Google
This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
‘We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual
personal, non-commercial purposes.
and we request that you use these files for
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
alkttp: /7sooks. google. com/]
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen.
Geſchicht e
europaͤiſchen Staaten.
Herausgegeben |
A. H. L. Heeren nd F. A. ukert. |
— — — — — — —
Geſchichte von England,
EM. Lappenberg
er
Erfter Band. HER )
Mit einer Karte.
— — — — —
Hamburg, 1834.
Bei Friedrich Perthes.
- —— ““* —
|
>
v | | | |
, |
| —
.
j \ » j .
—
⸗
2
|
v . |
“ \ " ” +
- | | |
. „
| .
’ *
-
. ri \ |
| .
“ 5 u j
»
| \
u
B J |
” D “ /
’ ....
ni \ r
| &
J
| -
- , . |
- % ,
\ . “
7
> i
. , . u |
. _
. [4
8 - R
.
" “ — . |
N u
| ' »
" % >
J * J
oe. o
. [3
F |
‚
. y |
. - | .
run
. “ . \
— N j
Gefchichte
nsland,
rc
von
/
ZH MR, Lappenberg
Erfter Band,
Mit einer Karte.
Hamburg, 1834.
Bei Friedrich Perthes..
’
x
Borwort,
— — —
VJeder Schhriftfteller, welcher auf das Wert mehrerer
Sabre und mancher Mühen einen Theil feiner beſten
Lebenökräfte übertrug und demfelben die reichen Genüffe,
welche Natur, Wiſſenſchaft und Kunft den willig Auffaf-
fenden jederzeit Darbieten, häufig aufopferte, möchte wohl
faft immer ſich gedrungen fühlen denen, die feinem Buche
ihre Aufmerkſamkeit widmen wollen, als Freund den
FIreunden entgegenzufreten und ihnen feine Kunde über
; bie Entflehung des Werkes ſowie feine Anfichten über
| deſſen Richtung und Zwed an dad Herz zu legen. Doch
hält den Einzelnen leicht der Gedanke zurück, daß aͤhn⸗
liche Wuͤnſche ſchon von vielen andern Schriftftellern vor
ihm gehegt und nicht felten auögefprochen find, fo daB
der wohlgefinnte Lefer, mit denfelben vertraut, unauf-
- gefodert ihnen entgegenfommt und felbft, wenn er
vi Borwort.
aud) dem neuen Werke Eeine Belehrung zu verdanken
glaubt, doch zur Begründung feines Eritifchen Urtheils
die allgemeineren Geſichtspuncte zur Würdigung deſ—⸗
felben ſelbſt aufzufuhen und zu ordnen fich_veranlafft
fühlt. Dürfen wir nun dem regen Eritifchen Sinne
unferer Zeit vertrauen, daß ſolche Männer, denen zu
gefallen, wenn nicht zu nüßen, als ber Anftrengung
fhönfter Lohn anerkannt wird, den literarhiſtoriſchen
Standpunct ded neuen Werkes bald felbft, und viel-
Leicht richtiger, als der Verfafler es vermag, ermitteln
werden: fo würde die Beſorgniß eines Misverſtehens
noch ungegruͤndeter erſcheinen, wenn es ſich von einem
Werke handelt, welchem durch ſeine Beſtimmung mit
anderen Abtheilungen eines gemeinſchaftlichen Unterneh⸗
mens gewiſſe Begrenzungen und Rahmen. angewieſen
ſind. Da nun auch der Verfaſſer ſeine Anſichten uͤber
den gegenwaͤrtigen Standpunct der Geſchichtskunde in
England in einem beſondern Abſchnitte dieſes Werkes
dem Kundigen vermuthlich genuͤgend angedeutet hat:
fo wird dieſer in den Urtheilen über die ‚neuen Ges
ſchichtſchreiber auch hinlaͤnglich erkennen, was jener fuͤr
Beduͤrfniß und erſtrebenswerth für feine eigene Aufgabe |
erachten muſſte.
Es bleiben mir daher nur einige Nachtichten fuͤr
Borwort. IH
die, welchen daran liegt, über die Veranlaſſung dies
fee Arbeit, fowie einige dieſen erſten Theil derfelben
beiteffende Bemerkungen, die an bie Äuſſerungen des
Dankes, welchen für verſchiedene bei derfelben gewor⸗
dene Begünfkigungen auszufprechen eine: theure Pflicht
nie auferlegt, ſich reihen mögen.
Es dürfte wohl auffallen, daß die Gefchichte
eines Staates, welcher ſtets von bebeutendem, oft von
vorherrfchendem Intereſſe für die alte wie die neue
Welt wor, von einem Manne übernommen worben ift,
welcher nit etwa in Beruf und Stellung eines Leh⸗
xers bie Entſchuldigung fuͤr die Übernahme eines fchwer
auszuführenden, aber doch wünfchenswerthen Unternebs |
mens, ſowie die Mittel zu deffen befferer Ausführung
gefunden haben möchte. Als unpaffend, felbft als ans
maßend Fönnte man. zeihen, daß der fie übernahm, der
in Ermanglung des gedachten. Berufs nicht unbefchränt:
ter Muße für das große Thema ſich erfreut, fondern 2
vielmehr feit einer Reihe von Jahren einem praktiſchen
Berufe angehört, welcher allerdings die Fähigkeit für
vereinzelte hiftorifche und flagtörechtliche Unterſuchungen
zu fchärfen vermag und. zur Bearbeitung ber. vaterläns
biihen Geſchichte dringend auffobert, aber der Ems
pfaͤnglichkeit für allgemeinere Anfichten, der: Auffaflung
vn Borwort.
des vielbewegten Lebens, ber poetifchen wie ber mora-
uſchen Elemente ber allgemeinen Geſchichte, entgegen:
zutreten, auch den Verſuch lebendig Fräftiger Darftel-
lung und ben Ausdrud eigenthümlicher Empfindung,
als fremdartig und ſtoͤrend abzuweiſen pflegt. Fol⸗
gendes daher uͤber die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe des |
Derfaffers zu feiner Aufgabe.
Die Herausgeber der: europäifhen Staatenge—
fhichte hatten viele Jahre nach einem Bearbeiter der
Gefchichte Großbritanniens gefucht und häufig erfahren,
daß deren Studium durch eigenthümliche, Auffere nicht
minder ald innere Schwierigkeiten beutfche Gelehrte
von fid) entfernt. hält. Der erſte Gefchichtforfcher un-
ferer Zeit, feit feinen. Zugend- und Lehr- Sahren mit
England vertraut, der zu früh Hingefchiedene, fol
früher. die Hoffnung. genährt haben, daß er felbft
einem ſolchen Werke ſich unterziehen koͤnnte; der geift-
| veichfte der neuern Geſchichtſchreiber hatte es ſpaͤter
übernommen, ald eine andere Richtung feiner Forſchun⸗
gen ihn von der Betrachtung jened Landes entfernte.
Möchten Beider Namen unerrathen bleiben, um nicht
unguͤnſtige Vergleichungen und vergebliche Sehnſucht
nach dem uns Verſagten zu wecken! Der Anfrage
um Rath wuſſte ich damals nur durch Hindeutung auf
Borwort. IX
Deutſche zu erwiedern, deren Muße und uͤbrige Ver⸗
haͤltniſſe ihrem desfallſigen Berufe nicht entfprachen,
oder auf Englaͤnder, welche nur der Bearbeitung der
neuern Jahrhunderte gern ſich hingegeben haͤtten.
Unter dieſen Umſtaͤnden und da ein Beſchluß gefaſſt
werden muſſte, — es waren bereits einige Baͤnde der
europaͤiſchen Staatengeſchichte erſchienen, — gab ich der
ehrenvollen Auffoberung nach, die Geſchichte eines mir
durch fruͤheren mehrjaͤhrigen Aufenthalt ſehr werthen
Landes ſelbſt zu uͤbernehmen. Durch die ſoeben voll:
endete "Anordnung des hiefigen. Archives im Beſitze
größerer Muße , hatte ich mancherlei hiſtoriſche und
rechtshiſtoriſche Arbeiten begonnen, von denen einige
jest ganz ober doch theilweiſe in den Haͤnden deut⸗
fcher Geſchichtsfreunde ſind. Der große Aufwand von
Zeit, welchen beſonders die Bearbeitung von Urkunden
und andern Quellen der deutſchen Geſchichte fodert,
ward nicht gehoͤrig in Anſchlag gebracht, und dabei der
ernſten Willenskraft und einer nicht ganz jugendfriſchen
Geſundheit zu viel vertraut. Das klare Bewuſſtſein
deſſen, was mir England und manche. feiner wuͤrdigſten
Männer geworben find, und der ‚Zauber unerlofchener
fhöner Erinnerungen hatten mir ‚Gefinnungen eigen und
eigenſt gemacht, welche bem ziemen, der zu dem theue⸗
x Borwort.
ven Vaterlande von Worzuͤgen und Mängeln uud fo
manchen und fremdarfigen Erſcheinungen bes. politifchen _
Dafeins jenes Volkes berichten: fol. Der Aufenthalt
des Verfaſſers in feiner Vaterſtadt, deren Bibliotheken
in Beziehung auf ben. nahgelegenen Inſelſtaat reicher
find als die meiften Deutſchlands, das ſchaͤtzbare dor⸗
tige Gemeingut an Kenntniſſen uͤber den Handel, die
Induſtrie und andere Verhaͤltniſſe des heutigen Eng⸗
lands, die einer literariſchen Verbindung ſowie etwa⸗
niger eigener Anſchauung günftige Nähe jenes Landes,
die Erläuterungen angelſaͤchſiſcher Sprache und Sitten,
welche ſich dem Niederfachfen noch heute im Leben dar⸗
bieten: ſolche waren die Gruͤnde, wodurch ben Zwei⸗
feln des Verfaſſers, ob er zu dieſem Unternehmen ſich
eigene, begegnet wurde. Mannichfache Beſchaͤftigungen
mit der Handelsgeſchichte des Mittelalters, der Beſitz
| ſchaͤtzbarer Actenſtuͤcke, deren einige zu Hamburg, wel⸗
ches vor dein großen Aufſchwunge Englands in ben
ſpaͤtern Jahren der | Königin - Clifabeth: Häufig in vers
trauten Verhältniffen zum englifhen Hofe ſtand und
- flets der ehrenvollſten Verbindung mit demſelben fich
erfreut hat, aufbewahrt find, durften bie Hoffnung
naͤhren, durch einige neue Aufſchlane au dem Senne
zu nuͤtzen.
Borwort. xı
Als indefien endlich die erwuͤnſchen Jage der
Muße für: die Entwerfung der neuer Arbeit Samen,
geigten fich größere Schwierigkeiten, :ald vorhergefehn
‘ waren, vorzüglic bei ber ‚älteren Wefchichte Englands.
Die Mangelhaftigkeit. der. früheren Vear beitungen Datz
felben war in. England nicht verfannt, und das Be
duͤrfniß grünblicher "Behandlung ſchon durch Gibken,
der in feinem großen Werke demfelben ſelbſt nur gel
gentlich abhelfen konnte, angeregt; bei meiſten nenern
fleiſſigen Arbeitern geht Kritik und allgeneine Geſchichts
kunde ab. Dem Deutſchen muſſte es unſchwer fallen,
auf den Bahnen, welche verehrte ndsmaͤnnet und
Lehrer eroͤffnet hatten, nehe Blicke fie die Geſchichte
Altenglands zu gewinnen, bei dener der Geſchichts
freund fich nur. zu ‚gern zu begnuͤgen ınb reich zu duͤn⸗
ten pflegt. Zur Begründung. folcher: Anfichten, auch
wo fie ſich ganz richtig erwiefen, fehlte es aber. an
allen Grunblagen und Vorarbeiten. Sogar die Zierbehi
Ihaffung der wichtigſten Quellenſchriftſteller nahm viele
Beit und Geduld in Anſpruch, welche lieber der Arbeit
felöft hätten nägen ſollen. Eine erfreuliche Erfcheinung
und fördernde Anregung wurden ‚mit während: ben
Ausarbeitung des gegenwärtigen .erften Bandes bie
Werke des Sir Francis Palgrave, welche durch neue
xii u Borwort.
Anfihten, Belfeitigkeit und großen: Reichthum des be=
nutzten Materids bald “belehrten, bald zur Prüfung
und befjeren Beyuͤndung der eigenen Anſichten auffo-
berten. Nicht. mnder foͤrderlich wurde meiner Arbeit
eine während bderfelben zufällig entftandene Correfpön-
denz :mit dem Schriftführer der Parlamentscommiffion
für bie Erhalting und Herausgabe der Gefchichts- und
Rechts = Denkniler Großbritanniens, - Heren Charles
Purton Cooper ,;.welche mich theils. mit einigen neuen |
Quellen bekannt machte, theils mir Gelegenheit darbot
viele literaͤriſche und hiſtoriſche Notizen , welche ſonſt
als gelehrter Sllaſt in meinem Werke einen Platz
hätten ‚finden miſſen, gwedmößiger den: Arbeiten; jener
| Some zuzupenden.' J au
Wenn nun;aher mein Schifflein dernoch ih, ri
ki gefegelt ift, As der urfprüngliche Plan diefer. Samm⸗
lung es zu verangen fcheint, und ich für ‚bie angel⸗
ſaͤchfiſchen Zeiten einen ſo ſehr bedeutenden Raum in
Anſpruch genommen haͤbe: ſo beruͤckſichtige man ſowohl
die, Nothwendigkeit neuer Begründung. und. Surücfüh:
rung: der Nachrichten auf: die bisher fo häufig verfann:
ten legten Quellen, melche in: folgenden Jahrhunderten
bei den vorhandenen beffetn Vorarbeiten feltener erfo-
derlich fein werden, als auch dad ‚befondere, biöher
m
Bormwort. - xmu
noch nie verfolgte Intereffe, welches bie Geſchichte bes
unvermifchten deutfchen . Stammes ‚in. Britannien vor
feinee Romanifirung dur) die Nomannen bei ben
Deutfchen in Anfprudh nehmen darf... In Allem was
zur Grundlegung einer Geſchichte der Angelfachfen dienen
konnte und ſich hiſtoriſch erweifen ließ, glaubte ich das
her nicht geigen zu dürfen; manches Andere über angel:
fächfifche Mythen, die Altbriten und daı noͤrdliche Eng:
fand betreffende Geſchichtsſagen wird: velleicht bald: an
andern paflenden Orten mitgetheilt‘ wirden. ‚Die ‘von
wir mit Nachweiſungen audgearbeitetn genealogifchen
Tabellen der angelfähfifhen Rönigähtufer find: diefem
Bande beigefügt. Mit wenigen: Ausnahmen, in welchen
ih eine Hypotheſe ald foldhe zu: fernerer Unterſuchung
glaubte aufſtellen zu duͤrfen, wird man das Beſtrehen
erkennen, auf den feſteſten Grund zu bauen; moͤchten
mit der Ausfuͤhrung Andere zufriedener ſein, als Der
Verfaſſer felbft es fein darf. . 9
Das Beſtreben die letzten Quellen der oktengfidhen
Geſchichte, fo weit fie für uns vorhanden find, zu er-
fennen und anzubeuten, hätte jedoch hoͤchſt mangelhaft
bleiben müfjen, wenn nicht die zuvorkommende Güte der
gelehrten Vorfteher ber Bücherfammlungen zu Göttin-
gen, Hannover, Kiel und Wolfenbüttel, dem Berfaf-
xır Vorwort.
ſer die zu dergleichen Unterſuchungen erfoderliche laͤn⸗
gere und ungiſtoͤrte Benutzung vieler ſeltener Werke
und Handſchriften geſtattet hätte. Indem ich dieſen
wuͤrdigen Maͤnnem fuͤr das mir erwieſene Vertrauen
und Wohlwollen meine aufrichtigſte Dankbarkeit hier
zu bezeugen mich verpflichtet fühle, muß ich zu dem—
felben Zwecke wieberum meines geehrten Freundes Coo⸗
per gebenken, deſſen einflußreicher Verwendung ich ‚nicht
allein viele wertlvolle, für die normanniſche und fpätere
Perioden der Gſſchichte Englands wichtige Werke ver-
danke, ſondern auch). die vor Abſchluß dieſes erſten
Bandes zeitig erfolgte Mitthellung mehrerer für die
angelſaͤchſiſche Gefchichte bedeutender, von. der Recorb⸗
commiſfion "verasftalteter Quellenfammlungen, welche er
dem yerjönlic ‚unbekannten Ausländer vor deren bis
jetzt noch nicht erfolgter oͤffentlichen Bekanntmachung zu
eigenem Gebrauche geſtattete. Moͤchte das was hier
gegeben werden kann, ſo ſeltenen und ehrenvollen Zu⸗
trauens nicht ganz unwerth erſcheinen!
Hamburg, den 16. September 1833.
. 8J | n | h al . t. .
Literarifhe Einleitung.
Seite
. XXXI
Veranlaſſiung.. anne.
Sammlungen der englifgen Ehronifien.
Parker. Savile 2.0. en. .. xxxiii
W. Camden..— EEE —
Twysden. Fell. Sal ee XXxxvV
Sparte. Wharton. Th. Heaameı - 2 2 220 e. xxxv
Engliſche Recortcommiflton. - -» o - = - ee. ne 0 RERWE
Waliſiſche Gefchichtöquellen.
Dichter. Reiben : - 2 2 0 xXxXxXxvII
Gildas Cormat - 22 ee. 22% RKXVIN
Remis ee KXXIK.
Jeffrey von Monmouth, ER XL
Tyſſiliiiii... ——
Ponticus Virunnius - 2 00 nen xvur
Robert Vace. Eayamın . le en
Caradoc von Hancarvan 2 > 20 .
Sohannes von Brechvann rn ‚LXIIL
Lappenberg’s Sefichte Englande J b
m Inhalt.
Seite
Chronicon Walliae. Chronicon Cambriaee . . . ... XLIIL
Brut y Tywysogin . » >» 2 0 0 0er ne. —
Angelſaͤchſiſche Geſchichtſchreiber.
Beda.... ee er ee. XL
Ültere angelſachfiſche Quellen ee. XLv
Aller. . . ee ee ee XL
Die angelſaͤchſiſche Chronik ee. XLIX
Quellen berfilben - > 2 2 0 0 0 nn rn en LI
Bon den Verfaſſen. . LOL
Üchelwenb 2 00 0 en LvI
Slorenz von Worceſter ern. LVII .
Marianus ECcotus > 00 en —_ _
Simeon von Durham « . » . ....2.0.. "LIX
Chronicon Mailros, Heinrich don —*8 — LX
Roger von Hoveden ... LxI
Alvred von Beverly - 2 0 0 Lxii
Ferse EEE —
Ailred von Rivau 0 2 00er LXIV
Wilhelm von Malmesbuy - = o 2 2 00 rn
“ Matthäus von Weſtminſter ee 1 1 3 2 08 2 8.2 2: —. LXV
Johan 8 Wallingford - 0. 000 n Lxvi
. ö | , | u |
” 5 Normannifche Schriftftelee. |
Dudo von St. Quentin ne _
Wilhelm von Jumieges ... —
Robert Wacee— re. LXYIL
Benoit de St. Maur. . . rennen —
Geffrey Gaimar a —
Engiihe Reimchroniten. . J
‚Robert von —— .. 1XvnIii
Peter Langtoft . a ... —
Robert de Zlunne J . . « I o . . ..0 ® « D —
Inhalt. xvri
Spaͤtere Chroniſten.
“ "Seomton oe . ee een eo. 0. ee... * LXIx
Dogs von Blaftonbun u R 2. eo. —
Urkunden. Geſetze. Muͤmzen.
Nreuere Geſchichtſchreiber.
A Ve . LXXO
Milton... ö ... —
Langhorn eo. 1} . . ‘ . er. 2... [} U} . ® LXXIH
Spelman . . “ . . . \ o . . 0. e « o e . e
Rapin de Khoyra8 . .» 2. 2 0. . nen F
Carte . ao 0 08 0 0 08 06 . . oo . . .o. 0. .o..ee. oe
— ® © 0 »
u)
F
rs
Erſte Abtheilung.
Britannien vor und unter ben Römern.
, Üefte Kunde ber Bote, Kartfager and Griechen von Bris
tannien . 0 [ Le 2 1 8 LE LT LT 8 RT Tr 8 8. — Bu wer)
—— und Grade be Betten. een.
Baptiinze und Kürten a ,
Gehlige Zuftände und Eittn - -» oe 0 ce
oe: eo ee. —o
“
138
0m -
xviii Inhalt.
Seite
Geſetze des Dyonwall Moelmud.... :. . eo... 3
Bolleftämme - . - 222.2.) 16
Kriegszüge des Julius Säfar nadı Britannien 1.
Landung unter Galigula ..... ... —2902
Eroberung unter den folgenden Kailſern ... | ...97
Eintheilung und Verwaltung der britannifchen Provinzen ... 29
Erhaltung altbritiſcher Sprache und Sitten.383883
Politiſche Geſchichte unter der Romerherrſcheſt— ...... 88
Angriffe ſaͤchſiſcher Seeraͤuber . - re Wo
Erſte Spuren bes Chriftenthbums - - - 22 2 02 e. 45
Einfluß und Denkmäler romiſcher Pitung - re. Wi
Pin - . . ........... 58
Scoten ... NDR
Empdrungen rdmiſcher deerfahrer nn. 55
Roͤmiſch⸗britiſche Kolonie in der Bretagne . Wenn. 56
Zuruͤckziehung roͤmiſcher Truppen - - » - > un nn. 58
Schiclau des Chriſtenthums .. .. . een. bl
Zweite Abtheilung. -
-Bon- der Ankunft der Angeln und- Sadıfen - bis
zur feftern Vereinigung der von benſelben
geſtifteten Staaten.
Die Sage von ben Äfcingen.. . . ...68
Zeitrechnung dee Angelfachfen. Siunen . . 1.. . .. 69
Aſtammung der Angelſachſen >
Atfahfen .: - - Da 84
Stammfage ber Sad ... 686
- Angeln. ... » ....88
Juͤten.. een. 88
Frieſen und andere flammrerwandte Einwanderer ee 2.2.2.9
Widerfland ber Loegrier. Arthur. ee een... 108
Kula von Suſſex .... lee . .. . .. 107
Cerdic und ſein Stamm in Weller. een. 110
ee een. 114
Inhalt.
Reide der Angeln . . . 0.
Staaten nördlich des Sumber .
Briten in Wales, Cumberland, Oiatjlup
Gefammtzuftand Britanniens .
Die Würde des Bretwalde . - .
Kämpfe zwifchen den germanifihen Fürften .
Britiſche Kiche - - - - ..
St. Patricius. - Rynias. et. Eelumba
Gildas Cormac
RKoͤmiſch⸗ Eatpolifche Kirche der der Angelfachfen
Yapfl Gregor, der Große “0:0...
St. Auguftin in Kent . .
Ütgelbert, König von Rent.
Forts und Rüd: Schritte der Betgrung | in Sa, ae und
DOftanglien . . - oo.
Athelfrid von Rortfumbrien ee
Cadwin, feine Belehrung und Badfige
&t. Paulinus. . .
Chriſtenthum in Oftanglien 0.0.
Chriftenthfum in Weflr - - - - . .
Zeudbric von Gwent .
Bretwalda Oſwalde. .
Bretwalda Oſwiu von Bernicha .
Sieg Über Penda von Mercien . .
Kämpfe mit Cenwealh von -Weffer -- - -
Bereinigung der britifchen und römifchen Rice. .
Theodor, Erzbifhof von Canterbury .
Erlebniſſe Wilfride, Biſchofs von York .
Ecgfrid und AÄlfwin von Rorthumbrien
Bulfhere von Mercien .
Einwirkungen ber ergehen un und der ſcotiſchen Geifttichen auf
bas Seflland . : na
Abfrid von Northumbrien ...
Krchliche Einrichtungen -. - » 0...
Bilhöfe- - > 2 > 2 Een.
Köfter . Der Fer Be Er BE er
Kirchliche Geographie a
PHarrlirhden . : .
Berhaͤltniſſe der Geifien zum Staate ..
Kirchenzehnten . .
Krchenrecht. Gomiſches Reit) . f
x | Inhalt.
1
| Seite
Die Mutterſprache in der Kirch . 198896
Volksglaube. Pilgerſchaften. —⸗ 198
Verehrung ber Reliquien und andere Übersefte be Helbentpums . 202
Politiſcher Einfluß des Ehriftentbums - - oo 2 0 0.0.8208 °
Steigen der Macht von Welle - - - » . . - . . —
Northumbrien. Aldfrid .. a . —
Beda. nenne 204
Ecgbert. Willibrord. Die Ewalde oo. .... \ı ©)
Rorthumbrifche Könige. Cabwulf, Oſred u. x. Pe —
Gulf nenn 1
Eidbert . ..» | Fa | /
Anarchie in Rortfumbrien ne nr 200
Alchred (Willehbad) - - - v2 0. een. 209
Rormannen auf Lindisfarne a er ern. 212
Eardbuf. . - » .. .34 .. 213
Dbermacht der Mereler ee eek. 8216
Äthelbert. und Oftbiye - - «+ - J .. .—
Der Clito Äthelbald ... .. 219
Otffa. Gagen., Offas Dyke. Karl ber —2 Eynethrythe .. 222
Erzbisthum Lichfild - ne en 228
Geonwuf . o. .» een. 232
Beflegung Kent. Gadbert der Nrebiger 0 en
Wiederaufhebung bes Grgpistgums Eifel ...... 2388
Verfall Merciens . .. neun. 235
Dftanglien . 0.0. .. . . 356
Oſtſachſen.. . 237
Kent.. . 238
Sue - -.- . . .. 241
Kleinere Staaten: Mittelfachfen, , Euthrige, Sins vu .. 3
Wachfender Einfluß von Weller. . - + - .. 826
Eynegils und Ewihelm - - - - een... . —
Genweah . . . « nen . 246
Gentwin . ee. . 2350
Kämpfe mit: den Briten een. —
Ceadwalla in Suſſer . 352 |
Groberung von Wight . .. . .. 2%
Ine. reroeſchichte- Pr 1:7;
Geſetzgebung . - 0. , ....258
Adhelm | . 259
Winfd . .... nen KO
Zneb Pilgerfahrt nach Rem. >. een. . 232
yadaktı XxXi
Suthreb. Kämpfe mit athebel von Rercien. 2 00. 268
Seebriht - > .. en 264
Gyammulf, Kämpfe mit Befen und Merciern "|
Beorthric und. Eynethrothe ee... oe. 267
Dritte Abtheilung.
Bon ber Bereinigung der angelſaͤchſiſchen Staa-
ten unter den Weſtſachſen bis zur Allein
herrſchaft der Daͤnen.
Ecgbert 800 — 836. .
Kdnigreihh England. -. - - 2 2 2.0. rn 21
Zinsbarkeit der Briten - - > 2 2 0 0 rn rn 278
Unterwerfung ver Dflangeln- - - © > > 2 2 2 0... : 2%
Siege Über Based und Wiglaf von Mercin - -. . - 2... 275
Berhältuiffe umtergeorbneter Staaten - -. - - . . eo... 27
Landung bänikger Seeraͤuber in Bir - - -» - > 2 2.0. 278
Behegung von Rorbwales Fe —
Bon ber Herkunft der Rordmannen, deren Ausiwanberunges, ſo
wie Einwirkungen auf die Beſiegen...
Frichere Züge der Serräuber gegen England. - - - » - - . 237
Üthelwulf 836— 857
Seien mit den Rermannen -. - - - . » en... 290
Abus Eime - - - > 2 2 2 2 2 ee. ee. 29
Bıhect Mom - - - 2 2.2 2 20.20. I 2.2.2.0. —
Des jungen Xifrebs Krönung zu Biom en 24
Shelmuffs ............— 295
Bumählung mit Si - - - - - - 2 2... .. 0
Üthelbaib 857 — 860
xx Inhalt.
Er 00-8.
\
vandung Welands . te
Regnar Lodbrog und fin eägne
Inguar
König AÄllas Grmorbung . ..
Die Daͤnen in Mercien und Offanglien .
König Eadmunds Märtyrerthum .. . - Er
Dänifches Königreich in Oftanglien. Guten
Angriffe der Dänen auf Weſſex
Are 1-0
Seine Jugendjahre. ...
Friedensvertrag mit den Dänen. 2.
Healfdens Vertrag mit Burheb von Wercien
Coowulf. - . .. .
Die Dänen in Rorthumbrien . u .
Guthruns Krieg gegen Älfred
Alfred zu Äthelings:Cy . .
Sieg bei Äcglea
Taufe bes Guthrun⸗ ätpeifan » von Dinge .
Dafen - x... . F
Streifzuͤge der Rormannen .
Role . . ..
Guthred von Northumorien
Athelred, Ealdorman von Mercien
Wiederherſtellung von Weffer .
Innere Verwaltung .
‚Berdienfte um Sprache und Wifenfäaft
Die Gefandtfchaft nach Indien . . ..
Berbindungen mit Rom. Saqſſenſchate
Unterricht. Oxforde.
Alfreds Zeiteintheiliung .
Haeſtens und Bjoͤrns Eiſenribbe Küche ns Sogn "
Schlacht bei Farnham . .
Überfall der Oftangeln und Bortgumrie .
Daeften in Effer .
Zuftand von Wales .
Älfrebs Zeflament . .
“
‘
138 BIER.
t
Inhalt. | xxmu
Geite
Eadward der Altere 1924.
Cuto thelwolb een. . 880
Bündnis mit Guthrun II. . ee... 852
Die Züten von Wight und Set. .............. 358
2ämpfe mit Ithelwold und ben Dänen . .. . —
Athelflede. on. nenn. 855
Anlage von Burgen - » 2 2 2 2 ee rennen. 856
Krieg gegen Walls . 0 2 87
Aufftand ber. Dänen - - 2 2 2 2 nen nn nn. 858
Angriff der Lidwicken.. nn nen 859
ÜÄthelfleves Tod. . . .....4361
Oberherrlichkeit Eadwards . el
Die Grafen von Rorthumbrien - een nn. 36%
Berwaltung bed Innern... 2.2 oe oe oe or nen nn 863
Eadwards Kinder ©. 2.0 oe. ee ern 3686
Athelſtan 924— 941. |
Sagen über Ätpelftans Geburt und Sugend? . . .» - - . . 366
Alfred, der hochverraͤtheriſche Mönh - -. > > 2 2 22020. 368
Sithrik von Bernicia und feine Söhne - - © » > 2 2 2 ..869
Englands Berhältniffe mit Noiwegen. 0... . 870
Englands Berhältniffe mit t Branteei een. 873
Dftanglien .. . . .. 20200. 375
Beſiegung der Woaliſer .. 2 . . . nn. 376
Exeter; Königebilder - © - - 2 0 2 em
Kaiſer Otto ber Große und — nenne. 0. 87
Eadithe und Abive. - - rn
Berbindungen mit Klöftern af dem Seftlande . ne 378
Edwin . . .. 379
Siegeszug nach Schottland ... 880
Alanus von Bretagne» > > nr rm
Schlacht bei Brunanburgh nennen. 882
Gefesgebung - - . nennen. 885
Die Friedgilde zu London ...... 8386
-.
Eadmund 941 — 946.
Kämpfe und Vertrag mit Analav ee. 883
Rriege mit britifchen und ſchottiſchen —— ee nn. 889
bkemunds Ermordung. . . . nenn BHO
zım Inhalt.
Be
. Eadred 6956.
Hiring von Rorthumberland ... |
Hochgraf Oſulf. et ee BR
Kanzler Turketu een: BO
Eadwi 955 — 951.
Streit der geiſtlichen und ber welulichen Maik re. —
Verfall der Kirche in. England . .. ee. 396
Dunftan der Benebictiner et en ne BES
Eadwis Krönungsffl - © - 2 20 nenn nen. 39
Berbannung Dunflnd - - -» = 2 2 2 2 2 2 20 r . 400
Defien Ruͤckkehr . een W . 401
Eadgar, König von Dercien em
Üthelgifes Leiden © - 0 000er. ... 402
Eadgar 9599-975.
Der Bögling der Älfmena - = 2 2 2 nennen. 20ß
Gedeihen der Benebictinee - oo 2 nn 44040
Biſchof Oswald. - 2 0 0 0 2 an 2 er —
Eadgars Frauen und Kinder : = 2 2 2 2 2 40
Unfälle bes Landes - © > 2 0 2 2 rn ne een. 406
Kriegszug gegen bie Oflmannıen . » - > 2 0 en... 407
Kriege gegen Wales und Weflmordland - - - > > 00... 408
- Berhältniffe gegen Rordbritannin - - - - - ve —
Ottos bed Großen FZreundſchaft. ... 2410
Krönung zu Bath . ee em
Perſoͤnlichkeit Eargars ....42411
Rechtspflege und Einrichtungennnnn. 24182
Eadward der Maͤrtyrer 975— 978. |
Wahiftreitigleiten . . - nn. 414
Die Ealvormanen Älfhere, Ajein, , Meinst. m
Eoncilium zu Caue . . . . 0. en... 5
Gabwarbs Ermordung - - -» 2 2:2 2 nenne pe.
Inhalt. xxv
Seite,
Athelred U. der Unberathene 978 - 1016.
Berheerungen ber Daͤnen..
Svend und Palnatole. . . .
Üfperes Tod. Älfrie. . ... .
Angriffe auf das fühlihe En land. FE
Krieg Englands gegen bie N rmandie ee...
Rormannen in Eſſex. Brithnoth. Danegeib nen
AÄfrics Verrath -. - -» - -» ..
Olav Trygveſons und Sende Sanbungen ...
Berheerungen im füblichen England .
Üthelrebs Zug gegen Gumberland .
Galborman Leofy - - - » . .
Athelreds Gemahlinnen und Kinder
Emma von der Normandie . .
Die St. Briccius Naht . -
Alfrics neuer Verrath.
ECabric Stren . . . 2. .
König Svends Niederlage durch uiſkhtel Keen.
Tthelreds Bünftlinge - > = 2 een
Bulfnoths Aufftland -. » 2 2 0 ne een
Entſtehung bes Schiffsgeldes .....
Thurkill hin Have und die Jomceitingen ee
‚419
[|
“
[ ® ®ı “ — ® .
® ® » “ . . . . Se .
[2 I ® [} ® 0 U) _
[} “ 0} ® [}
® . ® ® [} [} L}
‘ ‘ [} ®. ) 2 0
. ® “ ® v LU}
Alfeahs Märtyrertbum . . . ..
Svends Doppelbart Landung und Sie. rn. .
Kriegögräuel . oo. PR .
Tthelreds Flucht nach Rouen ee ren.
Evends Eod. . . nee
Äufferer Friede und innese Berwüsfniffe . en
Enuts Landung . es ir een
ÜlbeltehB Ed nn
Eadmund Eifenfeite 1016,
Dänifhe Belagerung Londons - oe > > 2 20 nn nn. 44
Schlacht bei Sceorftan . . rennen = 45
Kämpfe bei Brentford und Ottford ...486
Schlacht bei Affandun-. - > 2 20 2 ne rn
Bergleih zu On - - 2 I een en nee
Cadmunds Eh. © > 2 20 nr
Eadrics Einflußß. 0
—
xxvi | | Anhalt
Vierte Abtheilung.
Die Zeiten der Mlleinherrfchaft der Dänen
in England.
Cnut 1016 106.
Emwäehlange zum König von. England . .. 462
Verbannung der Mitglieber des alten Königshaufes ..... —
uUthrede von Northumbrien Ermordung . . - en —.
Vertheilung des Landes in große gräfliche Provinzen. .. 468
Fernere Maßregeln gegen Eadmunds Verwandte und Radtommen —
Vermaͤhlung Cnuts mit Emma lfgifu .. - . . . 465
Vertilgung angelſaͤchſiſcher Großen. —
Cnuts Geſetzgebunnggg.. 466
Witherlagsrecht. Husceorle. singt) wire een. 467
Verhältniffe zur’ Geiſtlichkeit. .. nn. 468
Streitigkeiten mit dem bamburgifchen Grybischume 0020. 470
Der Jarle Thurchill und Erich Gatfernung ren nn. 472
uf Sal... . ....... \ /
Verhaͤltniſſe zum Kaifer Konrad IL. ... 47%
Scandinavifhe Kriege - 0 —
Enuts Reife nah Rom -- -- = = 2 2 476
Krönung zu NRidaröß -. -- 00 een een en a. 478
Verhältniffe zu der Normandie. - - en nn. 8479
Unterwerfung Sqhottlande © und Eumberlande ....... 480
Enuts Tod... nn nn. 4
Beine Reötonmenfänft- tn nn 482
Harold. der Hafenfüßige 1035 — 1039.
unterdruͤckung der angeiräffgen Partei nn. 484
Harthacnuts Freunde . -. -. Fe
Die Ktpelinge zu Ruuen.. nn nn. 485
Eadwards Landungg.486
Kifreds Ermordung >22 oe en . . . 487
Harolds Regierungggg. ... .. . MR»
Imhalt. XXVII
Cette
“ Harthacnut 1099_ 1082: |
Ermählung deſſelben .. ..... et nn .. 489
Berfolgung wider .Darolds. Bene. .. ... —
Reues Danengeld .....491
Berufung des Atheuing Eadward .. ......... 4092
Svends Eſtrithſen Reiſe nach England. N
Zod varthacnuts ee
—
Fünfte Abtheilung.
Rickehr und Untergang, der. angelfächfifchen |
Dynaſtie.
Eadward der Bekenner 1022 — 1066.
Cabgythe . .. ee 2. dd
Svends Eftrithfen Anſpruͤche ee ee...
Krönung Eodbwarde . . . een.
Demüthigung ber — Mutter - RE —
Gunhildes Verbannung ' Were le. ih...
Rorwegifche Scehten - . - ne
Die verbannterf Angelfachfen in Flandern. een elere . 500
Ermordung des Dänen Bin - - - > 20 501
Die fränkifchen Geiftlichen in England . - - - 2 2.2.2. 508
S
Erbauung des Dontes zu Weftminfter . - ..:.. 504
Die normannifchen Günftlinge am engeren HR. 0.505
Euftaz, Graf von Boulogne -» -. - - .... 000.506
Godwines Verbannung . - een 509
Beſuch Wilhelms von. ber Normandie ... ;) 3 |
Der Bürgerkrieg . . ... . —
Flucht der normannifchen Sing ernennen. 518
Sodwines Tod . . ., een. 516
Des Äthelings Eadwarb "Rückkehr . .. ... 517
Krieg mit Schottland. Siward Earl von i Roepumbein 0. 518
Ufgars Verbannung . . . . . 4 519
Erg mit Wale . . . 51 ernennen. 520
xxvnmnt Inhalt.
Zu Seite
Leofric von Coventry nn nn. 5
Alfgars zweite Verbannung und zo. rennen. 52
Harolds Siege über die Waliſe.... 0 nn. 528
Deſſen Reife nad bee Normandie - - > 2 0 0 0 000. 5
Aufftand in Rorthbumberland - - > 2: 2:2 0 0 200. 2228
Eadwarbs Tod... 6880
Harold II. 1066 Januar bis October.
Krönung Harolds rn BR
Toſtigs Intrigun - - » - - Pe 1.1. |
Landung des Harold Hardrade von Norw een ...... .. 58
Schlacht bei Stamforbbridgee - - = © 2 2... eo. 00.0. 536
Der Stamm ber Guelfen.389
Kriegsrüftungen in der Normandie. - - « - 0 20. . .„ 542
Papſt Alerander I... - » 2 eo 222... nn. 5
Landung ber Normannen in England - - - «2 2 0.2... 546
Schlacht bei Senlac ober Hafling - - * - . ... . .. 549
Darolds Ende .. ” . . . . 0 — 0 — . . ‘ 554
Sechste Abtheilung.
Innere Zuftände der Angelfachfen:
Berfchiedenartige Elemente dee Gefittung . - en 0. . 558
Bon der Sprache und ihren Dialekten. 0... 59
Staatsrechtliche Verhaltuſẽ.
Der König und bie Athelinge ..... .. 56
Die Königin - 2 0 ent en. ee ne. 568
Die bevorrechteten Freien ober ber Deafhe 00... 565
Die Dofämtr -. . - 2 een ein een . —
Der Ealdorma..... . 567
Der Geſith und der Zoe .. en... . 569
Die ſchlechthin Freien. Ceorle. Seburen und andere Pörlse . .. 573
Die Unkden - 2 0 len. . 57
Inhalt xxix
Die Geiſtlichen. 677
Das VWitena⸗Gemotte.. .—
echte des Königs und des Volts am Banbegentsume. Beiden, |
Bodand. Larnland » 2 2 nn een eine j . 6%
Sudbalitöt - - > 2: 0000. irren. 880
Die Landesverwaltung. Shires ne. ren 581
De Serefe. - » - . ren. . eo 00. . 582%
Mägthe, Hundrede und andere Unteahtpelungen ee... 588
Srimirte Diftricte. Soc. . » » een. 886
Gegenfeitige Retsbürgfhaft - - - 00000...
Die Zeotbung -. - » 2 er nn 38
Briebglldoen . oo 0 2 0 er ern nn 589
Sreoborh ST
Privats uud Prafetihe Sapungn. 5 |
Dex Vreie und das Wergelb . ... . . 891
Das Munddd teren. 58
Die he » . 2 2 0er nen .. . 594
Bom Sohenccht » » 0 00 ren. .
Bom Eibreht. 2 0 2a ren er
Bon ben Foderungen. nen
Bon den Berbrechen und deren Buße - - ». 2 0. .. —
88
Rechtspflege.
Die urtheller.... er... 601
Gerichtliches Verfahren. Eibeshelfer. een... 602
Bom Geldwerthe der Eiddee... ee . 605
Bon gerichtlichen Zweilämpfen und andern Gottesurtheilen .
Bom Urfprunge des GefchwornengerihtE . . -» on.
Der Einigliche Oberhof > > 2 m. 2 ee ne
332
Staͤdtiſche Verfaſſungen.
milde Einrichtungen.. ne. 608
Opfers und Teufels: Glden - - > 2 2 2 rm
Etädtisches Gildewefn . . ER 609
. Wycgerefen. Laghemannen een. 610
xxx | Inhalt.
Erundeigenthum ber Stadt. Som - 2 6111
Dienſte und Abgaben, ber Bürger a 612
Der Frohnbote A 6 x ° . — 4 | . . . . 613 .
London .2 . . . .“ . . .. ..o —
Bandelsrechtuche * Girängn nennen. 614
" Banbebaultu. |
Die Viehzuchtt6185
Der Adarbau tieren nn... 617
Londmanfe een. 618
Gärten. Weindbu -. - ll SE LI IL I —
Waldungen, Forſten und Sagsen ernennen. 69
Der Siihfing - - . . .... . 68321
Bergbau. Salzwerle - - - 2 0 2 er .. —
Städtifche Gewerbe. 622
Handelsverkerrrrrr8683
Muͤnzweſen.. 86686
Schtußbemerkungen een. . ...627
Literariihe Einleitung.
An Geſchichtskunde dAlterer Zeit beruht auf ber Kenntniß
der Gefhichtöquellen. Ein Geſchichtswerk follte daher nur
dann der genauen Nachweifung derfelben entbehren, wenn
folhe als anderweit hinlaͤnglich bekannt vorausgefeßt werben
darf. Der Mangel an dergleichen Auskunft für die Gefchichte -
Englands in der Literatur diefes Landes felbft ") wird den Frem⸗
den, deren größte- Bibliotheken felten viele jener Quellen bes
figen, um fo fühlbarer. Wenn aber der Zweck eines Gefchichtds
werkes zulest die Förderung der Einfiht und bes Selbſtſtu⸗
biums der Gefchichte iſt, fo genügen bie literarifchen Notizen
über jene noch wenig, fondern es muß ald Grundlage alles
biftorifhen Studiums eine genaue Würdigung der einzelnen
Geſchichtsquellen, ihrer Eigenthümlichfeit und ihrer Ableitung
aus einander erkannt werben. Diefe fehlt vielleicht bei keinen
Geſchichtsforſchern mehr ald bei den englifchen, einige wenige
der neueften Zeit, Lingard und Palgrave vielleicht nur ausge⸗
nommen, welche jeboch felbft hierin mehr durch einen richtigen,
aber nicht immer befolgten Zact, ald eine wifienfchaftlich bes
geümdete Anficht geleitet fcheinen. Daher werben von ben engs
liſchen Gefchichtfchreibern gewöhnlich Quellen angegeben, welche
in dem nachflehenden Bande gar nicht, oder in dem feltenen
Sale, wo ihre Quelle unbekannt ift, angeführt find: z. 8.
1) W. Nicholson the english, scotch and irish historical. li-
braries. 8. edit. London 1736, fol. genügt heutigen Anfprüchen keines⸗
wegs mehr. Über die Chroniken der Angelfachfen findet fi ein gedie⸗
Wurr Auffag von Dr. Reinhold Schmid im Hermes Bd. XXX.,
“uf welchen verwiefen zu haben im Obigen größere Kürze uns geflattet, .
kappenberg's Geſchichte Englands I. c
i
xxx Literarifhe Einleitung:
Matthäus von Weftminfter, Roger von Hoveben, Bromton,
Knighton u, U. PVorzüglihe Ausgaben einzelner Gefchichtss
quellen, welche ald Compaß zur Drientirung auf dem verbuns
kelten Geſchichtsmeere dienen koͤnnten, befißt England: fehr
wenige; die Analyfe ber Chroniken zur Ermittlung bed wörts -
lich Entlehnten, des Neugeftalteten und ber eigenthümlichen
Mittheilung, die Vergleihung und Beglaubigung ber letzteren
mit gleichzeitigen Urkunden und anderen Quellen, die Erläutes
rung des politifchen Standpuncted des Schriftſtellers, die Er⸗
oͤrterung ſeiner Sprache — alles dieſes gehoͤrt in England,
wie gewoͤhnlich in andern Laͤndern, noch zu den ſelten erfuͤll⸗
ten Foderungen an die Geſchichtsforſchung, fo daß auch die
Geſchichtſchreibung, gleich anderer Autagepraris, weit hinter der
Theorie zurüdbleiben muß.
Die folgenben Nachweifungen und kritiſchen Bemer⸗
kungen werden in der hier erfoderlichen Kuͤrze, und mit Aus⸗
ſchliefſung der dem Leſer hinlaͤnglich bekannten griechiſchen, roͤ⸗
miſchen, nordiſchen und deutſchen Quellen fuͤr die engliſche
Geſchichte, ſowie auch der engliſchen Biographien, welche in
den einzelnen betreffenden Geſchichtsperioden angeführt. find, -
Pr
biee nur auf die wichtigkten Quellen der angelfächfifchen Ges _
ſchichte ſich erſtrecken. Sie ſollen die Grundlage zu manchen
einzelnen in dieſem Werke zerſtreuten Bemerkungen, und dieſe
zum Theil die Belege mancher hier kurz aufgeſtellten Behaup⸗
tungen bilden.
Das Studium der aͤlteren engliſchen Geſchichte wird un⸗
gemein erleichtert fein, ſobald England bie feit längerer Zeit
von der für die Erhaltung britifcher Gefchichtös und Rechts⸗
Denkmäler niedergefegten Parlamenticommiffion unter ihren _
umfaffenden Arbeiten gleichfalls beabfichtigte Ausgabe der engs
lifchen Gefchichtichreiber bi8 zu dem Jahre 1500 befitt. Es
liegen nicht allein fehr viele beffere Handfchriften der bisher
größtentheils fchlecht abgebrudten englifchen Ghroniften annoch
unbenugt, fondern auch eine fehr bedeutende Anzahl wichtiger
Geſchichtsquellen iſt nie an das Zageslicht gezogen‘). Es
1) über den Plan biefer Sammlung und bie-Borarbeiten ber oben
gedachten Commiſſion für biefelbe finden ſich Nachrichten in. dem Werke
des Shhriftführers derfelben, C. P, Cooper aeceunt of the most impor-
— — —
— — —
Literariſche Einleitung. | xxın
laͤſt fich aber mit Zuverficht annehmen, baß unter der jetzigen
thätigen, ſachkundigen und umfichtigen Leitung biefer Arbeiten
und bei den Mitteln, mit welchen die Vaterlandsliche der Enge
laͤnder dieſes Unternehmen unterflügt, England bald eine
Sammlung feiner Geſchichts⸗ und Rechts⸗Quellen erhalten Tann,
welche an Vollſtaͤndigkeit die anderer Länder fo weit Übertrefs
fen wind, als es bisher hinter den hiſtoriſchen Sammlungen
Italiens, Frankreichs, Dänemarks zuruͤckgeblieben ift.
Die größeren Sammlungen welche und bis jegt vorla⸗
gen, gehören bem fiebenzehnten Jahrhunderte oder noch frühes
er Zeit an. Die ältefte ift vom Erzbifhof von Canterbury, .
Matthäus Parker, veranflaltet ") und enthält nur den Gottfried
von Monmouth, deſſen Epitomator Ponticus Virunnius, Bes
das Kirchengeſchichte, Gildas Schriften, Wilhelm von New⸗
bridge und einen lateiniſchen Auszug aus Froiſſard. Parker
hatte jedoch 1574 ſchon den Walſingham und Aſſers Leben
des Alfred zu London fol. mit altfächfifchen Typen abdrucken
laſſen, ſowie bereits 1570 ben Matthaͤus von Weſtminſter und
im naͤchſten Jahre den Matthaͤus von Paris. Hierauf folg⸗
ten die von Sir Henry Savile geſammelten: Rerum an-
glicarum seriptores post Bedam praecipui?), naͤmlich die
drei vorzüglichften Werke des Wilhelm von Malmesbury und
die Chroniken des Heinrich von Huntingdon, bes Roger von
Hoveden, des Üthelmeard und des Abtes Ingulph; ein fehr
bedeutender Gewinn für die Gefchichte, doch fo fehr flüchtig
bearbeitet, daß im Hoveden ein großer Theil des Heinrich von
Huntingden woörtlic wieder abgedruckt if. Einzeln wurden im
demfelben Jahre und an bemfelben Orte des Matthäus von
Befiminfter und des Florenz Chroniken abgedruckt, woher denn
das wichtige Werk des Letzten vielleicht zu wenig beachtet iſt.
Wenige Jahre darauf ergaͤnzte der große engliſche Alterthums⸗
forſcher William Camden (+ 1623) die vorhergehenden Samm⸗
tant public Records of GreatBritain and the publications of the
Record Commissioners T. II. p. 144 — 178 und p. 365 — 870.
1) Rerum britannicarım scriptores vetustiores et praecipui. Lug-
dan. 1587. fol.
2) Londimi 1596. Francofurti 1601. fol. Typis Wechslianis
sd, Claudium Marnium et heredes Johannis Aubrii.
- c*
xxxiv Literarifche Einleitung.
lungen burch bie von ihm herauögegebenen Anglica, Nor-
mannica, Hibernica, Cambrica a veteribus scripta '),
welche einen neuen, boch tadelhaften Abdruck von Bifchof Aſ⸗
ferd Leben des Königs Alfred enthalten, ferner den Wilhelm von
Sumieges?), Walſinghams Chronif, ber unnöthiger Weife ein
Auszug dieſes Werkes, dad, Hypodigma Neustriae, beigefügt
iftz auch des Gicaldus Cambrenfis Werke: Itinerarium, fowie
descriptio Cambriae, Topographia Hiberniae und Hi-
bernia expugnata find darin enthalten. Es bewährt dad ges
ringe Sntereffe, welches das praßtifch ausgebildete und hiftoris
ſchen Vorurtheilen bingegebene England an gründlicher Ges
ſchichtskunde nahm, daß, während es nicht an Gegenfländen
zu gefchichtlich = ſtaatsrechtlichen Zorfchungen fehlte, diefe Samms
lungen nicht dort,. fondern nur in Deutichland wieder aufges
legt werden Eonnten, gefchweige denn‘ daß zwedmäßigere
Sammlungen veranftaltet wurden. Erſt funfzig Iahre fpäter
erfolgte der Abdrud der nach Beda wichtigſten Quelle für
die angelfächfifche Gefchichte, nämlich der angelfächfifchen Chros
nit, welche das Original vieler der "vorher erſchienenen latei⸗
niſch abgefaſſten Geſchichtswerke iſt. Von geringem Werthe
fuͤr die angelſaͤchſiſche Periode wären die historiae anglica-
nae seriptores X, von Roger Twysden herausgegeben °),
wenn Simeon bon Durham nicht oft, den Mangel ded Florenz
erfegt hätte und einige eigenthümliche Nachrichten befäße,
und jene Sammlung nicht auch den Abt von Rieveaux de
genealogia regum Anglorum und deſſen Leben König
Eduards des Bekenners enthielte. Intereffanter find uns bie -
zu Orford veranflalteten Sammlungen, von denen bie bed
dortigen Bifchofs, Iohn Zell, befonders den beffern Ab»
druc des Ingulph und die Gefchichte des Peter von Blois
fowie die melrofer Chronik enthält‘), die andre, yon Dr. Gale
1) Francofurti 1608, fol.
2) Deffen Ausgabe nach zwei de thouanifchen bandſchriſten in Du-
chesne scır. rer. normannic, iſt beſſer.
8) Londini 1652, fol.
4) Rerum anglicarum scriptorum veterum T. I. Oxonias 1684.
fol. Es iſt nicht mehr davon erſchienen. Da Fells Name nicht in dem
[4
| giterarifhe Einleitung. xxıv
beforgt, den Gildas, Nennius, Eddius, 3. Wallingford, bie
werthvolle Gefchichte der Klöfter Ramfey und Ely und andere
für die normannifche Periode ber englifchen Gefchichte wichtige
Schriftfieller ). Seit jener Zeit iſt keine ähnliche Sammlung
erfchienen , welche bier zu erwähnen ift, ald etwa bie des Jo⸗
ſeph Sparke von Peterborough: historiae, anglicanae aeripto-
res varii?), welche ſich größtentheild entweder auf die Ges
ſchichte des Klofterd zu Peterborough oder die bed Erzbifchofs
von Canterbury, Thomas von Bedet, beziehen. Wichtiger iſt
uns, wenngleich ausſchlieſſlich der Kirchengefchichte beftimmt,
die von Henry Wharton herausgegebene Anglia sacra ?), eine
werthuolle Sammlung von Gefchichten mancher Bisthlimer
und Klöfter fowie berühmter Geiftlichen. Sehr viele englifche
Chroniften gab im Anfange dbed-vorigen Jahrhunderts. ber
überaus fleiffige Thomas Hearne heraus, wenngleich mit ges -
ringer Kritik und Umfiht. Da alle feine Ausgaben einzeln
veranftaltet wurden *), fo find- fie jehr zerſtreut und fchwer zu
vereinigen; für ben vorliegenden Zweck ift nur etwa bes Schot⸗
ten Fordun Chronik zu nennen ).
Das Beduͤrfniß einer vollſtaͤndigen Sammlung der engli⸗
ſchen Hiſtoriographen des Mittelalters wurde nicht fruͤher ernſt⸗
haft angeregt als durch Gibbon 5), welcher nicht nur den Ge⸗
—* Hume, ſondern auch wohl alle ſeine Zeitgenoſſen
an umfaſſender Kenntniß jener Periode uͤberragte. Es iſt jedoch,
Beche erwaͤhnt iſt, ſo wird dieſe Sammlung ſehr haͤufig mit der apn-
lich gedruckten des Dr. Gale verwechſelt.
1) Historiae britannicae, saxonicae, anglo-danicae scriptöres XV,
opera Thomae Gale, Th. Dr. Oxonige 1691. Diefer Band wel:
Ger die ältern Schriftfteller umfafft, wird gewöhnlich ber erfte genannt,
der zweite aber ift v. 3. 1687 datirt.
2) Londini 1728. Zwei fehr Feine Folianten.
$) Londini 2 Vol, fol. 1691.
4) Die unter feinem Namen zuweilen angeführte collectio scripto-
ram enthält von Chroniſten nur einen der unbebeutendften, Wilhelm.
von Borcefter.
5) Johannis de Fordun scotichronicon genuinum ed. Th.
Hearne. 5 Vol. 8. Oxon. 1722.
6) ©. Deſſen Miscellaneous Works.
xxxvi Literarifhe Einleitung.
daß fein Pan nicht zum Ausführung Tam, nur in ber Vot⸗
ausfegung zu bedauern, daß, falls derfelbe fich erweitert. hitte,
auch noch andere Männer, als ber von ihm: bazu beflimmte
Sohn Pinkerton, welcher das Zutrauen bee gelebrten Welt
nicht unverdient verfcherzt hatte, zugezogen fein wuͤrden.
Der erfte Band der von der Recordrommiffion herauszu⸗
gebenden Materialien ober Monumente der ätteren enzliſchen
Sefchichte ') enthält, nad) Auszuͤgen aus den griechiſchen und
roͤmiſchen Beographen und Hiftoritern, den Gildas, Rennius,
Bedas Chronik und Kirchengefihichte des englifchen Volks, die
angelfächfifche Chronik, Afferd Leben des Alfred, die Chroniken
bes Athelweard, Florenz von Worcefter, Simeon von Dur⸗
ham, Heinrich von Huntingdon, ded Geoffrey Gaimar es-
teire des Engles, annales Cambriae, dad dem Caradoc
von Llancarvan zugefchriebene Wert Brut y Tywysogien,
alle tiefe Chroniken jedoch nur bis zum Jahre 1066, ferner
noch dad carmen de bello hastingensi. Vier Bände: find
noch beftimmt um Alles zu umfaffen, was die Gefchichte Enge
lands bis zur normannifchen Eroberung befchreibt oder ers
laͤuter. |
Die Hoffnung des Gefchichtöforfchers, aus walififchen Nach⸗
richten bedeutende Auffchlüffe über die aͤlteſte Geſchichte Bri⸗
tanniend zu erhalten, iſt nicht erfült worden. Allerdings iſt
die Geſchichte der Reiche von Wales und Cornmwaled erläutert,
1) As die Handſchrift biefes erften Bandes der großbritannifchen
Geſchichte dem Drucke übergeben werben follte, hatte ber Verfaſſer noch
die Freude, durch. die ausgezeichnete Güte feines geehrten Freundes, Hrn.
©. 9. Cooper, ben erfien Band ber materials for the history of
. Great Britain oder scriptores rerum anglicarum, welchen die Serrem
Petrie und der kuͤrzlich verftorbene Price beforgt Habe, foweit dere
felbe Band bis dahin abgebrudt war, geliehen zu erhalten. Die Aus-
führung ſcheint uns den billigen Erwartungen an ein folches Werk zu
genügen. Wenn wir nun freilich fehr zu bedauern haben, daß bie
Einleitung, welche die Nachrichten und Bemerkungen über die abges
drudten Werke, deren Verfaſſer und Handſchriften enthalten Toll, noch
nicht gebrudt iſt: fo fegte uns doch das Mitgetheilte in den Stand, fos
wohl unfern Anfichten über den Zufammenhang der bekannten englifchen
Geſchichtsquellen fefter zu vertrauen, als auch einige der Geſchichtsfor⸗
fung bisher unbekannte neue Quellen zu benugen,
Ziterariſche Einleitung. xxxvi
und ſehr ſchaͤtzbar iſt es, das ſehr hohe, vielleicht zum Theil
bis in das ſechſte Jahrhundert nach Chriſti Geburt hinaufrei⸗
chende Alter der Gedichte der Barden Aneurin, Talieſin, Liy⸗
warchhen und Merdhin erkannt zu haben’). Doch liefern
biefe anziehenden poetiichen Gaben mehr den Gegenfland als
eine Erläuterung ber Gefchichte ihrer Zeitz wohl aber finden
wie in ihrer glühenben Baterlandöliebe, in bem verzehsenden
Haffe gegen bie Angelſachſen, in dem lberfchwellen Eräftiger,
dem Gegenftanbe ſich überhebender Begeiſterung, ber mit bem
Berfalle der Größe von Ehemals ſtets prunkhafter ſich gebaͤh⸗
renden Ruhmredigkeit, die Keime jener Sagenwelt, welche die
Waliſer der nachfolgenden Jahrhunderte anſtatt einer Geſchichte
Britanniens eingeſchwaͤrzt haben. Wenn wir dieſe und aͤhn⸗
liche ſcandinaviſche Machwerke betrachten, ſo muß uns der
volle Werth der Wahrheitsliebt unſerer chriſtlich beſcheidenen
Moͤnchschroniſten ſich vergegenwaͤrtigen, im Gegenſatze zu ber
Umsonbeheit des in der weltlichen Poeſie feiner Tage fortlebens
den Heidenthums, ber in derſelben vorwaltenden Abenteuers
lichkeit, Sinnenluſt und Schmeichelei. So knechtiſch jene
Treue erſcheint, fo leicht der Ernſt und die Kraft des Glau⸗
bens verkannt werben, welche den redlichen Chronikenſchreibern
vor allen Tugenden galten, fo lächerlich die Genauigkeit ift,
mit welcher fie fich Fein Jota ihres Vorgängers erfparen, und
wenngleich, wie aus ber Zugend, wenn geifleöbar, ein Lafter,
fo aus ihrer geiftlofen Zreue, die abgefchmadktefle Pebanteri
wand die geöbfle Unwahrheit entftchen konnte und oft. entflanz
ben iſt; fo verdanken wir doch dieſer Schülertreue allein den
Gronologifchen Ariadnefaden durch das Labyrinth bed Mittels
olters, die Bruͤcke welche über den dahinraufchenden, ewig
beweglichen, neuerglängenden Wellen bed Zeitenſtromes die alte
mit der neuen Welt verbunden hält, und diefe auf ihre Keime
md ihre früheren Metamorphofen, auf das was fie ihren Vor⸗
fahren und der Vorfehung verdankt, ſtets neu wieder hinweiſt.
1) Diefe Schaͤte der altbritiſchen Literatur nebſt andern find ge:
- fammelt in the Myvyrian Archaiology of Wales, a collection of histo-
Kcal documents from ancient Mass. 8 Vol. 8. London 1801—7.. Bgl.
Zurners Abhandlung Aber das Alter jener Gedichte in der history af
ke Anglosaxons,
Xxxviii kiterarifhe Einleitung.
Die hiftorifchen Triaden ber Waliſer enthalten manche ge⸗
ſchichtliche Auskunft, doch beduͤrfen ſie zum Verſtaͤndniſſe noch |
mancher fehlenden Erläuterung. Die Anhänglichfeit an. eine
urfprünglich tiefgebachte Form konnte bei der ganz unpaſſen⸗
ben Anwendung nur dem Zwecke der in Abgefchmadtheit aus:
artenden Zufammenftellung entgegenwirken ').
Der ältefte und bekannte walififche Gefchichtfchreiber, wenn
er anders durch fein liber querulus de excidio Britanniae,
auch historia genannt, auf diefen Namen Anſpruch machen
kann, ift Gildas Cormac?), der, im 3. 516 geboren, ein
Schüler des H. Iltut und Mönd zu Bangor, nad theils
auf Reifen oder Nilgerſchaften, theils in Einſamkeit verlebten
| vierundfunfzig Jahren im Klofter zu Malmesbury ſtarb. Ihm
wird noch eine Epiſtel zugeſchrieben, worin er ſich in Jere⸗
miaden über bie Verderbtheit feiner Zeit ergeht’). Die hi-:
‚storia ift im 3. 560, die Epiſtel vor dem Jahre 547 abges
fafft, in welchem der bafelbft erwähnte König Maglocun von.
Gwynedh ſtarb. Beda, Alcuin, Lupus führen Gildas, ges
nannt den Weifen, ſchon an . Galfrid von Monmouth bes
ruft ſich auf ein größeres Geſchichtswerk des Gibdas, welches
1) S. . auſſer ber Myvyrian Archaiology, Edw. Lhuyd archaeo-
logia britannica.. Oxford 170”. Edw. Davis celtic researches.
London 1804. 8. Edw. Williams Iyrical and pastoral pooms. Lon-
don. 1794. 12. Vol. 2.
2) ©. unten ©. 135. Er war fm Jahre der Schlacht bei Bath
geboren , welches Beda aus einem Misverftändniffe der histor. Gildae
c. 26. in das Jahr 493 fegte.
3) Beide Werke ſ. bei Gale Th. I. , erfteres au in C. Ber-⸗
trami britannicarum gentium historiae antiquae scriptores tres, |
Havniae 1758, 8. Gildas ift jeboch ſchon feit der erfien Ausgabe
durch Yolydor Virgilius (London 1526. 8.) ſehr haͤufig gedruckt.
&. Fabricii bibl. med. aevi. j
4) &. au) Guil. Malmesb. de antig. glaston. apud Gale TI,
300. Zwei alte Handfchriften, Caradoci Gildae sapientis vita und
vita sanctissimi atque doctissimi viri Gildae, follen nächftens gedruckt
werden. ©. Cooper a. a. O. I, 162. Gebrudt ift vita Gildae
— a monacho ruyensi in ber bibliotheca floriacensis, Lugdun.
165. 8
Literarifhe Einleitung. xxix
wir nicht mehr beſitzen, falls es nicht in der des Nennius
Namen tragenden historia Britonum verborgen fein ſollte ).
Diefes Werl, auch eulogium Britanniae betitelt, wird
gewöhnlid dem Abte zu Bangor Nennius, einem Schüler des
Erzbiſchofs von Gwynedh, Elbod, zugeſchrieben. Wenn daher
deſſen Abfaſſung in das Jahr 688 geſetzt iſt, ſo kann dieſe
Zeit nur auf die urſpruͤngliche Geſtaltung ſich beziehn, in wel⸗
cher wir jenes Werk nicht mehr beſitzen, das, mit mancherlei
Einſchiebſeln und Zuſaͤtzen verſehn, auf unſere Tage gelangt
iſt. Die Vorrede der gewoͤhnlichen Handſchriften ſetzt die Ab⸗
faſſung in das Jahr 858, eine Angabe welche mit dem To⸗
besjahre des Elbod, nämlich, 809, vereinbar iſt. Eine werths
volle vaticanifche Handfchrift diefed Werkes, aus dem zehnten
Sahrbunderte, welcher die meilten jener fremdartigen Zufäge
fehlen, nennt Marcus den Anachoreten ald den Schriftfteller
oder vielleicht nur Abfchreiber im 3. 945. Eine mit Ichrreis
chen Anmerkungen verfehene Ausgabe dieſer Handfchrift haben
wir durch W. Gunn erhalten ?); dem diteren Abdrucke des
Nennius bei Gale, fowie bei Bertram, ift ein fchägbarer Ans
bang angelfähfifcher Genealogien beigefügt, welche ein. fpäteree
Abfchreiber in einer alten Handfchrift vollfländiger fand, jedoch
auf den Rath feines Lehrers, des Prefbyter Samuel Beula⸗
us, (alfo nicht, wie angenommen worden ift, des Nennius
Lehrer) abkürzte. Nennius nennt als. feine Quellen die an-
nales Romanorum, chronica 8. patrum et scripta Scoto-
ram Anglorumque et traditio veterum. Die welfchen
Zriaden, werden zu lebterer gehören, denn fein Werk ift voll
von Trilogien ). Es ift der für die Kritik wichtige Umftand
überfehn worden, daß ein großer Theil dieſes Werkes von
1) Diefes if Turnere Meinung. History of the Anglo-Saxons
„Qt. |
2) The historia Britonum etc, by Mark the Hermit. Lon-
den 1819. 8,
3) Cap. VII. Drei Söhne der in Irland landenden Spanier mit
D Schiffen und 30 Frauen. Cap. XXV. 3208 römifche Kaifer- in
Beitannien. Cap. XXVII. drei Rieberlagen der Römer ducch bie Briten.
Cap. XXVII. drei Schiffe der Gachfen. Cap. XLVII. 800 Gadıfen
md S00 Weiten u. a. m. Ä
\
u Bitpearifche Einleltung.
. Heinäch von Huntingdon und oft wörtlich in feine Gefchichte
eingetragen ift, ohne jedoch weder ben Nenniud oder Marcus
zu nennen, fondem nur quendam authorem S. 300 3. 56
vgl. Nennius cap. 26. quidam ©: 310 3. 55 vgl. Nen-
-'nius e. 44.; und fogar ©. 313-3. 5i: ‚Gildas historio-
graphus '). Die Chronologie, welcher Nennius folgt, iſt Feine
ambere als die des Eufebius, wenngleich bie Handſchriften, na⸗
mentlich die des Marcus, dieſelbe auch ſehr verſtuͤmmelt haben.
Jeffrey (Galfridus) ap Arthur, zu Monmouth geboren, 1152
Biſchof zu St. Afaph, iſt der englifche Milchbruder des dänifchen
Sara Grammaticus. Im zierlichften Latein feiner Zeit gab er
eine Geſchichte der Briten, welche, aus dichtem Sagenftoffe
und einigen hiftorifchen Anklängen zufemmengemwebt, durch claſ⸗
fiſch gravitdtifchen Anftrich die englifche Gefchichtsforfchung mit
ſchuͤchterner Befangenheit gelähmt hat. Im neueren Zeiten hat
man fih zu ımbedingter Verwerfung bed ganzen Werkes ver-
eint und dabei überfehn, daß viele feiner Angaben durch ans
berweit erhaltene Nachrichten unterflügt find”), welche nicht
nur bei Jeffrey, fondern auch bei manchen von einander ganz
unabhängigen Schriftftellern fi finden. Er felbft behauptet
- fein Werk nur aus einer in britifcher Sprache geflhriebenen
Chronik überfebt zu Haben, welche der Archidiaconus. von Op:
ford, Walter’), in der Bretagne gefunden und ihm mitgetheitt
habe, genamt Brut-y-Brenhined, die Geſchichte ber Könige
von Britaunien. Für das Original dieſes Werkes wird der
dem Tyſſtlio zugefchriebene Brut gehalten, welcher in der
Welsh Archaeology T. H, gedrudt und von P. Roberts
überfegt ift, unter dem Zitel: a chronicle of british' kings.
London 1810. 8. Doch bleibt noch immer einiger Zweifel, ob
1) Die Stellen des Rennius, welche ſich bei Heinrich von
Huntingbon wieder finden, find vorzüglich aus Cap. 2—4, 9, 10,
‚16, 23, 28, 36, 38, 47—49, 51, 54, 61, 62. Einige Stellen des
Heinrichs ſchlieſſen ſich näher an bie vatlcanifche Handſchrift, z B.
©. 313. Arthurus belliger.
2) Bgl. unten &. 42 Rote 2.
3) Nie der jüngere Walter Mapes, wie gewoͤhnlich gefagt
wird ſondern ein älterer Walter Calenius. ©. Douce zu Warton
hist, of english Peeizy T.L e- 19.
- or Pe 11}
Biterärifäe Einleitung. xLı
dieſes Werk nicht ein ſpaͤterer Auszug des Galfrid iſt ). Die
lateiniſche Nachbildung des britiſchen Driginals ſcheint ums J.
4123 vollendet zu ſein. Daß nicht Alles Überfegung iſt, hätte
man aud den, vielen Gapiteln des Werks woͤrtlich eingefchaltes
ten, Stellen des vorkanbenen Werkes des Gas”) erkennen
Inwen, von welchen er (IV, 20. VI, 13. XH, 6.) auch ein
anderes, jest unbekanntes, de wictoria Ambrosii, anführt.
Aus Beda, den er ewwähnt (XH, 14), hat Jeffrey wicht
wörtlich geſchoͤpft, wohl aber. füheint er den Nennius oder deſ⸗
fen Original an manden Stellen vor ſich gehabt zu haben 9,
in denen die libereinfiimmung des Gedankens, der Wendung
wurd mancher lateiniſcher Ausdruͤcke nicht zufällig fein kann.
Zu den Schuftftelern welche ihn audfchrieben, Darf man
Bilkam von Malmesbary und Henry von Huntingden nicht
rechnen, da er der Werte beider Gefhichtichreiber am Schlufle
bes jeinigen gedenkt. Zuerſt hat fein Werk vielleicht Alfred
von Beverly ercerpirt, welcher es nur histeria Britonum,
ohne Angabe des Verfaſſers, nennt und Zweifel über die hiſto⸗
rifche Treue defjelben nicht verhehlt. Die historia Britenum
weciche in ber Chronik des Albericus citirt wird *), koͤnnte Gal⸗
. fribs Bear fen. Ponticus Birunnius von Treviſo verfertigte
einen Audzug dieſes Werkes in fechs Biken‘), und Gerva⸗
fu: von Tilbury foll bereits vier Buͤcher Erläuterungen zu
vemfelben gefchrieben haben. -
Schon mehrere Zeitgenoffen des Jefftey eiferten ſehr ge⸗
| gar die von ihm ausgegangene Verbreitung der Sagen von
Km unter dem Gewande authentiicher Geſchichte; Wilhelm
von Newbridge und Girald der Cambrier find die berühmteren
derfelben. Schon fräher erklärte Wilhelm von Malmesbury
1) Turner Anglo-Baxon history I, 159. J
D) Jeder Zweifel wird fchwinden, wenn Galfrid VI, 3. mit Gil⸗
bad Gap. 14 —16. verglichen wird. Vgl. auch Galfrid V, 5. mit
| Gildas Gap. 8. Galfr. V, 3 u. 14. mit Bildas Gap. 10.
8) Bl. befonders Galfr. 1 VI. c. 12-15, 17, 40 — 48%. mit ,
Nenaius c. 36, 45, 47, | —52.
4) S.dafılöft &.5 und 6.3. 484, 442 u. ſ. w. Auch von Die
Ins Vahrſagungen daſelbſt b. J. 717, 1186, 1180.
5) In Parkers soript. rer. britan. abgedruckt.
XL Literariſche Einleitung. |
fich wider die britifchen Sagen von Arthur). Dagegen wurde
die willkommene Aufnahme, welche. diefe Einkleivung und Aus-
fhmüdung der alten beliebten Sagen erhielt, durch die po=
Litifche Anſicht König Heinrich& I. ſehr gefördert; vielleicht war
felbft die Abfaffung des Werkes: durch Hieſe veranlaſſt?). Wir
wollen die Hoffnung nicht aufgeben, durch einzelne Aufklaͤrun⸗
gen Gefchichte und Dichtungen Jeffreys noch gehörig gefchies
ben, und letztere dann auch ohne Groll als anziehende Über⸗
reſte der Vorwelt geehrt, und die Entflehungsgeichichte der
Sage zu einem brauchbaren Stoffe der Nationalgeſchichte er⸗
hoben zu ſehn.
Eine franzoͤſiſche Nachbildung des Galfrid ſcheint der
roman de Brut des Robert Wace zu fein’), von welchem
eine im dreizehnten Jahrhunderte durch Layamon, einen an
dem Ufer. ded Severn lebenden Priefter‘), verfertigte altenglis
ſche Übertragung das Wohlgefallen bed Volkes an jener Gage
beweift. Layamon erflärt in der Einleitung, daß er mehrere
Geſchichtswerke benutzt und alſo den Wace nicht lediglich
uͤberſetzt habe. |
Für zu wichtig in Beziehung auf die Gefchichte Englands
wird Die Gefchichte des Caradoc, eines Moͤnches zu Llancars
van, angefehn, welche bis zum Sahre 1156 fortgeführt und
von H. Llwyd und Dr. Powell (1584) und fpäter von W.
Wynne (1697) überfegt und herausgegeben iſt. Ihre Haupt:
grundlage ift die angelfächfifche, nebft einer walififchen Chro-
nit, in welche der Verfaſſer manche walifiihe Sagen, oft fehr
unchronologiſch und unkritifch, vermebt hat. Man glaubt, daß
1) Eine verftänbige, doch etwas breite und beſchraͤnkte Vertheidi⸗
gung des Galfrid findet ſich vor Wynnes Caradoc.
2) Dieſer Gedanke iſt von Turner (history of England in the
- middle ages T. IV. p. 339—355) ſehr wahrſcheinlich gemacht.
8) gl. Warton 1. 1. I, 67. ©. die Auffäge bes Abbe la
Rue in ber englifchen Archaeologia T. 12— 14.
4) Bon biefer für bie Kenntniß ber altenglifchen Sprache wichtigen
Überfegung wie von dem altfranzöfffchen Originale laͤſſt die Geſellſchaft
ber Alterthumsforfcher zu London durch Hrn. Frederick Mabben
einen Abdruck nebft englifcher Überfegung und Geläuterungen in 2 Baͤn⸗
den 8. herausgeben.
|
——
Literariſche Einleitung. Lin
fie im Kloſter Strata Florida entſtanden. ſei, und kennt Hand⸗
ſchriften, welche bis zum Jahre 1410 binaufreihen). Ein
aͤhnliches Werk des Johannes von Brechvan iſt gleichfalls wie⸗
derholt von walifiſchen Forſchern benutzt, deſſen Abdruck, wie
einiger anderer wenig oder garnicht bekannter walifiſchen Denk⸗
mäler, nächftend viel neues Licht auf die in merkwuͤrdiger Zaͤh⸗
heit zwei Sahrtaufende hindurch erhaltenen Überbleibfel eines
großen Volksſtammes werfen dürfte. |
Sene von Caradoc benutzte walififche Chronik iſt vermuth⸗
ih dad ehronicon Wallige ab a. 444 usque ad a. 954,
fowie der Anfang der Bortfegungen beffelben das chronicon
Cambriae ad a. 1286, deren Abdrud in der neuen Sammlung |
der englifchen Gefchichtfchreiber bis zum Jahre 1066, "unter
dem Titel annales Cambriae, foeben gefchehn if. Diefe
Jahrbuͤcher find in der Zeitrechnung nicht nad) den Jahren
der Geburt Chriſti abgefafit, fondern beginnen mit einem
Sabre, welches vermuthlich als das der Ankunft der Sachſen
anzufehn ift, was denn, wenn wir gleich bei den Walifern
eher eine Zortfegung vömifcher Annalen fuchen möchten, doch
in diefem Zalle auf eine Anfchlieffung an angelfächfifche Chros
nifen deutet. Die Ungenauigkeit welche in ber Zeitrechnung
durch diefe Methode veranlafft ifl, müflen wir um fo mehr bes
dauern, da biefe wenigen Blätter, bei aller Kürze, fehr viele
ſchaͤtzbare Nachrichten über die Negenten und bie Kriegöges
ſchichte aller britifhen Stämme enthalten, und die Gefchichte
der Briten, fowie wir fie. bisher aus dem Caradoc Tannten,
zahlreiche wichtige Berichtigungen und: Zufäge gewinnt. Die
walififch gefchriebene Chronik der Fürften von Wales, Brut y
Tywysogion, wovon Brut y Saeson nur eine etwas abs
weichende und mit Stellen aus des Richardus Divienfis Jahr⸗
bühern von Winchefter und einigen anderen Geſchichtswerken
interpolitte Handfchrift ift, beginnt mit der Abdankung Cad⸗
waladord im 3. 681, wo Tyſilio und Galfrid von Mons
mouth fchlieffen, und ift bis zu der Eroberung von Wales
dich Eadward I. fortgeführt. Auch dieſes letztgenannte Werk,
welhes bis zu Ende des neunten Sahrhunderts aus den an-
1) &. Cooper a. a. D. II, 457.
‘
XLIV Literariſche Einleitung
nales Cambriae überfegt ſcheint, iſt irrig dem Caradoc zuge
ſchrieben. Bis zum Jahre 1066 findet ſich der waliſiſche Text
mit engliſcher Überfegung in der neuerſcheinenden Sammlung.
Bedas großes Werk über die engliihe Kirchengefchichte
müfjen wir zu den vollendetflen und für die Nachwelt wichtigs
fien Leiſtungen feines Jahrhunderts zählen. Die erften 22
Kapitel ded exften Buches diefes Werkes find größtentheils
wörtlich aus DOrofius, Gildas, einer Legende vom h. Germas
nus, auffer einigen nicht mit Beflimmtheit nachzuweiſenden
Duellen, gefhöpft. Für den groͤßeren und wichtigeren Xheil
des Werkes, feit der Einführung des Chriftenthums bet ben
Angelfachfen, rechtfertigt er die Glaubwuͤrdigkeit feiner Darſtel⸗
hıng durch die Namhaftmachung der fachkundigen Erzbifchöfe,
Biſchoͤfe und Äbte unter feinen Zeit: und Landes - Genoffen,
weldye ihm aus ihren Kirchen= und felbft den päpftlichen Ars
chiven alle erfoberlichen Mittheilungen zugeftellt hatten. Unzaͤh⸗
ige Männer wurden ferner von ihm vernommen, deren Außds
fagen über Selbſterlebtes oder glaubhafte Zrabdition mit ber
gedachten Geiftlichen Nachrichten zu jenem anziehenden Werke
nerfchmolzen find ). Won. den übrigen’ hiflorifchen Schriften
- Bebas. find hier noch anzuführen: das Leben des heil. Cuth⸗
bert und. bie intereffante Gefchichte des Kloſters zu Wear⸗
mouth ?). Seine Univerſalchronik enthält gleichfalls einige A *
gaben tiber englifche Geſchichte, welche, ſchon von Paul Wars
nefrib in der Gefchichte der Longobarden nachgeſchrieben, ſpaͤ⸗
ter in die zahlreichen Werke, denen jene Arbeit Bedas als
Grundlage diente, mit uͤbergegangen find.
Verdienſtvolle und umfaffende Werke haben oft der Ge⸗
1) Ba. Schmid a. a. D. und deſſen Einleitung zu den Geſetzen
ber Angelſachſen. &. auch unten ©. 204. Bon feinen dhronologifchen
Irrthuͤmern find von uns manche angeführt. Die befte Ausgabe bes la⸗
teinifchen Zertes und ber angelfächfifchen Überfegung, fowie ber Beinen
‚ biftorifchen Schriften des Beda ift von Joh. Smith. Cambridge
1722. fol. über eine Handfehrift der Kirchengeſchichte aus dem achten
Sahrhundert und eine vom Archivar de Ram gu Mecheln hen
Ausgabe diefes Werkes f. Mone Quellen und Borfihungen Th
2) Eestere ift nicht, wie man gejagt bat, verloren, — auch
in Smiths Ausgabe gedruckt. 7
——
-
Litera riſche Einleitung. zLV
ſchichtsforſchung den Nachtheil gebracht, daß die benusten Mas
terialien berfelden unbeachtet verloren gingen. So auch Bes
das Werk, was wir um fo fhmerzlicher empfinden, ba er aus
der politifchen Gefchichte feines Landes Manches aufgezeichnet -
finden muſſte, was der Plan feines Werkes in daſſelbe aufzu⸗
nehmen nicht geſtattete, woher wir namentlich uͤber das in der
folgenden Zeit wichtigſte der angelſaͤchſiſchen Reiche, Weſſex, weil
es erſt ſpaͤt dad Chriſtenthum annahm, am duͤrftigſten unter
richtet werben. Als folche Aufzeichnumgen laſſen fich erfennen:
GSenealogien der Töniglichen Gefchlechten, Liflen über die Reihe⸗
folge der Könige und angefehner Geiftlihen, Nekrologien ober
Dbituarien und bionyfifche Zeittafeln.
Unter den diteren Iehrreihen Genealogien iſt beſonders
die zu beachten, welche hinter einer Handſchrift des Nennius
ſich fiadet und uͤber die oͤſtlichen und noͤrdlichen Reiche Eng⸗
lands, von einer britiſchen Hand, mehrere wichtige Notizen
mittheilt. Andere bisher nur unvolfiändig gebrudte find ber
angelfächfifchen Ehronit und dem Florenz von Worceſter einge⸗
fhaltet, und aus biefen in die uͤbrigen Chroniken übergegans
gen ). Auf Northumbrien bezüglich findet ſich Manches dieſer
Art im Simeon von Durham.
Manche Regententafeln find mit ben Geſchlechtsregiſtern
verſchmolzen. Eine ſolche fuͤr die weſtſaͤchſiſchen Koͤnige iſt oft
met?) und iſt, da fie in einigen Handſchriften mit König
fred fchliefft, dieſem ohne genügenden Grund als DVerfafler
zageſchrieben. Sie weicht nicht nur bedeutend von den ges
wöhnlichen Angaben uͤber die Regierungsjahre der weſtſaͤchſi⸗
hen Hegenten ab, wie fie denn ben Cerdic anflatt 36 nur
16 Jahre herrfchen lafft ſondern ſtreitet auch mit ſich ſelbſt, da
fe Affred, anſtatt im 3. 871, erſt 396 Jahre nach 494, alſo
800 zur Regierung gelangen laͤſſt. Sie hätte ſchwerlich bie
ie geworbene Aufmerkſamkeit erhalten, wenn ihre Refultate
ſſets wären berechnet worden. Die uralte, bis jetzt bewahrte
1) &. auch textus Rofferisis (ed. Hearne. Oxon, 1722, 8)
686 et 87.
2) Bor Bhelocs Ausgabe bes Beda e. 6. Hinter Spyelmanns
via Aelfredi p. 199. Eingeſchaltet von Bibfon, fowie auh Ingram
em chzon, saxon. ad a, 49. gl. bafelbft und p. XI.
xbvI Eiterariſche Einleitung.
Sitte, die Öffentlichen Documente. und Urkunden nach den Res
gierungsjahren der Könige zu bativen, muflte die genaue
Kunde derfelben zu einem allgemeinen Bebürfniffe machen; was
auch Beda bezeugt, indem er. von manchen Berechnen ber
Föniglichen Regierungen fpricht, die mit dem richterlichen
Spruche, welcher nur priefterlicher Autorität einfl zukommen
‚burfte, den Namen eines unwürbigen Regenten von ihren Lis
fin ganz ausſchloſſen und feine Regierungjahre dem befs
feren Nachfolger zutheilten.
| Die Nebrologien enthalten zu den Todestagen ſolcher, an
beren Seelenmeſſen ˖erinnert werben ſollte, gewoͤhnlich die An⸗
gabe der Schenkungen, durch welche ſich jene verdient gemacht
haben, der Verwandten, bei welchen das Patronat der Stif⸗
tungen verblieben ſein mag, und andere oft allgemeines Inter⸗
eſſe anſprechende Notizen ). Ein großartiges Nekrologium
iſt der altengliſche Kalender, welcher groͤßtentheils angelfächfis
ſche Maͤrtyrer und fromme Geber umfaſſte und an ſeinen Ur⸗
ſprung aus den Obituarien einzelner Hauptkirchen erinnernd, in
einzelnen Dioͤceſen verſchieden war.
Kleine Chroniken ſind, ſo weit ſich mit Beſtimmtheit aus⸗
mitteln laͤſſt, vor Bedas Zeiten vielleicht noch nicht aus diony⸗
fiſchen neunzehnjährigen Oftertafeln, fondern vielmehr aus den
Regententafeln entftanden. Möchte gleich die höchft wahrſchein⸗
liche Entftehung der älteften deutfchen Sahrbücher, welche an
den Rand der dionyſiſchen Beittafeln gefchrieben wurden ?), in
| 1) 8. ein ſolches aus der Kathedrale von Canterbury in War-
ton Anglia sacra T. I. p. 52 sg.
2) Es ift ſchon von Andern bemerkt worben, daß die annales majo-
- res juvavienses ihren angelfächfifchen Urfprung an der Stirne tragen,
Über ihre wirklichen oder vermeinten Irrthuͤmer ift an andern Stellen
diefes Bandes die Rede. Hier bemerken wir nur noch, daß fie allein uns
den ſonſt unbefannten Zodestag des Königs. Eadbald von Kent XIV.
, Kal. Febr. a. 640 aufbewahrt haben. . Wichtiger erfcheinen uns aber in
ber oben gedachten Beziehung die annales lauresham., allemannici et
nazariani, welche zu ihrer allgemeinen Anerkennung der noch fehlenden
Erklärung bedürfen. Wir müflen daher zunächft bemerken, baß in 713
imors Alflide (Alfrede) et Halidulfi (Adulpbj, Haldulfi) regis nicht
eine irrige Angabe des Zobesjahres des im 3. 705 verftorbenen Königs
Alfrid enthalten iſt. Älflede war die Tochter des Könige Oswiu von
N
>
%
\
|
ar!
{)
Ziterarifche Einleitung. xuvii
Scotenkloͤſtern, dafuͤr ſprechen, daß dieſe Sitte aus Britannien
nach Deutſchland heruͤbergebracht wurde: ſo wuͤrde dennoch
theils ſcotiſche Moͤnchsſitte noch nicht für die Angelſachſen bes
weifen, theilö finden fich auch hinlängliche Spuren, daß Letztere
eine Ära feit ihrer Ankunft in Britannien kannten, welche fie in
nicht Tirchlichen Angelegenheiten zu Bebas Zeiten noch nicht vers‘
laffen hatten. Dieſe Zeitrechnung, verbunden mit der Angabe
ber Regierungsjahre wird mit Ausſchlieſſung ber chriftlichen Ara,
Rorthumberland, geboren 654, welche im 59. Lebensjahre ala Äbtiffin
von Streonesheale (Whitby), alfo im 3. 713 verftarb (f. Beda 1. IH.
c.24.). Albulph, König der Oftangeln, kam 663 zur Regierung. Gein
Todesjahr war bisher unbekannt; man konnte nur vermuthen, daß er
lange gelebt haben muß, da fein Nachfolger Selred erft im 3. 747 flarb
und auch Beda ihn feinen Zeitgenoffen nennt, (ſ. Beba II, 15. IV, 17.).
Auch in den annales Petav. ift fein Todesjahr verzeichnet mit dem ent⸗
flelten Namen Ogledulfus. Unter dem im I. 705 verftorbenen Abte
Domnanus mödte wohl Niemand zu verftehen fein ald der berühmte
Abt von Hy oder Jona, Adamnanus, von bem wit aus Beda V, 1.
und 15. mwiffen, daß er um biefe Zeit flarb. Das von den Herausgebern
des Beba angenommene Todesjahr 702 ift, wie Smith ſelbſt gefteht,
willkuͤrlich Fabricius bibl med, aevi hat ben ber ‚obigen Angabe
nahkommenden IX. Kal. Oct. 704. Sowie diefer Name verflümmelt
it, fo find es auch die der übrigen Bifchöfe und Äbte, doch geftattet. ihr
Klang uns deutlich den irländifchen Urfprung derfelben zu erfennen. 729
Macflatheus ift vielleicht derfelbe Name ald der des Abtes von Bangor
Machlaisreus in dem uralten Antiphonarium dieſes Klofters (in Mu-
ratori anecdot. T. IV. p. 159). Im Dubdecris abbas + 726
Mint ein Nachfolger des Adamnan auf Hy, welcher zwifchen 716729
daſeibſt Ichte, Duunchadus, verborgen (f. Beda I. V. c. 22.) — Ann,
707 dormitio Tigermal, vermuthlich des Tigernoth oder Tigernach
ejiscopus et confessor, deffen Todestag in der angelfähfiihen Kirche
m 5. April begangen wurde. In 705 Canani episcopi Eönnen wir die
von Bangor Gaman- oder den jüngern Eronan nicht fuchen, wohl
der den Bifchof Colman, der Lindesfarne im J. 66% verlaffen hatte
v.| m nach Hy zurüdgelebrt war. Auch in ben alten annales breves. ful-
&sses (monum. hist. German. II, 237.) find auffer den Jahren der
u
| mthumbrifchen Könige Egfrid und Osred bie Todesjahre der ſcotiſchen
er Viſchoͤſe von Eindesfarne, Aidan, Finan und Colman angegeben ; letzteres
15° ft 664 iſt jedoch auf feine oben gedachte Abreiſe zu beziehn. In den
ch
den fasti corbeienses (in Wigands Ardiv für Geſchichte und Alter⸗
Gmzkunde Weftphalens Th. VI.) finden ſich gleichfalls die Notizen über
Fiaan, Solman und Egfrid.
Bappenberg’s Geſchichte Englands T. d
XLVvi ' Literariſche Einleitung -
noch von fpätern Chroniften wie Henry von Huntingdon befolgt,
und laͤſſt alſo auf die verloren gegangenen Quellen fchlieflen.
Die ältefle und befannte Eleine Chronik iſt eine northums
brifche; welche bald. nach Bedas Tode endet‘). Über andere,
welche in den - Handfchriftenverzeichniffen ber englifchen Bis
bliothefen angeführt werben, erfieht man zu wenig um erken⸗
nen zu koͤnnen, ob fie Vorgänger Bedas und ber angelſaͤchſi⸗
ſchen Chronik oder deren Epitomatoren ſind. |
Manche alte Chroniken find noch in englifchen Bibliothe
Sken handſchriftlich vorhanden; vielleicht finden ſich unter den⸗
ſelben die gesta Anglorum, welche Adam von Bremen
3.1. € 35. und 8. I. C. 15. anführt und vielleicht haͤu⸗
figer benugt. Ich kann dieſes Wert in Feiner ber bekannten
Quellen entdeden. |
Eines für eine wichtige Epoche der engliſchen Geſchichte
bedeutenden Werkes iſt hier kurz zu gedenken, der vom Biſchofe
Aſſer verfaſſten ‚Biographie, bes Königs feed. Wenn diefelbe
auch in Feiner einzigen ganz guten Handfchrift auf und gelangt
zu fein ſcheint, fo Fönnen wir fie doch aus des Chronik des Florenz
von Worcefler, welcher jene zum größten Theile in fein Berk
wörtlich aufgenommen hat, häufig wieberherfiellen.. Doch war
in Sir R. Cottons Bibliothek eine alte Handfchrift aus dem
zehnten Jahrhunderte vorhanden, welche nicht genug beachtet
wurbe, weil man bemerkte, daß in ihr viele in andern Manus
feripten vorhandene, obgleich bei Florenz gleichfalls mangelnde,
Stellen fehlten, :und fie deshalb für lüdenhaft erlärte?). Doch
find die meiften dieſer fehlenden- Stellen duch ihren Inhalt
_verwerflich, namentlich die vielbefprochene in. Camdens Ausgabe
zuerft vorhandene, über das Alter der Univerfität Oxford, deren
Nichtvorhandenfein der Parteifucht die beften Handfchriften vers
daͤchtig machte. Diefe Stellen find der Biographie Alfreds
erft jpäter aus einem Werke eingefchaltet, welchem irrthuͤmlich
1) Sebrudt in Hickes thesaur. linguar. septent. T II. p. 288
und in 3. Smith Vorrede zu feiner Ausgabe von Bedas Geſchichts⸗
werken.
2) Ed. Parker 1570. Camden 1600 et 1603. Kanales rer.
gest. Aelfredi auct. Asserio rec. F. Wise. Oxon. 1722, 8., we
bie Vergleichung mit der cottonfchen Handfchrift gegeben iſt.
j
Literarifhe Einfeitung xuix
ber Name von Aſſers Annalen‘) gegeben if. Dieſes letztere
iſt aus der Sachen: Chronik, Dudos nermannifcher Gefchichte,
mehreren Legenden, Afferd Biographie des Alfred und einigen
unbefannten Quellen abgeleitet. und kann ſchwerlich vor bem elften
Sahrhunderte entflanden fein. Ein Irrthum des Leland oder
vielmehr Gales hat auch veranlafit, daß diefen Annalen des
Pſeudo = Afjer der Titel des chropigon St, Neoti. er;
theilt id.
Die wichtigſte Quelle für bie ältere Geſchichte Englands
nach Beda und eine der wichtigſten in der ganzen Hiſtorio⸗
gRaphie des noͤrdlichen Europas iſt die angelſaͤchſiſche Chronik,
in der Landesſprache geſchrieben und in den ſpaͤtern Jahrhun⸗
derten voll gleichzeitiger Nachrichten. Eine durchgaͤngig kriti⸗
ſche Unterſuchung ihrer Quellen, Handſchriften und Überſetzun⸗
gen iſt die wichtigſte Aufgabe für. die engliſche Geſchichtsfor⸗
ſchung, welche zu liefern biſher nur theilweiſe verſucht iſt und
noch weniger gelungen ſcheint. Dieſe Unterſuchung iſt dadurch
ſehr erſchwert, daß die Handſchriften oder vielmehr die Bear⸗
beitungen derſelben, welche in verſchiedenen Kloͤſtern abgefaſſt
find, oft ſehr vom einander abweichen, bie beſten derſelben nicht
ganz bekannt und bie befannten von ben Herausgeben will
fürlich und fogar ohne KRüdjict auf bie Verſchiedenheit ber
engelfächfifchen Dialekte, in welchen fie gefchrieben wutden,
durch einander geworfen abgedrudt find. Selbft von ben la
teinifchen Uherſetzungen ober Bearbeitungen find mehrere, welche
die vorzüglichfien feinen, ungebrudt,
Die ältefle bekannte Handfchrift deu angelſaͤchſiſchen Chro⸗
me if die des Benn’t College zu Cambridge, welche bi8 zum
Jahre. 891 von Einer Hand und nicht fpäter als im zehnten
Jahrhunderte gefchrieben iſt ). Der Dialekt in welchem fie
abgefaſſt iſt, laſſt ſich als der von Mercien bezeichnen, wäh:
und bis uͤbrigen Handſchriften ben von MWefler haben. Gie
M von ‚andern Händen bis zum Jahre 1070 angelſaͤchſiſch und
1) Sedruckt in Gale oolleet. T. I. Vol. unten &. 339.
2) Val. Wifes Vorrede a. a. D.
5) Machrichten über die Handſchriften finden sn in Inrama
Acigabe und Gopper on the public regords H, |
” *
ur. | Literariſche Einleitung.
bis 1075 lateiniſch fortgeſetzt. Dieſe Handſchrift, we welche die
Grundlage des Textes bilden ſollte, iſt von den biöherigen
Herausgebern nur theilweife benußt. -
’ Eine Handſchrift, welche dem Kiofter St. Auguſtins zu
Canterbury gehoͤrte, hernach dem Sir R. Totton, jezt dem
britiſchen Muſeum, iſt nur bis zum Jahre 997 ‚fortgefeet.
Sie wird bezeichnet Cott. Tiber. A. VI.
Eine andere, welche bis zum Sabre 1001 sing, war in
Sir R. Cottons Bibliothek, ift aber bei dem Brande im Jahre
1735. verloren gegangen. (C. Otho B. XI.) Sie: bilbet bie
Grundlage von Wheſoks, der ‚gelten, Ausgabe des Saxon
Chroniele > ae
- Eine Handfchrift, vom Ehbiſchofe Laud der bodleyſchen
| Bibtiothet zu Orford geſchenkt (Laud. E. 80.), iſt urfürängs
lich bis zum Jahre 1122, ſodann, mit manchen Normanniſmen
in Orthographie und Sprache, weiter bis zum Jahre 1154
geführt. Sie iſt im Kloſter Medhamſtede, ſpaͤter Peterborough
J enn in Nortbampfonfhive, entſtanden und enthält viele erweis⸗
falſche Urkunden dieſes Kloſters. Aus dieſem Umſtande
bisweilen, obgleich dieſer Tert- offenbar zu den neuern ge⸗
hoͤrt, zu eilig geſchloſſen worden, daß die Moͤnche von Peter⸗
borough die urſpruͤnglichen Verfaſſer der Chronik ſeien.
Sehr abgekuͤrzt und normanniſirt, doch mit Nachrichten
bereichert, welche ben übrigen Heanbfcyriffen fehlen, ift eine,
welche vermutblich aus Ganterbury ſtammt, jest auf dem britis
ſchen Mufeum: Cotton Domitian A. VIIL Die beiden letz⸗
ten Manuferfpte find Ai Gibſons Ausgabe vorzuͤglich benußt ).
Gilbſon benutzte noch eine andere, zunaͤchſt bis zum Jahre
1016, hernach bis uͤber 1080 fortgefuͤhrte Ehromit bes Kloſters
Peterborough, welche jetzt verloren · iſt.
Wichtiger fi nd zwei von Ingram, dem dritten. Hermußge
ber ber angelfichfiſchen Chionit ” benubte Zetbůůchet bes. Kos
nen‘
8 canabtie ‚1623. fol., . Hinter „feiner Ausgabe. der Kirchenge—
ſchichte des Beda. Zee j
J 2) Oxon. 1692.43. len iu em,
28y London 4823. 4. mit englifcher Überfegung und — No⸗
ten. Eine enghiſche überſegung von Miß ˖ Guriey;, owelche nor<tink
—
\ j x -
N
. Literarifhe, Einfeitung., . ct.
ſters Wingdon bis zum Jahre 1066 und der Kathedrale zu Bor:
ceſter bis: zum Jahre 1079, heide im britifchen Mufeum, (Cote,
ton Tiberius B. I. und IV.). „Beide find fich einander nahe:
- verwandt und enthalten bei den fpätern Jahren fehr fchägbare
Berichte, welche -in den, eigentlichen angelfächfifchen Chroniten
kuͤrzer oder auch wohl abweichend. gegeben find. Ä
Eine. Abſchrift eines jetzt unbekannten Originales, welche
von Lambard im Jahre 1563; genommen iſt, behandelt, die
Geſchichte Englands vom Jahre 1043 bis 1079. Sie iſt in
dem Anhange zu Lyes angelſaͤchſiſchem Woͤrterbuche Bd. —9—
abgedruckt und ſtimmt woͤrtlich mit dem uͤberein, was SH.
gram aus. der Chronit von Worcefter anführt.
Dieſe Überficht mag dazu dienen, jeden mit folchen. Stu⸗
dien Vertrauten, der die angelfächf ifche Chronik, auf der
ren verichiedenen Recenſionen die in lateinifcher Sprache abs Ä
gefaflten Chroniken Englands wiederum . beruhen, in irgend.
einer urfprünglichen. oder abgeleiteten Form benugen will,
die Schwierigkeiten der nähern kritiſchen Pruͤfung aufmerkfa am
zu maden.
Da fit Beda big zu, Withelm von Malmesbury, dis '
— 82t
keinen Geſchichtſchreiber fand, ber von der angelfächfi iſchen Chro;
vn unabhängig bie Geſchichte des ganzen Landes verzeichnete,
fo iſt eine Unterfuchung über bie Quellen und bie Verfafler
derfelben um fo wichtiger. -
Bei den erſten Jahrhunderten nach Chrjſi Geburt, bie
* Jahre 449, ſind bald Beda de sex netatibus mund}
md deſſen Kirchengefchichte, bald Gildas u. A. für die Quellen
; wögegeben. Indeſſen finde ich. nur bei den Narhrichten über
die alten Bewohner Britanniend und Irlands den Beba
hist. eccl; 1. I. g. 1.) benust. Bei allem. Übrigen ji Eu⸗
kbius. und. eine unbedeutende. kirchenhiſtoriſche Ehronif excerpist
und Beda nur ‚dann ſtillſchweigend beruͤckſichtigt, mo ber an:
eefächfifche Chronift Bedas Angabe ergänzt ader von. berfelben
Ömeidht. Vergl. Chron. Sax. a. ‚189, 435, 443. 3. verglichen
NR ee
in Jahren gedruckt, aber nid. in 1 den widhenta gegeben wi
fr gelobt. | | \ |
"ii. ont. art
}
X Literatiſche Einleitung.
mit Reda L. I. c. 4. 11.13. Die Berechnung der Jahre ſeit Er⸗
ſchaffung der Welt folgt der des Euſebius und Oroſius, welche
feit jener Epoche bis zur Geburt Chrifti 5198 Jahre annimmt ').
Vom Jahre 449 — 597 enthälf unſere Chronik, neben:
einigen Eentifhen, beinahe nur weflerifche Nachrichten aus ber
beidnifchen Zeit, welche gerade dem Beda fo fehr fehlen. Be⸗
merkendwerth, als Beleg für die Glaubwürdigkeit der Chronik,
iſt Die richtige Angabe von zwei genau bezeichneten Sonnenfinz
flernifjen in den. Jahren 538 und 5405 fo anch bei den Jahren
664 und 733, bei weldyem letztern jedoch die Angabe des Tages
und der Stunde, welche Florenz von Worceſter angibt, in uns
fern Handfchriften der. angelfähfifchen Chronik fehlt. In ter
folgenden Zeit bis zum Jahre 731, wo Bedas großes Ge:
ſchichtswerk fchliefft, mögen die norbenglifchen Angelegenheiten
aus jenem entlehnt fein. - Der Rahrichten welche fich nicht auch
bei Beda finden, find nur wenige, und meiftens aus der neuern
und ſchlechten Handſchrift Lauds (fo bei ben 33. 603, 616, 617.
Doch haben auch die beffern Handfchriften Zufäße, deren Urs
fprung und unbekannt ift, (3. B. bei den 33. 693, 740) und
Angaben welche, wie ſchon Florenz bemerkte, von Beda ab⸗
weichen. Bon den Jahren 732—845 ift die angeächfifähe Chro⸗
nik für uns die legte‘ Quelle. Doch auch bier bemerken wir
etweisliche Fehler der bekannten Handfchriften, z. B. bei der
Mondfiniternig vom Jahre 796, welche bei Simeon von Durs
ham richtig, aber in jenen zum Jahre 795 gefetzt iſt. Vom
Jahre 851 — 887 find Auszuͤge aus Aſſerb Lebensbeſchreibung |
des Königs Alfred, mit feltehen Abweichungen, getreu in daß
Angelfächfifche übertragen. Ingram nimmt das umgekehrte
Verhaͤltniß an, ohne jedoch zu erflären, weshalb Affer nicht
auch die folgenden Begebenheiten bis zu Alfreds Tode nach
erzählte. Es möchte felbft zu beachten fein, daß die angel:
ſaͤchſi iſche Chronik keine Nachrichten aus Aſſer hat, welche nigt
auch bei Florenz von Worceſter ſich finden, und daher 3. B
keine beim Jahre 856.
1) Es iſt unbegreiflich, wie Ingram hierüber sroeifeln konnte und
deshalb die Flechten Lesarten in ben Zert aufgenommen hat. Anno VI.
ift zu Iefen anno II. Unter anno. 616 ift ſtatt 5616 zu leſen 6816.
Unter anno 83 ift XXVI. zu emendiren in XXI.
giterarifihe Einleitung. Lin
Sn das Jahr 891 Fällt bereitd die Abfaſſung der angels
fähftichen Chronik durch den Erzbifchof von Canterbury, Pleg⸗
mund. Ob die Benn’t Handſchrift wirklich. um Das Jahr 894
gefchrieben fein Fönne, vermögen nur Sachkundige, welche biefe
ſelbſt unterfucht haben, zu beurtheilen. Die Gründe welche
für den Verfaſſer angegeben find, beſchraͤnken fi ich Darauf, daß
er berfelbe geweien fein koͤnnte.
In dem Folgenden Zönnte die oft fo fehr irrige Chrono⸗
logie, wie bei den 33. 915— 922 Zweifel gegen die hiſtoriſche
Zreue ber Chronik erwecken; doch dürfen wir derfelben zum
Gluͤck nicht zufchreiben, mad die Miögriffe der Herausgeber,
welche oft durch die von ihnen felbft gefammelten Batianten
und befonderd aus der Vergleihung mit Floreng von Worce⸗
fier verbefiert werden können, verfchuldet haben. j
Das Jahr 977 bildet mit mehr Gewißheit einen Abfchnitt
in ber Geſchichte der angelfäcfifchen Chroniken. Mit dieſem
Jahre Schlieffen nicht nur. zwei alte Handſchriften, ſondern
auch der aͤlteſte Nachbildner derſelben in lateiniſcher Sprache,
Tthelwearbd.
Von dieſer Zeit, beſonders ſeit dem Jahre 100i, welches
gleichfalls durch das. Aufhoͤren einiger Handſchriften bezeichnet
iſt, werden die Abweichungen der verſchiedenen Handſchriften
immer bedeutender, vorzäglich derer, ‚welche die Abingdon= und |
vie Worceſter⸗CEhronik genannt werden. Dieſe ſelbſt wieder,
obgleich unter einander viel näher uͤbereinſtimmend als mit an⸗
dem Handſchriften, weichen doch im Einzelnen bisweilen von
tinander ab, z. B.b. d. J. 1046,. 1048, 1049, 1053 hat
me walififche und mercifche Nachwichten, welche diefer fehlen.
Bei der Frage nad; dem Urfprunge dieſer Chroniken
"wängt fich und zuerft Die Frage: auf, ‚ob. biefelben nicht, :gleich
f vielen der Übrigen im ber neuen Laubeäfprache gefchriebeuen
Chroniken anderer Voͤlker, von Geiſtlichen im der uͤblichen roͤ⸗
niſchen Kirchenſprache abgefaſſt und ſpaͤter in dad Angelſaͤchſi⸗
Me übertragen feien: ‚Erinnern. wir: uns indeſſen, daß ſchon
Ufred des. Beda Kirchengeſchichte ſowie ben Oroſius in das
Angelfächfifche -Iiberfegen ließ, daß ſchon vor Beda dieſe Spra⸗
de Caedmons Geſaͤnge beſaß, fo wird gegen die Moͤglichkeit
der Abfaſſung dieſer Jahrbuͤcher in derſelben Sprache, welche
+
°
LIV Literariſche Einleitung.
bis zu Alfreds Zeit höchft einfach gefchrieben und faft mager
zu nennen find, Fein Zweifel erlaubt fein. Florenz von Wors
cefter führt die chronica saxonica wiederholt an (b. d. J.
672, 674, 734), worunter, wie bie Vergleichung ergibt, die
angelfächfifche Chronit zu verftchen if. Ob nun aber neben
den und bekannten Tateinifch gefchriebenen Elementen derfelben
eine weflerifche in der Landesfprache gefchriebene Chronik die
Grundlage gebildet hat, wer vermöchte diefed zu behaupten
oder zu widerlegen?! Zum Glüde kommt hierauf, in Bes
ziehbung auf die Glaubwürdigkeit der dürren Notizen, wenig
an. Eine alte Sage fchreibt ihre Abfaffung dem zu, dem bie
Angelfachfen alles Zreffliche verdanken wollten, dem Könige
Üfred ). Die Fortfegungen der Chronik find. oft von Zeitges |
noffen gefchrieben, welche zu errathen ein fehr fchwieriges, aber
nicht werthlofes Raͤthſel für die Kritik ift, doch fchwerlich, bei
dem; jegigen Zuftande der Quellen, zu löfen fein dürfte. Auch
bei jenen möchte ed. nicht immer unbedenklich: erfiheinen, ob, fie
wirklich zuerft in der Landesſprache niedergefchrieben' find.
Dergleicht man nämlich die Iateinifche Chronik des Florenz von
Morcefter mit "der angelfächfifchen, ſo findet man, daß jene
durchaus der worcefter Handfchrift derfelben am nächften kommt.
Doc gibt Florenz manches Detail, welches dieſer fehlt, wie
b.:d. 3. 1040, 1041 u. 1049, und dagegen jene b. d. 9.
693 u. 710, ſelbſt b. 3. 1044 über König Eadwards Heirat,
Man hat fi) gewöhnlich darauf befshrankt, den Erzbifchof
von Canterbury, Plegmund, für den erſten Verfaſſer diefer Jahr:
bücher bid.zum Sahre 924, auch bis. 988 mit fehr. ſchwachen
Gründen den Erzbifchof Dunften, zu nennen, ald die Forte
feßer aber einzelne Mönche zu Peterborough. Erſteres ifl
auf. Feine Weiſe erwiefen; wir haben nicht einmal‘ Veran:
laſſung die dlteften Handfchriften feiner Kirche: und Ges
gend zuzufchreiben; was für Peterborough angeführt wird,
bezieht fich nur auf: die von da ausgegangene, vielfach interpo:
lirte Handſchrift. Kürzlich ift, wenngleich mit zu: großem Auf:
wand von Scharffinn um ſchnell überzeugen zu. können, von
einem Ungenannten, welcher durch die Bearbeitung der Ger
1) Geoffrei Gaimar vs. 345, 2319. Zr
es
Biterarifche Einleitung . LV
fhichte von Peterborough auf diefe Borfchung geleitet wurde,
der Verfuch gemacht worden '), als Derfafler der ganzen Chro⸗
mit bis zum Jahre 1023 in der trefflihen worcefler‘ Hand-
fchrift, den berishmten Grammatiker Alfric, deſſen biöher nicht
anerkannte Identität mit dem im I. 1051 verflorbenen Erz-
bifchofe von York diefes Namens behauptet wird, barzuftellen.
Für die folgenden Abtheilungen werden folgende ausgezeichnete -
Namen als die der Verfaffer angegeben: zwifchen 1017—1056
Stigand, Erzbiſchof von Canterbury, ſodann Wulfſtan, Bifchof.
von Worceſter 1002 — 1095, der Prior Nicolaus von 1087
— 1121. Zuletzt folgen angeblich die. fhlechtern-- -Zufäße ber
Übte von Peterborough, Remaldus, Hugo Whyte, Dsbernus
und anderer Moͤnche. Der Verſuch ſchon ift fehr ehrenwerth,
da theild die Nachweiſung verfchiebener Parteianfichten eines der
wichtigften Refultate gibt, theild die ‚Bollendung biefer. Unter:
fuhung bei genauerer Nachforſchung in der Geſchichte einiger
Karhedralen und Kloͤſter, in welchen bie Chroniſten gelebt ha⸗
ben ſollen, dereinſt erreichbar erſcheint. Vor Allem moͤchte in⸗
deſſen neben dem Inhalte die Verſchiedenheit, das Alter und
die Heimat der einzelnen Handſchriften zu dieſem Behufe naͤ⸗
her zu unterſuchen ſein.
Bei aller Verſchiedenheit unter den angelſachſ iſchen Chro⸗
niken muß die allgemeine Ähnlichkeit, beſonders eine auffallende
Ubereinſtimmung in manchen chronologiſchen Irrthuͤmern der⸗
ſelben, in den angelſaͤchfiſchen wie lateiniſchen Texten, in bie
Augen fallen. Um Lebtere. zu erklären, hat fchon Gibſon ſich
auf eine Nachricht bezogen, daß in den von. den Königen ge:
fifteten Klöflern in: England das Bemerkenswerthe, was in
der Umgegend vorfiel, niedergefchrieben und von ben Schrei⸗
bem auf dem naͤchſten Goncilium mit den Notizen anderer
Klöfter verglichen. und fo zufammengeftelt ſei )y. Doch muß
bier bemerkt werden, daß dieſe Nachricht eines fchottifchen: Ge:
ſchichtſchreibers, des Fortſetzers von Forduns Scotichronicon,
Balter Vower, welcher im Anfange des ſunfzehnten Jehrhun⸗
- 1) Ancient history, englich and french, exemplißied in a regular J
äsection of the saxon chronicle. London. 1830. 8.
