verhältnissen des Augenblicks, wurde auch von Vespaaian wieder be-
seitigt. — Über die Durchführung der Reform des Severus s. die statistifleb
belegte Darlegung bei Bohn, über die Heimat der Prätorianer. Berlin 1883.
S. 11 fif. Ders. mtlües pr<uior%ani et urbaniciani originis ItaUcae in epben.
epigr. 5, 251—258; über die Prätorianer aus den Provinzen Mommsen in
ephem. epigr. 6, 164 ff. — Es mochte wohl auch nach Severus noch v<tf-
kommen, dafs Rekruten in die prätorischcn Kohorten eingestellt wurden,
auch finden sich einzelne Italiker, aber die von Severus gegebene Regel
blieb. Vgl. Mommsen a. a. 0. p. 136. A. 1.
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J. 194 das Konsulat neben sich; ja wir haben kaum eine Spur
davon ^ dafs die Auktorität des Albinus in dieser Zeit auch nur
in Gallien sich geltend machte.^)
Der Krieg mit Pescennius Niger entschied sich, wenn auch
Episoden desselben, wie die Belagerung von Byzanz, sich Jahre
lang hinzogen, in der Hauptsache doch so früh zu Gunsten des
Severns, dafs in Rom die Anhänger Nigers sich nicht röhren
konnten. Dafs es solche immerhin gab, zeigt die Erzählung von
den Strafen, welche nach dem Sieg verhängt wurden^); Severus
aber fühlte sich sicher genug, um nach dem Krieg gegen Niger
noch einen Feldzug über den Euphrat hinüber zu unternehmen.
Unterdessen waren jedoch die Freunde des Albinus nicht mülsig
gewesen; wenigstens ist dem sonstigen Verhalten des letzteren
nach anzunehmen, dafs er, der in Britannien auch durch einen
von Severus ihm aufgedrungenen Beamten überwacht war^), erst
durch seine Anhänger in Rom zur Lossagung vom Kaiser ver-
anlafst wurde. Dafs dieser nach dem Sieg über Niger sich schon
um der eigenen Söhne willen des unbequemen Cäsars zu ent-
ledigen gesucht hätte, war von vorherein anzunehmen; jetzt kam
ihm Albinus zuvor, legte sich im Frühjahr 196 den Augustus-
titel bei, nahm von den von seiner Machtsphäre aus erreichbaren
Provinzen, deren Mittelpunkt nun Gallien bildete, Besitz und
suchte dem eben auf dem Rückmarsch aus Asien begriffenen
Severas in Italien und Rom zuvorzukommen. Allein sobald
Severus von dem Abfall Kunde erhalten, traf er Fürsorge für
die Sicherung Italiens. In Viminacium an der Donau, wo ihm
die Nachricht zugekommen war, erklärte er nunmehr seinen
älteren Sohn, den damals achtjährigen Bassianus, auch Caracalla
1) Name und Titn]atnr des Albinns als Cäsar D. Clodiits SepUmius
Albinus Caesar cos. II, Ob der Name Septimius, der noch auf den Münzen
sich findet, die Albinus als Angnstns in Britannien und Gallien schlagen
liels, auf einem Adoptionsakt beruht, wird nicht gesagt. Die Münzen bei
Eckhel 7, 164 mit p, m. tr. p. cos, II und tr. p. IL cos, II finden sich
bei Cohen nicht. — In der Lyoner Taurobolieninschrift vom Mai 194
(Henzen n. 6032. Wilm. n. 121) stand der später getilgte Name des Albinus
neben dem des Severus.
2) Dio 74, 8 (keine Hinrichtnng von Senatoren, aber Verbannungen
und Konfiskationen).
S) Vit. Sev. 6, 10. Nig. 6, 2 (wo mit Bezug auf die erste Stelle zu
lesen ist: HeracUtum od obtinendam Britanniam misit Hübner im Rheiu.
Mus. N. F. 12 S. 64 f.)
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genannt, in Anknüpfung au die populäre mit Commodus ausge-
storbene Kaiserfamilie unter dem Namen M. Aurelius Antoninas
zum Cäsar und begab sieh darauf, um die Partei des Albinos
im Senat nicht aufkommen zu lassen, nach Rom. Dort lag die
Gefahr nahe, dafs der Senat sich offen zu Gunsten des Albinus
erklärte; dessen Anhänger konnten wagen, entschieden aufzutreten,
die Mehrheit aber war neutral, während das Volk sich in Klagen
über die endlosen Kämpfe erging. Der Senat mufste den Albinus
in die Acht erklären und beim Krieg trug die Energie, mit der
Severus auch hier vorging, ihre Früchte; der Gegenkaiser, in
Gallien von den Heeren des Severus erreicht, wurde durch die
Schlacht bei Lyon (19. Febr. 197) beseitigt^), und nunmehr war
der Weg offen, die Regierung des jetzt sicher einheitlichen Reichs
rücksichtslos einzurichten. Aber zunächst begnügte er sich neben
der Neuordnung der Dinge in Gallien und Britannien mit der
Beseitigung seiner Feinde: während nach der Besiegnng des
Niger hervorgehoben wird, dafs wenigstens kein Todesurteil
gegen Senatoren verhängt worden sei, wurden jetzt die über-
wiesenen Gegner hingerichtet und selbstverständlich in der hier-
durch sowie durch Verbannungen und Ausstofsungen veranlaüsten
neuen Zusammensetzung des Senats die Gefahr einer neuen Oppo-
sition beseitigt. Dafs ein solches Schreckensregiment ^), das sich
durch die nachträgliche Konsekration des beim Senat in schlimmstem
Andenken stehenden Commodus eingeführt hatte, die früher mehr
neutralen Elemente nicht zu vollen Anhängern machte, begreift
1) Dio 76, 4—6. Vit. Sev. 10 f. Alb. 9. Herod. 8, 6 ff. — Über deo
Sohn Bassianus vit. Sey. 10, 3: in itinere apud Viminacium filium swm
maiorem Bassianum adposito Äurelii Antonini nomine Caesarem appelkwü.
Die Benennang Caesar destinatus in der Inscbr. c. i. 1. 7 n. 210 ist sa un-
sicher überliefert, in 6 n. 1984 z. J. 197, wenn richtig überliefert, Yerwedis-
lung mit imp, destinatus, — Albinas nannte sich als Prätendent Imp. Caes.
B. Clodius Sept. Alb. Aug., doch fehlt in manchen Typen auch SepUmius.
Die Silbermünze Eckhel 7 p. 164. Cohen 4 Alb. 78: Imp. Caes. Cl.
Sept. Albin. Aug. — 8. P. Q. B. P. P. OB C. S, scheint nicht genügend
bezeugt zu sein.
2) Vit Sev. 11—14 (mit AufzÄhlung der Opfer). Dio 76, 7 f., der ans
den unmittelbaren Eindrücken der Senatoren heraus schreibt. Herod. 3,
8, 6 ff. — In Gallien und Spanien fänden natürlich besonders viele Strafen
statt Tit. 12, 1. Den Umschlag der Dinge in Gallien bezeichnen zwei Tanro-
bolienaltäre von Lyon, von denen der eine vom J. 194 (Wilmanns d. 121)
dem Severus und Albinus gilt, der andere vom J. 197 (Wilm. n. 122) dem
Severus und M. Aurelius Antoninus als imp. destinatus.
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sich und zeigt sich au Dio; aber solche negative Stimmungen
waren jetzt ungefährlich. Nach den hiermit verbundenen Mafs-
regeln begab sich der Kaiser zu jenem Krieg mit den Parthern^
von dem er erst gegen Ende 202 zurückkehrte; dalB ihn aber
nach den bisherigen Erfahrungen das Mifstrauen gegen hervor-
ragende Persönlichkeiten in diesen Krieg begleitete , zeigt die
Beseitigung eines der bedeutendsten Heerführer, des Latus. ^)
4. unterdessen v^ar bereits über die Person des Severus
hinaus für eine Dynastie gesorgt. Schon während des Krieges, Bogründunfr
und ehe er noch seinen älteren Sohn zum Cäsar erhoben, hatte ^ "^' ^°*' *^
der Kaiser im J. 195 angedeutet, dafs er seine Stellung an den
Stamm der antoninischen Kaiser anknüpfen wolle: er nannte sich
von diesem Jahr^an Pius und Sohn des gottgewordenen Marcus,
und in demselben Sinn hatte er dem Bassianus bei seiner Er-
nennung, zum Cäsar den Namen Antoninus gegeben. Jene nach-
trägliche Selbstadoption, einen Vorgang eigener neuer Er-
findung, brachte er auf seinen Münzen zum Ausdruck und der
Senat folgte ihm mit seiner Münzprägung nach.^) Nach dem
Sieg über Albinus wurde dies in seinen Konsequenzen weiter
verfolgt, im Zusammenhang damit Commodus, nun Bruder des
Kaisers, konsekriert und alle Familienrechte, die sich daraus
ergaben, insbesondere auch die auf das Vermögen bezüglichen,
in Anspruch genommen. Ohne Zweifel mufste der Senat dies
formlich anerkennen, und er verband damit, sei es aus eigener
Initiative, sei es auf Verlangen des Kaisers, einen Beschlufs,
wodurch Bassianus (Caracalla) die Insignien eines Imperator erhielt
und damit, wie es scheint, den Titel Imperator destinatus^), der
1) Dio 76, 10: dni%Ttiw8 nal tov Aatxov, Zxi tb (pQOvrjficc bIxs ncel oxi
VKQ xmv cxqaxuaxmv tjyanäxo. Dieser Lätns kann nicht wohl ein andrer
sein als der, welcher nach Dio 76, 6 in der Schlacht bei Lyon den Ver-
dacht erweckte, doppeltes Spiel zu spielen and auf den Untergang beider
Piittendenten zn rechnen. Denn wenn nicht das spätere Schicksal des
Mannes solchem Verhalten entsprochen hätte, worauf hätte sich denn sonst
der Verdacht gegründet, den Dio ausspricht? Offenbar hat Severus für
den Augenblick das Verhalten des Latus in der Schlacht nicht offen ver-
folgt, aber das Mifstrauen gegen ihn in den parthischen Krieg mitgenommen.
Mit dem Verteidiger Ton Nisibis kann dieser Latus nicht identisch sein.
2) Mtlnzen y. J. 196 bei Cohen 4 Sev. n. 123 ff. Severus heifst nun:
Imp. Gaes. divi M. /*. divi Commodi fraUr divi Antonini Pii nepos divi
Hadriani pranep. divi Traiani abnep. divi Nervae adnepos. Vgl. z. B.
Oreili n. 904.
3) Vit. Sev. 14, 3: Caesarem dein Basaianum Autoninum a semtu ,
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nur bei ihm sich findet. Diese Beschlüsse scheinen in Abwesen-
heit des Severus gefafst und durch eine Gesandtschaft ihm, der
eben von Gallien aus nach Germanien sich begeben hatte, und
dem in Pannonien befindlichen Bassianus überbracht worden zu
sein.^) Im J. 198 sodann, während des parthischen Kriegs, nach
der Eroberung von Ktesiphon, wurde letzterer, damals zehnjährig,
zum Mitregenten mit dem Augustustitel erhoben und ihm die
tribunicische Gewalt verliehen; zugleich wurde der jüngere Sohn
Geta zum Cäsar erhoben; im J. 202 sodann trat Severus in
Syrien mit Bassianus, der 201 als 13 jährig die toga virüis er-
halten hatte, als Kollegen sein drittes Konsulat an.^) Damit
waren alle anderweitigen Hoffnungen auf Nachfolge abgeschnitten •) ;
dagegen war das Verhältnis der zwei Söhne zu einander noch
nicht geregelt. Dies geschah im Lauf der folgenden Jahre in
der Richtung, dafs beide zugleich Nachfolger werden sollten^ sn
welchem Zweck der Kaiser den Gcita, nachdem dieser in den
Jahren 205 und 208 mit seinem Bruder das Konsulat gef&hrt
hatte, im J. 209 zum dritten Augustus erhob, womit wieder die
tribunicische Gewalt verbunden war.*) Zum ersten Mal hat nun
appeUari fecit decretis itnperatoriis insignibus. BezeichnaDg als tirip. deU,
auf Münzen und Inschriften (Cohen 4 Garac. n. 63 f. Wilmanns n. 12t,
984. 1200).
1) Vgl. die Inschrift des P. Porcina Optatus, der heifst legcUus ab
amplissimo senatu ad eundem dominum (Sev.) imp. in Germaniam et ad
Äntoninum Caes. imp. desttnatttm in Fannoniam missi, Heneen 8494.
Wilm. 1200.
2) Vit Sev. 16, 3 f. filium eins Bassicmum Äntoninum, gut Caesar
appellatus iam fuerat, annum XIII agentem (dies unrichtig, vielleicht in
Verwechslung mit der im J. 201 erfolgten Designation zum Konsul) parti-
cipem imperii dixerunt milites, Getam guoque minorem filium Caesarem
dixerunt eundem Äntoninum appeJlantes. Von Geta an heifsen die Prinzen
regelmäfsig nobilissimi Caesarea (vgl. oben S. 407 A. 2). — 8: dein cum
Äntiochiam transisset data virili toga ßio maiori secum eum consulem desig-
navit et statim in Syria consulatum inierunt, — Die Verleihung der trib.
Gewalt liegt in der Natur der Sache und geht aus der Z&hlung der Jahre
derselben hervor.
3) Vgl. vit. 10, 5: ut fratrem suum Getam a spe imperii, quam %Ge cou-
ceperat, amoveret.
4) Vit. Sev. 20, 1 : cum moreretur laetatum quod duos Äntoninos pari
imperio reip. relinqueret exemplo Pii etc. Geta heifst zuerst im J. 209 auf
Münzen Imp. Caes. P. Sept. Geta Pius Äug. pont. tr. p. cos. IL Eckhel 7 p. 230.
8 p. 426. Cohen 4 Get. n. 129 f. — Genaueren Anhalt giebt die Inschrift, corp.
inscr attic. III. 10, durch die in Athen die Erhebung de&^Geta im Mooat
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in den Jahren 209 — 211 das römische Reich drei Kaiser neben
einander, und es fragt sich, ob damit nicht die Einheit der obersten
Gewalt mehr gefährdet wurde , als durch die Kollegenschaft von
zweien, wie sie Marc Aurel in das Imperium eingeführt hatte.
In dieser Beziehung war jedoch eine Änderung nicht beabsichtigt.
Schon der Umstand, dafs die Mitkaiser zur Zeit, da sie zur Teil-
nahme beigezogen wurden, in so jugendlichem Alter waren und
Sohne dessen, der sie beigezogen , sollte dafür bürgen, dafs die
Ausübung der Herrschergewalt im Reich thatsächlich in Äner
Hand bleibe, und sie ist es auch bis zum Tode des Seyerus ge-
blieben, weil dieser der Mann war, zu zeigen, dafs er denn doch
das Haupt war^); ferner war bei dreien wie bei zweien für posi-
tive Akte immer Übereinstimmung vorausgesetzt. Allein die
Gefahr eines Zerwürfnisses war doch grofser, und wenn, worauf
Seyerus selbst hingewiesen haben soll, für einzelne Handlungen
jedem einzelnen Befehlsgewalt mit Anspruch auf Gehorsam der
Dienenden zustand^), so konnte doch nur ein starkes Interesse
der gemeinsamen Aufrechthaltung der Gewalt Mifsbrauch ver-
hüten; dafs aber dieses durch die Familienbande nicht verbürgt
war, erfuhr Severus selbst in dem Verhalten der Söhne gegen
ihn und unter sich. Es war aber auch die Mitregentschaft der
Sohne von ihm nicht mit Rücksicht auf die Zeit seines Lebens ein-
geführt worden, sondern lediglich zur Sicherung der Nachfolge.
5. Der Weg, auf dem Severus zum Imperium gekommen. Die koustitu-
war der der Usurpation, der demnach zum Übergang in die ver- fassong dos
fassungsmäfsige Bahn einer Legitimation bedurfte. Er selbst hat Verhältnis zum
eine solche nicht erbeten, aber der Senat hatte dieselbe, noch ehe
der Usurpator in Rom war, gegeben^), so dafs letzterer, als er
bei und nach seinem Einzug in Rom in Verkehr mit dem Senat
trat^ schon anerkannt war. In der ersten Senatssitzung, die er
Poseideon ("» Nov./Dez.) gefeiert wird. Die drei AugusU zusanamen (ab-
gekürzt Äuggg.) z. B. Henzen d. 6498.
1) Vit Sev. 11: tandem sentüü caput imperare non pedes (Wort an
die za Gunsten des Caracalla meuterischen Soldaten).
2) Dio 76, 15: (Wort des Severus an den ihn gefährdenden Caracalla)
naqicxrpui aoi Jlecntifucvog 6 ina^%og m dvifccccci %sXsvaai tva (is i^Sffyaaritat *
Maiftmg yaQ nov näv xo ubIsvo^Iv vno aov ats nctl avtonQaroQog ovtog
3) Dio 78, 17: (Auf das Referat des Konsuls Silius Messala) tov te
'lovltavov d'dvatov narsrpritpiadiifd'a %cel tov 2bovtjqov avtonQaroQa mvofia-
9a^iv. Darauf folgte die Deputation an Sev. nach Interamna vit. 6.
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hielt; liefs er sich zur EntschuldiguDg der Usurpation herbei
und machte angesichts der Schwierigkeiten, die er noch vor sich
hatte, den Senatoren das Zugeständnis, dafs er ihnen den Eid
leistete, nie einen von ihnen zum Tod bringen zu lassen.*)
Während des Kriegs mit Niger waren die thatkräftigen unter
dessen senatorischen Anhängern im Felde, die des Albinus durch
dessen Frieden mit Seyerus gebunden, und als letztere ihren
Prätendenten veranlafsten, mit Severus zu brechen, konnten sie
in Rom selbst den Senat nicht zu offener Erklärung bringen,
sondern mufsten, soweit sie offene Parteinahme wagten, zum
britannischen Heere gehen. Es war aber im Senat immerhin
genug für Albinus geschehen, um den Severus zur Bache zu be-
wegen, und jener Eid wurde nunmehr so verletzt, dafs fQr den
Senat die Zeiten wiederkehrten, in denen die personliche Sicher-
heit der Mitglieder nur auf der Gunst des Kaisers beruhte und
die Delatoren wieder freies Spiel hatten.^) Und nun kam auch
die Tendenz zur Geltung, die Reichsregierung mit dem Geist
kaiserlicher Alleinherrschaft zu durchdringen. Der Senat bleibt
noch äufserlich in seinen Befugnissen: er ist noch eine Behörde,
die Recht macht ^), er hat noch seine Provinzen, die Magistrats-
wahlen werden noch in seinem Schofse vorgenommen und der
Senat teilt mit dem Kaiser das Recht der Bestellung, allein das
Übergewicht des letzteren ist in allem überwiegend: die oratio
principis allein macht in allen wichtigen Dingen das vom Senat
ausgehende Recht"^), und das Verfahren bei der Beamtenbestellung
steht so sehr unter dem Einflufs des Princeps, daCs dieser als
der eigentlich auswählende erscheint.^) Aber der Kaiser regiert
1) Vit. Sev. 7, 4: in curia reddidit rationem suscepti imperii causaiia-
que est, quod ad se occidendum Iidianus noios ducum caedibus misis9ä;
fieri etiam s. c. coegit, ne liceret imperatore inconsulto senatu ocddere sena-
torcm. Dio 74, 2: slgeXd'av ovr<og iveavieveato (ilv ola xal ot n^toriv dja^ol
avTOKQatOQSg TtQog rifiäg mg ovSiva rmv ßovXsvtmv dnonTBivri %al mfi09f
nsffl tovtov n. s. w. , was dann als 8. c. möglichst befestigt werden sollte.
2) Dio 75, 8 (Exekutionen von 197), besonders aber die Ersah-
langen 76, 7 f.
3) Dig. 1; 3, 9 (aas Ulpian): tion ambigitiir senatum ius facere posse,
4) Beispiele von solchen orationes des Severus fragm. Vat. 158.
Dig. 27, 9, 1.
5) Vit. Alb. 3, 6: (Severus) homo in legendis magisiroHhus diUgens;
andere Stellen bei Mommsen Sir. 2, 881 A. 4 z. B. Dig. 48, 14, 1: ad
curam principis magistratuum creatio pertinet, non ad popidi favorem,
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allerdiugs nicht mit rein person lieber Willkör, er ist in seinen
Handlungen gebunden durcb den Zusammenbang eines Reebts-
staats ^) und durcb das Institut des Beirats, welcber der Senat sein
kann wenn der Kaiser will, regelmäfsig aber, wäbrend die Politik
im böcbsten Sinn yom Kaiser allein ausgebt, für Geriebt und
Verwaltung vertreten ist in dem Konsilium des Kaisers. Dieses
aber bat seine Spitze scbon Torber und erbält sie jetzt mebr
als je in der Präfektur des Prätoriums, welche nun auch die
Spitze der ganzen Verwaltung bildet.
6. Der grofse Einflufs dieser letzteren Stellung äufsert sich nie Garde-
••ii« • li» i -r» 1 Tk»«rii i^-ni» prifektur und
zunächst m einer bestimmten Person, dem Praiekten C. Fulvius ihre iuh»ber.
Plautianus. Dieser Mann, in den Augen des Senats ein zweiter Pspinian.
Sejan, besafs Ton Anfang an das höchste Vertrauen des Kaisers,
dessen Landsmann und Jugendgenosse er war, und erscheint um
dieselbe Zeit, in welcber dieser seine Söhne zur Regierung heran-
zog, zu einem allgewaltigen Einflufs erhoben. Schwiegervater
des Caracalla gegen dessen Willen, in Feindschaft mit der Ge-
mahlin des Kaisers, Gegenstand des allgemeinen Hasses wird er
zwar einen Augenblick gestürzt, aber nur um wieder zu noch
höheren Ehren zu gelangen, bis es endlich dem Caracalla im
J. 205 geUngt, ihn zum Tode zu bringen. Er wurde gegen die
bisherigen Vorgänge zur höchsten senatorischen Würde erhoben
durch Erteilung zuerst der konsularischen Ehrenzeichen — dies
war aber auch schon anderen zu teil geworden — , dann eines wirk-
lichen Konsulats, das gegen die Ordnung von jenen Ehrenzeichen aus
als zweites gerechnet wurde. Dafs Plautianus ein gewalttbätiger
und habsüchtiger Günstling war, wird wohl nicht erfunden sein,
zum Teil aber mag bei den Urteilen, die wir über ihn haben,
der Hafs der Senatoren, die sich vor ihm beugen mufsten und
denen gegenüber er die senatsfeindlicbe Seite der Politik des
Severus vertrat, in der Übertreibung eine Rolle spielen; jeden-
falls ist kaum anzunehmen, dafs ein Mann wie Kaiser Severus
einem untüchtigen Menschen solches Vertrauen geschenkt hätte;
er wird in ihm einen im Krieg wie in der Civil Verwaltung ge-
eigneten und seinen Absiebten entsprechenden Gehilfen gefunden
haben. Trotzdem bleibt es psychologisches Rätsel, dafs ein
energischer und durcb eigene Kraft und Einsicht ausgezeichneter
1) Instit. 2, 17, 8: Lieet^ if%quiunt (divi Severus et Äntoninua), legibus
soluU 8umu8^ cUtamen legibus vivirnus. /^^^/^T^
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Herrscher in dem Mafse^ wie es der Fall gewesen sein mufs^
Yon einem Günstling sich beherrschen liefs, und es genügt daf&r
auch nicht das Motiy, dafs er in ihm eine Stütze für die Zukunft
seiner Söhne sah, da eine so selbständig gestellte Macht f&r
eine blofse Stütze gar zu bedenklich stark war.^) — Die grolse
Stellung der Gardepräfektur überhaupt aber hing nicht an dieser
persönlichen Bevorzugung eines einzelnen Präfekten; denn der
Nachfolger des Plautianus, der grofse Jurist Papinianus, bildete
ebenfalls die Spitze der ßeichsverwaltung, wohl auch in freund-
schaftlicher Stellung zum Kaiser, aber nicht als Günstling. Ja
gerade die Bedeutung dieses trefflichen Mannes ist geeignet^ den
Umschwung in der Ordnung der Dinge zu yergegenwärtigeB.
Der militärische Charakter des Präfekten kommt bei ihm und
den anderen berühmten Juristen, die nach ihm in dieser Stellung
waren, für die Auktorität desselben auch jetzt noch in Betracht,
aber in den Funktionen tritt sie zurück; diese können von einem
zweiten Präfekten und den Offizieren besorgt werden. Das eigent-
liche Gebiet der leitenden Stellung ist die Yerwaltungsfunktion
in dem eigenen Kessort des Amts, der jetzt übrigens auch er-
weitert ist, und die Bedeutung im Konsilium des Kaisers ab
erster Ratgeber und StelWertreter desselben. Eben in der Person
Papinians ist diese Stellung die Spitze nicht einer militärischen,
sondern juristischen Yerwaltungslauf bahn^), und damit vertritt sie
nicht nur die ritterliche Carriere gegenüber der senatorischen,
sondern auch innerhalb der ritterlichen eine besondere bürger-
liche; in der Regierung aber vertritt sie die Jurisprudenz, in
1) Über PlautianuB Dio 76, 14—76, 7. Dio ist der getreue Interpret
der StimmnDg des Senats. Herod. 3, 10, 5—12, 12. Vit Sev. 6, 10:
(Severus) Plautianum ad occupandos Nigri libros misit, also schon im J. 193.
14, 5 ff. Inschriften: Wilm. 985. 986 (beide aus dem J. 202). 1500 (aus 20S).
Er heilst (n. 986) darin darissimm vir, pontifex^ fwhäissimus praef, praä.,
necessarius Äugustorum et comes per omnes expeditiones eorum; pro boIuU
eiu8 wird (n. 985) geweiht zugleich mit der Weihung für den Kaiser und
er wird zur domus divina gerechnet, cos, II heifst er 203 (n. 1500).
Summarische Übersicht über seine Laufbahn bei Hirschfeld Verwaltungsgesch.
S. 230 n. 58. Dieser vermutet, dals Plautian in seiner letzten 2^it alleiniger
Pr&fekt war.
2) Über Papinian, seine enge Freundschaft mit Severus und Verwandt-
schaft vit. Carac. 8^ 2; er heifat vit. Sev. 21, 8 iuris asylum ei dodrinae
legdlis thesaums^ über seine Stellung in der Reihe der Präfekten Hirschfeld
a. a. 0. S. 231 n. 61; sonst Kariowa, Rechtsgeschichte 1,^ 735 f. — Die
näheren Belege über die Kompetenz des Gardepräfekten^. im Sptem.
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indiffereDten Dingen im Dienste der Wissenschaft und des ge-
ordneten Geschäftsgangs sowie der guten Tradition, häufig auch
der Humanität, in politischen Fragen aber im Dienste der kaiser-
lichen Seite der Gewalt, d. h. eben jener Autokratie des Kaisers.
In der Lehre von den Rechtsquellen und der Staatsgewalt wird
die Überlieferung über Senat und Volk stehen gelassen und vor-
getragen, dafs der Kaiser seine Gewalt yom Volk hat, allein das
ist eine för die Gegenwart gleichgültige Antiquität, wertvoll
für Aufrechterhaltung der Überlieferung und das Verständnis des
Rechts, aber das aktuelle Interesse und die Fortbildung des
Reichs beruht nicht etwa auf der communis respüblica, auf weiteren
Yolksgesetzen oder auf dem Zusammenhang des Princeps mit
Senat und Volk, sondern in dem, was legis vigorem habety in den
eigenen Verfügungen des Princeps. Dieser ist jetzt einfach rex,
ßaeiXevg] das Gesetz, durch das ihm das Imperium übertragen
wird, ist dem ülpian eine lex regia.^) Eben die aus dem Orient
stammenden Juristen, wie Papinian und Ulpian^ und Senatoren
ilerselben Herkunft fanden in den Traditionen ihrer Heimat An-
knüpfung genug, um das romische Cäsarenthum in dem Licht
eines Königtums zu sehen. Und diese Juristen nahmen keinen
Anstand, den Majestätsprozefs in der Weise zu stützen, dafs sie
es als selbstverständliches Recht vortragen ^ dafs in ihm keine
Würde vor der Folter schütze.^) — Diese neue Theorie ist denn
auch nach orientalischen Vorbildern begleitet von immer ge-
steigerten Formen der kaiserlichen Titulatur, die schon von der
Mitte des zweiten Jahrhunderts an sich vom Publikum aus geltend
machen, jetzt aber immer mehr offiziell werden. Und den kaiser-
lichen Ehrentiteln folgen dann auch in entsprechender Entfernung
solche des Senats und der Grade des ritterlichen Beamtenstandes,
bei welch letzterem sie mit der Stufenfolge und Zusammenfassung
unter der Gardepräfektur zusammenhängen.^)
7. Bei aller Fürsorge für die bürgerliche Verwaltung stand
dem Kaiser doch in erster Linie die Erhaltung eines zuverlässigen
Das Hee
1) Vgl. die Digestentitel I. 3, 4, speciell l, 4, 1 (ans Ulpians In-
BÜtationen): Quod principi placuitf legis habet vigorem, utpoU cum lege regia^
quae de imperio eius lata est, populw ei et in eum omne suum Imperium et
potestatem conferat.
2) Paulus seDt. 6, 29, 2: iäeo cum de eo (so. crimine maiestatis) quae-
rüur^ nuUa dignitas a tormentis excipitur.
3) Näheres hierüber im System. ^ j
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— 460 —
Heers. Er endlich machte hinsichtlich der Zahl der Legionen
einen kräftigeren Fortschritt als irgend einer seiner Vor^nger,
indem er nach den Partherkriegen drei neue, die drei parthischeD
errichtete«^) In der Behandlung des Soldatenstandes ging er mit
Gunstbezeugungen bis an die äufserste Grenze. Nicht nur waren
die Geschenke, die er den Truppen bei verschiedenen Gelegen-
heiten gab, wie übrigens auch die an die Stadtbevölkerung, von
enormer Hohe'), sondern es wurde den Soldaten auch sonst in
vielen Beziehungen bedeutende Besserstellung zu teil, Erhöhung
des Soldes, Erlaubnis goldene Ringe zu tragen auch fÖr die
Gemeinen, Bewilligung des Zusammenwohnens mit Weibern aoiker-
halb des Lagers^), so dafs dieses nicht mehr die eigentliche
Heimat, sondern nur mehr der Übungsplatz und die Festung
war, die schönere Ausrüstung der Lager und Ausführung von
mancherlei nützlichen Bauten in denselben^), Privilegien der
Veteranen in ihrer bürgerlichen Stellung'^) u. A. Namentlich
aber wurde die Offizierslaufbahn anders geordnet: die Kluft
zwischen dem Centurionat und den Stabsoffiziersstellen (müitiae
equestres) schwand, indem ersterem Bitterrang gegeben und damit
1) Dio bei der Geschichte der Legionen, die er 56, 23 f. giebt, c. 24:
SBOvrJQog ta JTa^txa {avvha^e\ x6 ts ngmtov x«l to xqCxov xa h Meto-
noxuyki(f xal xo 9icc fiiöov x6 dsvxsQOv x6 iv xfj 'ixalia.
2) Z. ß. bei der Feier der Decennalia, des zehnjährigen Regiemngs-
jabiläums Dio 76, 1: idoaQriOaxo xm o/li^Xad navxl xm aixoSoxovfiivo} nocl xoig
axQaxuaxctig xoiq doQvtpoqoig IfSaqC^iaovg xotg tfjs riyBfiowias ixB6i xqvstmg^
i(p' otg xal iiiytöxov rjydXkexo' %al yctQ mg dXrj^KS ovdslg nmnoxs zoaovxow
avxois dd'Qooig iSsdmxet. VgL in der Gongiarienznsammenstellnng bei
Marquardt, röm. Staatsverw. 2', S. 139 die Summe des Severaa mit den
andern. Herodian 3, 8, 4.
8) Herod. 3, 8, 6: to aixrjQiaiov ngmxog rjv^jjaeif (xo^g axgaxuoxaig) ntd
öayLxvXioig ^pvffori? zgi^caed-ai inixgs^s yvfcri|/ xb ewoixBiv. Über die Be-
dentnng dieses letzteren Zugeständnisses vgl. Mommsen in corp. i. 1. 3
p. 908 nnd G. Wilmanns in Commentat. Mommsenian. S. 200 ff. — Diese
Vergünstigung läfst Herodian nach dem Sturz des Albinus eintreten.
4) Dies zeigt besonders deutlich das Lager von Lambäsis in Afrika;
vgl. G. Wilmanns a. a. 0.
5) Digest. 50, 6, 7: -4 muneribus, quae non patrimomis indicuntur^
veterani post optimi noatri Severi Äugusli liUeras perpetuo excusaiUw, —
Überhaupt findet sich von jetzt an stetige Fürsorge, dafe das Militär in
seinen bürgerlichen Rechtsverhältnissen Bevorzugung ge?nnne oder wenig-
stens nicht zu schaden komme, wie denn z. B. das benefidum inventarii
unter Gordian III zuerst den Soldaten zu teil wird (Cod. Just. 6, 30, 22),
sie vor den Nachteilen der ignorantia iuris gewahrt we;»|en u. A.
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auch das Avancement zu den höheren OfBziersstellen und von
diesen aus in die höhere bürgerliche Verwaltungscarriere eröflfnet
wurde, und infolge davon war, da die Möglichkeit von unten auf
zum Centuriouat zu gelangen, nicht ausgeschlossen war, das
Aufsteigen vom Gemeinen zum höheren Offizier erleichtert^)
Dies macht sich denn auch im Lauf des dritten Jahrhunderts
bis zu der höchsten Stelle des Imperators selbst hinauf geltend.
Von einschneidendster Bedeutung aber war, dafs eine der drei
neuen Legionen in die Nähe von Rom, in ein Lager am Albaner-
berg verlegt wurde.*) Damit war nicht blofs die militärische
Macht^ die dem Kaiser in Italien jeden Augenblick zu Gebot
stand, sehr wesentlich verstärkt, der Kaiser persönlich gesicherter
und militärisch aktionsfähiger, sondern er wurde auch zugleich
weniger abhängig von der Garde, sofern sie nicht mehr die
einzige Truppe zu seinem unmittelbaren Schutz war, und endlich
wurde ein weiterer Unterschied zwischen Italien und den Provinzen
aufgehoben. Aber gerade hier trat noch mehr als bei der neuen
Formation der Garde das fQr Italien ungünstige Moment hervor.
Allerdings wurde auch Italien dadurch verteidigungsfähiger, aber
in viel besserer Weise wäre dies geschehen, wenn zu gleicher
Zeit die Italiker zu regelmäfsigem Dienst herangezogen worden
wären. Nachdem auch diese Gelegenheit in letzterer Hinsicht
zu reformieren versäumt war, konnte sie nicht leicht mehr mit
Erfolg versucht werden. — In Verbindung mit den militärischen
Vorkehrungen zum Schutz der Hauptstadt und des Kaisers stand
auch der Bau einer zweiten Gardekaserne in Rom, deren genauere
Bestimmung jedoch nicht bekannt ist.') Unter den Zeitgenossen
1) Es ist dies aus den epigraphiachen Beispielen von der Militär! anf-
bahn zu entnehmen; vgl. L. Renier, milangea d* ipigr, 203 ff. Hirschfeld,
Verwaltnngflgesch. 1, 248 ff. Liebenam, Verwalinngsgesch. 1, 112 ff., wo-
selbst auch Einzelbelege und die Zeugnisse füir den Übergang von den
OfQüersstellen in den Verwaltnngsdienst. — Andere Änderungen in der
Ordnung des Dienstes und der Offiziersstellen sind von speziell militärischem
Charakter, wenn sie auch einen gewissen Zusammenhang mit den Unter-
schieden der Stände haben.
2) Ob. 460 A. 1. Die Inschriften vom Lagerplatz dieser Legion beim
Albanerberg in Corp. inscr. lat. 6 p. 762—796. Henzen in cmncäi delV inst.
1867 p. 7S ff. Vgl. über die Vermehrung der Militärmacht in Rom und
Umgebung Herod. 3, 13, 4.
3) Corp. inscr. 1. 3, p. 893. LL Z. 6 f.; equitibus, qui inter singulares
miliiaver(unt) casirh novis Severianis, wobei es aber nur Vermutung ist,
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läfst sich das Urteil yernehmen, Seyerus sei mit all dem, wm
er den Soldaten angedeihen liefs, ein Zerstörer der alten romisdien
Heereszucht gewesen^), und wenn auch dagegen wieder andere
Zeugnisse angefahrt werden können, die ihm Strenge nachrühmen,
so kann doch kein Zweifel darüber sein, dafs schon die groCfien
Schenkungen, welche der Kaiser den Soldaten zukommen liefs,
und das sichtliche Bemühen um ihre Anhänglichkeit^) ihnen ein
Selbsi^efühl geben mufste, bei dem der Gehorsam nur auf Gegen-
leistungen hin gewährt wurde.
Für sich selbst hatte Seyerus wohl ein derartiges Verfahren
kaum nötig; denn er wäre der Mann gewesen, sich den Gehor-
sam der Soldaten durch seine Auktorität als Imperator und sieg-
reicher Feldherr zu erhalten; aber es war teils der Gegensati
gegen den Senat, teils die Sicherung seiner Dynastie, was ihn
dazu yeranlafste, geradezu die Gunst der Soldaten zu suchen.
Das erstere Gefühl hat ihm das Wort eingegeben, das er seinen
Söhnen als Testament hinterliefs, sie sollen die Soldaten bereichem,
sonst aber um niemanden sich kümmern'): es ist dieselbe
dafs der Beiname dieser Kaserne der eq. sing, von Septimins Seyenu her-
komme. Henzen nimmt aun. dell' inst. 1850 p. 33 damit zosammeo, daCi
es bei Herod. 3, 13, 4 heifst: Trjg rt iv ^Ptofiy dvvdfismg avtijs xstQania-
ciaa^Bloriq und schreibt dem Severns auch die casira peregrina zu.
1) Herodiau 3, 8, 6: (das den Soldaten bewilligte) anavta amipQoavviis
ötqatimtinfjg xal xov iiQog xov noXsfiov stoifiov xb xofl ivaxctXovg aXXoxQUt
ivofU^eto' 'nal ngatog ys i%£ivog x6 Tcecvv avxmv if(t»fiUvov nal xb ffxlijpo«
xijg duiixrjg x6 xs avnsid'lg nQog xovg novovg xal svx€c%xov ftsx' aldovg
TCQog ctQxovxag inavixQS^e XQ^f'^''^^ ^^ ini^iicCv dtSd^ag %al {t^xayaymv
ig x6 äßgodianov, Dio 78, 36 (Schreiben des Macrinus an den Senat):
tva ys xig äXXa oca nagd xs xov £sovijqov %al xov vtsog avxov nQog dur-
tpoQdv xijg d%Qißovg axgaxsiag svqtivxo na^aX^nj^. — Wenn dem gegenüber
derselbe Macrinus vit. Macr. 12, 1 heifst, incusans superiorum tempomm
disciplinam ac solum Severum prae ceteris laudans, wenn Dio 78, 28 die
unter Severus den Soldaten gemachten Bewilligungen noch als m&Tsig er-
scheinen gegenüber dem was nachher gekommen war, wenn strenge Militär-
gesetze von ihm erwähnt werden, (Dig. 49, 13, 16, 6) so sind dies keine
Widersprüche, sondern es zeigt sich nur, dafs die Politik den Sieg davon
trug über das, was die Sachkenntnis verlangte.
2) Dahin gehört auch, dafs er nach dem Beispiel des Triumvirs An-
tonius die Namen der Legionen auf seine Münzen setzte. Vgl. Cohen 4
Sev. 255—278, wobei bezeichnend ist, welche Legionen dieser Ehre würdig
erachtet wurden und welche nicht.
3) Dio 76, 15: oftopostxSy xovg axgaxuixag nXovxCtsxs, xmv iXlt9P itdr-
xav %axtttpQOveite.
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absolute Rücksichtslosigkeit, die er seit 197 dem Senat gegen-
über bewiesen hatte, und mit der er allem ruhig zugesehen, was
Plautianus sich jenem gegenüber erlaubt hatte. Im Senat wollte
er keine Stütze haben und andere Rücksichten als die auf die
Erhaltung des Imperiums, wie er es für sich und sein Haus
wollte, kannte er nicht: dieses sollte den Soldaten allein anver-
traut werden. Darum war er auch, wo es sich um deren An-
hänglichkeit handelte, wie das Schicksal des Latus (ob. S. 453
A« 1) zeigte, schonungslos eifersüchtig, wozu dann freilich einen
schreienden Kontrast bildete, dafs gerade in der Gunst der Sol-
daten der Sohn ihn zu yerdrängen suchte. ^) Im Gaqzen erreichte
der Kaiser wohl, dafs die Truppen an sein Haus anhänglich
blieben, aber die Mittel, durch welche dies erzielt wurde, hatte
das Reich und hatte bald diese Dynastie selbst schwer zu büfsen.
8. Der Grund, weshalb die früheren Kaiser die Vermehrung Pinan«-
VGPWftlttlOCf
der Legionen so sehr gescheut hatten, war in den grofsen Kosten
gelegen gewesen. Bei Severus war es, als ob solche Bedenken
nicht mehr in Betracht kämen, er hatte die Mittel dazu, wahrte
einen befriedigenden Stand der Finanzen während einer Zeit, die
an Ausgaben für öffentliche Vergnügungen und öffentliche Arbeiten
überreich war und hinterliefs einen bedeutenden Schatz neben
dem, daüs er für das Privatyermögen der eigenen Familie in
einer Weise sorgte, wie nie ein Kaiser vor ihm.^) Es fragt sich,
wie er diese Erfolge erzielte.
Unter den Quellen, aus denen jene reichen Mittel zusammen-
flössen, spielten die nach den Siegen über Niger und Albinus
ungemein zahlreichen Konfiskationen in Rom, Italien und allen
beteiligten Provinzen die erste Rolle. Dafs mit deren Ertrag
die Lasten der Bürgerkriege und die unmittelbaren Bedürfnisse
der neuen Regierung bestritten wurden, versteht sich von selbst,
aber Severus hatte nicht im Sinne, in der Art des ersten Au-
gustus mit dem, was er hier erübrigte, dem Reiche überall da
auszuhelfen, wo die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichten,
und als Kehrseite des kaiserlichen Verfügungsrechts über die
1) Vit Sev. 18, 9. Herod. 3, 16, 1. Dio 76, 14, wobei die Anfaerung
Dies: tots (piXoTSTivog (mcXXov ^ (ptXonoXig iyivsto.
2) Dio 76, 16: ndfinlstata danavrjßag ofioag ovx fvaQid'firiTOvg tivag
fiVQUxSag ägaxficiv nccxaXiXontsv dXXä xal ndvv noXXdg. Vit. Sev. 12, 3:
fiiiis suis ex heu; proscriptiane tantum reliquit quantum nulhAS imperatorum.
Herod. 3, 13, 4. 16, 3: xQi^fiata 7iataXin(ov oaa (iriSslg noinots.
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Reichsmittel eine EhrenyerpäichtuDg anzuerkennen, mit dem ein-
zutreten, was er Eigenes nennen konnte; er verfuhr vielmehr in
entgegengesetztem Sinn, unmittelbar im Anschlufs an die Er-
wähnung jener grofsen aufserordentlichen Einnahmequelle der
Konfiskationen wird berichtet, dafs er ein Hausgut mit besonderer
Verwaltung einrichtete.^) In erster Linie also sollte das neue
kaiserliche Haus finanziell sicher gestellt werden. Bisher hatte
es ein Kaiservermögen gegeben, welches von einem Prineeps auf
den andern überging, nicht etwa bloCs von Vater auf Sohn,
sondern im Allgemeinen von Principat zu Principat (jpo^'^notiMiiii
principis)] dieses wurde jetzt auch noch beibehalten und diente
dem Kaiser wie früher filr seine Stellung und für Reichszwecke,
aber es sollte jetzt abgeschlossen sein. Was demselben früher
zugeflossen war, sollte zusammen mit dem Ertrag jener Konfis-
kationen und Strafen ein Hausvermogen der kaiserlichen FamiUe
(res privata) bilden und bestimmt sein, ihr für alle Fälle die
Mittel zu sichern, um sich im Imperium zu erhalten; denn dafs
mit der durch Geld erkauften Treue der Soldaten und etwa auch
des hauptstädtischen Volkes die Sicherheit dafür gegeben sei,
war ja das erste und letzte Wort dieser Regierung. Aber de^
selbe Kaiser, der in dieser Weise für sich und seine Familie
sorgte, war doch auch wieder zu eifriger Verwaltungsmann'),
als dafs er nicht auch für einen geordneten Haushalt im Reich
besorgt gewesen wäre, und einen solchen stellte er denn auch
her. Neue aufserordentliche Mittel nun, die dem Fiskus zuge-
flossen wären, sind nicht nachzuweisen. Wenn der Partherkrieg
über die Kriegskosten und die Belohnungen der Soldaten hinaus
noch einen Ertrag gab, so wurde dieser schon durch die Er-
richtung der drei neuen Legionen verschlungen. Bald darauf
gab der Sturz des Plautianus, der seinerseits durch Erpressungen
ungeheure Reichtümer gesammelt haben soll^, diese allerdings
dem Kaiser, aber ohne Zweifel zu Vermehrung des Hausguts,
1) Vit. Sev. 12, 4: tunc primum privatarum remm procuraüo con-
stüuita est. Näheres Hirschfeld, Yerwaltungsgesch. 1, 41 ff. und ujiten im
System.
2) Vgl. über seine Thätigkeit und Arbeitskraft den Nekrolog hei Dio
76, 16 f. und Herod. 3, 10, 2: hmv ov% oXiymv h rij^PciiiTi diitffi^s dindiw
ts avvexois xffl tct noXirma dtotnmp.
8) Vgl. die Inschr. eines procurator ad b(ma Plautiani^ d. h. wohl
(mit Duruy 6, 104 A. 2) eines proc. ad bona damnatarum c. i. 1. 3, 1464.
Henzen 6920. Wilmanns 1277. ^
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Kumal da der Mitkaiser Eidam des Gestürzten war, und ebenso flössen
die Konfiskationen bei den zahlreichen fernerhin noch folgenden
Exekutionen letzterem zu, ebenso der grofse Posten der dem Kaiser
gemachten Vermächtnisse.^) -Eine Reform der Steuern ist nicht
nachzuweisen; auch wagte man noch nicht, Italien in derselben
Weise wie die Provinzen zu besteuern. Die Mittel können also
nur aus einer strengeren Verwaltung der bisherigen Steuerquellen
geflossen sein, und darauf fQhren auch einige Spuren. Die Ein-
richtung der Fiskaladvokaten wurde zu sicherer Beibringung der
Forderungen des Fiskus auf eine gröfsere Anzahl von Steuer-
verwaltungen ausgedehnt, da und dort neue Stellen geschaffen,
in der hauptstadtischen Verwaltung mit dem Erfolg einer spar-
sameren Wirtschaft Senatsbeamte durch kaiserliche ersetzt,
und namentlich mochte strammere Konzentration der ganzen
Seite des kaiserlichen Dienstes dazu dienen, bessere Resultate zu
erzielen.^ In das Detail dieser Organisation sehen wir nicht
genügend hinein, aber aus ihren Wirkungen können wir auf den
durchgreifenden Charakter schliefsen.
Die Gegner des Kaisers sahen darin nur Habsucht und
brutal vernichtende Ausbeutung der durch Bürgerkriege gewonne-
nen Macht ^), und wer wird leugnen, dafs unter dem so ergiebigen
Strafverfahren des Kaisers selbst und unter dem herrschenden
£influ£s Plautians viel produktives Leben fär die Zukunft zerstört
wurde; aber ebenso wenig ist in Abrede zu ziehen, dafs eine
sorgfaltigere Verwaltung selbst ohne anderweitige Einrichtung
der Steuerquellen bessere Erträge schaffen konnte; es bedurfte
dazu nur eines Herrschers, der eben hierfür Sinn, Verständnis
und Energie hatte. Die an Gehorsam gewöhnten Provinzen
liefsen jedenfalls die geschärfte Steuerpolitik ohne Widerstand über
sich ergehen, hatten sie doch andererseits durch die wiederher-
1) Instit Josi 2, 17, 8 wird zwar von ihm anerkannt, dafa er Ver-
mächtnisse, die nicht rechtlich korrekt waren, nicht annahm, aber die an-
standslos zufallenden waren bei allen Kaisern bedeutend genng.
2) Hirsohfeld, Verwaltangsgesch. an Terschiedenen Stellen, nach in-
schriftlichen Zengnissen.
8) Dio 74, 8: iiQyvqol6yriat istvmg — ija^dveto ftfv nov xal avrog
rovTO, icoXXAp dl dri xQtifuiTmif %Qijimv iv ovSsvl laym ta ^QvXoviispce inoi-
ffTO. Herod. 3, 8, 7: navtag tovg i^fxovxag tote trjg cvynliitov f^ovXrjg
%ai rovg x€c%a i^vtj nlovtm rj yivBi 'hnsgixovtctg dtpeidmg dqnJQBi — vnsg-
ßallovarig iv avta (ptlo%Qrificctücg' ovSelg yovv ßaailiav ovtoi xQVP^dtmv
Hersog, d. röm. StaaUverf. U. 1. 30gitized by VjOOQIC
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gestellte Rahe und die nach den Bürgerkriegen hoch^fc notwendige
unter Sevenis geübte Polizei einen Gegenwert.*) Dafs Severus den
Unterschied zwischen Ararium und Fiskus aufhob, kann nicht
angenommen werden, da derselbe nachher noch bestand. Er wird
dem Ärarium wohl auch, was damals allein noch eine bedeutendere
Einnahmequelle desselben bildete, die Einkünfte aus den Senats-
proyinzen überlassen haben; es wäre wenigstens kaum anzunehmen,
dafs, wenn in dieser Zeit hier eine Veränderung eingetreten wäre,
dies bei Dio nicht erwähnt und so hervorgehoben worden wäre,
dafs in den Auszügen etwas davon stände« Jene Einkünfte
werden aber auch über die Yerwaltungskosten nicht viel in die
Kasse gebracht haben, und was so erübrigt wurde, konnte in
althergebrachten Senatsauf gaben sofort seine Verwendung finden ;
dafs aber die Steuerkraft der Senatsproyinzen auch dem Fiskiu
zu gute komme, dafür war durch andere Steuern gesorgt
Zu der neuen Verwaltung gehörte auch, dafs die G^etreide-
verwaltung Roms mit möglichst weitreichender Sicherheit organi-
siert und die Reichspost in den Provinzen ebenso, wie bisher
schon in Italien, vom Reiche übernommen wurde. In ersterer
Beziehung sollte für genügende Vorräte in Rom durch ein auf
7 Jahre voraus berechnetes System gesorgt sein*), eine Mafsregel,
in welcher freilich das System der von oben her besorgten Er-
nährung der Hauptstadt auf die Spitze getrieben war und die,
auch wenn man sie mit romischen Augen ansieht, mit der darin
liegenden Fesselung von Produktion und Handel ebensoviele
1) Für die nnsicheren Verhältnisse, welche in Italien und den Pro-
vinzen entstanden waren, sind bezeichnend die Erzählungen von dem italischen
Räuber Bulla, Dio 76, 10, und dem Freibeuter Numerianus, einem früheren
Schulmeister, der in Gallien für Severus auf eigene Faust kämpfte 75, 5.
Von jenem Bulla sagt Dio, dafs er iX'^S^to triv 'ixaUav inl itri Svo wt^o^
tmv filv tmv avTonQaxoQonv naQovtatv 9h nal tfTparioiriov xocovxmv. An
Energie gegen das Räuberwesen liefs es im Allgemeinen Sevems nicht
fehlen, vgl. vit. 18, 6: latrontim übique fiostis.
2) Sev. 23, 2: moriens Septem annorutn canonem üa ut cotUdiana aeptma-
ginta guinque milia medium expmdi possent, rüiguü; olei vero tantmn vi
per quinqitennium non solum tirbis tmbus sed et totius Itäliae quae oUo e§ä
sufficeret. c. 8, 5: rei frwnentariae^ quam minimam reppereratf üa eotuuMt^
ut excedens vüa Septem (nmorum canonem poptUo B, reiinqueret. Nach vü
Heliog. 27 war dieser canon unter Elagabal noch eingehalten. Vgl. über
denselben Hirsohfeld in Philol. 29, 24 f. An Aufstapelung von Vorrftten,
die nicht Jahre lang haltbar waren, ist hier nicht zu denken ^ sondeim für
diese Art an ein System regelmtlfsiger gesicherter Beschafiung.
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Nachteile als Nutzen gebracht haben mag. Ob dabei, wenn
dieser ^Eanon^^ einmal im Gange war und regelmäfsig funk-
tionierte bei gleichzeitigen Yerändernngen in der VerwaltuDg,
Ersparnis oder Mehrausgabe herauskam , läfst sich nicht sagen.
Die andere Mafsregel wird als eine Wohlthat, welche der Be-
völkerung erwiesen wurde, gerühmt, und sie wäre es in hohem
Grade gewesen, wenn wirklich die Kosten der Beichspost ganz
auf den Fiskus abgewälzt worden wären. ^) Allein es ist inner-
lich unwahrscheinlich, dafs die Beichskasse neben den vermehrten
Kosten für die Armee auch hierzu noch ausgereicht hätte, und
Leistungen der Provinzialen für diesen Dienst werden auch später
noch erwähnt. In gewisser Beziehung ist diese Notiz sicher richtig;
wir wissen nur nicht zu sagen in welcher, ob die Erleichterung
in erweiterter Übernahme des persönlichen Verwaltungsapparats
oder der SachbeschafiFun^ bestand oder worin sonst
Der Gesamterfolg der Finanzpolitik des Kaisers würde uns
klarer vor Augen liegen, wenn ähnliche Regierungen gefolgt
wären. Aber die regelmälsige Funktion wurde auch hier da-
durch aufgehalten, dafs zuerst wieder die reine Willkür und dann
eine andere Tendenz folgte. Die Prinzipien der Organisation
aber blieben, wirkten fort und fanden Ihre Vollendung in dem
diokletianisch-konstantinischen System.
9. In der sonstigen Verwaltung erfreuten sich die Provinzen ProvinBiai-
jedenfalls gröfserer Fürsorge als Italien. Dem Severus war der
Unterschied zwischen diesen beiden Beichsteilen veraltet und
um so mehr zuwider, als an demselben die Bedeutung des
Senats hing. Daher wurde immer mehr zu Ungunsten Italiens
ausgeglichen. Der Kaiser führt nunmehr auch in Italien die
prokonsularische Gewalt im Titel und bezeichnet damit auch
dieses Land als derselben unterthan, nicht sowohl um daraus
neue Gewalt zu schöpfen oder ausrichten zu können, was er bis-
her nicht gekonnt, sondern um es in einer Weise und von einem
Recht aus zu thun, das demonstrativ war.^) Im übrigen hat er
1) Vit. Sev. 14, 2: post haec (d. h, nach den Exekutionen der An-
bänger des Albinns) cum se vdiet eommendare Jiomintbus^ vehicülarium munua
a privatis ad fiscwn traduxit. Die Anknüpfung dieser Notie des Biographen
zeigt, daCs sein Gewährsmann die Sache nicht als eine wohl überlegte
Malsregel, sondern nur als ein augenblickliches Auskunfis mittel darstellte.
Ans den Inschriften (vgl. Hirsohfeld , Verwaltungsgesch. 1, 99 ff.) läfst sich
kaum etwas hierüber entnehmen.
2) Mommsen, Staatsr. 2, 817: „Diese Beschränkung (das Prokonsulat
3Q)fgitizedby Google
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auch in diesem Verhältnis, wie aus dem bisherigen schon herror-
geht, nicht gründlich geändert, sondern sich auf gewisse Mafs-
regeln beschränkt, die Reorganisation der Garde und die Belegung
mit einer Legion, wahrend andererseits Vorteile, welche bisher
Italien gehabt, nun auch den Provinzen zu gute kamen. Ab-
gesehen von diesem allgemeinen Gesichtspunkt hing die Behand-
lung der Provinzen in der ganzen ersten Hälfte der Regierung
dieses Kaisers mit dem Kampf um das Imperium zusammen.
Sowohl im Orient als in Gallien hat er sich nach dem Sieg über
seine Gegner lange genug aufgehalten, um mit den einzelnen
Provinzen sich eingehender zu beschäftigen und neben den Strafen
und Belohnungen, welche die Folge des Krieges waren, die Ver-
waltung durchzunehmen. Was er hier anordnete und kennen
lernte, bildete die Grundlage seiner Reskripte in der Zeit, in
welcher er die Regierung von Rom au^ führte.
Die Veränderungen nun, welche er in dem äufseren Bestand
der Provinzen vornahm, werden an andrer Stelle erwähnt werden;
hier soll nur im Allgemeinen der fortschreitenden Tendenz gedacht
werden, die Provinzen zu teilen. Wir sind dieser Mafsregel
schon früher bei den Donau pro vinzen begegnet (ob. S. 426); wenn
jetzt Severus Syrien unfl Britannien teilt*), so geht dies bereits
über die Bedeutung vereinzelter Mafsnahmen hinaus und fängt
an Princip zu werden, und dem wird dadurch kein Eintrag ge-
than, dafs vorübergehend die beiden Mauretanien unter Einern
Prokurator stehen.^) Hatte man doch aber auch eben erfahren,
welche Gefahr in so grofsen militärischen Provinzen wie Syrien
titalar nur aufserhalb Italiens zu führen) verschwindet zwar seit Sevenw
aus der gewöhnlichen Titulatur, behauptet sich aber im streng offizielien
Stil bis zum Ausgang des dritten Jahrhunderts." Beispiel einer rOmisdieD
Inschrift mit procos. ist die des Bogens des Severus auf dem Forum c. l
1. 6, 1033, bei der aber der Titel durch die Natur der Sache gerechtfertigt
ist. Auf Münzen findet dies noch nicht Eingang.
1) Hinsichtlich der Teilung Syriens (ohne Palästina) in Syrui Fhoemct
und Syria Coele Tertull. ady. Jud. 9 und die inschriftlichen Belege Boi^e«
oenvr. IV p. 162. VIU p. 431 (Anm. 2 von Waddington); binsiehtlich
Britanniens Herodian 8, 8, 2 vgl. mit Dio 65, 28 (^ B^ttrctpia tj- avm\ die
inschriftlichen Zengnisse Habner in rhein. Mus. 12, 68 f. Corp. i. L 7
praef. p. 4.
2) Vgl. die Inschriften des Cn, Haiu8 Diadumenianna proewraiar
■^uggg. utrarumque Mauretaniarum Tingit. et Caes. und des SeUhuUus
Macrinianus proc, Auggg. utriusque provinciae in corp.J^l. 8 n.|9366. 9371.
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— 469 —
und Britannien vorliege. — Die allgemeinen Grundsätze der Ver-
waltung, wie sie unter Severus ausgegeben wurden^ sehen wir in
den Schriften der gleichzeitigen Juristen über die Obliegenheiten
der Proyinzialbeamten, bei denen wiederholt Erlasse des Kaisers
citiert werden.^) Man darf auch wohl glauben, dafs der Kaiser
auf Einhaltung der Vorschriften hielt, und ein Beispiel zeigt;, dafs
er Vergehen seiner Statthalter streng bestrafte.^) Im Ganzen
wird man wohl annehmen dürfen, dafs die Zeit nach dem Sturz
des Albinus, in der man es nur noch mit Grenzkriegen zu thun
hatte, und namentlich die Periode nach dem Partherkrieg die
Erholung der Provinzen wieder ermöglichte, zumal da Severus
bei Byzanz und Antiochia zeigte, dafs er selbst Städten, welche
die strengste Ahndung getroffen, mit der Zeit wieder aufhelfen
wollte. *) Nur der Verfall des munizipalen Lebens, den die Rechts-
quellen durch die Anordnungen zeigen, die man für die Über-
wachung der städtischen Finanzen, Beschränkung der freien Ver-
fügung über dieselben und die Aufrechthaltung leistungsfähiger
Gemeinderäte treffen mufste, ist unverkennbar, und gerade hier
lag die Wurzel für eine dauernde Wohlfahrt des Reichs.
Unter den Mafsregeln, welche Severus in den Provinzen traf, Krteuung des
spielen wieder die Erteilungen des Koloniecharakters und über-
haupt die Hebung einzelner Städte eine grofsere Rolle. Dies
ergab sich an sich aus den Verhältnissen, da hierin ebensowohl
eine Förderung des städtischen Wesens als eine Belohnung för
geleistete Dienste lag. Aber auch hier begegnen wir einem Zug,
der etwas vorher schon Dagewesenes in gesteigerter Anwendung
zeigt. Schon in früherer Zeit war es vorgekommen, dafs Pro-
vinzialgemeinden als höchstes Privilegium dieselben Rechte hatten,
wie Kolonieen in Italien, und es scheint dafür im Laufe der
Kaiserzeit der Name ^italisches Recht' aufgekommen zu sein.
Wenn nun jetzt Severus in den von ihm bevorzugten Provinzen
Syrien, so weit es ihm sich treu erwiesen, Afrika und Dacien
1) De officio procansulis et legati Dig. 1, 16, hauptsächlich mit Citaten
ans Ulpians Schrift de off. proCy ferner de officio praesidis 1, 18.
2) BestrafiiDg eines Frafekten von Ägypten nach der l Cornelia de
falsis Dig. 48, 10, 1, 4. Spart. Sev. 8, 4: AcctAsatos a provindalibus iudices
probcUis rebus graviter punivit.