2) Forduni scoticronicon ed. Hearne T. IV. p. 1348,
7 Literatiſche Einteicung, | /
dertes ſchrieb, in keinem Falle ohne weitere Mochweiſung auf
die und bier vorliegenden Abſchnitte der angelſaͤchſi iſchen Chroö⸗
niken bezogen werden kann.
Bis zum Jahre 1036 find poetiſche Bruchſtuͤcke der an⸗
gelſaͤchſiſchen Chronik bisweilen eingelegt; naͤmlich b. d. J. 937,
941, 953, 973, 975 (wo die Handſchriften verſchiedene Verſe
haben), 979 (welche bie . frühern Herausgeber nicht bemerkt
haben), 1011 und 1036. Daß dieſe Verſe nicht gleichzeitig
mit ben Jahren, bei denen fie fichen, gebichtet find, erhellt zu⸗
weilen fchon aus ihrem Inhalte, wie b. 3. 958, beim Ans -
‘ tritte von Eadgars Regierung über deren Erfolge, und 975
über ‘deffen Zodestag, wegen deſſen Feſtſtellung auf aͤltere Dich⸗
ter Bezug genommen wird.
Unter den lateiniſchen Bearbeitungen der Sachſenchronik
iſt bie aͤlteſte, die des Äthelweard, bis zum Jahre 975, dem
Jahre bei welchem einige alte Handſchriften jener ſchlieſſen,
in vier Büchern fortgeführt. Mit dem. den Angelſachſen eigens
thuͤmlichen Bombaft ift jene, ohne genannt zu werden, im Aus⸗
zuge und oft ſchlecht überfebt.'), und wuͤrde ohne das Original
jest um fo fchmwieriger zu verftehen fein, da die einzige alte
Handſchrift ded Äthelmeard, in dem Brande von Sir. R. Cots
tons Bibliothef verloren, und nur durch den Abbru bei Sa⸗
vile befannt iſt. Das letzte Buch enthält jedoch uber. die Regie⸗
zungen Äthelreds und Alfreds manche [hägbare Notizen, welche
bei Affer und den übrigen Chroniften vergeblidy geſucht und nit
einer etwa’ verlornen Hanbdfchrift der Sachſenchronik, fondern, rich
tiger bem Äthelweard felbft zugefchrieben werben. . Dennoch bleibt
. bie Anfchlieffung an die angelſaͤchſiſche Ehronik ſtets erkennbar,
- and felbft dort d. 3. 975 eingelegte Verſe ‚Pad in lateiniſcher
Sprache nachgebildet.
Atthelweard war Fein Geiſtlicher, fonbern ein: vom Könige
Athelred abflammender Ealdorman. Er felbft nennt fich, wie
denn die Angelfachfen in ber Titelſucht alle germaniſche Stamm-
verwandten übertrafen, Patricius Consul Fabius Quaestor
Ethelwerdus. Man erklärt ihn gewöhnlich für den ‚ums
1) 3. 8. anno 710 gefuhton with Gerente ift überfegt bellum
| gesserunt contra Uutgirente. Geinen Styl fadelt ſchon Wilhelm
von Malmesbury fehr ſcharf. De gestis.reg. Angloram 1. 1.
Literariſche Einleitung. uvii
Jahr 1090 verſtorbenen Ealdorman dieſes Namens '), welche
Vermuthung noch irriger ſcheint als Die, weiche ihn fir den im J.
922 geſtorbenen Sohn König Ülfreds hielt. ÄAthelweard widmete
fein Werk einer Verwandten (consobrina), Mathilde, welche
vom Könige Ülfred, dem Bruder feines Vorfahren (abavus)
Athelred, durch deſſen an Kaifer Otto I. vermählte Enkelin
Eadaythe abflahmte. Man hat diefe Mathilde für die Toch⸗
"tee der Eadgythe gehalten, weldhe Xbtiffin von Queblinburg
geworden tft, und fid auf bie Worte: „Eadgytha, ex qua
tu principium tenes nativitatis und ‘vera Christi .ancilla“
geftügt ). Doch dieſe Abtiffin war nicht ber Cadgythe (+ 947), .
fondern Kaifer Ottos mit feiner zweiten Gemahlin Adelheid erzeugte
Zochter, geb. im 3. 955°). Auch kann bie angebeutete Verwandt:
(haft nicht bei einer Tochter, fondern nur bei einer Enkelin der Ead⸗
gothe zu ſuchen fein, da Alfred nicht der abavas, fonbern der
atavus der Mathilde genannt wirb *). Diefe finde ich denn
auch in der von Eadgythes Sohne Ludolf mit Ida, Tochter
Herrmann, des Herzogs von Allemannien, erzeugten. Tochter,
‚welche, an 3. 949 geboren, mit Obizzone von Mailand, dem
Stammvater ber Bisconti, verehelicht wurde. Diefe Erklärung
findet noch eine Beſtaͤtigung in ber Auffoderung AÄthelweards
an Mathilde, ihn zu belehren, welchem Könige in der Nähe
des großen St. Bernhard (iuxta Jupitereos montes) bie
Schweſter der Eadgythe zur. Ehe gegeben und welche deren
Nachkommenſchaft fei, welches zu erfahren ihr durch ihren Eins
flug *) fowie die Nähe ihres Aufenthaltes leicht fein würde.
Auch erklaͤrt fi aus dem Aufenthalte der Mathilde eher, wie
der Late dazu kam für eine Frau jenes Wert im Iateinifche
Sprache zu Übertragen. In Solge unferer Voramöfegung iſt
aber auch Athelweards Beitalter beſtimmt, welcher um das
1) Nicholson english Hist. library p. 48.
2) Aethelweard prol. libri I. 5
$) Gie ftarb im 3.999. gl. annal. quedlinburg. ad a. 955 sg.
apud Leibnitz script, rer. brunsvic. T. I,
)L.W.c.2t ©
5) Quae non solum affınitate, sed ef potestate videris oppiets,
aulia Intercapodino prohibente. Prol. libri I. Ä
LVTE u Literarifche Einleitung.
. Jahr 1000 fein Werk verfafft. Haben muß. ‚Welcher indeffen
von ben beiben Söhnen bes Könige Üthelred, ob Athelm oder
ber im 3. 905 im Aufruhr in Oftanglien gegen Eadward gez,
fallene, mit einer geraubten Nonne verheiratete Äthehwold ber
Urgroßvater undrd AÄthelweard war, ſcheint nicht. ‚zu ermitteln.
Drei angefehne Männer feines Namens flarben in jener Zeit,
in dem Jahre 1001 der Hochgereve bed Königs, 1016 der
Sohn Äthelfines, und 1017 der Sohn Äthelmerd des Großen.
Bon AÄthelſines Mutter, Alfwen, der Gemahlin des Halbkoͤnigs
Athelſtan von Oftanglien, wiffen wir, daß fie von koͤniglicher
Abſtammung war und ihr ſogar die. Erziehung des Königs
Eadgar anvertrauet wurde; vielleicht bildet ſie das fehlende
Glied in der Aoflammung unſers Athelweard vom Koͤnige
Athelred.
Bald nach der Befeſtigung der normanniſchen Dynaflie
auf dem engliſchen Zhrone begann bie angelfächfiihe Sprache,
fich zu trüben und aus dem Gebrauche der Geiftlichkeit ſich
mehr. und mehr zu verlieren. Für Lebtere war es kein leerer
Prunk der Gelahrtheit, fondern ein Bedürfniß der Unkundigen,
die Zeitbücher Englands in der ihnen verfländlichern Kirchen:
ſprache zu erhalten, deren aus ber erflen Hälfte des zwölften
- Sahrhundertd oder fruͤher abgefaſſt mehrere auf unſere Zeit
gelangt ſind.
Der fuͤr uns werthvollſte Überſetzer der angelfächfifchen |
Chronik ift Florenz, Mönch zu MWorcefter, auch Bavonius ges
nannt. :Diefer fchaltete der Univerfalhronit bes Irlaͤnders,
Marianus Scotus, welcher fein Leben im Kloſter Fulda zus
‚brachte (+.1083)°, auffer einer Überfegung eines der vorhande⸗
nen . worcefler Chronit fehr nahe fommenden oder- von ihm
felbft etwas abgeänderten und. ergänzten Tertes der angelſaͤchfi⸗
ſchen Chronik’), Auszüge aus Beda, den größten Theil von
Afferd Biographie des Alfred und manche werthuolle, befonders
— —
| we K ⸗—
‚genealogifche Nachrichten ein, und führte fie bid zu feinem.
Zodedjahre 1118 fort. Er hatte. nicht nur vorzügliche Hands
ſchriften vor ſich, ſondern überfehte auch das Angelfächfifche
richtiger, ald es bei andern Ehroniften bemerflich if. Daß er
1) e. oben &. um. Vgl. auch b. 3. 988.
1
. — — — — —— —— ⸗
uͤber Britannien, und dieſe begichen fich meiſtens auf Schott⸗
und einige Geiſtliche. Florenz hatte uͤbrigens eine viel
zaͤndigere Handſchrift des Mariams benute al die von
xius gedruckte, und wir finden daher bei ihm manche auf
qhland, ſelbſi auf das Klofter Fulda bezügliche Nechrich⸗
des Marianus, deren Unterſuchung zu den wichtigſten Vor⸗
iten für eine beſſere Ausgabe dieſes Chroniſten gehört.
Das Werk des Florenz bildet großentheils woͤrtlich die
andlage einer ums Jahr 1129 durch ben Vorſaͤnger der
Cuthbertslirche zu Durham, Simeon, zuſammengetragenen
nit, welche vom Jahre 848 bis 1129 fortgeführt iſt.
enthält fie noch einige eigenthinmliche northumbrifche und
ttiſche Nachrichten. Mehr derfelben giebt ein antıres
thimliches Werk deffelben, gleichfalls chronicon.de gestis
um Anglorum betitelt, weldes vom Jahre 616 bis 957
geführt if. In letzterm benugte er ben Beda, bie historia ,
. ehronica huius patriae, mancher Heiligen Legenden.
e ber erfigeriannten Chronik :b. J. 1066 eingefdaltete Er⸗
hung über Harolds Beſuch bei Herzog Wilhelm von ber
cmandie findet fih aud in Eadmers historia Novorum
L, jedoch etwas abgekürzt, weöhalb daher Iehtere Simeons
weile nicht geweſen fein Tann. Auch die historia dunel-
msis ecelesiae, unter Simeond Namen in drei Büchern,
häit manches Anterefiante uͤber bie ‚Beidichie des nörblichen
LX Literarifche Einleitung.
| Die Chronik der Abtei zu Meltofe (Mailros), vom Jahre
7351270, ift für die angellächfiiche Periode nur ein mit fehr
menigen unbedeutenden Zufägen verfehener Auszug der Zeit:
bücher des Simeon von Durham ').
Heinrich, Archidiaconus der Didcefe von Huntingben, ver
faffte eine historia Anglorum vom Jahre ber Landung bed
Julius CAfar bis zum Jahre. 1135, hernach bis 1154 fortge
führt. Die erften ſechs Bücher umfehlieffen die vor ung lie
gende Periode, für welche er die ihm bekannten. Werke oder
Sagen benugte, während‘ er fpäter eigene Erfahrungen, ober |
Berichte der Augenzeugen verzeichnete?). Einige. feiner weni:
gen wichtigen Quellen find noch nicht aufgefunden, die wichti= - |
gern, auffer dem Eutrop, Paulus Diaconus u. A., find Bedas
Univerfalchroni? und englifche Kirchengefchichte, Nennius (den
ee Bildas nennt) und die angelfächfifche Chronik ?), welche letz⸗
tere er jedoch zuweilen irrig verbolmetfchtes wenngleich nicht
fo oft ald man ihm dieſes beigemefien hat, benn wenn er b.
3%. 671 von dem Kriege der Vögel fpricht, fo ift dieſes nicht
als Mangel an Sprachkunde, fondern als eine irrige Deutung
einer Naturerfcheinung anzufehen*). Seine Chrenalogie ift
boͤchſt verworren und oft ımrichtig, fowie häufig auch die ge
nealogiſchen Nachrichten; woraus fich deutlich ergibt, daß er
nicht, wie man wohl gefagt hat, den Florenz von Worceſter j
benuste. Befonders anziehend find jedoch ferne Befchreibungen
der Schlachten, welche oft aus alten Liedern entlehnt fein mo⸗
1) Gedruckt In (Fell) rer. anglic. script, T, L
2) S. Deffen Prodmium zum Bud VII.
8) Nicht aber Galfrid von Monmouth, f. oben &. zum. —
Warton hist. of engl. poetry I, 138. behauptet irrig, daß die Er⸗
waͤhnung bes Brutus in bem echten Nennius filh nicht finde, und das :
von Heinrich im Klofter Bec gefundene Buch, woraus er bie Notiz
von Brutus 'fchöpfte, der Galfrid gewefn; doch bekannte Haud⸗
ſchriften des Nennins ſprechen gegen ihn. J
| 4) Diefer Misverftand iſt es wahrfcheinlich, welder, von Milten
nicht erkannt, diefen zu dee haͤufig wiederholten, dem Geſchichtsſtudium ſei⸗
nes Vaterlandes oft nachtheilig gewordenen Xufferung veranlafite: Such
bickerings to recount, met often in these our writers; what more
worth is it than to chronicle the wars of kites or .crows flocking
“and fighting in the air? History of England ad a. 800, |
mn 5—
u — —
%
Literariſche Einleitung. LXI
gen. Eine fehr genaue Übereinftimmung mit dem jedoch aus⸗
fuͤhrlichern Ailred von Rievaux, welche alſo auf eine gleiche
uns unbekannte Quelle ſchlieſſen laͤſſt, zeigt ſich bei der Erzaͤh⸗
lung von Eadmund Eiſenſeite. Ein auffallender Contraſt mit
allen uͤhrigen moͤnchiſchen Chroniſten, welche den Dunſtan nicht
genug preiſen koͤnnen, iſt ſein Lob des Koͤnigs Eadwy, ſowie
wir im Allgemeinen in Allem was dieſer Schriftſteller berich⸗
tet und was er verſchweigt, den vaterlandsliebenden, geiſtlichen
wie weltlichen Unterdruͤckern abholden Angelſachſen erkennen.
Daß er ſchon normannifche Quellen benutzte, lieſſe fich vielleicht
aus feiner mit dem Roman de Rou übereinflimmenden Erzähs -
lung von den Söhnen ber Königin Emma folgern '), fowie
den ihm unter ben englifchen Ehroniften eigenthümlichen nor⸗
manniſchen Nachrichten, z. B. 1047 uͤber die Schlacht im Val
des Dunes, 1066 Wilhelms Rede vor der Schlacht bei Has
flings. Aus ähnlihen Werken find vieleicht mehrere feiner.
altbritifchen Nachrichten Über die Prinzefjin Helena u. A., was
fi) weder aus unfern Handfchriften des Nennius noch bes
Galfrid von Monmouth herleiten laͤſſt, geſchoͤpft. Heinrich
widmete ſein Werk demſelben Biſchofe Alexander von Lincoln,
welchen auch jener in einigen Buͤchern feiner historia Britonum
anrebet. Kine Fortfegung des Heinrich von Huntingden, welche
feinen Namen führt, iſt bis jegt nur in einer vom Jahre 1042
bis 1275 fortgeführten Handſchrift vorhanden ?).
Roger aud Hoveden in Yorkfhire, Capellan König Hein⸗
richs II., Surift und Profeffor der Theologie zu Oxford, lebte
noch im 3. 1204. Er wird viel zu häufig angeführt, da er
bis auf die legten Jahre feiner annales bekannten Chroniften
bis auf unbedeutende Zufäge nur nachgefchrieben hat, und
zwar für die angelfächfifche Periode dem Simeon von Durham
und Heinrich von Huntingdon. Der Anfang ded Werkes, mit
Einfluß des Prologes bis zum Jahre 803 (Frankfurter Ausgabe
des Savile &. 401— 407) ift aus Simeon ©. 90—119.
Dos Folgende bid zum Jahre 849 ©. 414 ik aus Heinrich
von Huntingdon B. IV. S. 341 bi B. V. ©, 348. Hier⸗
1) ©. unten ©. 487. |
2) Cooper a. a. ©. II, 165.
N
x Literarifhe Einleitung. ur
auf bis zum Jahre 1122 ©. 414—477 ift aus Simeons
zweitem Were ©. 137 — 2455 morauf Roger vom Jahre
1122—1148 ©. 490 zu Heinrich von Huntingdon ©. 382—
395 zuruͤckkehrt.
Aored, Theſaurarius des Kloſters zu Beverley, hat in
feinen von Th. Hearne zu Oxford 1716 herausgegebenen an-
nalium 1. IX. den Beda, Galfırid von Monmouth und Si:
meon von Durham ercerpirt. Er fchliefit mit den Iahren, wo
Letzterer endet. Wir find bei diefem Epitomator daher nicht
zu dem Schluffe berechtigt, daß er in diefem Jahre fchrieb,
ober fogar weiter zu folgen, daß dad Werf des Galfrid, bef-
fen Erfcheinung bekauntlich fpäter- ald die des Heinrich von
Huntingdon und Wilhelm von Malmesbury erfolgte, ſchon im
3. 1128 erfchienen fei. Zuweilen finden fih Spuren einer
unmittelbaren Benugung der angelfächfiihen Chronik, wie b.
d. 3. 879 (883) über Älfreds Sendung nach Indien. Die
Reihefolge der angelfächfifchen Könige, welche das fechste Bud)
enthält, ift, bid auf die Einleitung, aus dem Anhange, welcher
fi. beim Florenz von Worcefter findet. Die eigenthuͤmlichen
Zufäße find ſehr gering und kurz.
Die vorflehenden find die vorzüglichften Werke, welche we⸗
gen engen Anfchluffes an die älteflen Quellen der angelfächfi-
fchen Gefchichte hier aufgeführt werden mufften. Doc find in
den erften Sahrhunderten nach der normannifchen Eroberung
noch mehrere andere englifche Gefchichtfchreiber aufgetreten,
welche, der neuen Dynaftie zugethban, vorzüglich des verderbli=
chen Einfluffes wegen, den fie durch normannifche Borurtheile
und Unkritik auf die ältere Gefchichte ausgeuͤbt haben ‚- zuwei⸗
len jedoch auch durch unverbächtige eigenthümliche Nachrichten
unfere Aufmerkfamteit auf fich ziehen. |
Dad Verl, welched dem Ingulph, einem ums Jahr 1030
geborenen Englaͤnder, der Geheimſchreiber des Herzogs Wil⸗
helm von der Normandie, ſpaͤter Abt zu Croyland in Lincoln⸗
ſhire wurde und im J. 1130 ſtarb, zugeſchrieben wird, muß
bier zuerſt angeführt werden‘). Dieſes Werk enthält die Ge⸗
1) gl. Tagulph. ad a, 1075, wo feine esentsfärebun ein:
| geſchaltet iſt.
PER
-
Literariſche Einleitung. LXin
ſchichte des Kloſters Croyland, "mit vielen eingeflochtenen Nach⸗
richten uͤber die Geſchichte des Koͤnigreichs Mercien, ſowie ſpaͤ⸗
ter des geſammten Englands bis zum Jahre 1091. Unechte
Urkunden feines Kloſters) würden und die Echtheit des uͤbri⸗
gen Inhaltes der Chronit fo ‚wenig wie große Parteilichkeit
eines Seheimfchreibers für feinen Fürften feine Autorfchaft vers
dächtig machen, und die Fortſetzung feines Werkes durch Peter
"von Bloid, den bekannten Archidiaconus von Bath, ſcheint ber
Echtheit des Werkes einen unzweifelhaften Stempel aufzu=
drüden. Bon ber Gründung bis zu der im J. .870 durch die
Dänen erfolgten Zerftörung des Klofters beruft Ingulph fich auf
fünf ältere.Chroniften Aion, Zhurgar, Swetman u. A.); wer
die Gefchichte der Jahre 871—948 audgefüllt hat, wird nicht
berichtet; das Leben bes Abtes Thurketul habe deſſen Ders
wandter, der jüngere Abt Egelrich, gefchrieben; dieſe habe er
zur fortgefegt. Jedoch ſo wohl unterflügt die Authenticität dies
fer Chronik demnach fcheint, fo nachgiebig wir gegen einzelne
zu erwartende fchwache Seiten derfelben fein mögen, fo moͤch⸗
ten fih dennoch wenige Werke finden, deren Echtheit durch
bie große Zahl von Ierthümern, welche in einem angeblich
großentheild gleichzeitigen Schriftftellee umerflärlich find, zwei⸗
felhafter erfcheint. Selbſt das Leben Thurketuls berichtet irrig,
daß biefer den König Conftantin von Schottland bei Brunans
burg erfchlagen, daß Kaifer Heinwich nach diefer Schlacht für
feinen Sohn Dtto fi um die englifche Königötochter bewor⸗
ben habe. Beſonders in den Nachrichten von Alfred und Ead⸗
ward dem Älteren flimmt die Chronit, dem irrigen Inhalte
und felbft den Worten nach, bis auf eigenthümliche Fehler in
Chronologie und Zhatfachen ’), fo häufig mit dem fpdtern Wil:
beim von Malmesbury überein, daß es ſchwer wird Diele
Stelle nicht "für die der croylander Chronik eingefchalteten Worte
Wilhelms zu halten, wenn nicht eine von beiden gemeinfchaft
lich benugte Quelle hier nachgewiefen würde. Selbſt die Nach⸗
1) Über dieſe ſ. Hickes thesaur. III, 78.
7) Ingulph. ad a. 97% und am Schluſſe des Werkes.
5) Den Johannes von Altfachfen nennt nur Ingulph Johannes
Bestes. Vgl. in beiden Gchriftftellern die Stelle von der Errichemns
der hundreden durch Alfred.
kappenber g's Geſchichte Englands J. u:
XIV Literariſche Einleitung.
richt uͤber die Beerdigung zweier Verwandten des Thurketul im
Kloſter zu Malmesbury findet ſich bei beiden Schriftſtellern er⸗
wähnt ), wobei Letzterer aber ein Geſchichtswerk, in lateiniſchen
Herametern gefchrieben, als feine Quelle anführt. Sogar eine Ur:
- Bunde von Malmesbury wird dort b. 3. 97% volftändig abgeſchrie⸗
ben, volftändiger, als die gedruckte Handfchrift des Mönches diefes -
Klofters fie Eennt. Doch auch in dem Theile der Chronik, in wels
chem Ingulph von dem berichtet, was er felbft erlebt hatte, iſt er
hoͤchſt unzuverläffig.. So b. d. 3. 1056 *) und 1062, wo er dem
Strafen Radulf, Sohn der Soda, deren Gemahl nennt. Go:
gar bie gleichzeitigen Äbte des Kloſters Croylanb werben von
Ingulph verwirrt’). Auch Ailred von Rievaur fcheint von ihm
benugt zu fein. Sehr wahrfcheinlich iſt es daher, daß das
echte Werk des Ingulph nicht auf und gelangt iſt, fonbern daß
Thon früh das vorhandene Werk, zu welchem jener auch be:
nutzt iſt, zufammengetragen wurbe; gewiß aber darf jede Nach⸗
richt des vorhandenen Werkes nur mit der größten Umficht
benugt werben. Es ift gebrudt in Saviles, befier in Fells
Sammlung.
Allred, Abt von Rievaur in Yorkfhire, ſammelte genealos
gifche Notizen über die angelfächfifchen Könige; von feinen ans
dern Schriften iſt hier nur noch das mit Legenden burchwebte
Leben Eadwards des Bekenners anzuführen‘),. Sein Lob Cab:
gard, die Erzählung vom Tode Gobwines erinnern lebhaft an
Alfred von Beverley.
Wilhelm, Mönch und Bibliothelar zu Malmesbury ( 1141)
fchrieb mehrere, durch eigenthümliche Darftelung und eine von '
der chronologifchen Form abweichende Anorbnung fehr beliebte .
Werke: de gestis regum Anglorum 1. V. bis 1126, hi-
storia novella bis 1143 und de gestis pontificum I, V.°)
| 1) Ingulph. p. 39. will. Malmesb. 1.1.6. c.6 p. 51.
Vol. auch bei Beiben die Stellen über Eabivin.
2) Vgl. unten S. 520 Note 1.
8) ‚Hierauf macht der Verfäffer des saxon chrosicle dissected auf:
merkſam, ohne jedoch auf: mehr als eine Mangelhaftigkeit ber abgedruck⸗
ten Handſchriften zu folgern.
4) Gedruckt bei Twysden. |
5) Saͤmmtlich, bis auf das fünfte Buch des legten Werkes, wel:
Literariſche Einleitung. | LXV
Denn er gleich manche bekannte Quellen kannte und benußte,
von benen ex im Prolog zum erſten Buche des Hauptwerkes
ſpricht, fo bemerken mir doch nicht, Daß er fie ausſchrieb, und mioͤch⸗
ten auch aus diefem Grube den Ingulph nicht zu den von ihm
benutzten Schriften zählen. Reben vielen intereffanten Nach⸗
sichten, welche er und erhalten hat, findet fich bei ihm eine
Fuͤlle abgeichmadter und felbft feinem Stoffe durchaus fern
liegender Mährchen. Diefen verbanft fein Werk jedoch einen
großen Theil des Beifalls, welchen ed fand; denn nach Beda
und Galfrid von Monmouth tft Fein dlterer englifcher Ge
fchichtfchreiber fo viel von den Chroniften Englands wie des
Continents benust worden; unter den dltern der letzten nenne
ich nur Alberich von Troisfontaines und Vincenz von Beauvais.
Dem Matthäus, Mönch der MWeftminfterabtei, wird ein
aus mannichfaltigen Chroniten im vierzehnten, Sahrhunderte
zufammengefegtes Geſchichtswerk, weiches flores. historiarum
betitelt iſt, zugefchrieben ). Diefe Compilation ift verkehrter
Weiſe fehr viel benubt worden, da man nicht bemerkte, daß
die Quellen des Matthäus, namentlich, für die angelſaͤchſiſche
Periode, fi beinahe alle erhalten haben, und von Matthäus .
nur abgekürzt, oft ungefchidt zufammengezogen, und wenn bei
jenen die chronologiſche Reihefolge fehlte, oft zu irrigen Sabre
ren eingefchaltet find. Als die uns für jegt angehenden Quels
Ien find biee zu nennen: Beda, Aſſer, die angelſaͤchſiſche
Chronik, Florenz von Worceſter, Nennius, Galfrid - von
Monmouth, Wilhelm von Jumieges (4. B. b. J. 887 aus
L L ce. 6—11. von Haftein und ſpaͤter von Rollo), Marianus
Scotus, Wilhelm von Malmesbury, welchen Letztern er auch
häufig nennt, 3. B. 979, 1035. Vielleicht gehört auch Hein⸗
ih von Huntingdon hierher, doch find einige zu dieſer Ver⸗ .
muthung Anlaß gebende Stellen?) des Letztern, meiflens das
noͤrdliche England und die Dänen betreffend, won Matthäus
ausführlicher und alſo vermuthlich aus einer * ähnlichen Auelle
qhes bei Sale und Whartons Anglia saera ;- in nloeichender geeen⸗
fin ſich findet bei Savile.
1) Edit, Francofurt. 1601. fol.
2) 3u andern gebbet auch die pugna avium a. 671.
- e*
LXVI Literarifhe Einleitung.
umfländlicher mitgetheilt. Die Erzählung vom Zweilampfe
Eadmunds Gifenfeite mit Cnut b. 3. 1016 ſcheint aus Ailred
. von Rievaur S. 364: audgezögen. Viele Legenden find nach
erzählt und Nachrichten aus Klofterchroniten gefammelt, und
fo finden fi) einige fpärliche Notizen, welche der Eimftige Hers
ausgeber englifcher Gefchichtöquellen Torgfättig herauszuſuchen
nicht verſchmaͤhen darf.
Dem Johannes Wallingford, einem im J. 1214 verſtor⸗
benen Abte zu St. Albans, ſchreibt Gale ein von ihm heraus⸗
gegebenes, vom J. 449 bis zum I. 1036 fortgefuͤhrtes Werk
- über die engliſche Geſchichte zu). Der Verfaffer macht einige
Berfuche biftorifcher Kritik, welche ihm aber fehr mislingen?).
Für bie Geſchichte der nörbichften angelfächfifchen Provinzen
gibt er einige eigenthümliche Nachrichten unb es möchte in bie
fer Gegend wohl der Wohnſitz des DVerfafferd zu fuchen fein.
Biel benugt find des Wilhelm von Sumieged erfte fechs Bücher
der Gefchichte der Normannen, nicht aber Dudo unmittelbar,
da wir des Letztern Nachrichten mit den Zufägen und Fort⸗
fegungen des Erfigenannten in bem vorliegenden Werke benust
“finden: z. B. ©. 532 u 533 aus Guil. Gemet. 1. I. c. 3—5.;
auch S. 548 aus 1. V. c. 8. ©. 549 u. 550 aus 1. VI.
c. 10—13. Er nennt ferner den Galfrid von Monmouth,
Wilhelm von Malmesbury und Heinrich don Huntingbon, und
ercerpirt die Biographien der Heil. Guthlac, Neot, Guthbert,
Edward, auch Bridferths Leben des Dunflan. Das Citat
ber historia Gothorum iſt bem Wilhelm von Jumieges nach⸗
gefchrieben. -
Wir gedenken bier noch kurz einiger normannifcher Ges
fehichtfchreiber, welche die englifche Gefchichte fchon in dieſer
Periode berühren. Dudo von St. Quentin iſt in diefer Bes
ziehung nur in wenigen Stellen von Intereffe, viel mehr aber -
Wilhelm vom Jumieges, welcher die Gefchichte feines Volkes
bis zum 3. 1137 fortführt. Wilhelm von Jumieges ift, wie
ſchon erwähnt, von manchen englifchen Chronikanten ercerpirt.
Beide finden fih in Ducheſnes Sammlung ber scriptores
1) Histor. britann. scriptores XV,
2) ©, unten ©. 877.. 1—
2
+
Literariſche Einleitung. Lxvii
rerum normannicarum, letzterer auch in Camden Anglica,
Normannica ete. Viel wichtiger iſt für die Geſchichtsforſchung,
ungeachtet ſeiner poetiſchen Einkleidung, eine von manchen
Sagen durchwebte Geſchichte der Herzoge der Normandie, bes
titelt vom Herzoge Rollo, “Roman de Rou, das Wert bes
Mogifter Robert Wace, der, zu Serfey geboren, zu Caen er:
zogen, von König Heinrich IT. von England eine Präbende zu
Bajeur erhielt. , Seineds ums Jahr 1155 gefchriebenen le
Brut ift fchon früher gedacht. Zür das elfte Sahrhundert .
gibt und der Roman de Rou -fehr viele eigenthuͤmliche und
glaubwürdige Nachrichten. bei deren Gebrauch jedoch vorzüg-
lich die Parteilichkeit der Normannen zu berüdfichtigen iſt.
Auch diefes Werk fcheint mehreren englifchen Chroniken als
Quelle gedient zu haben. Es iſt zuerſt vor einigen Jahren
von Hm. Pluquet herausgegeben ).
| Schon vor Ware ſchrieb Benoit de St. Maur eine ge:
veimte Gefchichte der Herzoge von der Normandie, bis zum
Zode des englifchen Könige Heinrich I. Sie ift noch unge. _
druckt, nur in Auszügen bekannt?) und für die englifche Ges
fchichte noch nicht benußt.
Nur. durch die Sprache franzöfifchen Normannen angehoͤ⸗
rig und in England ein Jahrhundert nach der normannifchen
Eroberung für die Herren bed Landes gefchrieben, ift L’e-
storie des ‚Engles solum la translacion Maistre Geoffrey
Gaimar, eine gereimte Chronit Englands von Eerbicd Lanz
dung im 3. 495 bis zu dem im J. 1099 erfolgten Tod des
Wilpelm Rufus. Sie ſcheint in der Mitte des zwölften Jahr:
hunderts abgefaflt, und folgt der häufig miöverftandenen ans
gelfächfiichen Chronik, doch ift fie mit manchen, nicht immer
biftorifchen Zufägen geſchmuͤckt, für ‚welche aber Gaimar ald
ältefte bisher aufgefundene Duelle, wenn er fich gleich auf eine
ältere bezieht, nicht unwichtig it. Dieſes Werk erfcheint zum
erſten Male gebrudt in dem erften Bande der Sammlung ber
Recorbcommilfic ion.
1) Rouen 1827. 2 T. 8, Philologifche und grammatiſche Bemer⸗
tagen von Raynouard, ſowie hiſtoriſche von A. le Prevoſt find
defelbft 1829 erfchienen.
2) Depping histoire des expeditions maritines des Normands.
LXVIN giterarifhe Einleitung.
Unter ben vielen englifchen gereimten Chroniken gehört
die des Robert von Glocefter, ums 3. 1280 gefchrieben, zu
den bemerkenswertheften '). Ste“ beginnt mit den Sagen. bes
Geoffrey von Monmouth; in der angelfächfifchen Zeit folgt fie
vorzüglich dem Wilhelm von Malmesbury, doch-aud) dem Hein⸗
rich von. Huntingdon, wie in der Erzählung von Enut am
Meeresufer, und ber Rede Wilhelms vor der Schlacht bei
Haſtings und andern Umftänden der letztern. Der Bericht
von dem Zweikampfe des Eadmund Eiſenſeite und Cnut zu
Olneye mit der ausführlichen Rede iſt eine Nachbildung des
Ailred von Rievaur.
Eine ähnliche Chronik, welche Peter Langtoft, Canoni⸗
cus zu Bridlyngtqn (Yorkfhire), daher auch Pers von Brid⸗
lyngton genannt, in franzöftfcher Sprache ſchrieb, iſt, obgleich
handſchriftlich vorhanden, uns nur aus der engliſchen gereim⸗
ten Überſetzung des Robert de Brunne bekannt?). Der Her:
auögeber hat den dem le Brut nachgebildeten Theil weggelafs
fen. Sie gebt bis zum Tode Eadwarbs I. (1307) und ift :
nicht viel fpäter gefchrieben und überfest. Das Wenige was
über die angelfächfifche Gefchichte gefagt wird, wobei der Ver:
+ faffer den Gildas, Beba, Heinrich von Huntingdon und Wil⸗
heim von Malmesbury nennt, find die von Robert de Brunne
eingelegten altenglifchen Sagen, bei deren einer von Havelock
König Guntars Sohne ?), er ausdruͤcklich bemerkt, daß fie fi)
im Pers von Bridiyngton nicht finde. Es iſt bemerkenswerth,
wie in diefen Sagen das fpäter mächtig gewordene Weſſer
ſchon vorangeftellt wird; fo wird berichtet, daß Herman, des
. Königs Brithrit (von. Weffer) Haushofmeifter, von dem daͤni⸗
fchen Herzog Kebribt am Humber erfchlagen wurde und des
Königs Nache fürchtend nach Dänemark zuruͤckfloh. In Diefer
ind 3. 791 gefesten Begebenheit ift die erſte Landung der
Dänen auf Lindisfarne im 3. 795 wohl nicht zu verfennen ).
Andere Sagen Tannte er von Beormwulf‘), Sir Frethebald, .
1) Herausgegeben von Thomas Hearne 2 Thle. Orford 172. 8.
2) Edit. Th. Hearne. 2 Vol. Oxford 1725. 8.
3) &. unten ©. 119. oo
4) ©. unten &. 337.
5) ©. unten ©. 274.
giterarifhe Einleitung. LXIX
den Schlachten bei Kerham und Doncafter mit "den Dänen.
Diefe Eönnten wohl auf bie bifforifche Beſiegung derſelben
durch Ecgbert ſich bezichn und gleich andern englifch = bänifchen
Sagen aus DManglien fiammen. Die: Eritifche Bearbeitung
ber altenglifchen Sagen, welche nicht walififchen und norman=
nifhen, ſondern angelfächfiihen oder fonft germanifchen und
nordiſchen Urſprungs ſind, iſt eine hoͤchſt anziehende Aufgabe,
welche ein mit umfaſſenden Kenntniſſen aͤlterer Dichtung und
Geſchichte ausgeruͤſteter engliſcher Alterthumoforſcher ſich bald
vorſetzen moͤge!
Über die ſpaͤtern Chroniſten bemerken wir noch, was bei
den vorgenannten ſchon auffallen koͤnnte, daß die meiſten der⸗
ſelben aus Yorkfhire oder den angrenzenden Grafſchaften ſtam⸗
men, was aus ber länger erhaltenen Nationalität derfelben er⸗
Härt werden mag. Ihre Hanptquellen find feltener ‚die ans,
gelſaͤchſiſche Chronik und Florenz, fondern Heinrich von Hun⸗
tingdon und Wilhelm von Malmesbury, deren Sagen und
Sabeln gewöhnlich in gtoßer Breite abgefchrieben werben. So
verhält es fich namentlich mit dem gar zu häufig angeführten
Werbe, welches dem Bromton, Abte von Jorvaulx in York:
fhire, der zu Ende bes vierzehnten Jahrhunderts Iebte, zuge: .
fohrieben wird. Es erflredt fi) vom I. 588 bis 1198, und
man koͤnnte daher das Werk vielleicht einem älteren Verfaſſer
zufchreiben, wenn nicht des Heirathsvertrages der Johanna,
Schweſter König Eduards TIL, mit David, nachherigem Könige
von Schottland, gedacht würde. Auffer den eben gedachten
Hiſtorikern hat er jeboch auch den Florenz auögefchrieben, fo:
wie die flores historiarum; er nennt auch die Chroniken
des Walter von Gifeboum. Das einzige Intereffe welches er
für die angelfächfifche, Periode bisher. gewährte, manche an⸗
ziehende Sagen jener Zeit und zuerſt zu berichten, verſchwin⸗
det jebt, da wir biefe ſaͤmmtlich beim Gaimar gefunden ha⸗
ben. Dieſelben Sagen finden ſich auch kuͤrzer in der unge⸗
dmackten altengliſchen Chronik des Douglas von Glaſtonbury, de⸗
sen hamburgifches Manufeript bis auf die Zeiten Eduards IH.
gebt, in welcher durch "die entftelten, mit Gaimar uͤbereinſtim⸗
menden Namen‘) noch deutlicher die Benugung ber norman⸗
1) &o cap. III. Renaude für Reginald. Cap. 112. Estrilde für
LXX Literarifhe Einleitung.
nifhen Quelle verrathen wirb. In der früheren Geſchichte
folgt Douglas jedoch dem Galfrid von Monmouth, in der
fpäteren hat er eigenthümlidhe und auch durch die Mittheilung -
gleichzeitiger Lieber werthvolle Nachrichten über” die Kriege der
Engländer mit den Schotten im breizehnten und vierzehnten
Sahrhumberte.
Aleine hiſtoriſche Schriften find von und gelegentlich dort,
"wo fie der Geſchichtsforſchung ihre Dienfte leifteten, berührt
worden. Sehr viele Kloſter⸗ und Heiligen: Gefdhichten find
noch ungebrudt. Briefe, Homilien und andere Denkmäler find
biöher nur fparfam an das Licht gefürbert. Manches mas
fpäteren Zeiten angehörte, wird fpäter paflender erwähnt.
Über anderweitige Hülfsmittel für bie angelfächfiihe Ge⸗
fhichte müfjen wir zunaͤchſt bemerken, daß eine befonvere
Sammlung der wichtigen Urkunden zu derfelben noch fehlt.
Einzelne, ſowohl in lateinifcher ald angelfächfiicher Sprache,
finden fi in Hearnes textus roffensis, befonders das
Bisthum Nochefter betreffend, Hemming chartulary of the
church of Worcester, ferner zerfireut in Hickes thesau-
rus, Smiths Ausgabe ded Beba, bei ben Klofterchroniten von
Ely und Glaftonbury (beide bei Gale 3. J.). Die meiften
biefer Urkunden beziehen fich jedoch auf Kirchen und Kloͤſter;
die der Testeren find im monasticum anglicanum geſam⸗
melt von William Dugdale und Roger. Dodbsworth (3 Thle. fol.
41682), fortgefeßt von 3. Stevens 2 Zhle. fol. und new von
Cayley, Sir Henry Eis und Bandinell in 8 Bden. fol. ver
mehrt neu herausgegeben. Den Sammlungen der 'angelfäd-
fifhen Gefege, unter denen die von David Wilkins (London
1721. fol ) bisher die vollftändigfle war, hat fürzlih Dr. R.
Schmid eine mit. einer deutfchen Überfegung verfehne Ausgabe
‚ Hinzugefügt '), welche um fo dankenswerther uns erfcheint, da
bie Elftride oder Alfride, König Eadgars Geliebte. Cap. 107.: Alured
that Dolphynes was called ift nicht Dauphin, fondeen Gaimar vs.
8023. 4, Aluered Edelwolfing ert apelez. Cap. 107.: a Dane that
me called Roynt aus Gaimar va. 8016: un Danois, un tyrant, qui
Somerlede out nom le grant.
1) Die Gefege der Angelfachfen in der Urfprache mit Überfegung
und Erläuterungen, Erſter Theil. Leipzig 1832. 8, Über bie bevor: -
\
Literarifhe Einleitung - LXxxi
die von der Recordcommiſſion unternommene neue Bearbeitung
derſelben, nach vielen Handſchriften und mit engliſcher Über⸗
ſetzung, durch den Tod des nicht leicht zu erſetzenden Hrn.
Price in Stillſtand gerathen iſt). Die geiſtlichen Geſetze,
Concilien und andere das angelſaͤchſiſche Kirchenrecht betreffende
Documente find geſammelt in Henr. Spelmanni concilia,
decreta etc. in re, ecclesiarum orbis britannici, 2 T.
London 1639 et 1664. fol. olftändiger in Dr. Wilkins
concilia magnae Britanniae et Hiberniae ab a. 446 ad
a. 1717. 5 Vol. London 1737. fol.
Die Geſetze der Walifer oder die Sammlung des Howel
Dda und anderer Fürften find nach einer norbwalififchen
(Gwynedd, Venedotia) Handſchrift des breizehnten Jahr⸗
hundert von W. Wotton?) mit Iateinifcher Überfegung ber:
ausgegeben. Eine englifche befigen wir nach einer andern Hand⸗
ſchrift vom 3. 1685 °) von Probert‘). Die Recordcommiſſion
laͤfft dieſelbe jest nach drei im Dialeft und kleinern Rechts
gebräuchen abweichenden Zerten von Gwynedd, Demetia und
Powis oder Slamorgan, von denen ber ältefte von Gwynedd
aus einer Handfchrift des zwölften Sahrhundertd entnommen
ift, nach Vergleichung zahlreicher alter Handfchriften, mit faft
fiehende Ausgabe f. Cooper a. a. O. I, 153. Die Geſe « e Enuts find
beſonders von Kolderup Rofenvinge (Havniae 1826.) herausge⸗.
geben; ein normannifch = franzöfifcher Zert der von Wilhelm dem Erobe⸗
xer heftätigten gasenachn ſchen Geſetze von Palgrave a. a. O. IH,
88 fg.;.deffen Bd. I. Cap. 2. für die aͤuſſere Rechtsgeſchichte, ‚neben
dem befannten Werke von G. Philipps Geſchichte des angelfächfifchen
Kechts. Göttingen 1825. 8.) überhaupt hier zu vergleichen iſt.
1) Ich habe wiederum ber Freundſchaft des Hrn. Cooper dafür
zu danken, dag ich auch die von biefem Werke gebrudten Bogen kenne.
Sie enthalten die Gefege der kentiſchen Könige, darauf Älfreds, Ines,
des ältern Eadward und Äthelftans, nebft einzelnen, dem Beitalter der-
ſelben angehörigen, beſſer als bei Wilkins geordneten Stüden.
2) Londini 1780. fol. Vgl. Schmid Geſetze der Kg.
Einleitung $. 8. Eooper a. a. O.
8) Gebruckt in Archaeology of Wales T. III
4) The ancient laws of Cambria translated from the Welsh by
William Probert, London, 1828, 8,
—
.
xx Biterarifhe Einleitung
ebenſo alten Iateinifchen Verſionen und neuer engliſcher Über-
ſetzung abdruden.
Für das Studium der fehr reichen angelfächfiichen Muͤnz⸗
geſchichte iſt jetzt vorzuͤglich Rudings Werk (Annals. of the
coinage etc. 4 Vol. 4.) au benugen.
Ein Blick auf. die Bemühungen neuerer Gefchichtfchreiber
ſeit dem Gebrauche der Buchdruderkunft führt und zum Dou⸗
glas von Slaftonbury zuruͤck, deſſen Werk‘ die Grundlage der
aͤlteſten gedruckten englifchen Chronik, der bed Buchbruders
. William Carton 1480, bildet. Nirgends zeigt es fich deutli⸗
‚ cher ald in der englifchen biftorifchen Literatur, wie langfam
das Studium der Geſchichte von dem Glauben an willfitliche
Erfindungen ab fih auf bie gleichzeitigen Gefchichtfchreiber,
alte Gefege und andere Denkmäler gerichtet hat. Won ben
. normannifchen Dichtungen des Gaimar und ded Le Brut in
dem Auszuge des Douglas wandten ſich die Gefchichtichreiber
zum Bromton, Matthäus von Weſtminſter, Wilhelm von
Malmesbury, Heinrich von Huntingbon, bis, jemehr der Lauf
der Jahrhunderte fie davon zu entfernen fehien, deſto eifriger die
Geſchichtsforſchung zu den aͤlteſten Chronifen, _dem größeren
Geſchichtswerke Bedas und andern treuen Kunden ber ori
zurüdzufehren fich beſtrebt hat. Das Andenken an die
gelſachſen ſchien in England vor dem Glanze des normanni⸗
ſchen Adels faſt vernichtet und Shakeſpeare, deſſen Muſe ihren
- Stoff in allen Gegenden und allen Jahrhunderten Europas
fand, und felbft den Lear der britifchen Sage, den Schotten
und den Dänen verherrlichte, fand, während feine Sprache
unbewuſſt zu ihnen zuruͤckkehrte in der reichen Geſchichte der
eigenſten Vorfahren keinen Gegenſtand, welcher ſeine Zuhoͤrer
anzog. Erſt der Sturz der Stuarts und das Emporkommen
der Gemeinen Englands erſchuf dieſem Lande durch die Hand
des Mannes, welcher vor Allen mit Abſicht und Studium
das germaniſche Element ſeiner Sprache erfolgreich foͤrderte,
des erhabenen Miltons, in deſſen letzten Lebensjahren die erſte
ausfuͤhrliche Geſchichte der Angelſachſen in ſeiner Mutter⸗
u
” we Su
“
]
a
he
T-
Literarifhe Einleitung. Lxxiii
ſprache). Seit längerer Zeit waren des großen Forſchers im
englifhen Alterthbume, des William Camden vielfeitige Unter:
fuhungen geprüft; Milton felbft konnte zuerft einen Abdruck
der angelfächfiichen Jahrbücher benutzen; feine Sreundfchaft mit
dem Spracforiher Junius, dem Herausgeber Caebmons,
ſcheint ihm manchen Blid in das höhere Geiftesleben feiner
Vorfahren aufgefchloffen zu haben. So unwichtig Miltond
Geſchichtswerk in unferen Augen jest ift, fo muͤſſen wir den⸗
noch bie forgfältige Sichtung Achthiftorifcher Nachrichten darin
bemerken und biefe bei dem blinden, beinahe fiebenzigjährigen
Sreife, dem großem Dichter, einft gar regfamen Staatömanne,
den die Trockenheit der Chroniften fo fehr widerte, daß er un⸗
verhohlen fich darlıber auszufprechen fich gebrungen fühlte, als
hoͤchſt ehrenwerth anerkennen. — Brauchbar ift das im 9.
1679 erſchienene chronicon regum Angliae von David
Lanahom (London 8.), eine nicht ohne Kritif aus zahlreichen
und den befien ihm bekannten Quellen zufammengefehte Mo:
fait über die angelſaͤchſiſche Königs = und Kriegs = Gefchichte
bis zu feed dem Großen. Das Leben diefes Monarchen
duch Spelman bildet eine Epoche in der Altern Geſchichts⸗
forſchung Englands. Rapin de Thoyras (1724) hat ſehr we⸗
nig fuͤr die angelſaͤchfiſche Periode geleiſtet und ſcheint ſelbſt
manche damals laͤngſt gedruckte Quelle nicht gekannt zu haben;
doch enthalten Tindals Noten manche Berichtigungen und Er⸗
Rmungen. Ein bedeutender Fortſchritt zeigt ſich in dem die An⸗
gelſachſen betreffenden Abſchnitte von Thomas Carte's Geſchichte
von England?), welche für ben aͤltern Theil derſelben uͤber⸗
haupt die Quelle des David Hume, dem gruͤndliche Kennt⸗
niſſe des fruͤheren Mittelalters durchaus abgingen, geworden
iſt. Ehren wir Hume auch in feiner Darſtellung der Geſchichte
der Stuart und einzelner Abtheilungen berjenigen ber. Tubord
als den fcharffinnigflen der neueren Gefchichtforfcher, als das un:
erreichte, hochbegabte Mufter der Gefchichtfchreibung, welcher
das Erbtheil engliſcher Kraft, bie lichtvoll Klarheit des ſchot⸗
1) Zuerſt 1671. Ein Abdruck findet ſich in (Kennet) A ıcom-
Plte history of England. T. I. fol. 1706.
2) London 1747 — 55. 4 Vol. fol.
LXKIV giterarifhr Einleitung.
“tifchen Denkers und die leichte Anmuth des Landes feiner gei-
fligen Ausbildung, des von ihm vielgeltebten Frankreichs, in fich
vereinigte: fo find in. diefem unferm Lobe auch ſchon die Gründe
niebergelegt, weshalb Hume, dem e8 anfänglich nur um bie Ge-
fchichte der englifchen Revolution zu thun war, von welcer er
feine hiftorifchen Arbeiten erfi in fpdteren Jahren auf die Anfänge
ber englifchen Gefchichte zurüdführte '), dem Mittelalter nicht Bes
Heifterung oder auch nur Miltond Fleiß zuwenden konnte.
Kein Wunder alfo, wenn Gibbon bei feinen vielumfaffenden
Studien, an Scharffinn und Combinationdgabe feinem großen:
Zeitgenofien gleich, in den feinem Lebenswerke beiläufig einge-
fchalteten Nachrichten über die Angelfachfen Yehrreicher ift als
Hume. Nach diefen. Beiden ift noch ein anderer Stern erfter
Größe am britifchen Horizonte zu nennen, doch beinahe nur-
und' noch mehr wie bei Milton, um an ein wenig beachtetes |
Merk defjelben zu erinnern. Edmund Burke fchrieb ein abrid-
gement of english history, welches er bis zum J. 1216
fortführte. Verdienſtlich in demſelben ift die vechtögefchichtliche
Behandlung der angelfähhfifchen Geſchichte. Da diefes Werk,
vermuthlich eine Arbeit früherer Sahre, erft nach feinem Tode
gebrudt wurbe”), fo dürfen wir wohl annehmen, daß, wenn
der talentvolfte unter den britifchen Staatsmaͤnnern fich em:
fler mit diefem Gegenftande befchäftigt hätte, auch England
ein Werk befigen Fönnte, gleich denen, durch welche jene benei-
benöwertheften. Staaten des Alterthums und jene wunderbare
Erneuerung des perikleifchen Athens, die Zofeanenflabt, in
ewig jugendlichen: Farben vor dem bemundernden Auge ber
Nachwelt ftehn.
Wohl moͤchte es ſcheinen ald ob gezeigt werben follte,
daß die größten Geiſter eines der Freiheit ergebenen Volks
zum Studium feiner Gefchichte ſich unwiderſtehlich hingezogen
fühlen, wenn bier noch der Geſchithte Englands durch Sir
James Madintofh, den anfcheinenden Gegner, aber in Wahr⸗
heit das Geiftesfind des großen Burke, gebacht wird. Das
1) Die Geſchichte der Stuarts erfchien 1755, die der Tudors 1759,
die ber frühern Zeit einige Jahre fpäter.
2) In der Sammlung feiner Werke. Ausgabe vom 3. 1812. 8.
Vol. X, ’
Literariſche Einleitung. LXXV
Studium der Philoſophie und der Rechte Curopas und Aſiens,
ein hohes Richteramt zu Calcutta, ein wahrhaft bedeutender
Antheil an der europaͤiſchen Politik durch Erzeugung und Ver⸗
breitung der ſchaffenden, foͤrdernden, weiterbildenden Gedan⸗
ken im innern Nationalleben, ſowie der ruͤckblickenden, erhal⸗
tenden, grundſtuͤtzenden in dem Voͤlkerrechte und Staaten⸗
ſyſteme beider Hemiſphaͤren, die Gunſt der leichtſcherzenden
Mufen, die anerkannte Meiſterſchaft edler, anmuthiger Hoffitte,
der viel empfangende, doc nicht minder fpendende Verkehr
mit den vorzüglichften Beitgenoffen, alles dieſes, mehr ald Sir
Balter Raleigh und der große Baco umfafiten, genuͤgte dem
Sohne eines duͤrftigen Schotten nicht, und felbft die dem von
eigenem Zeuer fletd glühenden Genius ſchwer zu uͤberwindende
Abneigung gegen mühfames Verarbeiten gegebener roher
- Stoffe hielt den feltenen Mann nicht ab feit vielen Jahren
an einer Geihichte Englands zu arbeiten, welcher die Zeitge⸗
noffen fchon im voraus den Lorbeerfranz willig zuerfannten.
Kränklichkeit und der Druck des unwilllommenen Alterd bes
wogen Madintofh den Plan feines Werkes einzufchränten; das
was er noch geglaubt liefern zu können, unterbrach der Tod.
Des Vortrefflihen unter dem Geleifteten wird fpdter noch ges
dacht. werden koͤnnen; für‘ den kurzen Abfchnitt ber angelfäch-
fiichen Geſchichte darf das Lob geiftvoller und richtiger Auf⸗
- faffung fowie würdiger Darftellung genügen.
Würde Mackintoſh aber bei rüfligeren Kräften nicht mehr
geleitet haben? Geftehen wir es offen; nicht ex konnte, Fein
anderer gleichbegabter Dann kann in unferen Tagen der Ab⸗
fafiung eines vollendeten Gefchichtöwerkos Uber das Mittelalter
genügen; am wenigften in England, wo ber Sefchichtöquellen
1wmaͤhlige neu hervorſprudeln, wo die Wünfchelruthe auf mans
B ken tiefliegenden Hort fich hinneigt, ohne ihn bereits getzofe
= | fen zu haben. Es werben noch Generationen vergehn, bis als
e | lea diefee Stoff georbnet und vertheilt fein wird, um von dem
5 | Reiter dereinft gebeutet werben zu Finnen. Der germanifche
a, elsfkamm muß feine alten Sagen, feine alte Sprache, fein
. Mb Recht durch Alterthumsforſcher, Sprachkundige, Rechts⸗
s Süniker erſt beſſer -ergelinbet haben, che über viele ber wich⸗
tigten Öragen eine nmerſchutteriche Auslunft ertheilt werden
Lxxvı Literarifche. Einleitung.
kam; die Gefehichte des einen Staates wird ohne gleichmäßi:
ges Fortfchreiten derer der Nachbarftaaten luͤckenhaft bleiben.
Der fchwierige Beruf des heutigen Gefchichtäforfcherd, welcher
zahlloſe, nach allen Seiten hin in Einzelbeiten zerfplitternde
und oft fernliegende Unterfuchungen erforbert, verträgt fich gar
wenig mit dem bed Gefchichtichreiberd im hoͤchſten Sinne, der
auch von dem Leben gelernt haben foll, und durdy und fir
die Gegenwart die Vergangenheit verftehen will. Dennoch be:
darf die Gefchichte einer oft erneuerten Geſtaltung, fowohl um
die Fortichritte der Forſchungen fich anzueignen und ihnen das
echte Licht und ihren Werth zu verleihen, als auch we⸗
gen des ſtets wandelbaren, unentwidelten Bebürfniffes
dee Gegenwart. Der Darſteller vergangener Zeiten, dies
ſes Berufes eingedent, wird daher nicht immer apodiktiſche
Gewißheit geben wollen, er: wird ‚vielmehr oft auf die Luͤcken
unferer Gefchichtöfenntniffe aufmerkſam machen und felbft viel
durch eine klare Überficht der anfcheinend verloren gegangenen.
Gefchichte gewinnen; er. wird ben Leſer nicht zum traͤgen Auf⸗
faſſen bed Niedergelegten einwiegen, ſondern häufig in feine
unterſuchungen hineinziehen muͤſſen; er wird, wenn er ſich als
den ruͤckwaͤrts gekehrten Propheten betrachtet, feiner wohler:
wogenen Ausfprüche Deutung oft dem verfländigen, vieleicht
begabteren ober glüdlicheren Forſcher überlaffen.
Diefer ehrenwerthen Forſcher in den altenglifchen Se
fehichten bleiben noch einige zu erwähnen. Zuvoͤrderſt Whit⸗
aker, welcher in dem Rahmen einer Gefchichte der Stadt Mans
hefter eine fehr grundliche Gefchichte Englands unter den Roͤ⸗
mern lieferte‘). in ähnliches Werk ift feine genuine his-
‚ tory of the Britons asserted against M. Macpherson ?),
In dem fehr geſchaͤtzten Werke des Dr. Robert Henry, eines
fchottifchen Geiftlichen, history of Great Britain ’) ift bie
zömifche :Periobe mit Vorliebe und Erfolg gearbeitet; um bie
angelfächfifche zu loben, muß man auf bie Vorgänger zuric⸗
geblickt haben.
1) 2de edit. corrected. London 1778. 2 Vol. 8. j
2) Gleichfalls 2de edit. London 1778,
5) History of Great Britain. 6 Vol. Edinburgh 1771— 179. 4.
oft wieber aufgelegt und in Auszüge verarbeitet.
Literarifhe Einleitung. LXXVII
An die ebengenannten Schriftſteller, ſowie Carte, ſchloß
ſich unſer Landsmann M. C. Sprengel in ſeiner bis zum J.
1207 fortgeſetzten Geſchichte Großbritanniens an, ber jedoch
viele Quellen: und, andere Huͤlfsmittel ſelbſt mit Sorgfalt
benutzte.
Unvergefflihe Verdienſte um die Geſchichte der Angel
fachfen bat fich Sharon Zurmer erworben '), befonders durch fies
feres Eingehn auf ihren Culturſtand, unbefangenes Stubium ber
walifiichen Literatur und Benugung vieler ungebrudten Hand⸗
fchriften. Freilich iſt diefe ſehr verbienftnolle Materialienfamnt-
lung mit vielen unnöthigen Abfchweifungen beladen, und ber
Berfaffer bat oft lieber Vieles gegeben ald mit Kritif die
Nachrichten gefichtet.
Lingardd Darffellung der angelfächfifchen Gefchichte zeich-
net fich durch befonnene Anordnung fowie Klarheit und Buͤn⸗
digkeit des Vortraged aus; doch hat er hier gewöhnlich
die von feinen legten Vorgängern erwiefenen Thatfachen wies
dergegeben und nur in feltenen Füllen, wo Katholicifmus ihn
zum Widerfpruche gegen einige engherzige Anfichten des eng-
liſchen Proteftantiimus veranlaflt, felbftändige . und neue For:
ſchungen geliefert.
Dem gebliebenen Beduͤrfniſſe hat das kuͤrzlich erſchienene
Werk von (Sir) Francis Palgrave zum Theil abzuhelfen ſich
mit vielem Erfolge bemüht ?). Die politiſchen Inſtitutionen der
Angelfachfen find von ihm mit vielem Scharffinne erörtert, und.
eine fehr ſchaͤtzbare chronologifche Überficht der Gefchichte der
angelfächfifchen größeren Staaten und Pleinern Provinzen iſt
aus dem Befunde vieler für diefen Zweck unbenugten Quellen
gegeben. Wohl fiheint er und in ber Anwendung mancher
modernen hifforifchen Hypothefen, namentlich in der Ableitung
mancher hiflorifchen Erfcheinungen aus roͤmiſchen Elementen,
m Beziehung auf England zu weit zu gehn. Unfer Buch von
den Angelfachfen trägt Beweife genug in fich, wie mannichfache
i) History of the Anglosaxons. Zuerft 1799 — 1805. Die fünfte
Iufloge ift zu London 1828. 8. 8 Vol. erfchienen.
9) The rise and progress of the english commonwealth. Anglo-
“sa period, ‚By Francis Palgrave, II Parts. London 1832. 4.
LXXVIII giterarifche Einleitung.
Belehrung wir biefem, Fenntnißreichen Forſcher verbanken,
. „gleich manche der Hauptgedanten befielben, wenn aud Re
tgte feiner eigenen Wahrnehmungen, von ums nicht als
anerkannt, fondern als ein verjährtes Gemeingut der vo)
und rechtöhiftorifchen Forſcher des Zefllandes angefprochen n
ben müffen. Palgrave hat auch unlängft in einem, urfprü
ih für das jugendliche Alter berechneten, gebiegenen, bu
Landkarten und andere Abbildungen finnig ausgeftatteten Bi
lein eine die Nefultate feiner Forſchungen einfchliefiende (
fhichte der Angelfachfen ') herausgegeben.
1) History of England. Vol. I. Anglosaxon period by F. P:
grave. London 1831, bildet Vol. XXL der Family Library.
Erſte Abtheilung
Britannien vor und unter den Römern,
—
2
d. öltefte Kunde feines Daſeins ‘verdankt Britannien dem
Streben nady dem Welthandel, für umb durch welchen dieſes
Land felbft dereinft fo groß werden follte. Über ein Jahrtau⸗
ſend vor der Geburt U. H. hatten bie‘ Phönizier Gades und
Iarkffus gegrlmdet, deren muthige Sthiffer wir in der Nebel⸗
gehalt jener fernen Zeiten erbliden, nachdem das Zinn an den
Kiſten Spaniens weniger ergiebig befunden wurde, dieſes Me⸗
tal nach langſamer Kuͤſtenfahrt von vier Monaten aus den
Imſeln holend, welche Herodot als die Kaſſiteriden oder
Ye Inſeln, in denen der Kaſſiteros, das Zinn, waͤchſt, ber
|
m -
|
Kühne, umd welche jebt den Namen der Scilly⸗ oder Sorlins
gue:Infeln führen”), Herodot Fonnte, ob er gleich in Tyrus
nachforſchte, die Lage diefer Inſeln nicht erfahren und hat den
Kamen Britanniens noch nicht erwaͤhnt. Wahrſcheinlich ſind
Ne Phoͤnizier von ihrer eigenen Kuͤſte aus nie unmittelbar nach
men Inſeln gefahren, wenngleich der auf fpäte Zeiten tiber:
iferte Name des Mannes, welcher zuerft von benfelben das
Ann heimbrachte, Midacıitos >), ein phoͤniziſcher zu ſein ſcheint.
N Lib. II. cap. 115,. Er ſchrieb zwiſchen 425 und. 408. |
2) Cambden Britannia pag. 1112. Qgl. Heerens Idan I. 191;
Brdmann Geſchichte der Erfindungen IV. &. 397. -: ni
9) Plin. hist. nat. I. VII. c. 56. Es ift.£ein Grund bernd,
bifen Ramen in Midas Phrygius zu. verwandeln.
Eoppenberg’s Geſchichte Englands J. 4
rn}
2 Erſte Abtheilung.
Britannien nennt zuerft ‚Ariftoteles ') mit der Angabe, Daß es
beide Inſeln Albion und Ierne umfaſſe. In den Zagen
feiner Jugend hatte der Garthaginenfer Himilko, von feinem
Staate auf eine Entdedungdreife gefandt (zwifchen d. 3: 362—
350), andere Binninfeln, er nennt fie Sſtrymnides, neben Al⸗
bion und. zwei Tagereifen von Jerne?) — Kleine Infeln in der
Bay St. ⸗Michaels Mount, nördlich von Cap Lizard an der
Kuͤſte von Cornwales — gefunden ?), ſowie einige Jahre nach
ihm auch der Buͤrger der beruͤhmten Pflanzſtadt der Phokaͤer,
der Maſſilier Pytheas (330— 320), deſſen Tagebuch in
den von Strabo und anderen alten Schriftſtellern aufbewahr⸗
ten geringen Bruchſtuͤcken die aͤlteſten Nachrichten uͤber die Be⸗
wohner dieſer Inſeln uns erhalten hat‘). Die Maſſilier und
Narbonner verfolgten fchon früh auf einem Landwege zu der
Mordküfte Galliend °) den Tauſchhandel auf der Inſel Ictis
(Wight oder Mont, St.» Michel) ). umd den britiſchen Küften.
Diefer älteftle Handel wurde gleichfalld wegen beö dem Alter:
thume fo fehr wichtigen. Zinnes fowie auch wegen des Bleies
betrieben. Die Seefahrer dehnten denjelben auch auf, einige
andere Srjeugniffe dieſes Landes aus, auf Sclaven , Häute,
- 1) De mundo cap. 3. Irland unter dem Samen Jernis erwähnt
auch der Dichter der dem Orpheus zugefchriebenen Argonautica V. 1179.
. 9 Über biefe geographiiche Beflimmung f. im Metropolitan 1832
January.
5 ) Bruchſtuͤcke ſeines im fuͤnften Jahrhunderte nach C. G. vorhan⸗
denen Tagebuches befitzen wir in dem Gedichte des Feſtus Avienus: Ora
maritima. Benn, wie Ulert und I. Lelewel (Entdedungen ber Gar:
thager und Griechen auf dem atlantifchen Dcean) annehmen, Himilko
in. bie Mitte des fünften Jahrhunderts zu feßen ift, fo wirb ben Phös
niciern die Ehre der Entdeckung Britanniens ab⸗ und erft den Cartha:
gern zuzufprechen fein.
- 4) Murray de Pythea Massiliensi in Nov. Commentat. Got-
Ä ling. T. ..
5) Plinius,
6) Für bie erftere Erklaͤrung ſpricht bie genaue übereinſtimmung
ber Namen; für ketzteres ber wichtigere Umftand, daß auf dieſelben Dio⸗
dor’8 Angabe (8. V.) allein pafit, daß zur Fluthzeit fie als Infel, zur
Zeit der Ebbe als Halbinfel erſcheinen, ſowie auch bie Ri des eigene
lichen britiſchen Zinnlandes Cornwalet
y—
—
Britannien vor und unter den Römern. 3
treffliche Jagdhunde, deren die Kelten ſich im Kriege bedienten.
Britifches Schiffsbauholz diente dem Archimedes (+ 212) u
dem Mafte des größten Kriegsſchiffes, welches er zu Syracus
verfertigen ließ. Gold und Silber follen dort gefunden fein;
eine untergeorbnete Gattung Perlen ift dafelbft noch vorhanden. |
Den Griechen wurben diefes Land und feine Metalle bald ein
Segenftand wifjenfchaftlicher Forfhung, wie ein Werk des Pos
lybius über diefelben beweift, deffen Verluft Derjenige ſchmerz⸗
baft empfinden muß, welcher die richtige Auffaffungdgabe und
den Scharffinn dieſes Gefchichtfchreibers erkannt hat.
Die Römer wurden mit Britannien erft durch. ihr Stre⸗
ben nach der MWeltherrfchaft bekannt. Scipio hatte, ald er. bie
Kaufleute aus den drei ausgezeichnetften celtifchen Städten, Maſ⸗
ſilia, Narbo und Corbilo, Tber Britannien befragte, Feine bes
Vehrende Antwort erhalten. Publius Craſſus ) wird uns als der
erfte Römer genannt, welcher die Kaffiteriden befuchte. Die Maͤn⸗
gel des dortigen Bergbaues bemerkend, foll er den Einwohnern.
bie Kunſt gezeigt haben, durch tieferes Graben mehr Zinn zu
gewinnen. Vielleicht iſt er der roͤmiſche Legat dieſes Namens,
welcher auf Caͤſars Geheiß die Beſiegung der dem britiſchen
Meere anwohnenden galliſchen Völker vollfuͤhrt hatte?).
Durch Caͤſars Eroberung des ſuͤdlichen Englands und die
ſpaͤter durch die roͤmiſchen Kaiſer ausgedehnte Herrſchaft in
dieſem Lande iſt es uns erſt moͤglich geworden ein Bild deſſel⸗
ben darzuſtellen. Wohl durfte den Griechen und Römern die
Söttin des Krieges und der Wiffenfchaft in Einer Geftalt er:
fcheinen; die macedonifchen und römifchen Schwerter haben
dem Alterthume die Grenzen der Erde und Geſchichtskunde feſt⸗
geſteckt. Freilich iſt jenes Bild Britanniens ein fehr dunkles
und bedarf gar fehr des zuruͤckſchlagenden Lichtes neuerer wiſ⸗
ſerſchaftlichen Forſchungen. Dem Strabo, ſowie Caͤſar und Pto⸗
lemaͤus, iſt ſogar die Geſtalt und die gegenſeitige Lage der
beitiigen Inſein durchaus undeutlich geblieben. Jenem liegt
Stand ganz im Norden von England und Schottland; den
—* Strabo m. p. 175. Lingard nennt ihn irrthuͤmlich Lucius
us.
2) Caesar de bello gallico l. II. c. 34.
q*
4 Erſte Abtheilung.
Letzteren erſcheinen die Nordkuͤſten Irlands und Schottlands in
derfelben nördlichen Breite ). Diefe Bellimmungen haben
zahlloſe Miöverfländniffe in den Beflimmungen der nach dem
Grade der Länge und Breite angegebenen Gegenden und Voͤl⸗
kerſtaͤmme veranlafien müfjen. Die Kunde von den Einwoh⸗
nern -ift aber durch den Umſtand fehr erfchwert, daß ſich in
den Infeln und thren verfchiedenen Diftricten fehr verfchiedene
Grade der Gultur vorfinden, welche von den Schriftftellern im
entgegengefesteften Sinne zu allgemein verftanden find. Die
Bewohner ber Kafliteriden, deren Lage noch Strabo nahe bei
Gallicien ſucht und deren Eriftenz fogar von Plinius ?) bezwei:
felt ift, find von Pytheas faft mit denfelben Worten gefchil:
- dert, wie an anderen Stellen die Sherier. Sie trieben neben
einem Eunftlofen Bergbau Viehzucht und taufchten Zinn, Blei und
Felle gegen Salz, Töpfer: und Erz⸗Waaren von den Kaufleuten
ein. Man fah fie mit langen Bärten, gleich Böden, in dunkeln,
auf die Zerfen herabfallenden und um die Bruft gefchloffenen
Kleidern und auf Stöde geftüßt auf ihren zehn Infeln umher:
ſchweifen. Es iſt nicht unwahrfcheinlich, Daß diefe Nachrichten
auch auf das nächfigelegene zinnreiche Küftenland Cornwallis,
vielleicht felbft auf den Stamm der Siluren in Suͤdwales aus⸗
zubehnen find; ungewiß aber, ob wir in jenen Bergleuten ibe:
rifche Anfiebler ’) oder eine uralte heimifche Bevölkerung, iden-
| 1) Hierüber f. die trefflichen Erörterungen Manrert’s in feiner
Geographie der Griechen und Römer. Abth. Britannia. Die Zeichnung
bes Ptolemäus hat noch der Globus gu Nürnberg v. 3. 15205 in ber
Überlinfhen Ausgabe des Ptolemäus erfcheint Britannien zuerft in auf:
rechtſtehender Form.
‘2) Hist. natural. 1. XXXIV. c. 6. Waren dieſe Inſeln vorhanden
und nicht lediglich eine Erfindung gaditaniſcher Schiffer, um ihre Re
benbuhler im Handel zu Irrfahrten auf dem weiten Meere zu verführen,
fo Eönnen ‚fie nur bei dem Zinnlande Gornwalis gefucht werden. ‚Die
Untunde und das Stillſchweigen fpäterer Schriftfteller über diefelben
mag dadurch erklärt werben, daß ber befchwerlihe Seeweg nach dem
Auftommen bes gaflifchen Landweges vergeffen wurde.
: 3) Agricola c. 11.. Die Meinung des Tacitus iſt fehr ans
gefochten, weil man fie auf alle Britannier bezog. Auch Dionyfius
Periegetes 8. 563 erklärte die Einwohner der Kaffiteriden für Nach⸗
kommen ber Soerier. ber die Verfchiedenhgit der iberiſchen von den alt⸗
Britannien vol und unter den Römern. | 5
tifh mit der des Ubrigen. England, erkennen bürfen. Die
Küftenfahrt, wenngleich auf kleinen, von Weiden geflochtenen
und mit Leder Überzogenen Booten, war ſchon längft fehr be
lebt gewefen 5; die Metalle wurden zur Infel Wight gebracht,
und ein. folcher die eigene Thaͤtigkeit weckender Handel hatte
lingft die Bewohner der Suͤdkuͤſte Englands regſam, beleh>
sungöfählg, den fremden Säften freundlich gemacht. Doc
fhlummerte ihr Geift in einer an den heimifchen Boden gefefs
felten Befangenheit, bis, durch das Misgeſchick des ungerechte⸗
fien feindlichen Uberfalls, aus einem nicht zu Europa gerechne:
ten?), nur wenigen fühnen Schiffern bekannten Lande der bri⸗
tiſchen Barbaren eine mit dem roͤmiſchen Kaiſerſtaate engver⸗
knupfte Provinz und zulegt derjenige Staat geworden ift, wels
cher mehr als irgend ein anderer im europäifchen Staatenbunde,
nicht nur Diefem, fondern auch den erft nach vielen Jahrhun⸗
derten entdeckten Ländern und Welttheilen den Stempel feines
Charakters ımd feiner Einrichtungen aufgebrüdt bat.
Die Bewohner Englands gehörten, mit etwaiger Aus:
nahme der obengedachten, vielleicht iberifchen, Golonien, zu
demfelben großen Völfergefchlechte, welches wir in Gallien und
Belgien finden und das gewöhnlich den Namen der Celten
führt. Eine Verfchiedenheit des nördlichen und des füblichen
Stammes anzunehmen und jenen wegen feines ftarfen Glieder:
baues und der rothen Haare mit Zacitus für germanifchen Ur:
hyrungs zu halten, find wir durch andere Nachrichten nicht bes
— —
u
we
>
„N
2;
z
18
J
B:
fügt. Die befonders in Wales und in der Bretagne noch fort:
lebende Sprache, fowie ber Druidendienft, welcher in chrifllicher
Metamorphoſe noch bis zu fpdten Tagen in Wales beftand und
dem Lande Kraft zu taufendjährigem Widerftande gegen bie
englifchen Herrfcher verlieh, find es, welche die hauptfächlichften
heitifchen Sprachen ſ. W. v. Humboldt Prüfung ber Unterfuchungen
über die Urbewohner Hiſpaniens vermittelft der vaſtiſchen Sprache.
6. 168 fg.
1) Plin. hist. natur. L IV. c. 16. 1. VII. c. 56. Dieſelben
Sthiffe finden wir ſpãter noch bei ben ſaͤchſtſchen Seeraͤubern. Isidor.
wie. . XIX.
2) Rod — ſpricht von Wight und anderen Infeln, welche
wiſchen Europa und Britannien liegen.
—
6 Erſte Abtheilung.
Kennzeichen dieſes großen Stammes bilden und welche als
das Geiſtige an ihm am laͤngſten ſich erhalten haben. Wir
duͤrfen daher von keiner Seite ſo viele Belehrung uͤber die
aͤlteſte Geſchichte dieſes Stammes dereinſt erwarten, als durch
die wiſſenſchaftlichen Bemuͤhungen der Walliſer um die uralte
Nationalliteratur ihres Volkes, welche jedoch biöher nur in
wenigen Puncten zu ganz entfihiebenen Refultaten geführt haben.
Mit den unter ſich näher verwandten Dialeften von Wa⸗
les und Bretagne find, unter fich verfchwiftert, Die gallifche
Sprache Ealedoniens und die erfifche Irlands als ein gemeins
ſamer Sprahflamm anerkannt. Die Grammatik diefer Spra⸗
chen ift genau erforfcht. Die Klänge der Harfe Oſſians, ent-
ſttellt, verfälfcht wie fie aus mehr als taufenbjährigem Schlum⸗
mer erwacht, das ganze ftaunende Europa durchdrangen, ha⸗
ben felbft in dem einer unerhörten Verzerrung bed poetifchen
Geſchmackes fowie Tabyrinthifcher Verwirrung und gefährlichfter
Ausartung aller urfprünglichen bürgerlichen Einrichtungen hin⸗
gegebenen Welttheile in den Herzen der Befjeren einen filber-
reinen Widerhall erweckt, befien Begeifterung auch jenfeit bes
Oceans in den wieberaufgefundenen poetifhen Naturflängen
‚wie in den ſich auöbildenden Verfaſſungsgrundſaͤtzen forttönet,
während zugleich die Sprache des Barden, das vergeffene Erb⸗
theil dürftiger Hirten, feitbem in der Vergeiftigung wiffenfchafts
licher Forfchung das wichtigfte Zeugniß über einen der größten
Voͤlkerſtaͤmme Europas geworden if. So führt der ficherfte
Stab, welcher der Wiffenfchaft verliehen ift, der unvergäng-
lichſte Befig des flerblichen Menfchen, der Nachhall des reinen
Odem Gottes, ihn durch viele Sahrtaufende verfchollener Vor⸗
zeiten, bringt die Einheit zahllofer Voͤlkerſtaͤmme big an bie
Schmelle feiner Sinne, und läfft ihn das geifligfte Geheimniß
ahnen, wie der Gedanke belebender Ton, der Geift Fleifch ward.
Die britifche Volksſage darf der Gefchichtfchreiber unferer
Zage, nach der Urgefchichte diefes Stammes gefragt, nur leiſe
berühren. Auch fie, gleich der Stammfage anderer europätfcher
Völker, erfcheint nur in jener roͤmiſchen Zerrmaſke, welche bei
dem abendlichen Nachleuchten ber untergegangenen römifchen
Sonne in der ihren eigenen Stern miöfennenden neuen Welt
ſich bildete. Führt auch jeder Fingerzeig alter Sagen. und mit
|
}
t
}
y
— — 2* vs »..v ..
” - — —
Britannien vor und unter ben Römern. 7
Recht nach dem Orient, fo. haben. doch die Dichtungen von
Zrojad Untergange und der Slucht des Brufus, eine6 Urenkels
des Aneas, nach Britannien ') in den Übertuͤnchungen unnafios
naler Verbildung, in welcher wir fie jegt allein Eennen, jeden
bifterifchen Gehalt verloren und. die abgeflachte Hieroglyphe
fcheint und retilingölos verloren... Die eitin Briten wuflten
nichts Beſſeres, als fich mit dem abgebleichten, werthlofen Flit⸗
terflante der Hauptſtadt zu. ſchmuͤcken und die fabelhafte Stamm⸗
ſage Roms auch ſich anzueignen.
Der Name, welchen die Waliſer ſich noch heute geben,
Kymri ober Cumri, derjenige der nordweſtlichen Provinz Cum⸗
berland, die Übereinftiimmung der Worte, welche uns aus ber
Sprache der alten Kimmerier ober Cimbrer erhalten find, mit
dem Waliſiſchen, die Sagen der welfchen Zriaden, fowie bie
roͤmiſchen Nachrichten, berechtigen und anzunehmen, daß der
Bolköftamm, welchen wir in England zu Caͤſars Zeiten vorfins
den, jenen von Weſtaſien fi) allmaͤlig fortbewegenden Kimme-
riern angehört habe. Doc das Dunkel, "welches den Namen
jenes Volles trägt, bebedt die. Zeit ihrer Einwanderung; wir
erfennen indefin aus dem fpäteren Hergange, daß. fie. lange
vor Caͤſar gefchah. Hu der Starke (Hm Cadarn), fagen die
walififchen Triaden, führte dad Wolf der Eymri aus dem Lande
des Sommers, Deffrobani, wo Konftantinopel iſt, über das
Rebelmeer (dem beutfchen Dcean) nach ber unbewohnten Infel
Britannien und nach Llydaw (Armorica, Bretagne), wo fie
fh nieberlieffen. Sie. befreiten das Land, welches früher Clas
Merddin, das Land ber Seeklippen und nachher Tel Theis,
Vie Infel des Honigs hieß, von der Herrfchaft der Bären,
Völfe und Auerochfen. Prydain, der Sohn Add des Großen,
ward Herrfcher des Landes, dem er durch‘ weiſes Regiment
fen ſaturniſches Zeitalter verſchaffte und welches feinen Namen
behielt. Später follen. noch Zuͤge von Aoegrwys aus Swatgwy
1) Das aiteſte Zeugniß uͤber dieſe Sage gibt ein Moͤnch iu Ban
gr, Rennius, welder fie aus’ alten Schriften der Worfahren berich⸗
tete. Einige Sahrhunderte neuer ift Galfrid von Monmouth, fowie
bad Gedicht des Robert Wace, le Brut d’Angleterre, Der Verbin⸗
bung ber Sage von ber Abftammung ber preuſſen von Brutus mit der
beitiſchen bleibt noch nachzuſpuͤren.
8 Bu Erſte Abtheilung.
Gaſcogne) und Brythonen aus Llydaw zu ihren Stammge⸗
noſſen auf der Inſel gegangen ſein und in deren ſuͤdoͤſtlichen
Gegenden ſich angeſiedelt haben '). -
Die Sprache der Briten fand fi, wenn anders Taci⸗
tus?) dieſe Studien fo ergruͤndet hat wie die Tiefen des
menſchlichen Herzens, bei den Aſtyonen am baltiſchen Meere
wieder, jenem Meere, deſſen weſtlichen Anwohnern noch lange
der Name der Cimbern verblieben iſt. Das britanniſche Haide⸗
land an der Ems ſcheint dieſen uralten Namen demſelben cim⸗
briſchen Stamme zu verdanken. In Gallia Belgica, zwiſchen
Boulogne und Amiens, weilte ein Volk, welches den Namen
Britanni führte’); ein frühes Beiſpiel des ſteten Wechſelver⸗
kehrs zwiſchen beiden Ufern und ein auffallender Beleg, wie
wenig ſelbſt die groͤßte Waſſerſcheide, eine ſo bequeme Begren⸗
zung ſie fuͤr manchen Staatszweck auch bildet, Nationen zu
trennen vermag, waͤhrend ſelbſt ein kleines Gebirge fowie -
den Schnee und den Wein, fo bie verfchiedenften Sprachen
und Sitten in der Entfernung von wenig Schritten jedes auf
feiner Seite unwandelbar erhält. Daß das engliiche Küften-
vol? der Belgen aus dem: Belgien des Feſtlandes herüberge:
Tommen fei, fagt ſchon Cäfar*), welcher die- Sage. von den
im innern Lande wohnenden Autochthonen — alſo den Albios
nen, deren Namen wir noch in dem der fchottifchen Hochlande,
Alpin, Albany, finden — berichtet. Wir' finden bier die ältefte
‚genaue Kunde von Wanderungen der nördlichen. Völker und
bürfen, da wir unter dieſem Namen nur unfere engbegrenzte
Kenntniß jener Erfcheinung zu begreifen gewohnt find, in Bri⸗
tannien die erften Thaten der Völkerwanderung fehen, wie nach
mehr als einem Jahrtauſend diefe mit der Schlacht bei Haflings
und den Siegen der Normannen dort endete. Aber auffer. ben
Belgen waren in bem ſtark bevoͤlkerten England noch die Atra⸗
baten an der Themſe, die Genemani am Stour und die Paris
fer am Humber, deren Berwandtichaft mit den gallſchen Voͤl⸗
1) Ärchaeology of Wales.
. 2) Germania c. 45,
3) Plin. hist, natur. 1. IV. c. 17.
#) De bello gallico V. 12,
\
Britannien vor und unter ben Römern. 9
fern gleiches Namens keinem Bweifel unterliegen kann, fowie
bie Ortönamen, beſonders deren celtifche Endung danum, bie
Identitaͤt beider Völker nicht minder darthun. .
Diefer Zuſtand ber Bevölkerung bezeichnet uns: Deutlich
ben Kreid der Nationen,’ welchem-England zugehörte,. ald Caͤ⸗
fard Zuß defjen Ufer betrat und dadurch die Schiffernachrichten
von den Binninfeln verfchollen,.. cimbrifche Vergeſſenheit für
Britannien aufhörte und das durch römische Waffen der Cultur
erlämpfte Britannien feinen erften Gefchichtfchreiber in demjeni⸗
gen Manne zu finden das feltene Gluͤck hatte, für deffen Wiß⸗
begierde, Scharffinn und Herrſchergabe weder die Wiſſenſchaft
noch die Welt zu groß waren.
Jenes britiſch⸗ galliſche Volk, welches der Canal nicht
geiſtig trennte, wurde noch durch den gemeinfchaftlichen Dienft
der Druiden enger zufammengehalten. Die wichtige Nachricht
Coaͤſars, daß die Gallier, obgleich fie im Allgemeinen eine hoͤ⸗
bere Bildung ald die Briten befaßen, bei den Druiden der
Lebteren tiefere Kenntniß zu fuchen pflegten, lafit, verbunden
mit der Angabe deflelben Beobachterd über die ſtarke Anzahl
der britifchen Bevölferung, auf ‚gefchehene Auswanderungen
von dem nörblichen nach dem von ihren Landsleuten langſam
md theilweife eroberten füdlichen Lande fchlieffen. Die vielen
Myfterien der Druidenlehre find und um fo dunkler, da die
Überlieferung von denfelben nicht auf ‘den Alteften Quellen be⸗
wiht, fondern vielmehr aus Zeiten auf uns gelangt ift, wo bie
ernſte, religiöfe Bedeutung bed Druidenthumes dem reineren
\ Chriftenthume gewichen war und bie entheiligten Geheimlehren "
der Druiden wiffenfchaftlichen, patriotifchen, oft auch unlau=
| team Zwecken untergeordnet wurden. Die Nachrichten über den -
berdifchen Ochfenftall, den Keffelorden und aͤhnliche Traditionen
der Waliſer find und entweder unverfländlich oder ohne hiſtori⸗
Ihen Gehalt. Die Einfachheit der alten Denkmäler des briti⸗
»
' Wen Staubens, die Cromlechs, einige mit einem großen Steine
bodeckte Pfeiler, Cairs (concentrifche Kreife von Steinen),
. Bagfteine, Carns (Steinhuͤgel mit Erbe überworfen) u. 0. m.
dem unzählige fich dem Alterthumsforfcher in bem Weſten
und den anderen britiſchen Infeln noch heute zeigen,
doauen auf geringe Ausbildung des aͤuſſeren Gottesdienſtes hin,
mn.
10 | Erfie Absheilung.
wenn fie: gleich bewähren, daß die größte Anflsengung der pbys
fifchen und mechanifchen Kräfte den Göttern geweiht war’).
Der Zolgezeit find jene Stätten. der alten Glaubensverehrung
oft dadurch wichtig geworben, daß fie dem chriftlichen Cultus
geweiht wurden, was in England um fo häufiger geſchehen
fein mag, da der Einführung des Chriſtenthumes durch das
Druidenthum Fein hartnädiger Widerfland entgegengefegt wurde. "
Vom Gebrauche von Gögenbildern findet: fih bet. ihnen Feine
Spur. Über die Glaubendlehre und die Kenntriſſe der wel:
lichen Braminen erfuhr Caͤſar Ähnliches als einft Alexander
von denen bed Ganges. Jene lehrten die Unſterblichkeit der
Seele, die Wanderung lesterer von einem Körper zu dem an
deren; fie prägten eine auf biefen Glauben begründete Verach⸗
tung des Lebend ein”); Vieles wuſſten fie von den Himmels
förpern und deren Bewegung, berichteten vom Umfange ber
Welt und der Länder, der Natur der Dinge, ben Kräften und
ber Macht der Gottheiten‘). Es ift dad größte Geheimniß
ber: Gefchichte, wie das jugendfrifche Gedaͤchtniß der Vorwelt
mit abfichtlicher Verwerfung fchriftlicher Aufzeichnung, welches
von den Druiden bekannt ift*), feinen heiligfien Befis und bie
- 1) Die Berufung auf Helatäus und Diodor 1.II. p-130 kann |
freilich nicht beweifen, daß dort von bem riefenhaften Stonehenge bi
Salisbury (chorea gigantum, brit. Cor Gawr) bie Rebe ift, doch
wird es von ben Barden bes fechsten Jahrhunderts erwähnt und darf
mit Zupverfiht von diefem auf ältere heidnifche Monumente und Ge
bräuche gefolgert werden. S. von bergleichen Denfmälen Mone Ge
Schichte des nordifchen Heibenthbumes Th. II. ©. 485 —454, welder
dafelbft auch von der Glaubenslchre der Briten nach den ihm zugäng-
lichen Quellen mit Einfiht und umfaffender Kenntniß des Heidenthumes
anderer celtifcher Völker gehandelt hat. | 2
2) Lucan. I. 447. Eine Triade der Druiden (bei Davies Cel-
tie regearches 182): „Die drei erſten Brundfäge der Weisheit: Gehor⸗
fam gegen die Gefege Gottes, Sorge für das Wohl der Menfchen und
Stärke in den Ereigniffen des Lebens”, findet fi als Brundfag dex
Symnofephiften und der Druiden ſchon bei Diogenes von Laërte
(Prooem, $- 5.) Zeßeıw IeoVs zal undiv xuxdv doav zal üydgslar
doxeiv. I
3) Caesar de bello gall. 1. VI. c. 14. — dl
4) Bon ben gallifchen. Druiden berichtet Caͤſar, daß fie den Ge _
brauch griechifcher Buchſtaben in ben Gefchäften bes gewöhnlichen Beben:
—
8
—
——
I
. Britannien vor und unter den Römern. Ai
wichtigflien Wahrnehmungen fich zu erhalten wuſſte: wie flaus
nenöwerth erfchten alfo dieſes Wunder der Vertrautheit mit den
unermefflichen Naturkoͤrpern, die Kunde ber bald heilend bald
toͤdtlich daͤmoniſchen Kräfte, die Botfchaft von den durch die
übrigen Sterblichen vergefienen ober noch unerfchloffenen Das
feinsfhwingumgen; wie ehrwuͤrdig erfchienen die geheiligten
- Männer den barbartfchen Celten. ‚Bei ihrem Stande und Dem
der Ritter war die Herrfchaft des Landes. Die Druiden ums '
terorbneten fich einem felbfigewählten Oberpriefter; doch haben
bisweilen die Waffen über das celtifche Papſtthum entfchieden.
Durch Handhabung der richterlichen Gewalt wurden fie irdi⸗
fhen Dingen genau vertraut und ficherten fich den weltlichen
Einfluß, der Gerechtigkeit aber die Schugwehr religiöfer Ehr⸗
furcht. Auf ihre Menfchenopfer, welche jedoch möglichft auf
verworfene Verbrecher und gefangene Zeinde befchränft waren,
blicken wir mit Schauder; doch darf die Nachwelt, welche ohne
die Entſchuldigung einer religiöfen Verblendung nach zwei Jahr⸗
taufenden dhnliche Opfer befonnener . fortgefebt hatte, che
die Zweifel über Rechtmäßigkeit der Todesſtrafen ein Gegens
fand nationaler Berathung wurden, ich hüten jene nicht zu
fireng zu verdammen. Wie der Ritter von feinem Heergefolge
fo war ber Druide von Iehrbegierigen Juͤngern umringt, bes
; nn zwanzig Lehrjahre nicht zu lang duͤnkten um jene Wiſſen⸗
= haft, aſtrologiſche und magiſche Kunft, fo wie den Scharfblid
= bei richterlichen Schiedöfpruches, das Recht bie Opfer zu ver
: sichten und Den furchtbaren Bann zu verkuͤnden, mit den welts
lichen Begünftigungen der Abgaben.» und Kriegsdienſt⸗ Frei⸗
heit) zu erwerben.
In naher Verbindung zu den Druiden ſtanden die Bar⸗
den Beirdd). Alle Lehren jener waren in Verſe gebracht; dieſe
benutzt hätten. Sollte dieſer den kenutnißreichen britiſchen Druiden fremd
ghlichen fein? Cs wird ihnen auch eine hieroglyphiſche Bardenſchrift
‚ wit ſechszehn Buchſtaben zugefhrieben, welche aus Pflanzenbildern be⸗
auden, wie auch Pflanzen zu den Gegenſtaͤnden heiliger Verehrung bei
der Briten gehörten, z. B. die Eiche, bie Miſtel, welche vor dem Opfer
; bee den Druiden mit goldenem Meſſer vom Baume gef m wurde (©.
Plin, L XVI. sect, 95.) -
1) Caesar LI. ec. 13. Tacit, ann. XIV. 30,
Bei
4
r
8
De
w
u
er:
won
122 70. &rfe Abtheitung.
‚ Dichteten ferner von ber Abſtammung der Fuͤrſten und neben |
didactiſcher und epifcher Poeſie fehlte Die lyriſche nicht, welche
' beim Klange der Chrotta vorgetragen wurde. . Sind und auh
keine Werke und nicht einmal-die Namen älterer Barden aufs
bewahrt worden, fo laͤfſt doch Alles was über fie berichtef wird
‚annehmen, daß fie den noch vorhandenen Werken ber Barden
des fechften und der folgenden Jahrhunderte entfprachen, welchen
wir päter unfere Aufmerkfamfeit nicht werden entziehen Dürfen.
Daß aber fchon Pofidonius und Caͤſar Barden Fannten, ift uns
ein wichtiger Beweis für das Alter der celtifchen Wohnfige in
Britannien. Die wandernden Völfer tragen Feine Gedichte, |,
Faum bie bürftigften Sagen mit fich herum. Jene der Hebräer J
beginnen für uns erft durch Moſes; die Angelfachfen, die Nor |.
mannen haben keine dichterifche Habe aus der alten Heimat
zu bem neuen Lande gebraht. Der Menſch foll und muß
feinem Boden \allein angehören, Friede, Muße, Wohlſtand ei:
nes im alten Stammfiße verweilenden Volkes find zur Erzeu⸗
gung der Nationalpoefie unentbehrlich.
Der neben den Druiden herrfchende Stand wär berjenige
der Häfptlinge oder Ritter. Beide adlige Stände hatten ſich
zu Caͤſars Zeiten ben groͤßten Theil des: übrigen Volkes in
Gallien, welches duch Gläubiger, Auflagen und den Übermuth
ber Mächtigen gedrüdt war, in einem Verhältniffe. ſchutzberech⸗
tigter Hörigkeit unterworfen. Die römifche Eroberung felbft hat
dazu ‚beigetragen, ein fchon früher vorhandenes Clientelverhaͤltniß
der befi glofen Volksclaſſe zu den Beguͤterten mehr auszubilden,
wie es ſich in ſehr reinen patriarchaliſchen Formen der Clans
noch in den ſchottiſchen Hochlanden und Inſeln vorfindet.
Das Land war unter viele Staͤmme und deren Koͤnige
getheilt, welche durch das Prieſterthum loſe verbunden ſelb⸗
ſtaͤndig neben einander lebten, in manchem innern Hader ihre
Kampfluſt naͤhrten und die Jugend übten, ohne ſelbſt ſpaͤter
in den Tagen des Unterganges der allgemeinen Freiheit die
Einſicht und Kraft zu gemeinſamem Widerſtand zu zeigen ')-
Die Gewalt der Fürften war durch die eben angegebenen Kafters
ſehr befchräntt und vorzüglich auf den Kriegöbefehl erſtreckt;
1) Diodor. L V. p. 347. Tacit, Agricola c, 12,
.
Britannien vor und unter den Roͤmern. 13
vi. Im füblichen durch den Handelsverkehr gebildeten Eng⸗
nd!) und vorzüglich in Kent fand. Caͤſar bedeutenden Getrei: .
ebau, den das milde Clima begimfligte und der durch die
'unft des Mergelnd gehoben wurde). Von dem in „Höhlen
ufbewahrten ungebrofchenen Korne wurde der tägliche Bedarf
ausgenommen und geröftet, nicht als Brot gebaden?), ſo⸗
ie auch die Bereitung der Käfe nicht üblich war. Garten⸗
mſt wär nicht vorhanden, doch "die große Anzahl der Ge⸗
mde, der Menfchen und bed Viehes fiel dem Römer .auf.
upfer und eiferne Ringe dienten zum Gelbe. Die Sitte ro⸗
e Völker fih zum Schreden der Feinde mit blauer und gruͤ⸗
r Farbe zu bemalen*), fowie die des Tatowirens hatte ſich
ch fpäter bei den Briten im Norden (Picti) erhalten; aud)
: Frauen zogen auf ähnliche Weife gefärbt, Athiopinnen gleich,
bekleidet bei einigen Opfern umher ). Langes Haupthaar
nd Knebelbärte waren allgemein. Gleich den Gallien ſchmuͤck⸗
n fie den Mittelfinger mit. einem Ringe‘). . Die runden
unftlofen Hütten aus Robr oder Holz glichen denen jenes Vol:
ed. Die gallifchen wiürfelartig bemalten Mäntel find. in. den
jochlanden noch gewoͤhnlich. Ihre Kleidung hüllte den ganzen
Örper ein; ein Gixtel umſchloß den Leib, Metaliketten hingen
m die Bruſt. Der Griff dee Schwerter war mit den Zähnen
toßer Seefifche geziert. Die Sitte. auf Streitwagen, von
hun Effeden genannt, an deren Achfen Sicheln befeftigt waren,
zu fechten, worin fie große Gefchiclichkeit bewiefen, war in
einem nicht gebirgigen Lande und bei. den zum Reiterdienfte
nicht hinlänglich flarken Pferden, diefem Volke fowie einigen
anderen Gelten eigenthümlich. Der Wagenlenker war der Bor:
nimere; die Diener führten die Baffen N. Der Angriff auf
l) Diodor. 1. V. p. 209.
2) Plin. 1. XVII. c. 6.
9) Diodor. I. V. p. 347.
4) Caeruleus. Caesar 1. V. c. 1. ‚Virides Britanni. Ovid.
Auer. II. 16. 29. Vol. Tzschucke ad Melam, III. 6. GE
5) Plin. 1. XXI. c. 1:
6) Plin. 1. XXXII. c. 1. . —
) Caesar. Strabo IV. 200. Diodor. Taciti Agricola.
K
4... Erfte Abtheilung.
die Feinde wurde von ihnen mit heraußfordernden Gefängen
und betäubendent Geheule begonnen '). Ihre Sefkungen beftans
den in der natürlichen Schubwehr undurchdringlicher Wälder ?).
Im Innern bes Landes fanden fi) nur die roheren Eigenthuͤm⸗
lichkeiten des Volkes und Befchränkung deſſelben auf Viehzucht,
welche gemeinfchaftlich mit der Jagd, der Kleidung Felle; der
Nahrung Mildy und Fleisch Tieferten ). Der Norden des Lan-
des fcheint nur dem Pfeile und Wurfſpiefſe des herumfchweifen:
ben, fo gewandten als muthvollen Jaͤgers gehorcht zu haben.
Daß jedoch je zehn oder zwoͤlf nah verwandte Maͤnner ihre
Frauen gemeinſchaftlich beſeſſen haͤtten, der Erſtvermaͤhlte je⸗
doch als Vater ſaͤmmtlicher Kinder betrachtet ſei, iſt eine roͤ⸗
miſche Sage *), welche nur auf ein Misverſtaͤndniß oder vor⸗
gefallenen Misbrauch und geſetzwidrige Unfitte fich gründen
konnte, wenn fie auf Die eigentlichen Briten bezogen wird, wenn
von einem Lande die Rede ift, deſſen tapferfte Vertheidigung
gegen jeden feindlichen Einfall alle die &eftrhle erkennen Yäflt,
welche :die Heimat und den ererbten Heerd dem Einwohner zu
einer Hauptwurzel feines Dafeins machen, wo die Verhältniffe
der bevorrechteten ſo wie der hörigen Claſſen erbliche Rechte
vorausfesten, und wo endlich in Boadiceas Thaten ımd Leiden
noch heute der chriftlich gefitteten Welt eine Lehre und ein Beis
fpiel dargeboten wird, wie ber Frevel vegelloier, das reine Na⸗
tusgefühl der Unfchulb nicht achtender Begierden tief empfunden,
gerächt: und verachtet werde. Einfachheit, Rechtlichkeit, Maͤ⸗
figeit, nicht ohne einen Hang zur Streitſucht, werben ald
Hauptcharafter des Volkes angegeben °); der Ruhm der Tapfer-
keit ift befonders den norbifchen Stämmen verblieben.
Mela III. 6, welcher wie Tacitus dieſen Wagen den Namen covinni
gibt, welchen fie bei den beigifchen Gelten führten.
DDiol. 62 c. 12.
2) Caesar, Strabo.
3) Der Reichthum an Mil und Fellen wird gepriefen in Kume-
nii panegyr. ad Constantin. Aug, cap. 9. gl. Eund. ad Constan-
tium Caesarem cap. 11.
4) Caesar |.|. Diodor gedenkt berfelben nicht, Dio 1. 62.
c. 6. benutzt biefe Sage in einer Rebe, welche er für die Bundvica ges
drechfelt hat.
5) Diodor 1. |.
Britannien vor unb: unter ben Römern. 15
. Ein. fehr viel klareres Bild des gefelligen Zuſtandes
ber alten“ Briten tiefe ſich nach den Gefegen des: Dyonwall
Moelmud, welcher 400 Jahre vor Ch. ©. gelebt haben fol,‘
entwerfen, wennTbiejenigen welche in umferer ſehr viel: juͤnge⸗
ren Handſchrift fie diefelben ausgegeben werden, für aͤcht koͤnn⸗
ten gehalten werben 9; doch tragen jene Geſetze in fich. viele
Kennzeichen römischen, fo wie noch mehr fächfifchen Einfluffes
und in beim Schlußartifel fogar das Belenntniß, daß ihre Nies
derzeihnung der Zeit angehört, in welcher das Britenthum auf:
Bales und in feiner Achtheit vorzüglich auf den Süden dieſes
Landes befchränft war. Sie bezeugen das Dafein eines Staa:
tenbundes, deffen Zweck Sicherheit. und: Schuß gegen Auffere '
Zeinde ſowohl als gegen innere Bedruͤckungen bezwedte. Aus
den zahlreichen erblichen Häuptlingen -oder Fürften, welche über
ihre Völker Herrfchen, wählen die verbuͤndeten Nachbarflaaten,
welche von minder berechtigten Grenzſtaaten unterfchieben wers
den, einen Dictator Oder Lord Paramount, wie es Eaffivelaun,
Garadog, Arthur waren. Die gefammte Volksverſammlung,
Gorſedd, aus allen Nachbar» und NRebenländern, welche aus
allen, fpdter aus 300, Freien beftand, befaß die Souverainetät
und gefeßgebende Macht. Sie vermochte des - Königs Gefebe
aufzuheben, den Oberfürſten abzuſetzen, neue Wiſſenſchaften
änzuführen u. a. Dem Difteictöflirften flanb wiederum ein
Landtag zur Seite, welcher aus den Freien feiner Herrſchaft
gebildet wurde, und dem die Erhaltung der Geſetze und bie
Entiheidung der Rechtshändel in legter Inftanz oblag. Jedes
diefer Völker theilte fich wieder in Stämme, Genebyl genannt,
N oder die uns noch in Schottland bekannten Clans und beren
Ai Haͤuptlinge, Pencenedyl, dem ein von den Stammverwandten
- 3 gewählter Vertreter derfelben, Teisbantyle, in feinen wichtigften
Berrichtungen beigeorbnet war. In ben Clansverfammlungen
| fimmten die verbeivatheten Weiber mit. Freigeborne Männer
„N Mr Frauen mufften fünf Ader Landes befisen. Das Land
ze, mu für verſchiedene Verwaltungszwecke vielfach eingetheilt,
e 1) The ancient laws of Cambria, translated by W. Probert.
er. 3. Bol. Gervinus in ben Heibelbfeg. Sahrbüchern 1881. ©. 46-94.
* rise et progress of the Euglisn commonwealth, T. I.
2. - |
16... Erſte Abtheilung.:--. -
Bier „Trefs“, urfprängliche Niederlaffungen,' Dörfer, waren zu
einem „Maenawl“ oder Gerichtsbezitke vereint, in denen ber
Maer, ein angefehener Eöniglicher Beamter, Recht: ſprach und
‚mit feiner Frau die. Lehnögefälle des Herrſchers erhob. Sunf:
zig Trefs bildeten ein „Commot“, hundert ein „Eantred. In
jedem Commot waren ſechs Maenawls und zwei Tief für den
König und feine Beamten auögefondert.
Der Aderbau zeigt fich als das Hauptgewerbe dieſes Lan⸗
des. Beamte, Gelehrte und Kuͤnſtler bildeten eine Art von
Patriciat, deſſen Genoſſen einen doppelten Landbeſitz, zehn
Acker, inne haben muſſten. Zu jenen Kuͤnſtlern gehoͤrten, auffer
den Barven, die Schmiede, Zimmerleute, Maurer, Schmelzer.
Die Sklaven fcheinen aus befiegten Feinden, Eigenen, welde
ein Geſammteigenthum des Stammes waren, beflanden zu ha
ben. Bei manchen Sitten und Rechtögebräuchen jedoch, welche \
den germanifchen ähnlich find, wozu die Zahlung eines Wehr:
geldes an die Verwandten der Erfchlagenen durch den Mörder,
“der Beweis durch Gottesurtheile und Eideshuͤlfe gehören, iſt,
wenn gleich jene Gefege ganz oder theilweife neuer fein follten
als die Ankunft der Sachfen in Britannien, keineswegs eine
Übertragung fächfifcher Rechtögewohnheiten auf die Cambrier,
fondern eine. ältere, auf ähnliche Verhältniffe und Beduͤrfniſſe
begruͤndete Verfaſſung anzunehmen.
Von den britiſchen Volksſtaͤmmen nennen wir billig ben:
jenigen zuerft, welcher, obgleich auf ihn jederzeit die aͤſten An⸗
griffe der Roͤmer, Sachſen und Normannen gerichtet waren, in
der Geſchichte ſtets die alte Ehre, bis auf heute den ur⸗
alten Namen in der Grafſchaft der Maͤnner von Kent be⸗
wahrt hat. Die Kantii waren von vier Fuͤrſten beherricht 5
Ptolemaͤus rechnet London zu ihren Staate; die Städte Doros
vernum (Comtiopolis, Canteöbury) Rputupiä (Richborgugh)
und Ruculver ') lagen in demfelben. „Nördlich der Themſe bis
zum Sluffe Stour: wohnten die Zrinobanten, als dexen Haupt
ſtadt London, ſchon damals ein bedeutender Handelsort, genannt
Äk
1) Letzteres nennt das Itinerarium beim Ricardus Corinäus,
welches, obgleich ſchon 1753 zu Copenhagen gedruckt, ſelbſt unſerm ver: ”
dienſtvollen Mannert unbekannt geblieben iſt.
|
Britannien vor und unter ben Römern. 17
ird. Noͤrdlich vom Stour wohnten die Cenimami.'). . Die
fe umfchloß in Norfolk die Sceni oder Simeni, ihre Haupt⸗
adt führte den gewöhnlichen celtifchen Namen. Venta. Die
tigen Grafichaften Cambridge, Bedford, Northhampton, Hun⸗
ngton bewohnten bie Katuvellauni Cptolem. Katueuchlani).
she Diſtrict umfaffte Stratford, fo wie Verulam, welches. fie
egründet hatten, zwei Drte, welche einft die. geweihteften |
Stätten neuerer Bildung werden follten.
Die Goritaner (Coriniaidd) , welche, wie bie welfchen
riaben fagen, aus einem teutonifchen Sumpflande eingewans
ert find, befaßen die Städte Lindum, dad heutige Lincoln, und
hate (Leicefter). Über ihnen finden wir die Parifer.
Das größte Volk war das der Briganten, ‚welche das
ind nordiwärtd vom Humber und Merfey bis zur Suͤdgrenze
Schottlands inne hatten. Den Charakter diefed Volkes bezeich⸗
et Die Bedeutung, welche ihrem Namen in der teltorömifchen
Sprache der Franzofen geblieben iſt. Unter mehreren Städten
ft York die befanntefte; die Caer oder Stadt Luel (Lugeval⸗
um, Garlifle) im Lande der Cumbri, bdieffeit der Picten⸗
nauer, ift lange ein-Sig der Ureinwohner und ein durch Froh⸗
inn und Kunſt gefeierter heiterer Hoffiß alter Herrſcher ver:
lieben ). Gaturactonium, Vinnovium mögen bier noch auß
mderen Orten hervorgehoben werben, weil fie in den Namen
Katarik und Binchefter Leicht erfenntlich fich erhalten haben.
Zu diefem Volke gehörten auch die Iuganten und die Canger.
Die Vorfahren der alten Walifer waren bie Ordoviken im
Norden und auf ber Infel Man, die Demeten und der maͤch⸗
fgfte der dortigen Stämme, die Siluren.
Dorfet und Sommerfetfhire umfchloffen vom englifchen
Cmal bis zu dem von Briſtol die Belgen?), bei denen eine
Stadt Venta in Wincheſter ſich wieberfindet.
Das alte Zinnland, Bretland, jetzt Cornwales und Des
bonfhire, war von den Dummoniern bewohnt. Die römifchen
1) Caesar V. 21. Ricard. Cor. Itiner. IIL
Y) Merry Carlifle, in ben Balladen und ben Gedichten von
der Tafelrunde viel beſungen.
3) Caesar de bello gallico l. V. c. 12, und Triade VI.
Eappenberg’s Geſchichte Englands L | 2
18 Erfte Abtheilung.
Heereszuͤge beruͤhrten dieſe ſuͤdweſtliche Ede der Provinz nit,
und wir befiten daher die menigften Nachrichten aus biefer
Zeit über den Theil des Landes, . von welchen die drei altem
Welttheite zuerft gehört haben. .
Zwiſchen den Dumnoniem und den Belgen wohnten die
Durotrigens in ber Grafichaft Glocefler die. Dobuni. Die
Atrebaten, deren Stadt Calleva war‘), faßen um das heu⸗
tige Oxford herum. Unter und neben ihnen fucht man Die von
Caͤſar genannten kleinen Stämme der Segontiaci, Ancalites,
Bibroci, bei dem Drte Bibracte im Brai Hundreb an der
Themfe unterhalb Windſor?), und. bie Gaffii ’).
| Wir dürfen bier die Vermuthung nicht zuruͤckhalten, daß
auffer den Coritanern, welche aus dem gegenüberliegenden jebi:
‚gen Nordfriesland, aus welchen ihnen fpäter die Angeln folg-
ten, eingewandert fein Fönnten, ‚auch die Belgen, ‚die Atreba⸗
ten und vieleicht einige andere kleinere Stämme teutonifhen
Urfprunges find. Die Errichtung und Benennung des ſaͤchfiſchen
Geſtades, ſowie ſpaͤter des feſteſten der ſaͤchſiſchen Koͤnigreiche,
Wefler, im Lande der Belgen, Dienen ſehr die bei. der Na
menögleichheit faft unvermeibliche Annahme zu befikzfen.
Bon den fchottifchen und irkändifchen Volksſtaͤmmen, deren
Namen wir faft nur durch Molemaͤus Eennen, Tann nur in
den Specialgefchichten biefer Länder Die Rebe ſein. Bier ift nur
1) Ricard Itiner, vi. —
2) Ihid,
8) Fr Die Geographie Britguniens unter: den Sömern fiehe aufler
den bekannten Werken des Vaters der Geographie und Alterthumskunde
Englands, des tefihen Camden, fowie Horfeley und Stukeley, bie
ſehr brauchbare Zufammenftellung und Erläuterung des Tertes bes Pto⸗
lemäus, Antonint Iter Britanniarum und ber betreffenden Stellen der
‚Notitia imperii occidentalis in dem Anhange zu dem erſten Buche von
Henrys. Gefchichte von Großbritannien. Die Stinerarien des Ante
nin und bes Richard von. Girencefler mit den Erklärungen von Gale,
Horfeley und Stufeley zufammengeftellt, gibt Whitaker am Schluſſe
der History of Manchester. Unferm Mannert aber bleibt das Ber:
dienft, ‘am beften die Anfichten ber Alten über bie Geſtalt Britanniens
umb daher auch zuweilen die Hüften des Ptolemäus erläutert zu haben,
während bie Eingeborenen bas Land ſelbſt mit feinen Auerthumern bie >
fee kennen muſſten. |
Fin
a]
\
Q
Britannien vor und unter den Römern. 19
rten, daß bie Einwohner der Hochlande, die Gaelen,
Römern Galedonter genannt werben, in den. fchots
tiederlanden aber die Mäaten.
e Briten hatten bisher ohne irgend eine Berührung mit
lichen Europa gelebt, auffer den oben angegebenen
mige Neifende und einen meiftens von Zwifchenhänblem
1, nicht bedeutenden Handel, als fie venahmen, daß
ven her das gewaltige Römervolt fchon zu den ſtamm⸗
ten Gallien borgedrungen fet und viele derfelben. be—
babe; Zapfer und eigener Gefahr eingeben? fuchten
ch vergeblich, die Gallier gegen den fiegreichen Feind zu
ven; dieſe ungenügenbe Hülfe diente aber nur dazu der
1 Politit einen Grund oder dem römifchen Feldherrn
jewand barzubieten, um einen Angriff auf das unbe⸗
e Eiland zu wagen. Bald vernahmen bie dortigen
ner von fremden Kaufleuten, daß jener Zuruͤſtungen
Landung :teeffe, und fie erblidten einen roͤmiſchen Haupts
3. Voluferius, der auf einem langen Schiffe ihre Küften
e. Einige der britifchen Völker, durch den Ruf ber
von mehr Welten, als jene Fannten, gefchredt, ober
Abfıht durch Verhandlungen die Feinde hinzuhalten,
Geſandte über See in das römifche Feldlager um
und Unterwerfung zu verheiffen. Sie wurden von
hrgeizigen Gegner freundlichft aufgenommen und vers
die baldige Erfüllung jener Verheiffungen. Mit ihnen
mmius, welchen die Römer wegen feiner Tapferkeit,
inficht und feines Anſehns begünftigten und zum Koͤ⸗
: gallifchen Atrebaten (Arras) eingefegt hatten, welcher
: den Auftrag übernahm, die Briten zum Vertrauen
roͤmiſche Volt zu überreden und die baldige Ankunft ,
elbheren zu verkünden. Kaum hatte jeboch Commius
nträge in Öffentlicher WVerfammlung kund gethan, als,
ih die Fürften die vwölferrechtliche Heiligkeit der Ges
zu ſchuͤtzen hatten, das erbitterte Volk, den Sinn der
en Worte ſchnell erfpähend, den Mebner. ergriff und
55
v. Chr.