8) Vit. Carac. 1, 7: (Caracalla) Antiochensibus et Byzantiis interventu
8U0 iura väusta restituit (unter der Regierung des Severus), quibus iratus
fuü Severus, quod Nigrum iuverant ^ -
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— 470 -
dieses italische Recht reichlich austeilte ^)y so sind das wohl Be-
lohnungen an einzelne und werden ausdrücklich als solche be-
zeichnet, aber zugleich sind es Merkzeichen auf dem Wege, der
zur Gleichstellung der Provinzen mit Italien f&hren solle. Es
konnte in solcher Richtung der Weg nicht weiter verfolgt werden,
da durch die damit verbundene Steuerbefreiung die Provinzial-
einkünfte geschmälert wurden und Ersatz durch gröfsere Belastung
anderer nur bis zu einem gewissen Mafse zu finden war, aber
der Grundsatz allmählich herzustellender Gleichheit war bestärkt
Mit den im Vorstehenden geschilderten Zügen stellt sich
die Regierung des Severus dar als eine mit Bewufstsein refor-
mierende. Dafs Reformen notig waren, lag im Gefühle der Zeit:
auch Pescennius Niger hatte schon unter Commodus diesem ein
Reformprojekt vorgelegt'), und die immer gröfser werdende An-
zahl neuer Männer, die aus den Provinzen in die obersten Reichs-
stände kamen, war für Reformen empfönglicher und zur Mit-
arbeit bereitwilliger. Was Niger gewollt hatte, war auf ein gewi^es
wenn auch wichtiges Gebiet der Verwaltung beschränkt gewesen,
Severus griff voller hinein, und er hat sich den Kreisen, die das
Alte vertraten, schwer fühlbar gemacht, wenn sie auch den viel-
fachen Nutzen, den er mit seiner Thätigkeit brachte, anerkennen
mufsten.^) Ein geniales Eingreifen kann ihm nicht nachgerühmt
werden, aber was er angriff, wufste er mit klarem das ganze
Reich übersehendem Urteil und mit Energie auszuführen. In-
mitten einer gährenden Zeit, in welcher die Formen der über-
kommenen Bildung erweitert wurden durch neue nationale Ele-
mente, die nun nicht mehr blofs von Gallien und Spanien, sondern
von Afrika und den ostlichen romanisierten oder hellenistischen
Provinzen hereinkamen, in welcher neue soziale und religiöse
Probleme grofse Massen bewegten, hat er, jeder Phantasterei
fremd, mit nüchternem Verstand den Rahmen des Reichs, der all
das in sich befassen und allem Halt geben sollte, neu zu festigen
1) Nach Dig. 50, 15 (de censibus). Näheres über dieses Recht s. im
System.
2) Vit. Nig. 7; kurz yor diesem auf Eontinnität einer geordneten Ver-
waltnng gerichteten Programm heifst es (6, 10) von Niger: usui dernque
reip. 8uh Severo — esse potuisset, si cum eo esse voluisset.
8) Vit. 18, 7 : de hoc senatus ita tudicavit, iUutn aut nasci non debuiste
aut morif quod et nimis crudelis et nimis utilis reip. videretur. Ungeftfar
auf dasselbe kommt Dios Urteil hinaus. r^r^r^^]r>
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— 471 —
gesucht, mechanisch, wenn man will, und in letzter Inst-anz mit
brutaler Gewalt, auch in den Mitteln nicht wählerisch, aber doch
hinsichtlich der Zwecke mit dem Gefühl geschichtlicher Verant-
wortung und in derjenigen Tradition des augusteischen Principats,
welche Yon"^ dem Princeps die höchste persönliche Thätigkeit für
das gemeine Wesen verlangte.^) Dafs die Formen der römischen
Verwaltung in den Stürmen, welche das Reich im Verlauf des
dritten Jahrhunderts heimsuchten, so viel Halt gewährten, um
überhaupt noch die Idee eines römischen Gemeinwesens zu retten,
ist nicht zum wenigsten der durch Seyers achtzehnjährige Re-
gierung denselben gegebenen neuen Kraft zuzuschreiben.
10. Severus hatte in Konsequenz des bisherigen rechtlichen ou-acaua und
Charakters der kollegialen Führung des Imperiums durch mehrere
AugusH die Nachfolge so vorbereitet, dafs die beiden Söhne ^) in
voller Gleichheit nebeneinander stehen sollten. Zum ersten Mal
war nun diese Einrichtung auf eine Probe gestellt, bei der
keinerlei Auktoritatsverbältnis wie bei Mark Aurel gegenüber
von Verus und Commodus, bei Severus selbst gegenüber seinen
Söhnen, stattfand; denn die beiden Brüder standen sich im Alter
unmittelbar nahe und waren nur in der Gewinnung des Augustus-
titeis um mehrere Jahre auseinander. War diese Probe unter
sonst indifferenten persönlichen Verhältnissen schon schwierig
genug, so war sie bei zwei feindlichen Brüdern, wie Bassianus
und Geta, vollends bedenklich. Daus Severus, ein so nüchtern
und klar denkender Kopf, trotz all den Erfahrungen, die er selbst
noch gemacht, keine andere Ordnung vorbereitete, ist auch nicht
anders zu erklären, als dafs er die rechtliche Zurücksetzung des
1) Vit. 23, • (letzte Worte): turbatam remp. ubique (tceepi, pacatam
etiam Britanms reUnquo, aenex et pedibus aeger firmum Imperium Änkminis
meis reUnquena si bani erunt^ imbectlltmi 8% mali; iussU deinde Signum tri-
buKO dari ,Labaremu8\
2) Offizieller Name des älteren als Kaiser: Imp. Caes. M. Äwelius
Äntaninua Augusitis; bei einfiicherer Bezeichnung imp. Äntoninus; in den
vitae^ die von ihm reden, wird er Yorherrschend Bassianus genannt. Dio
and Herodian nennen ihn Antoninas: dber den Popularnamen Caracalla,
als genommen von einem gallischen Kleidungsstück, das er in Rom ein-
föhrte vit 9, 7. Dio 78, 3. 9. Vict. de Caes. und epit. 21; über den von
einem Gladiator hergenommenen Schimpfnamen Tarautas Dio 78, 9; unter
den neueren ist Caracalla beinahe ausschliefslich üblich. Offizieller Name
des (Jeta: imp, Caes. P, Septimius Geta Äug. — Beide führen nach dem
Vorgang des Vaters ihre Abstammung auf Nerva zuräck. ^ j
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einen für noch bedenklicher hielt und die Hoffnung hegte , da£B
der Einflufs der ihnen durch seine Wahl zur Seite gestellten
Vertrauensmänner und wohl auch der Mutter im Stande wäre,
das Gleichgewicht zu erhalten. Diese Hoffnung war nun freilich
trügerisch; denn vom ersten Augenblick an war das Gleich-
gewicht gestört. Die energischere Natur des Alteren gab diesem
den Impuls und die Möglichkeit, eine entscheidende Stellung an
sich zu reifsen, und von Anfang an soll er darauf bedacht ge-
wesen sein, den Mitherrscher zu beseitigen. Er war es, der den
Feldzug in Britannien beendigte, die Rückkehr nach Bom leitete
und auf dieser schon die Absicht sich Getas zu entledigen ge-
äufsert haben soll. Aber dieser Absicht stand die Stimmung
des Heers entgegen.^) Es wird berichtet, dafs Geta der beliebtere
Bruder gewesen sei gewisser Eigenschaften wegen wie wegen
seiner äufseren Ähnlichkeit mit dem Vater. Dem ist wohl
Glauben beizumessen, während damit noch nicht gesagt ist, dafs
Geta wirklich wesentlich besser und bei dem feindlichen Ver-
hältnis nur leidend beteiligt war.^) Die Hauptfrage aber ist,
was sich aus den gegebenen Umständen thatsächlich ergab. Am
Hofe selbst fiel in der That die Aufgabe, die Einheit zu erhalten,
der Mutter und den höchsten kaiserlichen Beamten zu, unter
ihnen zuerst dem Papinian. Allein dieser wurde von Caracalla
möglichst bald aus seiner nächsten Umgebung entfernt, wenn er
auch noch Präfekt blieb. ^) Der Einflufs der Mutter dagegen
machte sich mehr geltend. Unter Severus, auch nach ihres
Gegners Plautianus Sturz, mehr auf litterarische und soziale
Zwecke beschränkt, hatte die hochstrebende und geistig jedenfalls
bedeutende Julia, die Herrin {Domina) genannt*), jetzt offenen
1) Dio 78, 1: (Nach dem Tode des Severus) itacav xr^p riyt^MPtm^
^Xaßev Xoyco ^ilv ya^ fieta tov dSsltpov too Sl i^yto (tovog Bv^vg ii^ff-
xov 81 ddsXcpov Tjd'iXrios filv xal ^mvtog izi tov nax^og tpovivcrntj ov%
fjdvvri^rj dl ovts tote di' insivov ov^* vatsgov iv xy 6dm duc xa axQauv-
flava' ndw yäq evvoiav avxov slxov aXXmg xe %al Sxt x6 eldog hiMioxatof
xm Ttaxifl r)v.
2) Vgl. die Charakterifitik in der vit. Gäae; in allen Qaellea ersoheioen
beide Brüder unversöhnlich.
3) Vit. Carac. 8. Dio 77, 1: rov^ oln6Ü)vg xovg (ihv ain^XIalfv, if
xal Ilamviavog ^v; nach vit. Get. 6, S gehörte Papinian xa denen, qm
concordiae faverant gegenüber von andern, qui partium Getae fuerant
4) Offizieller Name: Julia Domna Äugusta (vgl. Or. Henzen n. 4116:
Julia Äugu^ta domina noatra) Septimii Severi, mater A^g» e^ coftrorw»;
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Beruf, in die Politik einzugreifen: beide Söhne waren ihrem Ein-
fluTs zugänglich, und es gelang ihr, selbst die schlimme und
heimtückische Natur des älteren eine Zeit lang hintanzuhalten;
allein schliefslich überwog der HaTs, und es brach die Katastrophe
über den jüngeren Bruder in ihren Armen herein. Dafs die offizielle
Gesellschaft Roms, der Senat, die Beamten, dafs das Volk in Rom
und wohl auch die Provinzen, sich in ihren Sympathieen teilten,
ist glaublich und wird durch die ungeheure Menge der Opfer,
welche mit Geta fielen, bestätigt*); wenn aber Herodian schon
Yon einem formlichen Plan der Teilung zwischen Osten und
Westen zwischen den beiden Brüdern weifs*), so ist es zwar
bedeutsam genug, dafs ein gleichzeitiger Schriftsteller, der eine
Generation vor den späteren geteilten Zuständen liegt, diesen
Gedanken ausführlich erörtert, aber dafs er in Wirklichkeit damals
gehegt wurde, ist zu bezweifeln nicht blofs, weil die andern
Zeugen ihn nicht kennen und Herodian mit eigenen Erfindungen
rhetorisiert, sondern weil offenbar die Auffassung des Heeres
einem Plane der Teilung ebenso gegenüberstand wie der Beseiti-
gung des einen Bruders. Glaubwürdigeres Zeugnis geht dahin,
dafs das Heer an dem Testament des Severus festhielt: zweien
Söhnen des verstorbenen Kaisers hatte man geschworen, beide
sollten bleiben und die Dynastie der neuen Antonine fortführen.^)
vgl. auch Henzen n. 1961: mater domini nostri^ castrorumy senatus^ patriae.
Vgl. aber sie Dio 77, 18: ovd' ins^^sto (Caracalla) — tij firirgl noXXa xal
XQVOtot ntxifaivovaij ntäzoi xal tiiv tmv ßi^Xlmv x&v t« iniatoXmv s%ati(faiP
nXiiv x&v ndvv dvccyxaüov dioUriciv avtjj initgiilfccg, — Tt ydg d%t Xiyetv
Ott ri<snditxo 9riiMCi^ ndvtaq xovg nQmtovs na^dneQ nal ixsivos; dXX' rj
Itlv xal fiBtä xovxmv hi fiaXXov itpiXoaotpsi. u. s. w. Ohne Zweifel gehörte
Dio selbst zu dieser Umgebung der Kaiserin- Mutter. Vgl. auch die Art,
wie er 78^ 23 von ihr spricht und ihr vindiciert, dafs sie den Caracalla
imwxa ipklün.
1) Vit. Carac. 2, 7. (Sympathieen der Legion bei Alba). Dio 77, 8 f.
(20000 Opfer). — Andrerseits, um den Senat zu gewinnen, relegatis depor-
tatisque reditum in piäriam restituit
2) 4, 8, 6: (Die Brüder) avvayayovxsg xovg nccxgmovg (pilovg xijs ts
ftrixQog nagoverig rillovv ^leciQt^rjifai xriv ßaaiXs^ccv^ worauf dann der Teilungs-
plan folgt.
3) Vit Carac. 2, 7 : (im Lager der Legion) dicentibtM ctmctis duobus se
fidem promisisse liberis Severi, duobua servare debere; wiederholt vit.
Oet. 6, 1. — Nach Mommsens Ergänzung der Inschrift C. i. L 3, 1464
von Sarmizegethusa, nach welcher man dort in den Jahren 211/12 der
2. parthischen und der 7. Legion den Beinamen von Geticae gegeben
hätte, wäre allerdings die Spaltung in Daoien wenigstens zu offenem-Aus- i
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Dafs die kollegialische Führung des Imperiums in der alten Re-
publik nur möglich gewesen war, weil neben der Magisiarator ein
mächtiger ausgleichender Senat und das Yolkstribunat stand, dafs
aber der jetzige Senat hiezu völlig untauglich war und die ein-
ander gegenüberstehenden Leidenschaften in den bestehenden
Zustanden keine Schranke fanden, kümmerte die Soldaten nichi
Indessen Caracalla ersparte der römischen Welt die Probe des
Systems, indem er die Einheit des Imperiums wiederherstellte.
Wie vor der Ermordung des 6eta es mit den Regiernngsakten
ging, ersehen wir nicht; es wird wohl in der geschäftlichen Aus-
fertigung die übliche Beziehung auf die beiden Kaiser eingehaltffli
worden, aber Initiative und Vertretung gegenüber dem Senat in
der Hand des älteren Bruders geblieben sein.^)
Caracalla als H. Die AUeiuregierung des Caracalla nun kann ihrer Ten-
alleiniger Im- ,
porator. dcnz uach nur als eine zerstörende und auflosende bezeichnet
werden, wenn auch gewisse Mafsregeln positive Wirkungen gehabt
haben. Auch wenn man von dem. Bericht Dios, der als Senats-
mitglied sechs Jahre lang vor dem unheimlichen Despoten za
zittern hatte und nun all sein Thun unter dem einen Gesichts-
punkt der Nichtswürdigkeit darstellt, Abzüge macht und die reinen
Thatsachen zu gewinnen bemüht ist, kann man ein anderes Urteil
nicht gewinnen. Es läfst sich keine Seite seiner Thätigkeit in
der inneren Regierung wie in der äufseren Politik und der Bjieg-
führung ausfinden, bei der es ihm um die Sache zu thun gewesen
wäre, und nur die Kraft der römischen Institute war es, welche
die volle Wirkung dieses zerstörenden Thuns aufhielt. Von
ernsterer persönlicher Thätigkeit war nicht die Rede; überliefe
er doch die Erledigung der laufenden Regierungsaufgaben wäh-
rend der Feldzüge der Eaiserin-Mutter.^) Nicht daüs diese darum
dmok gekommen; allein die LesuDg und damit auch die Erg&nsong ist
nicht sicher, eph. epigr. 2 p. 316 n. 430; jedenfalls fehlt in den sonstigeD
Quellen der Anhaltspunkt für eine so weitgehende Scheidung und nameot-
lich auch dafür, dals Caracalla in Dacien oder andern Provinien Exe-
kutionen gegen Anhänger Gretas vorgenommen hätte. Nur im narbonensischeD
Gallien liefs er, — es wird nicht gesagt weshalb — den Statthalter iöteo.
Tit 6, 1.
1) Konstitutionen der beiden Brüder giebt es nicht.
2) Dio 77, 17: (Caracalla) i9i%aie iilv oiv ^ Tt ^ oväiv^ t6 dl 9ii
nlstatov toig te aXXoig xal rfj (pilonQayfioavvff icxola^ap. 77, 18 (ob.
S. 472 A. 4). 78, 4: (Julia) iuBnilevoto avtri ndvta ta dq>i%voviuva iieAijHt^
Zva \jkri pMtriv ot oxXog y^aftyMXiov iv xij noXifii^ optt^-^iiunjtai, — Der
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- 475 -
in der Lage gewesen wäre, eine eigene Politik für sich zu machen;
da«u fehlte ihr wohl weder der Geist noch der Wille, aber jeder
Schritt auf dieser Bahn hätte sie yemichtet, nur ein geordneter
Geschäftsgang war dadurch ermöglicht und die Gelegenheit,
manches Schlimme zu verhüten gegeben. Indessen das Schlimmste
zu hindern war sie nicht im Stande, auch wenn sie es versuchte,
die vollige Zerrüttung der Finanzen und die Korruption des Heers,
der Offiziere wie der Soldaten. Die Vergeudung der von Severus
hinterlassenen Schätze, die Erschöpfung aller Steuerquellen, deren
Ertrag zum Teil verdoppelt werden sollte, die brutalste Vernich-
tung des Staatskredits durch offizielle weitest gehende Münz*
falschung, der Krieg gegen den Senat in allen Formen, die
erneuten Erpressungen und Exekutionen Einzelner, jenes ausge-
sprochene Rechnen auf die nachfolgende Sündflut, die herbeizu-
führen man das möglichste thun will, die Verwöhnung der Sol-
daten durch hohen Sold, Geschenke von ungemessenem Betrag,
die Scenen von wildem Morden und Plündern, zu denen man sie
in Rom gegen Senatoren, Beamte und Volk, in Alexandrien gegen
die ganze Stadt veranlafste, die beständige Erinnerung daran,
dafs sie allein die Stütze der Herrschaft und selbst die Herren
im Staate seien, die Züge selbst von kameradschaftlichem Miter-
tragen der Mühen des Dienstes, bei früheren Heerführern Züge
soldatischen Ruhms, hier der Erniedrigung^) — all das, wohl
Kaiser war weitans die meiste Zeit seiner Regiemng von Rom entfernt.
Am 11. Angnst 218 opfern die Arralen in Rom, weil der Kaiser per limitem
RaeHae ad hosUs exUrpandos barbarorum terram intraitunu est. Noch im
Herbst dieses Jahres wird der Krieg siegreich beendigt, wie das Opfer der
Arvalen vom 6. Okt. zeigt (Henzen, act. fratr. Arv. p. CXCVII). Dafs der
Kaiser dann nach Rom zurückkehrte, l&Tst sich nnr yermnten (vgl. Drexler,
Caracallas Zng nach dem Orient S. 8—10); 214 zog er an die syrische
Grenze und blieb von da an im Orient.
1) Alle diese Züge sind gehänft in dem Anszng aas Dio 77, 9fif.
Hinsidiilich der Münze sagt Dio 77, 14, dafs Carac, während er den
Germanen bei seinen Zahlungen an sie vollwichtige Goldstücke gegeben,
roCg *P(D(iaioig %£ßdrjXov nccl ro agyvgiov Hctl ro XQvaCov nagsi^xsv' to (ihv
yccQ ix iioUßdov %cctaQyvQovii6vov to dh ntxl in ;|raZNot; nattxxifvaovfievov
icHBvdteto, Den aureus^ dessen Gewicht unter Augustus */,o Pftm^i unter
Nero 745 war, setzte Carac. d. J. 216 auf y^^ herab (aur, Äntoninianua) ;
Yom Silber, das sehr schlecht ausgemünzt ist, wurde zu gleicher Zeit ein
neues Nominal geschaffen, der argenteus Äurelianus oder Antomnianus.
Die schlechte Silbermünze war um so schlimmer, wenn die zuerst unter
Severus Alex, bezeugte Forderung, dafs die Steaem in Gold ^ ._„
— 476 -
früher schon gesehen und erlebt, aber jetzt gefährlicher für den
Bestand des Reiches als sonst. Diesem rein yemicfatenden
Treiben stehen anscheinend einige Mafsregeln gegenüber, welche
auch ein tüchtiger Kaiser im Interesse des Reichs liegend erachten
und in der Eonsequenz der Entwicklung liegend finden konnte,
wenn sie auch mit der Auffassung des Romertums und des Ver-
hältnisses der verschiedenen Nationalitaten im Reich, die Augostus
gehabt, völlig brachen, die Eröffnung des Zugangs zum Senat
auch für Alexandriner, während von Augustus her alle geborenen
Ägypter ausgeschlossen waren, und die Verallgemeinerung des
römischen Bürgerrechts. Allein die erste dieser Mafsregeln wird
mit rein individueller Bedeutung erwähnt^), so daCs nicht prin-
zipielle Aufhebung eines geltenden Rechts dabei in Frage kommt,
sondern nur Nichtbeachtung bei einer einzelnen Persönlichkeit,
woran sich allerdings Konsequenzen knüpfen konnten. Die andere
Verordnung aber hinsichtlich des Bürgerrechts machte wohl für
die Zukunft neues Recht, wird als solches citiert und es knüpften
sich bedeutsame Folgen daran. Bei Dio jedoch, dem unmittelbaren
Zeugen, wird sie nicht nur in der Tendenz darauf beschränkt^
dafs man damit die bisher dem Bürgerrecht fernstehenden zu
den diesem besonders aufgelegten Lasten heranziehen wollte,
sondern es wird ihr auch offenbar nicht die Bedeutung einer
epochemachenden und tiefwirkenden Neuerung beigelegt Der
Wortlaut der Verordnung ist nirgends gegeben, sie wird in so
allgemeinen Wendungen citiert^ dafs man sie einer völligen Auf-
hebung der Bürgerrechtsunterschiede unter den Reichsangehörigen
gleichachten könnte, während doch diese Unterschiede sowohl hin-
sichtlich der Gemeinden wie hinsichtlich der Individuen fort-
bestanden.^) Es ist Sache der systematischen Darstellung zu sehen,
(vit. Alex. 39, 6), schon unter Carac. gestellt wurde. Vgl. Mommsen, röm.
Mönzw. 7Ö4. 776 f. 782 f.
1) Dio 76, 5: (Ko^Qccvog) von Scverus nach dem Sturz des Plantianus
auf 7 Jahre verbannt naTrjx&rj fietcc tovtov aal ig xriv ysgovatav ngStog
Alyvxtlmv xatsXix^t} vgl. ob. 8. 196 A. 1. — Ein P. Aelius Coeranus ist
Arvalbruder in den Jahren 213 und 214. Henzen act fratr. Arv. p. 175
meint, es könnte ein Sohn dieses Agyptiera sein.
2) Dio 77, 9 (bei Erwähnung der Verdoppelung der ausschliefslich
den römischen Bürgern zufallenden Freilassungs- und Erbschaftssteuern):
ov evexa xal ^PtopLOilovg ndvtag zovg iv t^ ^QZV «^^o^ Xoym ft^lv ttftmv i(fTf»
dl onag nXsCm avxÄ %al i% tov roiovtov nqogiri dia to tovc ^hwtg ta
noXla avtmp firi avresXelw anideiisv. Ulpian in Dig|<^j^6^nf:^»n orbe
Digitized t "^ ^
e^bfC^b^öglc
— 477 - #
inwiefern die Verordnung Caraeallas, die dem J. 212 zuzuweisen
ist, das romische Reiebsbürgerrecht auf eine neue Grundlage
stellte, und was sie vom Alten beibehielt; für die Regierung
dieses Kaisers selbst wird man dem Dio glauben dürfen , dafs
sie nicht eine wohlüberlegte auf den ihrem nächsten Sinn ent-
sprechenden Zweck gerichtete Reform war, sondern eine Willkür-
mafsregel für Nebenzwecke, was nicht ausschliefst, dafs ihr Inhalt
durch die Entwicklungsstufe dieser Zeit bis zu einem gewissen
Grad angezeigt war. Ein weislich überlegender Regent hätte
jedenfalls eine solche Verordnung nicht in ihrer Vereinzelung er-
lassen, sondern im Ganzen einer Reform von Verwaltung und
Heerwesen.^) Endlich wo waren zu der Zeit, in welcher diese
Verordnung erlassen wurde, die erfahrenen und auktoritätsvollen
Männer, welche eine solche Mafsregel in ihren Folgen erwogen
und mit ihren Modalitäten ausgearbeitet hätten, da Papinian be-
seitigt, Ulpian und Paulus noch in imtergeordneten Stellungen
sich befanden und die Männer aus dem Senat nicht gehört wurden?
— Das einzige positive Gegengewicht gegen die auflösende Ten-
denz Caracallas bildete wie bei Commodus das Fortwirken des
von der vorangegangenen Regierung Ererbten: die von Severus
dem Reiche gegebenen Organisationen und die von demselben
herangebildeten Prokuratoren und Generale wirkten in Verwal-
tung und Heer, im täglichen Dienst immerhin fori Die letzteren
speziell erreichten in Germanien, dafs die gefährlichen im Anzug
befindlichen Bewegungen die Grenzlinien nicht überwältigten, und
dfldb im Orient, wo die Waflfenehre noch weniger aufrecht er-
Ramano gut sunt ex constitutione imperatoris Äntonini cives Rom, effecti
S%Mt. Nov. Jast. 78, 5 : 'Avxcavivog tb xfig *Pa>iuc^rig noXitstas nQoxBQOv nag*
sndctov tav vscrinomv ecizovfASVov Snaaiv ip xotvcS roCg v7tri%6oig dsdaQrjtat.
August, de eiv, dei B, 17: gratissime et humanissime factum est, ut omties
Cid Born, Imperium pertinentes societatem acciperent civitiUis et Bomani cives
essentf tantum quod plebs ülay qucie suo8 (ngros non hdberet, de publica
xnveret,
1) Dafs Caracalla in der Behandlnng Italiens eine Ander ong yornahm,
wäre anzunehmen, wenn C. Octavius Sabinos, Cons. i. J. 214, der mit ihm
den ]^tischen Feldzog von 213 machte, und in den Inschriften ephem. epigr.
1, 130 und Henzen n. 6482 heifst electtis ad corrigendum statum Itaiiae^
nnter ihm die letztere Funkion hatte. Indessen auch wenn dieser Vorgang
fOr die Einsetzung der späteren correctores yon Caracalla herrührt, so mag es
zunächst eine einzelne MaÜBregel gewesen sein, die vielleicht in Zusammen-
hang mit der Steuererhöhung stand, ohne dafs eine prinzipielle Änderung
des bisherigen Standes beabsichtigt war. ^ j
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^ - 478 —
halten wurde^ das treulose Eriegsspiel, das der Kaiser dort trieb,
nicht zom offensten Schaden ausschlug^ denn hier jedenfalls war
der einzige Zweck des Kriegs, aus der Mahnung des Severas,
den Soldaten Beute zu versch äffen , abgeleitet — Indessen auch
diese Regierung des äufsersten Despotismus und des unerträg-
lichsten MiTstrauens fand bald ihr Ende durch die eigene Über-
treibung: die Willkür, mit welcher auch unter den Soldaten die
Beförderung gegeben wurde, die Gefahrdung, welcher schliefslich
die höchsten Organe des kaiserlichen Willens selbst ausgesetzt
waren, die Heranziehung fremder Truppen zur unmittelbarsten
Leibwache infolge des gesteigerten MiTstrauens entzog ihm die
Stütze im Heer, die er bisher gehabt: eine durch die Notwehr
hervorgerufene Verschwörung, von einzelnen zunächst bedrohten,
vor allem dem Gardepräfekten Macrinus ersonnen, in weiteren
Kreisen durch Gehenlassen unterstützt, bereitete am 8. April 218
dem auf dem Marsch gegen die Parther begriffenen Kaiser ein
jähes Ende.^)
Macrinus und 12. Als i. J. 69 Ncro von der Provinz her gestürzt wnrde,
Biadumenianue j^ ging uach Tacitus der römischen Welt das düstere Geheimnis
auf, dafs man auch aufserhalb Roms ILaiser werden könnte
(ob. S. 281 A. 1). Jetzt offenbarte sich als neues Geheimnis,
dafs unter dem durch Severus begründeten Übergewicht des
Heeres das Imperium jedem Abenteurer preisgegeben, kein Stand
und keine Nationalität mehr davon ausgeschlossen sei und dafs
die Armee, zumal die Grenzheere nun das volle BewulBtsein
davon hatten, dafs die Entscheidung über die Regierung des
Reiches in ihren Händen liege. Mit Macrinus^) kam ein Soldat
zum Principat, der den militärischen nichtsenatorischen Posten,
von dem aus er zum höchsten Imperium aufstieg, durch keinerlei
hervorragendes Verdienst gewonnen hatte, von niedriger Herkunft
und aus einer der geringsten Nationen des Reichs, ohne beson-
1) Die einzelnen Umstände werden in den verschiedenen Berichten
abweichend gegeben , aber die Motive ziemlich übereinstimmeod. Datum
der Ermordung Dio 7S, 5.
2) Macrinus ist prcuf. prctet, wohl von Papinians Tod an nnd erfalUt
als solcher senatorischen Rang (vgl. Henzen 5512 f. «» Wilmanns 995 di«
Köhren mit 'If. OpeUi Macrini pr. pr. c(lari88imi) v{irf) und M. OpdU
Diadumeniani c. p{uer%). Er ist Maure aus C&sarea (Dio 7S, 11), ebendaa.
sowie vit. Macr. 4 seine frühere Laufbahn. Als Kaiser nennt er sich imp.
Caes. M, Opellim Severus Pim Fdix Augustus und seinen Sohn M, OpeUnu
Antaninm Diadumenianm nohüissimus Caesar princ^ imeniutis^
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- 479 -.
dere SympaÜiieen der Soldaten ; nur durch einen Akt der Not-
wehr, unter Benützung augenblicklicher Verhältnisse. Die Re-
gierung des so Erhobenen war freilich von kurzer Dauer/) aber
bei der darauffolgenden trat das Abenteuerliche noch viel greller
auf, und dafs darauf eine Besserung folgte, war doch nur ein
günstiger Zufall, eine ebenso glückliche Anknüpfung an dynastische
Verhältnisse, wie die Yorhergehende unglücklich gewesen war;
im Ganzen ist schon jetzt der Eintritt in die Periode angezeigt,
in welcher das Imperium jeder Ambition zugänglich erscheint
und nur darin unterscheidet sich diese Epoche von der darauf-
folgenden, dafs noch keine Teilimperien auftreten.
Ihrem Gehalt nach ist die Regierung des Macrinus lediglich
ein Kampf um die Existenz gewesen. Ohne irgend hervorragende
Eigenschaften, in militärischen wie in bürgerlichen Dingen sich
nie über Velleitäten erhebend, im Krieg wenig glücklich und in
Folge davon aufser Stande die Würde des Reichs zu wahren,
will sich dieser Imperator bald auf Senat und Volk von Rom
gegen ungünstige Stinmiung der Soldaten stützen, bald wieder
die Gunst der Soldaten gewinnen; da er aber nie nach Rom
geht, unter einem Grenzheere lebt, diesem gegenüber keine ge-
nügende Auktorität gewinnt und stets zwischen Douativen und
Bestrebungen der Wiederherstellung der Disziplin schwankt, in
letzterem Punkte unter den reizbaren Soldaten teils halbe Mafsregeln
ergreift, teils bis zur Grausamkeit geht, so gewinnt er nirgends eine
Stütze.') Von eigentümlicher Bedeutung ist aber sein Verhältnis
zum Senat. Er tritt demselben in der Frage seiner Anerkennung
und der Konsekration seines Vorgängers, ferner in politischen
Anordnungen halb autokratisch halb konstitutionell gegenüber^),
1) Er übernimmt die Begiemng, um an der Ermordung dee Caracalla
unbeteiligt ta erscheinen, erst am 11. April (Dio 78, 11) 217 und fällt selbst
wenige Tage nach der Sohlacht bei Antiochien, die am 8. Juni 218 statt-
fimd, in einem Alter von nahezu 66 Jahren. Dio 78, 39 f. 41. a. E.
2) Vit 5. 8. 11. 12. 13. Bei Dio wird er wohl im Nekrolog c. 40. 41
relatiy gelobt, zumal gegenüber seinem Nachfolger, aber aus der Erzählung
ergiebt sich ein anderes Urteil und 78, 16 heilst es: ndvta zavavtlcc avtbv
ixifiiv noittv. Dio c. 16 und Herodian 6, 2, 8 heben hervor, dafs er ein
widerlich üppiges Leben fdhrte und sich dadurch den Soldaten yerächtlich
machte. *
8) Vgl. die an den Senat gesandte oratio (vii 6, 6): nrnntitmius primutn
quid de nobis exercitus fecerit, dein honores divinos, quod pritnum faeiendum
estf deeemimus ei vvro, in eui^ns verha iurtwimus. ~ detukrunt ad me im-
perium^ euius ego, p. c, interim tutelam recepi^ tenebo regimen^ si ^vobis^
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e^vobts I
/CjOOgle
— 480 —
im Ganzen aber fEÜilt sich nnter ihm, da er abwesend ist und
nicht blofs die anter der Yorigen Regierung verfolgten amnestiert^
sondern sich selbst der Bluturteile enthalt, der Senat freier mis
unter seinen Vorgängern.') Allerdings war es die Erhebung
eines nichtsenatorischen Mannes sicher nicht, was der Senat ge-
wünscht hatte; was dieser wünschte, sagt uns Dio: Macrinus hätte,
wie man es vor zwei Jahrzehnten bei dem Präfekt Latus ont^-
Commodus erlebt, wohl den Senat von seinem Bedränger be-
freien, dann aber helfen sollen, einen geeigneten Senator zum Im-
perium zu bringen, fOr sieh aber in untergeordneter Stellung
bleiben^): so standen der wirklichen Macht des Heers die Piu-
tentionen des Senats auch jetzt noch gegenüber, aber fireilich
eben nur die Prätentionen. Denn in Wirklichkeit liefs sich der
Senat, da er das Bessere nicht haben konnte, auch den Macrinus
gefallen^), und nicht minder nahmen wohl in Wechselwirkung mit
diesem Verhalten, die Provinzen den Emporkömmling an, ohne
dafs ein Statthalter sich gegen ihn erhob. Indessen jene groüsere
Freiheit wufste man immerhin zu benützen: man beseitigte
manches, was man als Übelstand empfand und wofür der Kaiser
entweder dem Senat freie Hand zur Änderung liefs oder Wünschen
des Senats nachkam: so wurde die Last, welche die Prätoren
placiient quod militibus placuü^ quibus iam et Stipendium et omnia im-
peratorio more iussi, — Antonino divifws honores ei tniles decrevit et nos
decemimus et ro«, p. c, ut decematis cum possimus imperaiorio iure prae-
cipere tarnen rogamua. Bei Dio 78, 16 ist diese erste Botscbaft ventOmmelt.
hiyqaipBVy sagt Dio u. A. (mit Bekkers Ergänzungen) rg Ixunol^ Ka£ea^
&•* iavzbv %ccl avto%ifdzOQCi %ccl £sovrjifOv ngogd'Bis ty Ma%qlvov ovofuxxi
tbv tvOBßfj xcrl svTVXTi ical Avyovctov xal IleQthaxei ov% avafUvoip Ti, m^
si'Kog ^v, nccQ' rifimv iffriq)iafia. — Hinsichtlich der Übung des Münzrechts
ygl. vit. Diad. 2, 6: hac habita contione statim apud ÄnOodtiam wumeta
Antonini DUidumeni nomine percussa estj Macrini usque od iussum senatms
dHata est.
1) Dio 78, 12. Herod. 6, 2, 1 : (Nach Verlesung der Botschaft) intietmg
&Bto (idliata rmv iv ocii(6asi ttvl rj xqu^si ncc^scttozatv ^üpog d%06Basiö9'ai
roCs av%iciv inaimQovfisvov; rj tb 'Poo^/ooi/ noUg xal a%B9bv ndsa i^ rao
*Pmiiaü>vg ol%Off(iivri — iv ddBia voXX'j %al bIhopi il(v^B(fiag ißittcccp huC-
vov tov itovg oi (lovov 6 Mani^ivog ißaüClsvoB,
2) Dio 78, 41 : tuxI b fihv inaivs^slg av vnhg ndittag aw&^novg ttfi
(iri avxbg avxaQx^acci inBiB^vfirjuBi all* iniXB^(iit>Bv6g tiva xmv ig yt x^
YBQ0V6iav XBlovvtmv xfjg x&v *PoiiiaÜ9V d^zV^ ni^oßxatijcai avxou^xo^
avxbv ditBdtdfixBi.
3) Vit. 7, 4: statim Macrino et proconmlare imperium et potettatem
tribuniciam detuUntnt.
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bisher bei ihren Spielen gehabt, gemindert und die Kompetenz
der italischen Juridici, die seit Mark Aurel sich gemehrt hatte,
auf das yon diesem Kaiser bestimmte Maus zurückgeführt.^) Bei
Gelegenheit solcher Mafsregeln lernen wir aus dem was Dio an-
erkannte und was er tadelt, den Horizont der Ansprüche des
Senats kennen. Voran steht die Sorge für die persönliche Sicher-
heit der Senatoren und als Garantie hiefÜr die Bestrafung der
Delatoren, worin Macrinus allerdings nur zum Teil entgegenkam;
daneben bildet die Hauptsache die Schonung des Vermögens,
wobei eben jene Erleichterung der magistratischen Lasten in
Frage kam, und die Einhaltung der Regeln für die Aufnahme in
den Senat sowie die Beförderung in demselben, beziehungsweise
die Verleihung der Provinzen: in letzterer Hinsicht wufste sich
Macrinus die Zufriedenheit des Senats keineswegs zu erwerben,
indem er willkürlich verfuhr und Leute beforderte, die ebenso
unberechtigt wie unwürdig waren.*) Gröfsere politische Desiderien
tauchen nicht auf, wenn man nicht in jener Abwehr von Über-
griffen der Juridici ein Eintreten für die Selbständigkeit der ita-
lischen Verwaltung erkennen will. Bei der beständigen Abwesen-
heit des Kaisers war der Verkehr desselben mit dem Senat auf
die Einsendung von kaiserlichen Initiativanträgen (orationes) und
Berichten über die Erfolge im Krieg beschränkt; in den ersteren
machte sich jenes Schwanken zwischen dem Ton des Herrn und
dem des Princeps geltend, in den letzteren beschränkte sich der
Kaiser hinsichtlich der Wahrheit auf das, was ihm gutdünkte*);
im allgemeinen aber mufsten so die Sitzungen des Senats die
Form republikanischer Freiheit gewinnen, und nach langer Zeit
kam es wieder vor, dafs der Senat sogar durch Volkstribunen
berufen wurde. ^) Zu den wichtigsten Desiderien aber nicht blofs
1) Dio 78, 22: xal iisxec xovto x6 ts diaSCdoa&aC rcva h taig tdav
cxQtttriymv rav navv ^iccig nXi^v tmv zri ^Itof^K tfXovfisvtov di%aiov6ykOi ol
tiiv 'itaXUtv 9ioiHOvvteg inavaavto vnl(f ta vofiia&ivra vnb xov MdfyKov
dixdiovtsg, N&heres im System. Zn diesen Mafsregeln hat schwerlich
Macrin die Initiative ergriffen, dem sie ganz ferne lagen.
2) 78, 12. 13 (Lob und Tadel gelegentlich der Amnestie und der vor-
genommenen Beförderungen). 21 (Schonung der Delatoren).
3) 78, 27: ov fAivtoi xal rnxvta tä ngax^ivra avtoCg aHQtßag o Mccxql-
vog TJ ßovXjj aniattiXfv.
4) Dio 78, 37: xal ftfr« tovto — ovts vno xmv vndtoiv ovd'* vno tmv
cxQutriy&v avvtiX9o(iBv (ov ydg itv%ov naq6vzfg)y aXX' vno töäv drniMQ%mv^
onsQ iv tm X(f6v<p tifonov xivd ijdf} ttatsXiXvTo. — Gerade die Senatsbß^chte
Herzog, d. röm. SUattverf. U. 1. 31 d byCjOOglC
~ 482 —
der Senatoren, sondern aller römischen Burger gehorte die Herab-
setzung der Erbschafts- nnd Freilassungssteuer auf den früheren
Satz^), welche eines der ersten Zugeständnisse des Popularität
suchenden Usurpators war. Als Gegengewicht gegen diese
Verminderung der Einnahme war er auf Ersparnisse bedacht^
minderte wieder den Sold der Prätorianer, ebenso den der fQr
die Zukunft einzureihenden Rekruten^, aber da jeder AnlaXs zu
Befürchtungen dazu führte , dafs neue Donative an die Soldaten
gegeben wurden, so war darum auf einen gesicherten Staatshaushalt
doch nicht zu zählen. Überhaupt fehlte es dem Kaiser wohl nicht
an Worten und Versprechungen'), umsomehr aber an wirklicher
Regententhätigkeit und an der Fähigkeit, die Lage zu beherrschen.
Er wollte zwar durch die Erhebung seines achtjährigen Sohnes
Diadumenus zum Cäsar und durch die Einfügung in den Namen
der Antonine dem dynastischen Gefühl der Soldaten entgegen-
kommen und eine Zukunft vor Augen stellen^), aber unterdessen
schwand ihm die Gegenwart. Hätte der Kaiser, nachdem er im
Orient Frieden gemacht, wenn auch auf Kosten der Ehre des
Dios aus dieser Regierung sind für die Handhabung der Formen und die
Kompetenz des Senats instruktiv.
1) 78, 12: xd ts ntQl zovg %Xi^(fOvg %al tä nsQi ras iUvd'tqiag natu-
dsix^fvta vjio xov KaqainaXXov nccvaag.
2) 78, 12 a. E. 28.
3) Als leeres hingeworfenes Wort nrnfs man ansehen, was vit 13
berichtet wird : fuU in iure non incällidus adeo tU stcUuisaet omnia rescripU
vcterum principiun tollere ^ ut iure non rescriptia ageretwr, nefas esse dicens
leges videri Commodi et Caracdili et hominum imperitarum voluntaUa äc
Dagegen ist anzuerkennen, dafs er nach der lückenhaften Stelle 78, 22 a. E.
für das Alimentarinstitut sorgte.
4) Vit 5, 1 : Statim arripuit imperium füio Diadumeno in partidpaitim
adscitOy quem canHnuo Äntoninum appellari a müüibus iussü; über d»
Gewicht dieses Namens beim Heer c. 2f. Vgl. über diesen Sohn femer c. 10:
sciendum, guod Caesar fuisse dicUWy non Augustus Diadumenus puer^ quem
plerique pari fuisse cum patre imperio tradiderunt. Oceisus est etiam fiUm^
cui hoc solum attulit imperium, ut interfkeretur a müite, Lampridios giebl
von diesem Sohn, der sonst Diadumenianns heifst (ob. S. 478 A. 2), eine
eigene Biographie; auf Inschriften und Beichsmünzen heifst er nnr Caesar;
aber in der letzten Zeit nannte ihn sein Vater auch imperator Dio 78, 37:
(in einem Schreiben an den Senat) xal Kalea^a. %al txvxom^dxo^ ovrof
ovoyAaaq, Vgl. 38: xov vtov avzomqdxo^a dnotpriifUi^ nnd auf MünseD
Antiochias u. a. Städte im Osten heifst er avxo%, Kate, und Stf, Eckbel
7, 242. Dagegen ist der Brief vit, Diad, 8, 6: „Po^rt Augusto ßius Au-
gustus^^ nicht als achtes Zeugnis anzuerkennen.
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Reichs, das im Osten zusammengezogene Heer wieder in die
Garnisonen yerteilt^ sich sofort nach Rom begeben und von dort
ans regiert, so wäre eine längere Behauptung der Herrschaft
möglich gewesen; so aber war das Volk zu Rom, das einen
Kaiser gegenwärtig haben wollte und bei dem Schein einer re-
publikanischen Senatsregierung in der Hauptstadt sich in Wirk-
lichkeit gar nicht regiert fohlte, keineswegs befriedigt^), das
Orientheer aber liels sich in seiner Unzufriedenheit durch Gaukel-
künste gewinnen und als Mittel zu der monströsesten Usurpation
gebrauchen, die je vorkam.
13. Die Erhebung des vierzehnjährigen Priesterknaben Varius siagabains.
Avitus von Emesa, der unter dem Namen Elagabalus in der
Geschichte bekannt ist^, eines Sprofslings der Priesterfamilie,
zu welcher die Kaiserin Julia Domna, die Schwester seiner Grofs-
mutter, gehört hatte, durch die bei Emesa lagernde Legion und
1) Vgl Dio 78, 28 f. 20: o Sriiiog (bei den Spielen am 14. Sept.)
TtoXla 6dv(f6fievog xal liyav fiovovg Örj tmv ndvtoDV avQ'ifmnaiv iavtovg
d7f(fOüt(iTovg dßaailsvtovg elvai. — Sets %al ins^vovg fi^t' dQxrjv ^rt slvat
TOI' Ma%QCvov %al tov diadoviiavtavbv voft^ieiv dXX' ag mal tfd^%6tag
avTOvg HUtanatBiv.
2) Der Name des Vaters war Varius Marcellus, der der Matter Soämis,
Tochter der Jalia Mäsa Dio 78, 80. Orelli-Henz. n. 946 =^ Wilmanns 1208;
über die vorgegebene Vaterechaft des Caracalla Dio c. 31. vit. 2 f. und sämt-
liche andere Quellen. Nach letzterem nannte er sich M. Äurelius (vielfach
Äurellius) Äntoninus Divi Magni Ant<mini f. divi Severi nepos, Dio nennt
ihn Pseudantoninat oder Sardanapal und giebt 79, 1 noch einige andere
Schimpfnamen, dagegen gebraucht er den Namen Elagabalus nicht In
der yita 1, 6 aber heifst es; hie quidem prius dtctus est Vctrius, post Helio-
gabaJus a aacerdotio dei Heliogabali; postremo cwn accepü imperium An-
toninus appellattis est. Die vita nennt ihn stets Heliogdbcdus^ und dies
wurde der gangbare geschichtliche Name, nur dafs neuerdings, woran schon
Tillemont erinnerte, statt dieser griechisch-syrischen Mischform die reiner
orientalische Elagabalus gebraucht wird. In seiner Titulatur hat er als
ersten Titel den eines sacerdos dei invicti Solis Elagcibali (vgl. die Indices
in den Inschriftensammlungen und die Münzen); doch findet sich in der
Arvaltafel Yom J. 218 (Henzen act. fratr. Arv. CCU sqq.) dieser Titel nicht.
Seine Regierung rechnet Dio 79, 3 von der Schlacht bei Antiochien an
(8. Juni 218) auf 3 Jahre 9 Monate 4 Tage und giebt 79, 20 bei seinem
Tode sein Alter auf 18 Jahre an. Darnach fiele der Todestag auf den
11. März. Ist dieser Ansatz Dies richtig, was doch das wahrscheinlichste
ist, so kann das Datum der Senatssitzung vit. Alex. 6, 2 (pridie nanas
Martias) nicht richtig sein. Vgl. Tillemont III p. 472 f. Der Ansatz des
Todestags auf den 6. oder 6. Jan. 222 bei Stobbe in Philol. 32, 56 f. geht
Yon unrichtigen Voraussetzungen über die Tribunatsjahre aus.
5|t*zedby Google
- 484 —
die beinahe vierjährige Regierung dieses Kaisers bezeichnet die
tiefste Emiedrigang, welche das römische Imperium je erlitt
Die Geschichtserzählung ist einstimmig darüber, dafs die Herr-
schaft dieses Syrers über das romische Reich nicht blofs das
änfserste an Schande enthielt, was aus schlechter nationaler An-
lage und persönlicher Schlechtigkeit hervorgehen kann, sondern
auch jedes positiven Gehalts entbehrte.^) Es ist diese Regierung
dann freilich abgelöst worden durch eine in ganz anderem Lichte
glänzende, und sie hat durch direktes Handeln unmittelbar nicht
tief eingegriffen, aber mittelbar bedeutsam genug gewirkt, und
jedenfalls bietet das allgemeinere Bild, das der Historiker hinter
dem in unsem Quellen sich vordrängenden malalos eklen Detail
suchen mufs, sehr charakteristische Züge. Schon die Reise des
neuen Imperators nach Rom, bei welcher er von 218 bis 219 in
Nikomedien überwinterte, überzeugte die selbst, die ihn erhoben
hatten, von der Nichtswürdigkeit ihres Erkorenen und wandte
bereits die Hoffnungen auf den mit ihm ziehenden Verwandten,
den Sohn der Julia Mammäa, Schwester der Julia Mäsa, der Mutter
des Kaisers.^) In Rom selbst aber, das der Kaiser dann nicht
mehr verliefs, und im übrigen Reich gestaltete sich die Lage,
obwohl man sich den schlimmen Folgen der Wahl fügte, doch
bald zu einer gewissen Reaktion. Den Mittelpunkt bildete der
Hof. Aber dieser selbst war geteilt: im Vordergrund stand
natürlich das Treiben des Kaisers und seiner nächsten Umgebung,
die aus den verworfensten, wenn auch nicht durchaus unfähigen
Menschen zusammengesetzt war, ein Treiben, dessen sittlicher
Typus geradezu sprichwörtlich in der Geschichte geworden ist,
und das durch das allem Römisch-nationalen Hohnsprechende die
Auflösung des römischen Wesens mehr forderte als alles, was
bisher in dieser Beziehung geschehen war.^) Im Hintergrund
1) Von ernsthafter Begiemogsthätigkeit findet sich in den Quellen
von ihm nur Die 79, 14: iv tm dtucctBiv tivoc aptfif nmg stpat i9oK$i,
2) Vit. 5, 1: cum hibemasset Nicamediae at^pte omnia soräida agertt
— sUxtim milites facti sui paenituü etc.
3) Am deutlichsten trat dies in den neu eingeschleppten Kulten za
Tage, beschränkte sich aber keineswegs auf dieses Gebiet Vit. 8, 4: ü{
agens, ne quis Eomae detts nisi Hdiogabälus coUretur, Dicebat praderea,
Judaeorutn et Samaritanorutn religumes et Christianam devotionem iüue
Irans ferendam, tU omnium cuUurarum secretum HeUogabaii saoerdaüum
teneret. 7, 1 : matris etiam deum sacra accepit etc. Herod. 5, 6 f. Aach Dio,
der mit dem religiösen Treiben des Orients doch wohl bekannt war, findet
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aber machte sich bald ein stiller Kampf twu^^i^j uv' r .
Mutter und ihrer Schwester Mammäa hetuerkiiKi,^ <^;r ^., ^* t
dang zum bessern vorbereitete, und bei dem iixa üiu J *- *.. .
zuerst eine gewisse Vermittlung bildete, dann »W <i*^ x^n .
Mutter des Alexianus oder, wie er jetzt genannt wu*<iA; /..i /, .>- #
und der in diesem liegenden Zukunft sich zuwaudt«^. '^ i^i./ «, ...
war den Soldaten gegenüber machtlos; er nahm emc Mi^i./,« . vj
Elementen auf, die der Herkunft und dem Charakter <ii.r j>t .. ,
Regierung entsprachen und die Widerstandsfähigkeit d«?i- t^oi^.^-t
Schaft noch mehr beeinträchtigten. Er mufste die VAumiMH^ut.'/
der Kaiserin-Mutter in die Geschäfte und deren AuftreUui un
Senat formlich anerkennen*) und zu allem, was er sab, uthwiii'/,^ u
Aber ein Mitglied dieser Behörde selbst bezeugt, da& ah^ta^hiu
von den Exekutionen, welche einzelne und besonders die Anb&ij^i^
des Macrinus betrafen, der Senat sich nur darüber zu beklagi/i
hatte, dafs der Kaiser sich seine Stellung nicht vom Senat b^n-
stätigen liefs und mit seinem Konsulat die Regeln mifsachtote/)
An die Äufserungen eines erzwungenen Servilismus war luaii
lange genug gewöhnt und der von Elagabal eingerichtete Weiber-
senat berührte nur die soziale, nicht die politische Stellung der
Senatskreise/) Die höchsten Ämter in der kaiserlichen Beamten-
schaft wurden mit Kreaturen des Hofs besetzt, ebensowohl auch
manche Statthalterschaft^); doch dauerten die Saturnalien dieses
Regiments nicht lange genug, um hier weit um sich zu greifen.
79y 11 neu nnd auffallend ras ßccQßoQinccg t^dag ag b SaifSavancclXog tm
'ElayaßoXm yde fj (itixqI Sfia %al ty tri9"iß zag xe dno^Qj^zovg ^aCag ag
avtS i^vs natSag atpayiaionsvogy u. 8. w.
1) Herod. B, 5, 6. 7, 1. — Den in der syrischen Stadt Arke geborenen
Sohn des Qessins Marcianns nnd der Julia Mammäa nennt Dio 78, 30 nicht
Alexianus wie Herodian 6, 7, 8, sondern Bassianus.
2) Vit. 4, 1 : tibi primum diem senatua habuit, matrem suam in senatum
rogari iussit; guae cum venisset, vocaia ad consulum subsellia scribendo ad-
fuü etc, Dio spricht hierron nicht.
3) Dio 79, 2, 8: (pivmv filv ovv ixofiiva ravta avrflo inQdxd'i]^ ^|a> dl
Sri twv ncetQ^mv aTtXä fihv xal firiShv fiiya xaxoy rifi^Cv (piqovta nXijv x«^'
ooov naqa to nad'eatrixog inaivotofii^^ u. s. w. Dafs er nicht eigentlich ver-
folgungssüchtig war, zeigte er durch Nichtbenutzung der in der Korrespon-
denz des Macrinus gefundenen Schmähungen gegen ihn selbst c. 3. ^u der Be-
schwerde Dios, dafs er sich in den Fasten an Stelle des Macrin für 218 als
Konsul einsetzen liefs, vgl. die Zeugnisse bei Klein, fasti com, zu dem J 218.
4) Vit. 4. Dio und Herodian sprechen hiervon nicht.
6) Vit 6, 1: vendidit ei honores et dignitates et potestates ^^(l[^rjb]e
— 486 —
Mau darf wohl annehmen, dafs der tägliche Lauf der Geschäfte,
soweit nicht der Kaiser mit seiner Umgebung Veranlassung hatte,
in denselben einzugreifen ^ seinen Gang ging. Die Hauptsache
aber war^ dafs die besseren Elemente unter den kaiserlichen
Beamten, wie z. B. ein Domitius Ulpianus und die unabhängigeren
des Senats einen Rückhalt fanden an der zu Julia Mammäa hal-
tenden Seite des Hofs. Das römische Volk hatte jetzt, was es sich
gewünscht, einen Herrn in seiner Mitte und nahm selbst aus diesen
unreinsten Händen neue Erfindungen zu seiner Belustigung mit Ver-
gnügen auf^); wohl hatte Tacitus schon für das Jahr 69 gesprochen
von der pUbs sordida drco (ic thecUris sueta, welche tradüo tnore
quemcunque principem adulandi auch den schlechten Herrschern
zujubelt, allein es war doch in diesem Typus ein Stufengang
merklicher Verschlechterung bemerkbar. Noch nach dem Sturze
des Commodus hatte einem Julianus gegenüber das Volk der
Hauptstadt eine gewisse Selbständigkeit gegen das Prätorianer-
tum und ein Gefühl für die Würde des Reichs gehabt; jetzt
war man zufrieden, auch von einem Elagabal unterhaltend
regiert zu werden. Ahnliche Indifferenz herrschte offenbar unter
der Masse der Soldaten aufserhalb Roms. Dafs Versuche gemacht
wurden, diesem Herrscher von den Provinzen aus gegenüberzu-
treten, war nur natürlich^); aber sie scheiterten sämtlich nicht
blofs daran, dafe die Urheber Männer ohne Namen waren, son-
dern noch mehr an der Teilnahmlosigkeit der Truppen und wohl
auch der Provinzialen, welche von dem, was in Rom vorging,
wenig betroffen waren. Dagegen war von entscheidender Wichtig-
keit die Haltung der Truppen in Rom, und diese wandten sich
immer mehr der besseren Seite des Hofs zu. Alexander, schon
vorher zum Cäsar ernannt, mufste von Elagabal adoptiert werden');
die Angriffe, die Elagabal infolge davon gegen ihn richtete, be-
qtMtn per omnes servos ac libidinum magistros; in senatum legü sine cUdcri-
mine cietatia censm generia etc.
1) Vit. 22, 4: primus hunc morem sortis (der Lotterieloose bei den
Festlichkeiten) insHtuit, qiiem nunc videmus] — quae poptüus tarn libeiUer
accepit, vi eum postea imperare grcUülarentur.
2) AofzählüDg derselben bei Dio 79, 7, der einen Versnch die Flotto
aufzuwiegeln aus der Nähe mit ansah.
8) Vit Heliog. 10, 1: milites in Alexandrum amnes indinantes, qui
iatn Caesar erat a senatu eo tempore. 13, 3 : {iuvenis Alexander) a miütibvs
ctiam amaibatur et senatui acceptus erat et equestri ordini. Den Entschlols
zur Adoption Alexanders läTst Dio 79, 17 von Elagabal selbst ausgehen,
- 487 -
stärkten die Soldaten nur noch mehr in ihrer Vorliebe für Ale-
xander und führten schliefslich die offene Spaltung zwischen den
weiblichen Führerinuen am Hof und dabei den Untergang des
Elagabal im Pratorianerlager herbeL^) Au seine Stelle trat jetzt
und wurde sofort in die Gewalt eingesetzt der Sohn der Mammäa.
14. M« Aurelius Severus Alexander, wie der neue Herrscher serenu
sich nannte^, war, als er im März 222 das Imperium übernahm,
ISy, Jahre alt*), jünger als je ein Princeps beim Antritt der
Alleinregierung: Commodus war wohl mit 15 Jahren Augustus
geworden, Caracalla sogar mit 10, aber beide zu Lebzeiten des
Herodian 5, 7 fährt ihn aaf den Rat der Mäsa zurück. Das Datam
(10. Juli 221) geben die Fasten eines Priesterkollegiums (Henzen n. 6063.
C. i. 1. 6 n. 2001 mit dem Kommentar von Borghesi oeuvr. 8, 391 ff.)*
Bandi di Yesme liest in dem verstümmelten Diplom corp. i. 1. 3 p. 892
o. L Z. 6 — 8 den Namen des Alexander als imp. Caes, [Äugtaius] noch
zu Lebzeiten des Elagabal, und Mommsen stimmt dem bei, indem er zur
Unterstützung auf c. i. I. 6, 1016 c verweist, wo der Name des Alezander
an Stelle des getilgten Commodus neben einen M. Aurelius Anton, gesetzt
ist, den der Urheber dieses Einsatzes fälschlich für den Elagabal hielt.
Allein dieser Urheber konnte sich auch in der Geschichte des Sev. Alex,
täaschen, und neben dem, was für die Vesme'sche Deutung des Diploms
spricht, verträgt sich die Annahme, dafs Alex, noch einige Zeit neben
Elag. Augustus gewesen sei, in doppelter Weise nicht mit den gleichzeitigen
Quellen. Nicht blofs heifst es vit. Alex. 1, 3: Augustum nomen recepit
addUo €0 ut et pcUris paUi<ie nomen et tue proconsulare et tribuniciam
potestcUem et iu8 quintae reJationis deferente senatu uno die adsumeret, nicht
blols wissen Dio und Herodian nichts (11, 6) davon, sondern es wäre in
dem sonst offenbar auf den kurz vorher citierten Marius Maximus zurück-
gehenden genaueren Bericht vit. Heliog. 14 ff. eine sehr auffallende Lücke
und eine Unverträglichkeit mit dem dabei erzählten Hergang. Zeitlich
könnte dio Ernennung zum Mitaugustus etwa erfolgt sein auf Verlangen
der Soldaten in Zusammenhang mit der Erzählung vit. 16, 1 f. ; allein auch
hier wird nichts derartiges bezeugt und das darauf folgende Verhalten des
Elag. stimmt zu einem solchen Zugeständnis nicht.
1) Die verschiedenen Stadien der Empörung der Soldaten am richtigsten
vit. 13 ff. Bei dem letzten Kampf im Lager giebt Dio den drastischen und
für das Vorhergegangene bezeichnenden Zug: at (irjtiQBg a-ormv iiapccvi-
ötSQOv 1j xqIv ccXXiqXaig iLaxoitBvat tovg <ftQatii6xag rJQid'iiov.
2) Den Namen Antoninus, den ihm der Senat aufdringen wollte, nahm
er nicht an; den Namen Severus nahm er nach dem Willen der Soldaten
an vit. Alex. 6—12. Die Abstammung führt er durch Caracalla aufSevems
zurück (vgl. z. B. in dem Militärdiplom c. i. l 3 p. 893: divi Antonini
Magni Fii fit., divi Severi Pii nepos).
3) Er war geb. 1. Okt. (nat. Caes. bei Bucher de dodr. temp. p. 276)
208 (Clinton fast Rom. zu 221). ^ j
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— 488 -
Vaters, also thatsächlich mit der Bedeutung nur des Nachfolge-
rechts, nicht eigener Regierung. Der Begriff der Minderjährig-
keit kam hier nicht in Betracht, da er dem System des augusteischen
Principats, innerhalb dessen auch das Recht dieser Regierung
steht, durchaus fremd ist: die Übertragung der zu dieser Stellung
gehörigen Rechte konnte immer nur geschehen unter der Vor-
aussetzung, dafs der, dem sie übertragen wurde, ein voller Mann
sei. Man mufste also, indem man einen Knaben zum Augustus
erhob, darauf gefafst sein, dafs derselbe zum Unheil des Reichs
sein Recht selbständig geltend machte. Indes die Umstände
machten solche Besorgnis überflüssig. Dieselben Hände, welche
ihm die Erhebung vorbereitet, leiteten auch die ersten Jahre
seiner Regierung, ohne Zweifel mit festerer und sichererer Hand
als er selbst später, aber nicht in irgend einer rechtlich neuge-
stalteten Form, sondern von vorhandenen Instituten aus. Das
erste war, dafs in die nächste Stellung beim Kaiser, in die des
Gardepräfekten, der vertraute Ratgeber der Kaiserin-Mutter, Do-
mitius Ulpianus, eintrat, welcher sich sofort der mit der vorigen
Regierung zusammenhängenden zwei andern Präfekten entledigte
und welchem weiterhin der aus derselben juristischen Laufbahn
wie Ulpian hervorgegangene Julius Paulus beigegeben wurde. ^)
Ulpian war es, der mit Mammäa den Geist der neuen Regierung
bestimmte und die Einrichtungen traf, die sie befestigen sollten.