Ob Gommius hier, wie früher feine Stammgenoffen, -
ie ex fpäter that, die Roͤmer verrathen wollte, iſt die
welche ed erlaubt ift ungelöfet zu laffen. Die Briten _
| wre
20 Erſte Abtheilung.
fammelten ihre Schaaren, welche fie an den Hochufern geſchickt
vertheilten. Die Ceſariaiden), welche vom Lande ber Mena⸗
pier her zwei Legionen mit guͤnſtigem Winde hmüberfchifften,
wagten anfänglich die Landung nicht, verfuchten fie aber her:
nad), den Zeitpunct der Ebbe wahrnehmend, auf einer flachen
Uferfirede. Hier waren britifche Reiter und Kriegswagen vor
den Fußvolke aufgeftellt, welche die Landenden einige Zeit
|
|
hindurch gewandt und kuͤhn zurüdhielten. Dod das Wurfge: -
ſchuͤtz der Feinde, der römifche Muth, die Begeifterung flir ih⸗
sen Feldherrn, den großen C Sulius Caͤſar, unter dem ben
Ruhm des Sieged auch nur etwas gefchmilert zu fehen für
größere Schande" geachtet wurde ald unter einem anbern Heer:
führer gefchlagen zu werden, vor Allem aber die Üüberlegene Kriegs:
zucht bewerkſtelligten die feindliche Landung. Die Briten, in
der erſten Beflürzung die Gefahr als größer fich verftellend,
ſchickten Gefandte an Cafar und mit denfelben den Atrebaten-
fürften Commiud, um Geifel anzubieten, dem römifchen Schuße
ſich zu unterwerfen und Berzeihung wegen das an Gommius
begangenen Frevels zu erbitten. Da Cäfar, defien Reiterei zu
ſchwach gewefen war die Beſiegten zu verfolgen, diefen Anträs
gen nicht anders als freudig überrafcht williged Gehör Leihen
Tonnte, fo wurden die britifchen Krieger auf ihre Felder zurüd:
‚gefandt und ihre Fürften kamen zu Eäfar um fich und. ihre \
Staaten feinem Schuge zu empfehlen. Sedoch bald bemerften
fie, daß die Zapferfeit des Gegners fie über feine Anzahl ge
täufcht hatte; fie vernahmen, daß die von demfelben erwarte
ten Schiffe mit der Meiterei und dem Getreide durch einen
Sturm vernichtet feien. Bald reifte in ihnen der Entſchluß
ihr Vaterland auf immer von dem verwegenen Feinde zu befreien.
Sie entfernten ſich aus dem römischen Lager, -fammelten ihre
Krieger und griffen die zur. Fouragirung ausgeſchickten Roͤmer
an, denen jedoch Caͤſar zeitige Huͤlfe ſandte. Nach einigen
Tagen wurden fie von den Römern angegriffen und gefchlagen,
wenngleich) wegen Mangel an Meiterei nicht verfolgt. An
demfelben Zage erboten fie fi die doppelte Zahl der früher
- 195) Die Römer werben in den Triaden Cesariaidd genannt, Ar-
phaeology of Wales p. 58,
Britannien vor und unter den Römern. 21
erheiffenen Geifel zu fenden, und Cäfar eilte bei bem nahe
evorftehenden Aquinoctium dem gefährlichen Kampfe mit den
lementen auszuweichen und burch fehnelle Ruͤckkehr nach Gals
en ein nur für feinen Ruhm nicht erfolglofes Abenteuer zu
eendigen.
Doc, folgte dem leichten Vorfpiele bald: ein ernfterer Kampf.
Schon im naͤchſten Sommer wurden bie britifchen Geſtade von
zaͤſar mit flärkerer Zruppenzahl, fünf Legionen und 2000
teitern, und. allem Waffengefhüs, wozu auch ein Elephant
54
v. Chr.
ehörte '), wieder betreten, ohne daß er auf einen Widerftand \
af, da. die Kuͤſtenbewohner, welche ſich anfänglich) am flachen
fer gerüftet hatten, durch die Größe der herannahenden Flotte
ſchreckt, auf die hoͤheren Puncte des Landes ſich zuruͤckzogen.
in innerer Zwiſt, genaͤhrt durch Mandubratius?), den Sohn
3 von Caſſivellaun ermordeten mächtigen Fuͤrſten der Trino⸗
miten, Smanuentius, zerflörte dad Land. Gering war der
dutzen, welchen die gegen einheimifche Seinde in den Wäldern
ereitd angebrachten Verhacke wider die Römer leifteten, gegen
en Nachtheil daß durch Mangel an Einigkeit der Briten bie
remden Feinde unbeläftigt landeten, ihre Flotte herflellten und
nit Teicht errungenen Siegen vorbrangen. Jene hatten endlich
nbebeutenden Hader dem erften Bedürfniffe der eigenen Selb:
aͤndigkeit aufgeopfert und dem tapfern Caffivellaun (Fürften
er Gaffier), der bisher mit den, Nachbarflaaten fteten Krieg
anterhalten hatte, die gemeinfame SHeereöführung übertragen. ,
In Streifzügen und Überfällen wurde viele Tapferkeit bewährt,
doch der Mangel an Kriegözucht verfchuldete zu große Beſtuͤr⸗
ung nach einem Unfalle und verhinderte große Schlachten.
Die Zeinde drangen, biö zur Themſe vor, welche fie an einer
fühten Zuhrt, durch das vom Gaffivellaun im Flußbette einge: ,
tanmelte ſtarke Pfahlwerk, deſſen Trümmer Beda ?) noch nad
mehr ald fieben Jahrhunderten Fannte, nicht aufgehalten, durch⸗
vateten. Der Verrath der Zrinobanten und anderer Völker
1) Polyaen. |, van Man glaubt ſein Skelett wieder gefunden
wa haben.
2) Caesar 1.1. V. c. 20. Orosius 1. VI c. 8. nenne ihn.
\adrogorius.
9) Bedae hist. ec. l. I. c. 2.
22 Erſte Abtheilung.
entmuthigte den britiſchen Heerführer, deſſen Ruhm nur durch
das ehrenwerthe Zeugniß Caͤſars auf uns gelangt iſt, nicht in
ſeiner tapfern Gegenwehr; ſeine geſchickt angelegte Waldfeſte
wurde mit großer Muͤhe endlich eingenommen, und auch dann
verſuchte er noch einen vergeblichen Angriff auf das Lager an
der Kuͤſte von Kent, um den Roͤmern durch Zerſtoͤrung ihrer
Flotte aus dem eroberten Lande einen Kerker zu machen. Als
. Sein anderer Ausweg ihm blieb, vermittelte jener Atrebate Com⸗
mius feine Unterwerfung, durch welche die Römer, was fie in .
biefem ihnen unheimlichen Lande. allein fuchen konnten, ben
Ruhm bes Siegerd erreichten, Caffivellaun aber, was durch
die Schmach fcheinbarer Demüthigung. nicht zu theuer erfauft
war, bie Räumung feined Vaterlandes von feindlichen Heeren.
- Geifeln wurden diefes Mal von den Römern wirklich heimge
führt, Getreide ward ihnen geliefert; Rom wurde Durch Caͤſars
Bulletins uͤber den Reichthum des neuen Welttheiles durch ei⸗
nen Harniſch von Perlen, welchen Caͤſar der Venus ) weihte,
geblendet; doch die verheiſſenen jährlichen Abgaben wurden nicht
entrichtet, und mit Ausnahme jener Geifeln waren die Britans
nier wieder fo frei wie vor einem Jahre, ehe eine flüchtige:
Wolke den Sonnenfchein ihrer Freiheit augenblidlich verdunkelt
hatte. Dem flillen, aber mächtigen Einfluffe der Bildungsſtrah⸗
len jenes vömifchen Weltgeſtirns konnte Britannien fich nicht
entziehen, und ſchon die Münzen ihres Fuͤrſten Cunobellin, de
‚in der Sage und burch Shafefpeares Dichtung verherrlichten
Cymbellin, beweifen, daß das römifche Alphabet den Einge
‚ bornen verfländlich, die römifche Kunſt im Lande geehrt war ?).
Beinahe ein Sahrhundert verging, ehe die Briten ander .
Römer ald friedliche Kaufleute auf ihrem Boden ſahen; die in
Gallien von ihren Ausfuhren erhobenen Zölle bemerkten fie
1) Plin. IX. 35, Man Eönnte in biefer Huldigung eine Beftätt.
gung der Anficht finden, daß Gäfar durch eine finnliche Neigung zu
dem Kriege gegen Britannien geführt ſei; doch bezieht fich die Stelle
bes Tacitus, worauf jene fi) gründet ‚ nicht auf diefes Land fondern
auf Zrier.
2) ©. Pegges essay on the coins of Cunobeline. London 1766.
biefen Münzen. Kerner Henry history of Great Britain T. II,
x
Auh Whitakers history of Manchester enthält Beijnungen von }
h
guuwyen wagen um <VUjuUw zu gab TYRWURTWyER
mgreifung bes Dreans und Öritanniens aufführte ), zeigt
mr, welhen Werth bie Römer auf biefed Land legten :.
velche große Schwierigkeiten durch bie Tapferkeit ber, Eins
= ihnen entgegengeftellt wurden. Vielleicht hätten biefe
m ‚römifchen Befehle gehorcht, denn die Kraft der Rs
var fhon im Schwinben, ihre Macht bem Gipfel nahe,
dem fie bald wieder Herhbfteigen follte, wein wicht vers
he Zwietracht bie brltiſchen Zürftengefchlechter zerriſſen
ihrem Lande dadurch vierhundertjahrige unterjochung ges
Em Sohn des britiſchen Fuͤrſten Cunobellin, eines Nach⸗
3 bes Caſſivellaun, war mit wenigen Anhängern von ſei⸗
Bater geflohen und hatte ſich dem Galigula unterworfen.
Verraͤtherei fehadete nur durch das Beifpiel, welches fie
darauf einem‘ ventriebenen Aufruhrflifter, Berik genannt,
welchen der Kaifer Elaudius aufgenommen hatte‘ umb die
a ausgeliefert verlangten‘). Statt befien beſchloß ber
n. Chr.
: auf der Infel den Ruhm Caͤſars ſich zu erwerben. Die _
1 genoffen einer fo fehr anerkannten Kriegerehre, daß bie
um Kampfe gegen diefelben unter dem Befehle des Aulus
ius beftimmten Legionen kaum zum Aufbruche konnten
en werben. Doc) durch die Landung bed Feindes übers
‚ bermochten fie berfelben keine Hinderniſſe entgegenzus
mh hemährten ihre Fanferfeit in Meinen (ineriflaßdötechz
2 0. Erfte Abtheilung.
ten i, welche neun Jahre hindurch fortgeſetzt wurden. Die
galliſchen Bundeögenoffen ?) der kaiſerlichen Truppen, wenn fie
anfaͤnglich das. Leben der Stammverwandten ſchonten und nur
deren Pferde töbteten, muflten ihnen zuleßt verberblich werben.
Der Ruhm des erften bedeutenden Sieged in Britannien. und
bie. Ehre des Triumphes tm feiner Heimat wurde dem. En. Hos
ſidius Geta?). Diefes Land wurde. die Paldfira ber römifchen
Imperatoren. Veſpaſianus an der Spike der zweiten Legion,
von Titus begleitet, focht damals dreiffig Schlachten, eroberte
bie Infel Wight, befiegte zwei Bölkerfchaften und nahm zwanzig
Orte ein‘). Mit Claudius war auch Galba, und Vitellius
führte während jenes Abwefenheit die Reichöverwaltung °).
Bon den Söhnen des bereits verftorbenen Cunobellin, Togodum⸗
nus und Caradok, fiel jener im Kampfe, biefer wurde über die
Themſe zurücgetrieben; und Claudius, mit dem Beinamen bed
| Britanifchen beehrt, rückte felbft in deren Hauptflabt Camalo⸗
dunum ein). Von dort aus begann er durch Verhandlungen und
Waffen das füdöftliche England zur römifchen Provinz, welcher
Plautius, hernach P. DOftorius Scapula ”) vorgefegt wurde,
zu organifiren. Ein FZürft Cogidubnus erhielt einige Länder in
ber Gegend von Selle ‚ welche er flol; war unter dem
‘ 1) Taeiti annal. x. c. 89, Crebra.. proelia et saepius im
modum latrocinii per saltus, per paludes, ut cuique sors aut virtas;
temere, proviso; ob iram, ob’ praedam; jussu et aliquando i ignaris
ducibus.
2) Diol.l.c. 20, Die Kelten dafelbft koͤnnen nur, nad) dem ges
wöhnlichen Sprachgebrauch, mit Reimarus für Gallier, nicht mit
£Kylander und Lingard für Germanen gehalten werben.
3) Dio 1. 60. c. 20,
4) Taecit. hist. III. 45. Sueton. Vespasian, c.4. Titus c. 4.
5) Sueton. Galba c. 7. |
6) Wird gewöhnlich für Maiden erklärt; von Mannert a. a. 9. .
©. 157. mit triftigen Gründen für Colcheſter.
7) Ein von ihm angelegtes Lager will Camden (Britannia ed.
Gibson p. 300) in Oyſterhills, K. Dineder bei Hereforb erkennen. —
Dftorius kam im Jahr 47. Lingard nimmt gegen Dio Gaffius
1. 60. c. 8. das Jahr 50 an und verwirrt dadurch die nachfolgenden
Beitbeflimmungen. -
Pr GE
Britannien.vor und unter den Roͤmern. 25
Zitel eines kaiſerlichen Legaten zu verwalten, und verwandte den
Reſt feines ‚Lebens dazu, die Herrfchaft der Römer in feinem
Vaterlande zu befefligen '). Die Mehrzahl der Eingebomen,
| welche ſich dem Sieger angefchlofen hatte, bereuete: Diefes je⸗
doch bald, da fie erfannten, daß Unterthanenpflicht von ihnen
- verlangt. wurde und fogar das Waffenrecht ihnen genommen
' werden folte. Als der Welten Britanniend den römifchen
Feldlagern am Avon und Severn fich unterwerfen follte, ers
Härten fich im Oſten zuerft die Icener gegen die neue Zwing⸗
herrſchaft. Die Gefchichte berichtet ihre Nieverlage, zugleich
ober preifet fie viele und glänzende Wa;fenthaten berfelben.
Ihr Unglüd fchredite die gleichgefinnten Nachbarftaaten, aber
Die Ganger und Siluren, unter sem Nationalhelden Caradof,
fegten einen Krieg der Vernichtung und der Verzweiflung fort.
Auch die Briganten, in den noch unbefiegten Widlichen Regio:
nen Englands, erhoben fich nunmehr zum Schuge d
meinen Freiheit; doch bevor das Einverfländniß bei ihnen allge:
mein war und fie Tampfgerüftet auftraten, wurben fie von
Oſtorius, welcher fein Heer raſch gegen fie wandte, für jetzt
theils geſchreckt theild befchwichtigt.. Um die Unterwuͤrfigkeit
ber Befiegten und derer, welchen mit dem Namen ber Bun:
desgenoffen gefchmeichelt wurde, und zugleich dem Interefie
N mb der Bildung Roms in diefen Landen einen feften Stüß-
„\ yunct zu fichern, wurde eine Golonie tapferer Veteranen zu
us umalodumum gegründet. Der. römifche Adler fchien bereits
\ Aber die britiſchen Ebenen zu herrfchen, als die Gebirgsvoͤlker,
de Eiluren, Ordoviken u. a., welche ſich um Caradok ge⸗
1) Die Hypotheſe mehrerer Ausleger zum Agricola Gap. 14,
wide Lin gar d auch als bie feinige angibt, den Togodumnus, beſſen
zo die Briten ſehr erbittert hatte, für ben Cogidubnus zu halten,
Munhaltbar, wenn Dio verglichen wird: Die allgemeine Weltgefchichte
21.47. &. 32. macht ihn zum Sohne der Gartismandua und bes af:
ſwellaunus und laͤſſt ihn ftatt des Togodumnus im Kampfe gegen bie
&mer fallen. — Zu Ehichefter ift im 3. 1723 in Suffer ein Zempel
7? ma Nr. 76. p. 192.332. Die Infchrift ift auch bei Henry history
of Gr. Brit. T. I. p. 86.
suigtgraben, auf weichem fid eine Inſchrift befindet: Ex auctoritate Ti-
berii Claudii Cogidubni regis legati Augusti in Britannia. ©. Gale
ia Philosoph. Transactions 1728 Oct. 31. Horseley Britan. ro-
—
51.
26 Erſte Antheitung.
ſchaart hatten, einen neuen und dem Feinde lange verberblichen
Kampf begannen. Doch Freiheitöliebe und die Verehrung heis
mifcher Götter, Tapferkeit und Schlauheit unterlägeri der ge
regelten Kriegskunſt; Caradoks Burg ) wurde genommen;
ſeine Frau, Tochter und Bruͤder fielen in die Gewalt des Sie⸗
gers. Er ſelbſt ſuchte Schutz und Huͤlfe bei den fruͤher be⸗
freundeten Briganten, doch deren?) Königin Cartismandua,
welche weniger durch edlen Kampf fuͤr die Selbſtaͤndigkeit ihres
Volkes als durch die Gunſt der Roͤmer zu erreichen erwartete,
fuchte ſich dieſe durch verraͤtheriſche Auslieferung des Gaſtfreun⸗
des an die Feinde, velchen er neun Jahre Widerſtand geleiſtet
hatte, zu erkaufen ’). Doch wenngleich er mit den Seinigen
der ſtolz triumphirenden Roma als dad glorreichſte SchaufpieE
bienen muflte, welche dieſen Verrath ihren größten Siegem
durch 9 Scipio und L. Paulus gleichſtellte, ſo waren bie
koch Sebirgsodtker, welche er geführt, unbezwungen. Die
Siluren fielen über die römifchen Legionen, welche Landwehrers
‚bei ihnen errichten ſollten; her; wenn ſie gleich haͤufig wichen,
erfreute ſich der Gegner dennoch keines Sieges. Seine Trup⸗
pen, welche nur mit dem Letzten der Siluren den Geiſt briti⸗
1) Caer Caradoch auf einem hohen Huͤgel am Ony River, unfern
des Zuſammenfluſſes des Clun und Teme im ſuͤdoſtlichen Shropſſhire,
zeigt noch die Spuren uralter Beſeſtigung.
D Es iſt unbegreiflich, wodurch Henry und Lingard verleitet
ſein mögen. Cartismandua für die Stiefmutter des Caradoch, alſo eine
Witwe des Cymbelin zu halten, ein Verhaͤltniß, worüber kein glaub⸗
würbiges Zeugniß bei den Alten aufzufinden ift und welches Zacitus
(Ann. XI. 36.) nicht hätte verfchweigen dürfen. Vgl. auch die ‚vor:
bergehende Note über Cogidubnus. Diefe Beiſpiele koͤnnen ftatt vieler
anderer die Ungenauigkeit darthun, mit welder die Gefchichte Englands
von deſſen gelehrteften Gefhichtfchreibern behandelt ift.
5) Tacit. XII. 36. Nono post anno, quam bellum in Britan-
nia coeptum. Wald; zum Agricola nennt irrig das Jahr 48 und
rechnet alfo von Caligulas Feldzuge an. Daß Offorius im dritten Jahre
feiner Verwaltung geftorben ſei, oder daß A. Didius fie ſechs Jahre
geführt habe, find willfärliche Annahmen. Schloffer Geſch. der alten
Welt IIE. 1. ©. 291. nimmt an, vom 9. 46 bis 50 fei kein Legat in
Britannien gewefen, was bei dem Kampfe und ‚dem Ruhme ded Gara-
doch fehr unwahrſcheinlich ift.
J
4
‘
Britannien vor und unter den Römern. . 27
fer Unabhängigkeit zu. ertoͤdten hoffen durften, wurden täglich
mehr aufgerieben, während die Bundesgenoſſen jener fich tägs
lich mehrten. Dflorius flarb kummervoll. Sein Tod wurde
von den Briten mit Recht wie ein Sieg gefeiert, und fein Nach⸗
folger Aulus Didius Gallus war ihnen. wenig gefährlid (nad)
2 md bis 58). Einige Jahre waren verfloffen, ald ber Ge
mol der Cartismandua, Venutius '), von derfelben getrennt,
die men feiner Schildknappen, Vellocatus, heirathete, Tich an ber
Spike feines Volkes den Römern gegenüberftellte, deren Waf⸗
fen, durch Caͤſius Nafica geſchickt gelenkt, augenhlidlich Ruhe
herorbrachten.
Die Briten des heutigen Englands ſchienen den Roͤmern
beinahe unterworfen zu fein, und der Legat Suetonius Pauli⸗
ms (Kit d. J. 59)?) nach zwei Sahren ruhiger Verwaltung
. glaubte durch einen gewaltfamen Angriff auf dad Druidenthum
mn deſſen Hauptfiß, der Infel Mona (Eubonia, Anglefey),
„WM Zerſtoͤrung ber geheiligten Haine die römifche Macht voͤl⸗ Ä
. Ägbefeftige zu haben, als es jenen faſt gelungen wäre bie -
Roͤner auf dem celtifchen Inſelboden zu vertilgen. Diefe und
die übrigen Provinzialen waren Durch die harten Auflagen, zu
deren Erſchwingung fie fich roͤmiſchen Wucherern (unter biefen
mEA. Seneca?), in bem Liebe zur Weisheit und ſchmutzige
- Hehſucht auf feltene, doch nicht umerhörte Weiſe fih vers
migten) hatten preißgeben müffen, aber auch die empoͤrendſte
5 Oemaltthätigkeit ded Procurator Catus und anderer roͤmiſcher
e; Rahttabes lebhaft erbittert. Kein Land ertrug die Einverlei⸗
bung zue Provinz unwilliger ald das ber tanferen SIcener,
welches deſſen König, der reiche Prafutagus, um baflelbe ſowie
wur ı
1) Wenn eine Handfhrift des Zacitus ann. XII. 40, ihn als
Shrften eines fanft nie genannten Volkes ber Evigantes (al. Jugantes)
wvernnt, ſo koͤnnen wir hier nur einen Schreibfehler fuͤr die bekannten
* Brigantes annehmen. Mit Unrecht wird dieſer Krieg, den Tacitus
bei der Regierung bes Veſpaſian erzählt, fehon in bie Zeit des Clau⸗
Dub geſetzt. ne
2) Lingard fagt feith. 3.57. ©. aber Taciti Agricola c. 14.
In Jahre 58 hatte Verrius einige Streifzüge gegen die Siluren unter:
nenmen, als ber Tod ihn wegraffte.
9 Dio Cass.
28 | Erfie Abtheilung.
die Seinigen vor den Beamten und Einkünftepächtern zu ſichern,
nach dem Beifpiele ded damaliger Roms, in der, Entwürdi-
sung Schu gegen die Roheit fuchend, gemeinfchaftlich mir
“ feinen beiben Töchtern dem Kaifer vermacht hatte. Die Graͤuel
thaten der übermüthigen und verworfenen Provinzialbeamten
welche der Frevel mehr noch ald der Beſitz befeligte, deren un:
geregelte Begierden der rohſte Muthwille zur Verblendung ge
gen alle Rechte der Menfchheit und eigenes wohlverftandenen
Intereſſe fleigerte, brachten e8 dahin, daß unter Anführung de
hochherzigen Witwe des Prafutagus, der Königin Bundicea
eine Schaar ” von 230,000 Briten ’) über die Römer herfiel
Gamalodunum, den bedeutenden Marktplatz London und Veru
Jam zerflörte und 70,000 Römer?) (mworunter die neunte Legion
unter dem Legaten Petiliud Cerealis) und landesverraͤtheriſch⸗
eingeborne Bundeögenoffen mit aller Wuth der Rache, zu wel:
cher Verlegung der Götter, der Ehre und des Heerdes ent
flammen Eonnte, niebermegelte. Suetonius Paulinus erfocht ü
einem verzweiflungsvollen Kampfe durch bie keilfoͤrmige Schlacht
ordnung einen. blutigen Sieg, den Bundicea nicht überlebe:
wollte, nachdem 80,000 Briten gefallen waren. Doch nid
der Mangel eigener Ordnung, nicht die Verftärfungen der RE
mer, nur im folgenden Winter der Kornmangel vermochte .di
Briten dem Reiche ber Cäfaren wieder zu unterwerfen. Diefe
war jedoch erreicht, daß man zu Rom bie Nothwendigkeit ei
ner milden Verwaltung begriff. Dem Procurator Catus wurd
ein Nachfolger im Julius Glaſſicianus geſetzt, dem Feldherri
folgten Petronius Turpillianus, der verachtete Trebellius Mart
mus und ber unthaͤtige Vettius Bollanus, unter deſſen ſchwa⸗
chem Befehle die roͤmiſchen Krieger zügellofer, die Briten kuͤh⸗
ner wurden ’). Bei den Briganten hatte Venufius die Feind⸗
Schaft gegen Rom und deren Verbündete Cartismandua gendhrl
und burfte hoffen die Römer zu überwältigen, wenn nicht Bel
1) Dio Cass. LXII. 8.
3) Londinium, cognomento coloniae quidem non insigne, sed co
pia mercatorum et commeatuum maxime celebre. Taciti anna
XIV. 33, |
5) Taciti ann. XIV. 28—40, Agricola c. 14—17, Histor. 1%
Britannien vor und unter den Römern. 29
paſianus, das römifche Reich orbnend, ben Petilius Cerealis
zum Conſularlegaten ernannt und dieſer jene nach einem Jahre
hindurch geführten Kampfe unterdruͤckt hätte. Doch ſtets mit 70—75.
» na Kraft erhoben fich dieſe Gebirgsvälker wieder, die Sie
> en konnten erſt durch Frontinus, die Ordoviker und deren 75—78.
= Berbimdete im nordweftlihen England durch feinen Nachfolger
* En. Jul. Agricola von fernen Kämpfen abgehalten werden;
2 einen Feldherrn, deſſen ruhmvolles Andenken in dem von. dem
goßm Gefchichtfchreiber der Kaiferzeit (dem größten darin, daß
» min der Weltgefchichte, auch ber chriſtlichen, einziges Bei⸗
F fie, fr die ihm gleichzeitigen beſiegten Nationen Anerkennung
= md Ahtung verkündete), bem. Schwiegervater. gefegten: wir⸗
= digen Denkmale ewig leben wird. |
— Die Ruhe der letzten Jahre in dem größeren Zheile Eng⸗
-lands hatte nicht minder als die Gewalt der Waffen in ben
* Abrigen Diſtricten befjelben nunmehr, wo auch nad) den ver=
" geblihen Beſtrebungen des CI. Givilis im belgifchen Gallien
3 bie ehifchen Stämme des Feſtlandes den Römern ſich unter:
* worfm hatten, die Vereinigung Englands mit dem römifchen
s Rede befördert. Die ſtaatskluge und weile Verwaltung des
I Agricola vollendete die Romanifirung der britiichen Gelten und
"gab dem größeren Theile Britanniend diejenige Form, in wel⸗
* Ger eö mehrere Jahrhunderte verwaltet wurde, und dadurch zu=
gleich die Veranlaffung zu der politifchen Trennung ver beiden
$ Rheile diefed Landes, welche von fpäteren Einwanderern die
‚ Namen England und Schottland erhalten haben. Die For⸗
men dieſer Verwaltung, in welcher, indem fie die Nationalein⸗
pr der Briten zerftörte, ihr Land als ein Theil Europas ans
eckannt wurde, müflen bier in ihrer mit der ganzen Reichsver⸗
valtung fortſchreitenden Entwickelung ſkizzirt werden. | ’
Die Eintheilung in Britannia inferior und superior be -
zichnet ungefähr das heutige England und Schottland, doch
keine Provinzen. Dieſe waren: Britannia prima, das ſuͤdliche
Land unter der Themſe; secunda von jenem durch die Severn
getennt, hieß Wales; öftlich erſtreckte fi) von der Themſe bis
zum Merfey und Humber Flavia Cäfarienfis, deren Name
auf Agricolas Herrn, ald Ordner dieſes Landes, deutet. Jen⸗
feit des Humber bis 25 römifche Meilen nördlich des Pictens
30 . Erfte Abtheilung.
walles war bie Provinz Marima Cäfarienfiß, welche an bie
fünfte, Balentia, grenzte. Hinter dem fchottifchen. Walle wurde
der noͤrdlichſten Provinz der Name Veſpaſiana gegeben, wel
cher als Andenken an eine folgenlofe Befißergreifung durch die
römifchen Stinerarien und das im vorigen Sahrhunderte wieder
aufgefundene Werk des Richard von Cirenceſter fih uns erhal⸗
| ten bat.
: Die oberfte Civil: und Militair- ‚Gewalt über Britannien
war anfaͤnglich einem Statthalter anvertraut, welcher den vor⸗
nehmen Titel eines Legatus oder Gonfularis fühtte‘). Der
Procurator verfah die Intereffen der Faiferlihen Schatzkammer
und erhob die Grundfteuer, die Kopffteuer und gewiffe Natu:
ralleiftungen. Severus vertheite bie Statthalterfchaft in zwei
Hälften. As Conftantin. fein Reich in vier Verwaltungsbezirke
theilte, fiel Britannien demjenigen zu, der unter den Praefec-
tus praetorio Galliarum, der anfänglid zu Trier, hernach
zu Arles refidirte, gefegt war. Unter einem Vicarius befjelben
flanden zwei Gonfulares der Provinzen Marima Käfarienfis
und Valentia, und brei Präfides ber füplichen Provinzen ?).
Fuͤr die Einkünfte des Landes waren dem Comes largitionum
des Deeidentö untergeordnet ein Rationalis summarum Bri-
tanniarum, ein Praepositus thesaurorum Augustensium
in Britanniis. und ein Procurator cynegii in Britannia
Biennensis °). Unter dem Comes largitionum privatarım
1) Die Zitel eines Präfectus und Proprätor fcheinen für Britan:
nien nur bei den Neuern vorzukommen. Jene Würde bekleideten: Agri:
cola bis 3. 3. 845 Salluftius Lucullus (Suet on. Domitian. c. 10.);
Julius Severus (Dio apud Xiphilin.); El. Prifeus Licinius (Infchrift
bei Camden p. LXViR.); Lollius Urbicus 1465 ulpius. Marcellus
180; CElodius Albinus 190 — 197.
2) ©. Notitia imperii occident. c. 69. Bon den Vicarien Eennen
wir vom 3. 319 Pacatianus, vermuthlich ben erften derfelben und nad:
herigen Praefectus Praetorio. Cod. Theod. 1. X, tit. 15. 1.2. VII.
9, 1. 1. 2. XL üt. 7. de exactoribus; unter Gonftantius den Martis
nus, Ammian. 1.XIV. c. 5. unter Balentinian ben Givilis Id. . XXVII.
0. 8., hernach Alypius Id. XXIX. c 1.
5) Not. ]. c. 385. für Biennensis lieſt Pancirol ©. 68 Dremten- Ä
‚sio, ohne jedoch feine Erklärung hinzuzufügen. Grävius (Thesaur.
t. VII.): Bentensis, welcher aud) cynegii an bie Stelle deö gynecii |
der fruͤheren Herausgeber gefett hat.
PRDREEE ur Z..
Britannien vor und unter den Römern. 31
fand . ein befonderer. Rationalis rei privatae per Britan-
nias'). Wir Tönnen hier lediglich: das Gerippe der Verwal⸗
tung darſtellen; das Nähere, der Ertrag der Einkuͤnfte, das
Wachſen oder Sinken derſelben ſind uns durchaus unbekannt.
Doch erſt nach den Zeiten Appians?) begann die Staatsein⸗
nahme die Koſten der Verwaltung zu decken. Die Militairge⸗
walt in Britannien, bem römifchen Magister militum prae-
sentalis untergeordnet, war dem Comes militum Britannia-
xum (2200 Mann zu Fuße und. 200 Reiter) und dem Co-
mes tractuS maritimi, fpdter litoris saxonici per Bri-
tannias (3000 Mann zu Fuße und 600 Reiter) anvertraut,
doch eine größere Macht dem Dux limitum Britanniarum,
414,000 Mann zu Fuß und 900 Reiter — zufammen eine
Heeresmacht von 19,200 Mann Fußvolk und 1700 Reitern.
Der britifche Graf hatte 37 Gaftelle, der Comes des Sachfen-
ufers neun Feflungen zu beſchuͤtzen, welche an der Nordſeekuͤſte
des ſuͤdlichen Englands, von der Meerenge von Dover bis
Brancaſter in Norfolk und Perenſey in Suffolk lagen’). Die
Grenzfeſtungen waren zahlreich und erfoberten eine ſtarke Be⸗
ſatzung. |
Die Anzahl diefer Beamten und ber, gegen andere römis
fche Provinzen gehalten, geringe Umfang der einzelnen: Pro:
dinzen laͤſſt auf binlänglichen Gegenftand der Zihätigkeit, fowie,
bes Erwerbes für das bezeichtiete Verwaltungsperſonale und
1) Not. 1. c. 42.
2) ©. Deſſen Prodmium.
9 Notit. c. 20 et 70, ibique Pancirol. it. p.157. Die Angabe
Zurners B. II. c. 3., daß der Graf des ſaͤchſiſchen Geftades das
fübliche Ufer. Britannien bewachte, oder gar Lingards, welcher ihm
die Macht über die Diſtriete vom Humber bis zum Vorgebirge Lands⸗
end in Cornwallis ausdehnt, erweckt durchaus irrige Vorſtellung uͤber
die Stellung der Roͤmer im ſuͤdweſtlichen England. Der Titel Comes
teris saxonici findet ſich erft in der Notitia imperii occident., welche
ia ber Zeit des Homorius und Arcadius aufgefegt ifl. Der Schug, des
Griedens auf dem dortigen atlantifchen Meere lag viel natürlicher den
galiihen Küftentruppen unter dem Befehl des dux tractus armoricani
(Not. i imp. oceid. I. 86.) ob, wenngleich der Oberbefehl Über das See⸗
weien jener Gegenden zumeilen, wie beim Garaufius, in Einer Hand
vereinigt geweſen fein mag.
\
.
\
-
32 Erſte Abtheilung.
deſſen zahlreiche Zugehörigen fehlieffen, die wir mit ber hers
koͤmmlichen Anfiht von dem Mangel aller Eultur in dieſem
ande nicht vereinbar finden. Wichtiger jedoch als diefe For:
men, in welchen ber Ehrgeiz einiger Cäfariaden eine Stufe zu
höheren Zielen fand ober bie Habfucht andere Mittel. der Bes
friedigung fuchte, muffte für‘ die Briten. die Anordnung des
ftädtifhen Weſens werden. Hier erbliden wir neue Vortheile,
welche felbft der Feind einem bisher ifolirt geflandenen Lande
ſtets bringt. Als die Römer Britannien verlieffen, waren 28
Städte in demfelben, auffer einer bedeutenden Anzahl von Caſtel⸗
len, Häfen und, Eleinen Ortfchaften; wir Fennen unter jenen
2 Municipia, York und Verulam, neun Colonien, Camalo-
dunum. (Malden), Rhbutupiae (Richborough), Londinium
Augusta, Glevum Claudia (Sloucefter) ‚ Thermae aquae
solis (Bath), Isca tolonia (Garleon in Monmouth), Cambo-
ricum (Chefterford bei Cambridge), Lindum (Lincoln) -und
Deva Colonia (&hefter); ferner zehn Städte, welche dad
Recht der Latinität erhalten hatten, Pterotone (Inverneß),
Victoria (Perth), Durnomagus (Gafter in Lincolnfhire), Lu-
gubalia (Garlifle), Cattaracton. (Caterif), Cambodunum
(Sta in Longwood), Coccium (Bladrode in Lancafter),
Theodosia (Dunbarton), Corinum (Girencefter) und Sor-
‚biodunum (Alt Sarum), die legte Colonie gegen Suͤdweſten,
Das Land der freien Damnonier. Das an römifchen Überreften
vorzüglich reiche Volantium (Ellenborough in Cumberland) be
wahrt eine Infchrift, wodurd wir erfahren, daß ed Decurio:
nen befaß, welche fich.in einem dazu beftimmten öffentlichen Ge
A
bäude verfammelten. Diefe Städte befagen alfo einen Rath K
(Decurionen, Curialed, Municipes) mit felbft gewählten Mas d
x
E
ð
x
giftraten (Duumvirn, Principales), das Recht flreitiger fowie
willfürlicher Gerichtöbarkeit. Sie waren mit der Steuererhe⸗
bung in. ihren Diftricten beauftragt, und es ift bekannt, wie
die Gefammtbürgichaft der fädtifchen Decurionen denfelben bie
größte Laft geworden ift und ihrem Stande die größte Schmach
gebracht hat. Daß dieſe Misbraͤuche auch in Britannien ein⸗
geriſſen waren, erſehen wir aus einer Verfuͤgung Conſtantins
zur Abhuͤlfe derſelben in dieſem Lande ). Seit den Seiten die⸗ u
1) Cod. Theod. XI. 7, 2.
h
'
hy
!
Britannien vor und unter den Römern 33
ſes Kaiferd war der von ber ganzen Stabt gewählte, zunaͤchſt
gegen Bedruͤckungen des Statthalters beſtimmte Defenſor be⸗
deutend geworden. Die Einrichtung der Collegia, in welchen
gewiſſe Kuͤnſtler und Handwerker zu Rom vereinigt waren,
war für dieſe, wenn fie in fremde Provinzen verſetzt wur⸗
den, beſonders günflig. Wir finden manche Kunde über
bad Vorhandenfein derfelben in Britannien in alten Infchrifs
ten, und es ift ſehr wahrfcheinlih, daß mit den römifchen
Gewerben diefe Form gefelliger Vereine und erblicher Verpflich-
tung, mit welcher jene betrieben wurden, fi fi fortpflanzte und
fo en urfprünglicher Keim des einige Jahrhunderte nach der
römifchen Herrfchaft in England po fehr einftußreich geworbes
nen Gildewefens waren. \
Sehr großer Vorficht bedarf ed, wenn wir tiber dasjenige
berichten wollen, was von altbritifchen Elementen unter den
Römern fortgelebt hat. Aus den Schriftftelern der Lebtern
tönnen wir barüber nur fehr wenig entnehmen; die altbritifchen
Nachrichten in den walififchen Schriften find in zu neuer und
erweislich nicht unverfälfchter Seftalt auf und gelangt. In
ber größeren öftlihen Hälfte Britanniens 'ift beinahe. nur in
Fluß⸗ und Gebirgs- Namen vie altbritiiche Benennung erhal:
ten‘). Die alten britifchen Volksnamen fowie die ber Orts
fchaften find jedoch gänzlich verfcehwunden, oder find doch in
der roͤmiſchen Umgeſtaltung faſt unkenntlich, waͤhrend wir in
Gallien die alten Benennungen ſo ſehr leicht wieder kennen;
und zu den ſeltenen Ausnahmen ſcheinen nur einige durch den
Handelsverkehr vor der roͤmiſchen Herrſchaft im noͤrdlichen Eu⸗
ropa bekannte Gegenden zu gehoͤren: die Inſel Wight, Du⸗
bris (Dover), das Land Kent, jener Weltmarkt an der Themſe,
welcher, obgleich von den Roͤmern mit dem Namen Auguſta
beehrt, den alten Namen London?) ſich erhielt.
Anders verhaͤlt es ſich jenſeit des England durchſchnei⸗
denden apenninartigen Gebirges, wo in dem nachherigen Reiche
1) Eine reiche Aufzaͤhlung derſelben mit Erlaͤuterungen in Chal-
mers Caledonia. T. I. p. 33 —56,
2) Lundinium vetus opidum, quod Augustam posteritas appel-
vi. Amm. Marcell. Lib, XXVII. c. 8. |
gappenberg’s Geſchichte Englands J. 3
34 Erſte Abtheilung. U
der Cymri ( Cumberland, mit den füböftlichen Provinzen Schott:
lands, fowie Weſtmoreland, Kancafter), in Wales, Cornwales,
Devonſhire, Man und Angleſey jede forachliche Beziehung auf
die reinere Erhaltung ber britifchen Volksſtaͤmme fchlieffen laͤſſt.
Die Sprache von Wales ift bekannt, auch wirb von deren
Schickſale noch häufiger die Rede fein; doch muß hier bemerkt
werben, baß Cornwales von den Norwegern noch im zwölften
Jahrhunderte Bretland genannt wird ') und noch in ber Mitte
des fechözehnten Jahrhundertes nur die britifche Urfprache, in
dem Dialekte der corniſchen — die Loegrier- Sprache genannt
— daſelbſt gefprochen wurde, feit welcher Zeit fie mit der Kir:
chenreformation und Ausbreitung des Gebrauches gedrudter
englifcher Bücher abyahm, bis fie mit dem Tode der legten
Erhalterin derfelben, einer eingebornen, fehr bejahrten Frau, vor
einem halben Jahrhunderte gänzlich unter den lebenden Spra⸗
eben erlofchen ift?). Länger noch hat fich die celtifche Urfprache
auf der Infel Man erhalten — das Manks genannt — viel
leicht weil es eine größere Beimifchung ded Angelfächfifchen in
. 1) Theodorich, der Mönch yon Drontheim, in Historia et anti-
quitat. regum Norwegiae bei Langebek scrr. rer. danic. T. V. p.315.
2) Bon 1560 — 1602 nahm die cornifche Sprache fehr ab und blich
nur noch auf den weftlichen Theil des Landes beſchraͤnkt, wo fie fich bis
zum Anfang des vorigen Jahrhunderts erhielt. Lhhuyd archaeologia
britannica p. 225 - 259. gibt eine Grammatik derfelben. Lhuyd fagt,
es gäbe Feine gedruckte cornifche Bücher und nur brei bis vier Werke in
Handſchriften. Jedoch find neuerlich durch den Präftbenten ber Royal |
Society bekannt gemacht: Mount Calvary und The Creation of the
World (published by Davies Gilbech. 8. London. Nichols and Son,
jenes pp. 98; biefes pp. 237.); das erftere ift alt cornifh, mit gerin-
ger ſachiſcher oder daͤniſcher Beimiſchung; dieſes in neuerem Corniſch
im Jahre 1611 geſchrieben. Beiden find die im Jahre 1682 von J.
Knigwin gemachten Überfegungen und mehrere Heine cornifche Stuͤcke
beigefügt... ol. W. Borlase on the antiquities of Cornwall with a
Vocabulary. Fol. Oxford 1754 und London 1769. Derfelbe on tbe
natural history of Cornwall. Oxford 1758 fol. W. Price Archaeo- ;
logia Cornu-Britannica, containing a Cornisı Grammar and Voca-
. bulary. Sherborne 1790. 4. D. Barrington on the expiration of
the Cornish language, in ber Arohaeol. britanniea Vol. II. p. 279. :
Vol. V. p. 81; auch die Whandlungen in Grose artiguarien Roper-
tory T. I. 1779.
tern von den Römern anerkannt wurden, iſt nicht unwahrs
ich, da beren richtige Politik auch in anderen Provinzen
r dienlich erkannte, fich ſolche Vermittler zwifchen fich
en ihnen in Sprache, Cultus und Rechtsbegriffen durchaus
wtigen Voͤlkern zu erhalten. Doch da ihre Namen ſelbſt
in der Gefchichte der Aufftände in Britannien, noch auf
en ober andern Dentmälern vorfommen, fo müffen fie
viel mehr als die Role reicher Privatleute gefpielt haben,
e mir von ihren unterdrüdten Stamm= und Glaubend-
ſſen mit altherkoͤmmlicher Verehrung, regem Mitgefühl
uweilen mancher verfiohlnen Hoffnung betrachtet wurben.
ſpricht die brififche Sagengefchichte von Fürften zu Col⸗
', Gomwales, bei den Gewiſſen (in Warwid und Wors
in ber Römerzeit, worauf doch immer eine wahrfchein-
Vermutung für das Vorhandenfein folder Fürftenges
ter, vom welchen zahlreiche alte Stammbaͤume uralter,
ritee Gefchlechter abgeleitet werben, fich flüst”). Doch
r koͤnnen wir das Vorhandenfein dieſer fürftlihen Ges
ter und größere Unabhängigkeit der öftlichen Briten nur
eftlichen England annehmen, wohin Feine Heerſtraßen der
) Henry Rowland Mona antigna restaurata, with an ap-
ı containing a comparative table 6f primitive and derivative
« Lond. 1722 und 1766, 4. John Kelly a practical Gram-
t the anclent Gaelic or language of the Isle of Man, usually
36 | Erfte Abtheilung.
: Römer über Chifelborough '), Carleon und Chefler hinausgin⸗
gen, mit Ausnahme bed Weges, melden die Eroberung Mo:
nas erfodert hatte, wie denn auch die Bewachung der Küfte
bier den Eingebomen überlaffen war. In keinem Theile Eng:
lands finden ſich weniger römifche Überbleibfel ald bei ben
Dammnonien und in Wales. Diefen geringen Einfluß der Roͤ⸗
mer aus der Fügfamkeit und Schwäche der dortigen Eingebor:
nen erklären zu wollen?) ift nicht geftattet, wenn wir uns
der tapfern Kämpfe der Siluren erinnem. Im Öegentheil duͤr⸗
fen wir hieraus und aus dem Umftande, daß die weltlichen
Küften Englands von dem Einfällen aus dem gegenüberliegen-
den Irland frei blieben, folgern, daß jene Völker, ‚welche das
wichtigfte Zeichen eigener Nationalität in ihrer Landesſprache
zu bewahren wufiten, den Römern in Wahrheit geachtete Bun⸗
beögenoffen blieben, wobei die römifche Hofkanzlei es gem
vergaß, daß zur Einheit der Gewalt in der Britannia prima
und secunda emige Diftricte fehlten und ber Fiſcus auf bie
Saben und Abgaben des Küflenlandes des atlantifchen Dceans,
welcher feiner großen Beflimmung für Die Verbindung und den
Verkehr der Welten noch fo fern war, willig verzichtete. Diefe
Anficht über die Begrenzung der wirklichen Herrfchaft Roms und
das Verhältniß der weftlichen Stämme ift für die ſpaͤtere Gefchichte
vielfach wichtig; fie erklärt und begründet die britifchen Sagen
geſchichten, die Nachrichten von der erfien Einführung des
Chriſtenthums und den Zufland des Landes nach dem Abzuge
ber Römer; fie bezeichnet und die Grenzen der angelfächfifchen
Eroberungen, welche an denen bed romanifirten Britanniens
häufig verfolgt werben koͤnnen; und trägt fehr dazu bei, durch den
fcharfen Gegenfag der nationalen -Kraft und der den Vorfah⸗
ren entfremdeten Schwäche dad Räthfel der angelfächfifchen Er:
oberung und der nachfolgenden Begebenheiten zu löfen. Ob bie
Bauart der Dörfer und Wohnungen, ob landwirtbfchaftliche
Gebräuche, religiöfer Aberglaube und manche andere Sitten
1) Isca Damnoniorum, welches Horfeley und nad ihm Henry
im oben angeführten Appendix fo erklären, wenngleich Eesterer an ans :
bern Stellen ber Altern Angabe, die diefen Ort für Ereter nimmt, folget.
2) Wie Henry, ber zuerſt einige der obigen Bemerkungen gemacht
zu haben ſcheint.
hung ift jedoch das Beſiehen eines .altbritifcen Erbrechtes
Baled, Kent’ und einigen Gegenden von Nortpumberland
auf neuere Zeiten, welches den Namen Gavelkind führt. '
seit wir es in feiner Vermiſchung mit altfächfifcpem Rechte
nen Tönnen, erbten alle Söhne veflelben Vaters; ber
te erhielt jedoch den Heerd; bad Heergewette ber ditefte
naͤchſtfolgende Waffenfähige; auch dem Sohne deö Ge⸗
ten konnte dad Erbrecht gar nicht ober nur zur Hälfte
dgen werben ?).
Über die Zeiten Britanniens unter ben Römern ift wenig
erichten. Eine Provinz hat keine Selbftändigkeit, ihr pflan⸗
rtiged Traumleben alfo auch Leine Geſchichte. Die meilten
benheiten, deren Schauplag fie werben Tann, fogar die
nberungen und die Entwidelung des Verwaltungsmecha⸗
18 gehören ber Gefchichte des Reiches ober der Hauptfladt
Die Siege der britifhen Legionen in fernen Landen ges
tem kaum zur Kunde, berührten noch weniger das Herz
Landsleute. Die legte Erwerbung eines morfchen Staas
loſſes verfiel befonderem Misgefchide, da die dem Walds
ne gewaltfam eingepfropfte Culture ber Cäfariaden richt
ves höheren “geiftigen Lebens und moralifcher Hochgefühle,
fondern biejenige eines Zeitalter, wo Talent und Geiſtes⸗
D} Beldıes hiſtoriſche ;Wiſſen kann beftehen, wenn der in menden
120,
38 Eeſte Abtheilung.
Braft der innen Stimme bee Menſchenbruſt, unter und mit
welcher fie Sich harmonifch ausbilden follen, abtrännig, nur der
Sinnlichkeit, allen Gebrechen der menfchlichen Natur und ver:
damaligen Verirrung des bürgerlichen Verbandes. dienten, Roͤ⸗
mifche Sitte, Kleivung, Auöfchweifung fanden mit den Tem⸗
peln, der Sprache und dem Rechte der Weltfladt bei‘ den. Bars
baren Eingang, und jeder guͤnſtige und jeden. nachtheilige Ein⸗
fluß des Sieges vereinten ſich, um die Nationalitaͤt der mit
ihnen verſchmelzenden Beſiegten, der einzelnen: bald verfcholles
nen Stämme: fowie des ganzen Volkes, zu zerſtoͤen.
Agricola hatte den Umfang der britannifchen. Provinz bi:
in das Innere. Schottlands hinein erweitert; doc; feine Kämpfe
und die. fpäteren Siege der Galedonier gehöten, wenngleich
nicht dhne Einfluß auf Britannien, welches ‚hier nur ald die
Heerflraße zu dem bewegteften. Tummelplatze nordiſcher und
roͤmiſcher Tapferkeit erſcheint, vielmehr der Geſchichte Schott
lands an.
Don dieſem Sande war auch die Bewegung ausgegangen,
welche zu den Zeiten des Kaiſers Hadrian den · Freiheitsſinn
der Britannier zu neuem Leben und einer anſcheinend gegruͤn⸗
beten. Hoffnung ermedte, das. roͤmiſche Joch ganz abwerfen zu:
koͤmen ). Wenngleich -indeffen die roͤmiſchen Heere in der
aͤlteren Provinz ſich behaupteten „ſo hielt der Kaiſer es doch
fuͤr rathſam, die von Agricola in Schottland- gezogene und bes
feftigte: Grenzlinie aufzugeben und. zwiſchen dem Tyne und
Solway Frith einen mit einem Graben verſehenen Wall, den
noch jest: ſechs Fuß hohen. Pictenwall, aufzuwerfen, welcher die
eigentliche: Provinz ſchuͤtzen konnte 2). Der Einfall der. Maͤa⸗
2, Spartiani Ha drian. c. s. Britanni teneri sub romana,
ditione non poterant. "Fronto.de bello parthico $. 4. Ha-
driano iimperium obtinente, quantum militum a Britannis caesum!
Orosius 1. VII. c. 17. Severus victor in Britanniam defectu
pene omnium- sociorum trahitur. Ubi magnis gravibusque praelis |
sdepe gestis etc. Mol. aud) Cassiodor.
4
drude murus auf eine Mauer folgernz; doch auffer- andern Gründen laß
ſen die Worte des Capitolin. Antonin. Pius c. 5. alio muro cespi-
2) Spartiani Hadrian. c. 11. Mannert will aus bem Aus⸗
titio auf einen frühern Erdwall des Hadrian fhlieffen. Herodian |
II. 14. kennt nur Wälle, zuuera, vor Severus.
!
‘' Britannien vor und -unter den Römern. 39
ten (im füdlihen Schottland) blieb nicht ohne Unterfiligung
und Anfchlieffung mancher Briganten und vermuthlich anderer
Briten, da fie Bid zu den Ordoviken vorbrangens doch wurben
fie von dem Proprätor Lollius Urbicus zurudigedrängt, welcher
den von feinem Heren, dem Kaifer Antoninus dem Fromme
benannten Erdwall zwifchen Eaerriden am Forth und Alchuid
an der Elyde aufwarf). Bon einen Kriege in Britannien
unter der Regierung des Kaifer Antoninus des Philoſophen 161—
wiffert' wit me den Nahen des römiſchen Feloherin: Galpur- 180
nind Agricola. Der Kaifer fanri in der Ruhe: feines Palaftes
Lehren verborgener Weisheit nach md Heß es: ſich gefallen,
wenn fein Name dem noͤrdlichſten Denkmale vmifher Herr:
fchaft - ercheilt wurde und: der Redner : ihn und das Volk mit
dem Wahne taͤuſchte, daß er in behaglichen Genuſſe ded Wiſ⸗
ſens und Erlernens das Ruder ves ungeheuern Staatsſchiffes
und auch dieſe ferne Kriegesfuͤhrung leite?). Unter dem Kai⸗
fee Commodus wurde die Grenzbefeſtigung von dem Briten 90
durchbrochen, und ſchwer ward es beim: Ulpius Marcellus fe 197
zuruͤckzudraͤngen. Die Macht- und das Anſehn, welche beffen
Nachfolger Clodius Albinus verleiten konnte mit dem Seve⸗
rus um den Beſitz des -Kafferitanteld zu kämpfen, zeugt vor
den: Fortfchritten, welche die Gultur und Wohlhabenheit feiner
Provinz gemacht hatte, fowie: die von Severus unternommene
Theilung der Verwaltung‘ —— in zwel Haͤlften) dies
felbe Wahrnehmung beſtaͤngt. CE nach dein Keiege gegen die
Caledonier, welchet ſpaͤter des Kalfers eigene: Gegenwart erfos
derte (bis zu feinem im Jahre 211 zu York: erfolgten dd) SR
1) Diele Angabe ift bie faſt allgemein angenommenes' ber Gras
hams Dyke fcheint die Spuren dieſes Walles noch zu bewahren, ſowie
daſelbſt gefundene Inſchriften auf Antoninus hinzuweiſen. Jedoch Pau-
sanias 1. VIII. c. 48. 8. 8, womit die eben angeführte Stelle des Ga:
pitolinus fich ſehr wohl vereint, bleibt bei jener Annahme unerflärt,
verträgt fich aber ſehr wohl ‚mit der Anficht, daß Antoninus Wal ne
ben dem bes Hadrianus, den bie Britten zerflörten,. errichtet fe. .
2) Capitolini Antonia, Philosoph. 0. 8. Fronto, angeführt
wa Eumentus: in beffen. Panegyrieus: auf: Eonſtantius. Cop. 14.
3) Herodian. l. I. 0.8.54 .
4) Galfrid. Monmouth. I. V. c. 2. gibt dem Soyae bes Se⸗
40 Erſte Abtheilung.
er den Wall des Hadriau oder den des Antonin vergrößerte
und durch eine Mauer verſtaͤrkte), iſt eine. nicht werthloſe
Frage. der Alterthumsforſcher; doch - bleibt in jedem, Falle der
Entſcheidung es feſt begründet, daß das fübliche Schottland
ſtets ein unficherer. Befiß der Römer und in den Händen un:
zuverläffiger Bundesgenoſſen war und demnach nur in dem
heutigen England ein irgend bedeutender Einfluß Roms ſtatt⸗
gefunden haben kann.
- Die Ruhe, welche Britannien mit Ausnahme der nörbli=
chen Grenzlande genoß, begann in dieſem Jahrhunderte durch
eine Erſcheinung geſtoͤrt zu werden, welche in dieſer Art und
in ihren wichtigen Folgen in. ver Weltgeſchichte neu, für jenes
Land von unabſehbarem Einfluſſe war. Das Element, welches
dem feindſeligen, wuͤſten Umherſchweifen der Wilden ein heil⸗
ſames Ziel ſieckt, der Cultur und vielſeitigem Verkehr zur
ſicherſten Verbindung und freier Heerſtraße beſtimmt iſt, war im
noͤrdlichen Europa in einem Zuſtande, welcher weder der Tren⸗
nung noch der Verbindung diente und bei deſſen Anblicke da⸗
mals ſchwerlich ein Übergang aus jener zu dieſer geahnet wer
den konnte. Es begann damals mit Schaaren jener wage⸗
kuͤhnen Seeraͤuber angefuͤllt zu werden, denen es noch viele
Jahrhunderte das wahre Vaterland geweſen iſt, welche allen
Geſfahren der offenen See und der Stürme ſich preiögebend, bei
jedem XZreffen in Eleinen. ‚gebrechlihen Fahrzeugen den Muth
des Zweikampfes mit gleichen Waffen bewährten und wen
gleich in der Menfchenverachtung bed Heidenthumes und ver
| derblichſter Verhoͤhnung der Gerechteit die auf dem Eigen
verus, Baffianus, auch mit dem britifch lautenden Namen Caracalla ge
nennt, eine britifche Mutter. .
1) Die legtere Anſicht ift von Mannert aufgefet und durch feine
obengebachte Erklärung des murus Hadriani bedingt. 'Wlirde auch Dio
von ber Mauer des Severus, wenn fle in Schottland lag, ohne an bie
des Habdrian zu denken, gefagt haben, daß fie die Infel in zwei Theile
fondere? L. 76. c. 12. Auch hätte er J. 1. c. 15. von den neuen Zeinds
feligleiten der Maͤaten und Caledonier ‚anders fprechen müflen, wenn
beide Voͤlker durch bie Mauer in völlig verfchiedene. Verhaͤltniſſe zu den
Römern wären gelent worben. gl. auch Smitdı zum Beda. Appen-
dix Nr. 5.
A
Britannien vor und unter den Römern. 41
thume beruht, | befangen, einen durch [viele Gefchlechter fortge: |
planten Muth, eine Abhärtung und Kampfgeſchicklichkeit an
den Tag legten, welche, wichtigeren Zwecken zugewandt, Spar⸗
tod nd Altroms glänzenden Ruhm in ber Gefchichte würden
‚emturt haben. Die Hauptflämme diefer Seekrieger find für
Europa im Mittelalter von großer Wichtigkeit geworben, kei⸗
nem Lande aber mehr ald demjenigen, in. welchem aus ber
Verſhmelzung der Sachfen und Normannen ein Volk ſich bils
dete, welches mehr ald irgend ein anderes zugleich feine geiftis
gen Eigenthümlichkeiten und feine bürgerliche Freiheit bewah⸗
rend, fie mit den Blüthen aller Bildung der Vor: und Mit
welt zu vereinen wuſſte und daher glanzvolle Jahre des Vor⸗
ranges vor den übrigen Voͤlkern ber Erde hat. froh und ſtolz
De Er Ep
2) Bataviae alumnus. Eumen. — Menapiae civis. Aurel., Vi-
etar. — Genere infimus. Oros; — Vilissimo natus. Eutrop. — Ri-
eardus Corineus desitu Britann. 1. I. c. 8. $. 14. fucht, frinen Ge.
burtöort in einer der beiden britifhen Städte Menapia, was durch die
Angabe, daß er in Britannien erzogen ei, nicht wiberlegt wird. Gal-
frid. Monmouth, L V. c. 8. juvenis in Britannia ex infima gente
8) Diefer Titel findet ſich nicht früher als in. ber Notitia dignita-
tm imperii, welche nach den Zeiten des Arcadius und Honorius
eufgefest iſt. Die früheren Schriftftellee nennen ihn Comes. maritimi
. dus; ein Umſtand, ber nicht Überfehen werden darf, da das litus
meicum für die Gefchihte der Sachſen wichtig if. Non Carau⸗
fs ſagt Eutrop. 1, IX. c. 18. apud Bononiam per tractum Belgicae
[2
[3
\ \
42 0 &rfte: Abtheilung.
So: hedeutend war aber dieſe Stellimg durch die: Gefährlichket:
des Gegners, daß Caraufius, die durch den gallifchen Bund
ſchuh (Bagauda) erregte Verwirrung: benugend, : durch Abfin⸗
dung Und Vereinigung mit den fächfifchen. Seemärmern dem
römifchen Scepter fih zu entziehen, Boulogne für fich zu be
feftigen und in Britannien dem Kaifertitel anzunehmen wagte.
Der Kaifer Maximinian fah fi ch gezwungen ihn ats Mitherr⸗
ſcher anzuerkennen, ohne jedoch ein Ende der Seeraͤubereien zu
erreichen, welche die Kuͤſten ber Nordſee, des atlantiſchen und
ſelbſt des Mittelmeeres in beſtaͤndiger Furcht erhielten. &
herrſchte in dieſem Lande auch nach dem Verluſte Boulognes
ſieben Zahre, ſiegreich gegen die. Ealedonier und kraftvoll in
der innern Verwaltung, bis die Hand eines Meuchelmoͤrders
feines Gefaͤhrten Allectus, ihm toͤdtete ), der drei Jahre hindurch
feine Eſtelle behauptete, als Aſclepiodotus, der Praͤfect des
Kaiſers Conſtantius, ihn und feine Schaaren: vernichtend, Lor
don ſtuͤrmte und den Cãſaren bald ihre noͤrdlichſte Vrooin
wieder gab ).
7 7Die Thaten des Auguftus Carauſius fiir won großer Be
deutung für die fpätere -Gefchichte Englands geworden. Bo⸗
tannien erfuhr durch ihn zuerſt, — denn ein wenige Jahre frhhet
durch einen vom Kaiſer Probus eingeſetzten Präfed- gegen feinen
Ham erregter Aufftand war durch den Freund bes Erſteren
es Armoritae pacandum ‚mare, gie Franci et Baxones infestabant ete
Ah Eumenius in Gonftant. Gap. 12. fagt von ber Flotte des Ca⸗
rauſi iris: quae olim Gallias tuebatur.
0) Orosius L VIE 0.25: Bl. Genebrfer Geſch. des Carau⸗
ſius aras Münzen, a. d: Franz ur den Zufäsen zur allgemeinen Welthiſto⸗
rie IH VIE Dr: Stukeley medallic history of‘ Carausius. Einige
Münzın des Carauſius und Allectus fi in Havercamps Oroſius.
‚ &.5%'. S. auch Eumenii oratio pro restaurandis schulis c. 18 et 21.
2) Eumenii panegyr. Constant c. 15— 17. gibt allein unter
ben. älteren uns.erhaltenen Schriftftellern die nähern Umflände der Be:
ſiegung des Allectus, und im Wefentlichen ftimmt Salfrid von Mon:
mouth fo fehr mit diefem Berichte überein, daß wir auch hier bei vie
fem. berufenen Schriftfteller altrömifche Quellen, welche jest‘ unbelannt
find, vermuthen möchten. Auch der Name des Vertheidigers Londons
bei Galfrid, Livius Gallus, ift wahrſcheinlich gleich feinen Übrigen
sömifchen Namen echt.
‚ wenn noch angelfächfiiche Bretwalden feine Münzen
1 ihrigen: nachbildeten?). Die Sage, welche fpäter- bie
1 deö Arthur oder Julius‘ Caͤſar vorzog, gab friher den
1 dem väthfelhaften Gebaͤu am Catronfluſſe ). in einer
d, wo Dfflen, ben wir, venn auch nicht, wie Mae⸗
wverkuͤndet, als einen Zeitgenoffen- des Carauſius, aber
aͤufig als gültiges Zeugniß für alte Sage anfehen, wo;
\ feinen. vielbeftagten Sohn Oſkar im: Treffen gegen ben
igen Caros, den die Adlerſchwingen feines Stolzes aus⸗
nden König. der Schiffe, verlor. "Nicht minder hat über
fs auf--die Fpätere- Germanifirung Britanniens durch die
fm gewirkt. Er ſelbſt, germaniſcher Abſtammung, ein
sier- von Geburt, hat die Anflebelung der Sachfen an
ichſiſchen Geſtade in Gallien, ſowie in England, wenn
oeranlafft ), doch · durch ſeine Bundniſſe mit· ihnen · befrr
Die gewoͤhnliche Anſicht, daß das litus saxonicum -
Ramen von: den- Beinden, deren: Angriffen: 68: ausgefegt
)Zosimas L. I. c. 66.
S. bie Münzen bei, Stukeley ut: aus ihm bei Balgravo:
T. I. p. 25:06 30,
Nennius c. 19. Fordun 1, 16. Camdon Britaania,
rabilibus Britennise hinter Hearnes Ausgabe des Robert of
sester p. 576;
S
44 - J Erſte Abtheilung.
war, entlehnt habe, erſcheint ſo ſprachwidrig als unhiſtoriſch.
Durch die vermuthlich gleichzeitigen Niederlaſſungen der Sach⸗
fen auf dem litus saxonicum bei Bayeur in der nachherigen
Normandie, woburch diefer Drt noch lange dem Einflufje fran:
zöfifcher Bildung und Sprache widerftand '), ift die Schwädh
der Römer felbft auf den gallifchen Kuͤſten und jenſeit deẽ
Ganaled, fowie die Neigung der Sachſen zu ‚ähnlichen Anfie-
belungen, von welchen auch das litus saxonicum in Belgicz
secunda (in Zlandern) einen ferneren. Beleg darbietet,. uni
nicht. minder ber richtige Sprachgebrauch urkundlich erwiefere
Auch hatte ſchon Kaifer Probus viele der mit den Sachfen eng
verbundenen und von dem“ Geſchichtſchreiber ſelbſt mit denſelben
verwechſelten Franken nach Britannien verſetzt, welche feſte
Sitze daſelbſt erlangten und anfaͤnglich dem Kaiſer ſich anhaͤng⸗
lich erwiefen ?).
Die Regierung des Conſtantius Chlorus muſſte die Steb
lung Britanniens im roͤmiſchen Staate ſehr hervorheben, da er
durch Neigung und eheliche Bande — ſeine Gemahlin Helena
war die Tochter eines britiſchen Fuͤrſten oder doch ſolchem ver⸗
wandt) — und auch vielleicht durch den Wunſch, dieſes Land
fuͤr Rom zu erhalten, geleitet, den groͤßten Theil ſeines Lebens
in demſelben zubrachte. Sein Sohn Conſtantin wurde zu York,
wo Jener geflorben war, zum Kaifer auögerufen. Ein deutſcher
1) Grannona in litore saxonico.: Notit. imper. occid. c. 86.
Du Chesne hist. T. I. p. 3. Sn den Sapitularien Karls des Kahlen
heifft diefe Gegend Otlingua saxonica. Bouquet VII. 616. Saxones
Bajocassini. Gregor. Turon. V. c. 27. ad a. 578. X.c. 9. For-
tunati Carm. ]. III. c. 8. fagt am Schluß des fechöten Jahrhunderts
von Felir, dem Bifchofe von Nantes, beffen Verdienfte um Armorica
preifend:
Aspera gens Saxo, vivens quasi more ferino, ,
Te mediante sacer, bellua reddit ovem.
2) Zosimus L I. c. 68.
3) ©. Panegyr. veteres p. 192 et 207”. Henr. Hunten-
don und Galfrid. Monmouth. 1. V. c. 6et1l. nennen dieſen Kür:
ſten Eoel, und Sener fchreibt ihm die Erbauung der zu feiner Zeit vorhan-
denen Mauer Londons fowie der von Goldhefter zu. Dagegen Gesta
Treveror. c. 29. Helena Treberorum nobilissima.
a Ai. vr een
De
Britannien vor und unter ben Römern. 45 -
Herzog unterſtuͤtzte Erdftig feine Ernennung, woraus wir bie
Anweſenheit deutfcher Krieger folgern dürfen ').
Der Name Gonftantind des Großen mahnt und zunaͤchſt
an die größere Verbreitung des Chriſtenthums, welche zu feiner
Zeit md durch ihn flattfand.
Das Chriftenthbum hat in dem fernen Britannien ſchon
früh unter celtiſchen und germanifchen Stämmen bereitwilligen
Eingang gefunden und felbft wenn "verfolgt in entlegenfter
Einfamkeit der Zukunft fegensreiche Früchte getragen. Es ift
bisin die neueften Zeiten fo enge mit der bürgerlichen Verfaffung
und daher den Hauptbegebenheiten biefes Landes verſchmolzen,
daß ein Blick auf die Geſchichte der Religion zur Erlaͤuterung
der politiſchen Begebenheiten nicht ſelten unerlaͤſſlich iſt. Die
Nachricht, daß weniger denn dreiſſig Jahre nach dem Tode des
Erlöfers eine ausgezeichnete Frau, Pomponia Gräcina, die Ges
mohlin des Plautius, deſſen wichtige Siege Über Britannien
ihm die Ehre der Dvation verfchafften, dad Chriſtenthum an=
genommen, fteht, da es unwahrſcheinlich iſt, daß jene Frau
Britamien je betrat, gleich einigen aͤhnlichen Nachrichten viels
leiht in Feiner nähern Beziehung zu jenem Lande. Doch bes
reits am Schluffe des ‚folgenden Sahrhundertd war dad Chris
Rentbum ſchon Kelbit in die den Römern nicht untergebenen
Gegenden Britanniend vorgebrungen, unter denen wir zunächft-
Comwales md Wales verfiehen. Die Übereinflimmung der
engliihen mit den orientalifchen Kirchen in der Anfegung bes
Ofterfeſtes erweifet einen Zufammenhang beider Kicchen, der
feine richtigfte Erklärung darin zu finden fcheint, daß ben viel-
fehen Legenden über die Predigt ber Lehre von Chriſtus durch
en anlänbifche Apoftel eine hiftoriiche Baſis untergelegt werde.
Es hat fogar größere Wahrfcheinlichkeit für fih, daß die erfte
Boiſchaft von der neuen Lehre nicht aus Rom, wo fie noch
wiadrüdt war, fondern aus einer jener kleinaſiatiſchen Ge-
. winden kam, welche dad Mittelmeer längft mit Gallien ver:
baden hatte, aus dem der Bekehrungseifer Teicht auf den
fen: und Handels⸗Straßen ben Weg nach Britannien fand.
1) Sollte der Name des hier genannten Ergcus, rex Allemanno-
ran, auxilii gratia Constantinum comitatus (f. Aurel. Victor Epi-
tme) nicht eine Verſtuͤmelung für Ertocus, Herzog, fein?
46 | Eeſte Abtheilung.
Doch mr allgemeine Andeutungen dürfen wir in jenen Seten
ſuchen. Der hiſtoriſche —— hätte gern ven Mauern —
des uralten Kloſters Glaſtonbury auf der Infel Avallona (füb-
Hd won Briftol) Zungen verlichen, um feine Gründung durch
Joſeph von Arimathia zu befräftigen ”), in der uͤbereilten Vor⸗
ausſetzung, daß auf die erſte Verbreitung ber Lehre ben predi⸗
genden und taufenden Wanderern fogleich jene Wohnftätte in
dem altbritiſchen Lande errichtet fe. Die Mauern fprechen al⸗
lerdings, aber fie bezeugen die Übereinftiimmung der Bauart I
mit ben älteften angelſaͤchſiſchen Eapellen in England. Was
uns fonft über diefen Ort, befonderd durch Aufräumung und R
Aufgrabungen aus dem Schooße der treu bewahrenden Erw |
bekannt ‚geworben, beweifet uns, daß fchon die Römer diefen
vermuthlich früher zu einer britifchen Befeſtigung dienenden Ort
kannten, wie Spuren der Wege und dort gefanmelte Minen '
Veſpafians und Hadriand beflätigen. |
Micht fo verwerflich erfcheint die Sage von der Annahme
des Chriſtenthums durch den britischen Fürften Lever Maur (dad
größe Licht) oder Lucius, wenn wir fie mit den Zeugniffen
Tertullians zuſammenſtellen. Lucius foR den Fagan und Dir
van nach Rom gefondt haben, um vom roͤmiſchen Biſchofe
Eleutherius nähere Unterweifung in den Lehen der chriftlichen
Kirche zu erhalten, worauf römifche Miſſionen nach England
gingen, drei Erzbisthümer und achtundzwanzig Bisthuͤmer ?) if
teten — Benennungen, welche im Sinne der Zeit zu beuten
find. Des Verdacht liegt nahe gemug, daß angelſaͤchſtſche Roͤm⸗
linge in ihren Streitigkeiten mit den zu der morgenkindifchen °
Kirche Hinmeigenden Altbriten in ſolchen Gefchichtehen eine Streit: -
waffe fich bereiten wollten; doch woher waren fle dann grade
bei den Schriftitellerr ausgebildet, welche die altbritifchen Quel⸗
len überfeßten? ?)
1) Über dieſe und bie fpäteren Sagen tft eine Schrift des befanns
ten Geſchichtſchreibers Wilhelm von Malmesbury: De. antiquite>
tibus glastoniensis ecclesiae vorhanden und bei Gale T. I, gedrudts
Vgl. au Richard Warner history of the abbey of Glaston-
1826. 4., ber jedoch an St. Pauls Predigt in England glaubt.
2) Die Zahl von 28 Bisthümern hängt ohne Zweifel mit der Lifte
ber 28 Städte Britanniens bei Nennius c. 65, gufammen.
5) Beda (Hist. eccl. 1. T. c. 4.) fegt den Lucius, der nah Gal⸗
Britannien vor und unter ben Römern. 47
Gallien hatte in den Zeiten ber Vorgänger bed Eleu the⸗
rius ſehr zahlreiche chriſtliche Gemeinden, welche durch bie im J.
177 zu Lvon und Vienne erlittenen Verfolgungen verherrlicht ſind,
und aus denen manche Mitglieder fliehend die Zahl der chriſt⸗
lichen Glaͤubigen bei den ſtammverwandten freien Briten ver:
färkt haben mögen. Der Streit zwifchen den Judenchriſten
und den Heidenchriften über manche Aufferlihe Dinge und na=
mentich die Zeige des Oſterfeſtes hatte damals fchon lange die
— Gemither bewegt und veranlaſſte bei den Neubekehrten, welche
g, Feine jener Parteien angehoͤrten, ſondern aus dem Druiden
g me hervorgingen, neue Bedenklichkeiten. Ohne daher bie
y item Ausſchmuͤckungen ber Nachricht von ber Sendung eine
angeſehenen britifchen Häuptlings an Eleutherius einen zu großen
Werth beizulegen, dürfen wir doch annehmen, daß derfelbe eine
Vermittlung der unter den Chriften feiner Herrſchaft obwalten-
dm, ihn ſelbſt vielleicht beunruhigenden widerfprechenden Ans
feid von Monmouth im 3. 156 flarb, in die Zeiten des Marcus
Aurelins, deſſen Regierung er mit dem Jahre 156 beginnt, anftatt 161.
* Läb. V.c. 24. fegt er Eleutherius in die Jahre 167—182. Nennius
Gibt das Jahr 164 für die Belehrung. deö Lucius an. Im Chronicon
gibt Beda diefe Nachricht beim Zahre 180, was mit den Regierungss
jahren des Papftes Elentherius 162— 182 oder 179 — 194 befjer har:
monirt. Anastasii vitae pontificum, welche bie legten Angaben über
Elentherius enthalten, geben auch die Nachricht von Lucius mit den
ähnlihen Worten, welche Bedae hist. eccl. hat: Hic accepit episto-
las a lucio, Britanniae rege, ut Christianus efficeretur per ejus
mandatum, welche letzten Worte in Bedas chronic. fehlen. Dagegen
fkinmt Anaftafius mit dem chronicon darin überein, daß Beibe erſt
fpäter bei dem Nachfolger jenes Papites, Victor, der Verfügung (libelli)
bes Erſteren über die Feier des Ofterfeftes gedenken. Hätte Beda bie
“ vitse pontificum vor ſich gehabt, fo müffte die Nachricht von Lucius
‚an hiftorifcher Slaubwürbigkeit fehr gewinnen, doch bie vielfache Ver:
werung ber Chronologie wäre unerklaͤrbar. Nicht minder bedenklich
Meiat es anzunehmen, daß ber Verfaſſer der vitae pontificum beide
Wale Bedas hier follte vor Augen’ gehabt haben. Cine gruͤndliche
Werfshung über die gesta pontificum wirb vieleicht noch eine beiben
; Brpfern gemeinfchaftliche Quelle nachweiſen. Bei den Nachrichten des
* Salfrid von Monmouth iſt nicht ganz zu uͤberſehen, daß ex ſich
** LIV. c. 20. auf des Gildas liber de victoria Aurolii Am-
„bei beruft. |
48 Erle Abtheilung.
ſichten bei dem Haupte der abendlaͤndiſchen Geiflihteit nach:
gefucht babe.
u Die allmälige Ausbreitung des Chriſtenthums in Briten |
nien 309 indeffen dad misguͤnſtige Auge der heibnifchen Here
fcher auf fi, und die Verfolgung der Chriften durch den Kai:
fer Diocletian hat auch hier eine fchredvolle Erinnerung zurüd:
selaffen. Das Martyrthum des heil, Albanus von Verulam
und zweier Bürger von Carleon an dem Uskfluſſe, Aaron und
Julius, bat auch in ben nachfolgenden Zeiten des Ruͤckfalles
zum Heidenthume nicht verbunfelt werden können’). Der |
hriftliche Glaube und die zur Erhaltung deffelben getroffenen |,
Einrichtungen wurden jedoch noch nicht völlig unterbrüdt.
. Schon unter dem milde gefinnten Nachfolger Diocletiand, Con⸗
ſtantius, durfte das Chriftenthbum bekannt werden, und unter
Conftantin lernen wir die Namen und Didcefen dreier auf dem
314. erften Concilium zu Arled gegenwärtigen britannifchen Biſchoͤfe
und ihre von der römifchen Kirche abweichenden Anfichten ben
nen, Eborius von York, Reftitutus von London und Adelfius
von Lincoln?). Diefe Nachricht unterſtuͤtzt eine Sage, welde
zu fehr in Zweifel gezogen iſt, daß auffer den drei angegebenen,
auch Waled (Britannia secunda) zu Carleon und bie. nörb:
lichfte Provinz zu St. Andrews (ehemals Albin) einen. Bifchof
gehabt und jedes biefer Bisthuͤmer in zwölf Diftricte getbeilt
gewefen fei’). Wenn diefe Nachricht gleich in ben Benennun:
‚gen von fünf Erzbisthuͤmern und ſechzig Bisthuͤmern irrt, ſo
moͤchte ſie doch im Weſentlichen auch nicht unbegruͤndet ſein.
Die erſte Haͤlfte des vierten Jahrhunderts iſt fin Britan⸗
nien beſonders durch die Ruhe ausgezeichnet, in welcher die in
nicht geringer Anzahl durch den gemeinſamen Glauben einander
1) Gildas c. 8, Beda LI. c. 7.
2) Spelman, concil. T. I. p. 42, Der Sit des Adelfius wird ’
dort Colonia Londinensium genannt, was mir richtiger fcheint mit
Henry in Col. Lindum zu emendiren als dur Richborough zu
übertragen.
8) Giraldus Cambrensis de jure et statu Menevensis ecclesise
ap. Wharton Anglia sacra T. II. p. 542. beruft fich) auf tomum Ana- "\
dleti papae, sicut in pontificalibus Romauorum gestis et inperialibon
directum Galliarum episcopis,
\
Britannien vor und unter ben Römern. 49
näher gebrachten Eingebbrnen und Römer und andere Einwan-
derer zu Friedenskuͤnſten ſich vereinten‘). Der Getreivebau war
zu einer folhen Höhe gefliegen, daß Britannien eine Kornkam⸗
mer der nördlichen roͤmiſchen Provinzen wurde und durch jaͤhr⸗
liche Ausfuhren andere naͤhrte, ſich bereicherte 2). Staͤdtiſche
Anlagen bluͤhten ſo ſehr, daß fie viele Bauleute und verwandte |
Künftler und freie Handwerker. enthielten. und zwar in folcher
Anzahl, daB diefe mit dem Getreide zur Wiederherftellung vers
ödeter Provinzen aus Britannien entboten: wurden. Diefes Land
war von Heerſtraßen in allen Richtungen durchkreuzt, deren
viele den fpäteren Anfieblern zu ihren Märfchen wie zum
Handelözuge gedient haben. MWahrfcheinlich ift ed, daß die
Römer einige jener großen. Heerſtraßen ſchon vorfanden, welche
foäter bekannt find unter den Namen: Watlingſtraße, vom ſuͤd⸗
lichen Ufer Kents, bei-RHntupis und London. vorbei, über Stony
Stratford (Budingham), nach Segontium (Caernavon); Ikenild
oder Rikenildfiraße, von Tynemouth über York, Derby, Bir⸗
mingham nady St. Davids. Bon letzterem Drte nad Souths
hampton führte die Erminfiraße; die. Foſſa von Cornwales
bis Caithneß oder vielleicht richtiger nur nach Lincoln?). Diefe
Straßen, weldye durch römifche Arbeit, wenn nicht angelegt,
doch ſehr verbeſſert wurden, beweiſen auch durch ihre Rich⸗
tung einen lebhaften innern Verkehr und eine Handelsver⸗
bindung mit den oͤſtlich und weſtlich don England gelegenen
Nationen. Wir find gewohnt uns den roͤmiſchen Einfluß und
die roͤmiſche Cultur in Britannien als bedeutend geringer zu
denken, als ſie in den ſuͤdlich gelegenen Provinzen vorhanden
waren; beſonders weil die Sprache des heutigen eigentlichen
Englands ſich nicht unmittelbar auf jene altroͤmiſche ftüget
1) Britannia — terra‘ tanto frugum. ubere, tanto laeta numero
pastionum, tot metallorum fluens rivis, tot vectigalibus quaestilosa,
tot accincta portubus, Eumenii paneg. Constant, Caes. c. XL vgl.
Ejd. paneg. Constantin. August. c. IX.
2) Amm. Marcell, XVIII. 2. Liban. orat. X T. II. p. 231.
Zosim. 1. III. c. 5.’ Julian. in dem Briefe an ‚bie Athenienfer und
Ernapii legation.
:8) Ranulph. Higden Polychronicon 1. L Capit, de plateis
gib, Whitaker Manchester I. p. 102 sq. Eine andere Angabe
"der vichhefkrittenen Erminſtraße iſt auf meiner Karte angedeutet.
kappenberg's Geſchichte Englands I. 4
50 u Erfte Abteilung.
und alte’ Monumente in England fich gar wenig erhalten F
x haben. Letztere find durch frühere mehrfache Verheerungen
fehr verringert worden, welche befonderd ‚die. von ben Römern
zuerſt bewohnten und reichſten Provinzen trafen; dıberall
litten fie durch die fpätere Cultur; doch werden no in un . !
ſern' Zagen manche entdeckt, welche die Bedeutſamkeit des roͤ⸗
mifchen Britanniens deutlich erkennen laſſen ). Viele Über
bleibſel römifcher Bauten, welche jebt laͤngſt von der Pflugs
ſchar überzogen oder wo dieſer Saat neu darlıber gethärmte
Städte entfprofien find, zeigten fi) noch im zwölften und dreis
zehnten Jahrhunderte dem kundigen Auge‘); und fir mande
noch vorhandene find der Name und felbft die Deutung jegt
das neckiſche Raͤthſel der Alterthumsforſcher. Auſſer den beiden
Municipien hatte das entlegene Carleon (vie Stadt der Legion,
Iſca Silurum), die es wie Bath (Aquae solis) zum Theil
feinen heiſſen Quellen verdankt haben mag, Theater, Tempel,
Palaͤfte, von denen ber Waliſer Girald') mit hoher Bewun⸗
derung erzählt. Später berichtet Ranulph Higden von den vies
len unteridifchen Alterthͤmern der Stadt Cheſter (Deva)*).
Den wieder aufgegrabenen Trümmern eined Zempeld des Nep⸗
tunud und der Minerva zu Chichefter verdanken wir einige.
fehr wichtige Auffchlüffe über die Gefchichte Britanniens ımter
den Römern. Die vollftändigfte Anſchauung römifcher Baus
art gewähren und bie roͤmiſche Villa, welche zu Bignor in
‚Suffer entdedt iſt, fowie die Alterthuͤmer zu Woodchefter in
Gloceſter“). Beda erwähnt, auffer den: zu feiner Zeit vorhan⸗
denen römifchen Städten, Straßen und Brüden, aud noch
eined gleichfalld dem angelfächfifchen Handelsverkehr dienende
1) &. Horseley Britannia romana,
2) Guil. Malmesb. de gestis regum 1. 1. c. 1. Id. de gestis
‚pontif. 1. III. prooem, '
8) Girald, Cambrens, Itiner, Cambr. 1. I. c,5. Be Cam
den p. 886,
4) Ran. Higden Polychron. Bet Gale I. 200.
5) Eiche über diefelben die Prachtwerke von Samuel Lyſon. Eon
don 1797. 1815. Auch Deffen Reliquise britannico-romanae, 8 Vol.
fol. London. Bon römifchen Zempeln und anderen Gebäuden zu Bath
f. Denfelben und Carters Ancient architecture of England.
q
Britannien yor und unter den Römern. 51
Leuchtthurms). Manche gemweihte Stätte des Alterthums gibt
ſich durch die noch höhere Weihe zu erkennen, welche ihr durch
dad Chriftenthum, welches ſtets jedes Verhältniß der Vergans
genheit zu deuten und zu heiligen verftand, geworben iſt. St.
Vetrus Kirche und Abtei zu Weftminfter, St. Paulus Dom zu
. London dürfen uns nur noch ehrwuͤrdiger erfcheinen, wenn bort'
x früher Apollosdienſt ein roheres Geſchlecht zu feiner Bildung
5 gMühet, bier Dianas Tempel ben Glauben fo vieler Bölker
zu Mmmittelt hatte”), Die Angeln und Sachſen, als fie fich in
Egland niebergelaffen hatten, wohnten alfo in vömifchen
Baum und wanbelten unter großartigen Bauten und fchönen
| Werten römifcher Kunft umher. Darf ed daher überraſchen,
we fie, durch ihre Belehrung zum Chriftentbume zum erften
‚od Rh auf das Beduͤrfniß neuer Großbauten geleitet, die roͤmi⸗
wi Ihe Baukunſt in ihrem Lande wieder zu erweden ftrebten und
duch) dieſe herach Werke errichtet wurden, welche fo ſehr ir⸗
m 19 ſachſiſcher Kunft zugefchrieben werben? Am häufigfien has
zu ben fih Spuren alter Wälle und Befeftigungen erhaltens wenn
ya gleih nicht zu verhehlen iſt, daß biefe durch ihren oft weniger
de enifhiebenen Charakter nur zu häufig die Weranlaffung zu Mis⸗
3 deutengen und verjaͤhrten Irrthuͤmern geworden ſind. Zu den
undezweifelten gehören die zu Richborough (Rhutupiaͤ), Lincoln
u (inte), Burgh Caſtle (Gavianum bei Yarmouth in Suffolk),
Cheſter (Deva). Sowie zu Dorcheſter, wo ein Amphitheater
g Meötkar fein ſoll, fo fehlt zu Saledy im Bedforbfhire und man⸗
3 Gen andern Drten fogar bie römifche Benenmung. —
Aus der großen Zahl roͤmiſcher Städte und Burgen dlur⸗
fm wir auf eine enge Vermiſchung ber Römer und Briten fol-
J gen. Daher, hatte auch die vömifche Sprache bei den Provine
ielen vielen Eingang gefunden, wie ans der Menge Iateini«
fer Wörter hervorgeht, welche fich in dem Walififchen finden.
Im heutigen Engliſch, forte fehon bei den Ungelfachfen fin -
"Bi fi manche Wörter, welche, ſchon Julins Caͤſar und feine -
1) Beda hist. 1. I. c. 11. |
2) Die Abtei St. Albans bei dem alten Verulamium wurde ums
u be 790 erbaut vom König Offa von Mercia — praeterguam pristi-
g Wa, quod invenit de veteribus edificiis paganorum pridem factum,
FT. Vitam Offae secundi. | .
4*
52 Erſte Abtheitung.
vegion nach England brachten‘); und wenn wir bier die Be
merkung und erlauben, daß die Angelfachfen nur langfam Eng⸗
land eroberten, fo haben wir auch dadurch gefagt, daß bie
römifche Sprache nur langfam verdrängt werben konnte. Auch
bernach muß die Zahl derer, welche das Lateinifche ald Buͤ⸗
cherfprache erlernten, bedeutend gewefen fein, wenn wir auf bie
Anzahl der in ber angelfächfifhen Zeit in lateinifher Sprache
und oft gut gefchriebenen Werke fehen, und die Zahl’ der Lefer
und römifcher Sprache Kundigen muß groß genug gewelen fein,
um bie fpätere Einführung des Normannifch = Sranzöfiichen. fo:
wie befien Beibehaltung in den Gerichten zu erleichtern. Selbft
in den britifchen Gefchichtfagen, wie fie im Nennius, Galfrid
von Monmotth u. A. aufbehalten find, finden fich zu viele
Ubereinſtimmungen mit römifcher Gefhichte und Sage, ul ein
voͤlliges Aufhören rögifcher Sprache mit dem Aufhören roͤmi⸗
fcher Herrfhaft und der damaligen Vertilgung des Chriflens.
thums behaupten zu dürfen.
Auch die beffere Kunde der Schiffahrt bei ben Briten bat
man geglaubt den Römern zufchreiben zu muͤſſen; doch willen
wir, daß die hier flationirten römifchen Truppen Teinesweges
auch nur ihren gewöhnlichen Seinden zur See, den Sacfen,
gewachfen waren oder Seetreffen auch nur verfuchten?). Die
Anwohner des Mittelmeered Finnen den Schiffer der Nordfee
nur etwa beſſere Schiffszimmermannsarbeit gelehrt Haben.
Die Sicherheit auf dem ſchwankenden Elemente, die -grabe
fchneidende, pfeilfchnelle Bahn durch und über die wild an⸗
thuͤrmenden Wogen, der ruhige Blick, welcher ven Wind ehe
er kommt auf ben fich fernhin Eräufelnden. Wogen erſpaͤhet,
die unlöfchbare Luft an der amphibifchen Eriftenz des Seeman⸗
ned, dieſe find erſt durch Sachſen und Normannen nach Eng:
land gelangt, wie denn auch die englifhe Sprache nicht nur
fondern felbft die der Suͤdeuropaͤrr bezeugt, wen bie Na
tur zu dem Meifler des Schiffes und der Woge berufen hat.
N 1) 3. B. pondus, tremissis, clown, city, castle.
2) Die für jene Behauptung angeführte Stelle des Eumenius
Panegyr. Constantii c. 12. fagt vielmehr, daß Carauſius vieler Frem⸗
ben ſich bedient habe — exercitibus nostris in re maritima novis.
Britannien vor und unter den Römern. 53
ı Unfere Blicke mäffen fi) von ber romiſchen Bildung in
Britannien ab und zu den Voͤlkern wenden, welche vorzuͤglich
deren Bertilgung veranlafft haben, zu den im vierten Jahrhuns
berte zuerft genannten und in dem jebigen Schottland erfcheis
nenden Picten und Scoten. Beide Stämme waren den Cale⸗
donien und Maͤaten fehr verwandt, doch erfcheinen fie roher,
und ed ift von den Scoten gewiß, von den Picten wahrfcheins
lich, daß fie aus Irland herühbergefommen find und bie biöhes
tigen Einwohner fich unterorbneten. Der Name der Picti ift
feineöwegd die Benennung der am Körper bemalten Feinde,
fondern Die durch die grammatifche Deutelei roͤmiſcher Schuls
weiöheit entftelte Benennung der Peghten). Sie wohnten
im öftlichen Schottland auf beiden Seiten der Grampianberge, '
von Snverneß und Eigin bis Dunbarton, oder Firth von Murray
bis zu den Friths des Forth und der Clyde, fpäter aber auch
noch im füdweftlichen Schottlande bis zur Pictenmauer, wo
wir fpäter am Nithfluffe im Dumfries einen befondern Stamm
derfelben, die Nidwaren, antreffen?). Im füblichen Schott
land weiß der Landmann noch manche Denktmale der Peghts
"in altm Gemäuern und Felfenwerken nachzuweiſen. Die Koͤ⸗
nige der Schotten nahmen auch ihren Namen im neunten
Jahrhunderte in den Titel auf; Pictland wurde von den Nor⸗
wegern überfallen, und nod in ber berühmten Standarten-
ſchlacht im Jahre 1138, ſowie in derjenigen von Glithero,
fohten die Peghten von Galloway mit ihrer eigenthümlichen
widen Tapferkeit. Da Feine Überreſte einer befondern Sprache
derfelben ober auch nur Nachrichten über deren Dafein oder
Untergang vorhanden find, fo haben die britifchen Alterthums⸗
oricher auf dem freien Felde unermüdlich, unter Aufftellung
verfihiebenartigften Anfichten, bald fir einen gothifchen
bald für einen- celtiſchen Urſprung der Sprache der Picten ge⸗
kaͤnpft. Gewiß ein Streit. um noch weniger als Worte: denn
1) Auch Wittekind gibt {nen den richtigen Namen. Eume-
sius paneg. Constant. c. VII. gedenkt ihrer zuerfi. Caledonum alio-
runque Pictorum silvas et paludes. Ammian. Marcellin. I. 27.
t. II. Britanni Pictis modo et Hibernis assueti hostibus,
9) Bedae Vita 8. Cuthberti c. XI. gl. Bedae hist. occl..
LLc. I. . II. c. 4. L. V. c. 21. Ejusd. Chron, a. ‘452.
—
54 | Erfe Abtheilung.
ein ober zwei uralte Gebiegenamen, welche wir heute "nicht
aus der, auch nur bürftig bekannten, altgaliſchen Sprache zu
erlaͤutern wiſſen, koͤnnen keinen Beweis fuͤr eine beſondere Dicken
fprache abgeben, welche :wahrfcheinlich nur ald ein roherer
Dialekt von der Sprache anderer britifcher und iriſcher Staͤm⸗
me abwich.
Mit den Scoten vernehmen wir zugleich von den Attaco⸗
ten‘). Ein Stamm derſelben in dem ſuͤdlichen Argyleſhire und
ben benachbarten Infeln behielt ven Namen ihrer urfprünglichen
in Ulfter belegenen Heimat bei. Hiftoreth, des Iftorins Sohn,
. wird ihr Anführer genannt, ein Name der nicht mehr gefchicht-
liche Wahrheit haben mag ald der des Reuda?), den andre
Sagen ihm beilegen. Ihnen folgten ihre Landsleute aus Irin
(Jene, Hibernia) ſchaarenweiſe, und es iſt nicht zu bezweifeln,
daß. unter den Scoten, gegen. welche tie Römer fochten, wir
- haufig auch die Stammgenoffen derfelben, welche Irland nur
zu dieſem Zwecke verlieffen, zu verfiehen haben. Aus dem
‚weftlichen Wales oder den Gegenden der Demeten, bis zu
welchen fie ihre Expberungen auszudehnen ſtrebten, foll Cuneda
Wledig, mit feinen Söhnen aus Manau Guotodin kommend,
fodter Herrfcher von Gwynedh, fie fhon zu der Zeit für im⸗
mer vertrieben haben, als bie Römer die übrige Infel noch
nicht verlaffen hatten ?). - Das Anſehn diefer altbritifchen Fuͤr⸗
fiengefchlechter begann wieber zu fleigen, als der Druck ber
roͤmiſchen Herrfchaft geſchwaͤcht wurde, und auf Cuneda Wledig
(d. h. den Glorreichen, ein dem Caͤſar Auguſtus entſprechender
Titel) und feinen Urahn Coel führten die Regenten von Strath⸗
clyde und Nordwales ihren Urſprung zuruͤck, ſowie bie corni⸗
ſche Dynaſtie auf den Koͤnig von Cornwales Branap⸗
Llyr), den Stammvater des Arthur und anderer Helden,
welche eine völlige Unterdruͤckung ihrer Gebirgsvoͤlker durch Roͤ⸗
1) S. Amm. Marcel l 1. I. J
2) Nennius c. 8. Beda 1.1 o1.
'3) Nennins c. 8. und Appendir. Da Cuneda 146 Jahre vor ber
Regierung des im I. 647 verftorbenen Mallcun nad) Gwynedh gekom⸗
men fein fol, To tft Hier die Zeit 8370 — 880. gegeben. Gododin wirb
an ben Oftküften des fühlichen Schottlands zeſucht.
9) Bei Salfrid genannt.
x
Britannien vor und unter den Römern. 55
an wis ſpaͤter durch Sachſen und Dänen, abpnvchren ver
In em Jahrhundert nach Conſtantins des Großen Tode,
in welchem Britannien noch mit Rom vereint blieb, vernehmen
wir von jenem beinahe nur als von dem Schaublatze der Vers
heerungen durch jene celtifchen und Die germanifchen Stämme.
Es wurde dadurch far die Roͤmer sine Schule für ben Land»
und See: Krieg, aus welcher manche bebeutende Namen, aber
zugleich) die Keime neuer Empoͤrungen hervorgingen. Der, Ges
genkaiſer Bonoſus, welcher dem Sailer Probus Britannien, dad
den Tyrannen, welche Galliens ſich bemächtigten, gleichfalls
anheimzufallen pflegte, zu entreiſſen vergeblich verſuchte, war
der Sohn eines britanniſchen Rhetors oder gelehrten Erzie⸗
hers, Magnentius); Der nach Britannien verbannte Panno⸗
nier Valentinus oder Valentinianus fand hier Freunde und
Kraͤfte, um gegen den Kaiſer Valentinian einen Aufſtand zu
bewirken, deſſen Daͤmpfung auch nach Gefangennehmung der
Bautverſchwornen alle Klugheit des Heerfuͤhrers Theodofius
im Anſpruch nahm’). Dieſer Sieg, mehr aber noch die glor⸗
reiche Befiegung der Picten und Scoten, ‚welche bis nad) Lon⸗
don vorgedrungen waren und ben Dur Britanniend, Fullofaus .
bes, ſowie den Grafen des Seediſtricts, Nectavidus, erfchlagen
batten, die Wiederherſtellung der Provinz Valentia, die Erneues
nung der Städte und Burgen, die Sicherung der Marken und
Präturen und die Verbefierung der Civilverwaltung verfchafften
dem britiſchen Dur jenen Ruhm und Einfluß, welche ihn ſelbſt
zum Magiſter Mititiä und hernach zum Magiſter Equitum erho⸗
ben, feinen gluͤcklicheren Sohn aber zum Kaiſer Roms, der noch
einmal und zuletzt diefen Namen verherrlichte, zu erheben ver:
mochten. Britannien erhielt einen, wenngleich firengen, doch
ſehr gerechten Landesverwalter am Civilis, und im Duleitius
einen durch Kunde des Kriegsweſens auögezeichneten Dur *).
1) G. Gunn hist. Brit. p. 119.
2) Vopisci Bonosus c, 14. Probus c. 18.
5) Hieronym. a. 375. Ammian, Marcell. 1.28. 6. 3.
9 Ammian. Marcell. 1.8. c. 3, u. 1.27. 0.8. Claudian.
de cogeulate Hovorii /
[2
350.
381.
388.
56 Erfte Abtheilung.
Doc der Geift der Unabhängigkeit hatte in diefem Lan
bereits zu tief Wurzeln gefchlagen, als daß Garaufius ni
ſtets neue Nachfolger hätte finden follen. Marimus aus <
geſehnem britiichen Gefchlechte ') hatte in ben Kriegen geg
die Picten und Scoten das größte Anfehn erworben ?).
wurde wider feinen Willen von dem Heere zum Impera
ausgerufen ); aber die Nachlommen würden in der Untu
des Kriegerd nur dad uͤbermaͤchtige Nationalgefühl der eb!
Briten erkennen wollen, wenn ex nicht dad Infelland verlafi
und durch die erften Erfolge verlodt, den Sig eines von Th
doſius anfänglih anerkannten weftrömifchen Kaiſerthums
Trier hätte begründen wollen. Ex wurde zu Aquileja gefang
und hingerichtet; fein junger Sohn Bictor, welchen er zi
Imperator erlärt und in Gallien zurüdgelafien hatte, fa
bort daffelbe Schickſal“). Wenn wir daher auch Die welfd
- Stammbäume °), welche von Gonftantin, wie fie den ditef
Sohn des Kaiferd Marimus (Marim Wledig) benennen,
- von der angelfächfifchen Herrfchaft unabhängigen Fürften t
Gwent (Monmouth) und Powys und den mächtigeren t
Gumberland und Strathelyde ableiten, mit großem Mistraun.
trachten, fo ift der Eindrud, welchen die Thaten Des Marin
auf die Briten machten, ald um fo bedeutender anzuerkenn
Ein Ereigniß welches an die Gefchichte des Marin
ſich knuͤpft, darf hier nicht ganz mit Stillſchweigen uͤbergan—
werden, nämlich die Anfiedelung einer aus britifchen Krieg
beftehbenden roͤmiſchen Militaircolonie (Milites limitan
Laeti) in Armorica, welche der Bretagne den Namen u
eine eigenthümliche Bildung und Gefchichte verlieh 9). Som
1) ©. bie Stellen bei Palgrave T. I. p. 381 u. 383.
‘2).Prosper Tyro ad a, 382.
8) Prosper Tyro ada.381. Prosper Aquitan..ad a3
Sulpic. Sever. vita 8. Martini c. 20. Oros. l. VII. c. 3. ı
aus ihm Beda 1. I. c. 9. und Paul. Diacon,. 1. XI. Greg
Turon. 1. I. c. 38.
4 Prosper Aquit. h.a. Orosius |, VII, c. 25. (und
ihm Paul. Diacon. l. XIL) Gildas c. 10.
5) gl. au) Gunn ob. hist. Britan, p. 141.
6) Gildae hist. c. 10. Nennius c. 38, ‘(Bebal.I. c.
Britannien vor und unter ben Römern. 57
ife8 Land. duch Abftammung, Sprache und Druidenthum
bon früher mit Britannien verwandt war, fo hat dieſe neue
zevoͤlkerung, welcher noch manche Männer und Trauen ') „nach
olgten, unleugbar die Verbindung dereretagne mit den Bri-
tem in Waled und Cornwales enger geknüpft und erhalten,
und die Heldenpoefie Frankreichs und Deutfchlands würde ohne
biefelbe fchwerlich den großen Einfluß, den die Sagen vom
heiligen Gral, von Zriftan und Iſolde, von Arthur und
Rein auf fi ie ausgelibt haben, Eennen. Britannien wurbe
aber dadurch feiner tapferften Krieger beraubt und konnte um
ſo kihter bald die Beute der Ausländer werben.
Scoten, Peghten und. Sachfen beuntuhigten Britannien
fortwährend, und felbft die gute Verwaltung bed Vicarius
Ehryfantus kam zu ſpaͤt um die Zerrüttung zu heben. Sti⸗
licho fühlte fich anfänglich Erdftig genug der bedrängten Pro-
vinz eine Anzahl römifcher Krieger zu Hülfe zu ſchicken, welche
ihrer Sendung fg gut genügten, daß die Sage ihnen Verſtaͤr⸗
tung des Grenzwalles gegen die Peghten durch eine Mauer
zuſchreibt). Doch der roͤmiſche Feldherr bedurfte bald ſelbſt
ſchrebt Gil das Worte bier nach.) Es iſt nicht zu erſehen, weshalb
Gibbon Cap. 38. Note 136, der fonft jenen Hiſtorikern haͤufig folgt,
fe fir ganz verwirft. ©. aud) Palgrave T. I. p. 382.
1) Die Sage von ber heil. Urfula und den 11,000 Jungfrauen,
Bde, als rieſenhaftes Vorbild ber heutigen’ Frauenauswanderungen' j
ker Colonie jener Krieger nachgefandt wurben, berichtet Tchon Galfrid.
Monmouth. 1. V. fin., nad) welchem die Ankunft vieler derfelben in
kn Rheingegenden ihre Richtigkeit hat. S. auch meine Eleine Schrift
bier Helgoland, Note 17.
9 Gildae hist. c. 12. Dieſe Sage iſt wegen der vielfachen
zu bemerken, welche ſie veranlaſſt hat, da ſie, aufgenommen
it Beda hist. eccl. 1. I. c. 12. und Chronic. ad a. 426, häufig nach⸗
vefhrieben if. Nennius Cap. 24. vereinigt diefe Sage nit ben Altern
ten von ber Dauer durch Kaifer Severus dadurch, daB er hier
tinen neuen Kaifer Severus Il. einfchaltet, welcher eine neue Mauer
von Zinemouth bis Rouvenes (l. Bowneß in Gumberland) erbaut, alfo
bet wo Habrian ben erften Erdwall angelegt hatte. Richard von
Birencefter (de situ Britanniae c. I.) hielt die Mauer gleichfalls für
ab Werk des Stilicho und beruft ſich auf bie Verſe Claudians: de
wdib. Stälichonis: Me (Britanniam) — munivit Stilicho etc.
5 Erſte Abteilung.
aller feines vereinten Kräfte um Italien gegen die Schoaren
u Alarichs zu vertheidigen. Kehrten bie Truppen gleich nach we
nigen Jahren noch einmal nach Britannien zuruͤck, ſo hatte
dennoch das Land bereits neue Verheerungen der celtiſchen
Horden erlitten.
Die roͤmiſchen Legionen auf der Inſel wurden bald dar⸗
auf nach der Beſetzung Galliens durch die Barbaren, Alanen,
Sueven, Vandalen) vom Kaiſer Honorius abgeſchnitten,
welcher fie ihrem Schickſale uͤberlaſſen muſſte. Ein Kaiſer von |
206. Britannien wurde in der Perſon des Marcus erwaͤhlt, der, bald
ermordet, in dem Gratianus, dem Buͤrger einer britiſchen
Municipalſtadt, einen Nachfolger ſeiner Wuͤrde und feines Ge
fhides fand’). Konftantind des Großen Andenken wurde in '
feinem wirklichen ober erwählten Vaterlande nach einem Jahr⸗
hunderte noch fo. fehr geehrt, daß der Beſitz dieſes erlauchten.
Namens, den damals ein niedriger Krieger trug, ihm ben er;
ledigten britifchen Thron werfchaffte ). Die Kräfte jedoch,
welche ibm auch noch die Herrfchaft von Gallien und Hiſpa⸗
nien verfchafften, möchten die durch alte Nachrichten beftätigte
Vermuthung rechtfertigen, daß Abftammung vom Kaifer Con:
ftantin und Gefchlechtsbande mit britifchen Fuͤrſten *) Ienen zu
dieſer Höhe emportrugen. Er Eonnte ſich der Hoffnung bin
geben feine Würde und Macht erblich zu machen, und fen
Sohn Eonftans vertaufchte die Kutte mit dem Diabem °), Ho⸗
norius ſah ſich gezwungen den Conftantin ald Kaifer anzuer
1) Palgrave I. 386. laͤſſt tiefe nach England. heräber bringen,
eine Vermuthung welche fich durch die nur von dem Einfalle in Gal⸗
lien redenden Quellen nicht rechtfertigt. Oroaius L VII. c. 40. und
aus ibm Paul, Diacon, Beda l. I. c. 11.
2) Orosins I. Zosimua.1.VIL. c. 2%. Galfrid Mon —
mouth. I. VI. o. 1.
8) So Drofius, ber hinyufegt: sine merito virtutis. Prospo
Aquit. ad 407. Constantinus in Britannia tyrannus exoritur.
4) Procop. de bello vandalico 1. I. c. 8.
5) Orosius 1. l. Daß er Moͤnch zu Wincheſter geweſen, erzaͤhlt
Galfrid. Monmouth, |. VI. c. 5., dem ſelbſt Singard, hier wie
"an andern Stellen folgend, nicht allen Glauben abfprechen kann, oe”
Im jedoch je angufüpren- —X
\
Britannien vor und unter ben Römern. 59
kamen; boch ber Verrath, feines Begleiters Gerontius, eines
Briten, der den Vater bei Arles, den Sohn bei Vienne töbs
. tete, endete feine glüdliche Laufbahn. Indeß kehrte Britannien
nie mehr in bie vömifche Botmaͤßigkeit ganz zuruͤck, fondern
verblieb unter abtrünnigen Tyrannen oder Gegenkaifern ).
Ein neuer Angriff der Picten und Scoten fcheint einzelne
Briten, zu einer Geſandtſchaft nach. Rom weranlafft zu haben,
welche in Zrauergewanden die Ermordung der römifchen Heer⸗
« führer in dem letzten Aufflande zu beflagen und Verzeihung
fowie Schuß zu erfleben hatte. Es kamen noch einmal römis
fhe Zruppen, um eine Provinz, welche nicht weniges römifches
Eigenthum und Intereſſe enthielt, zu vertheibigen, vielleicht
auch um unter dem Vorwande der Beſtrafung ber Rebellen ber
legten Schäße der Einwohner ſich zu bemächtigen 2); doch nach
Befiegung der Zremben mufften bie römifchen Cohorten zu
dehden in entlegene Gegenden megeilen, nachdem fie Die Bes
feftigungen längs der Grenzmauer und die Wartthürme am
ere hergeſtellt, auch Mufterwaffen und Unterricht dieſelben
zu gebrauchen zurüdgelafien hatten 9.
Dieſe Gabe fruchtete wenig, da die zurucgebliebenen Bri⸗
ten nicht verfianden fie zu gebrauchen, noch weniger jeboh
= Einheit in dem verlaffenen Lande, in welchem jede Stabt und
z. ber Häuptling volllommene Unabhängigkeit fich anmaßte, zum
E, gemeinen Beften herzuftellen. Die zuruͤckgelaſſenen roͤmiſchen
- Beamten wurden aus ber Inſel vertrieben, und ber Kaifer Hos
norius, feiner Schwäche bewuſſt, verzichtete für jett auf deren
„7 Biebereinfestmg und trug ben beitifchen Staaten auf, ihre
—2 betheidigung ſelbſt zu uͤbernehmen *). Doc nuete den Bri⸗
D) So ausdruͤcklich Procop a. a. O.
9) Prosper Tyro ad 409. Hac tempestate prae valitudine
vires funditus attenuatae Britanniae. Xgl. Chron. saxon,
Laß, |
9 Gildas c, 14. Nennius c. 27. Es iſt kein Grund vor⸗
| * mit Beda L. I. c. 12, die verſchibenen Einfaͤlle und Geſandt⸗
af ka vereinfachen zu wollen. -
Sesbung Caͤſars 60 Jahre vor Chr. 6. fest, ſagt, daß die Römer ſeit⸗
411.
Yet 4) Zosimus LVI. c 5. gu 409 u. 210. Hiemit flimmt dufe -
[ fl) genug überein, daß das Chran. saxon. ad 485, welches -bie
60 — Erfte Abtheilung.
fen ihre Freiheit fo wenig, als dem Hofe zu Ravenna die | i
Schlauheit, mit welcher er zu geſtatten fchien, was zu verhin
bern ihm unmöglih war. Die Feinde aus dem Norden be},
Inſel kehrten bald wieder, und die ſchwachen Einwohner waren
weder im Stande ihre Burgen zu vertheidigen noch: ſelbſt den
feindlichen Mordgewehren zu entfliehen. Zu diefer Hülflofigket 1
gefellten ſich Hungersnoth und bie in @uropa damals verbreis |
tete Peft. |
Nur von einem einzigen Stege, welcher bie. ‚feeräubert |,
ſchen Sachſen und die Picten auf Eurze Zeit zuruͤckdraͤngte, ha |
ben wir Kunde erhalten, welcher den Namen des Hallelujafie |
ges führt. Der gallifche Biſchof Germanus von Aurerre, bi {
feiner Anwefenheit in dieſer Infel im Sahre 429 oder fpdten, 1
hatte bie vechtgläubigen Briten zu demſelben angeführt und J
durch die eindringliche Kraft feiner seitlichen Verheiſſunge
geſtarkt ) \%
dem Britannien 470 Jahre hindurch beherrſchten. Ebenſo Bedae hist.
eccles. 1. I. c. 1. u. 1. V. c. 24. ad a, 409. Roma a Gothis fracts,
ex quo tempore Romani in Britannia regnare cessarunt.
1) S. Gildas, der aud) Cap. 18. von diefer Sage zu fpreden
fgeint. Nennius. Beda 1. I. c. 20, wo bie Lesart Saxones gegen
die beften Handfchriften und des Konftantiuß Leben bed St. German .
nicht beftritten werden darf. Auch im Chronicon. gedenkt Beda ber |
Sachſen. Auf diefen Angriff der Sachfen find auch die Nachrichten zu },
beziehen, welche die Sachfen zuerft im 3. 428 in England landen laffen; »
im Appendix II. ad Nennium ed. Gale, wo Felice et Tauro Con- |;
sulibus daſſelbe Jahr, nicht aber das am Rande beigefügte Jahr 401 |,
bezeichnet. Auch fpäter findet fich diefe Angabe. Os ber ny Vorſaͤnger Km
zu Canterbury im elften Jahrhundert, in ber Vita Dunstani, wo er 5
Cap. I. vom Geburtsjahr Dunftans angibt: Regnante Anglorum rege | &
“ Eithelstano, anno quidem imperii eius primo, adventus vero Anglo-
rum in Britanniam quadringentesimo nonagesimo septimo. Die Her; | ar
ausgeber (Acta Sanctorum ed. Papebrock. Maii 19. T. IV. 859, |
Wharton Anglia sacra II. 90 et 94.) haben dieſe Zahl emendirm Ne
wollen und, bad Jahr 449 als dasjenige der Ankunft der Sachſen be
trachtend, Dunftans Geburtsjahr in das Jahr 928 gefegt, was PEN
das vierte Regierungsjahr Äthelſtans ift, theils den Dunften fpäter fo N
jung erſcheinen laͤſſt, daß Wharton a. a. O. 94. ben Osbernus ber *
Lügen bezuͤchtigt. Dieſer aber dachte nicht an das Jahr 449, ſondern
an 428, wornach denn Dunſtan im J. 925 geboren warb, womit auch fs
Britannien por und unter den Römern. 61
och einmal wurde ber römifche Feldherr Aëtius zur Zeit
feines dritten Gonfulates im’ Jahre 446 flehentlich beſandt.
Die Barbaren, fo fagten die Abgeordneten, treiben uns ans
Meer, dad Meer zu den Barbaren; wir werben erwürgt ober
müffen ertrinken). Adtius vermochte nicht zu helfen. Groͤ⸗
fere Hoffnung, beffern Muth bewährte die Geiftlichkeit. Doch
find die Schickſale der chriſtlichen Kirche dieſer fruͤheren Jahr⸗
hunderte in Britannien zu merkwuͤrdig, um nicht einen kurzen
Überblid derſelben zu verlangen. |
Die Einrichtungen der chriftlichen Gemeinden erhielten. fich
in Britannien, wenngleich manche . Gegenden des der Habe
ſucht römifcher Beamten preisgegebenen Landes ben befcheibes
nen Anfprüchen der Geiftlichkeit nicht .zu genügen vermochten.
Drei Briten waren daher die einzigen Bifchöfe. auf dem: Con⸗
clium zu Ariminum im Jahre 359, welche das Anerbieten des
Kaiſers Conflantius annahmen, auf Koften des Staates ihren
Unterhalt zu beziehen. Daß nicht nur Römer in jenem Lande,
fondern auch der Stamm des dortigen Volles dem Chriften«
ihume ergeben waren, erweifet das Vorhandenſein britifcher
,
Chron. saxon. übereinftimmt- und welches Jahr auch das erfte der Res
gierung AÄthelftans ift. Auch in der Recenfion von Nennii historia
Beitann., weldye den Namen des Marcus trägt, werden bie Landungen
= er Sachſen ums Jahr 428 und 447 verwirrt. Im Anfang S. 46 wird
. ar das Jahr der Abfaffung des Werkes genau angegeben, das fünfte,
‚ Regierungsjahe König Cadmunds, nämlih 946 nah) Chr. G., nad)
7; engliſcher und unferer Zeitrechnung, oder 976 nad Chr. ©. nach Reh:
kung der Wallifer, wenn wir von Marcus und Nennius auf biefe
weiter fchlieffen dürfen, welche das Bahr, in welches wir die Geburt
‚ Weißt ſeten, für das der Paffion halten und daher 80 Jahre mehr als
Die feit Chrifti Geburt zählen. S. 62 unterfcheidet Marcus genau,
‚ Jısenes a Gurthargirno suscepti sunt anno 447 post passionem Christi.
FU tempore quo advenerunt primo ad Brythaniam Saxones (nämlid)
W) usque ad hunc in quo scribimus (nämlich 976), annos traditione
Aeiorum 447 didicimus. Cine Zeitrechnung -feit dem Tode Chrifti
dennt nur ſehr felten vor (vgl. Über diefelbe: Ideler Handbuch der
ef Eiemmologie II. 411.), doch auch dann nur ohne das gewdhnlich ange⸗
v zmommene Geburtsjahr zu verruͤcken.
j 1) Gildas. Nennius. Beda und aus, deffen Chronologie
Paul. Diac. 1. XIV. s. Ricard. Corin. Chron. saxon. ad 443.
=
62 | Erſte Abtheilung.
Bibelüberfegungen ). Der Zuſtand des chriftlichen Lebens in
Britannien gibt ſich durch frühen Widerfland gegen Die Lehre }
des Arius, hernach aber durch ſtarke Hinneigung zu biefer He
terodoxie zu erdennen. Die heiligen Stätten in Paldfling,
welche die Britin Helena und ihr Faiferlicher Sohn ausge I
Ihmüdt hatten, wurden bald von ihren Landsleuten befucht,
welchen felbft an der Säule ded Symeon Stylites zu beten I;
als das würdige Ziel gefahrvoller See⸗ und Land Reifen und
das. ficherfte Anrecht auf den Lohn des ewigen Lebens erfchien.
Die Pilger brachten bald die Kunde von den im Orient fid
bildenden Kiöftern zuruͤckk, und das Klofter zu. Bangor ”) bei hr
Chefter ift eine fo alte als denkwuͤrdige Anflalt zu einer in |
dieſem Lande wahrfcheinlicd auf bie Druidenfafte gepfropften
Vereinigung frommer Betrachtung und trabitionellee Weisheit 1
fi) weihender Brüder, welche, obgleich den Einzelnen erfprieß |
Uch, dennoch der Verbreitung und Durchdringung des Chrifien |.
thums wenig nüste und hier fogar ein Erſterben und Vergeſſen
befjelben nicht zu binden vermochte. Den Scharffinn und
die Tuͤchtigkeit britifcher Geifllichen koͤnnen wir aber in ven be |
rühmten Irrthuͤmern bed Briten Morgan, bekannt unter dem |.-
Namen Pelagius, fowie des Scoten Caͤleſtius erkennen, welche
die ganze Chriftenheit lange bewegt haben, und in ihrem Be
terlande durch den Pelagianer Agricola verbreitet, fo flarken I
Eingang fanden, daß die Rechtgläubigen durch Vermittlung |
des nachherigen erften fchottifchen Biſchofs Palladius den Papk |
Coͤleſtinus vermochten den Gerfnanus, Biſchof von Auxerre, und
Lupus, Bifchof von Troyes, hinüber zu fenden ’), um in dffents
licher Diöputation die Gegner (wie die Iutherifche Kirchenrefor⸗ in
mation ähnliche Schaufpiele ſpaͤteren Jahrhunderten wieder dan Mm
geboten hat) zu wiberlegen. Schon ber erſte Verſuch biefer w
Art bewährte, daß die Mehrzahl der neuen Lehre noch nicht
unerfchütterlich ergeben war. Bibelftellen, Reliquien und die
1) Chrysostomi Opp. P. VII. p. 111. ed. Saril.
2) Ban-Gor, magnus circalus iſt eine allgemeine Bezeichnung fir |
Gongregation, Klofter. ©. Gunn historia Britonum preface p. XXI. }-
3) Prosper Aquitan. a.429. Vita 8. Germani a Constantino
presbytero scripta. Vita 8. Lupi.
/
Britannien vor unb unter den Römern. 63
jefchicflichleit, durch welche Germanus den Briten in einem
riege mit den Picten und, Sachfen zu Hülfe Fam, fochten zus
eich gegen Pelagius. Auf einer zweiten Reife im Jahre 446,
elche der obgebachten Sendung der Briten vielleicht voranges-
mgen, gewiß aber mit derſelben in engerm Zufammenhange
eht, begleitete auch Severus, Biſchof von Trier, den Germa⸗
28 nach Britannien, wo fie eine ber legten Aufferungen ber
Imifchen Gewalt in biefem Lande durch die Verbannung der
jelagianer bewirkten ); eine Maßregel, welche die Schwäche
re bald ganz vernichteten religiöfen Überzeugung anbeutete
nd die und ben Verluſt der erften römifchen Provinz an die
eiden burch diefelbe Krankheit dialektifchen Sectengeiftes ers
men laͤſſt, durch welche ein Sahrtaufend fpäter die lebte
fte des ungeheuren Staatenconglomerates gleichfalls die
eute der Ungläubigen wurde.
Dos Schaufpiel welches Britannien jest darbot, iſt eines
er traurigſten, aber zugleich der merkwuͤrdigſten in der Welt⸗
eſchichte. Es war erloͤſet von der Habſucht des roͤmiſchen
rocurators, es war befreiet von dem Übermuthe der Cohor⸗
n ber Caͤſariaden; aber dieſe Freiheit dankte die Nation nicht
rem Muthe und höheren Zrieben. Daher warb Freiheit für
e Schutzlofigkeit, Unabhängigkeit warb Anarchie. So fehr
2 Gefchichtöforfcher fich auch bemüht nachzuweifen, daß das
zerderben jenes Land allmdlig umfpann, baß bie Verwaltung
ich allmälig änderte und die Vorgänge und Anfichten fpäterer
zeit ſchon Vorbilder in der früheren fanden, daß manche fefte
Frundfaͤden fich ſtets erhielten, während nur die Auffere Hülle
vechfelte: fo können wir doch nicht leugnen, daß nie ein Land
6 ſchnell eine gebildete Sprache abwarf, welche vielen Gene
“ienen der Eingebornen, gefchweige den Anſiedlern die Mut:
erſprache geworden war, daß nie die chriftliche Religion fo
hnell und ſpurlos gegen. Heidentbum und Unglauben vers
mfcht ift, daß eine ahnliche politifche und moraliſche Entwürs
igung, wie fie in dem größten Theile ded romanifirten Briten⸗
mdes flattfand, nach fo mancher traurigen Lehre ein uner⸗
liches Raͤthſel fcheint. Dieſes war das beflagendwerthe
1) Bedal. I. Vita S. Germani.
v
64 Erſte Abth. Britan. vor u. unter ben Römern.
Geſchick des Landes, dem die römifche Eroberungsfucht die Nas
tionalitäb zerflört hatte, nach deren Vernichtung es nicht bie
Kräfte zum MWiderflande gegen die rohſten Zeinde behielt. Und
auf diefem Boden follte binnen kurzem ein Volt erfiehen, wels
ches eines der fefteften Bollwerke des Chriftenthumes zu wer:
ben beflimmt war, bald die edelften und weifeflen Herrſcher
hervorbringen ſollte, eine Literatur, wie keine der Zeitgenoſſen
in jenem Jahrhunderte aufweiſet und eine Macht zu erreichen
beſtimmt war, welche nicht nur die uͤbrigen Staaten der neuen
Welt, ſondern auch die des alten Roms weit uͤberflügeln ſollte,
jedoch auch zu häufig das Beiſpiel feiner Vorfahren vergeffend,
der Nationalität von Millionen vernichtend entgegen getreten
iſt und dadurch feiner natürlichen Bundesgenoſſen und Stüßen
ſich beraubt bat.
Zweite Abtheilung
der Ankunft der Angeln und Sachfen bi
r fefteren Vereinigung. der von benjelben
geitifteten Staaten,
anmien war mehrere Jahrzehente nach dem Erfterben -
miſchen Oberherrfchaft die Beute innerer Zwietracht und
Irtiger Feinde gewefen, ald ein in Kent und im füblichen
mien einflußreicher Fuͤrſt, Vortigern, mit feinen Rathgebern,
jeifte vererbter roͤmiſcher Staatöflugheit, den Beſchluß
fih der Hülfe germanifcher Krieger, welche feit Jahr⸗
ten diefem Lande als furchtbare Feinde befannt waren,
ienen/ um feine nördlichen Feinde zu befämpfen. Dies
danke wurde auögeführt, doch benutzten Die beutfchen
inge die Schwäche des Landes, um mit Hülfe nachfols
e Stammgenoffen und Verwandter fich deffelben zu bes
gen; ein Schaufpiel, welches im. folgenden Jahrhundert:
ſelben Weife im: nördlichen Italien durch die von Narſes
nen, den Sachen verwandten und verbündeten Longo⸗
ı fi) wiederholte. Daß die Anwerbung der jütifchen Herz
der Seekoͤnige Horſa und Hengift, welche, aus ihrem Va⸗
be verbannt, eine neue Heimat fih zu erfämpfen gezwun⸗
Jaren '), weder ein fo auffallender Schritt, noch die Zahl
) Die Verbannung berichtet nicht nur Galfrid, ſondern auch
ins. Beda gedenkt nur der Einladung, und Wittekind bes
ausführlich, von einer Geſandtſchaft der Briten an die Sachfen
bt deren Rebe wieder, wegen des Weitern auf eine historia An-
axonum fich bezichend.
penberg’s Geſchichte Englands I. 5
66 3weite Abtheilung.
ihrer Gefolgſchaft auf ihren drei Cyulen) bedeutend. war, ers}
hellt aus dem Dunkel, welches die Geſchichte Englands in den |
naͤchſten nach und den ihrer Ankunft vorhergehenden Jahrzehen⸗
ten umhuͤllt, ſowie aus den fabelhaften Sagen, mit welchen, |
wenngleich Gildas Cormac fowie der Angelfachfe Beda fie I;
nicht Fennen, von den fpdtern woalififchen Schriftftellern dieſe
Jahre auögefüllt. find, fobald die‘ fodter era Michtigkeit M
der Sachfen auf den britifchen Inſeln die Phanta e erfolgreiche \
als das Gedaͤchtniß aufregte. |
. Hengift, berichtet die britifche Sage, nachdem ſeine Schaar
die fruchtbare?) und durch ihre.ben Themſeſttrom beberefchende I
Lage wichtige Infel Ruithina (Ruim), von den Angelfachlen |
Thanet genannt); nach Weife der Dido mit einer Haut ge
mefjen oder richtiger nad) römifcher Sitte zum Solde ange
wiefen erhalten hatte, holte neue Bundesgenoſſen aus feinem
Baterkande, fowie auch, jenen Sohn Ochta, den Sohn hei
Horfa, Abifa*), und feine - wegen. ihrer. Schönpeit hedee:
priefene Schweſter Rowenna. Der Britenfuͤrſt Vonigern, be
einem Gelage der durch ihre Schlemmerei und Trinkſucht in
| ben Schilderungen jener Bet berufenen Saar erhielt von
1). Gildas c. 23. cyulis i. e. nayibus long, der Kiel. iſt kei
ung nur ein Zheil bes Schiffes 3 doch bedeutete er noch das Ganze, als
die Stadt Kiel Namen und Wappen von demſelben erhielt. Lange Boͤte
heiſſen auf der Eibe noch Joͤllen und fübren den alten Nuͤmen gleichfals
auf den northumbriſchen Fluͤſſen.
2) Felix Tanet sua fecunditate — Insula arridens bona rerum
copia, regni flog et thalamüs, amenitate, gratia, in qua tsnguam!
quodam elysio ete. conf, Jocelinum de vita Milburgae. Eund.devita: |
s,Augustini apud. Leland,.collectau. Volk II. p. 170. Vol, IV. p. 8.
3) Der britifhe Name diefer Infel, welcher noch im Jahre 692.
urkundlich (Thorne p- 2234) vorkoͤmmt, beweiſt, neben andern Ber
legen, daß in Kent bie britiſche Sprache von der. Tönifchen : nicht
verdrängt war. Die’Isle of Thanet bezeugt, wie fehr die Geffält der -
Küfte fi verändert hat, da fie ſchon lange, nur noch durch ten ge⸗
ringfügigen Wantfum River vom feften Lande getrennt, bie öftliche
Spitze beffelben, durch die wage, von Margate und Ramegate bezeich
net, bildet., - - a
4) Von einer‘ (oätern Sage über dieſe beiden Namen wird hernach
bei der Gruͤndung von den Relchen in Rorthumberland die Rede fein.
>
Bon Mitte des’ 8. bis Ende bes 8. Jahrh. 67
he ben gefüllten goldnen Becher mit dem altbeutfchen Gruße
Naes heil und lernte die Erwieberung Drinc heil'). Vor⸗
gern vergaß jebe Beruͤckſichtigung des Ehriſtenthums, zu dem
e fich Aufferlich bekannte, und von Wein und Liebe entbrannt,
cklaͤrte er bie fchöne Zütin fir fein Gemahl, welche der Bruder
dengift ihm gegen Abtretung ‚der bamald von einem Unters .
Önige bes Bretwalden Bortigern, Gnoirangon?), ſchlecht verwal⸗
eten Provinz Kent geftattete. Seine Unterthamen fahen mit Uns
nuth bie Parteilichkeit, zu welcher ihr König fuͤr die Fremdlinge
urch diefes Verhältniß veranlafft war, und festen deffen Sohn
dortimir auf den Thron. Hengifl, der viele Landsleute, 300,000
igt Galfrid, nach Britannien berufen hatte, unter dem Vorwande,
ie Peghtenmauer gegen die Scoten zu vertheidigen, und dieſe
mach ſich verbuͤndete, wurde durch Vortimirs ſiegreiche Waf⸗
na, welche auch den Horſa toͤdteten, in drei Schlachten am
darenchfluſſe, zu Aylesford am Medway?) und Folkftone *)
wefiegt, wieder auf. einige Jahre vertrieben, doch von ſeinem
Schwiegervater zurücdgerufen, als biefer, nachdem Rowenna
veffen Sohn vergiftet, hatte, wieder den britifchen Thron bes
tig. Da ihm aber die früperen Befigungen von den Briten
yerweigert wurden, fo warb eine Berathung von 300 Sachfen
nit einer gleichen Anzahl jener veranftaltet, wo auf das Bes
ehlwort des Hengiſt, Nimedeure seaxes, die Seinigen die
umwejenden Gegner mit ihren verfledt gehaltenen langen Meſ⸗
1) &. über denſelben von Arx gu Monum. germ. hist U. Schon
Balfrid von Monmouth leitet von jener Begebenheit die damals
und noch heute bei den Engländern übliche .Silte des gegenfeitigen Zus
trinkens zwiſchen zwei Zifchgenoffen her.
2) Nennius c. 37. Geryngus bei Will. Malmeab. LI.
e1 Wir würden dergleichen Eleinere und nicht immer durch bie ältes .
Bea Quellen beglaubigte, doch deshalb nicht verwerflihe, Nachrichten
Hi übergehen, wenn nicht felbft Zurner, der es am wenigften durfte,
ſe Überfehen Hätte. |
‚9 Nennius c. 46. fagt Episforb. Für obige Lesart des Chron.
saxen, ſpricht die Tradition, welche das in ben Kirchſpielen Aylsford
beiegene altbritifche Denkmal, jegt Kitfcotyhoufe genannt, für das
Gh des Catigern erklaͤrt.
4) Fuͤr lapis tituli super ripam gallici .maris bei Nennius
ſcheint mit Somner und Stillingfleet zu lefen: lapis populi,
£ 5%
68 2::.° Bmeite Abtheitung.:..
fen ermordeten). - Das Loͤfegeld für Vortigern war eine
Dreizahl von Staaten, Suſſer, Eſſer und Middleſſer, welche
Wbengiſt und nach ihm fein Sohn Ochta beherfchtem ). :
8m ‚diefer. Erzählung, wie diejenigen Schtiftfteller fie ges
ben welche die britifchen Sagen verzeichnet haben, koͤnnen wir
die verfchiedenen Elemente nicht verkennen, aus denen fie ge:
bildet if. Die Dreizahl der Druidenreligion und der britifchen
Didtung gibt .die Grundnorm und das Maß, nach weldem
alle Begebenheiten, ohne auch nur eine chronologifche Andeutung
hinzuzufügen, zugefchnitten werden. Britifche . Gefchichtötradt:
tion, römifche Sage werben vermengt und aufgeſtutzt, und bie
altfächfiiche Sage von ber Liſt und der Tapferkeit, mit welcher
die Sachſen einft in Hadeln landeten und Thuͤringens fich bes
maͤchtigt, Land gekauft und Eimvohner ‚mit ihren Meflen er⸗
‚ftochen haben follen ?), werden hier wieder in ihr Schuldbuch
von den Briten gefchrieben. Die wichtigfte Behauptung in
jeher Erzählung ift jedoch die unmahrfte, diejenige nämlich,
‚daß -Hengift die obengenannten drei Staaten erhalten: habe,
welche nie an ihn fondern an. andere germanifche Heerführer
und zum Theil erft in fpdteren Jahren gefallen find. a
Bei der auffallenden Unhaltbarkeit jener Traditionen muͤſ⸗
fen wir uns um fo eifriger nach den Nachrichten der Einwar
derer felbft über ihre erfte Eroberung umfehen. Wir finden diefe
beim Beda, welcher jedoch nur fehr wenige Umftände uͤber die Be
gebenheit eigenthümlich berichtet, fondern größtentheils dem |
Gildas Cormac wörtlich nachfchreibend beide ‚Sagen ver |
mifcht*), und in den angelfächfiihen Chroniken in ihren ver __
fchiedenen Zerten, unter denen derjenige beim Kenny von -
Huntingbon bier durch größere Ausführlichfeit anziehend
1) Edward Davies Hat in feiner” Mythology and Rites of the
british Druids in dem Godobin des Aneurin, eines welfchen Barı
den bes fechsten Jahrhunderts, eine Darftellung dieſer Begebenheit fir
den wollen. Turners Widerlegung B. III. Cap. 4. ift ſehr gene
gend, wenngleich feine eigene Deutung nicht viel weniger willfürid
erſcheint. |
2) Nennius c, 48, Galfrid. Monmouth.
8) Bon den fächfifchen Stammfagen fiche weiter unfen.
9 Bedal, I. c. 15, 16 et 22. aus Gildas c. 23. 5.24 et %. ,
N
Kenn
— — —
Bon Mitteides 3 bis Enbo 536.8. Jahrh. 60
t.: Da: dieſe Nachrichten. befonders: durch. beflimmmte chronblo⸗
iſche Angaben: fi; auszeichnen, ſo follte die erfte Frage ber
zeſchichtforſchung fein, -- auf welcher: Zeitrechnung : dieſelben
eruht haben, ehe die chriſtlichen Schriftſteller, durch welche
iir dieſelben kennen, fie nach dem julianiſchen Kalender und
er. chriſtlichen Ära berechneten. Britannien kann in der letzten
Jälfte des fünften Jahrhundertes nicht Iänger nach römifchen
sonfules :und Kaifern feine Jahre gezählt haben; bie Zeitrech⸗
ung nach Chriſti Geburt, von Dionyſius dem Kleinen erſt im
:chfien Jahrhunderte in Anwendung gebracht, konnte in kei⸗
em Falle vor dem Schluſſe deſſelben, nach der erſten Bekeh⸗
ing eines angelſaͤchſiſchen Herrſchers und vermuthlich doch erſt
3 mehrerer Verbreitung der chriſtlichen Religion, in Anwen⸗
mg gebracht werden. Über die Beitrechnung welche die
zachſen nach ‚Britannien gebracht haben, willen wir faum
ehr, als daß fie nach Mondjahren zählten und daß fie ihr
jahr, welches wie einft das. roͤmiſche) nur aus zehn Monas .
en, für welche fie allein Namen hatten, beftand, durch Hin:
ufligung von zwei neuen Monaten fowie eines. Schaltmonates
ur Zeit der Annahme des chrifllich=römifchen Kalenderd vers .
uehrten ). Wir werden daher bei der Würdigung von chrono⸗
giſchen Angaben und Allem was von- benfelben abhängt, die
nere Slaubwürdigkeit diefee Nachrichten um ſo ‚mehr berüd-
tigen müffen, da wir für einen Zeitraum von beinahe ans
ertbalb Sahrhunderten Feine zuverläffige Geſchichtzauele der
ſeidniſchen Angelſachſen anzugeben wiſſen.
Die angelſaͤchfiſchen Nachrichten werden uns von den
Shroniften in folgenden Worten gegeben. Im Jahre 449
surden die Athelinge der Angeln’). oder Sachen von Vorti⸗
Henric. Huntend. fchreibt wieder dem Beda nah, mit Einſchal⸗
ung der Nachrichten, welche ſich im Weſentlichen auch in Chron. saxon.
La. finden. Die Stellen welche Heinrich dem Beda nachſchreibt,
Eſſen ſorgfaͤltig von dem Übrigen ausgeſchieden werden, wenn bie von
a gegebene Anficht richtig aufgefafft werben fol.
1) &. Idelers Chronologie und Niebuhrs roͤmiſche Geſchichte.
2) ©. Beda de temp. ratione, ertrahirt bei Leibnitz script.
x. brunsvic. T. I.
9 S. Chron. saxon. a. 443, welches vieleicht einer andern Nach:
l
\
. 00 nt Zweite Adtheilung..:.
gen, Könige ber Briten, zu Huͤlfe gegen bie Pieter und
Scoten gerufen, welche auf drei Cyulen ımter ihren Fuͤhrern
Hengift und Horfa, den Söhnen bed Wictgilö, eines Urenkels
des Wodan, der in fechfter Zeugung von Gott abflamımte, zu
Yproinesfleet.') in Kent landeten. Die Picten und Scoten
waren fchon bis Stamford im Süben von Lincolnfhire vorge
drungen. Die Einen fämpften unerfchütterlich mit Wurffpieffen
und Lanzen, die Andern mit Streitärten und langen Schwers
—
tern; die Picten vermoͤgen ſolcher Kraft nicht zu widerſtehen
und ſuchen in der Flucht ihr Heil”). Die ſiegreichen Sachſen
triumphiren uber den Feind wohin fie dringen und bemaͤchti⸗
gen fich der Beute. Die Fremden berichten ihren Landsleuten
in Sachen von der Fruchtbarkeit diefer Infel und der Schlaff:
beit: der Einwohner, worauf. fogleich eine größere Flotte von
fechözehn Segeln eine größere Anzahl von Kriegen hinuͤber⸗
bringt, weiche die vorangegangene Schaar zu einem unbeſieg⸗
baren Heere machte. Es werden ihnen fefle Wohnfige von
den Briten als Gefchent und: Sold' fire bie fernere Vertheidi⸗
gung Britanniens “angewiefen, nach Berfchiedenheit ber brei
Stämme, der Züten in Kent, dee Sachſen in Wefjer und
Effer, der Angeln nordwaͤrts. Die Sage von der Rowenns
wird bier nur als britiſchen Quellen ‚angehörig aufgeführt ?).
Beda berichtet ferner, daß Horfa in einem Treffen mit ben
Briten gefallen und fein Denkmal noch im öfllihen Kent zu
ſehen fei; darauf die Sachen in vermehrter Anzahl nach. Bri⸗
tannien gefommen und ein Buͤndniß mit den Picten*) einge
sicht folgt, wenn es die Einlabung an bie Angeln in das Jahr 443
ober ein nächfifolgendes fest. -
-- 1) Chron. saxon., welches im übrigen an biefen Stellen den Beda
J. 15. nur uͤberſetzt. Ethelweard, p. 834,
2) Henr. Huntend.
- 8) Henr. Hunt. dicitur a quibusdam. ®gl. Nennius c. &.
‚und über bie bei Heinrich folgende Nachricht Denfelben Gap. 51.
4) Diefe Nachricht Bedas findet fich nicht. bei Gil das und
Nennius, welche fie zu berichten fchiverlich verfehlt Hätten, ſondern
u beruht: wahrfcheinlich nur auf einem feiner Misverſtaͤndniſſe des Gil das.
Diefer fagt: Saxones testantur se cuncta insulae rvpto föedere (se.
cum Yordigemo inito) depopulaturos.
Von Mitte des 3. bis Ende des 8. Jahrh. 71
angen ſeien. Ergibt darauf nur noch einige Worte des Gildas
ber die Kaͤmpfe des Ambroſiub Aurelianus mit den Sachſen
nd geht ſogleich zu det, durch einen jener unbegreiflichen, aber
ei dem würdigen: Wanne nicht ganz Teltenen Misverſtaͤndniſſe,
das Bahr 492. gefegten Schlacht bei Bath über. Noch
ennt er bei.einee ſpaͤteren Veranlaffung den Sohn: des Hen⸗
ft, Erich, mit dem Beinamen Dife (Aſc), von welchem ber
migihe Stamm in Kent derjenige ber Aſcingen genannt ward.
Ne übrigen Sagen, welche wir gleich verzeichnen werben, was
m ihm alfo unbekannt oder fchienen ihm werthlos.
In emer Schlacht, worin Ambrofius Aurelianus, ein Dur. |
mifcher Abſtanimung, mit zwei Söhnen bed Vortigern, Gor:
ner und @atigern, drei Schaaren anführte, gingen Horfa und
engiſt, obgleich vicl geringer an Mannfchaft, Jeder mit einer
haar, jenem mit hoher Kühnheit entgegen. Dieſes Treffen
an mit dem von den Briten ‚Ohne nähere Umflände ange⸗
ihrten bei Dermwent ibentifch fein. : Im fechöten. oder fiebenten
ahre nach der Ankunft der Sachſen ereignete ſich die Schlacht
ri Ägelesthrep. Gleich zu Anfange ſchlug Horla die. Schaar
es Gatigern mit folher Kraft, dab fie wie Staub auseinan>
erfliegend zerfchmettert wurde, und hieb den Sohn des Kb: .
98 zu Boden. Deſſen Bruder Sortimer aber, ein fehr tapfe⸗
e Mann, brath von der Seite in die Schlachtorbnung des
orſa und- tödtete den Helden. Die-Überbleibfel von Horfas
aar fllichteten zu Hengiſt, welcher mit der keilfoͤrmigen Schlacht
tonung des Ambrofius unbefiegt focht. Da nunmehr bie.
anze Laft des Kampfes auf Hengift. fiel und auch der tapfere
dortimer ihm drängte, fo muſſte er nach langem Widerflande,
nit großem Berlufte der Briten befiegt, er der nie geflohen
vor, fliehen. Diefes Treffen, des Namens wegen für die zweite
on Nennius erwähnte Schlacht gehalten, flimmt den Folgen
ah aber mehr mit der dritten und legten von ihm genannten.
Im achten Jahre nach der Ankunft der Germanen führ⸗
en die Briten vier große Heereshaufen unter vier tapfern An⸗
ührern zu Crayford in Kent gegen Hengiſt und ſeinen Sohn
Ik. Doch als die Briten dad Kriegsſpiel begannen, widerſtan⸗
en fie den Sachfen fchlecht, welche durch neuerlich angelangte; _
uerwählte Männer verftärkt mit ihren Streitärten und Schwer⸗
| 1.0.7 Biesiie Abtheilung .:...
tern bie. Leiber der Briten furchtber fpalteten und nicht den
Kampf aufgaben, bis fie.4000 Briten '). jener vier Anführer
geſchlagen und niedergemegelt exblickten. Die Briten flohen
vol Sagen nach London und wagten ‚nie wieber Kent. eines
Kampfes halber zu betzeten, Die Afcingen, Hengiſt und Erich,
begannen nunmehr in Kent den Koͤnigstitel zu, führen ?).
Acht Jahre fpäter,, im Jahre 465, verfammelten. Hengifl
und Aſc ein unbeſiegbares Heer, gegen welches ganz Briten⸗
land in zwölf herrlichen Schlachtordnungen aufgeſtelit wurde.
Man kaͤmpfte lange und lebhaft, bis Hengiſt die zwoͤlf britiſchen
Heerfuͤhrer erfchlug, ihre „Heerzeihen nahm und die beſtuͤrzten
Schaaren in die Flucht trieb. Aber auch Hengiſt verlor unter
vielen angeſehnen Fuͤhrern -und Stammgenoſſen feinen edlen,
tapfern Degen (Than, thegn) Wypped, von welchem das
Schlachtfeld, welches wir nach der obigen Nachricht nicht in
Kent ſuchen duͤrfen, ſeinen Namen Wyppedesfleth erhielt. An
dieſen Sieg knuͤpften ſich daher ſo viele Thraͤnen und Schmerz,
daß beide Voͤlker ihre Grenze geraume Zeit hindurch nicht zu
uͤberſchreiten wagten.
Wieder nach acht Jahren, im Jahre 473, erkaͤmpften
Hengiſt und Aſc einen neuen Sieg über die Briten; der Name
des Schlachtfeldes ’ift vergeſſen; jene machten unzählige Beute,
und biefe flohen vor ihnen wie vor dem Feuer’). .
Im vierzigſten Jahre nach feiner. Anfunft ‚ober: zweimal ”
acht Jahre mach ber legten Schlacht far bengin * und nach
9» Ethelweard, p. 881.
‘2) Henr, Huntend, Chron. saxon. ad 455 u. 487. ſtimnt uͤber⸗
ein und weicht auch ruͤckſichtlich des Regierungsantrittes nicht ab, da
es an der erſtern Stelle ſagt: aefter tham Hengest feng to rice and
. Aesc his sune. Doc ann man, auch wenn Horfa als ber ältere
Bruber angefehen ‚wird, dies frühere Sahr als das feiner Herrſchaft
über die Sachſen anfehen. Was Kent betrifft, ſo iſt kein Widerſpruh
vorhanden.
3) Chron. saxon. a. 473.
4) Henr. Hunt. Auffallend wirb unſere Anſicht beſtaͤtigt, öl
rend das lange Überfehen berfelben ſich cher erflärt daburch, daß der
hriftliche Ehronolog im Klofter zu Pelerborough, oder wem fonft wir die he
Zahreszahlen der angelſaͤchſiſchen Chronik verdanken, hier, anflatt den \
’ J
Bon Mitte des 5. ſia Ende has 8. Jahrh. FE
3 herrſchte ſeine Koͤnigreiche durch bie. Koͤnigreiche der Bri⸗
vermebrens der Stammavater der Dynaſtie ber Äſcingen,
ich genannt Äſc,vier und zwanzig Jahre, bis zu dem Ende
achten Kreiſes von. acht Jahren nach. der. Ankunft. der
rmanen in England. Die Geſchichte Kents bietet: bierauf
chrend der folgenden achtzig Jahre keine chronologiſche An⸗
be dar and hat uns überhaupt nur die Namen der erſten
singen, deren Namen fo auffallend: an. die Götterburgen,, das
derrheiniſche Afsiburgum (Efchenburg) und das norpiſche
zart mahnen, nämlih Ocha oder Dchta, Sohn des Erich
:, und Ermeric, Sohn oder. Bruder des Ocha, erhalten,
it dem Jahre 568 wird ims- Äthelbert genannt, der darauf
Sabre, fowie feine Nachfolger Eadbald und Eareonbert
7 24. Fahre regierte. Ä
Die große Wichtigkeit, welche die Eroberungen des Hen⸗
; in der Geſchichte Englands haben, muß und rechtfertigen,
an bier der Werth der. vorftehenden Nachrichten :noch näher
Autert wird. Bunächft das Jahr der Landung, welches ſpaͤ⸗
ce angelfähfifche. Chroniten auf dad Jahr 449 fegen. Der
tere Beda' drüdt ſich zu drei verichievenen Malen nur da⸗
n aus, daß die erfte Landung der. Sachen innerhalb der
benjährigen Regierung des Marcianus und Valentinianus
ttgefunden habe '), deren Anfang er auf dad Sahr 449. oder’
9 ſetzt; das richtige Jahr ift. bekanntlich. 450. Bei diefer
neuchtenden Ungenauigkeit der englifchen Nachrichten wird
ie wie es fcheint bisher uͤberſehene Angabe des älteren und
oft gleichzeitigen. Profper Tyro fehr wichtig, welcher verzeihe
et bat, daß Britannien beveitd im Jahre 441 in die Herr .,
haft der Sachſen gerieth * Mit dieſem Jahre koͤnnte viel⸗
Ich von Hengiſt in das Jahr 489 zu ſetzen, fuͤr den Unterſchied des
achſiſchen Mondenjahres und des Sonnenjahres pedantiſch richtig ein
Jahr abzog und das Jahr 488 niederſchrieb. Andere ſcheinen dieſes Jahr
am Sohne wieder zugelegt zu haben.
1) &. in der Histor. 1. I. c. 15. 1. V. c. 24. quorum tempora. _—
Osenicon ad a. 459.
2) Britanniae usque ad hoc tempus 'variis cladibus eventibuscue
aceratas in ditionem Saxonum rediguntur. Prosper Tyro ad a.
4. ud Canisium lect. antiquae.. T.d.:
⸗ .
Mn gelte As theituns:. n284
leicht ſchon die bei dem: bamals:th Gallien verweilenden Acuus
Huͤlfe fuchende Sefandtfchaft der Briten ih Werbindung ge⸗
bracht. werden. Doch Beda felbft an andern: Beten feines
Werkes, wo er die Zeitrechnung mit ‘größter Weflinmiheit an:
gibt, bezeichnet dafetbft für die Landung der Angeln und. Sa:
ſen ein anderes Jahr, naͤmlich dasjenige des dritten Conſula⸗
tes des Astius, das Jahr 446 '). Beda, deſſen gtellet Mangel
an hiſtoriſcher Kritik noch nicht gehoͤtig gewindigt iſt, folgte
bei ter einen Angabe den kenter Nachrichten, in der andern
nordenglifchen Quellen, welche beide ‘für ihre Gegend richtig
fein mögen. Auf jene und noch bazu misderſtandene: Angabe
Bedas haben die fpätern Chroniten ben Anfang ihrer ſaͤchſi⸗
ſchen Ara gebaut. a
Die Vorliebe für die durchaus irrige Zahl deö Jahres 449
möchte vielleicht amd der Nachricht zu erklären fein, daß, wie
die erften germanifchen Könige In den Reichen: in Britannien
vierzig Jahre herrſchten, fo auch) feit dem Abzuge ter Roͤmer
bis zur Ankunft der Sachen ein Zeitraum von vierzig Jahren
vorbergegangen fei?). Da jener Zeitpunct in römifchen Chros
niken geſucht werben muſſte, für welchen diefe ſowie Beda
das Jahr 409 angeben, fo smäffte für den. andern das Jahr
449 feſtgeſetzt werden. Die aͤlteſten angelſaͤchfiſchen Chronolo⸗
gen berechneten die Jahre nach der Ankunft der Sachſen, und
wir haben ed aus der wechjelnden Annahme, bald des Jahres
445 bald 449 zu erklären, weshalb die verfchiedenen' Zeitans
gaben der dlteften Annalen grade ftetö um vier Jahre abwei:
chen ). Daß indeſſen auch noch in nicht ſeht fpäten Jahr⸗
1) Lib. V. e. 23. Anno adventus Anglorum in Britanniam cir-
citer 285, Dominicae autem Incarnationis anno 731. Lib. I. c. 33,
Anno XIV ejusdem principie Mauricii h. e. anno (696) adventus vero |
Anglorum in Britanniam circiter 150, Vgl. auh LIT. e. 14. Die |
kurze Chronologie des northumbrifchen Klofters Wearmouth vom Jahre
737 feße die Ankunft der Angeln vor 292, alfo ins Jahr 445. ©. dies
ſelbe in Wanleys catalog. Mss. in Hickes thesaur. T. IH. p. 283. !
' 2) ©. Nennius c. 38., werin er auch die Genealogie von Hors
und Hengiſt gibt. >
5) S. auch die Annales juvavienses maiores, wo Ethelberts von
Kent Zobesjaht beim Jahre 670 angezeichnet iſt, als welches gewdhnn |
Bon Mitte bes:5. bis Embe des 8. Jahrh. 75
nderten «fich die Angabe bed Jahres 428 als besfenigen
: Landung: ber Sacfen. in England dei Schriftfiellern vor
bet, ift eben’): ſchon weiter’ ausgeführt worden, und es darf
ber bier nur mit biefen wenigen. Worten daran erinnert wers
a. Bir: Jaben m unferer Erzaͤhlung ben bisher ganz. über
yenen Umflanb bemerklich zu machen um bemüht, wie bie
egebenheiten in der Gage von den Aſcingen oder den Stife
m des Königreichd Kent in einem: achtmal wiederholten Kreids
ufe von acht Jahren ſich bewegen. . Verriethen nicht fo viele
chteriſche und darſtellende Züge, welcher poetifchen Quelle. bie
Eenen Chroniften ihre Darftellung entlehnt haben, fo muff⸗
a jene Zahlen ſchon den Verdacht: weden, baß bei einem
olfe, welches Feine ‚älteren Zeitbeſtimmungen feiner Gefchichte
fbewahrt hat, deſſen in der zehnten : oder zwölften Zeugung .
on zu bem erften Urheber ver Welt zurüdiführende Stamm⸗
ume ein gar kurzes geſchichtliches Gedaͤchtniß Fund geben,
ie auch. hier in den gegebenen Zahlen nur bie willkuͤrlich von
m -Scalden gemiachten Abfchnitte feiner auf einigen bigoci.
hen Sagen beruhenden Dichtung beſitzen.
So wenig nun auch von altſaͤchſiſchen Sagen durch bie
iteratur der .chriftlichen Angelfachfen auf und gelangt. iſt, fe
figen wir dennoch zwei Gedichte, in welchen. Hengift als der
egenftand derfelben erfcheint: das eine genannt die Schlacht
i Sinmsbury ?), das andere eine Epifode in dem älteften. vor⸗
mdenen Nationalepos des germanifchen Europa, im Beo⸗
if’). Wir werben alfo nicht überrafeht fein, wenn wir von
‚6 angenommen wird; während nach ber entgegengefeäten Rechnung
qelbſt das Todesjahr des Biſchoſs von Lindesfarne Finnan auf 653 ſtatt
32 gefist wird. Eine ähnliche Verwirrung findet ſich auch bei dem To⸗
Bjahre des Königs Penda von Mercia, welches, gewöhnlich beim Jahre
# angegeben, von ber. wan leyſchen Chrerit in das Sape 6 658 ge⸗
kt wirb.
)e. ©. 69. Note 8,
2%) Ein Fragment deffelben f. bet Hickes thes. T. I. p. ff}
Rit Iateinifcher und englifcher Überfegung in W. Conybeare Illu-
trations p. 173— 182. Dintfh von Grundtvig in ber Einkeitung
u feiner Überfegung:.Beomulfs Drape.
3) In Thorkelins Ausgabe ©, 83 fo. Der Grrantgeer Hat
276 Me RR Abtheitung.
Bebichten über fein denkwuͤrdigſte That, von. heibnifchen Yu
gelfachfen in dem erſten Jahrhunderte. noch Bemfelben gefuingen,
vernehmen ') imd much: in der .Gefchichte der ſpuͤter gegruͤnde⸗
ten -angelfächfifchen ‚Reiche manche. Spur dichteriſcher Auffaffung
in. den:bei den Chroniken aufbewahrten Fragmenten entdeckemn
Ob die Zahl acht nur vie Eintheilung. war,: welche durch
bie ‚oteleicht:- hiftexifchen Bahlen 40 oder. 64 ‚gegeben wurde,
ober .ob ‚eine ‚andere .aftronomifche Deutung oder etwa ein My |
thos berfelben gu Grunde liege, ‚vermögen wir nicht: zu ents
hüllen.. Daß aſtronomiſche Sagen den Sachen: nicht fremd
waren, erfehen wir aus ihrer Stammfage‘, in. welcher die An:
zahl der: 354: Schiffe, mit. welchen. ihre Vorfahren aus dem
. Rande . dei Sonnenaufganges auswanderten, derjenigen. ber
Tage bes: Mionpjahres entipricht. Die Ashtzahl finden wir m
der bei: den Angelſachſen und Irlaͤndern gewöhnlichen Einthei⸗
lung ber 24 Stunden von einem Morgen: zum andern ); welche
- acht. Wachen auf. der See noch heute im Gebrauche der Schiffs
leute. vorhanden. :, Sowie zu Rom der Kreislauf von act
Tagen erſt durch die jlidifch = chriflliche Woche von fieben To
gen verdrängt wurde, fo deuten germanifcher . und nordiſcher
Sprachgebrauch auf eine ähnliche Zeitrechnung. im heidniſchen
Norden’). Jene Zahl erinnert ung ferner an bie Octoetairis
jedoch den fünfmaf dort vortommenben Nomen des vengiſt ſtets mis⸗
zuverſtehen gewuſſt.
1) Es iſt hier vielleicht nicht ganz der Ort zu bemerken, daß in
Buͤſchings Volksliedern ein Kinderlied fich findet, welches auf die
Einwanderungen ber Sachſen in’ England gedeutet wird. Auffallend if
darin bie Erwähnung der altfächfifhen Waffe, der großen Meffr.
2) ©. Thorkelin in den Addendis zum Beowulf. A. BS. Ur
tas. Isl. Ottor. Die Ucht bedeutet noch im nördlichen Deutfchland di
Morgen, im Dsnabrüdifchen aber auch bie Abend: Dämmerung. Gi.
hen und Römer hatten bekanntlich gleichfalls dreiftündige Nachtwa
Letztere follen eine ähnliche Eintheilung auch für den natürlichen u -
befeffen haben. S. Idelers Handbuh ber Chronologie. Ingram.
zum Saxon Chronicle ad 795, wo bie Mondfiaſterniß angegeben wird: iz
Cetwux hancred and dagunge.. a
3) Die Engländer fagen: in eight days, wie die Deutſchen, gr
zoſen u. A. ©. auch Grimms Rechtsalterthuͤmet. G. 215. de
Römer ſ. Ideler g. a. DH, ©. 136. Eine Varligbe für die ;
1
Bon Mit tus 5. URRIERdE 618-8. Jahrh. 7?
r Griechen, welche in ihren Spieien und: andern Anorbiun:
a derſelben fo ſehr bervortratz:und wenn. wir in ben Volks⸗
auben des Mittelalters ſo häufig den Nachhall alter Ges
pe und des Glaubens finden und lektern wohl am wenigs
m in- den "Sagen der Aſtrologen jener Bet vermiffen duͤrfen,
‚ müffen wir noch an ben :dem großen. Kepler fogar ‚merk
uͤrdigen Eyclus von achtmal acht Jahrhunderten erinnem,
on denen 4000 Jahre der alten Welt gehörten und 2400 ber
mern beftimmt find. Selbft der Name bed Sohnes ober
Iruders und Enkels von Hengiſt, Ochta, koͤnnte mit jener
ahl gleichbedeutend erſcheinen.
Hat die Betrachtung ber abgezirkelten Zeitrechnung. der
errfchaft ber Aſcingen und daran erinnert, wie mancher Jahr⸗
inderte Geſchichte ein ſpaͤteres Werk von Menſchenhaͤnden iſt,
werben wir auch gegen das Daſein des erſten Stifters jenes
jefchlechtes in Kent manchen Zweifel nicht ganz unterbrüchent
Innen. Unter den Gründen, welche gegen die hiſtoriſche
ireue ben Überlieferungen von Hengiſt und Horſa fprechen,
tetet fich zundchft der wenngleich nicht: unerhoͤrte, doch auſſer⸗
alb aͤhnlicher poetiſcher Volksſagen ſeltene Umſtand dar, daß
wei Heerführer zugleih an der. Spige einer Gefolgſchaft ſte⸗
an. Beda gibt die Nachricht / von den: beiden Bruͤbern nur
ls eine Sage). Ihre gleichbedeutenden Namen find noch
uffallender?) und man hat fie ſowohl auf die von den Deuts
acht in Berichtäinftitutionen war vielleicht bei den Juͤten vorherrfchend,
wo wir acht Sandemaendb und zuweilen ebenfo viel Geſchworne finden.
Ein Vorherrſchen der Zahl acht in den angelfächfifchen Gegen laͤſſt fh
uidt behaupten; doch fehlt fie nit. 3. B. Geſch. Älfreds Gap. 40.
den Wundenbußen. Vgl. Aethelstani g. IL: 1. Diebſtahl if
Be Pfennige. Foedus Aethelredi et. Danorum art, 5, Gries
ch iſt, wenn acht Menſchen erſchlagen werden. Die Zahl vierzig
aſcheiat vielleicht am wichtigſten, wo vierzig Hyden Landes zum Begriff
bp hoͤchſten Adels (proceres) gerechnet werden. Histor. Elieon. II. 40,
. DBedal.l.c. 15.
2) DOrs ift noch in den beutfchen Gedichten und Geſchichtewerlen
BB vierzehuten Jahrhunderts, Hors im heutigen Daͤniſchen u. ſ. w.
Neihbebeutend mit Roß. Ein Pferdemarkt heiſſt in, hamburgiſchen ur⸗
Anben des dreizehnten Jehrhunderts: Horſemarket.
783we nte Abtheilung.
Shen: für: heilig gehaltenen Roſſe) als auf deren Kriegsze⸗
chen?) und_dad Wappen der. Graficheft Kent, weiches ein
weiſſes Roß darftellt, deuten wollen. Leider find hie Gebichte
uͤher Die Grimdung des Königreiches Kent bei dem frühen Us
tergange der Macht deſſelben fchon früh ‚und fir ums hoͤchtt
wahrſcheinlich unwiederbringlich verfchwunden, und bleibt und ſ
wenig Hoffnung die Überlieferungen aus hiflerifhen Angaben
als aus dem Gefüge und ber Darftellung des Heldengefanges
zu erläutern. Im den Menigen was im Gedichte von Beo⸗
wulf und über Hengift erhalten ift, dürfen: wie jedoch nicht
überfehen, daß er daſelbſt als ein Frieſe erfcheint, wodurch fehr
unerwartet ein günfliger Lichtſtrahl auf die laͤngſt von Verſte⸗
gan?) und fpäteren englifchen Gefchichtsforfchern verworfenn
Sagen des Deco Scherlenfis *), eines friefifchen Gefchichtfchres
bers, welcher im zehnten Sahrhundert gelebt haben foll, p
fallen fcheint. In diefen werden, um Anderes zu übergehen,
Gengiſt und Horfa ald Eöhne des fiebenten und legten Heros
ges des Friefen, Udolph Haro, und der Suana, einer Tochter
des edlen Wetgiffus bei Hamburg und Schwefter ‚zweier früh
verftorbener Brüder Hengift und Horfa, dargeſtellt.
Die Unterfuchung über. die Zeitrechnung des Angelſachſen
bringt die. Frage nach den Mitteln mit ſich, welche dieſes Voll
befeffen haben möge, um das Gedaͤchtniß des Individuums
zu ſtaͤrken und das dahinfchwindender. Gefchlechter den Nach⸗
lebenden zu erhalten. Daß die Schreibkunft nicht fehr uͤblich
war, müflen wir aus dem Gebrauche vieler fombolifchen Ge:
richtshandlungen fchlieffen. Doch fchon die angelfächfifhe und
- zum Xheil noch englifche Bezeihnung für Schreiben und Buch
flaben, writan (to write) und staef, und die vielen angel
fähfifchen aus diefen Wurzeln hergeleiteten Wörter, wie staef-
eraeft (Buchftabenkunde, Grammatif), staefen, staefraewe,
| 0) Taciti Germania c. 10,
2) Ibid. c. 7. Ejusd. histor. 1. IV? c. 22,
8) Restitution of decayed intelligence in antiquities byR
V(erstegan).
4) Sch kenne feine Angaben nur durch ſeinen Nachfolger Suffri⸗
dus Petrus in dem Werke: de Frisionum antiquitate et origine.
Colon. Agripp. 1550. |
3) plega (Schule) berechtigen ‚und ‚zu folgern, Daß, wenn bie
| Angelfachfen eigene Namen für die Schreiblunft hatten, ihnen
m! diefe nicht ganz unbekannt fein konnte. Don dem: Gebraude
8 ber Rımenfchrift, welche fhon Tacitus bei.den Deutfchen ges
mi Eat zu haben fcheint 1), finden. fich in dem fpäteren ‚England
viele. Spuren, und das Wort Rune felbft. bedeutete dort noch
a ein Gcheimniß, doc) nicht wie diefjeit. der Nordſee den. Buchs
$. ‚Raben. Daß die Stabſchrift von den Sacfen nach Britans
f nien heruͤbergebracht wurde, ergibt fich theils daraus, daß die
Angelſachſen nur das alte Runenalphaber. in ſechegehn Buchs
Haben kannten, und ihre. Stabzeichen denen der norddeutſchen
Voͤlker ſehr ähnlich find ?), befonbers jedoch aus der Aufnahme
einiger jener. altſaͤchſiſchen Stäbe in das durch die chriſtlichen
Laute nicht alle auszudruͤcken im Stande war. Dieſe find die
Runen F oder P, weldes jest mit w und > ober p, ‚wel
ches auch mit einem ben ſpaͤtern Angelſachſen eigenthümlichen
Zeichen 3, jegt mit th .auögevrüdt wird. Bei ber frühen
nn: BA WM BIT: MT.
Bon Mitte des 5. dis Ende des 8. Jahrh. 79°
asfenroph (das. Alphabet), atanf gewrit, staeflice, Btnnf
4
er eingeführte roͤmiſche Alphabet, welches bie angelſaͤchſiſchen
durch bie Miſſionen erhaltenen Bildung der Angelſachſen iſt die
uͤbrige Runenſchrift um ſo mehr in den Hintergrund gedraͤngt
worden, da ſie auch den Altbriten unbekannt war, weiche ſpaͤ⸗
tee ſehr auf jene einwirkten. Wenn wir nun auch ben Vers
ia. aller. Stabfchriften der Angelfachfen aus ber heibnifchen
geit zu beflagen haben, welche die Stammbaͤume ber Könige,
Rechteracumente und Gedichte auf gebrechlichem Holze verzeich⸗
net hatten, ſo fehlt es doch nicht an dauerhaften, wenngleich
an 2127 mw
-.
1) Germania c. 8. Aram Uhixi (Odyſſeus, Odin) consecratam,
Germaniae et Rhaetiae. —
hand ſpqͤteren Monumenten, welche mit denſelben verſehen ſind,
worauis wir folgern dürfen, daß fie ‚hier, wie im- Norden,
; di, lie Schrift des ägentlichen Volles noch einige Jahrhun⸗.
memumentagıs et. tumulos graecis literis inscriptos — in confinio
5 BE. 3. C. ‚Grimm über deutfche Runen. Göttingen 1821; und.
: Diiken- Rachtrag zu dieſer Schrift in den wiener Jahrbuͤchern 1828.
wenngleich nicht im Einzelnen, doch im Reſultate ganz briſtimme.
84.48, Geijer Svea Rikes Häfder T. I. 134 - 185., dem J
2 Bweite Aorheilung. - >
derte ſich erhielt, weshalb wir fie auf Grenzſteinen, Daufftei—
nen und aͤhnlichen oͤffentlichen Denkmaͤlern finden.
Die angelſaͤchſiſchen und ſcotiſchen Miſſtonare pflanzten fo:
gar die Kunde der angelſaͤchſiſchen Runen in Deutſchland und
im Norden fort, wo viele Denkmaͤler nicht mit der altnordie
ſchen fondern angelſaͤchſiſchen Stabfchrift bezeichnet find. Der
Gebrauch der Runen als eigentlicher Schrift koͤnnen wir ir
England noch bis ind vierzehnte Jahrhundert verfolgen ), und
irren wir nicht, fo bat auch fpäter diefelbe noch in mancherlet
Zeichen und Siegeln, bei denen dus Einfchneiden der grablinigen
Runen leichter war ald das der gewöhnlichen runden Moͤnchs⸗
ſchrift, dort ſowie in Deutſchland ſich erhalten. Doch vermiſ⸗
ſen wir noch immer die Wiederauffindung der Ziffern in der
Stabſchrift, durch deren Kunde mancher raͤthſelhaften Mythe
des Nordens ihre hiſtoriſche Deutung werden koͤnnte. Bei
dem unleugbaren Zuſammenhang der Runenſchrift mit dem
phoͤniciſchen und daher altgriechiſchen Alphabete duͤrften wii
folgen, daß die Ziffern in jener durch die Runen in ihrer al
ten Reihefolge, welche wir aus einigen Handfchriften Eennen,
. bezeichnet fein möchten; eine Vermuthung, welche bis zur Zahl
neunzehn auch in dem nordifchen Runenkalender bei der Angabe
des 19jährigen Oſtercyclus ihre Beſtaͤtigung findet). Erwaͤ⸗
gen wir ferner, wie bie Runenſchrift lange die Schrift de
Volkes und wahrfcheinlich des Verkehres blieb, fo lieſſe fih
die den gewöhnlichen Anfichten freilich fehr widerfirechende
Frage aufwerfen, ob, unbefchadet des Einfluffes des arabifchen
oder indifehen Zahlſyſtems auf das unfrige, nicht Die jegigen
ſ. g. arabiſchen erſten acht Ziffern jene acht Runen ſeien, de⸗
nen, ſowie fie in alten Handſchriften erſcheinen, fie naͤher kom⸗
men als den wirklichen arabiſchen Ziffern? Daß die von mir‘
gefuchte Ähnlichkeit nicht fo fehr durch die norbifchen, fondem
durch die fpäter allgemein ‚verbreiteten angelfächfifchen Runen
hervortritt, 3. S. in der fechflen, cen genannt, welche, un:
1) S. Cod. Sangallens. 270 u. 878. It. Cod. Istdor, Paris,
Bei Grimm tab. II. und daſelbſt tab. II. aus der neuern angelfäg
ſiſchen H. S. bei Hickes L 135. 136. und III. tab.
2) Hickes I. 34.
veiſel, DET NIE vergeſſen Tann, DAB IWon ſo hauſig D
haft und Kunft fi, ihrer Heimat näher Sefanden, ale
tzſichtige Hochgelahrtheit wähnt. - . . - -+-
Bichtiger würde für die Geſichtsforſchung kein, das Zah⸗
m ber alten. Sachſen kennen zu lernen. Ich bin ſehr
—— daß ſie das durch die leichte Theilung
mpfehlende Achtſyſtem befolgten und hierin der letzte
der obenerwaͤhnten haͤufigern Benutzung dieſer Zahlen
n angelſaͤchſiſchen Nachrichten liegt. Aus jenem Acht⸗
ſcheint auch zu erklaͤren, daß der Name der achten
— huun — mit Hundert nahe sufammenhängt, fowie
ie nordifchen und germanifchen Voͤlker ein Eleined und
Hundert und Zaufend kannten, mit welchem legtern die
.120 und 1200 bezeichnet wurden’), fowie auch das
: Hervortreten der Zahl Zwölf (3X 4). Das. größte
t im Norden, welches vorzugäweife den Namen vaett
‚ enthielt achtzig Pfund und ift erft fpäter auf hundert
ehnt *). Die Angelſachfen feßten dad Wort Hund der
70 bis 120 vor, woburd wir auf eine Zeit hingewiefen
1, in welcher jenes Wort ‘noch nicht bie fpätere Zahl, -
Die zweite Rune uur gleicht in allen Runenalphabeten ganz ber
zwei, wie fie fi h in den Handſchriften des vierzehnten Jahr⸗
s findet. |
©. Montucla histoire” des math&matiques. I, 375 sq.
Dr} Ze nn. Bmweite Abeheilung.----
fonbern nur eine gewiffe Vervielfältigung bedeutete '), welche 1.
Bezeichnung vielleicht mit der Zahl der fechözehn alten Runen, |
wenn deren elfte für 20 und fo. fort die funfzehnte für 60 I
und letztere für dad Humndertzeichen genommen wurde; fowie J
foäter, nachdem fech8 neue Runen hinzüugefligt waren, Die vier
undzwanzigfte- fiir das große, Hundert und die lebte. Rune
fir die Verzehnfachung des Hundertd angewandt fein. möchte,
zuſammenhangen koͤnnte. Als eine in der neuen englifchen‘
Sprache verfehwundene, aber auf den engern Zufammenhang
mit der fachfifchen oder norbifchen Sprache hinweifende Eigen:
thümlichfeit der angelfächfifchen Bahlenbezeichnung erſcheint bie
Angabe des Halben, welche von der, für vol angenommenen
Zahl abgezogen wird, während andere Sprachen das Halbe der
großen Zahl hinzufügen; ein Sprachgebrauch, welcher durch bie J
Bezeichnung ber Ziffer im Mittelalter, nämlich der vollen Zahl,
in welcher ein durchgezogener Strich das abzuziehende Halbe
bedeutet, feine Erläuterung erhält.
“ Ehe wir jedoch nunmehr die weiteren N iederlaffungen ber
deutfchen Völker in England verfolgen, ſcheint es bei der bar:
gelegten Mangelhaftigkeit des Gefchichtögemäldes, welches fid
ſo wenig ald ein treuer Spiegel bewährt, um fo nothwendige I
ber die Abflammung derfelben das Nähere zu berichten; eine f
Aufgabe welche um fo wichtiger wird, da erfolgreicher und 1%
fcher, als je andere Einwanderer ed bewirkten, dieſe durch
Sprache, Geſetz und Sitte dad neuerworbene Land zum Ba |
terlande ihrer Enkel gemacht haben.
Bei der Einwanderung der germanifchen Stämme in Bri⸗
tannien iſt ed nicht am wenigften befremdend, daß Bälle de "
‚ren Sprache audgebildet genug war um die uralte Mutter .
fprache fowie die herrfchende Gefchäfts-, Bildungss und Kir
chen: Sprache zu verdrängen, während in allen andern Pre !
vinzen des römifchen Reiches, Grenzdiftricte auögenommen, |
die Sprache der Barbaren unterlag, bennoh nur büme
genealogifche Notizen, aber Feine Stammfagen, gefchichtlicht |
Erinnerungen oder auch nur beflimmte Andeutungen der von u—
1) Die Verbindung mit — xovræ, — ginta, ceutum bemerkt
Raſk a. a. S. |
j
—
*
r
t
A s
Von Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 83
ihnen zulegt bewohnten Gegenden. aufbewahrt haben. BDiefer
Mangel an eigenthümlicher Gefchichte erklärt fich aber leicht,
wenn wir erwägen, wie jene Einwanderung nisht in großen
Heeredzügen fondern allmälig, häufig in fehr Eleinen Anfiedes
Iungen, welche fich über den größten Theil Englands und das
füdliche Schottland zerfiveuten, während des Laufes mehrerer
Sahrhunderte gefchah. In der englifhen Sprache, befonders
in den Landeötheilen wo die normannifch= franzöfifche weniger
eindrang, befigen wir noch bie lebendigen Zeugen über bie
Spentität der Einwanderer mit den Bewohnern der Ufer ber
Unterelbe und ber denfelben im Süden und Norden von
den Muͤndungen ded Rheins bis Juͤtland angrenzenden Küften.
Die vorhandenen Denkmäler der alten nieberfächfiichen Sprache,
befonderd die unter dem Namen des Heliand nunmehr herauss
gegebene Evangelienharmonie aud dem neunten Sahrhundert, -
Fimmen viel mehr ald die oberdeutfchen Schriften jener Zeit mit
den angelfähfifchen in Wortbildung, Formenlehre und dem ges
fommten Sprachfchage überein. So fehr auch die neuenglifche
Sprache von der neuen beutfchen ſich entfernt hat, fo lebt dens
noch in den verfchiedenen Dialeften Englands und befonders
Schottlands ein reicher Schag alterthümlicher fächfifcher Sprache,
und oft wirb die Rebe und das Lieb bes fchottiichen Ackermannes
durch Vergleihung mit dem Worte des holfteiner, hadeler oder
fefifchen Bauern und Schifferd am beften erläutert werben.
Die Einficht des engften, unmittelbaren Zufammenhanges zwi=
ſchen der angelfächfifchen und niederdeutſchen Sprache ift nicht
ohne wichtige Folgen für mehrere Jahrhunderte der Gefchichte -
Englands, und befonderd wird dadurch ein feſter Stüßpunct
fir die Erläuterung der bürgerlichen Einrichtungen in beiden
“naboerwanbten Gegenden gewonnen. Der nordiſche Sprach
gebrauch ſteht dem angelfächfifchen viel ferner‘), und wir find
" I) Auch Raſfk in der Einleitung zu feiner Angelsaksisk Sprag-
Were (neuerlih von B. Thorpe in das Englifche Äbertragen) erklaͤrt |
% gegen die Identität oder auch nur nähere Verwandtſchaft des Dänts
Shen und Islaͤndiſchen mit dem Angelfächfifchen. Wie viel ähnlicher -
wärden aber die für die Identität des Angelfächfifchen mit dem Deutfchen
von ihm hervorgehobenen Wörter erfcheinen, wenn ex fatt der hoch⸗
bestichen die niederdeutſchen Augbrüde hätte verzeichnen wollen, ges
Ä on 6*
—
+‘
84 3weite Abtheilung.
volllommen berechtigt in den Spuren bänifcher und norbifche
Sprache, welche wir im Englifchen jest finden, den Rachhall
‚ ‚ber Einwanderumgen ber Jüten und nody mehr ber fpäteren der '
Dänen oder Normannen anzuerkennen und mit Zuverficht auf
die Zeit der Einführung einiger nordifcher Einrichtungen, welde
als Rechtöalterthümer, zuweilen auch noch. ald lebend fich dar
bietet, zu fchliefjen. -
Zu den Beweifen für das Vaterland ber nach England
gegangenen Sachſen aus der Sprache: gehört noch die Gleich⸗
heit der Eigennamen der Angelſachſen ſowie der Ortsnamen
im weſtlichen England mit den niederſaͤchſiſchen. Bei jenen it
die Bergleichung durch den Mangel altniederfächfifcher Documents
von denen nur wenige bis in oder gar über das zwölfte Jahrhun⸗
dert reichen, fehr erſchwert und vielleicht bei der früheren Ver
breitung urſpruͤnglich nationeller Eigennamen durch Wandern
gen und Heirathen manchem Zweifel auögefegt ). Die Ihr,
licpfeit der Ortönamen aber ift zu fehr in die Augen fallend, als
daß fie nicht ſchon längft hätte mit Erfolg hervorgehoben werben
follen?); doch können die Liften darüber. fehr vermehrt werden
und duch Berlikfichtigung aͤlterer Urkunden an Werth. gewin
nen. Die wichtigſten müſſen uns Diejenigen. Namen fein, wit
ſchweige denn die des älteren Niederbeutfch. offentlich wird kein an⸗
gelſaͤchſiſches Woͤrterbuch wieder erſcheinen, welches nicht auf die
Schweſterſprache unabläffigen Ruͤckblick nimmt; fowie : umgekehrt eine
Vernachlaͤſſigung des Angelſaͤchſiſchen bei dem norddeutſchen Sprachfor⸗
ſcher in der Seltenheit angeilſaͤchſiſcher Werke und nachlaͤſſi iger Bearber
‚tung ber vorhandenen. nach den neuern und bald gu erwartenden Yibtis
ten der beiden Conybeare, Prices, Thorpes, Kemblesu A.
hoffertlich keine Entſchuadigung mehr finden wird. Das niederfähfldy
bremiſche Woͤrterhuch bietet auch für bie Vergleichung beider Sander
ſprachen eine nicht verwerfliche Vorarbeit’ dar.
1) ©. jedoch vorzüglich. bie Urkunden aus der Zeit ber Ottonen.
Einen lehrreichen Beitrag gibt ein altes Hebungsregiſter des holſtein⸗
ſchen Kloſters Neumuͤnſter für mehrere noͤrdlich von der Elbe belegene ; Dörr
ſer welches im ſtaatsbuͤrgerlichen Magazin Bd. IX. S. 21. abgedruckt if
2) ©. Ch. U. Grupens Abb. de lingns Hensgiati in Observat,
rer. et antiquit, gerihanic, et xomanar.,: und in befonderer Beziehung
auf DOrtfchaften am Elbufer Geh etinds Roten eu deatſchea Ge⸗
ſchichtſchreibern. Bd. 1. —
Bon Mitte des 5. bis: Ende des 8. Jahrh. 85:
dadurch daß fie: nur in Altfachfen ‚vorkommen, zugleich auf.
ähnliche politifche. Inftitute fehlieflen laffen; wie denn in dieſer
Beziehung nicht beachtet iſt, daß der Name bes angelfächfiichen
Adels in Ethelingftede ') fich findet, und daß der in England
haufig in der Endigung wich, wick vorkommende Name «iz -
nee Stadt, Wyk, nebit- den Wykgrafen, Wykvoͤgten, Wykſchef⸗
fein Wiſpeh u. a. nicht über ganz Deutſchland, ſondern nur
in Altſachſen und Friesland verbreitet war.
Von. größerem und unmittelbarem Intereffe für bie Ge:
ſqichte Englands. ift die Übereinfiimmung der flaatö= und -prie
vatrechtlichen Einrichtungen der deutſchen und der engliſchen
Sachſen, welche ſich theils in den Hauptzuͤgen theils in frag:
mentariſchen Nachrichten und einzelnen Truͤmmern vielfach er⸗
kennen laͤſſt; der jedoch. hier Feine Ausführung verflattet werden
darf, da fih bald Anlaß darbieten wird fie in Verbindung.
mit der Geſchichte der angelfächfifchen Verfaſſung ausführlicher
zu erörtern oder Fürzer anzudeuten
Wenn aber. bei jeber näheren vergleichenden Betrachtung
der teichen Sprache, vieler Anfiedelungen und ausgebildeter
Einrihtungen beider Völker neue Beweiſe der. Identität gefun⸗
den werden, fo geftaltet ſich dadurch. ein günfligere und zu- _
verläffigeres Bild ded im flnften Sahrhunderte gemeinfamen.
Culturzuſtandes ‚der Seflland = und der Infels Sachfen, ald die -
bürftigen älterer Hiftorifer zu geben vermögen. War es auch bie
muthwillig rohe Jugendkraft, welche zuerft die Heimat verließ
md vom fremden Lande Befig ergriff, fo trugen boch theilg
jene Auswanderer fich felbft unbewufft die größten Güter ihres
Volles in Sprache und Sitten mit fich hinüber, theild ergänzte
jenen Nationlſchatz die Menge nachfolgender friedlicher und aͤl⸗
ter Stammgenoffen. Auch) vergeffe die heutige Welt, die wir.
das feftefte Beharren und die ſchaͤrfſte Ausbildung in’ den jegigen
Begriffen des Eigenthumes, der Exblichkeit und der darauf ges
bauten Inftitutionen wünfchen, vergeſſe fie nicht, daß jene Be⸗
fe das muͤh⸗ und Eunftvolle Erzeugniß vieler Jahrhunderte
Fb, und daß Zuflände mancher Völker dem Erd⸗ und Ge
ſhichts⸗ Kundigen immer deutlicher entgegentreten, welche eine
1) Jetzt Zellingftäbt in Dithmarfchen.
86 Bweite Abtheilung.
nicht unbedeutenbe geiſtige Entwickelung beſaßen, ohne ſchon
das Beduͤrfniß jenes Stüepuntts der heutigen bürgerlichen
Gefenfchaft erkannt zu haben. Das Syſtem eines jaͤhrlich
wechfelndett oder doch wechſelbaren Landbefiged, die baran fi
geknuͤpfte Gewohnheit der Wanderungen, nachtheilig wie fie
den materiellen Intereſſen der Nationen waren, foberten Le⸗
bendigfeit und Kraft des Geiſtes; auch durfte. derjenige dem
die Heimat keinen feſten Befig geflattete, auch den des rem
den nicht ebren, während der Seeraub, durch Liſt und Muth
veredelt, nur audgebilbeten - Gefeüßgaftsfnftenen feine Makel
und feine Strafe verdankt. Noch in ſpaͤten Jahrhunderten trug
der Finft der Hebriden kein Bedenken den Titel Atchipirat zu
führen, das Beiſpiel der Barbareſken zeigt uns verhafite aber
nicht ganz rohe Staaten, welche die Seeräuberei als ein Ges
werbe anerkennen, und die Taperbriefe der Europder beweiſen
wie leicht auch und noch jebt die Aufhebung der Hauptgrund
ſaͤtze unferes ganzen Rechtszuſtandes und bie Ruͤckkehr zu ge
feglichen Privaträubereien ift.
Die Stammſagen der Sachſen gehören kaum dem hifle:
riſchen Boden an. Wenn auch diejenige welche dieſes Volk
alst einen -Überreft des macedoniſchen Heeres wnter Alexander
dem Großen darſtellt), auf ben aſiatiſchen Urſprung der Ger⸗
manen gedeutet werben mag, fo findet ſich beſſere Beglaubi⸗J
Hung derſelben in den Reſultaten uͤber die Verwandtſchaft der
Sahferit und der perfifchen Sprache mit ber deutfchen. Daß
die Sachfen von den Dänen und Rormannen entſproffen feier,
it eine Kon von Witlechind begwäifelte Nachricht, welche fe
I) Wittehind erzihet bieles als eine unſichere Sage und nach ihm
Erkard und Konrad von Urſperng. Doc als Geſchichte gibt dieſe
Sraͤbiuns ausfuͤhrlich Eike von Repgow im Sachſenſpiegel B. II.
Art. 44. 8.2, fowie der aus verſchiedenen Quellen zuſammengeſchmol⸗
zene Bericht in des Albert don Stade Chronicis ad a. 917, made
ſich auch einzeln in verfchiedenen Kandichrfften und im Auszuge in bi
Presbyteri Bremeiwis Chrönkcon Holsstine findet.: Im. Allgemeinen i
hier vie Abhandlung Eh. U. Grupens von der Sachſen Übergang ia
Britannien aus Altſachſen in feinen Observat. xer. germ. et roman, zu
empfehlen, welche, wie alle Arbeiten biefes wadern Mannes, viel Mas
terial und richtige Blicke enthält, wenn fie auch von unkritiſchen Mis⸗
griffen nicht frei iſt.
die Sacıfen auf ‚Shiffen i in ihre Gegenden gekommen und,
E im Lande Hadeln landend, die Thüringer non dort mit
und Gewalt verbrängt haben. Fand diefeß Ereigniß ſtatt,
mm es nicht ſpaͤter als zu der angegebnen Zeit, der des
rs Veſpaſian, geſchehen ſein, da wir bald darauf die Sach:
it den Franken verbunden finden. Wittechind gibt nicht
woher die in Hadeln landenden Sachſen kamen; es iſt
Grund vorhanden zu leugnen, ſondern in Übereinftimmung
andern Nachrichten und: der gewöhnlichen Voͤlkerſtroͤmung
Norden nach Süden zu vermuthen, daß «8 norbelbifche
fen waren, welche die füblichen Ufer der Elbe in Belig
en umd bald über dieſe erfi viel fpäter urbar gemachten
nden bin bis an bie Wefer und den Rhein fi) ausdehn⸗
, bis fie zu Karls des Großen Zeiten den Umfang ber
) Confinalis Daniae est patria, quae nominatur Saxomia, quae
itus et ipsa ex Dania pertinere dicebatur. Geograph. Ravennas
c.17. Bei fo alten Nachrichten wollen wir denn uch den alten
en Shroniften es zu Gute halten, wenn fie in Berichten von ben
a der Dänen über die Deutfchen ſich bisweilen gar gu fehr gefallen.
) Saxones, gentem Oceani in litoribus et paludibus inviis sitam.
ius 1. VII. c. 32., deſſen Worte bier wie fonft Paul. Diae,
st. Romanor. 1. XI. nachfchreibt. Bei geographiſchen Nachrichten
ie unveränderte Beftätigung des Nachfchreibers zumeilen von eint:
Bertbe fein. Die Insulae Saxonum des Ptolemäus find wahr:
88 8weite Abtheilung.
at von demſelben bei den Sachſen geſtifteten Biſthuͤmer
x der deutſchen Gaue des ſpaͤteren Ober⸗ und Nieder⸗Sachſens
Weſtphalens erhielten. Wenn die Sage aber die Sachſen
Britannien nach Habeln einwandern. läfft '), fo ift eine ſpe
Umbildung der Sagen bier nicht zu verkennen, welche indı
in einer ber’ ſpaͤteren Ruͤckwanderungen einzelner Schaaren
Sachſen aus England ?) ihre Veranlaffung gefunden haben r
Daß die Mehrzahl der deutfchen Einwanderer in Bri
nien eigentlihe Sachſen waren’), darf um fo weniger bez
felt werden, da die zuerft von ihnen angebauten Staaten il
Namen’ führten, Effer, Suffer, Middlefer, Weller, und ı
heute, nach Allen Einmwanderungen anderer Volksſtaͤmme,
benachbarten celtifchen Eingebornen, Bergfchotten, Wal
Bretond und Irländer, von ben Engländern nur unter |
Namen der Sachfen reden. Doch’ zogen auch andere Sch
ren mit ihnen, unter denen die Angeln uns beſonders m
würdig find. Über der Herkunft. dev Angeln fchwebt -ein
Dunkel, obgleich fie zahlreich und mächtig genug waren,
ganzen neugermanifchen Lande bald. ihren Namen zu verle
und den der Sachſen ald Nationalbenennung ganz auszuſch
fen ) bis bie Bequemlichkeit der Geſchichtſchreiber den Na
Bremen J. 3., daß die Sachſen am Rhein ihre Wohnungen zuerf
‚ habt und von dort aus nad Britannien gezogen ſeien. Den Re
Altſachſen in Holftein, wie fhon Camden (Britannia) und fei
viele Andere, zu ſuchen dürfen wir uns nicht erlauben, folange
Lepteres in den Älteflen Nachrichten ſtets Holtsatia. gefchrieben fin
Adam, Brem. 1. II. c. 8, Holtzati dicti a sylvis quas occol
und .gus ihm Annalista Saxo ad a. 983.. Holcetae dicti a sy
- quas incolunt, Vgl. aud) die Erzählung bei Albert. Stad, a!
Holtfeten hat audy der Sachſenſpiegel. B. III. Art. 68. $. 3.
1) Meginhard translatio 8. Alexandri, und Adam. Br
LI. c. 4. aus Einharb.
.. 9 Bedae hist. eccl. 1. I. c. 16. Galfrid. Monmoı
l. VI. c. 13,
3) Die aͤlteſten Schriftſteller nennen gewoͤhnlich nur die Sa
als Einwanderer. Prosp. Aquitan. ad a, 449, Geograph.
vennas l. V. $. 31. Wittechind I. I,
4) Schon in dem Briefe Gregors I. v. 3. 596 werben die
wohner ber Saxonia transmarina, wie die‘ Überfchrift befagt, im !
. gens Anglorum genannt. Hardt. T. II, p.509. Du Chesne:
Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8, Jahrh. 89
der Angelſachſen erfand. Als Stammſitz der Angeln, geben
Beda ), fowie Aifred mit Beſtimmtheit das Land Angeln an,
wider Name jetzt auf den Diſtrict zwiſchen der Schley und
Vensburg beſchraͤnkt wird, Früher aber: ein, groͤßeres angrenzen⸗
des Gebiet umfaſſt "haben muß?).. Bedas Zeugniß. wird: hier
beſonders werthvoll, da er in einem ber Staaten lebte, welche
von den Angeln’ felbft gegründet: find, und ſogar von der Zeit
diefee Stiftung Fein Jahrhundert getrennt war. Neuere Reiz
fende haben‘ ſich von der größten Ähnlichkeit der Angeln wit
dem Engländern überzeugt. Phyfiognomie, Kleidung, manche
Gitte iſt den Eingebornen beider Länder. gemein °): Die cher
malige größere Bedeutung des Volkes der Angeln fpricht fich
deutlich in der alten daͤniſchen Sage aus, welche Angul und
Dan ald Stammpäter der Dänen darftelt. Die alte britifche _
Sage laͤſſt Hengift und Horfa aus der Infel Angul nach Bri⸗
Yarnien arten“ ‚ ob dieſe gleich ſonſt glaubwurdig Sachſen
p. 897. Ebenſo in aim Beiefen beſtaben Yapfı in Smirpe Dede
Appendix Nr. VI.
1) Porro de Anglie, hoc est de illa pelria, quae Angalun. ich,
tur et ab eo tempore usque hodie manere desertus inter provincias
Jutarum et Saxonum perhibetur, orientales Angli, mediterranei Angli,
Merci, tota Northumbrorum progenies i. ei illerum gentium, quae
ad boream Humbri fluminis inhabitant , 'eeteridue Anglorum populi
sut ort. Beda 11.1.0. 15. Alfreds Beriht $. 8. Others
Refericht $. 10. bei Dahlmann Korfhungen Ip. I, ©. 418 fg.
D) Bel. au Ethelward |, J., welder Sechleswig oder dai⸗
thabhy als Hauptſtadt dieſes Landes nennt.
9) E. D. Clarke travels Vol. TX. p. 64. findet auch die größte
ichkeit in ber natürlichen Befchaffenheit Sübdenglands und. des Lans
des Angeln. Die übereinſtimmung ber lebendigen Hecken ber: Grafſchaf⸗
tm Kent, Surrey und Suffer mit denen m Angeln möchten wir: ieber
8 der Übereinftimmung des Landes überhaupt herleiten, wie auch in
eben Faͤllen dieſe Adkerbefriebigungen felten als Beweiſe der Abftams
Rung betrachtet werben bärften. Der treffliche Ebel wollte die Her⸗
Üapft der Haslithaler aus Schweden burch bie Lattenhecken beäränden,
Weide ſich dort forwie allgemein in dieſem Lande finden. Er überfah
debei aur, daß im GSchwarzwalbe und in mancher andern botzesicen
Gegend biefelbe Vorrichtung ebenfo üblich als paffend war.
9 Nennius hist.‘ Britanniae c. :86. - Hengistus — cum süis
seaioribus, qui secum venerant de insulä Angul, Gervas. Tilbur.
90 2 Zweite Abtheilung.
genannt und die. Bevoͤlkerung des von ihnen geftifteten ws
sche Kent den Juͤten zugeſchrieben wurde‘). |
Wir befigen zwei merkwärbige Denkmäler des Bolkes der
angeln, welche jedoch durch beffern Abdrud einer ergiebige |,
Bearbeitung und entſprechender Anerkennung entgegerfehen 1.
In ven Heldengedihte vom. Beowulf iſt die altanglifche, de 1
Dänifchen verwandte Sage durch einen Angelfachien. bed achten
‚ Sahrhundertö verherrlicht ?). Bedeutender noch find. die Gefee
der Angeln von Haethaby ober Schlesſswig, weiche -Tange unter
dem vielleicht: verftümmelten Titel der Leges Angliorum et
_Werinorum räthfelhaft und verfanut. legen’). Die Angeln
befeßten in England die nachherigen Königreihe Dftanglien,
Mercien und Northumberland (in dem alten Sinne dieſes Ber
tes, wo es zunaͤchſt bie.nörbliche, am Humberfluſſe gelegene
Graffchaft York begriff, und das jegige Rorthumberland, wenn J
- 88 unter jener Bezelchnung ſchon mit begriffen word, nur einen
geringen und entfernteften Zheil deſſelben bildete) oder das
Zand nördlich von den Grafichaften Suffolk, Northampton und
Warwick. Diefer felbige nördliche Theil von England unter
ſcheidet ſi J von dem Suͤden durch zwei iBeyeichnungen, welch
apnd Leibait, serr. rer. . brunsv. T. L. p. 955, ab illie Saxonibus ab |
Engla insula venientibus geminarium ortum est Anglerum.
16. Beda a. a. O. Kuh Procop BTW. in äinex in viele
Beziehung nicht werthlofen Gtelle fagt, daß Brittia oder Britannics —
von Angeln, Frieſen und Beiten bewehnt fei, wobei er der Sachſen
gar nicht gebenft.
BD) Ehorkelins ücbdruck und lateiniſche Überfegung in feiner Aus:
gabe dieſes Gebichtes ımter dem feltfamen Titel de ‚Danorum rebus
gestis, sec. Il, et IV. find gleich ſchlecht. Wir erwarteten beide vers
“ Geffert von Grundtvig, deſſen dänifche Überfegung fowie manche ki
tiſche Verbeſſerungen des. Textes duch‘ Price und Conybeare bed
VDerſtuͤndniß deſſelben bedeuiend erleichtert haben. Die Bearbeitung Di
von. der Königl. Geſellſchaft der Alterthumsforſcher zu London beabſih⸗
Sigten Ausgabe ift in der kundigen Hand des Herrn Kemble -;
5) Ich Habe Hier an Dahlmannz feharffinnige Bermuthung a.e
D. S. 140 fo. gedacht, welcher Anglioram Kitverinorum s. Hetverine-
rum zu leſen vorſchlaͤgt, was freilich manches Bedenken erregt. - Bei
überhaupt Krant über die jex x Angliorum et Weriporum in ben Gr
aien IL. = —
Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. O9
r auf die Angeln gurücdzuführen fcheinen. Während bie von
n Sachſen bewohnten. Staffchaften in Hundreds - eingetheilt
db, führte die Ähnliche Abthellung in allen von: ben ‚Ans
In bewohnten Grafſchaften den Ramen Wapentake '), ver
h auth im ben Shives York und theilweiſe in. Derby und
acoln noch jegt erhalten hat. Man, wird nicht: entgegnen,
# diefe Benennung erſt durch die fpdteren Dänen: eingeführt
i, oder gar den Beitpunct beſtimmen wollen, in welchem ſie
rade biefen ſaͤmmtlichen Graffchaften biefen neuen Namen häts
n geben koͤnnen, wozu. für die: Dänen kein Grund vorhanden
weſen zu fein Tcheint. Auch fpricht. es für die gegebne Erklaͤ⸗
ng, bag wir in ben anglifchen Ländern nur im Dflangeln
efe Bezeichnung nicht nachzumeilen willen, welches Land
ade dasjenige. iſt das zuerft unter eine geregelte daͤniſche
errſchaft verfiel... In den fruͤhe und lange daͤniſchen Diſtrie⸗
n des jetzigen Northumberland und Durham findet ſich die
xiſtrictsabtheilung Ward, ſowie auch im Cumberland und Weſt⸗
oteland, welche indeſſen vetmuthlich erſt der normanniſchen
eit angehoͤren. Eine andere nationelle Bezeichnung der Angeln
ft ganz mit jener uͤberein, nämlich die der ſtaͤdtiſchen Anla⸗
ea, der Bye. So haufig fich nördlich . von Warwick Orts⸗
amen mit jener Endigung finden, ſo wird man ſie ſuͤdlich
ægebens ſuchen?). CEbenſo mag. ein alter Unterſchied des
agtiſchen und Saͤchſiſchen darin liegen, daß nur oberhalb. der
Batlingſtraße die vielen. Orte vordommen, welche mit kirk,
Rice, enbigen und beginnen, während aur füblich ſich min-
ker (Münfter) finden. Doch IE «8 uns vielleicht geftattet diefe
Bemerkungen über einzelne wichtige Sprachunterfchiebe der Anz
1) Leg. Edoward. c. 83. Ewerwickshire, Nicolähyr, No-
Ingkamshyr, Northamptonshire usque ad Watlingstrate et octq milia-
"a ultra Watlingstrete sub lege Änglorum suat. Et quod Angli vor
mt kundredum, supradicti comitatus vocant Wapentachium. — ünd
Beanodı findet ſelbſt Dalgrane. 3.1. ©. 97 bie Wapentake nur noͤrd⸗
U vem Trentfluſſe!
9 Die Richtigkeit dieſer Bemerkung laͤſſt ſich bei dem Verluſte alt
Wer Documente freilich für bie aͤlteſte Zeit wicht beurkunden. Derby,
Wein biefe Endigung mir zuerſt vorgefonmen af , Bi in ber bin
fen Zeit Northweorthig. Ethelward DI. 2.
92. Bweite Abtheilung.
geln und Sachſen auszubehnen, indem wir auf .die längft be |
kannte ‚erhebliche Abweichung: des Dialekte& in: dem von jenen
bewohnten Mercia und dem Hauptreiche des legten, :Wefler, |.
hinweiſen. Die Auffindung von. Handſchriften derfelben: Were 1
in den Dialekten beider Reiche ') aus einer Zeit, wo die Di
nen kaum ihre erfte friedliche Niederlaffung in England. erbielk
ten und einen Einfluß auf die Sprache und Cultur ihrer Pro:
vinz ausüben konnten, fcheint Das Alter beider Dialekte. und
Dadurch die Verfchiedenheit beider: Stämme auſſer Zweifel zu
fegen,: und wird‘, nach der einſt zugänglich gewordenen. Unter:
fuhung, wahrſcheinlich jede Ungewißheit über bie Herkunft der
Ingeln heben. °
Wir dürfen: hier jedoch: nicht ganz eine \ abweidhende An
fiht übergehen, der zufolge die Angeln entweder die Anglier
des Zacitus oder auch die "Angrivaren oder Einwohner des
nachherigen Herzogthumes Engern gewefen find. Ptolemaͤus
nämlich berichtet,. daß .ein Volk welches ven Namen der An
geln führte, fübli) von der Eibe wohnte, in. einem- Lande,
welches wohl am richtigften in dem alten Norbthüringen ge
fuht wird’). Es fehlt an allen Nachrichten und felbft an
Andeutungen über die Verbindung dieſer ſuͤdlichen mit den An
geln in Schleswig; doch irren wir nicht in biefer Meinung,
daß die Sachſen vom nördlichen Elbufer ſuͤdwaͤrts herunter ge⸗
zogen ſind, ſo moͤgen auch Schaaren der ihnen im Norden be
nachbarten Angeln fie begleitet haben. : .
Wir duͤrfen "auch nicht wohl die anglifchen Anfiebler mit⸗
ten im feſten Lande Deutſchlands ſuchen, wenn die uͤbrigen da⸗
1) Für Mercia die cambridger Handfchrift der angelſ. Chronik bi
zum Jahre 391 und eines Manuſcriptes von Alfreds Bosthius, deſſen
Rawlinſon in feiner Ausgabe des Letztern fich bedient hat.
2) B. Werfebe Beſchreibung der Gauen zwifchen Elbe und
Werra ©. 69. V. Ledebur Land und Volk der Bructerer ©. 7%,
‚ber jeboch in demjenigen, was er von den Altfachfen fagt, uns nie
befriedigt und in dem, was er ferner über die Angeln und Weriner >
gibt, die angeführte Gtelle des Procop B. IV. auf unbegreifliche⸗
Weiſe misverſteht, da dieſe die Angeln und Weriner nicht als Bundes
.. genoffen in England betrachtöt, fondern von den Angeln erzählt, welche
von Britannien aus die auf der gegenübertiegenben belgiſchen Kuͤſte ges
lagerten feindlichen Weriner bekriegten.
Don Mitte des 5. bis Ende. des 8. Jahrh. 93
für angeführten Gründe auf augenfcheinlichem Misberſtaͤndniſſe
beruhen '). Schon früh hat die Augendienerei der Genealogen
Hengift und Horfa für Söhne des Herzogs von Engern er:
Hart, um den unbelannteften Namen einen Urſprung zu ver
leihen, welcher den Sachfen wie, ben Engländern willlommen
fein fonnte’). Ein heraldifcher Grund fallt fehr in die Augen;
doch dürfen wir wohl gegen alle Gründe welche lediglich der
Wappenkunde entlehnt find, fehr mistrauifch fein. Das Herz
zogthum Engern führte,.. wie man fagt, ein weifles Roß im
Banner und hat daffelbe in das Wappenfchild der Herzoge von .
Lüneburg und der jegigen Guelphen gebracht ’); ebenfo jest bie
Graffchaft Kent, wo Hengift und Horfa — felbf vielleicht nur
allegorifhe Namen — zuerft landeten und herrfchten. Doch
fehlt es bier an chronologiſchen Angaben, und Kent iſt, wie
fhon erwähnt, von einem andern Stamme als dem der Anz
gein, befefien.
1) Sn Adam. Brem. L. I. c. 4, wo er von ben nad) - Britannien
gegangenen Sachſen fpricht, fehlen nad) „Saxones circa Rhenum sedes
habebant“ die Worte „et vocati sunt Angli‘“ in der wiener Handſchrift.
2) Gobelini Personae Cosmodrom. aetate VI. Duces exerci-
tus illius, qui de Saxonia in Britanniam profectus est, filii ducis An-
gariae sive de Enngere fuerunt ..... et inde forte est quod arma du-
Gs Saxoniae sunt equus albus. ©. auch R. V(erstegan) Bestitu-
tion ef decayed intelligence p. 131.
I) Nicht das Wappen ber Sachfen, wie Palgrave meint; das
Banner der Sachſen enthielt na) Wittefind einen Löwen und Dra⸗
Gen mit einem darüber fchwebenden Adler. Der goldne Drache war
im Königlichen Banner von Weffer- Henr. Huntendon, p. 341,
welche Stelle Turner I. 208. irrig von Mercia verſteht. Das Roß
im braunfchweig = luͤneburgiſchen Wappen findet fich erſt feit dem Jahre
1862 6. Müller. im neuen vaterländifchen Archiv 1832. ©. 176,
Scheidt vom beutfchen Abel &. 228. Andrerfeits hat man, was in
Beschung auf unfern Zweck von gleichen Kolgen wäre, das Roß im
Wayyen des Kurfürften von Cdln auf die Erwerbungen befjelben in
Wehysalen und Engern durch Zriedrich Barbaroffa beziehen wollen; doch
ae ſich aus einer Bulle des Papftes Alexander III., daß das Erzbis⸗
Sen daſſelbe ſchon lange vorher fuͤhrte. S. Privileg. eccles. metropol.
‚und Hugo Deduction vom Rechte des Haufes Braunſchweis⸗
tanchurg auf das Herzogthum Lauenburg ©. 293.
' Zweite Abtheilung..
Es muß hier noch. einer neuen Hypotheſe) ber bie Anz
geln gedacht werben, welche erfonnen fheint , um bie Unzuvers
laͤſſigkeit unſerer gefchichtlichen Kunde in ein grelles Licht zu
fegen, und die, da fie durch einen etymologifchen Kaiferfchnitt
alle Bedenklichkeiten aus dem Wege zu räumen fcheint, ihre
Vertheidiger finden könnte. Sowie. nämlich bie Namen Engern,
Angern, Angeln manchen Bölkern in Weftphalen, Thüringen,
Schleswig gegeben feien, welche in der Enge oder Mitte zwis
fchen Stammverwandten wohnten, fo fei den Sadfen m ber
Mitte Englands, im Gegenfas von Efier, Weffer, Sufjer und.
Rorthumberland gleichfalld der Name Angeln geworden. Daß
die Sachſen ſchon ein Middlefer hatten und ed auch Middle⸗
Angles gab, dürfte hier eher überfehen werden; aber ganz ums
haltbar zeigt fich jener Vermittlungsverſuch, wenn wir erinnern,
daß die Angeln im Norden der obengenannten ſaͤchſiſchen Reis
che waren und aljo, wenn fie von ihnen nicht durch Abkunft
unterfchieden waren, Norbfachfen würden genannt fein. Eine
Beziehung auf den Namen Northumberland ift bier durchaus
unftatthaft, da berfelbe, ohnehin Feinen Gegenfag zu den übris
gen Sachſen andbeutend, nicht nur erft fpdter den vereinten
Königreichen Bernicia und Deira ?) gegeben wurde, fondern
auch diefe ohnehin von den beutfchen Stämmen erſt dann exs
obert wurden, als ber Name ber britifchen Angeln fehon den
der Sachfen übertönt hatte.
Leider find Feine Geſetzſammlungen der Angeln vorhan⸗
den, und namentlich iſt die des Koͤniges Offa von Oſtanglien
verloren gegangen, welche uns die wichtigſten Aufſchluͤſſe uͤber
die Übereinflimmung der Angeln in Britannien mit einem ber
Stämme auf dem Sefllande hätte liefern müffen. Doch wiffen
wir aus einzelnen Nachrichten, daß die Rechte der Suͤd⸗ und
NordsEngländer, oder der Sachfen und Angeln, in jenem
Lande noch in ihrer ſpaͤtern Ausbildung haufig von einander
1) Bei von Werſebe über bie Völker und, Voͤlkerbuͤndniſſe des
alten Deutfchlauds &. 130, |
2) Die Eingebornen von Deira nannten ſich Angeln, als ber nad
herige Papft Gregor fie in dem Sabre 589 nad) ihrer Abftammung bee
fragte. Beda l. Il, c. 1.
Bon Mitte bes 5, ie Enbe des 8. Jahrh. 96
abwichen i. Das Recht Mercias wird: aber mit dem von
Oftanglien gewöhnlich als übereinflimmiend angeführt). Wir
_ dürfen daher eine Übereinſtimmung bed Rechtes ber Mercier mit
dem der Anglier nicht überfehen, in welchem Iehteren, umter
- den beutfchen gefchriebenen Rechten allein, tie Benennung der
Adelinge nachzuweiſen iſt. Beide feßten. das Wehrgeld der
Freien auf 200 Schillinge?), wobei das abweichende Verhaͤlt⸗
niß des Adels bei den Angliern fich vielleicht Daraus - erklären
Heffe, daß ein neuer aus ben nach Britannien gegangenen Ge:
folgfchaften entflanbener Dienftadel, die sixhyndesmen, in
die Stelle ded alten Adels ruͤckte, während das Anfehn und
das Wehrgeld des alten Geburteadels verdoppelt: wurde Doch
befißen wir ein fehr bemerfenswerthes Zeugniß über den Urs
forung jenes Wehrgelded der Freien aus dem Rechte der An⸗
glier und deſſen Gültigkeit in England in dem Forſtgeſetze
Knuds des Großen, welches fogar die fpätere Anwendung. jener
in England auffer Zweifel zu fegen fcheint *).
. Die Übereinflinmung. der Gefege der Anglier aber mit des
nen der Angelfachfen ift im Allgemeinen und fogar in manchem
Einzelnen fehr groß, und auffallend. Befonders wichtig erfcheint
in jenen ber Zitel vom Erbredhte in dem Mannsflamme °) -
(lancea, womit die angelfächfifche Speerhälfte uͤbereinſtimmt °),
1) Liber Constitutionum bei Wilkina p. 110 u. 111.
2) Leg. Canuti II. 72. Bgl. unten den legten Abfchnitt von ben '
Gefegen der Angelfachfen.
3) Leg. Aethelstan.. bei Wilkins p. 64. Daraus. die Jadjcia
Civitatis London.
4) Canuti leges foresti c. 33. bei Spelmann glossar. archaeo-
log. p.240. Schmid angel. Geſ.: emendet secundum pretium medio-
cris hominis, quod secundum legem Werinorum i. e. Thuringorum
est ducentorum solidorum.
5) Lex Anglior. tit. VI. Leges Henrici I. c. 70. wo freilich
die betreffende Stelle aus der Lex Ripuariorum c. 66. entlchnt fheint,
doch die Grundfäge denen der Anglier entſprechen und nur aufgenommen
fein koͤnnen, weil ſie zugleich die der Angelſachſen waren.
6) ©. Testamentum Alfredi regis. Hieraus iſt auch das angel⸗ |
ſaͤchſiſche Sprichwort zu erflären: Bige spere of side oththe bear, eme
lanceam a latere aut fer, welches in Legg. Edwardi Confess. c, 12
dahin erläufert wird: parentibus occisi fiat emendatio vel guerre
eorum portetur. \ | \
9% , Bweite Abtheilung.
während die Sachſen nur Schwertmagen Fennen), welchem bis
ins fünfte Glied der Vorzug vor ben Nachkommen der weiblis
chen Linie zugeflanden wird, fowie der Zitel von der Freiheit
letztwilliger Verflgungen '). Die höhere Buße welche auf bie
Verlegung der Hand des Harfeners, des Goldſchmidts und
der Stickerinnen gefest iſt und in andern germanifchen Gefegen
nicht vorlommt, erinnert zugleich an die Harfe des Nordens,
Daͤnemarks und Englands, fowie, der mannichfaltige weibliche
Schmuck Städte vorausfest, wie bie oben gegebene Erklärung
fie in. Häthaby nachweiſet. Ein wichtiger Charafterzug ber
UAnglier war die Heiligkeit des Hausftiedens, welche aus dem
hohen auf die Verlegung beffelben gefesten Strafen fpricht;
was gleihfalld auf eine flädtifche Gultur und Eigenthum hins
deutet und in der großen Achtung, in welcher das Haus des
englifchen Buͤrgers gehalten wird, feine fpätere Ausbildung er
halten hat. Auch in den hierher gehörigen Gefeben findet fi)
bei den Angliern und Angelfachfen der übereinflimmende Grund⸗
fat, daß diejenigen welche zuerfi in das fremde Eigenthum
einbrechen, höher, die nachfolgenden geringer büßten?). Der
Dieb durfte bei Beiden getödtet werden, wenn nur Eide bie
Schuld deſſelben befräftigten ). Ob die Häufigkeit der. Zweis
kaͤmpfe bei den Angliern, welche fie in allen zwei Schillinge
und mehr betreffenden Fällen geflatteten, für den Zufammen-
hang beider Rechte fpricht, wird von denen bezweifelt werben,
welche jene Art ber gerichtlichen Beweife den Angelfachfen abs
fprechen, weil fie dem fpdteren, doch gewiß germanifchen Nas
men Eornest keinen angelfächfifchen Urfprung beimeſſen wols
1) Daß die Engländer Lestere Tannten, geht aus Leg. Canuti II.
c. 70. hervor. Vgl. lex Anglior. tit. XIII.
2) Lex Anglior. tit. X. c. 7. Leges Aethelberti c. 17.
8) Lex Anglior. tit. VIL c. 4. Leg. Inae c. 16 et 35. vgl.
Leg. Withraedi c. 25. Es lieſſe fich, wie manches Andere, auch ber
Diebflahl der Stuten anführen, welchen lex Anglior. tit. VII. fehe
ſtreng beftraft, welche größere Strenge Älfred (Leg. c. 9.) abfchaffte:
doch finder fi) auch Ähnliches bei den Ripuariern u. A. Die von Äl⸗
fred a. a. D. gleichfalls aufgehobene höhere Strafe für den Diebftahl
des Geldes kann auf lex Anglior. tit. VII. c. 3. über den Diebftahl des
Geſchmeides der Frauen gebeutet werben.
Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8, Zahrh. 9
len ). Doch ſcheint Wilhelm J. ‚von dem gerichtlichen Zwei⸗
kampfe als einer befannten engliichen Gewohnheit zu fprechen.
Auch den Angliern fcheint eine folche Bezeichnung gefehlt zu
haben, welche ſich der Ausdruͤcke bedienten, daß das’ Feld oder
der Kampf urtheile). Aus ber fehlenden Erwähnung ber uns
leugbar vorhandenen Sitte dürfen wir vielleicht fchlieffen, daß
jene Weglaffung dadurch zu erklären fei, weil die obenerwähnten:
oftanglifchen Geſetze jened Zweikampfes ausführlich gedachten.
‚Unbezweifelt ift jedoch das Vorhandenfein eines andern Beweis:
mittels im gerichtlichen Verfahren in England in ähnlicher Form
- umd Anwendung, wie jenes alte germanifche Geſetz daffelbe er⸗
wähnt, nämlich jene Art ber Feuer⸗ oder EifensProbe für
fehuldbelaftete. Frauen, welche m dem Beſchreiten von. neun
glühenden Pflugfcharen beſtand ).
So duͤrfte die Behauptung gerechtfertigt erſcheinen, daß
nicht nur in den allgemeinen, allen germaniſchen Rechten ver⸗
wandten Charakterzuͤgen die Rechte der Anglier dem engliſchen
entſprechen und als eine Hauptquelle des letztren angeſehen
werden duͤrften, ſondern daß auch keins der erſteren dem letz⸗
tern in einzelnen Eigenthuͤmlichkeiten ſo ſehr entſpricht, und
daß, wenn alle anderen hiſtoriſchen Gruͤnde wegfielen, wir den⸗
"noch jene Rechte der Anglier in die geradeſte genetiſche Bezie⸗
bung zu den englifchen Rechten fegen müflten *).
1) Palgrave T. I. p. 223 fg. Jene Haͤufigkeit der Zweikaͤmpfe
bei ben Angliern mahnt wiederum: an ihre: nördlichen Rachdarn, bef denen
Arefredi, wie die Sage bei Sarb dem Schulmanne 6. 86) lautet: %e
qualibet controversia ferro decerni constituit,
2) Campus iudicat; daher Kampe, champion, campio$ Kamp, nie
derſaͤchſiſch für Zeld; Kampf. Bol. unten den Ichten Abfchnitt.
8) Lex Anglior. a. 14. Annal. Winton. apud Du Fresne ».v,
Vomeres. Wharton Anglia sacra I. Bgl. Theodoric, Monach.
hist. reg. Norveg. c.34. (ap. Langebeck serr. rer. danic. V. 840.)
Capit. ad leg. salic. c. 9. Capit. 1. IV. app. 2. c. 8, Leg.
longob. 1. I. c. 10. $. 3. und fogar Leg. Henrici I. c. 89. Andere
Gefege Tchreiben bekanntlich zwölf Pflugſcharen vor.
4) Die gemwöhnlid) - uͤberſchriebene lex Angliorum et Werinorum
wirb in der corveyer Handſchrift, deren Bekanntmachung duch
Pertz wir nächftens entgegenfehen, lediglich lex Thuringorum genannt
und gibt unter diefer auch nur bie elf erften auf das Wehrgeld bezuͤg⸗
Lappenberg's Geſchichte Englands I. 7
96 Zweite Abtheilung..
Anzahl, da fie aur Kent, die Infel Wight und einen Theil
von eſſer, in welchem noch nach Jahrhunderten bas Juͤten⸗
volk von den Sachfen unterſchieden wurde, inne hatten 9.
Kent beſitzt viele eigenthuͤmliche Rechte, unter denen das Erb⸗
recht Gavelkynd befaunt iſt, und einen eigenen Dialekt; felbft ein
fuchungen inbeflen, als über die meiſten Nationalgefchichten
und namentlich Die englifche augefiellt find, werben Ichren
muͤſſen, ob das aͤlteſte jütifche Recht den Tentifchen Gewohn-
. beitöredhten gleich iR, ob ber jutiſche Vorfahr noch aus dem
Eentifchen Manne ſpricht. Ein Umfand fcheint uns jedoch zu
auffallend, um nicht auch Anderer Aufmerkfamkeit - darauf zu
lenken. Während die übrigen. englifhen Shires in Hundreds
ober Wagentakes zerfallen, ift die Grafihaft Kent allen im
ſechs Lathes von. regelmäßiger Form und beinahe gleicher Groͤße
abgetheilt ). Diefe Abtheilmgen, welche fpäter nur Juris⸗
dictionsbezirke blieben, dienten früher zunaͤchſt zur Stellung und
Mufterımg ber Kriegemannihaft und des Aufgebotes. Die Heer
fahrt heifft aber noch in dem jätifhen Low): Lething; es
lichen Artikel, während die judicia Wlemari fehlen und die wichtigen -
folgenden Artikel ſaͤmmtlich der lex Saxonum angehängt find. ©. Ar-
dio für ältere deutſche Geſchichtskunde B. IV. ©. 346. Doch ſchon
bie Übereinftimmung in bem breifachen Wehrgelde bes Abalings im Ber:
bältniffe zu dem ber Freien, die Erwähnung der Adalinge ſelbſt fcheinen
neben vielen andern Gründen für die richtige Angabe der lindenbrog⸗
ſchen und heroldfchen Handfhriften zu: zeugen.
-" 1) Beda l.L u. L IV. c. 16. Chron. saxon. ad a. 449. Juti
Vectiani und Cantiani Juti ums Jahr 900 erwähnt Wallingford
chron. bei Gale I. 538. Leg. Edwardi Confess. bei Wilkens
206. Guti — suscipi debent et protegi in regno isto sicut conjurati
fratres, sicut propinqui et proprii cives regni huius. Exierunt enim
quondam de nobili sanguine Anglorum, scilicet de Engra (Stadt En:
gern in Weftphalen) civitate, et Anglici de sanguine illorum, et sem-
per effictuntür populus unus et gens una. Ita constituit Ina rex An-
gliorum etc.
2) Leg. Edwardi Confess, c. 35,
8) 8. III. Cap. 2. 12. j
⸗
Bon Mitte des 8. bis Ende des 8. Jahrh. 9
deerfte daher wohl ber Diſtrict, welcher zuſammen zur Heer⸗
fahrt entboten wurde, jenen Namen gefuͤhrt haben. Auf aͤhn⸗
liche Weiſe iſt Fyrd, der Heerbann ber Angelſachſen, deſſen
alte Bedeutung in ben deutſchen Sprachdenkmaͤlern nicht er
halten zu fein ſcheint, m Holſtein verblieben, wo es bie Wer
fammlung ber urſpruͤnglich zu kriegeriſchen Zwecken vereinten
Landſtaͤnde zu Bornhoͤvet benennt. Die aͤlteſte uns bekannte
Darſtellung einiger kentiſcher Gewohnheitsrechte) bezieht ſich
großentheils auf Verhaͤltniſſe, welche ſich nach der Einwands⸗
wung der Juͤten mit dem Lehnsſyſtem gebildet haben, während
db jütifche Lem König Waldemars IL im dreizehnten Jahrhun⸗
wert manche ſaͤchſiſche und andere frembartige Rechtsbegriffe
in ſich aufgenommen hat. Doc, beide bieten bie übereinfitm-
werde DBorfchrift dar, tag ber Sohn in Bezug auf Die Güter
des verſtorbenen Ehegatten mit dem funfzehnten Sabre als mim: .
dig betrachtet werbe?); eine Beſtimmung melde, wenn fie einer
ſeits wit daͤniſchen Mechten harmonirt und anberesfeits auch
ei englifhen Bormannen ?) aufferhalb Kent gältig war, nicht
aus fächfiichen Rechten ſtammt, fondern am leichtelen aus ver
juͤtiſchen Einwanderung hergeleitet wird.
Es ift Taum glaublich, daß im dem Tagen ber Volterwan⸗
derung und der Gefolgſchaften eine jo glänzende Eroberung
als die von Britannien war, nicht aus verwandten germani⸗
ſchen Staͤmmen manche Schaaren nach ſich gelockt haben ſollte;
doch ſind andere auſſer den genannten nicht zahlreich genug ges
weien um it glaubwürbigen Kunden erwaͤhnt zu voerben *).
1) Statutes of the Reslm. T. I. p. 223-225. Man wird jedoch
viele der dort erwähnten Gewohnheiten auch als allgemeines angelſaͤchſi⸗
ſches Recht erkennen, darf aber auch vielleigt einen Einfluß her früher
mächtigen Herrfcher Kents auf das letztere annehmen.
2) Züt. Low. 8. I. Gap. 7. Eu in R. aiminelreihtliße binfſicht
B. II. Cap. 50. Dagegen B. I. Gap. 3 |
3) Glanville 1. VI. c. 9. $. 2.
4) Eine Stelle Bad a8 8. V. Cap. 10, welche Frieſen, Sunnen,
Augier, Bructerer u. 4. als deutfche Völker nennt, ift häufig auf bie
Einwanderer in England bezogen. Diefer Irrthum, ſowie eine ähnliche
Misdeutung einer Stelle in Chron. saxon. ad a. 885. durch Wiarda,
hat bereits Dahlmann a. a. D. ©. 215 gerögt.
7.
400 Bweite Abtheilung.
drieſen duͤrfte man wegen ihrer Nähe, ihrer Sciffopetäkune
— dad Mer zwifchen Britannien und Schottland trug ihren
Namen ') — der dem Angelfächfifchen naͤchſtverwandten Sprache
und einzelner oben ſchon angebeuteter Traditionen wegen vor
‚allen fuchen. Selbſt Zinn Folcwalding, welchen die Stamms
*
baͤume unter den Ahnen des Hengiſt und Horſa anfuͤhren, wird
ein König der Frieſen genannt?). Doch koͤnnte man. leicht aus
der Sprachverwandtſchaft mehr folgern muͤſſen als man wollte,
da ſie alle entfernteren germaniſchen Staͤmme ausſchlieſſen wuͤrde.
Beſonders huͤte man ſich vor Verſuchen, auf Woͤrter, wie Sar,
das lange Meſſer der Sachſen, dem ſie ihren Namen verdanken,
und welcher den Sriefen ’) ‚gebräuchlich war und noch jest in
dortiger Gegend ſich findet, ein zu großes Gewicht zu legen, da
wir aus denſelben ſprachlichen Gründen ſonſt auch die Islaͤn⸗
der fuͤr Sachſen erklaͤren muͤſſten ). Selbſt die große Über⸗
einſtimmung des alten frieſiſchen und angelſaͤchſiſchen Öffentlichen
wie Privat⸗Rechtes, wenn fie gleich das entſcheidendſte Zeugniß
für die Verwandtſchaft beider Stämme gibt, geſtattet uns nicht
in Beziehung auf Britannien weiter zu folgern; befonders da
unfere aͤlteſten Nachrichten über die Frieſen zu mangelhaft find
um audmitteln zu Tönnen, welche Wirkung die Verbindung mit
den Angelfachfen und die Auswanderumgen berfelben auf bie
friefifchen Stämme geübt haben mögen. Die Behauptung
Prokops °), daß auf der Infel Brittia Angeln und riefen woh-
nen, erfcheint, bei allen Fabeln ber übrigen Erzählung, dennoch
durch ihr Alter und andere unten zu eroͤrternde Umflände fehr
glaubwürdig. Ein alter Irrthum ſchon ift es, welcher. die letz⸗
ten Vitas benennt und biefes nirgends aufzufindende Volk für
1) Mare fresicum. Nennii hist. Brit. c. 37. Ich möchte jedoch-
nicht behaupten, baß jenes Gewaͤſſer, the frith of Forth, nicht bem
Nennius allein die Deutung auf Sriesland verdanke.
2) Angelſaͤchſiſches Lich des Reifenden ®. 53 in Conybeare Illu-
strations p. 13 et 275.
8) Afega Buch tit. III. $. 18, tit.-V. 8. 17.
4) Gegen bie Identitaͤt der frieſiſchen und angelſaͤchſiſchen Sprache
erklaͤrt ſich auch Raſk in der Einleitung feiner Frisisk Sproglaere
5) Procop. L IV.
Don Mitte des 5. bie Ende bes 8. Jahrh. 100
einen frieſiſchen Stamm erklaͤrt). Spätere. Zeugniſſe erweiſen
mit mehr Sicherheit die Anweſenheit frieſiſcher Abkoͤmmlinge in
England, jedoch fuͤr ſpaͤtere Jahrhunderte, und koͤnnen weder
bie Nachrichten Bedas umſtoßen noch die Griͤndung irgend
eines Staates oder bedentender Niederlaſſungen von drleſen i in
England darthun?).