In der mit gröfserer Kraft als je hervortretenden Stellung des
Gardepräfekten war die Kontinuität mit der seit Septimius ein-
geschlagenen Richtung vertreten-, daneben aber sollte die Einigung
1) Dio 80, 1: 'AXsiavÖQog (ist' i%Bivov svdvg avxaQxriaag Jofutin
Zivi OvXnitxvm xr^v t£ rcov doqvtpoqtov fCQoatccaiav xol tä Xoma trjg cr^x^g
inizQiips ngayfiatce, c. 2: 6 OvXnucvog noXXcc i^hv tmv ov% OQ^mg tmo
Tov ZagdavandXXov ngax^ivxmv inrjvmQd'mas xov ts Sri Maoviavov tov tt
XQriatov dnonts^vag^ tv* avtovg SiaSiirjtcci, Herodian erwähnt ihn gar
nicht; umsomehr spricht die vita an verschiedenen Stellen von ihm. In
einem Beskript vom 81. März 222 wird er von Alex, genannt pruefeäus
anno na e iuris consültus amicus meus (cod. Inst. 8, 37, 4), in einem andern
vom 1. Dec. 222 praefectus praetorio ei parens meus (4, 65, 4); damit föllt die
anderweitige Angabe, er sei schon unter Elag. pr, pr. geworden. Vgl
aber seine und des Paulus Laufbahn Hirschfeld, Verwaltnngsgesch. S. 234 1,
aber die beiden als Juristen Kariowa, Rechtsgesch. 1, 789 flF., über die
Schriften derselben 768 ü'. — Die Angabe, dals Ulpian seine Stellung bei
Alex, eingenommen habe primum repugnante mcUre deinde gratias agefik
ist rein erfunden aus der Voraussetzung, dafs Mammäa ihrer Natur nach
gegen jeden anderen Einflufs als den ihrigen habe sein müssen. ,
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mit dem Senat so weit wie möglich erzielt werden: es wurde^
wof&r man einen Vorgang unter Augustas, wenn auch unter ganz
andern Umstanden, finden konnte (ob. S. 176); ein Ausschufs des
Senats von 16 Mitgliedern bestellt, der mit den obersten Stellen
der kaiserlichen Verwaltung zusammen die Regierungsmafsregeln
beriet, und dessen Beschlüsse der kaiserlichen Entscheidung zu
Grunde lagen. ^) Die letztere mufs auch jetzt unbedingt als das
in letzter Linie entscheidende angesehen werden^ d. h. bei dem
mafsgebenden Einflufs des Gardepräfekten blieb diesem neben
allem senatorischen Einflufs doch die Möglichkeit die letzte Ent-
scheidung selbständig zu halten. Dagegen wurde dem Senat die
weitere Konzession gemacht, dafs der Gardepräfekt, mindestens
wenn er zu dieser Stellung gelangte, eine Rangstellung im Senat
erhielt, eventuell auch ein Senator dazu bestellt werden konnte.^
Damit war, ohne dafs die Festigkeit und Einheit der Regierung
beeinträchtigt wurde, doch mit einem Male verglichen mit der Hal-
tung, welche von Septimius her das Imperium gegenüber dem Senat
eingenommen hatte, eine ganz neue Richtung eingeschlagen, die
zugleich unter den augenblicklichen Verhältnissen jedenfalls halt-
bar war. In Verbindung mit dieser politischen Einrichtung ging
die sittliche Reaktion der Reinigung des Hofes und der Beamten-
schaft von den Werkzeugen der früheren Regierung und eine
nationale Reaktion auf dem Gebiete des religiösen und des Kultur-
lebens.*) Die Syrerin Mammäa war einsichtig genug, um den
Zusammenhang der letzteren Seite mit dem, was man politisch
eingerichtet hatte, zu erkennen, und wenn auch in der Bildung
ihres Sohnes das hellenistische Element überwiegend war, so wollte
er doch als Kaiser möglichst Römer sein, soweit, dafs er sogar
seinen syrischen Ursprung zu verdecken suchte,*) Namentlich
1) Herod. 6, 1, 2: itQmtav (tlv t^g cvy%Xrftov ßovXrjg tovg donovvtccg
%al TjXin^ asiiVfnatovg xal ßi(p aoxpQOvtatcctovg i%%a(di%a insXi^avto
9VpiSgovg bIwui nal avftßovXovg xov ßaaiXimg ovSi %t iXiyeto ^ inQattsto
bI ^i) xansipoi avto InmqivavxBg avfitjnjfpoi iyivavto. Ober den tu 16, 1
erwähnte D Beirat 8. unt.
2) Vit. 21, 3: praefectis praetorti suis senatoriam addidit dignitaUm,
%U viri clarissimi et essent et dicerentur; — idcirco senatores esse voluü prae-
fectos prciet., ne quis non Senator de Romano senatore iudicaret. Der weitere
Zweck lag wohl aach darin, in dieser höchsten Spitze der ritterlichen Yer-
waltnng diese mit der senatorischen aaszagleichen.
8) Vit. 16. Herod. 6, 1, 8.
4) Vit. 28, 7: volebat videri originem de Momanorum gente trähere^ 9^^Q\^
— 490 —
aber wurde sofort in der Staatsreligion das hergebrachte von
Elagabal beseitigte wiederhergestellt , eine Restitution, der frei-
lich durch den Synkretismus, in welchen die religiösen Anschaa-
uDgen des Kaisers selbst ausliefen, sehr bedeutend Eintrag ge
than wurde. ^) Am Hof wurde sofort Einfachheit, Sparsamkeit
und ein Verkehr eingeführt, der zu den unter der letzten Regierung
eingerissenen orientalischen Adorationsformen den direktesteo
Gegensatz bildete, indem der Zugang zu der obersten Gewalt
möglichst frei sein sollte.^)
In welcher Weise nun die so eingeleitete Regierung tod
einer ausschliefslich durch erfahrene Hände von Ratgebern ge-
leiteten in ein Stadium überging, bei dem ohne Aufgeben der
vorhergehenden Führung die Individualität des Kaisers mehr sich
bemerklich machte, läfst sich nicht bestimmt erkennen, da unsere
Quellen durch ihre Anordnung uns darüber Auskunft versageD.
Die Art der Einrichtung jenes Staatsrats und die Stellung des
Kaisers zu demselben uud dem Gardepräfekten, die äufserlicli
die gleiche blieb, sowie der Charakter des Kaisers, in dem kein
plötzliches Erwachen der eigenen Auktorität vorging, brachte es
mit sich, dafs der Übergang ein unmerklicher war. Immerhin
läfst der Charakter der von Alexanders Regierung hervorgehobenen
Mafsregeln vielfach erkennen, was den individuellen Stempel
trägt und was ein allgemeineres Prinzip vertritt; auch wird man
es als natürlich annehmen dürfen, dafs die eigene Initiative des
Kaisers nach dem Tode Ulpians, also vom J. 228 an starker
und deutlicher hervortritt als vorher.
Das Verhältnis zum Senat blieb, soviel wir sehen, bis zum
Tode des Kaisers ungestört Mag auch der Ruhm seiner Re-
gierung, dafs sie — vom Senatsstandpunkt aus — unblutig ge-
wesen, d. h. kein Senator unter ihm exekutiert worden sei, nicht
ganz zutrefiFen*), jedenfalls erfreuten sich die Senatoren wieder
eum pudehat Syrum did. 44, 3: Syrum st dici nökbiU sed a maioribu9 lUmm-
nutn et siemma generis depinxerat, quo ostendebaiury gmus eiua a MeUUä
deseendere.
1) Herod. a. a. 0. Vit. 43, 6: CapUolium sepiimo quoque die, cum in
urbe esset, ascendit, templa frequentavü, Christo templum faeere voiuä eum-
que itUer deos recipere. 22, 4: Judaeis privilegia reservamt, ChrisHanos tm
passus est. 29, 2 (Christas, Abraham und Orpheus in seinem Larariom).
2) Vit. 18. 29 ff. {vita cottidiana et domestica),
3) Herod. 6, 1, 7: ig rsüüaQegnaidinatov yovv iXaöceg r^s ßaciUias
hog oyatfMSTl i^Qisv, 9, 8: äfiipMtmg ^c^l dvaiiJMti; indes^arw&hni Herodiao
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- 491 -
einer Zeit von 13 Jahren ungewohnter persönlicher Sicherheit
för ihre Person und ihr Vermögen. Die äufseren Ehren wurden
dem Senat in vollem Sinn erwiesen und was von ihm an Devotion
gegen das kaiserliche Haus erwartet wurde ^ war, wenn nicht
durchaus freiwillig, doch in mäfsigen Schranken gehalten. Was
dem Kaiser an Befugnis zur Aufnahme in den Senat zustand,
soll er nur im Einvernehmen mit dem Senat selbst ausgeübt
haben, ebenso die Ernennungen zum Konsulat, und dafs in den
Ritterstand kein Freigelassener Zulassung fand, wurde damit
motiyiert, dafs er die Pflanzschule des Senats sei.^) Die Er-
nennung zum Gardepräfekten nahm er unter Zuziehung des
Senats vor, den Stadtprafekten liefs er sich vom Senat vor-
schlagen.') Der Staatsrat, der beim Regierungsantritt eingesetzt
war, scheint in erweiterter Form fortwährend beibehalten worden
zu sein, und zwar so, dafs die Zahl bis zu der fär eine Senats-
abstimmung damals verlangten Minimalzahl von siebenzig Mit-
gliedern vermehrt wurde, und man könnte aus dieser Notiz
sogar schliefsen, dafs abgesehen von den höchsten Verwaltungs-
beamten der Ritterstand in diesem Rat nicht vertreten war. In-
dessen ist es leicht begreiflich, daüs ein solcher Ausschufs des
Senats die Behörde selbst in Schatten stellte-, alle wichtigeren
Fragen wurden in ihm vorweggenommen^) und das Plenum war
selbst, dafs der Schwiegervater Alexanders getötet worden sei, aber er
ladet die Schuld auf Mammäa ab. Von einem allgemeineren als dem
Senatsstandpunkt aus ist yit. 26, 1 gesagt: Huius imperium incruentum
quidam liUeris trcididerunt, quod contra est: nam et Severus est appeUatus a
müüibus ob austeritatem (was natfirlich unrichtig ist) et in animadversionibiis
asperior in quibusdam fuit. Vgl. 52, 2: amifMtov imperium eius, cum
fuerit durus et ietricus idcirco vocaUum est, quod senatorem nüüum ocdderit,
ut Herodianus — refert,
1) Vit. 48, 1 (Zugeständnis des Gebrauchs von vornehmeren Wagen
an die Senatoren, Bestellung der Konsuln ex sen(ttus sententia). 19, 2:
senatorem nunquam sine omnium senatorum qui aderant consilio feeit etc.
Wie das hier angegebene in das Verfahren bei Ergänzung des Senats ein-
griff^ s. im Syst 19, 4: libertinos nunquam in equestrem locum redegit ad-
serens, seminarium senatorum equestrem locum esse. — Vgl. 49, 2: ponti-
fictUus et quindecimviratus et auguratus codiciüares fedt, ita ut in senatu
aüegarentur (d. h. dem Senat mitgeteilt wurden).
2) 19, 1: Praefectos praet. sibi ex senatus auctoritate constituit, prae-
fectum urbi a senatu aecepit.
3) Vit. 16, 1: neque uUam constitutionem sacravit sine viginH iuris
peritis et doctissimis ac sapientibus viris isdemque disertissimis non minus
quinquaginta^ ut non minus in consilio essent sententiae quam s. c. eonfieerent. %q]^
- 492 -
in der Hauptsache nur noch die Repräsentation des Standes und
etwa noch das Forum, vor welchem der Kaiser sich über seine
Politik y seine Unternehmungen und überhaupt alles, was er in
feierlicher Weise vor die Öffentlichkeit gebracht wissen wollte,
aussprach; woneben er übrigens auch die Eontionen für letztere
Zwecke benützte. ^) Die Senatuskonsulte als Rechtsquelle werden
jetzt vollends durch die aus dem kaiserlichen Staatsrat hervor-
gegangenem Verfügungen ersetzt.') Das Sondergebiet des Senats
in Provinzen und Haushalt wurde noch geachtet und dem sena-
torischen Ärarium wahrte Alexander durch viele Bestimmungen
sein Recht ^); auch in dieser Beziehung also wurde die alte Ver-
fassung wieder gekräftigt. Allein das Gebiet der kaiserlichen
Verwaltung; wie es Septimius Severus eingerichtet, blieb bestehen
und wir dürfen nicht daran zweifeln, dafs ein Verwaltungsmann
wie Ulpian den inneren Ausbau dieser Seite weiter verfolgte
durch Schaffung neuer Stellen und Ordnung des Geschäftsgangs,
wenn auch die Quellen, die wir haben, nicht erlauben, dies zeitlich
genauer nachzuweisen.*) Eine wichtige Reform aber, der jedoch
Ulpian selbst zum Opfer fiel, war die Trennung der bürgerlichen und
militärischen Funktionen. Meist blieb allerdings noch die bürger-
liche Provinzialverwaltung zusammen mit der militärischen in den
Händen der Statthalter; aber überall, wo eine Heeresverwendung
in gröfserem Mafsstab notig war, fand Trennung statt, oder wurden
Assessoren bestellt; welche die Civilverwaltung führten; damit die
Die SO können identisch sein mit den 16 bei Herodian (ob. S. 489 A. 1) anter
Hinzurechnung der obersten Yerwaltongsstellen, im Ganzen aber soll das
hier besprochene das consilium schildern, wie es im Verlauf der Begiernng
fungierte. Die Beziehung auf die Senatsabstimmung scheint andere als
Senatoren auszuschliefsen, während der Ausdruck iuris periti an sich all-
gemeiner ist. In dem consilium y wie es Dio 62, 33 will, sollen ot im-
liozaxoi %al t&v ßovlsvtmv %al xmv titnimv sein.
1) Vit. 25, 11: contiones in urbe multas hdbuit moreveterumtribunarum
et consülum.
2) Von nun an werden keine Senatsbeschlüsse mehr citieri
3) Vit. 16, 1 : Leges de iure papuli et fisd moderatas et infinitas san-
xU: 24, 1: provincias — proconsuiares ex senatus voluntaie ordinavit.
4) Wenn man die in der vita gebräuchlichen Ausdrücke für dieee
Zeit in Anspruch nehmen wollte (15, 6: scriniorum principes; 26, 6: Ulpian
magister scrinii; 49, 2: pontificcUus — codicillares fecit)^ so wären die
Eiinzleibenennungen des folgenden Jahrhunderts schon vielfach üblich ge-
wesen. Es ist dies aber übertragener Sprachgebrauch; mafsgebend fär das
der Zeit angehörige sind die Inschriften. Weiteres s. im. System.
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- 493 —
Statthalter ganz dem Heereskommando sich widmen konnten.^)
Damit war die spätere völlige Trennung machtig vorbereitet. In
der Organisation des Gardekommandos in Rom war man freilich
viel weiter gegangen, seit die oberste Stellung einem Juristen
gegeben war und die militärischen Funktionen untergeordneten
Posten überlassen waren. Hier rächte sich aber das Mifsver-
hältnis zwischen dem Namen und der Funktion des Präfekten-
postens blutig an dem Manne, der in der Bekleidung desselben
der militärischen Seite fremd blieb und doch strenge Anforde-
rungen an die Disziplin machte, indem die darüber erbitterten
Soldaten den Juristen in der Präfektur töteten, ohne dafs der
Hof ihn schützen konnte.*)
Dafs der Senat im Allgemeinen mit dem zufrieden war, nie steiinng
was ihm unverhofiFter Weise nach einer Zeit, wie die des Ela- gchreibers Dio
zur Regieruiig
— AlexMiden
1) 24, 1: Pravincias legatorias praesidüües plurinuu fecit Dies ist
von dem Biographen in dem Sinne der späteren Zeit gemeint, in welchem
der Chef der Civilverwaltang in speziellem Sinn praeses heifst and Bitter
ist. Die Frage ist^ ob der Titel in dieser Bedentang schon aaf Alexander
zurückgeht Zu dessen Zeit schreibt der Jurist Macer Dig. 1, 18, 1: Prae-
sidis namen generale est eoque et proconsules et legoH Caesaris et omnes pro-
vincias regenies , licet senatores sint, praesides appeUaniury wohei das licet
semUores sint sich darauf bezieht, dafs in speziellem Sinn praeses sonst den
Vorstand einer prokuratorischen Provinz bedeutet. Mommsen, der in den
Ber. der säcbs. Gesellsch. 1852 S. 221 jene Einrichtung später als Alexander
setzt, erklärt die Stelle des Biographen so, dafs er hätte sagen wollen,
Alexander habe öfter einen procurator et praeses in Provinzen geschickt,
die sonst Legaten unterstanden. Allein in Verbindung mit der Stelle vit.
46, 1: adsessoribus sailaria instituit, quamvis saepe dixerit, eos esse promo-
pendos gui per se remp. gerer e possent non per adsessores, addens militares
habere suas culministrationes^ habere litteratos et ideo unumquemque hoc agere
debere, quod nässet, dürfte es doch annehmbar sein, in Alex, den Begründer
der Trennung der Militär- und Civilverwaltung zu sehen, aber nur in
einzelnen Beispielen, während das Prinzip der Verwaltung der gröfseren
Posten durch senatorische Legaten aufrecht erhalten blieb. Es scheint
ferner, dafs er es in doppelter Weise anwandte: in manche Provinzen
schickte er nur Assessoren und diese konnten dann ritterlichen Standes
sein; wo aber der Statthalter einer Provinz durch ein grOfseres Kommando
in der Stellung, wenn nicht schon mit dem Titel eines dux limitis der
Provinzialverwaltnng ganz entzogen war, da wird ein praeses geschickt
worden sein, jedoch senatorischen Stands, wie M. Caecilius Novatillianus
der praeses provinciae Moesiae sitp. ist. Wilmanns n. 662.
2) Dio 80, 2: 6 Ovlntavog — vno rmv SoqvtpoQmv ini^siiivcov o[
wutog TtectsaipdyTj u. s. w. Vgl. vit 61, 4: Ulpianum, quem saepe a fnili-
tum ira obiectu purpurae suae defendit.
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- 494 -
gabal gewesen, geboten wnrde^ ist wohl zu glauben; doch fehlte
es auch nicht ganz an solchen; welche schärfer sahen und ihre
Ideen von konstitutionellem Regiment nicht verwirklicht fanden.
Ein Zeugnis hierfür haben wir in der Rede, welche Dio (52,
14 — 46) in der Geschichte des ersten Augustus dem Mäcenas
in den Mund legt. Dieselbe ist von Beziehungen auf die eigene
Zeit durchzogen und selbst in die rhetorischen Gemeinplätze
über die Aufgaben des Regenten hinein kann man solche Be-
ziehungen verfolgen. ^) Aber der Standpunkt des Geschichtschreibers
ist nicht identisch mit dem der Regierung des Severus Alexander,
und es ist unverkennbar, dafs er — ob wegen Yemachlässigung
oder Meinungsverschiedenheit — frondierend bei Seite steht. Nicht
dafs es ihm an äuiseren Ehren gefehlt hätte: er bekleidet unter
diesem Kaiser wichtige Statthalterposten und als Kollege des
Kaisers im J. 229 ein zweites Konsulat. Der Kaiser gewährt
ihm Schutz gegenüber den Prätorianern, während er dem Dlpian
solchen nicht hatte gewähren können, und erweist ihm während
jenes Konsulats besondere Gunst. Aber Dio findet dann für gut,
in seine Heimat Nicäa sich zurückzuziehen und dort seine Tage
in litterarischer Tfaätigkeit zu beschliefsen, wie Hektor von Zeus
den Nöt^ des Männermords und der Kämpfe entnommen.^) Die
Regierung Alexanders nimmt er unter ziemlich nichtigen Gründen
nicht mehr in den Rahmen seiner Geschichtschreibung herein.')
Er gehört ofiTenbar nicht zu den Vertrauensmännern der leitenden
Personen, nicht zu der Umgebung der Kaiserin-Mutter, die er
abgesehen von ihrem ersten Eintreten in den geschichtlichen
1) Dio 62, 39: oaa av ^zegov tiva aQ^avtä aov noutv i&sXiqisjiSf xavxa
avtog avTsndyysXtog ngdaa^g^ ovtb ri afice^nfiF^ xal ndvtcc natoffi'weng iL a. w.
Vgl. vit. 51, 7 : clamabcU 8(iepiu8 quod a quibusdam aive Judaeis sive CMstianü
attdUrcU et tenehat^ idque per praecanem, cum dliquem emendarety did i%ibdMst:
quod tibi fieri non vis, aUeri ne feceris, quam sententiam usque adeo düexU,
ut et in palaiio et in puhlicis operibus prcieacribi iuberet,
2) Dio 80, 4 f. In Pannonien hatte Dio als Statthalter mit wider-
spenstigen Truppen zu thun, und die Energie, die er gegen dieselben seigte,
verargten ihm die Prätorianer, welche bei ihrer jetadgen ZusammenBetKOog
viel mehr Fühlung mit den Legionen hatten als früher.
8) 80, 2 schützt er Erkrankung in Bithynien und weiterhin amtliche
Abwesenheit von Rom vor, als ob er nicht trotzdem die Vorgänge hätte
erfahren können. — Die von Bekker in seiner Ausgabe Dios p. 454 £. aus
Zonaras II p. 571 f. ab dionisch in Anspruch genommenen Stellen über das
Konsilium und über Mammäa halte ich nicht für dionisch^ vgl. auch Volk-
mann de Herod. vita p. 28. Dändliker in Büdingers Unters. 3, 208 A. 5.
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— 495 —
Horizont nur einmal erwähnt^); namentlich aber ist er nicht
Mitglied des Staatsrats. In jener Rede nun steht er im Allge-
meinen auf dem Standpunkt^ dafs seine Zeit innerhalb des
augusteischen Systems zu bleiben habe; nicht nur liegt dies in
der ganzen Situation der Rede, welche mit ihren Abweichungen
von dem wahren Programm des Augustus und ihrer thatsäch-
liehen Berücksichtigung dessen, was nach ihm in die Verfassung
hereingekommen, sonst in jenem Zusammenhang keinen Zweck
hätte, sondern er will in sehr wesentlichen Punkten die Ver-
fassung mehr dem augusteischen Programm entsprechend erhalten
wissen. Die Ergänzung des Senats und Ritterstandes aus Pro-
vinzialen nimmt er, der aus Nicäa stammende, selbstverständlich
an, ebenso das neueste Gesetz über die Verallgemeinerung des
römischen Bürgerrechts; er acceptiert auch die Festsetzung des
Ritterstandes in der Verwaltung und die Verwendung der aus-
gedienten Offiziere in dieser Seite des Verwaltungsdienstes*); in
dem was er über die Fürsorge für die Erziehung durch besoldete
Lehrer sagt, ist er durchaus auf dem Standpunkt eines Kaisers,
der in solchen Besoldungen freigebig ist und sogar Stipendien
för die Schüler schafft^) Auch in den Kompetenzen des Stadt-
prafekten, in der Besetzung der Magistraturen, in der Stellung
Italiens steht er auf dem Boden des zu seiner Zeit Geltenden
und will nicht auf den des Augustus zurück/) Dagegen mifs-
bUligt er die Stellung des Gardepräfekten, wie sie zu seiner Zeit
sich gestaltet^ will vielmehr in diesem Kommando zwei lediglich
militärische Führer haben '^), und ein Senatsausschufs hat in
1) 80, 2 bei der Erzählung von der Ermordnng Ulpians, der sich zum
Kaiser und seiner Matter geflachtet hatte, aber von ihnen nicht geschützt
werden konnte.
2) 52, 19 f. 26.
8) 52, 26: (die Senatoren- und Rittersöhne) ig ta SiSuayialsCa avfKpoi-
mm — didaandXavg dri(ioauvovTag iiiiiiad'ovg i%ovxBg vgl. vit. 44, 4: r/^-
UmbuSy grammoHcis^ medicis — sälaria instüuü et axiditoria decrevit et dis-
cipulos cum annonü patiperum füios modo ingenuos dort iussit.
4) 52, 21 (Stadtpräfekt): 20. 23 (Magistrate) 22: (l^ »ccvfiaafig bI %ccl
tr^ 'itttXücv toucvxa (li^ vstfuxi aoi na^aivm.
5) 52, 24: tmv tnieiayp Svo zovg aQ^ctovg trig nsql ah ipQOVQag aQ%Siv
(fftrifd x^^at) — tavta yoQ (der militärische Befehl) xorl ngogi^novta xal
avtaffufi ccvtoig Sidyiad'aiy tvcc fMj nXsüo nqiyfuita mv %aXmg tpigsiv dvvfj-
aorrcEi ixita%Q-ivtMg acxoloi n^og t« aifay%ata rj xtfl otSvvatoi. navxoav
€tvt&p nqolinanQ'm yivmvxai.
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- 496 —
seinem System nicht Platz. Die Kompetenz des Senats hängt
am Plenum desselben und an dessen Abstimmungen, dieselbe
wird zwar nicht in den Magistratswahlen, welche zweckmäfsiger-
weise in die Hand des Kaisers gelegt werden, aber in dem Ein-
flufs auf die wichtigsten politischen Fragen so voll wie möglich
genommen: Auswärtiges ^ Gesetzgebung und Kapitaljurisdiktion
über seine Mitglieder stehen dem Senat zU; der auf gleicher
Stufe mit dem Princeps steht. Ein Konsilium aus Senatoren
und Rittern bestehend sollte selbstverständlich wie bisher bei-
behalten werden ; aber eben nur wie früher als richterlicher
Beirat.^) — Dies war doch ein wesentlich anderes Programm
als es Ulpian im Sinne hatte, und an seine Verwirklichung unter
den damaligen Verhältnissen zu denken war ein Anachronismus,
den der von den Geschäften zurückgezogene Geschichtschreiber
sich erlauben konnte, der aber nicht besonders stimmt für einen
Senator^ der die Zeiten yon Commodus bis Elagabal im Senat
mitgemacht und die Grenzen der Widerstandskraft dieser Behörde
erfahren hatte. Es würde wohl auch die grofse Mehrheit des
Senats zufrieden gewesen sein, wenn die Aussöhnung dies^
Faktors mit dem von Septimius Severus begründeten System,
wie sie Ulpian vertrat, sich hätte weiterhin erhalten können,
aber es ist immerhin möglich, dafs die Ansprüche an Wieder-
herstellung oder Neubegründung voller Senatsauktorität, wie sie
Dio hier versteckt darlegte, auch von anderen geteilt wurden.
Die Regierung ludesscu War die Art dieser Regierung in vieler Beziehung
aufgeklärter wcdcr au die augusteische noch an die des Septimius sich an-
schliefsend, sondern eigenartig und neu, und dies hing teils an
der Persönlichkeit des Kaisers, teils an der oben beschriebenen
Organisation des Senatsausschusses und der Gardepräfektur. Das
Principat, wie Alexander es führte, näherte sich vielmehr einer
Monarchie, in welcher der Kaiser mit einem ersten Minister,
anderen vortragenden Räten und einem Staatsrat die Regierung
führt. Immer ist Ulpian als solcher Minister um den Kaiser
1) 52, 82: tavTU ow — rj ysQOvaia dvatld'ei' rä ya^ «oiya «oitw^
Siansta^ai. Sst. — nal nsQl fifv xmv aXXtov navtBg ofiolovs tovs xaqdf-
tag yvmfirjv didovat. 20 (Wahlkompetenz des Princeps). 3 1 (Eompetens
des Senats). 32: (mit BezieboDg auf die Senatskompetenz) «äaiv dwd'^nois
iliq>vtov xal x6 %al(fBi.v itp' oTg civ nccgd tov %QslTxovog mg xal iconiMi
avzA ovtig d^itod-öiai. 33: (in der richterlichen Funktion) dcl ol iru-
fiotatoi nal xciv ßovXsvxmv aal tmv tnnimv — diccyiypmunitmaav,
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- 497 -
und trägt ihm vor, was von den Verwaltungsstellen und vom
Staatsrat zur Entscheidung durch den Monarchen kommt: ^) Dafs
dieser Staatsrat durch seine Verstärkung zu einer Mitgliederzahl,
die der vorschriftsmäfsigen Minimalzahl einer Senatsabstimmung
entspricht^ den Anschein einer konstitutionellen Behörde in der
Art des Senats selbst gehabt hätte, ist eine unberechtigte Fiktion-,
denn diese siebenzig sind besonders ausgewählt, die siebenzig
aber, welche ein Minimum des Plenums repräsentieren sollen,
sind durch zufällige Verhältnisse auf diese Weise reduziert und
eben deswegen auch von mannigfaltiger Zusammensetzung. Der
Idee des Principats nach ist der Princeps selbst der magistratisch
handelnde, von welchem in seinem Gebiet Rat und That unmittel-
bar ausgeht; jetzt schieben sich vortragende Minister und andere
vortragende Räte vom Verwaltungsdienst ein, legen dem Herrscher
das anderweitig bureaukratisch vorbereitete zur Unterschrift vor
und geben es mit dieser zur Exekutive weiter. Die Grundsätze
aber, nach denen Alexander entschied und mit seinen Weisungen
eingriff, tragen ganz den Charakter eines aufgeklärten Absolutis-
mus neuerer Art. Der Monarch, vielseitig gebildet und angeregt,
arbeitsam und redlich bemüht, alles so gut wie möglich zu be-
stellen, hat überall seine eigenen Ideen, die er bessernd und
reformierend zur Geltung bringen will; nicht das Herkommen
oder die Zweckmäfsigkeit des Augenblicks, die einfache politische
Erwägung der gegebenen Verhältnisse sind mafsgebend, sondern
irgend ein Prinzip, ein schönes Wort, der Ausdruck subjektiver
aber auf vernünftiger und wohlwollender Auffassung ruhender
Grandsätze, in denen zugleich die Aufklärung der Zeit zur Gel-
tung kommt Von hier aus ist zu beurteilen, was berichtet wird
von der Gerechtigkeitspflege, den religiösen Grundsätzen ^ der
pädagogischen Tendenz, seinem Vorgehen gegen diebische und
betrügerische Beamte^ der Beamtenbestellung unter Bekannt-
machung der Namen zur öffentlichen Kritik aber mit dem Risiko,
bei falsch erwiesener Kritik den Kopf zu verlieren, von seiner
1) Vit. 61, 4: ülpianum pro tutore habuit — atque ideo summus im-
perator fuit, quod eins consüiis praecipue remp, rexit, 31, 2 : neque %mquam
solum quemguam nm prcLefectum siium vidit et quidem UJpianim ex assessore
semper suo cau$a iustitiae singülarü; cum atUem cUterum adhibuit, et ülpi-
anum rogari iuasit 16, 6: negcfia et causM prius a scriniorum principibus
et docHssimis iuris peritis et sibi fidelibus, quorum primus tunc ülpianus
fuit, tractari ordinarique atque ita referri ad se praecepit
Her.og. d. röm. SUatsrerf. IL 1. ^|.^.^^^ by GoOglC
— 498 —
Idee einer Kleiderordnung, seinem Bestreben, möglichst niedrigen
Zinsfufs herzustellen^ seiner Fürsorge für die Soldaten und wieder
seiner strengen Disziplin, seiner Erneuerung und Erweiterung
des humanitären Alimentarinstitus u. dgl.^) Es ist dies eine
Mischung von trefflichen Gedanken und Mafsregeln und wiederum
von individuellen Einfällen, deren Widerspruch mit den prak-
tischen Verhältnissen öfter auf der Hand liegt Einer solchen
Natur entspricht es auch, eine Menge neuer Vorschriften und
Gesetze zu geben und auch das einzelnste zu regeln.^) In der so
wichtigen Finanzverwaltung ergiebt sich hieraus nicht eine ein-
heitliche Steuerpolitik, sondern leicht ein widerspruchsvolles
Schwanken, zwischen Erleichterung und Anforderung. ') Besondere
Fürsorge scheint er dem gewerblichen Leben wenigstens in Born
zugewandt zu haben, teils um es teilweise wenigstens zur Be-
steuerung heranzuziehen, teils um es zu fordern und zu schützen.^
1) All das iat in zahlreichen Stellen der vita ohne Ordnung gegeben,
zum Teil in WiederholuDg.
2) 16, 1: legea — infinitas scmosit (ob. 492 A. 4); 48, 1: leges tfUMt-
meras sanxit
8) Finanzielle Mafsregeln und Zinsfufsregeln 21, 1: veeÜgäHa cMtatUm
ad proprio fahricas deputavit; fenus publictun trientaritim exercuU (47«)i
ita %fit pauperihus plerisque sine usuris pecunias dederü ad agros emendos,
reddendas de frugibus, 26, 2: üsuras fenercUorum can^ctxü ad trienUs
pensiones etiam pauperibtis consulens; senatores si fenerarentur^ usuras occt-
pere primo vetuit, nisi dliquid muneris causa acciperent; postea tarnen iussU
ut semisses acciperent (67o)7 fnunus tarnen susttdit. 89: vecUgdlia publica m
id contraxit, tU gui decem aureos siU> Heliogabdlo prctestiterant , tertiam
partem aurei praestarent hoc est tricensimam partem, tuncque primum semistet
aureorum formati simty tunc etiam, cum ad tertiam aurei part&n vtcügci
desidisset, iremisses dicente Alexandra etiam qiMrtarios futuros, quod minus
non posset; quos quidem iam formatos in moneta detinuit exspedans, ut «
vectigal contrahere potuisset et eosdem ederet, sed cum non potuiss^ per
ptU)licas necessitates, conflari eos iussit et tremisses tantum solidosque formari,
— Eine Herabsetzung von vectigcdia auf 7,o kann sich doch wohl nur auf
einzelne Arten beziehen, bei welchen sie vorher ins Malslose gesteigeii
sei mufsten. Bei all dem wird 64, 3 bei der summarischen Angabe dessen,
was an ihm tadelnswert war, auch angeführt: quod vectigalia muUä in-
veniebat. Es wird jedoch in dieser Beziehung nur genannt ein vecUgal
prdcherrimum, das auf Gewerbe und zwar, wie es nach der Aufzählung 84, 6
scheint, auf Luxusgewerbe gelegt wurde und dessen Ertrag den Thermen
zu gute kam.
4) Über die Gewerbesteuer s. vorherg. Anm. Andererseite vgl. 22, 1:
negotiatores ut Eomam volentes concurrerent , maximam immunitatem dedit.
83, 2: Corpora omnium constituit vinariorum lupinariorum caligariorum cl
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^ 499 -
Ferner führte er eine neue Art hauptstädtischer Gemeindever-
waltung neben dem Stadtpräfekten ein, welche geeignet war, in
Rom, dessen Verwaltung immer noch eben ein Teil der Staats-
verwaltung war, ein eigentümliches munizipales Wesen zu be-
gründen. ^)
Bei diesem Charakter seiner Regierung hatte übrigens der
Kaiser nicht wie andere ähnlich auftretende Regenten mit der
Macht eines zähen Herkommens oder mit zurückgebliebenen An-
schauungen einflufsreicher Kreise oder mit verletzten Interessen
gewisser Klassen zu kämpfen: reaktionäre Kreise in jenem Sinn
gab es nicht und die Wohlthaten, welche aus seinem Verfahren
dem römischen Reich und den verschiedenen Klassen der Be-
völkerung zu teil wurden, waren zu grofs und gegenüber den
vorherigen Zuständen zu fühlbar, als dafs man sich an manchen
weniger verständigen Seiten derselben gestofsen hätte. So wurde
man denn auch vereinzelt auftretender Prätendenten, wie es
scheint, ohne besondere Not Herr.*) Dagegen lag stets eine
omnino omnium artium atque ex sese defensores dedit et iussit, qui ad quo8
tudices pertineret. Wie dies in die sonstige Organisation des Kollegien-
wesens eingriff, 8. im System bei den Rechtsverhältnissen der verschiedenen
Bevölkenmgsklassen. Vgl. auch awruni negotiatorium — Romae remisit,
1) 88, 1: Fecit Bomcie curatores t*r6w quattuordecim sed ex consuUhus
viros, quos audire negotia urbana cum praefecto urbis iussit, ita ut omnes
aut magna pars adessent, cum acta fierent.
2) Die, der die ungünstigen Momente mit Vorliebe hervorhebt, sagt
80, 8: noXlal dl nal TcaQU noXXmv inapaattxasig yBv6(ievat %al rivsg nal
löxvQwg i%<poßiJ6aacci naxBitav^cav ^ aber es werden damit nicht sowohl
Prätendenten, als wie der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden und
Folgenden zeigt, Soldatenunruhen gemeint sein, wie sie Ulpian in Rom und
Dio selbst in Pannonien zu bekämpfen hatte (vgl. Vict. Caes. 24). Was
yit. 48 von einem Prätendenten erzählt wird, ist nicht ernsthaft zu nehmen.
Zosimus 1, 12 spricht von einem Antoninus und einem Uranius. Die Münzen
(Eckhel 7, 288 f. Cohen 4, 608 f.) zeigen^ dafs dies ^ine einzige Person
war, L. Julius Aurelius Sulpicius üranitts Antoninus; Cohen will seine
Erhebung nach dem Charakter des Münzstempels, der denen von Elagabal
ähnlich sei, in den Anfang der Regierung Alexanders setzen, allein dies ist
ein angenügender Grund. Da Münzen der Stadt Emesa ebenfalls diesen
Namen haben, so wird man richtiger mit Schiller 1, 780 diesen Präten-
denten in die Zeit des Perserkriegs setzen zu den bei Herod. 6, 4, 7 erwähnten
Soldatenmeutereien. Jedenfalls war auch dieser Prätendent von ephemerer
Bedeutung. — In dem Verzeichnis der principes Bomani des Polemius
Silvias (Mommsen in Abh. der säohs. Ges. II p. 248) werden aufser üranius
genannt Sallustius (von Mommsen a. a. 0. p. 245 mit dem vit. Alex. 49
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- 500 -
grofse Gefahr in dem Verhältnis zum Heere in Verbindung mit
dem Mangel an unmittelbar Imponierendem in dem Auftreten
des Kaisers. Es wird berichtet, dafs noch zu Lebzeiten Ulpians
in den Strafsen Roms eine förmliche Schlacht zwischen dem
Volk und den Prätorianern geschlagen wurde. ^) Andererseits
war der Kaiser selbst wieder in allen soldatischen Übungen
tüchtig, überall auf das Beste der Soldaten bedacht, mit allen
Verhältnissen des Dienstes wohl vertraut^); und als der grofse
Krieg unvermeidlich war, in dem schwierigen Kampf mit den
neu erstandenen Persern wenn nicht immer siegend, so doch
schliefslich erfolgreich. Aber die Abhängigkeit von der Matter,
ein Verhältnis, das einst dem Knaben mit zur Gunst der Soldaten
und dadurch zur Herrschaft verholfen hatte, wurde, als der Mann
es noch festhielt, zumal da die Kaiserin- Mutter habsüchtigen
Geizes beschuldigt wurde, der Stein des Anstofses'), brachte die
schwachen Seiten in dem Verhalten des Kaisers zur Erscheinung
und untergrub so das Ansehen, und dazu mochten dann einzelne
Akte auffallender Strenge gegen die Soldaten kommen.^) Unter
solchen Verstimmungen in eine soldatische Welt versetzt, welcher
ein Thronwechsel immer etwas lockendes war, bedurfte der
Kaiser doppelter Festigkeit des Auftretens und grofser Erfolge.
Statt dessen verbreitete sich, als er nach dem orientab'schen
Krieg einen germanischen mit grofsen Zurüstungen aufgenommen
hatte, mit Recht oder Unrecht das Gerücht, dafs der Krieg dorch
erwähnten Schwiegervater des Alex, identifiziert), dessen Bolle sehr uoklftr
ist, Selencns, der sonst gänzlich an bekannt, nnd Tanrinos, bestätigt aber
anch als bedeutungslos bezeugt durch Yict epit. 24 {Taurinus Äuffustus
effectuB oh timorem ipse se Euphrate flimo abiecit).
1) Die 80, 2: imvtos ixi {xov OvXnutvov) oxaotQ it^dlrj xov dij^ov
ngog tovg doffvtpOQOvg i% Pqa%BCag zi,vog alxiag iyivBxo^ äexi «al inl XQiSs
'^(ligag ftdxsa^at xs dUrjXotg %al noXXovg an aiitpoxiQiov dnoXic^tu.
2) Vit. 21, 6 ff. c. 47. 60.
8) Vit. 14, 7: cum ptter ad Imperium pervenisset, feeü cuncia am
mcUre, ut et tUa videretur parüer imperare, mulier acmcta sed oMtra et onri
atgue argenti cupida. 69, 8: a müitibtu ctmstat {occisum eum esse), cn»
iniuriose quasi in piterum eumdem et matrem eius avciram et cupidam muU0
dixissent 63, 6: causa occidendi eius ab dliis haee fuisse perlUbehir^ guad
mater eius relicto hello Gtrmanico orientem ad ietctantiam sui veüH reäkt
atque ob hoc esset irtxtus exercitus. Besonders hervorgehoben wird die
Schuld der Mutter bei Herodian 6^ 1, 8 ff. 8, 8.
4) Beispiele vit. 52 — 54; zusammenfossend unter den reprehensa 64, 3:
quod nimis severtu in müites ercU,
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- 501 -
Tribatzahlungen vermieden werden wollte^), und so fiel der Kaiser
der elendesten Soldatenerhebung zum Opfer.
§ 85. Von Maximintis bis Valerianxui. Das Heerkaisertam
im Kampfe mit dem Senat.
1. Die Erhebung des C. Julius Verus Maximinus^) war Maximinus und
in jeder Hinsicht epochemachend. Ein Militär, der es noch nicht MaxinTas"
über den Rang eines Tribunen hinausgebracht ^), ein, wenn auch
1) Herod. 1, 7, 9. Über die Katastrophe selbst geben die Biographen
des Alex. (61 f.) nnd des Maximinns (7) yerschiedene Versionen, wovon die
eine nach Hergang nnd Art auf Mifsverständnis eines Ortsnamens zn be-
mhen scheint (Britannien unter falscher Deutung des vicits Britannictu^
Bretzenheim bei Mainz; vgl. v. Wieter^heim-Dahn, Gesch. der Völkerw.
1, 185). Eine andere, welche die Schuld der Empörung den unter Maximin
stehenden Rekruten zuschreibt, giebt in ausführlicher Erzählung Herod. 1, 6 f.
FOr das Datum der Ermordung liegt ein urkundlicher Anhaltspunkt vor in
jenen ob. S. 486 A. 8 erwähnten Priesterfasten, in welchen die Wahl des
Maximinus in das Kollegium auf den 25. März 235 yerzeichnet ist Dar-
nach in Verbindung mit andern Argnmeuten berechnet Borghesi (a. a. 0.
S. 446—451) als Todestag den 18. März. Über ein weiteres Zeugnis
eines ägyptischen Papyrus zu diesem Datum vgL Seeck in Rhein. Mus.
8. 1C4 A. 1.
2) Der Name hat auf Inschriften und Münzen die Beiwörter pius felix^
die er sich ohne Zweifel nach dem Vorgang eines Macrinus und Elagabal
selbst beilegte ; dagegen verzichtet er auf jede künstliche Anknüpfung an
eine frühere Dynastie. Abstammung de vico Thraciae vicino barbaris bar-
baro etiam paire et matre geniius quorutn alter e Gothia^ alter ex Haianis
geniius esse perhibetwr vit. Maximin. 1, 5 (mit den gothischen Namen der Eltern).
— In der Beurteilung des Maximinus ist Herodian demselben günstiger als
der Biograph, der neben Herodian und Dezippus vorzugsweise den von
stadtrömischem Standpunkt aus schreibenden Junius Cordus (vgl. vit. Marc.
13, 4) benützt. Neigung zu willkürlicher Ausmalung hat Herodian hier auch,
doch verrät die Art, wie er den Zug Maximins gegen Aquileja schildert, dafs er
den Ereignissen nahe gestanden haben mufs. Die Art, wie der Biograph
CapitolinuB den Stoff dieser Zeit in den vitae der beiden Maximine, der
drei Gordiane, des Maximus und Balbinns auseinander gerissen hat, sowie
das Durcheinanderwerfen der verschiedenen Quellen in dieser Verteilung
bereitet mancherlei Schwierigkeiten. Über die chronologischen Fragen s.
unten. Von neueren vgl. Jos. Löhrer, de Jülio Vera Maximino Münster
1888. Seeck, der erste Barbar auf dem rOm. Kaiserthrone in Preufs. Jahrb.
66 (1885), 267—300. Ders. Die Haloander'scben Subskriptionen und die
Chronologie des Jahres 288 n. Chr. in Rhein. Mus. 41, 161 ff.
8) Vit. 8, 1 : primum e corpore militari et nondum Senator sine dtcreto
senatus Augustus ab exercitu appelMus est filio sibimet in participatum
dato. In der 8, 4 dem Alex, in den Mund gelegten Seoatsrede beifst es
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- 502 —
ianerbalb des romischen Reichs, in Thrakien oder Mosies, ge-
borener, doch von barbarischen Altern stammender Mann, der
einer überfeinerten Gesellschaft gegenüber die rohe Naturkraft
repräsentierte, — zum Teil mit ihren guten Seiten, vorherrschend
aber in negativer Weise, — ein rücksichtsloser Tyrann wird der
Nachfolger eines hellenistisch gebildeten Kaisers, der zwar von
Geburt auch dem römisch-nationalen entgegenstand, aber doch
für seine Pflicht gehalten hatte, dasselbe zu vertreten und zu
wahren, eines Kaisers, dem die innere Wohlfahrt des Reichs, die
Aufgabe einer vernünftigen bürgerlichen Regierung die erste
Sorge gewesen, des rücksichtsvollsten und mildesten Herrschers.
Nach einer Regierung ferner, welche die konstitutionelle Stellung
des Senats im Ursprung ihrer Gewalt, wie in der Führung der-
selben in unerwarteter Weise wieder aufgerichtet hatte, bricht
ein Usurpator in dieses System ein, der von Anfang bis zu Ende
der erbittertste Feind des Senats ist Damit war ein Konflikt
eröfliiet, der wechselnde Phasen durchmachte, schiefslich aber
mit der reinen absoluten Monarchie endigte.
Ob länger vorbereitet oder einem plötzlichen Ausbruch des
Soldatenunmuts entsprungen, war die Usurpation Maximins jeden-
falls die äufserste Folge der Stellung, welche seit Severos das
Heer eingenommen: war es doch der Erkorene einer kleinen, zur
Repräsentation des Heeres in keiner Weise berechtigten Schaar
gewesen, welcher durch einen Handstreich Imperator geworden
und zur Anerkennung im ganzen Reich gelangt war. Aber auch
für die Zukunft war diese Usurpation prinzipiell bedeutungsvoll
genug. Bei Septimius Severus war die Frage der Stellung eines
vom Heere ausgerufenen Imperators durch die thatsächlichen Ver-
hältnisse und das Entgegenkommen des Senats umgangen worden,
Macrinus hatte das Zureichende der Heereserhebung zwar aus-
gesprochen, aber dabei doch die Bestätigung des Senats nach-
gesucht (S. 479 A. 3), der Vorgang Elagabals aber (S. 485 A. 3)
zählte nicht. Alexander sodann war, nachdem er durch Adoption
und Ernennung zum Cäsar designiert war, vom Senat richtig ein-
gesetzt worden. Nunmehr wurde die Anerkennung durch den Senat
überhaupt nicht mehr gesucht, sondern von der einen Seite ohne
weiteres vorausgesetzt und verlangt, von der andern entweder
Maximintis^ eui ego IcUum clavum addidi; aber auch wenn dies beglaobigt
wäre, 80 war er damit noch nicht Senator.
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nur indirekt gegeben oder formell ausgesprochen ^ damit man
nicht ganz beseitigt erschiene.^)
Aber an dieser Neuerung entzündete sich kein Konflikt: so
schwer die Nachricht von den Vorgängen am Rhein den Senat
treffen mufste^ man nahm die brutale Thatsache hin, weil man
keine Macht hatte sie zu ändern, und so wurde sie Vorgang
und hatte weitgreifende Folgen. Seine Stellung in Kom sicherte
sich Maximinus begreiflicherweise sofort: was von Gardesoldaten
noch in der Hauptstadt zurückgelassen war, erhielt in einem
gewissen Vitalianus einen Befehlshaber, der geeignet war, den
Kaiser zu vertreten^), und entsprechend wurden die anderen
Präfektenposten besetzt. Der Kaiser selbst hatte teils wegen
der mit weittragenden Entwürfen unternommenen Kriegführung
in Germanien, teils weil er im Bewufstsein persönlicher Inferiorität
dem Senat nicht direkt gegenübertreten wollte, auf lange nicht
im Sinne nach Rom zu kommen, und sein Sohn Maximus, den
er vor dem Heere zum Cäsar erhob.^) und nach Rom als Re-
1) Dafs das Verhalten Maximins nea und epochemacheDd war, geht
darans hervor, dafs alle Berichte davon reden, wenn auch nicht in der-
selben Weise. Auf der einen Seite stehen vit. Max. 8, 1 (s. vorherg. A.)
Eatrop. 9, 1 (znm teil mit denselben Worten). Oros. 7, 19, 1: nulla senatus
völuntate imperator ab exercitu creaius, auf der andern Vict. Caes. 26:
potentiam cepit suffragiis legionum; quod tarnen etiam patres dum pericülosum
existimant inermes armcUo resistere, approbaverunt. Letzteres heifst wohl
nichts anderes, als dafls der Senat nicht Widersprach erhob, die Depeschen
des Kaisers annahm, seine Münzprägung auf den Kaiser einrichtete u. s. w. ;
dafs sofort auch Akte vorgenommen wurden, wie die Kooptation in Priester-
kollegien, zeigen die Urkunden c. i. 1. 6, 2001. 2009, dafs aber solches
Verhalten identisch gewesen sei mit der Bestätigung des Senats und es
eine andere nie gegeben habe (Seeck, pr. Jahrb. 56 S. 276 f.), liegt von
der unserer Darstellung zu gründe liegenden Auffassung von der Über-
tragung des Imperiums weit ab. Vgl. auch unt. A. S hins. des Sohnea.
2) Praefectus praetorio wird Vitalianns nicht genannt, sondern nur
mit Umschreibungen als Befehlshaber der Truppe bezeichnet, was dazu
palst ^ dafs ja nur ein Depot der Garde in Rom war, man müfste nur an-
nehmen, dafs Maximinus in Rom einen Stellvertreter mit dem vollen Rang
eines Präfekten haben wollte. Vgl. vit. Max. 14, 4: dux militum prae-
torianarum, Gord. 10, 5: qui praetoriania miUtilms praeerat Herod. 7, 6, 4:
T09 xirra tiiv *Pafirjv zmv atgatonidav XQOSötöita,
8) Vgl. ob. S. 501 A. d. Auf Münzen und Inschriften heifst er wie üblich
nohilissimus Caesar und princeps iuventtUis, Dafs er, obgleich nnr Cäsar,
doch die nur einem Augustus zukommenden Siegestitel Germanicits maximus
n. dgl. führt (Wilmanns, ex. inscr. zu 1007), weist darauf hin, dafs Ma^min .
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- 504 ~
Präsentanten des Imperiums zu schicken wünschte, wollte sich
nicht von dem Vater trennen.^) Der Senat hätte den Versuch
machen können, das Volk in Rom gegenüber der geringen Truppen-
zahl für die Senatsinteressen aufzubieten; aber ohne sonstigen
Rückhalt war dies von allzu zweifelhaftem Erfolg, und zudem
konkurrierten hier Liberalitätsakte des Kaisers.^ Aber erstaun-
lich war immerhin, dafs keiner der senatorischen Statthalter den
Mut fand, dem verachteten Truppenobersten, der den Imperatoren-
purpur an sich gerissen, den Gehorsam zu versagen; indessen es
war ja auch in der Katastrophe, welche den Alexander getroffen,
keiner in seiner senatorischen Umgebung zu finden gewesen, der
mit ofiFener Auktorität den aufrührerischen Soldaten entgegen-
getreten wäre. Erst nachträglich wagte ein beim Heere befind-
licher Senator, eine Verschworung gegen den Kaiser einzuleiten,
welche dann, da im Lager dafür kein günstiger Boden mehr
war, verraten wurde. ^ Dabei ist nicht einmal anzunehmen,
dafs Maximin das bisherige Personal der senatorischen Beamten
in den Provinzen gründlich umänderte, wie ja Gordian in Afrika
blieb, und wie ja später die Provinzen jedenfalls teilweise von
Maximin abfielen, weil eben die Statthalter nicht mit ihm waren.
Er begnügte sich mit dem schon früher angewandten Mittel, die
Finanzbeamten, auf deren Ergebenheit er allerdings schon fSr
die Eintreibung von Geld zählen mufste, gegen die Statthalter
zu verwerten, und aufserdem wurde das Delatorentum gegen
alles, was senatorisch war,' auf das üppigste gepflegt.^) Dieses
neue Schreckensregiment wirkte mehr als zwei Jahre; die vom
sich und serinem Sohn dieselben einfach beilegt, ohne Verwilligong durch
den Senat; denn, wie wir aus Bio sehen (ob. S. 479 A. 3), war dieser bei
aller sonstigen Nachgiebigkeit in Adnlationsbeschlüssen doch in diesen
Dingen genau. Anders Seeck a. a. 0. S. 276 A.
1) Vit. Max. 17, 3: causa iracundiae contra ßium haec fuii, quod cum
Romam ire iusserat, cum primum imperator f actus est, et xUe pakis mmäo
amore neglexerat; putabcU autem, quod, st ille RotiMC fuisset, nihü ausuma
esset senatus.
2) Cohen 4, Max. p. 507 nn. 19 ff.
3) Über die Verschwörung des Senators Magnus Herod. 7, 1, 6. Vii
Max. 10; über den von Trebellius Pollio c. 32 unter den triginUi tyrcmm
verzeichneten Tribunen Titas, den eine Truppe dem Alexander ergebener
Osdroener als Kaiser aufstellen wollte, vit Max. 11.
4) Herod. 7, 3, 2. Vit. Max. 13, 5 übereinstimmend. Dem entsprach
dann auch die Bache an den Delatoren vii 14, 6. ^ ,
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— 505 —
Kaiser gegen die Opfer der Delatoren aus dem Lager erlassenen
Dekrete wurden vereinzelt vollzogen, während im übrigen die
Dinge im Reich ihren gewöhnlichen Gang nur mit grofsem
Steuerdruck gingen. Die Produktion im Verwaltungs- und Rechts-
leben hört auf, jetzt handelt es sich nur um das unmittelbar
Notwendige und zur Sicherung der Herrschaft Erforderliche, die
ganze Aktion des Kaisers war dem Krieg in Germanien zuge-
wandt, hier hatte er Erfolge, hier konnte er Pläne entwerfen,
welche die grolsartigsten scheinen, die je aufgetaucht waren und
doch nichts anderes sind, als das planlose Draufgehen einer un-
gezügelten Kraft. Es mochte das Verlangen, mit dem Heere,
das Alexander gesammelt und das er ruhmlos hatte zurQckfQhren
wollen, Grofses zu leisten, eine sachliche Berechtigung haben:
dem Maximinus war es nur eine persönliche Sache, die Trag-
weite eines grofsen Krieges in Germanien wufste er gar nicht
zu übersehen. In der Persönlichkeit und der Regierung dieses
Kaisers irgend einen grofsen Zug finden zu wollen, wäre ver-
geblich; auch die besseren Zuge dieser Natur gingen unter in
dem Hafs gegen den Namen des Senats und im Bewufstsein der
Schwäche der eigenen Person und der durch ein Verbrechen
gewonnenen Stellung, die bald auch im Heere nur durch Furcht
behauptet werden konnte. Es war in Afrika, wo endlich infolge
brutalen Verfahrens eines Finanzbeamten in provinziellen Kreisen
der Aufstand ausbrach und dadurch, dafs der senatorische Statt-
halter bestimmt wurde, sich zum Kaiser ausrufen zu lassen,
dem Senat, der von sich aus zu keiner Aktion gekommen wäre,
die Teilnahme sich aufdrang.^)
2. Dieser von den Afrikanern aufgestellte Gegenkaiser Die beiden
° ° Gordiane.
M. Antonius Gordianus') beeilte sich natürlich, sobald er in
Karthago einigermafsen für sein Imperium einen Halt gewonnen
1) Von Sirmiam aas rjnsClsi i%%6rpti,v xe %al vjtota^nv xa (lizgis
miuavov Ffgitavoav l<^i} ßagfiaga. Vit. Max. 18, 8.
2) Die Erz&hluDg von den Vorgängen in Afrika aosföhrlich, aber doch
hinsichtlich wichtiger Verhältnisse, wie hinsichtlich Nnmidiens, ungenügend,
bei Herod. 7, 4 ff., kurz in den vitae, deren Verfasser es mehr um die Vor-
gänge in Rom zn thnn ist.
8) Von den beiden älteren Gk)rdianen giebt es bei der knrzen Daner
ihrer Regierung änfserst wenig Inschriften. Auf den Münzen heifsen Vater
und Sohn M. Antonius Gordiamu Africcmus^ der ältere ist unterschieden
durch den Titel des pont. max. (Eckhel 7, 301). Über den Beinamen Afri-
canus, der za Ehren der Provinz angenommen wurde, vit. Gord. 9,
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- 506 -
hatte^ den Senat um Bestätigung zu bitten, und erhielt sie auch
ohne Widerspruch, indem zugleich die Maximine geächtet worden.
Dem Senat konnte ein solcher Imperator nur genehm sein; Ton
dem achtzigjährigen Greis, der zu den ältesten Geschlechtem
gehörte, unermefslich reich war, ganz innerhalb der Senat»-
gesellschaft stand und kein Reformer werden wollte, war noch
besseres zu erwarten als von Severus, und über das Bedenken,
ob der alte Mann der über ihn hereingefallenen Last gewachsen
wäre, half die Erhebung des Sohnes, den Gordian als Legaten
bei sich gehabt hatte und jetzt als Mitkaiser haben wollte, hin-
weg.^) Gordian hatte, indem er sich an den Senat wandte, zu-
gleich den Befehlshaber der Gardetruppen ermorden lassen, und
von anderer Seite verbreitete man, um die Zustimmung des
Volks zu erhalten, das Gerücht, Maximin sei ermordet worden.
Das Volk zu Rom ging denn auch auf die Verwerfung des ihm
kommt als Gegenstück der weitere Eomanus (v. Sallet in ZeitBchrift fSr
Numism. 7, 189).
1) Vit. Max. 14, 5: (Von Karthago aus) Romam ad senatum Utteras
misit, quae occiso Vitäliano — gratantei' acceptae sunt, appdlati etiatn Gordianus
senex et Gordianus iuvenis a senatu A^kgusti, In Kap. 16 f. (vgl. Gord.
11) schliefst sich eine Mitteilung von Senatsakten an, die aus mehr als
einem Grunde verdächtig ist: einmal läfst sich das angegebene Datum 16, 1
( FI. Kai Jul. vgl. Vit. Max. et Balb. 1, 1 VII. Id. Jul) nicht mit der sonst sich
ergebenden Chronologie vereinigen, und dann ist 16, 7 bereits der Enkel
des alten Gordian in einer Weise berücksichtigt, welche dem Gan^^ der
Ereignisse voraneilt. Doch sind diese Berichte Aber Senatsverhandltmgen
immerhin antiquarisch zu verwenden. Die Chronologie dieser Vorgänge
ist behandelt Tillemont 8, 484. Eckhel 7, 293—296. Borghesi in der Ab-
handl. über die Priesterfasten (ob. S. 486 A. 3) und über Pupienus oeuv.
5, 483 ff. Löbrer a. a. 0. 33 ff. Seeck, Rhein. Mus. a. a. 0. Schon Eckbel
hat richtig erkannt, dafs die Ereignisse sich abspielen innerhalb der vierten
pot, trib. (d. h. nur nicht, wie Eckhel meint, 1. Jan. 838, sondern 10. Dei.
237) und der alexandrin. Münzen von Gordian III, die vor dem 89. Aag.
238 liegen. Des Weiteren kommen in Betracht die Angaben der Quellen
über die Regierungsdauer, über die Zeit des Feldzugs des Maximin gegen
Italien und verschiedene Nebenumstände. Aus der Vergleichung von Zonar.
12, 17 mit dem Chronographen von 364 (Momms. Abb. der s&ch& Oea.
1 S. 647 Z. 34) ergiebt sich für die Gordiane eine Regierungszeit von nur
22 Tagen (Löhrer S. 38—41 Seeck S. 167), deren Anftmg, wenn man von
Gordian HI. als Augustus und dem Zug Maximins gegen AquUeja rück-
wärts rechnet, auf Mitte März zu setzen sein wird. Dafs damit die Snb-
skriptionen des Cod. Just, zu den Erlassen des J. 838 stinunen, setat Seeck
S. 168 f. auseinander. ><^ i
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wenig bekannten Thrakers und seinen Ersatz 'durch den beliebten
freigebigen Gordianus ein, der Senat aber nahm nun, des unter-
nommenen Wagnisses sich wohl bewufst, die Regierung in Rom
sehr ernsthaft in die Hand, wohl wissend, dafs er einem Gordian
gegenüber die Verantwortung hierfür nicht zu fürchten hatte. ^)
Aus den angesehensten Senatoren wurden zwanzig Kommissäre
bestellt, um Italien bezirksweise gegen Maximin wehrhaft zu
machen, in den Provinzen aber die Beamten für die Gordiane
und den Senat in Anspruch genommen, und zwar meist mit
Erfolg.*) Allein gerade in derjenigen Provinz, in der die beiden
Kaiser selbst waren, lief die Sache anders ab. Da es in dem
prokonsularischen Afrika als senatorischer Provinz andere Truppen
nicht gab als die Abteilung, welche für den Dienst beim Stattr
halter nötig war, lag die militärische Entscheidung bei Gapel-
lianus, dem Statthalter von Numidien, dem Militärbezirk. Dieser
nun hatte, wir wissen nicht aus welchen Gründen, beim Aus-
bruch der Bewegung in der Senatsprovinz unterlassen zu thun,
was, wenn er treu bleiben wollte, seine Schuldigkeit war, d. h.
in die prokonsularische Provinz mit seiner Legion einzurücken
und die Rebellion gegen Maximin niederzuschlagen; aber Gordian
hatte doch seine Gründe, ihm nicht zu trauen und wollte ihn
nun durch einen anderen Legaten ersetzen. Nun aber brachte
Capellianus seine Truppen dazu, in der wehrlosen Provinz im
1) Herod. 7, 6 f. Vit. Max. 16, 1. Gord. 10 f.