Über die Theilnahme von Franken finden f ch einige nicht
hinlaͤnglich deutliche Nachrichten; Ähnliches iſt von den Longo:
barden zu bemerken. Wir koͤnnen Beides nicht bezweifeln, va
wir Sachſen mit Franken und Longobarben zu ‚ähnlichen. Zuͤ⸗
gen auch fonft vereinigt finden; namentlich die Leßteren.noch, als
die vollendete Beſetzung der englifchen Suͤd⸗ oder Oft: Küften
ihnen neuen Raum für Eroberungen wünfchenswerth machte’).
| Mehr wie eine aligemeine Bezeichnung als wie der Name
eined germanffchen Stammes wird der Ausdruck Ambrones
betrachtet, den ditere britifche Schriftfteller den Anſiedlern Bei-
legten; es wird derſelbe auf die Sqleunmerei derſelben gedeu⸗
2 Gobelin. Persona (sec. XIV), Cosmodrom. Aetäte vn.
Legi in quadam chronica, quae prosequebatur progressum stirpis re-
gum Franciae, quod gens tertia, quam Beda Vitas (rectius Jutas)
appellat, sit gens Frisonum. Aus biefer bisher unbeachteten Quelle
möchten wohl bie gewöhnlich angeführten ähnlichen Angaben fpäterer
Schriftſteller gefloffen fein.
2) Vita S. Swiberti: Egbertus sitiens salutem Frisonum et Saxo-
num, eo. quod Angli ab .eis propagati sunt.: Chron. saxon. a. 897.
gedenkt ſowohl frieſiſcher Schiffe als vornehmer mit den Angeln in -
Weſſex erſchlagener Frieſen. Doc gerade der Umfland, daß Legtere
in diefer Zeit unterfchieden - werden, IAfft uns mehr Hülfsgenoffen als
Mitbürger erbliden. Vita 8. Liudgeri c. 11. erwähnt gleichfalls fries
fiihe Kaufleute zu Mork als Fremde. Schon Beda (hist. 1.IV. c. 24.)
gedenkt eines Frieſen, welcher zu London einen Sklaven kauft.
8) ©. Paul. Diacon. de gestis Longob. l. II. c. 6. 1. HI.
6,6. Bon Beziehungen der Angelfahhfen und Longobarden zu einander
wird Öfters die Nebe fein. Bemerken wir bier, daß Sceafa, einer der
Gtammväter Wodans in angelfächfiihen Sagen, ein König ber Longo⸗
barden genannt wird, und. daß fpäter angelfächfifche Heldenſagen ‚Die
alten Iongobarbifchen Könige Agelmund, Lethu, Auboin und Alboin
deſſen Sohn, feierten. S. den Geſang des angelſaͤchſi ſchen Reiſenden in
Conybeares Illustrations, der dieſe hiſtoriſchen Namen nicht erkannt
hat, weil er dem Gedichte ein zu hohes Alter beilegt. nn
| 108 - Biweite Abeheitung.
ww) Dieſes iſt jedoch offenbar nicht die Abſicht jener Gchrif
ſteller, und werm wir. in jenem Name auch nicht die alten: Ger
fährten der Zeistonen wieber erkennen, fo möchten wir boch die
Anwohner ber Emmer, in einer in ber ſaͤchſiſchen Stammfage
fehr wichtigen Gegend, in denfelben muthmaßen. Es duͤrften
- daher unter jenem Namen nur Altfachfen, deren Sagen den
Briten bald bekannt wurden, im engern Sinne zu verftehen fein.
Auf die Nationalverſchiedenheit' der deutfchen Staͤmme,
welche ſich in Britannien niederlieſſen, hat man bisher gar
wenig geachtet, und hat ſich durch die ſpaͤtere politiſche Einheit
und die früh uͤblich gewordene Geſammtbenennung der Angeln
verleiten laſſen die auſſerordentliche Verſchiedenheit der Ele⸗
mente, aus welchen Großbritannien zuſammengeſetzt iſt, zu uͤber⸗
ſehen. Und dennoch zeigen ſich noch heute, nach bald andert⸗
halb Jahrtaufenden, felbft abgefehen von ben zeitifchen Skims
men, merkliche Rechts⸗ und Dialekts⸗Verſchiedenheiten, ſowie
Eigenthuͤmlichkeiten bes Wuchfes, des Haared, ber Augen, um⸗
tee den Landfafien, welche die unerlofchene natürliche Ver:
wandtſchaft mit denen der alten Heimat beurkunden. Müffen
biefe Charaktere fich wicht fruͤher viel deutlichet ausgefprochen
haben als jetzt? Gewiß dürfen wir auch darin den Grund der.
großen Schwäche der angelfächfifchen Oynaſtie finden, indem
die Söhne das Land, beffen die tapferen Wäter fich bemächtige
batten, ſchn fobald den eindringenden Normannen zurüdflies
bend überliefien. Die langfame Wiedereinführung des Chriſten⸗
thums, die darauf folgenden Streitigkeiten der Kierifel im
Norden und Süden Englands, bie Uneinigkeit bei den Angrif⸗
fen der aͤuſſern Feinde, vie Verträge mit denfelben, die wichtig⸗
ſten Begebenheiten der angelſaͤchſiſchen Herrſchaft finden eine ſo
weſentliche als ungeſuchte Erlaͤuterung in der aufmerkſameren
Verfolgung der Stammverfchiedenheiten. |
| 1) So ift allerdings Gildas c. 13. gu verftehen, doch kann er
auch mit den Worten geſpielt haben. Deltlicher iſt Nennius c. 64:
von Paulinus: baptizavit omne genus Ambronum i. e. Aldsaxonam.
@alfrid. Monmouth. L V. c. 16. 1. VI. c. 6. 1. VIII. c. 14. 28;
RX. c. 15. braucht es gewoͤhnlich in einem Zufammenhange, worin
de Sachſen als verächtlich bezeichnet werden. Ambraha, die Emmer in
Einhardi annal., beren Anwohner Ambrones; vgl. Monon. Pador-
born. Monum, hist, german, T. II. Index ». v. Ambrones.
!
Bon Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 08
Jene urſpruͤnglich vorhandenen, wenngleich nicht ſtarken
Gegenſaͤtze unter den: Einwanderern muͤſſen uns aber auch zu
der einfachen und doch fo ſehr vornachlaͤffigten Bemerkung fühs.
ven, daß fo Manches was wir als Religion, Recht, Sitte
und Sprache bet Angellachſen zu bezeichnen pflegen, erſt im:
Laufe mehrerer Jahrhunderte, durch die Verſchmelzung der ver⸗
ſchiedenen Beſtandtheile, entſtand. Da eine ſernere und: aus⸗
fuͤhrliche Darſtelling deſſen was bie: Einwanderer aus ihrer
Heimat brachten hier nicht geſtattet iſt, ſo wird von demjeni⸗
gen was wie angelſaͤchſeſch nennen duͤrfen, erſt ſpaͤter, bei ge⸗
eigneter Veranlaſſung, die Rede fein, und dann zuweilen, an
dasjenige was urſpruͤnglich ben Sachſen ober den Angeln und
- Bien: anzugehören ſcheint, erinnert werden.
Dies warn die Volksſtaͤmme, welchen es gelang m dem
Laufe vor anderthalb Jahrhunderten ſich des groͤßeren oͤſtlichen
Theiles Britanniend zu bemaͤchtigen. Je roͤmiſcher bie einzel⸗
nen Gegenden geweſen waren, je früher werden nımmehr bie
verlaffenen Stäbte und Burgen bie Beute Der Barbara. Von
dem Widerflande. welchen bie Loegrier oben Briten den Sie⸗
gern anfänglich —— Hat ſich wenige Nachrichten
erhalten. Die Zwietracht der britifchen Fuͤrſten, welche das
Vordringen der Fremden fo ——— erleichterte, hat ſelbſt eine
Gleichguͤltigkeit der. britiſchen Geſchichtsſage gegen Die abgefalle⸗
nen oder verlornen Staaten erzeugt. Gleichzeitig mit Vorti⸗
gern, jedoch unvereinigt, zugleich auch im Kriege mit einem
britiſchen Fuͤrſten Guitolin ober Wetheling verwickelt, bekaͤmpfte
Ambroſus Aurelianus, welcher ſelbſt ein roͤmiſcher Woͤmmling,
vielleicht einer der britiſchen Provinzialkaiſer war, die vordrin⸗
genden Sachſen mit roͤmiſcher Kriegäfunde Vielleicht waren
noch felbft vömifche und romanifiete Krieger in eingeinen feften
Stellungen, welche jeboch die allgemeine Verwirrung nur noch
mehr befördert‘). Eine Niederlage welche bie fächfiichen
Seeräuber erlitten und die fie veranlaffte zu ihrer Heimat zus .
ruczukehren, um mit neuen en Helfern ſich zu vereinigen, wurde von
1) Gildas c 26, unb aus ihm Beda 1. I. c. 16; Gortkiger-
mus — urgebatur — a romanico impetu necnon a timore Ambrosii.
Mennius c. 38. Id. c. 1. und Gale daſelbſt.
516.
108 u Bmweite Abtheituas.
A. Aurelianus geſchickt benutzt, um bie Loegrier zu. ermuthigen
und gegen ein ferneres Vordringen der Feinde zu kraͤftigen. In vie⸗
len auf einander folgenden Treffen und Scharmuͤtzeln waren die
Loegrier bald Sieger bald verlierend. Die letzte bedeutende
Niederlage welche die Briten den Sachſen beibrachten, erfolgte
bei der Belagerung von: Bath‘); einige einzelne erfolgloſe
‚Kämpfe find und nur durch bie Geſchichte der Gründung eins
zelner angelfächfifcher Reiche bekannt. Der Zeitgenofje welcher
von dieſem in feinem erſten Lebensjahre erfochtenen: Siege be=
richtet und der deſſen northeilhafte Folgen feit 44 Jahren be
zeugt ?), Gildas Cormac, der Weife genannt, hält es für
unnöthig den ‚Namen des viel gefeierten Siegerd nieberzufchreis
ben. Auch ift feine vielverbreitete Schrift, felbft. in den noch
weiter verbreiteten Auszuͤgen des Beda, in Feine Gegend gelangt,
wo der Ruhm bed: Königs Arthur nicht vorangeeilt waͤre. Der
edle Kämpe, welcher Freiheit, Sitte und Sprache des uralten:
Vaterlandes vor ber Zerftätung wilder Feinde erhielt, welcher:
dad Kreuz vor den Heiden ſchuͤtzte und ben burch Alter und
manche Kunde ausgezeichnetſten Kirchen, aus. denen. einem:
großen Theile Europas das Chriftenthum und ‚berühmte Kloͤſter
zukamen, ein fichered: Bollwerk erfocht, er war.zü fo fehr welt⸗
geichichtlichen Thaten berufen, daß et der Gefthichtichreiber.
nicht bedurfte, um glaͤnzender als die Helden der Annalen fort⸗
zuleben. Zu den Lestern ift er feit dem Buche des Galfrid von
Monmouth gerechnet; aber. abgefehen von den Werken welche
bereitö ums Jahr 720 Eremita Britannicus vom heiligen Gral
und vom Könige Arthur und feinen Thaten verfaſſt haben fol,
bezeugt die ſchnelle Verbreiting von, Galfrids Werk in, den
meiften Ländern Europas, daß der Glaube an den Helden.
deſſelben tief eingewurzelt war. Im zwoͤlften Jahrhunderte
ward ein kuͤrzlich wieder aufgefundenes griechiſches Gedicht zur
Feier Arthurs und der Helden der Tafeltunde geſchrieben *
1) Gildas c. 26.
9 Beda hat diefe Stelle misderſtanden und jene Schlacht in das
44. Jahr nach der Ankunft der Sachſen, alfo ums Jahr 492 geſegt.
Die Annales Cambriae geben das Jahr 516. Matthäus von Weft-
minfter das Jahr 520.
2 Das wieder entdeckte Fragment von 306: Verſen deſſellt har.
Bon Mitte des 6. bis Ende des 8. Jahrh.
Noch deutlicher aber zeugen für die uralte. gefchichttiche Sage
die vielen. Löcalerinnerungen, welche im ganzen damals chriftlis‘
den Eusopa, von den ſchottiſchen Gebirgen bis zum Ana her⸗
ab, an den Namen Arthurd gefnlipft find ). Andererſeits ift
bie mehr gemaͤßigte Verehrung walififcher Dichter fer Arthur,
melche mehr als den. König deffen Heerführer Geranit preifen
und. fogar berichten, daß jener, nicht immer fiegreich, ben
Sachſen Hamptonfhire und Sommerfet abgetreten habe, als
ein nicht verächtliche Zeugniß für das geſchichtliche Daſein
Arthurs hervorzuheben:”).: Sogar diejenige von. den Sagen
über Arthur, welthe: auf: den erften Anblick aller :hiftorifchen
Wahrheit am ſtaͤrkſten Trotz zu bieten fcheint, bie. von. feinem.
Zuge gegen. Die Römer, auf-deren Auffoderung, ſich zu unters‘
werfen, ericheint nicht: ohne ale Glaubwuͤrdigkeit, wenn wir
wahrnehmen, daß ein ähnlicher Kriegszug in. Gallien ausge⸗
führt wurde, und wir. wirklich, aus ben umbeflrittenfien Ge⸗
ſchichtsquellen, von dem auf Auffoderung des Anthemius im
Sahre 468 vollführten Zuge bes. britifchen Anfuͤhrers Riotha⸗
mus mi oölftaufend über. den Ocean herbeigefuͤhrten Bri⸗
v. d. Hagen in feinen Denkmalen des Mittelalters. Verlin 1588. ‚8
zuerft herausgegeben. Auch Gottfried von Viterbo beweift, wie
ſchnell ſich durch Galfrid non Monmouth jene Sage durch Europa
verbreitete. Pars XVIII. feinee Chronik enthält einige in Hexame⸗
tern und Pentametern abgefaffte Erzählungen von Woltiger, Orſus,
-Engift, Corinna (Rovenna), Uterpendragen, ertin, Hierar iber⸗
nia) ꝛc.
1) Gervas. Tilbur. bei Leibnitz scrr. rer. brunsvie. I. 921.
Deſſen Xtnafage von Arthur, welcher im Kampfe mit feinem Neffen
Mordred (Medraud) und dem Sachſenherzoge Childerik fiel, deutet
jedenfalls auf andere Quellen als die des Galfrid, welche ein ſehr hi⸗
ſtoriſches Gewand tragen. Vgl. auch den Fortſetzer bes Nennius
Cap. 62. U
2) Turners history of the Anglo-Saxons B. III. c. 3. Er
Halt den LLywarch Hen und andere Dichter für die Zeitgenoſſen Ar⸗
thurs. Ähnliche Nachrichten finden ſich auch bei zwei Zeitgenoſſen des
Galfrid von Monmouth, naͤmlich in Ricardi- Divisiensis
historia Angliae ad primordia regis Stephani und in Chron. Radulfi
Nigri; jene ums Jahr 1138, diefe zuerft 1161 abgefafft. Beide, bis
jegt nur handſchriftlich vorhanden, werben in der. neuen ' Sammlung ber.
scır. rer. Britanniae erſcheinen.
206 Zweite Abtheitung.
ter gegen bie Mefigothen in Gallien und beffen Gefechte an
ber Loire vernehmen). Diefe ſchr ſchaͤtzbare Nachricht gibt uns:
einen ſehr beachtungswerthen Wink über die Berbinbungen mb
bie Hülfsmittel derjenigen Theile in Britannien, welche. noch
nicht. von den fächfifchen Seerdubern belaͤſtigt wurden. Arthur
| 637. fiel in einem Kampfe in Cornwallis gegen Mebraub?), ſein
Tod wurbe jedoch lange verheimlicht und feine Landsleute harten
viele Jahre auf. feine Wiederkehr und feinen Schub vor den
Angelfachſen. Die Wieberauffindung: feines lange verheimlichten
Grabes bei dem Klofter zu Glaſtonbury ift von fehr glaube
wuͤrdigen Beitgenoffen berichtet °) und gab damals: zu keinem
Verdachte religidfen oder politifchen Betruged Anlaß. . Hätten
ben Kimig von. England, Heinrich II., welcher im Jahre
4189 die Wieberanfgrabung des Sarges veranlafite, die. Walls
fee nın von dem Tode ihres Nationalhelden burch eis Blend⸗
wert uͤberzeugen wollen, fo würde wohl: ſchwerlich er ſeibſt bei
bemfelben eine fo hervorſtechende Rolle uͤbernommen haben.
1) Jornandes de rebus geticis 0.45. Sidon. Apol. W. ep.
Wenn man jeboch mit des Piftorius Zerte des Sigebert von Gems
blours den Riothamus für durchaus ibentifch mit Arthur halten wollte,
ſo würde auch deſſen Chronologie angenommen werben müffen, beren -
Ungewißheit ihm felbft nicht entging. S. Denfelben bei den Jahren 470,
472, 473, 482 u. 491. Die merkwuͤrdige Stelle bet Sigebert, worin
diefer feinen Zweifel über die Glaubwuͤrdigkeit der historica narratio
nuper de Britannico in Latinum translata ausbrüdt (non omnja pro
veris affırmamus), bezeugt gleichfalls das Vorhandenfein der Volksſagen
über Arthur. (cuius mirabiles actus etiam linguae personant populo-
rum). Diefe Stellen ber figebertidhen Chronik würden, da Sige⸗
rbert im 3. 1112 ftarb, noch wichtiger fein, wenn daraus gefolgert
werben Fönnte, daß diefer ältere Quellen ald der exit etwa 40 Jahre
ſpaͤter erfchienene Galfrib von Monmouth beſeſſen haben ſollte;
doch ift zu bemerken, daß in dem Abdrude des Mirdus alle bisfe
Stellen fehlen, welche Piftorius in der von. Robert de Monte
ums Jahr 1210 fortgefegten und ohne Zweifel überarbeiteten. Chronik
©igeberts fand. Die historia Britonum, welcher Alberich folgte,
fegt Arthurs Regierung in bie Jahre 459-475,
— D So auch annal. Cambriae a. 537. Rad} Galfsid B. XL.
Gap. 2. legte Arthur im 3. 542 die Krone nieber.
5 Guilelm. Malmesb. Girald. Cambrens. de institutione
‘ princip. bei Bouquet. T. xvm.
Bon Mitte des 5 bis Ende des 8. Jahrh. 307
Die Dichtung und die Sage zeugen für ben Geift, wie feine
Ache und der Grabflein fir das Leben und den Namen Ar⸗
thurs; der Glaube an das: Daſein dieſes chriſtlich⸗ celtiſchen
Hektor kann durch burzfichtige Zweifelſucht nicht erſchuͤttert wer⸗
den, wenngleich noch Vieles fuͤr die Geſchichte der Briten wird
geſchehen muͤſſen, um den hiſtoriſchen Inhalt der Dichtungen
begeiſterter Barden, welche oft nur in entſeelter Nachbildung
anf unſere Tage gelangt find, in bes nuchternen Spas kei⸗
tiſcher Forſchung wiederzugeben.
Während britiſches Volksthum gegen die Gewatt der Sache
ſen fich vertheibigte, wie es gegen bie Roͤmer ſich bemähtt hatte, -
wurbe ber größere Theil der Inſel allmdlig Beute umd Hei⸗
mat der Fremden. Die britiſchen Nachrichten werben hier ſeht
felten; doch auch die angelfächfiihen Nachrichten‘, befonvers
ihre Zeitrechnung, erſcheinen ſtets hoͤchſt ſagendaft.
Hengiſt lebte noch, als im Jahte 477 Alla!) und feine
brei Söhne Eymen, Wlencing und Ciſſa auf der gleichen Drels
zahl Chyulen bei Cymenesorn (Keymor auf Selfen int weltlichen
Suffer) Iandetm. Bei der Landung bee Sachſen erhoben die
Briten ein lautes Geſchrei, unzählige derſelben flogen aus den
nabgelegenen Ortſchaften herbei und ſogleich begann der Krieg.
Die Sachſen, an Körper die größten, am Kraft bie flärkften,.
empfingen jene wit keckem Muthe, dieſe aber ruͤcten unvorfichs
tig hervor und wurden, wie fie getrennt und allmälig heranka⸗
men, von ben vereintflehenden Sachfen niebergemegelt. Den Nach⸗
eilenden kam fchon die unerwartete Schredensbotfchaft entge⸗
gen. Die Briten wurden bid in den benachbarten Wald An⸗
dredeſsleage getrieben. Die Sachfen lieflen ſich am Meeres⸗
ſtrande nieder und dehnten langſam ihre Niederlaffungen aus,
bis im achten Jahre nach ihrer Landung in Suffer bie Fuͤrſten
and Herten ber Briten ſich vereinten und ihnen bei Meatcrebeds
barn eine große Schlacht lieferten, deren Sieg faft zweifelhaft
blieb. Jedes der Deere, fehr mitgenommen und geſchwaͤcht,
verwuͤnſchte das Sufammentreffen mit dem andern, und fie kehr⸗
1) Beda 1. I. e. 5. kennt nur feinen Namen. Die obige Dars
ſtellung ift aus der ausführlichen Chronik des Heinrich von Hun⸗
tingdon, befien Genauigkeit in ber Ercerpirung feiner uns befannten
Quellen diefelbe Eigenſchaft füs die uns anbekannten verbürgt.
108 Zweite Abtheilung.
ten. zu ihren Wohnungen zurüd. Alla aber fandte zu. feinem
beutfchen Landsleuten und begehrte Huͤlfsvoͤlker. Diefe langten
im fechöten. Jahre an und: zogen mit Alla zur Belagerung ber
feften altrömifchen Stadt Andrebesceafter (Anderida). Doch
die Briten fammelten fich gleich Bienenfchwärmen um bie Be
Ingerer und bekaͤmpften fie bei Tage durch Liſten, bei Nacht
durch Überfälle. Keim Tag, keine Nacht vergingen, in welchen
neue Ungluͤcksboten die Gemuͤther der Sachen nicht erbitterten.
eifriger richteten diefe unaufbörliche Angriffe auf die
Stadt. Doch ſtets zeigten fich den Angreifenden die Briten
im Rüden mit Bogenfchügen und mannichfaltigem Wurfgeſchoß.
Sowie die Sachen jedoch Schritte und Waffen gegen fie rich⸗
teten, fo eilten die an Schnelligkeit überlegenen Briten in bie
Waͤlder und waren den zu den Zeflungswerten Heimkehrenden
fogleich wieder im. Ruͤcken. Die Sachſen wurben hierdurch er⸗
muͤdet und. viele derfelben fielen, bis. fie ihr Heer in zwei Ab:
theilungen trennten, damit, während eine die Stabt angriffe,
die andere gegen bie Überfälle der beitifchen Krieger gerüftet
fei. Darauf fanden bie belagerten Bürger, durch langen Hun⸗
ger aufgerieben, nicht ferner im Stande die Laſt der Angreifen-
den zu ertragen, mit Frauen und Kindern durch das Schwert
ihren Tod, ſo daß nicht einer entkam. Die Stadt wurde von
den erbitterten Siegern gaͤnzlich zerſtoͤrt; Heinrich von Hun⸗
tingdon kannte nur die Staͤtte, auf welcher die herrliche Stadt
einſt lag; in unſern Tagen iſt ſelbſt dieſe ein Gegenſtand muͤh⸗
ſamer, jedoch. erfolgloſer Nachforſchungen geweſen. Alla, weh
cher die koͤnigliche Wuͤrde von Suffer annahm, wird mm als
das Oberhaupt von ganz England, ald der erſte Bretwalda
unter den Angelfachfen angefehen. Freilich hat ſchon Beda
diefes behauptet; Doch wenn wir den geringen Umfang der da⸗
moligen germanifchen Befigungen in England betrachten, wenn
wir und erinnern, daß in beinahe hundert Jahren Fein. zweiten
Bretwalda wieder genannt wird, fo Fönnen wir in jener Wuͤr⸗
denertheilung nur die freigebige Hand des Sängers erkennen,
welcher jene früheren Kämpfe fo ausführlid” und dargeftellt
bat’). Allas Tod wird zwifchen den Jahren 514—519 an-
1) Palgrave Th. II. 234. macht. die Bemerkung, daß Alla, weil
es Bretwalda gewefen, auch als Herrſcher von Weiler anzuſehen fer;
s
\
Don Mitte des 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 109
gegeben, und es ſcheint alfo ihm wie Hengift eine Periode von
vierzig Jahren in England befchieben zu fein. Ihm folgte fein
‚Sohn Eiffa und mit ihm eine Lüde von beinahe anderthalb
Jahrhunderten, in welchen weder Chroniften noch Dichter für
uns eine Zeile über das Reich Suffer. erhalten haben, welches,
zwijchen zwei neuen germanifchen Reichen eingefchloffen, feine
Grenzen durch Eroberungen in den britifchen Staaten nicht
ausdehnen Eonnte. Sogar ber Name, den es führte, ehe bie
Entſtehung anderer fächfifcher Reiche den von Süpfachfen vers
anlaſſte, ift und nicht aufbehalten. Auch wird ausdruͤcklich bes
richtet, daß dichter Wald und Zefenwände Suffer, ben letzten
Sit ded Heibenthumes, gegen die Waffen ber übrigen Staas
ten fchüsten, fowie daß Ciſſas Nachkommen die Tönigliche
Bürde in Suffer behaupteten, wenngleich ihr Einfluß bei der
fleigenden Vergrößerung anderer germanifcher Staaten ſehr fins
fen muſſte). Die Nachricht eines fpdtern Schriftftellers, daß
nah Ciſſas Tode Suffer eine Provinz von Wefler wurs
de ?), erfcheint um fo unglaublicher, da fie mit derjenigen ver
knuͤpft ift, daß Ciſſa, der feinen Vater im Jahre 477 fchen
auf feinen Kriegszügen begleitete, erft im Sahre -590 verftorben
ſei. Des erften deutfchen Bevölkerung ‚gehört wahrfcheinlich' die
finguläre Eintheilung der Grafſchaft Suffer in ſechs Rapes
an, deren jedes in eine Anzahl Hunbrebe wieder eingetheilt iſt.
Vermuthlich waren biefe Diftricte für Waffenvereinigung bes
flinmt; an die tölänbifchen kleinen Abtheilungen, hreppr ges
nannt, erinnem fie ı nur Durch den Laut. Ä
!
welche, ſowie fe bort deſtelt iſt, nur Mistrauen gegen feine Anfidhfen
erregen kann, wo fie nicht rein ſtaats⸗ oder privatrechtlich find. — Selt⸗
fom, daß grabe des erften Bretwalda Alles Stammbaum uns nicht aufs
bewahrt ift, ber uns von Teinem ber Übrigen angeblichen Stifter der echt
angelfächfifchen Reiche fehlt.
1) Henr. Huntend. Ella, post eum Cissa filius progeniesque
eorum post eos; at in processu temporum valde minorati sunt..
2) &o Zurner ohne Beleg, unb der in feinen Fußtapfen fort⸗
ſchlendernde Lingard. Die Quelle ift Matthäus von Weftmins
fer. Dagegen fagt Bedas Beitgenoffe Ädbi in der Vita S. Wil-
fridi c. 40. (Southsex) provincia gentilis, quae prae rupium multitu-
dine et silvarum densitate aliis provinciis inexpugnabilis exstitit.
- 339 — 3weite Abtheilung.
Die Stiftung des dritten deutſchen Reiches im fuͤdlichen
England iſt dur die Bedeutung weiche Weller ſpaͤter er⸗
langte, won größerem Intereſſe. In neunter Beugung ſtammte
| son Wodan Cerdic, welcher in den Kämpfen ber Heimat ben
494,
gewaltigen Geift entfaltet hatte und nunmehr, um durch Wafs
fenglüd feinen Ruhm zu mehren, mit feinem gleichgefinnten
und wetteifernden Sohne Eynric, im achten Jahre nach Hengiſts
Zobe, zu Gardicesore, einem Orte deſſen Lage fehr ungewiß
ift, auf fünf Chyulen landete‘). Er flelte feine Sachſen in
gedrängter Schlachtordnung vor den Schiffen auf, wo fie ihre
Stelle ımerfchhitterlich gegen die ſtets bis zum Anbrud der
Macht emeuertm Bühnen Angriffe der Inſulaner behaupteten.
501.
Cerdie und fein Sohn bewährten auch im folgenden Zreffen mit
den Briten ihre Tapferkeit und behnten ſich am Meeresſtrande
aus. Die Fortfchritte der Sachen wurden jedoch erſt bebeu-
tender, als nach fechd Jahren Port mit feinen beiben Söhnen,
Bieda und Mägla, auf zwei fehr großen Schiffen Ianbete.
Es erneuerte ſich daſſelbe Schaufpiel und berfelbe Erfolg wie
bei früheren Landungen der Sachen, wie einft bei Cäfard und
ſpaͤter Wilhelms von der Normandie. Die Ausſchiffung wurde
nicht verhindert; mit großem Gefchrei wurde das Land zuſam⸗
mengerufen; wereinzelte Angriffe, zahlreich und kuͤhn unternom⸗
men, wurden von der Feſtigkeit der Feinde zuruͤckgewieſen;
die Unbeſonnenen flohen tief beſtuͤrzt, und Port blieb Sieger
an der Stätte, welche von ihm den Namen Portsmouth bes
‚ wahrt. Der Tod eines edlen jungen Briten bei biefen Kämpfen
wurde noch fpät erwähnt, vermuthlich jenes Geraint ab Erbin,
Däuptlinges von Dyvnaint, deſſen Tod in ber Schlacht bei
Llongborth die Elegien feines Freundes Llywarch Hen beklagen ?).
Mit ungemöhnlichem Redeyompe?) wird nunmehr der Krieg des
. größten Koͤniges der Britannier, Nazaleod oder Natanleod, den
1) Will. Malmesb. c. 8.
2) &o Zurner. Er bemerkt jedoch nicht, daß bie etredimung
ſich hier bis auf 29 Zahre im Widerfpruc findet. Palgrane II. 234.
Läfft fogar Gergint im 3. 501 und hernach ©. 263 im J. 580 er⸗
ſchlagen werden.
8) Bellum seripturus sum, quod etc. Henr. Huntend. Bol.
Chron. saxon. ad a. 508 und Beer Gibſon.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 111
Ardere einen Feldherrn des briuſchen Königes Uther nennen, ange:
. Eimbigt. Ganz Britanmien vereinte fich gegen die fremden Eins
bringlinge Gerdic feinerfeit verband fich mit Aſk/ Könige von
Kent, Ma, dem großen Könige von. Suffer, fowie Port und
"beiten Söhnen. Gerdic und Eynric führten die beiden Schlacht
orbnumgen an. Natanleod greift den ſtaͤrkſten, von Gerdic be-
fehligten rechten Flügel zuerſt an; dies fächfiichen Banner
werben niebergeworfen, die Reihen durchbrochen; Cerdic flieht
und feine Schaaren werben augenblidlich niedergemegelt. Der
Sohn jedoch, an ber Spike des linken Fluͤgels, dringt im den
Hüllen der Verfolgenden; ein neuer blutiger Kampf beginnt.
Natanleod Fällt und mit ihm fünftaufend Briten, die übrigen
vettet num ihre eigenthuͤmliche Behenbigkeit. |
Es verfloffen nunmehr einige Jahre der Ruhe im gefichere
ten Befibe; doch bald Famen neue Helfer zu neuen Thaten.
Im 3. 514 landeten zwei Neffen des Cerdic, Stuff und Wüh- 514.
gar, zu Cerdicsore. Am erſten Morgen .ordneten bie Heerführer
der Briten ihre Schaaren nach den Regeln ber Kriegskunſt.
Wie eine Abtheilung derſelben uͤber das Gebirge, eine andere
Buch das Thal vorfichtig und befonnen 309, erBob fich bie
aufgehende Sonne, deren Strahlen die goldenen Schilde trafz
die Hügel glänzten von ihrem Scheine wider und die nahe
Luft ſtrahlte heller. Die Sachſen wurden fehr erſchreckt und
nahten fich nur mit Furcht dem Treffen. Als aber diefe ſtaͤrk⸗
ſten Heere zufamımentrafen, wurbe bie Kraft der Briten vers
nichtet. Stuff und Withgar eroberten nicht wenige Gegenden.
Durch fie wurde Cerdics Macht furchtbar, welcher jest ſtark
gerüftet durch das Land zog. Nach zweimal acht Jahren ex
_fochten fie mit ihrem Oheim einen bedeutenden Sieg auf der 530.
Inſel Wight, bei einem Orte, der nach angelfächfifcher Weile
Vithgarsburg (Carisbrooke) benannt wird, welcher Sieg den
Cerdic in den Beſitz dieſer Inſel ſetzte, der ſie feinen Neffen
übertrug.
Cerdic ſelbſt focht unterdeffen einen großen Kampf gegen
bie Briten bei Cerdicsford (Charford' in Hamptonfhire), in 519.
welchem dieſe großherzig und tapfer flritten, bis beim Sinten
der Sonne die Sachfen den Sieg errangen. Die Söhne Als
bions wären noch mehr vernichtet, wenn nicht das untergehenbe
112 | 3weite Abtheilung.
Tagesgeſtirn dem Morden ein Ende gemacht hätte 9. Jetzt,
nachdem Cerdic und Cynric dreimal acht Jahre in Britannien
zugebracht und. gefochten hatten, nahmen fie den Eöniglichen
527.
534,
Titel an. Das urfprüngliche Reich der Gewiſſi (Weller) war,
wie ſich auch aus der Lage des gedachten Schlachtfeldes ergibt,
ſchwerlich größer als die übrigen zuerft geflifteten fächfifchen
Staaten in Brithnnien und erftredte fih kaum über die Grenze
von Southamptonfhire und des Landes der Sumorfäten hinaus,
Diefe Provinzen foll König Arthur, nachdem er dem weitern
Bordringen ver Sachſen bei Bath ein Ziel gefledt hatte, den⸗
felben abgetreten haben’). Ihr Beſitz fest jedoch, den eines
Theiles des Landes der Dorfäten. und der Wilfäten voraus.
Nach acht Jahren erfochten die Gewiſſi wiederum einen, großen
Sieg über die Briten bei Gerdicdlen. Im fechszehnten Iahre
feiner Herrfchaft über die Weſtſachfen, und gleich Hengiſt und
Alla im vierzigſten ſeiner Ankunft in Britannien, wird Cerdics
Ende verzeichnet 3); eine Zahl welche, wie oben angedeutet, vers
muthlich nur eine unbeftimmte lange Regierungszeit bezeichnen
ſoll, wie auch die Perfer diefer Zahl fich für unbeflimmt große
C
m
—
Zahlen, ſelbſt wenn die wirkliche Zahl groͤßer war, zu bedie⸗
nen pflegten. Cynric folgte feinem Vater in Weſſer; die Ins
ſel Wight war ald ein von Weffer abhängiges Königreich feis
nen Bettern — Withgar fol ein Sohn der Schweſter Gerdics
gewefen fein — überlaffen 9. Die Infel Wight iſt von Juͤ⸗
ten bevölkert, und wir müffen daher annehmen, daß Cerdics
Schweiter an einen mächtigen Süten verheirathet war, deſſen
Söhne aus Juͤtland, wenn nicht. etwa aus dem von Züten bes
völferten Kent, ihre ſiegreiche Gefolgſchaft herbeiführten.
1) Chron. saxon. ad a, 519. Henr. Huntend.
2) Gildas c. 26. Radulphus in R. Higdeni Polychroni--
con p. 224. Ricard. Divisiens. Ms. bei Langhorn chronicon
regum Anglor. p. 70.
3) So Wild. von Malmesb. Die angelf. Chrorik beim Jahre
534. laͤſſt ihn im 39. Jahre nach feiner Ankunft ſterben, derſelben Be⸗
rechnung der Mondjahre gemaͤß, welche oben bei Hengiſt bemerkt iſt.
4) Asseri vita Aelfredi init, Will. Malmesb. J J. c.2. Rad
Helnrih von Huntingdon gefchah diefe Übertragung erſt im 2.
584, kurz vor Cerdics Tode,
' .
- I.
Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh
Cynric dehnte die Grenzen des Reiches von Weffer, deſſen
Hauptftadt bie alte Venta Belgarum (Bintanceftir, Winches
fir) war, allmälig. aus. Ein fehr großes Heer von Briten
wurde zufammengezogen um ihn zu überfallen; er eilte ihnen
jedoch, mit den Heerfchaaren feiner Freunde vereinigt, bei Seas
vobyrig (Altfarum bei Salisbury) entgegen, ſchlug die großen
Kriegerhaufen auf allen Seiten und trieb fie in’ die Flucht. Nicht 552. |
völlig fo gluͤcklich für Cynric und feinen Sohn Ceawlin war,
einige Jahre fpdter, eine große Schlacht, zu welcher die Bri⸗
ten fi) wieder vereint hatten umd im welcher ſie es der nach
römifcher Kriegsweiſe aufgeftelten Schlachtorbnung ) verdank⸗
ten, daß fie von der Niederlage, welche die Kraft und der Muth
der Sachfen ihnen zu bringen drohten, errettet wurben.. ‚Die
Chroniften geben feine Negierungsgeit auf ſechsundzwanzig
Jahre an, laſſen ihn jedoch im fünfundfechzigfien Jahre
nach feiner Landung in Britannien ſterben; es fcheint aber auch
eine Berechnung vorhanden gewelen zu fein, nach welcher auch
er, gleich. dem Sohne ded Hengift, im vierundbfechzigften
Sahre nach feiner Ankunft und alfo im vierundzwangigften
nach dem Tode Gerdics, farb). Der Widerſtreit zwiſchen
hiſtoriſcher Tradition und den Abſchnitten in des Saͤngers
Liede war ſchwierig auszugleichen und iſt es jetzt noch mehr:
Uns kann nur daran liegen auf die große Unſicherheit der ein⸗
zelnen Angaben hinzuweiſen, wenngleich wir die Thatſachen,
welche gefeiert werden, in ihren allgemeinen umrifſen gern
moͤglichſt anerkennen.
Wenn es uns auch nicht uͤberraſcht, daß die Befignapme
1) Henr. Huntend, p. 314: novem acies — tribus scilicet in
fronte locatis et tribus in medio et tribus in fine, ducibusque in ipsis
aciebus convenienter institutis, 'virisque sagittariis et telorum iacula-
toribus equitibusque iure Romanorum dispositis —. ine ähnliche
Stelle findet ſich bafelbft von den noͤrdlichen Briten ©. 315:. Cum
autem Britones iure Romanorum acies distincte (distinctas N» ad-
moverent.
2) Henr. Huntend. p. 813: Regnum Westsexe incipit anno
ab incarnatione Domini 519. — Cerdic regnavit 17 annis in West-
sexe. Nach diefer Rechnung war alfo Eynric im 3.536 ober 24 Jahre
vor feinem Tode feinem Vater gefolgt s doch laͤſſt berfi be Geſchichtſchrei
ber S. 314 den Cynric 26 Jahre herrſchen.
ekappenberg's Geſchichte Englands J. 8
560.
11% Bweite Abtheilung.
aameiner Kuͤſtenſtrecken in den Zeiten der allgemeinen Auloſung
der entzuͤgelten Provinz anfaͤnglich wenig beachtet blieb und erſt
ſpaͤter den maͤchtig gewordenen neuen Landesherren der Preis
geſchichtlichen Ruhmes zugetheilt wurde: ſo moͤchten wir doch
hoffen, daß an die Schickſale des in allen Jahrhunderten durch
Handelsverkehr und die demſelben unentbehrlichen Kuͤnſte be⸗
deutungsvollen London fich auch zur Zeit der Sachſeneinwan⸗
derung wichtige und ſichere Rachrichten knuͤpften. Doch der
Griffel des Handelsgeiſtes ift wie das Netz des Fiſchers nur
dem erfehnten Erwerbe gewidmet. Kein Land iſt ſo unbemerkt
in den Beſitz des Feindes gelangt als das noͤrdliche Themſeufer,
wo das Königreich Oftfachfen die Grafſchaften Eſſer und das
wahrſcheinlich eimige Zeit ımabhängig beftandene Midblefer ums
ſchloß. Dad Jahr 527 wird ald der Anfangspımct der Lan⸗
dungen der Sachen daſelbſt genannt, und der erfle Herrfcher
Aſcwin oder Erkewin), der Sohn Dffas, eines Abkoͤmmlings
des Sarnote, deffen hochgefeierter Goͤtkername mit denen des
Thor und Wodan von den nach Jahrhunderten befehrten
Sachſen abgefchworen werben muffted), fol die patriarchali⸗
ſche Zeit von fechzig Iahren daſelbſt geherrfcht haben. Waͤh⸗
rend und der Name Aſcwin an den Herrfcher der Juͤten am
ſuͤdlichen Themſeufer, Afc und den Stamm der Aſcingen erin>
nert, weift der Name feines Vaters auf die. Uffingen, den
Stamm der englifchen Könige von Mercia, und ber fächftiche
Goͤtzenname der Ahnen fowie der des Reichs fprechen für bie
vein ſaͤchſiſche Abkunft. Die geographifche Lage beguͤnſtigt bie
fich. vordrängende Vermuthung einer Vermiſchung verfchiebener
J Staͤmme, welcher auch die Angabe des mehr kritiſchen Ge⸗
ſchichtſchreibers), welcher den Sleda ſeit dem Jahre 587 als
erſten König von Eſſex angibt, nicht entgegenzutreten ſcheint.
1) Florent. Wigorn. p. 99. Henr. Huntend. p. 818.
| 2) Sowohl die Darftellee der angelfächfifhen Goͤtterlehre als bie
ber ſaͤchſiſchen haben biefe merkwůrdigen Stammbaͤume nicht gehoͤrig
gewuͤrdigt.
3) WilL Malmesb. I. L. c. 6. Er nennt den Vater nicht, ſon⸗
Berg gedenkt nur feiner. Abſtammung von Woban in zehnter Zeugung,
was mit den übrigen Nachrichten nicht im Widerſpruche ſteht.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 116
Höchft wahrſcheinich reichen die erſten Nieberkaffungen der Sachfen
en dieſen Ufern fchon in frühe Jahrhunderte hinein und knuͤpfen
ſich an die Benennung des littus saxonicum.
Nördlich von ben Oſtſachſen bildete fih dad Reich der
Dftangeln, bei denen ein nörbliches und füdliched Boll (Nor
folk und Suffolk) unterſchieden wurden. Wahrſcheinlich waren
imn dieſem Lande ſchon in den lebten Zeiten der Roͤmer Deuts
ſche anfäffig; eine Vermuthung welche und durch bie vielen
oltfächfiichen Sagen, ‚welche nad) Dftanglien und in die Zeit
vor ber Ankunft des Hengift und Horſa verlegt werben, nicht
wenig an WBahrfcheinlichkeit gewinnt. Dad Land ber Gyrwa⸗
180 Hydes groß, welches gleichfalls in zwei genau abgemeſ⸗
ſene, eine ſuͤdliche und noͤrdliche, Hälften getheilt wurde, unn
faſſte die angrenzenden Marſchdiſtricte bei Ely und Huntingben
bis gegen Lincoln.
Das benachbarte Reich Mercia ging von den Marſchlaͤn⸗
Dereien bes Lindiswaren aus, ben Herren des alten Eindum
(Lincoln). Mit ihwen waren bie Mittelangeln ') vereinigt.
Diefeb durch den Xrentfluß im eine fhbliche und woͤrdliche
Hälfte getheilte Reich wende allmälig bis gegen bie Grenzen
von Wales ausgedehnt. Zu den Staaten welche es umſchloß,
gehoͤrte auch das Reich des Hwiccas (der Umfang des nach⸗
herigen Bisthumes Worceſter oder die Grafſchaften Glouceſter,
Worteſter und ein Theil von Warwick), welches lange Zeit in
einer lehnsherrlichen Verhindung zu Mercia blieb. Im Bis:
thume SHereford finden wir auch. noch den Staat deö Hecana,
welcher mit dem des Hwiccas ben germanifihen Namen des
Landes der Mageſaͤten trug.
Der ſagenkundigſte Gefchichtfchreiber, der Eingeborne ober
Einwohner diefer Gegenden, Heintich von Huntingdon, Tennt
über die Gruͤndung beider Reiche keine Überlieferungen. Seit
der Zeit des Sieges bei Cerdicdford imd vermuthlich früher 519,
ſchifften unzählige Häuptlinge aus Deutfhland in diefe Ges
genden hinuͤber und bemächtigten fich wetteifernd einzelner
Diftricte, deren Menge ihre Namen bat vergeffen Yaffen, die
aber erſt gegen Ende des Jahrhunderts mit den zwei oben ge:
M) Beda 1. 18. II.21. Will. Malmesb. de antig. glasten.
eccl, apud Gale I. 295. Ä "
. 8%
571.
116 Bu ‚Zweite Abtheitung.
"nannten Reichen vereinigt wurben 9, Bei den Dflangeln wird
Guela ?), gewöhnlicher deſſen Sohn Uffa oder Wuffa, als erfter
König genannt, durch deſſen Namen fein Gefchlecht. fich ge⸗
feiert glaubte); während das Volk ihnen den altanglifchen
Namen der Wikingen oder Seekönige ließ‘). Mercia fol viers
zehn Jahre fpäter an Creoda oder Cridda, dem Sohne Kines
wolds, des zehnten AbFömmlings von Bodan ) den erſten
Koͤnig erhalten haben.
Bei den Zweifeln welche gegen bie Abſtammung und ſo⸗
‚gar gegen den Namen der Angeln erhoben find, erregen
die Nachrichten über die Stammbäume ihrer Könige einige
Aufmerkſamkeit. Und es belohnt fich diefe: denn wir entdeden
in denen ber Könige von Mercia drei unzweifelhafte auf eins
ander folgende Namen, welche mit einer dhnlichen ununter=
brochenen Reihe in den dänifchen Königsfagen uͤbereinſtimmen,
nämlich die Nachlommen Wodans, Withläg, Wärmund und
Offa ©), welche bei den dänifchen Chroniften Wichleth, Wer⸗
mund und Uffo, ald von Odin abflammend . und Vorfahren
der Eroberer Britanniend genannt werben”). Selbft die Ähns
lichkeit in den Namen der Nachkommen des Offa, Angeltheow
und Eomar, mit den Daͤnen Ingild und Jaomar ſollte nicht
1) Henr. Huntend. p. 313. Matth. Westmon. ad a. 527.
Radulphus bei Higden Polychron. 1, V. p. 224 hat das Zahr 492,
Florenz fagt von Merda nur, daß ed fpäter als das Eentifche Reich
gegründet fei, aber über bie Gründung von Oftanglien, daß fie nad) ber
von Kent, aber vor derjenigen von Wefler gefchehen fei, alfo vor 495,
2) Nennii app. c. 64.
8) Bedal. Il. c. 15.
4) Ich glaube fo die Nachricht bes Hisden a. a. O. deuten zu
dürfen: Uffingas, quos nunc Fikanos seu Fikeys appellamus.
5) Ich hebe diefe überfehene genealogifche Notiz (aus Chron. saxon,
ad a. 626 und Radulphus bei Higden I. V. ad a, 626) hervor,
fowie eine ähnliche oben bei Effer, weil in der Abflammung von Wodan
ein Kennzeichen des Volksſtammes gefucht worden ift.
6) Chron. saxon. bei Nennius: Quithleg, Guarbmund und Offa.
7) ©. chron. Erici in einem ſchleswigſchen Klofter geſchrieben.
Svens Aggonis histor. reg. Daniae c. 1. hat nur bie beiden Letz⸗
teren. Der islaͤndiſche gangfedgatal hat gleichfalls nur Wermund
und nennt den n uffo, ODlaf.
=
U
‘
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 117
unbemerkt bleiben. Daß ‚auch die Vorfahren des Woban in
den angelfächfifchen wie in den nordifchen Genealogien viele
übereinflimmende Namen haben und daß unter dieſen Sceaf
von lesteren als ein König in Schleswig oder dem Lande Ans
geln angefehen wird, dürfte nach dem Vorermähnten deſto be:
merkenswerther erfcheinen. Den biftorifchen Gehalt, der dieſen
Namen beigelegt werben möchte, zu erörtern, darf uns bier
nicht befchäftigen; wohl aber muß ber wichtige Beweis hervor:
gehoben werben, welchen dieſe Übereinftimmung der Sagen ba-
fuͤr darbietet, um die Abftammung der Angeln und Mercier aus
den Ländern nördlich von der Eider zu erörtern. Zwar haben
wuͤrdige Gefchichtforfcher behauptet, daß fpätere angelfächfifche
Priefter ihre Sagen nad Dänemark gebracht hätten; fie hät
ten diefelben aber auch noch dafür beloben müffen, daß fie
nicht die Gefchlechtöfagen der mächtigen weftfächfilchen oder doch
der alten jütifchen Könige in England, fondern grade die für
‚die Dänen paffendften, in England längft verfchollenen Könige
von Mercia auögefucht haben. Bedeutender Eönnte der Ein»
wurf fcheinen, daß die Dänen jene Sage nad) England ges
Kracht hätten, wenn ed irgend wahrfcheinlich wäre, dag durch
biefe die Abflammung der von ihnen befiegten Könige verherr · |
licht fein Tönnte.
Auf merkwürdige Weiſe erhält die Gefchichte der Angeln
einiges Licht durch einen byzantinifchen Gefchichtfchreiber, wels
cher ſchon verftorben war, ehe Uffa in Oftangeln berrfchte.
Schon Prokop ') (+ 562) gedenkt eines Königed der Angeln -
in Britia oder Britannien in den Sahren 534—547, deſſen
Schwefter mit Radiger, König der Warner, verlobt, diefen mit
Kriegsgewalt durch ein Über dad Meer gefandtes bedeutendes Heer
zur Erfüllung des gegebenen Verfprechend zwang. Wie fabel-
haft auch manche der übrigen durch jenen Gefchichtfchreiber von
einigen Angeln, welche nach Konftantinopel an ben Kaifer
Juſtinian gefandt waren, mitgetheilte Nachrichten lauten, fo ift
dies doch fehr wichtig, daß ſchon von ihm Angeln und Zriefen
ald Bewohner der Inſel mit den Briten angeführt werden,
ſowie ein König der Angeln in jener Beit, und, wie in den
1).De bello gothico I, V. c. 20,
/
118 ° Zweite. Abtheilung.
obengedachten Geſetzen, eine Verbindung der Angeln und War⸗
ner. Daß, wie derſelbe Schriftſteller erwaͤhnt, der maͤchtige
Koͤnig der Franken Theodebert die Auswanderung einiger An⸗
geln nach ſeinem Lande und den zerriſſenen Zuſtand des dama⸗
ligen Britanniens benutzte, um ſich den Schein einer Ober⸗
herrſchaft uͤber daſſelbe anzumaßen, war die nothwendige Folge
der Anſpruͤche der fraͤnkiſchen Könige auf die Wuͤrde der wefl-
römifchen Kaifer, welche durch die ehemalige Provinztalverwals
tung, in welcher Britannien ald ein dem continentalen Gallien
zugeorbneter Beftandtheil erfchien, neue Gründe finden muſſte.
Politiſche Verbindungen der Angelfachfen- mit dem Hofe zu
‚Byzanz, gegen bie Franken gerichtet, wurden von biefen um
folgenden Jahrhundert beforgt ); ein Verdacht welcher wenige
fiend andere nahe Verbindungen unter denfelben vorauöfegte.
Vieleicht mag ed mit biefen Anfprüchen zufammenhängen, daß
der welfche Barde dieſes fechöten Sahrhunderts, Lawarch Hem,
befien Glaubwürdigkeit in manchen andern Nachrichten fich auf .
merkwürdige Weiſe bewaͤhrt hat, den Kriegen von Weller
den Namen der Franken gibt. Selbft Papft Gregor der Große
ſcheint in einem Briefe an die fränkifchen Könige Theodorich
und Zheobebert über feinen Plan, die Angeln zum Chriſtenthum
bekehren zu laſſen, von Letzteren als Unterthanen derſelben zu
ſprechen; woraus fich freilich nicht mehr als Anſpruͤche, aber
doch folche ergeben, welche der genannte päpftliche Brieffteller
bei den ihm befreundeten chriſtlichen Koͤnigen zu ſchonen und
zu beguͤnſtigen hatte ?). Noch einen anderen nicht unweſentli⸗
chen Gegenſtand glauben wir in der Erzählung des Byzanti⸗
ners uͤber jenen Krieg und die Verhältniffe zu den Franken
Ponigen zu entdecken, den Mamen unter dem bie germanifchen
Anfiedler der altroͤmiſchen Provinz den Höfen, Kanzeleien und
Schriftftelern des gebildeten Europa bekannt wurden, den Nas
men der fo oft die Hemifphären beherrfeht hat, den Namen
1) Bedal. IV. c. 1. _ Ä W
8) Gregorii epist. L VI, o. 585. ... magnaın de vobis mate-
riam praesumendi concepimus, quod subiectes vestros ad eam con-
verti fidem per omnia cupialis, in qua eorum nempe reges estis et
domini. Atque ideo pervenit ad nos, Anglorum gentem ad fidem
» ehristianam velle converti etc. ,
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8, Jahrh. 119
Englands. Noch in bemſelben Jahrhundert bemerkten wor,
daß Papſt Gregor die Bewohner auch des füblicher Britane
niens nur unter dem Namen der Angeln kennt und amedet,
während der Name der mächtiger werbenden Sachfen im Lande
felbft Länger vorherrſchte und in den Beziehungen zu den celti⸗
ſchen Nachbarn nie verfhwunden if. |
Geſchichte und Gedichte jener fernen, fchriftlargen Jahr⸗
‚hunderte ruhen längft verfähnt in berfelben Gruft und wir
koͤnnen bie Afche der einen nicht wecken, ohne, unb oft unbes
wuſſt, die anderen dem Zagelichte wieberzugeben. : Wir dürfen
Daher nicht unterlaffen bier zu erwähnen, daß Oflanglien eine
reiche, wenig gefannte und noch weniger eräründete Quelle
alter Sagen enthält. Dahin gehört die Sage vom. Könige
Attla zu Northfolk, dem Gründer von Attleburg und Roud,
bem Könige von Zhetforb '), fowie Die noch mehr verbreitete
vom Könige von Northfolk, Havelot oder Guharant, des Däs
nen Cthelbert Sohn, welcher bereit vor Hengift und Horſa
in jenem Lande wohnte); wodurch benn die Sage zu befläs
tigen fcheint, was die Gefchichte ſchon feit dem Zeiten des Ca⸗
raufius wahrſcheinlich macht.
Das Land noͤrdlich vom Humber hatte am meiſten von
ben Einfällen der Peghten und Scoten gelitten. Es zerfiel
fhon früh in zwei britifche Königreiche, deren Namen fich
mehrere Jahrhunderte erhalten haben: Deifyr, ſpaͤter Deira,
vom Humber bid zur Tyne, und Bryneich, fpäter Bernicia,
vom lesteren Fluffe bis zum Clyde. Auch hier fcheinen Die
Nieberlaffungen ber deutſchen Stämme Älter, al bie gemöhnlie
sen Angaben über bie erſten dortigen ſaͤchſiſchen Koͤnige in der
1) Von einem ango- normanniſchen Trouveur Sohn Brame iſt
eine Bearbeitung dieſer angelſaͤchſiſchen Sage in 12,000 Verſen vorhanden.
2) Ein anglo=frangdfifches Gedicht über denſelben hat Frederik
Madden in einer fehr Eleinen Auflage herausgegeben, und es iſt zu
Paris Fürzlich nachgedrudt. Cine andere ausführliche Erzählung findet
fih in der britifchen Reimchronit in alffrangöfiiher Sprade von Geof:
frey Gaimar in beffen estoire des Engles eingelegt. Auch [pätere
engliſche Chroniften, wie Knyghton (. I. c. 5.), der fih auf eine
historia de Grimesby peruft, erwähnen derſelben. &. auch die Sin:
leitung über Robert de Maume.
120. | Zweite Abtheilung.
Mitte des fechöten Jahrhunderts lauten. Die, Segen von
Hengiſt erzählen, daß er bereits feinem Sohn Octa und dem
Sohne des Horfa, Ebufa '), im nörblihen Northumberland,
oder, nach den dlteren Nachrichten, jenfeit des Frith of Zorth ſaͤch⸗
fifche Niederlaffungen gegründet habe; welche legte Angabe Durch
die uralte germanifche, oder nach der gewöhnlichen Bezeichnung
der Engländer gothifche, Bevölkerung der Grafichaft Angus,
mitten in den galifchen Hochlanden, eine auffallende Beftätis
gung zu erhalten Tcheint, - fowie andererfeitö fie durch den Um⸗
fland, daß Hengift felbft zur Vertreibung der Picten und Sco-
ten nicht weiter als bis Lincolnfhire vorgedrungen war, wider:
‚legt fcheint. Einer zu wenig, beachteten Notiz zufolge hat fos
gar ſchon Soemil, Zegulphs Sohn, Deira von Bernicien ges
trennt ober erobert, deſſen Enkel Guilglis oder Witgild, der
Bater von Hengift und Großvater des bald, zu erwähnenden
Uffi war, wie auch Beide, Hengift und Uffi, nach andern Nach⸗
richten von demfelben Sohne Wodand, Wecta oder Waegdang,
abftammten ?). Wichtig ift diefe Sage durch die in ihr liegende
Nachricht, daß die Niederlafiungen der Sachen im nördlichen
Britannien älter find ald diejenigen im Süden. Auch muß
bier auf ben vorberbemerften Umftand wieder aufmerkfam ges
macht werben, daß, während bie füdenglifchen Chroniken ven _
“ Hengift und Horfa im oder richtiger nach dem Sahre 449 in
Kent Landen laſſen, die älteften nordenglifchen Quellen bie An⸗
kunft der Angeln in das Jahr 445 oder 446 feben, abgefehen
von den früheren Einfällen derfelben. Nennius läfft. den Hen⸗
gift im Sabre: 447 landen, woraus fich, ergeben würde, daß
bie fächfifchen Häuptlinge des Nordens ſich von der Eentifchen
1) Nennius. c. 37. Guil, Malm. 1.I. c. 3 et 1., welder
Ochta den Bruder des Hengift und Ebuſa beffen Sohn nennt. Eine
Beftätigung diefer Nachrichten läfft fih im Galfrid. Monmouth.
I. XT. c. 1. finden, wo Modrawd dem Childeric verfpricht das Land
zwifchen dem Humber und Schottland und was in Kent zu Vortigerns
Beiten Horfa und Hengift befaßen.
2) Nennii app. c. 64. Soemil: fehlt in den angelfächftfchen
Stammbäumen des Uffi und feines Sohnes Alle; do nicht Soemils
‚Vater und übrige Vorfahren: Saefugl (Seevogel), Saebald, Eigger.
Swertbing, den bie Angelfachfen den Sohn Goemils nennen, kommt
auch in ber altbänifchen Königsfage als Kind des Königs Frothi vor.
Bon Mitte des 5. Bis Ende des 8. Jahrh. 121
Oberherrſchaft nach einem vollen und runden Jahrhunderte be⸗
freiten, anſtatt nach der gewoͤhnlichen Sage im J. 547 ein
dortiges Reich neu zu gruͤnden. Funfzig Jahre ſpaͤter, ums
Jahr 500, ſoll die Stadt Eboracum von den Sachſen einge⸗
nommen und der Erzbiſchof Sampſon nach Armorica gefluͤchtet
ſein, wo er den Biſchofſitz zu Dol gruͤndete. Nicht ganz ver⸗
werflich iſt die Sage, daß Colgrim und ſein Bruder Bald⸗
wulph ſich dortiger Länder bemaͤchtigten, von Arthur aber im
J. 518 am Zluffe Duglas gefchlagen find‘).
Ida, der Sohn ded Eoppa, Abkömmlings des Wodan,
welcher in dieſem Stammbaume noch fünf. Vorfahren zaͤhlt,
wird, nach der oben angedeuteten angelſaͤchſiſchen Sage, als
der Stifter des ſaͤchſiſchen oder angliſchen Reiches Bernicia im
J. 547 betrachtet, oder vielmehr als derjenige welcher das bisher
von neun Lehnsleuten regierte Land zuerſt von der Oberherrlichkeit
Der Könige von Kent befreite?). Er landete mit vierzig oder
ſechzig Schiffen der Anglen’) und fol, nachdem er zwölf Jahre .
geherrſcht hatte, mit Hinterkaffung einer gleichen Zahl von Soͤh⸗
nen, in einem Gefechte gegen Urien von- Cumberland und Reged
gefallen fein. Bebbanburg (Banborough) verhertlicht den Nas:
nen feiner Gemahlin Bebba*). Nach) feinem Tode folgten feine :
Söhne, Adda, Äthelric und Theodric) in der Herrfchaft, und '
zugleich bemächtigte ſich Alta, Sohn des Uffi, von gleich glor⸗
reicher Abkunft, des groͤßeren Theiles des Reiches Deira.
1) Palgrave a. a. O. 308.
2) Scala chronic. nah Gale ad Nennium c. 65.
3) Chron. Wanley. Florent. Simeon, Wallingford.
4) Chron, saxon. ad a. 547. App. Nennii.c. 64. ſchreibt bie -
Gemahlin Bebba dem Enkel des Ida Äthelfrith zu. Die Stelle bei
Beda III, 6. entfcheidet Nichts über den Namen von Bebbas Gemahl.
5) Die Neihefolge der Könige von Bernicien vom Jahre 559 bis
592 ift ſehr verworren, wenngleich in den Namen und den Kegierungs-
jahren weniger abweichend. Daß Clappa, Theodwulf und Freothwulf
Edhne Idas gewefen feien, wie Palgrave ll, 308 meint, "berichten die
unbekannten Quellen eben fo ‘wenig, als fie mit Cartes Angabe über:
einftimmen, daß Friodwald, ein Sohn des Theodoric, einer der ſechs
ehelichen Eöhne Idas gewefen ſei. Jene vier waren northumbrifche ,
Däuptlinge, gleih dem Huffa, defien fieben Regierungsjahre (596603)
Stenntus, Chron. Wanley und Simeon anführen; beffen Sohn Bez.
ring (Erich) aber durch eine falfche Lesart der .angelf. Chronik zum J.
603 der Aufmerkfamkeit der Geſchichtsforſcher entgangen iſt.
J
0 D
—
122 Zweite Abtheilung.
So fehr geringfügig und noch zweifelhafter find die Bes °
richte, welche über die Eroberung eines großen Reiches und bie
reiche Beute römifcher Bildung, in bürgerlichen Eintichtungen,
einem zur Dienftbarkeit gewöhnten Volke, Bauten und anderen
Schaͤtzen, welche fie wenig zu nugen, noch weniger zu erhals
ten verflanden, durch Barbaren der Nordfee, vorhanden find.
Die Briten waren, bald auf die weftlichen Länder der Ins
fel befchränkt und erhielten fich dort in mehreren kleinen Staa⸗
ten, von denen bie oſtwaͤrts gelegenen mehr und mehr dem
beutfchen Einfluffe nachgaben, die übrigen aber, durch ihre
Berge gefchüst, eine obwohl allmälig befchränktere Unabhängigs
keit noch geraume Zeit erhielten. Es wird nur felten geftats
tet fein die Gefchichte der Eleinen britifchen Staaten zu beruͤh⸗
ven; doch darf um fo mehr eine Überficht derfelben hier nicht
fehlen, wenngleich einzelne zuweilen in einem Staate vereinigt
ſich befanden, andere erft durch etwas fpätere Zerfplitterungen
entflanden fein Fönnten.
Im Suͤdweſten finden wir den mächtigften Staat Damno⸗
nia, das Reich Arthurs, welchem auch der Name von Weſt⸗
wales gegeben-wird. Damnonia wurde fpäter auf Dyvnaint
(Devonfhire) befchränkt, da Gernau (Cornwales) von demfelben
-fih trennte. Die Länder welche die Sacfen die der Sumor⸗
fäten, Thornſaͤten (Dorfet), Wiltfäten (Wilts) nannten, gingen
ben Königen von Damnonia ſchon früher verloren; doch erhielt.
fih noch Jahrhunderte hindurch viele britifche Bevoͤlkerung uns
ter den dort anfäffigen Sachfen, ſowie nach der fächfiihen Er⸗
oberung Dypnaintd unter den Defnfäten, welche den Bewohnern
jener Shited noch lange den Namen der Welsh kind bewahrte.
Canbrien, dasjenige Land welches wir noch heute Wales
nennen, war in mehrere kleine Staaten getheilt, deren größte
Gwynedd (Nordwales) und Demetia, Deheubarth, Dynefawr
(Suͤdwales)) waren. Öftlih von Gwynedd und ben walifis
1) Sowie Cornmwales zumwellen ben Namen Sübwales erhält, fo
wird Demetia auch Weſtwales genannt, welche ſchwankende Terminolo⸗
gie möglichft vermieden werden follte. Über die ältere Geographie von
Wales fowie beffen Einwohner befigen wir eine fehr reiche Quelle in
den Schriften eines Waliferd Girald, deffen Itinerariun, Cambriae
descriptio, de illaudabilibus Walliae fich in Camden scır. rer. an-
ein und Wharton Anglia sacra finden.
Bon Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. - 123
fchen Alpen, deren höchften Punct der Snowdon bildet, lag
Mathrafal oder Powis, welcher legtere Name in dem eine
Shire bildenden Hauptbeflandtheile deſſelben erhalten it, In
Demetig bemerken wir nerfchiedene Staaten, unter denen ber
füdlichfte am nördlichen Ufer ded Seven lag, Gwent (Mon:
mouth und Glamorgan) oft unabhängig. erfcheint. Sa ober _
neben biefem Neiche lag ein kleines Königreich Gleguifing. Ä
Der feftefte Beltandtheil Demetiad war Dyfeb, bad jetige
Pembrokeſhire. Laͤngs des irlaͤndiſchen Canals erſtreckt fich
Ceretician (Cardigan). Auch erſcheinen die in den heutigen
Grafſchaften leicht erkennbaren Laͤnder Caermardſyn, Morga⸗
noc, Brecheinoc unter beſonderen Herrſcher.
Die Hauptſtaͤmme dieſer Briten, oder, wie fie ſelbſt
ſich nannten, Cymru, unterſchieden ſich durch verſchiedene Dia⸗
lekte ihrer gemeinſchaftlichen Mutterſprache, unter denen die
von Gwynedd, oder der venedotiſche, der von Demetia und
der von Glamorgan fich auszeichnen. Die cymriſche Sprache
wurde durch außgezeichnete Dichter, audgebildet, Aneurin und
Zaliefin im fechöten, Lywarch Hen, Merdhin u. a. in den
naͤchſtfolgenden Sahrhunderten, deren Werke ziemlich umverfaͤlſcht
auf unfere Zeiten gelangt‘ feheinen und deren Werth für Die
Sefchichte Britanniens bei näherer Unterfuchung fie fchon uns
ſchaͤtzbar darſtellen würde, wenn fie auch nicht mit den in
der verwandten galifchen Sprache gebichteten Gefängen Oſſians |
als die einzigen bedeutenden Zeugniffe für Die Ausbildung einer
eeltifchen Sprache der Nachwelt überliefert waͤren ).
Sitte und Rechtszuſtand der Sambrier waren in allem dies
fen Reichen im Wefentlihen ‚biefelben. Ein wichtiges Denkmal
berfelben, wenngleich aus einer Zeit wo Die Walifer den Ans
gelfachfen fich Längft untergeordnet und viele Einrichtumgen und :
Anſichten berfelben angenommen hatten, befigen wie in den
Sefegen des Howel Dha, eines Königes von Demetia im
der erſten Hälfte des zehnten Jahrhunderts, welche auch in
den uͤbrigen waliſiſchen Staaten mit einigen oͤrtlichen Abwei⸗
chungen als guͤltig anerkannt waren.
1) ©. S. Turner vindication of the genuigeness of the auciont
british poems, Hinter dem legten Bande der britteg und ſpaͤtern Zub
gaben feiner history of the Anglosaxons,
>
124 Zweite Abtheilung.
Die Zerfplitterung von Cambrien in viele Feine Reiche iſt
nicht, wie man oft gemeint hat, die Folge einer vom Könige
Rotri Mawr (Roderih dem Großen) vorgenommene Theilung
zwiſchen feinen Söhnen, durch welche, wenn fie überhaupt ge
gründet fein follte, nur über die Herrfchaft der viele Jahrhun⸗
derte früher einzeln genannten Staaten verfügt wurde. Von
Dyfed vernehmen wir in den erften Iahrhunderten nach ber
Ankunft der Angelfachfen fehr wenig, mehr von Gwynedd,
welches in befländigem Kampfe mit Northumbrien' und Mer-
. cien war. Auch Gwent, ald die Vormauer von Demetia, tritt
häufiger auf. Im Ganzen vermiffen wir nicht fo fehr eine
Maſſe von Nachrichten über die Walifer als vielmehr Ges
nauigfeit und Beftimmtheit derfelben. Während die Walifer
gar Feine oder unzuvetläffige Zeitbeflimmungen zu den feltfam
geordneten und poetifch eingebleideten Gefchichtserzählungen ge:
ben, wird in den angelfächfifchen Nachrichten von den verſchie⸗
denen Staaten und deren Regenten felten anders als unter der
allgemeinen Bezeichnung der Briten und ihrer Könige gefpro:
chen; eine Zufammenftellung der beiderfeitigen Nachrichten. ift
auch häufig unthunlich, da eine jede diefer Nationen gewoͤhn⸗
lich nur von ihren Siegen, felten von ihrem Derlufte zu be⸗
richten pflegt.
Ein noch dichteres Dunkel als uͤber Wales ruht uͤber den
noͤrdlich von demſelben gelegenen britiſchen Laͤndern, welche un⸗
ter dem Namen Cumbrien begriffen werden. Dieſes Land,
zuweilen unter einem Oberhaupte, Pendragon, auch Tyern
(tyrannus) genannt (welche ſich gleich andern britiſchen Fuͤrſten
als die Nachfolger nicht nur, ſondern auch als die Enkel des
roͤmiſchen Conſtantinus oder Maximus betrachteten), vereinigt,
beſtand aus drei Hauptbeſtandtheilen. Das ſuͤdliche oder eigent⸗
liche Cumberland umfaſſte auſſer der heutigen Grafſchaft dieſes
Namens noch Lancaſter und Weſtmoreland, welches Letztere
auch als ein kleines Koͤnigreich Weſtmere erſcheint. Es erſtreckte
ſich mit in das nachherige Northumbrien hinein, und da auch
das Reich Elmete zu demſelben gehoͤrt zu haben ſcheint, ſo
muß die Stadt Leeds an der Grenze deſſelben gelegen haben.
Das altroͤmiſche Lugubalia oder Carlerl war die groͤßte Stadt
deſſelben, in welcher Arthur, Rhyddrich Hael oder der Freige⸗
Von Mitte des .d. bis Ende des 8. Jahr. | 125
je und andere in ber: Dichtkunſt vetherrlichte Fuͤrſten chre 561.
ifelrunde oder: ihren Hof hielten. ‚Die beiden nörblichften
iche ber Altbriten, Reged und Strathelugd, gehören der
efchichte von Schottland an; doch können fie, da au Eng
nd fi bi8 Edinburg erſtreckte, nicht ungenannt bleiben.
egeb, ein Diſtrict im füblichen Schottland in oder. bei An⸗
ndale, ift und am bemerkenswertheften durch. den: Schuß,
lchen der Fuͤrſt deſſelben, der auch von. Llywarch Hen; ber
bſt ein Fuͤrſt von Argoed in Gumberland war, befungene
ien dem Sänger Zaliefin angebeihen ließ. Laͤnger hat fich
e Name des Reiches Strathcluyd erhalten, welches Clydes⸗
le ober Dunbarton (Dunbriton), wo die Hauptſtadt Alcluid
legen war, Renfrew, Dunfried, vielleicht auch Peebles, Sels
ck, Lanark im Oſten umfhloß.. Die Regenten. von Straths
md, wenngleich mit Angelfachfen wie mit Picten und Scos
n ftetd kaͤmpfend, erſtredten ihre Macht uͤber ganz Cumber⸗
nd, aus welchem fie erſt in der erſten Haͤlfte des zehnten
ahrhunderts zurüdgedrängt wurden, da denn Gumberland .
ater angelfächfiicher Hoheit ein dem ſchottiſchen Erbprinzen er⸗
weiltes Lehn wurde. |
Über die erfien Einrichtungen welche die deutfchen Ynfühe
r in ben eroberten Landen trafen, wie bie Dienſt⸗ und Zins
erhältniffe zu den Eingebornen feftgefegt wurden, wie die
eutſchen ſelbſt ſich allmaͤlig zu groͤßeren Koͤnigreichen vereinig⸗
n, wie weit die Überreſte roͤmiſcher Cultur, wo fie nicht
ıgenfcheinlichen und fofortigen Nutzen gewährten, geehrt wurs
m, über Alles diefes haben wir wenig mehr als Vermuthuns
n, wenngleich das Nefultat, die Saronifirung Britanniens
urch Hengiſts und Horſas Landung, und fo deutlich vor Augen
egt, wie uns die Romanifirung von Mittel: und Sid = Ames
ca durch Columbus und Pizarro. Kaum find andere fchrifts
he Nachrichten über die Zeit jener Reiche bis zu ihrer all
aligen Belehrung zum Chriftenthume vorhanden, aufjer ber
teihefolge ihrer Könige, welche in einer vereinzelten Überliefe:
mg nur ein fehr geringfügiger Beftandtheil der Nationalges
bichte find, es möge nun „Amurath auf Annurath” oder
Ibft „Henry auf Henry" folgen.
Mährend angelſachſiſche 3 Quellen fehlen, die der Briten
—
⸗
a
% =
1216. Zweite Abtheilung.
entweder gfeichtans, ober bed; biefe gang andere kritiſche Sich⸗
tungen beftehen müflen, als ihnen bisher geworben, um auf
diefelben fügen zu koͤmnen, To find die aͤlteſten angelfächfifchen
Sefeße zu rien und zw fehr auf den ‚germanifchen Straf⸗ und
Suͤhn⸗Tarif beſchraͤnkt, um ihnen ein Bild vom Zuſtand des
Landes gleich nach des ſaͤchſiſchen Eroberung zu eninehunen
Ihr Stinfhweigen uͤber Manches laͤſſt uns, wenn wir fie mit
den Geſetzen anderer germaniſchen Eroberer vergleichen, vid
Teicht mehr erratheni, als ihre kargen Worte andbeuten.
Die Öffentlichen Anflalten waren durch den Abzug ber
Römer und das Eindringen der Feinde In die größte Unotd⸗
nung gekommen. Das ehemalige roͤmiſche Staats⸗ und Privat
Eigenthum wat, angekauft ober uftzrpirt, em neuer, unbefeflig
ter Beſitz in den Händen eines Volkes, welches zu herrſchen
laͤngſt vergeffen hatte. Die damals vorhandenen Einwohner
ber Infel waren, wie befonders die Sprache beweifet, Tau
tomansfirt zu nennen, eher modten britifirte Nachkonnnen che
maliger Rdmer unter ihnen verweilt haben. Bei diefem aufge⸗
loͤſten Zuflande des Landes muſſte es den Eroberern leichter
ſein als ihren Kampfbruͤdern in den beſſer organiſirten Staa⸗
ten ſich in den Beſitz des erfoderlichen Eigenthumes zu ſetzen,
ohne dad Recht des Staͤrkeren auf eine zu druͤckende MWeife
empfinden zu laſſen; das ehemalige roͤmiſche Eigenthum, deſſen
Im Suͤden und an den Kuͤſten vorzüglich viel geweſen fein
muß, konnte der geririgen Anzahl der Fremden genügen. Daß
irgend eine Quote, fei es des Landeigenthumes oder ber Ein
Fünfte oder Srüchte, den Eroberern regelmäßig abgetheilt wurdt,
wie dergleichen in andern germanifchen Staaten geſchah, if
durchaus nicht wahrſcheinlich, da wir auch bei den fpdtern
Croberungen der Angelfachfen im Gebiet der Briten Feine dahin
zielenden Nachrichten befigen. Die nicht rafchen Fortſchritte der
in vielen Xheilen Britannien von vereinzelten, von einamber
unabhängigen Schaaren verfchiebener Stämme unternommen
Befisnahme laͤſſt diefelbe weniger als eine eigentliye Erobe⸗
rung, fondem als eine umaufbörliche Ufurpation britichen Ge
. bieted betrachten. Der Umfland, daß die Angefachfen auf
Schiffen nach dem zu befegenden Lande gehen mufiten, beachte
es mit fich, daß fie auch weniger. Frauen und Kinder mit ſich
-
«
Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 12
fichrten; und wenn ſchon Vortigem das Connubilum ber
Schweſter des Hengiſt nicht bezweifelte, fo werben bie Krieger
des Letztern, obwohl vielleicht mit Ausnahme der wenigen
adligen Geſchlechter, die Ehe mit den Britinnen nicht ver⸗
ſchmaͤht haben. Wenn dadurch die Eingebornen mit den Frem⸗
den ſchnell verſchmolzen, fo konnten dieſe, bei ben faſt aus⸗
ſchlieſſenden Vorzuͤgen ber Speerſeite im Erbrechte, ſolche Hei⸗
rathen ihrer politiſchen Unabhängigkeit nicht gefaͤhrlich finden.
Viele Briten flohen vor den heidniſchen Germanen; doch die
Leichtigkeit der Flucht fhwächte die Kraft des Widerſtandes
umd erleichterte das Vorbringen der Gegner, Diejenigen Bri⸗
ten welche, nicht Triegögefangen, friedlich blieben, ſcheinen
die Rechte welche fie befaßen behalten zu haben, da wit lei
ner bedeutenden Unterfchied des Wehrgelbes, der. Zeugnißfaͤhig⸗
keit und anderer Rechte der Briten von benen ber Sachien
‚finden ).
Die wichtigfte Beriehung, ſchon fruͤh bemerkbar, welche
ale Bewohner Britanniens mit einem gemeinfamen Bande um⸗
fchlingen follte, ift vie Würde des Bretwalda, welche einer der
maͤchtigſten angefächfifchen Fürften fix die Zeit feines Lebens
führte Das Befireben, die Fortbaues römifcher Verfafjungen
zu entdeden, bat auch in jener Würde eine Nachahmung des
weſtroͤmiſchen Kaifers wiederfinden wollen, welche von Sach⸗
fen und Briten zugleich anerkannt fi”). Die Anerkennung
ber Briten, welche noch unter eigenthümlichem Sberbefehle
vereinigt waren, Darf indefien wohl ganz und gar geleugnet,
ber Nachahmungseifer der fächfifchen Krieger, welcher einen
ihrer Genoſſen, ver fi) das Anfehn des gefuͤrchtetſten und
verhafftefien Beindes hätte anmaßen wollen, darf ſtark bezwei-
felt werden. Die Anfprüche des mächtigften angelfächfifchen
Königs erfixedten fi) kaum fiber. die germanifchen Provinzen
ber Südlichen Hälfte Britanniens; auf andere Theile des roͤmi⸗
ſches Reiches find. fie nie ausgedehnt. Die Nachahmung der
Rohen wie der. Schwachen beginnt mit dem Schmude gehalt:
loſen Sceined, der Anmaßung des unmwefentlichen Namens;
1) Leg. Inae. 23. 24, 32,
2) Palgrar.o I. 563,
128 . Zwelte Abtheilung.
von Beidem bietet keine Spur bei den Angelſachſen fuͤr mehrere
Jahrhunderte ſich dar. Bei der Trage über die Entſtehung
der Bretwaldawuͤrde, wenngleich bei deren fpdterer Ausbildung
ömifche Erinnerungen ſich mögen angefchlofien haben, darf in
Ermangelung näherer Nachrichten über die Pflichten und Rechte,
welche jener Würde beigelegt waren, wohl nur nach den Bes
griffen gefragt werben, welche bie Sachſen aus ihrer Heis
mat brachten, und nach den Veranlaffungen, welche fie in
Britannien zu der Anordnung jenes Suprematverhaͤltniſſes fin⸗
den konnten.
| Die nordgermanifchen fowie die bänifchen Völker kannten
keine Koͤnige, welche den ganzen Stamm beherrſchten, ſondern
jedes war unter mehrere Haͤuptlinge vertheilt ')., Wir wiſſen,
wie bei diefen die Geburt entfchied, daß jedoch ‚Heerführer für
den Krieg aus den Tapferſten gewählt wurden. Nichts konnte
ihnen fremder fein als die Beherrfchung eined ganzen Stam⸗
med auf die gemeinfame Sprache oder Verwandtfchaft zu ber
gründen, ed fei denn gar die Idee des Königthumes über vers
fehiedene Stämme in einem Lande aus dem Grunde ber Ter⸗
ritorialität. Don den Dänen und Tüten namentlich wifjen wir,
daß fie noch einige Jahrhunderte unter einer großen Anzahl
. von Königen lebten,. daß fie jedoch Oberkoͤnige zu Leire, wie
die fchwedifchen Könige bie zu Upfala anerkannten, -aber daß
die Einherrfchaft (Einvalld) ſich erſt ſpaͤter bildete?). Auch die
frieſiſchen Herrſcher erkannten einen Oberen an. In Britannien
war die Verbindung ſuͤdlicher und nördlicher Sachſen, wie oben
erwähnt, fehon in den erſten Eroberungen des Hengift begrüns
det. Die Nothwendigkeit eines gemeinfamen Oberhauptes aller
germanifchen Führer ergab fih nun aber in Britannien theild
aus der großen Menge einzelner Könige, Üterleute und Dys
naften, welche erft im Laufe der Zeit zu ben bekannten acht
Königreichen verſchmolzen, theild durch die Nothmendigkeit, den
gegen die fremden, zerflreut wohnenden Eindringlinge verbuͤn⸗
1) Bgl. auch Dahlmanns Forſchungen I. &. 481 fg.
2) Snorre Ynglinga Saga c. 45. Jener isländifche Ausdruch,
„die konnicliche Wolt“ der deutſchen Rechte, beftätigt uns bie oberherr⸗
lichen Rechte, weiche dem Walda des Bretlandes zugeflanden wurben.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 129
ten Briten fowie den Picten und Scoten einen vereinten
Siderfiand entgegenzufegen. Zu dieſem Zwede, denn von
inem anderen findet ſich eine Spur und zu feinem anderen
heint eine Vereinigung erfoberlich oder auch nur ‚denkbar,
wfiten die Germanen in Britannien ein Voͤlkerbuͤndniß bald
nentbehrlich finden. Eine gemeinfame Kriegsführung verfchie-
mer Staaten ohne Dictator fchien undenkbar, und den Beruf
zzu hatte der Mächtigfte oder auch derjenige, deſſen Land
indlichen Einfälen am meiften auögefegt war. Letzteres fin⸗
m wir am haͤufigſten. Suſſex fol zuerft jenes Imperium er-
ılten haben, ald ed Kent zu vertheidigen hatte. Kent machte
nfprüche darauf, als es noch im Norden Herrfcherrechte bes
6, und erhielt es hernach vielleicht als Entfchädigung für feine
jerzichtleiftungen; .fpäter bildete Weſſer die Vormauer. Als
efes fich befeſtigt hatte und die Kämpfe nördlicher geführt
neben, ging jener Gefammtkriegäbefehl an DOflanglien über,
legt an Northumberland, deſſen beide anglifche Staaten
en Bretwalda bisher nicht anerkannt hatten ), bis die Ver⸗
ältniffe fich änderten. Daß jene Staaten bie vorübergehende
zewalt zur Vergrößerung ihres Gebietes benußten, lag in der
tatur und nicht aufferhalb des Zwedes jener Einrichtung.
Jer deutfche Wahlkaifer, deſſen Würde nicht an Erbftanten
och Abſtammung, fondern an die Bedeutfamkeit eines Mannes
enüpft war, flellt day, was der Bretwalda hätte werben
Innen, wenn die gemeinfamen Intereſſen in einem höheren
zeſichtspuncte von den erobemden Barbaren hätten aufges
ufft werben koͤnnen. Wahrfcheinlich beftimmte auch nicht die ' |
Baht der übrigen Könige allein, fondern bie bed. gefammten
ldels und der Alderrhannen die Emennung des Bretwalda;
a er, nach dem Ausdrude der alten Schriftfteller,; über alle
ife — die Stände — fchaltete und waltete?), fo muͤſſen
1) Beda LI. c. 25. Rex Aedilbertus in Cantia potentissimus,
ui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et
:ptentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines Imperii tetenderat.
ib. II. c. 5. Tertius in regibus gentis Anglorum cunctis eorum pro-
inciis, quae Humbrae fluvio et contiguis ei terminis sequestrantur a _
orealibus, imperavit. ©, auch 1. II. c. 3.
2) Omnia iura regni Anglorum, reges scilicet et proceres et tri-
Lappenberg’s Geſchichte Gnglande I. _ 9
130 Zweite Abtheilung.
wir im Geiſte der germaniſchen Verfaſſungen die vorhergegan⸗
gene freie Zuſtimmung vorausſetzen. Es iſt ſchwer in dieſen
Wahlen der Staͤnde Englands und den ferneren Zuſammen⸗
kuͤnften, welche die Kriegszuͤge und andere an dieſelbe gereihte
571,
577.
Gefammtintereffen erfoderten, wenn nicht den Keim, Doch ein
fördernded Vorbild des Oberhauſes im Reichöparlamente (impe-
rial parliament) zu verkennen, deffen ältefte vorhandene Ur:
kunden auf Friegerifche Zwecke fich beziehen.
- Der hohe Werth viefer Winde war früher anerkannt,
wenngleich ſchon Beda nicht zu berichten wuſſte, wer nad
Ya mit ihr gefhmüdt war, bis Geawlin, Gerdied von Wef:
fer Enkel, fie befaß. Ein edler Sproß der Xfeingen, der ji-
gendliche Aihelber von Kent, wolite ihm fie ſtreitig machen
und uͤberzog Weffer, mit Krieg). Eine Niederlage zu Wib⸗
. landun (Wimbleton in Surrey) beugte den kuͤhn auffirebenden
Juͤngling, deſſen Schmach erfi nach mehr denn zwanzig Jahren
‚durch die Erreichung feined Strebens getilgt wurde. Seinem
Bruder Cuthwulf, welchen er jedoch noch in Demfelben Jahre ver:
lor, verdankte Ceawlin einen folgenreichen Sieg gegen die Bri:
ten, welcher die Städte Lenbury, Aylesbury, Benfington und
Eynsham in feine Gewalt brachte. Nicht minder glücklich war
Ceawlin nach einiger Zeit mit Hülfe ſeines Bruders Cutha oder
Euthwin ?), welcher nach einem Siege bei Derham in Glocefter,
wobei drei britifche Könige fielen (Conmail, Sarinmail [ver
“ mutblich zu Gmwent oder Monmouth] und Candidom [Cynbil-
blieben ſeinem Reiche jedoch nicht, vielleicht weil er nicht allein
lom] König von Pengwern ober Shrewsbury), drei Staͤdte
Bath, Gloceſter und Cirenceſter eroberte. Letztere Staͤdte ver⸗
mit ſeinen Weſtſachſen ſondern auch mit den Angeln und für
fie ald Bretwalda focht, da wir dad Land ber Hwiccas, in
dem jene Städte lagen, fpäter mit dem von Mercia verbunden
bunos in ditione sua tenebat, Henr. Huntend. l. IL p. 313.
Beda unterfcheidet häufig unabhängige, Eriegführende Angelfachfen von
den Königen durch die Benennungen primates, tribuni. Lib. I. c. 34.
1) Will, Malmesb. Henr. Huntend.
D) Palgrave a. a. O. &. 234 irrt, wenn er den Cuthwulf noch
wieder fechten und erft 584 ſterben laͤſſt. gl. Chren. saxon.
Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8, Jahrh. 131
finden. Die Briten blieben aber nunmehr auf ihre Gebirge
und Wälder befchräntt. Ein großer Sieg. zu Fethanleag
(Ztühern) am Severn, welcher ihm viele Städte, Schaͤtze
und unzählige Beute brachte, war dem Ceawlin noch ver.
gönnt; doch muflte er ihn theuer mit. feined tapferen Brus
ders Cutha und vermuthlich feines eigenen Sohnes Leben er:
Faufen, von denen der Eine in einer unglüdtichen Wendung
bed Anbeginnes bet Schlacht gefallen war‘), der Andere nicht
wieder handelnd auftritt. Mit jenen Freunden hatte Ceawlin
viel verloren; fein Stürföftern war gefunfen. Große Schuld
‚muß auf einem Haupte gelaftet haben?), gegen welched nad
dreiſſi ig Jahren gluͤcklicher Herrſchaft und ſiegreicher Feldzuͤge
die in Dienſttreue gebundenen Stammgenoſſen des Bretwalda,
wenn auch durch Äthelberts von Kent Ehrgeiz angeregt, ſich
‚bewegen lieſſen das ſchnoͤde Buͤndniß mit Briten und Scoten?)
einzugehen, um gegen jenen zu kämpfen. Er unterlag in einer
großen Schlacht, welche. in feinem Gebiete, unfern der Grenze
von Mercia zu Wodneöbeorg in Berkfhire, gefochten wurbe,
und muflte darauf dem Throne entfagen‘), welchen Geolric,
feines Bruders Cutha Sohn, beftieg, während Äthelbert nun⸗
mehr ald Bretwalda anerkannt wurde‘). Ceawlin, der maͤch⸗
tigfte Monarch ber heidnifchen und für mehre Jahrhunderte
der chriftlichen Angelfachfen, ſtarb nach zwei Jahren in allem
1). Palgrave Läfft hier den Cuthwulf ſterben; Langhorn und
nah ihm Lingarbd halten. den Eutha für den Sohn des Geawlin, im
Widerſpruche mit Chron. saxon. 568. 597. Will. Malmesb.
2) In odium sui gran classicum utrobique cecinerat. Will.
Malmesb. c. 2.
8) Forduni Scoti chronic. I. II. vol. Langhorn a. a. O.
4) Zurner, gegen die Quellen, nimmt in demſelben Sabre und
584
591
in derfelben Provinz zwei von Ceawlin verlorne Schlachten an, die erfie
zu Wanborough im Kingsbridge: Hundredb wider die Briten, bie zweite
zu Wobnesbury, einem Dorfe zu Wodnesdyke im Calne Hundred. ©-
Chron. saxon. ad. a. 591, und Will. Malmesb., welder allein ber
bewaffneten Empdrung der Sachſen gebentt.
5) Palgrave gibt eine Belege ober Gründe, weshalb er Letzteres
fruͤher annimmt und dem Ceolric ſchon fruͤher den Beſit eines beſonderen
Reiches anweiſet. 9Fr
9
\
4597.
132 oe Smweite Abtheilung.
Elende ber Verbannung. Sein Nachfolger Ceolric uͤberlebte
ihn nur um fuͤnf Jahre.
Dem Hader und der Zwietracht, welche die Sachſen un⸗
ter fich zerfleifchten und aufzulöfen: drohten, follte jedoch bald
die liebevolifte Wermittelung entgegentreten. Die Enkel bes
ſaͤchſiſchen Erobererd waren durch friedlichen Befitz und allmaͤ⸗
lige Gewoͤhnung an die Kuͤnſte des Friedens ſo weit gemil⸗
dert, daß ſie ihr Ohr der Predigt des Chriſtenthums leihen
konnten. Von den Staͤmmen ungetruͤbter germaniſcher Zunge
der erſte zum Chriſtenthum bekehrte, war der der ‚Angels
fachfen berufen . deffen Weihe und alle an daſſelbe gefnüpfte
böhere Bildung dem übrigen germaniichen und nordifchen Eu:
ropa zu bringen: Die Erbſchaft römifcher Bildung welche fie
‘in England vorfanden, hatte den engen Kreis ihrer Gewohn⸗
‚heiten und Thätigfeiten, um nicht zu fagen Handgriffe, er:
weitert, ohne die igenthümlichkeit ihrer Einrichtungen und
Rechte oder ihre Sprache zu vernichten; ihre geiflige Bil
‚dung war in dem Verkehre mit den Briten bedeutend gefoͤr⸗
dert und hatte felbft die heibnifch= religiöfen Anfichten fehr
veredelt. Wir fehen daher auch, daß das Chriftenthbum von
den angelſaͤchſiſchen Staaten zuerſt angenommen wurde, in
der Reihefolge wie ſie durch das Alter groͤßerer Niederlaſſun⸗
gen und verjährten friedlichen Beſitz vor ben übrigen begim⸗
ſtigt waren.
Ein wichtiger Schritt, durch welchen die Angelſachſen be⸗
gannen dem chriſtlich⸗ europaͤiſchen Gemeinweſen ſich zu nähern,
war die Vermaͤhlung des Königs Athelbert mit Bertha, Toch⸗
ter bed Frankenkoͤnigs Charibert; eine Verbindung unter den
Haͤuptern, welche auch einen Verkehr unter den Unterthanen
vorausſetzen laͤſſt, wie derſelbe ſich unſern Blicken nicht viel ſpaͤ⸗
„tee auf den von den Angelſachſen beſuchten großen Handels:
meſſen zu St. Denys wirklich zeigt"). |
Die Einrichtungen der hriftlichen Kirche, einfach und bes
1) Urkunde 8. Dagoberts vom 3. 629 bei Bouquet IV. 627,
beffer in Marini papiri diplomatici p. 97. wo bie Sachſen, welche,
jenfeit des Meeres her nach Rouen und Quantawich kamen um Wein,
Vonig und Waib zu holen, nur für Angelfachfen zu halten ſind. Vgl.
auch unten vom König Offa von Mercien.
’ " \
Bon Mitte des 5. bis Ente bes 8. Jahth. 133
heiden duͤrftig wie fie waren, konnten fich demnach in den
ngelſaͤchſiſchen Reichen, in denen Koͤnigthum und Hoheprieſter⸗
haft in enger Verbindung ſtanden, nicht erhalten, Am laͤng⸗
en erblicken wir ſie im Norden, wo die Angeln ſich nur lang⸗
um: zu unabhängigen Koͤnigreichen befeſtigten. Samſon wird
8 Bifchof von York, in welcher wohlbefeftigten Stabt alfo
u eine chriſtlich⸗ roͤmiſche Schule bid zur Einnahme durch
te. Sachen: fich. erhalten haben mag, gegen dad Jahr 500
egaunt.. Die Angelfachfen konnten, wie. anderern römifchen In⸗
itutionen, welche ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen drob:
,: fo auch dem Gottesdienfte Roms und ihrer Feinde in
zritannien nur fehr abgeneigt fein und die Lehrer des Chriſten⸗
md fanden bei ihren rohſten celtifchen Nachbarn früher Ein-
ang als bei ihnen. Der Schüler des Germanus, welder
mfelben auf feiner Reife nach Britannien begleitet haben fol,
ex heit: Patricius, Sohn eines Diaconud am füdlichen Ufer
er Etpve‘) (T 493) fuhr fort in Seland, fowie vor ihm
Jallabius bei den Schotten (feit dem Jahre 430), mit Erfolg 430.
en Glauben an Chriftus in den Zeiten zu verbreiten, als bie
Sachten fi) in Britannien nieberlieffen. Bei den füdlichen
Yicten fol ſich fogar das Chriftenthum feit ihrer Belehrung
urch den Briten Nynias (394) erhalten haben, und die fpd-
zen chriſtlichen Angelfachfen feierten noch in ber von ihm er
weten fleinernen St. Martins Kirche Whiterne (candida
asa) in Galloway chriftliche Andacht, als jene Gegend zum
Reiche Bernicia ‚gefügt war‘). St. Columba ging im 3. 563
ms Irland zu den nörblichen Picten, unter benen er zwei⸗
mbbreifig Sabre, feinem Glauben Eingang verfchaffend,-Tebte 9
N) Das Borherrfchen aftronomifcher Zahlenlehre, deffen oben ge:
jacht iſt, findet fich auch in den Sagen von dieſem Heiligen. Er baute
WE Kirchen, ordinirte ebenfo viele Bifchdfe, ſchrieb ebenfo viele abge-
wie Die gleichfalls oft wiederkehrende Zahl 40 in feinem Leben bes
icht ſich hier auf das Vorbild Moſis. S. Nennius c. 58. 60. und
Ne Excerpte in Sales Rote.
2) Bedal IH. c. 4. |
8) Adamnani vita 8. Columbae ap. Canisium lectiones anti- _
mas. Jener war einer feiner Nachfolger in der Abtei zu Jona und ift
7 durch eine Schrift de locis aanctis bekannt.
134 Zweite Abtheilung.
und treffliche Schliler bildete, durch welche: eine ſchoͤne Erin⸗
nerung frommen Eiferd, grimblicher Gelehrſamkeit und vielfei-
tiger Bildung an den Namen der fchottifhen Mönche ge⸗
knuͤpft if. St. Columba erhielt von dem Pirtenfürflen ber
Inſel Hi, jest. Iona, oder 3: Colm: Kill (Inſel der Colum⸗
bus= Kirche oder Celle), welcde fein Name geweihet hat und
die zu deſſen Ehre Jahrhunderte hindurch bie wirkliche oder
fabelhafte Grabftätte vieler noxdifcher Herrfcher,; von Schott-
Yand, Irland und Norwegen, felbft von Northumberland ee
blieben iſt ).
In ben cambriſchen oder waliſiſchen Reichen fowie. in
Cumbrien fand kein Abfall vom chriſtlichen Glauben ſtatt,
wenngleich keine Übereinſtimmung mit. der roͤmiſchen Kirche
fi) bildete und vielmehr die fpäteren Nachrichten, welche be
obengenannten Miffionarien eine vömifche Abfendung : unterle
gen, größtentheils fehr unglaubwürdig erſcheinen?). Der Ge
genſatz und die Kämpfe mit den Heiden muſſten bei ihnen
den Glauben flärken, welcher feine herrlichſte Krone dem Märs
tyrer aufbewahrt. Viele Kirchen in Wales leiten ihre Gruͤm⸗
dung auf britifche Heilige zurüd, welche zu den Zeiten Ger
dies und feiner nächflen Nachfolger für den Glauben eine
Schutzwehr und für ihre Selbftbetrachtung Ruhe hinter den Fel:
ſenwaͤnden und in ber Waldeinſamkeit jenes Landes fuchten ?).
Der Zufammenhang in welchen die cheiftliche ‚Kirche: fchon
mit dem Staate getreten , ſowie der fehr eigenthlimliche, wel⸗
cher die Bildung des weltrömifchen Reiches mit- dem Dafein
der Geiſtlichkeit faſt identificirte, gab ſich auch in dieſem Lande
kund und erhielt die kirchlichen Einrichtungen. Von letzteren
erwähnen wir bier die Eintheilung in ſieben Bisthümer ſowie
1) Buchanan |, I. Die Sage, daß ber tumulus regum Scotiae
48 Leichen berfelben von Fergus bis Macbeth enthalte; laͤſſt annehmen,
dag ſchon vor Einführung bes Chriſtenthums dieſe Inſel als heilig bes
trachtet wurde. Daß auch Egfrid, König von Rorthumbrien, hier beir
gefegt wurbe, fagt Simeon Dunelm. de eccl. dunelm. c, 9.
2) In Beziehung auf Patricius vgl. Neander Geſchichte der
chriſtlichen Religion IL 259 fg.
5) S. die Genealogies of the Saints in Läayäs Archaeologia
‘ britannica.
Von Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 135
die Klöfter zu Bangor und Avallon oder Glaftonbury. Wir
ſehen bie Bifchöfe bei den Königäwahlen: Dubritius, anfäng-
ih Bifchof zu Landaff, hernach zu Carleon, wo zwei geiftliche
Pflanzſchulen vorhanden waren, kroͤnte im 3. 516 den König 516.
Arthur. St. David, der den Sig von Garleon nad) dem ehe: -
maligen Dienevia verlegte, bemühte fi) in einer im S. 519
gehaltenen britifchen Synode die Spuren pelagianifcher Kegerei
zu vertilgn. Bon drei Provinzialfypnoden des Bisthumes
Landaff find wir gleichfalls unterrichtet), welche, ‚wenn fie
gleich die Einficht vorhandener Gebrechen und das Beſtreben
ihnen abzuhelfen bezeugen, dennoch dad traurige Bild rechtfer⸗
tigen, welches der Moͤnch von Bangor in ſeinen Schriften mit
ſchwarzen Zügen und ſtrafendem Eifer von feinen Zeitgenoſſen
in der britifchen Kirche entworfen hat. Sener Gildas Cormac
Darf gewiß den auögezeichnetfien Männern feines Zeitalters
beigezählt werden, da ed feine Schriften unter allen ähnlichen“
allein auf die Nachkommen und unfere Tage gebracht bat.
Denn fein Styl aud gar ſchwulſtreich, feine Auffafjung an
Caricatur grenzt, feine hiftorifche Darftellung unbeflimmt, ohne
Zeitrechnung, beinahe molluftenartig erſcheint, ſo iſt er uns doch
ein ſehr lehrreicher Gewaͤhrsmann fuͤr eine Zeit, deren uͤbrige
—2— ohne ihn noch viel zweifelhafter und undeutlicher
daſtehen wuͤrden, als es jetzt der Fall iſt. Wir glauben nicht
zu irren, wenn wir in ihm das ſprechende Bild der Perſoͤn
lichkeit der damaligen ernſteren Briten und die Form ihrer
riftlich = britifch = römifchen Eultur erkennen. Welche fromme
anſpruchslos tuͤchtige Geſinnung, welche feltene Gelehrſamkeit,
welched reine Beſtreben in der britiſchen Kirche herrſchte, dar⸗
uͤber gibt uns ſogar ein Gegner derſelben das ſchoͤnſte Zeugniß,
der ehrwuͤrdige Beda, der Feine katholiſch⸗ angelſaͤchſiſchen
Geiſtlichen ſo ſehr preiſet und erhebt als die jenen als Mu⸗
ſterbilder aufgeſtellten Briten und Scoten. Der Kampf beider
Kirchen in Britannien wird durch das Intereſſe, das wir den
Vorſtehern der Nationalkirche nicht verſagen duͤrfen, nicht we⸗
niger anziehend als durch die unberechenbare politiſche Wich⸗
1) Spelman concilia T. I. p. 62 sq. Wilkins ‚conc. I. 17.
Usser primordia ecclesiae anglic.
136. Zweite Abtheilung.
tigkeit der Unterbrüdung berfelben. Die Verfchiedenheit ber
Fatholifchen und der britifchen Kirche beftand in der abweichen-
den Anficht über die Anſetzung des Oſterfeſtes, den Schnitt ber
Zonfur, die priefterliche Einfegnung der Ehe, die Priefterehe; den
- Mangel bifchöflicher Succeffion oder Die Ordination der britifchen
Bifchöfe, deren faft jede Kirche einen befaß, durch Prefbyter,
aber vor Allem in ber Nichtanerfennung des Supremats des
römifchen Papfted und der von bemfelben einfeitig ausgegan⸗
genen Goncilien. Das eben auögefprochene Wort findet ſich
nicht bei den Zeitgenofien ausgebrüdt, ift ed aber, was ben
“unbedeutend foheinenden Kämpfen und duffern Anordnungen fo
“große Wichtigkeit verlich, und und noch jest: bewegen darf
bei den Schidfalen und Geſinnungen ber durch ihre Nachgies
bigfeit untergegangenen Kirche forfchend zu verweilen.
Diefe Kirche, welche auf die dlteften unmittelbaren Über-
Vieferungen ats Judaͤa fich fügte, im engften Zufammenhange
mit den für die Weltgefchichte wichtigften Bekehrungen, fchien
durch geographifche Lage nicht minder ald durch die erhabenfien
geiftigen Eigenfchaften berufen ein norbeuropäifches Patriarchat
zu begründen, welches durch feinen Gegenfas mit Rom und.
dem übrigen Süden, durch Erhaltung eines durch bie Lehren
Chriſti gebeiligten celtiichen und germanifchen Volksthumes den
in ihr vereinigten Völfern in voller Maße hätte geben Eönnen,
was fowohl tiefjinnige ald ehrgeizige") Männer im Mittelalter
zuweilen: zu denken wagten, und was in gar fpdten Tagen
erſt Dr. Martin Luther dem verrömierten Europa wieder zu
erringen firebte. |
Die Kämpfe der Briten mit den Angelfachfen wurden
Sahrhunderte hindurch mit fo großer Erbitterung geführt, daß
es Teine Verwunderung erregen barf, noch’ weniger ungerechten
Tadel verdient, daß jene die Bekehrung ihrer rohen Feinde und
Unterdrüder nicht verfuchten. Nicht minder bewunderndwerth
1) Zu Legterm gehört Erzbifchof Adalbert von Bremen, deſſen kuͤh⸗
nes Streben durch den Zuſtand des ganzen Nordens ausführbarer und
gerechtfertigter erfcheint, alg die tinfeitige Betrachtung baffelbe bisher er:
kannt hat. — Über die altbritifche Kirche vgl. die Abhandlung des Bi⸗
ſchofs Dr. Münter, welcher freilich noch zu genauerer Prüfung aufs
fodert, in Ullmanns u. X. theologifchen Studien und Krititen. 1833.
—
Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 137
erfcheint deshalb ber große: Papft Gregor J., welcher zuerſt den
großen Gedanken faflte, die angelfächfiichen Staaten: für das
Chriſtenthum and. die. Fatholifche Kirche zu gewinnen und das
große. Glaubenswerk mit einer Beharrlichkeit.-und :Umficht bes
gann, welche des großen Erfolges würbig waren. Die Hit:
dernifjie "unter denen die Einführung des eorftentbunnes: be be
ben Angelſachſen bewirkt wurde, waren jeßoc; ſehr groß,
es gehoͤrte faſt ein Jahrhundert zur Vollendung dieſer —
Die Sprache der roͤmiſchen Miſſionaire erſchwerte zunaͤchſt den
Eindruck der überzeugenden. Kraft ihrer Rede. War. der Herta
feher durch Familienbande, Vorftellungen;, Medigt, auch: durch
päpitliche Briefe, welche: feiner Eitelkeit fchmieichelten, und buch
Geſchenke, wie fie den Wilden der fremden Welttheite ſpaͤter
auch zu ähnlichen Zwecken ertheilt find, milde geſtimmte und
bekannte er fich zum Chriftenthum, fo war fein Gefolge. und fein
übriges Volt noch nicht befehrt. Starb jener, fo zeugt die
Geſchichte aller großen angelfächfifchen Staaten, daB der: Nach:
folger, den alten Anhängern des Heidenthums zugethan, Das
Danier ded Irrwahns wieder erhob. Im der geiftlichen Erobe⸗
zung eined jener vielen kleinen Staaten war jedoch auch noch
fein großer Erfolg gefichert, da, bei der: geringen Verbindung
unter benfelben und bem namentlich fich bier ald durchaus
nichtig erweifenden Einfluffe des Bretwalda, die Belehrung
des neuen Staates für benachbarte eine: Beranlaffung zu aufs
merffamerem Widerſtande gegen diefelbe wurde, wobei ſedoch
als guͤnſtiges Verhältniß nicht zu uͤberſehen tft, daB ungeachtet
ber häufigen Abfälle das Chriftenthum in einem ber Staaten
immer noch einen Altar und Zufluchtöort bewahrte.
Der Wunſch und der Plan die Angelfachfen in. den roͤ⸗
milch = Eatholifchen Kiechenverband hineinzuziehen, müflen zu
Rom feit längerer Zeit gehegt ſein; doch fehlte die aͤuſſere Ans
regung, welche ben größten Weltbegebenheiten zur Entſtehung
nothwendig ift und welche auf den erften.Anblid fo willkuͤr⸗
lich, fo unbedeutend, fo unglaublich zu erfcheinen pflegt, DaB
eine nicht oberflächliche Betrachtung der menfchlichen Dinge fie
für den Zufall zu zufällig und vielmehr für die den Geleiteten
felbft fichtbar gewordenen leitenden Fäden ber. verborgenen
Weisheit erkennen möchte. Einige junge Angeln flehen auf
133. 8vweite Abtheilung.
dem Foro Romano, um als Sclaven daſelbſt verkauft zu wer⸗
ben; wer ſie dahin gebracht haben koͤnnte, iſt und völlig ver⸗
borgen, vielleicht die Beute in den Kriegen des Bretwalda mit
den Rorthumbriern, vom Weltmarkte zu London nach dem rös
miſchen gebracht. Gregoriug,. der einige Jahre hernach zum
Päpfte erwaͤhlt wurde; befannt durch feine Aufmerkfamfeit auf
bie. Erjiehung‘ der Tugend, welche mehr als ein Jahrtauſend
nach ſeinem Zode:ben feinem Namen gewidmeten Tag zu feiern
pflegte, Gregorius bemerkte. jene fremden Knaben, welche durch
em. ſchoͤnes Antlitz, blendende: Haut „und herrliches, auf eine
vomehme Abftammung deutendes Haupthaar fich auszeichneten.
As er erfuhr, dab: fie aus Britannien und Heiden feien, beklagte
er laut, daß fie mit Dem leuchtenden Antlig dem Fürften der Finſter⸗
niß preisgegeben feien, daß die Begnabigung mit ſolchen Geſichts⸗
zuͤgen nicht mit der Begnadigung inneren Lichtes verknuͤpft ſei.
Auf die. Nachricht, Daß fie Engelländer (Angeln) genannt wir
den, rief er aus: und mit Recht, denn ein englifches Geſicht
tragen fie und follten der Engel Miterben in den himmliſchen
Reichen fein. Auf fernere Trage wurde ihm der Name ihrer
Landſchaft, Deiri, genannt. Gut, fagte er, de ira eruti, der
Verdammniß entriffen und zu der Barmherzigkeit Chrifti beru⸗
fen! Und ald man ihm berichtete, ihr König heiſſe Alla; Alle
lujah, ſprach er, das Lob Gottes, der die Welt erſchaffen,
ſoll in jenen Landen geſungen werden. Er eilte darauf zum
Papſte, denſelben um die Abſendung einiger Diener des goͤtt⸗
lichen Wortes nach Britannien zu erſuchen, erbot fich ſelbſt ſich
Denfelben anzufchlieffen und fol fogar bie Reiſe bereits ange
treten haben. Aber’ die Römer wollten, ihr Biſchof konnte die
Entfernung Gregord für fo lange Friſt nicht geſtatten; doch
dieſer bethätigte bald nach feiner Erwählung zur Papſtwuͤrde
feinen ernften Willen durch die Abfendung von Miffionarien
nach dem Vaterlande der bemitleideten Sclaven'). Jene hat
ten fi kaum unter Keitung ihres zum Bifchofe beſtimmten
Abtes Auguſtinus auf die Reiſe begeben, als ſie ſchon in der
Provence durch die Schilderung von der Roheit des wilden
Heibenvolkes und die Unmöglichkeit deſſen Sprache zu erlernen
fo ſehr ergriffen wurden, daß fie ihren Abt, der > überall als
2 1) Bedal IH c.1ı
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 139
ein treues Werkzeug allgemeiner Anſicht und höherem Befehle
ſich unterordnend, nicht aber. als ein vbegeiſterter Apoſtel des
Leben bringenden Wortes erſcheint, abſandten, um dem Papſt
anzuempfehlen, daß er bieſe muͤhrelige gefahrvolle und zweifel⸗
hafte Sendung ihnen erlaſſe: Gregorgebotttjedoch die KReiſe
fortzuſetzen, empfahl fie bein: Sthütze der: fraͤnkiſchen Könige
Theodorich und Theodberk fomwie dem ihfersmtächtigen Groß⸗
mutter Brunhildis Imd::benbortigen Biſchoͤfen und ließ ihnen
fraͤnkiſche Dolmetſcher, : welleick:c aus: jenen. Sachſen und: A
gels an der :Nörbfüfte Galliens, beigefellen.: Auf der Inſel
Thanet, der aͤlteſten angetfächfiichen. Erwerbung,“ landete Auch
Auguſtin mit. einev Anzahl: Moͤnche, weiche Die angelfädfiiche
Sage: wiederum auf. vienig:angibt. Unter benfelben find. Mel
litus, Juſtus, Laurentius, Petrus und: Johannes) uns ber
kannt, Dem Könige von Rent: mielbete Auguſtinus ſeine Ans
Zunft aus Rom und eine Botſchaft, welche dem Folgfamen
ewige Freuden im Himmel: und ein Reich ohte. Ende mit dem
wahren und lebendigen Gotte verheiffe:. Wenn AÄthelbert auch
nicht auf den. Glauben mancher feiner Unterthanen in ber. uns
terdruckten britiſchen Vollsclaſſe geachtet haben mochte; fo ‚hatte
er doch Kunde von dem chriftlichen Glaͤüuben, zu bem-Teide
Gemahlin Bertha ſich befamnte,. welche einen fräufifchen Bi
fehof Luidhard ‚mitgebracht hatte. und ihren Gottesdienſt in der
uns den Beiten gläubiger Römer. erhaltenen: St. Martini⸗ Kirchr
bei: Santerbury beging. : Der König, beforgt "daß. die fremden
Priefter ihn durch Zauberkuͤnſte umſtricken möchten, waffnete
fih auf entfprechende Weife und empfing, von feinen Grafen
umgeben, die Abgefandten ber römifchen Kirche unter freiem
Himmel fitzend. Diefe ſchritten heran, ſtatt des Banners ein
ſilbernes Kreuz tragend, nebſt einem auf eine Tafel gemak
ten Bilde des Erloͤſers, mit roͤmiſcher Kunſt Litaneien fingend
fire ihrer felbſt, ihrer Abordner und der Heerde, „welche ſie
ſuchten, ewiges Heil betend. Die Worte. und Verheiſſungen
der Predigt, welche vor dem Koͤnige und feiner Gefolgſchaft
gehalten wurde, duͤnkten dieſem ſchoͤn; doch weil ſie neu und
ihm ungewiß, wollte er dafuͤr dem Glauben ſeines ganzen |
1) 2egteren nennt Anastasius de gestin poneihoum Tomanorum.
12. 3weite Abtheitung.i‘.'
Ein Verhaͤltniß, ähnlich demjenigen, welches der Religion
der Franken den Eingang in: Kent verſchafft hatte, erleichterte
denfelben in Eſſex. Eine Schweſter Äthelberts, Nicola von
den latiniſirenden Hiftorikern benannt, war die Mutter des
Saebryt oder Sabercth, des damaligen Königes diefes kleinen,
aber durch feine Städte wichtigen Reiches: Der König ſchloß
fi) bald dem neuen Beßenntniffe des Oheims und Breiwalda
an; fein Reich, durch. den Verkehr vieler Fremden am Themſe⸗
markt für den Glauben des romanifchen Feftllanded gewonnen,
604. folgte der Predigt ded Mellitus. Diefem wurde jest die durch
Üthelbertd Beſtrebungen dem heil. Paulus geweihte Kirche zu
London, früher ein:römifcher Dianentempel, in fpäteren Jahr⸗
bunderten in gleicher Abhängigkeit von alter Kunft nach dem
Vorbilde des damals für chriftlichen Dienft noch nicht entfühn-
ten Pantheond erneuert, als Biſchofsſitz von Auguftinus ertheikt,
während Juſtus diejenige zu Rocheſter in Kent mit "Linde
zeien und anderen Beſitzungen dem beil. Andread zu Ehren
erhielt.
ı
Dem Auguftinus war beſchieden, in der fich Erdftigenden
Stiftung unter Äthelbertd mächtigem Herrſcherſtabe, mit unge:
truͤbtem Blicke auf feine große Erwerbung für die Kirche, Dem
höheren Lohne feiner Thaten entgegenzugehn. Eine fehr preis
würdige Wahl zu feinem Nachfolger hatte er in feinem Ge
fährten Laurentius. getroffen. Sm Berein mit Suflus erneuete
er den Berfuch die Briten mit feiner Kirche zu vereinigen;
machte fogar ähnliche Schritte bei den Scoten in Irland.
Mellitus war mittlerweile in ben Angelegenheiten der Kirche
nad Rom gegangen, und fo ereignete es fich, daß Papft Boni-
610 faz IV. auf dem Concilium zu Rom einen angelſaͤchſiſchen Bi-
27. Gebr. hof zählte. In Kent zeigte fich der heilfame Einfluß der roͤ⸗
mifchen Geiftlichen auch darin, daß Athelbert die unter den
Angelfachfen, vielleicht unter allen germanifchen Völkern, erfle
ſchriftliche Sammlung der alten Rechte feines Volles, fowie
der neubewilligten der. neuen Prieſter, in der Landesfprache
aufzeichnen ließ. Doc, nicht auf dem gefchriebenen Buchftaben
folte das Heil der Kirche beruhen. Einundzwanzig Jahre
616. batte fie bei Äthelberts Tode, welchem der von Sabercth
bald folgte, unter den Angelfachfen beftanden, als fie ploͤtzlich
—J
Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 143
ihrer Auflöfung nahe gebracht wurbe, da AÄthelberts Sohn Ead⸗
bald nicht nur. das Chriftentfum anzunehmen. verweigert hatte,
fondern fi ganz dem Wahnfinne der leidenfchaftlichften Auf⸗
regungen überkieß. und ſich nicht gefcheut hatte die Wittwe fei-
ned Vaters zu heirathen. Die Söhne des. Sabercth hatten
gleichfalls fich geweigert die Taufe zu empfangen, gaben den
Unterthanen, welche an dem Heidenthume ſehr hingen, die
Erlaubniß zu den altvaͤterlichen Goͤtzen zuruͤckzukehren und ver⸗
trieben den Mellitus aus ihrem Reiche, als dieſer ſich gewei—
gert hatte das heil. Abendmahl zu einem frevelnden Gaſtmahl
fuͤr die Heiden zu entwuͤrdigen. Mellitus und Juſtus flohen
nach Gallien, wohin auch Laurentius ihnen zu folgen ſich be⸗
reits ruͤſtete, als die ploͤtzliche Sinnesveraͤnderung des Koͤniges
Eadbald Kent fuͤr immer dem Chriſtenthume wiedergab. Doch
muſſte noch der Sohn des Eadbald (4 640), Earconbert
(+ 664), die Zerſtoͤrung der Goͤtzenbilder verordnen und die ſei⸗
nem Volke ſo ſehr wenig zuſagenden Faſten unter ſtrengen Stra⸗
fen verfügen ').
Nicht fo bald wurden die Oſtſachſen ihres Irrthums inne,
obgleich die drei Söhne des. Saebryht in einer Schlacht gefal-
len waren. Mellitws folgte dem Laurentius in der erzbifchöf:
lichen Würde von Canterbury, doch feine frühere Diöcefe ſchloß
fih ihm nicht wieder an. Erſt eine neue Generation folgte
dem Könige Sigebert dem Guten und dem größeren Theile
der Angelfachien, welche. :bereit3 im Chriftentbume verharzten.
Doc ſelbſt dann brachte die Erfcheinung einer ungewöhnlichen
verheerenden Peft die Oftfachfen dazu, Hülfe in der Wieder⸗
berflellung der heidniſchen Tempel zu ſuchen, und ſogar einer
653.
ber damaligen zwei Könige, Sighere, war abgefallen. Der Schutz 665.
des ‚ gläubigen Königs Sebbi, die geiftliche Ihätigkeit des Bi⸗
ſchofes Jaruman führten zu endlicher Zerſtoͤrung des alten Na⸗
tionalgoͤtzendienſtes und ſeiner Gebaͤude und aus feften Begruͤn⸗
dung beö neuen Weltglaubens ?).
1) Beda 1. III. c. 8. Älfred überfest bier idola burch deo-
follgyld. Ebenſo leg. Canuti saecul. art. 5., wo. alſo nicht an Teufels:
güden zu denken ift.
2) Beda LI. c. "22 et 30, Nach der an. Ieäterem Orte am
Rande bemerkten Jahreszahl wird ber Anfang der Regierung der Sighere
143weite Abtheilung.
In den Zagen Kthelberts hatte auch der König der Dſt⸗
angeln, Rebwald, auf einem Beſuche bei jenem. für bie An-
nahme des Chriftenthbums fich erklärt; ein Schritt der um fo
603.
"wichtiger fchien, da nach Äthelbert Zode die Bretwaldawürbe
auf die Uffingen überging. Doc Schwäche oder ehrgeizige
Rüdfichten bewogen ihn die neugewonnene Überzeugung wieder
zu verlaffen und dem Chriftenthume nur einen Altar in ber
Reihe feiner Gößen anzumeifen. |
Sein Nachbar jenfeit des Humber, Xoilfrith, welcher mit
feinem Erblande Bernicia auch feines verflorbenen Schwieger-
vaters Alla (+ 588) Reich Deira vereinigt: hatte, war ein Feind
des Chriftentbums. Den Ruhm großer. Tapferkeit bewährte er
in der fiegreichfien Schlacht gegen Aidan, König der Scoten,
bei Degfaftan, deren Andenken diefe lange von erneueten Ei
fällen in Britannien zurüdgefchredt hat). Die Furcht welche
feine bedeutenden Eroberungen verbreiteten, veranlaffte eine bis⸗
ber umerhörte Annäherung britifcher und angelfächfifcher Fuͤrſten
Kllas dreijähriger Sohn Eadwin war, wie es fcheint, dem Schu
des Cadvom, Königs von Gwynedh, anvertraut ?), der daſelbſt
in der Nähe britifcher Geiftlichkeit erzogen, das männliche Alter
‘ erreichte. Cadvom wagte fogar für feinen Schüßling, dem
Könige von Powis, Brocmail, dem gefeierten Gönner - des
Saͤngers Taliefin, fich anfchlieffend, einen Krieg mit Eadwins
Verfolger Äthelfrid, welcher mit der. Zerflörung der Stadt Cars
legeon (Legacenfter, Chefter) und. deö berühmten Kloſters zu
Bangor, dem Site celtifch=chriftlicher Wiffenfchaft, endete ’).
und Sebbi in das Jahr 665 geſetzt; doch erfcheinen fie fchon in einer
mercifhen Urkunde über eine geiftlihe Stiftung. im J. 664. als Könige.
©. diefelbe in chron. saxon. ad a. 656.
1) Beda 1.1. c. 34. Nah Gibſon ift jener Ort Dalfton bei
Carlifle, wofür auch die Lesart Deglaftan fpricht.
2) Vaughan diss. on british chronology. Langhorn chron.
angl., den Galfrid von Monmouth im Übrigen wiberlegend, er:
klaͤrt diefes für wahrfcheinlih. Alfred. Beverley 1. VI. p. 90, ven
Zurner dazu anführt, hat Nichts als einen Auszug des Beba und
alſo Nichts über Cadvom.
5) Sm 3.603 nad Florenz; 607 nach chron. saxon., 618 nad
‚annal. Cambriae und Ziger nad Beda I. 2. - gibt nicht das Jahr
der Schlacht.
Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 145 -
Eadwin floh vor ſeinem grauſamen Schwager nach Mercien
und, auch dort beunruhigt, zum Koͤnige Redwald von Oſtangeln.
So heimatlos umherfliehend begründete er, durch den dort ges
ſuchten und erhaltenen Schutz, eine Verbindung, welche den
noͤrdlichen Angeln widerſtrebend geweſen zu ſein ſcheint, aber
von viel wichtigern Folgen war als ſogar die mit den Alt⸗
beiten. Der Bretwalda hielt es für richtiger, Die oft wieder
holten glänzenden Anerbietungen des AÄthelfrid für die Auslie⸗
ferung feines Schüglingd zu verwerfen und mit feinem flarken,
wohlgerüfteten Heere gegen Northumbrien zu ziehn. Er ver
Ior in ver Schlacht von Idla an der Grenze von Mercien (in
Nottinghamſhire) feinen tapfern Sohn Raginheri, doch blieb
ihm die Siegerftätte, welche mit vielen Erfchlagenen-auch Äthels
frid deckte). Diefer Sieg war für ganz Britannien von den
wichtigften Folgen. Eadwin ergriff Beſitz vom väterlichen
Meiche fowie von dem verlaflenen Throne Bernictad. Er ers
616,
‚ oberte fogleih das Heine Reich Elmet?), welches unabhängig |
unter dem Könige Cerdic — ein Name, welcher auf britifche
“wie auf fähfifhe Abkunft gebeutet werden kann — beftand,
und. vertrieb den König, welcher den gleich feinem Oheim von
Athelfrid verfolgten Neffen. Eadwins, Hererih, unter dem
Schuge der Saftfreundfchaft aufgenommen und vergiftet hatte ).
1) Beda.l. IL c. 12.
I
2) Bedal.U.c. 9. Es lag um Leeds herum, wo noch Barwick
in Elmet, großentheild wohl füdlih am Zluffe Air, da es unter ben
cishumbrifchen Ländern aufgeführt wird. Xgl. Smith ad Bedam
1. I. c. 14. Das Land der Eimetfäten wird nur auf 600 Hyden ans
gefchlagen in einer Altern. Angabe bei Gale I. 748. 0
8) Palgrave I. 435. II. 809, hat Thon die Nachricht über bie
Unterjohung des Königs Eerdic von Elmet durch Eadwin in Nennii
append. verbunden mit Beda IV. 28. nepos Aedwini — Hereric
exularet sub rege Britonum Cerdice. Doc Teint er ſich zu uͤbereilen,
wenn er fagt, daß Gerdic vertrieben fei, weil er den verbannten Vers
wandten Eabwins aufgenommen habe. Der Zuſatz Bedas, ubi et ve-
neno perüt, rechtfertigt die von mir verfuchte Deutung, welche auch
durch die von Eadwin der Tochter Hererichs, Hilda, erwiefene RrRuͤckſicht,
fie bei feiner Taufe gleichfalls taufen zu laffen, beftätigt wird. Here⸗
rich, der Sohn des älteren verftorbenen Sohnes des Alla, war alſo vor
Äthelfrids Tode geftorben; wodurch es ſich denn auch erklärt, weshalb
Lappenberg’s Geſchichte Englands 1, 10
146 Zweite Abtheilung.
Den Rorbangeln fchloffen fich nımmehr bie ſtarmwerwandten
Reiche dadurch an, daß ihrem mächtigen und vielbefreunbeten
Könige das erfle Bretwaldathum über Tämmtliche Angeliachien
wurde‘). Die britifchen Reiche, felbft die Inſel Man wurde
ibm unterthan, fowie auch das mächtige Mona, welches von
den dahin geführten Goloniften den Namen ber Angleö-ey erhielt,
boch fpäter den celtifchen Charakter ganz wieder annahm. Dem
Eadwin felbft wurde nad) dem Tode der QDuaenburge, einer Toch⸗
ter des mercifchen Königd Georl, die Hand einer chriftlichen
Prinzeffin aus dem Haufe der Afcingen, der ehemaligen Lehns⸗
herren feines Landes, Äthelberge ober Tatan?), einer Tochter
Üthelbertö von Kent. Diefe Ehe war unter ähnlichen Bebin-
gungen und mit gleichen Enwartungen geftattet, wie einft die
der fränkifchen Bertha mit ihrem Vater. Der Biſchof Pau⸗
linus war der jungen Koͤnigin gefolgt, um ſie in ihrem
chriſtlichen Glauben zu ſtaͤrken und den Gottesdienſt wahr⸗
zunehmen. Binnen kurzer Friſt langten Sendſchreiben des
Napſtes Bonifacius’) an Eadwin, König der Angeln, und
Üthelberge, feine Gemahlin, an, um bie Belehrung bes
Erfteren zu veranlafien. Koftbarer Schmud für beide Ehegat⸗
ten begleitete die Briefe, wohlberechnet williges Gehör ein⸗
fehmeichelnd vorzubereiten und dem Heile der Kirche aufge
opfert, um dereinſt auch den weltlichen Interefjen des papfllichen
Stuhled unermeßliche Zinfen zu bringen. Eadwin war wahrs
ſcheinlich weder unvordereitet noch abgeneigt bie heil. Taufe zu
Cabwin, Alles zweiter Sopn, ohne Widerſpruch dem Äthelfrid folgte.
Des Cerbic oder Geretic Tod berichten quch annal. Cambriae ad a. 616.
1) Palgrave ©. 308 fegt die erfte Heirath des Eadwin in das
Jahr 592 und überficht, daß diefer damals erft das ſiebente Jahr er⸗
reicht hatte, da ee nah Beda (l. II. c. 20.) im 3. 633, 48 Sabre
alt ftarb.
2) Das Vorkommen bdiefer und anderer Namen in Zütland und
auf der Infel Fehmarn, fowie die Beachtung ditmarfifcher Namen bie:
tet noch manchen Bingergeig für die Verwandtſchaft der angelſachſiſchen |
Stämme dar.
35) Da Bonifacius V. am 22. October 625 ſtarb, ſo muͤſſen ſeine
Briefe noch in dieſem Jahre geſchrieben, doch koͤnnen ſie im folgenden
Fruͤhling angelangt und alſo Bedas Erzaͤhlung zu rechtfertigen ſein.
Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 147
empfangen, zu welcher er fchon in früheren Jahren häufig muß
aufgefobert fein; doch erwog er die Schwierigkeiten ımb bie
Gefahr folchen Schrittes bei feinen Untertbanen. Die glüds
liche Errettung Eadwins vom Dolche eines von Euichelm, dem
Könige der Weſtſachſen, gebungenen Meuchelmörderd, duch
die beidenmüthige Aufopferung des Lilla, eines: ihm naheſtehen⸗
den Hofbeamten, am erften Oflertage, wo er durch die Ge:
burt einer Tochter erfreuet war, beflimmte ihn dem Paulinus
Gehör zu geben, diefe Zochter durch die heil. Taufe dem
Chriftenthume zu weihen und felbft zu demfelben überzugehen,
wenn Sieg über den verrätherifchen Weftfachfen das Wohl⸗
wollen und die Macht des Chriftengottes vor Aller Augen bes -
währen würde, Diefes wurde ihm in einer fehr glüdlichen
Schlacht, in welcher fünf weltfächfiiche Könige fielen‘). Der
König fann jest viel über den gelobten Glaubenswechſel nach,
als dem Paulinus fich ein Mittel darbot ihn durch denjenigen
Einfluß zu beftimmen, welchen geiftige Überlegenheit zu großen
Zweden zu gebrauchen felten als Misbrauch betrachtet hat.
Eadwin hatte einft auf feiner Flucht zu Redwald, während er
auf. befien Beſchluß über feine Aufnahme oder Auslieferung
on Üthelfrid aͤngſtlich harrte, in der Stille der Nacht auf
einem Steine fißend, eine ihm unbefannte Geftalt gefehen,
welche ein Zwiegefpräch anfnüpfend ihn beruhigte, tröftete und-
ihm das Verfprechen abnahm, daß, wenn er die jeßt erfehnte
Aufnahme. bei Rebwald erhielte und hernach, auf. den Thron.
Northumbriend gefegt, mächtiger als feine Vorgänger alle wer:
den würde, er fobann dem Heil und Leben bringenden Rathe
desjenigen folgen wolle, der ihm jenes Gluͤck vorausgefagt
babe; die Zeit dazu werbe er einft an dem Zeichen erkennen, .
wenn fo wie jest die Rechte auf fein Haupt gelegt würde.
Die fegendreiche Verheiffung war erfüllt; das Zeichen war noch
nicht gebommen. Paulinus erfuhr das Gefchehene, wie Beda
berichtet, im Geiſte. Er trat zu dem einfamen, in Betrach⸗
tungen über die Religion tief verſunkenen Könige herein und
legte die Rechte auf fein Haupt. Da dieſer zitternd ihm zu
1) Chron. saxon. ad a. 626; kuͤrzer Beda 1. II. c. 9. den Pal:
grade 11. 235 alleim anführt, in einer Arbeit welche bei allen großen
Berbienften Senanigeeit und Bollftändigkeit noch häufig vermiffen läfft.
’ 10 +
\
-
148 Zweite Abtheilung ,
Füßen flürzen wollte, erhob und ermahnte er ihn freundlich,
dag er, in allen damals drohenden Gefahren durch ben
Herrn errettet, durch denfelben mit ber erfehnten Krone bes
gnadigt, nunmehr deſſen Glauben und Vorfchriften annehmen,
durch Betrachtung feines durch ihn geprebigten Willens von
ben Qualen ewiger Strafen fich hefteien und ein Xheilnehmer
bed ewigen Reich& in ben Himmeln werben möge. Der König
verfprach ihm zu- folgen und berief zur Bewirkung einer ges
meinfamen Annahme bes Chriſtenthums ſeine Verwandten,
Ealdormannen und Rathgeber in einem Witena⸗ Gemote. Denn
bei dieſer Staatsangelegenheit waren 'namentlicy bie adeligen
Geſchlechter betheiligt, deren Herſtammung auf religioͤſen Tra⸗
ditionen beruhte und deren Macht und Reichthum mit dem
Cultus und gewiſſen Vorrechten in Beziehung auf denſelben
verknüpft war. Doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß im
nördlichen England, wo die Angeln ſich langſamer ausgebrei-
tet und manche Annäherungen zu ben , Briten flattgefunden
hatten, auch dem britifchen Heidenthume neben Odins Dienfte
von den Eroberern gehulbigt wurde. Ein auffallender Beweis
dafuͤr iſt der ohmehin nicht northumbrifche Name ‚des Ober:
prieſters Coifi, welcher Die britifche Bezeichnung für dieſe
Würde war’). Hatte aber in der Religion auch die Gefin-
nung der Mehrzahl eingewirft, fo war bie politiihe Verfaſ⸗
fung dody die der Sieger geblieben. *
Auf Eadwind Frage über die Anficht feiner Weifen von
dieſer neuen Lehre und Sotteöverehrung, erhob fich fogleich
ber Oberpriefter Coifi: „Welchen Werth die neue Verfündigung
hat, beurtheile felbft, o König!: Eines kann ich Dir zufichern,
daß unfer biöheriger Glaube Feine Kraft, Teinen Nugen hat. — _
Denn Feiner der Deinigen bat ängftlicher der Verehrung, der
Sötter obgelegen, und dennoch haben fo Viele größere Wohl:
thaten, größere Ehren von Dir erhalten als ich und gedeihen
befjer in Allem, was fie unternehmen. Wenn aber die Götter
etwas taugten, fo wuͤrden fie cher mich fördern, ber ich ihnen
forgfältiger diente. Daher, wenn Du die neue Lehre als bei:
ſer und nüßlicher erprobſt, ſo laß uns eilen ohne Verzug ſie
anzunehmen.“
1) S. Ja amieson scotch dictionary. Appendir
. Bon Witte des 5. bis’ Ende bes 8. Jahrh. 149
Einer der Ealbormannen pflichtete dieſen Worten alfo bei:
„Die Ungewißheit des menfchlichen Lebens gemahnt mich fo
wie wenn Du zu Winterözeiten mit ben Calbormannen und
Thanen beim lodernden Heerbe ſitzeſt, die Halle erwärmt wird,
mährend drauflen Regen, Schnee und Stürme toben, und
dann ein Sperling fchnell durch das Haus, durch die eine Thuͤr
herein und duxrch die entgegengefegte hinauöfliegt. So lange
er darinnen iſt, wird er von Winterſtuͤrmen nicht berührt; aber
die kurze Zrift heiterer Ruhe ift augenblidlich vorüber, und vom
Winter zum Winter. zurüdtehrend, verfchwindet er Deinen Aus
gen. So erfcheint auch das Eure Leben der Menſchen; was
aber folgt, was voranging, ift und gänzlich verborgen. Wenn
Daher diefe neue Lehre und etwas Gewiffered bringt, fo feheint
mir diefe zu befolgen.” Derfelden Meinung waren bie übrigen
- Ealdormannen und Weifen, und einem Vortrage des Paulinus
gelang es vollfommene Überzeugung und Entichluß zu bewir:
ten. Der König entfagte eiblich dem Gößenbienfle und be⸗
Tarmte fi zum Glauben an Chriſtus. Der bisherige Ober:
priefter glaubte felbft das Beiſpiel zur Zerflörung ber heidni⸗
ſchen Altäre und Tempel geben zu müffen, ließ vom Könige
fi) die ungewohnten Waffen reichen und beftieg das in dem’
627.,
alten Dienfte ihm unterfagte Roß. Er fehleuderte den Speer
gegen den Tempel und gebot feinen erflaunten, ‚aber vwoil
lig folgenden Gefährten denſelben mit allen feinen. Umzaͤunun⸗
gen anzuzimden. Für den neuen Gotteödienft wurde dem
Apoftel Petrus eine neue von Holz gebaute Kichhe zu Yard
geweiht, bald jedoch eine größere Kirche von Steinen etrichtet
und dem Paulinus, welcher vom Papfte Honorius das Pallium
empfing, dieſe Stadt als Biſchofsſitz angewielen.
Paulinus predigte auch jenfeit des Humber und bekehrte
die Einwohner eines Staates, deſſen Name Lindiſſe in dem
der Stadt Lincoln ſich uns erhalten hat, deren Vorſteher Blecca,
ein Abkoͤmmling Wodans, zuerſt daſelbſt die heilige Taufe
empfing ').
Der Friede und die Ruhe welche bie Macht des Bret⸗
walda Eadwin ſeinem Reiche verliehen, muſſten der Verbrei⸗
t
1) Beda l. II. c. 16. Genealog. apud Florentium.
—
. 4150 3weite AbtHeitung.
627.
tung der neuen Lehre fehr förderlich fen. Solche Sicherheit
herrſchte auf der Heerſtraße, daß nach dem angelſaͤchſiſchen
Sprichworte, die Frau mit dem Saͤuglinge von einem Meere
zum andern ruhig ziehen konnte. Der Koͤnig ließ eherne
Becher neben den von ihm gegrabenen Brunnen an der Heer⸗
ſtraße aufhaͤngen, und keine Hand als die dankbare des lechzen⸗
den Wanderers beruͤhrte ſie. Das Chriſtenthum brachte auch
hier den Begriff eines Heerfuͤhrers der Angeln dem eines roͤ⸗
miſchen Herrſchers naͤher, was ſchon bei Eadwin ſich zeigte,
ber in ungewohnten Pompe, fogar. im Frieden und in feinen
Städten, Fahnen und andere Feldzeichen (genannt tuuf) vor
ſich hertragen ließ.
Eadwin bemühte ſich eifüg die neue Lehre fogleich weiter
zu pflanzen, und wenn er gleich in feinem eigenen noͤrdlichen
Reiche Bernicia Teinen Altar errichtet hat '), fo gelang es ihm
Eorpwald, den König der Oſtangeln, Redwalds Sohn, ganz
für diefelbe zu gewinnen. Die Ermordung Eorpwalds durch
einen Heiden verfeste freilich Oſtangeln bald in Zinfterniß und.
Fehde; doch erlebte Eabwin noch die Ruͤckkehr und Befefligung
des Chriftenthums in dieſem Bande nach drei Jahren. Sige⸗
bert, Eorpwalds Bruder, hatte in Gallen die Lehren der roͤ⸗
mifchen Kirche angenommen: und bemächtigte fich mit feinem
Bruder Egrike feines Landes nur, wie ed fcheint, um jene in
demfelben neu zu verbreiten. Ihn begleitete der Biſchof Felir
aus Burgund, unter defien weifer Leitung dad Bekehrungs⸗
werk trefflich gedieh, Iateinifche Schulen nach Art derer von
Kent angelegt wurben?), und die Stiftung des ihm von He
norius, Erzbifchof zu Canterbury, übertragenen Bisthumes zu
1) Diefes ergibt fih aus Beda B. IIL Eap. 2.
2) Beda L II. c. 18. iuxta morem Cantuariorum. — Guil.
Malmesb. gest. pontif. L II. Scholas opportunis locis instituens
barbariem gentis sensim comitate latina informabat. Die GteHe bed
Beda iſt benugt worden, um in bem Streite über das höhere Alter ber
Univerfität zu Cambridge oder zu Orford für erftere zu entſcheiden. ©.
auch Smith appendix in XIV. ad Bedam. Es fehlt jedoch ber Be:
hauptung an ihrer Grundlage, bem Beweile, dag Cambridge, ehemals
Grantabryege zu Oftanglien und ‚nicht, wie gewöhnlich angenommen
wird, zu Mercien gehörte. Auch ſpricht Beda 'nur von einer Schule,
welche wir in bem erzbifchöflichen Sige zu fuchen haben. |
Bon Mitte des 5. big Ente des 8. Jahrh. 151
Domuc (Dunwich) gelang. "Kaum war diefes erreicht, als
wir den König der Dftangeln feine Krone niederlegen und nad)
altfraͤnkiſcher Weiſe das erſte Beiſpiel eined angelfächfiichen koͤ⸗
niglichen Moͤnches geben ſehen; ſein Reich fiel auf Egrike, wel⸗
cher ſchon fruͤher einen Theil dieſes kleinen Staates erhalten
hatte. So ernſt war die Überzeugung, welche den Oſtanglier
zur Entſagung irdiſcher Herrlichkeit gefuͤhrt hatte, daß ſelbſt
die Gefahr ſeines vom Koͤnige von Mexcien, Penda, verheerten
Vaterlandes ihn nicht bewegen konnte, die kloͤſterliche Stille
zu verlaffen. Als die Seinigen ihn mit Gewalt herauszogen, da⸗
mit der Anblid des einſt wegen feiner Tapferkeit verehrten
Heerführerd die Krieger ermuthige und begeiftere, blieb er ru-
big im tobenden Heere, einen Stab in der Hand, bis er mit
feinem Bruder vom Feinde erfchlagen wurde '). Das Chriſten⸗
thum warb jedoch‘ nicht wieber aus dieſem Reiche verbrängt,
da der Nachfolger des getödteten Fürften, Anna, bemfelben
nicht nur ergeben war, fonbern ‚auch, beſonders auf Antrieb
eines frommen Mannes von edlem fchottiichen Gefchlechte. aus
635.
Irland, Furſeus, deſſen unbezweifelte Vifionen mit denen des
heil. Patricins das lebende Vorbild der Dichtungen des ber
rühmten Florentinerd wurden, mehrere Kloſter gruͤndete.
Fuͤr Northumbrien war unterdeſſen eine ſehr truͤbe Zeit
genaht. Penda, Wibbas Sohn, hatte Suͤdhumbrien oder
Mercien, welches vor ihm Ceorl (Kerl, Karl) beherrſchte, von
Eadwin unabhängig gemacht”) und überzog, in Verbindung
mit dem mächtigen beitifchen Fürften Caedwalla von Gwynedh,
jenen mit Krieg, welcher bei Heathfield befiegt und mit feinem
Sohn Osfrid erfchlagen wurde. Auch fein Sohn Cabbert
wurde von Penda verrätherifch ermordet. Die Königin Äthel⸗
‚berge Und der Erzbiſchof Paulinus flüchteten nad Kent, wo
1) Palgrave bat irrig 688, |. Beda 1 UL c. 18, Vita Ethel-
redae.. Die Belehrung Eorpwalds gibt chron. saxon. beim J. 632,
die Ankunft des Felix beim I. 636. Ich folge dem Beda.
2) Nach dem chron. saxon. war Penba feit 626 König von Mer:
cien, welcher Angabe auch Palgrave folgt. Beda 2. II. Cap. 22.
fagt jedoch ausbrüdtich, er fei von Eöniglichem Gefchlechte geweſen und
habe 22 Zahre felbft regierts alfo, da er nach allen Angaben 655 ftarb,
feit 633, dem Jahre des Sieges über Eadwin.
X
633 /
12. Oct.
634.
635.
-
152 Zweite Abtheilung.
diefer hernach das Bisthum Rochefter annahm. Vuskfrea, ein
Sohn Eadwins, und Yfft, ein Sohn Osfrids, wurden von der
Königin, aud Zurcht vor. dem ſpaͤtern Beherrfcher Northumbriens
und vor ihrem eigenen Bruder Eabbald von Kent, durch Ver⸗
mittelung des Erzbifchofs Paulinus zum Könige der Franken
Dagobert gefandt. Der Tod beider Kinder, ber naͤchſten Ers
ben des Gründerd von Edinburg (Eadwinsburg), verhinderte
ein frühes Beiſpiel des ſo oft geübten fränkifchen Einfluffes
auf die Schickſale des nörblichen Britanniens; doch eine da⸗
mals noch ungewöhnliche Grabſtaͤtte in der "Kirche bezeugte
noch nach Jahrhunderten das Alter diefer Verbindung und das
koͤniglich gewährte Aſyl.
Die Achtung welche die koͤniglichen Geſchlechter bei den
Angelſachſen genoſſen, bewaͤhrt ſich auffallend darin, daß we⸗
der Penda, welcher nur ſeinen Erbſtaat Mercia erhielt, noch
der Koͤnig der Waliſer ſich des eroberten Reiches bemaͤchtigten,
ſondern vielmehr der noͤrdliche Theil deſſelben, das Stammland
Athelfrids, einem Sohn deſſelben, Eanfrid, zufiel, welcher nach
ſeines Vaters Tode mit vielen edlen Begleitern zu den Schot⸗
ten oder Picten ausgewandert war und das Chriſtenthum nach
dortiger Lehre angenommen hatte. Den ſuͤdlichen Theil, Deira,
erhielt der naͤchſte Verwandte Eadwins, der einſt von Pauli⸗
nus getaufte Oſrik. Daß Eanfrid zum Heidenthume zuruͤck⸗
kehrte, darf uns weniger uͤberraſchen, da Bernicien daſſelbe
noch nicht verlaſſen hatte; aber auch Oſrik waͤhnte in dem al
ten Volksglauben eine ſichere Stüße feiner Herrfchfucht zu finden.
Doch ward Beiden nur ein kurzer Gewinn: Oſrik wurde von
Geadwalla zu York erfchlagen, Eanfrid, als er um Frieden fles
hen follte, von demſelben hinterliffig ermorbetz ihre Länder
wurden von den Briten auf das graufamfte verheert.
Sener Abfall des Fürften und die Leiden des northumbri>
fchen Volkes bildeten jedoch den MWendepunct nicht nur für bie
naͤchſten Schickſale der Nordangeln, fondern auch für den fieg:
reichen Kampf des Chriftenthbums gegen dad Heidenthum. Of:
wald,. der jüngere Sohn Äthelfrids, gleich feinem Bruber in
Schottland erzogen und getauft, ftellte ſich an die Spike einer
kleinen Schaar und zu Hevenfeld, unfern der rämifchen Grenz:
mauern, bei Denifesburn in der Nähe von Herham, ein Kreuz
Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 153
errichtend das erſte Zeichen chriſtlicher Verehrung welches Ber:
nicien ſah, ſandte er mit. den Seinigen vor demſelben ein Ges
bet zu dem Herrn der Heerſchaaren und griff die zahlreichen
Krieger des Ceadwalla an, welche ihren Fuͤhrer verloren und,
was in jenen Tagen auf ſolchen Verluſt zu folgen pflegte, die
Slucht ergriffen‘). Im Ceadwalla erloſch der letzte gefeierte
Held des alten britiſchen Vollsſtammes. Im vierzehn Schlach⸗
ten und fechzig Treffen hatte er den Ruhm ber Briten neu ers
wedt und befefligt und bie Herrfchaft über den größten Theil
Loegriens erworben. Kein Wunder, wenn auch fein: Leben
und od, obgleich hiftorifch beffer begründet als Arthurs, bald
von den Glanzgebilden der Sage umgeben ift?), und wir jetzt
weber in ber Apotheofe verehrungsvoller Landöleute noch in der
zacherfüllten Schilderung der Angelfachien die Wahrheit zu fins
den wiflen. Die Gefchichte lehrt, daß Dfwalds Kreuz das
Schickſal Britanniend für immer entſchied. Oſwald erhielt die
Herrſchaft von Bernicien, und durch mütterliche Herkunft bes
rechtigt, — feine Mutter Acha, Eadwins Schweiter, flammte
von Alla ab, — auch Deira. Er wurde ald Bretwalda, ber
fechöte in biefer Wuͤrde, anerkannt und foll über die vier Zun⸗
gen Britanniend, die der Angeln, der Briten, der Picten und
der Scoten, geherrfcht haben ). Dfwald vereinte große Kraft
mit vieler Milde und religidfer Begeifterung. Das Chriftens -
thum wurde Durch ihn in feinem Reiche ‚neu eingeführt; doch war
es das feiner Lehrer, ver Schotten. Diefe fandten ihm den Ai⸗
dan von der Columbans⸗Inſel (Hy oder Icolmkill), welchem
er zum bifchöflichen Site die Infel Lindisfame (jet Holy Is⸗
4‘
land), den gefeierten Wohnort vieler chriftlicher Glaubenshelden, '
verlieh *).. Strenge gegen fich felbft und die Mächtigen, Herz
ablafiung und Wohlthätigkeit gegen die Niedrigen und Armen,
1) Annal. Cambr. ad a. 681. Nennii genealog. nennt daß
Schlachtfeld Catsgaul. P. Langtoft: Huntingfeild.
2) Galfrid. Monmouth. J. XI. Eiywardh Hen Glegien.
Bol. Turner J. 866.
8) Beda L III. c. 6,
4) S. Bedas metrifche und profaifche vita S. Cuthberti, episcopi
, lindisfarnieneis. |
l
154 Zweite Abtheilung.
Zhätigkeit für den Glauben,‘ Eifer fir gelehrte Bildung, fo
viele fchöne Eigenfchaften werden an Aidan gepriefen und
werfen auf die altbritifche Kirche, welcher er angehörte, ben
größten Glanz. Gewiß hat der Gefammteindrud, welchen bas
Leben folcher Männer auf die ded Heidenthumes überbrüffigen
Völker machte, Die innere Wahrheit des chriftlichen Vorbildes,
ſtets mehr zu ihrer erſten Belehrung beigetragen, als felbft bie
überzeugendften, gebiegenften Vorträge e8 vermochten. Wie an
ders ſollte Die oft vergeblich verfuchte Belehrung der Northum⸗
brier dem Aidan gelungen fein, der, einem feindlichen Stamme
entfproffen, feindlichee Schule entfandt, die Lehre der oft be
Friegten Scoten und Picten, die der eben erſt vertriebenen
Unterdrüder der Briten, in einee Sprache zu verbreiten ſtrebte,
fie welche der König Ofwald felbft erft als Dolmetfcher dienen
mufite. Oſwald beförberte auf folche und jede andere Weiſe
den Dienft des von ihm aufgepflanzten Kreuzes nicht nur in
feinem’ Königreiche, fondern auch in den Übrigen von feinem
britiſchen Kaifertbume umfchlungenen Staaten‘). Zunaͤchſt
folgte Oſwald den Eindruͤcken feiner Jugend und der Überzen-
gung, welche feinen Arm zum Siege geflählt hatte; auch kann
fi in ihm die Anficht entwidelt haben, daß durch die britifch>
chriftliche Kirche der Vereinigung aller Zungen Britanniens bie
ficherfte geiſtige Stuͤtze verliehen wurde. Doch foͤrderte er das
Chriſtenthum, auch wenn es im roͤmiſchen Glaubensbekenntniß
auftrat.
Das Koͤnigreich Weſſex war ſeit den Tagen bed Bret⸗
walda Ceawlin im fortwährenden Kriege mit feinen byitifchen
und fächfifchen Nachbaren begriffen gewefen; war deren Erfolg
nicht immer unglüdlih, fo blieb dennoch Das in viele Theile
gefpaltene Reih — im 3. 626 hören wir von wenigftens fie
ben Königen der Gewiffi”) — im Zuſtande eines großen Feld⸗
597. lagers. Auf Ceolric war fein Bruder Ceolwulf gefolgt, wel
cher gegen Alle kämpfend, gegen Alle den Ruhm des Tapfer⸗
fien bewährte). Doch kennen wir nur wenige feiner, The
1) Oswaldus totius Britanniae imperator.-. Cummini vita Co-
ı lumbae c. 26.
2) Beda 1. II. c. 9. Chron. saxon. ad a. 626.
3) Guil. Malmesb. I. 2. Henr. Huntend. 816.
Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 15
ten. Beda, fuͤr die Geſchichte von Weſſer überhaupt nur eine
fpärlihe Quelle, erwähnt nicht einmal feinen Namen. Das
Andenken eines fehr hartnaͤckigen Kampfes mit dem damals
noch unabhängig erſcheinenden Suffer, in welchem er bie
Wahlſtatt behauptete, ‚hat firh allein in ben Sahrblichern feines
Volkes erhalten). -
Ein dem Sieger eben fo willkommenes Andenken hat ſich
in ber Erinnerung feiner Feinde, der Altbriten, bewahrt. Der
tapfere König von Gwent, Theodoric, hatte mit dem Anfange
des neuen Jahrhunderts der Welt entfagt, die Krone feinem Sohne
Morig übergeben und ſich zwifchen den Felſen und in ber
Waldpracht von Zintern, an ben teizenden Gewinben bed Wye⸗
fluffes in Monmonth den. Genüffen, einfamer und von irdiſcher
Entweihung geläuterter Betrachtungen bingegeben. Die Re
gierung des Sohnes wurde von Ceolwulf benust, um über den
Swernfluß:, bie nördliche Grenze von Weller, hinaus in
607.
Gwent ein’und bis an den Wye vorzubringen. Der Hülfegf
feiner Getreuen 309 den Heldengreid aus ber zehnjährigen Ein»
famfeit, und feine Schaaren fiegten wieder, mit neuem Muthe |
unter dem alten Feldherrn, gegen. Die heidniſchen Sachſen.
Der Drache von Weſſer blieb auf dad Sübufer der Severn
gebannt. Theodoric aber erhielt in der Hauptfchlacht eine
Wunde welche ihm den Schädel fpaltete und wurde am, Eins
fluffe Des Wye in den Sevem beerdigt ?). Auf feinem Grabe
wurde zu Ehren des Eöniglichen Märtyrerd, defien Andenken
feine Feinde noch viele. Jahrhunderte hernach an feinem Todes⸗
610
3, Ian.
tage begingen, eine Kirche errichtet, jest Mathern genannt
(aus Marthirn Zeubdric), wo im fechözehnten Sahrhundert Der
wieder entdecte fleinerne Sarg und der klaffende Schaͤdel fuͤr
das tapfere Herz des einſt Lebenden ein Zeugniß ablegte.
Eins der fhönften Denkmäler mittelafterlicher Baukunſt im
Britannien — Tinten Abbey — verewigte die himmelwaͤrts
1) Chron. saxon, Florentin. Wigorn, Es ift eine leere
Bermuthung, wenn Burner und ihm’ nachfchreibend Cingarb Suſſer
bereits als von Weſſex abhängig betrachtet.
2) Der Todestag findet ſich im calendario anglo-saxon. Das
Übrige in dem Werke bes Bifchofs von Lanbaff, Srani Godwin, de
pracaulibus Angliae ed. 1616, P- 619.
611.
156 Zweite Abtheilung.
ſtrebenden Gedanken des Töniglichen Einfieblers, und noch heute.
in feinen Truͤmmern erfüllt ed den Schwarm leichtgefinnter
Reifenden und Touriften mit überwältigendem Staunen und
ber Andacht bes frommen Pilgers.
Cynegils, ein Sohn des Ceolric, und jenes Bruder oder
Sohn Cwichelm waren dem Ceolwulf in der Herrſchaft gefolgt;
ELetzterer fol einer Schweſter des Koͤniges Oſwald vermaͤhlt
643.
geweſen fein’). Dieſer war im Begriff ſich mit der Tochter
des Cynegils zu vermaͤhlen, als der Biſchof Birinus in Wer
fer landete, der mit Genehmigung des Papſtes Honorius in
den entfernteften Befisungen der Angeln, wohin kein Miffie
nar je gebrungen war, das Chriftenthum zu verkünden ſich
vorgefeßt hatte. Doc, kaum betrat er Britannien, als ihm
das finfterfte Heidenthum entgegentrat und er nicht weiter vor⸗
zudringen, ſondern in Weffer zu verweilen ſich berufen erkannte.
Mit feinen Bemühungen vereinten ſich die des Königs Dfwald;
. Eynegild wurde zw Dorcic (Dorchefter) getauft, ‚wobei fen
Föniglicher Eidam ald Pathe ihn zu feinem geiftlichen Sohne
annahm; Cwichelm bekannte ſich gleichfalls im folgenden Jahre
Furz vor feinem Zode zu der neuen Lehre. Dem Birinus, der
. auch ben Sohn des Ewichelm, König Cuthred, taufte, wurde
zu Dorcic ein Bisthum angewiefen, und wenngleich Coimwalch,
der Sohn des Cynegils, nach feines Vaters Tode in Weſſer
eine ähnliche Heidenreaction zu bereiten fchien, wie die übrigen
angelfächfifchen Reiche fie erfahren hatten, fo beweift feine Ver
treibung, bald erfolgte Bekehrung durch den König der Oſtan⸗
geln, Anna, und die nach feiner Wiedereinfegung erwiefene Treue
642
5. Aug.
an dem chriftlichen Glauben, daß dieſer von- feinen Unterthanen
aufrichtig getheilt wurde,
Dem thatenreichen, durch feltenen Ernſt chriftlicher Wohl⸗
. thätigkeit nicht minder auögezeichneten Leben Oſwalds war
jedoch Feine lange Dauer befchieden. Der unermüdliche Geg-
ner feiner Vorgänger, Penda von Mercien, verwidelte ihn in
eine Fehde, in welcher Oſwald an einem Drte, welchen bie
1) So Palgrave Th. U. S. 285 ohne anzugeben woher? Flo-
reatii genealog. unb andere mir zugänglihe Quellen kennen feine
Tochter Athelfrids auffer der Äbtiffin AÄlla.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 157
Angeln Maferfield, die Briten Cocboy nannten, erfchlagen
wurde 9). Seine legten Worte waren ein Gebet für das ewige _
Heil der Seinigen.
Der höhnende Triumph, welchem der entfeelte: Leichnam
dienen muffte, bezeugt nur die Barbarei der angelfächfifchen
Sieger und die Zurcht, welche der chriftliche Bretwalda ihnen
eingeflößt hatte. Oſwald hatte fchon Iebend der feltenen Aus⸗
zeichnung eines freundlichen Namens bei den von ihm befiegten
Voͤlkern genofien; die Briten nannten ihn Llanigwin, bie
freigebige Hand; feine chriftlichen Verdienfte und fein Märtyrers
tod machten ihn zum Helden der chriftlichen Welt, welche, wenn
gleich häufig unbewufit, noch jebt fein Andenken an feinem
Zodestage alljährlich begeht. Er hatte nur ein Alter von 38
Sahren erreicht und acht Fahre regiert, wiewohl die angelfächs
fifchen Chronologen, durch eine Fiction, welche ihren Wahrs
heitsfinn nicht beleidigte, ihm neun Regierungsjahre zufchrieben,
um das unglüdliche Jahr ſeiner Vorgaͤnger nicht erwaͤhnen
zu duͤrfen.
Penda verließ Northumbrien und deſſen Seekuͤſten wieder
und zog ſich in ſein binnenlaͤndiſches Reich zuruͤck, nachdem er
feiner Rache und Zerſtoͤrungsſucht genuͤgt hatte, ohne Zweifel
aus andern Gruͤnden, als den die wunderglaͤubigen Moͤnche
jener Zeiten angeben, weil ein frommes Gebet das von ihm
gegen die Stadt Bebbanburgh gerichtete Feuer ploͤtzlich gegen
die Seinigen gerichtet habe. Wahrſcheinlich geſtattete der
angelſaͤchſiſche Staatenbund, ſolange ihm die Macht verblieb,
wenn er auch den einzelnen Staaten das Fehderecht gegen ein⸗
ander nicht. zu nehmen vermochte, Feine willkuͤrliche, nicht auf
erbliche Rechte begründete Vergrößerung und Einverleibung der
größeren Staaten, wie, wir auch in ben Zeiten, wo in Deutſch⸗
land der Kaifer. waltete, den flantörechtlichen Grundſatz geltend
gemacht ſehen, daß zwei Herzogthumer nicht in Einer Hand
vereint ſein ſollten.
Dlwalds Reich zerfiel nach feinem X Tode wieberum in feine.
1) Beda III. 9. in loco, qui in lingua Anglorum nuncupatur
Maserfelth. Der britifche Name findet fi bei Nennius und annal.
Cambr. ad a. 644, welche bemerken, daß in.ber Schlacht bei Cocboy
Eowa, der Bruder Pendas, und Bra zugleich fielen. p
158 3weite Abtheilung. _
feüheren Hauptbeftandtheile. Bernicien und dad Bretwalda⸗
thum erhielt fein Bruder Oſwiu; Deira mach einigen Jahren -
der Abkoͤmmling der alten Herrfcherlinie dafelbfi, Dfwin, Oſ⸗
riks Sohn’). Oſwin zeichnete ſich durch einnehmende Gaben
des Körpers umd des Geiſtes aus; dieſes verbunden mit feiner
Freigebigkeit zog die Edelften aus allen Provinzen in feine
Nähe und zu feinem Dienfte, fowie chriftliche Demuth und
MWohithätigkeit ihn der Kirche und dem Volke werth machten.
Doc fehlte ihm die vorzüglichfte Eigenfchaft eines Herrfchers
über ein rohes, Friegerifches Voll, der Muth. Im fiebenten
Sabre feiner Regierung ”) wagte er nicht dem Ofwiu, ber ihm
feindlich gegenüberfland, ein Zreffen zu bieten; er entließ fein
Heer und entfloh. Der König, der fich felbft aufgegeben hatte,
wurde auch bald von den Seinigen verrathen, und Oſwiu
hatte den auf feinen Befehl an ihm verübten Meuchelmord
zwar an bie Geiftlichkeit durch Errichtung des Klofters Ingeths
lingum (Gothlingum, im Wapentake Weſtgilling, VYorkſhire) zu
buͤßen, ohne jedoch ſeinem eignen Einfluſſe durch dieſe That zu
ſchaden. Wahrſcheinlich war Oſwin gegen den Bretwalda nicht
ohne Schuld geweſen. Der ehrwuͤrdige Aidan uͤberlebte den,
Verluſt ſeines Freundes Oſwin nur wenige Tage. Ein Theil
von Deira fiel auf Didilwald oder Ethelwald, den Sohn bed
Königs Ofwald, welcher bie Jahre der Muͤndigleit ſoeben er⸗
reicht hatte.
Die große That Oſwius, welche ihn ſelbſt als Krieger
ehrte und von größtem Einfluſſe auf die Geſchichte der Angel⸗
fachfen war, ift die Beſiegung Pendas. Diefer König von
Mercien, defien Name duch viele glüdliche Friegerifche Unter:
nehmungen gegen bie germanifchen Staaten in Britannien
denfwürdig und dem ber Beiname des Kraftvollen ’) mit Recht
1) Daß er von Ofwiu willkürlich eingeſetzt ſei, iſt lediglich eine
Hypotheſe Turners.
2) Nicht im neunten, wie Palgrave fagt, im Widerfpruch mit
allen Quellen und feiner eignen Berechnung. Anno nono bei Beda
1. III. c. 14. bezieht fi auf Ofwius Regierung.
8) Ich trage kein Bedenken ihm biefen von den neueren Geſchicht⸗
föreibern überfehenen Beinamen wieder zu ertheilen. Penda strenuus
nennt ihn Henr. Huntend. wiederholt, ©, 316 3, 43. 57. ©. 817
Bon Mitte' des 5, bis Ende bes 8, Jahth. 159
ertheilt worden ift, bietet eine auffallende, und faft raͤthſelhafte
Erſcheinung dar. Beherrfcher eines Staates, welcher mehr feind⸗
Vichebritifche Bevoͤlkerung ald irgend ein anderes angelfächfifches
Reich umfchloß, eines Staates, der, wie auch einzelne zweifels
bafte Angaben zu deuten fein mögen, der jüngfte war, dev aus
den Anktömmlingen und den Nachkommen, welche die Küften>
länder fchon vertheilt fanden, in dem Mittelpuncte des Landes,
durch Sümpfe, Flüffe, Berge gefchüßt, fich bildete; Beherr⸗
fcher dieſes Staates oder ‚vielmehr Fürft, der erſte (first) der
Wodansenkel unter ben in diefem Bezirke weilenden teutoni=
ſchen Kriegern, funfzigjährig ) zur Herrſchaft gelangt, jugend⸗
liche Thatkraͤfte bewaͤhrend, der letzte unerſchuͤtterliche, maͤchtige
Anhaͤnger des Heidenthums unter den Angelſachſen, hatte er
im Buͤndniſſe, wenn nicht im Solde eines chriſtlich⸗britiſchen
Koͤnigs, anfaͤnglich den Bretwalda von Northumberland, her⸗
nach die uͤbrigen Staaten ſeiner Landsleute waͤhrend ſeine
breiffigiähtigen Herrſchaft, wiederholt, ſtets gluͤcklich und
grauſamer, ohne ſich, ungeachtet der Ermordung von fuͤnf Koͤ⸗
nigen, bleibenden Erfolg zu ſichern, mit Kriegen uͤberzogen
und verheert. Nur Cynegils von Weſſex hatte ihm einſt maͤch⸗
tigen Widerſtand geleiſtet in det Schlacht bei Cirenceſter, wo
beide Heere das Kampffeld behaupteten und mit. gegenfeitiger
Nachgiebigkeit ein Vertrag zu Stande kam?). Nach den oben»
erwähnten Sehden, deren Veranlaffung uns nicht bekannt: ifl,
finden wir ihn auf einem Feldzuge gegen Cenwealh, Cynegild 65.
Sohn, König von Weffer, um feine Schwefter zu rächen, welche
diefer geheirathet, aber hernach verfioßen hatte’). Mit feinem
3.4. 25, 38. 52. ©. 531 3. 47.,©. 352 3. 27. Auch Beda II. 20.
Penda vir strenuissimus.
1) S. chron. saxon. ad a. 626. Will, Malmesb. J. a. Beba
IT. 20. nennt ihn beim 3.633 de genere regio Merciorum und läfft
feine Regierung erft mit diefem Sabre, nad) Eadwins von Northumbers
land Zode beginnen. Vielleicht iſt es nicht zufällig, daß auch chron.
saxon. ihm bei den 3. 628 und 633 den Königstitel noch nicht beilegt.
2) Chron. saxon. ad a. 628. Henr. Huntend. p. 316.
8) Coinwalch (rex occidentalium Saxonum) repudiata sorore
Pendan regis Merciorum, quam duxerat, aliam cepit uxorem. Beda
LI. c. 7. Lingard BI. Gap. 2. ©. 116 (bei Salis) madt:
160 Zweite Abtheilung. J
gewohnten Gluͤcke vernichtete er den Cenwealh und vertrieb ihn
aus ſeinem Reiche. Der Fluͤchtling fand eine Ruheſtaͤtte und
Schutz bei Anna, dem Koͤnige der Oſtangeln, und wurde durch
den Beiſtand ſeines Verwandten, des Koͤnigs Cuthred, nach
drei Jahren wieder in ſein Reich zuruͤckgefuͤhrt.
WViielleicht war der dem Cenwealh verſtattete Schuß, wenn
anders Penda nach ſolchen Gruͤnden ſuchte, die Veranlaſſung
eines Krieges, mit welchem dieſer den König ber Oſtangeln
uͤberzog. Anna unterlag und war der dritte Uffinge welcher
654. im Kampfe mit Penda fein Leben einbüßte. Sein Bruder
.
—
Etheler folgte ihm in der Koͤnigswuͤrde, muſſte jedoch den Sie⸗
ger auf einem Feldzuge gegen den Bretwalda Oſwiu begleiten.
Dieſer hatte ſich bemuͤht in friedlichen und ſelbſt in freundſchaft⸗
lichen Verhaͤltniſſen zu dem gefürchteten Penda dem Kraftvollen,
dem Mörder ſeines Bruders Oſwald, zu ſtehen. Sein Sohn
Acchfrid hatte eine Tochter des Penda, Cyniburg, geheirathet,
feine Tochter Alchflede den Sohn Pendas, Peada, Ealdorman
von Mittelangeln, welcher, vor dieſer Verbindung, mit allen
ſeinen Grafen und Rittern von dem Nachfolger Aidans, dem
lindisfarner Biſchofe Finan aus det Schotteninſel Hy, die
heilige Taufe empfing. Dfwif hatte dem Penda einen feiner
"Söhne, Ecgfrid, als Geifel gegeben und bei den ſtets
wiederholten, unleidlichen Einbrüchen der Mercier ihrem. Kb-
nige unzähligen Schmud und andere Koftbarkeiten verheifien.
Dennoch überfiel ihn Penda mit feinen Bundeögenoffen Ethe
ler von Oftangeln und Ethelwald, dem Sohne Oſwalds. Seine
breiffig wohlgerüfteten Legionen, unter - erprobten Heerführern,
flanden der Eleinen Schadt Oſwius entgegen, welche ſich durch
den Glauben des Chriften geftärkt fühlten. „Wenn der Heide,”
fo rief Oſwiu aus, „unſere Gabe nicht zu ſchaͤtzen weiß, ſo
wollen wir ſie Dem opfern, der ſie wuͤrdigt, unſerm Herrn
Gott.“ Zwoͤlf Kloͤſter gelobte er mit dem dazu erfoderlichen
Landbeſi itze zu ſtiften, dazu dem Herrn ſeine einjaͤhrige Tochter
Alfleda, im jungfraͤulichen Kloſterleben. Oſwiu und fein Sohn
Alchfrid begannen die Schlacht am Fluſſe Winwaed (Broad
ſeine erſte Gemahlin zur Tochter des Penda und gibt ihr den Namen
Sexburga; ein Irrthum des überſetzers nennt ihn König von Suffer.
Von Mitte des 5. bis Ende-des 8, Jahrh. 161
Are bei Leeds) mit: feiner begeifterten Schaar. Für diefe fochten
. bee ‚Herr, die erfchlagenen fünf Könige, unzählige verrätherifch
fhmählid) Gemordete; der Verrath, welcher fletd für. Penta
geftritten hatte, wandte fich heute gegen ihn. ÄAthelwald hatte
ed nicht gewagt gegen fein Vaterland und feinen Oheim zu
fechten und zog fi) vor Anfange des Kampfes zurüd, um an
einem fichern Orte deſſen Ausgang zu gewärtigen. Penba. fiel,
vor ihm König Etheler und faft alle dreiffig Heerführer; viele
Krieger tödtete das. Schwert; noch mehrere ertranken in dem
von Regenguͤſſen angefhwollnen und übergetretnen Strome.
Die Gelübde wurden erfüllt; der Sieg über den „Heiden
brachte ber Kirche, fech8 Kiöfter in Deira, ſechs andere in Ber:
nicin. Doc mehr gewann fie durch die nunmehr ungeſtoͤrte
Verbreitung des Chriſtenthums. In Mercien zeigte fich daffetbe
jest ald faft begründet, und wie ed unter einem heidniſchen
Könige, der wenigſtens in feinen legten Jahren die Chriften
nicht verfolgte, fondern fich begnügte fie zu verhöhnen, empor⸗
gekeimt war, überftand es bald die Gefahren gewaltfamer Regies
rungswechſel. Peada, dem .Dfwiun Südmercien ') überlaffen
hatte, wurde. im folgenden Frühlinge von feinem Weibe ers
ſchlagen; zwei Jahre fpäter warb Oſwiu, welcher damals
ganz, Mercin und die füdlichen Länder beherrfchte, durch eine
Empörung dreier Ealdormannen des mercifhen Volkes, Immin,
1) Nah Palgraves Anführung des Driginaltertes des Beda
III. 24. entbielt Sübmercien 7000 Bamilien. Nach der daneben geftell-
ten Überfegung Älfreds hatte Sübmercien 5000 und NRorbmercien
7000 Familien (folces). Man erftaunt indefien beim Nachſchlagen bes
Beda zu finden, daß Palgrave eine ganze Zeile weggelaffen bat .
und die angelfächfifche Überfegung gar keinen Zufag oder Wiberfpruch
mit dem Driginale darbietet. Gleich darauf fest Palgrave ©. 278
u. S10 bie Vertreibung der Northbumbrier aus Mercien in das Jahr
656, obgleih Beda a. a. D. fagt: completis tribus annis post inter-
fectionem Pendan regis rebellaverunt adversus regem Oswiu duces
gentis Merciorum etc. Beda gibt ferner an, daß Wulfhere 17 Jahre
zegiert habe, während fein Zodesjahr 675 unbeftritten if. Palgrape,
obgleih er Beda citirt, bat fi durch chron. saxon. ad a. 656 ver-
leiten laſſen, welcher unter diefer Jahreszahl verfchiedene Mercien bes
treffende Nachrichten zufammenftellt, worunter auch eine Urkunde,
. welhe Bedas Angabe beftätigt, da fie nach Weihnachten 664, im fies
benten Regierungsjahre des Königs Wulfhere ausgeſtellt iſt.
Lappenberg's Geſchichte Englands I. 11
162 Zweite Xotpeitung.
Eofa und Eadbert, aus jenem Lande verbrängt. Der einſt ge⸗
flüchtete und in tiefer Verborgenheit gehaltene jüngere Sohn
des Penda, Wulfhere, kehrte auf den Thron feiner Vaͤter
zuruͤck, den hinfort chriftliche Anfichten fihgten. Diuma, ein
Schotte, war der erſte Biſchof der Mittelangeln und Mercier.
Auch Effer, deflen König Sigberet, der, mit Oſwiu befrems
det, deſſen eindringlichen frommen Vorftellungen auf vernoms>
menen Rath feiner Weifen nachgegeben hatte, fchwor dem
Gögendienft ab und kehrte zu dem feit der Vertreibung des
Mellitus verlaffenen Chriftentbume zuruͤck. Cedd, ein gebomer
Engländer, wurde von Oſwiu erwählt und von Finan zum
Bifchofe von London orbinirt. Nicht lange vorher war ber
. erfte Angelfachfe zu einem bifchöflichen. Site befördert worden,
644.
Sthamar, nach bed Paulinus Zode zum Bifchofe von Rocheſter
ernannt). Bald darauf erhielt Thomas, aud dem Lande des
Sirwier, das Bisthum der Ofltangeln. Doch felbft die dama⸗
. lige einzige erzbifchöfliche Würde erhielt ein Angelfachfe Deuss
dedit aud Weller. Schon unter feinem Vorgänger Honorius
hatte der Papft den Erzbifhöfen von Canterbury. und York
die Nachſuchung des Palliumd in Rom nachgelaflen und dem
‚ länger lebenden unter. Beiden die Ordination des neuerwählten
664,
Erzbiſchofes übertragen, hierdurch die große Unabhängigkeit
der angeljächfifchen Kirche anerkannt. Da jedoch das Erzbis⸗
thum zu York, feitvem Paulinus es verlaffen hatte, nicht wie:
ber befegt war, fo empfing Deusdedit feine Ordination lediglich
von dem Eentifchen Bifchofe und feinem Landsmanne Sthamar.
Dem Sthamar felbft folgte gleichfalls ein Eingebomer, Da
mian aus Suſſexr. Das Bedürfniß eines der Landesſprache
Fundigen Biſchofs wurde am unverhohlenften in Wefler auds
geſprochen. Der dortige König Cenwealh - hatte nach feiner
Ruͤckkehr einen in Irland gebildeten Gallier Agilberet zum Bis
fchofe feines Landes (dev Gewiffi) erhoben, doch hernach, der
ihm fremden Sprache überbrüffig, wider den Willen des er:
zürnten Agilberct, nachherigen Erzbifchofs von Paris, fir einen
Angelfachfen Vini ein neues Bisthum zu Winchefter gefchaffen,
1) Honorius erchiepiscopus ordinavit Ithamar, oriundum qui-
dem de gente Cantuariorum, sed vita et eruditione anteoessoribus
suis aequandum, Beda III. 14,
Don Mitte des 85. bis Ende des 8. Jahrh. 163
‚ welche Trennung bed Kirchenſprengels die exbitterte Geiſtlich⸗
Beit für eine Zeit lang wieder aufzuheben wuſſte). Auch in
Mercien Tolgte auf zwei Schotten, bie obengedachten Diuma
und Geollach, welcher Letztere bald in die Böfterliche Ruhe nach-
Hy heimkehrte, em Angelfachfe, der jeboch in jener großen
Planzfchule gebildet war, Zrumberi. Der Mangel an frems 659.
den, der römifchen Kirche ergebnen Geiftlichen, welcher fogar
die zwedimäßige Verfleinerung ber dürftig ausgeflatteten Bis:
thuͤmer verhinderte”), entichuldigte in den Augen ber Zeitgenoſ⸗
fen diefe Wahlen; doch wurde grade durch die Zuziehung der
Eingebormen zu der höheren Geiſtlichkeit es möglich, daß bie
Kirche der Angelfachfen fo früh eine nationale wurde, daß Lis
tusgie, Ritual, Gebete und Predigten in der deutſchen Lanz
deöfprache fo frühe erflangen und zu den Herzen des Volkes
dringen konnten. Die Beibehaltung der germanifchen Cigen-
namen, die Eigenthümlichkeit des angelfächfiihen Kalenders
und der Feſte, der geringe Einfluß des römifchen Kirchenrechts,
Die Ausbildung der Landeöfprache durch die Geiſtlichen, die ge:
ſchwaͤchte Einwirkung Roms auf die Landeöherren find die uns
ter fich enge zufammenhängenden eigenthümlichen Vorzüge der
durch ihren frühern Mangel wahrhaft bereicherten Kirche.
Ein wichtiger Schritt für das Beſte der Kirche, fowie zur
engern Bereinigung der Angelfachfen war dem Könige Oſwiu
aufbewahrt. Die Angelfachfen hingen, je nachdem fie von
Auguftinus und deſſen Nachfolgern oder von denen des Cos
Iumbanus bekehrt waren, der roͤmiſch⸗katholiſchen oder der
britifchen Kitche an. Die Mehrzahl der Geiftlichen, wenigftens
der auögezeichnetern, gehörte zu der letztern; fie folgten häufig
auf jene und brachten dadurch nicht nur unter den einzelnen
Keichen, fondern felbft in den einzelnen Provinzen Verſchieden⸗
heit religiöfer Anficht und des Cultus, welche der neuen Relis
gion fehr gefährlih zu werden drohte, hervor. Wir fehen
fogar, daß durch die Heirathen der Töniglichen Gefchlechter dieſe
1) Beda III. 8. Rex,. qui Saxonum linguam tantum noverat,
pertaesus barbaricae loquelae, subintroduxit in provincdam alium
suse linguae epistopum, vocabulo Vini et ipsum in Gallin ordinatum.
2) Beda III. 21.
| 11.*
— 1060 3weite Abtheilung.
religioͤſe Trennung im Innern der Familien einwurzelte und
Dſwiu ſelbſt das Oſterfeſt nach ſchottiſcher Sitte an andern
Tagen feierte als feine Königin Eanfled, eine Tochter des Kös
nigs von Kent. Auch Alchfrid, der Sohn und Mitregent oder
Unterkoͤnig Oſwius, war auf Anrathen ſeines Freundes Cen⸗
wealh der roͤmiſchen Kirche geneigt '). Trennungen dieſer Art,
664.
wenn fie gleich nur Aufferlichkeiten betrafen, bedrohten - bie
hriftfiche Kirche fehr. bei einem Volle, welches von dem alten
Gultus feiner Vorfahren kaum entwöhnt war und das Chris
ſtenthum nur in der engften Verbintung mit dem neuen aͤuſſe⸗
sen Gottesdienſte hatte kennen lernen. Der dritte Biſchof von
Lindisfarne nach Finans Ableben, wiederum ein Schotte, mit
Namen Colman, verfuchte eifrig die Anfichten feiner Secte
durchzufegen. - Es wurde eine Synobe berufen, in welcher uns
ter dem Vorſitze des Königes Oſwiu die angefehnften Geift-
lichen beider Kirchen, mit Ausnahme derer von Kent, ihre abs
weichenden Anfichten gegenfeitig vertheidigten. Unter den roͤ⸗
miſch Geſinnten befand ſich noc der Biſchof von Weller, Agil⸗
beret, und der berühmte nachherige Erzbiſchof von York, der
damalige Propft Wilfrid. Es wurbe mit gründlicher Gelahrt⸗
heit und Scharffinn geftritten, und vielleicht wäre es den Schot⸗
ten gelungen den Anfprächen ver Eatholifchen Kirche auf bie
ganze Erde eine wichtige Einſchraͤnkung auf immer entgegen-
zufegen, wenn .nicht der König, unter dem Gewichte fo vieler
widerfprechenden Gründe ſchwankend, bemerkt hätte, daß bie
Schotten ſich zunaͤchſt auf den heil. Columban, die Katholiken
aber auf den Apoftel Petrus beriefen. Daß biefer der Feld
fei, auf welchem der Herr feine Kirche gegründet habe, daß
biefem die Schluͤſſel des Himmeld anvertraut feien, wurde von
Wilfrid anzuführen nicht vergeffen, um die römifche Anficht zu
unterflügen. Hat auch Columban folhe Macht erhalten? fragte
der König: Colman muffte diefed verneinen. Stimmt ihr
beide darin überein, daß Petrus den Schlüffel zur Himmels⸗
pforte befigt? Beide betheuerten ed.. So will ich denn, ſprach
der König, dem himmliſchen Pförtner nicht wiberfprechen, fon
dern allen feinen Geboten und. Vorſchriſten, fo viel ich ver
1) Eddii vita 8. Wiltridi e. 7.
Bon Mitte des 8. bis Ende. des 8. Jahrh. ‚165
mag, gehorchen, damit, wenn ich bereinft an die Himmelöpfotte
Hopfe, er. der die Schlüffel Halt fi nicht mweigere mir jene .
auffchlieffen zu laſſen. Beifißende und Umftehende, Adel und
Gemeine ), von gleichem Eifer für ihr ewiged Heil durchdrun⸗
gen, flimmten dieſem WBefchluffe bei, und fo wurde, nach ber
Weiſe des Volkes und anderer großen Verſammlungen, ohne
fernere Prüfung der vorgetragenen Gründe, durch dad augens
blicklich angeregte Gefühl entfchieden, über die Lebendigkeit
des Wunſches die Erörterung bed Mitteld vergefien und ber
Meinheit der Empfindimg die Rechtfertigung der willfürlichen -
Abfindung überlaffen. Die Schotten kehrten entweder zu den
Ihrigen zuruͤck oder. bequemten fi zu den Anfichten dev Mehr:
heit und wurden fo ben chriftlichen Angelfachfen durch die Ges
lehrſamkeit ihrer Schule nüglich; mit jenen Heinen Aufferlichs
feiten ſchwand aber der große verborgne Einfluß, den ihre
Kirche im Gegenſatze mit dem damals noch weniger befeſtig⸗
ten Papſtthume wahrſcheinlich erreicht hätte. |
Oſwiu felbft erſcheint durchdrungen von der Nothwendigs
keit der Einheit der. angelfächfifchen Kirche, und feine Stellung
als Bretwalda, den. wir häufig auf eine nicht anders erklaͤr⸗
liche Weife in die Eirchlichen Angelegenheiten ber einzelnen Staa⸗
ten einwirkend finden ?), berechtigte und veranlafite ihn zur
Ausführung dieſes wichtigen Gebantend. Als der erzbiſchoͤf⸗
liche Sitz zu Canterbury nach einigen Jahren, durch das Ab⸗
leben des fechöten Erzbiſchoſs Deusdedit, erledigt war, berieth 664.
er fi) mit dem Könige Egbert von Kent, der in demielben
Sabre auf die vierundzwanzigjährige‘ Regierung feines Vaters
Ercombert gefolgt war, über das Intereſſe der Landeskirche
und vereinte fich mit demfelben dahin, den Wigheard ald Pris
maten dem Papſte Vitalianus zu empfehlen, um burch jenen
1) Haec dicente rege, faverunt adsidentes quique sive adstantes,
majores una cum mediocribus, et abdicata minus perfecta institutione,
ad ea quae meliora cognoverunt sese transferre festinabant — find
bie für die Verfaſſungsgeſchichte merkwuͤrdigen Worte Bedas 1. V.
ce. 25 fg.
2) So fahen wir Oſwald von Northumbrien das Biſchofthum Dor⸗
die für Weſſer ſtiften; der Bretwalda MWulfhere von Mercien vertaufte
das Bisthum London in Eſſexr.
| 166 . Bmweite Abtheilung.
667.
bewirkte unter der unfcheinbaren Lehre von der rechten An |
grave ©. 310 bie irrige Zahl 657, welche gerügt werden muß, weil
- Über die angelfächfifchen Beichtfpiegel nicht berüdfichtigt ift. Vgl. Ra-
Lotholifche Btfchöfe in ganz Britannien orbiniven zu laſſen
Die Antwort ded Vitalianud an den: König ber Sachſen Of
wiu und die ihm und der Königin übermachten Gaben ſprachen
bie Dankbarkeit des römifchen Biſchofs binlänglich aus '). De
Tod des Wigheard, welcher kaum in Rom eingetroffen an de
dort herefchenden Peft flarb, wurde vom. Papfte benutzt, um
den angelfächfiichen Bifchöfen einen feiner Anficht treuergebnen, %
durch Alter und Erfahrung ehrwuͤrdigen, durch feltene Kennt
nifle ausgezeichneten Erzbiſchof vorzuſetzen. Theodor, aus Tar
ſus?) in Cilicien, folgte auf dem von ben Phoͤniciern einſt ge &
wiefenen Pfade über Maffilien, zu Arles wie zu Paris beim
Erzbifchofe Agilbert verweilend, nach Kent. Theodor, ehr Wi
voll empfangen, bereifte ſogleich alle angelſaͤchſiſche Staaten,
feßung des Ofterfeftes die allgemeine Anerkemmung ber roͤmiſch⸗
Eatholifchen Kirche, fuchte jede fernexe und ſelbſt jede Spur J
früherer Einwirkung fchottifcher Geifllichen auf die Wahl un
Drdination der Bifchöfe feines Sprengeld zu entfernen, ver
breitete den bisher mur in Kent üblichen vömifchen Kirchenge⸗
fang auch im Norden ded Reiches’), ımb währenb er ale
bie angelfächfifche Kirche zuerft unter ſich wereinte*), ſtaͤckte
md an die Kirche des Fefllandes anfchloß, bemühte er fich zw
gleich mit Erfolg bie Geiftlichkeit diefes Landes durch Mitthei⸗
1) Beda I. III. c. 29, et. IV. 1. Auch hier findet ſich bei var
fie durch chron. saxon, ad a. 656 unterftüt foheinen kann.
2) Die Worte, in denen auch Paul Warnefrid de gestis Lon-
gobardorum 1. V. c. 80. der Sendung des Theodor ermähnt, find aus
Bedas chronicon ad a. 671 abgefchrieben und erweifen, wie tiefes
Werk von jenem benugt wurde. Nicht aus Beda iſt aber bie glei
folgende Nachricht des Paulus, daß Theodor eine vortrefflihe Buß |
ordnung abgefafft habe, welche Notiz bei den netieren Unterfuchungen
dulfi de Diceto abbreviat. chron. ad a. 671, J. Bromten
chron, p. 741. |
8) Beda 1. IV. c. 2. Bon einem frügern Verſuche ſ. Denſel⸗ P
ben II. 20.
: 4) Isque primus erat in episcopis, ei omno⸗s Anglorum ecchesise |
manus dare consentirent. Beda IV, 2.
L 2
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 467
ung feiner eigenen höheren Bildung ber der übrigen chriſtlichen
Belt gleichzuftellen. Es wird noch von Beda anerkannt,. daß
iin Baterland dem Theodor die Kenntniß der Metrik, ber
iſtronomie und ber geiſtlichen Arithmetik, worunter auch die
tonpfifche Zeitrechnung zu verſtehen iſt, ſowie jene Männer
erdanke, welche das Griechiſche) und Lateiniſche — damals
xeilich keine todten Sprachen — gleich ihrer Mutterfprache
edeten.
Den wichtigſten Beiſtand erhielt Theodor durch den der
Bsnifchen Kitche ergebnen Biſchof von York, Wilfrid, einem
nzech! chrifllichen Eifer, feltene Bildung und bedeutende Geiz:
teöfrafte meskwindigen Mann, deſſen ereignißvolles Leben um
einer felbft willen unfere Aufmerkſamkeit an fich zieht, durch
eſſen Verknuͤpfung aber mit wichtigen Momenten ber in bie
a Zeitalter mit ber ber Kirche eng verbundmen Gefchichte
es Landes gebieterifch fodert ?). |
Wilftid war. von ebler Geburt und mit allen jenen Gas
en ber Natur auögeftattet, deren. Einfluß bei rohen Bölkern
mens abfiracten Begriffen bingegebnen Zeitalter faft fabelhaft
— Schon im dreizehnten Jahre, da. der angelſaͤchſiſche
daabe ſchon als muͤndig betrachtet wurde, beſchloß er von ſei⸗
en Eltern zu ſcheiden und der Welt zu entſagen. Ritterlich
usgeruͤſtet wurde er an ben Hof Oſwius geſandt und durch
ie Begimſtigung der Königin Eanfleda yon dem Kaͤmmerer
dba, welcher irbifche Freuden und Gorgen gegen die Ein⸗
amkeit und die Regel des Klofterd zu Lindiöfarne vertaufcht,
3 baffelbe aufgenommen. Ex zeigte bier fo viel Demuth als
- 1) Man findet bei den Angelfachfen bie ſ. g. reuchlinfche Ausſprache
ber den Stacifmus, welcher auf den Erzbiſchof Theodor zuruͤckgefuͤhrt
ird.
2) Eines der aͤlteſten vorhandenen literariſchen Werke eines Angel⸗
chſen ift die Inteinifche vita Wilfridi durch Äddi Stephanus, welchem
Büfrid, um die Angeln ben römifchen Kirchengeſang zu lehren, aus Kent
ach Rortyumbrien gerufen hatte. Gedruckt bei Gale T. I. Aus biefer,
3 Beda, einer metrifchen vita durch Fridegod, Eabmer (bi
fabillon saec. III. p. t) und Wilhelm von Malmesbury (de
estis pontificam 4. III.) hat Smith, im appendix Nr. XIX. ad
eodam, eine verdienſtliche chronologiſche Überficht der er Bi
ids entworfen.
667.
166 | . Bweite Abtheitung.
katholiſche Btfchöfe in ganz Britannien orbiniren zu laffen:
Die Antwort ded Vitaliamıd an ben: König ber Sachſen Oſ⸗
wiu und die ihm und der Königin übermachten Gaben [prachen
bie Dankbarkeit des römifchen Biſchofs hinlänglich aus ’). Der
Tod des Wigheard, welcher kaum in Rom eingetroffen an ber
dort herrfchenden Peft flarb, wurde vom. Papfte benust, um
ben angelfähfifhen Bifchöfen einen feiner Anſicht treuergebnen,
durch Alter und Erfahrung ehrwürdigen,. durch feltene Kennt⸗
niffe ausgezeichneten Erzbiſchof vorzuſetzen. Theodor, aus Tar⸗
ſus?) in Cilicien, folgte auf dem von ben Phönkiern einft ge⸗
wiefenen Pfade über Maffilien, zu Arles wie zu Paris beim
Erzbifchofe Agilbert verweilend, nad) Kent. Theodor, ehren:
vol empfangen, berelſte fogleich alle angelſaͤchſiſche Staaten,
bewirkte unter der unfcheinbaren Lehre von der rechten Ans
ſetzung des Ofterfefles die allgemeine Anerkenmung ber roͤmiſch⸗
katholiſchen Kirche, fuchte jede fernexe und felbft jede Spur
früherer Einwirkung fchottifcher Geiſtlichen auf die Wahl und
Drdination der Biſchoͤfe feines Sprengeld zu entfernen, ver:
breitete den biöher nur in Kent uͤblichen römifchen Kivchenges
fang auch im Norben des Reiches’), und während er alfo
die angelfächfifche Kirche zuerft unter fich vereinte*), flärkte
md an die Kirche des Fefllandes anfchloß, bemühte er fich zu
gleich mit Erfolg bie Geiftlichkeit diefes Landes durch Mittheis
1) Beda I. III. c. 29, et. IV. 1. Auch hier findet fi bei Pal:
U grave ©. 310 die irrige Zahl 657, welche geruͤgt werden muß, weil
fie durch chron. saxon. ad a. 656 unterſtuͤtzt ſcheinen kann.
2) Die Worte, in denen auch Paul Warnefrib de gestis Lon-
gobardorum 1, V. c. 80. der Sendung des Theodor erwähnt, find aus
Bedas chronicon ad a. 671 abgefchrieden und erweifen, wie biefes
Wert von jenem benugt wurde. Nicht aus Beda iſt aber bie glei
folgende Nachriht des Paulus, daß Theodor eine vortreffliche Buß:
ordnung abgefafft habe, welche Notiz bei den neueren Unterfuchungen
- über die angelſaͤchſiſchen Beichtfpiegel nicht beruͤckſichtigt iſt. Vgl. Ra-
dulfi de Diceto abbreviat. chron. ad a. 674, J. Bromton
chron, p. 741.
8). Beda |. IV. c. 2. Ron einem frühern Verſuche ſ. Denſel⸗
ben II. 20.
4 Isque primus erat in epissopis, cui_ommes Anglorum eccihesise
manus dare consentirent. Beda IV, 2.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 467
Jung feiner eigenen höheren Bildung der der übrigen chriſtlichen
Belt gleichzuftellen. Es wird noch von Beda anerkannt,. daß
fein Vaterland dem Theodor die Kenntniß der Metrik, der
Aſtronomie und der geiftlichen Arithmetik, worunter auch die
Dionpfifche Beitzechnung zu verfiehen ift, ſowie jene Männer
verdanke, welche das Sriechifche *) und Lateinifche — damals ,
freilich Feine todten. Sprachen — gleich ihrer Mutterſprache
redeten.
Den wichtigſten Beiſtand erhielt Theodor durch den der
rdmiſchen Kirche ergebnen Biſchof von York, Wilfrid, einem
Durch! chriſtlichen Eifer, feltene Bildung und bedeutende Geis
ſteskraͤfte merkwuͤrdigen Mann, deſſen ereignißvolles Leben um
feiner felbft willen unfere Aufmerkſamkeit an fich zieht, durch
deſſen Verknuͤpfung aber mit wichtigen Momenten ber in bie
sem Zeitalter mit der ber Kirche eng verbundmen Geſchichte
des Landes gebieteriſch fodert ?). |
Wilfrid war von ebler Geburt und mit allen jenen Ga
ben ber Natur ausgeftattet, deren Einfluß bei rohen Boͤlkern
einem abſtracten Begriffen hingegebnen Zeitalter faſt fabelhaft
erfcheint. Schon im dreizehnten Iahre, da. der angelfächfiiche
Kuabe fchon als muͤndig betrachtet. wurde, beſchloß er von fei-
nen Eltern zu fcheiben und der Welt zu entfagen. MRitterlich
ausgerüftet wurbe er an den Hof Oſwius gefandt und durch
die Begimfligung der Königin Eanfleda yon dem Kämmerer
Cudda, welcher irbifche Freuden und Sorgen gegen bie Ein-
ſamkeit und die Regel des Klofterd zu Lindisfarne vertaufcht,
in baffelbe aufgenommen. Er zeigte bier fo viel Demuth als
1) Man findet bei den Angelfachfen die ſ. g. reuchlinſche Ausfprache
ober den SItacifmus, welcher auf den Erzbiſchof Theodor zuruͤkgefuͤhet
wird.
2) Eines der aͤlteſten vorhandenen Hterarifchen Werke eines Angel⸗
fachfen iſt die lateiniſche vita Wilfridi durch Uddi Stephanus, welchen
Silfrid, um die Angeln den roͤmiſchen Kirchengeſang zu lehren, aus Kent
- nach Rorthumbrien gerufen hatte. Gedruckt bei Gale T. I. Aus biefer,
aus Beda, einer metrifhen vita buch Fridegod, Eadmer (bei
Mabillon saec. III. p. 1) und Wilhelm von Malmesbury (de
gestis pontificam 1. III.) hat Smith, im appendix Nr. XIX. ad
Bedam, eine verbienftliche chronologiſche Überfücht der Seſhihte Bu
frids entworfen.
168 Zweite Abtheilung.
Geiſtesgaben Auſſer andern Büchern konnte er fämmtliche
Pſalmen, nach der bei den Schotten geltenden Verdolmetſchung
(emendatio) des Hieronymus, berfagen. Seine Sehnfucht
vie Kirche des Apofteld Petrus zu fehen und anzuflehen, konnte
der Königin und ihren roͤmiſch⸗katholiſchen Begleitern um ſo
willfommener fein, je feltner und ımerhörter diefer Wunſch bei
feinen Landsleuten bisher geweien war. . Sie fandte ihn daher
zu ihrem Bruder Erconbert, dem Könige von Kent, wo et
mit der römifchen Kirchenlehre fich vertraut. machte, wozu auch
die Erlernung ber Pfalmen nach der fünften roͤmiſchen Ausgabe
gehörte. Er wurbe als Heifegefährte dem Biſcop, genannt
Benedict '), mitgegeben, einem auägezeichneten Manne, welcher
um das Kirchenwefen und die Bildung Northumbriens ſich ſpaͤ⸗
ter fehr. verdient machte, und ber. als Abt des von ihm geftif
teten und durch Künfte und wiſſenſchaftliche Schäge nicht min⸗
der ald feinen berühmten Prieſter Beda verherrlichten Kloſters
zu Wearmouth flarb ). Als der Herrliche Süngling durch yon
wanderte, wurde ber bortige Erzbifchof Delfinus von ber ihm
wunderbaren, milden und geiftoollen Exfcheinung fo ſehr ges
rührt, daß er den Angelſachſen lange bei fich. behielt, ihm an:
bot ihn ald Sohn anzunehmen und ihm feines Bruders Zoch:
ter Hand fowie bie weltliche Herrſchaft über einen Theil
Galliens zu verſchaffen.
Wilfrid eilte jedoch nach Rom, lernte die vier Evange:
dien beſſer ald bei ben Schotten kennen, die roͤmiſche Lehre
‚ 1) Babucing bei Edrine Gap. II. ift vielleicht ber echte Ge⸗
ſchlechtsname, wie die Endung vermuthen Iäfft.
2) Es ſei geftattet in der Geſchichte der Angelfachien, welche fo
häufig auf eine höhere Bildung, als denfelben zugetraut wird, hinzudeu⸗
ten bat, auf bie in unfern Kunftgefhichten unerwähnten Gemälde auf:
merkfam zu machen, weiche Benebictus' feit dem 3. 678 aus Rom nad)
Wearmouth brachte. Wir erfennen daraus, wie viel zu Rom gearbeitet
‘ober body gefammelt wurbe, und bemerken bei biefen Gemälden diefelben
Gegenſtaͤnde und dieſelbe Darſtellung, welche ſeit laͤnger als einem Jahr⸗
tauſend bei den bildenden Kuͤnſten fi erhulten haben. ©. Bedae vita
abbat. Wiremuth. bei Smith p. 295 et 297. Ein hier nicht fpeciell
angefuͤhrtes, doch vielleidye unter ben imagines evangelicae historiae
‚begriffenes Bild fcheint dem Beda vorgeſchwebt zu haben, - als er bie
heil. drei Könige beichrieb.
Bon Mitte des 8. bis Ende bes 8. Jahrh. 169
von Oſtern, welche er, sole wir oben gefehen haben, hernach
ſiegreich anwandie, ſowie er auch bie Benebictinerregel, das
römifche Kirchenrecht und was fonft: den Geiftlichen diefer Kirche
eigenthuͤmlich war, fich: vertraut machte. :-Auf feiner Ruͤckkehr
verweilte er drei Jahre bei feinem: Freunde Delfinus und er⸗
‚weiterte feine gelehrten: Kenntniſſe durch den Beſuch der be⸗
Deutendften Lehrer. Er befannte ſith auch nunmehr als gaͤnz⸗
lich der roͤmiſchen Kirche ergeben, indem er die Tonſur des
heil. Petrus annahm, aus einem die Dornenkrone Chrifti’ nach
bitdenden Kranze . von’ Haaren beſtehend, während die ber
Schotten. einem ganz Fahlgefchornen Kopfe nur ein Buͤſchel
Haare am Hinterkopfe ließ. Er wurde: hier in die Berfok
‚gung der Königin. Bathilde und bes Majordomus Ebruin ges
gen ben Erzbifchof verwickelt, jedoch der fchöne Züngling durch
ein wunderbares Mitleid feiner Verfolger vom‘ Maͤrtyrertode
befreit. Er eilte jest in fein Vaterland zurlicl, wo er, von dent
Könige Alchfrid ehrenvoll aufgenommen und zum Abte dei -
Aloſters Hrypum orbinirt, gleich einem Propheten von Hohen
und Niederen verehrt wurde. Nach der Diputation mit dem
Biſchofe Colman zu Streonesheale erwaͤhlten die Könige Dfs
wiu und fein Sohn mit den Weifen ihres Volkes den Abt
WBilfrid zum Biſchofe von York, und diefer ging nach Paris
um ſich daſelbſt von Agelberct ordiniren zu laſſen. Auf. der
Ruͤckkehr nach Northumbrien warf ihn ein Sturm an die Kuͤ⸗
ſten der noch heidniſchen Suͤdſachſen, welche das ſtrengſte
Strandrecht gegen die gelandeten Fremden ausüben wollten:
Der Oberpriefter. der Heiden ſtand auf einer Fleinen Erhöhung,
um durch Fluch und magiſche Künfte die Fremden zu ents
fräften, deren einer jedoch mit Davids Muth und Glüd .einen
Stein gegen ihn ſchleuderte. Des Heidenprieſters Fall ent⸗
zundete die Wuth der Seinigen gegen bie kleine Schaar der
Fremden, welcher eö jedoch, nach viermal wiederholten: Ge:
fechte, mit der wiederkehrenden Fluth gelang ſich einzuſchiffen
und nach Sandwich zu entkommen.
So groß war indeß die Willkuͤrlichkeit, welche damals
in den wichtigſten Verhaͤltniſſen Sitte war, ſo ſehr ſchwankte
Oſwiu, fo wenig galt. ſelbſt das koͤnigliche Wort, daß der
- König, während Wilfrids Abweſenheit, vie Wahl eines Irlaͤn⸗
172. .. 3Bweite Abeheikung.
fhere überlebte diefe Niederlage nicht lange. Er war der erſte
Regent, welcher nach einigen Kämpfen mit Weſſer Mercien
in einer lange friedlichen und doch bedeutenden Stellung unter
den angelfächfifchen Staaten erhalten hatte; feine Bemühungen
um bie Verbreitung bed Chriſtenthums, zu welchem er ben
König von Buffer Ethilwald einft bekehrt, auch die Inſel
Bight durch den Prieſter Eoppa zu gewinnen verfucht ), fo:
wie feine freundlichen Berhältniffe zu Wilfrid und andern
chriſtlichen Glaubensichrern zeigen, daß er für höhere Beleh⸗
zung empfänglih war und bie richtige Politif feiner Zeit be⸗
griff. Seine letzte That, welche mehr an feinen Bater Penda
ben Kraftoollen erinnert, können wir, lediglich auf northum⸗
we.
brifche Nachrichten geftügt, nicht mit Zuverſicht beurtheilen.
. Mit der zunehmenden Macht Northumbriens wuchs in: gleis
dem Maße der Einflaß des Bifchofes von York, deſſen
geiftlicher Sprengel mit Ofwius und feiner Söhne Waffen fi
auöbreitete. Der Einfluß der Geiftlichkeit auf die Angelfachfen
nehm fehr zu, und in dem neubelehrten Eräftigen Volke finden
wir bald diefelben Verirrungen religiöfen Wahned, woran in
jenen Sahrhunderten das Zeftland fo reich war. Äthelthryd,
Die Zochter des. Anna, Könige der Oſtangeln, zuerft dem
Fuͤrſten der Suͤdgyrwier und nach deſſen frühem Tode dem
Könige Ecgfrid verlobt, hatte dem hohen Vorbilde chrifklicher
Frauen auch in der Bewahrung ewiger Iungfraufchaft folgen
wollen, und bad Kloſter und die Hoffnung auf dereinflige
Kanonifirung gegen haͤusliches Gluͤck und weltlichen Glanz ver:
teufcht ?). Obgleich weniger durch Athelthryd ald durch Er⸗
nmienburga, welche Ecgfrid, von’ jener gefchieben, geheirathet
batte, begünftigt, beförberte Wilfrid den Ausbruch des mit feinem
Wulfhere war ſchon 675 geftorben, f. chron. saxon., und fein Rachfols
ger. Ädilred verwüftete Kent im 3. 676, f. Beda IV. 12. Auch bie
Reihefolge der Erzählung des Äd di Gap. 20 fg., ber diefen Sieg in
primis annis Ecgfridi regis vor Wulfheres und mehrere Sabre vor Das
goberts Tode (678) fegt, deutet die richtige Zeitfolge an. Die Heine
Ghronik bei Wanley ©. 288 giht uns bie Sahreszahl 674.
1) Chron. saxon, ad a. 661.
96. Beda L IV. Will. Malmesb: L w. Vita 8, Ethel-
fhrydis bei Mabillon saec, I.
Don Mitte das 5. bis Ende des 8. Jahrh. 173
fleigenden Anfehn begrünbeten Zwieſpalts der Höheren Geiſtlich⸗
Feit unter fi) und der beginnenden Eiferfucht der weltlichen ges
gen die geiflliche Macht. Hatte gleih Wilfrid feinem Bis⸗
thume den alten erzbifchöflichen Zitel nicht wieder beigelegt, fo
durfte Doch der Erzbifchof von Kanterbury nicht erwarten, daß
ber nordifche Prälat feiner großen Didcefe Die alten echte
nicht wieder verfchaffen würde, und den Königen Ecgfrid und
Alfwin wurde die Gefahr bargeftellt, welche die Schäge und
Dad Anfehn des Biſchofs von York ihm ‚bringen koͤnnten.
Die Könige und der Erzbifchof vereinten fich daher dad Bis⸗
thum York an drei neue Bifchöfe zu vertheilen, ben von Deira
zu York, den von Bernicien zu Herham oder Lindisfarne
und ben von Lindiffe zu Sidnacefter. Wenn auch nicht die
Gewaltfamkeit des Verfahrens, fo erfcheint doch die Abficht
ber Verkleinerung des Bisthums, dadurch gerechtfertigt, daß
bald darauf durch Wilfrids Mitwirkung auch Mercien, wo
bisher die Grenzen des Königreihd denen bed Bisthums
glei waren, unter zwei und fpäter unter brei Bifchöfe vers
theilt wurde '). Auch Oſtangeln wurde zu der Zeit des Erz⸗
biſchofes Theodor in zwei Bisthuͤmer vertheilt.
Alles perſoͤnliche Anſehn welches Wilfrid genoß, ver⸗
mochte keine Änderung jener Entſcheidung zu bewirken. Seine 677.
Gegner waren vielmehr fo gereizt, daß, ald er mit einem
Heere von Geiftlihen England verließ ?), der König von Neu⸗
fitien und Burgund und fein mächtiger Hausmeier Ebruin vers
mocht wurden ihm auf der Durchreife nach Rom einen Hin:
terhalt zu legen; ein Anfinnen welches eine nähere Verbindung
zwifchen beiden Höfen vorausfegen laͤſſt, ald die Dunkelheit
jener Zeiten und zu erkennen geftattet. Die Willfährigkeit der
‚ Neuftrafier den Wilfrid zu verfolgen, fcheint dadurch verans
laſſt zu fein, daß derfelbe vor einigen Jahren ihren Feind, den
auftrafifhen König Dagobert IL, welchen nach Iangjähriger
1) €. Will. Malmesb. de gestis pontif. 1. IV. p. 288. ‚
2) Die Flut Wilfrids muß in das Zahr 677 gefegt werben, ba
er im folgenden Brühjahr noch den im Iahre 678 ermordeten Dago:
bert U. ſprach. Die Angabe Bedas (I. IV. c. 18.) und ber chron.
saxon. über da8 Jahr 678 find auf die Drbination feiner Rechtoiger zu
beziehen.
-
174 weite Abtheilung.
Verbannung feine Freunde in Itland wieder. entdecten, auf des
zen Bitte, zu feinem Reiche, durch die Waffen der Seinigen
unterflügt, zurüchzußehren, veranlafit und mit reichen Gaben
befchenkt hatte. Ein Sturm, welcher das Schiff des Wilfrid
nach Friesland trieb, rettete diefen, und eine täufchende Na⸗
mendähnlichkeit brachte den gleichfalls vertriebnen Bifchof Wul⸗
frid von Litchfield in die Haͤnde der Wegelagerer. Die wichtig⸗
ſten Folgen aber hatte Wilfrids Landung in Friesland für
die dortigen Eingebomen und hernach für einen, großen Theil
des nördlichen Europas. Wilfeid wurde von dem dortigen
König Aldgiſl freundlich aufgenommen und gegen bie bis das
bin ihn verfolgende Hinterlift ded Hausmeierd Ebruin gefchüßt.
Gefördert durch den Wahn des Volkes, welcher feiner bedeutſa⸗
men Perfönlichkeit die Ergiebigkeit des Fifchfanges, den Reichs
thum der ‚Ernte jened Jahres zufchrieb, predigte er den
Frieſen in der denfelben leicht verſtaͤndlichen angelfächfifchen
Mundart die. Lehren Chrifli und taufte faft ale Zürften und
viele Tauſende aus dem Volke.
So ward dem Wilfsid befchieben ber Erſte auf der Bahn
der unzähligen angelfächfifchen Miffionare und Geiftlichen zu .
"fein, welchen die germanifchen Länder an der Nord= und Oft‘
See und manche füdlich gelegne Provinzen das Chriftenthum
und die demfelben enge verknüpften Bildungselemente verdankten.
Seine nächflen Nachfolger waren feine Schüler Willibrord,
unter dem Namen Clemend erfter Bifhof von Utrecht; der
thuͤringiſche Apoſtel MWinfrid oder Bonifaz, Erzbifchof von
Mainz; Liafwin, glüdlih in der Belehrung der Sachen;
Willehad aus Northumbrien, Freund Alcuind, der erſte Bifchof
von Bremen; Willibald, erfter Biſchof von Eichflebt, und def:
fen Bruder Wunibald. Auch mehrere andachtige und begeifterte
Ä Angelfächfinnen finden wir in Deutfhland: fo Leobgytha,
welche von ber Abtiffin Eadburg die Dichtkunft gelernt hatte;
Thecla, Äbtiſſin des Klofterd zu Kigingen u. A. Durch bie
. Verbindung der Dänen mit England begünftigt, folgte bis zu
Ende des elften Jahrhunderts eine große Zahl, bedeutender Maͤn⸗
ner, deren Einfluß auf die Cultur des Nordens häufig ganz
überfehen, gewiß aber zu geringe gejchägt worden if. Die
Zurüdbleibenden ermuthigte‘ und befefligte im Glauben an bie
Bon Mitte be3-5. bis Ende des 8. Jahrh. 175
Kirche der erfle Abt von Malmesbury aldulftburg) und
nachherige Biſchof von Shireburn, Aldhelm, der zuerſt unter
den Angelſachſen das ganze damals vorhandene Erbtheil roͤ⸗
miſcher Wiſſenſchaft und Kunſt ſich aneignete und den groͤ⸗
Fern "Ruhm erwarb, zugleich in der. germaniſchen Sprache
unter den aͤlteſten ber erſte bedeutende Dichter geweſen zu
ein 9.
Wir koͤnnen hier aber die Verdienſte der Angelſachſen nicht
hervorheben, ohne der aͤhnlichen ihrer Lehrer, der Scoten, wie⸗
derum zu gedenken, um ſo mehr, da Beide in dieſer Bezie⸗
hung zuweilen gemeinſchaftlich wirkten, und jene unter dem
Namen der Letzten haͤufig begriffen worden ſind. Bei Beiden
dürfen wir abet die Bemerkung nicht übergehn, daß ihre Aus⸗
wanderungen nicht immer den unmittelbaren Zweck einer Be⸗
kehrungsreiſe hatten, ſondern daß bei dem Mangel der ſpaͤteren
eigenthuͤmlichen Moͤnchsregel mehrere Jahrhunderte hindurch
die welche ſich einem ſtrengeren, beſchaulichen Leben weihen
wollten, allein oder mit wenigen Gleichgeſinnten ihre Heimat
zu verlaſſen und zu einer einſamen oder an einen durch eine
frühe Weihe ausgezeichneten Ort zu pilgern pflegten, welche
Sitte die Scoten noch lange beibehielten?). Als die Angels
ſachſen ein neues Heidenthum in Britannien auszubreiten kaum
begonnen hatten, hatte bereits Fridolin aus Irland auf einer
Rheininfel das Kloſter zu Seckingen geſtiftet und eine Kirche 490.
dem heil. Hilarius geweiht, deſſen Befikungen feinen Namen
dem Canton Glarus verliehen haben’). Im Anfange bes fies
benten Jahrhunderts folgte der Freund des heil. Columba von .
I) ulphilas und einige Andere kennen wir nur als Überfeger. -
Den Angelſachſen Caedmon aber, der vor Aldhelm flarb (+ 680), ftellt
König Alfred ſtillſchweigend unter jenen in feinem Ausſpruche bei Will.
Malmesb. de pontificibus I. V. Aldhelmus nativae linguae non ne-
gligebat carmina. — Teste libro Alfredi (manuali libro sive handboc)
nulla aetate par ei fuit quispiam poesin anglicam facere posse. S.
Gale I. 340 et 342, Der Eönigt. Geſellſchaft der Alterthumsforſcher
zu London verdanken wir eine neue von Thoope redigirte Ausgabe
und liberfegung der Fragmente des Caedmon, worüber von mir in ben
berlin. Jahrb. f. wiffenfchaftl. Kritit, 1833, Bericht erftattet ift.
2) ©. Osberni vita S. Dunstani 1, I. c. 1.
3) 3, v. Müllers Geſchichte der. Schweizer 8. I. Gap. 9.
16... Bweite Abtheilung.
Sena, Columbanus mit feinem Schüler Salus, in diefe Se
genden, wo der Name des Lebteren einem der merkwürbigften
Schweizercantone verblieb und fein Klofter auf beutfchem Bos
den, die wichtigfle Schatzkammer der Wiffenfchaft und Dichts
Zunft des Mittelalterd geworben ifl. Ron Columba leiten. das
0 Kofler zu Luxeuil in den Vogefen, dad Klofter Bobbio u. a.
680.
ihre Begründung ab. Später flifteten der Scote Kilian mit feis
nen Gefährten Coloman und Zottman ein Klofter zu Würz
burg, deſſen Bibliothek in fhägbaren Denkmaͤlern irländifcher
Sprache den Beweis feiner Abkunft aufbewahrt, nachdem jene
ben Franken Gozbert getauft hatten. Ein Zeitgenofje des Bo⸗
nifaz war der Scote Virgilius, Bifchof zu Salzburg. Zu ven
älteflen Stiftungen der Scoten fcheint auch das Klofter zu
Perronne zu gehören‘). Die Abtiſſin von Nivelle, Gertrube,
Pipins Zochter, fowie die bed Majordomus Grimmwald
lieffen viele gelehrte Scoten nach Frankreich heruͤberkom⸗
men. Das Klofter des heil. Martin zu Cöln?), bes heil.
Jakob zu. Regensburg, der heil. Maria zu Wien find nur
einige der vielen Stiftungen, welchen Deutfchland fowie ans
bere Länder die Verbreitung und Befeſtigung chriftlicher Leh⸗
zen, Erhaltung der Gelehrfamkeit und wohlthätige Verwendung
irdifcher Güter verdanken‘). Der Beſitz anfehnlicher Pfrüns
den erregte oft die Nationaleiferfucht gegen die Schotten,
welche jedoch ſtets bie verloren Anrechte wieder zu behaupten
wuſſten, und jene uralten Verbindungen der Schottenklöfter
mit dem Mutterlande, welche nie abgebrochen wurden und oft
fi) diefem wie jenen wohlthätig in weltlichen und geiftigen
Gaben erwiefen*), find bis heute in einzelnen Spuren erhalten.
|
4) Annales mettenses ad a. 690. Beda I. IV. c. 19, bigue
Smith.
2) Perg hat eine CEhronik dieſes Kloſters v. J. 7856 — 1021 zum
erſten Male abgedruckt in den monument. histor. german. T. II. p. 215.
8) gl. Murray comment. de Britannia et Hibernia sec, 6—-10,
literarum doimicilio in Nov. comment. societ. gottingens. T. II.
Bon Scoten im Norden vgl. vorzüglid Dicuilus de mensura orbis
und Adam von Bremen.
4) ©. unten vom König Äthelften 3. 3. 929.
Bon Mitte des.5. bis Ende des 8. Jahr. 177
Wenn alfo beſonders Deutſchland den britiſchen Geifilichen
verwandten ſowie celtiſchen Stammes das Chriſtenthum und
die erſte wiſſenſchaftliche Ausbildung verdankte, ſo muſſten auch
viele hiſtoriſche Sagen aus dem alten nach dem neuen Vater⸗
lande mit heruͤber wandern. Wir erinnern hier nur an die
Sage von der Ankunft der Sachſen in Hadeln; die aͤltere daͤ⸗
niſche Geſchichte iſt mit engliſchen Sagen durchwirkt. Mit den
angelſaͤchſiſchen Schriften wanderten ſogar die älteften ſchrift⸗
lichen Zeitbuͤcher heruͤber, und wir beſitzen noch in den aͤlteſten
Annalen deutſcher Kloͤſter einige der britiſchen Geſchichte ange⸗
hoͤrige Zeitbeſtimmungen, woruͤber die Niederzeichnungen in Eng⸗
land verloren gegangen ſind. Wir moͤgen es wohl dieſen
Fremden zuzuſchreiben haben, daß in den aͤlteſten kleinen Chro⸗
niken, in denen jedes Wort uns willkommene Aufſchluͤſſe uͤber
die dunkle Vorzeit geben muͤſſte, ſtatt vaterlaͤndiſcher Namen
und Berichte oft unverſtaͤndliche und gleichguͤltige Namen bri⸗
tiſcher Geiſtlichen enthalten ſind; doch verdanken wir denſelben
auch die fruͤhe Grundlegung des bedaiſchen Zeitbuches bei den
baldigen Fortſchritten der Wiſſenſchaft)y.
Wilfrid ſetzte im folgenden Jahre ſeine Reiſe nach Rom
fort, nachdem er das von ſeinem koͤniglichen Freunde Dago⸗
bert angebotene Bisthum. Strasburg ausgeſchlagen hatte. Der
König der Longobarden, Bertari, den angelfächfifchen Herrfchern
befreundet und verwandt, nahm den würdigen Geiftlichen
ehrenvoll auf und wies das Anliegen feiner britifchen Feinde,
den Flüchtling feflzuhalten, mit Verachtung ab). Der Schuß
des Papfled war in den angelfächfifchen Angelegenheiten noch
nicht in Anfpruch genommen worden, und ed kann, wenn wir
der Berhältniffe zu ber altbritifchen Geiſtlichkeit ſowie der Kürze _
1) ©. bie Sintetung.
2) Der Ausdruck des Äddi, Berchterus rex Campaniae, iſt oft
misverftanden. Was jener dem Berchterus über feine eigene Flucht zu
ben Hunnen in den Mund. legt, flimmt ganz mit dem überein, was
Paul Warnefrid ung über Bertari berichtet. Er ſelbſt hatte in Bris
tannien Hülfe nachfuchen wollen, und fein Sohn Gunibert war mit einer
Angelfachfin Hermelinde vermählt. Vgl. unten bei Caͤadwalla von Wels
fer. Campania ift vielleiht nur die Nachbildung bes Vortes dange⸗
Börbe. Paul. Diac. de gestis Longob. 1. V. c. 32. 87. '
Lappenberg’s Geſchichte Englandos - - 12
537
October.
178 3weite Abtheilunmg.. :
der Zeit, feit welcher Rorthumbrien der katholiſchen Kirche an⸗
gehörte, gedenken, nur ald ein fehr gewagter Berfuch angeſehen
werben, wenn Papft Agathon mit der zu Rom verfammelten
Synode die Wiebereinfehung des Wilfrid in fein ehemaliges
fächfifches Bisthum ') unter Androhung aller. geiftlihen Stra⸗
fen anbefahl.. Auch erwiefen die Bannflrahlen des Vaticans
fich jegt noch fo kraftlos, als die Machtgebote des Eapitols es
feit mehrern Jahrhunderten geweien waren. Eegfrid verach⸗
tete nicht nur die Befehle des Papſtes, fondern ließ fogar def-
fen Schuͤtzling neun Monate im Gefängnifje fchmachten, aus
welchem. nur kecke Lift und Vorftellungen feiner Anhänger ihn
befreiten.. Er mufite jedoch Ecgfrids Staaten verlaflen, der
ihn auch aus Mercien, deffen König Üthelred feiner Schwefter
vermählt war, ſowie aus Wefler, wo des Königs Ermenburga
Schwefter die Gemahlin des Königd Centwin war, zu vertrei=
ben wuſſte. Als einzige Zufluchtöflätte bot fi) dem uner⸗
ſchrocknen, regſamen Manne das dem Einfluffe Ecgfrids un⸗
erreichbare Suffer dar, welches er einft in fo mißlicher Lage
betreten hatte und defien Einwohner, ungeachtet des früher ges
machten Bekehrungsverſuches, im Heidenthume verblieben ober
zu beinfelben zurüdgefallen waren. Der König AWilwalch, fo
wie feine Gemahlin Eabae, aus dem Gefchlechte der Kleinen
Könige bed Huiccad, waren getauft; und fo wurde dem hei⸗
matlofen Flüchtling, den die weltliche Gewalt nicht ſchuͤtzen
wollte, die höchfte geiſtliche nicht fehligen konnte, die Aufgabe,
das Teste heidnifche Volk feines Vaterlandes dem Chriftenthume
zuzuführen. Wilfrid war auch bier erfolgreich, und die Errich⸗
tung eines Bisthums Fonnte bald auch in Suffer befcloffen
werden. Zu Selſea wurde ihm in einem Töniglichen Hofe ein
Biſchofsſitz andgemittelt und derfelbe mit angemeflenen Laͤnde⸗
1) In feiner Bittſchrift an den Papſt nennt Milfrib ſich opiscopus
Saxoniae. ©. Eddius bei Gale 1,66. Ebenſo Huaetberctue —
abbas (zu WVearmouth) 8. Petri in Saxonia Bedae hist. abb,
Wiremuth. p. 301. Wie gern Rom dieſe Berufung annahm, um
ſich wenigftens den morgenröthlichen Schein ber Autorität über alle
britannife Inſeln zu geben, erhellt aus den Icten dieſer Synode.
Bl. Alberici chron, ad a. 680. |
⸗
N
Von Mitte des d. bis Ends des 8. Jahrh. 4179
xeien und Einkuͤnften autgeflate, ſpaͤter in dig Stadt Ghiches
ſter verlegt.
—* hier gruppiren ſich wieder die wichtigſten Begeben⸗
heiten Britamiens um Wilfrids Perſon herum. Ceadwalla,
ein Sohn des im J. 661 verſtorbenen Coenbyrht aus dem Ge⸗
ſchlechte Ceawlins von Weſſer, lebte verbannt in den Wuͤſte⸗
neien von Chiltern und Andredswald; er nahte ſich dem Bi⸗
ſchofe, welcher den ausgezeichneten Juͤngling freundlich empfing,
gleich einem Sohne behandelte und ihm, wenngleid) nach un-
bekehrt, zur Wiedererlangung feines Reichs fehr foͤrderlich war. 686.
Bor diefer Kotaftrophe hatte Geabwalle, «6 iſt unbefannt mit
welchen Anfprüchen und wie Wilfrids Betragen babei zu deu⸗
ten iſt, fhon Suffer, bei deſſen Vertheidigung Edilwalch ge-
fallen war, erobert, doch bereits wieder verloren. Wilfrid er⸗
hielt nun das Bisthum in Weffer von dem ungetauften, aber
die chriftlichen Anftalten freigebig fürbernden Könige. Dieſe
eroberte Suſſer wieberum, bie Iufel Wight, deren Belehrung Ä
auch noch Wilfrids Tagewerk wurbe, und zulest Kent, wobet
er feinen Bruder Mollo verlor, welchen die erbitterten Kenter
Ä einfam überrafchten und in einer Hütte verhrannten. Diefe
ſchaudervolle Begebenheit mag Ceadwallas Entfchluß gereift
‘haben, dem Glauben, ben der größte Xheil feiner Unterthanen
längft angenommen hatte, zu huldigen; doch nicht zufrieben
die Taufe von fenem Bifchofe fich ertheilen zu laſſen, gab er
das in dem ſtets wiederkehrenden Triebrade der Gefchichte zum
zweiten Male erjchienene Beifpiel eines jugendlichen, kraft⸗
vollen Fürften, welcher dem Scepter entfagt, um vom Heiden:
tbume durch die Taufe in der Kirche St. Petri ſich zu tren⸗
nen und in Flöfterlicher Einfamkeit dem beſſern Leben in ernſter
Beſchaulichkeit entgegenzugehn.
Wilfrid hatte unterdeſſen mit dem reuerfuͤllten Erzbiſchof
Theodor kurz vor deſſen Tode (+ 690) ſich ausgeſoͤhnt und
durch dieſen mit Ethelred von Mercien, welcher ihm einen
Biſchofsſitz — den vierten welcher dem Wilfrid zufiel — in ſei⸗
nem Reiche anwies, und nach Ecgfrids Tode ſeine Verſoͤhnung
mit deſſen Nachfolger, König Aldfrid, / bewerkſtelligt. Ecg⸗
frid war nach einem ungerechten und grauſamen Kriege gegen
Irland, deſſen Leitung er dem Bearth uͤbertragen hatte, und
42 L |
180 Zweite Abtheiluns.
der Eroberung von Cumberland, wo er Earlifle und das Land
Gartmel der Kirche zu Lindifarne übertragen hatte, gleich dar⸗
'auf bei einem Einfalle in dad Land der Picten (zu Nechtanf:
685 mere erfchlagen. Aldfrid, ein uneheliher Sohn Oſwius, hatte
20. Mai. viele Jahre in Irland den Studien obgelegen und war, durch
feine Kenmtniffe in feinem Jahrhundert fehr hervorragend, von
feinem koͤniglichen Bruber zum Bifchofe beſtimmt gewefen ').
Doch noch immer warb dem Wilfrid Feine Ruhe. Hatte er
gleich auf Die von Theodor ihm angetragene Nachfolge im Erz
bistpume Canterbury verzichtet und ben Berchtwald zu demſel⸗
ben befördern helfen, fo ſtellte fich doch dieſer nach fünf Jah⸗
1) Aldfrid, welder im 3. 685 dem CEcgfrid in der Eöniglichen
Würde folgte, wird von den meiften neuen engliſchen Gefchichtichrsibern,
mit Ausnahme von Barte und Lingard, für denfelben Sohn Ofwius
gehalten, ‚welcher Thon 80.Iahre früher zugleich mit dieſem feinen Vater
geherrfcht hatte. Es Tpricht jedoch gegen diefe Borausfegung der Um⸗
ftand, dab Beda jedesmal wenn er von dem äfteften Sohne Dfwius
fpricht, ihn Alchfrid nennt; in Älfreds überfegung: Ealfrith, auch hier
nie eine uneheliche Geburt andeutet. &. Histor. eccl. III, 14, 21. 24.
28. Histor. abbat. Wiremuth. p. 298. Den fpätern König nen-
nen er und Älfred ftets Aldfrid, Ealdfrith. Beda hist. eccl. IV,
‘26. V, 19. 21. 24. Histor. abbat. Wiremuth. p. 297. Vita 8.
Cuthberti. Epist. ad Ecgbertum antistitem p. 309. Ebenſo chron.
saxon. ad a. 685 u. 705. Alcuinus de pontificibus eccl. eborac. a.'