2) Vit. Gord. 10, 1: tcuüa grcUtüatione factos contra Maximinum im-
peratores sefiattM accepü^ tut non sölutn gesta haec probarent sed eiiam viginti
viros eligerent; — ülos sane viginti senatus ad hoc creaverat, ut divideret
his Italicaa regiones contra Maximinum pro Gordianis tuendas. Nach vit.
Max. 82, 3 wären diese 20 Männer eret nach dem Tode der Gordiane ge-
wählt worden; allein es ist dies nicht ein Widersprach zwischen zwei
Q Dellen, da der Biograph an beiden Stellen dem Dexippns folgt (vgl.
Dändliker, bei Bfidinger, Unters. S. 252 ff.), sondern ein anf nachlässiger
BenfltKong der Quelle beruhender Widerspruch des Biographen mit sich
selbst. 'Das sachlich Wahrscheinliche ist aber, dafs jene Fürsorge für die
Verteidigung Italiens sofort bei der Bestätigung der Gordiane getroffen
wnrde in Verbindung mit der Sorge für die Provinzen; hierüber vit. 16, 8
(ßenattts) litieras deinde mittit ad omnes provinciaSj ut communi saluti liber-
iaiique sitbveniant: quae auditae sfAnt ah omn%bu8\ paucae civitates fidem
hosH publica servaverunt In Spanien zeigen die zahlreichen Meilensteine
(c. i. 1. 2, ind. p. 765) mit den nicht ausgetilgten Namen von Maximinus ,
und seinem Sohn, dafs der Statthalter ihm treu blieb. Höchst auffallend
aber sind hier die trih. pot, V (n. 4756) und VI (tf. 4868).
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— 608 —
Namen des Maximin einzumarschieren und bereitete so Anfang
April der Kaiserherrschaft der Gordiane ein jähes Ende.^)
Die senaiakaiser 3. Dicsc Eatastrophe Stellte den Senat in Rom auf eine
Baibinui. ProbC; wic er sie unter der Imperatorenherrschaft noch nie er-
lebt hatte: von zwei Seiten bedroht, von der Donau her, an der
Maximin, nachdem er die Erhebung der Gordiane erfahren, sich
sofort in Marsch gegen Rom gesetzt hatte, und nun auch Ton
Afrika, war der Senat, dem kein Heer in Italien zur Verfügung
stand, in einen Stand der Notwehr gebracht, bei dem nur die
Wahl sein konnte zwischen höchster Anspannung der Krafte
oder Ergebung auf Gnade und Ungnade. Indessen einem Maximin
gegenüber war selbst durch bedingungslose Unterwerfung für alle
die, welche sich irgendwie kompromittiert hatten, keine Hoffnung
auf Verzeihung, und so war die bessere Aussicht immer noch
auf der Seite der Ehre. Und der Senat zeigte sich den An-
forderungen, die das Interregnum an ihn stellte, gewachsen. Man
1) Herod. 7, 9. Vit. Max. 19. Gord. 16 f. — Seeck, preufs. Jahrb.
66, 281 A. nimmt an, Capellian sei zuerst der Revolution förmlich bei-
getreten; er schliefst dies aus einem vom Lager in Lambäsis stammenden
Legionsziegel c. i. 1. 8 n. 10474, 9 mit legio III Äu(gu8ta) Gor(diaM\
einer verstümmelten griechischen Inschrift aus dem an der manretanischeD
Grenze von Numidien gelegenen Coicol (c. L 1. 8 n. 10896), welche dem
Gordian gesetzt zu sein scheint, endlich daraus, dals c. i 1. 8, 2676 in einer
Inschrift der leg, III, Äug. Maximiniana der letztere Beiname, aber nicht
der Name der Legion selbst getilgt erscheint Diese Beweise erscheinen
mir nicht zureichend. Der Legionsziegel gehört doch eher der ersten Zeit
Gordians III. an als den paar Tagen, die z?rischen der Anerkennung GordiaosL
und dem Abfall von demselben hätten vergehen können; die Inschrift von
Cuicul rein privaten Charakters ist zu vereinzelt, um etwas zu beweiiea,
und dals man sich nach dem Sturze Maximins begnügte mit der Tilgong
des auf diesen bezüglichen Beiworts, erklärt sich^ wenn man zwischen dem
Tod Maximins und der Auflösung der Legion einen gewissen Zwischenranm
annimmt, der um so wahrscheinlicher ist, als Gordian III. festsitzen maustet
ehe er so vorgehen konnte. Gründe für Capellianus, nicht im ersten Aagen-
blick gegen Gordian in Afrika einzurücken, können in der Situation nn-
schwer vermutet werden. Dafs Gordian blofs in unzeitig^r Erinnemng an
einen früheren Privatstreit (Herod. 7, 9, 4) den ihm bereits beigetretenen
Capellian habe ersetzen wollen, ist nicht glaublich; er wird es getbsn
haben, weil letzterer auf die Aufforderung, das Pronunoiamento in Kartbsgo
anzuerkennen, mit der Antwort zögerte oder die Anerkennung geradem
verweigerte. Vgl. auch Henzen in annali deir inst. 1860 p. 68 Mommsen
c. i. l. 8 praef. p. XX. — Zn dem von Capellians Vorgehen gegen die
afrikanische Bevölkerung berichteten vgl. die Grabschrift eines, der nmk&m
pro amore Romano, ab hoc Capdliano captm c. i. J. 8 n. 2170.
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konnte sich in die Tage der Republik versetzt glauben, die ver-
sammelten Patres unter dem Vorsitz der Konsuln in der Lage^
über das höchste Imperium frei zu entscheiden, begnügen sich
zv^ar nicht damit, etwa die Konsuln mit aufserordentlicher Gewalt
zu bekleiden, aber sie gestalten wenigstens die Imperatorengewalt
in einer Weise, welche dem Konsulat am nächsten kommt: es
werden zwei Konsulare zu Augusti mit allen Titeln des Principats
inklusive des Oberpontifikats in freier Wahl des Senats bestellt
zu koUegialisoher völlig gleicher Führung der höchsten Gewalt,
und nur in der Persönlichkeit war gegeben, dafs der eine, ein
erprobter Kriegsmann, die militärische, der andere vorzugsweise
die bürgerliche Seite der Regierung zu leiten bekam. Beide Männer
waren schon unter den zwanzig Kommissären gewesen und man
war in der Not des Augenblicks unbefangen genug, dem für die
Zivilregierung bestimmten D. Cälius Balbinus, einem Manne vor-
nehmster Familie, einen Kollegen niedriger Herkunft M. Glodius
Pupienus Maximus zu geben. Gerade beim römischen Volk je-
doch war letzterer von strenger Verwaltung der Stadtpräfektur
her verhafst, und schon hier zeigte sich, wie schwach bestellt es
in den nächsten Verhältnissen für den Senat aussah; denn nur
dadurch konnten die vom Senat Gewählten der aufständischen
Masse gegenüber ihre Stellung retten, dafs ein noch ganz junger
Enkel des alten in Rom populären Gordian, Sohn einer Schwester
des jüngeren, zum Cäsar erhoben wurde. Damit waren wenigstens
für den Augenblick Volk und Truppen zufrieden.*) — Im übrigen
gestaltete sich, während in Rom unter Balbinus in Abwesenheit
des Pupienus bald wieder die schlimmsten Kämpfe zwischen der
Bevölkerung und den Prätorianem ausbrachen, die Lage für die
neue Regierung aufserhalb Roms nicht ungünstig: Capellianus
1) Ausfdhrliche Ersählung bei flerod. 7, 10 f. und in der Biographie
des MaximuB und Balbinus, in letzterer, wie oben bemerkt, mit wegen falschen
Datums (1, 1) verdächtigen Senatsakten. — Die Namen der beiden lauten
vollBt&ndig D. CaeUus Calvinm B<übinti8 A%tgustf48 (Mommsen, Zeitschr. f.
Kumism.) und M, Clodius Pupienus (so anf Mdnsen, dagegen anf Inschriften
auch offizieller Natar wegen der Neaheit des Namens Pupiemus c. i. 1. 8,
ind. p. 104S. Mommsen a. a. 0. mit der Analogie Alfenius neben Alfenus)
Maximus Äug, — Verleihung der Gkwalt vit. 8, 1 : decreUs ommbus imperch
toriis honoribus atque insignibus, percepta tribunida pctestctte, iure procon-
9%Uari^ pontificatu mcucimo, p(Uris etiam ptUriae nomine inierunt imperiuni.
Über die sonst übliche Behandlung des Oberpontifikats Die 63, 17. Eckhel
7, 801. 8, 882 f. ^ f
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— 510 -
ging; — man sagte in selbständigem Zuwarten — in dem Eintreten
für Maximin nicht über den Sturz der Gordiane hinaus, die Wirk-
samkeit der Senatskommissäre, sowie der dazu aufgebotenen
romischen Magistrate^) in Italien war von Erfolg begleitet, für
die Provinzialstatthalter, nachdem sie einmal von Maximin ab-
gefallen, waren dieselben Motive, welche den Senat zur Fort-
setzung des Widerstandes gegen diesen bestimmt, geltend und
dem Pupienus gelang es sogar, Teile des germanischen Heers,
das er einst befehligt, nach Italien zu ziehen. Bei all diesen
Vorgängen und nicht zum mindesten in der von zwei Senatoren
geleiteten Verteidigung Aquilejas sah man nun, welche Summe
von Einzelkräften denn doch in diesem aus Männern der Ver-
waltung zusammengesetzten Senat gegeben war, welche Wehr-
kraft die ganze Zeit her aus Italien zu ziehen gewesen wäre,
freilich auch, dalfi diese ebenso einem Principat, das mit dem
Senat in Konflikt war, geföhrlich, wie unter günstigen Verhalt-
nissen eine Bürgschaft konstitutionellen Regiments hätte werden
können. Der Mifserfolg der Belagerung Aquilejas brachte durch
einen Soldatenaufstand den beiden Maximinen ^) an der Schwelle
Italiens den Untergang, und nun hatte der Senat mehr erreicht,
als er je hatte hoffen können. Ein von ihm selbst bestelltes
und wenn auch mit allen Rechten des Principats ausgestattetes,
doch wieder in die Wege einer Magistratur zurückgebrachtes
höchstes Imperium*), unter diesem für sich vollen konstitutionellen
Einflufs auf die Regierung, die Heere und Provinzen in der Bot-
mäfsigkeit dieses Regiments, in Rom selbst im ersten Augenblick,
wie vortreffliche Verwaltung, so auch Zufriedenheit*) Und doch
1) Vit. Max. Balb. 10: Maxime ad bellum profecto senatt*s per omnes
regtones constdares praetorios quaestorios aedüicios tribunicios etiam virm
misit, ita ut unaquaeque civitas frtmentum arma et propugnacuiLa et mwros
pararet,
2) Dafs der Sobn nicht Augustus wurde, darüber vgl. Eckhel 7, 298
zu der Münze mit Maximinua et Maximus A%kgu^ti Germanici. Vit Max.
22f 6 beifst es noch vor Aqaileja: Maximinus cum ßio adu^escentej quem
Caesarem appellaverat.
3) Die Personen der zunächst gewählten Maximus und Balbinns ver-
traten keine dynastische Tendenz, und das hatte offenbar mit zu ihrer Wahl
beigetragen. Eine solche war erst durch Volk und Truppen mit Gordian IlL
dem Senat aufgedrungen worden.
4) Vit. Max. -Balb. 13, 4: Balbinus cum Maximo urbem cum magna
moderatione gaudente senatu et populo R. regebant; senaiui plurimum de-
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erwies sich diese Herrlichkeit in kürzester Frist als eiQ Karten-
haus. Das kollegialische Imperium, in sich uneinig, erwies sich
nicht einmal der Aufrechthaltung der Ruhe in Rom gewachsen,
die nun in ihre Lager zurückgekehrten Bestandteile der römischen
Garnison versagten den Gehorsam, und die Imperatoren wufsten
in dem Mifstrauen, das der eine gegen den andern hegte, die
Macht, die sie in anderen Truppen gegen die Garde in Händen
gehabt hätten, nicht zu ihrem Schutze zu verwenden. So fielen
sie wenige Wochen nach Maximin, ohne noch die Probe aus-
wärtiger Kriege, die ihnen bevorstand, über sich zu nehmen.^)
Es war jetzt doch ein Glück für das Reich, dafs die Nachfolge
unmittelbar gesichert war, indem der junge Gordian^ den die
Prätorianer sofort zum Augustus ausriefen, allgemein anerkannt
wurde*), und durch glückliche Besetzung der Stelle des Garde-
kommandanten wie durch die eigene Persönlichkeit dem Reiche
einige Jahre einer guten Regierung sicherte. Es wäre dies frei-
lich wohl in vollständigerer Weise erzielt worden, wenn der
Senat in dem Augenblick, da ihm nach dem Tod der älteren
Gordiane die Besetzung des Imperiums in die Hand gegeben
war, eine Persönlichkeit gewählt hätte, die für sich selbst kräftig
genug gewesen wäre und fähig zur Begründung einer neuen
Dynastie, da nur so die widerstrebenden Heeres- und Volkskräfte
im Gehorsam erhalten werden konnten; nunmehr war zwar wieder
mit Gordian IH ein Imperator der früheren Art vorhanden, aber
in der Person eines Knaben^), dessen Zukunft von seiner Um-
ferehatwr; leges opUmcts condebant, moderate causas audiebant, res bdliccis
ptUdierrime disponebant. Herod. 8, 8, 1.
1) Beim Chronographen (Mommsen a. a. 0. S. 647 Z. 36): Pupienus
et Balbinus imper, dies XCIX, Dals die Erhebung Gordians schon mehrere
Wochen von den 29. Aug. fallen muTs, ist schon oben bemerkt. — Über
die Vorbereitung eines Parther- und Germanenkriegs vit. Max.-Balb. 13, 6.
2) Vit Max.-Balb. 14, 7: Gordianus Caesar sublatits a militibus Im-
perator est appelUOWf id est Augustus, quia non erat alius in praesenti,
insuUcmtibus militibus senatui et populo, qm se statim in castra receperunt
Gord. 22, 5: (nach dem Tode der beiden Kaiser) Gordianus adidescens^ qui
Caesar eatenus fuerat, et a militibus et a populo et a senatu et ab omnibtts
gentibus ingenti amore — A%^ustus est appeüatus. 23, 1: posteaquam con-
stUit apud veter CMOS quoque, solum Gordia/num imperare, inter populum et
müites ac veUrcmos pax roborata est,
8) Vit. Gord. 22, 2: Gordianum parvulum, annos agentem ut plerique
adserwnt ttndecim^ ut nonnuUi tredecim^ ut Junius Cordus dicit sedecim
(nam vicensimo et secundo anno eum perisse adserit) peHverunt ut Caesar
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gebung abhängig und darum auch ohne Sicherheit war. Immer-
hin zogen Senat und Reich aus den Ereignissen des Jahres 238
einen Gewinn. In dem raschen Thronwechsel der folgenden
Zeiten, in welchem thatsächlich jeder Versuch, eine Dynastie zu
gründen, scheiterte, war der Senat, dessen Auktoritat durch die
in jenem Jahr bewährte Eraftentfaltung gestiegen war, noch das
einzig Feste in der Regierung, wohl ohne die Ej*aft, den Heer^i
die Aufstellung von Imperatoren wieder zu nehmen, zumal in»
der fortwährenden Not der äufseren Kriege^ aber doch immer
wieder als Stütze gesucht, und wo das Heerkaisertum versagte,
die letzte Quelle für neue Bestellung einer Reichsgewalt, bis
endlich die absolute Monarchie mit ihrer eigentümlichen Succes-
sionsordnung diese Aushilfe überflüssig machte.
Gorjianiii. 4. Die zwci crsten Jahre Gordiins^) sind in der Art ihres
Verlaufs nur nach wenigen Spuren zu erkennen. Es scheint,
dafs zunächst nach den Aufregungen des vorhergegangenen Jahrs
sich der Massen, unter deren Kampf seine Erhebung erfolgt war,
Bedürfnis nach Ruhe und Genufs bemächtigte, und so Volk und
Truppen in den gewohnten Geleisen des hauptstädtischen Lebens
sich vertrugen. Gordian kam diesem Streben entgegen durch
die Befriedigung der GenuTssucht, zumal in Spielen*); er war
der römischen Bevölkerung eine sympathische Erscheinung und
scheint auch im Reich populär gewesen zu sein.^) Der Senat
appellciretur. Max.-Balb. 8, 4: {Gordiantui) annum agens quartum decimum^
ut plertque dicufU. Die Entscheidang zwischen diesen Angaben kann ma&
nur ans dem zeitgenössischen Herodian nehmen, der 8, 8, 8 sagt: 6 FoifSunfog
nBQl ivri nov ysyovmg xQignaidsna aitoxQatnif dveÖB^x^ifj, Als Gebortstag
ist in den natales Caesarum (Bacher, de doctr. temp. 276) der 20. Januar
angegeben.
1) Name: Itnp. Caes. M. AnUmiiAS Gordianus — divi Gordiani fupos
et divi Gordiani sororis filius. Vgl. c. i. 1. 8 n. 4218 «= Henzen 5629.
Wilmanns n. 1011. Letzterer macht gegen Henien bemerklich, dafs dar-
nach ein Adoptionsverhältnis nicht eingetreten sei — In den Quellen hört
Herodian nun auf. In der Biographie von Gordian III ist die annaUstiBdie
Anlage 23, 4. 6. 26, 3. 29, 1 zu bemerken.
2) Vit. Gord. 28, 8: poet haec voluptatibus et deUeiis populus R. rooa-
vit, ut ea quae fuerant aapere gesta mitigaret. Vict. Caes. 27: Gordiamu —
regnum obtinuit eoque anno lustri certamine^ quod Nero Bomam incexerat,
audo firmatoque etc. Vgl. auch die Münze mit dem Amphitheater. Cobeo
6 p. 37 n. 165.
3) Vit. Gord. 31, 5: amatus est a populo et senatu et müitibus ante
Philippi factionem ita ut nemo principunu Seine Inschriften sind ziemlicli
zahlreich.
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— 513 -
freilich war zurückhaltender. Er hatte eben erst bei der Wahl
des Pupienus und Maximus an ein Principat sich wiederholender
freier Wahl von reifen Männern gedacht, und es war ihm ein
Knabe aufgedrungen worden, wenn auch aus einer Familie, die
eine richtige Adelsfamilie war. Aus dieser Stimmung mag es
sich erklären, dafs ihm die Beinamen Tius Felix erst nach einiger
Zeit bewilligt wurden*); verwilligen mufste er sie, sobald Gordian
sich als haltbar erwies. Aber niit der Entwicklung seiner Re-
gierung standen sie vorerst nicht im Einklang, denn diese soll
anfangs unter der Führung seiner Mutter durch den Einfiufs
Yon Ratgebern schlechtester Klasse, schlimme Stellenbesetzung
und Mifsbräuche aller Art bezeichnet gewesen sein.^) Doch
fehlte es auch nicht an energischem Eingreifen. In Afrika wurde,
sobald der neue Kaiser fest safs, nachdem Gapellianus vielleicht
schon vorher zur Rechenschaft gezogen war, die dritte Legion,
welche die Gordiane gestürzt und darauf in der Provinz gewütet
hatte, aufgelöst, der militärische Schwerpunkt und der Legaten-
posten nach Mauretanien verlegt und auf andere legionäre Truppen
gestützt.') Wohl durch die Bewegung, welche hierdurch hervor-
gerufen wurde, in Verbindung mit dem Eindruck, den man von
den Zuständen in Rom hatte, wurde in Afrika der Versuch einer
Rebellion unter einem gewissen Sabinianus gemacht, ein Versuch,
der aoer wohl schon an der Anhänglichkeit der Provinz an den
Namen der Gordiane scheiterte.*) Infolge dieser Erfahrung aber
1) Auf den loschriften werden diese ßeinamen sofort angewandt, aaf
den Münzen erst seit 239, vgl. Eckhel 7, 309; die letzteren sind mafs-
gebend.
2) Vit. Gord. 28, 7: vom J. 241 an hörte auf, dafs er per spadones
ex ministros aülieos matris vel ignorantia vel coniventia venderetur. Dies
wird dann in dem c. 24 f. gegebenen Briefwechsel zwischen Timesithens
und Gordian weiter ausgeführt.
3) Vgl die Ausfahrang dieser Kombinationen corp. i. 1. 8 praef. p. XX.
4) Vit. 28, 4: (i. J. 240) tnüa est facHo in Africa contra Gordianum
tertium duce Sabiniano; quem Gordianus per praesidem Mauretaniae öbsessis
(so Mommsen; handschriftl. obsessio) coniwratü ita oppressit, ut ad eum
tradendum Carthaginem omnes venirent et crimina confitentes et veniam
sceleribua postulantes, Zosim. 1, 17: (ist* ov noXv Kaqxridovioi z^q tov §ctai-
Xeoag svvoiag ccXXoxQtm^ivtBs £aßiavov (so !) slg ßaCiXsUiv naqdyovai. Foq-
diawov dl xi97iaavxog tag iv Aißvtf dvva^sig inccvsXd'ovTsg ngog avtov rij
yv(6fi.ij tov (ifv ini^iiisvov tfj zv^ccwlSi naQadiSoaai avyyvcifirjg dl tvxovrsg
töov nsQiöxovTtop avrovg xirvdvvtov riXevd'Sifad'rjaav. Welche Stellung Sabini-
anuB hatte, wird nicht gesagt.
HotEOg, d. röm. Staatsverf. n. 1. ^.^.^^^ byGoOglC
— 514 —
mag mit dem jungen Gordian eine Wandlung vorgegangen sein;
i. J. 241 heiratet er die Tochter eines hohen ritterlichen Be-
amten Timesitheus, und erheht diesen vortrefiFlichen Manii zum
Gardekommando. ^) Unter dem Einflufs dieses seines Schwieger-
vaters gewinnt nun die Regierung einen neuen Charakter. Die
bisherigen Ratgeber werden entfernt, Verwaltung und Heerwesen
gebessert, das letztere in den Gang strenger Disciplin nebst
treflflicher Fürsorge für die Soldaten und die Eriegsbedürfiiisse
gebracht, und so ist wieder von der Stellung des Gardekommandos
aus die Reichsregierung fest und sicher geführt.*) Indes eine
friedliche Bewährung war dieser Regierung nicht vergönnt: zum
letzten Male für lange Zeit waren einige Jahre des Friedens da
gewesen, während deren der Janustempel geschlossen war. Noch
im J. 241 mufste man den Kampf gegen die Perser aufnehmen
und wird die Ceremonie der ÖiGFhung jenes Tempels berichtet.^
Von diesem Feldzug gegen die Perser kehrte Gordian nicht mehr
zurück. V7ährend des Kriegs stirbt 243 Timesitheus, wie gesagt
wurde, durch einen Rivalen Philippus, der sich zunächst an seine
Stelle drängen will; Philippus wird in der That nun Garde-
präfekt und beseitigt noch in demselben Jahr den jungen Kaiser.^
1) Vit. 28, 5: primquam ad heüum (Persicum) proficiscereiur et duxü
uxorem fUiam Misühei [so überl. st. Timesithet], doctissimi viri, quem causa
eloquentiae dignum parentela sim putavü, et praefectum skUim feeit. C. Furins
Sabiniua Aquila Timesitheus, dessen frflhere Laufbahn bis zur Prokoratnr
von Lagdnnensis und Aquitanien die Inschr. Henzen 6580. Wilm. n. 1298
giebt (vgl. Borgbesi 8, 484), war von einer Eohortenpräfektnr in die prolnira-
toiische Carriere gekommen und hatte eine Menge von Stufen derselben
durchlaufen. — Zu der Verehlichung ygl. act. fratr. Arval. bei Henzen
p. CCXXIV die ins J. 241 fallenden Gelübde, weil der Kaiser Furiam Sabi-
niam [TranquüUnam] Äugi^Ustam) liberorum creandorum causa [duxerit^,
2) Vit. 28, 7—27, 10. Dio 27, 10 mitgeteilte Ehreninschrift, welche
der Senat dem Timesitheus verwilligte, wird von Hirschfeld, Yerwaltongs-
gescb. 1, 287 zu restituieren versucht; in derselben würde er noch vir
eminentissimtis heifsen. — Die Anzahl der Reskripte dieser Regierung ist
wieder ziemlich beträchtlich; vgl. die Listen bei H&nel, corp. leg., indices
p. 11—14. Cod. Just. ed. Krüger p. 492 f.
3) Gord. 26, 8: aperto Jana gemino, quod Signum erat indi^ heJK
profectus est contra Persas, Vict. Caes. 27. Entrop. 9, 2, 2. DaCs di^
das letzte Mal war, bemerkt Tillemont 8 p. 258.
4) Vit. 29 f. , woselbst eine Stufenfolge von Erniedrigungen berichtet
ist, durch welche der nach dem Tode des Timesitheus haltlose Gordian bis
zu seiner Ermordung hindurch gegangen sei. Zosimus (1, 18) berichtet
nur: araaietauvTss (of oxQaTimtcci) xara xov avto%ifdtOf^ i%aviin^€tc9 mq
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- 515 —
5. So war das höchste Imperium wieder von dem Spröfs- Phuippus.
ling eines altadeligen acht römischen Geschlechts an einen Mann
des Heerlagers von ritterlicher Herkunft gelangt, nicht eigentlich
durch eine Erhebung des Heeres, sondern infolge von be-
trügerischen Machinationen und verbrecherischen Handlungen
eines ehrgeizigen Offiziers, den der Vorgang eines Macrin und
Maximinus zu solchen Hoffnungen gebracht hatte. Dieselben
Vorgange erleichterten auch die Aufnahme in den nicht sol-
datischen Kreisen, und dafs man in Philippus wieder einen
Orientalen von der alleräufsersten Grenze des Reichs zum Kaiser
hatte, war ja ebenfalls nicht mehr unerhört. Der Araber Phi-
lippus, dessen römisches Bürgertum wohl von dem Lager von
Bostra herrührte^), war in seinem Verhältnis zum Senat viel
klüger als Maximin: bemüht mit diesem in gutes Einvernehmen
zu kommen, suchte er den Verdacht der von ihm begangenen
Verbrechen zu verwischen und erbat sich vom Senat die Be-
stätigung seiner Erhebung durch die Soldaten. Diese wurde
ihm denn auch zu teil und Philippus beeilte sich nach Rom zu
kommen.^) Die unter Gordian errungenen Erfolge erleichterten
es ihm, mit den Persem ein leidliches Abkommen zu gewinnen,
aUiov avTOig ysyovorog Xifiov %al ineld'6vxsg otvtco dnintstvccv avxov inl
iviavtovg Tiyefiovsvaavtcc ?J. Das Datnm des Todes ist nicht angegeben.
Ober die Momente, nach denen er ins Frühjahr 244 zu setzen wäre, vgl.
Schiller, Gesch. der r. Eaiserz. 1, 800 A. 6.
1) Vit. Gord. 29, 1: Philippus Äräbs^ humili genere natus sed superbiis.
Vict. Caes. 28: M, Julius Philippus Ärabs Trackonites, Seine Heimat ist
genauer bezeichnet durch die Stadt Philippopolis bei Bostra, welche er
seiner Herkunft zu Ehren gründete, eben das. : condito apud Arabiam Philip-
popoli oppido; Zonar. 12, 19extr.: wqiitjxo 8' Ix Boat^oav^ onov xal noXiv
ßac^tsvaag inavvfiov lavrco idofiriaaTO ^iXCnnov noXiv ovofiaaocg avtriv.
Die Münze von Philippopolis mit der Apotheose des Vaters von Philippus
^6Ä Maifiwco, welche Eckhel 7, 378 unrichtig lokalisiert, teilt Waddington
Rev. numism. 1865 p. 66 fF. dieser Philippopolis und dem Vater des Philippus
zu. Vgl. Cohen 6*, p. 180. Zur Abstammung Vict. epit. 28: Philippus
humülitno ortus loco fuit patre nobilissimo latronum ductore, wobei zu be-
denken ist, dafs in diesen Gegenden die Grenze zwischen Räuberbande und
Beduinenhorde schwankend ist. Vielleicht ist schon der Vater des Philippus
in römischen Dienst getreten. Namen und Titel des Pbil. : Imp. (hes. M.
JuUus Phuippus Aug. pius felix invictus. ~ Nach Gordian III. ist die
Reihe der vitae unterbrochen bis auf Valerian, so dafs wir auf die dürftigsten
Auszüge angewiesen sind. Die christliche Litteratnr der Zeit bietet nur
Material für die Frage nach dem christlichen Charakter des Kaisers.
2) Vit. Gord. 81, 2 f. Zos. 1, 20.
32b1bitizedby Google
- 516 —
und sobald dieses fertig war, zog er nach Italien^ um die Reichs-
regier ung nicht blofs als Soldatenkaiser zu führen. Noch unter-
wegs hatte er seinen Sohn, der noch ein Eiiabe war, zum Cäsar
erhoben, und um sich die wichtigsten Heere zu sichern, übergab er
das Kommando in Syrien seinem Bruder Priscus und das in Mosien
einem andern nahen Verwandten.^) Das Wenige, was wir von
seiner Regierung wissen, läfst uns erkennen, dafs es ihm gelang,
mit dem Senat in gutem Einvernehmen zu leben und daCs von
ihm selbst eine geordnete Regierung erstrebt wurde. ^ Er konnte,
als an der Donau ein Krieg gegen eine neu aufgetauchte Völker-
schaft zu führen war, Rom ruhig verlassen und kehrte nach
Abwehr dieses Ansturms gegen die Grenze wieder in die Haupt-
stadt zurück.^) Kurz nach seiner Rückkehr wurde, da nach der
geltenden varronischen Zeitrechnung am 20. April 248 Rom ein
Jahrtausend seines Bestands hinter sich hatte^), diese Epoche
feierlich begangen, freilich in eigentümlichem Kontrast der Her-
kunft dessen, der diese Epoche im Namen des Reichs vertrat,
mit der römisch-italischen Nationalitat, und dieser Kontrast wäre
noch stärker gewesen, wenn der Kaiser, dem weit zurückgehende
christliche Zeugnisse wohl nicht ohne Grund eine gewisse Zu-
gehörigkeit zum Christentum zuschreiben, diese Seite oSen kund-
gegeben hätte. ''^) Indessen hierfür lag die Möglichkeit gar nicht
1) Zonar. 12, 19: h tm inaviivai xov vtov ^IXmxov moivmvov tjJs
ßaails^ag nQOssilsto. — Zosim. 1, 20: coif^ Sstv tag fisyünag xmv d^fw
toig oUsiotara nQog avrbif i%ovci nuQadovvai xal nQÜf%ov iihv dSflip^r
ovToc rmv ncetä ZvqCav nQOsatrjeato ct^aTonidmv^ Esßi^Quxvm dh ra hi^^citt^
tag iv MvcC^ xal Mamdovia dwdustg iniatsvcs,
2) Die ans Beioer Begiernng stammenden Reskripte (Hänel corp. Jeg.
ind. p. 14) sind ziemlich zahlreich. Die Schrifbsteller heben nnter aeioen
Verordnungen besonders eine sittenpolizeiliche hervor, vit. Alex. Sev. 24, 4.
Caes. 28 : usum virilis scorti removendum honesHssitne carmiUamt; venmtamen
manet, quippe condicione loci mutata p€Jor^)us fkigiHis agiUUwry dum (widius
pereulosa quibusque mortdles prohihentur petufU. Ans letzterer Stelle geht
hervor, dafs das Polizeiverbot wenigstens bestehen blieb.
3) Zos. 1, 20. Die victoria Carpica erscheint anf den MQnzen zu-
sammen mit trib. pot. III L cos. IL == 247; in diesem Jahr war der FeW-
zng also beendigt.
4) Vict. Caes. 28. Oros. 7, 20, 2 n. a. St Dals das maiarium sae-
ctdum nicht im letzten Jahr des verflossenen Jahrtausends, sondern im
ersten des saeculum novum, also im J. 248 gefeiert wurde, zeigt Eckhel
7, 826. Die betr. Münzen ebendas. und bei Cohen 5' Philipp, zerstreut
nach den Legenden der Rückseite.
5) Oros a. a. 0.: hie pritnus in^^atonun omniumJCl/msUamm fuü ac
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~ 517 -
vor, da der Kaiser^ selbst wenn er sich von seiner Herkunft her
als Glied einer christlichen Gemeinde noch gewufst hätte, keinen
Tag vom römischen Imperium aus sich dazu bekennen konnte.
Immerhin war es charakteristisch genug, dafs jetzt die Ceremouien
der romischen Staatsreligion, welche die Feier des Millenniums
bezeichneten, dargebracht wurden von einem Kaiser und Ober-
pontifex, dessen religiöse Bildung in dem Ideenkreis des Christen-
tums sich bewegt hatte und der auch jetzt noch von seiner
Kenntnis christlicher Verhältnisse aus in der Existenz solcher
Gemeinden mindestens nichts bedenkliches sah.^) — Welches
aber auch in dieser Beziehung das innere Verhältnis des Kaisers
gewesen sein mochte, er hatte jetzt unmittelbarere Sorgen durch
post tertium impcrii eins annum mülesimtis a conditione Eomae annm imple-
tu8 est; ita magnificis ludis augustisstmus omnium praeteritorutn hie fUjUalia
annus a Okristiano imperatore celehratus est, mit der Bemerkoog, es sei
nirgends berichtet, dafs der Kaiser die heidnischen Opfer auf dem Kapitel
mitgemacht.
1) Das älteste Zeugnis fdr das Christentum des Philippus ist indirekt,
aber es scheint mir entscheidend. Der dem Philippus gleichzeitige Bischof
DionysiuB von Alexandrien spricht von Kaisern vor Valerian als Xex^ivxss dvcc-
tpavdhv Xi^icxiavol ysyovivai, (Euseb. hist. eccl. 7, 10, 3). Er kann damit
nur Sevems Alex, und Philippus meinen. Ist dem so, so sieht man aller-
dings, was Alex, betrifft, dafs man in christlichen Kreisen wenig Ansprüche
machte, um einen Kaiser für christlich auszugeben, bei Philippus aber
mnfs für den gleichzeitigen Bischof die Sache notorisch gewesen sein.
Diesem Argument kommt zu Hilfe, dafs die Kirche kein Interesse hatte,
gerade den Philippus für sich zu beanspruchen. Anders liegt es mit der
Erzählung von der Bufse, der sich Philippus in Antiochien vor dem Bischof
Babylas unterworfen haben soll. (Euseb. 6, 34). Dies wurde allerdings im
4. Jahrh. in der antiochenischen Kirche erzählt; aber hierfür lag ein sehr ent-
Bchiedenes Interesse vor: wenn man Philippus als Christ bezeichnen konnte
and wollte, so war dies mit den Anforderungen des Christentums in Einklang
zu bringen, und darum mulste sein Vorleben durch die Bulse in Antiochien
getilgt werden. Ob dem irgend ein entfernter äufserer Anhaltspunkt zu
Grande lag, ist untergeordnet: so, wie erzählt wird, ist der Vorgang un-
denkbar. (Vgl. über diese Frage neuestens Aub(5, bist, des persdcut. 3, 467 ff.,
der sowohl das Christentum als die Geschichte von der Bufse annimmt.)
Wenn Tillemont 3, 267, der übrigens den christlichen Charakter des Phil,
zwar annimmt, aber nicht ohne Bedenken ist (p. 262 f ), zur Unterstützung
auf die Art aufmerksam macht, wie der heidnische Zosimus von Philippus
einerseits, von Decius andererseits spricht, so ist dies immerhin beachtens-
wert. Die Familie des Philippus mag zu einer christlichen Gemeinde in
Syrien gehört oder Beziehungen gehabt und die Christen in dieser Gegend
dies gerne hervorgehoben haben; Philippus verleugnete dies nicht, aber
er machte auch keinen Gebrauch davon. ^ j
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- 518 -
Militäraufstände. Es waren in Syrien und Mösien^ also gerade
da, wo Philippus seine Verwandten eingesetzt, infolge von deren
Mifsverwaltung Revolutionen mit Aufstellung von Gegenkaisem
ausgebrochen^), an sich von wenig Bedeutung und bald ohne
eigenes Eingreifen des Kaisers unterdrückt Aber dieser war
im Andenken an den Ursprung der eigenen Stellung dadurch
irre geworden und suchte Hilfe bei einem Senator, der, obgleich
wohl selbst aufrichtig die eigene Erhebung nicht wünschend,
doch ganz dazu geeignet war, dem m5sischen Heere, zu welchem
er gesandt war, durch Abstammung und durch Persönlichkeit
als der richtige zu einem Gegenkaiser wie gemachte Mann zu
erscheinen. Dieser C. Messius Decius wurde denn auch, nach-
dem er gezwungen das Kommando in Mösien übernommen, so-
fort, auch hier gegen seinen Willen, zum Imperator ausgerufen
und mufste die höchste Gewalt im Stand der Notwehr annehmen.^
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lassen es begreiflich e^
scheinen, dafs ein kluger und einsichtiger Mann ohne leiden-
schaftlichen Ehrgeiz keine Lust hatte, sich den Gefahren des
Imperiums und noch dazu eines so gewonnenen auszusetzen, und
es mag auch glaublich sein, dafs Decius dem Philippus ernsthaft
eröffnen liefs, er werde in Rom die ihm aufgedrungene Stellung
wieder abgeben, aber ebenso begreiflich ist, dafs eine solche
Eröffnung den, dem sie gemacht wurde, nicht beruhigte und
von der Gegenwehr nicht abhielt.^) Der Kampf zwischen beiden
1) ZoBim. 1, 19: noXXmv dh xara tccvtov ifinscovcmv tagaimv tots
itQccy fiaai tu fisv %ata xrjv imav tatg tmv (poQODv flgfega^sdi xal tm Tl^imtp —
dipoQrjtov anaaiv slvai ßaQWonsvoc xal diä tovto nQOg to vsmtSQ^lsiv t^a-
nivtcc tov 'icatantavov naqriyayov slg ri^v xmv oXfov cepjjjjy, ta dl Mvcnw
tayfiata xal Ilaiovaiv MaQtvov, ersteres bestätigt darch die nomina onrnium
princ. Rom. des Polemius Silvias (Mommsen in Abh. der sächs. Gesellscb.
1 S. 243): 8ub quo Jotapianus tyranntts in Cappadocia fuitf beides be-
stätigt durch die Münzen; nach diesen hiefs der eine tmp. C. M. F. Ru.
Jotapianus (Cohen 5* p. 183), der andere imp. Ti, Cl, 3far(tnt*») Paca-
tianus P. f. Aug. (Eckhel 7, 338 ff. Waddington re7. numism. 1856 p. 66 ff.
Cohen 5^, 181), und für diesen ergiebt sich die Zeit aus dem Exemplar
Cohen p. 182 n. 7 : Romae aet€rn{ae) an. mill et priiAOj also 248. Nach
Zonar. 12, 19 wäre er sogar nnr Centurio gewesen, was unglaublich ist —
Den Jotapianus läfst Vict. Caes. 29 erst unter Decius vernichtet werden.
2) Zos. 1, 21. Zon. 12, 19. Vict. Caes. 29.
3) Zon. 12, 20: ygdqtei zm <bLXlnn(p fi^ taqax^Hjvar bI yä^ ivunmri
tJ ^Ptouji, anoQ-riastai, rä Trjg ßaoiXsiag na(fdürifue' dXl' u%iarri<fag tovxm o
^O.in7cog ilBatQoitevas nur' avtov. Die Ereignisse in J^ösien müssen aicb
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— 519 -
wurde im J. 249 in der sehr ernsten Schlacht bei Verona aus-
gefochten, in welcher Philippus Reich und Leben verlor; sein
knrz Yorher zum Augustus erhobener Sohn wurde von den Prä-
torianem in Rom, deren Sjmpathieen dem Donauheere gehörten,
getötet.*) Das alles war die Wiederholung früheren Hergangs,
Philippus erfuhr, was er einem andern gethan, nachdem auch
ihn nicht priores et futuri principes termerej quo minus faceret
scelxis cuius ultor est quisquis successit (Tac. bist 1, 40). Neu
war nur, dafs der, welcher dieses Urteil der Geschichte an ihm
vollzog, es that in voller Erkenntnis der eigenen Rolle und mit
dem daraus sich ergebenden Blick in die Zukunft. In konkreterer
Weise war neu, dafs nun an Stelle der orientalischen die Donau-
heere mit Prätendenten pannonisch-illjrischer Herkunft auf den
Schauplatz treten*), nachdem in den letzten zwei Generationen
die Provinzen vorzugsweise durch Afrikaner und Orientalen im
noch im J. 248 bis zur Erhebung des Decius abgespielt haben: wenn er
auf einer Inschrift von Falerii (Mommsen bnll. 1865 p. 27 und zu Borgh.
oeuv. 4, 290 A. 6) im J. 250 trib. pot III heifsen kann, so mufs ein
Anfangspunkt da sein, der im J. 248 liegt. Dies kann dann aber, da die
Entscheidongsschlacht bei Verona erst im J. 249 vorfiel, nur seine Aus-
rufung als Imperator durch die Soldaten in Mösien sein.
1) Der Sohn, bei Vict. ep. 28 ohne sonstige Bestätigung G. Julius
Satuminus genannt, heifst in den monumentalen Zeugnissen M. Julius
^Fhüippus ndbüissimus Caesar bis 247; in diesem Jahr wird er Augustus,
nnd erhält dabei gegen die sonst, mit Ausnahme des Kollegenpaares Pupienus
and Balbinus, beobachtete Regel auch das Oberpontifikat, Eckhel 7, 333 f.
Bei ihm findet sich inschriftlich (vgl. die indices zum c. i. 1.) neben ein-
ander nohüissimus Caesar p, f. Augustus (Mommsen, Str. 2, 1106 A. 2, 2;
andere Zeugnisse bei Schiller, Kaiserz. 2, 801 A. 6); weiteres über die Be-
deutung dieser auch bei den folgenden vorkommenden Häufung im
System. Über die doppelte Art der Zählung der trib. pot, teils von der
Erhebung zum Cäsar im J. 244 teils von der zum Augustus im J. 247 vgl.
Mommsen in ephem. epigr. 4, 182 f. — Über seine Ermordung zu Rom
apud castra praetorta Vict. Caes. 28 extr. u. a. — Die Zeit der Katastrophe
bestimmen Eckhel 7, 327. Borghesi 4, 283 auf Sept. oder Auf. Okt. 249.
2) Vict. epit. 29: Decius e Pannonia inferiore Bubaliae (Eutrop. 9, 4
BudfütM) noitus, Caes. 29: Decius Sirmienmim vico ortus militiae gradu
ad Imperium conspiraverat. Bei Zosim. 1, 21 heifst er als Senator xal
yipsi nifoixo>v *^^ d^idfiati, und für seine Zugehörigkeit zu aristokratischen
Kreisen spricht auch die Kombination in seinem vollständigen Namen
C. Messius Q, Traianus Decius, die er mit dem doppelten Vornamen auch
als Kaiser beibehält. Wie sich dazu die Angaben von der Herkunft aus
einem obskuren Flecken bei Sirmium und jenes militiae gradu verhalten,
ist nicht zu erkennen.
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- 520 -
obersten Imperium vertreten gewesen. Es kam damit jedenfalls
frische Kraft im Reiche zur Geltung.
Decins. 6. Das Bild des Decius, ohnehin bei der äufsersten Dürftig-
keit der Quellen und der Kürze seiner Regierung nur schwer
zu fassen^ ist auch noch durch den Gegensatz der heidnischen
und christlichen Geschichtschreibung unsicher gemacht.^) Doch
läfst sich aus den zwei von der inneren Regierung allein he-
richteten Mafisregeln ein bedeutsamer Zug seines Wesens ge-
winnen. Wie in seinem Verhältnis zu Philippus einerseits Ein-
sicht und Interesse für den Staat, andererseits Mangel an Ehrgeiz
und Mifstrauen in die eigene Kraft zu erkennen ist^ so sehen
wir auch in jenen zwei Mafisregeln der Erneuerung der Censnr
mit erweiterter Bedeutung und der Anordnung eines systematischen
Vorgehens gegen die Christen wohl ein Resultat tieferen Nach-
denkens über die Schäden des Reichs und einen Trieb zum
Reformieren^ aber zugleich in der ersteren Mafsregel ein Herab-
gehen von der Stellung des Imperiums, wie sie schon im au-
gusteischen Principat ausgesprochen und seitdem zur höchsten
Steigerung gelangt war. Nachdem der Kaiser die ersten andert-
halb Jahre seiner Regierung anscheinend vorzugsweise sich in
Rom aufgehalten und an der damals besonders gefährdeten
Donaugrenze sich durch seinen ältesten Sohn, den er sich zur
Seite gestellt, hatte vertreten lassen*), sah er sich angesichts
1) Dem Zosimne (1, 23 extr.) ist er aqioxa ßsßaciXivnmg, bei den
christlichen Schriftstellern drängt die Christenverfolgung jeden anderen
Gesichtspunkt zurück.
2) Vict. Caes. 29 : ßium Etruscum notnine Caesarem fecU statimque eo
in läyrioa praemisso Bomae cUiquantum moratur moenwm gr<Uia qaae in-
stituit dedicandorum. Nach vit. Yaler. 5, 4 wäre Deoins noch am 27. Okt
261 in Rom gewesen; allein dieses Datum ist jedenfalls falsch, da dann
kein Raum mehr im J. 251 für die Teilnahme am Gothenkrieg wäre; aber
die Einsetzung des Valerianus als Censor dürfte erst ins J. 251 fallen, in
welches die vita dieselbe verlegt. Daraus folgt nicht, dals Decius nicht
schon vorher veranlafst war, Rom zwischeuhinein nach anderer Richtung
zu verlassen; waren doch nach Zosim. 1, 23 to: nQciyfuctcc z€CQax^g xlffgm-
^ivta. Unter die früheren Fälle von Abwesenheit möchte ich eine Erhebung
in Gallien (Eutrop. 9, 4) und die des Julius Valens setzen, welche Vici Caes. 89
nach der Abreise zum Gothenkrieg setzt, und auf deren Verlauf in Italien
Mommsen Bnllett. 1865 a. a. 0. die Tilgung des Namens der Decier in der
Inschrift von Falerii, die ins J. 250 fallt, bezieht Wie verwirrt die Über-
lieferung über diese Dinge ist, erhellt daraus, das nach vit. tyr. trig. 20 ein
Valens, der nicht wohl ein anderer als dieser sein kann, in Illyrien anftriit,
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— 521 —
des bedenklichen Gothenkrieges yeranlalst, selbst das Kommando
gegen die Gothen zu übernehmen zu einer Zeit, da die inneren
Zustande ihm einer reformatorischen Kraft zu bedürfen schienen.
Da kam er auf den Gedanken, das Amt der Censur mit viel
weiter gehender Vollmacht wieder aufzurichten. Selbst wenn,
was in der Biographie des Valerianus über die Kompetenz des
durch den Senat zu bestellenden Censors dem Decius in den
Mund gelegt ist, der Authentie entbehrt^), so ist durch ander-
weitiges Zeugnis in Verbindung mit dem allgemeinen Inhalt
des in der Biographie enthaltenen gesichert^), dafs Decius den
Plan hatte, die innere Verwaltung einem Vertrauensmann des
Senats zu überlassen mit der Aufgabe eingreifende Reformen
vorzunehmen, die gewifs vorzugsweise das Finanzwesen betreffen
sollten, aber teils durch den Titel teils durch die Definition der
Kompetenz an die Verwaltungsaufgabe und das regimen morum
der alten Censur anknüpften. Der Name war hier ziemlich
gleichgültig; hinsichtlich der Sache aber ist zu bemerken, dafs
einem emstdenkenden Mann in verantwortungsvoller Stellung
wohl das Bedürfnis einer Reform sich aufdrängen mufste, dafs
aber die Ablenkung dieser Aufgabe auf einen untergeordneten,
dem republikanischen Amt analog gestellten Magistrat die voll-
standigste Verleugnung des Principats war: denn eben die Be-
friedigung von Reformbedürfnissen, welche im gewöhnlichen
Gang der Verwaltung nicht zu erzielen waren, und überhaupt
die Aushilfe in allen Notlagen war der Ausgangspunkt und der
innere Berechtigungsgrund des Principats von Augustus her ge-
währeDd Victor und Polem. Silvias ihn nach Rom versetEen. Die Einsetzang des
Valerianas als Censor mag mit durch diese Erhebung veranlafst gewesen sein.
— Auf jener Inschrift von Falerii (Wilmanns 1117) sind im J. 260 die beiden
Söhne des Decins, Q. Herennius Etruscas imd C. Valens Hostilianus, Caesares
genannt, aber nur der ältere hat die trib. pot, Hostilianus erhielt sie noch
in demselben Jahr 250 ebenfalls; vgl. Borghesi in Bull, dell' inst. arch.
1862 p. 134 (za der Inschr. bei Henzen n. 6640). Darüber ob Hostilianus
wirklicher Sohn de» Decius war, u. A. Schiller, Kaiserz. 1, 806 A. 1.
1) Vit. Valer. 5 f., wo das, wie schon bemerkt, unrichtige Datum
Verdacht erweckt.
2) Zonar. 12, 20: dnoCHoni^aag ngog xov trjg i^ovaiag oy-KOv %ccl tijv
tmv nifayfiaxmv oUovofi^ccv tov BuXsqucvop inl ty rmv nifaypkätcDV dioi-
xficst nQOCBClBzo. Vit. Val. 6, 4 heifst es u. A.: tu censibus modutn poneSy
tu vectigaUa firmahis divides, tu resptibUccis recensebis, ubi Ugum scribefi-
darum auctaritas däbitur, tu arma respicies und dgl., Ausdrücke, die wohl
aus der alten Censur konstruiert sein könnten. ^ j
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— 522 -
wesen. Dies läfst denn auch der Biograph den Valerianus selböt
dem Decius gegenüber sagen, und über das Inslebentreten dieser
„Censur" verlautet nichts. — Dafs diese Regierung senatsfreund-
lich war, liegt schon im bisherigen; bezeichnend dafür ist aber
auch, dafs der Kaiser, dessen tribunicische Gewalt zuerst von seiner
Erhebung durch die Truppen gezählt wurde, dieselbe weiterhin
nach der Anerkennung durch den Senat* berechnete.^) Vielleicht
im inneren Zusammenhang mit den angeführten reformatorischen
Ideen stand die neue gegen die Christen eingeschlagene Politik.
Es wird davon noch weiterhin die Rede sein. Sie war jedenfalls
ein Vorgang von gröfster Bedeutung, ob man die Menge der von
ihr betroffenen höher oder niedriger beziffert. Sie erst hat die
Christen aus dem Hintergrund, in dem sie bis jetzt im poli-
tischen Leben standen, in den Vordergrund geschoben und den
Anstofs dazu gegeben, dafs sie bei der Umgestaltung des Reichs
ein ausschlaggebender Faktor wurden. Zunächst machte aber
auch hier der noch im J. 251, wie es hiefs durch den Verrat
eines Generals erfolgende Untergang des Kaisers im Gothenkrieg,
während dessen noch zu seinen Lebzeiten auch ein L. Priscus
sich in Makedonien als Gegenkaiser erhoben hatte, einer kon-
sequenten Politik ein Ende.^
GaUus und 7. Wie die letztvorhergegangenen Imperatoren, so waren
auch die nun unmittelbar in rascher Folge einander ablosenden
dem Senat nicht feindlich, teils um der eigenen Existenz willen,
teils weil sie nicht einmal Zeit hatten, eine bestimmte Richtung
einzuschlagen. Wenn C. Vibius Trebonianus Gallus, der Statt-
halter von Mösien, wirklich seinen Imperator Decius im Kampf
mit den Gothen verraten hatte, so mufste er, um vom mosischen
Heer zu dessen Nachfolger ernannt und als solcher anerkannt
zu werden, freilich alles thun, um diese äufserste Schmach zu
1) Vgl. c. i. 1. 3, ind. p. 1119 die Titel von 249 mit trib, poi. (und
zwar auf dem Militärdiplom p. 898 LVIA noch am 28. Dez.), und 250
mit trih. pot. 11, während auf jener Inschr. von Falerii Decius im J. 250
trib. pot III heifst. Die Zählung erscheint hier verschieden zur selben
Zeit, es ist aber eine naheliegende Kombination, dafs die letztere die ältere
ist und von dem senatsfreundlichen Kaiser ofBziell nicht beibehalten
wurde.
2) Über Priscus Yict. Caes. 29; er setzt diese Erhebung noch vor
die Abreise zum Gothenkrieg. — Die Katastrophe des Decius und seineB
älteren Sohnes in verschiedener Darstellung Vict. Caes. 29. Zon. 12, 20
a. E. An letzterer Stelle der Verrat des Gallus. ^ f
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- 523 —
verdecken, und er tbat dies, indem er den überlebenden Sohn
des Decius, Hostilianus, zum Cäsar annahm, mit dem eigenen
Sohn Volusianus. ^) Da aber Hostilianus bald darauf, wie es
scheint, das Opfer einer Epidemie wurde, die damals grofse Ver-
heerungen im Reich anrichtete*), so waren Gallus, Vater und
Sohn, die alleinigen Herren. Sie führten, nachdem Gallus mit
den Gothen einen Frieden geschlossen, der für das Reich ungünstig
genug war, die Regierung in Rom. Aber nachdem der Gothenkrieg
wieder ausgebrochen war und wiederum einem mosischen Statt-
halter M. Amilins Amilianus, einem Mauren 'von Geburt, Gelegen-
heit gegeben hatte, sich auszuzeichnen, fand das mösische Heer
die Gelegenheit gegeben, diesen seinen Führer zum Imperator zu
erheben. Er zog unter den besten Versprechungen an den Senat
nach Italien, brachte die beiden Galli infolge einer siegreichen
Schlacht um Thron und Leben und gelangte nun so selbst
zu einem durch den Senat anerkannten Imperium.') Aber nach-
1) Nach den Zahlen der Begierungsjahre, für welche neben den Jahren
der trib, pot. auf Münzen und Inschriften die ägyptischen Jahre auf den
alexandrinischcn Münzen jetzt, hei dem häufigen Wechsel der Imperatoren,
einen besonders wichtigen Regulator bilden, mnfs die Erhebung des Gallus
in die zweite Hälfte des J. 251 fallen. Dafs die tribunicische Gewalt weder
in einheitlicher Weise durch diese Regierung hindurch noch in derselben
Weise wie früher (vom 10. Dez. ab) gerechnet wurde, geht daraus hervor,
dafs, während am 22. Okt. 253 bereits Valerian und Gallienus herrschen
(vgl. die Inschr. Wilmanns ex. n. 1472), die beiden Galli noch den Titel
einer trih, pot IUI. haben, der ihnen nach der sonstigen Rechnung erst
254 zugekommen wäre, vgl. darüber Eckhel 7, 36». Wilmanns n. 1022 Anm.
Das Konsulat für 252 haben Gallus und sein Sohn Volusianus. Dafs am
1. Jan. 252 dieser schon Aug. heifst, schliefst Eckhel S. 367 aus Münz-
zeugnis. Nach Vict. Caes. 30 Qiaec tibi patres comperere, Gallo Hostilianoque
Augusta imperia^ Volusianum Gallo editutn Caesarem decernunt) wäre der
Sohn des Decius sogar bevorzugt worden. Er heifst auch Augustus auf
den Münzen.
2) Vict. epit. 30: non multo post pestikntia consumtus est; dagegen
Zosimus 1, 25: (Gallus) inißovXsvsi ^avatov avtm. Über die verheerende
Pest Vict. Caes. 30. Zonar. 12, 21: Zot/üo; ii Al^ionCaq aq^aitivoi mal
nacaif axedov imvBiirjd'els x^Q''^^ imav ts xal eaniQiov xal noXXag xmv
noXfoüv tcöv oIhtjxoqcov ilthaasv inl nBvxB%(tidB%a SiUQHiaccg iviavtovg.
Sie wird auch in der christlichen Litteratur wiederholt erwähnt und war
nicht die geringste unter den Plagen der folgenden Zeit.
3) Nach den alexandrin. Münzen (v. Sallet S. 72 fiP.) geht die Re-
gierung des Amilianus im J. 258 von einem ägyptischen Jahr ins andere
über. Anerkennung durch den Senat Vict. Caes. 31 : cwm proceres primo
hostem, dein exstincHs superioribus pro fortuna, ut solet, Äugustum p?fi^(<l- i
igi ize y g
— 524 —
dem bereits in Yalerian, dem schon unter Decios durch die
Verleihung jener eigentümlichen Censur in den Vordergrund ge-
stellten Senator, der unterdessen ein Kommando in Germanien
erhalten und dem Amilianus den Weg nach Rom hatte verlegen
sollen, ein neuer Kaiser von seinem Heere aufgestellt war, ver-
lor Ämilian die Gunst auch des seinigen und wurde, wie es
scheint ehe er nach Rom kam, ermordet.^) Der Senat konnte
es nur mit Befriedigung sehen, daüs in Valerian das ausge-
zeichnetste Mitglied der Behörde^), das eben von den zwei be-
deutendsten Heeren, dem germanischen und dem mit Ämilian
gekommenen Donauheer, anerkannt worden, das Imperium über-
nahm.
vaierianus und 8. Die ErhebuniT Valerians, des Vertrauensmannes von Decios,
Gallienas bii '
zum Orientfeld- bildete lu der That die natürliche Portsetzung von des letzteren
Regierung. Aber die Verhältnisse waren unterdessen wesentlich
schwieriger geworden, und Valerian selbst ein 60 jähriger Greia*)
Sofort nach der eigenen Anerkennung stellte er sich allerdings
seinen 35 jährigen Sohn Gallienus, für den der Senat zunächst
die Gäsarenwürde ausgesprochen, als Augustus zur Seite^), aber
vissetU. Verhältnis znm Senat Zonar. 12, 22 a. A.: inicteiXf x^ cvyn^ti»
iitayysXXonevog ms xal xriv &Qonirjv dnaXXd^fi ßccQßdifav %ccl uccta Ilfifcmv
iHaxQatBvastai nal ndvta tcqcc^si xal dytovic etat dtq ctQatrjyog avzmv tiit
ßaöiXfiav T§ yBQovcUf nctzaXmmv, — Die Zeit seiner Regierang wird auf
3 — 4 Monate angegeben; wenn man davon den Aufenthalt in Mösien in
der ersten Zeit nach der Erhebung und den Marsch nach Italien abrechnet,
so bleibt für den Aufenthalt in Italien selbst wenig übrig.
1) Zosim. 1, 29. Zon. 12, 22 u. A. Nur nach Yict. Caes. 31 morbo
ahsumpius est, sonst wird überall die sachgemälse Ermordung durch sein
Heer gegeben und motiviert. — Wenn, wie schon bemerkt, eine Abteilung
der nach der Beseitigung des Amilianus nach Afrika in ihr altes Lager
zuröckgeschickten legio Aug. III dort in Gemellä bei Lambäsis am 22. Oki
der Victoria Aug, für Valerian und Gallienus einen Altar weiht (ob. S. 523
A. 1), so mufs die Entscheidung fSr Valerian in Italien doch mindestens
6 Wochen vorher gefallen sein. Vgl. über diese Wiederherstellung der
afrikanischen Legion c. i. 1. 8 praef. p. XXI.
2) Er war schon bei der Erhebung Gordians im J. 238 princeps sefMim.
Vit. Gord. 9, 7.
8) Vollständiger Name: P. Lidnius Vaierianus. Für das Lebensalier
wird anzunehmen sein vit. 5, 1: cuius per annos sexa^ginta vita laudabüis
in eam conscenderat gloriam, %U post omnes honares et tnagistratus insignüer
gestos imperator fieret. Tillemonts Erörterungen (3 p, 612 n. 1) gehen von
der Lesart septuaginta aus.
4) Vict. Caes. 32: Eius ßium Oällienum senatus^ Caesarem creaL
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— 525 -
dessen unstäter und firivoler Charakter liefs hiervon keinen Nutzen
erwarten. Indessen war beiden immerhin eine Anzahl von Jahren
gegeben, ohne dafs Gegenkaiser auftraten, in den Provinzen die ersten
Jahre gewährten auch eine verhältnismäfsig ruhige Regierung in
Born, und es ist von Valerian genügend bezeugt, daTs er bei ruhigen
Zeiten die Aussicht auf geordnete Zustande, eine gewissenhafte
Verwaltung und Einvernehmen mit dem Senat in Aussicht
stellte^) und selbst den Christen zuerst freundlich gesinnt war
(s. unten). Allein ruhige Zeiten kamen eben nicht. Zu der
Verheerung des Reichs durch die Pest kam der Einfall der Perser
in Mesopotamien und Syrien, der im J. 255 zur Eroberung
Antiochiens führte *), und wie die Donaugrenze schon früher, so
wurde nun auch die Rheingrenze durchbrochen. Diese Verhält-
nisse veranlafsten den Valerianus zu einem Schritt, der unter
allen umstanden bedenklich war, bei einem Mitregenten, wie
Gallienus aber verhängnisvoll werden mufste, zu einer volligen
Teilung in der Reichsverteidigung.') Er selbst übernahm den
Jordan. Rom. 2S7 : Valerianus et Gdllienu8, dum unus in Raetia a militibus,
alter Bamae a senaiu in imperio levarentur; andererseitB Vict epit. 32:
(Valerianus) ßium swtim Äugwtum fecit Urkunden für Gallienas als Cäsar
giebt es nicht, sondern nur von ihm als Aognstns; doch ist die Angabe,
daTs der Senat ihn zam Cäsar gemacht, wohl nicht zu verwerfen. Wahr-
scheinlich hat der Senat, als er dem Valerian die Anerkennung aussprach,
zDgleich den Gallienus als Cäsar begrüist, es dem Valerian überlassend,
welche Stellung er weiterhin dem Sohn übergeben wollte; dieser erhob ihn
al>er wohl noch im J. 253 zum Augustus. Am 1. Jan. 254 traten beide zu-
sammen das Konsulat an. — Die Zeitbestimmungen werden dadurch er-
schwert, dais Mb. pot, und Konsulate jetzt 5fter absolut ohne die dazu ge-
hörigen Zahlen gegeben werden und wo Zahlen vorliegen, Widersprüche
in denselben sind.