848. 1080, Seldſt in dem nachläffig gedruckten Zerte bes Addi bemer:
‚ ten wir bie Verfhiebenheit der Namen Cap. 8. 56. Nirgends aber wird
gefagt, daß der friedliche iriſche Student, der unerbittliche Gegner Wils
frids, der frühere Schüler und Freund beffelben, ber tapfere Befieger
Pendas, der rebelliihe Sohn Oſwius gewefen fe. Nur durch Wil:
Yelm von Malmesbury ©. 21 erfahren wir, baß ber Baſtard der
ältere Bruber fein foll: ein Umſtand ber, wenn er auch gegründet ift,
dennoch gegen Beda Nichts entfcheidet. Alchfrid war 653. mit einer
Tochter des Königs Penda vermählt. Beda IH, 21. Aldfrid Hinters
ließ 705 einen achtjährigen Thronfolger. Die Kontichteit der Namen
bei zwei Söhnen Tann nicht auffallen. Zu Alchfrid und. Ecgfrid gefellte
KH Aldfeid ſehr gut für das aufmerkfame angelfächfiiche Ohr, welches
fogar eine Verwirrung beforgte, wenn Verwandte Cedd, Geabba,
Penda, Peada zc. genannt wurben. Ebenfo hieß Ofwius ältere Tochter,
welde im 3. 653 Peada, Pendas von Mercien Sohn, zur Ehe erhielt,
Alchfride; die im folgenden Jahre geborne wurde Aufiee, Aifride se
nannt. ©, Bedal, II, o 21. 24,
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 181
xen, in benen Wilfrid feinen Bifchofsfig in York und bie übri-
gen Befisungen wiederum innegehabt hatte, mit dem Könige
Aldfrid an bie Spige einer Synode, bei der die meiften Biſchoͤfe |
Britanniend gegenwärtig waren, welche, im Gefühle der in
den legten 22 Jahren bewährten Unabhängigkeit von dem roͤ⸗
mifchen Stuhle, von: Wilfried zuvoͤrderſt die Anerkennung der
ſaͤmmtlichen Statuten und Gebote des Erzbiſchofs Theodor
verlangte und dem ſolches Verweigernden ſaͤmmtliche Befigun-
gen, bis auf das von ihm geſtiftete Kloſter zu Hrypum, zu
entreiſſen befchloß ). Der fiebenzigiährige Wilfrid ertrug feine
Schmach und die Herabwuͤrdigung der paͤpſtlichen Autoritaͤt
ſo wenig, daß er die gefahrvolle Reiſe nach Rom wieder an⸗
trat, wohin die engliſche Geiſtlichkeit ihm jedoch als Anklaͤger
zuvorzukommen ſtrebte. Nutzten dieſen ihre Anſtrengungen ge⸗
gen Wilfrid nicht, ſo frommte auch dieſem die ehrenvolle frei⸗
ſprechende Entſcheidung und die Verwendung des Papſtes Jo⸗
hannes VI. wenig, als er in ſein Vaterland zuruͤckkehrte. Der
Erzbiſchof nahm den Freigeſprochenen mit anſcheinendem Wohl⸗
wollen auf; doch Aldfrid, den ſelbſt Wilfrids Freund und
Biograph den Weiſeſten benennt, war zu ſehr in die Grund⸗
ſaͤtze der altbritiſchen Kirche eingeweiht um zu geſtatten, daß
die von ſeinen Vorgaͤngern und von ihm, mit Zuziehung der
Weiſen und Geiſtlichen, gefaſſten Befchlüffe durch ein roͤmiſches
Pergamentblatt des angeblich apoſtoliſchen Stuhles?) umgeſtoßen
wuͤrden. Der Tod Aldfrids und die von ſeiner Schweſter,
der Äbtiſſin Älflede, und andern Anhängern Wilfrids gegebene
Erklaͤrung, daß der Koͤnig in ſeinen letzten Stunden die Her⸗
ſtellung des Friedens verlangt habe, noch mehr vermuthlich
ber Tod des Boſa, Biſchofs von York, bewirkten endlich in
der Synode am Nithfluſſe eine Vereinbarung, welche, ſofern
Wilfrids Anſpruͤche beruͤckſichtigt wurden, nicht als Verletzung
des paͤpſtlichen Anſehns betrachtet werden ſollte. Wilfrid erhielt
indeſſen durch jene nicht einmal das Bisſsthum York, welches
vielmehr dem bisherigen Biſchof von Herham, Johannes, einen
wegen vieler Tugenden geprieſenen Rene, ertheilt wurde, | da⸗
1) Bedae vita Cuthberti c. 24. En
2) Eddius c. 56. nn :
709.
182 3weite Abtheilung.
gegen das durch dieſe Veraͤnderung erledigte Bisthum Herham
ſowie das Kloſter zu Hrypum. Nach einigen Jahren, welche
er Almoſen ſpendend und die Kirchendiſciplin verbeſſernd zu⸗
brachte, ſtarb er im ſechsundfiebenzigſten Jahre; en Mann,
deſſen Schickſale umd Thaͤtigkeit in ben europäifchen Verhau⸗
niſſen Englands lange Zeit unvergleichbar daſtanden.
Wilfrid hatte durch eigene Kraft vollendet, was Augufli-
nus vom Geile Gregord des Großen befeeit begonnen hatte.
Das ſaͤchfiſche Inſelreich war nicht nur zum Chriſtenthume,
fondent auch zum Fatholifchen bekehrt. Die Weltlehre ver-
dankten die Angelfachfen großentheils den Scoten und Briten,
die Anſchlieſſung an bas europäifche Glaubensſyſtem vorzüglich
jenen beiden Männern. Die Verbreitung der neuen Lehre war
freilich Tangfam in dem Laufe eines Jahrhunderts gefchehen;
nieht die Überzeugung des Einzelnen fo fehr als die der Lan—⸗
desgeſammtheit wurde gewöhnlich befragt, die Mehrheit ent
Tchied; fanden ſich hernach wieber frühere Minderzahlen ver
ſtaͤrkt, ſo ergriff die Staatsklugheit den gebeiligten Namen
Wodans, um neue Anfprüche mit dem Wahne uralter Begruͤn⸗
dung zu färben. Doc findet fi nirgends ein gewaltfames
. Aufdeingen der neuen Religion, keine Verfolgung durch bie
Anhänger des alten Glaubens, wenn diefe obgefiegt- hatten.
Die Taufe gefihah gewöhnlich in großen Maſſen, dei Zaufen-
den; denn fie war durch einen Befchluß der dabei Intereſſit⸗
ten, des Königs, der Prieſter, des Adels, welche die Gruͤnde
ihres Verfahrens kamten, wenn fie and) die Worte der gegens
wärtigen Miſſionaire nicht verſtanden, beſchloſſen; das Indivi⸗
duum war nur in ber Familie, in dem Staate vorhanden.
Die Kirchengeſchichte der Angelfachfen gibt und bier manchen
Aufſchluß über ähnliche, oft falfch gebeutete Verhandlungen bei
andern germanifchen Volkerſchaften.
Sy erfolgreich Auguftinuß in feinen erſten geiſtlichen Er⸗
vberungen für Rom erſcheint, fo ergibt der Verfolg der
angelſaͤchſiſchen Geſchichte bald, daß, wenngleich das rorniſche
Kirchenſyſtem anerkannt wurde, dennoch der Einfluß Roms
ein ſehr fchwacher war, und daß die Angelfachfen, nachdem fie
nicht länger antikatholifch waren, ſtets antipaͤpſtlich verblieben.
Wilfrids Geſchichte wie wenig ſelbſt dieſer eiftige Ver⸗
Bon Mitte bes.5. bis Ende. des 8. Jahrh. 188
chter der Päpfte bewirken konnte; boch wirb uns beshalb um
fo wichtiger, die inneren Berhältnife ber Religion in England
gu betrachten. . -
Wir erblicken zuvorderft in jedem Königreiche einen Bis
fchof, welcher mit feinen Gehuͤlfen umherreiſend Lehre und
Cultus verbreitete. Diefe Art. des Kirchenregimentes ſchloß fich
dem heibnifchen Prieſterthume noch fehr an. Die Bifchöfe,
welche von der Geifllichkeit erwählt werben follten, bedurften
ſtets der Beſtaͤtigung des Landesherrn, wurben aber in ben
mellten Fällen von ihm ernannt. Unter den fpätern Angelfach-
fen bemerkt man, daß fletd die Töniglichen Gapelläne die bi⸗
ſchoͤflichen Stellen erhielten. UÜber diefe Bifchöfe war einft der,
weldyer zu Canterbury, ber Hauptfladt des Bretwalda Xthel-
bert, vefibirte, zum Erzbiſchof gefest, aus demfelben Grunde
aus welchen ber Biſchof zu Rom. fid, urfprünglih das Su-
premat. über die Bilchöfe der roͤmiſchen Provinzen angemaßt
hatte. Das von Gregor dem Großen angeordnete Erzbisthum
York, welches ein dem Papfle gefährliches Primat des Tenter
Erzbiſchofs verhindern Tonnte, ging nach der Flucht des Pau⸗
linus wieder ein und wurde erſt nach einem Sahrhimdert auf
- neue ereichtet, ald Eigbert, ber Bruder des Königes Eadbar,
auf viele Vorſtellungen beim päpftlichen Stuhle das Pallium 735, .
het"). Ein drittes Erzbisthum wurbe für das Land zwis
fchen der Themſe und dem Humber von bem mächtigen Koͤ⸗
wige Offa von Mercien, der dieſe Warde der Ehre feines Reis
ches erfoderlich hielt, mit Bewilligung des Papſtes Hadrian,
ben dieſe Vermehrung feines geringen Einfuffes ef bie an⸗
1) Appendix ad Bedae hist. ecc. Beda epist. ad Eegbertem.
Guil. Malmesb, de gestis’ pontif. 1. II. Es iff ein Irrthum, daß
Wilfrid den Titel eines Erzbiſchofs von York geführt habe. Beda und
AÄddi führen Nichts an, was diefe Angabe rechtfertigt; die eben anges-
führten Stellen entfcheiden für das Gegentheil. Palgrave gibt ihm
diefen Zitel, durch Abſchriften von Urkunden vevleitet, welche als unecht
verrufen find, und. wo die fragliche Urkunde in Weller, unter Ceadwalla
ausgeftellt, ſich auf. eine unter defien Regierung dort getroffene Ein:
richtung beziehen koͤnnte Eddium c. 41x rex Ceadrvala in omni ragno
suo exceisum consiliarium mox ilum composuit, sicut Phanzo — Joseph.
Tune — pontifice | nostro per Dominum elevato eic. - f
785.
134 Zweite Abtheilung...
gelfächfifche Geiftlichkeit willkommen fein durfte, angeorbnetz
doch wurde bald die alte Eintheilung wieberhergeftellt.. . ..
Haft gleichzeitig mit den Bisthuͤmern entſtanden buch bie
Sreigebigkeit der Könige und ihrer Anverwandten einige Kloͤ⸗
fler, welche zum Aufenthalte zahlreicher Mönche dienten.
Manche diefer Klöfter im nördlichen. England find. durch die
Normannen zerftört, und ed iſt fogar ihre Lage ungewiß. Die
Aufficht über Geiſtliche und Laien erfoderte in den größeren
Staaten bald mehr ald den einzigen Landesbiſchof, deſſen Ein-
fluß ohnehin, wie wir an Wilfrid gefehn haben, die Eiferfucht
des Königs reizen Tonnte. Bei der Auswahl der Biſchofsſitze
und Klöftee wurde vorzüglich die Sicherheit der neuen An
ſtalt berücfichtigt, daher der befeftigte Wohnort des Königs
oder ein durch feine natürliche Lage befonderd geſchuͤtzter Ort
— wie die Infel Lindisfame — gewählt. So völlig war das
Chriſtenthum nach dem Abzuge der Römer. im germanifchen
Britannien untergegangen oder doch fo wenig von den Angel>
fachfen anerkannt, daß Feine veligiöfe Stiftung. ber Römerzeit
ſich erhielt oder wieder auferwedt werben konnte und nur
einzelne altxömifche Gebäude und Mauern. zu Kirchen benugt
wurden. ine vermuthlich altbritifche Eleine Kirche wurde in
wüfter, bornenreicher Gegend entdedt und gab Anlaß yur
Gründung der Abtei Evesham')., Wenn die Abtei Glaftons
bury oder Yniövitrain, welche fi ch auf Schenkungsbriefe der
alten Koͤnige von Damnonia berief, ‚ ‚hiervon eine Ausnahme
zu bilden fcheint, fo dürfen wir nicht Aberfehn, daß dieſes
Klofter, wo zu Avallona Arthurs Leiche ruhte, lange in den
Händen der alten Briten verblieben). Ob Gregord Vorfchrift,
bie in den Augen ber zu befehrenden Heiden geweihten Orte
dem chriſtlichen Gottesdienſt gemaͤß einzurichten, befolgt wurde
vermoͤgen wir nicht länger audzumitteln, da, wenn es anfänglich
1) Guil. Malmest. de gest. pontif. p. 284.
2) Guil. Malmesb. de antig. eccles. glastonb,, ‚ apud Gale J.
p. 308. Der domnoniſche Schenkungsbrief iſt übrigens erſt im J. 601,
alfo nach ber Ankunft des Auguftinus in. Kent; and. beffen Unterrebung
mit den altbritifchen Biſchoͤfen ausgeftellt. Diefea: Kloſter war eines ber
fehr wenigen,. bei welchen die Sqhentungebriefe der aͤltern angelſaͤchſiſchen
Koͤnige nicht ganz untergegangen fi ſind.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 185
geſchehn fein mag, fi $ fpäter manche ‚Gefahr. zeigte,. welche |
die alten Grinnerungen des Gößendienftes dem wahren Gilau⸗
ben brachten. .-
Diie Überfi cht der angelfächfi fchen Bisthümer und. die Ep
waͤhnung ber bebeutendften Kloͤſter wird das geographifche
Bild der dortigen Koͤnigreiche anſchaulicher machen, und ihre
Kenntniß iſt fuͤr die politiſche Geſchichte eines Landes, in wel⸗
chem Biſchoͤfe und Praͤlaten die Rechte und Pflichten weitliher |
Großen theilten‘, unentbehrlich.
In dem Eleinen Reiche, von Kent v war neben dem Enbi-
fchofe von Ganterbury ſchon fruͤh das Bisthum zu Rocheſter
entſtanden. In Eſſex kennen wir nur den Biſchof von Lon⸗
don uͤber die jetzige Grafſchaft Efier, Middleſer und das halbe
Hertford 9.
In ſtangeln wohnte der Biſchof zu Dommuc Dunwich
in Suffolk); doch ſchon unter dem Erzbiſchofe Theodor wurde
der Tod des Biſchofs Biſi benutzt, um ein abgeſondertes Biss
thum zu Elham für den noͤrdlichen Stamm (Morfolk) zu er⸗
richten, welches unter Wilhelm dem Eroberer nach Thetford
und unter Wilhelm dem Rothen nach Norwich verlegt wurde.
In Weſſex war der erſte Biſchofsſitz zu Dorcheſter, von
welchem hernach, wie oben erwaͤhnt iſt, ein neugegruͤndetes
Bisthum zu Wincheſter getrennt wurde, befien berühmte Kas
thedrale von dem Alter wie von dem Reichthume dieſes Stif⸗
tes zeugt. Jenes behielt Hamptonfhire und Surey. Ein
dritted zu Schirborm (Seireburn, Septonia), berühmt durch
feinen erften Inhaber Aldhelmus fowie einen fpätern, - Affer,
Alfreds Freund, wurde ımter Wilhelm dem Eroberer, in Ges
maͤßheit der kanoniſchen Verfügung, die Bifchofsfige aus klei⸗
nen Drten in große Städte zu verfeßen, nach Altfarum und
darauf nach Salisbury verlegt, nachdem jedoch früher von
demfelben die Bisthumer Wels, hernach Bath (Somerfet),
Ramesbury (Wilts), fpäter wieder mit Sarum vereint (Berks,
Dorfet), Cridiantum oder Kirton, hernach zu Ereter (Devon⸗
1) Hier ift vorzüglich Guil. Malmesb. de gestis pontif. Anglor.
benust; fowie Radulphi Higden Polychronicon apud Gale I.
p. 204 sq. Florent, Wigorn. p. 695 sq.
18 =. Bmweite Abtheitung:
£hire) und. das. mit letzterm hernach vereinte St. Patrick (Corn⸗
wales) von demſelben genommen waren.
Sn Suffer blieb das Bisthum Selſea, ſpaͤter nach Ehi⸗
cheſter verlegt.
In Mercia wurden vom alten Bisthume Litchfielb und
Reicefler ferner abgetrennt: Worceſter (Morcefter, Gloceſter
und ein Theil von Warwick), Hereford und Lincoln (Ein⸗
coln, -Leicefter, Rorthampten, Huntingdon, Bebford, Buding-
"ham, Drford). Die Kathedra wurde wegen ber Geringfügig-
Herd des Ortes Litchfield hernach aus diefem Orte nach Chefter
und im 3. 1114 nach Coventry verfekt ') (Chefler, Stafford,
Derby und bie andere Hälfte von Warwick, Schrop und Lan⸗
caſter zwiſchen den Fluͤſſen Merſey und sen). Die Abtei
Ely (Cambridge) wurde erſt unter Heinrich I. zum Bisthum
erhoben.
| Drira hatte das Bisthum York erhalten, welches fich auch
über Bernicia und wit demſelben über das übliche Schottland
erſtreckte. Das Bistyum zu Lindiöfame, durch bie gelehrteften
Angelfachfen ausgezeichnet, das angelfächfihe Jona, wurde
nach Sidnaceſter ummeit Gainsborough und nach. einigen
BDlenfeyenaitern, noch ımter dem Könige Äthelred, Edgards
Soeohn, nach Durham verlegt, und der Theil feiner Diöcefe,
welcher jetzt zu Schottland gehoͤrt, Lothian, fiel dem ſchotti⸗
ſchen Biſchoſe von St. Andrews zu; das zu: Hexham ging
durch die Verwuͤſtungen der Dänen unter. Die Eroberungen
der Monarthen von Northumbrien dehnten mit demfelben auch
dar Kirfprengel von York aus. Whittern (candida casa
in Galloway), wo einſt Nynias ben ſuͤdlichen Picten eine
Kirche von glängenden weiſſen Stemen erbauet hatte, erhielt in
Bebas Tagen den eeſten angelſaͤchſiſchen Biſchof Pectheim,
wenn anders der Früher ſchon aus Morthumbrien zu ben
Ditn im 3. 681 gefandte, doch nach Ecgfrids Niederinge
vertriebene Biſchof Trumwini Lediglich anf ven Norben bed
Victenlandes befchrändt war”). Dieſes Bicchum ſcheint einige
"De. Schreiben des Papſtes Paſchalis vom 18. April 1144 an
Robert, Biſchof von Seoventry, in Baluze. miscall. T. VII. p. 132.
2) Vol. Beda III, LE fin. V, 28.
Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 187
Zeit aufgelöft geweſen zu fein, worauf beffen Einwohner der
Obhut der Biſchoͤfe von den Inſeln Man und Sobör.‘) ſich
auvertrauten; doc machten die Erzbiſchoͤfe von Vork, bei Her⸗
ſtellung des Vicchums von Whittern, mit Erfolg ihre Rechte
geltend. Später gehörte dieſer Diflrict ſowie das ganze
Strathclyde zu dem Bisthume Glasgow.
Die Geiſtlichkeit von Wales verweigerte dem Auguſtinus
ſich zu unterwerfen, und wenn auch einzelne Faͤlle angefuͤhrt
werden moͤgen, welche die Unterwerfung eines Biſchofs unter
Den Erzbiſchof von Canterbury bezeugen koͤnnten, fo iſt es doch
gewiß, daß erſt nachdem Wales von den Englaͤndern unter
der normanniſchen Dynaſtie erobert war, auch die Anerkennung
des Primates durch die Walliſer folgte. Von den vier Biſchoͤ⸗
fen zu Menevia (St. Davids), Landaff, Bangor und Lan
Elwy (St. Afaph in Zlintfhire) befaß der erſte den erzbiſchoͤf⸗
lichen Zitel, welchen früher die Kirche zu Caerlare gehabt
batte?). |
GEumberland als unabhängiges Reich hat wahrfcheinlich
früh feinen eigenen Biſchof gehabt. Doch hat derfelbe ver-
muthlich noch micht zu Cardeol (Carlifle) reſidirt, welche Stadt
König Ecgfrid dem Heil. Euthbert zur Dotation des lindisfar⸗
ner Bisthumd vergabte Die Stiftung des Biichoföfiges zu
Carliſle iſt das Werk des Königs Heinrich L (1109). |
Die Didcefaneintheilung des heutigen Englands ift mit
wenigen Abanderungen, naͤmlich den erſt zur Beit ber Kicchen-
teformation von Heinrich VIII. errichteten Bisthünern Glous
cefter, Briflol, Orford und Peterborough, noch die eben wer
geichnete angelfächfiihe. Das Stimmrecht ter Bifchöfe im
Oberhauſe beruft auf. den Rechten ihrer Vorgänger im Witte:
nagemote, die große Verfchiebenheit der Einkünfte derſelben iſt
1) Diefes eine Zeit lang nad) Sona verlegte Bisthum ſtand feit ber
Herrſchaft der Normannen unter dem Erzbifchofe zu Drontheim. ©.
Urkunde bei Thorkelin diplomata annaeo-magnaeana. Der bortige
ift, obgleich englifher Biſchof, Fein Mitglied des Oberhauſes. Die
Pfruͤnde wird jetzt vom Herzoge von Athol vergeben.
2) Giraldi Cambrensis itinerarium LI. c. 4. I. I. e. I. Ejusd.
descriptio Cambriae c. IV. befonders Deſſen Schrift distinelionss vo
de iure et statu menevensis ecclesiae.
188 Zweite Abtheilung.
zunaͤchſt aus dem verſchiedenartigen umfange der Staaten der
Juͤten, Angeln und Sachſen zu erklaͤren. Selbſt das feinem
Weſen nach und fo fehr undeutliche Bretwalbathum Athelberts
von Kent iſt feinem Umfange nah in den zahlreichen Dioͤce⸗
fanen des Meotropolitänen und Primaten von ganz England
zu erkennen; der Primat von England ') mit nur zwei Diöce
Tanen in fo fehr umfaſſenden Landfchaften, erhält das Gedaͤcht⸗
niß der Siege Edwins und Oſwius fowie der deſtigkeit und
der Thatkraft des heil. Wilfrid.
Ein Kloſter mit einer Kirche war das erſte Bedurfniß des
neueingefuͤhrten Chriſtenthums, ein Sammelplatz und Obdach
für die Miffionare, Lehrer und Schüler und andere der An⸗
dacht fich hingebende Zromme Die Zahl derfelben vers
miehrte ſich fehr ſchnell in den großen- Staaten, und bie reiche
Begabung derfelben fowie die Anzahl der Geiftlihen aus den
angefehnften, felbft koͤniglichen Gefchlechtern erflärt und den
bedeutenden Einfluß, welchen Äbte und Äbiiffinnen bald ge
warnen. Sigebert von Effer ift früher erwähnt, ſowie bie
heilige Königin Athelthryda, deren Schweſter Sexburga ihre
Nachfolgerin in Ely wurde. Abba, eine Schweſter des Könige
Oſwiu, wurde AÄbtiffin zu Coludesburch (Coldingham an ber
Seekuͤſte von Berwickſhire); Hilda, eine Enkelin bes Könige
Adwin, bekleidete diefelbe Würde zu Hereteu (Hartlepool in
Durham), hernach zu Streanaesfhald (Whitby in York). Im
Yeßterem folgte ihre Nichte Älfleda, Oſwius Tochter. Dem
Klofter zu Berking an der Themſe, von der Schwefter des
Eorconwald, Biſchofs von London, Äthelburge, geftiftet, fand
ſpaͤter eine Königin von Weller, Inad Gemahlin, vor. Bor
Errichtung diefer Klöfter hatte ſich das Beduͤrfniß derfelben "bei
den Angeljachien fo fehr ausgefprochen, daß fie haufig ihre
Söhne und Töchter in die fränkifchen Klöfter fandten, um fie
zu erziehen und dem geiftlichen Stande zu weihen. In ber
großen Anzahl angefehner Nonnenklöfter fowie der weiblichen
Heiligen bei den neubekehrten Angelfachfen gibt ſich ber rein
germanifche Geift zu erkennen, welcher den Römern in der Ach
. DD) Primate of.all England et Metropolitan ift der Zitel bes Lord
Erzbiſchofs von Ganterbury; primate of Englanl der des Lord Ery
biſchofs von York.
N
Don Mitte des 9. bis Ende des 8, Jahrh. 189
ing und Verehrumg ber: Frauen aufgefallen war und “ber
urch ‘den Einfluß der Priefterinnen ſich bewährte. Sowie
ns der altgermanifche ‚Charakter "jenes Volkes am deutlichflen
or die Augen tritt, wenn wir ſeine Sprache und Geſetze mit
en erſten ſchriftlichen Denkmaͤlern ihrer in: Deutſchland zurück⸗
ebliebenen Stammverwandten vergleichen, ſo werden Charakter
nd Sitten nicht minder. dadurch erlaͤutert; wie. denn auch in
zeziehung auf die Frauen hier der Gegenſatz ſich darbietet,
aß Letztere ſuͤdlich von der Elbe ſehr wenige, noͤrdlich von
erſelben vor dem dreizehnten Jahrhunderte gar keine Nonnen⸗
loͤſter errichtet hatten, und alſo ſo ſpaͤt, daß wir hier nur das
Berfchwinden. des alten Nationalcharakters erkennen koͤnnen.
dleine Kloͤſter entſtanden aus den frommen: Beſtrebungen ein⸗
elner Maͤnner, wie in Northumbrien aus einem Oratorium,
velches Wilpis, der Vater des friſiſchen Apoſtels Willibrord,
egruͤndet, dem heil. Andreas gewidmet und erweitert hatte,
n deſſen Gellen Willibrords berühmter Biograph Alcuin ſeine
Jugend zubrachte). Viele der älteren. Kloͤſter wurden in ben
Rriegen der heidnifhen Dänen zerſtoͤrt; doch wurden ‚ihre Dos
ationen : oft forgfältig wieder gefammelt, - prachtvollere Ge⸗
yaude erhoben ſich, und der ſchoͤnſte architektoniſche Schmuck,
nit welchem England als Muͤnſter, als Schloß des proteſtan⸗
iſchen Earls, als der Ruinen herrlichſte, prangt, ſteht fuͤr die
Nachwelt als die derfinnlichte Rede - des begeifterten fächfifchen
Mönches da.
Doch fehlte es auch hier nicht an Misbraͤuchen jeder
rt. Einer der erſten Biſchoͤfe von. London hatte feinen Sitz
vom Könige Wulphere von. Mercien etkauft.. - Viele Geiftliche
varen ber Kirchenfprache fo unkundig, daß Beda ihnen das
Symbolum und das Baterunfer aus dem -Lateinifchen in bie
andesſprache uͤberſetzte. Ein eigenthuͤmliches Verbrechen ſeiner
zeit beſtand in der Leichtigkeit, mit welcher angeſehnen Laien,
ven Aldermannen und andern Beamten des Koͤnigs die Errich⸗
ung von Klöftern für ſich und ihre Frauen geftattet wurde, '
Dad Land wurde vom Könige als erbliched Eigenthum wohl
eil gekauft, um hernach auf bemfelben und. in Kloſtergebauden
1) Alcuini vita Willibrordi L. I. c. 1.
10 Zmeite. Abtheilung.
nach Willkin zu lehen; der Laie ergriff den Stab des Abtes,
um allen weltlichen Neigungen, frei von jeder Herrfchaft. und
jedem Dienfle, nachzuhängen, und mit Schaaren abteiuniger .
Mönche oder feinem ehemaligen, nunmehr mit ber Tonſur ver⸗
ſehenen Sefolge-ımmgeben, ohne Diſeiplin und Regel zum Sches
ben des Landes dort zu haufen ');
Das Entflehen dee zahlreichen Klöfter wurde durch ben
Mangel der Pfarrkirchen ſehr begünfigt. Die Kunde von ber
Entftehung derfelben und der damit verknüpften Kirchſpielein⸗
richtung gewaͤhrt uns, wo ſie erhalten iſt, eine lehrreiche An⸗
ſchauung von der Benölferung und der Wohlhabenheit der Ge
meinden fowie ihrer Vergrößerung in Zeiten, wo wir nad
andern Nachrichten diefer Art vergebens fuchen. Doch fehlen
auch in England die Nachweiſungen über die dlteften Pfarr
firchen. Sie ſcheinen erſt unter dem Erzbiſchofe Theobor im
ſuͤdlichen, und ein halbes Jahrhundert ſpaͤter, vor und zu der
Zeit Erzbiſchofs Ecgbert von Vork, im noͤrdlichen England
aufgekommen zu ſein. Der heilige Cuthbert, Propſt von Mail⸗
208?) (+ 687), wanderte noch von Dorf zu Dorf, wn bie.
Gläubigen duch das Wort feiner Predigt zu flärken und zu
begeiftern. Doc wen Beda diefer Erzählung binzufügt, daß
dieſes die Sitte der Geiftlichen jener Zeit geweſen fei”), fo
folgt daraus wohl, daß es in feiner. Zeit ſchon in dieſen noͤrd⸗
lichen Provinzen bereitd anders geworben, wenngleich es nicht
zu bezweifeln ift, daß die Sprengel dort, wie in aubern Laͤn⸗
dern, anfänglich zu groß waren. Entdecken wir doch in dem
von dem Angelſachſen Willehad bekehrten Holſtein fehr hald
die Errichtung von vier Taufkirchen, aus deren Sprengeln die
foätere Parochialeintheilung ſich bildete ). Ähnliche Taufkirchen
ſcheinen es auch geweſen zu fein, melche ſchon wor be Ery
biſchofe Theodor der Biſchof ven Eifer, Cedd, zu Vrpancefler
9 Bedae: pistola ad Hegbortum ad a. 784 apid Smith
’ 280 04
9) Das durch Sir Walter Scott viel gefeieste Melroſe Abbeh
5) Beda 1. IV. c..27. Deſſen Schreiben vom Erzbiſchofe Eeg⸗
bert bei Smith ©. 306.
4) Remberti vita S, Anscharü:.c. 19.
Bon Mitte des 5. bie Ende des 8. Jahrh. 191
und Zilbury gtuͤndete ). : In den ſpaͤtern angelſaͤchſiſchen Ge
fegen fehlt e8 nicht an Berfügungen „welche das Parochialwer
ſen regulirten?). Daß: die Gemeinden ſchon fruͤh ihre Rechte
bei der Verwaltung des Kirchenvermoͤgens wahrnahmen, laͤſſt
ſich aus der aͤhnlichen Erſcheinung im chriſtlichen Norden und
ber Gemeinſchaftlichkeit alles angelſaͤchſiſchen Beſitzes ſchlieſſen;
fehlt uns jedoch ein Beleg fuͤr England aus aͤlteſter Zeit, ſo
Dürfen wir vieleicht annehmen, daß die. Geiſtlichkeit ſpaͤter ben
Laien nicht geößere Rechte einäumte, als dieſe früher ber
faßen °).
Die angelfächfifche Geiftihtei war im Ganzen keinebwegs
fo frei und einflußreich als in den meiſten Staaten des Felle
landes. Wenn auch zuweilen Gelfliche fich einzelner Könige
bemächtigten, fo blieben diefe Erfeheinungen doch iſolirt unb’nhue
eingreifende Folgen. Es fehlte die enge Verbindung der Angel⸗
ſachſen mit Rom, wodurch diefes feinen Dienern hätte Fräftigen
Schuß verleihen koͤnnen. Der Erzbifchof von Mainz, Bonifaz,
felbft ein Angelfachfe, eriiärt in feinem Briefe an den Erzbi⸗
fehof von Canterbury, daß Feine Klöfter in ſolcher Sclarere
befländen als die ber. Angelfachfen. Unbeflreitbarer ſprechen
die Gabebriefe für die Kloͤſter, welche nicht nur denfelben ſtets
bie ſ. g. trinoda necessitas oder die brycgbote, burhbote
und fyrd, d. h. die Beiträge zu dem Brüden- und Strafen
Bau, die für die Erhaltung ber Feſtungen und den Heerbann,
fondern auch noch ausdruͤcklich die Steuerpflichtigkeit der Geiſt⸗
lichen, bie Verbindlichkeit die jagbliebenden Könige und ihre
Waidmaͤnner in den Klöftern zu beherbergen u. A. auferlegte ).
Um fo auffallender ift eine berühmte, vielgebeutete Schen⸗
kung, welche der König Athelwulf von Weller nach feiner
1) Cedd — fecit per loca ecclesias, presbyteros et diaconos: or-
dinavit, qui se in verbo fidei et ministerio baptizandi adiuvarent.
c. 655. Beda I, III. c. 22. |
2) Leges Edgari 1. $.1. Canuil.g.$ re
8) Für fpätere Seit ſ. concil. exancestrense a. 1287.
.. 4) ©. Palgrave I, 156. und bie dort angeführten Urkunden.
Die legtgenannte Werbinblichleit ward, wenngleich die karolingiſche Ge⸗
fepgebung bie Kidfter davon befreit, benfelben auf dem Beftlande fig
aufgelaftet.
854.
498 ..:.....3Wweite Abtheilung.
Ruͤckkehr von Rom ber Geiſtlichkeit Teines Landes mächte.
Ältere englifche Geſchichtsforſcher, Jagulph, Wilhelm von
Malmesbury und andere Mönche, und' mit ihnen Selden, has
ben darin die Emführung des. Zehnten ‚finden: wollen; welche
unbaltbare Deutung theils durch die Urkunde widerlegt wird,
theils durch die viel frühere Einfuͤhrung des Kirchenzehnten
bdurch Übertragung älterer dem Könige. oder andern Grundherren
gebührenden Abgaben an bie Kirche‘). Die neueſte Anſicht
iſt, dag Athelwulf für die Geiſtlichen und bie Armen ein Sehn-
tel feines Reiches in Weffer, fowie Kent und Suffer, frei. von
allen Laften und Abgaben habe abmeffen laffen”). Hier wer:
den aber zwei: verfchiedene Schenkungen in einander geworfen.
Die eine, auch bisweilen Athelmulfs Teſtament genannt, legt
lediglich je zehn Meyern oder Meyerhoͤfen in feinen Exbglitern ?)
Die Verpflichtung auf, für einen Armen durch Speife, Trank und
Kleidung zu forgen und ift ald ein Anfang weltlicher Armens
polizei bemerkenswerth. Die andere Urkunde, welche bier
eigentlich gemeint ift, fagt, nach den. Alteften Abfchriften des
laleiniſchen Textes des wahrfcheinlich angelfächfifchen Originales
ſowie nach: der Deutung des älteften, faft gleichzeitigen Schrift
ftellerd, daß König Athelwulf mit Rath feiner Bifchöfe und Fürften
beichlofien habe, für Mönde, Nonnen und Laien, welche erbs
liches Land. befißen, je.bden zehnten Manfus ihres Eigenthums
oder, bei kleinern Befigungen den zehnten Theil derfelben' von den
obgebachten drei gewöhnlich. als unablöslich betrachteten Pflich⸗
ten und allen anderen Leiſtungen zu befreien; wofuͤr denn ge⸗
wiſſe Meſſen und Gebete von den Moͤnchen und Nonnen fuͤr
7 Exverptiones Eegberti 4. 5. 24. Diefe und fpätere Belege f.
bei Phitippe angelfächf. Rechtsgeſchichte $. 70., dem jeboch weder
die Einführung bes Zehnten durch König Offa in Mercien auf Brans
tomes ſchwache Autorität noch die Sicherung bes’ Zehnten durch Äthel
wulf zugeſtanden werden Tann.
2) So Palgravel, 158.
8) Asser de Aelfredo ad a. 855 unb Deffen annales ad a. 855
hat per omnem hereditariam terram suam — in decem manentibus.
Guil, Malmesb, in omnis suae haereditatis decima hida. Sim,
Dunelm. p. 121 ad a. 855 — bat in X mansis. Matth. Westm.
ad a. 857 in decem hydis vel mansionibus,
[4
Bon Mitte des.5. bis Ende bes 8. Jahrh. 193
die: Geele des Königs und ber beiſtinmenden Fuͤrſten zu hal⸗
ten waren ').
Die’ eömifchen Kanoned ‚haben bei den germanifchen Volks⸗
ſtaͤmmen, welche nicht wie die romaniſchen Voͤlker des Con⸗
tinentes mit der Hauptquelle jenes Rechtes, dem roͤmiſchen,
vertraut waren, nur langſam und zu keiner Zeit ſo kraͤftig als
bei jenen Wurzel gefaſſt. Maͤn darf ſich hieruͤber nicht durch
die Briefe Gregors des Großen an Auguſtinus taͤuſchen lafs
ſen, welche der Siegestaumel des Feldherrn dictirte, welcher
bei ber erſten eingenommenen Feſtung das ganze Land organi⸗
firen zu koͤnnen glaubt. Man erinnere ſich, wie ſelbſt Kent
in dem neuen Glauben ſchwankte, wie unguͤnſtig fuͤr die paͤpſt⸗
liche Autoritaͤt die Umſtaͤnde waren, unter welchen die chriſtliche
Religion ſich allmaͤlig verbreitete. Der roͤmiſchen Prieſter was
ren nur wenige nach Britannien gegangen; die meiſten derſel⸗
1) Biſchof Aſ er, der Freund von Ithelwulfs Sohn Aifred, gibt
das aͤlteſte Zeugniß hierüber: rex decimam totius regni sui partem ab.
omni regali servitio et tributo liberavit. Cbenfo Asseri annal, Flo⸗
ren, Ingulphus, Wilhelm v. Malmesbury. Obgleich Legterer
die Urkunde falſch auslegt, führt er doch die Worte derfelben fo an,
daß kein Zweifel über ben weſentlichen Inhalt entſtehen kann: Conzen-'
aimus, ut aliquam portionem terrarum haereditariam antea possidenti-:
bus, omnibus gradibus, sive famulis et famulabus Dei, Deo servien-.
bus, sive laicis (miseris, addit Ing.) semper decimam mansionem, ubi
minimum sit, tamen (tum, Ing.) partem decimam (omnium honorum,’
addit :Ing.) in- libertatem perpetuam perdonari (donari sanctae ec-
diesiae Ing.) deiudicavi, ut sit tota munita ab omnibus sechlaribus-
servitutibus nec non regalibus tributis etc, — quo eorum servitutem.
in aliqua parte levigamys etc. Die legten Worte fcheinen meine Aus⸗
legung völlig zu beftätigen. Spelman concilia p. 348 hat benfelben
Zert wie Wilhelm von Malmesbury. Turner Lann fih nicht.
entf&heiden und hat namentlich das minimum falſch verftanden ; welches
nicht das „Wenigſte, das Geringſte bedeutet, ſondern „ſehr wenig, nur
wenig, weniger als 10 mangi.“ Der ganz. abweichende Text der ur⸗
kunde, den der um einige Jahrhunderte neuere Matthaͤus von Weſt⸗
minſter gibt, wuͤrde keine Beruͤckſichtigung verdienen, wenn er nicht
die Irrthuͤmer der neueſten Geſchichtſchreiber veranlaſſt hätte. Statt
portionem — servitiis heiſſt es bei ihm: portionem terrae meae Deo
et b. Mariae et omnibus sanctis iure perpetuo possidendam conce-
dam, decimam scilicet partem. terrae meae, ‚ut. sit tuta muneribus et
libera ab omnibus servitiis etc. | 2 2.
gappent erg's Geſchichte Englands 1. 13
U
14 Bmeite Abtheilung.
ben waren elfachfen, welche nur Die Banbeäfprache und das
Landesrecht kannten. Zehlte ihnen auch nicht ein Iebhafte& Sn;
texeffe für die Kirche, fo waren fie doch weniger als ihre Bruͤ⸗
‚ber bed Zefllandes zum Biſchofe von Rom hingezogen, welcher
früh bemerkte, baß im ber großen Entfernung auch geiftige
Waffen ihre Kraft verlieren. Dem Bifchofe Wilfrid nugte bei
den englifchen Synoden meber feine ausgezeichnete Kenntniß
des roͤmiſch⸗ kanoniſchen Rechtes ') noch daB, fiegreiche Urtheil
des Papſtes. Der geringen Anerkennung des paͤpſtlichen Ka⸗
vons fcheint die große Anzahl angelfächfiisher geiftlicher Geſetze,
oft von den Königen gegeben, ihr Entfiehn zu verdanken, und
das. angelfächfifche Kirchenrecht blieb daher mehr wie das ir
gend eines andern chriſtlichen Stantes Nationalrecht.. Bloß bei
Verhandlungen. rein. geiftlicher Angelegenheiten. war die. Synobe
nur auf Mitglieder der Kirche befchränft ”), die Beiſtimmung
des Königs feheint jeder Anſetzung und: Berufung einer Synode
vorangegangen zu fein, durch defien Genehmigung und Auf:
nahme in feine Gefege allein die Befchlüffe derfelben für die Laien
bindend wurden. Was die Rechte der Laien mit betraf, wurde
auf bem allgemeinen Witenagemote unter Zuziehung der. Geiſt⸗
lichen verhandelt. Ihr eigener Gerichtöftand wurde den Geiſt⸗
lichen nur in ben Streitigkeiten unter ſich zugeflanden, jeder. Er:
weiterung beffelben eifrig gewehrt. Es iſt oben fchon die Zonfur
und Andered angeführt worden, worin die Angelfachfen erft ſpaͤter
ber römifchen Sitte folgten. Auch die vömifche lange, engere.
Kleidung nahmen erſt die zu Rom anweſenden Angelfachfen:
on, und Papft Iohannes VII. . ergriff diefe Veranlaffung um
die Geiftlichkeit in der Heimat Talare und Infuln nach dem
Gebrauche der römifchen Kirche anlegen zu laſſen). Die Ehe:
loſigkeit der Geiftlihen wurde bei den Angelfachfen fobald nicht,
Ducchgefegt *), und nur dad. Verbot. der zweiten Ehe. und
fivenge Rüge von Unfittlichfeiten bei denfelben aufrecht erhalten:
MM. In omni sapientia ‚et in itdiclis Romanorum ermditissimum.
Eddius c. 42.
2) 8Bgl. Palgrave I. 176. ;
3) S. das Schreiben bes Papſtes in Baluzii miscell. T.V. p: 478.
H Selbſt ein Sohn des heil. Wilfrid wird. erwähnt. Eddius
c.57, Sanctus pontifex noster de exilio cum filio suo proprio veniens.
Bon Mitte dea 5 bis Ende des 8. Jahrh. BU
Die germanife Abſtammung ben Geiſttichen ſich auch in
Sem Verbote, welches ihre Neigung: zum e veranlaſſte )
Die ehelichen Verhaͤltniſſe der Laien im Simme dev toͤmuſchen
Kirche zm ordnen ward bei einem Volke, weiches ſich fü ſchwer
an. Beichräntimgen gewöhnte, ummöglid;, und ber Papfı ſah
füch ſchon fruͤh veranlafit die Eheverbote für bie Engänder zu
beſchraͤnken).
Beſondere Ruͤckſicht verdient bei Betrachtung des angel⸗
ſaͤchſiſchen Kirchenrechts auch deſſen Verhaͤltniß zw den Altſchot⸗
. ten. Sollten die engliſchen Geiſtlichen, beſonders die der noͤrd⸗
lichen ©itanten, welche faſt ſammtlich ir Jrland, auf Jeolmkil
ober in andern Schottenkloͤſtern gebildet wurden, die Anſi ihten
ihrer: Jugend, die Diſciplin ihres Anſtalten, die Lehr: md
Gefet : Bücher: ihrer derehrten Meiſter nicht in ihre Heimat Bits
uͤbergebracht und in jenem. Zeitalter bes Ttaditien, dem: Buch⸗
ſtaben oft noch getveuer als dem Geile, mit: kanoniſcher Autos
ritaͤt weiter verbrritet haben? Es wird: und daher nie über⸗
raſchen, aber einen: neuen Ichvreichen. Biick in: das Verhaͤltniß
der Volßeftäumme und ihrer: Kirchen auf ben britiſchen · Infeln
gewaͤhren, wenn wir in bes Kanonenſanmung bes Erzbiſchofs
von York, Ecgbert, dem Beichtſpiegel, |poenitentiale, nad
bes engen Bereinigung mit Rom: abgefäfft‘, großentheifs daß
aͤllero Berk: bed: antirdmifche heil. Colimbanus erkentien·)
Durch "folche. augenſcheinliche Belege umerſtuͤtt, Jar fi Hie
Bermuthung nicht unterdrücken, daß no viel: Anderes ih! Hecht.
und: guter: Gäste, beſſerer Anſqcauuagen und inhaltoſthwerer
Gage in. die. bei ben. Verheerungen ber: Daͤnen vernichteten
Werke: übergegangen, und was in den bamallgen! kleinen Bes
veich ber Schriſt nicht: aufgenommen! war, durch Ben vielfaͤlli⸗
gen Verkehr, die gemeinſchaftlichen MWohnfige und: Rker von
dem Bretwalda, dem Coifi und dem Biſchofe, dem Thane wie
V Byli. vu foftematifche Darling bes angelſaͤchſ. KLirchenrechts
bei: Phitipps.
2) Man ſehe den Brief des Bonifacius bei Will. Malmesb. de
gestis regum und die Stelle aus demſelben im Decrete pars I. dist. 46.
c. 10. und Gregorii epist. ad Augustinum ercerpirt im Decrete
pars II. causa 35. qu. 2..c. 20.
3) ©. Mone Quellen und Forfchungen Th. I.
"13*
\
100 Bmeite Abtheilung..
dem Georle an ‚ und bem voheren Gefchlechte der
Sieger der e aber beſte Preis des tapfern Degens
und ſtarken Speered geworben. war.
Die Kenntniß des vömifchen Rechts bei einzelnen Angel-
fachſen war. lebiglich durch bie Nothwendigkeit, das Fanonifche
Hecht. kennen zu lernen, veranlafit, durch diefe bedingt und
mit derfelben befchränkt. Einzelne Berufungen an die paͤpft⸗
liche Curie beftimmten jeboch verfchiedene Geiflliche zu näherer
Ergründung und zum. Stubium beffelben in Rom, da England
ihmen dazu Feine Lehranftalt darbieten konnte. . Was einzelne
Männer, wie Theodor von Zarfus und andere ausländifche
ober Eentifche Geiftliche, in dieſer Beziehung gewirkt haben
Eonnten, iſt für und nicht zu erkennen. Selbſt unter ven be
deutenden Kenntniſſen eines Beda findet fich Feine Spur einer
Bekanntſchaft mit jenem, Rechte; deſto merkwuͤrdiger iſt bie
Kenntniß deffelben, welche einer der bedeutendften und. roma⸗
nifch gelehrteften Männer feiner Zeit, der oftgenannte Aldhel⸗
mus, nicht nur durch gelegentliche Aufferungen fondern auch
durch eine beſondre Schrift darlegte). Doch find dieſe Er⸗
ſcheinungen iſolirt und verſchwinden mit der Ausbildung des
angelſaͤchſiſchen Gemeinweſens.
Die Entfernung von Rom und die geringere Abhaͤngig⸗
keit vom roͤmiſchen Stuhle wurde dem angelſaͤchſiſchen Volke
dadurch vielleicht am wichtigſten, daß die Mutterſprache auch
Kirchenſprache blieb und nicht von den / Prieſtern ganz aus
ihrem heiligſten Gebiete verdraͤngt wurde. Die unverkuͤmmerte
Lebensluſt und das treue Vorurtheil, welche nicht ſo viel La⸗
tein erlernen lieſſen um das Paternoſter herzuſagen und die
das Gebet des Herrn in ihr eigenes Deutſch uͤberſetzt verlang⸗
ten ?), fie find. den hoͤchſten Intereſſen, dem eigentlichen Leben
1) Wir haben die Herausgabe der kuͤrzlich aufgefundenen Frag⸗
mente diefer Schrift dur Hrn. ©. 9. Cooper zu erwarten. über
Aldhelmus ſ. Beda 1. V. c. 18., ferner feine Biographie von. Wilh.
von Malmesbury, auch Defien üb. V. pontif. anglic. betitelt bei
. Sale und Wharton. Geine Briefe find in Whartons Anglia sa-
. era, bie Gedichte aud) in Canisii lect. antig. abgebrudt. |
2) Concil. cloveshov. a. 747. art, 10. ap.. Wilkins con-
‘cl I. 96, Ä |
Von Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh.
der Nation oft förberlicher gewefen ald ber Sanimelfleiß und der
brütende Scharffinn des romanifch gelehrten, nach Autoritäten
Faubenden Mönche. Selbſt die Meffe wurde nie ganz in
lateinischer Sprache gelefen. Das Xrauformular war angel
ſaͤchſiſch, und fein gebiegner Klang und feine finnbole Ab:
faſſung bat fich in der englifchen Kirche noch heute erhalten ').
Die zahlreichen Überfegungen und Umfchreibungen des alten
wie des neuen Teſtaments machten mit bemfelben die Laien bes
kannt, die Kleriker. vertrauter. Daß jene ſchon zu Bedas Zeis
ten ziemlich verbreitet. waren, möchte befonberd daraus hervor⸗
gehn, daß er derſelben gar nicht gedenkt, obgleich vor ihm
namentlich eine Überfegung der vier Evangelien durch Aldred
fchon im 3. 680 vorhanden war”), und der gelehrte und aus⸗
gezeichnetfte angelfächfifche Dichter Adhelmus. die Pfalmen, und
der lindisfarner Bifchof Ecgbert wiederum bie Evangeliften übers
fest hatte. Beda foll dad alte und neue Teſtament in ‚feine
Mutterfprache übertragen haben; eine Nachricht: welche, wie bie '
ähnliche vom Könige Alfred, dort auf daB Evangelium Johan⸗
nis’), bier auf die Pfalmen und einzelne Bruchftüde*) zu
befchränten iſt. Es fcheint indeffen wohl anzunehmen, daß,
wenn das Wichtigfte des alten Teſtaments nicht uͤberſetzt ge:
weſen wäre, biefer verdienflvolle Mann dafür Sorge getragen
hätte. Eine Überfegung der Bibel durch Alfric im zehnten
Jahrhundert ift noch vorhanden. Der Schatz angelfächfiicher
Homilien, welcher in SHandfchriften uns erhalten ft, vers
mehrte und veredelte einft die Sprache wie bie chriftliche
Sefinnung *). Das Ohr welches der Murerſerache taub
1) Palgrave II, 186, ZZ
2) Selden praefat. ad scriptor. hist, anglic. ed. Tnysden |
p. 3.
8) Guil. Malmesb. J. I. c. 3.
4) Guil,. Malmesb. 1. II. c. 4.
5) Dr. 8. 5. ©. Grundtvig zu Kopenhagen hatte In feiner an:
getündigten bibliotheca anglo-saxonica drei Bände mit Homilien ver:
heiſſen. Kürzlih hat ein von Hrn. Oberappellationsrath Blume ent-
decktes Manuſcript mit angelfächf. Homilien, in ber Dombibliothet zu
Bercelli, die Aufmerkſamkeit der englifchen Alterthumsforſcher erregt und
es wird bereits eine Abfchrift veranftaltet.
18 - . Bweite Abtheitnas.
bie, wurde in der angelſaͤchſiſchen Kinhe noch finnlicher ergrifs
fen, mm das Herz zu erſchuͤttern ober fanft zu bewegen.
Broße Orgeln mit Bälgen werden und im Anfange des ach⸗
ten Jahrhunderts beſchrieben und als ben Kirchen geſchenkt
aufgeführt). Da wir dieſes Inſtrument zu MNalmesbury fin⸗
den, fo möchten wir darin einen Grund mehr ſuchen um ans
zunehmen, daß eB von ben muſikaliſchen Walifern berliberges
bracht ſei. Der Kirchengefang wurde von den römilchen Geiſt⸗
. chen zuerſt in Kent eingeführt und von dort aus in den
woͤrdlichen Ländern verbeſſert; ‘ein fo wichtiger Gegenfland, daß
Die Ankunft eines römifchen Sangmeifterd von den Zeitgenoffen
faft mit gleicher Wichtigkeit wie ein neuer Sieg des katholi⸗
fen Blaubend über Heiben und Scoten?) berichtet wird ).
Bliden wir auf den Glauben des Volkes, fo wird zus
nachtt eine auffallende Neigung zu Pilgerſchaften ), befonders |
1) Aldhelmns de daude virginitafis: apud Canisium Ieot.
antig. T. J. p. 715:
Maxima millenis auscultare organa flabrig
Mulceat auditum venteosis follibus iste,
‘ Quamlibet auratis fulgescamt castera capsis. —
Guil Maimesb. lib, V, de pontifis: sive vita 8.AAldbelni -apd
Gala. Organa, ubi per aereas fistulas musicis mensuris elaboratas,
dudum conceptas follis vomit anxius aures, Auch ven Dunſtan wich
berichtet, daß er die Orgel gefpielt (modificans organa), Osberni
vita 8. Dunstani in Wharton Anglia sacra H, 93.
2) Die Gcoten hatten, mit Ausnahme bes Te deum laudamus, feine
der gewoͤhnlichen ambroſtaniſchen und gregorianifchen Hymnen, wie ſich
aus dem in das fiebente Jahrhundert gefehten Antiphonarium bes Alo⸗
ſters Bangor (aus dem Kiofter Bobbio in die ambroſianiſche Bibliothek
zu Mailand gebradht, f. Muratori anecdota T. IV.) ergibt. Dieſe
dem fünften und fechöten Jahrhundert angehörigen Iateinifchen Hymnen
find längft verfiummt und waren vergeffen, bis gelehrte Sorfcher fie dem
Tageslichte wiebergaben. Deſto auffallender ift es, daß von bem Gco:
ten Goelius Gedulius ſich einige Hymnen in beutfcher Überfegung in der
proteſtantiſchen Kicche erhalten haben. Vol. Rambach Helft. Antholo⸗
gie I, 85. 110.
8) Beda 1 IL 20. 1. IV. 2. ‚Bon Eddi und Vutta hit, abbat,
Wiremath. ad a, 678.
4)-Beda I. V. c. 8. ad 725. Peregrinari; quod his temporibus
plures de gente Anglorum, ignebiles, nobiles, laici, elerid, viri et
feminae certative consueverunt, |
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jaheh. 199
wach Rom, ſichtbar, und wir möchten nicht nur den Hang gu
ven Strahlen ber mildern Sonne, ſondern auch den urvaͤter⸗
then Sinn des unſtaͤten Umherſchweifens unter dem Pilger:
gervande erkennen. Die Zeugniffe über die Wanderer, befon- -
‚ders die zahllofen Frauen, lauten böchft ungünftig ). Die an⸗
gelſaͤchſiſchen Könige Tegten an verfchiebenen Stellen Hofpitien
fe die Pilger an, dad berähmtefte in Rom, unter dem
Ramen. der schola Saxonum befannt, hernach 'hospitale
di S. Spirito in vico de Sassia. Ein nicht durchaus glaubs-
wuͤrdiger Schriftfieller fchreibt die Stiftung deſſelben - bereits’
dem König Ine von Weiter zu?), welcher nach feiner Abdan⸗
fung in Rom fein Leben beſchloſſen hatte. Die Beflimmung 728.
biefer Stiftung, welche zugleich eine Kirche der heil. Maria
und einen Friedhof für dafelbft verfiorbene Engländer umfaffte,
war. nicht nur,. für duͤrftige Weſtſachſen und andere Eng»
Yänder in Rom zu forgen, fondern auch für den Unterricht junger
Angelfachfen, welche in ihrem Vaterlande der Gefahr fo vieler
Ketzereien ausgeſetzt waren, in dem Eatholifchen Glaubensſyſtem
Sorge zu tragen. Ine ſoll zus Unterflügung dieſer Anſtalt
von jedem Haufe In feinem Reiche einen Pfenning entboten ha:
ben, welche gefanmmelt zu dieſem Zwecke dem Papfle gefandt .
wurben (Romefeoh, Romescot). Später wurbe der St. Pe -
teröpfenning in England ein Segenftand vielfacher Beſchwerden,
nachdem er den urfprünglichen Bwed verloren hatte. Wilhelm
von Malmesbury wuffte nichts Gewiſſes über die Stiftung jener
Anflolt zu Rom und tewähnt nur, daß bie Sage fie bem
1) Bonifactus in einem Briefe 71 an den König ÜÄthelbert ver-
gleicht die arnfittlichkeit der Engländer mit der der Saracenen. An ben
Biſchof Cuthbert ſchreibt er: ‚paucae sunt civitates in Longobardia vel
in Francia aut in Gallia, in qua non ‚sit adultera vel imeretrix ge- \
neris Anglorum,
2) Matthaeus Westmon. ad, a. 797. Diefe Nachricht wird
etwas ünglaubwürbig, weil bemfelben zugleich die Auferlegung des Rom:
feoh, Römerfchages, zugefchrieben wird, ihm, dem abgebankten Könige!
‚Spelman (coneil. I, 290) fucht aus dem oder zu Chicheſter zu erwei⸗
fen, daß die schola Saxonum bereits im 2. 714 angelegt fei, an wels _
her Stelle von Offa von Mercien die Rede ift, aus deſſen Todesjahr
DCCXCKIV das letzte C ausgefallen ſcheint. Vgl. auch J. Ross anti-
quariü warvicensis histor, reg. Angliae. p- 72.
200 | | gweite Abtheilung.
Koͤnige Offa von Mercien zuſchreibe, ohne des Romeſcots zu
gedenken. Eine Lebensbeſchreibung des Koͤnigs Offa, beren
biftorifche Treue vielleicht zu fehe in Zweifel gezogen iſt,
mittelt beide Nachrichten, indem fie. berichtet, daß Offe ums
Jahr 790 die bereitd zu Rom vorhandene Schule der Sachſen
reichlich begabt und zu diefem Zwecke für immer den Peters:
pfenning eingeführt habe). Eine vielleicht gleichzeitige Nach⸗
richt kommt uns jedoch fchon bei dem Jahre 816 entgegen,
dag damald die Schule der Angeln zu Rom verbrannt fei?),
nachdem fchon im Anfange diefes Jahrhunderts berfelben in
der Proceffion, welche Papft Leo dem IIL auf feiner Ruͤckkehr
. von Karl dem Großen entgegenltam, gedacht wird’). Ein neuer
Brand zerſtoͤrte fie unter Papſt Leo IV. zu Anfange der Res
gaierung befjelben *), worauf fie einige Jahre in Truͤmmern lies
855. gen blieb, bis König Äthelwulf bei feiner Anwefenheit in Rom
fie wieber aufbauen ließ. Diefer Bau hat Veranlaffung ge
geben, daß biefem Könige die Einführung des Romeſcot ober
richtiger die Übertragung beffelben an ben päpftlihen Stuhl
» Sie wird dem Matthäus von Paris zugeſchrieben und findet
ſich mit den Vitis XXIII St. Albani abbatum in Watts Ausgabe
berfelben. p. 29: Rex — scholam Anglorum, quae tunc Romae floruit,
ingressus, dedit ibi ex regali munificentia, ad sustentationem gentis
regni sui illuc venientis, singulos argenteos de familiis singulis, omni-
bus in posterum diebus, singulis annis. — Et tunc tali largitate ob-
tinuit, ut de regno Angliae nullus publice poenitens,; pro executione
sibi iniunctae poenitentiae, subiret exilium.... p.31: annuum reditum
coptulit ad sustentationem scholae memoratae, propter Anglorum ru-
dium et illuc peregrinantium eruditionem. — Dieſe Stelle iſt ercerpirt
in Matth. Westmon. ad a. 794. — Vitae abbat. 8. Albani c. I:
, Offa — Bomae scholam peregrinorum pie constituit, ut ibidem pere-
grini, qui ad romanam ecclesiam et curiam confluxerant, ex diversis
mundi partibus barbari, vel votivae orationis gratia vel expediendo-
rum negotiorum necessitate, linguas,_ quas non noverant, addiscerent.
Quae schola, propter peregrinorum confluxum ibidem solatia susci- .
pientium, versa est in xenodochium, quod Sti. Spiritus dicitur.
2) Chron. saxon. h. a.
$) Pastorem — simul etiam cunctae. scholae peregrinorum, vide-
licet Francorum, Frisonum, Saxonum atque Longobardorum — suscer
perunt. Anastasius apud Muratori script. IIT, 198,
4) So Anastasius |. I. 283. B. Pontificii sui exordio Saxgq-
num vicum validus ignis invasit etc.
| Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 201
zugefchrieben warb "). Papft Marinus befreite bie Schule ber 884. |
Angeln von allen Abgaben und Laften, auf Anhalten des Koͤ⸗
nigs Afred von Wefler”), ber fih dem Papfle dankbar ers
wied; welche Privilegium König Kanut durch den Papft Jo⸗
bannes, bei feiner Gegenwart zu Rom, neu beftätigt erhielt ?)
umd dagegen dem Romeſcot mit großer Strenge für.- den J
Papſt eintreiben ließ *).
So intereffant nun uns bie schola Saxonum, befonberd
durch die Beziehung auf den St. Peteröpfenning erſcheint, ſo
muͤſſen wir doch und ‚Dagegen verwahren derſelben eine uns
mittelbare Bedeutung in Beziehung auf die vömifche Rechts⸗
bildung der angelfächfifchen Geiſtlichen beizulegen. In der fruͤ⸗
bern Zeit Tonnte die Schola ſolche vorherrfchende Beſtimmung
‚nicht befigen, wenn fie auch ‘gelegentlich dazu geführt haben
konnte; in der fpätern Zeit wurbe fie in das dem Namen nad)
noch beftehende Hafpital umgefhaffen. Doc, wie intereffant
muüſſten die dltern Urkunden deſſelben, wenn ein glüdlicher
Forſcher fie noch wieder auffände, für Englands Pibunges |
und Kirchen: Gefchichte fein )!
1) Guil. Malmesb. LII. c. 2: Aethelwulfus Romam abiit —
ibique tributum, quod Anglia ‚hodieque pensitat, sancto Petro obtu-
lit... scholam Anglorum, quae, ut fertur ab Offa, rege Merciorum, _
primitus instituta, proximo anno conflagraverat, reparavit egregie.
Heraus hat Albericus a. 847 gefchöpft.
2) Chron, saxon.'ad a. 885 et 890. Matth. Westmon. ad a.
889. Simeon Dunelm. ad a. 884 apud Twysden p. 130, 148
et 355.
8) Radulf. Dicet. abbrev. ad a. 1081.
4) Leg. Canuti art. 17 (9) Presb. Northumbr. ©. leg. Aethel-
redi. Die Strenge des lateinifchen Textes, welcher bem der feinen
Pfenning nicht bezahlt, zu ben Gelbftrafen noch bie Reiſe na Rom -
auferlegt, um benfelben dort zu bezahlen, findet ſich in dem angelfächfls
ſchen nicht.
5) Die Verwandlung der Schola in ein Hoſpital fol von Innos
cenz II. vorgenommen fein. Ginige neuere Nachrichten f. in Joh.
Spelmanni vita Aelfredi magni p. 7. not. a. F'ea description de
Bome T. II. Ginige Urkunden über Präbenden, welche von dem
Hoſpitale 8. Spiritus in Saxia de Urbe in Anfprud) genommen werben,
von ben 3. 1284— 1291 finden fih in Rymer. foedera I, 6, 740
et 752,
202 Bmeite Abtheilung.
Zu den Begenftänden welche die Angelfachfen auf ber
Pigerfchaft wie in ber Heimat beſonders anzogen, gehöuten bie
Relkqien. Wenn wir diefen Gultus grabe hier ſehr vorherr⸗
hend finden, fo möchten wir wohl darauf geführt werden,
wie derfelbe nicht aus dem Tatholifchen Glaubensſyſtem hervor
gegangen. ift, ſondern vielmehr durch den Glauben bes germa⸗
nifhen Volles, welches die Gebeine ber Todten feierlich in
Grabhuͤgel beftattete, ungeheure Hühnengräber aufwarf, mit
roher Kunſt den Zobten Monumente errichtete), durch bie
Leichname verſtorbener Heerführer die Schlacht zu gewinnen
wähnte, wenngleich nicht allein erzeugt, doch fehr gefördert
wurde. Der Gerichtögebraudy, welchen die Sachſen nach Bri-
tannien brachten, den des Scheingehens, eine Sitte begrimbet
auf den Glauben, daß der entſeelte Körper des Ermorbeten
beim Herannahen des Mörberd zu bluten begimme, erkennt gleich
falls fchon in dem Leichname übernatürliche Kräfte an”).
Bei keinem germaniſchen Volke erhielten fi) jo viele Er⸗
innerungen des Heidenthums als bei den Angelfachfen. Saͤmmt⸗⸗
liche. Zage der Woche haben ihre heidniſchen Namen bewahrtz
ſelbſt der Wodanstag wird unbedacht heute in beiden Welten
und von mehr Zungen als in den Zeiten feiner höchften Vers
ehrung fo benannt. Das germanifche Yulfeft iſt im nördlichen
England und germanifhen Süpdfchottland durch den Namen
der Chriftmefje nie verdrängt worden. Daß aber diefe Namen
Sahrhunderte. hindurch nicht ein gedankenloſer Nachhall altvaͤ⸗
terlicher Gewohnheit blieben, dafuͤr zeugen Geſetze aus den
fpätern Zeiten der Angelfachfen, welche die Verehrung ber
Gögen, der Sonne, ded Mondes, des Feuers und des Wal: .
fers, der Bäche, Steine oder Bäume ernſtlich unterfagen ’).
Bieled von diefem Götenglauben mag durch die Berührung
mit den heibnifchen Normanmen wieder erwedt fein. Ein Theil
der alten Götterlehre verlor feine fchädliche Kraft, indem fie
1) So die Züten ben Horfa. Beda I, 15,
2) Lib. canon. eoclesiast. apud Wilkens p. 158. Kür Deutſch.·
land f. auch meine Schrift über ältere Gefhichte und Rechte des Landes
Hadeln ©. 69. - |
3) Leges Canuti I, 5. |
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 203
zur Beſchichte abgedaͤmpft ber Heldenpoefie diente, wie nament⸗
lich aus dem Gedichte von Beowulf und ben Stammbinmen
der angelfächfifchen Könige zu erfehn. Wei vielem Aberglau⸗
ben, der fich lange erhielt, Aber die Kraft der Zauberei, Amu⸗
lete, magifcher Heilmittel, fowie dem umfchuidigen, der Poeſie
verwandten Glauben an Elfen und bie Schaaren wohlwollen⸗
der oder doch unfchäblicher, unirdiſcher und doch füblunarifcher
Geiſter ift es oft ſchwierig Denfelben den hiftorifchen Elementen
zuzumweifen, vor welchen er auögegangen iſt, da grade in ben
noͤrdlichen Regionen Englands, wo er fich am laͤngſten erhielt,
bie Vermiſchung der Briten mit den Germanen am engflat
gewefen if.
| ‚Die Annahme des Chriſtenthums auſſerte keine raſchen
und wichtigen Folgen auf die politiſchen Verhaͤltniſſe der An⸗
gelſachſen und verdankt dieſem Umſtande großentheils die
endliche Befeſtigung deſſelben. Doch befoͤrderte es ſehr bald die
allgemeine und die gelehrte Bildung der Nation, verſchwifterte
Diefelbe mit dem roͤmiſchen Europa und wirkte dadurch mit
vermebrter Kraft auf die Anfichten ber germanifchen Infelnz
und das Königthum durch Grundfäge und gefflige Mittel ſtaͤr⸗
Zend, verhinderte es bie drohende Zerfplitterung der Reiche uns
tee den nach Unabhängigkeit ftrebenden urfprünglichen Gefolgss
herren. Alle diefe Richtungen veranlafften bald die Ausdehnung
der Macht der größeren Staaten; und die Gefchihte der Ans
gelfachten bewegt fich mehrere Jahrhunderte hindurch faſt nur
in der von Nortbumberland, Mercia und dem zulegt ganz
England umfafenden Weſſex. Alle drei Staaten waren bie,
. deren Jugend durch Die Kämpfe mit den walififchen Reichen,
denen von Strathelyde und Cumbrien, fowie denen der Picten
md Scoten, in den Waffen gelibt ſich erhielt und deren Ge⸗
biet durch manche Siege tiber Diefelben ſich ausbehnte. -Der
Sieg liber wenige Zeinde zieht gewöhnlich den Triumph tiber
viele Friedliche nad fih, und fo folgten auch hier die Meinen
Öftlichen . Reiche ben drei Erlegführenden und zulegt alle dem,
welches einige kuͤhne Zeinde noch nicht haften vertiigen koͤnnen.
Get Eegfrids Tode m der Schlucht bei Mechtandmere 685,
gegen die Picten wurbe der Umfang ber northumbrifchen Gren⸗
jen befchränkter. Sein Rachfolger Aldfrid ermarb ſich den
4 ... Bweite Abtheilung.
Beinamen des Weifeften oder bed Gelehrteften. Er war: in
der Theologie und Dialektik der iriſchen Schule :wohl geuͤbt,
+ 735,
aus welcher bald ein Johannes Scotus oder Erigena, ber
Begründer der ſcholaſtiſchen Philofophie, hervorgehen. follte.
"Doch waren andere geiftige Beſtrebungen ihm nicht minder
willfommen, wie die freundliche Aufnahme bewährt, welche
der von. einer Reife durch den Drient-heimkehrende ‚gallifche
Biſchof Arculf bei ihm fand, deren wir bier nicht: gedenken
fönnen, ohne den aus Arculfd Munde vom: Adanmanus, dem
Abte von Jona, niebergefchriebnen Reiſebericht zu erwähnen,
fowie deffen Auszug durch Beda, welcher eine Grundlage der
unzähligen, das Mittelalter in Kenntniß und Gefinnung eigen:
thuͤmlich charakterificenden Wegweifer für das gelobte Land ge-
worden ifl. j
Doch ‚Reiner verleiht jenem Zeitalter des weiſeſten Königs
‚größeren Glanz ald der eben genannte Dann, welchen‘ der
Name des Ehrwürdigen ſchmuͤckt, welcher encyklopaͤdiſche
Kenntniffe mit feltner Gruͤndlichkeit umfaſſte. In der Naͤhe
des Kloſters Wearmouth in Northumbrien geboren, genoß er
in demſelben der Belehrungen des erſten Abtes deſſelben, des
ſchon mehr gedachten Benedict, ſowie des durch Eifer fuͤr wiſ⸗
ſenſchaftliche Ausbildung gleichfalls ausgezeichneten Nachfolgers
deffelben, des Geolfrid. Im diefem Klofter brachte er fein gan:
ze8 Leben in Übungen ber Andacht und vielfeitigen Studien
zu und belebte und geflaltete faft alles Willen, das fein Jahr⸗
hundert ihm bieten konnte. Muß ed uns auch bei Betrachtung
feiner gelehrten Werke fehr deutlich werden, Daß jene Zeit mehr
Bildungsmittel, ſowohl in Handfchriften als gelehrten Geiſtli⸗
chen, befaß, als wir ihr zuzufchreiben pflegen; müffen wir in
ihm auch mehr die hohe Bildung der römifchen Kirche als an:
gelfächfifche Nationalität anerkennen: fo verbürgt die Anerken-
numg, welche feine Verbienfte noch bei feinem Leben in Rom
und bald darauf, fo weit gelehrte Kenntniffe vordringen konn⸗
ten, fanden, daß wir in Beda mit Recht ein Wunder feiner
Zeit verehren. Seine vielen theologifchen Schriften, feine Ers
laͤuterungen zu den Büchern des alten und neuen Teſtaments
haben viele Sahrhumberte hindurch in jebem Klofter Europas,
bis zu der gänzlichen Umgeflaltung auch biefer Wiffenfchaft,
«
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 205
Lefer und Abfchreiber‘ gefunden; feine Kunde ber griechiſchen
Sprache, der Medici, der. Aſtronomie, der Metrik diente: ihm
zur Belehrung feines Zeitalters. Sein Werd. von den ſechs
Lebendaltern der Welt iſt die, nur zu oft ſchlecht benußte,
Grundlage der meiften Univerfalchroniten des Mittelalters ges
worden. Doch das: große. Verdienft: welches feinen Namen
auf jebes kommende Zeitalter bringen wird, beruht: auf feinen
hiſtoriſchen Werken, ſoweit ſie ſein Vaterland betreffen. Wenn
noch ein zweiter aͤhnlicher Mann in ſeinen Tagen vorhanden
geweſen wäre, welcher mit demſelben klaren, umſichtigen Blicke,
derſelben treuen und frommen Geſinnung die weltlichen Ange⸗
legenheiten ſeiner Vorfahren haͤtte beſchteiben koͤnnen, wie
Beda vorzugsweiſe von denen der Kirche ſchreibt, ſo haͤtte die
Geſchichte Englands für die Nachkommen beinahe als: eine
Offenbarung über das germaniſche Alterthum erſcheinen duͤrfen.
Unter den gelehrten Leitgenoſſen und Landsleuten Koͤnig
Aldfrids iſt auch noch der Moͤnch Egbert hervorzuheben, wel⸗
cher, gleich ihm durch langen Aufenthalt in Irland gebildet, bie
Dort erworbene Gemwandtheit und Kenntniß zur Belehrung: der
Mönche zu Iona verwandte, für die Deutſchen aber: beſonders
wichtig dadurch erſcheint, daß er ſchon früh deren Belehrung
in eigner Perſon unternehmen wollte, doch dieſem Plane
fuͤr ſich entſagend den Willibrord und ſeine Gefaͤhrten zu den
Friefen ſandte, und dadurch auch die beiden Ewalde, nach
ihrem Haupthaare der weiſſe und der ſchwarze genannt, zu
einem durch ihre Ermordung vereitelten Bekehrungsverſuche der
Altſachſen veranlaſſte). |
j
Mit dem Tode Aldfrids begann ber Lichtpunct der Ger 705.
fhichte Northumbriens zu verbleihen. Eabwulf, über deffen
rechtliche Anfprüche wir nicht belehrt find, wenngleich die ans
fänglic) allgemeine Anerkennung und die Bereitwilligkeit das
Biſchofs Wilfrid ihn freundlich zu begrüffen deren Vorhanden⸗
fein voraudfegen laͤſſt/ bemaͤchtigte ſich der Herrſchaft, welche
er aber nur zwei Monate zu behaupten vermochte 2). Durch
1) Beda 1. V. c. 10, Zu Merſeburg wurde die Memorie derſel⸗
ben am 2. October begangen (Zeitſchrift f. Archivkunde I, 128); Beda: |
- ab bie Kalender nennen den folgenden als ben Todestag. |
2) Eddius c. 57.
RB . 3vweite Abtheikung,
Berchtfrid ven angefehnſten Ealdorman des Landes, wurde
deu achtjährige, Sohn Aldfrids, Oſred, auf den Thron exheben
und im, Innern gegen Aufwiegler, fo won auffen gegen bie
‚ Dielen. geſchuͤtzt. Während ber Wille des Töniglichen Knaben
zue Schau, getragen und alle. -Isgitimen Formen beobachtet
wurden, brach bie größte Bügellofigkeit. unter dem Adel aus,
welcher der chrißlichen Geiftlichkeit Eeine Immunitaͤten ertheilt
haben wollte, ohne ſelbſt am denfelben Antheil zu nehmen ').
Die Regierung waͤhrend ber: langen. Minderjaͤhrigkeit führte
ſeina Mutter Cuthberge, bie Tochten Ines bed Königs: von
Ber, bexen Fehler ühen ihrer ſpaͤtern Stiftung bed Kloſters
Wimburn vergefien werden”). DOfreb: verfolgte nicht die Bahn
feines Vaters, ſondern in Ausſchweifungen verloren, welche ſo⸗
gar. die: Heiligkeit: deu Nonnenkloͤſter nicht ehrten, wurbe er im
narmzehnten.. Iahre is eimem vom feinen Verwandten am. Dex
—* Grenze am. Meere gelegten Hinterhalts erſchlagen °).
| vIhm folgten drei Bruͤden: Eoenred, BDfric-und d Geiundif
» @.. Beidaeı apiole ad Egbertum,
DD. 3 uchme: dieſa Vormundſchaft an, wenngleich chwn SErKOn:
ad a. 718; zu widerſprechen ſcheint, welches: fagt, daß Guthberge: von
Aldfrid fi getrennt habe, aus dem Fragment Nr. 71 unter. den Brie—
fen des Bonifacius, wo von einer Vifion die Rede iſt: Aspexit — in
poenalibus puteis Cutlibergam simulque Wialan quondam reginali po-
testate fruentes, demersas usque ad ascellas, i. e: Cuthbergam- capite
tesius, humeroque.praeclaram, caeteris membris ıhaculis. conspersam,
alteriusque i. e: Wialan supra capnt: flammam extendere: totamıyaa
animam simul cremari intuebatur. Die Königin. Wiala ift mir unber
kannt. Dieſes Purgatorium iſt bald nach Bonifacius Tode geſchrieben,
nicht fruͤher, da in „semfelßen noch Acthilbealdus, quondam regal ty-
rannus, erwähnt wi
3) Was Bingar d\ von: ber Entfernung Berchtfrids erzählt, ir nur
Bermuthung, fowie was er über Oſreds Tod bei Winandermere ſagt
Spl..Bada l. V, c. 22. Guil. Malmesb; 1,3% Matth. Wost-
mon, ad a. 717 fogt von ihm: belli infortunio: interemptus est. Bo0-
nifacius in feinem Briefe an Sthelbald, König von Mercia. (epist,
XIX.), von dem Guil. Malmesb. 1. I. c. 4. nur einen Auszug gibt:
Osredum spiritus luxariae fornicantem: et per monasteria. nonnarum
sacratas. virgines stuprantem. et furentem. agitavit, usque quo ipse
gloriosum regnum et. inutilem. vitam wylewptibiu et despecta morte:
perdidit.
Bon Mitte.des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 27
Soͤhne Cuthwins, weicher vom einem füngem Golme Ibas;
des Stifters ber northumbriſchen Dynaſtie, abflammte Die
zwei Regierungsjahre bed Erſtern, wie die elf des Bweiten,
find und unwichtig. Die Ruhe ded Lands in dem erfien Jah
sen Geolwulfd ward. durch heftige innere Zwiſtigkeiten geſtoͤrt.
Der König ſelbſt wurde von feinen Gegnern ergriffen, in ein
Klofter geftedt und hatte bereitö die Jonſur erhalten, als ihm
feine Freunde wieder auf den Thron zurüdführten.‘). Au
Ben Grenzen des Reichd wuffte er ben, Zrieben zu erhalten,
doch nicht im Innern die. Zwietracht der Geinigen zu erſticken,
&römmigteit und Wiffen liebte er, worüber ihm das chrenuglifie
durch den ehrwuͤrdigen Beba geworden, weldes ihm
feine Gefchichte der englifhen Kirche widmete. Unter ihm -
wurde das Erzbiäthum York wieder hergeſtellt, und fein: Neffe 735.
Ecgbert erhielt zuerſt das: zulegt an Paulinus. ertheilte Yalkım j
wieder. Acht Yahre: hatte er regiert, als er freiwillig. ben ihn
aufreibenden Qualen. ded vermeinten Gluͤcks ber Herrſchaft ent⸗
ſagte und fich in dad. Kloſter Lindisfarne begab, in welchem 737. *
es: noch über breiffig Sabre, von den Strudeln weltlichen
Sorgen. entfernt, verlebte ?).
Geolwulf hatte den. Thron nicht. verlaſſen, ohne ihn einem
dem Regierungsgeſchaͤfte gewachſenen ſehr tuͤchtigen Mame zu
übertragen, feinem naͤchſten Erben und Neffen Eadbert; Bru⸗
der des Erzbifchofs Ergbert, dem Sohne Eatas. CEadbert vers
ſchaffte feinem Reiche die alte Achtung: wisder, zichtigte den
König Üthelbald von Mercien, welcher haffelbe uͤberfallen hatte, 740,
als er gegen Talorgan Mac Fergufa, ben König dev Picten,
focht, und nahm dem Könige von Strathelybe, Dunnagual,
oder: deſſen in dieſem Jahre ‚verfiorbenen Water Zheububar, 50,
dem Sohne des Beli Mac: Alpin (F 722), Cyil im Airfhire
und die. angrenzenden. Länder. Sechs Jahre fpäter nahm er, 756
mit dem verhafften Könige ber Picten,. Duengus oder Unnuft, 1. Auguſt.
bes Nachfolger des im 3. 750 im Kriege gegen die Waliſer
esfhlagenen Zalorgan Mac⸗Ferguſa, verkündet, die Haupt:
1) Simeon Dunelm. p. 7 et 99. Beda V, 28.
2) Chron. saxon. ad-a. 760. Simeon Dunelm, 764. Henr.
Huntendon, p. 840. \
X
757.
>. ( Zweite Abtheitung..
Habt dieſes Reichs, Alcluyd, ein und unterwarf ſich die dorti⸗
gen Briten voͤllig, hatte jedoch das Misgeſchick nach wenigen
Tagen durch einen uns nicht naͤher bezeichneten Unfall das Le⸗
ben zu verlieren ').
Dee Frankenkoͤnig Pipin fuchte feine Freundſchaft und be
ſandte ihn mit koſtbaren Gefchenten, worin wir die einem kraft⸗
vollen Herrfcher erwiefene Achtung, aber auch. zugleich die alte
Politik der Franken ertennen möchten, in den Regenten von
Norbbritannien ſich Freunde und für den Fall des Krieges
Verbiindete gegen ben benachbarteren Süben jenes Landes zu
verfchaffen. Doch den Eadbert ermübete die glorreiche, fowie nach
Andern die weniger glüdliche Regierung, und nach einundzwanzig
Jahren entfagte auch. er dem Throne und der Welt”). Die
- Übrigen Könige Britanniens viethen ihm fehr von biefem Schritte,
759.
ab und follen ſogar die Abtretung von. Gebietötheilen angebo=
ten haben, wenn. er den Scepter ferner mit ihnen führen
wolle. ). : Er hatte in den zehn Jahren welche er noch lebte,
„genug Anlaß, wenn nicht feinen Entfchluß zu. bereuen, doch zu
fehn, daß die Beforgniffe der andern Könige gegründet waren.
Sein Sohn Oſwulf, welchem er feine Würde übertragen hatte,
wurde ‚fchon im, folgenden Sahre von’ feinen Dienftmannen
verraͤthexiſch erfchlagen, und Xthelwald mit dem Beinamen
Moll, von ungewiffer Herkunft, von feinem Anhange auf den
Thron Idas erhoben‘). Das Ausſterben oder die Vernach⸗
Kifigung des Stammes Idas brachte die unfeligiten Folgen
auf das Land. Ein Ealdorman nach dem andem bemächtigte
fi) der Regierung und behauptete fie fo lange, biö der vertrie⸗
1) App- ad Bedam a. 740. _ Eadbertus campum Cyil cum als
“ regionibus suo regno adiecit. Ibid. a. 750 wo ich hernach ben bisher
| unerflärbaren Theneorus, Thendor, Theudor für jenen Gtratheiyben
halte. gl. annal. Cambr. ad a. 722. 750. 760. Annal. Ulton. ad a.
721. Simeon ad a. 756.: Figernach ad a. 750. 752.
2) Heinrichs von Huntingbdon Nachricht daß die angeſtellte
Vergleichung zwiſchen dem gewaltſamen Tode Athelbalds und Sigeberts
von Mercien mit dem ruhigen Ende Ceolwulfs ihn ergriffen und für
das Klofter beftimmt hätte, wiberftreitet ber Chronologie.
3) Simeon Dunelm. |. |.
| 4) Appendix ad Bedam ad a. 759.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 209
bene Vorgänger mit, einer Übermacht zurüdtehrte, oder Volks⸗
gunſt und gefchieter Berrath einen neuen Emporköminling em:
porbrachten. Die, Geſchlechtsverbindungen, welche unter den
Herrſchern der angelſaͤchſiſchen Reiche durch Heirathen erhalten
waren, hoͤrten auf, und die Unterthanen der Uſurpatoren ver⸗
loren nicht nur die Freundſchaft und den Schuß der früher
verfchwifterten Reiche, fondern fanden in dem Familienhaſſe, der
Reftaurationöfucht, dem Rachgefühle derfelben neue und gefähr-
liche Zeinde. Athelwald erfchlug nach einem breitägigen Tref⸗ 761.
fen bei Eadwinsklippe, oder nad) Anderer Bezeichnung zu Er
dune bei Melrofe, den Herzog Ofwinz doch ficherte ihn diefer
Sieg nur auf Eurze Zeit: Nach wenigen Sahren verlor er
durch die Schlacht bei Winchenhale fein Königreich, das er 765.
nicht mit: feinem Leben: vertheidigt zu haben ſcheint . Die.
Krone wurde dem Alchred (Alhred) zu Theil, einem Sohn
Eanwins, welcher ſeine, jedoch nicht ersoiefene, Abftammung
auf König Ida zuruͤckleitete. Vermuthlich ſollte ſeine Heirath
mit der Oſgearn, einer Tochter des Königs Oſwulf, feinen
Thron fichern. Alchred fuchte die Verbindung mit dem Reiche
ber Franken fortzufegen zu ber Zeit, als Karl der Große
ſchon mit Beflegung der deutſchen Sachſen befchäftigt war.
Er ſchickte nicht nur Gefandtfchaften an den Kaifer ab, fondern
verfuchte auch zu jenem Zwecke den Lullus zu benugen, feinen
Landsmann, welcher, dem Bonifacius in feinem entfagenden
Berufe treulich folgend, fpäter deſſen Nachfolger auf dem bi:
fchöflihen Stuhle von Mainz geworden war”). Dieſer Kb:
‚ 1) Florent. Wigorn. regnum remisit. Simeon Dunelm.
— regnum amisit in W. Henr. Huntend. p.346: coactus dimisit
illud (sc. regnum). Erſt Matth. Westmon, ad a. 765. vita deces-
sit. Daher Zurner I, 411 the tomb received him, während eingard
I, 129, he resigned in an assembly of the witan at Finchley.
2) Othloni vita 8. Bonifacii 1. I. c. 24. Zwei Briefe des Als
chred an Lullus f. magna bibl. patrum XIII, 108 ep. XC. Alchred
und Ofgearn fchreiben ihm: Nostris quoque, dilectissime frater, le-
gationibus ad dominum nostrum gloriosissimum regem Carl obsecra-
mus consulendo subvenias, ut pax et amicitia, quae omnibus conve-
niunt, facias stabiliter inter nos confirmar. — Guil, Malmesb.
1. J. c. 4. Lullus, et ipse nafione Anglus etc.
Eappenberg’s Geſchichte Englands I, 14
774
77.
10 - Smeite Abtheilung.
sig war es auch am welchen der Northumbrier Vilhead fig
wandte, um die Erlauhniß nachzufuchen, die heibnifchen riefen
und Sachſen zum Glauben an Chriſtus zu bekehren. Mit dem
Ernſte und Eifer, mit welchem in ſpaͤtern Jahrhunderten die
Entdecker und Eroberer neuer Welttheile ausgeruͤſtet wurden,
berief Alchred feine Biſchoͤfe und übrigen angeſehnen Geiftlichen,
um biefes Anliegen zu berathen und nach reiflicher Erwägung
zu bewiligen. Der Miffionar wurde dem Schuge des Hoͤc⸗
fin empfohlen, welcher ihn nicht verlisß und ihn; den Freund
des trefflichen Alcuins, durch die Begründung des Bisthums
Bremen, des fpätern hamburgiſchen Erzfliftes, fegnete '). Doch
nach einigen Jahren von dem Zürften und feinen Verwandten
verlaften, aus York vertrieben, entfagte er dem Reiche. Ein
Sohn bes Äthelwald Mol, Äthelred, folgte ihm auf einige
Jahre, worauf auch er gezwungen wurbe auf bie Krong zu
verzichten und fein Vaterland zu fliehen. Zwei Ealdormannen,
thelbald und Herbert, hatten ven erfien Anführer bes koͤnig⸗
lichen Heeres, Aldulf, Boſas Sohn, bei Kingsclive und her⸗
nach feine Heerführer Kinewulf und Egga bei Hilathimm ers
ſchlagen ). Athelred fand ein Aſyl bei dem Könige ber Picten,
während Alfwold, Oſwulfs Sohn und Eadberts Enkel, bie
Regierung des unruhigen Northumbriend übernahm. Er wird
als ein frommer und gerechter Koͤnig geprieſen und mit dem |
Namen bed Königs der Unfchulbigen geſchmuͤckt. Doch fiegte
die Gewaltthätigkeit der Großen feines Reiches uͤber heffere
Beftrebungen. Der Patricius Beorn, fein Oberrichter, wurde,
weil ihm zu große Strenge vorgeworfen ward, von ben auf:
gebrachten Thanen Dfbald und Athelheard, welche eine Hee⸗
J resſchaar um fich verſammelt hatten, zu Silton verbrannt. Er
1) Vita 8. Willehadi. co. I. Der König der Angeln heiſſt daſelbſt
in einigen Handſchriften Alachind, in den beffern Alachrat. Im ap-
| Pendir ad Bedam ad a. 765 wird er Alachredus genannt. Diefe
er
einftimmung bes Namens und Stammes bes Koͤnigß, des Geburts⸗
landes des Prieſters und ber Zeitrechnung — jener ging im I. 779 von,
den Briefen zu ben Sachſen — heben. jeden Zweifel gegen meine Er⸗
klaͤrung.
2) Henr. Huptend. Simson Dunelm. Surner mioverſteht
dieſe Stelle gaͤnzlich.
Von Mitte dei 5. bis Ende des 8. Jahrh. 211
ſelbſt hatte gehn Jahre regiert, als er durch eine Verſchwoͤrung,
an deren Spitze der Patricius Sicga ſtand, einem traurigen
Tode unterlag.
Dfred, Alchreds Sohn, erhielt jetzt den von ſeinem Va⸗
ter einſt beſeſſenen Thron, den er jedoch ſo ſchlecht behauptete,
daß er, als Kthelred, Äthelwalds Moll Sohn‘), in das Reich,
das auch deſſen Vater beherrſcht hatte, zuruͤckkehrte, der Krone
verluſtig erklaͤrt, mit geſchornem Haupte in ein Kloſter geſteckt
wurde und zuletzt in der Verbannung Sicherheit fuͤr ſein Le⸗
"ben ſuchen muſſte. Äthelred ſuchte durch gewaltſame Mittel
:fich zu befeſtigen. Der Herzog Eardulf, welcher anfaͤnglich
<ımter ihm einen. Xheil Northumbriens regierte, wie vorhandene
Münzen (für die angelfächfifche Geſchichte eine fehr ergiebige
Huͤlfsquelle) lehren, und ſich ihm entgegenfeßte, wurde gefan-
‚gen, und, ald er fich in die Kirche zu Nippon flüchten wollte, '
vor deren Pforte angegriffen oder auf befonderes Geheiß des
Koͤnigs meuchlerifch überfallen und. für todt:zurüdgelaffen, Un:
790,
-ter gregorianifchen Gefängen brachten die Mönche den Körper -
:in die Kirche, den nach Mitternacht der Scheintod verließ, ba
‚Eardulf noch große Wechfelfälle des. Geſchicks zu erfahren bes
-ftimmt war. Die. Söhne Alfwolds, Alf und Alfwin, aus ber
Hauptkirche zu York verrätherifch herausgelodt und aus ber
‚Stadt weggeführt, traf der Dolch Athelreds ficherer. . Die Un:
zufriednen richteten ihre Blide wiederum auf den vertriebenen,
auf der Infel Man verweilenden Dfred, dem fie fih treulih
und eidlih zur Herſtellung feines Koͤnigthums verpflichteten.
:Doc noch nicht lange war er. gelandet, .ald Treue und Eid
“gebrochen, er gefangen vor Äthelred geführt und auf deſſen
Aus ſpruch hingerichtet wurde. Auffallend erſcheinen uns -hier,
wie bei andern angelſaͤchſiſchen Haͤuptlingen, welche den. Tod
der Landesverraͤther ſterben muſſten, die dennoch erwieſenen
Leichenbeſtattungsehren. Noch andere Mittel verſuchte Äthelred
ſeine Herrſchaft zu befeſtigen. Er verſtieß ſein Weib und hei⸗
rathete, wenige Tage nachdem er ſich des gefaͤhrlichen Gegners
M Florent. Wigorn. ad. a. 790 hat Aethelredus frater Alf-
woldi, wofür A, filius Aethelwoldi gu. leſen. Vgl. chren. saxon, h. a.
- Florent. ad a, 77% nennt anftatt Athelred, Athelbert, wodurch der
zweite Irrthum veranlaſſt ſein meaeg.
144
212 | | . Bweite Abtheitung.:
entlediget hatte, Älflede, bie Tochter bes Könige Offa von
Mercten.
| Begebenbeiten wie fie bier verzeichnet werden, mufften
auf den Zuftand des Volks die traurigften Wirkungen aͤuſſern.
Wir vernehmen von Feinen auögezeichneten Männern in Nort:
bumbrien mehr; der Landbau wurde vernachläffigt, Hungers⸗
noth und deren DBegleiterin, die Peſt, verbeerten das Land.
Doch eine fchlimmere Geiffel als die letztern vorübergehenden
Übel nahte fi) dem nördlichen Britannien unter Äthelberts
Regierung zuerſt. Im, J. 793 landeten die erfien Normannen
auf Lindisfarne, plünderten Klofter und Kirche, St. Cuthberts
Stiftung, und ſchonten fogar nicht der Mönche, welche fie
theils als Sclaven raubten, theils ins Meer ſtuͤrzten oder durch
das Schwert toͤdteten. Schon im folgenden Jahre kehrten die
Seeraͤuber wieder zuruͤck, wo fie Ecgfridsmuͤnſter (Jarrow)
uͤberfielen. Doch wurde ihr Anfuͤhrer von den Einwohnern
getoͤdtet, ein Sturm zerſtoͤrte ihre Schiffe und trieb die Über⸗
lebenden an das Ufer, wo das Rachefchwert der Northumbrier
ihrer harrte. Kein Scaldinge — fo finden wir die bänifchen
Seeräuber benannt, entweder Skjoldinge oder von der Schelde,
an deren Mündung fie eine Niederlaffung befaßen — keiner
derſelben entkam).
So bewahrte nach damaliger Anficht der heil. Cuthbert,
der Schutzpatron jenes Kloſters, in den naͤchſten Jahren Nort⸗
humbrien vor den ferneren Angriffen der Daͤnen, welche ſpaͤter
nicht nur den Frieden, ſondern fogar die Unabhängigkeit deſ⸗
felben völlig zu zerflören beflimmt waren. Doch erregte bie
Zerftörung jener geheiligten Kirche einen tiefen Eindrud über Eng⸗
land hinaus, welcher beweifet, daß die Zerftörungsfucht der
Normannen noch nicht allgemein bekannt war?).
1) Historia de Cuthberto apud Simeon, Dunelm. p. 69, wo
ein Einfall der Gcaldingen nad Ecgfrids Tode und vor König Ceol⸗
wulf, alſo vor 729 angenommen wird. Hier kann jedoch nur ein Irr⸗
thum fein, der vielleicht auf den Einfall der Picten im 3. 710 ſich be
‘ zieht. gl. Simeon Dunelm, de rebus gestis reg. Anglor. ad a.
798 et 794, weldhem Roger von Hoveden nachſchreibt. Pagani —
princeps eorum ibidem crudeli nece occisus est ab Anglis.
-2) Alcuini epist, 29. 49, u. A. Will, Malmesb. de pontifi-
cibus 1. III. de episcopis Lindisfarn.
Bon Mitte des 5. bis Enbe des 8. Jahrh.
Nach wenigen. Jahren wurde. .Xthelted durch feine miss 796. -
vergnügen Magnaten, imter: denen Ealdorman Aldred, als. der.
Moͤrder, ſomie Ealdorman Wada/ befonderd genannt werben,
ermorbet ').; Viele vornehme Laien und Biſchoͤfe flohen jetzt
von dem unglüdlichen Schauplage innerer Zwietracht, welcher
Spott und Beute der Benachbarten zu werben ſchien“). Dee
Herzog und: Patriciud Oſbald, welcher fchon in früheren Jah⸗
ren. ald ein. Fuͤhrer der Parteien .fi ch. gezeigt und auch dem
letzten Könige. fehr nahe geflanden,?) hatte, :wurde von feinen
Anhängern zum Könige auögerufen. Doch der wiederkehrende
Mond fand ihn ſchon nach Dem Afyle des Kloſters Lindisfame
flüchtend, von mo aus er zu der gewöhnlichen Schußflätte: der
verbannten Northumbrier, zu dem Lande ber Picten ſchiffte.
Er ſtarb nach einigen Jahren, als Abt, wie es ſcheint, in ſei⸗
nem Vaterlande*). Die Northumbrier riefen den einſt durch
die Mönche von Rippon geretteten Herzog Eardulf, bed gleich
namigen Vaters Sohn, aus jener northumbrifchen Königs:
fchule, der"Verbammung, zuruͤck. Mit Eardulf fchien eine et=
was beſſere Ordnung ber Dinge für. ‚eine Weile zuruͤckgekehrt.
Eine unter. feinem Schuge von dem Erzbifchofe von York, Ean⸗
bald, gehaltene große Synode zu Pincombaeth zeugt von dem 798.
ernften beſſern Streben. Der unruhige Adel: nerficchte auch '
jegt bem Könige drohend entgegenzutteten, und die ſtets zu⸗ ⸗
9 Simeon Dunelm. ad a. 796 et 798. Chron. saxon. fegt
feine Ermordung i in das Jahr 794, dem Zurner und Lingard folgen..
Fuͤr 796 ſpricht nicht nur die Wahrſcheinlichkeit, welche die Annalen
von Durham fuͤr ſich haben, ſondern auch die in beiden Jahrbuͤchern
mit Eardulfs Thronbeſteigung gleichzeitig angegebne Mondfinſterniß am
233. März 796. Vgl. Vart de: verifier. les dates in ber Berechnung
der Eklipſen.
2) Guil. Malmesb. de rebus gestis regum p. 86, 38, 54.
3) Alcuin mahnt in einem Schreiben (Epist. 29. Opera p. 1537)
den König Äthelred, den Patricius Oſbald und den Ofbert de antiqua
amicitia — de fidei veritate, de pacis concordia, quam habere de-
betis inter vos, quia amicitia quae deseri potest, nunquam vera fuit.
Der Brief Tann nicht lange vor Äthelreds Ermordung gefchrieben fein,
da der Zerftörung der Kirche St. Euthberts durch die Heiden darin ge⸗
dacht wird.
4) Simeon Dunelm. ada 799.
v7 wu | Bette Abtheitung.
neh wende nzahi von Nathkonrmen ober Verwandten dectriebe⸗
mer Könige muſſte jeder folgenden neuen Regierung größere
Sefähren in den Weg legen; doch wurbe. der Ealdorman Wada
zu Billingaheth ) bei Whalley in die Flucht getrieben imb ws
ſchlagen, Alric, Herbertö, vernuthlich des obengenammten Eal⸗
dormans Sohn, und feine Partei vernichtet ). Torthmund,
ein wegen feiner Treue und Tapferkeit gepriefener Ealdorman,
rächte die. Ermordung feines ehemaligen Herrn Äthelred an
‚ dem Thäter. Ealdorman Mol, aus dem Gefchlechte ÄAthelwalbs,
wurde auf Eardulfs Geheiß getoͤdtet, ſowie auch din Sohn
Acchredd, Alchmund, welchen nach feiner heimlichen Ruͤckkehr mit
801.
andern Verbannten bie Wächter des Königs ergtiffen hatten.
Doch waren noch immer feine Gegner nicht entmuthigt, welche,
wem verbannt, bei Cemwulf, dem Könige von Mertim, den
gaftfreien Heerd und Schug fanden. Earbulf fühlte ſich flar®
genug die Hauptflüge ber Verſchwornen in den verraͤtheriſchen
Nachbaren anzugreifen. Eine lange Heerfahrt wurde durch die
Bermittelung der weltlichen und geiftlichen Fürften "Englands
endlich mit einem auf bad Evangelium beſchwornen Friedens⸗
und Freundſchafts⸗Buͤndniſſe zwiſchen beiden Königen brendigt.
Nach fünf Jahren muſſte indeſſen auch Carvulf, von feinen
. Untertharin verbannt, aus feinem Reiche fliehen). Sein
Entſchluß, den Empoͤtern, welche ihm einft freiwillig gehuldigt
hatten, nicht zu weichen und den Schuß bed mächtigen Frans
kenkoͤnigs, Karld des Großen, fowie die Vermittelung des Pap⸗
ſtes Leo IH. anzuflehen, bewährt ihn ald energifchen und ums
fi ichfigen Charakter. Dem großen Karl waren bie Angelegen⸗
1) Ich bemerke hier den Kamen des berühmten ſachſiſchen Goe⸗
ſchlechts, welcher in England ſonſt ſelten vorkommt. Billings⸗Gate
(Thor) in London iſt bekannt.
2) Simeon Dunelm. ad a. 799. Aleuini epistola XVIII. in
operibus p. 1514. In diefem Briefe werben der Exrzbifhof von Gans
terbury, Torthmund u, 4. dem Kaifer Karl zur günftigen Aufnahme
empfohlen. Da Äthelheard im 3. 799 nach Rom reifte, fo dürfen wir
wohl annehmen, daß Torthmund gleich nad Volführung oben gebachter
That feine Heimat verlieh.
8) Leider ift in dem Simeon von Durham, ber Hauptquelle
für Northumberland ſeit Beda, vom Jahre 803 —8 eine Luͤcke, wo⸗
durch wir faft ohne Nachrichten über diefen Staat bleiben.
‘
'
Don Mitte dei 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 215
beiten: des noͤrblichen Britanniend nie fremd geweſen, durch fels
x
9
nen kuͤrzlich verftorbenen Freund Alewin aus York müuͤſſen fie
Sm viel vertrauter geworden fen. Earbulf ſuchte den Kaiſer
zu Nymwegen auf und eilte, nachdem et dort feine Angele⸗
genheiten gefoͤrdert hatte, nach Rom zum heil. Vater. Auch
bier wurde die nachgeſuchte Vermittelung bereitwillig aufgenom⸗
men, päpftliche und Faiferliche Gefandte (jener war ein Angels
fachfe, der Diaconus Aldulf) gingen nach Britannien, und ihrem
vereinten Anfehn gelang es Earbulf in feiner Königlichen Wuͤrbe
berzuftelen ). Alfwold, vielleicht ein Bruder des Könige
Üthelred, hatte in ben während biefer Verhandlungen verfloffes
1) Es ift Kaum begreiftich, wie Turner biefe Wermittkung des
Popftes und Kaifers in das Jahr 794 fegt und als bie Veranlafſung
von Eardulfs Krönung betrachtet. Lingard, Im der Zeitangabe rich⸗
tiger, ſpricht von dem Befängniffe, aus weldien der Katſer den Gar:
dulf erſt befreite, und Läffe diefen jenen gu Royon auffuchen? ©. Ein-
hardi annales ad a. 808. Enliard. Fuldens. aod.. Wenn Lins
gard ferner annimmt, daß bie Parteien, ihren Bwift dem Papfte zus
ſchiebsrichterlichen Entſcheidung vorgelegt, fo vermiſſen wir bie glaub,
. Wübige Dirt und verweifen deshalb auf Palgräve I, 484. Möhl
über Hatte ber Papft bereits von den Engkaͤndern (Saxones) Carbutfs
Beitreibang erfahren und den: Diatonus Aldulf, welcher auch det litch⸗
lichen Zwiſtigkeiten des Erzbiſchofs von Dort, Eanbald, des Königs nom
Mercien, Eenulf, und Wadas wegen nad) Britannien gefanbt war, zur
Vermittlung beauftragt. Ein Bote des Ganbald war nicht nur, wie
Lingard fägt, zu Rom, fonbern beim Kaifer Karl angelangt. G. die
n Briefe Leos IH. an den Kaifer bei Bonquet I, 5. p. 601-4.
Daß nicht bloß von inneren Unruhen die Rebe war, fordern dermuth⸗
lich von des Königs von Mercien Abſicht, die Erzbiſchoͤfe und ben Bis.
ſchof von Hom nicht anzuerkennen, gebt aus dieſen Briefen deutlich her⸗
vor: Praedictus Cenulfus rex nec suum archiepiscopum (sc. car-
tuariensein) pacificum habet nec istum Kanbaldum item: archiepisco-
pum eto. p. 602 c. — Valde pertimeschmus, nè ipse populus acyuisi-
Uonis anilctae romanae eccleiiae per giimlibst occasiohern et certa-
men praedecessoris mei, domini Gregorii, 'beatissimi papae, quod
ipsis in partibus posuit, meis temporibus infructuosum existere vi-
eatur nec mihi in iudicio eveniat etc. p. 604 & Die befondere Gen,
dung bes Aldulfus (de ipsa Britannia, natione Saxo) erflärt, weshalb
diefee, als er auf der Überfahrt über den Canal von Seeräubern gefan⸗
gen war, von ben Leuten des Könige von Mercia ausgelöft wurde.
Einhardi dmmal. ad a. 809.
216 Zweite Abtheilung.
nen zwei Jahren geherrſcht und wiberfegte ſich dem hergeſtellten
Frieden nicht lange. Carbulf ſtarb ſchon im folgenden Jahre,
doch fein Sohn Eanred behauptete, wenngleich unter innern
Stuͤrmen, den Zhron breisnddreiffig Jahre ), bis Begeben-
heiten eintraten, welche und geflatten werben bie Geſchichte
Englands unter einem allgemeinen Überblide zufammenzu-
im
en Mercin, auf welches wir jetzt unſere Blicke wenden wol⸗
len, bietet aa diefer Periode einen von Northumbrien fehr
675.
verfchiebenen Anblid dar. Der lange Widerſtand gegen die
Einführung des Chriſtenthums beſtraft ſich in dieſem Lande
auch in dem Mangel wiſſenſchaftlicher Bildung und der dahin
fuͤhrenden Anſtalten. Mercien hat uns weder ben Namen
eines Schriftſtellers noch ſchriftliche Geſetze noch ſelbſt eine
duͤrftige CEhronik hinterlaſſen. Die Zahl der Geiſtlichen war
nirgends geringer, und waͤhrend in den uͤbrigen Staaten die
Bisthuͤmer in mehrere Dioͤceſen vertheilt wurden, muſſte hier,
aus Mangel an Geifllihen, das eigentliche Mercia und Mit:
telanglien in Ein Bisthum zufammengezogen werben. Dagegen
hatte Pendas kraftvoller Arm tapfere Krieger gebildet und
den Nachkommen der alten Seehelden eine Landmacht erfchaf-
“fen, welche den Briten, wie allen Stammgenoffen, furchtbar
ward. Im der Mitte des Landes benusten feine Regenten
ihre Lage, alle Nachbarn zu bebrohen und fich die britifche
Obermacht oder dad Bretwalda= Amt zu erhalten. Das Glüd
einiger langen Regierungen beförberte die innere Ruhe und das
Gedeihen der Plane gegen die in fich zerriffenen Nachbarſtaaten.
Nach Wulfheres Tode war ihm fein Bruder Äthelbert,
ber Gemahl Oſthrydes, einer Schwefter König Ecgfrivs von
Northumbrien ?), gefolgt. Im erfien Jahre feiner Herrfchaft
Überfiel er?) Lothar, König von Kent, welchen er befiegte und
in fein Reich verfolgte, wo er Shen und Kirchen, ſeibſt den
1) Simeon Dunelm, de ecel. dunelm. J. II. c. 5. Matth.
Westmon. nd a. 810.
2) Beda LIV. c. 21. ‚Matth. Westmon. ad a. 696 nennt
fie irrig Egfridi regis filiam,.
8) Aedilred — adducto maligno exercitu. Bedel wm u 12.
Bon Mitte. des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 27
Bifchoffig Rocheſter, zerſtoͤrte. ‚Nach, wenigen Jahren uͤberzog
er den Koͤnig Eegfrid mit einem Kriege, in welchem ſein ju⸗
gendlicher, in beiden Laͤndern geliebter Schwager Alfwin, Eeg⸗
frids Bruder, fiel und die durch die Erbitterung geſteigerte
Rohheit beider Volksſtaͤmme hoͤchſt gefaͤhrlich zu werden drohte.
Bewundernswerth erfcheint und hier, der. heilfame Einfluß und.
die Gewandtheit des. Erzbiſchofs von Ganterbury, Theodor von
. Zarfus, welcher,. feinem Beruf zur Bermittelung der feindlichen:
Voͤlker folgend, mit jenem Gluͤcke, welches . den Bermittlern bei
ſehr aufgeregten Leidenſchaften häufiger ‚wird. ald auf‘ früheren
Stabien des Zwiſtes, die Northumbrier vermochte gegen die
| Entrichtung des gewoͤhnlichen Wehrgeldes jeder ferneren Rache: |
wegen bed. Todes ihres Prinzen. zu entfagen und fogar das Fe
von Ecgfrid geraubte Lindiſſe an Mercien zuruͤckzugeben. Auf.
feine fernere langjährige Regierung ſcheint Fein Tabel zu fallen,
Ein großes. Ungluͤck trübte feine ſpaͤtern Jahre, ein Verbrechen,
in der Geſchichte Europas ſo ſelten, daß wir elfhundert Saba |
ze ‚vorwärts zu fchauen haben, um eine Parallele zu finden:
* der. Adel der nördlichen Lande feines Reiche, der Suͤdhumbrier, 697.
erſchlug die Königin, feine Gemahlin ').. Er uͤberließ ſpaͤter |
die Regierung der Suͤdhumbrier feinem Neffen Coenred, ‘dem
Sohne feines .ältern., Bruders Wulfhere, .und ob er ‚gleich
felbft Söhne, jedoch unmuͤndige, beſaß, hernach ſein ganzes 704.
Reich, woher es denn ſcheinen moͤchte, daß Merciens Staats⸗
recht, verſchieden von: dem. Northumbriens, wo wir einen achte
jährigen Knaben. ben Thron befleigen fahn, vom Könige bie
zur "Führung des - hoben Amts erfoberlichen Eigenfchaften,
auffer der Berechtigung durch die Geburt, verlangte. Unter
ben Mündigen feheint immer der Nächftberechtigte gefolgt und
der ältern Linie ſtets ihr Recht bewahrt zu fein. Der welcher
die Regierung angetreten hatte, war jedoch nicht gezwungen ihr
wieder zu entfagen, wodurch denn. alle Gefahren und. Übel
flände der Vormundfchaften wegfielen. Es ift daher lediglich
ein Misverfiändniß eines ſpaͤteren Schriftftellers *), wenn Coen⸗
M) Beda V, 24 — a primatibus Merciorum interempta esse,
Chron. saxon, ad a. 697. Florent, Wigorn. ad a. 696. ;Matth.
- Westmon. ad a. 696 crudeliter necäverunt,
” Wallingford, aus dem fo manches Misverftändni. in. die
4716.
709.
218 Zweite Abtheilung.
a Vormund Für den Sohn Üihelberts betrachtet wird;
da dieſer geſetzlich die koͤnigſiche Gewalt undebingt für feine
Lebenögeit erhielt. Der Sohn Pendas aber ging in dad Klo⸗
fer Bardeney, nahm die Zonfur und lenkte noch viele Jahre
ats Abt die friedliche Thätigkeit dev Mönche. So fchnell was
ren die Zeiten geſchwunden, in welchen der Enkel Odins nur
Eine Schmach kannte, die, auf dem Bette zu flerbenf Aber beim
Volke warb die neue, Giberhandnehmende Sehnſucht nach der
Kutte gefährlicher als die alte Gewöhnung des Hamifches.
Auch Coenred gab nad) einigen größtentheils in Kämpfen mik
den Briten zugebrachten Jahren)) die kaum eingeuͤbten Zuͤgel
der Regierung einem Nachfolger, dem jungen Coelred, und
ging mit Offe, König von Effer, einem Juͤnglinge mit alleni
Reize der Jugend und Liebenswuͤrdigkeit gefchmüdt, wie mit -
allen Herrſchergaben ausgeruͤſtet, nach Rom, um daſelbſt das
Moͤnchsgeluͤbde in die Hände des Papſtes Conſtantin abzule⸗
den und fir ihr Seelenheil und das ihrer verlaſſenen Ehege⸗
noſſen, Angehörigen und Voͤlker bis an das Ende ihrer irdi⸗
ſchen Tage zu beten und zu faſten.
Sein Nachfolger, des Athelred md der fieytbe Sohn,
farb in beinfelben Sabre mit feinem Bater. Wemi auch
ſpaͤtere Schriftſteller, ob in der Freude am toͤnenden Wortge⸗
praͤnge, ob ber Chronik eines von ihm beguͤnſtigten Kloſters
nachlallend, ihn als den glänzenden Erben großväterlicher und
väterlicher Tugend 'priefen, fo iſt uns in feinen allgemeinen
Zuͤgen das ungänftige Zeugniß eines ber außgegeiheien Jeit⸗
genoſſen, des Etzbiſchofs Bonifacius, im einem an ben Nach⸗
ſolger Ceolreds gerichteten Schreiben glaubwuͤrdiger?). Cr bes
faß nicht bie Tapferkeit oder das Waffengluͤck Pendas Bes
Kraftvollen, denn in dem von ihm mit Ine von Weffer ge:
engliſche Geſchichte hineingetragen iſt, ſagt (Gele I, 527), daß Coemis
dem Ütheleed ſich verpflichtet Habe feinen muͤndig gewordenen Gohnt
dereinſt Die Regierung wieder abzutreten. Daß bie Abtretung an Goeks
red vor dem 18. Jun. 704 geſchah, ergibt die Urkunde bei Hickes III.
pı 262, n. 77.
1) Vita 8, Guthlaci ; in actis suhttor. Ap. I. Vol. 2. p. 89.
2) Bonifacii epist. XIX. Malmesdury bat daſſelbe aufge⸗
Kommen.