1) Mit weniger Aufwand von Lob, als die Biographie bietet, sagt
Zosim. 1, 29: cnovd^v inoiBito xa ngay^ata sv diad^sivai; erst später im
persischen Feldzug wirft er ihm schädliches Milstrauen vor und schildert
ihn als Sia ts (iaXa%üicv xal ßü>v xuvvdxrixa ßoridijaai filv slg iaxaxov
il&ovin totg n^ayfiaaiv dnoyvovxa. Die christliche Litteratur hält auch
bei Valerian nur den eigenen religiösen Gesichtspunkt fest. — Detail ist
von der inneren Regierung so gut wie nicht berichtet.
2) Zosim. 1, 27. Das Datum bei Malalas 12 p.^296 Bonn, nach der
antiochen. Ära, aber fehlerhaft überliefert: nimmt man 814 an » 266 n. Ch.,
so würde die Eroberung erst nach der Katastrophe des Valerianus fallen;
korrigiert man 304 (Müller, fragm. h. gr. 4 p. 192), so wäre dies gleich 256.
3) Zosim. 1, 30: ipoxXoviiivüov x&v nifetyiidxmv anavxaxod'sv avxog filv
inl xrjv itoav rXaws Ui^auig dvxiaxriaouBVog xm xB naiSl xd iv E^Qmnjj
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- 526 —
Orient und begab sieh auf den dortigen Kriegsschauplatz^ Gallienus
sollte von Rom aus den Schutz der westlichen Hälfte übernehmen.
Wie früher, so sollte auch jetzt damit nicht eine räumliche Teilung
für die Regierung überhaupt eintreten: die Erlasse werden wie
bisher im Namen beider Auguste veröffentlicht, und es ist an-
zunehmen, dafs Valerian nicht im Sinne hatte, den Verkehr mit
dem Senat und die Funktionen der Zentralregierung dem Gallienus
allein zu überlassen. Aber die Lage des Reiches verlangte, data die
Auktorität des einheitlichen Imperiums vomämlich in der Person
des ^inen naturgemäfs leitenden Kaisers vor allem in militariseher
Beziehung dem gesamten Reich gesichert und auf jedem Kriegs-
schauplatz zu erwarten sei. So hatte es M. Aurel gemeint und
Septimius Severus bis zu seinem Ende gehalten. Jetzt war ein
Vorgang geschaffen, zum Zwecke der Verteidigung Imperien zu
errichten, die bei ideeller allgemeiner Bedeutung und bei An-
nahme der Attribute des Reichsimperiums in der Anwendung
auf Teile sich beschränkten, trotzdem dafs hier nicht etwa zwei
persönlich gleiche Imperatoren neben einander standen, wie die
Kollegen Pupienus und Balbinus, sondern die Auktorität des
Vaters neben dem Sohn. Solche Teilung war nicht geeignet,
die Einheit des Reichs zu wahren in einer Zeit, in welcher bereits
jede militärische Leistung in irgend einem Teile des Reichs den
Anlafs zur Aufrichtung eines selbständigen Imperiums und zur
Aufkündigung des Gehorsams gegen die ^entralregierung gab.
§ 86. Der äufsere Bestand des Reichs von Septimiiis Sevenu
bis Valerian. — Die Ohristenfrage.
sepUmiuB 1. Septimius Severus hatte während seiner ganzen Regierung
mit denselben äufseren Verhältnissen zu thun, welche bis zum
Schlufs der Regierung des Commodus für das Römerreich mafs-
gebend gewesen waren, und auch von römischer Seite kamen
keine wesentlich neuen Motive in die äufsere Politik herein: aber
dieser Kaiser hat das bisherige neu befestigt, zum teil erweitert
und mit neuen Mitteln ausgestattet. Erst nach ihm veränderten
sich zu gleicher Zeit die Verhältnisse jenseits der Grenze und
die Widerstandskraft des Reichs, und begann damit eine neue
Ära der äufseren Kämpfe.
atQatoueda nuQsdiSov toCg navraxoQ'sv iniova ßa^ßagoig fis%a ttov inti^
dwafisiov dvtietrjvat nuQsyyv^aag.
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— 527 —
Da der erste von Severus bekämpfte Prätendent, Niger, seine
Stellung im Orient hatte, so schlolja sich naturgemäfs an seine
Besiegung eine Revision der syrischen Grenzverhältnisse an. Be-
sonderen Anlafs dazu gab die Hilfe, welche die römischen
Yasallenfürsten in Osrhoene und Adiabene dem Niger geleistet;
Severus forderte jetzt Verantwortung, rückte in Mesopotamien
ein, und schon diese Aktion führte ihn bis Nisibis. Die Parther
waren augenblicklich nicht in der Lage sich einzumischen, und
so ergab sich als leichter Erfolg schon jetzt die Vervollständigung
der von M. Aurel gewonnenen römischen Stellung in Meso-
potamien, sowie die Möglichkeit, den Orient zu verlassen und
gegen Albinus zu ziehen. Als Severus nach dem Sieg über
diesen wiederkehrte, waren unterdessen die Parther vor Nisibis
gerückt in der Erkenntnis der Wichtigkeit dieses festen Platzes.
Die Ankunft des Kaisers brachte nicht nur Entsatz, sondern es
konnte jetzt auch weiter nach Parthien hinein vorgerückt werden.
Wieder gelang wie früher die Einnahme von Etesiphon und
scheiterte man vor dem von den Arabern trefflich verteidigten
Hatra; das Resultat des Feldzugs aber war die Provinz Meso-
potamien mit Nisibis als Kolonie, mit römischen gegen Parthien
fährenden Heerstrafsen und zwei Legionslagem. Der Teil des
Senats, der mit Severus unzufrieden war, sah in diesem neuen
Vorschieben der Grenze und Gebietszuwachs nichts gutes: die
neue Provinz bringe nichts ein, verursache aber grofse Kosten.
Dies war unzweifelhaft; wäre indessen das Partherreich noch
länger geblieben, so wäre die Position^ innerhalb der erreichten
Grenzen gehalten, dem Schutze Syriens zu gute gekommen und,
da mm Armenien ein römisches Vorland hatte, die armenische
Frage vereinfacht gewesen.^)
1) Über die Chronologie s. ob. S. 448 A. 1, über den ersten Feldzag
des Severus jenseits des Euphrat hauptsächlich Dio 75, 1—3. Hcrod. 3, 1, 2.
3, 4, 7 ff. Vit. Sev. 9, 9—11. Die Siegestitel, die er hiervon gewann, sind
Arabicus und AdiabenicuSy noch nicht JPctrthicus vit. a. a. 0. und Eckhel
7, 172; über den zweiten Krieg, den gegen die Parther Dio 75, 9 ff . 3, 9.
Vit. 15. Jetzt nennt er sich Parihictis tnaximus, Urteil Dios über die
Hinznfügung Mesopotamiens 75, 3: 6 SsovrJQog itXsyB fisyaXriv ti riva
%mQav n^o^snxfje^cci %al nQoßoXov ocvtriv rijg UvQ^ag nsnoirjad'ai' iXiyxtrai
ih ii uvTov Tov igyov xal noXifuov ^fuv avvsxoiv mg hccI danawfjfiuTotv
noXkwv alxia ovecc ' dCdmci ithv yaQ iXänütaj uvaXüf%Bi Sh nccfinXri^ xa2 ngog
iyyvtiQOvg xal tmv Mridatv %al rcäv Tldif^aiv nQogsXijlv^otBg del tqonov
uvcc vnlQ avxatv futxofied'tt. — Von Neueren aufser den schon angeführten
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- 528 -
Bei der Neuordnung der ostlichen Provinzialyerhältnisse
war es, dafs der Kaiser durch mehrfache Erteilung des iu$ üaH-
cum der Entwicklung der munizipalen Verhältnisse einen neuen
Anstofs gab (ob. S. 469 f.), den letzten bedeutenderen, den er dann
auch auf andere Provinzen, Dacien und Afrika ausdehnte. Von
seinen Nachfolgern wurde dies durch weitere Erteilungen noch
in etwas weiter geführt, aber die Konstitution Caracallas über
das Bürgerrecht (ob. S. 476) hat jedenfalls auch hier neue Ver-
hältnisse begründet
Der Kampf mit Albinus hatte keinen Einflufs auf die Zu*
stände an der Rheingrenze, und ebensowenig wurden an der
Donau Veränderungen vorgenommen. Was jenseits der Grenze
sich vorbereitete, sah man noch nicht. -— Dafs Severus sich noch
in hohem Alter selbst mit seinen Söhnen nach Britannien begab,
um dort den Krieg zu führen, wurde zum Teil der Absicht zu-
geschrieben, die Söhne von Rom fortzubringen; immerhin hatten
die Grenzkriege daselbst damals einen ernstlicheren Charakter.
Eine weitere Ausdehnung des von Truppen zu besetzenden Ge-
biets wurde hier nicht erzielt; im Gegenteil, man kam wieder
auf die Linie zurück, welche Hadrian als diejenige festgestellt
hatte, von welcher aus der Horizont der Nordgrenze gezogen
werden sollte. Wenn die alten Quellen dem Severus geradezu
die Anlage dieser Linie zuschreiben, so ist dies gewils ein Irr-
tum, es wird aber* daraus wenigstens zu entnehmen sein, daXs er
sie neu befestigte.^) Durch diese Verminderung der Ansprüche,
welche die römische Herrschaft auf der Insel erhob, war es seinen
Söhnen erleichtert, dort abzuschliefsen und nach Rom zurück-
zukehren.
caraoaiiA und 2. Unter Caracalla tritt an dem bisher ruhigsten Teil der
Grenze, an der des Rheins, eine verhängnisvolle Änderung ein.
Wie unter Marc Aurel durch neue Völkerverhältnisse ein ge-
fährlicher Sturm gegen die Donaulinie, besonders die Stellung
an der mittleren Donau zum Ausbruch gekommen war, so stehen
Monographieen über Severus die Darstellnngen bei Schiller 1, 711 ff. Mommsen,
r. Gesch. 5, 409--411. y. Gutschmid in Encycl. ßrit 18 p. 605.
1) Ziemlich aasführliche Ereählung bei Dio 76, 11 ff.; kflrser Herod.
3, 14; beide sprechen sich über die Motive ans; vii 18, 2: Brttanniam,
quod maximum eins imperium est, muro per transversam ins%Uam dueto
utritnque ad finem Oceani munivü; hierüber Hübner in corp. i. 1. 7
p. 100 f. 192 f.
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— 529 —
nan auf einmal die Romer am Oberrhein mit ihrer Stellung in
Mainz und am obergermanischen Limes nicht nur ihren alten
Gegnern, den Chatten, sondern einer Vereinigung von Völker-
schaften gegenüber, die unter dem Namen der Alamannen sich
gebildet hatte. Schon der äufserste Flügel jener früheren Ver-
einigung der Donauvölker war beim rätischen Limes durchge-
brochen und bis nach Italien hinein gekommen (ob. S. 441 A. 1);
jetzt war nicht blofs mit Mainz Gallien gefährdet, sondern von
dem Winkel aus, in dem der rätische uüd germanische Limes
zusammenstiefisen, die Wege über die Alpenstrafsen nach Italien
bedroht. Diese Gefahr wurde durch den germanischen Feldzug
des Garacalla in den Jahren 213 und 214 allerdings überwunden,
der Limes nicht blofs gehalten, sondern auch verstärkt; aber es
waren nicht sowohl Siege, welchen dies Resultat zu danken war,
auch nicht der Schrecken, welchen Akte verräterischer Grausam-
keit hervorrufen sollten, sondern teils der Umstand, dafs dieser
erste Völkerbund offenbar noch keine weiter gehenden Ziele hatte,
teils die Eonzessionen, die der Kaiser in mehr frivolem als klugem
Eni^egenkommen machte. Die Tendenz zum Herandrängen an
die Grenze wurde hierdurch sowie durch die Bildung einer ger-
manischen Leibwache des Kaisers wesentlich verstärkt und auch
in letzterer Beziehung zukünftige Vorgänge eingeleitet.*) — War
1) Die 77, 13 (Anlage von Kastellen, die er nach seinem Namen be-
nannte; es ist nicht eu erkennen, welcher Art Kastelle, ob solche am
Limes oder etwa jenseits desselben gemeint sind; von der ersteren Art,
die einen ganz guten Sinn gehabt hätte, konnte Dio nicht so sprechen,
wie er es thnt An ders. Stelle ist auch von der verräterischen Nieder-
metzelung von Alamannen die Rede). Ilerod. 4, 7. Vit. 5 und die kürzeren
Nebenquellen. Den Namen Alamannen giebt schon der Zeitgenosse Dio;
dafs aber offiziell, d. h. zu Siegestiteln (vgl. die falsche Angabe vit. Car. 10),
zu Namen von Spielen u. dgl. er noch nicht verwendet wurde, man es
vielmehr hier noch bei dem Namen Germanen beliefs, darüber vgl. vit.
trig. tyr. 13. Mommsen c. i. 1. 1 p. 403 z. 5. Okt. Ober die Alamannen,
die Bedeutung des Namens und ihr erstes Auftreten v. Wietersheim-
Dahn, Gesch. der Vdlkerw. 1, 176 ff. Holländer, die Kriege der Alamannen
mit den Römern, 1874. — Wie man im römischen Senat über die Erfolge
des Kaisers in Germanien dachte, zeigt Dio 77, 14: xal ccvtol {ot Kivvoi,
KtXrtxov i^vog) ro tijg rjttrig ovoiia noXltiv XQW^'^^'*' ^"toSofitvoc öüvb-
XfOQTjifar avT^ ig zriv FfqaavCav dnoaca^vai. — noXXol %ai t(ov nag*
avT/D TCO (oxcavcj nsgi tag tov "AXßidog i'KßoXag oUovvztav ingsaßBvcavto
ngog avxop (piXlav altovvtsg twa xQriiiata Xaßcoaiv * instdrj yocQ ovtmg ins-
nQccxBt avxvol ccvt^ inid-evro noXsfiriasiv dnsiXovvtBg olg naai <'Hp^'f^fH(jIp
Hersog, d. röm. 8ta*Uvorf. n. 1. 3^' '^^ ^ O
- 530 —
dieser Feldzug um einer notwendigen Defensive willen unter-
nommen, so war der Pariherkrieg, zu dessen Beginn Caracalla
noch 214 in Nikomedien eintraf , durch keinerlei zwingenden
Grund veranlafst. Das Auslieferungsverlangen, von dem Dio
spricht^ betraf in dem armenischen Fürsten Tiridates einen
Mann, der erst durch römisches Vorgehen zu den Parthem ge-
trieben wurde, und in dem Philosophen Antiochus eine Persön-
lichkeit, für die ein Völkerkrieg sich wahrhaftig nicht lohnte.
Es war vielmehr der Krieg um des Kriegs willen, den man hier
suchte, und dem der Kaiser durch die Anknüpfung an den
Alexanderberuf einen bei ihm widerlich romantischen Anstrich
gab. Indessen war einmal jener Vorwand der Auslieferungs-
forderung gewählt, und so fiel, als dieselbe bewilligt wurde, dieser
Grund weg, und da zu gleicher Zeit die unruhigen Ägypter
Gelegenheit zu lohnender Beschäftigung der Soldaten gaben, so
wurde in der That der Partherkrieg für jetzt aufgegeben und
die Diversion zur Bestrafung der Alexandriner gemacht. Bei der
Rückkehr aus Ägypten im J. 216 nahm der Kaiser Gelegenheit
in Osrhoene einzuschreiten, bemächtigte sich des dortigen Fürsten,
zog sein Land ein und drang dann von dem Hauptquartier Edessa
aus, welche Stadt zur Kolonie erhoben wurde, in Parthien ein,
indem er in einer abgewiesenen Werbung um eine parthisohe
Königstochter einen neuen Vorwand gefunden.^) Nun aber kam
die Gegenwirkung: die Parther rüsteten jetzt ihrerseits, und ihre
Aktion ging über die Person des Caracalla hinweg.^ Nachdem
dieser bei Eröffnung des Feldzugs im Frühjahr 217 ermordet
war, fand sein Nachfolger Macrinus eine partbische Macht sich
(folgt die Bemerkung," dals er hier mit echter MOnze zahlte, wlihrend er im
Reich offizielle Falschmflnzerei trieb).
1) Dio 77, 21—78, 6. Herod. 4, 8 ff., wonach Caracalla von Born zo-
erst zu den Donauheeren geht , von da nach Thrakien und hieranf nach
Asien, überall Erinnerungen an Alexander den Grolsen pflegend. Vit. 6.
— Neuere Monographie von Drexler, Caracallas Zug nach dem Orient und
der letzte Partherkrieg. Halle 1880. Über die Vorgänge in Osrhoene und
das Verhalten des Caracalla zu dem dortigen König Sevems Abg^ros, Sohn
Abgars IX, sowie über die Chronologie vgl. v. Gntschmid, Unters, über die
Oesch. des Königreichs Osro^ne in M^m. de Tacad. de St. Petersb. XXXV
(1887) p. 86 ff. Darüber, dafs Edessa, wo Caracalla den Winter 216/217
zubrachte, jetzt erst Kolonie wurde, ebendas. S. 36 A. 3.
2) Dio 78, 3 läfst schon den Caracalla über die Rüstungen der Parther
in grofse Angst geraten. r^^^rrl^
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- 531 -
gegenüber, die ihm überlegen war und der grofse Alexanderzug,
den Caracalla geplant, endigte für die Römer zwar nicht mit
Gebietsverlust, weil die Parther auch andere Sorgen hatten, wohl
aber mit sonst demütigenden Bedingungen. *) Der Friede brachte
auch den Vasallenstaaten ihre eigenen Fürsten zurück. Die
Kampfe, welche der Sturz des Macrinus in Syrien veranlafste,
wurden von den Parthern nicht benützt; Macrinus hatte zwar
daran gedacht, sich an sie zu wenden, sein Vorhaben wurde je-
doch verhindert.^)
3. Auch die Regierung des Elagabal war ungestört, und Eiagabai und
zwar an allen Grenzen; es bestanden eben jenseits der Grenz- Alexander.
linien Übergangszustände, welche erst eine Konzentration ge-
winnen mufsten, ehe es zu neuen Angriffen kommen konnte. In
Rom aber hatte man auch unter Severus Alexander ofiFenbar
keine Kenntnis von dem, was jenseits, in Parthien und Germanien,
vorging; sonst hätten die Ratgeber des Kaisers in anderer Weise
Fürsorge getrofiFen. Aber für energische Führung der auswärtigen
Politik war weder die Organisation seines Rats noch seine eigene
Persönlichkeit angelegt, und niemand dachte an eine Präventiv-
politik: auch mufste die beständige Gefahr der Militäraufstände,
die sowohl von Seiten der Truppen als von der der Generale
bestand, die Aktion an den Grenzen lähmen. Für die Abwehr
kleinerer feindlicher Einfälle genügte allerdings die Wehrkraft,
welche den Provinzialstatthaltern zu Gebot stand, und von diesem
Horizont aus sorgte der Kaiser auch dafür, dafs der gute Wille
bei Führern und Mannschaft möglichst erhalten bleibe.^) Die
Statthalter, die eine glückliche Expedition aufzuweisen hatten,
wurden reich belohnt, und die Mannschaften an der Grenze
wurden kolonisiert, indem man ihnen Land anwies; damit sollte
das Interesse für eigenen Herd und Hof ins Spiel gezogen werden.*)
In denselben Zusammenhang einer neuen Organisation des Grenz-
1) Dio 78, 26 f. Trotzdem nahm Macrinus den Siegeatitel Parlhi-
Cfis an.
2) Dio 78, 89: (Macrinus) ^ttridslg tov ^sv vtov ngog tov 'AQxdßavov
xov tav TlaQd'cov ßaaiXicc ^ns^tpsv u. s. w.
3) Vit. 68: Actcte sunt res feliciter et in Mauretania Tingitana per
Furtum Celsum et in lUyrico per Varium Macrinum — et in Armenia per
Junium Pälmatum, atque ex omnibus locis ei tdbellae laureatae sunt delcUae ;
folgen die daraus für ihn und die Führer sich ergebenden Ehren.
4) Ebendas.: sola quae de hostibus capta sunt Umetaneis ducibus et
müitibus donavit ita ut eorum essent, si heredes eorttm militarcnt nee unquanf^]^
34* o
— 532 -
Schutzes gehört die schon erwähnte Trennung der Militär- und
Zivilverwaltung in den betreffenden Provinzen, deren Zweck darin
lag, das Provinzialkommando möglichst frei für seinen mili-
tärischen Beruf zu stellen (ob. S. 492 f.).
Aber all das war den Gefahren gegenüber, welchen das
Reich jetzt entgegenging, doch von untergeordneter Bedeutung.
Während der ersten Jahre Alexanders war jenseits des Euphrats
eine neue Macht entstanden: die persische der Sassaniden. Die
Römer mochten wohl anfangs das Aufkommen derselben als einen
jener inneren Kämpfe des Partherreichs betrachten, welche ihnen
bisher so oft nützlich gewesen, und den Fortgang der Bewegung
nicht ungerne sehen. Aber nach wenigen Jahren hatten sie eine
neue Grofsmacht, wenn nicht gerade viel mehr einheitlich, so doch
frischer und schlagfertiger als die parthische sich gegenüber und der
Stifter dieses neuen Reiches, der Perser Artaxerxes I (Ardaschir),
hatte, indem er die Tradition des alten Perserreichs aufnahm, Ziele,
die für seine Nachbarn höchst unheimlich waren. ^) Als der Ge-
schichtschreiber Dio bald nach seinem im J. 229 mit Alexander
bekleideten zweiten Konsulat sich in seine Heimat zurückzog,
war Artaxerxes bereits Herr des Partherreichs geworden, hatte
Armenien, allerdings ohne Erfolg, angegrifiPen und bedrohte die
römischen Provinzen Mesopotamien und Syrien. Noch sieht der
römische Autor in der persischen Macht an sich nichts besonders
bedrohliches, und es ist nur die zerrüttete Disziplin der Grenz-
heere, die ihn nach eigenen Erfahrungen schlimmes erwarten
läfst^), aber er wurde wohl noch, nachdem er in seiner Heimat
Bithynien sich zur Ruhe gesetzt, eines anderen belehrt. Alexander
selbst, einmal von der Gefahr überrascht, nahm sie keineswegs
leicht; er soll zunächst in wenig würdiger Weise durch Unter-
handlungen den Frieden zu erhalten gesucht haben; nachdem
ad privatos pertinerent dicens atteniitis eos tnilüaturos, si etiam sua rura
defenderent u. s. w.
1) Über Entstehung, erstes Wachstum und Organisation des Sasaa-
nidenreichs Nöldeke, Gesch. der Perser und Araber zur Zeit der Sassaniden
1879. Ders. in Eucycl. Britann. 18 S. 608. Mommsen, r. G. 5, 411 ff.
2) Dio 80, 4: (AQta^iff^rig) ovv tpoßsQog rifiCv iyipfto ct^ateviucxi tt
noXXm ov (lovov t^ Msöonoxa^la aXXä %a\ ty Svqltf i(pBd^sv6as ««l a«cil»y
dvaüTTiasad'at ndvta cog xal ngosTiyiovtd of i% nQoyoptov Sau notl of ndlm
nigacti iiixQt trjg *EXXr]vtKrig d'aXdaarjg ^axov ov% oti avxog Xoyw) Titro( a£ios
dXX* Ott ovt(o td GtQatiaTixd rj(iCp didusivai tagte tovg (thp xal nQOgxi^^tö^ea
avTo5 xovg dl ovn id-iXeiv dfivvsad'ai. ^ I
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— 533 -
aber diese gescheitert waren, nahm er den Kampf wenigstens
mit voller Rüstung auf und benützte den Mifserfolg, den Arta-
xerxes gegen Armenien gehabt, um teils von diesem Land, teils
von Mesopotamien und Syrien aus die Ofifensive zu ergreifen.^)
Der Verlauf des Kampfes, zu welchem Alexander im J. 231 Rom
verliefst), scheint die Befürchtungen, welche Dio hinsichtlich
der Tüchtigkeit der Truppen gehegt, gerechtfertigt zu haben;
auch war Alexander nicht nur selbst kein Feldherr, sondern es
fehlte ihm auch an Generalen, die hierfür hätten Ersatz bieten
können; wenn trotzdem der Kaiser Siegesberichte nach Rom
schicken') und die Integrität der Reichsgrenze behaupten konnte,
so half dazu wesentlich, dafs die parthische Dynastie in Armenien,
die stets den Zankapfel zwischen Rom und den Parthern ge-
bildet, auch nach dem Tode des tüchtigen Chosroes, der den
ersten Persersturm abgewehrt, noch aushielt und Unterstützung
gewährte. — Kaum war Alexander zurückgekehrt, als die ger-
manischen Verhältnisse ihn nach Gallien und an den germanischen
Limes riefen. Wie im Osten die Römer durch Persereiufälle in
ihren eigenen Provinzen überrascht und zum Kriege genötigt
worden waren, so war es auch hier: Germanen waren, wenn
auch nur in Streifscharen in Gallien eingedrungen, die Grenz-
hut also nicht genügend gewesen.*) Wiederum befolgte Alexander,
wie es scheint, die Politik, dafs er grofse Rüstungen veranstaltete
und aus den fernsten Provinzen Truppen herbeizog, nur um von
solcher Heeresmacht aus friedliche Unterhandlungen anzuknüpfen.
Allein diesmal hatte diese Politik schlimmen Erfolg bei den
eigenen Truppen: die Erhebung gegen ihn soll eben an diesem
eines römischen Kaisers unwürdig erachteten Verhalten eingesetzt
haben (ob. S. 500 f.).
4. Der Nachfolger Maximinus nahm nun seinerseits mit von Maximmu»
. , , bis zu Valerl-
den von Alexander angesammelten Mitteln die Offensive m »o^aa.
1) Zonaras 12, 15 (nach dem anonymen Forteetzer Dios). Hero-
dian 6, 2 ff.
2) Das Jahr erwiesen von Eckhel 7, 273 aas Münzen mit profectio
Augustx.
3) Vit. 56 f., allerdings mit Belegen zweifelhafter Achtheit, wie auch
der Erfolg des Kaisers fölschlich gesteigert ist. Zu dem Triumph, von
dem hier die Rede ist, vgl. die Münzen vom J. 233 Eckhel 7, 275 und
Cohen 5 S. 445 f.
4) Vit. 59: Germcmorum vastationibus GaUia diripiebatur. Der Aus-
zug des Kaisers nach den Münzen im J. 234. Eckhel 7, 277. ^ j
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- 534 —
Germanien so entschieden wie möglich und mit Erfolg auf, zu-
erst von Mainz ^ dann von der mittleren Donau aus. Hier gab
es Kämpfe gegen die unmittelbaren Nachbarn^ die freien Daken
und Sarmaten^); aber was der Kaiser als Ziel seines Vorgehens
angab,* war viel grofsartiger.*) Es mag jedoch, wie schon oben
(S. 505) bemerkt, bezweifelt werden, ob er auf Grund von be-
stimmterer Erkundung der germanischen Verhältnisse einen Vor-
stofs in das Herz des freien Germanien für das beste Mittel hielt,
um der von dort drohenden Gefahr zu begegnen, oder ob nicht
vielmehr Motive persönlicher Natur ihn bestimmten: das Streben,
dem von ihm gehafsten Senat Proben seiner Kraft zu geben,
eigene Kriegslust, die durch die ersten Erfolge gesteigert, ohne
besondere Überlegung weiter strebte und dann vielleicht das,
was von den Germanen zu fürchten war, eher beschleunigte als
schreckte. Die grofse Aktion wurde jedenfalls durch Gordians
Erhebung vereitelt, und während Maximin ausschliefslich den
germanischen Verhältnissen seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte,
waren die Perser, klüger als die Parther mit den Zustanden im
Römerreich rechnend, in Mesopotamien eingedrungen.^ Selbst
an der Donau hatte Maximinus einen vollen Erfolg auch nur
für die Defensive nicht hinterlassen; denn die beiden vom Senat
gewählten Kaiser hatten in ihrer kurzen Regierung neben den
Vorbereitungen für einen Perserkrieg auch an der Donau gegen
die Carpen und Gothen zu rüsten, welch letzterer Name nun
auftaucht.*) Die Erbschaft, welche so Gordian III übernahm,
war denn bedenklich genug, und die Last wäre für den Zusammen-
halt des Reichs jetzt schon zu grofs gewesen, wenn der junge
Kaiser nicht in Timesitheus einen ebenso tüchtigen Feldherm
wie Staatsmann gefunden hätte. Durch ihn wurden Mafsregeln
für den Schutz des Reichs in umfassender Weise vorsehend ge-
1) Vgl. die Siegestitel Dacicus und Sartnaticus^ das einzige Zeagnis
hiervon.
2) Vit. Max. 12 f. Herod. 7, 2, 9.
3) Zonar. 12, 18: Ntcißiv xal Kdcgag — vno Iliga^v M Ma^ifupov
4) Vit. Max.-Balb. 13, 5. 16, 3. Das an letzterer Stelle erw&hnte
bellum Scythicum mit der Zerstörung der civitas Istrica (Istropolia am
schwarzen Meer, nördlich von Tomi) gehört bereits den Kämpfen mit den
Gothen an. Petr. Patric. p. 124 Bonn. (Der mösische Statthalter Tullias
Monophilus und seine VerhaDdlungen mit den Carpen, welche dieseibon
Jahrgelder wollen wie die Gothen).
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troffen und durch Herstellung einer genügenden Sicherheit in
den europäischen Provinzen die Möglichkeit geschaffen, mit voller
Energie den Perserkrieg aufzunehmen^ in welchem man nunmehr
im J. 241 an Stelle des Artazerxes seinen Sohn Sapor (Shahpur)
zu bekämpfen hatte. Die Erfolge waren bereits viel versprechend
und die römische Armee wieder im Vorrücken gegen das Berz
des feindlichen Reichs, als im J. 243 Timesitheus starb , darauf
PhilippuSy der Araber, als Gardekommandant gerade durch
Schädigung des Heers, also durch Beeinträchtigung der Operationen
den Gordian zum Sturz brachte und dann Frieden schlofs, wie
berichtet wird, mit Aufgeben von Mesopotamien und Armenien.
Doch soll er durch den schlimmen Eindruck, den dies machte,
yeranlafst worden sein, die Räumung dieser Positionen nicht zu
ToUziehen; da aber kaum glaublich ist, dafs die Perser die Nicht-
achtung der Bedingungen des Vertrags ohne Widerstand hinge-
nommen hätten, so dafs der Kaiser ruhig nach Rom hätte ab-
gehen können, so dürfte wohl völlige Preisgebung jener Länder
beim Friedensschlufs von einer Stellung aus, welche eben noch
die Römer zum Marsch auf Etesiphon be^igt hatte, kaum richtig
sein. Jedenfalls kam aber für einige Zeit der Krieg hier zum
Stehen, in einer Weise, die von eben errungenen grofsen Er-
folgen weg für die Römer unvorteilhaft war.^)
Die nächsten Jahre konzentrieren das Interesse wieder auf
die Donauprovinzen. Eine Zeit lang ist es der Name der Carpen,
der hier vom linken Donauufer her unter den Gegnern Roms
hervortritt; aber neben ihnen stehen, wie schon bemerkt, bereits
die Gothen, denen es gelungen war, nicht blofs als leitende Völker-
schaft auf dem rechten Ufer der unteren Donau aufzutreten und
die äufsersten Posten der griechisch-römischen Zivilisation am
schwarzen Meer, welche in halber Selbständigkeit aufserhalb der
eigentlichen Grenzen lagen, zu zerstören, sondern nunmehr auch
Einfälle über den Flufs herüber in den römischen Provinzen zu
machen.*) Auch hier tritt jetzt eine Macht unter bestimmten
1) Vit. 26 f. Id der sonstigen Geschichtsohreibung hat jetzt Zosiiuus
die Führung; daneben Zonaras, Jordanes u. A. Zosimua folgt der Chronik
ond den Skythica des Atheners Dexippus (Müller, fragm. bist, graec. S,
666 ff. A. Schäfer, Quellenkonde 2, § 168), und die anderen sind ebenfalls
in dem Mafse von Wert, als sie dieser Qaelle folgen. In die Kriegs-
geschichte der nachfolgenden Zeit hat Dexippus selbst rühmlich eingegriffen,
indem er im J. 267 die Athener im Kampf gegen die Gothen führte. S. unt.
2) Über Herkunft mid erstes Auftreten, sowie die Kriegsgeschichte j
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Fürstennamen auf an einem Punkte, der schon für die Yet-
bindung der europäischen Heere mit dem Orient von höchster
Wichtigkeit war. Es ist oben schon erwähnt worden, in welcher
Weise hier die Kriegführung mit der Erhebung von Präten-
denten verbunden war. Die Heere, welche hier kämpften, wollten,
sobald sie einen Erfolg errungen, für denselben in ihrem Selbst-
gefühl wie in materieller Weise belohnt sein und fanden diesen
Lohn in der Erhebung ihrer Generale zu Kaisern. So wurde
Decius Imperator, nach ihm Gallus und Ämilianus, ohne dab
die so erhobenen dann ihre Aufgabe darin gefunden hätten,
durch völligen Erfolg gegen die gefährlichen neuen Feinde ihre
Herrschaft zu rechtfertigen: noch war immer die erste Sorge
eines jeden, der von der Truppe ausgerufen worden, nach Rom
zu kommen. Decius allerdings hatte, nachdem er in Rom An-
erkennung gefunden, den Gothenkrieg mit Energie aufgenommen^):
— damals eben war der Gothenkönig Kniva, der Nachfolger
des Ostrogotha, in Mösien eingedrungen — ^ aber der seine
Schuldigkeit thuende Kaiser war unglücklich, Gallus, der ihn
verraten, suchte durch Vertrag und Geldzahlungen von den
Gothen loszukommen und liefs sie unbehelligt und reich mit
Beute beladen den Rückweg über die Donau antreten, Ämilia-
nus kam um, ehe er nach Rom gelangte.^) Es scheint^ dafs die
Provinz Dakien damals den Dienst nicht mehr leisten konnte, den
sie der Reichsverteidigung thun sollte. An ihr vorbei, wenn nicht
durch sie hindurch zogen ja unter Decius die Gothen, verbreiteten
sich, ohne im Rücken und in der Flanke von dem dakischen
Gebirgsland aus gefährdet zu sein, in den Niederungen am
schwarzen Meer und drangen über die Donau nach Thrakien
und Makedonien, ja bis nach Achaja hinab. Der Erfolg, welchen
Ämilianus gegen die Gothen bis in ihr eigenes Land hinein
errungen und dem er die Ehre eines ephemeren Imperiums
verdankt hatte, fiel ungefähr in den Anfang d. J. 253.') In
der Gothen in dieser Zeit Pallmann, Gesch. derVölkerw. 1,49E v. Wieten-
heim-Dahn 1, 194 fif. Mommsen, r. G. 6, 217 f. Über die Beseichnang
Skythen Dezippus Cbron. fragm. 16 Müller: U^ivd^ai ot liyoftrSPOi FoT^ot.
1) Nach Zosim. 1, 23 wäre die Indolenz des Philippas schuld ge-
wesen, dafs die Gothen in das Reich hereinkamen.
2) Zosim. 1, 23. Zonar. 12, 20 f.
3) Zonar. 12, 21 a. E.: (Die Soldaten des Amilian) dnQooxtmg hsl-
&6vtss T0C9 Srivd-utg axtq oXiycov d7t6Kt£i.vav anavTccg nal Xd(pv^a i£ ixthf^f
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— 537 —
den darauf folgenden ersten Jahren des Valerianus hört man
Ton ihnen an der unteren Donau nichts mehr: es scheint, dafs
damals ihre Scharen sich vorzugsweise an den Küsten des
schwarzen Meeres bemerklich machten.*) Dagegen trat an der
europäischen Grenze des Reichs nun wieder der Ansturm gegen
den Rhein hervor, und dies in Verbindung mit dem Einbruch
der Perser in Syrien war die Veranlassung dazu gewesen, dafs
Valerianus die Kriegführung und damit zusammenhängende Ver-
waltung zwischen sich und seinem Sohne Gallienus teilte.
5. Mit dem äufseren Bestände des Reichs hat auf den ersten nie chrisicn in
Anschein nichts zu thun die Frage über Verbreitung und Be- nis «um Beich
dentung des Christentums, und so wie die Dinge bis in den
Anfang des dritten Jahrhunderts hinein lagen, war in der That
die Stellung der Christen zum römischen Staat nur eine unter-
geordnete Frage der inneren Verwaltung. Mit dem Anfange des
dritten Jahrhunderts aber wurde aus verschiedenen Gründen die
Bedeutung des Christentums für das Reich eine andere, und am
Schlüsse des Zeitabschnittes, in dem wir stehen, liegen die Dinge
so, dafs römisches Reich und Christentum neben einander stehen
wie zwei Mächte.*)
nXsicta awriyayov triv %(6(fav naraSQafiovtss tcvtmv. Das Datum dieses
Kampfes bestimmt sich nach dem Kampf zwiachen Ämiliau und Valeirian
und dem Regie mDgsantritt des letzteren, d. h. nach Ereignissen, die noch
ins J. 263 fallen und in einer gewissen Zeitentfemnng von jenem Erfolg
des Ämilian sein müssen.
1} Zonar. 12^ 21: Isyetai rovtoiv ftoiQciv tivoc diä BoanoQOv nagsl-
9ovaav %al triv ManoxiSa Xifkvriv vnsQßäaav iicl top Ev^sivov ysviad'ai
nomnv nal %mQaq nogdijaaL noXXdg,
2) Die innere Geschichte der christlichen Gemeinden im röm. Reich
gehört der Kirchengeschichte oder einer allgemeinen Geschichte dieser
Zeit an. Von letzterem Gesichtspunkt aus hat Schiller, Gesch. d. Kaiserz.
1, 910 ff. die Organisation von Kirche und Gemeinde eingehender berück-
sichtigt und auch die neuere Litteratur darüber angegeben. Für die hier
allein in Betracht kommenden Fragen, welche die Stellung der Christen
zum Staat betreffen, ist von Neueren auch für diese Zeit besonders in-
struktiv Aubä, histoire des pere^cutions de T^glise III (1881). IV (1886).
Hier werden die kirchlichen Quellen, zumal die Acta matyrum mit unbe-
fangener Kritik behandelt und an den sonstigen Zeugnissen wie an der
Natur der Sache geprüft. Für die monumentalen Zeugnisse, welche Rom
bietet, ist das Hauptwerk de Rossi, La Roma sotteranea cristiana I— III.
1864 — 1877; nicht nur die Abschnitte über die Rechtsverhältnisse und
Administration der Begräbnisstätten 1, 101 ff. 3, 507 ff. sind darin wichtig,
sondern auch die Auseinandersetzungen gelegentlich der einzelnenJjrab- ^
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- 538 -
Das Verhalten der Behörden gegen die Christen beruhte zo
nächst noch auf den von Trajan aufgestellten Grundsätzen (ob.
S. 353 — 55): wenn die, welche den christlichen Religionsvor-
schriften gemäfs lebten, sei es aus Ursachen von Privatfeind
Schaft oder durch das aufTällige ihrer Absonderung von allem,
was heidnischer Brauch war, oder weil es jemand einfiel, öffent-
liche Kalamitäten ihnen schuld zu geben, einzelne Delatoren oder
ganze Bevölkerungen einer Stadt gegen sich aufgebracht hatten,
so wurden in Rom der Stadtpräfekt, in den Provinzen die Statt-
halter gegen sia in Anspruch genommen, ihr Verhalten auf den
Begriff eines in der Strafgesetzgebung vorgesehenen Verbrechens,
Majestätsverbrechen, Zauberei, Religionsfrevel, Zugehörigkeit zu
einem unerlaubten Verein, gebracht und gerichtlich verfolgt, wo-
bei die für ein geordnetes richterliches Verfahren geltenden Vor-
schriften stets durch die Willkür des Polizeiverfahrens und die
Gesichtspunkte der Fürsorge für die allgemeine Sicherheit be-
einträchtigt werden konnten. Es ist (ob. S. 401 f.) dargetiian
worden, wie unter M. Aurel auf dieser mehr politischen als
rechtlichen Grundlage die grausamste Behandlung der Christen
vorkam, ohne dafs die Zugehörigkeit zu einer christlichen Ge-
meinde an sich direkt als ein Verbrechen erklärt war. Unter
diesen Verhältnissen war es aber auch andrerseits von der Per-
sönlichkeit der einzelnen zuständigen Beamten und des in letzter
Instanz entscheidenden Kaisers abhängig, wie weit man in der
Annahme oder Begünstigung der Delationen auf diesem Grebiet
gehen wollte, und wenn es auch wohl vorkommen konnte, dab
Richter wider Willen Delationen annehmen mufsten, weil das
Verfahren dies vorschrieb, so war doch die Art der Behandlung
der einzelnen Fälle und das ganze Verhalten des mafsgebenden
Beamten von grofserii Einflufs. Dabei kamen vorzugsweise in
Betracht die Provinzen Asien, Afrika, Syrien und Ägypten, und
dies war im ganzen günstig; denn die zwei ersten Provinzen
standen unter Männern, die zu den erfahrensten in der Verwal-
Stätten, sowie die Untersuchungen über die Quellen. Der ungemeine Scharf-
sinn des Archäologen und QueUenforschers ist aber öfters im Dienst einer
Tradition, welche vor historischer Prüfung nicht bestehen kann, hi der
Litteratur der Christen schon des 4. Jahrh. hat die Sucht, eine Summe
von Verfolgungen herauszurechnen, die Geschichte der Martyrien benn-
stellen, andererseits -die christliche Welt möglichst frühe als eine Macht
erscheinen zu lassen, die Wahrheit getrübt. ^^ ,
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— 539 —
tang gehorten und darum auch mehr zur MäCsigung angelegt
waren, in den zwei andern war man aus Grdnden der Vorsicht
von jeher gewohnt, die religiösen Fragen schonend anzufassen.
In Rom selbst trugen die Verhältnisse der Grofsstadt dazu bei,
daifl die Christen in der Verborgenheit bleiben, unter Besitz-
titeln von Privaten ihre Begräbnisstätten haben und in Privat-
häusern unbehelligt ihren Kult üben konnten. Unmittelbar nach
dem wenig günstigen Verhalten M. Aureis ferner war die Re-
gierung eines Kaisers gekommen, der, persönlich gegen diese
Dinge gleichgültig, durch zufällige Verhältnisse, d. h. den Um-
stand, dafs er unter dem Einflufs einer Christin stand, von un-
günstigen Entscheidungen gegen Christen abgehalten worden war
und wenigstens durch sein Verhalten in einzelnen Fällen auf die
Praxis auch der untergeordneten Behörden eingewirkt hatte. ^)
Unter diesen im allgemeinen günstigen Verhältnissen war nun aber
das Christentum fortwährend erstarkt, am meisten neben Rom
immer noch in den orientalischen Provinzen und in Afrika, hier
wohl vorzugsweise unter der semitischen Bevölkerung; doch
zeugten ja die Vorgänge in Lugudunum bereits von bedeutender
Verbreitung auch in Gallien, dem wichtigsten Provinzialgebiet
des Occidents. Namentlich aber waren die Gemeinden in ihrer
Organisation, sowohl der einzelnen für sich als des Zusammen-
hangs durch das Reich hindurch erstarkt: stand man doch be-
reits in der Ausbildung der Hierarchie und der Synoden, und
hatte an dem Besitz des für die Begräbnisstätten erforderlichen
Grundeigentums und der Mittel, welche für die gegenseitige
Handreichung gesammelt wurden, ein Gemeinschaftsvermögen,
das als solches g^lt, auch wenn dafür noch kein Rechtstitel
nach aufsen für die Gemeinde gewonnen war. Allein all dies,
Zahl und innere Bedeutung, war nicht zu kontrollieren, so lange
die Christen zu der nichtoffiziellen Welt gehörten, so lange sie
weder in den beiden höheren Reichsständen und damit in der
Reichsverwaltung, noch im Heere und unter den munizipalen
Honoratioren vertreten wareu. Ein solcher Ausschlufs gab sich
von selbst, so lange die christliche Lehre sich eben an die
1) Dio 72, 4: MctQ%Ca — laxoQBitai noXXd xb vnfQ tmv XQiatucvav
onovdaeai %al noXXa ccvzovg ivfiQystrjuivcct ats xal naga tm Kofifiodat nap
Svvcefisvfi. Marcia hatte früher zum Haushalt des gelegentlich der Ver-
schwöruDg der Lucilla hingerichteteD Quadratus (vit. Comm. 4, ob. S. 403
A. 3) gehört und war danu iu den des Kaisers übergegangen.
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- 540 -
niedrigen und peregrinen Klassen wandte nnd von diesen aofge-
nommen wurde; er trat aber allmählich prinzipiell ein, als solche
Kreise in die christliche Gemeinde hereingezogen wurden, welche
für das öflfentliche Leben leistungsfähig waren, freiwillig oder
gezwungen demselben näher treten sollten und dies nun nicht
thaten. Als der Heide Celsus in der zweiten Hälfte des zweiten
Jahrhunderts gegen die Christen schrieb, konnte er sie noch als
eine numerisch und politisch unbedeutende Herde hinstellen, mit
der man leicht vollends fertig würde*), weil sie eben unter der
Menge der nichtoffiziellen Bevölkerung nicht auffielen, wenn man
ihnen nicht nachging, und doch findet auch er schon notig, ihnen
die Forderung entgegenzuhalten, dafs sie sich den Anforderungen
des öffentlichen Lebens nicht entziehen sollten.^) Kurz darauf
spricht Tertullian an zahlreichen Stellen von der grofsen Menge
der Christen, die in allen Klassen der Bevölkerung sieb vor-
fanden, mit rhetorischer Übertreibung'), aber doch nicht ohne
jegliche Berechtigung, und er hat sich sehr ernstlich mit der
Frage zu beschäftigen, wie man sich zu den Anforderungen der
Idololatrie im öffentlichen Leben zu verhalten habe.*) Der an-
schwellende Strom des christlichen Lebens schlug nun überall
an den Gestaden der politischen Welt an, innerhalb deren es
sich bewegte, um so mehr, seit die Zuflüsse aus den östlichen
Provinzen auch in die zwei höchsten Stände kamen. Indessen, was
auch Tertullian^) hierüber sagen und was man aus Namen und
Formeln monumentaler Zeugnisse herausdeuten mag, an eine er-
hebliche Verbreitung solcher, die sich förmlich und offen zum
1) Orig. contr. Geis. 8, 69: vfimv %av nXavatai ttg ixi lav^dvcav alXa.
iritettat ngog d'avdzov dUriv.
2) Ebendae. c. 73: n^otginstai ijiiag 6 KiXcog aQtjyeiv tc5 ßaüiUi
Ttavtl a^ivBi xal aviinovsCv avrm tcc dUaia %al vnBQficcxsiv avxov %a\
avatQatsvHv avvtp av insiyy xcrl avctQatrjysiv.
3) Am stäi'ksten Apologet 37: hesterni sumus et vcstra omnia impU-
vimw, urbes, instüaSf ccistella, municipia, conciliabula, castra ipsa, tribus,
decwrias, pdlatium^ senatum^ forum etc.
4) Vgl. die Schrift dt idololatria, welche den Christen belehren will,
von welchen Gewerben nnd Bernfsarten er fern bleiben müsse, um nicht
der Gefahr der Idololatrie zu verfallen.
5) Ob. A. 8 nnd ad Scapulam A: sed et clarissiniiis feminas et clarissi-
mo8 viros Sevenis sciens huius sectae esse non modo tton Utesü, verum et
testimonio exomavä et populo fwrenii in nos palam restitit. Unter dar. fem.
nnd cl. viri können nur Angehörige des römischen Senats, nicht etwa der
karthagischen Honoratiorenkreise gemeint sein. ^^
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- 541 -
Christentum bekannten, in Ritterschaft und Senat ist nicht zu
denken. Sympathieen mögen bestanden haben, und die Christen
wafsten sie wohl zu nützen, aber ein offenes Bekenntnis war
kanm möglich ohne fortwährende offene Kollision mit der Staats-
religion. Wohl standen auch die Freidenker den religiösen Cere-
monien, welche den Staatsdienst begleiteten, geistig ferne, und
es mochte solche geben, die sich äufserlich daran möglichst wenig
beteiligten^); allein im allgemeinen kostete es den philosophisch
frei denkenden nicht die geringste Überwindung, die absurdesten
Formen offiziellen Gottesdienstes mitzumachen. Eher mag es
möglich gewesen sein, christliches Bekenntnis mit einer Stellung
am Hofe zu verbinden, und dafs im kaiserlichen Hofhalt Christen
sich gefunden, wird wohl nicht ohne Berechtigung unter ver-
schiedenen Regierungen behauptet. Die Art der Dienstleistung
am Hofe brachte die Möglichkeit mit sich, bald in der Form
des stummen Gehorsams seine Gefühle zurückzudrängen, bald
wieder sie in mancherlei Weise in den persönlichen Beziehungen
des Gesindes zu den Herrn geltend zu machen und für die
Glaubensgenossen zu verwerten. Bei allen hierher gehörigen
Angaben jedoch ist stets zu bedenken, dafs, wenn die Christen
einen Severus Alexander und eine Julia Mammäa zu den ihrigen
rechneten, sie auch bei der Annahme der Zugehörigkeit her-
vorragender Persönlichkeiten in Senat und Beamtenschaft mit
wenigem zufrieden waren. Vom Heere sich fernzuhalten, war
bei der Art, wie die Legionen und Hilfstruppen sich rekrutierten,
nicht schwer; immerhin fanden sich Christen im militärischen
Dienst*), und wiederum würde die Rekrutierung in den östlichen
Provinzen und in Afrika am ehesten solche hereingeführt haben.
Indessen eifrige und überzeugte Christen konnten in diesem Dienst
nicht bleiben, wie eben der Fall jenes Soldaten in der Schrift
1) Apologet. 46: Eadem, inguit, et philosophi monent et profUentur,
innocentiam, iustiiiam, patientiam, söbrietatem^ pudicitiam. Cur ergo quibus
comparamur de disciplina proinde Ulis non adaequamur ad Ixcentiam impunt'
taiemque disciplinM? vel cur et Uli ut pares nostri non urgentur ad officia
quae no8 non obeuntes periclitamur? Quis enim phüosophum sacrificare aut
deierare aut lucernas meridie vanas prostituere compeUit? etc.
2) Vgl. die Schrift Tertullians de Corona militiSy die veranlafst ist dnrch
das Martyrium eines christlicheu Soldaten^ der bei der Austeilung eines
kaiserlichen Geschenkes an die Truppen den Kranz nicht aufsetzt: tnagis dei
mxleSy ceteris constantior fratribus, qui se duobus dominis servire posse
praesumpserantf aolus libero capite, coronamento in manu otioso (c. 1^4nit.). j
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- 542 —
Tertullians de Corona militis zeigt, während solche^ wdche
das Christentum von ihren Eltern überkommen hatten und
nur deshalb weiter führten, es bei einem freieren Anschluß
an eine christliehe Gemeinde beliefsen, und mit ihrem Gewissen
sich zurecht fanden, indem auch sie bei dem stummen Cre-
horsam blieben oder die Lässigkeit der Disziplin benützten,
welche besonders in den orientalischen Legionen bezeugt wird.
Im Ganzen ist schwerlich im Heere das Christentum in der
ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts erheblicher vertreten ge-
wesen, und gerade diese Fernhaltung mochte energische Kaiser
mit dazu veranlassen, Gegenmafsregeln zu treffen. Am meistai
kam der Gemeindedienst in Dekurionat und Gemeindeämtern in
Betracht. So lange um diese Stellungen ein Wetteifer der Be-
werbung stattfand, war es im Belieben der Christen gelegen,
ferne zu bleiben, und auch auf diesem Gebiete wird die neue
Religion nur langsam in diejenigen Klassen eingedrungen sein,
welche Geburt und Vermögen zu der Bekleidung jener Stellen
befähigte. Je mehr aber einerseits das Christentum sich nach
den oberen Schichten der Bevölkerung hin ausbreitete, und
andrerseits die Gemeindeämter den Charakter der öffentlichen
Last annahmen, zu der man mit Zwang herangezogen wird, um
so weniger konnten sich die Christen auf die Dauer entziehen,
zumal, nachdem die Erteilung des Bürgerrechts an alle Unier-
thanen des Reichs durch Caracalla diejenigen Motive der Fem-
haltung beseitigt hatte, welche in dem peregrinen Charakter
lagen. Die Eiferer unter den Gläubigen nun, wie ein Tertulliao,
kennen nur eine Lösung: der Christ hält sich vom öffentlichen
Dienst, so weit er irgend mit Idololatrie verbunden ist, ebenso
fern wie von aller privaten Hantierung, welche den Götzen dient;
ist er durch irgend welche umstände freiwillig oder durch Zwang
in öffentliche Dienstverhältnisse gekommen und es ergiebt sich
Konflikt zwischen dem Bekenntnis und der weltlichen Obliegen-
heit, so nimmt er den Konflikt auf sich und duldet, was sich
ergiebt^) Aber mit der Zunahme der Gläubigen schwächen
1) Aufeer Tertullian (de idolol. u. sonst) spricht sich auch Origenes
c. Geis. 8, 78 ff. (ob. S. 640 A. 2) dahin aus, dafs die Christen sieh von
Heer und Verwaltnng fern halten and damit begnügen müfiiteD, filr die
Kaiser zu beten und gute Bürger für das Vaterland sn erziehen. Das
Verdienst ihres Gebets für die Kaiser wird häufig bei den christliehen
Schriftstellern hervorgehoben, vgl. auch unt. S. 649 A./^^^^!^
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— 543 —
sich auch in weiteren Kreisen die Gegensätze ab. Die Eiferer
werden immermehr die Minderheit: selbst wo man im allgemeinen
die Pflicht annimmt, wenn gegenüber von Delationen öffentliches
Bekenntnis erforderlich ist, treu zu bleiben und das Märtyrer-
tum zu übernehmen, lehrt man doch die Enthaltung ?on Pro?o-
kationen und die Dienstleistung für den Staat, soweit irgend
thunlich^), und die Eiferer selbst nehmen keinen Anstand, wenn
es für ihre apologetischen Zwecke pafst, mit Stolz auf die Se-
natoren, Beamten, Krieger u. s. w. hinzuweisen, welche Christen
seien, während sie dies doch nur mit vielen Konzessionen sein
konnten.
Der Staat seinerseits geht auch jetzt selbst bei dem einzig
imponierenden Herrscher, den diese Zeit kennt, bei Septimius
Severus, kaum über die bisher eingehaltene Grenze der Reaktion
hinaus. Die Prozesse gegen Christen, welche uns durch Ter-
tallian als unter Septimius Severus fallend bezeugt sind, gehören
zu den schon besprochenen Fällen der statthalterlichen Juris-
diktion, denen ein allgemeiner und neuer Charakter nicht zu-
kommt. Dagegen hat dieser Kaiser allerdings — ohne Zweifel
bei der Revision der orientalischen Provinzen, wegen deren er
sich nach dem zweiten parthischen Feldzug im Osten aufhielt, —
in Palästina Juden und Christen die Propaganda verboten^), aber
auch nur diese, und mochte auch dieses Verbot, dessen Wort-
laut wir nicht kennen, wenn auch durch lokale und zufällige
Verhältnisse veranlafst, doch für das ganze Reich gälten, so
sehen wir doch keine spezielle Anwendung davon gemacht, und
doch konnte es, wenn man davon Gebrauch machen wollte, zu
anzähligen Delationen Veranlassung geben. Allerdings war es
mit der christlichen Propaganda eine andere Sache als mit der
jüdischen: mit dem Verbot der ersteren konnte man hoffen, das
Christentum selbst zu treffen, da es nicht an einer Nationalität
und damit an nationaler Fortpflanzung hing, sondern an der je-
weiligen Generation; denn mochten noch so viele von Geburt
1) Tert. de Corona mil. 1: exinde sententiae super ülo nescio an
Christianorum, non enim cUiae Ethnicorum^ ut de (ibmpto et praecipiti et
mori cupido, qui de hMtu interrogatus nomini negotium fecerit, solus scilicet
foriis inter tot frcUres c(mmilitone8t solus CJmstianus; ~ tnussitant denique,
tcun iKmam et longam sibi pokern periditari,
2) Vit. Sev. 17, 1: In Uinere Palaestinis plurima iura fundavit;
Judaeos fieri sub gravi poena vetuit; idem etiam de Christianis sanxit
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- 544 —
her sich zum Christentum bekennen^ es war doch in ganz an-
derer Weise in jedes einzelnen Belieben gestellt, ob er Chriai
sein und bleiben wollte oder nicht, eine Tradition von ritus
patrii erkannte der Staat jedenfalls hier nicht an.*) Aber, wie
gesagt, es läCst sich nicht nachweisen, dats von dem Dekret des
Kaisers irgend ein allgemeinerer Gebrauch gegen das Christen-
tum gemacht worden wäre. Wohl aber läfst sich die vom
Judentum geschiedene Stellung des Christentums unter dieser
Regierung an einem andern Beispiel deutlich erkennen. Eine
Verordnung des Severus läfst dieselben Juden, denen die Propa-
ganda verboten ist, zu den Ehrenämtern der Gemeinden und
natürlich deren Lasten zu, aber mit Schonung ihrer Religion.')
Es zeigt sich darin recht klar, dafs man die wohlhabenden
Juden zu den Gemeindelasten heranziehen wollte und deshalb
ihnen, da freiwilliges Erbieten dazu denn doch seinen Wert
hatte, jene Konzession machte. Dagegen für die Christen giebt
es keine derartige Verordnung. Soweit der Staat sie zwangs-
weise für öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen kann, ge-
schieht es; aber in diesem Fall giebt es so wenig wie bei frei-
willigem Erbieten eine staatliche Konzession an religiöse Ge-
wissensbedenken; denn solche, als nicht national begründet, werden
nicht anerkannt. Caracalla scheint das Christentum gar nicht be-
achtet zu haben; das Verhalten eines Elagabal^) und Alexander*)
aber konnte den Christen natürlich nicht anders als in hohem Grade
förderlich sein; verbot es sich doch von selbst, die Religion zn ver-
folgen, für deren Lehrsätze die Kaiser selbst Interesse bezeugten
(ob. S. 490 A. 1; 494 A. 1) und deren Stifter in der kaiser-
lichen Hauskapelle Gegenstand der Verehrung war. Jetzt werden
1) Es ist auch bemerkenswert, wie wenig bei den Christen selbst von
altchristlichen Familien, ererbtem Glauben n. dgl. die Bede ist; fiunt, non
nascuntur Christiani, sagt Tertull. apol. 18. Und doch mufs bei dem An-
wachsen der Zahl die Fortpflanzung in Familien durch Generationen hin-
durch ihre Rolle gespielt haben.
2) Dig. 60, 2, 3, 3: Eis qui Judaicam superstUionem seguuniur^ divi
8even48 et Äntonintis honores adipisci permisenmt^ sed et necesgitates eis
imposuerunty gt*t superstitiones earum non laederent,
3) Vit. Heliog. 3, 6: dicebat Jadaeorum et Samaritanarum rdigumes
et Christianam devotionem iUtic (in templum Heliogabalt) transferendmn^ ut
omnium ctUturarum secretum Heliogahdli sacerdotium teneret.
4) Vit Alex. 22, 5: Judaeis privüegia reservavit; Christianos esse
passm est.
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— 545 —
die Christen auch ihrerseits immer mehr ihre Zurückhaltung
namentlich im munizipalen Leben aufgegeben haben und wiederum^
wo sie zu staatlichen Leistungen herangezogen wurden , mit
einiger Bücksicht auf ihre religiösen Überzeugungen behandelt
worden sein. Es ist auch möglich, dafs sie jetzt offen als col-
legia licita auftraten, unter diesem Rechtstitel anerkannt sein
wollten und von Alexander anerkannt wurden.^) Man darf in
dieser Beziehung nicht übersehen, dafs diese Zeit überhaupt, zu-
mal unter dem hellenistischen und orientalischen Einflufs, der
mit den syrischen Kaisern sich geltend machte^ für die religiösen
und philosophischen Fragen mehr Sinn hatte als jede frühere
Periode, was dann der Toleranz wie der christlichen Propaganda
auch unter den Gebildeten zu gute kommen mufste. Aber mit
Severus Alexanders Tode trat eine scharfe Wendung ein. Kaiser
Maximinus, mit soldatischer Anhänglichkeit den Göttern zuge-
than, welche dem römischen Heere den Sieg verbürgen sollten,
vielleicht auch den Christen feind wegen ihres Verhaltens gegen-
über dem Heeresdienst, fand zuerst, dafs die Gefahr, welche dem
ßeich von den Christen drohte, in ihrer Gemeindeorganisation
liege und erklärte dieser den Krieg, indem er die Verfolgung
der Priester und Kleriker anordnete.^) Es war dies an sich ein
1) De Rossi a. a. 0. 1, 105. 3, 507 fP. vermutet, gestützt namentlich
auf die Entscheidung zu Gunsten der Christen in ihrem Prozefs mit den
papinarü über einen locus publicus (vit. Alex. 49, 6), Alexander, der auch
sonst für die Ausbildung des EoUegienwesens sich interessierte (ob. S. 498 A. 4),
habe den Christen, die bisher nur im Notfall die Berufung auf die Rechte
der Kollegien angerufen und sich im übrigen meist mit der Anwendung
des Rechts von einzelnen Privaten begnügt, zu diesem offenen Verhält-
nis verholfen; doch hätten die Christen die Bezeichnung collegium ver-
schmäht und sich als frcUres, sodäles fraires, eccUsia fratrum, fratern^as
bezeichnet. Allerdings heifst es von dem ersten Minister Alexanders, ülpian,
bei Lactant. divin. instit. 5, 11: Constüutiones sacrilegae et disputationes
turisperitorum leguntur iniustae; Domitius de officio proconsuHis libro septimo
rescripta principum nefaria coUegit, ut doceret ^ibas poenis affici oportei'et
eo8 qui se cultores Bei profiterentur ; aber es liegt hier eben ein Fall vor,
in welchem der juristische Ratgeber im Zwiespalt ist mit der Romantik
des Herrschers, die letztere aber entscheidet.
2) Euseb. hist. eccl. 6, 28: {Mcc^i^vog Kataag) Hoctä %6tov xov ngog
xov 'AXi^dvSQov olnov i% nleiavcov ntazmv avvsatoira dKoyfiov iye^Qag tovg
tmv innlriinav aQxovtas (t^ovovg mg alzlovg xr^g %axa x6 BvayyiXiov didac-
nuXiag dvatQSia^ai TtQogxaxxsi, Ebenso Snlpic. Sev. chron. 3, 32: Maxi-
minus tum nuilos ecclesiarum clericos vexavü. Oros. 7, 19: persecutionem in
sacerdates et clericos id est doctares — miserat
Herzog, d. rOm. Staatsverf. n. 1.
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- 546 -
leicht begreiflicher Gedanke, aber in seinen rechtlichen und that-
sächlichen Konsequenzen war er vollständig unklar. Die von
der Verfolgung betroffenen wurden wohl angeklagt nicht etwa
als Vorstände von unerlaubten Vereinen: — wenn Alexander
ihnen das Vereinsrecht bewilligt hatte, so konnten sie dies auch
gar nicht — sondern als Christen, und insofern wurde hier ohne
Zweifel zum ersten Mal nicht unter irgend einem andern Reat,
sondern unter dem des Christentums der Prozefs gemacht, allein
dann war die rechtliche Konsequenz, nicht blofs Priester und
Gemeindevertretung zu treffen, sondern jeden, der sich zu dieser
Religion bekannte, und es war nur ein Akt der Politik, daüs
man die hervorragenden Spitzen angriff; diese mochten allerdings
gerade in der letzten Zeit mit der ihnen gegebenen Freiheit
recht auffällig hervorgetreten sein. Wenn man aber sich hier-
auf beschränkte, was war damit gewonnen angesichts des üm-
standes, dafs die Christen in manchen Provinzen bereits als
Masse in der Bevölkerung auftraten und der Ersatz der von
der Verfolgung betroffenen Häupter unschwer zu erzielen war?
Indes nicht einmal die Verfolgung der Kleriker wurde konse-
quent ausgeführt, sondern nur vereinzelt. Nicht nur hing die
Ausführung mit der Auktorität zusammen, die Maximinus in den
einzelnen Provinzen hatte, sondern es war auch seine ganze
Regierung von so kurzer Dauer, dafs eine irgend umfassendere
Anwendung des gegen die Christen gerichteten Aktes nicht an-
zunehmen ist. Die auf ihn folgende Regierung erkannte seine
Akte nicht an, und dafs sie selbst von sich aus die Christen
feindlich behandelt hätte, wird nicht berichtet^) Auf GordianUI.
folgte der Kaiser, der wie oben (S. 517 A. 1) schon dargelegt, wohl
nicht ganz mit Unrecht von den Christen als ihnen zugehörig
in Anspruch genommen wird, wenn auch die christliche Tra-
dition das Mafs von Thatsächlichem, das hier vorlag, wieder über
die geschichtliche Wahrheit hinaus gesteigert hat. Dafs unter
1) Nach dem Über pontifiealis wäre der römische Bischof Anteros
durch einen Präfekten Maximus zum Martyrium gebracht worden. Wie es
flieh auch mit diesem Martyrium verhalten mag, (vgl. Aabä 8 p. 435 f.),' so
ist einmal nicht sicher, ob Maximns identisch mit Pupienns Maximns war,
nnd wenn er es war, ist ans der JurisdiktioD des Stadtpräfekten nicht auf
die Politik des nachherigen Kaisers zu schliefsen, abgesehen davon, dafs
die kurze Frist dieses Imperiums durch ganz andere Sorgen in Anspruch
genommen war. ^ .
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- 547 —
diesem Kaiser offizielle Toleranz herrschte^ wird durch nichts
widerlegt; der einzige ernstliche Feind war die heidnische Be-
völkerung in Städten wie Alexandria ^); natürlich ging aber da-
neben her und wurde durch das Beispiel des Kaisers Philippus
selbst empfohlen und gefördert die Accommodation an die offi-
ziellen Formen^ und ^ie Laxheit in der Auffassung der sittlichen
Anforderungen. Daneben aber gewann namentlich die kirchliche
Organisation, der eben erst der Krieg erklärt worden war, und
die nun immer mehr im Tageslicht handelt und selbstbewufst
nach innen und aufsen auftritt. Um diese Zeit sind in zahl-
reichen Städten schon neben den christlichen Begräbnisstätten
Gebäude fQr den Gottesdienst anzunehmen, die als Eigentum der
Christengemeinden anerkannt wurden. Wenn der Bechtstitel,
unter dem dieses Eigentum lief, der des Eigentums von Kollegien
war, so fand sich hier auch noch, was allen anderen Kollegien
versagt war, der Zusammenhang unter einander, und zwar durch
das ganze Reich hindurch teils zu gegenseitiger Unterstützung,
teils bereits mit der Tendenz nicht blofs provinzialer Organi-
sation, sondern auch einer Leitung mit einheitlicher Auktorität.
Dies waren die Zustände, welche derjenige antraf, der den Phi-
lippus stürzte, imd nachdem ihn die Kurzsichtigkeit des Philippus
selbst und die natürliche Konsequenz der Thatsachen zum Im-
perium gedrängt, mit dem Willen, ein kräftiges Regiment nach
innen und aufsen zu führen, die Reichsregierung in die Hand
nahm. Zu den ersten Mafsregeln von Decius nun gehörte
ein Edikt gegen die Christen, durch welches die Gemeinden im
ganzen Reich an Haupt und Gliedern getrofifen werden sollten.
Wir haben den Inhalt des Edikts nicht mehr authentisch über-
liefert^); allein aus seiner Anwendung ist zu ersehen, dafs es
wie das des Maximinus in erster Linie ebenfalls gerichtet wurde
1) Vgl. die ErzähloDg des BischofB Dionysius von Alexandria über
die dortige Christenhetze ein Jahr vor dem Edikt des Decius, also im letzten
Regiemngsjahr des Philippns. Euseb. bist. eccl. 6, 41.
2) Aus heidnisclien Quellen wissen wir über die Verfolgung des Decius
nichts, so wenig wie über die des Maximinus; die in christlicher Zeit
schreibenden Heiden fanden es nicht geeignet, über diese Vorgänge sich
zu äulsem. Euseb. 6^ 39 ff. Zonar. 12, 20. Oros. 7, 21 und die christ-
lichen Quellen überhaupt reden davon. Cyprian hatte dÄunter zu leiden,
allein den Wortlaut der Verordnung erfahren wir von ihm nicht. Das
Martyrium des hervorragendsten und zugleich wohl frühesten Opfers, des
Bischofs Flavianus von Rom ist auf den 20. Jan. 250 datiert Aub^ 4h). 40. |
35* dbyV^OOgle
— 548 -
gegen die Spitzen der Gemeinden in Rom und in den Provinzen,
aber keineswegs auf diese beschränkt sein sollte, sondern auf
Delationen hin oder durch inquisitorisches Verfahren gegen jeden
einzelnen gerichtet werden konnte. Es lag nur in der Art der
Ausführung, dafs man die Führer vor allem trefiFen wollte^ weil
man hoffte, die Menge durch das Loos derselben zu schrecken
oder durch ihren eventuellen Abfall ebenfalls abwendig zu
machen oder, wenn sie führerlos wäre, leichter zur Staatsre-
ligion zurückzuführen. Denn daran ist nicht zu denken, dafs
der Kaiser aus blinder Verfolgungswut oder aus heidnisch-reli-
giösem Fanatismus vorgegangen wäre; sein Zweck war ein poli-
tischer, und was er erreichen wollte, war nicht Zerstörung, son-
dern Gewinnung von Kräften. Motive oder AnlaGs sind uns
freilich so wenig überliefert wie der Inhalt des Dekrets; aber
wir können sie aus der Lage der Dinge und der allgemeine
Politik des Kaisers erschliefsen. Was Decius wollte, erforderte
ein Zusammenfassen alles guten Willens im Reich, ein Aufbieten
der staatserhaltenden Kräfte, einen Appell an die Überlieferung
des Römertums in Politik, Verwaltung und Heer; in diesem
Sinne hatte er die Führung der bürgerlichen Verwaltung sich
unter dem Namen der Censur ausgedacht, die er dem Valerian
übertragen. Nun fand er eine weitverzweigte wohl organisierte
Gemeinschaft, welche sich diesem staatserhaltenden Gedanken
entweder völlig versagte oder nur halb darbot, wobei es klar
zutage lag, dafs dieselbe zu der Bedeutung, die sie gewonnen,
nur durch die Lässigkeit der Verwaltung, durch ein Gehenlassen
gelangt war; denn noch niemals hatte man sich in vollem Ernst
mit ihr gemessen, in der letzten Zeit sie sogar begünstigt Nun
sollte die Reaktion kommen, und den vom Staate weg zur Kirche
gewandten den vollen Ernst der Anforderungen des Staats zeigen.
Wie bei Maximinus war das Christentum als solches das gegen
den Staat gerichtete Verbrechen; nur sollte dasselbe auch jetzt
nicht als begangenes bestraft, sondern nur bei Beharrung ge-
ahndet werden: Verleugnung durch Darbringung von heidnischen
Opfern entzog der Strafe. Es ist hier nicht auszuführen^ welche
Wirkung das Edikt des Decius auf die Christengemeinden, vor
allem die zu^ Rom und Karthago ausübte, von welchen wir
einigermafsen zuverlässige Nachrichten haben: die beste gleich-
zeitige Quelle, die Briefe des Cyprianus, des Bischofs von Kar-
thago, lassen uns Blicke in die Verwirrung thun^ die hierdurch
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— 549 —
in den Gemeinden bervorgerufen wurde, und in der Kirchen-
geschichte der Zeit spielen die Gegensätze in dem Verhalten der
Christen zum Staat, in der Behandlung der ganz oder halb ab-
gefallenen, in den Ansprüchen derer, welche mutig ausgeharrt,
eine nicht geringe Rolle. Das Wesentliche ist das Resultat,
dafs das kaiserliche Edikt vor allem unter den Augen des Kaisers
in Rom selbst, dann auch in den Provinzen im Laufe des J. 250
zur Ausführung kam und eine Anzahl von hervorragenden wie auch
geringen Gemeindemitgliedern traf, dafs aber noch Decius selbst
erkannt haben mufs, wie er damit nicht zu seinem Ziele komme
und seine Politik eher gefährde als kräftige; denn im Laufe des
J. 251, noch während Decius im vollen Besitz der Macht war,
werden Verhaftete entlassen und fungieren die kirchlichen Or-
gane unbehelligt.^) Die Ursachen dieses Mifserfolgs lassen sich
unschwer erkennen: die grofse Masse der in Frage kommenden,
die Menge der dabei ihrem Glauben treu bleibenden, insbeson-
dere auch unter den Führern, die unzähligen gegebene Möglich-
keit, der Verfolgung durch Zurückziehen in die Verborgenheit
zu entgehen und in dieser Verborgenheit das Verbotene fortzu-
üben, die Gefahr endlich, die trotz des im allgemeinen passiven
Charakters des Widerstands doch immerhin in Erwägung ge-
zogen werden konnte, dafs die Hoffnung auf Unterstützung durch
die verfolgten einen Gegenkaiser hervorrufen könnte, alle diese
Umstände machen es erklärlich, wenn noch Decius selbst eine
Wendung eintreten liefs. Bei seinem Tode stand die christliche
Kirche in Rom und in den Provinzen bereits wieder aufrecht da.
Die römische Gemeinde speziell hat für den Märtyrer Flavianus
in dem offen gewählten Cornelius einen neuen Bischof. Der
unmittelbare Nachfolger des Decius, Gallus, soll allerdings her-
vorragende Christen, wahrscheinlich stadtrömische, verbannt
haben*), aber vermutlich nicht in Ausführung des früheren
Edikts, sondern aus spezieller Veranlassung. Von Valerianus
aber wird bezeugt, dafs er im Anfang seiner Regierung den
Christen so günstig gewesen sei, wie selbst diejenigen seiner
Vorgänger nicht, die selbst Christen gewesen seien, dann aber sei
er durch Macrianus, einen der nachmaligen Imperatoren, der
damals, in der Umgebung Valerians viel galt, umgestimmt und
1) Vgl. den Nachweis bei Aubd 4, 68 ff.
2) Easeb. 7, 1: (Gallus) tovg tsQOvg avdgas tovg ^^Q^ f^ff iigi^vrjg
avTOv Tial tfis vyuiag nQsaßevovrag ngog tov ^tov riXccaev. C^ r^r^r^]r>
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— 550 —
zu Yerfolgungsedikten gebracht worden.^) Möglich, dafs auch die
Volksstimmung, die durch die überall wütende Pest erregt war,
EinfluTs übte. Ein Edikt gegen die Christen wurde 257 erlassen.
Indessen war das Vorgehen des Valerian von seinem Standpunkte
aus gemäfsigt; indem er zunächst nur von den Vorstanden der
Gemeinden ein äufseres Zeichen der Anerkennung des Staats-
kultes wollte und die Widerstrebenden von ihren Bischofesitzai
weg wies, den Gemeinden aber die Versammlungen bei den Be-
gräbnisstätten verbot.^) Aber von seiten der Christen war ein
solches Kompromifs, den eigenen Glauben zu behalten, wenn
man nur daneben die heidnischen Götter anerkenne^, unan-
nehmbar, und der Widerstand scheint diesmal hartnäckiger als
unter Decius gewesen zu sein; es erfolgte im J. 258 ein zweites
Edikt mit Androhung der schärfsten Strafen gegen die Vor-
stände der christlichen Gemeinden und gegen alle in öffentlicher
Stellung befindlichen Personen, welche Christen wären und da-
bei beharrten.^) Man wollte abwarten, welchen Eindruck diese
gegen die hervorragenden Gemeindemitglieder gerichteten Mafs-
regeln auf die Gemeinde selbst machten, ehe man allgemeiner
vorging. Dieses Edikt blieb aufrecht bis zur Gefangennahme
des Valerian durch die Perser, und viele, die unter Decius vcr-
1) Euseb. 7, 10, 3: ovSl yccQ aXXog tig ovtoa tmv ngo avrov ßaatlimw
svfisv6g xal Sf^mg ngog avrovg diBtsdTj^ ovS' ot Ifx&ivtsg ivaqfovSof
XQnniavol yB'^ovivaiy mg ittstvog ol%Bi6tata iv ccQxy xal nifogtpiXiütcra
(pavsQog fiv ocvtoifg dnodexoii^vog. Darauf der Einflufs des Macrian.
2) Hier treten die Berichte ein über die Verhandlung gegen Cjrprijui
vor dem Prokonsul Patemus (Cypr. act. procona. ed. Hartel 3 p. CX sqq.)
und gegen den Bischof Dionysius von Alexandrien vor dem Präfekten
Amilianns (Euseb. hist. et;cl. 7, 11, 4 ff.). Zunächst sollten die BischOfe
und Presbyter getroffen werden. Das Urteil lautet bei beiden wegen Ver-
weigerung des Momancis caeremonias recognaacere auf Intemierung in einem
bestimmten Ort, woran das allgemeine Verbot an die Christen verbunden
wird, ne in aliquibus locis conciliabtUa fiant nee coemeteria ingrediatUur
mit Androhung der Todesstrafe gegen die Zuwiderhandehiden.
3) Auf die Aufserung des Dionysius, dafs die C/hristen nur äinen Gott
kennen, erwidert Amilianus: zig vfiag hohXvbi xal tovtovt bC tcbq ifnl ^Bog^
(istä tmv natä fpvoiv d^BÄv TiQognvvBiv;
4) Cypr. epist. 80, wo der Bischof den Inhalt des kaiserlichen Reskripts
an den Senat, den ihm die nach Rom auf Kundschaft gesandten Christen
hinterbracht, mitteilt. Das Verfahren ist angedroht gegen Bischöfe, Pres-
byter, Diakone, Senatoren, Ritter, Matronen, endlich die aum Hof gehörigen
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~ 551 -
schont geblieben, vor allem der Bischof Cypriau von Karthago,
wurden die Opfer. Aber das Resultat im ganzen fiel so aus,
dafs Gallienus, der wohl schon vorher in seiner Reichshälfte
Schonung geübt, sobald er allein die Regierung zu führen hatte,
die Edikte seines Vaters aufhob imd den christlichen Gemeinden
volle Freiheit gewährte, wie sie solche vorher niemals gehabt.^)
Woher diese Milde kam, ob vom Gegensatz gegen Valerian und
seine Ratgeber, vom Gegensatz insbesondere gegen einen Ma-
crianus, der jetzt einer der Gegeukaiser war, oder ob der Kaiser
in einer Zeit, wo so viele Feinde sich gegen ihn erhoben, sich
hier Freunde machen wollte, oder von seiner sonstigen Indolenz,
der die Aufregung religiöser Kämpfe widerwärtig war, oder ob
aus allen diesen Gründen zusammen, das läfst sich nicht be-
stimmen; dem Charakter des Gallienus gemäfs können es nicht
tiefer gehende Motive gewesen sein. Die Wirkung des neuen
Edikts war natürlich beschränkt durch die Grenzen seiner Aukto-
rität, und wo diese nicht galt, gehorte es eher zu den Momenten
des Gegensatzes gegen ihn, gegen die Christen die früheren
Edikte anzuwenden. Aber es waren jedenfalls höchst bedeutende
Gemeinden, vor allem Rom, in der Lage, die Vorteile des kaiser-
lichen Edikts zu geniefsen, und für die Unüberwindlichkeit der
Kirche war ein neuer Beweis geliefert.
§ 87. Die Zeit der Verwirrung. — Gallienus im Kampf mit
den provinzialen Gegenkaisem und die Einf&lle
der Barbaren ins Beioh.
1. Bei der Teilung der Kriegsschauplätze (ob. S. 525 f.) hatte ni« Ereignisse
Valerianus für sich den weit schwierigeren Teil gewählt Asien '»ngennchaft de«
ValorianuB im
war von den über das schwarze Meer herüberfahrenden Gotheu J- »eo.
geplündert und verheert, in Mesopotamien, Armenien und Syrien
waren die Perser eingebrochen, und diesen Feinden sollte er mit
den orientalischen Truppen entgegentreten, den wenigst zuver-
lässigen im Reich; denn bei den Bedrängnissen, welchen die
1) Easeb. teilt 7, 13 einen Erlafs des Gallienus an den Bischof Dionysius
und Gen. mit, worin er auf ein Edikt verweist, das den Christen den Ge-
brauch ihrer religiösen Lokale wieder gegeben und verboten habe, sie
weiterhin zu belästigen. Es wird beigefügt: yial aXXrj is xov avtov didxa^i^g
ipigstaif rjv ngbg itiQOvg inufKonovg neno^ritcn tä tav naXovnivmv thoiilti-
rij^iW dnoXanßdvsiv inttginrnv %(aqCa, ^^ .
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- 552 -
übrigen Grenzen ausgesetzt waren, konnte man nicht mehr die
oecidentalischen Heere von ihren Provinzen wegnehmen. In-
dessen kam ihm zu statten, dafs in Asien, wo die oberste Heer-
führung nicht genügt hatte, ein untergeordneter Offizier, Succes-
sianus, durch energische Abwehr wenigstens auf einer Seite, den
Gothen gegenüber, den Provinzialen Rettung brachte. Yalerian
beeilte sich, diesen Mann sich zu nutze zu machen, erhob ihn
zum Gardekommandanten und schickte ihn nach Syrien, wodurch
aber freilich, da nun dort die schützende Hand fehlte, Eleinasien
wieder den gothischen Einfallen preisgegeben war.^) Doch dies
war von geringerer Bedeutung; das wichtigste war zunächst^
die Perser zu vertreiben, und von dieser Aufgabe übernahm
Yalerian selbst die Bettung Armeniens und Mesopotamiens, spe-
ziell den Entsatz des von den Römern noch gehaltenen Edessa.
Allein er war hier nicht glücklich, und schliefslich geriet er so-
gar im J. 259/60 in die Hände seines persischen Gegners.*)
Damit fiel die Ausübung des Imperiums auch für den Orient
naturgemäfs dem Mitkaiser Gallienus zu. Dieser hatte unter-
dessen anfangs zwar glücklicher gekämpft, bald aber noch Kämpfe
anderer Art als die mit den Barbaren hervorgerufen. Zuerst
hatte er an der Rheingrenze mit den Franken zu thun gehabt
Es hatte sich nämlich, während die Alamannen über Obergermanien
hergefallen waren, von Mainz rheinabwärts in den Franken eine
zweite dominierende und viele kleinere Stämme zusammenhaltende
1) Zosim. 1, 32 Anf.: Bei der Bedrängung von Pityus (Mitte der Ost-
küste des schwarzen Meers) hatte SuccessiannB den Gothen solchen Schaden
zugefügt, dafs sie eiligst heimgingen und ot tov Ev^sivov novxov oUovwxtg
t^ ZovHsaaiavov axqaxriyia nsgusto^ivTeg ovdBfcmnoxs tovg S%v^ag ^Xxi^ov
av^iri nBQaiaid'riascd'ai. OvaXsQtavov dl 2ov%ecaiav6v f^etdtBfintov noni^tc-
(i.6vov Kai vnoLQXov xrig avXr^g {praef, praet.) dvads^iavtog %al cvv avxm xa
nBqX tijv 'Avtioxs lav Kai tov ta-üxrig olmaiiov oltiovofiovvxog avd'ig ot S%vf^t'
nXoia naqa, xmv BoanoQocvoäv Xaßovxeg insqam^aavy woraaf die Verheerungen
geschildert werden, die sie wieder in Eleinasien anrichteten.
2) Zosim. 1, 36. Zonar. 12, 23 mit verschiedenen Versionen Qber die
Gefangennahme. Hinsichtlich seines ferneren Schicksals bei den Persern
mufs man sich begnügen zu sagen, dafs er apud Persas ignobüi Servitute
consenuit Vict. epit. 82. Für das römische Reich zählte er nicht mehr als
Kaiser, wofür ein Kennzeichen i»t, dafs die alexandrinischen Kaisermunzen,
in denen alles vertreten ist, was anerkannt ist, für Valerian nur bis 259/260
gehen (L Z). v. Sallet, Daten der alex. Kaiserm. S. 73. Damit ist sogleich
das Datum der Gefangenschaft als in dieses Jahr, vor 29. Aug. 260 fcUlend
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Volksgenossenschafk gebildet. Diese darchbrachen die Rhein-
grenze ; fielen in Gallien ein^ weiter in Spanien und von da
sogar in Afrika, gewifs nicht mit grofsen Haufen, aber doch
zum Teil so, dafs man sie nicht vertreiben konnte, jedenfalls
aber den Beweis liefernd, wie wehrlos es innen im Reich aus-
sah.') Zur Aufrechterhaltung der Grenzlinie selbst aber that
Gallienus, unterstützt am Oberrhein durch Generale wie Postumus,
am Niederrhein durch Aurelianus, allerdings seine Pflicht, und
es gelang ihm, weitere Einbräche zu verhindern; was die Ge-
walt nicht erzielte, suchte er durch Herüberziehen einzelner ger-
manischer Häuptlinge auf seine Seite zu erreichen.^) Allein er
wurde abgerufen nach Mosien, wo der Statthalter Ingenuus als
Gegenkaiser aufgetreten war. Auch mit diesem Zwischenfall
wurde er fertig, und die grausame Bestrafung der aufrührerischen
Truppen sollte für die Zukunft ein abschreckendes Beispiel geben.*)
Aber nachdem er hierher geeilt war, war in Gallien ein neuer
1) Vict Caes. 83 : ut» — Francorum gentes direpta Gällia Htspaniam
pomderent vastato ac paene direpto Tarraconensium oppido nactisque in
tempore navigiis pars in t^sque AfHcam permearet. Eutrop. 9, 8: Germani
usque ad Hispanias penetraverunt et civitatem nobilem Tarraconem expugna-
verunt. Oros. 7, 22, 7—9: Germani ülteriores abrasa potiuniur Hispania — -,-
extant adhuc per diversas provincias in magnarum urhium ruinis parcae et
pauperes sedes, Signa miseriarum et nominum indicia servantes, ex quihus
no8 quoque in Hispania Tarraconem nostram ad consolationem miseriae
recentis ostendimus. Nach Hieronymus (p. 183 Schöne) würde die Eroberung
von Tarraco in das J. Abr. 2280 » 261 v. Chr., also unter Postumus
fallen, aber der Durchbruch der Rheingrenze ist früher anzunehmen; s.
folg. Anm.
2) Zosim. 1, 30: avtog filv tag xov 'Pifvov diaßdastg (pvXccaamv mg
olog te f^v nij (ihv inmXvs nBQaiova^cci n^ dl xal Siaßaivovaiv avTStaztsto'
nXf^d'Si 9h KctyMoXXto fista dvvdfteoog iXdttovog noXf(i.wv iv anSgoig re mv
iSo^tv iv fiiget tov %Cvdvvov iXattovv xm anovddg nqog tivct xdtv iiyovfiivav
i^ovg VBQfikavtTiov nenoiijc^at. Ob in diesen Zusammenbang gehörte, dafs
er einem Markomanenfürsten einen Teil des oberen Pannonien einräumte
und seine Tochter, obgleich er schon verheiratet war, wie eine zweite
Gemahlin zu sich nahm (Vict. epit. 33), läfst sich nicht sagen. — Dafs
Postumus dux limitis transrhenani war, dürfte aus vit. trig. tyr 8, 9 immer-
hin zu entnehmen sein -, als solcher hatte er vorzugsweise mit den Alamannen
zu thun, Aurelian dagegen mit den Franken; vgl. vit. Aur. 7, 1: apud
Mogwntiacum tribwuus legionis sextae GalUcanae Francos inrtientes cum
vagarentur per totam GäUiam sie adflixit, ut etc.
8) Trig. tyr. 9, wo das Datum 258 angegeben wird. Vict. Caes. 33
(entscheidende Schlacht bei Mursia). Eutrop. 9, 8. r^ ]
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— 554 -
Prätendent von ganz anderer Bedeutung aufgetreten. Gallienus
hatte in Köln seinen älteren, übrigens noch ganz jugendlichen
Sohn P. Cornelius Licinius Valerianus*), der schon vorher zum
Cäsar erhoben war^ als seinen Stellvertreter gelassen, indem er
ihm einen Vertrauensmann Silvanus beigab, der für' ihn die
Leitung dort führen sollte.^) Aber jener General Postomus, der
sich besonderer Verdienste bewufst war, sei es, dafs er sich hier-
durch zurückgesetzt fühlte oder von Silvanus gekränkt wurde,
bemächtigte sich, seines Heeres sicher, dieser Regentschaft und
brachte den Cäsar samt seinem Ratgeber um, sich selbst als
Imperator auf werfend.^) Der Erfolg, den er wenigstens fttr den-
jenigen Teil des Reichs, den er mit seinen Truppen beherrschte,
für ein ganzes Jahrzehnt hatte, leitete nun diejenige Periode
ein, in welcher neben der anerkannten Zentralgewalt ein that-
sächlich lokal beschränktes Teilimperium bestand, und dieser
Vorgang wurde für die Einheit des Reichs noch bedenklicher,
als nach der Gefangennahme des Valerianus Gallienus unterliefs,
seine Auktorität im Orient durch eigenes Eingreifen geltend zu
machen, so dafs dort nun auch Gegenkaiser auftraten, die durch
die Lage der Dinge genötigt waren, sich zunächst wenigstens
auf den Osten zu beschränken. Die folgenden zehn Jahre
blieben als die trübste Zeit des römischen Reichs im Gedächt-
nis und ihre Erfahrungen trugen das meiste dazu bei, dafs man
bestrebt war, die bisherige Verfassung durch eine andere zu
ersetzen.
Übersicht über 2. Als Gallicnus die Nachricht von der Gefangennahme
die Zeit des . -in i - ...
üaiiienua. scmes Vatcrs erhielt, soll er sich gefreut und wie von einer ihn
in seinem Lebensgenufs störenden Vormundschaft befreit gefühlt
1) Der Name corp. i. 1. 8 n. 2382; vgl. Mommsen Polem. Sil?,
p. 245 A. 9.
2) So nach Zosim. 1, 38, nach Zon. 12, 24 Älbanm, letzteres wohl
verschrieben.
3) Voller Name dieses Prätendenten nach Münzen und Inschriften
M, Cassianius Latimus Postumua. Die Münzen geben ihm trib, pot, X
nnd Vota vicennalia, (Eckhel 7 p. 440. Cohen 6 p. 56 n. 364), woraus sich
für seine Erhebung das J. 258 ergiebt; dies stimmt damit, dafs in dieses
Jahr auch die Erhebung des Ingenuus föUt (ob. S. 553 A. 3), wegen deren
Gallienus vom Rhein wegging; femer mit den 10 Jahren, welche ihm Enin^-
9, 9 und Oros. 7, 22, 10 geben, wahrend die 7 Jahre vit Call. 4, 5 sich
als falsch erweisen. ^ i
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- 555 —
haben ^), und seine Regierung wird von dem Verfasser der Eaiser-
biographieen dieser Zeit so dargestellt^ dafs er fortwährend in
Rom üppigen und niedrigen Genüssen sich hingab, während
drau&en im Reich die Barbaren einbrachen und in allen Pro-
vinzen unter der dringenden Not und der Mifsachtung, welcher
der erbärmliche Imperator in Rom anheimfiel, Gegenkaiser gegen
ihn aufstanden.^) Wirklich that Gallienus nicht nur keinen
Schritt, um seinen Vater zu befreien, sondern er beeilte sich
auch, in der Zurücknahme der Edikte gegen die Christen den
1) Vit. Gall. 1, 1 : cum — GalHentis comperta patris captivitate gau-
deret, 3, 9.
2) In den Eaiserbiograpbieen bildet die Zusammenstellung, welche
Trebellins Pollio von Yalerianus bis Claudius gemacht hat, eine besondere
Gruppe, die sich aber sehr unvorteilhafb ausnimmt durch ihre ünzuver-
lässigkeit, durch eine Menge eingeschobener selbstgemachter Dokumente,
durch den Mangel an Chronologie, der selbst die wenigen eingestreuten
positiven Daten unsicher macht, durch die Einseitigkeit des Urteils, die bei
Claudius übergeht in die Tendenz, dem Constantius Chlorus als Nach-
kommen des Claudius zu gefallen. Schon die Zeitgenossen erkennen diese ün<
Zuverlässigkeit an, vgl. Vopisc. vit. Aurel. 2, 1: adserente Tiberiano (praef.
urb,)t guod Pollio multa incuriose mülta breviter prodidisset. In der An-
ordnung der Prätendenten, für welche er die Geschichtschreibung mit
seinem Einfall der Bezeichnung der ^dreifsig Tyrannen' belastet hat, reifst
er durch die biographische Nebeneinanderstellung die Zusammenhänge aus
einander, was nur durch eine gewisse geographische Ordnung gemildert
wird, und giebt schon dadurch ein unrichtiges Bild, dafs er sie alle gleich
neben einander stellt^ die unbedeutendsten Eintagsimperatoren neben einen
FostnmuB und Odänath, wobei letztere unverantwortlich dürftig behandelt
sind. Aber er hält doch fest an dem Ausgangspunkt, dafs er alles zu
Gallienus in Beziehung setzt und dadurch in seiner Art der Stellung der
Zentralgewalt Rechnung trägt, während andere, namentlich die griechischen
Quellen nur dem Vorgängen an der Grenze ihre Aufmerksamkeit schenken
und darnach die Erzählung anordnen. Die sonstigen Quellen teilen sich
nach den Sprachen, auf der einen Seite stehen die griechischen Zosimus,
Petrus Patricius, Synkellus, Zonaras, die in verschiedener Weise auf Dexippus
und dem Fortsetzer von Dio beruhen, auf der andern die lateinischen, die
ihre eigentümlichen Quellen haben und unter denen Victor und Eutrop
beachtenswerter sind. Den Hergang chronologisch genauer dazustellen, ist-
mit dem vorhandenen Material unmöglich. Die Münzen und Inschriften
zeigen, wie ungenau in Namen und Daten namentlich die Biographieen sind,
aber sie sind selbst natürlich nur ein ungenügender positiver Ersatz. So
iat denn in der folgenden Darstellung vielfach die innere Wahrscheinlich-
keit für die Ordnung und den Zusammenhang der Ereignisse mafsgebend
gewesen. — Neuere Monographie: Th. Bernhardt, polit. Gesch. des röm.
Reichs von 263-264 n. Ch. Berlin. 1867. DigitizedbyGoOglc
— 556 -
Gegensatz seiner Regierung gegen die des Valerianus in auf-
fallendster Weise kund zu thun (ob. S. 551 A. 1), und die Tra-
dition ist gewifs in richtiger Weise — mit Ausnahme von gün-
stiger lautenden christlichen Zeugnissen — einstimmig in der
Schilderung seiner Regierung als einer unwürdigen und ver-
hängnisvollen. Man darf indessen dem Bilde der Verwirrung
gegenüber^ das dieses Jahrzehnt bietet , nicht übersehen, dafs
die legitime und vom Senat anerkannte Zentralgewalt in Rom
und Italien bis zu der Katastrophe des Gallienus nie verdrängt
und, als Gallienus gefallen war, sofort durch eine andere vom
Senat anerkannte abgelost wurde, dafs Gallienus in Provinzen
wie Afrika und einem Teil von Spanien so gut wie immer an-
erkannt war^), dafs er in den Donauprovinzen kämpfend auftrat
und mehrere Prätendenten überwand, dafs er im Orient zwar
nicht selbst handelnd eingriff, aber äufserlich wenigstens die
Verbindung desselben mit dem Reich wahrte, dafs also in keinem
Augenblick eine völlige Zerreifsung des Reichs stattfand, selbst
abgesehen davon, dafs natürlich auch die Herrschaft des Postu-
mus in Gallien, die einzige im Westen, welche einige Daner
hatte, niemals anerkannt war. Es ist ferner nicht zu verkennen,
dafs die Häufung alles nur denkbaren Unheils in der Darstel-
lungsweise der Exzerptenlitteratur, auf die wir angewiesen sind,
eben dadurch, dafs alles zumal auf den Leser eindringt, den
Eindruck macht, als ob die Welt des römischen Reichs damals
dem Untergang nahe gewesen wäre, während doch andrerseits
auch Kräfte, die bisher im Hintergrund gestanden, sich kund-
thaten und die Reichseinrichtungen, auch wo die kräftige Hand-
habung fehlte, ihre Bedeutung zeigten. Freilich nach all diesen
Abzügen von dem überlieferten Bild bleibt noch hinreichend
viel des düsteren, und es genügt der Vereinigung dessen, was
für viele Provinzen jedenfalls zu gleicher Zeit vorhanden war,
einer verheerenden Epidemie, des Bürgerkriegs und der Einfalle
barbarischer Horden, um zu erfassen, wie viel bisher Lebens-
1) In Afrika soll einmal ein gewesener Triban, Celsus, als Pr&tendent
aufgetreten sein, tyr. trig. 29. Der Hergang ist nicht zu verstehen; der
betreffende soll aber schon am siebenten Tage getötet worden sein. Die
Inschriften des Gallienus in Afrika sind zahlreich, vgl. c. i. 1. 8 Ind.
p. 1050 f. Die Inschrift des Prätoriums von Lambäsa c. i. 1. 8 n. 2671, die
wohl richtig auf Gallienus bezogen wird, hat trib. pot. XVI cos. VII, geht
also bis 268. — Über Spanien s. unten. r"r^r^n]i>
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~ 557 —
volles im ganzen Reich in dieser kurzen Zeit zerstört wurde.
Der geeignetste Weg aber, um ein Bild dieser Zustände zu ge-
winnen, dürfte der sein, zuerst die Aktion der Zentralgewalt zu
verfolgen und darauf zu sehen, was in den Teilen, welche sich
ganz oder halb von* derselben lossagten, eigentümliches sich ge-
staltet«.
3. Dafs Gallienus einen guten Teil seiner Alleinregierung nie zentrai-
in Rom zubrachte, ist anzunehmen; nicht als ob er nicht wieder-
holt an den Operationen der für ihn kämpfenden Heere teilge-
nommen hätte, gegen Postumus, gegen die Alamannen, in den
Donauprovinzen gegen Prätendenten und Barbaren und gegen
die Aufrührer in Byzanz, aber es war dies nur Unterbrechung
des Lebens in Rom; die eigentliche Kriegsführung überliefs er
meist seinen Generalen auf das Risiko freilich, dafs sie im Falle
eines Erfolges selbst zu Prätendenten würden. Eben bei solchen
Gefahren oder besonders bedenklichen Verhältnissen brachte er
es, da es ihm von Hause aus weder an Fähigkeit noch an Mut
fehlte^), in einem Aufleuchten von Energie auch zu unerwarteten
Erfolgen. In Rom aber soll er durchaus ein niedrigsten Ver-
gnügungen gewidmetes Leben geführt haben, und die verschie-
denen Schilderungen, die wir von ihm haben, machen den
Eindruck eines von besserer Anlage zum Genufsmenschen herab-
gesunkenen Mannes, der imstande ist, den ernstesten Ereignissen
mit frivoler Blasiertheit gegenüber zu stehen, bis er durch Beleidi-
gung oder den Kampf um die Existenz in Leidenschaft gebracht
wird. Indes lag in jenem Verbleiben in Rom doch auch ein
gutes Stück Politik. Vom Senat aufs bitterste gehafst und ihm
feind mufste er fürchten, dafs bei längerer oder dauernder Ab-
wesenheit ihm mit Rom und Italien die Hauptstütze seiner
Herrschaft entzogen würde; denn es gab kein Provinzialheer,
da£9 ihm so zu gebot gestanden wäre, wie das gallische dem
Postumus. Wie mifstrauisch er aber gegen den Senat war, zeigte
sich in der wichtigen Mafsregel, dafs er mit der ganzen Ver-
gangenheit brechend die Senatoren vom Heere ausschlofs*):
weder sollten die Mitglieder der gehafsten Behörde Fühlung mit
1) Vit. Gall. 7, 2: erat in Oällieno subitae virtuHs audacia, nam dli-
qwmdo iniwriia graviter movebatur.
2) Yict. Caes. 88 extr.: primus (Gallienus) metu socordiae mae^ ne im-
pemrni ad opHtnoa nobilium Irans ferretur, senatum militia veiuit, etiafn
adire exercitum,
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- 558 —
einer Truppenmacht erhalten, noch den Soldaten in angesehenen
Männern des ersten Standes Prätendenten zur Verfügung stehen.
Von Seiten eines Mannes^ der als Sohn des angesehensten Se-
nators seiner Zeit zur Herrschaft gelangt war, war dies auf-
fallend genug und rein in der Persönlichkeit liegend; der Wir-
kung nach verhinderte es wohl die Senatoren sich zu Impera*
toren auf zu werfen, nicht aber die Truppen andere Gegenkaiser
zu machen aus Nichtsenatoren. Im übrigen war dies eine be-
deutende Steigerung der Tendenz zur Trennung der Civil- und
Militärgewalt, und eine politische Bedeutung für die nächstbe-
vorstehende Zeit hatte es darin, dafs der Senat und die Provin-
zialheere in ihren Interessen nicht getrennt waren, also wegen
des gemeinsamen Gegensatzes gegen Grallienus bei einer Neu-
besetzung des Imperiums wieder zusammenwirken konnten. In-
dessen persönliche Verfolgung der Senatoren wird ihm nicht
nachgesagt, während er gegen aufständische Truppen mit äolser'
ster Strenge verfuhr^), und es mag sein, daCs ein wesentlicher
Grund für die Anhänglichkeit Italiens und einzelner Provinzen
an ihn darin lag, dafs man nicht direkt Schlimmes von ihm zn
erdulden hatte, in Afrika speziell mag sein Verhalten gegen die
Christen wesentlich günstig für ihn gewirkt haben. In den
Reichsteilen, in welchen er herrschte, dürfen wir annehmen, dafs
die Verwaltung in soweit geordnet fortging, als es bei Mangel
jeglicher Anregung von oben von den bestehenden Einrichtungen
aus sein konnte; und da und dort machte sich in den munizi-
palen Instituten noch so viel Lebenskraft geltend, dafs man über
die Notstände erträglich hinwegkam^); ein Sklavenaufstand, der
in Sicilien ausbrach, wurde immerhin noch unterdrückt.') Eine
der gröfsten Kalamitäten für den friedlichen Verkehr war jeden-
1) Tyr. trig. 9, 3 (gegen die Anhänger des Ingenaua). Vit. Gall. 7, 8
(gegen die Meuterer in Byzanz).
2) Besonders zn erwähnen ist, was von Griechenland berichtet wird
Zosim. 1, 29: xal 'A^rivctioi ft^v tov rsixovg iTSefiBlovvto — Tlsloxowri^un
dl tov 'Icd'nbv distsixt-Sov, Hotvri dh nuqoc, ndarig (pvXomr} tfjg *EXXddo$ i%*
datpaXsia t^g x^^Q^S iyCvsxo, Vgl. auch das Auftreten des Dexippns als
Feldherm der Athener, dessen munizipale Bedeutung vor diesen Ereignissen
die Inschrift o. inscr. attic. 3 n. 716 zeigt. In Rom selbst rafft sich, als
die Alamannen die Hauptstadt zu bedrohen schienen, in Abwesenheit des
Gallienus der Senat auf und ordnet die Rüstungen an Zos. 1, 87.
3) Vit. Gall. 4, 9: etiatn in Sicilia quasi qtioddam servile bdhm
extitit latronibus evagantibtAS, qui vice oppressi sunt. f^ i
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— 559 —
falls der Steuerdruck und die Münznot: nicht nur ging die
Münzprägung in der Herabdrückung der in Wertmetallen ge-
prägten Münzen bis zum äufsersten^ gab also der Staat Kredit-
geld an Stelle eines wirklichen Werts aus^ sondern es ging neben
dieser offiziellen Falschmünzerei auch noch die private der An-
gestellten in den Münzstätten her^); und da der Staat wohl
beanspruchte^ dafs seine Silbermünze zu dem künstlichen Wert
genommen wurde^ selbst aber nur in dem noch allein effektiv
zählenden^ wenn auch ebenfalls minderwertig ausgeprägten Gold
bezahlt sein wollte (ob. S. 473 A. 3), so wurde dadurch der
Steuerdruck verdoppelt, und alles, was d& Staat einnahm, sah
man in den Vergnügungen des Kaisers, den Geschenken an die
Truppen und dem, was an Belustigungen und Gaben der haupt-
städtischen Bevölkerung geboten wurde, aufgehen. Die Truppen,
soweit es ihm möglich war, sich ergeben zu erhalten, dazu war
Gallienus klug genug, und es gelang ihm dies mit den Prä-
torianern und der albanischen Legion fortwährend, andere, die
früher zu ihm gehalten, fielen später ab^); jedoch noch bei seinem
Sturze durch die Generale waren wohl diese leicht gegen ihn
einig, es kostete aber Mühe, die Zustimmung der Soldaten zu
erhalten.^) Die Erfolge, die er mit seinen Heeren erzielte,
reichten zur Abwehr der Germanen von Italien, der in Afrika
eingefallenen Mauren^), zu dem schon erwähnten Eingreifen in
1) Mommsen, Gesch. des röm. Münzw. 8. S30: „Das gesamte römische
Münzwesen in der Epoche von Gallienus bis auf die Mitte der Regierung
Diocletians lälst sich dahin charakterisieren, dafs der Bankerott in Perma-
nenz und die Münze, die diesen Bankerrott aasdrückte nnd in der er sich
vollzog, das Papiergeld jener Zeit, der Antoninianus war." Vgl. die Belege
ebendas. 793 f.
2) Aach bei Gallienus erscheinen wieder die Münzen zu Ehren der
Legionen mit deren Namen in der Legende, Cohen 5, p. 386 ff. Natürlich
findet sich manche darunter, deren Anhänglichkeit sich nicht bewährte, so
dais man historisch dieses Verzeichnis nur mit Unterscheidung der Zeiten
verwerten kann. Vgl. über diese Münzen Brock in v. Sallets Zeitschr. für
Numism. 3 8. 93: „wenn sie in der Regel Yon besserem Metall sind, so
mala die Erklärung darin gesucht werden, dais sie ohne Zweifel zur Soldaten-
iGhnang bestimmt gewesen sind."
3) Vit. Gall. 16, 1: Occiso OaUieno aeditio ingens miliium fuit, cum
— imperaicrem sibi utilem — dicerent raptttm ; quare consilium principum
fuUy ui müites eius quo solent placari gener e sedarentur (folgt ein Donativ
von 20 Goldstücken).
4) Corp. inscr. lat. 8 n. 2615. r^ T
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- 560 -
den Donauprovinzeii; es reichte sogar zu einem Eindringen in
Gallien, aber der Abfall der Führer vereitelte jeden gröfseren
Erfolg, und diesem fiel dann endlich der unwürdige Imperator
zum Opfer.
Dio Provin«en 4. Die gehäuften Fälle von Abfall der Heerführer und Statt-
denten. halter uud Erhebung von Gegenkaisern, welche die Signatar
dieser Regierung des Gallienus bildet, bietet der Betrachtung
verschiedene Seiten dar. Von einer Anzahl dieser Männer wird
hervorgehoben, dafs sie durchaus tüchtig und der höchsten Stel-
lung würdig waren, und zum Ruhme des Valerianus, der sie in
die höhere Lauf bahn 'gebracht, wird angeführt, dafs er in ihrer
Auswahl gutes Urteil bewährte.^) Es war aber überhaupt der
Heeresdienst, der jetzt allein noch Thatkraft und Energie anzog
und bewährte, und dessen waren sich die Heere wie ihre Führer
nur allzusehr bewufst. In diesem Bewufstsein hatte man nun
seit Macrinus tüchtige und untüchtige Kaiser gestürzt und jede
Sicherheit in der Tradition des Imperiums aufgehoben. Dafs
jetzt unter einem untüchtigen Imperator das Soldatenkaisertum
gleichzeitig in solcher Häufigkeit auftrat, hatte immerhin das
Gute, dafs denen selbst, welche darauf Hoffnungen gründen
konnten, der Entschlufs kam, diesen Zuständen durch eine Über-
einkunft unter sich ein Ende zu machen und einer einheitlichen
Reichsregierung wieder eine gesichertere Grundlage zu geben.
Die gauisohen 5. TJutcr den revolutionären Imperatoren war weitaus der
PoBtumuB. * bedeutendste Postumus.^) In zehnjähriger Regierung hatte er
Totricus. Zeit, sich in einer Herrseherstellung einzurichten und bestimmte
Ziele zu gewinnen. Allein, wenn diese verhältnismäüsig lange
Dauer ein gewisses Gelingen bezeichnet, so konnte doch unter
den gegebenen Verhältnissen eine Rettung für das ganze Reich
von hier nicht ausgehen, weil die Ziele offenbar zu beschrankt
waren. Es seh int dem Postumus gelungen zu sein, in Gallien relati?
befriedigende Zustände zu schaffen, nach Sicherung der Grenze
gegen die Franken Handel und Verkehr in diesem Lande wieder
1) Tyr. 10, 14 : nee a Gallieno (Begalianus) protnotus est, sed a patre
eiu8 ValerianOf ut et Claudius et Macrianus et Ingemms et Postumes ä
Äureolus^ qui omnes in imperio interempti sunt, cum mererentur Imperium.
2) Name: M. Cassianius Laiinius Postumus, — Vgl. über GallieD in
dieser Zeit Jean de Witte, recherches sur les emperears qai ont regn^ daos
les Gaules au III. si^cle (mit den Münzzeugnissen). Paris. BolUn et Feoar-
dent. 1869.
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- 561 —
aufleben zu lassen*), im Bereich seiner Heeresmacht von seiner
Residenz Trier aus den Anschein eines Staates zu schaffen und
die Sympathieen der Gallier zu erwerben. Aber dafs seine Ziele
weiter gingen, das lag doch nur in der Prätention, die er in
seinen Titeln zur Schau trug. £r wollte römischer Imperator
sein mit allen den Attributen, die einem solchen gebührten, er
nahm das Konsulat an sich mit einer Regelmäfsigkeit, wie wenn
Trier Rom gewesen wäre^) und mufs wohl auch seine Beamten
fSr Verwaltung und Hofdienst gehabt haben neben dem, dafs
er nun es war, der in den unter seiner Auktorität stehenden
Provinzen die Statthalter, Heerführer und sonstigen Provinzial-
beamten bestellte. Dafs er einen Senat hatte, ist, da wir hier-
über gar nichts vernehmen, nicht wohl anzunehmen^), wäre auch
bei der Stimmung des römischen Senats gegen Gallienus nur
schädlich gewesen, da vielmehr mit diesem Senat Fühlung zu
gewinnen war, wenn man irgend Ho&ungen auf die Zukunft
setzte. Wenn nun aber so von einer ausgesprochenen und prin-
zipiellen Beschränkung auf Gallien, von dem Abreifsen eines
Teüs vom Reich nicht die Rede war, so ist andererseits ledig-
lich kein energisches Streben zu bemerken mit der wirklichen
Machtübung über Gallien hinauszugehen. Es giebt keinen Beweis
dafür, dafs man auch nur in Spanien überall Fufs fafste^) und von
1) Es wird in dieser Beziehung auf die Merkur- und Minervamünzen
verwiesen. Cohen 6, p. 26 n. 192 £f. Auch sind seine Münzen wenigstens
etwas besser. Auffallend grofs ist aber andererseits die Menge der ver-
grabenen Münzschätze, die aus seiner Zeit in Frankreich gefunden wurden.
Vgl. die Zusammenstellung bei Schiller, Gesch. der r. Eaiserz. 1, 831 A. 3.
2) Er nennt sich pont, max.y pius felix, nimmt die Siegestitel an, seine
Konsulate gehen auf den Münzen bis zum fünften, das neben trib. pot X
steht und ins J. 267 zu setzen ist, wenn der Beginn der trib, pot ins
J. 268 fäUt
3) Dafs auf seinen Kupfermünzen s. c. steht, kann nicht wohl etwas
beweisen. So gut er die vom Senat gewöhnlich erteilten Würden führt,
als ob der römische Senat sie ihm erteilt hätte, wenn dieser dies auch
natürlich nicht gethan hat, konnte er auch die auf den Kupfermünzen
übliche Formel herübernehmen, ohne dafs irgend ein Senat die Prägung
angeordnet hatte; er wollte damit wohl auch den Umlauf seiner Münzen
fördern.
4) Wenn in dem angeblichen Brief des Claudius vit. Cland. 7, 5 ge-
sagt ist: GdUioB et Hispanias, vires retp., Tetriais tenet, so mag dies, ob
der Brief acht ist oder nicht, mit wirklichem Wissen des Sachverhalts ge-
sagt sein, und kann dann von Tetricus aus auch auf seinen Vorgänger
Hersog, d. röin. Staatsverf. IL 1. 36
gle
- 562 -
JBritannien etwas anderes hatte, als die Anerkennong^) and infolge
davon die Sicherheit gegen Angriffe. Dafs Postumus die MiiM
dieser Provinzen zur Ausbreitung und Befestigung seiner Macht
benützt hätte, sehen wir nicht, auch hat er Tarraco nicht vor
den Franken zu schützen vermocht. In Italien fürchtete man
ein Herüberkommen des Postumus und nahm dagegen in Ober-
italien Stellung, aber Postumus kam nicht, sondern liefs die
Truppen des Gallienus in sein Gebiet hereinkommen. *) Nicht
einmal den Oberrhein wufste er zu behaupten. Die Alamannen
durchbrachen den transrhenanischen Limes, wohl auch den rati-
schen, durchbrachen die schweizerischen Posten am Oberrhein
und drangen in Italien ein, wo sie bis Ravenna kamen und
Rom schreckten, ohne dafs Postumus ihnen in die Flanke fiel:
er überliefs es dem Gallienus, mit ihnen fertig zu werden.*^
Es war dies kein Zustand, aus dem heraus etwas Dauerndes
geschaffen werden konnte, und so war es denn auch kein Un-
glück für das Reich, dafs Postumus die Gewalt über seine eige-
nen Truppen nicht festhalten konnte und von ihnen gestürzt
wurde. Nach ihm verlief dieses gallische Kaisertum in rascher
Folge durch Victorinus, den Postumus selbst noch sich zu-
gesellt haben soll^), und vor dem der aus den untersten
Postumus übertragen werden, aber in der Geschichte des PostomuR spielt
diese Provinz gar keine Rolle. Die Inschriften zeigen in Corduba (Baetica)
eine Ehrung des Gallienus allein als Sohns des Yalerianus, also wahr-
scheinlich während des letzteren Gefangenschaft c, i. 1. 2 n. 8199; in der
Tarraconensis allerdings nennen die Meilensteine vom J. 260 den PostnniQs;
ebendas. n. 4919. 4948.
1) Diese ist belegt durch die Inschriften des Postumus und Victorinus
in Britannien c. i. l. 7 n. 1160. 1161.
2) Vit. Gall. 7, 1: Con^a Postumum GcUUenus cum Aureole et Claudio
duce — bellum iniü, et cum multis auxiUis Postumus iuvaretur CeUieis ai-
que FranciciSf in bellum cum Victorino processtt^ cum quo imperium parOcipar
verat. Was hier gemeint ist, kann nur in die letzten Jahre des Postumus
fallen. Besiegt war das gallische Imperium bei Postnrous Tode allerdings
nicht, da es ja durch verschiedene Personen weitergeführt wurde.
3) Einen Versuch, die Alamanneneinfä.lle nebst den übrigen Daten
der Geschichte des Gallienus unterzubringen, s. bei v. Wietersheiro-Dahn
1, 622—630.
4) Bei Vici Caes. 33 heifst es: (Postumus) exphsa Germanorum muUi-
tudine Laeliani bello excipitur: quo non minits felicüer fuso suorum tumuUu
periit, quod flagitantibus Moguntiacorum direptiones^ quia Laelianum iuverani,
abnuisset, Igitur eo occiso Marius ferri quondam opifex — regnum capit.
— hoc iugulato post biduum Victorinus deligitur belli sciffdia Postumo par;
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- 563 -
Heeresschichten aufgetauchte Marius uur wenige Tage das Spiel
einer Prätendentschaft gespielt haben soll; zu dem tüchtigen
Tetricus^); dem Statthalter von Aquitanien, also einem Manne
senatorischer Stellung, der dann weiterhin seine Stellung der
Reichseinheit zum Opfer brachte (s. unten).
6. Einen anderen Verlauf nahmen die Dinge in den Donau- nie nonanpro-
Provinzen. Nach der Beseitigung des Ingenuus trat hier zu- R^'aUanas."'
nächst ein neuer Prätendent nicht auf. Dagegen kam vom Orient
herüber in Zusammenhang der unten zu besprechenden Ereig-
nisse Macrianus mit einer bedeutenden Heeresmacht, wurde je-
doch durch den Heerführer des Gallienus, Aureolus, denselben,
der den Ingenuus gestürzt hatte, besiegt und getötet, sein Heer
für Gallienus übernommen.^) Zu gleicher Zeit hatte dieser in
— p08t biennii imperium — accensis furtim milüibus per sedütonem Agrip-
pincie occiditur. Damit stimmt Eutrop. 9, 9, der offenbar ans derselben
Quelle geschöpft hat; ebenso Oros. 7, 22, 11. Trebellius dagegen, der allein
sonst noch über diese Vorgänge berichtet, läfst einmal den Yictorinns von
Postnmns zum Mitregenten angenommen werden nnd setzt dann folgerichtig
den Marins hinter Yiotorinus. Victor hat für sich, dafs er den Namen des
Urhebers der Meuterei, der durch Münzzeugnis feststeht (Cohen 6, 66—67),
richtig giebt, während Trebellius ihn Lollianus nennt; aufserdem macht
Mommsen, r. G. 6, 149 A. 2, indem er diese Berichte kritisch behandelt,
KU Gunsten des Victor geltend, dafs es keine Münzen giebt, auf denen
Postnmus und Victorinus zusammen erscheinen. Die Folge: Lälianus,
Marias, Victorinus, Tetricus findet Ad. Erman, Zeitschr. für Numism. 7,
347—361 auch in den Münzen. Die Münzen des Victorinus gehen bis
irib. pd. III €08. II; dies wäre mit dem hiennium des Victor nicht un-
verträglich; es fragt sich nur, ob man, wenn man den Anfang des Victoria
erst nach PostnmuB eetzt, mit ihm nicht zu weit herab käme. — Kam
Victorinus erst nach Postumus, so stand er nur kurze Zeit noch dem
Gallienus gegenüber. Vict. epit 84 {his diebus Victorinus regnum cepit)
wird er erst unter Claudius erwähnt, Caes. 83 unter Gallienus. Auch er
hat Legionsmünzen prägen lassen (Cohen 6, p. 74 n. 68 ff.), zum Teil mit
denselben Nummern, die Gallienus gehabt; diese Legionen waren also
irgend einmal zu der gallischen Seite hinübergegangen. Voller Name des
Vict.: C. Piavonius Victorinus,
1) Nach Trebellius tyr. 24 und Vict. Caes. 88 war es Victoria, die Mutter
Victorins, welche mit ihrem Einflufs bei den Truppen die Erhebung dieses
Senators veranlafste, woran sich die Ernennung seines Sohnes zum Cäsar
anschlofs; auch er ist in Britannien anerkannt. C. i. 1. 7, 1150 f., wozu
ygl. Benier bei Borghesi oeuvr. 7, 429 A. 4. Damach führte er als vollen
Namen C, Pius Etuvius Tetricus. Die Übernahme des Imperiums fand in
der Hauptstadt Aquitaniens statt {apud Burdigalam Eutrop. 9, 10.)
2) Zonar. 12, 24. Tyr. 12, 18. — Vor das Ende des Macrianng^föllt ,
36* dbyCjOOgle
- 564 —
Regalianus, einen geborenen Daker, der in Dlyrien komman-
dierte^ einen tüchtigen General; der sich gegen die in Mähren
eingefallenen und bis Skupi an die Grenze von Dalmatien mid
Macedonien vorgedrungenen Sarmaten bewährte.^) Dadurch war
dem Gallienus erspart; selbst zu kommen; dagegen fiel nun hier
die Empörung der Besatzung von Bjzanz herein; die ihn veran-
lafste, sich hierher z\x begeben. Nach der Niederwerfung dieser
Meuterei; mit der eine neue Vernichtung des eben erst wieder
aufgeblühten munizipalen Lebens in Byzanz verbunden war^;
eilte Gallienus wieder nach Rom zurück; die Donauprovinzen
wurden aber nun von Norden her zu Land wie auch von Osten
zur See von den Gothen heimgesucht; und in diesen Jahren war
eS; dafs die Scharen dieses Volkes bis Athen vordrangen.^ In
diese Verhältnisse hinein dürfte die in Mösien vorfallende Er-
hebung des RegalianuS; jenes Besiegers der Sarmaten; zum Gegen-
kaiser zu setzen sei; zu welcher neben dem Bedürfnis; in dem
tüchtigen Manne einen Schutz gegen die Barbaren zu finden^
die Erinnerung an die grausame Bestrafung der mit Ingenuus
Abgefallenen beitrug. Dies mag vollends den Gallienus be-
stimmt habeU; selbst wiederzukommen, aber ehe er noch zur
Stelle war; hatte Regalianus durch die Provinzialen, die ein ähn-
liches Schicksal wie nach dem Sturz des Ingenuus fürchteten,
sein Ende gefunden/) Nachdem Gallienus dann eingetroffen,
der Versuch des ProkonsuLs Valens von Ach%ja, sich zum Prätendenten aaf-
zuwerfen, gegen den Macrianiis einen Piso, angeblichen Nachkonunen der
Pisones Frugiy mit unglücklichem Erfolg schickte; aber der getötete Piso
wird darauf vom rGmischen Senat, der unter der Gewalt des Gallienus
steht, belobt. Vit. Gall. 2, 2 ff., tyr. 20 f. Wie dies zusammenKareimen,
ist unklar. Valens selbst wird dann von seinen Soldaten umgebracht;
ebendas. — Vict. epit. 32 erwähnt nur kurz die Erhebung des Valens in
Makedonien.
1) Tyr. 10, 9 ff.; Reg. heifst daselbst dux Illyrici.
2) Vit. Gall. 7, 2 ff. Die Zeit ist bestimmt dadurch, dals Gallienus
zur Feier seiner Decennalien (also spätestens zweite Hälfte 262) nach
Rom ging 7, 4.
3) Vit. Gall. 6, 1 : Pugnatum est in Achaia Marciano duce contra eot-
dem Gothos %mde vidi per Ackaeos recesserunt. Rede des Dexippus, de«
Anführers der Athener, hierüber Dexipp. fragm. 21 bei Müller 3 p. 6S0.
4) Tyr. 10, 2: (Beg.) auctoribus Roxolanis eonsentientibusque müüibvs
et timore provincidlium, ne Herum Gallienus graviora faceret, tnicr-
emptus est. Dies läfst eben darauf schliefsen, dafs man den Gallienus selbst
erwartete. ^ j
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— 565 -
schickte er den Aureolas gegen Gallien^ allein dieser liefs sich
bei dieser ÜDtemehniung von seinen Truppen selbst zum Kaiser
erheben. Was inzwischen Gallienus gegen die Gothen ansgerichtet,
wissen wir nicht^); jetzt jeden^EÜls zog er dem Aoreolus nach,
erreichte ihn an der Adda und brachte ihm eine entschiedene
Niederlage bei, so dafs derselbe veranlafst war, sich nach Mai-
land zu werfen.^) Hier aber bekamen die Dinge eine neue
Wendung.
7. Nicht minder bewegt als der Westen war in dieser Zeit »er osten
der Osten des Reichs. Unmittelbar nach der Gefangennahme odäuathus.
des Yalerianus schien hier alles yerloren zu sein; die Gothen in
Kleinasien; die Perser in Syrien, der römische Imperator besiegt
und gefangen ; die blühendsten Städte von den Persem einge-
nommen und die Einwohner weggeschleppt, der noch regie-
rende andere Imperator für den Osten nicht zählend — dies
schienen trostlose Zustande. Indessen auch hier fehlte es nicht
an entschlossenen Männern, welche unabhängig von einer Ober-
leitung die romische Waffenehre aufrecht erhielten: wie Succes-
sianus in Pityus den Gothen , Demosthenes bei der Belagerung
des kappadokischen Cäsarea den Persern^, so trat ein höherer
Offizier Ballisfa in Cilicien ebenfalls den Persern entgegen und
erzielte Erfolge.*) Derselbe Mann war es, welcher nun auch den
Macrianus, jenen einflufsreichen Beamten in der Umgebung des
Valerianus, dessen Rat man das Vorgehen gegen die Christen
zuschrieb (ob. S. 549 f.), bestimmte, ein neues Imperium im Osten
aufzurichten, da von Gallienus nichts zu erwarten war. Macria-
nus sollte es führen, Ballista die Stütze desselben sein; Macria-
1) Die GotbeDeinfölle unter OaUienns sucht cbronologiüch zu ordnen
V. Wietersheim-Dahn 1, 630 ff.
2) Zosim. 1, 40, Vict. Caea. und epit 33. Tyr. 11. Gegen die Gotben
liefs GUtllienos nach Zo8. a. a. 0. einen General Maroianus zurück, der
glfioklich kämpfte.
3) Zonar. 12, 23: yBvvaitos %mv iv avt^ (t^ KuiüccQBia) totg noXsfiioig
civti%ct9i<na(isvmv xtd ötqcctriyovfiivav vfco rtvog Jrjfioa&ivovg dvÖQog nal
awd^lw) %a\ awtrov n. 8. w.
4) Da er in griechischen Quellen, welche auf Dezippus zurückgehen,
KdXUotog heifst (SynkelL. p. 716 Bonn. Zonar. 12, 23), nimmt Mommsen
r. G. 5, 432 A. 1 diesen Namen an. Bei den Lateinern (tyr. 18) und bei
Zonaras c. 24, wo er einer andern Quelle folg^, heifst er Ballista. Es
kann in der griechischen Quelle hinsichtlich des lateinischen Wortes ein
Irrtum, sei es des Dexippus selbst oder seiner Überlieferung, stecken^ y
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— 566 —
nus selbst, eiu älterer Mann, lehote jedoch für sich ab za gunst^n
seiner beiden Sobne^ Macrianus des jüngeren und Quintus, und
diese wurden dann auch erhoben und nicht nur in Asien, son-
dern auch in Ägypten anerkannt^) Aber diese Aushilfe dauerte
nicht lange. Während Ballisia mit Quintus in Asien blieb, hatten
die beiden Macrianus dem im Auftrag von Gallienus gegen ihn
rüstenden Aureolus entgegenzuj^reten; sie zogen mit einem Heer
von 30000 Mann nach Europa hinüber, wurden aber hier von
Aureolus im J. 261 geschlagen, worauf sie sich töteten und ihr
Heer auf die Seite des Gallienus hinüberging. In Asien aber
fand Quintus einen Gegner in einem Manne, der aus eigener
Initiative von mujiizipalen Verhältnissen aus gegen die Perser
aufgetreten und siegreich gewesen war, es jedoch seinen Interessen
angemessen fand, weder für sich selbst das Imperium zu nehmen,
noch sich mit Quintus zu vereinigen, sondern im Namen des
Gallienus gegen den Prätendenten aufzutreten. Es war dies das
regierende Haupt der Oasengemeinde Palmyra, Odänathns, ein
Mann, der in der Vereinigung orientalischer Herrscherstellong
mit der Würde eines vornehmen Römers und hellenistischer Bil-
dung einen Vertreter alles dessen darstellte, was der östliche
Teil des römischen Reichs an Volkselementen enthielt.^ Seine
Vaterstadt, im Verlaufe der römischen Eaiserherrschaft dem
1) Der Name des Vaters heilst in der Überlieferaog bei Trebellius
(vit. GM. und iyr. 12) teils Macrinus, teils Macrianos, bei Zonar.
12, 24 da, wo er auch Ballista giebt (s. yorherg. A.), also ans lateinischer
Quelle schöpft, Macrinus. Die Form Macrianns wäre gesichert, wenn die
dem Vater zugeschriebenen Münzen als ihm zugehörig anzuerkennen wären;
allein v. Sallet, Daten S. 76—79 erkennt einen Kaiser Macrianus senior
nicht an.
2) Zur Geschichte des Odänathus tragen so «iemlich alle fKr diese
Zeit in Betracht kommenden Quellen bei; sie bedürfen aber, namentlich
Trebellius (vit Gall. 12 f., iyr. 15) sehr der Eontrolle, die durch die Monu-
mente (Münzen und Inschriften) gegeben ist. Auf diesen beruht y. Sallet,
die Fürsten von Falmjra unter Gallienus, Claudius uud Aureliaa. Über
die griechischen Inschriften vgl. auch Le Bas-Waddiogton III n. 2600 ff.
(ezplic. p. 699 ff.), wo die Ehrungen, welche die Gemeinden und Korpora-
tionen den verschiedenen Mitgliedern der Familie des Odänath erwiesen,
zusammengestellt bind, und auch die Gemeindeverfassung zu erkennen ist;
femer bei Vogüd, Syrie centrale^ inscripHons aemiUques, die Inachriften in der
Landessprache. Von neueren Darstellungen der Verhältnisse Palmyraa und
der hierher gehörigen Ereignisse, vgl. W. R. Smith in Encjcl. Britann. IB,
198—203. Mommsen, r. Gesch. 5, 422—442. ^ j
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- 567 -
Reiche angeschlosaeu, hatte bisher nur die Rolle einer freien
Handelsstadt gespielt^ die mit allen Privilegien^ welche die Ent-
wicklung des Zwischenhandels zwischen dem Reich und den jen-
seitigen Euphratländern begünstigen konnten, ausgestattet und
stark genug gestellt war, um diesen Handel sowie die durch ihr
Gebiet bezeichnete Grenze zu schützen. Die angesehensten Bürger
nennen sich nach dem Kaiser Septimius Severus, der wohl bei
der Neuordnung der syrischen Verhältnisse in Erkenntnis der
Wichtigkeit Palmyras wahrscheinlich der Gemeinde das Kolonie-
recht verliehen hatte, an das sich dann bald darauf das Recht des
ius Italicum anschlofs.^) Jetzt wurde die reiche Handelsstadt der
Mittelpunkt einer politischen Macht. Die letzten Ziele des Mannes,
der diese Erhebung zu Stande gebracht, liegen, da er auf halbem
Wege beseitigt wurde, nicht offen vor, aber sie lassen sich er-
raten. Ansprüche auf das römische Imperium zu erheben, konnte
ihm, der der römischen Verwaltung bisher ferne gestanden und
nur in den lokalen Verhältnissen ihr mittelbar gedient hatte,
nicht wohl einfallen, aber nachdem es ihm gelungen, sich im
Kampfe gegen die Perser einen Namen zu macheu, mochte es
ihm als erreichbares Ziel erscheinen, ein Reich zu errichten, wie
es einst die Seleukiden gehabt.^) DaTs er zu diesem Behufe eine
gröfsere Macht haben mufste, als sie dem Haupte der palmyre-
nischen Gemeinde zu Gebote stand, war natürlich, und diese
Macht suchte er in den Streitkräften, welche das römische Reich
in Asien hatte. Dazu diente ihm unter den gegebenen Um-
ständen vortrefflich der Name des Gallienus, von dem er nach
allem, was man bisher erfahren, annehmen durfte, dafs er für
den Orient eben ein blofser Name bleibe, und der erste Teil
seiner Pläne, unter diesem Namen die römische Macht unter
seiner Führung zu vereinigen, gelang ihm; es stand ihm in
1) Schon der Vater nnd Grofsvater des Odänathus haben nach den
inscr. graec. den Rang von römischen Senatoren, der Vater heifst daneben
l%uq%o^ IlaXfivifrivÄVf Fürst von Palmyra; Septimius Odftnathus selbst heifst
Le Bas- Waddington, n. 2602 (explic. 8, 600) » Vogüä n. 23 (vollständiger
palmyr. Text) vnarinog im J. 268, sein Senatsrang gehört also der höchsten
Stufe an.
2) Trebellins rechnet ihn tyr. 16 (vgl. vit. Gall. 8) kurzweg zu denen,
welche Imperium sumpserunt in der Weise der andern Prätendenten; dem
widersprechen seine Handlangen. Die andern Quellen sprechen sich über
seine Pläne nicht aas; dem Zonaras ist er einfach *Poofia^ffi nictog 12, 24
p. 600 Bonn.
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~ 568 -
Palmyra selbst ordnungsmäJDsig ein romischer Prokorator zur
Seite, der die Interessen des romischen Fiskus zu vertreten hatte,
aber auch dieser war aus den Eingeborenen und Yerwandteo
des Hauses von Odänath genommen und hatte keine Militar-
macht zur Verfugung. *) — Wohl im J. 263 erschien Odänatiiiis
auf dem gröfseren Schauplatze, indem er den für Gallienus ein-
getretenen Yon der macrianischen Familie noch übrigen Quinios
bei Emesa besiegte und zum Tode brachte.^ Einen Augenblick
scheint Odänathus daran gedacht zu haben, den Perserkönig durch
Gefälligkeiten und Anerbietungen zu gewinnen, aber Sapor lieCs
sich nicht tauschen.') Indes mufste bei näherer Erwägung auch
dem Odänathus der Gedanke kommen, dufs der Perserkonig dodi
der nächstliegende Feind für seine Absichten sei und daCs Yon
diesem Standpunkte aus angezeigt wäre, diesen mit römischen
Hilfsmitteln unschädlich zu machen und dann die Verwirrung
im romischen Reich für seine Pläne einer Herrschaft über Vorder-
asien zu benutzen. So legitimierte er sich denn nun vor den
römischen Truppen in Asien durch den siegreichen Kampf gegen
die Perser, denen er Mesopotamien wieder entrifs und die er
bis zu den Mauern von Ktesiphon verfolgte*): es zeigte sich,
1) Vgl. die Inschriften des Septimius Vorodes (der also den Namen
Septimius mit Odänath gemein hat) Waddington n. 2606 ff., der THQaxunoq
inCtQonog 2eßciatov dovurivdQiog xal agyanitrig heilst. Derselbe fnngiert in
den Jahren, in denen Odänath die Stellung eines römischen Oberfeldhemi
hat, neben ihm in der munizipalen Stellung eines a^fanivrig^ vgL darfiber
Mommsen, r. 6. 5, 434 A. 1.
2) Zonar. 12, 24: {Kv'Cvxog xal BaVUcrag) iv 'Ei^icg ditjyov' If^a
yevoftsvog 6 'Sldivad'og xal avfißaXmv avTori^ vi%^ nal tov filr BccXUetof
avtog dvai(fet, tov dl KvXvtov ot zijg nölsmg. Hinsichtlich des Ballista ist
dieser Ausgang wahrscheinlicher, als was Trebellins weils, der ihn v. QalL
3, 2 zum Verräter an Quintus macht und tyr. 18 ihn sogar Eum Präten-
denten werden läfst. Die Zeit, in welcher dies vorfiel, bestimmt sich dar-
nach, ob man die Angabe des Trebellius vit. Gall. 10, dals im J. 264
Odänathus das imperium totim orientis optinuit, annimmt und die Verleihung
dieser Würde durch Gallienus mit Zonar. 12, 24 unmittelbar nach der
Ermordung des Quintus setzt oder den Perserkrieg dazwischen legt Siehe
unten.
3) Petr. Patric. fragm. 10 (Müller fragm. 4, 187 fr. 10). — Es ist
Sache der Kombination, dafs im obigen der Inhalt dieses Fragments in
eine Zeit verlegt ist, in der Odänath über den Weg, den er einschlages
wollte, noch nicht sicher war.
4) Vit. Gall. 10 und die andern Quellen. Zosimus 1, 89 sagt sogftr;
h&dav liixQi Ktrjatcpcavxog ccvxrjg ovx «««£ dXXä xal Ssvte^ov,
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— 569 —
dafs dieses Perserreich mit seinen kriegerischen Anläufen nicht
nachhaltig gefahrlich war, weil es kein stehendes Heer besafs,
sondern auf einen Zuzug angewiesen war, der den Charakter
des Freiwilligen hatte. Nach den Persem kamen die Gothen,
deren Rückzug über den Pontus auch ihm zu yerdanken war.^)
Gallienus seinerseits liefs sich die Stellvertretung, die sich ihm
so ohne sein Zuthun angeboten, gefallen. Er ernannte den Oda*
nathus wohl zum obersten Heerführer im ganzen Orient, indem
er die Stellung eines dux, die ja schon an allen Grenzen be-
kannt war, in ihrer höchsten Ausdehnung zur Anwendung brachte
und die Provinzialstatthalter unter ihn stellte, und zwar galt
diese Gewalt für ganz Asien. Daneben nahm er den Titel eines
Königs Yon Palmyra an.^ Allein mitten in diesen Erfolgen
1) Sync. p. 716 f.: 'Sldhad'og %axä ÜB^amv äi^nntvcag — S^vd^ag
xtnaXri^fABVos doXotpoviCxai. — ot dl Znv^ai hqIv avtov iWetv inav^ld'ov
slg xä tdia 9ul xov avxov Ilovtov,
2) Wenn Zonar. 12, 2S f. mit trjg icoag oder ndcrig dvaxoliig axffaxrjyog
den wirklichen Titel geben will, so wlSne dies dux orientts, (ygl. aach Schiller,
Gesch. der Eaiierz. 1, 826. 8S8 A. 9), nnd es wäre also wohl die Stellang
eines dux limitia orierUis in dieser Weise erweitert worden. Bei Zosim.
1, 39 lantet der dem Od. erteilte Auftrag toCg nsi^l xriv imav ngayiucöiv
oiüiv ip anoyvman ßmi^sPif 'Oddpa^ov ixcc^ev. Vgl. über dux auch Mommsen
bei ▼. Sallet, Fürst y. Palm. S. 72—76. Ob er, wie sf^ter sein Sohn, den
Titel imperator erhielt, (tyr. 15, 6), dafür fehlen die urkundlichen Belege.
Bex PdUmyrenorum heifst er yit. Gall. 10, 1 und dafs er in Palmyra cum
uxore Zenobia den Titel rex annahm, (tyr. 16, 2), ist für Zenobia urkund-
lich belegt. — Die Zeitfolge wird wohl nach Zonaras 12, 28 im Verhältnis
lu 12, 24 und den andern Quellen so herzustellen sein, dafs Od. zuerst
kleinere Erfolge gegen die Perser errang und dadurch ein Heer gewann;
mit diesem trat er gegen Quintus auf, erhielt infolge hieryon den Ober-
befehl in Asien und ging nun mit yoller Macht gegen Sapor yor. — Dafs
Gallienus den Od. zum Aug^stus erhoben hätte (yii Gall. 12, 1)^ ist dem-
nach nicht wahrscheinlich, jedenfalls nicht urkundlich zu erweisen (y. Sallet
a. a. 0. S. 66). Der Ortliche Umfang seiner Gewalt mulste in dem Dekret,
das ihm dieselbe yerlieh, nach Proyinzen angegeben sein. — In sein Gebiet
fällt jedenfalls das Land der cilidschen Isaurier, in dem ebenfalls eine Er-
hebung stattfond, deren Führer Trebellianus aber nur die lokale Unabhängig-
keit für Aufrichtung eines neuen Seeräubertums wollte. Gregen ihn, heifst es
tyr. 26, 4, sei ein dux GaJlieni gezogen, der wohl ihn beseitigte aber nicht
die Unabhängigkeit seiner Isaurier, mit denen die Römer auch später nur in-
soweit fertig wurden, als sie dieselben in ihren Bergen isolierten (regio
— novo genere eustodiarum quasi limite includiiur — 26, 6). Da Odänath
hier gar nicht genannt wird, wird die Sache wohl yor 264 fallen. — Auch
die Erhebung eines Amilianus wurde durch einen dux Gälliini Theodotus.
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scitigt.
" 570 -
fand er einen Gegner im eigenen Hause: es war ein Verwandter,
der ihn tötete.*) Seine Ermordung machte jedoch der von ihm
vertretenen Politik noch kein Ende, denn seine Gemahlin Sep-
timia Zenobia, die wohl schon bei seinen Lebzeiten die kluge
und thätige Genossin seinei: Bestrebungen war, fQhrte sie weiter
fort, indem sie für ihren jugendlichen Sohn Yaballathus die Re-
gierung in die Hand nahin, dabei auf den Bahnen des von
Odänathus begonnenen weiter ging und den letzten Zielen eher
mit rücksichtsloserem Vorgehen nachstrebte. Auch sie wurde
mit ihrem Sohn von Gallienus anerkannt, und zwar sie selbst als
Königin von Palmyra und ihr Sohn sogar mit dem Imperatortitel
im Osten,^)
Gaiiionu« be- 8. Dics War der Stand der Dinge im Reich zu Anfang des
J. 268. Das Resultat für diesen Moment war, dafs die Integrität
des Gebiets zwar im Orient nominell voll wieder hergestellt, da-
gegen von den Donauprovinzen Dacien thatsächlich so gut wie
verloren, wenn auch noch nicht aufgegeben*), und ebenso das
den Bruder des Besiegere der Isaarier, niedergeschlagen, wobei angegeben
wird: {ßaUimtAs) cum Theodoto vellet imperium procansulare äeeemere^ a
sacej'dotibus est prohtbiius, qui dixerutU^ fasces consulares ingredi AJexan-
driam non licere (tyr. 22). Es wäre von Interesse, zu wissen, ob dies noch
vor Odänaths Einsetzung stattgefunden hätte. Nach früherer Regel wäre
in Ägypten von Syrien aus eingeschritten worden, wie dies dann auch später
unter Zenobia geschieht (s. unt.)
1) Tyr. 16, 5: a consohrino suo Maeonio — interemptus est. Dieser
Mäonius wird dann tyr. 17 selbst als Piiltendent bebandelt, aber in^eratar
appeUcUus per errorem brevi a militibus pro euae luxuriae merüis interemptus
est. Zonar. 12, 24 a. E. Nach Zos. 1, 39 geschah der Mord in Emesa.
Die Zeit bestimmt sich nach ägyptischer Zählupg der Regierung^ahre des
Sohnes 266/267. v. Sallet, Fürsten von Palmyra S. 14.
2) Yaballathus heilst auf Inschriften und Münzen sicher imperator
(avrox^aTflo^), und wenn die Deutung der Münzlegenden bei v. Sallet (a. a
0. S. 16—48) richtig ist, mit seinem vollen Titel v(ir) c(onsularis) B(oma'
norum) %m(perator) d{ux) B(omanorum) ; wir wissen nicht, wie weit diese
Titulatur an den Anfang seiner Regierung zu setzen ist. Zenobiamy sagt
Vopiscus vit. Aurel. 38, 1, VabdlcUhi ßii nomine imperium tenuisse quod
tenuit. Den Römern gegenüber war sie zunächst Königin von Palmyra;
ihre Stellung als wahre Trägerin der dem Sohn überkagenen Qewalt madite
sie sich zuerst selbst und wurde erst später von den Römern darin aner-
kannt durch den Titel Äugusta, den sie auf Münzen und Inschriften
führt. V. SaUet, 48 ff.
8) Eutrop. 9, 8 Dada tum amissa. Damit ist noch nicht gesagt, dals
man bereits auf die Wiedergewinnung verzichtete, auch mögen noch mili-
tärische Stellungen gehalten worden sein.
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^ 571 -
Land zwischen dem Rhein und dem überrheinischeu Limes in
den Händen der Alamannen war^); der Rhein selbst war durch
die gallischen Imperatoren noch leidlich gesc^ützt^ aber hier wie
an dem ganzen Lauf der Donau von Rätien bis zur Mündung
war die Grenze eine bestrittene und von den Barbaren vielfach
durchbrochene. Das Hauptinteresse aber war in diesem Augen-
blicke nicht auf diese Barbarennot gerichtet; sondern auf den
Feldzug gegen das gallische Imperatorentum und auf die Epi-
sode desselben, den Kampf zwischen Gallienus und dem in Mai-
land eingeschlossenen Aureolus. Hier war es, dafs die dem
Gallienus bisher noch treu gebliebenen Generale, worunter
namentlich Heraclian und der spätere Kaiser Aurelian genannt
werden, zusammentraten, dem allgemeinen Verlangen, endlich
aus diesen schmählichen Zuständen, in denen man nur die Wahl
zwischen einem ebenso unwürdigen als unfähigen legitimen Kaiser
und beständig wechselnden Prätendenten hatte, herauszukommen
Ausdruck gaben, und nachdem sie sich über die Beseitigung des
Gallienus geeinigt, sich auch über einen Nachfolger vereinbarten,
der durch ihre Namen gestützt die Macht gewinnen sollte, die
übrigen Prätendenten zu überwinden und zugleich das Reich
nach aufsen wieder zu sichern. Der Mann, auf den sie sich
einigten, war nicht einer der Verschworenen, aber einer, dessen
Übereinstimmung mit ihnen sie sicher waren und dem sie willig
als dem verdientesten Bekämpfer der Barbaren und dem zum
Imperium geeignetsten den Vorrang zuerkannten, M. Aurelius
Claudius. Der dem Tode geweihte Gallienus wurde in einem
Kampfe, in den man ihn brachte, samt seinem Sohne getötet').
1) Ein iDBchriftliches Datum l&Ist sich von der Zeit der AUeinherr-
Bchafb des Gallienns an im transrhenacischen Gebiet nicht mehr nach-
weieen. Dafs, was die Römer unter dem Schutz des Lagers von Mainz
jenseits des Rheins bis auf 80 Lengen noch unterworfen hielten, unter
Gallienus verloren ging, sagt das Yeroneser Provinzialverzeichnis vom
J. 297. Mommsen in Abh. der Berl. Akad. 1862 S. 498. Geogr. lat. min.
Riese p. 129. Auf rätischem Gebiet in der N&he des r&tischen Limes an
der Grenze des oberrheinischen Zehntlandes findet sich in Hausen ob Lon-
thal (Wfirttemb.) noch eine Inschrift auf Gallienus. die also nach 260 f&llt:
%7n]p. (Joes, Galli[cnu8] Germanicu[8. p, f,] inviciua Äu[g.]. SiAlin, würt.
Gesch. 1^ 49 n. 184 — c. l lat. 8 n. 6988.
2) Trebellius Gall. 14, 1 giebt als Motiv nur an, dafs sie Gäüieni
tantam improbitaiem ferre non possent Nach Yict. Caes. 38 hatte Aureolus
durch Mitteilung an die Generale, dafs Gallienus im Sinne habe sie zu
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— 572 —
und Claudius nahm die Nachfolge^) an. Die Soldaten, wie
schon bemerkt, an Gallienus anhänglich , wollten sofort sich
nicht zufrieden gej^en, aber man kannte das Mittel, sie durch
Geschenke zu gewinnen (ob. S. 559 A. 3). Die Anerkennung
des Senats zu erbitten, versäumte man nicht ^), und so war der
gefallene konstitutionelle Kaiser durch einen ebenfalls ver&s-
sungsmäfsig anerkannten ersetzt. Der erste Erfolg war, dafs
Aureolus sich nicht mehr halten konnte, getötet wurde und nun
die Streitkräffce des Occidents mit Ausnahme der gallischen in
der Hand des neuen Kaisers wieder vereinigt waren.') Damit
begann die Wiederherstellung des einheitlichen Imperiums.
§ 88. Von Claudius bis Diooletian. Letztes Sehwanken
zwischen Heer- und Senatakaisertum« Das Ausleben
der augusteischen Verfassung.
ciaudiuf. 1. Die etwa zweijährige Regierung des Illyriers M. Aurelius
Claudius*) gehört für uns wenigstens durchaus dem Kampf gegen
töten , diese veranlafst vorzagehen. Dafs das Mifstrauen, welches Gallienos
gegen seine Heerführer hatte, diese mit veranlassen konnte, ihm zuvor-
zukommen, ist immerhin möglich. Nach Zonar. 12, 26 wäre die Ausfühnuig
der Yerschwörang dadurch beschleunigt worden, dafs man die Entdeckung
erfuhr. — Das Datum, an welchem der Tod des Gallienus in Rom bekannt
wurde, w9jre nach vit. Claud. 4, 2 der 24. März 268 gewesen.
1) Wie weit er selbst bei dem Plane beteiligt war, läTst sich nicht
bestimmen. Die tendenziös lobende Biographie sagt 1, 8, dafs er tum auc-
tor consüU fuü.
2) Vit. Claud. am ang. 0. mit Angaben zweifelhaften Wertes über die
Senatssitzung. Eutrop. 9, 1 : Claudius — a miliHbus electus a senatu appd-
7a^us Augu8tt$8. Nach Vict. Caes. 38 hfttte Gallienus selbst einmal den
Claudius zu seinem Nachfolger bestimmt gehabt; deshalb Odlliemim 9Üb<icii
a Claudio patres, quod eius arbitrio imperium cepisset, divum dixere. Da&
es trotzdem keine Inschriften des divus OtUlienus giebt, begreift sich.
8) Zosim. 1, 89: AvqioXos — inBüTiQvxBvsto z£ Tta^xQVC^"^ ^Qos KXav-
diov %al naqadovg savxov vno rmv nsi^l top ßaaiXicc öxifctvtmtmv «vco^rTat
TJ duc triv dnoütaötv ixofiivoiv oqy^. Dagegen vit. Cland. 5, 8: tudido
suorutn müitum ap%td Mediölanium Aureolus dignum exitum viia ac mori-
bus suis hdbuü. Nach Vopisous vit. Aurel. 16, 2 war es ungewüs, ob
Claudius den Tod des Anr. wollte.
4) Vict. epit. 84: imperavit annis duobus; nach Oros. 7, 28 starb er
priusquam biennium expleret Das stimmt im allgemeinen damit, dafs er
noch trib, pot. III hat und innerhalb des dritten alexandriniscben Jahres
sich hält. Konsul wurde er erst als Kaiser ; vgl. Henzen in Bulleti. d. inst
arch. 1880 p. 106. — Über seine Abstammung ans der üljrischen Land-
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- 573 —
die ins Reich eingedrungenen Barbaren an. Anfserhalb Roms
erhoben, aber der Stimmung von Senat und Volk in Rom sicher,
des mit Gallienus ausgezogenen Heeres, unter dem die Garde
sich befand, ebenfalls gewifs^), ging er nicht nach Rom, sondern
blieb im Felde, nach errungenen Siegen aber zurückzukehren
war ihm nicht mehr yergonnt. Von der durch die Erfahrung
bestätigten Ansicht ausgehend, dafs die Nebenregierung in Gal-
lien eine dringende Gefahr nicht biete*), begnügte er sich die
Sicherung Italiens gegen Gallien, eventuell das Vorgehen seiner-
seits nach Gallien, den Truppen zu überlassen, welche zugleich
die Verteidigung Italiens gegen die Alamannen zu führen hatten;
die Lage im Osten aber mulste er, von wichtigerem in An-
sprach genommen, froh sein, in dem Stande zu lassen, in dem
er sie antraf, d. h. mit dem nominellen romischen Imperium
und der thatsächlich selbständigen Herrschaft der palmyrenischen
Konigin, die ihrerseits für den Augenblick noch ebenfalls bei
dem bisherigen Verhältnis bleiben wollte. Der Kaiser selbst
muCste so rasch wie möglich den Gothen entgegenziehen, welche
in mächtigen Massen zu Land über die Donau herübergekommen
waren und von der See her die thrakische und makedonische
Küste heimsuchten.^) Ihre Vernichtung sollte das einzige grofse
Werk seiner Regierung sein, sie war aber ein so gewichtiger
Erfolg*), dafs der Titel des Gothensiegers, den er als Unterschei-
dungsnamen führt, nicht ohne innere geschichtliche Berechtigung
Schaft Dardania und das Verwandtscbaftsverhältnis dos nachmaligen Kaisers
Constantius zu ihm vit. 11, 9. 13, 2. Mit letzterem hängt wohl anch zu-
sammen, dafs ihm in den Biographieen (vit. Anrel. 17, 2 vgl. vit. Cland.
3, 6) der darch die Monumente nicht belegte Name Flavius gegeben wird.
1) Nach tyr. 31, 12. 32 wäre unter Claudius ein Censonnus, einer
der angesehensten Männer senatorisohen Standes (bis conaülj bis praef.
praet,^ ter praef. wbi etc.), wie es scheint in Italien, von Soldaten zum
Imperator erhoben, dabei, weil er infolge einer Wunde datidicims gewesen,
Claudiua genannt, jedoch bald wieder wegen seiner Strenge von denselben
Leuten getötet worden. Es läuft in dieser Notiz Ernsthaftes und Skurriles
so durch einander, dafs man nicht weils, was man damit machen soll,
jedenfalls liegt darin nur ein Zwischenfall, der keine Bedeutung hatte.
2) Zonar. 12, 26 läfst ihn rhetorisch sagen: 6 nqoq xov xv(favvov noXs-
ftog ifiol diatpiifsif b Öl ngog tovg (Sa^ßa^ovff xy noXixBÜf^ %al %^ri ngoxi'
lifldijval xop x^s nohxsücs.
3) Koalition der gothischen und sonstigen germanischen Stämme gegen
die Donauprovinzen. Zos. 1, 42. Vit. 6 ff.
4) Die Hauptschlacht bei Naissus (Nisch) angegeben bei Zo^. 1, 46l
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seinem Namen in anderer Weise anhaftet, als die vielen Sieges-
titel der andern römischen Imperatoren.^) Infolge dieses Siegs
wurde wieder eine Menge der übrig gebliebenen Barbaren in
dem römischen Provinzialland als Kolonen angesiedelt.*) — Aber
auch die Alamannen, die über Ratien hereingekommen waren,
waren bereits im J. 269 durch einen bedeutenden Sieg in der
Gegend des Gardasees zurückgewiesen worden^), und nach diesem
Sieg hatten sich Truppen des Claudius im narbonensischen Gal-
lien festgesetzt*) — Andererseits hatten sich in Ägypten Er-
eignisse vollzogen, welche vom Kaiser nur unter der Zwangs-
lage, in der er sich mit seiner Eriegsaufgabe befand, angenommen
werden konnten. Ein Ägyptier Timagenes hatte die Zenobia
veranlafst, Ägypten zu besetzen, und diese ihre Truppen unter
palmyrenischer Führung einrücken lassen; der Widerstand,
welchen die Ägypter unter Anführung eines römischen Befehls-
habers Probus leisteten, wurde niedergeschlagen. Zenobia hatte
dies gethan noch vermöge des römischen Imperiums, das sie
1) Er hat ihn auf den Monumenten erst als Divus. Orell. 1025. Wil-
manns 1038. Cohen 6 p. 186 n. 63.
2) Vit. 9, 4: impletae barharis servis Scylhicisque cultoribus Ramanae
provinciae; f actus limitis barhari colontts e Gotho, nee vUa fmt regio quae
Gothum servum tritmiphali quodam serviHo non haberet.
3) Vict. epit. 34: receptis legionibus adversum gentem Älamannorum
haud pi'ocul a lacu Benaco dimicans tantam tnuUitudinem ftidit, ut aegre
pars dimidia superfuerit Damach hätte Claudius selbst sofort nach der
Übernahme des Imperiums in Italien diesen Erfolg gehabt. Die anderen
Quellen lassen ihn sogleich gegen di^ Gothen ziehen. Im J. 269 hat
Claudius den Beinamen Germanicus, der wohl eben auf diesen Sieg sich
bezogen haben wird (s. folg. Anm.). Möglich wäre, dafs der Bruder des
Kaisers, QuintiUu?, der bei seinem Tod bei Aquileja steht (Hieron. a. Abr.
1287 p. 183 Schöne. Chronogr. n. 354 p. 648 Momms.), die Kriegführung
gegen die Alamannen gehabt hätte; dann bleibt es aber auffiallend, dais
dies nicht erwähnt wird. '
4) Inschrift von Grenoble Bullett d. inst. arch. 1880 p. 106: Imp.
Caes. M. Aur. Claudio pio felici invicto Aug. Oertnanico max, p. m. trib.
potestatis II cos, patri patriae proc, vexillationes adque eguües itemque prae-
positi et ducenar(tt) protectipres) tendentes in Narb. prov. süb cura /«/.
Placidiani v(iri) p(erfectissimi) praefect. vigil etc. Es standen aUo bei
diesem Korps auch die stadtrömischen Truppen.
6) V. Claud. 11. Zos. 1, 44: Zdßdav inl tjjit Afyvntov inmimsi Ti^a-
ysvovg dvSQog AlyvntCtn) tr^v ccQxrtv t^g Alyvnxov ncclfiVQqvoig xatangccTto-
fiivov. Bei Zos. heifst der Prätendent, gegen welchen die Palmyrener ein-
schreiten^ Probus.
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- 575 -
vertrat und die Ägypter auch wieder zum Gehorsam gegen
Claudius Yerpflichtet, dabei vielleicht die Unternehmung dadurch
zu rechtfertigen gesucht, dafs sie den Probus als Usurpator dar-
stellte.^) Auch ist wohl jetzt der Zenobia der Titel Augusta,
wie einer Frau, die zum kaiserlichen Hause gehörte, von Clau-
dius verliehen worden, nicht aber der entsprechende Titel dem
Yaballathus, für dessen Person darin etwas wesentlich anderes
gelegen wäre.^) Allein Claudius konnte sich bei dem, was er
hier geschehen liefs und that. Ober den wirklichen Sachverhalt
keine Illusionen machen; er wollte nur mit derselben Umsicht,
mit der er die gallischen Dinge anfafste, auch jetzt noch das
Eingreifen auf die Zeit verschieben, in welcher er es mit freier
Hand und dann mit sicherem Erfolg thun konnte. Jedoch die
Früchte seiner Siege gegen die Germanen zur Wiederherstellung
des einheitlichen Reichs zu verwerten, war ihm nicht vergönnt;
er starb vor August des J. 270*) in Sirmium an der Pest, von
seiner kurzen Regierung den Eindruck hinterlassend, dafs er der
Mann gewesen wäre, der dem römischen Reich hätte aufhelfen
können/) Sein Tod wurde zugleich verhängnisvoll für seinen
Bruder Quintillus. Es war nun wieder im ersten Augenblick der
Wetteifer der Truppen geschäftig gewesen, so rasch wie mög-
lich einen Nachfolger zu schaffen, der dem betreffenden Heere
genehm gewesen wäre; das Heer in Italien stellte den Bruder
des Claudius Quintillus auf, anderen zuvorkommend; allein die
übrigen Legionen wollten hiervon nichts wissen, sondern erhoben
1) Vit. Claud. 11, 2: Aegyptii omnes se Romano imperatori dedeitmt
in absentis Claudii veiha iurantes.
2) V. Sallet, Münsen y. Palm. 60 ff. findet es wahrscheinlicher, dafs
Zenobia den Angnetusiitel von Anrelian erhielt, aber ans welcher Yeran-
lassong? Über die relative Bedeutung desselben als blofsen Ehrentitels bei
Franen, Mommaen r. G. 5, 487 A. 1; über Yaballathns und Zenobia als
rex und regina in Ägypten, Mommsen in ephem. epigr. 4 p. 26 sq.
3) Weil es kein viertes alex. Jahr von ihm giebt, ob. S. 672 A. 4.
4) Nicht nur der Biograph, auch die andern Qnellen stimmen in dem
Lob seiner Regierung überein. Mit den summarischen Angaben über die
innere Regierung (vit. 2, 7: fures iudices pdlatn aperteque damnavity stuliis
quasi neghgenter indulsit, leges optimas dedit) läfst sich nichts anfangen.
Eine einzelne Bestimmung Zonar. 12, 26: anrjyoQSvas näai trfTSiv in ßaat-
X^mg ttXloTQia Tcgayficeta' vsv6fi,iato yccQ tovg ßctßiXBtg dvvaa^ai dcnqBtoQ'at
aal xcL alXöxqia' ZQ'Bv %al ot hi xtC^Bvoi vofMi rtaga tjj noXixBla iG%ri%aüi
triv aq%r^v. Daran schliefst sich eine charakteristische Anekdote, wie er
selbst fremdes Gut, das ihm geschenkt worden war, zurückgab. ^ j
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— 576 -
ihrerseits den General^ der bereits bei der Erhebung des Claudius
eine hervorragende Stelle eingenommen und von letzterem m^te^
dessen an dem Donaulimes mit dem höchsten Kommando nach
dem kaiserlichen bekleidet worden war, den L. Domitius Aure-
lianus. Quintillus gewann zwar die Anerkennung des Senats,
der dem nächstlagernden Heer gegenüber sie nicht versagen
konnte, aber gegen den Willen der Mehrzahl der Legionen
blieben ihm auch die eigenen Truppen, ohnedies durch seine
Strenge von ihm abwendig gemacht^ nicht treu. Für Aurelianus
kam die Zustimmung des Senats nicht weiter in Betracht.^)
Aurelianus. 2. Das Werk der Verteidigung der Reichsgrenze, das Clau-
dius begonnen, hat Aurelian, der ebenfalls aus den Donaupro-
vinzen stammte^), kräftig und erfolgreich fortgesetzt, die Wieder-
herstellung der Reichseinheit hat er vollendet Sofort nach seiner
1) Die Erhebung des Qaintillaa wird ziemlich einstiiiimig berichtet;
anch geht aus den ßerichten hervor, dafs sie zuerst erfolgte. Lob seines
Charakters nicht blofs bei Trebellius und Eutrop. 9, 12. Anerkennung
durch den Senat bei Eutrop und Zonar. 12, 26; verschiedene Versionen über
seinen Tod bei Zonaras. — Die meisten Quellen lassen ihn nur 17 oder
18 Tage regieren, aber Eckhel hebt 7, 478 hervor, dafs wegen der Menge
seiner Münzen man ihm mit Zosim. 1, 47 wenigstens einige Monate geben
müsse; im Chronogr. v. 854 heifst es: iwp, dies LXXVII; über den Ort
seines Todes ob. S. 574 A. 3. — Über die Aufstellung Aurelians vit. Aur.
17, 4: consensu otnniutn legionum (actus est imperator; nach Zonar. 12, 26
hätte Claudius selbst vor seinem Tode den Generalen den Aurelian als
Nachfolger empfohlen.
2) Vit. 3, 1: Äureiiantts ortus ui plures loquuntur^ Sir mit familia ob-
scuriorey ut nonnulli Dada ripemi; ego atUem legisse me memini auctorem
qui cum Moesia gentium praedicaret. Vict. epit. 35: genitus paire mediocri
et iU q\iidam ferunt AwreUi clarissimi senatoris colono inter Dadam et
Macedoniam. — Die Biographieen der Kaiser zwischen Claudius und Diocle-
tian rühren von Flavius Vopiscus her, der sie, veranlalst im Nov. 303 durch
den damaligen Stadtpräfekten Junius Tiberianns, von dieser Zeit an sehrieb.
An sich konnte es dem Vopiscus teils aus eigener Erinnerung, teils nach
der von älteren Freunden und Verwandten, die bei den Ereignissen be-
teiligt waren (vit. Firm. 9, 4) nicht schwer werden, authentLsche Erzählung
zu geben, und seine Biographieen sind in der That etwas zuverlässiger als
die des Trebellius, aber auch hinsichtlich der von ihm gegebenen Urkunden
ist eine Sicherheit nicht vorhanden, und geistlos ist er kaum minder als
Trebellius. Vgl. über die Schriftstellerei des Vopiscus Julius Brunner
in Büdinger, Unters. 2, 1 — 111, wo übrigens Vopiscus eber noch zu hoch
taxiert ist. — Der Unterschied der griechischen und lateinischen QueUen
macht sich hinsichtlich der lokalen Verhältnisse auch hier mehrfach geltend ;
für die kriegerischen Ereignisse, namentlich so weit sie den Osten be-
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Erhebung ging er nach Rom, ohne Zweifel nm sein Imperium
da, wo Quintillus anerkannt worden war, festzustellen, von da
zuerst nach Aquileja, wohl um die dortigen Truppen des Quin-
tillus zu übernehmen, worauf er sofort Veranlassung hatte, in
Pannonien gegen eingedrungene nördliche Stamme zu kämpfen.^)
Kaum hatte er sie dazu gebracht, so mufste er die Grenzen
Italiens gegen die zu den Alamannen gehörigen Juthungen
schützen, und auch hier konnte er die Gefahr abwenden durch
einen Sieg, der wohl an die obere Donau südlich vom rätischen
Limes zu verlegen ist.') Nach diesen Kämpfen, die noch in das
J. 270 fallen, mufste der Kaiser im Winter 270/1 abermals zu-
erst^ wie es scheint an der Donau, gegen die Yandalen, die über
den Flufs herübergekommen, kämpfen und dann wieder zum
Schutz Italiens herbeieilen, indem alamannische Stämme vereint
mit Markomannen in grofsen Massen in Oberitalien eingefallen
waren. Zuerst erlitt das römische Heer eine schwere Nieder-
lage bei Placentia, infolge deren sogar Rom geföhrdet erschien;
aber die Germanen wufsten den Erfolg nicht zu nützen, ihre
Massen nicht zusammenzuhalten und wurden geteilt überwun-
den.') Infolge der hier gemachten Erfahrungen war es, dafs
sich dem Kaiser der Gedanke aufdrang, der Hauptstadt Rom
eine neue Befestigung zu geben.*) Die servianische Umwallung
der Stadt that längst nicht mehr den Dienst einer Befestigungs-
treffen, sind wiedemm hier die Fragmente des Dezippas und Zosimna die
besseren Quellen.
1) Zosim. 1, 48: AvQJiXiccvog %Qaxvvcciisvog xrjv oi(fxrjv xal i% xrjg'Pcaiirjg
ilttcag inl xrjv 'AxvXritav ix(6(fsi %a%si^BV rjXavvsv inl xd Tlaioviov ^d-vTj,
xovxoig xovg Z%v^ag fia^mv imd-iö&ai, v. Wietersheim Dahn 1, 668 ff.
geht bei seinen Erörternngen darüber, wer die hier genannten Skythen ge-
wesen, davon aus, dafs Aquileja dabei als Ausgangspunkt der Operationen
genannt werde. Allein Aquileja hat wohl hier mit der Eriegfflhrung gegen
die Germanen gar nichts xu thun, sondern Aurelian reiste über diesen Ort
nnr, weil daselbst das Heer des Quintillus stand, das er abemehmen mufste.
2) Zu kombinieren aus Zosim. 1, 49 und Dexippus fragm. 24 Müll.,
wo von alamannischen Völkern speziell die Juthungen genannt werden.
8) Neben den in vorherg. Anm. genannten Quellen vit. Auf. 18—21.
Die Zeitbestimmung folgt aus dem Datum c. 19, 1, wo infolge der Gefahr,
von welcher Rom durch die Markomannen bedroht ist, in einer Senats-
sitzung vom 11. Jlan. (271) über Einsichtnahme in die sibyllinischen Bücher
verhandelt worden sein soll.
4) Vii 21, 9. Zos. 1, 49 und die andern Quellen; die vita mit dem
Zusatz: nee tarnen pomerio addidü eo tempore scd postea. C^r^r^n]o
Herzog, d. röm. StaaUvorf. U. 1. 3^^'^'^^^ by ^OOglL
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anläge; in den langen Jahrhunderten äufseren Friedens für Italien
hatte die Stadt über den Wall hinaus sich erstreckt, dieser selbst
war an vielen Stellen überbaut und wohl auch da, wo er noch
ein wirkliches Festungswerk war, verfallen. Nunmehr wurde ein
Werk in Angriff genommen, das seinem Umfang und seiner
Anlage nach den Bedürfnissen der Zukunft entsprechen und jeder
denkbaren Vergröfserung der Stadt gewachsen sein sollte. Eine
zweite Vorsichtsmafsregel bezeichnet in nicht geringerem Mafse
die gegen früher veränderte Lage. Das jenseits der Donaa ge-
legene Besitztum Dacien wurde definitiv aufgegeben, die Trappen
und die Verwaltung zurückgezogen, und da ohne deren Schutz
die römische und romanisierte Bevölkerung, wenn sie sich nicht
mit den Barbaren vertragen wollte, der Vernichtung preisgegeben
war, aufgefordert, ebenfalls diesseits der Donau Ansiedlangen
zu nehmen. Es wurde aber nun, teils um nicht durch das Auf-
geben eines Provinzialnamens den Verlust zu offen erscheinen
zu lassen, teils wohl auch in dem bereits bestehenden Zage,
kleinere Verwaltungsbezirke herzustellen, aus einem Teil der
mösischen Provinzen und der Landschaft Dardania eine neue
Provinz Dacien gebildet.*) — Unterdessen war, man sieht nicht
genau wie, die Abrechnung mit der palmyrenischen Reichsgrün-
dung gekommen; sicher ist, dafs Zenobia in Eleinasien and
Ägypten wie eine selbständige Regentin auftrat und schliefslich
auch die Maske der bisherigen römischen Unterthänigkeit offen
abwarf. Sie liefs ihren Sohn Vaballathus nunmehr den Titel
Augustus annehmen und damit den Bruch mit Rom vollenden.
Auch ein weniger autokratisch angelegter Imperator hätte jetzt
das Einschreiten nicht länger verschieben können. Die erste
Aktion erfolgte gegen Ägypten, aus dem der beste General des
1) Vit 89, 7 : cum vastatum Illyricum ac Moeaiam deperditam videreij
provinciam Trcmsdanuvianam Daciam a Traiano canstittUam siiblato exer-
citu et prcvinciälibus reliquüj desperans eam passe retineri abductosque ex
ea populos in Moesia conlocavit appeUavitque suam Daciam, quae nunc duas
Moesias dividit. ZunächBt acheint die neue Provinz einfach Dacia geheilseo
zu hahen; in den Münzen mit Dacia felix (Cohen 6 p. 184 n. 785) wnrde
ihr gleichsam der offizielle Willkomm gegeben. Erst der Diocletianischen
Einrichtung gehörten wohl die Namen Dacia ripensis und Dardania an,
welche bei Ruf. brev. 8 (per Aurelianum translatis exinde Bomanis dwie
Daciae in regionibiM Moesiae ac Dardaniae fadae sunt) zusammen mit
Aorelians Mafsregel erwähnt werden; aus letzterer Notiz erhellt, dals die
Landschaft Dardania in dem neuen Dacien Aurelians mi^egriffen war.
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Aurelian, der nachmalige Kaiser Probus, die Palmyrener ver-
treiben sollte und auch wirklich vertrieb. Den Feldzug gegen
Palmyra selbst unternahm der Kaiser in eigener Person mit dem
Erfolge, dafs im Frühjahr 272 die Oasenstadt genommen ward
und Zenobia in die Gefangenschaft Aurelians geriet.^) Die per-
sische Hilfe, welche sie gehofft, war ausgeblieben, und so konnte
auch Aurelian vorerst es unterlassen, seine Aktion im Orient
auf einen persischen Feldzug auszudehnen; ein solcher wäre bei
den damaligen dynastischen Kämpfen in Persien selbst erleichtert
gewesen; aber des Kaisers harrte noch eine weitere Aufgabe im
Westen. Doch wollte er den Osten nicht verlassen ohne völlige
Sicherheit; als daher während seiner Rückkehr in Palmyra ein
neuer Aufstand ausbrach, kehrte er um und schaffte sich, trotz-
dem dafs er damit beinahe ein Jahr verlor, durch vollige Zer-
störung Palmyras definitive Kühe; ebenso ging er selbst nach
Ägypten, wo ein Prätendent Firmus mit der Absicht der Los-
reiCsung der Provinz vom Reich aufgetreten war, und beseitigte
auch hier die neue Störung.*) — Was nach der Rückkehr im
J. 273 noch übrig war, die Beseitigung des gallischen Impe-
riums, wurde durch den Träger desselben sehr leicht gemacht.
Nur gezwungen seine Rolle weiterführend verlangte Tetricus,
ein friedlicher Senator und kein Feldherr, nur eioe Gelegenheit,
um dem legitimen Kaiser die Gewalt wieder in die Hände zu
1) AuBführlichere Erzählung Zosim. 1, 50—61. Vit. Aur. 22—31.
Vit. Prob. 9, 6 (Eroberung Ägyptens durch Probus). Über die Annahme des
Titels Augustm durch Vaballathus v. Sallet, Fürsten von Palmyra S. 63 f.
Die ägyptischen Münzen zeigen den Yab., wo er mit Aurelian zusammen
erscheint, ohne den Titel Augustus; wo Aur. nicht mit dabei ist, führt
Vab. diesen Titel; über die Zeit der beiden Feldzüge (wegen der Krieg-
fühning gegen Palmyra je nur im Frühjahr) 272 und 273 Le Bas- Wadding-
ton 3, p. 605 f. (explic), Mommsen, r. 6. 5, 441 A. 2. — Bei dem Aufstand
von 272/273 heifst der, welchen die Palmyrener an die Stelle des Vab.
treten lassen wollen, Achilleus, bei Zos. 1, 60 Antiochus. Ersteres mag
Verwechslung mit einem Achilleus sein, der unter Diocletian in Ägypten
auftrat. Vici Caes. 39.
2) Vit. Aur. 82, 2: res per Thracias Europamque omnem Aureliano
ingentes agente (während der Rückkehr nach Europa) Firmus quidam ex-
Utü, qui sibi Äegyptum sine insignibus imperii quasi ut esset civitas libera
vindicavit; ad quem continuo Aurelianus revertit nee illic defuit felicitas solita;
ausführlicher derselbe Biograph in der vita des Firmus, wo bemerkenswert
die Stellung, welche ein Kaufherr wie Firmus einnahm; ganz kurz ohne
Nennung des Firmus Zos. 1, 61. ^<^ i
^güizedbyV^OOgle
- 580 -
spielen, und diese bot sich beim Zusammentreffen der beider-
seitigen Hauptmacht, bei dem sich Tetricus gefangen gab.*)
Der Triumph, der allen diesen Erfolgen den feierlichen Abschlufs
gab und die restitutio orim*) besiegelte, stellt sich den bedeu-
tungsvollsten Triumphen, welche Rom gesehen, würdig zur Seite;
einzig freilich war er darin, dafs ein römischer Senator dabei
als Besiegter aufgeführt wurde. — Die weitere Regierung Aure-
lians war, soweit er sie nicht in Rom zubrachte, der Ordnung
der gallischen Verhältnisse sowie der Sicherung des rätischen
Limes gewidmet, und als er hiermit fertig war, sollte nunmehr
ein persischer Feldzug die Gelegenheit, welche Persien einem
Offensivkrieg bot, verwerten. Aber als er gegen Ende 275 von
Byzanz nach diesem neuen Kriegsschauplatze aufgebrochen war,
wurde er auf dem Marsche von Verschworenen, die sich selbst
durch ihn bedroht glaubten, getötet.^)
Von einem so energischen Herrscher, wie Aurelian uns in
seinem rastlosen Streben nach Wiederaufrichtung der Gröfse des
Reichs erscheint, möchte man leicht erwarten, dafs er auch in
der Organisation der inneren politischen Verhältnisse reforma-
torisch aufgetreten wäre. Dem ist jedoch nicht so: es lassen
sich keine tiefer gehenden bleibenden Neueinrichtungen von ihm
nachweisen. Alles vielmehr, was an Mafsregeln der inneren
Politik von ihm ausgeht, ist Geltendmachung der Auktorität des
Imperiums und Wiederherstellung der gestörten Ordnung. In
den konstitutionellen Fragen war gegenüber der vor ihm liegen-
den Zeit nach seinem Tode die prinzipielle Frage genau wie sie
1) Vict Caes. und epit. 86. Eutrop. 9, 18: superavit in GaXlia Tetri-
cum apud Catälaunos ipso Tetrico prodente exercitum suum^ cuius adsiduas
seMiones ferre non poterat
2) Bestüutor orbis heifst Aareb'an schon im J. 273 auf einem narbo-
nensischen Meilenstein, vgl. meine öall. Narb. app. n. 623, also offiziell;
ebenso auf Münzen restitutor orientis und rest orbis, Cohen 6 p. 197 f. Zur
Zusammenstellung und Ordnung seiner Siegestitel Wilmanns n. 1044. Über
den Triumph vit. 83 f.
3) Vit. 36, 4: his gestis ad GaXlias profectus Vindelicos obsidione bar-
barica Uberavit, deinde ad lUyricum redit paratoque magno potius ^piam in-
genti exercitu Persis — bellum indixit*, worauf die Erzählung von seiner
Ermordung; über letztere Zos. 1, 62. Zon. 12, 27. Der Unterschied in der
Nennung des Namens des Urhebers (Mnesteus in der vita, Eros in den
griechischen Quellen) ist bei der untergeordneten Stellung desselben irre-
levant; über die Chronologie s. unten S. 686 A. 1. r^^^^^T^
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- 581 —
die ganze Zeit vor ihm gewesen war, in der Verwaltung aber
war wohl manches frühere abgestorben, aber kaum etwas wesent-
lich neues eingeführt. Die Gründe für diese Beschränkung in
der Wirksamkeit sind gewifs zum Teil in den äufseren Umstän-
den zu suchen, darin, dafs die Wiederaufrichtung des äufseren
Bestands des Reichs durch alle die Kegierungsjahre Aurelians
hindurch so vielen Kraftaufwand in Anspruch nahm und der
Kaiser nur vorübergehend sich mit der Zentral Verwaltung be-
schäftigen konnte; aber auch Septimius Severus war in ähn-
licher Lage gewesen und hatte doch Zeit und Lust gefunden,
in die inneren Verhältnisse einzugreifen, und zur Zeit, da sich
Aütrelian zum Perserkrieg anschickte, hatte er, da ihm dieser
durch die Lage nicht aufgedrungen war, die Wahl, ob er die
nächste Zeit der Kriegführung oder der inneren Regierung
widmen wollte. Nicht ohne Einflufs für das Übergewicht der
militärischen Seite in ihm war natürlich seine rein soldatische
Laufbahn von niedriger Herkunft aus, zumal bei der seit Gal-
lienus herrschenden Trennung der Senatsstellung und der hohen
Militärstellen, wie er ja auch infolge hiervon sich in einer Um-
gebung befand, die wenig Fühlung mit der bürgerlichen Verwal-
tung hatte. Indessen, der nach ihm kam, Diocletian, war unter
ähnlichen Verhältnissen emporgekommen und wurde doch der Re-
formator der gesamten Reichseinrichtungen, so dafs es schliefs-
lich doch an der Persönlichkeit hing, wenn Aurelian noch die
überkommenen Verhältnisse bestehen liefs und keine Hand an-
legte an eine gründliche Reform.
Das Verhältnis, das Aurelian zum Senat einnahm, konnte
von Anfang an kein besonders freundliches und vertrauensvolles
sein, hatte doch der Senat den Quintillus anerkannt. Indessen
scheint bei der ersten Anwesenheit in Rom unmittelbar nach der
Übernahme des Imperiums Aurelian keine feindselige Gesinnung
bethätigt zu haben^), wie er denn auch, wenn es ihm ernstlich
um Wiederherstellung geordneter Verhältnisse zu thun war, der
Mitwirkung des Senats nicht entbehren konnte. Bei einer zweiten
Anwesenheit in Rom dagegen glaubte er mit Verschwörungen
zu thun zu haben und sah sich zu Exekutionen veranlafst, doch
1) Dals Aarelian, nachdem er nach Rom gekommen, die Senatoren
{tovg h tsXbi) gefragt hätte, wie er herrschen solle (Zonar. 12, 27 a. Anf ).
ist wenig glaublich. ^ j
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ist Dicht anzunehmeDy daCs e:* ein grofeerer Teil des Senats ge-
wesen ware^ der daran gedacht ^ einen Yersach znm Sturze de^
Kaisers zu machen.*) Bezeichnend für letzteren in seinem Ver-
balten gegen den Senat ist die Behandlung des Tetricns. Dals
derselbe geschont wird, kennzeichnet den Herrscher, welcher die
Bedingungen halt, die er ohne Zweifel bei der Annahme des
Übertritts oder wenn man will Verrats des Prätendenten be-
willigt hatte; aber keine Rücksicht auf den Senat, in dem Te-
tricus viele Freunde hatte, und auf dessen Senatswürde über-
haupt hält den siegreichen Imperator ab, dem, der sich zur
Spaltung des Reichs hergegeben, die Demütigung de« besiegten
Feindes zn ersparen.*) Das Imperium des Kaisers soll je\zt
monarchische Herrschaft in vollstem Sinne sein, der nnr darum
der dynastische Charakter fehlt, weil Aurelian keinen Sohn hat
Ja der sonst mafs volle Kaiser liefs sich auf Münzen sogar ah
Gott und Herr bezeichnen.^ Auf das, was der Senat an Selb-
ständigkeit noch hat, wird wenig Rücksicht genommen. Das
Senatszeichen wird auf die Kupfermünze nicht gesetzt und in
die noch unter dem Senat stehende Eassenyerwaltung erlaubt
sich der Kaiser indiskrete Einblicke.^ Aber an den rechtlichen
Verhältnissen wird damit noch nichts geändert. In der Verwal-
tung zeigt er da, wo er eingreift, feste Hand, welche aus zum
Teil grauenhafter Verwirrung wieder geordnete Zustande her-
1) Zo8. 1, 49: ncnä xovxov xov xq^nfow ilg irwoiccv ^I^e PioniQieiiOv
*Enixi^i6g xe %al Ovgptnfog %al dof^xiawog xal Magax^fnia xi^rnffücv vwi9%tn
äloTXBg, Nach Vit 21, 5. 39, 8 hätte kein reeller Grund fOr solche« Vor-
gehen gegen die Senatoren vorgelegen.
2) Vit 84: tarn — omnis exercüus et senatus, etsi oliquantulo tristicr,
quod seruttores triumphari videbant, müÜmm p<mq>ae (beim Trinmph) addi-
derant. Das GefOihl des Senats ist yorherrschend Forcht (Tit.bO, b: populus
eum Born, amavit, senaius et Umuü; 21, 8: Hwuri eoepit princeps cptinnu,
tum amari; immerhin: senatuB mortem eiua grctviter tuUt 37, S).
3) Cohen 6, p. 197 n. 200: Deo et domino nato Äurdiano Äug. {Deus
natus ist Aurelian als vom Menschen aus gottgeworden.)
4) Bei Vopiscas 20, 5 schreibt Aurelian an den Senat: si qwid e$t
sttmptuum, datia ad praefectum aerarii Utteris dccemi iussi; est praeterea
vestrae audorücUis arca piibJica, quam imagis refertam reperio esse guam
cupio. Die Unterscheidung eines ^aerarium\ das unter dem Kaiser steht,
lind einer *arca publica^ des Senats steht den Ausdrücken nach Tereinzelt
da; die arca pitblica aber kann nicht wohl etwas anderes sein als der
Rest des alten oerctriHm publicum, und erfunden hat der Biograph diesem
^Schreiben schwerlich. — Zu dieser Mahnung an den Senat palst gut 87, 8:
(populus R.) dicchat^ Aurdianum paedagogum esse senatorum,
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stellen wilL Um dem Prätendententum wenigstens an einer
Stelle, die besonders gefährlich war, einen Riegel vorzuschieben,
verbot er dem General, den er zum Grenzkommandanten in
Syrien machte, jemals Ägypten zu betreten.^) Wie er ferner in
der militärischen Disziplin sich unerbittlich und wenn man den
Berichten glauben darf, bis zur Grausamkeit streng erwiesen*),
so ist er es auch gegen so heillose Zustände, wie sie sich in
der Münz- und Finanzverwaltung unter schwachen oder elenden
Vorgängern eingeschlichen hatten und wie sie der Senat nimmer-
mehr hätte bewältigen können. Hatte ja doch die offizielle
Münzfälschung dazu geführt, dafs die Münzarbeiter in Rom,
welche an dem Gewinne dieses Vorgehens ihren eigentümlichen
Anteil genommen, als nun Wandel geschafft werden sollte, mit
dem Münzvorstand an der Spitze geradezu sich empörten. Aure-
lian schlug sie nieder^) und suchte, soweit es ihm möglich
schien, auch die Münzprägung wieder auf einen besseren FuTs
zu bringen*), aber viel konnte er damit freilich nicht ausrichten;
denn wenn dies Erfolg haben sollte, so mufsten vor allem in
längerer Zeit Mittel geschafft und in jeder Hinsicht die Finanzen
gebessert werden; hierfür aber war die Regierung des Kaisers
zu kurz und zu kriegerisch. Besonderer Liberalität erfreute sich
die hauptstädtische Bevölkerung, deren Bezüge an Unterhalts-
mitteln, zum Teil auf Kosten des wieder eroberten Ägyptens,
wesentlich erhöht wurden.^) Diese Art Popularität verschmähte
also auch der strenge Aurelian nicht. In der Rechtspflege stehen
bei ihm nebeneinander die Unterdrückung der gewerbsmäfsigen
Delation und eine allgemeine Amnestie für politische Verbrechen,
sowie für rückständige Zahlungen an den Staat und strengste
1) Es war der nachmals unter Probas doch als Prätendent auftretende
SatuminuB. Vit. Saturn. 7, 2.
2) Vit. 7, 3 ff. Anonym, post Dion. bei Müller, frgm. 4, 197 § 6.
3) Vit 88, 2: fuit süb Aureliano etiam monetariorum bellum Feli-
cissimo rationaU audore; qtwd acerritne severissimeque compescuit septem
tarnen müibus suorum müitum trUeremptis,
4) Zos. 1^ 61: ccgyvQLOv viov Srifioaia ^tiöonTie, to %l^$rilov anoSoc^ai
xovg dno xov ^i^fjtov nagaanevdaag xovttp xb xä avfißoXocta avyxv^scag dnaX-
Id^ag. Mommsen, r. Münzen. 800. 831 f. Schiller, Gesch. d. r. Kaiserz.
1, 868 f.
6) Zos. 1, 61: ägxoov Sagsa xov 'Ptoficcitiov ixifirias Sijfiov. Vit. 47, 1:
panes urhis Bomae tmcia de Aegypiio vedigdli auxit 35, 2: et porcinam
carnem p. B. distrihuit, quae hodieque dividitur. Vict. Caes. 85. Nach vit.
48, 1 hatte er sogar im Sinne, Weinspenden zu geben.
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Bestrafung von Verbrechen, wie Unterschleif u. dgl.*); den Christen
gegenüber folgte auf anfängliche Duldung Wiederaufnahme des
früheren Vorgehens gegen dieselben (s. unt. S. 602 A. 1). In
dem allem erhält man aus den Fragmenten von Erzählung, die
wir haben, den Eindruck eines Mannes, der das Rechte ¥nll, die
Macht, deren er sich voll bewufst ist, ohne Hafs und Rachsucht
ausübt, wohl aber strafend vorgeht mit einer sehr ausgeprägten
Überzeugung von der abschreckenden Kraft harter Strafen, wäh-
rend er andrerseits wieder strafend nur einschreitet, wo ihm
wirklich solche Abschreckung nötig erscheint, und selbst in der
Vernichtung der Gegner, die er als Reichsfeinde bekämpft, nur
soweit geht, bis der Zweck, sie unschädlich zu machen, erreicht
ist.^) Den Bedürfiiissen der Reichs Verwaltung sucht er mit
bestem Willen nachzukommen, aber für ein volles Eingreifen
steht er ihr zu äufserlich und fremd gegenüber.*) Ratgeber,
deren Hilfe er sich auf diesem Gebiete hätte bedienen können,
hatte er, soviel wir sehen, nicht, sei es, dafs er sie nicht sachte
oder nicht fand.*)
1) Yict. Caes. 86. Vit. 39, 2 ff. , beide aus ^iner Quelle schöpfmd.
Besonders hervorzaheben ist, dals er peculatum, provindarum praedatores
contra morem müitarium, guarum e numero erat^ immane guantum insecta-
batur. Mit Victor sieht Ranke, Weltgesch. 3, 1, 458 hierin die wahre
Ursache seiner Ermordung.
2) Dafs Zenobia nach Rom znm Triumph gebracht und dann begnadigt
wurde (tyr. SO, 23 ff. vit. Aur. 34), ist anzunehmen; denn dies mufste man
in Rom wissen. Zosimns (1, 59), der vom Orient aus sohrieb, und viel
später als die Biographen, war darüber ungenügend unterrichtet.
8) Wenn es vit. 35, 3 heifst: leges plurimas sanxit et quidem sdlutares^
so ist dies eine inhaltsleere Phrase. Auch die Rechtsqnellen citieren
äuTserst wenige Entscheidungen von ihm. Als eine Malsregel von gröfserer
Tragweite kann man anführen, dais er nach cod. lust. 11, 59, 1 die De-
kurionen in den Gemeinden (civitat/wn ardines) zur Übernahme herrenloser
und unbebauter Qüter heranzog unter Gewährung dreijjähriger Abgaben-
freiheit; auch hatte er nach vit. 48, 2 im Sinne, die in Etrurien und
Norditalien unbebaut liegenden Felder durch GeÜEuigenenansiedlnDgen
wieder zu kultivieren.
4) Nach vit 13, 38 könnte man meinen, Ulpius Crinitus, ein Mann
qui 86 de Traiani genere referebat (10, 2), und der jedenfalls ein angesehener
Senator gewesen sein mufs, übrigens namentlich als dux Illyriciani Umitis
sich Verdienste erwarb und dreimal Konsul war, der ferner unter Yalerian
den Aurelian adoptierte, hätte die Stellung eines vertrauten Ratgebers ein-
genommen; aber man bemerkt nichts von seinem Einfluis. Ebenso wenig
weifs man einen praef. praet. dieses Kaisers zu nennen.
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~ 585 —
3. Wie wenig nachhaltig der Einflufs selbst einer autokra- tacühb und
tischen und despotischen Persönlichkeit war ohne organische
Änderung des Regierungssystems, zeigte sich sofort. Eine zu-
fallige Strömung zuerst und nachher das Zufallige in dem Cha-
rakter des Imperators führten wieder eine Reaktion herbei , in
der zum letzten Mal der Gedanke des augusteischen Principats,
zum Teil sogar reiner als sein Urheber es erdacht batte^ zur
Geltung kommen sollte. Beim Tode Aurelians war zu erwarten,
dafs wieder ein oder mehrere Heereskaiser auftreten würden;
allein es war dem nicht so. Die Soldaten vom Heere des Kaisers,
mit der Ermordung desselben nicht einverstanden, zufallig keinen
ihnen genehmen Mann kennend, am wenigsten aber geneigt,
einen an seiner Ermordung beteiligten zu erheben, kamen auf.
den für sie und für diese Zeit sonderbaren Einfall, dem Senat
die Wahl zu überlassen.^) Es währte einige Zeit, bis der Senat
1) Die Erzählung von dem Hin- und Herschieben der Wahl findet
sich nur bei den Lateinern Yopiscns (Anr. 40 f. Tao. 1 ff.) and Victor
(Cäs. 85), nicht bei den Griechen Zosimus und Zonaras; letzterer weife nur
(12, 28), dafs Tacitus, während er in Eampanien abwesend war, gewählt
wurde, eine Notiz, welche schon Vopiscus Tac. 7, 6 berücksichtigt und
richtig steUi Jene Yerhandlnngen zwischen Heer und Senat sind gewifs
richtig, wenn auch bei Vopiscus zeitlich aasgedehnt and sachlich ausgemalt.
Was die Chronologie betrifft, so ist diese in der Überlieferung wider-
spruchsToll. Für eine kritische Behandlang bildet mir die Grandlage, d. h.
den Bahmen der wesentlichen Ereignisse, dafs nach den alezandrinischen
Münzen am 29. Ang. 275 Aurelian ein 7. Jahr, Tacitas aber überhaupt nur
den Zahlbnchstaben A hat, also am 29. Ang. 276 nicht mehr am Leben sein
konnte. Mit letzterem stimmen die Notiz, dafs er am 25. Sept.'Tom Senat
znm Kaiser gewählt worden (yit Tao. 3, 1) and die Angaben über seine
Begiernngszeit, die zwischen 6 and 8 Monaten schwanken. Dagegen
stimmen nicht daza das Datum der Senatssitzung Ton einem 8. Febr., an
welchem die erste Botschaft der Soldaten in den Senat gekommen wäre
(yit. Aar. 41, 8), die Annahme eines Interregnums Ton 6—8 Monaten und
die Ziffer einer trib. pot VII des Aurelian auf dem Meilenstein yon Orleans
Henzen 5551 — Willmanns 1044, welche den Tod des Aurelian an den
Schlufs TOn 275 oder g^r an den Anfang von 276 rücken würden. Jenes Datum
TOm 25. Sept. scheint mir sicher, es ist aach bestätigt durch die Notiz, dafs
Tacitus den September habe nach sich nennen lassen, weil er in diesem
Monat geboren und zum Kaiser gewählt worden sei (yit. 13, 6 ygl. auch
8, 1 f.). Dagegen ist das Datum yom 8. Febr. y erdächtig auch wegen seiner
aufißOligen Wiederholung bei der Senatsyerhandlung über die Botschaft
des Probus yit. Prob. 11, 5. Die trib. pot. VII des Meilensteins aber* ist
irrtümlich und wird durch die yereinzelte Münze Eckhel VII p. 481 —
Cohen 6, p. 194 n. 179 mit ib. (sie) p. VII und dem jedenfalls irrtümlichen^ Tp
~ 586 —
sich von der Überraschung über das bedenkliche Anerbieten so
weit erholte, dafs er nach weiteren Verhandlungen mit den
Soldaten dazu gelangte, seinen damaligen Yormann, den Eon-
sular M. Claudius Tacitus, also einen Mann in vorgerückten
Jahren als Imperator zu gewinnen.^) Der durch Senatsbesclilufs
gewählte konnte sich über die Gefahren, die seiner warteten,
keine Illusionen machen und machte sie auch nicht; dafs er dem
Gemeinwesen das Opfer brachte und die Art, wie er es brachte,
gereicht ihm zum Ruhm. Sofort nach seiner Ernennung ging
er zum Heer, um den Oberbefehl zu übernehmen und den neuen
Einfallen der nordischen Barbaren in Eleinasien zu begegnen,
wobei er zugleich die Mörder des Aurelian zur Strafe zog.*)
. Wunderbarer Weise war in der Zwischenzeit im ganzen Reich
keine innere Bewegung ausgebrochen. Kein Heer rief einen Prä-
tendenten aus, die Verwaltung ging in allen Provinzen ihren
Gang fort, die Statthalter blieben über das Interregnum, das
freilich nicht als halbjährig anzunehmen ist, auf ihren Posten;
wo in Asien ein Wechsel sich ordnungsmäfsig ergab, wurde er,
zumal da es eine Senatsprovinz war, ohne Schwierigkeit vorge-
nommen.^) Die Zentral Verwaltung konnte in jener Zwischenzeit
nur durch die Konsuln repräsentiert sein als Leiter des Senats;
COS. II in ihrer geschichtlichen Richtigkeit nicht gestützt. Der 25. Sept
275 steht freilich auch in Widerspruch damit, dafs Aurelian am 29. Aug.
275 noch am Leben gewesen wäre und die Wahl des Tacitus erst nach
längeren Verhandlungen zwischen dem Senat in Rom und dem Heer bei
Byzanz stattgefunden hätte. Allein die alezandrinischen Münzen konnten
vor dem Antritt des 7. Jahres geprägt und dann in Kurs gekommen sein,
wenn auch Aurelian kurz vor demselben noch ermordet war. Das Inter-
regnum zwischen ihm und Tacitus aber mufs jedenfalls gekürzt werden,
wird jedoch dadurch nur annehmbarer.
1) Tacitus heifst vit. 4, 1 primae sententiae Senator, Bei Zonar. 12, 28
wird er als 75jährig bezeichnet; dies scheint übertrieben und ist mir auch
dadurch zweifelhaft, dafs Tacitus noch nicht zum zweitenmal KobbuI
gewesen war. Vit. Tac. 5, 1. 8, 5 wird er hinsichtlich seiner senectus nicht
etwa mit Nerva, sondern mit Trajan, Hadrian, Pins verglichen, die wesentlicb
jünger waren; doch will dies freilich, da es Vergleichung der Schmeichelei
ist, nicht viel besagen. — Die Abstammung von dem Geschichtschreiber
beruht nur auf der eigenen Prätention des Kaisers (vit. 10, 8: Comeliwn
Tacitum, scriptorem historiae Äugustae, quod parentem Isuwn eundem diceret,
in omnibtAS biblioihecis conlocari itissit).
' 2) Vit. 8, 3: inde ad exereüus profectus. 18, 1.
4) Vit. Aur. 40, 4: id factum est, ut per sex mensee imperatorem
Eomantis orbis ndn habuerity omnesque iudices ii pefmanererUi qms aut
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- 587 -
welche Stellung daneben die Gardepräfektur mit der ihr sonst
neben dem Kaiser zugewiesenen Kompetenz hatte, läfst sich
nicht sagen; es gab jedenfalls keinen Inhaber dieser Stelle, der
Schwierigkeiten machte. Auch der Regierungsantritt des neuen
Kaisers war günstig. Das Heer nahm ihn zunächst an und er
hatte einige Erfolge mit ihm.^) Dieser wider Erwarten gün-
stige Verlauf wirkte denn auch auf den Senat zurück. Der Kaiser
war bemüht, ein richtiger Senatskaiser zu sein; er ging in der
Überlassung der Leitung der inneren Regierung an diese Behörde
so weit wie möglich, und der Senat, dies dankbar annehmend
und Vertrauen gewinnend, fühlte sich dem Kaiser gegenüber wie
in seinem Verkehr mit den Provinzialstatthaltern, den grofsen
Gemeinden im Reich und den auswärtigen Fürsten und Völkern
als der wahre Repräsentant der Regierung mit dem Kaiser als
oberstem Organ der Exekutive.*) Indessen verzichtete der Kaiser
nicht auf eigenes Regieren; in Fragen, die von früher her sein
besonderes Interesse erregten, wie in der Fortsetzung der Re-
senatus aut Aurelianus elegerat nisi quod pro constUe Asiae FalconiiM Probua
in locum Arelli Fusci delectus est.
1) Einführung beim Heer durch den Gardepräfekten Mösiens GallicanuB,
Tit. Tac. 8, 8, während die Yorstellung bei Soldaten und Volk in Born durch den
Stadtpräfekten geschehen war. 7, 2. Glücklichen Eriegsanfang gegen die
vom mäotischen See herkommenden Gothen durch den Kaiser selbst und
seinen Bruder Florianus, designierten praef. praet.^ vit. 13, 2. Zosim. 1, 63;
auf der Inschr. Wilmanns n. 1046 hat er den Titel Gothicw maximus^
entsprechend der victoria Gothica auf den Münzen Cohen 6, p. 236 f.
2) Vgl. die oratio prindpis vii 9 mit Zusicherung der vollen Auto-
rität des Senats; dahei in eadem oratione fratri suo Floriane constUatum
petit et non impetravit, idcirco quod iam senatus omnia nundinia suf-
fectorum considum clauserat. dicitttr autem muUum laetatus senatus liber-
tcUe, etc. c. 18 f. (Schreiben des Senats an die Kurien von Karthago und
Trier und von Senatoren an ihre Angehörigen.) Allgemein 12, 1: scirent
omnes socii omnesque nationes, in antiquum statum redisse remp. ac senatum
principes legere, immo ipsutn senatum principem factum, leges a sen(xtu
petendas etc. — Von einem Verkehr des Senats mit den Heeren wird
nichts gesagt, trotzdem dafs es c. 19, 2 heilst: nos recepimus i\is procon-
stdare. In den Schreiben an die Kurien ist angeordnet: ad nos referte,
quae magna sunt; omnis provocatio praef ecti urbis erü, quae tarnen a pro-
constilibus et ab ordinariis iudicibus emerserit (c. 18); vgl. 19, 2: redierunt
ad praefectum urbi appellationes omnium potestatum et omnium dignitatum,
womit also der aus dem Senat ernannte Stadtpräfekt an Stelle des Kaisers
und des praef. praet. die oberste Appellationsinstanz geworden wäre. —
Wilmanns ex. inscr. n. 1046 heifst Tacitns verae Ubertatis auctor, auf der
Münze Cohen 6 p. 231 n. 107 restitut. reipublicae. OoOqIc
~ 588 —
form der Münzverhältnisse, an der er schon unter Aurelian mit-
gewirkt, wie in der Tendenz gröfserer polizeilicher Strenge er-
liefs er Verordnungen von Wert.*) Von besonderer Wichtigkeit
wäre gewesen, wenn von längerer Dauer, dafs den Senatoren
wieder der Militärdienst eröffnet wurde.*) Indes die Freude war
kurz: es trat zwar auch jetzt noch in keinem Provinzialheer ein
Gegenkaiser auf, aber in der eigenen Armee konnte Tacitus die
Stimmung sich nicht günstig erhalten: nach kaum mehr als
halbjähriger Regierung wurde er wirklich das Opfer seiner Stel-
lung.*) Nun aber ging die Ernennung eines Nachfolgers wieder
von den Truppen aus. In dem unter des Kaisers eigenem Befehl
stehenden Heer nahm für sich der Bruder des Tacitus, M. An-
nius Florianus, das Imperium an sich, gewann aber auch die
Zustimmung seiner Soldaten und weiterhin aller westlichen Heere;
die des Senats soll er nicht begehrt haben ^ allein dafs ihm der
Westen sofort zufiel, zeugt dafür, dafs ihm vom Senat auch
keine Hindernisse erwuchsen. Nachdem jedoch der Tod des
Tacitus bekannt geworden, erhoben nun ihrerseits die syrischen
Truppen den bei ihnen kommandierenden General M. Aurelius
Probus, den tüchtigsten damals vorhandenen Heerführer.'^) Florian,
1) Vit. 9, 8 (in der oratio, die er vom Feld an den Senat schickte)
cavit, iU si quis argento publice privatimque aes miscuisset^ si quis auro
argentum, si quis aeri pltmbum^ capitäl esset cum bonorum proseriptione.
Vgl. 0. 11, 6 (Verbot der Luxusverwendong von Gold bei der Kleidung):
nam et ipse auctor ÄureJiano fuisse perMbetür, ut aurum a vesHbus ä
cameris et peUibus summoveret. Jene oratio war gleichsam das Programm;
in ihr machte er noch das Zugeständnis, ut servi in dominorum capita non
interrogarentur , ne in causa maiestatis quidem. Auf diese Botschaft hin
ging denn der Senat mit seinen Ansprüchen vor.
2) Vict. Caes. 37: amisso GcUlieni edicto (ob. S. 567 A. 2) refici müitia
poiuit conccflentibus modeste legionibus Tadto regnante, neque Florianus
temer e invasisset aut iudicio manipularium cuique, bono licet, imperium
daretur, amplissimo ac ianto ordine in castris degenie,
3) Vit. Tac. 18, 6: interemptus est enim insidiis müikuibus ut aUi
dicuwt sexio mense, ut alii dicunt morbo interiit; tarnen constat, facOonibus
cum oppressum mente atque animo defecisse. Diese Unbestimmtheit wird
gehoben durch die bestimmte Angabe des über diese im Bereich der öst-
lichen Heere vorgehenden Ereignisse unterrichteten Zosimus 1, 63 (vgl.
Zonar. 12, 28), wonach die Verwaltung des ihm verwandten syrischen
Statthalters auch dem Kaiser Unzufriedenheit zugezogen und zu seiner Er-
mordung gefQhrt hätte.
4) Hierbei das Detail: cirni inter mtlites sermo esset quis fieri deberä
et manipulatim in campo tribuni eos adloquerentur dficcn*» etc. j
igi ize y g
- 589 —
im Vertrauen auf die Anerkennung, die er gefunden, zog ihm
entgegen, aber seine von Seuchen schwer mitgenommenen Truppen
wurden ihm abwendig gemacht, er selbst zuerst abgesetzt und
dann zu Tarsus in Cilicien getötet nach zwei- bis dreimonat-
licher Regierung.*)
4. Nach dem Gegensatze zwischen einem Aurelianus und Probus.
Tacitus tritt in Kaiser Probus ein Imperator auf, der die Eigen-
tümlichkeit beider zu vereinigen scheint, indem er die Vorzüge
eines ausgezeichneten Heerführers mit denen eines Yortre£Plichen
Princeps vereinigt, der nur in bestem Einvernehmen mit dem
Senat und mit den liberalsten Zugeständnissen an diesen re-
gieren will. Er hält an allen Grenzen den romischen Waffen-
ruhm aufrecht, sucht die Grenzprovinzen so sehr wie möglich in
Friedensstand zu bringen, ihnen dann die zu Grunde gerichtete
Kultur wieder zu schaffen und dabei die Soldaten nicht blofs in
Zucht zu halten, sondern als friedliche Mitarbeiter an den Werken
der Kultur zu verwenden. Vom Senat erbittet er nicht nur seine
Anerkennung, sondern er läfst demselben auch die Befugnisse,
die ihm Tacitus gewährt, oberste Entscheidung auf Appellation,
Bestellung der Statthalter und der Legaten derselben, sogar ein
Bestätigungsrecht gegenüber den eigenen Verordnungen des
Kaisers.*) Indessen diese merkwürdige Vereinigung von Energie
und Selbstbeschränkung sowie überhaupt die Art, wie Probus
seine Aufgabe fafste, erklärt sich nicht sowohl aus besonderem
Interesse für die Senatsauktorität, als aus einem gewissen Mangel,
der in seiner Laufbahn lag, und wieder aus eigentümlichen Inter-
1) Vit. 14, 1: arripuit nan senatus auctoritate aed stto motu qiMsi
heiedüarium esset Imperium , cum sciret, adiuratum esse in senatu Tacitumj
tUy cum mori coepisset, non liberos suos sed Optimum cdiquem principem
faceret, Vict. Caes. 86: Florianus — nuUo Senat us seu militum consulto
imperium invMcrat Die Soldaten mufsten aber doch mit ihm einver-
Btanden sein. — Ausfuhrlichere Erzählung der Katastrophe bei Zosim. 1,63,
daselbst auch die Provinzen genauer angegeben, die ihn anerkannt; vgl.
vit. Prob. 18, 1 : recepit (Probus) omnes Europenses (xcrcilus, qui Florianum
et imperatorem fecerant et occiderant. — Münztypen von Fl. hat Cohen
(6, 240—242) immerhin 108. Dauer der Regierung nach Eutrop. (9, 16)
2 Mon. 20 Tage, nach dem Chronogr. 88 Tage.
2) Auch Probus sendet vom Feld aus eine oratio y welche sein Pro-
gramm gegenüber dem Senat enthält. Vit. 13, 1: secunda oratione per-
misit patribus, ut ex magnorum iudicum appellationibus ipsi cognoscerent ,
proconsuHes crearent^ legaios ex consulibus darenty ius praetorium praesidibus
darentj leges quas Probus ederet senatus consultis propriis consecrarenbx
?o nsecraremt ^ ^ ^ l ^
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essen, die er in dieser Laufbahn gewonnen. Noch viel mehr
als bei Aurelian macht sich bei Probus geltend, dafs nunmehr
die Heerführer dem Senat, der Magistratur und der bürgerlichen
Verwaltung überhaupt völlig fem stehen. Aurelian allerdings, der
wirkliche Herrschereigenschaften besafs, hatte darum nicht auf die
Kegierung verzichtet, wenn er sich auch aus Unkenntnis des
Details der Geschäfte auf eine allgemeine Kontrolle und ge-
legentliclies Eingreifen beschränkte. Probus dagegen, ohne den
Ehrgeiz, der nach dem Höchsten strebt, wider Willen zur Herr-
schaft gekommen^), an der Grenze geboren, von früher Jugend
auf in den Grenzheeren dienend^), hatte für die innere Regierung
und ihre Aufgaben und Geschäfte, insbesondere die Verhältnisse
Roms und Italiens weder Sinn noch Verständnis, und so erschien
es ihm nun, da er vom Heer erhoben war und voraussah, dafs
auf Jahre hinaus seine Kraft durch Kriegführung in Anspruch
genommen würde, nur als Erleichterung seiner Aufgabe, wenn
er die bürgerliche Staatsleitung völlig dem Senat und den Statt-
haltern überlassen konnte, und er that dies in dem Grade, dafs
er während seiner Regierung überhaupt nur zu seinem Triumph
nach Rom kam. Aber Probus war nicht blofs kein Mann der
Verwaltung, sondern überhaupt kein Politiker; sonst hätte er
das Bedenkliche einer solchen Teilung der Gewalt unter den
bestehenden Verhältnissen eingesehen, einer Teilung, die weit
über alles hinausging, wozu sich früher senatsfreundliche Kaiser
verstanden,, selbst über die Konzessionen eines Tacitus^ der als
aus dem Senat hervorgegangen immerhin die Teilnahme an der
inneren Regierung nicht aufgab. Bemerkenswert ist nun aber,
dafs wir von dem Eindrucke, den dieses Verhalten des Kaisers
auf den Senat machte, durchaus nichts erfahren. Selbst der
Biograph, der die Akten des Senats eifrig durchsucht haben will,
weifs uns nichts zu berichten über Genugthuungsäufserungen der
hohen Behörde, wie sie unter Tacitus stattfanden, nichts von
der Art, wie der Senat die ihm überlassene Regierungshoheit
benützte. Es wird dies nicht blofs an der elenden Geschichts-
1) Vit. 10, 8: omatus paUio purpureo — invUus ac retractans et saepe
dicena: non vobis expedit^ müitea, non mecum bene agetis; ego enim vobis
blandiri non possum,
2) 8, 1: ariundus e Pannonia civitate Sinniensi, nobiliore tnatre quam
pcUrey patritnonio moderaio; 5: adülescens corporis viribus tarn cHartu est
fduivs, ut Valeriani ittdicio tribunaium prope imberbis accipereL ,
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- 591 —
Überlieferung liegen, auf die wir angewiesen sind, sondern auch
daran, dafs der Senat selbst dem Bestände solchen Verhältnisses
zom Kaiser nicht traute und nicht über das hinausging, was die
Erledigung der laufenden Geschäfte erforderte; auch mochte sich
bereits in Konsequenz der Fernhaltung der Senatoren von dem,
was seit Jahrzehnten die besten Kräfte in Anspruch nahm, von
der Reichsverteidigung, jener Zug beim römischen Adel geltend
machen, dafs man sich mit dem Genufs der ererbten Würde und
des damit verbundenen Reichtums begnügte, ohne sich an die
ererbten Pflichten der Stellung zu erinnern.^)
Auf demjenigen Gebiete nun, auf welchem der Kaiser seinen
wahren Beruf fand, dem der Wiedergewinnung der Grenzpro-
vinzen zuerst für das Reich und dann für den Segen, den der
wiedergewonnene Friede geben konnte, hat er mit rastloser
Energie gearbeitet und überall mit Erfolg.^) In Gallien, das
nach der Beseitigung des lokalen Imperiums während der Re-
gierung des Tacitus wieder den transrhenanischen Germanen ein
offenes Land wurde, am Niederrhein den Franken, am Oberrhein
den Alamannen, stellte er nicht blofs die Rheingrenze her, son-
dern ergriff auch jenseits derselben wieder die Offensive und er-
zielte in dem wichtigen Winkel zwischen Rhein und Donau, an
dem die Rhein- und die Donauverteidigung zusammenstofsen und
der den Schlüssel zum Einbruch in Italien bildet, Resultate, die
zwar nicht das Alte völlig zurückbrachten, aber doch wenigstens
wieder einen Teil der Verteidigung jenseits des Rheins verlegten.
Die frühere romanisierte Bevölkerung des Dekumatenlandes war
allerdings so gut wie vernichtet, aber die Kastelle konnten wieder-
hergestellt werden, und die alamannischen kleinen Stämme, welche
unter ihren Teilfürsten an die Stelle der früheren Bewohner sich
hier niederliefsen, wurden, als der Kaiser über die schwäbische
Alb zum Neckar vorrückte, unterworfen; wenn er nun wenig-
1) Vict. Caes. 87 (Forts, der Stelle ob. S. 688 A. 2): verum dum
oblectantur oiio simulque divitiis pavent, guarum usum affiuentiamque cuter-
nitaie maius putant^ mwnivere miUtartbus ac paene harbaris viam in se ac
posteros dominandi.
2) Die Folge der Kriege ist vit. 14 fr. in der natürlichen geogra-
phischen Ordnung gegeben; Zosimus 1, 67 ff. unterscheidet im Allgemeinen
auch Westen und Osten, hebt aber aus beiden Gebieten mehr nur einzelnes
hervor, wodurch die Biographie ergänzt wird; im Osten interessiert ihn nur
Isaurien und Ägypten. ^ ,
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stens die alten Posten der früheren Neckarlinie wieder mit Truppen
besetzte und damit jene Stamme in Botmäfsigkeit erhielt^ so
konnte man^ so lange nicht wieder eine Flut von Völkern an-
stürmte, hoffen, dort Ruhe zu erhalten.^) Im Anschlufs hieran
mufste aber auch der rätische Limes wiederhergestellt werden: anch
dies geschah, und weiter wurde der ganze Donaulimes befriedet^),
darauf Eleinasien und selbst die bisher unabhängigen Isaarier
in ein leidliches Abhängigkeitsyerhältnis gebracht, Ägypten gegen
die Blemmyer verteidigt und schlielslich mit dem Perserkonig ein
Abkommen getroffen, das der Würde des Reichs entsprach, wie
es nun wieder mächtig dastand.^) Überall hatte der Kaiser
1) Vit 13 f. giebt wichtige Notizen über die Erfolge des Probns
jenseits des Obcrrbeins : cum {Germani) tarn in nostra ripcij immo per omnc9
Gaüias securi vagarentur, eaesis prope quadringentis milibus, qui Eomanum
occupaverant solumy reliquias ultra Nicrum ftuvium et Albam removU;
contra urbes Romanas castra in solo harbarico posuit atque illic miJitcs
collocavit; agros, horrea et domos et annonam Transrhenanis omnibus fecit,
is videlicet quos in excubiis collocavit. Darauf werden die neun Fürsten
(reguli) erwähnt, die sich unterwarfen; diciiur iussisse his acrius ut gladiis
non uterentur, Bomanam exspectaturi defensionem^ si essent ah aliguibfis
vindicandi. Sed visum est, id non posse fieri, nisi si limes Eomanus exten-
deretur et fieret Germania tota provincia. Die Tragweite dieser Erfolge ist
unter den Neueren sehr kontrovers; die einen sehen darin völlige Wieder-
herstellung des alten transrhenanischen Limes, die andern nur eine stärkere
Sicherung der Rheingrenze. Vgl. einerseits v. Wietersheim - Dahn 1, 246,
andrerseits Mommsen, r. G. 6, 142. In Obigem ist gegeben, was mir aas
den geographischen Verhältnissen und jenen Notizen hervorzugehen scheint.
Dafs diese neue transrhenanische Grenzwehr keinen Bestand hatte, zeigt
sich darin, dafs keine inschriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit mehr vor-
handen sind; aber dafs erst Diocletian die Linie Basel— Stein a. Rhein als
neue Grenzlinie einrichtete, zeigen die monumentalen Zeugnisse von den
dazu gehörigen Werken.
2) Nur wird man damals den Teil von Rätien, der nördlich von der
Donau lag und damit die Mauerlinie des hisherigen Limes nicht mehr fest-
gehalten haben, da dieselbe mit dem obergermanischen Limes enge zu-
sammenhing.
3) Der Abschlufs aller dieser Erfolge in dem Triumph ist vit 19 an
den Schlufs der Kriege gestellt. Nach den Münzen würde dieser Triumph
in das J. 279 fallen, wenn die Münze Eckhel 7, 601 zu d. J. «> Cohen 6,
p. 299 n. 453 (mit virtus Prdbi Aug. und der Quadriga) darauf zu beziehen
wäre;. aber unmittelbarer würde die Münze d. J. 281 passen (Cohen 6
p. 300 n. 466), die Eckhel auf das vierte Konsulat bezieht, das ins J. 281
fällt (nicht wie Cohen angiebt, ins J. 280). Die Zeit von 2V6 bis 279 wäre
für alle diese Feldzüge und was damit zu8ammenhängt,^4och zujkurz.
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selbst die Operationen geleitet. Nun aber kam der zweite Teil
der Aufgabe, die Wiederherstellung der Kultur in den Grenz-
ländern. Vor allem brauchte man hierzu Menschen*, da er diese
aber im Reich nicht fand, nahm er sie aufserhalb desselben
bei den Germanen, wo sie im Übermafs vorhanden waren und
eben wegen dieses Übermafses immer wieder das Reich be-
drohten: an 100000 Bastamer soll er an der unteren Donau in
die dortigen Provinzen hereingenommen haben und zwar mit
dauerndem Erfolg; mit anderen Stämmen dagegen, die er her-
übemahm, war er weniger glücklich, da sie sich nicht zu ruhigen
Ansiedlem machen liefsen, sondern plündernd umherzogen und
zum Teil erfolgreiche Raubfahrten durch das Mittelmeer machten.^)
Jedoch auch im günstigsten Fall war das Barbarenmaterial bei
der Kulturarbeit zunächst nur für die gröbere Arbeit zu ge-
brauchen, höherwertige Anpflanzung des Bodens, Bauten, Meliora-
tionen, kurz alles das, was der Landeskultur einen nach dem
Muster der besseren Provinzen bemessenen Charakter geben sollte,
war durch diese Hände nicht zu erzielen. Hier nun sollten die
Soldaten, nachdem sie die Kriegsarbeit vollbracht, ihre Aufgabe
im Frieden finden^), und eine Zeit lang wenigstens liefsen sie
sich das auch gefallen, so dafs in manchen Gegenden noch die
späte Nachwelt die Früchte der Arbeit dieser kurzen Frist zu
geniefsen hat.^ Allein wenn der römische Soldat selbst dieser
1) Vit. 18, 1 — 4. Zosim. 1, 71. Die unzuverlässigen waren teils
gothiflche Stämme, teils Franken; von den letzteren fioiQu %i,g nXoCmv
BvnoQT^aaaa rrjv *EXXdda avvßrdQa^sv anaaav hccI ZmeXioc nQogoxovaa xal
xy SvQttKOvaicov nQogfii^aöa noXvv %atä xavrrjv slgyaoato (povov' Tjdri Sh
Hai Aißvjj nQogoQfiLod'siaa %al anonQOVoQ'etaa dvvdiistog i% KaQX'^l^ovog
inßvsx^siaTjg ofa re yiyovBv inaveXd'siv oC%ade. — Mit Erfolg dagegen
worden auch 16 000 Germanen nach dem Alamannenkrieg unter die
römischen Truppenkörper verteilt. Vit. 14, 7.
2) Vit 20. Eatrop. 9, 17. Vict. Caes. and epit. 87. Ob die Anfserongen,
die hier dem Kaiser in den Mond geloggt werden (brevi müites necessarios
non habebimus; EomaniM iam mües erit nMus), richtig sind, mag dahin-
gestellt sein; wahrscheinlich sind sie gerade nicht, wenn der Kaiser damals
einen Perserkrieg im Sinne hatte (20, 1).
. 3) Berühmt ist die Fürsorge für die Ausbreitang des Weinbaaes,
womit das alte Verfahren, den Weinbau in den Provinzen zu gunsten des
italischen zn beschränken, gründlich beseitigt wurde. Eutrop. 9, 17. vit.
18, 8: Gällis omnibw et Hispanis ac Britannis hinc permisit, ut vites
luiberent vinumqtke conficerent; ipse Älmam montem in lUyrico circa Sir-
tnium militari manu fossum lecta manu vite consevit. /^^^/^T^
Herzog, d. rOm. Staats veif. IL 1. SS O
- 594 -
Zeit noch im Kriege die schwersten Anstrengungen durchmachen
mufste und unter der richtigen Führung willig durchmachte, so
geschah es doch immer im Hinblick auf die darauf folgende
Belohnung und die Genüsse des Friedens: jetzt sollte der Lohn
für die Eriegsmühen neue Arbeit sein, die höchstens mittelbar
zum besten der Soldaten selbst als künftiger Ansiedler diente.
Dies war für diese Zeit zu viel verlangt, und dals der Elaiser,
der sein Leben unter diesen Truppen zugebracht und sie durch
alle Teile des Reichs geführt, sich hierüber täuschen konnte,
zeigt, mit welcher Macht die edle Idee, die ihn beseelte, all sein
Denken beherrschte. Es war inmitten solcher Thätigkeit im
Herbst 282, dafs seine Soldaten bei Sirmium, erbittert über die
ihnen zugewiesenen Mühen, ihn überfielen und sich seiner ent-
ledigten. ^)
caruB, carinua 5. Noch uutcr Probus hatte das gemeine Heerespraten-
aims. dententum der Zeit des Gallienus wieder seine Vertreter gehabt
In verschiedenen Provinzen hatte der Übermut der Soldaten oder
die Ambition von Führern wieder zu Erhebungen geführt: so
war in Syrien von Truppen, die einen eigenen Kaiser haben
wollten, einem tüchtigen und das Vertrauen des Probas ge-
niefsenden General wider seinen Willen der Purpur aufgedrängt
worden, und in Gallien hatte zuerst ein niedriger und roher ein-
heimischer Offizier, Proculus, mehr in engem lokalem Kreis, dann
ein höher gestellter und tüchtigerer, Bonosus, mit etwas mehr
Erfolg sich erhoben*), allein keiner dieser Versuche hatte ernst-
1) Nach den lateinischen Qaellen vit. 21. Entrop. 9, 17. Vict Gaee.
war die Ermordung des Probus nur ein Ausbruch der arbeitenden Soldaten
und wurde Carus erst nach dem Tode des Probus erhoben; von den griechischeD
Quellen wird Zosimus gerade hier lückenhaft; Zonaras aber l&Tst 12, S9
den Carus noch eu Lebzeiten des Probus erhoben werden^ ebenso der Fort-
setzer des Dio (Muller fragm. 4, 198). Der Biograph bekämpft vit Gar. 6
ausdrücklich diese Angabe als mit dem Charakter und dem Vorgehen des
Carus gegen die Mörder des Probus unvereinbar. Aber nach der Darstellung
bei Zonaras liefse beides sich wohl vereinigen. — Probus hat auf den alezan*
drinischen Münzen ein achtes Jahr, erlebte also als Eaiier siebenmal den
29. August, zum ersten Mal 276 kurz nachdem er angetreten, zum lotsten
Mal also 282; seine Regierungszeit wird angegeben auf 6 bis 6 Jahre (vit.
22, 2 quinquennium, 21, 4: interemerunt anno imperii sui quinto; Chronogr.:
annos VI m. II d. XII). Er mnfs also jedenfalls nicht lange nach dem
29. Aug. 282 gestorben sein.
2) Vit. Prob. 18, 4—7. Vopiscus hat aufserdem diesen einen beson-
deren Teil seiner Biographieen gewidmet (Firmos, Satnminus, Procains
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liehe Gefahr gebracht; unter einem Kaiser wie Probus war die
Auktoritat des vom Senat anerkannten Imperiums denn doch
die stärkere. Allein nunmehr erschien man wieder haltlos dem
Wechsel der Heeresprätendenten anheimgegeben. Sogleich der
von den Truppen in Pannonien zum Nachfolger des Probus aus-
gerufene Gardepräfekt M. Aurelius Carus trat durchaus wieder
als Heerkaiser auf ohne jegliche Bücksicht auf den Senat. ^)
Die zwei Söhne^ die er hatte, Carinus und Numerianus, wurden
zu Cäsaren und Mitregenten ernannt und sofort auch bei der
Regierung beteiligt. Um die Soldaten zu beschäftigen, wurde
die KriegfQhrung wieder aufgenommen. Schon Probus hatte
noch einen Feldzng gegen die Perser geplant und dazu gerüstet;
Carus, nachdem er zuerst die Sarmaten zurückgewiesen, trat
ihn nun an und nahm den jQngeren Sohn Numerianus mit sich,
während er dem älteren die Regierung des Westens mit der
Vollmacht eines Augustus übergab, ohne ihn jedoch wirklich
auf gleiche Stufe mit sich selbst zu heben.*) Der Feldzug be-
gann unter der der Aufgabe gewachsenen Führung glücklich und
wurde auf persischem Boden geführt, aber mitten im feindlichen
Gebiet starb Carus auf rätselhafte Weise nach wenig mehr als
einjähriger Herrschaft'), doch unter Umständen, dafs seinem
tmd Bonosne). Zosim. 1, 66. Zonar. 12, 29. Diese beiden sprechen anch
von einem Statthalter in Britannien, der einen Versuch der Erhebung
gemacht hätte.
1) Vit. Prob. 24, 4 f hört der Senat von der Erhebung des Carus und
erschrickt darSber, ist aber Yolletändig passiv. Vict Caes. 37 datiert vom
Tode des Probus, dafs ahhinc militaris patenHa convdluit ac sencUui im-
perium creandique ius prindputn ereptum ad nostram memoriam: incertwn
an ipso cupiente per desidiam an meiu seu dissensionum odio.
2) Vit Car. 16: (Carinus) cum Caesar decretis sibi Oalliis atque Italia
Ulyrico Uispaniis ac Britamüis et Africa rdictm a patre Caesareanum
teneret imperiumj sed ea lege ut amnia faceret quae ÄugtMti faciunt. Zur
Titulatur vgl. die afrikanische luschrift o. i. 1. 8, 6332: M, Ättrelio Carino
ndbüissimo Caes. Aug(usto) pr(ineipi) iu(ventu^is) cos., fUio imp, Caes. M.
Äureli Cari invicti p. f. Äug. p. p. tr. p. II. p. m. cons. II. procos.^ fratri
M. Äureli Numeriani nobüissim. Caes. Ättg. pr. iu(v€ntutis).
3) Vit. Car. 8, 2: lU alii dicunt morho, tU plures f ulmine interemptus
est; daneben wird dem Gardepräfekten Aper schuld gegeben, dafs er ihn,
um ihn ins Verderben zu führen, dazu gebracht, zu weit vorzugehen. —
Carus hat auf den alex. Münzen nur A, er ist also vor 29. Aug. 283 ge-
storben (vgl. ob. S. 694 A. 1), womit stimmt, dafs ihm der Chronogr. giebt
m. X d. V. — Über das Nichtzutreffende im Bericht des Zonaras vgl.
Schiller 1, 888 A. 30. ^^^^,^^^^ .yGoOglc
- 596 -
Sohne NumerianuS; einem ebenfalls als tüchtig anerkannten und
beliebten Manne, es möglich war, das Imperium an seiner Stelle
zu übernehmen. Derselbe sah sich jedoch durch die Stimmung
der Truppen genötigt, den Feldzug aufzugeben, und als er nun
das Heer zurückführte, war auch er beim Übergang nach Europa
bald ein Mann des Todes, und seinem Gardepräfekten Aper, der
zugleich sein Schwiegervater war, demselben Manne, den man
schon in Verdacht gehabt, dafs er den Carus verderben wollte,
wurde die Schuld zugeschoben.*) Als der Tod des Numerianus,
den man zuerst verheimlicht, ruchbar wurde, traten, wie einst
unter Gallienus vor Mailand, in Chalcedon die Generale und
Offiziere zusammen und wählten am 17. September 284 zu seinem
Nachfolger den C. Valerius Diocletianus, den Kommandanten der
kaiserlichen Haustruppen, einer neuen Art von Leibgarde. Unter
dessen Vorsitz wird sodann ein Gericht über die Ermordung
Numerians gehalten und vor versammeltem Heere Aper, ehe
er gehört, niedergestofsen.^) Im Westen hatte unterdessen Ca-
rinus die Regierung in der Art eines Gallienus geführt, so dafs
man seinem Vater Carus zutraute, er werde den eigenen Sohn
entsetzen und einen geeigneteren Cäsar aus seinen Generalen
ernennen.*) Durch den Tod des Vaters war jedoch Carinus zu-
erst mit seinem Bruder, nach dessen Tode allein zur vollen Ehre
1) Am ausführlichsten ist dies erzählt vit Car. 12 f. — Namerianiis,
dessen zweites ägyptisches Jahr mit 29. Aug. 283 begann, hat auf seinen
Münzen noch ein drittes, mufs also am 29. Ang. 284 oder wenigstens zur
Zeit, da man die Münzen dieses neuen Jahres in Alexandrien fertigte, noch
am Lehen gewoäen sein.
2) Nach dem Chron. Pasch, p. 274 G, das hier genauere Notizen gieht,
war Numerianus mit dem Heer hereits in Perinth, also in Europa, als er
getötet {atpd^stai, h DsQhd'a trig B^i^nrig — vno 'JnQOv inaQxov)^ oder —
nach der Erzählxmg von der Verheimlichung — , der Mord bekannt wurde,
Diocletian wird darauf am 17. Sept. 284 zu Chalcedon, also auf asiatischer
Seite, zum Imperator gewählt und zwar ducum consilio tribunommque
Valerius Diocletianus domesticos regem oh sajpien^tam (ie^i^Yur ( Vict. Caes. 39).
Wenn bei dem Gericht über den Mord (vit. Car. IS) Diocletian schwört,
Ntimeria/num nuUo sUiO dolo interfectum, so müssen die Verhältnisse sar
Zeit der Ermordung Numerians so gelegen haben, dafs Diocletian in
Verdacht kommen konnte. — Seeck, Zeitschr. f. Numism. 12, 181 A. 1 will
Ton den Vicennalien aus den 17. Nov. 284 als den Tag des Regierungs-
antritts Diocletians berechnen; aber das Chron. Pasch, scheint hier wie hin-
sichtlich des Thatsächlichen genaue Notiz zu haben.
8) Vit. Car. 7, 16. Was die Biographie über ihn giebt, ist wesentlicb
eine Schilderung seines üppigen Lebens. ^ j
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des Augustus gelangt, aber der Yollgenufs dieser Stellung war
jetzt erst zu erkämpfen. Wie Gallienus, war Carinus weder un-
fähig noch^ wenn er durch einen Angriff in Erregung gekommen,
ohne Energie.^) Er nahm den ihm gebotenen Kampf kräftig
auf und in Mdsien begegneten sich die Heere, von denen das
des Carinus sogar das stärkere war. Aber die grofsere An-
ziehungskraft übte nun doch Diocletian. Die Schlacht im Morava-
thale nahe der Mündung dieses Flusses in die Donau brachte
die Entscheidung, indem während derselben Carinus von einem
seiner eigenen Offiziere getötet wurde.*) So war nunmehr der
Mann Alleinherrscher des Reichs, der die bisherige Rechtsgrund-
lage des romischen Imperiums durch eine andere ersetzen und
überhaupt das römische Reich von neuen Gesichtspunkten aus
neu gestalten sollte, nicht mit dem Mafse des Neuen, das Cäsar
und Augustus gebracht, sondern mit einer Staatsform , die mit
allen wesentlichen Grundlagen des bisherigen romischen Staats
brach.
Die weltgeschichtliche Bedeutung der Übernahme der Reichs- Das Ausleben
regierung durch Diocletian, das genaue Moment des Epoche- resputika.
machenden seines Auftretens, die Rechtfertigung dafür, dafs eben
1) Nach Yict. epit. 38 wird eio SabinuB Jalianus invadena imperium
a Carino in campis Veronensibus occiditur. Nach Caea. 89 geschah dies
auf dem Zuge gegen Diocletian.
2) Die Schlacht wird meist angegeben als apttd Margum erfolgt d. h.
einem Ort bei der Mündung des gleichnamigen Flasses (Morava) in die
Donau, wozu bei Eutrop. 9, 20 noch gefügt wird: inter Vimincicium (Ko-
stolatz) atque Äureum Montem^ eine auffallende Bezeichnung, da zwar die
StraTse von Viminacium nach Mons Aureus (jenseits der unteren Dran)
unfern der Mündung über den Margns und den Ort der Schlacht führte,
dieser aber Viminacium ganz nahe, von M, Aureus jedoch ziemlich entfernt
lag, entfernter als grofsere und bekanntere Orte. — Das entscheidende
Moment wird verschieden angegeben: nach Eutrop ist Carinus prodütts ab
exercüu, quem fortiorem habehat, aut certe desertus; nach Vict. Caes. 39
(Carinus) dum vidos avide pr enteret, suorum ictu inter iitj quod libidine
impatiens miliiarium nuptas affectabat, was noch bestimmter epit. 38 dahin
lautet: ad extremum trucidatwr eius praecipue tribuni deatera^ cuius dice-
batur caniugem polluisse, — Als Zeit ist in den idatianischen Fasten das
J. 285 angegeben; damit stinunt, dafs der Chronograph dem Carinus und
Numerianus d. h. genauer dem ersteren, giebt ann. II. m. XI d, II. Nach
dem Ereignis vom 17. Sept. 284 konnte die Rüstung und der Feldzng
des Carinus gegen Diocletian nicht vor Frühjahr 286 bis zu der Schlacht
bei Margus geführt werden.
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vor ihm ein Abschlufs gemacht wird, Hegt in der Persönlichkeit
dieses Mannes. In den allgemeinen Verhältnissen war kein neuer
wesentlicher Umstand eingetreten gegenüber der Zeit, in der Aare-
lian die Einheit und die Grenzen des Reichs wiederhergestellt, oder
derjenigen, in welcher Probus die Regierung übernommen hatte.
Wie damals war der äufsere Bestand des Reichs im allgemeinen
neu festgestellt, aber auch wieder neu bedroht, an verschiedenen
Punkten der Grenze waren bereits neue Barbareneinbrüche er-
folgt, und der Kampf um die Reichsgrenze ging in demselben
Wechsel fort wie bisher. Die inneren Schäden waren schon
lange vorhanden, sie kamen nur in einem gallischen Bauernkrieg
jetzt erst recht zur Erscheinung. Auf religiösem Gebiete war
nach dem langen Frieden, der seit Gallienus den christlichen
Gemeinden gewährt worden, das nächste grofse Ereignis nicht
die Anerkennung des Christentums, sondern das Unternehmen
einer gewaltsamen Restauration der heidnischen Staatsreligion.
Endlich wie Aurelian und Probus war Diocletian ein im Heeres-
dienst aufgekommener General in vorgerücktem Alter, der ein-
seitig vom Heere erhoben worden, wie schon so mancher seiner
Vorgänger. Allein er war eben nicht blofs General, sondern
ein Staatsmann mit neuen Ideen, der, was er erlebt, mit poli-
tischem Sinn erfafste, den seine Waffenbrüder als den klügsten
in ihrem Kreise erkannt und in der Erkenntnis, dafs endlich
einmal hervorragende politische Einsicht sich mit dem militäri-
schen Charakter einigen müsse, zum Herrscher gewählt hatten.^)
Mit diesem Manne brach das Verständnis durch, dafs die bisherige
staatliche Ordnung verlebt war und ein Neues kommen mufste.
Wohl blieben die alten Kulturformen, blieb so manches auch
von den politischen Instituten, und blieben die Namen, aber wie
war das alles verändert worden! Ausgelebt war vor allem der
Begriff der alten respublica, der Bürgergemeinde, als eines wesent-
lichen Faktors des politischen Lebens, ausgelebt der Begriff des
romischen Bürgertums überhaupt mit seinen Rechten und Pflichten,
der Verbindung von Wehrpflicht insbesondere und Bürgerrecht,
1) Vgl. ob. S. 596 A 2: 6b sapientiam deHgüur. Vit. Car. 18, 1:
Diocletianum — Äugusium appeUaverunt domesticos tunc regentem, virum
insignem caUidum amantem rcip. amantem suorum et ad omnia quae tempus
qtuiesiverat statim paratum^ consilii semper aUi nonnimqiiam tarnen effrofUis^
sed prudentia et nimia pervicacia motus inquiäi pectoris comprimentis. Es
ist dies das Zeugnis eines Zeitgenossen. /^ j
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seinem ZusammenhaDg mit der italischen Nationalität^ ausgelebt
der Unterschied zwischen Italien und den Provinzen, ausgelebt
die Regierungshoheit und politische Auktorität des Senats und
der alten Magistratur, die Organisation der Verwaltung der Teile
mit grofsen Provinzen unter wenigen Beamten, die Selbständig-
keit des munizipalen Lebens; ausgelebt war aber auch die von .
Augastus eingeMirte Hilfsmagistratur des Principats und die
Idee eines römischen Imperators als Generalstatthalters einer vom
Senat zusammen mit demselben geleiteten Republik; ausgelebt end-
lich selbst die Art, wie noch Septimius Severus die Verwaltungs-
thätigkeit unter den zwei obersten Ständen des Reichs, dem sena-
torischen und dem Ritterstande, geteilt hatte und die munizipale
Existenz des dritten Standes trotz aller Stützen, mit denen man das
früher so fruchtbare munizipale Wesen hatte funktionsfähig er-
halten wollen. An die Stelle von all dem war jetzt eine Masse
von Reichsbevölkerung getreten ohne herrschende Nationalität, ohne
aktive politische Funktionen, in erster Linie geteilt durch den ünter-
schied zwischen Heer und Zivilbevölkerung, das Heer vor allem
nicht mehr national und die Zivilbevölkerung nicht mehr selbst-
bewuTstes römisches Volk, nicht nach politischen Ständen geglie-
dert, sondern nach den persönlich rechtlichen und sozialen Ver-
hältnissen in einer Abstufung der freien Stände nach Besitz
und Würde von der glänzenden Stellung des Senatorenstandes
herab bis zu der halbfreien des Kolonen, dabei die mittleren und
unteren Stände in so vollständigem Niedergang, dafs sie, wenn
man sie sich selbst überliefs, unfähig waren zu den Lasten und
Leistungen, die man für Staat und Gesellschaft ihnen auflegte.
Auch das Interesse dieser Bevölkerung ist von den öffentlichen
Dingen abgewandt, soweit man nicht durch eine Amtsstellung
unmittelbar an dieselben gebunden ist oder von ihnen Vorteile
bezieht. Was von Gedanken und Sorgen über das Tagesleben
und die Fragen der Existenz hinausging, gehörte der Wissen-
schaft oder der Religion, und in letzterer lag der Trost der Massen.
Die Neuerungen Diocletians enthalten die Kritik des vor-
ausgegangenen Zustandes, und sie war gründlich. Auf ihn oder
auf den von ihm gegebenen Anstofs geht zurück die Änderung
in der Stellung des Herrschers, die nun so über die Unterthanen
gestellt werden soll, dafs sie den Gefahren des unmittelbaren
Verkehrs entnommen und dadurch dem raschen Wechsel entzogen
wäre, die Definierung der Herrschergewalt als einer absoluteiu.^ip
igi ize y g
- 600 —
eine neue Organisation des Heeres für den Felddienst wie für
die Grenzfaut; die Einordnung des Senats in ein monarchisches
Staatswesen, die Aufrichtung eines sorgfaltig abgestuften Beamten-
tums und eines entsprechenden Geschäftsganges^ die Unterordnung
der ganzen Zivilverwaltung unter die kaiserliche Regierungshoheit,
die neue Teilung des Reichs, eine neue Stellung der Hauptstadt
und ihrer Verwaltung, vor allem aber ein neues Steuersystem:
nur in der Fortpflanzung der Herrschaft nahm er seine Zu-
flucht zu einem künstlichen System, das sich nicht bewährte; er
teilte hier die eigentümliche Abneigung der militärischen Kreise
gegen die Erblichkeit, die auch bei Aurelian und Probus zu be-
merken war^), oder hielt sie unverträglich mit dem System von
Teilung der obersten Gewalt, das er einführte. Die Bedeutung
der Religion für diese Zeit hat er wohl auch noch erkannt^ aber
nur in negativer und unfruchtbarer Weise, die positive Ver-
wertung dieses Moments für den Staat flel seinen Nachfolgern
zu. Das treibende Motiv in all diesen Veränderungen ist die
Erkenntnis der Unzulänglichkeit der früheren Institute für die
Erhaltung des Reichs und die Austreibung aller Reste von Au-
tonomie von Neben- und Teilgewalten, welche die augusteische
Verfassung noch gelassen hatte; denn diesen wurde eben jene
Unzulänglichkeit zugeschrieben, ihnen hatte die Zeit den Prozefs
gemacht.
Man kann fragen, ob nicht Teile der neuen Ordnung schon
unter den letzten Kaisern des dritten Jahrhunderts eingeführt
oder vorbereitet wurden. Ganz fehlt es an solchen Vorarbeiten
nicht; aber in grofseren Zügen lagen sie nur auf militärischem
Gebiet vor, so vor allem in der Trennung der Heerführung von der
Provinzialverwaltung durch Einführung der besonderen duces limi-
tum an allen Linien der Reichsgrenze, die schon zur Zeit Valerians
durchgefQhrt erscheint^); sodann in der Scheidung im Kommando
1) Dafß Aurelian keinerlei Fürsorge für die Nachfolge traf, wurde
oben bemerkt; dem Probas wird vit. 11, 3 die Aufsemng an den Senat in
den Mond gelegt: utinam id Fhrianus €x,^pectare voltUsset nee velut kert-
düarium sibi vindicasaet imperium, jedenfalls hat anch er, trotzdem dals
Nachkommen von ihm vorhanden waren (vit. 24, 1), keine Dynastie gründen
wollen.
2) Vgl. die duces ZmtYum, welche im Konsilium des Valerian sitzen
vit. Aurel. 13; wenn auch der praeses arientis und der praefecttis annonof
orientis hier geschichtlich richtig eingeführt sind, so hat die Teilung
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der Waffenkörper, der Reiterei und des Fufsvolks*), in der Re-
krutierung, in Einführung neuer Leibgarden zum persönlichen
Schutz des Kaisers in den domestid und protedores.^) Dafs ferner
schon seit längerer Zeit grofse Provinzen geteilt wurden, ist
mehrfach hervorgehoben worden. Das Hofleben ist schon seit
längerer Zeit im Sinne gröfserer Abgezogenheit des Herrschers
ausgebildet und in den Amtern geneuert worden*); ebenso stöfst
man auf verschiedenen Gebieten der kaiserlichen Verwaltung
auf neue Titel als Zeichen von Veränderungen.*) Allein all
dies ist vereinzelt und gewinnt eine gröfsere Bedeutung erst
durch Einreihung in das Ganze eines von der absoluten Stellung
des Herrschers ausgehenden Systems von Regierung, das alle
Teile bis herab zu der Munizipalordnung in eine Abhängigkeit
bringt, die jede Selbständigkeit aufhebi In der religiösen Haupt-
frage, der Zulassung des Christentums, hat die vorhergehende
Zeit vielleicht am meisten vorgearbeitet Auf Grund teils des
Edikts von Gallienus, teils der Zeit Verhältnisse, welche andere
Sorgen mit sich brachten, hatte sich ein System der Duldung aus-
gebildet, das vollends unter der Not der Zeit der Ausbreitung
der christlichen Gemeinden und der Organisation der Kirche den
gröfsten Vorschub gewährte. Es genügt in dieser Beziehung zu
erinnern an die Rechtsentscheidung, welche Aurelian in einer
inneren Frage der Gemeinde von Antiochien gab, eine Ent-
scheidung, in welcher die Zuerkennung einer Rechtsstellung für
die Christen direkt enthalten und zugleich die Auktorität der
grofsen Gemeinden und ihrer Leiter für die Gesamtheit der
Christengemeinden diesen geradezu als Prinzip vorgehalten wurde. ^)
zwischen Yalerian und Gallienus auch in dieser Beziehung der späteren
Zeit vorgearbeitet.
1) Vit. Anrel. 18, 1: Squites sane omnes ante itnperium sub Claudio
Aureliantts gubemavit, cum offensam magistrt eorum incurrisserU, quod temere
Claudio non iiibente pugnassent.
2) Die protectores erwähnt ob. S. 674 A. 4; vgl. Mommsen, eph. epigr.
6 , 121 ff. Diocletian selbst war unter Numerian domesticos regens ob.
S. 698 A. 1.
3) Der magister admissionum Valeriani, ans dessen acta Vopiscus
schöpft, giebt Zeugnis für beides.
4) Der Titel ^magister* ist z. B. ausgedehnter angewandt als früher.
Näheres s. im Syst.
6) Der Bischof von Antiochia, Paul von Samosata, der Günstling der
Zenobia, ist von der Synode abgesetzt; er will die bischöfliche W^unpgwTp
• igi ize y g
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Später allerdings scheint Aurelian auf andere Meinung gebracht
und ein Edikt gegen die Christen erlassen zu haben*, allein
Wirkungen desselben sind nicht glaubhaft bezeugt, so dafs im
Ganzen und Grofsen von dem Edikt des Gallienus bis zu dem
des Diocletian den Christen offiziell Frieden gewahrt war.*)
War die Wendung, welche die Verfassung des römischen
Reichs mit Diocletian erhielt, innerlich begründet, geschichtlieh
gerechtfertigt? Wir denken wieder zurück an das Taciteische
Wort: dum veritati consulitur, libetias corrumpebatur.*) Der Kampf
zwischen der Freiheit oder dem, was man noch so nennen konnte,
und der unerbittlichen Wahrheit der thatsächlichen Verhältnisse
war nun zu Ende; die Freiheit war endgültig beseitigt Das
tragische Gefühl, mit dem Tacitus für seine Zeit diesen Kampf
liegleitet, hat die Geschichtsbetrachtung stets geteilt; zu allen
Zeiten haben die drei ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit mit
flen lebendigen Kräften, die sie in positiver Neubildung wie im
Kampf gegen despotische Gewalt noch zeigten, das Interesse in
ganz anderer Weise gefesselt als die darauf folgenden, und mit
Recht nennt man jene das hohe Imperium, diese das niedergehende.
Aber das Reich des dritten Jahrhunderts verlor die Kräfte, welche
jüdes freie Handeln im Gemeinwesen voraussetzt, und darum i?far
der, welcher dem freien Handeln ein Ende machte, doch der
grofse für seine Zeit geschaffene Mann.
nicht räumen; da ßaaiXsvg ivTSvx^slg AvQriXiavog alaimtaxa Äfpl ^^^
Tt^auxiov SiBCJirjtps, Tovrotff vsifiat nqoaxdxxtov xbv olnov, olg av ot natti
TTiv 'ixaXCav %al xriv 'PcofiULoav noXiv MaHonoi, xov doyfiazog irciaxsiXanv-
Eaaeb. bist. eccl. 7, 30, 19.
1) Ebendas. 6, 20: ngolovarig d^ {xm AvQTjXiav^) xijg agxvs ctUoiof
Tt nsgl r}(imv q)(fov7iaag ildrj xial ßovXatg^ <og av dicoyfiov xad"' rjft^v iyf^-
^Pifv, avsTuveüxo ^rolvg xs Tqv b nagä näai nsgl xovxov Xoyog. Vgl. Lact.
de mort. persec. 6.
2) Ann. 1, 75. Ob. S. 250 A 3.
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