/
Don Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 219
Füßen Kriege blieb die Ehre des Sieges bei Wobansdurg
unentſchieden. Seinen jugendlichen praͤſtimtiven Nachfolger
Ütpelbald, der ihm entfernt, doch, ſowelt unſere Nachrichten
reichen, zunaͤchſt verwandt war, ben Clito ) AÄthelbald, Sohn
Alwius, des Bruders von Penda, verfolgte er unerbittlich.
Gleich Penda über feindete er die Kirche an und gab fich
ſinnlichen Genuͤſſen mit einer leidenſchaftlichen Wuth hin, weiche
ihn waͤhrend des Taumeld eines Feſtmahles zur Beute des
Todes machte und der Sage, daß der böfe Geift ihn im Zwie⸗
sefbril zu ſich genommen, eine gefchichtliche Deutung ge
De und MNhelbald hatte bisher in den Suͤmpfen bes
‚naher von ihm geſtifteten Kloſters Croyland nicht nur Schutz
ſondern auch höhere Belehrung bei dem frommen Einfiedler &t.
Guthlak, deſſen Herkunft ach aus dem mercifchen Koͤnigs⸗
ſtamme von Icel hergeleitet wird, gefunden. Seine Anerken⸗
mung als König fand keinen Anſtand. Er wird als kraftvoll,
ſchoͤner Geſtalt, muthigen Sinnes gefchilvert; Übermuth und
Genußluſt waren der Vorwurf feiner fruͤhern Jahre ). Waͤh⸗
rend er für die innere Ruhe des Landes durch ſtrenges Recht,
fire die Geiſtlichen und Armen durch reichliche Spenden ſorgte
und den oͤffentlichen Pflichten zu genuͤgen ſchien, uͤberließ er ſich,
ſelbſt rechtmaͤßige Ehe nicht ehrend, den Ausſchweifungen mit:
Ehefrauen und Nonnen, und riß bie Thane von Meridien in
diefen Strudel von Verworfenheit und allgemeiner Verderbt⸗
heit hinein. Die liebevolle Sorge, mit welcher Bonifacius, der
Erzbifchof von Mainz, ftetS fein Vaterland im Auge behielt,
ber hohe Ernſt, mit welchem er dem Könige mit merkwuͤrdigem
Ruͤckblicke auf die Keufchheit feiner Vorfahren und Stammge⸗
1) Clito, ein den Mitgliedern des Koͤnigsſtammes von ben Angels
ſachſen, bei denen wir aud) andere griechiſche Titel finden, gegebner '
Ehrenname. Er entipricht, der Anwendung nad), dem ältern, hernaq
zuweilen ausgedehnten Gebrauche des angelſaͤchſiſchen cild, child, in
lateiniſchen Urkunden durch puer uͤberſetzt, in der aͤltern engern Bedeu⸗ |
tung dem fpanifchen Infanten, in der ausgebehntern unferem Junker.
2) Ingulphi historia monasterii Croyland. init. S. das oben
angeführte Schreiben des Bonifacius. Vgl. auch Felicis Girwii
vita 8, Guthlaci in actis sanctor. April. XI. c. 8 et 4. j;
742,
138.
220 Zweite Abtheilung.
noffen, der Altfachfen-, fein Vergehn vorzuftellen wagen durfte,
blieben - nicht ohne. Erfolg, welchen der Umfland,: daß dem
Berächter heiliger Ehe kein Erbe: geboren wurde, vielleicht be=
guͤnſtigte. Auf einer mit Guthbert, dem Erzbifchofe von Can⸗
terbury, gehaltenen Synode zu Cliffsho in Orfordfhire, wurde.
verfucht zunaͤchſt durch eine Reformation der, Pralaten und
Moͤnche auf die Laien zu wirken‘). Ä
: Üthelbalds einundvierzigjaͤhrige Regierung w war vi an gluͤd⸗
lichen Kämpfen mit den Briten; ohne Kampf folgten ihm Oſtan⸗
glien, Eſſex und Kent, und zuweilen gegen ben gemeinſamen Zend
auch Wefler. Später verfuchte er, einen Regierungswechfel liſtig
benußend, Einfälle in Northumbrien, welche-Sönig Eadbert zu:
ruͤckzuweiſen wuffte. Dennoc, behauptete der folge Athelbald die.
hoͤchſte Herrfchaft in Britannien?) und wuffte. feinen maͤchtigſten
Nebenbuhler, Cuthred, den König von Weſſex, bald durch feind⸗
liche Überfälle bald durch erregte Aufftände fo fehr zu ſchwaͤ⸗
chen, baß diefer die Üübermüthigften Bedruͤckungen des Merciers-
“ertragen muffte. Doch das Übermaß des ungewohnten Drudes:
verſammelte bald wieder die abtrünnigen Großen feines Reichs
752.
um. den König von Weſſer, ber beſonders, durch die Verbin⸗
dung mit dem fruͤher von ihm abgefallenen, wegen ſeiner perſoͤn⸗
lichen Tapferkeit viell geprieſenen Ealdorman Athelun?) geſtaͤrkt
wurde. Die Schlacht bei Burford in Orfordſ hire war fuͤr
die Weſtſachſen ein Kampf, für Freiheit und Leben, ‚für Mercia
um die Obergewalt Britanniend. Xthelun, dem das Reichs⸗
banner “anvertraut war, Schritt mit dem goldenen Drachen in
der Hand an der Spige des Heered vor und erfchlug ben
Bannerherrn der Mercier. Dur. Tal diefes bedeutenden Man⸗
1) Guil. Malmesb. de gestis regum. N I. c. 4. Idem de
gestis pontific. 1. I. c. 1.
2) In Urkunden vom Jahre 736 nennt er ſich: rex non solum
Mercensium, sed et omnium provinciarum, quae generali nomine Sut-
angli dicuntur — Rex Britanniae Smith Beda P- 786. He-
mingford. T. I, p. 219.:
3) Ihm wird der Titel-EConful-ertheilt. Henr. A unt: end. p. 321.
&o Offerus consul Northambymbrorum (Matth. Westmon. ad a.
708... Cumbra consul. Henr. Huntend, 341.) Vermuthuch ſoll
der Oberbefehl im Kriege damit bezeichnet werden.
>,
Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 221
ned - erfchredkte die Seinigen und erhob den Muth ber Weſt⸗
fachfen. Selten ſcheint unter jenem Volke eine fo bedeutende
Schlacht mit ſo vieler Tapferkeit und Hartnädigkeit gefochten
zu fein. Wenngleich Keiner wich, ſo glänzte doch Keiner mehr
hervor als Üthelun, deſſen Streitart glei dem Blitze traf und
zermalmte, deſſen Weg ber: Tod zeichnete, und wie König Äthel-
bald, deffen unbefi iegtes Schwert das Eifen wie Wolle burchhieb, Ä
die Schädel wie Fleifch fpaltete. Gleich Feuerbränden in ber
entgegengefeßten Schlachtordnung Vernichtung um fich verbreis
tend, wirtheten Beide fort, als fie fich ploͤtzlich, die beiden
tiefenhaften, ſchaudererregenden Geftalten, einander gegenliber
fanden. Wegenfeitiges Erblicken, gegenfeitiger Angriff waren
gleichzeitig, doch urplöglich. verließ den König, unbegreiflich,
doch nicht beiſpiellos, Kraft und Muth, und waͤhrend die Sei⸗
nigen noch tapfer fochten, floh er in einem Augenblick, wo ein
glüdticher Schwertflreich fein Schickſal und feines Reiche Zus
Zunft hätte entfcheiven koͤnnen. Tür Beide waren von jebt
an die Zage bed Glanzed untergegangen. Nach einigen Jah⸗
ven focht er einen neuen Kampf gegen Wefler bei Sidington,
und obgleich auch fein Heer fehr gelitten hatte, war er nicht
zu bewegen das Feld zu räumen. Seine verrätherifche Leib:
wache ermorbete ihn '); Beormed⸗ ſtellte ſich an die Spitze
des Heeres und des Staates, doch nach kurzer Friſt muſſte er
im folgenden Jahre 2) diefen Pas dem Patricius Offe, einem.
Radtominen des Söniglichen Geſchlechts des Wibba, uͤberlaſſen
und in eine untergeordnete Stellung zuruͤcktreten.
1) Simeon Dunelm. Henr. Huntend. p. $41 non sine mi-
rabili exercituum ruina, fugam dedignans, occisus est — der neuere
Matth. Westmon. ad a. 755 hat irrig nachgefchrieben: per fugam
non declinäns ruinam interfectus occubuit.
- 2) Die fächhfifchen Chroniken baben irrig 755. Simeon Dunelm. ü
ergäßit. beim Jahre 757, . wie Äthelbald geftorben und Offa bald feinen
Thron beflieg. Meine genauere Angabe beruht auf. ben Acten ber Sy⸗
node zu Galchyth im 3.:789, dem Siften Jahre der Regierung Offas.
Hickes l.1. 171. Der Sieg ‘über Beornred erfolgte im Spätjahr 757,
und die Krönung Offas vermuthlich erft im 3. 758. Daß aber, wie in
neuer. Zeit, obgleich im Wiberfpruc mit dem Sage: the king never
dies, die Kegierumgsjahre nicht vom Todestage bes Vorgängers, ſondern
a2 Zweite Abtheilung.
‚Die führt uns, bie wir laͤngſt ſicheren hiſtoriſchen Boden
erreicht zu haben glauben, ploͤtzlich auf einen ſehr nebelhaften
Kreis zuruͤck. Sein eigener Name fol Pinefred, her feines _
Vaters, eines Ealdormans, Zuinfred ') gewefen fein. Gelaͤhmt,
ſtumm und Blind gewann ber Juͤngling raſche Füße, Sprache
und Geflcht wieber, als ber Uſurpator Beornred feine Altern
nerfalgte und fein Vaterland brüdte, Ex erhielt deshalb dm
Nomen bed zweiten Offa, in Erinnerung an Dffa, den Sohn
Wermunds, welcher blind bis zum fiebenten, ſumm bis zum
dreiſßigſten Jahre, ergriffen durch bie drohende Gichande dee
Auoſchlieſſung von der Erbfolge, bei einem Durch einen Uſur⸗
pator Riganus oder Aliel drohenden Kriege, plöglich Die Sprache
wieder erhielt. Diefer ältere Dffe, fein Vater Wermund und
beffen Vater Wiklaeg find Lediglich mythiſche Verfonen der
angelſaͤchſiſchen Koͤnigsgenealogie) und finhen ſich als Könige
ber daͤniſchen Annalen in berfelben Folge wieder. Daß daͤni⸗
ſche Seeraͤuber dieſe Sage nach England ober engliſche Pric—
ſter dieſelbe nach Daͤnemark gehracht haben, iſt nicht wahr⸗
ſcheialich, ſondem vielmehr, daß beide Voͤlker aus deyſelben
von der Kroͤnung gerechnet werden, ergeben mebre Stellen, . B. 8j- '
meon Dunelm. ad a, 753 u. 759
1) Nennius gibt, —— verfehichnen ahweichenden Lesarten, in der
Lifte der Ahnen Offas, ben Namen Inferth dem Großvater und biefem
einen Sohn Glum, den Vater Offes.
2) Obgleich mehrere Angaben über die Btammbäume ber Könige
von Mercien in andern Namen abweichen, fo ſtimmen fie bach alle im
diefen dreien überein. S. Nenntus, Alfred von Beverley, saxon
chronicle ad a, 626. Diefelbe Bemerkung für diefe drei bänifchen Könige
findet in Beziehung auf die in andern Fällen abweichenden Koͤnigsliſten
bei Saxo grammaticus und der f. g. Erichs Chronik flatt. Bei
Sven Aggonis fehlt Wiklaeg; doch bei allen breien aus verfchlebnen
Quellen ſchoͤpfenden Schriftftellern lieſt man bie oben angegebne Erzählung
von Uffo. Der daͤniſche Ufo iſt nicht blind, aber der Sohn bad exblins _
daten Waermund; daß. er aber bis zum breiffigften. Jahre flumm gene“
fen, wird von Sven Aggonis ausbrädtid erwähnt. Es möge bier
noch ongebeutet werden, daß mehrere ker merciſchen Koͤnigsnamen fich
in dem Gedichte Beowulf, freilich unter verſchiednen Beziehungen finden.
So Wiclaf, Sarmund (Wermundb), Angetheow, Higelac (Ich). Eine
Sage vom alten Offa ift in demfelben ausführlich erzählt. ©. Grundt⸗
dig Borrede &. 49. Diele Beziehungen bes Gedichtes zu Mercien find
‚
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 223
Quelle, ber Heldenſage der Juͤten, gelhöpft haben mögen ').
Diefe Sage exinnert zugleich an bie nom Sohne bed Königs
Gröfns, welche Herodot und aufbewahrt hat?), und möchte
neben fo manchen anderen vieleicht auf den Zufammenhang
der Germanen mit bem Driente zu beziehen fein. |
Die Übertragung ſolcher älteren, Sagen auf einen ſpaͤteren
Zürfien wuͤrde nach ben gewöhnlichen Vorgängen und berechs
tigen anzunehmen, bag eine dunkle Herkunft durch jene bemän-
telt werben fol. Offas Thron wurde nicht ohne vieles Blut
vergiefien hefeſtigt“), und wie dürften daher vermuthen, daß
Offas Tapferkeit und andere Berbienfte über nähere Anfprüche
der Geburt den ‚Sieg bavongetragen hätten. Doch bemerkt
man ſchon unter König Athelbald auf ber Synode zu Cliffsho
und bei andern Anläffen den jungen Patricius Dffa, deffen Rang
naͤchft dem der Könige allen übrigen Laien voranging. Offa
ſelbſt nennt in zwei von ihm ausgeſtellten Schenkungäbriefen
feinen Großvater Eanmulf, welcher im Lande ber Hwiccas
zu. ben Zeiten König Athelbalds Land erhalten und daſelbſt
£
um fo merkwuͤrdiger, ba. der Sceſinger Sciold und bie Gage Yon
Sceals Ankunft, mit bem es beginnt, nur in ben Stammbäumen von
Weffer erwähnt werben.
1) &. Dahlmanns dorſchungen Th. I. &.283. Üben bie beiden
angelfächfifchen Offas hat ein Mönd zu St. Albans eine Schrift aufge
fegt, welche von Watts hinter feiner Ausgabe bes Matthäus von Paris
abgedruckt Hi. Das Beben des aͤlteſten Offa a. a. 9. flimmt am meiften
mit Sven Aggonis uͤberein, wicht nur in ben allgemeinen, Umriſſen,
ſondern auch in deu erſten Rede bes Dffe. Die übereinſtimmung beider
GBagen in der Umguͤrtung des Juͤnglings mit dem Schwerte durch den
Bater, ſawie der folgende Kampf am. Fluſſe ſind nicht zu uͤberſehn.
Bemertenswerth ift jedoch, daß aufler hen angeführten vitis, deren Zeite
alter und Verfaſſer nicht bekannt find, kein anderen alten anglifcher
Schröftfteller der Gage von der Jugend der beiden Offas gedenkt, nicht
einmal der an bergleichen Sagen reiche Brompton. |
D L. L. 0.35. Aus ihm Cicero de divinat, l. L. 0.59, Gel-
lius J. V. c. 9., ber auch eine ähnliche Geſchichte von einem ſamiſchen
Arbleten Aiglaͤs erzaͤhlt, welcher darin dem Offa gleicht, daß er auf
Agnlas eines Zweilampfes bie Sprache erhält.
8) Appendix ad. Bedam a. 257, Alcuinus apud Malmeab.
LI. c. 4: pater suus (sc, Ecferthi sc. in Offa) pro confirmatione re-
gri eins multum sanguinem effudit.
769.
711.
224 Zweite Abtheilung.
zu Bredon eine Kirche errichtet hatte”) und der, wenn wir
‘dem Fingerzeige folgen dürfen, den die Alliteration bei den
"Angelfachfen häufig gibt, Vater oder Bruder der chriftlichen Un;
terfönige jenes Landes, Eanfrid und Eanhere, war. Wir müffen
ihn daher ald den nächflen Verwandten des Könige, wenngleich
in einer Seitenlinie von dem gemeinfchaftlichen Ahn abflammend ?),
betrachten, und die blutigen Kriege, welche feine Thronbeſtei⸗
gung veranlaffte, dem Widerflande des Empörerd Beornred
zufchreiben. Lebterem mögen einige rechtliche Anfprüche nicht
‚gefehlt haben, da wir ihn nach mehreren Sahren noch im Be
fie einiger Kriegsmacht an der northumbrifchen Grenze fin
den ?); vielleicht dDurcy Abtretung Northumbriens, welches wir
wiederholt unter abgefonderter Verwaltung serbliden.
Offas Herrfchaft fcheint erſt Durch Beornreds Fall gefichert
zu fein, bis dahin finden wir ihn nicht aufferhalb feines Reichs
befchäftigt. Sein erfler denkwuͤrdiger Zeldzug war gegen bie
Heflingen gerichter, einen Volksſtamm, deſſen Sie, gleich
manchen andern Diftrictöbezeihungen der Angelfachien, unbe
kannt if. Man fucht fie bei Haflings in Suffer und würde,
wenn biefe Vermuthung richtig if, diefelbe durch das Handels
interefje an einem am britifchen Kanale belegenen Hafen viel:
leicht begründen können‘). Nach einigen Jahren lieferte er
1) &. Urkunden in Smith Beda ©. 766 u, 767.
2) Offa quinto genu Pendae abnepos. Guil. Malmesb. Diefes
ift unrichtig, da er von Eowa, Wibbos Sohne und Pendas Bruder,
abftammte. Chron. saxon. Florent. Wigorn. ad a.755, wo Als
fred Beverlae übereinftimmt: cuius (sc. Aedelbaldi) patruelis,
Enulfi nepos Offa. Eines ähnlichen irrigen Ausdrudes bedient fih Mal⸗
mesburn bei dem zweiten Nachfolger Offas, den Cenwuph, f. unten.
Es fcheint dem Verfaffer nur daran zu liegen, bie rechtmaͤßige Parentel-
erbfolge ber Regenten im fünften. Grade anzubeuten. ©. lex Anglio-
rum, Tit. VI.
8) Matth, Westmon. ad a. 769. Siheon Dunelm., wo
irrig Earnredus tyrannus’fteht.
4) Guil. Malmesb, p. 33, contra Cantuaritas ab. Offa inei-
piens odium. Simeon Dunelm.chron. Mailros. Hoveden h.a,
über die oben gegebne Erflärung f. Turner. Zur Stadt Haſtings ges
- hörten noch fpäter 500 Hyden ſ. Gale I, 748. Palgrave I, 289
vermuthet, daß flatt Hestingiorum zu Iefen.fei Kastanglorum. Dieſes
Von Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 225
den ihm verhaſſten, widerfpenftigen Kentern, in ihrem feit einem
Jahrhunderte der Oberherrlichkeit Merciens untergebenen Reiche,
eine blutige Schlacht bei Otford am Darentfluſſe, in welcher
der Sieg auf feiner Seite blieb '). 774.
Erft jest trat Offa wider einen unabhängigen mächtigen
Gegner auf. Im folgenden Jahre fchlug er mit leichter 775.
Mühe den König Cynewulf von Weffer, deffen Tapferkeit ges '
priefen ward, bei DBenfington in Orford?). Auch in den
‚Kriegen gegen die Briten war er glüdlih. Dem Könige von
Powis nahm er eine bedeutende Strede feines Gebiets und
ſelbſt feine Refidenz Penywern (Shrewsbum). Die flache Ges.
gend am Fuße des öftlichen Abhanges der Gebirge von Wales
bevölkerte er, da Feine Vertheitigung fo zuverläffig ift ald die
durch freie Eigenthümer, mit Angelfachfen, deren Anlagen durch
die fächfifchen Namen fich noch heute Tundgeben. Um jeboch
die Anfiedler vor plöglichen Überfällen und Raubzügen der
feindlichen Gebirgsbewohner zu ſchuͤtzen, errichtete er, nach dem
Beiſpiele römifcher Kriegskunſt, von der Mündung des. Dee
bis zu ber des Wyefluffes einen bedeutenden Wall und Gras |
ben ). Diefer Wall (Offas dyke, claudh Offa), von
welchem noch jest Spuren zu fehen find, hat feinen Zweck fo
wohl erfüllt, daß er die Grenze zwifchen Briten und Mercten,
hernach zwifchen Wales und England geblieben ifl. Der legte
angelfächfiiche König Harald gebot, daß dem Briten welcher
‚bewaffnet fich diesfeit Offas Wal: würde bliden laffen, die rechte
Land war Miercien näher, und 9. Eönnte für fich anführen, daß in der
. vita Offae II., welche Wahres und Falfches enthält, Offa vor den
übrigen Angelfachfen den König der Oftangeln befiegt. Ermägt man
jedoch die Verhaͤltniſſe des nahgelegenen Kents zu Mercien, ſowie andrer⸗
ſeits die übereinſtimmung aller aͤlteren Schriftſteller, ſo moͤchte die Les⸗
art nicht bezweifelt werden duͤrfen.
1) Saxon. chronicle. 'Florent. Wigorn. h. a. Matth,
, Westmon. ad a. 778. Es ift nicht zu erfehn, wodurch Palgrave
11, 269 verleitet ift diefe Schlacht in das Jahr 776 zu fegen, er möchte
denn ‚gleich wie Carte I, 269, welcher den König Lothar diefe Schlacht
liefern YAfft, fie mit den Begebenheiten vom Jahre 676 (f. oben) vers
wechfelt haben.
2) Saxon. chronidle h. a. Guil. Malmesb. p- 29.
8) Asser. vita Aelfredi p. 3. Giraldus de illaudabilibus.
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 15
‚ I j
226 3weite Abtheitung.
Hand abgefchlagen werben ſolle). Wenn ſich dennoch dies⸗
feit des Walles britiſche Sprache und Sitten finden”), fo
Tonnen diefe nur bei völlig umterjochten ober fpäter von oͤden
Bergeshöhen in bie fruchtbare Ebene herabgezogenen Walliſern
vorkommen.
Nichts wuͤrde die Kriege Offas mehr uͤber die Benennung
von Kaͤmpfen der Kraͤhen unter einander erheben, womit ein
großer Dichter die Beſchraͤnktheit der hiſtoriſchen Anſichten fei⸗
nes Zeitalters unbewuſſt verewigt hat, als wenn es uns ver⸗
gönut wäre genau zu erkennen, wie der große Herrſcher ber
Franken, Karl, auf diefelben einwirkte. Wenn wir den Mönche
von St. Albans einiged Zutrauen fchenfen, fo hatten fihon vor
dem Kringe mit Kent befien Könige fih an Karl gewandt,
um bei ihm Schug und Hülfe nachzufuchen?). Die drohenden
Briefe defjelben wurben von Dffa nicht beachtet, und das bei⸗
derfeitige Gluͤck befreundete im Laufe der Jahre den Heren bei
‚germanifchen Infellandes mit dem des romaniſchen Fefllanbes.
Karl fandte an Offa oder, wie diefer ſelbſt fich ausdruͤckte, der
maͤchtigſte Herrſcher des Oſtens an ben mäctigften des Weſtens
viele koſtbare Geſchenke, deren Verzeichniß, jedoch nicht das
uns mehr Belehrung verheiſſende der Gegengeſchenke, aufbehal⸗
ten iſt. Indeß wiſſen wir aus noch vorhandenem Brief und
Siegel, daß Offa, König der Mercier, die von einem feiner Uns
terthanen dem Klofter St. Denys gemachten Schenkungen an
Land beim Hafen Lundenwyc beflätigte‘). Daſſelbe hochbe:
‚ günfligte Klofter erhielt von einem andern Vafallen Offas, dem
Herzoge Bertwald von Suffer, mit Beſtaͤtigung des Könige
die Klrche zu Rotherfield und ſeine Haͤfen Haſtings und Pe
1) Joannis Salisbur, Polycrat, J VI. Gine nähere Befchrei-
- bung des Offaditch T. in Ran, Higden polychronic. p. 194,
2) Camden Britannia ed. Gibson p. 587. Schon Ran. Hig--
den L. |. fagt: sed hodie hinc inde ultra vitraque fossam illam, po-
tissimum in provinvia Cestriae, Salapiae, Herfordiae, Mallici cum
‚Anglicis passim sunt permixti.
8). Vita Offae secundi.
4) Diefe merkwürdige Urkunde vom 12. April 790 und Pie von ans
dern engliſchen Koͤnigen für St. Denys befinden ſich fm tr&ser dee char-
tres. im Hotel Soubife zu Paris.
—
Von Mitte des 5. bis Ende bes: 8, Jahrh. 227
renſey '). ‚Karl der Große verhieß nicht nur ben Pilgern,
fondern auch den Kaufleuten aus England feinen unmittelbaren
Schuß ?), welche leßtere Bewilligung ald eine Ausdehnung bes
von Dagobest den Angelfachfen ertheilten Privilegii für Die
Meſſe zu St. Denys, in welchem die nächte Veranlaffung zu
den eben gebachten geiftlichen Schenkungen liegen mag, anzus
fehen iſt. Eine gefährliche Spannung zwifchen beiden Monar
hen batte fich ergeben, ald König Karl für feinen gleichnamis
gen Sohn die Hand der Zochter Dffad verlangte, biefer aber
jene mir unter ber Bedingung ertheilen wollte, daß Karls ges
liebte Tochter Bertha, welche fpäter den gelehrten Abt von
St. Stiquier, Angübert, heimlich heirathete, von ben Zeitges
noffen ald des Vaters zartered Ebenbild an Geiſt, Stimme,
Blick und Haltung verehrt’), dagegen feinem Sohne verlobt
werde. Der Abt zu St. Vaudrille (Zontannelle), Gerwold,
aus angefehnem Gefchlechte, früher Kapellan der Königin Ber⸗
trade, zum Verwalter bes Fiſcus in den norbfränfifchen Staͤd⸗
ten und Häfen, befonders zu Quentawich, beftellt, war ſehr
häufig in Auftsägen des Kaiferd zum Könige Offa abgeorbnet
und bemfelben fehr vertraut und befreundet geworden. Doch
gelang ed ihm nicht den flolzen Sinn bed Enkels des Wos
dan herabzuftimmen und zum XAufgeben eines Anfinnens zu
bewegen, welcheö den unbefiegten. Frankenkoͤnig fo fehr ent
shftete, daß es aller VBorftellungen Gerwolds bedurfte, damit
Die galliſchen Seehaͤfen nicht alle den engliſchen Kaufleuten ge⸗
1) Urkunde vom Jahre 792 bei Duge ſne.
2) S. das Schreiben Karls an Offa bei Wilkins concil. I, 158,
Auszüge bei Malmesb. I, 4 Leland. collect. I, 402. Da er in
demfelben von dem im December 795 erfolgten Tode des Papftes Ha⸗
drian I. fpriht und des am folgenden 18. April verftorbenen Königs
Üthelred von Northumbrien als lebend gedenkt, fo ergibt fi die Zeit .
der Austellung deffelden. Der Kaifer überfandte dem Könige Offa, jenem _
Schreiben : zufolge, auffer andern Gefchenten ein hunniſches Schwert;
ein Umftand welcher nus fehr zur Beglaubigung biefes Documents
fpriht, da Karl im Anfange des Jahres 796 mehrere Gefchenke
aus dem den Dunnen abgenommenen Schatze vertheilte. &. ann. Ein-
hardi ad a, 796. Chron. moissiac. Simeon Dunelm. ad a. 79.
8) ©, Helperichs oder Angilberts Carolus Magnus v. 219 q.
| 15 *
228 Zweite Abtheilung.
fchloffen wırden '). Nach andern Nachrichten war das Ver
bot fchon zur Ausführung gekommen, diefelbe Sperre in den
engliſchen Häfen durch Dffa angeordnet, und Alcuin, der Freund
beider Monarchen, wurde beflimmt einem unfeligen Hader
gereizter Ehrfuht ein Ende zu machen?). Die Herftellung
des Friedens erkennen wir ſchon früher als Per das vorge:
dachte Schreiben an Offa, durch ein an Xthelhearb, ben
Erzbifchof von Canterbury (feit 792), gerichtetes Verwendungs⸗
ſchreiben für einige verbannte Mercier ).
Mehr als durch viele Schlachten mit ſeinen Landsleuten
wird Offas damaliger Einfluß durch den Verdacht begruͤndet,
welchen ber’ Papſt Hadrian faſſte, daß der König von Mer
cien den der Franken habe bewegen wollen ihn vom päpfklichen
Stuhle zu flürzen‘). Daß eine feindfelige Stimmung zwi:
fchen Offa und dem Papſte entitanden fein mag, ift bei den
Anfprüchen, welche diefer in allen Berhältniffen machte, fehr .
gedenkbar. Während dad Peine, fchon feinen Vorgängern um:
tergebene Kent den erften Primaten ber angelfächfifchen Kirche
befaß und in dem ſtets fchwächer werdenden Northumbrien
der zweite Geiftliche wohnte, hatte Offa in feinem mächtigen
Staate einen ähnlichen von andern angelfächfifchen Geiftlichen
unabhängigen Prälaten vermifft. Er hatte daher lange ver-
geblich verfucht Eanbrecht, den Erzbifchof von Kent, zu bere
den feinen Sie nach Litchfield zu verlegen, was Diefer ent
fhieden verweigerte. Lesterer wurde nunmehr bezüichtiget den
Franken, fuͤr den Fall einer feindlichen Landung in England,
in ſeinem Erzbiſchofthume Schutz und Huͤlfe verſprochen zu ha⸗
ben 5). Diefer Grund wurde mit anderen, wie z. B. daß Offa -
unfern bed Ortes, an welchem er feine Feinde gebemüthiget
habe, au Ehren Gottes eine erzbifchöfliche Lathebre errichten
1) Chronic, Fontanell. in Monum. hist. german. II, 291, wor:
nach diefe Begebenheit ungefähr in das Iahr 788 faͤllt.
2) Epist. Alcuini ad Colcum lectorem in Scotia, Bouquet
V. 607, au bei Malmesb. I, 4. |
8) Wilkins L 1.1, 15%. Epist. Alcuini ep. 61.
A4) Epistola Hadriani ap. Bouquet V, 589,
5) Guil. Malmest. I. 1. Vita Offae secundi p. 21.
N.
Bon Mitte des 5. bis ‚Ende des 8 Jahrh. 2
wolle, geltend gemacht und auf der angelfaͤchſi ſchen girchender⸗ 7185.
fammlung zu Cealchythe mit dem dahin gereiften Legaten Des
Papſtes Hadrian für fein Königreih Mercien ein befonderes
Erzbisthum zu errichten befchloffen, ‚welches auf die biöherigen
Biſchoͤfe von Litchfield, und. zwar zuerft in der Perfon des
Aldulf '), übertragen. wurde. Daß, ungeachtet der hier Dem ges
fürchteten. Offa erwieſenen Nachgiebigkeit, die neuen geiſtlichen
Verhaͤltniſſe eine Quelle vieler Reibungen bei dem durch fo
viele andere Urfachen gereizten Zuſtande der Nachbarſtaaten
werden muſſten, iſt leicht zu erachten und wird durch die bal⸗
dige Wiederaufhebung des Erzbisthums Litchfield erwieſen.
Offa hatte fich größeren Ruhm, feinem: Neiche größere
Macht verſchafft?), als die angelfächfi fchen: Könige und- Staa⸗
ten; bisher befeflen ‚hatten. Sein, Muth, feine Tapferkeit, feine
Thaͤtigkeit find unbeftritten. Auch feine Freude, am Lefen wird
yon: Zeitgenofien hervorgehoben ). Fuͤr die beffere Verwaltung
des Reichs trug er durch Abfaſſung oder Sammlung von mer⸗
ciſchen Volksrechten Sorge, deren. Verluſt wir nicht wenig zu
beklagen haben‘). ‚Doch, werben feine preiswuͤrdigen Eigen⸗
fchaften, welche. diefe Herrſchaft begruͤndet hatten, durch Ver⸗
brechen: befleckt, welche. in ſeinem Charakter proteusartig mit
jenen ſchillerten. Keine That hat mehr Abſcheu erregt als die
ihm beigemeſſene Ermordung des Koͤnigs der Oſtangeln, Äthel⸗
byrth. Dieſer war durch die Ausſicht, die Hand der Tochter
Offas, Ätheldritha, zu erhalten, zu ihm gelockt, gaſtfreundlich
und glaͤnzend aufgenommen; und darauf ward der argloſe
702.
v⸗
Gaſtreund heimlich uͤberfallen und ermordet. Sollte auch die
1) Guil. Malmesb. 1.1. et de gestis pontificum. ]. IV.. Vita
Offae. Radulf. Dicet. abbrev. chron. ad a. 787, wo auch der Um⸗
fang des neuen Erzbisthums. befchrieben wird. Simeon Dunelm. ad
a. 786. BHigebryht, welchen Lingard als den erften Erzbifchof von
Licchfield angibt, wurde nah Florent. Wigorn, im 3. 785 zum
Bifhof von Dordefter ernannt.
2) Urkunde 730. Offa rex Merciorum simnique: aliarım circum-
iacentium regionum. Smiths Beda ©. 767.
‘8) Alcuini opera f. 1554.
4) Leges Aclfredi in prologo.
290 Zweite Adtheitung.
Hrevelthat zimachſt Dffas Gattin Eynebrithe zupufchrelben fein )
fo wird in folchen Fällen die Mitwiffenfchaft nicht weniger vers
brecheriſch erfcheinen als die That ſelbſt; vor Allem, wenn wie
bei Dffa, der des herrenlofen Oſtangliens fi mit leichter -
Mühe bemächtigte, der Lohn derfelben dem Mitlundigen an⸗
heimfallen muſſte?). Im demſelben Jahre wurde eine andere
Tochter Dffas, AÄlflede, dem Könige von Northumbrien, Äthelseh,
vermaͤhlt. Vielleicht iſt es nicht ohne Beziehung auf jene Bege⸗
benheit, wenn berichtet wird, daß die Vermaͤhlung in deſſen
eignen Landen ſtattgefunden habe.
Zu den nicht ganz begründeten Begebenheiten in Au
- Xeben gehört eine Reife, welche er in ſpaͤteren Jahren nach
Kom gemacht haben foll. Seine Verdienfte um bortige Kirchen
und fromme Anflalten werben gepriefenz boch koͤmen wir uns
kaum bei Offa andere als ehrgeizige Zwecke und daher fein Bor
haben denken, welches den Befls feiner Herrſchaft einer ſo
langen Gefahr ausſetzen muſſte ). Wollten wir mehr auf fen
Zeitalter als ihn ſelbſt blicken, fo möchte eine Pilgerreife zur
Buße wegen der Ermordung fe eines Sohnes wahrſcheinlich erh
1) So nicht nur vita Ofen secundi,. fonbern auch Florent
Wigorn. ad a. 793. Der Zobestag bes zum Märtyrer erhobenen
Athelbryht war der 20. Mai und wurde lange in England feierlich. ber
gangen. ©. Bromton, 752 und ben Kalender bei Cooper on publie
records II, 489,
2) Wenn ber unkritiſche Wallingford beachtet werden ſoll, wel⸗
cher ſagt: Offa — occidit in campestri indicto bello St, Ethelbrithum,
fo darf zur Eharakterifirung biefer Nachricht der Irrthum nicht übers
fehn werden, daß derfelbe dort König von Weffer genannt wirb.
5) Der Mönd von St. Albans iſt weniger verdächtig, ald er ge:
woͤhnlich angefehn wird. Der Moͤnch eines von Offa geftifteten Kloſters
hat manche Begebenheiten des Gtifters in ein anderes Licht geftelltz
doch mag er auch alte Nachrichten befeffen haben, welche andern Schrift
ſtellern unzugänglich waren. Viele feiner Nachrichten flimmen mit Wil⸗
heim von Malmesbury, Florenz u. X. genau überein; und follte
er nicht älter fein als diefe, fondern fie benust haben, fo würbe felbft
diefe Benugung vorzuͤglicher Quellen für feine Glaubwuͤrdigkeit fprechen.
Er darf alfo keineswegs im Allgemeinen verworfen werben, fondern hier
nur, wenn ihn befonbere Gründe verbäcktig machten. Diefe aber Fönn-
ten nur in ben Privilegien liegen, welche Papft Habrian dem Klofter
©. Albans ertheilt haben ſoll.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 231
Sollte inbeffen der König auch. nicht perfönlih in Rom gewe⸗
fen fein, fo find feine Verdienfte um die Sachfenfchule ') und
feine Beförberung des Romeſcot deshalb noch nicht zu bes
zweifeln.
Dffa hatte über achtunddreiſſi g Jahre an der Vergroͤße⸗
rung ſeines Reichs unermuͤdlich gearbeitet, als ihn der Tod 796
wegraffte), wenige Jahre nach ber Ermordung Äthelberts, 26. Juli.
welche ihn der Verachtung Europas preisgegeben "hatte. Sel⸗
ten erbliden wir bie Hand ber rächenden Nemefis in der Ges
ſchichte fo. fihtbgr wie in Offas des Zxeulofen Haufe. Cynes.
brithe, deren Herrſchſucht und Anmaßung fich dem Alterthums⸗ /
forfcher noch jest dadurch Fund gibt, daß Feine andere angel::
fächfifche Königin Muͤnzen mit ihrem Bilde fchlagen ließ, wurbe
drei Monate nach der That, die fie brandmarkte, von Räubern.
in ihren eigenen Brunnen geworfen; eine Todesart welche,
wenn nicht wahr, Doch zeigt, wie ihre Zeit über fie bachte und
wünfchte; Die Sage wollte fogar fie nicht ald Angelfachfin an⸗
erkennen, fondern ftellt fie als eine wegen unerhörter Verbre⸗
chen in einem Boote auf dem Meere ausgefebte Franklin dar,
welche ber jugendliche Offa nerleitet wurde heimzuführen °).
Waͤhrend das Andenken des heiligen XÄthelbert viele Wunder
- wirkte, wurden die Gebeine des Mörberd aus der geweihten
Erde von ben wilden Zluthen der Dufe herauögeriffen. Of:
fas Sohn Ecgfrid, welchen er ſchon im 3. 785 zum Könige
von Kent hatte Trönen laſſen), überlebte ihn, von Krankheit
. egeiffen ‘), nur wenige Monate, wodurch Offas Mannöflamm
eh. Don feinen Töchtern brachte die ehemalige DVerlobte
9 Auffer vita Offae II., auch Malmesb. II, 2.
2) Simeon Dunolm. Die ungenaue angelfächfifhe Chronik flellt
Offas Tod z. 3. 794 und gibt ihm hier die den Angelſachſen geläufige
Regierungszeit von 40 Jahren. Auffer der Präfumtion bei allen nord:
anglifhen Angelegenheiten hat Simeon von Durham hier auch noch
die richtige Angabe der Mondfinfterniß in den Frühftunden am 38. März
796° für fi, welche ohron. saxon. falſch zu 3. 795 ſetzt. Bol. au .
oben über das Schreiben Kaifer Karls an Offa v. J. 796.
$) Vita Offae. Bromten. ad a, 752.
%) Malmesh. Chron, saxon.
6) Ingulphas.
N
232 . Bweite Abtheilung...
Athelberts ihr einfames Leben in dem Klofter zu: Croyland zu,
Eadburge, die Gemahlin Brithrics, Königs von Weſſer, en
dete als Bettlerin auf den Gaffen des fernen Pavia, und Abs
flede verlor Vater, Bruder und Gemahl in demfelben Jahre.
Die reiche Erbfchaft Offas, Herrfchaft, Anfehn, Schaͤtze
fielen, nach Ecgfrids, der nicht zu großen Hoffnungen berech⸗
tigte )Y, kurzer Regierung, dem Ceonwulf zu, einem Abkoͤmm⸗
ling Cenwalchs, eines Sohnes des Wybba und Bruders Pen⸗
das. Ihn ſchmuͤckten auch die Regententugenden Offas; doc)
nicht minder als durch Tapferkeit wurffte er durch Gerechtig⸗
Feit und. Milde fein Reich zu erhalten. So wenigftens lautet
dad Lob, welches über ihn faft einſtimmig aus allen Chro⸗
nifen ber mittelalterlichen Geiftlichen, welche die goldnen Pe:
trusſchluͤſſel irdifcher Unfterblichkeit und ewigen Nachruhms in
Händen hielten, zu und berüberfchallt. Dad Gluͤck feiner Re⸗
gierung, welcher Feine ähnliche mehr für Mercien folgte, iſt
unverkennbar. Friedenskuͤnſte begannen flätiger und daher er
- folgreicher ausgebildet zu werden. Die einzige Kunft welche
unbezweifelte Denkmäler feiner Zeit hinterlaffen. hat, die Muͤnz⸗
kunſt beweifet, daß fie wenigſtens unter Offa zuerfi und unter
Geonwulf zulest die beften Gepräge lieferte, welche Mercien
gekannt hat.
Die Difcingen, welche die Krone von Kent, wenngleich |
unter der Oberherrfchaft Merciend geführt hatten, flarben aus,
und Ceonwulf faflte den Plan es mit feinem Reiche noch enger zu
verfnüpfen. Ihm wiberfegte fich Eabbert, mit dem Beinamen
Draen, welcher drei Jahre die Herrichaft von Kent behauptete.
Eadbert, der einer Seitenlinie der Diftingen anzugehören fcheint
und zugleich mit Egbrecht, dem Könige von Wefler, verwandt
war, hatte fich früher dem geifllichen Leben geweihet, was ihm,
um ihn von dem früheren Eentifchen Könige Eadbert, Vithreads
Sohne, zu unterfcheiden?), jenen Beinamen des Predigerd
)) So ift aus Alcuins Briefe an ihn (Nr. 48.) zu urtheilen.
2) Lingard, melder bier auf ben confufen Wallingforb
©. 530 fi ftüst, bemerkt nicht, daß diefer jenen im 8, 748 verflors
benen Gadbert mit dem fpätern verwechfelt. Auch ift es eine Übereilung
Gadbert Prän einen Rachlommen Cerdics zu nennen; feine Verwandt:
4
Von Mitte des 9. bis Ende bes 8. Jahrh. 233
verſchaffte y. Ceonwulf bekaͤmpfte feine Gegner durch die Ge⸗
walt des Schwertes und ber. Streitaxt, nicht minder wirkſam
aber auch durch die geiftlichen Waffen. Er erbot;fich zur
Aufhebung: des von. Offa geflifteten Erzbisthums zu Litchfield;
ein Act welcher die. höhere Geiſtlichkeit in ganz England :ihm
geneigt ‚machen muſſte, befonbers aber. geeignet war den Erz
- bifchof von Canterbury und Alles, was fich unmittelbar an
die Intereffen feines Stiftes‘ knuͤpfte, dem Könige. von Mer:
cien zu gewinnen. : Der Papſt Leo IH. erklärte. fich in demſel⸗
ben Schreiben bereit das . Erzbiöthum: Litchfield wieder aufzu:
heben und. über:den. abtrünnigen Geiftlichen, welcher des Thro⸗
nes ſich anmaßte, den Bann auszuſprechen. Dieſe gefährliche
Maßregel mag. vor Allem dem. Eadbert geſchadet haben. Nacyz .
dem er durch. viele Schlupfwinkel geflüchtet war,. wurde er zu⸗
letzt unfern ber erzbiſchoͤflichen Reſidenz von den Bewohnern
der Romney⸗Marſch (Mersefaras) gefangen und den Händen 796.
des Siegers uͤberliefert). Ob dieſer feinen Gefangenen: nach
byzantiniſcher Weife blenden und die Haͤnde ihm abſchlagen
ließ, wie einige ſpaͤtere Schriftſteller ber romaniſchen Periode
berichten, eigen | und von weniger Bedeutung, wenngleich
v °
ſchaft mit Ecgbert FIR, vermuthlich auf einer der Muͤtter fener go⸗
nige. Palgrave II, 270 macht ſich noch größerer Übereifung ſchuldig⸗
wenn er Garte tadelt, welchet Eadbert für einen Geiſtlichen haͤlt; und
deſſen ſprachkundlichen Beweis verſpottet. Wie. konnte Palgrase uͤber⸗
ſehn, daß Carte ſich auf das Schreiben des Papſtes Leo an Ranulph
beruft? In dieſem (Anglia sacra I, 460) heifft e83 De illa ‚.epistola,
quam Aethelheardus (sc. Archiepiscapus Cantuariensis) nobis trans-
misit — reddidimus responsum, quia nos de clerico illo apostata,
qui ascenderat in regnum, similem illum reputantes 3 aliano > Parabatas,
anathemizantes objicimus etc.
1) Die wichtigen Notizen,. denen’ ich folge, hats am. deineich
von Huntingdon aufbewahrt. ©. vorzuͤglich S. 344: Cenwulf cen-
tensem - provinciam transverbefang praedatus est regemque “orum
Pren viribns sibi imparem comprehendit etc. ©. 345: Populos Can-
tiae etc. rex Egbricht in dominium suscipit, quos prius cognatus, SUUS
Pren iniuste amiserat. — Edbriht Pren regnavit tribus annis- etc,
2) Wir verdanken diefe Nachricht der dvurh Ingram Gericheigten
£esarten beö saxon chronicle, fowie der richtigen Erläuterung daſeldſt
S. 440. Seltſam genug iſt feine überſetzung irrig.
/
4
2 | Zweite Abtheilung.
nicht unwahrſcheinlich z wichtiger iſt aber und wirft mehr auf
des Prediger Anfprühe an die Krone ald auf Ceomvulfs
Charakter ein guͤnſtiges Licht, daß diefer jenem das Leben zu
nebmen nicht wagte und nad einiger Zeit, ald ex mit feierli-
em Pompe in der Kirche zu Winchelcomb die anweſenden
Geiſtlichen und Laien reichlich begabte, jenem: fogar die Frei⸗
beit ſchenkte ').
"Die Verwaltung. von Kent wurde von GCeonwulf feinem
Bruber Cuthreb (+ 805), welcher den Namen eines Königs
führte, übertragen. Doc bie Wieberaufbebung bed neuen
Erzbisthums verzögerte fich noch mehrere Jahre, bis fie auf
einer großen, zu Glovefho vom Erzbiſchofe von Canterbury ge:
803. haltenen. Synode der zwölf ihm untergebenen Biſchoͤfe — Stande
gebracht wurde?). Wir leſen mit einiger. Verwundberung, mit
welcher Berachtung ber. Befchluß der Synode von den Raͤnken
des Könige. Offa fpricht, durch welche der Sitz des heil. Aus
guſtinus in feinen Rechten beeinträchtigt. worben ſei, und ver
nehmen hernach, daß Erzbifchof Athelhearb ſelbſt nach Rom
gereift war, um. den Papft zur Wieberaufhebung des neuen
Erzbiäthfumd und Aufrechthaltung ber Einrichtungen feines
glorreichen Vorgängers Gregorius bed Großen zu beivegen,
Es fcheint ein befonderes MWohlwolen für AÄthelheard geweſen
zu fein, welches den Papft zu biefer auffallenden Nachgiebig⸗
keit fuͤr deſſen Intereſſe vermochte 5a die roͤmiſche Curie konnte
nicht dadurch gewinnen. Der Koͤnig hatte fruͤhere Verpflich⸗
tungen um einen Preis zu loͤfen, deſſen Zugeſtehung er ſpaͤter
noch ſelbſt bereuen muſſte; mehr aber noch fein Reich, denn
Mercien verlor einen Dereinigungspunck, welcher ſelbſt durch
- bie Einpeddeibung Kents nicht erfegt wurde. Der Erzbiſchof
von Canterbury würde wenige Jahre fpdter, als bei Dem
Berfalle. Merciens ein politiſches Übergewicht des litchfiel⸗
N) Zu gram a. a. 2. bezweifeit bie gefchehne Verſtuͤmmelung, obme
welche die Breilaffung ſchwerlich hätte. gewagt werben dürfen. Pal:
grade will fie ben eignen Unterthanen Eadberts gufehreiben. Doch
Eimeon von Durham z. 3. 798, was Ingram überfehn hat,
flimmt mit ber neuern Bandſchrife der augeljachsſchen Spronit, welche
ienes berichtet, überein. on
2) &. den Beſchluß in Smiths Beda p. 287,
Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Sahth. 238
der Prälaten nicht zu beforgen geweſen wäre, mit einer Ent
fehädigung für einige eingebüßte Einkünfte aufrieben geftellt ges
weſen fein
Alhelheard ſtarb nicht lange nachdem er die Wuͤnſche feiner
Amtsführung erreicht hatte. Bald entfpann fi) en Zwilt zwiſchen
Ceonwulf und dem neuen Erzbiſchofe, Wulfrid, worin die Leis
denſchaftlichkeit und Habſucht des Erſtern bitter angeklagt wird:
Sechs Jahre verhinderte der Koͤnig den Primaten in ber: Aus:
ibung ſeines geiſtlichen Amtes, und als dieſer von Rom, me
ihm eine guͤnſtige Entſcheidung ſeines Proceſſes geworden may,
zuruͤckkehrte, erklaͤrte Jener, daß weder die Decrete des Papſtes
‚noch bie Verwendung des Kaiſers Karl dem Wulfrid Die Wie⸗
derkehr verfchaffen follten, .werm ex ihm nicht gewiſſe Laͤndereien
und eine beftimmte Summe Geldes zuftelte. Zu Beiden var⸗
fand ſich zuletzt der Erzbiſchof, aber: die Dagegen verheifitne ,
Wiederherſtellung ber Privilegien der Kirche von Canterbure
unterblieb).
Ceonwulfs Tod ſcheint nicht minder als die übrigen. ger
naueren Nachrichten dem ihm fo freigebig gewordenen Lobe zu
” widerfprechen. Er wurbe auf einem Felbzuge ‚gegen die Oſt⸗
angeln getödtet, welche ber Druck einer ihr Anfehn ucberſchaeen⸗
den Regierung zum Widerſtande gereizt hatte.
Er hinterließ einen ſiebenjaͤhrigen Erben, Kenelm, welcher
bald auf Geheiß ſeiner verraͤtheriſchen Schweſter Cynedrithe
heimlich im Walde ermordet wurde. Ceolwulf, ein. Bruder
Ceonwulfs, trat jetzt die Regierung an; doch wurde er nach
zwei Jahren von dem Uſurpator Beornwulf, einem durch -bie
Geburt voͤllig unberechtigten Mercier, verdeaogt. Dercien: wnbte
fich immer mehr feinem -Untergange.
Die Geſchichte der kleinern Staaten, welche die von ſpaͤ⸗
tern Gelehrten mit geringer Geſchichtskunde ſobenannte Hept⸗
archie bildeten, if faſt verloren gegangen. Selbſt bei dieſen
Boͤlkern, wo die Genealogie ber Könige bie Grundlage aller
ihrer Geſchichte bildete, iſt diefe bald nach Einführung des
Chriſtenthums mangelhaft, und nur die Geſthichte einiger from⸗
men Nonnen iſt in dem gewöhnlichen Typus und mit ben hen
3) Evidentiae eccl, cantuar. ap. T'wysden. p. 3218.
819.
236 I Zweite Abtheilung.
tömmlichen Lobpreifungen abgefaſſt. Was fonft über diefe
Reiche bekannt tft, befchränkt ſich auf bie Erzählung von den
Siegen ber mächtigen Nachbarn und Spuren einzelner Aufſtaͤnde
gegen dieſelben.
Keiner dieſer Staaten duͤrfte die unbefriedigte Neugierde
der Geſchichtsforſcher ſo ſehr auf ſich ziehen als Oſtanglien,
welches von Deutſchen, vielleicht ſchon von Hengiſt und Horſa,
bewohnt, ganz von deutſchen Nachbarn umringt, in keiner Be⸗
ruͤhrung mit den Briten, das treueſte Bild germaniſcher Vor⸗
zeit liefern muͤſſte. Kaum verrathen in irgend einem andern
Zheile Englands nach jetzt ſo viele mwohlerhaltene germanifche
Drtönamen ihre Begründer. und alten Eigenthümer. Manche
merkwuͤrdige Sagen, "wenngleich, fuͤr den Gebraud der Ge⸗
ſchichte bisher nicht. aufgeklärt, haben fich in diefem Lande er⸗
‚ halten. Seine Lage war:für die Verbindung mit den Alt⸗
hachſen beſonders geeignet, und wir duͤrfen nicht nur London
in jener Zeit ſondern auch die oſtangliſchen Häfen Lynn, Yar
:.? nemuthe (Yarmouth) und Dunwich für das Ziel frififcher, ſaͤch⸗
fifcher und gallifcher Seemänner und Faufmännifcher Gildebruͤ⸗
der. oder Hanfen halten. Diefe Verbindungen. mit Deutſchland
forechen: felbft fich in den Legenden aus, welche einem Könige
des neunten Jahrhunderts, Eadmund, einen König von Sach⸗
fen, -Alcmund, zum Bater und den Geburtsort Nürnberg an-
weifen.. Daß das ſchwache, von Mercien faft ſtets beherrfchte
Sftanglien, wenn nicht die Mutter, doch der. Pathe Englands
werden muffte, laͤfft fich nur durch eine gegen das Ausland
hervortretende Wichtigkeit erflären. Das Land, felbt glich gro⸗
pentheils fehr den gegenüberliegenden marfchreichen Küften, und
die erft im Laufe mancher Jahrhunderte ‚ausgetrodneten Sum
pfe von Cambridgefhire, namentlich der. f. g. Infel Eiy, be
gannen durch Wiefen, Fiſchfang und Jagd den Bewohnern der
bortigen ‚Klöftee den Segen bed Landes Gofen zu bringen.
Wie Offa gegen die Welfchen, fo hatten‘ die erſten Könige
von Oſtanglien einen riefenhaften mit einem Graben verfehenen
Wall gegen Mercien aufgeführt, welcher den Namen des
Reckendeiches führt, jedoch fpäter vom Volke mit dem Namen
bald eines Heiligen (St. Edmund), bald des Teufels, aud
im fpätern Mittelalter Kanutd oder Heinrichs L bezeichnet
- ’ . " N "
Von Mitte bes St. bis Ende des 8. Jahrh. 2337
wurde ). Wir haben: fchon gefehen, Daß er:gegen ben gewalt⸗
ſamen Penda nicht ſchuͤtzte, wie gewöhnlich dieſe fünftlichen
Schutzwehren nur den nüßlichen Verkehr gehemmt und in gro⸗
fen Gefahren durch falfche Sicherheit gefchadet haben; doch
biente er lange um den Verwaltungspiftrict der Scheinkönige,
und bid. in fpätere Jahrhunderte um die friedlichen Grenzen
des Krummflabes von Norwich zu bezeichnen. Nachdem bie
Könige Sigebert und Egrife von Penda erfchlagen. waren,
wurde dem Anna, Anis Sohne und Neffen des Bretwalda
Redwald, dafielbe Loos. Sein Bruder Etheler wurde fein
Radzfolger, um dem furchtbaren Sieger fich unterwerfen zu
muͤſſen und im folgenden Jahre mit ihm von Oſwiu von Bers
nicien befiegt und im Kampfe erfchlagen zu werben. Über
vier Töchter Annas, welche ihr frommes Leben im Klofter en=
deten, werben wir ziemlich ausführlich berichtet; doch find bie
Chroniſten uneinig oder fchweigen über den Vater Albulfs, den
Sohn Annas, oder wahrfcheinlicher | defien Bruders, feines
Borgängers Etheler?). Ihm folgte nach funfzehnjähriger Re⸗
sierung ’) ein Bruder, vielleicht auch ein Sohn, Alfwold. Der
genealogifche Faden wird verloren für ein ganzes Jahrhundert,
Selred (+ 747)*), ein anderer Alfwold (+ 749) 9), Hunbe⸗
anna, Albert, Beorn, Ädelred find und bedeutungslofe Namen,
und erft bei dem Sohne des. Lebtern, Äthelbert, dem unfeligen
Schlachtopfer des Dffa und der Cynedrithe, gewahren wir
die große Luͤcke, über welche fie uns wegführen follen.
Die. Gefchichte Feines der angelfächfifchen Staaten - ift fo
Ieer ald die der Dftfachfen. Früher den Königen von Kent
655.
unterworfen, fielen fie fpäter an die von Mercien oder auch
1) Limes S. Edmundi. Florent. ad a. 905; vgl. chron. saxon.
h. a. Die Mündung Waſh Foßdyke ine fühlichen Fincolnfhire ſcheint
nur die Richtung anzugeben.
2) Für Erſteren Thomae histor. eliens: in Wharton Anglia
sacra I. Fuͤr Lesteren Malmesb. I, 5.. Alfred Beverlac. und
das Schweigen Bebas, obwohl biefer bie Mutter Hereswithe ‚nennt.
3) 668— 713 f. Einleitung Note.
A4) Chron. Mailros, h. a.
5) Simeon. Wir befi igen einen Brief von ihm an ben Erzbifchof
Bonifacius. Epist. 76. in maxim. bibl, patr. T. XIH.
238 Iweite Abtheilung.
mit benfelden an Northumbrien. Einige Kaͤmpfe mit Web
fer, worin ums Jahr 617 ihre Könige Sexred und Sewarb
fieten,, bezeichnen eine kurze Zwiſchenperiode einer geringeren
Abhängigkeit. Vermuthlich bat ſchon Penda fie befiegt, doch
haben die Chroniſten dieſes Ereigniß der Aufzeichnung nicht ges
windigt; welche dagegen preifend berichten, wie der König
Sebbi die Tonſur genommen und bid zum Jahre 694 gelebt,
und hernach der jugendliche Koͤnigsſohn ODffa gleichfalls ber
Krone entfagt habe und nach Rom gepilgert fei'). Obgleich
Mercien unterworfen, herrſchte das alte Gefchlecht der Uffingen,
beren genenlogifche Verbindung, wenn auch nicht ganz deut
lich, doch die gefepliche Erbfolge beweifl. Wie ein Haudgefek
wurde während 250 Jahren die Regel beobachtet, daß die Na
men von beinah zwanzig Königen feit Sleda mit denſelben
Buchſtaben begannen. Vielleicht gehört zu diefen noch ein Koͤ⸗
nig Sigebald, welcher den Bonifacius als geiftlichen Hirten in
fein Land zu ziehn verfuchte ?).- Auch über London, ben wide
tigften Theil von Eſſer, vernehmen wir faum andere Nachrich⸗
tm als die Namen einiger Geiftlihen. Es ſoll ſchon früh
mit feinen Umgebungen von ben Königen von Mercien abhän-
‚gig geweien fein”). |
Kent, obgleich wahrfcheinlich nicht ber ältefte unter ben
deutfchen Staaten im Britenlande, hatte durch die Tapferkeit
- feiner aͤlteſten Könige und Heerflhree fowie durch die frühere
1) Offa iuvenis amantissimae aetatis et venustatis, Beda V, 19.
Nah Beda fcheint er die Regierung nicht angetreten zu haben. Pals
grave II, 305 irrt alfo, wenn er glaubt, daß Offa fchon vor 683 res
giert haben könnte. Die Urkunde bei Thorne (b. Twysden p. 2219),
welche Offa, rex Anglorum, im 38ften Jahre feiner Regierung ausftellte,
ift nicht im 3. 690, fondern ein Tahrhundert fpäter‘ durch Offa von
Mercien gegeben.
2) Bonifacii epist. 49. Zür meine‘ Vermuthung ſpricht, daß
der Name ſich ſchon fruͤher in jenem Koͤnigsgeſchlechte findet, ſowie die
Erwähnung des Biſchofs von London patris nostri Er(e)enwaldi. Da⸗
gegen fcheint die Beziehung von Bifhof Daniel (von Winchefter) einen
weftfächfifchen König vorauszufegen. Ein Kaiferfchnitt der Kritik würbe
fein zu Iefen: ÜÄthelbald, König von Mercien, dem London und als
Bretwalba vermuthlich auch andere Bisthämer wnteegeanbant waren.
3) Malmesb. I, 6.
Bon Mitte des 3. bis Ende des 8. Jahrh. 259
Anfchlieffung an das Frankenreich und bie Continentalkirche eine
gewiffe Vornehmheit und felbft einen Vorrang vor den Übrigen
Inſelſtaaten erhalten. Schon bald nad) König Athelberts
Tode ſank, unter feinem Sohne Eadbald, Kent in ein feiner
phyſiſchen Kraft angemeſſenes Verhältnig zuruͤck, obgleich feine
Schweſter dan mächtigen Eabwin von Northumberland, er
felbft, von widerlichen Verirrungen der Leidenfchaft, welche ihm
für feine verwittwete Stiefmutter verblendete, zuruͤckgekehrt, der
Tochter des Koͤnigs ber Franken, Ämma, vermaͤhlt war ).
Ihm folgte, durch Liſt den aͤltern Ecgfrid verdraͤngend, fein 640.
zweiter Sohn Ercombert, gleich ſeinem Vater die oben beachtete
Rundzahl von vierundzwanzig Jahren regierend. Seine kirchlichen
Anordnungen werden geprieſen; ihm erſt gelang es die Goͤtzen⸗
bilder zu zerſtoͤren. Doch eine größere Theilnahme des Volkes
und der allvengeltenden Kirche erbliden wir in den Gefchiden
des Altern Bruberd Ermenred, deſſen ſechs Kindern ald Heiligen
der Erfag der irdifchen Einbuße wurde, Das Märtyrertbum
feiner beiden Söhne Athelred und Xthelbert wurde Jahr⸗
hunderte in den Kirchen am 17. October begangen: als bie
Legende Dem aus ihr hervorgegangnen Drama Plab machte,
wurde der Hauptinhalt derfelben ber Stoff von Shakſpeares
unflerblicher Darſtellung von Arthınd Ermordung. Ercomberts
Sohn Ecgbert war feinem Vater auf dem Throne gefolgt,
durfte fich aber auf demfelben nicht gefichert halten. Der
Than Thunner errieth den Wunſch, deutete den Wink bed
Herrn und deſſen jugendlicher Vetter wurde ermorbet?). Nach
ber fchönen Legende, ' welcher die Gefchichte hier einmal em
1) Die Ehe zwiſchen dem Stieffohne und der Stiefmutter war bei
‘den für Die englifche Nechtögefchichte nicht unwichtigen Warnern geſtat⸗
. tet, ſ. Procop. de bello goth, IV, 20. — Bon feinem Zodestage den
20. Zun. f. oben Einleitung, welcher Zag, bei ältern englifchen Schrift
fielen nicht erwähnt, ſich gleichfalld in des W. Thorne chronica
apud Twysden p. 1769 wieberfindet. AÄmmas Name findet fi in .
der Urkunde v. 3. 618 in Smiths Beda ©. 694. Daß Theobbert (IT:
in Auftrafien) ihr Vater geweſen fet, ift die Bermuthung Langhorns
chron. reg. anglor. p. 155.
) Kurz cngebeutet zuerſt bei Malmesb. I, 1., ausfuͤhrlich bei
Simeon p. 86 sg. Thorne apud Twysden p. 1906,
20 .Bweite ‚Abtheilung.
Winkelplaͤtzchen einräumen möge, wurben die Exfchlagnen unter
bes Königs Throne — wo fonnten fie ficherer ruhen? —
eingeſcharrt; aber ein himmliches Licht umflrahlte die Gebeine
‚685
6. Febr.
ber Unfchuldigen und enthüllte fie den Augen des‘ Volkes,
Der befchämte König zahlte die Mannbuße einer Schwefter
des ermordeten Prinzen mit 48 Ackern, dem weltlichen Rechte
fühnend, wie. hernach dem geiftlichen durch Öffentliche Abbitte
und Errichtung eines Klofterd auf jenem Lande in der Inſel
Thanet. Der Lauf einer Hindin hatte die Größe des Lan
des beflimmt, und den fpottenden Verräther Thunner verfchlang
die fich fpaltende Erbe.
Ecgberts (+ 673) Sohn Eadric wurde von deſſen fün
germ Brüder Hlothere (Lothar). verdrängt, nachdem fie einige
Zeit gemeinfchaftlich, vielleicht gegen den feindlichen Einfall
Üthelbertd von Mercia vereinigt, regiert hatten. Durch die
> Hülfe der Suͤdſachſen (Suffer) befiegte Eadric endlich den
treulofen Oheim. Doc freuete fi Jener der. Alleinherrfchaft
nur kurze Friſt; ein gewaltfamer Tod riß ihn weg, und: Kent
‚blieb da8 Spiel der Empörer, der Schauplatz des Kriegs mit
Weſſer und inneren Haberd, bis nach neun Jahren mit Ecg⸗
berts Söhnen, Eadric (+ 686) und Vithred die gefegliche
Thronfolge;. dad Recht und der Frieden wieberkehrten. Des
| Letzteren neununddreiffigiährige Regierung (+ 725) wurde durch
feine Söhne Eadbert) (+ 748), Athelbert II.) (+ 760),
1) Die Urkunde des Königs Eadbert Eating v. 3. 741 ‘über eine
‚Schenkung an die Kirche von Canterbury enthält entweder in den Wor⸗
ten cognomento Eating den Zufa& eines unwiſſenden Abſchreibers, ober
fie ift von dem damals regierenden Könige von Northumbrien, Cadbert,
dem Sohne des Eata ausgeftellt. An diefen hat Palgrave IT, 269
nicht gedacht, als er aus dieſer Urkunde den Namen der Mutter des
Zentifchen Eabbert herleitete. Schenkungen anderer Könige an die Haupt:
kirche Britanniens, nad) vorhergegangnem Kaufe oder Scheinkaufe,
waren nicht ungewöhnlich.
2) Charakteriftiih für fein Zeitalter iſt es, daß Athelbert den be
jahrten Erzbiſchof Bonifaz erſuchte ihm doch einige Falken zu fenden.
Bonifacii epist. 40. — Seine Mutter, Vithreds Gemahlin, hieß
Üchtburga, wie eine Urkunde, vermuthlich v. 3. 697, lehrt, welche in
Smiths Beda irrig abgedruckt, im Facſimile ſich in Grose anti-
quarian repertory T. II. findet.
J
Bon Mitte des.5. bis Ende des 8. Jahrh. 241
den fech8 Jahre vor feinem Tode ein unglüdlicher Brand der
Hauptftadt traf, und Alric) fortgefeßt, mit welchein nach
vierunddreiſſig Jahren das, Gefchlecht oder doch die dltere Linie
der Äfcingen ausſtarb. Eadberts Sohn ſcheint Earbulf gewe⸗
ſen zu ſein, welcher mit ſeinem Oheim einige Jahre regierte,
doch vor demſelben farb). Aldric war es ber dem Überge⸗
wichte Offas bei Otford erlag. Die legtere und die nächfifol-
gende Zeit ift.fehr dunkel. Das kleine Land war gewöhnlich
unter mehrere Könige vertheilt und diente zur Apanage bald
weftfächfifcher bald mercifcher Zürftenföhne. Bon Eadbert dem
Driefter haben wir fhon unter Ceonwulf von Mercien gerebet.
Der Sitz des Erzbisthums zu Canterbury verlieh dem Koͤnig⸗
reiche Kent fortwährend größere Selbftänbigkeit, als es fonft
den mächtigen Herrfchern von Northumbrien, Mercia und
Meffer gegenüber beſeſſen haben möchte. Den Vortheilen einer
774.
796.
allgemeinern Bildung von Kent haben wir ed vermuthlich zus
zufchreiben, daß die Alteften vorhandnen angeljächfiihen Ge⸗
fege von ihren Koͤnigen erlafjen find, nämlich Athelbert, Hlo⸗
there, Eadric und Wihträd.
ESuſſer, das Reich des erflen. Bretwalda ber angeifäd“
fifchen Sage, Ada, ift bald nach deſſen Tode faſt verjchols
Ien. Bei feinem geringen Umfange, der verhältnißmäßig zu
ben angrenzenden Provinzen dem Handel und der Schifffahrt
bis auf den heutigen Tag ungünfligen und für politifchen
1) Maimesb. J, 1. Beda V, 23. nennt ben legten Sohn: With:
reds auch Ailricz Heinrih von Huntingbon Egfert. Ein Erg:
bert kommt unter den derzeitigen Koͤnigen von Kent allerdings auch vor,
in Urkunden von ben J. 766 u. 7785 durch welchen dieſe Vermwechfelung
entftanden fein Tann. Der rex Egbert in der Urkunde vom I. 790 bei
Twysden 2219 ift ver Sohn des Offe von Merrien.
2) Die Urkunden vom 3. 762 im textus roffensis find nicht, wie
Palgrave meint, in dem Namen des Erzbiſchofs Cuthbert irrig, da
auch der daſelbſt gegenwärtig genannte König Äthelbert nur bis 760
lebte. Doc) Alles ift richtig, wenn flatt X gelefen wird V, alfo ſtatt
762, 753. Eine Schenkung von Eardulf ohne Jahreszahl findet ſich
bei Twysden 2220. Ein Brief von ihm an ben Erzbifchof vom
Mainz, Lullud, ift zwifchen den Sahren 764—775: aufgefegt, da im
demfelben zugleich mit an ben Eardulf, Biſchof von Rochefter, färie
‚ben iſt.
Lappenberg’s Geſchichte Englands 1. 16
242 Zweite Abtheilung.
Einſtuß vorm Mittelpuncte des Landes zu entfernten Lage, Ev
wen. wir die Rolle welche es unter Alla fpielte, nur einer be
deutenden Perſoͤnlichkeit zufchreiben, ſowie ber auch fpäter bes
waͤhrten Tapferkeit feines rohen Volkes. Diefer Tugend bes
Letztern wird faft bei jedem Anlafle gedacht, wo fie in ber Ges
fehichte auftreten: 610 bei dem mörbertfchen Kampfe gegen Geol⸗
wulf von Wefjer, bei den Kriegen mit deffen Nachfolger Ceadwalla
fowie den hernach zu ermähnenden Begebenheiten. Die ſpaͤ⸗
. were Belehrung der Suͤdſachſen, die Uncultur des Landes find
711.
oben erwähnt. Jener ımb dem damit verbundenen Mangel
fchriftfundiger Geiſtlicher iſt es beizumefien, daß wie nicht. eins
mal eine duͤrre Reihefolge dev Regenten,, gefchweige denn nd
bere Nachrichten über diefelben befigen. Sie waren bald Weiler
bald Mercien Iehnspflichtig. Der erſte chriftliche König von
Suſſer, Kthilwalb, hat von Wulfhere von Mercien die Beleh⸗
nung mit der Inſel Wigbt und der Meanwara Maegthe in
Bampfbire erhalten; doch noch jenen erbliden wir als Unterkoͤ⸗
nig (subregulus) bed Koͤnigs von Weffer und feine Rachel
ger abwechfelnd unter den Titeln Herzoge (duces), Könige;
Unterlönige. Im die lebten Tage des Äthilwald fällt der bes
veitö erwähnte Beiftend, welchen &uffer dem König Eabrie
von Kent leiſtete. Später wird die Befiegung ber Gegend von
Haſtings durch Offa von Mereien erwähnt, ohne Daß eines
. Königs von Suffer dabei gedacht wird. Der dux Bertwalb,
welcher die Einkünfte ver bedeutendften Häfen dieſer Provinz
vergabte, war Offas Statthalter . Es iſt nur der Nachhall
von AÄllas Namen, durch welden Suſſer von den Geſchicht⸗
(chreibern eine Stelle in der angelfächfiichen Heptarchie ange⸗
wieſen erhielt; eine Bezeichnung welche eben fo richtig und fo
unwichtig iſt wie die meiften ähnlichen Ausdrücke, durch welche
bifkorifche Zuſtaͤnde haben generalifirt werden follen. Um den
Ausdrud zu rechtfertigen, lieffe ex fich dahin erklären, daß er
die Periode begeichne, in welcher dad angelfächfifche Britannien
gewöhnlich von ben Nachkommen fieben großer Herrfcherfamilten
regiert wurbe, wobei dann der achte in Bernicia uͤberſehen wird,
.. atweber weil dieſes Land dem fpätern Schottland größfentheils
1) ©. oben. Er erfcheint auch in andern Urkunden Offas vom 3.
795 bei Hickes 1 171.
a or
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 243 u
"angehörte, ober weil es bald mit Deira zu dem Reiche Norte
humbrien fich vereint. Dad Ausflerben und die Auflöfung
‚ber. Königegefchlechter ifl e8 befonbers was den Gegenfaß zu ber
Zeit der fpätern f. g. Monarchie bildet, welche häufig noch mehrere
Reiche, doch nur noch in Wefler die Ahnen Wodans Fannte.
Indeß viel wichtiger ald zu zeigen, daß die herkoͤmmlich fo
benannten’ großen Staaten nicht ſtets unabhängig herrfchten,
-(wie denn auch fihon Altere Chroniften, von Effer und Suffer
fchweigend, oft nur von fünf angelfächfifchen Königreichen fpres
chen), möchte es fein, die große Anzahl der Beinen, der Ges
fchichte unbemerkt und früh verfchwundenen Staaten der Angels
fachfen nachzuweifen. Dazu gehören: Mittelfachfen (Middlefer),
weiches Durch die ‚vorübergehende, hernach auf Merden überge-
gangene Groberung bed Cuthwulf, Königs des Weftfachfen, der
kurzen Nachbarfchaft des Weflfachfen fowie der bleibenden von
Efier dieſen Namen verdankte; Suthrige (Surrey)); das
Meich der Jinen auf der Inſel Wight; die Hecana (Hereford),
Mageſetania oder das Land der Hwiccas; die Mittelangeln;
Elmete ); die Lindiswaren, welche ſpaͤter von Unterkoͤnigen und,
als dieſer Titel verſchwand, von Herzogen und Ealdormanen oder
Grafen beherrſcht wurden; und ohne Zweifel noch manche andere,
deren Geſchichte aufzuklaͤren vieleicht den Geſchichtſchreibern der ein⸗
zelnen engliſchen Grafſchaften, durch Benutzung alter Urkunden und
mancher Localkenntniſſe, moͤglich ſein wird. Bis jetzt duͤrfen wir
von den meiſten Diſtricten nur mit Unſicherheit ſprechen, wenngleich
einige andere mit Zuverficht nachzuweiſen find: z. B. dad große
Land der Pec⸗ſetna, noch jetzt Peakland in Derbyſhire; das kleine
der Ciltern⸗ſetna (Chilternhills in Oxford); die Oſt⸗ und Weſi⸗
Wilſaͤten (Wilts); die Lindiswaren; Spalda (Spalding fuͤdlich
in Lincommfhire); die Suͤd⸗ und Nord⸗-Gyrwier ). Jedoch er⸗
1) Obron. Angliae Ms. hamburg.
2) Florent. ad a. 823.
3) &. oben. Beda fpridt nur von ber silva Elmete.
4) Großes Licht über die älteften Gebietseintheilungen vor dem Auf
kommen des Shires könnte uns aus den alten Notizen bei Gale I. p.
748 werben; doch find fie zu fchlecht abgedruckt, um auch nur Conjec⸗
turen auf bie meiſten berfelben zu bauen. &o werben auf die Suth-
saxona, welchen Beda 7000 Hyden gibt, 100,000 hidae berechnet.
416*
—
244 Zweite Abtheilung.
kennen wir namentlich aus den Nachrichten, welche uns uͤber
einen der bedeutendſten jener kleinen Staaten erhalten ſind, daß
ſie gewoͤhnlich bei Verwandten der groͤßeren koͤniglichen Haͤuſer,
in erblicher Folge und haͤufig im Geſammtbeſitz mehrerer Bruͤ⸗
der ſich befanden. Dem Unterkoͤnige der Hwiccas, Oshere, folgten
feine Söhne AÄdilheard, Ädilweard ') und Ädilric?). Ihnen folgten
drei Brüder Eanbert, Uhtred und Aldred ?). Unter dieſen
Heinen Königen flanden wieder befondere Ealdormanen (prin-
cipes, comites), welche in der Witena Gemote feine Hands
lungen lenkten und beflätigten oder auch feine Foderungen ver
warfen. Das von ODffa feinem Sohne Ecgfertb im 3. 785
verlicehene Reich Mercien war vermuthlic, das Land der Hwiccas,
in welchem feit diefer Zeit Fein befonderer König mehr erfcheint*).
Die Angelfachien in jenen Reichen befaßen bisher Feine
Staatsverfaſſung, fondern nur eine auf Eroberungen gerichtete
Kriegsverfaſſung. Die fefle Niederlaffung erfchütterte dieſe zu>
erfl, nicht minder die Annahme des Chriftentbumes; bald darauf
hörten die Eroberungen ganz aufs denn die Fehden mit den
Nachbarſtaaten können, da fie ber Kriegerfchaar Feinen Erwerb
brachten, auch im glüdlichen Zale nicht zu jenen gerechnet
1) Daß diefe beiden Namen nicht berfelben Perfon gehörten, wie
Palgrave II, 288 meint, ergeben die Urkunden vom 3. 692 in
Hickes thesaur. 1. 169 u. 170. In ber erflen nennt Oshere
den AÄdilheard feinen Sohn.
2) Schon 706, f. Palgrave a. a. DO. Noch 736 in einer Ur
kunde des Königs Kehisbard von Mercien in Smith Beda S. 765.
3) &. Palgrave a. aD. Doch Eommen Uhtreb und Aldreb
noch im 3. 767 vor; Leterer im 3.775: Offae subregulus Aldredus,
dux propriae gentis Huicciorum. — Urt. bei Hickes I.p. 170g.
Die Urk. Offas bei Smith Beda &.767 ift vermuthlich nicht falfch,
aber in der Jahrzahl flatt V zu Iefen X und alfo flatt 756, 761. Sn
ihr: subregulus Uhtred aliquid regimen propriae gentis Huicciorum
tenens.
4) Wie wir im I. 800 einen dux Merciorum Aethilmund finden,
fo führte ſchon deſſen Vater Ingeld unter Aldred denfelben Titel. ©.
Urt. vom 3.767 bei Hickes a. a. O. dux et prefectus regis. Oshere
ſagt: consentiente comite meo Cuthberto. Der Titel princeps wird
zuweilen von allen Ealdormanen geführt und barf baher nicht. beim
Broda Hildagils als eine befondere Auszeichnung betrachtet werden.
©. urk. bei Hickes a. a. O. 171.
Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 245
werden. Es gab für Sreigebome nur zwei Stände, ben bes
Kriegs und den der Kirche, woher wir auch die oft fabelhaft
fcheinende Anzahl der Firchlichen Perfonen glauben müffen.
Der letztere verließ den Staat; den erfleren hat der Staat,
wenn wir bie Berbrüberung eroberungdluftiger Genoſſen fo nens
nen dürfen, verlafien. Die meiften der kleinen Staaten waren
daher bald wieder aufgelöft, und die meiften größeren fehen wir
von Anarchie zerrüttet in den Händen ftets fi ch einander ver⸗
draͤngender Uſurpatoren.
Uns bleibt noch Wefler zu betrachten und wahrzuneh⸗
men, welche Umflände diefes Land vor den übrigen Staas
ten begünftigten und für einige Iahrhunderte zum eigentlichen
England mahten. Das Geheimniß feiner Eriftenz und ber
Schluͤſſel feiner älteren Gefchichte liegt darin, daß, nachdem auch
Northumbrien auf fernere Ausdehnung verzichten mufite, Merz
ciend feindlich gefinnte Nachbaren Offas Deich nicht überfchreis
ten Tonnten, dad weber Durch natürliche Grenzen noch fruͤh⸗
zeitige Erfolge gefchügte- Weffer ſtets einen Waffenplag, aber
auch Land um die Tapferen durch Lohn und Lehen zu erfreuen,
an dem Savern fowohl als in dem füdweftlichen in Cormmwales
endigenden Zande der Fremden, dem Welfchlande, fand. Das
- Durch blieben Kriegszucht, gefegliche Thronfolge und ein ruhi⸗
ger Befisftand dem Lande in dem Maße gefichert, daß ed alls
mälige Verbefferungen aufnehmen konnte, bis es in einem feis
‚ner Regenten den einfichtsvollen und Fräftigen Mann fand,
welcher berufen war die zu Einwohnern und Landeskindern ge⸗
- worbenen Enkel der eingedrungenen Horben in nähere Vereini⸗
gung und, foweit es neu eintretende Hinderniffe geftatteten,
“ einer höheren flaatöbürgerlichen Ausbildung entgegenzubringen.
Die Nachfolger Geolmulfs, Cynegils und fpäter gemeinfchaft-
lich mit diefem fein Sohn ') Cwichelm, festen die Fehde gegen die
Briten mit dem ererbten Glüde fort. Die Grenzen des fehr
1) ©. Florent. ad a. 614. 628. 636. 648., auch Alfred von
Beverley. Wilhelm von Malmesbury I, 2. fagt freilich filii
Celrici Cinegislus et Quioelmus; doc} nennt er hernach Cwichelms Sohn
Cuthred den fratruelis des Coinwalch, Sohnes bes Cynegiſl. Die Vers
wirrung ift hier vermuthlich dadurch veranlafft, daß der Sohn vor bem
Bater farb,
246 Zweite Abtheilung.
kieinen Reiches wurden allmaͤlig erweitert, welche bisher ner die:
nachherigen Shired Hampton, Berks, Wilts, Glocefter bid zum
| Savernfluſſe und einen Theil von Oxford umfaſſten. Jene Ku
nige bramgen weit in dad Gebiet. der füdlichen Briten vor,
welche zu Beandune (Bampton in Devonfhire an der Grenze:
von Somerfet) gefchlagen wurden; von einem panifchen Schrek⸗
ken bei dem Anblicke des wohlgeordneten Heeres ihrer Feinde,
ihrer ſtrahlenden Streitaͤrte, der Groͤße ihrer Speere ergriffen,
wurden ihrer, was uns zur muthmaßlichen Schaͤtzung damaliger
Heere dienen mag, 2062 erfchlagen ). Eben fo gluͤcklich waren
jene gegen Effer, welches drei Könige, die Söhne Sabercts, in
Leihen und Strömen Blutes Wenige nur entfliehen Tonnten ?).
Penda der Starke hatte fie angegriffen, doch in der Schlacht
. bei Cirenceſter nicht befiegt. Nur gegen Eadwin von Northums
brien hatten fie einen Theil ihrer Befigungen verloren, und ber
von bem gereizten Cwichelm gegen jenen König unternommene
638.
. 642,
Grundſaͤtzen. Er nahm das Chriftenthbum nicht an, verſtieß
Mordverfuch führte fie zu einer, von demfelben jedoch nicht
verfolgten, Niederlage ’). Eynegifl und fein Sohn traten beibe,
auf Vermittlung des Königs Oswald von Northumbrien, durch
den Bifhof Livinus getauft zum Speitentpum über; Ewichelm
ſtarb jedoch im folgenden Jahre.
Die naͤchſten Jahre verfloſſen ruhig in Ausbildung der
neuen geiſtlichen Einrichtungen. Des Koͤnigs zweiter Sohn
Cenwealh war der Schweſter des maͤchtigen Penda verlobt,
durch welches Verhaͤltniß der gefaͤhrlichſte Feind oder Nachbar —
beide Ausdruͤcke pflegten in der Politik jener Voͤlker gleichbe⸗
deutend zu ſein — beſchwichtigt ſchien. Cenwealh folgte dem
Vater bei deſſen Tode in der Regierung, doch nicht ſeinen
feine Gattin und verband fich mit einer andern, vermuthlich der
‚ihn Überlebenden Searburge. Penda raͤchte feine Schwefter
1) ©o Henr. Huntend. Dad chron, saxon. und Florent,
Wigorn. ad a. 614. haben 2046,
2) An ſolchen Beichreibungen der Schlachten gibt fi flets Hein-
rich von Huntingdon zu erkennen.
5) Beda II, 9. Malmesb. I, 2.
. einem blutigen Kampfe verlor, aus dem von-den Bergen von .
Von Mitte des 5. bie Ende des 8. Jahrh. 37
dadurch, daß er den Cenwealh von feinen Throne flieg, wel⸗
dyer zum Könige der Oſtangeln Anna flüchtete, bei welchen «x
Drei Jahre zubringend, deſſen Beilpiel und Anrathen folgend,
zu ben Lehten bes chriftlichen Kirche fich befannte. Durch die
Hälfe des Cuthred, des Cwichelm Sohn '), wurde er wieder in 648.
fein Reith zuruͤckgetufen und belohnte feinen Neffen durch die
Abtretung des dritten Theils feines Reichs, ober nach Anden
von 3000 bei Aſcesdowne belegenen Hyden, welcher Diſtrict
nach Cuthreds Tode wieder an Weffer zurüdfiel. Diefes Eleine 661.
Reich ſtieß an Merchen, und mahrfcheinlich war der baffelbe bes
zeichnende Drt Afhdown im Süden ber Grafſchaft Bes,
Cenwealhs Regierung war für die Vergrößerung von Weſ⸗
fer wichtig.‘ Er flug die Briten von Dyvnaint und &ernau,
welche füh feinem Vorbringen wiberfegten ?), in mehrern Schlach⸗
ten auf dad Haupt, zuerſt zu MWithgeorneöberg, vermuthlich
bem durch Cerdits Sieg und feined Neffen Withgard Grab bes
kannten Withgarabyrig ’) (Garisbroof) auf der Inf Wight,
deren bald. folgende Schicſale es als gewiß erſcheinen laſſen,
daß ſie in den Haͤnden einer von Weſſer unabhängigen Bevoͤl⸗
kerung von heidniſchen Juͤten und, wie ſolches in dem groͤßern
oͤſtlichen Theile Britanniens der Fall geweſen war, zum Heie
denthume zuruͤckgefallenen Briten ſich befand. Folgenreicher
waren Cenwealhs Siege zu Bradford am Avon in Wilts, Der 652
damaligen Öfttichen Grenze feines Reichs, welches er nach dem
. Siege am Berge Pen, wo die Kraft der Briten wie Schnee 656.
vor der Sonne zerfchmolg und unheilbares Berberben den
Stamm bed Brutus traf, bis an den Parreifluß in dem alt
britifchen Lande, welches hernach die Sumerfäten beſaßen,
ausdehnte *). Eine Folge dieſer Erweiterungen war die Errich⸗
tung eines zweiten Bisthumes in ſeinem Reiche, welches ſeinen
Sitz zu Wincheſter erhielt, einem altberühmten Orte, wo Gens
1) Florent. Wigorn. et chron. saxon. ad a. 628. Vol. |
oben S. 159.
5) 3 fehe Feine Gründe mit Palgrave 1,263 anzunehmen, daß
diefe feit dem Jahre 589 fchon von Ben Sachen unterjocht gewefen find
und damals einen Befreiungsverfuch gemacht hatten.
8) Malmesb. I, 2
4) Florent. Hear. Huntend. 817”. Malmesb. J, 2%.
661.
x
248. Zweite Abtheilung.
wealh ein. Ktofter nebft einer im ihrer erfien Grimdung pracht⸗
vollen Kirche '), welche in fpäten Jahrhunderten zu einer der
ehrwuͤrdigſten Domlathebralen erweitert wurde, geftiftet hatte.
Wenn daher fein Vorfahr gegen den Bifchof: Agilbert unge
recht zu nennen fein mag, fo koͤnnen wir darin nur ben Un-
geftum des Neubekehrten erkennen und noch weniger das Be
fireben, einen in der ihm allein verfländlichen Mutterfprache re⸗
denden Biſchof zu beſitzen, tadeln ). Andern ausgezeichneten
Geiſtlichen der angelſaͤchſiſchen Kirche, wie namentlich dem Be⸗
nedict Biſhop, dem Stifter des Kloſters Wearmouth, hatte er
fein Wohlwollen häufig erwieſen ). Jene neue kirchliche Dr:
ganiſation war um ſo wichtiger, da die uͤbrige meiſtens die
Kriegsverfaſſung bezweckende Verwaltung der Sachſen nicht
als ein geiſtiges Bindungsmittel anzuſehen war, wie die Errich⸗
tung des Biſchofsſitzes zu Wincheſter es im hohen Grade wer⸗
den muſſte. Die altbritiſchen geiſtlichen Anſtalten wurden von
dem Eroberer nicht zerſtoͤrt, ſondern vielmehr gepflegt, und wir
kennen noch die Schenkung, durch welche. er die Mönche des
durch ihm fächfifch geworbnen Glaftonbury bewog felbft am
Grabe des Königs Arthur für das ewige Heil auch des germa⸗
‚nischen Eindringlings zu beten *). |
Gefährlicher war der Kampf, welchen Genwealh mit bem
Bruder feiner erften Gemahlin, dem Könige von Mercien, Wulf:
here, nunmehr begahn. Wenn auch im Anfange bed Feldzu⸗
ges diefer in den Befigungen Cethreds bei Äfcesdun, wo er
alfo als der angreifende Theil erfcheint *), gefchlagen, vielleicht
felbfi gefangen wurde ©), fo verlor Cenwealh in dieſem Jahre
‚zwei Sreunde, den König Cuthred und Cenbyrth, einen aͤhnli⸗
hen Unterkönig. Bald drangen die Mercier jedoch weiter vor,
1) Malmesb. 1.1.
2) Beda III, 7.
5) Bedae hist. abbat. Wiremuth. |
4) Guil. Malmesb. de antiquit. glaston. ecclesiae ap.
Gale I, 308.
5) Auf Matth. Westmon. rebellavit contra Wulfherus iſt
daher kein Gewicht zu legen.
6) Aethelweard.
Bon Mitte des‘ö. bis Ende des 8. Jahrh. 249
aber wurden von fühlichen Bundesgenoſſen fiegreich unterſtittt
um die Übertragung der Inſel Wight und eines Theiles von
Hampton, die Meanwara Maegthe '), durch Wulfhere an ſei⸗
nen Verbündeten Athelwald, den, vermuthlich neuen, König
von Sufler.
Nach einer mehr ald dreiffigiährigen Herrſchaft ftarb Een:
wealh plöglich ?) ohne Kinder und andere nahe Erben. Doc)
hatte .er für die Fortfegung feiner —— — dadurch geſorgt,
daß er dieſelbe ſeiner Gemahlin Searburge übertrug. Die Ne
gententugenden biefer Frau, an der Spitze des Heers und des
Reichs entfaltet, werden in Ausdruͤcken geprieſen ) welche ver⸗
rathen, wie groß der Eindruck war, welchen eine ſo ſeltene Er⸗
ſcheinung als die einer regierenden Koͤnigin bei den Angelſach⸗
ſen erweckte. Doch unterlag ſie bereits in Jahresfriſt den Sor⸗
gen und Anſtrengungen des maͤnnlichen Amtes *), welche durch
Die Ungeſetzlichkeit ihrer Anſpruͤche auf daſſelbe nicht wenig ver⸗
672.
mehrt wurden. Zwei Unterkoͤnige von Weſſer, Aſcwin, ein
naher Anverwandter des koͤniglichen Hauſes, Urenkel des Koͤ⸗
nigs Ceolwulf, und ein Bruder des letztoerſtorbenen Koͤnigs,
Gentwin °), welcher als der allein berechtigte Thronfolger und
deffen Ausfchlieffung durch Searburge unerklärlich und erfcheint,
beherrſchten das Reich nach einander oder gemeinfchaftlich meh:
rere Sabre. Die widerfprechenden Nachrichten über diefe dun⸗
keln Verhältniffe werben durch diejenige vermehrt, daß zundchft
auf Searburge Genfus, der Vater Aſcwins, gefolgt ſei *
1) Maegthe, Provinz, beutet auf die Stammverwandtſchaft He J
Magenſchaft der Einwohner.
2) Immatura morte. Bedae hist abbat. Wiremuth.
3) Malmesb,
Malmesb. |. L. plusquam animos foemineos anhelantem vita
‘ destituit, vix annua potestate perfunctam. Rach Matth. West-
mon. ad a. 672, wurde fie vertrieben. N
5) Malmesb. fagt freilih: qui fuit Cynegisli ex fratre Cuth-
gislo abnepos. Ich folge dem Slorenz ad. a. 67% und genealog.
fo wie saxon. chron.
6) Diefe Nachricht iſt mehr als ihrer felbft willen ung wichtig
durch die Autorität, auf welcher fie beruhet. Florent. genealog.
p. 693. Deinde Kenfus duobus annis secundum dicta regis Aelfredi,
676,
2330 Bmweite Abrheilumg: -
Schon Beda, veſſen Jugrud In biefe Seiten fiel, wuffte wenig
über die zehnjaͤhrige Anarchie in dieſem Heinen Rriche. Aſcwin
Koͤnigsname wuͤrde vielleicht wie der ſeines Vaters beſtritten
fein, wenn nicht eine große Schlacht, welche er dem bis Bed⸗
win in Wiltfhire vorgebrungenen Könige Wulfhere von Mes
cien lieferte, den Ruhm eines Helden ihm erworben hätte. Der
ſehr blutige Kampf war wichtig genug, um die Nachrichten
über den Erfolg eigener Luft gemäß einzukleiden: der Chronifl
von Mittelengland fuchte dem Könige von Mertien die Ehre
eines ſchwer errumgenen Sieges zu erdeuten; dee von Weſſer,
fir welchen der Rückzug der Mercier ſpricht, zweifelt nicht an -
der Niederlage der Letzteren '). Durch Aſcwins bald erfülgten
Tod erfcheint Centwin ald alleiniger Herrfcher von Weſſer.
Die Fehden der Angelfachfen erweckten die Hoffnungen bet
Armorkcaner, die Heimat ihrer Bäter den: Fremdin wieder zu
entreiſſen. Die Abweſenheit de britiſchen Könige Cadwaladyt,
welcher nach Rom gepilgert war und feinen Sohn Yoor dem
. Könige derſelben, Alanus II, anvertramet hatte, beflärkte die
ehrgeizigen Abfichten des Lebleren und eine unter Voor und deſ⸗
fen Vetter Inyr bewerkſtelligte Landung führte zur Eroberamg
des ihnen günftigen altbritifchen Landes füdlih vom Avonfluffe,
Gentwin rüdte dem Feinde mit flarker Heeresmacht entgegen,
doch eine friebliche Vermittlung kam der Schlachf‘ zuvor; Yoot
wurde von Centwin mit Weſtwales oder Cernau und Dyvnaint
belehnt und fol fogar die Hand der Ethelburge, einer Nichte
des Königs von Wefler, und fpäter deſſen Reich erhalten has
ben. Durch diefe und andere welfche Nachrichten wird Moor
völig mit dem zweiten Nachfolger Gentwind, Ine, zu bem:
felben Könige gemacht, fowie Yoord Vater und Ines Vorgaͤn⸗
iuxta chronicam anglicam vero filius eius Aescwinus fere tribus annis
regnavit. In feiner Chronik berüdfihtigt Florenz nur bie legtere
Angabe, jedoch unter ber fonft bei ihm nicht gewöhnlichen Anführung
- secundum chronicam anglicam.
1) Die Neueren folgen alle dem Heinr. 9. Huntingbon &.8318
und Überfehn Wilhelm von Malmesbury. Es ift doch kein Grund
vorhanden dem Erfteren unbedenklich mehr Glauben zu ſchenken, went
andere Verhälmifie den Widerſpruch erklaͤren. Athelweard Läfft hier
fatt Äfcwins ben von ihm felbft als verftorben bereits awoegerenen Se»
wealh fechten.
d
Von Mitte des 5. bie Ende des 8, Jahth. 261
ger in ihren Schickſalen uͤbereinſtimmen 1), Die Rolle weiche dem
Könige von Armorica in dieſem Feldzuge beigemeffen wird, ſtimmt
auch durchaus nicht zu dem ſchwachen Charakter, den wir nah
andern Nachrichten bei ihm kennen ). Doc darf unfere Ges
f&hichtöforfchung, nach dem bereitd früher Beruͤhrten, fich Feiner
großen Kenntniß der Gefchichte von Weller aus angelfächfifchen
Quellen rühmen, und ‘wir müflen jene walliſer Sagen, in wels
chen manche hiſtoriſche Nachricht verborgen fein Tönnte ?), zu ber
Geſchichte von Weiler, welche fie wegen ber nachbarlichen Lage
haͤufig erwaͤhnen, zuweilen beruͤckſichtigen. Wemnm in biefer Hinz
ficht Geoffrey von Monmouth zu wenig beachtet iſt, ſo duͤr⸗
fen wir feinen Zeitgenoſſen Caradoc von Llancarven nicht
überfchäsen, obgleich die Kritit ihre Waffen gegen denfelben
bisher felten gerichtet hat und die Aufhäufung feiner Notizen
den Prunk emfiger Gründlichkeit neueren Geſchichtswerken biös
weilen zu verleihen fcheint. In den meiften Fällen laͤſſt ſich
aber bei ähnlichen widerfprechenden Nachrichten der altbritifchen
Gefchichtöfage annehmen, daß die welfchen Hiftorifer die Polis
tik ergriffen hatten, dem fiegenden Seinde den Zwed und Lohn
feiner Kämpfe, ven Ruhm und dad Fortleben feiner Individua⸗
Yität in der Gefchichte, gefchict zu entwenden und biefelbe auf
britifche Zeitgenoffen, wenn nicht felbfigefchaffene Nebelgebilbe,
überzutragen. Der vorliegende Fall führt und noch zu ber
Bemerkung, daß bei den Weftfachfen und Briten fich eine nur
durch frühe Heirathen zwifchen beiden Völkern erflärliche Ähn⸗
lichkeit der Namen findet, wie felbft der des Cerdic. Bei dem
des Geadwalla ift es nicht unerheblich für die Achtheit der an⸗
gelfächfiichen Gefchichte, zu bemerken, daß dieſer Name fchon
-bei mehren älteren germanifchen Stämmen bem Cäfar und
Zacitus bekannt war”).
1) Caradoc p. 13 sq.
2) Daru Geſchichte der Bretagne, Bearbeitet von 8. W. Schu⸗
bert. J, 54.
8) Daß ein Krieg wie der vorgedachte gefuͤhrt worden, geht auch
aus Florenz zum Jahre 681 hervor: Kentwinus, rex Westsaxonum,
‚occidentales Britones usque ad mare. in ore gladii fugavit. Sn ben
andern Chroniken fehlt jene nähere geographifche Beſtimmung, wenn fle -
glei aud der Verfolgung bis an das Meeresufer gedenken.
4) In naher Beziehung zu den Sachſen fteht diefer bei den Fuͤrſten
252 Zweite Abtheilung.
Waͤhrend Gentwin bie Herrfchaft von Wefler im Süben
feines Reiches erhielt oder neu befeftigte, erweiterte er deſſen Ein-
fluß über die Briten im Norden deſſelben, dem Reiche Gwent,
deſſen Einwohner ſich von dem deutſchen Joche zu befreien ges
fucht hatten ). Mehr als die duffern Feinde beumruhigte den
Gentwin fein naͤchſter Anverwandter, ein Eräftig anftrebenber,
dem Heibenthume noch anhängender Juͤngling von Cynrics
Stamme, Sohn des Unterkönigs Genberth, vieleicht in Suffer ?).
Geabwalla wurde von ihm geächtet, doch die Blüthe der krie⸗
gerifchen Jugend fammelte fi um den Verbannten umd ver:
weilte in den Wäldern an der Grenze von Suſſex. Mit die
fer tapfern Schaar eroberte er dad Meich, : welches vermuthlich
fein Vater verwaltet hatte, und orbnete fich dem bisherigen Koͤ⸗
nig deffelben, Äthelmald, unter, der nunmehr unter dem Titel
des subregulus neben dem Könige Ceadwalla auftrat °). Im
der Eburonen unter den belgifchen Germanen. Caesar de bello gal-
lico I, VI. c. 31. Unbezweifelt findet er fich bei einem edlen Geſchlechte
der Gothonen. Taciti annal. 1. II. c. 62.
1) Malmesb. de pontificib, 1. V. apud Gale I, 349, Whar-
ton Anglia sacra II, 14. Wenn bie in ber vorftehenden Note gegebene
Erläuterung richtig ift, fo dürfen die Nachrichten vom J. 681 nicht mit
bem Kampfe gegen die Norbwalifer verwechfelt werben.
2) Diefe Würde des Genbyrth ift angegeben im chron. saxon. ad
a. 661. Daß fie für Suffer war, wird mir durch die Zufammenftellung
der Begebenheiten des Jahrs 661 mit den Thaten Geadwallas wahr:
- fcheinlih. In der Herflammung flimmen die übrigen Nachrichten über
ein; auffee Malmesb. ]. . Cedwalla, Ceaulini ex fratre Cuda
pronepos, wo jedoch ſchon der letztere Ausdruck anzeigt, daß fuͤr fratre
zu leſen iſt: filio.
3) Eddii vita s. Wilfridi. urk. v. 3. 683 in Dugdale mo-
nasticon 1. VI, p. 1162; im Auszuge bei Palgrave II. 283. Diefe
Urkunde widerlegt auch die Nachricht des Beda und Wilhelm von
Malmesbury, daß Äüthilwalch von Ceadwalla bei beffen Einfalle in
fein Land erfchlagen fei. Aus ähnlichen Documenten mag bie Bezeich⸗
nung König von Suffer für diefen in Thorne chronicon p. 1770 u. a.
herrühren. Schon in einer Urkunde v. 3. 680 ſchenkt „Ceadwalla rex
terram iuris mei Pagaham“ (in Suffer) an Bifhof Wilfrid. ©.
diefelbe in Evidentiae eccles. cantuar. bei Twysden p. 2287, deren
- Original vermuthlich in ber cottoniſchen Bibliothek if; Hickes the
säur, III, 262. .
ı
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 253
ıTd. erfolgten Kämpfen verlor Äthelmald das Leben, doch Cead⸗
alla wurde von Bercthun und Äthilhun, Ealdormanen von
suffer, welche ihre frühere große Macht dur ihn verloren
ıtten '), vertrieben, als Gentwin nicht ftarb, fondern abdankte. 685.
Yaß diefer Frank und alteröfchwach den bisher verfolgten Geab> |
alla zu feinem Nachfolger ernannt habe”), gehört zu dem vies
n Unwahrfcheinlichkeiten, mit welchen Geiflliche das Leben des
‚n ihnen bekehrten Ceadwalla auszufchmüden verfucht haben
mnten. Diefer war der zur Thronfolge Nächftberechtigte und
rmuthlich durch den vertriebenen Biſchof von York, Wilfrid,
m er fih in Sufler angefchloffen batte, bereits zum Ehri⸗
mthume bekehrt.
Des neuen Koͤnigs von Weſſex erſtes Beſtreben war an
uſſex Rache zu ſuchen; Bercthun wurde im Kampfe erſchla⸗
U Qui prius regnaverunt. Henr. Huntend. IL Bei
eda heiſſt Äthilhun, Anthun, in Älfreds überſezung: Hune.
2) Malmesb. . V. L. 1. Man huͤte ſich aber mit Lingard die
ziderſpruͤche dadurch heben zu wollen, daß ſie in Eine Erzaͤhlung zu⸗
mmengeworfen werben. Chron. saxon. ad a. 685 ſagt nicht, daß
mtwin bamals geftorben fei, fondern daß Ceabwalla begonnen habe
ch dem Reiche zu ſtreben. W. Malmesb. Kentwinus morbo et se- -
» gravis Ceduallam regii generis iuvenem successorem decreverat,
felbe Schriftfteller führt bald darauf eine Urkunde vom Auguft 688
‚ in welcher König Centwin noch erfcheint. Diefer lebte alfo, hatte
ı Königstitel behalten und war nad) Ceadwallas Abdankung oder aus
dern Ruͤckſichten aufgefodert feine Beiflimmung zu einer Schenkung
ertheilen. Daß Eentwin wirklich abgedankt habe und in ein Klofter ges
ngen fei und dem Ine, als naͤchſtem Erben, das Reich übertragen habe,
eben wir aus einem unbeachteten Gedichte eines Altern Dichters in
cuins Werken (edit. Quercetan. f. 1675 sg), wo ich flatt Ents
3 Gentwin leſe.
— Entwini filia regis,
Qui primus imperium Saxonum rite regebat.
— rexit regnum plures feliciter annos,
Donec conversus cellam migravit in almam.
Juste petit superas meritie splendentibus arces.
Post hunc successit bello famosus et armis
Rex Cäadwalla potens regni possessor üt haeres —
. Tertius accepit sceptrum regnator opimum,
Quem clamant In incerto cognomine gemtes,
Qui nunc imperium Saxonum iure gubernat.
254 3weite Abtheilung.
gen, unb Suffer verblieb, im mehrere. kleine Staaten umter
Fa Königen verteilt, unter der Hoheit des Koͤnigs von
Ein hartes Schidfal traf bie Inſel Wight, welche vor we
nigen Sahren durch den König von Mercien, Wulfhere, mit
Suſſexr vereint, war, doch von einem eigenen Häuptling, — es
686.
21. Aug.
wiberfirebt dem heutigen Sprachgebrauche faft zu fehr, ale
ſolche Herrfcher mit dem Königötitel zu belegen — Arwald )),
vegiert wurde. Die zwölfhundert Familien welche auf der In
fel wohnten, unferes Wiffens der einzige angelfächfifche Staat
welcher das Ehriſtenthum nicht angenommen hatte, wurden von
dem nicht getauften Ceadwalla beinahe gänzlich niebergehauen ?),
um die Inſel mit feinen Weſtſachſen zu bevoͤlkern und ein
Chriſto abgelegtes Geluͤbde, den vierten Theil derfelben an den
Biſchof Wilfrid zu verleihen, zu erfüllen. Zwei junge Brüder
des Arwald entflohen, wurden aber in Hamptonfhire gefangen
und hingerichtet; doch geftattete der Sieger einem Abte fie vor
ber zu befehren und zu taufen. Sie waren dem Tode mit der
frohen Zuverfücht des. Chriften enfgegengegangen, und ber To⸗
deötag her jugenklichen Märtyrer wurde noch in foäten Jahr⸗
hunderten von: der Kirche feierlich begangen °). -
Die raſchen Erfolge mit welchen die unternehmungen des
Ceadwalla gekroͤnt waren, und die inneren Zwiſtigkeiten welche
das Koͤnigreich Kent zerriſſen, verleiteten den König von Weſſer
feinem Bruder Mul zu geſtatten in dieſes feindlich einzufallen,
das Land mit dem zweilchneidigen Schwerte der Herrſchſucht
und der Graufamkeit verheerend. Dörfer und Städte waren,
durch Feine gemeinfame Gegenwehr geſchuͤtzt, gleich vereingelten
Steden vernichtet, als im Rüden der forglofen Feinde die ticf
gereizte Bevölkerung fi erhob. Mul, das Vorbild heidniſcher
1) Sn Äthilwalch, Athühun und Arwald Läfft bie Alkteration Bri⸗ |
der vermuthen.
2) Lingard' erzählt, daß Ceadwalla verfchledene Wunden erhal
ten, ehe er ben Gegner befiegt habe. Dikfer Umſtand mag bie Grau
ſamkeit des nachherigen Heiligen entfehuldigen. Doc wo iſt die Quell
diefer bei den Altern Schriftftelleen nicht vorhandenen Nachricht?
8) Es mag bie Ungenauigkeit des Heinri von Huntingdon
bezeichnen, daß er die Brüder des Arwald deſſen Söhne nennt.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 255
Thane und Kürften, furchtbarer Kraft, ſchoͤner Geſtalt, milb,
geliebt, im hoͤchſten Ruhme ſtrahlend, muſſte nach einem ver⸗
lornen Treffen mit zwölf Begleitern in eine Hütte fliehen,
welche, von den Kentern angezuͤndet, da er durch bie umtingende
Maſſe fich durchzufchlagen nisht hoffen durfte, ihm ein ſchau⸗
berooller Scheiterhaufen wurde ). Ein fürchterliches” Blutbad
war: die Race. welche Ceadwalla feinem. Bruder in Kent bes
zeitete, und reiche Beute führte ex aus dem, gedemübigten Lande
in feine Heimat zuruͤck. |
‚Das ergreifende Geſchick des Bruders, vielleicht ein Vor⸗
gefühl feines nahe bevorſtehendez Endes, ſcheint einen: tiefen
Eindruck auf den kaum dreiſſigjaͤhrigen König gemacht zu har
ben und brachte die Eindrüde zum Entjchluffe und zur. Aus⸗
führung, welche Biſchof Wilfrid einſt bei dem vertriebenen
Flüchtling angeregt hatte. Nach zwei Jahren ber Herrſchaft
entſagte ee ber Krone zu Guuſten feines Bettezs Ine ?) und
pilgerte nad) Rom, um ſich daſelbſt vom Papſte Sergius tau⸗
fen zu laſſen. Der Koͤnig der Longoharden, Chunihert, der 688.
Gemahl ber angelſaͤchſiſchen Hermelinde, haste ihn in feinem
Reiche mit größter Pracht empfangen ). Er flarb dafelbft
fhon im folgenden Jahre, acht Tage nach ber am Oſterfeſte
ftattgefimdenen Zaufe und wurde im Gt. Petersdome beis
gelegt ).
Ines Regierung deutet ſich ſogleich durch die Verwirrung,
welche in feiner Gefchichte herrſcht, als eine berjenigen an,
welche die Leidenfchaften der Mit⸗ und Rah Welt vorzüglich
1) Malmesb. I, 1 et 2. Hear. Huntend. 335., baren j
Leine Wiberfprücde zu verzeichnen bier nit dee Ost iſt. Chron: saxon,
ad a. 697.
23) Am 19. Auguft 688 ftellte ex noch eine Eentungeutune ale -
König aus. Edr. dei Malmesb. de pontific, L V
8) Die merkwürdige Verbindung biefes lonbardiſchen Königs fo
wie feines Vaters Bertast mit ben Infels Sadıfen tft fhon oben ange
deutet und nachgemwiefen. Der Anfang bed Namens der Dermelinbe laͤſſt
ihre Ältern unter ben Königen von Kent fuchen. Vgl. Paul, Piscon,
de gestis Longobard. L VI. c. 15,
4% Bedal V. c. 7. Die Briten laſſen ihren Ceadwalla an dem⸗
felden Tage d. 3. 689. XII. Kal, Mail zu Rom ſterben. Galfrid
Monmeuth L XIL co. 18,
\
256 Zweite AÄbtheilung.
ungeregt haben. Daß er von ben Briten mit Yoor -verwechfet
wurde, ift oben bereitd erwähnt; doch auch die vaterlaͤndiſchen
Gefchichtfchreiber widerfprechen ſich zunaͤchſt in ben Angaben
über feine Abſtammung. Indeß fcheint Eein erheblicher Grund
vorhanden, von dem Bericht der älteften Chroniken abzuwei⸗
chen, welche ihn, gleich feinem Vorgänger, ald Abkoͤmmling des
Cutha, des Sohnes von Cearolin, und ald den Sohn Genredt
welchem ber Zitel eines Subregulus gegeben wird '), bezeichnen.
Die erften Regierungsjahre Ines muͤſſen unruhig verſloß
fen fein, doch iſt uns nicht ‚berichtet, welchen aͤuſſeren oder in |
neren Zeind er zu bekämpfen hatte. Erſt nach fünf Jahren
konnte er das Schwert der Rache gegen die Kenter wieder
fhwingen für die Ermordung des Mul, welcher auch dem Ine
nahe verwandt, vielleicht Halbbruber war ). : Der König ber
Kenter zog es vor, dem unglüdlichen Kampfe zu entgehen und
ihn durch bie Entrichtung deö verzögerten Wergelbes für ben
Fürften, ber nicht als in offener Fehde erfchlagen, fondern al
hinterliſtig ermordet angefehen wurde, mit Dreiffigtaufend
Pfund abzukaufen ; eine Summe in welcher bie Zahl, doch
1) Dieſer Titel finbet fi in genealog. Florent. gl. Asser.
yita Aelfredi. Saxon. chron, ad a. 495. Florent. ad a. 688. Die
abweichende Benealogie des Wilh. von Malmesb. I, 2 Ina, qui
Cynegisli ex fratre Cuthbaldo pronepos, koͤnnte bei dem neuern Schrift:
ſteller erft bebenttih werben, wenn man jle auch ähnlich) im chron,
saxon. ad a. 688 bemerkt, wo fie jedoch nicht in allen Handſchriften
und im Widerfpruche mit der frühern Angabe ad a. 495 ſteht. Cyne⸗
gift, fonft als Sohn des Eeolric bekannt, erhält dadurch einen andern
Vater, und Ceolwalds oder Cuthbalds Water, Euthwin, wird aus dem
Enkel ein Sohn Ceawlins. Bei Malmesb. de pontif. 1. II. p. 252 wird
Ines Bater Ciffa genannt und eben fo lib. V. (bei Wharton II, 12.);
doch der Abdruck des legten Werkes. bei Gale I, 346 gibt bie Namen
nad) der dort abgedruckten Urkunde: Cisi, Cenred, pater Inae,
2) Nach der Angabe von chrop. saxon. und Florent. war er Br
” ver bes Ine wie der Ceadwallas. Vielleicht hatten Ine und Mul die
felbe Mutter. .
8) Chron. saxon. ad a. 674 fagt 30,000 Yfund. Malmesb.
80,000 Pfund Geld. Florenz fcheint das Geld nach einem andern Müng
fuß zu berechnen, indem er nur ein Achtel jener. wahrfcheinlih ungenau
angegebnen Summe angibt: 3750 Pfund. Bon einem ‚ähnlichen für
einen im Kriege gefallenen Zürften entrichteten Wergelde Beda IV, 21.
—
\
Von Mitte des 9. bis Ende des 8. Sadıh. 257
nicht bie Münze und deutlich bezeichnet ift, da nad) dem. Ge-
feße der flammverwanbten Mercier dad Wergeld des ermorde⸗
ten Königs mit dreiffigtaufend Thrymſen oder gar Sceattas
beftimmt ift ). Vom heftigften ererbten Haffe. fol Ine auch ge
gen die Oftanglier entbrannt gewefen fein, die Adligen dieſes
Landes vertrieben und daſſelbe mit Krieg überzogen haben.
Dieſer Krieg hätte zur See ober ‚unter Zulaſſung und Theil⸗
nahme der Nachbarftaaten von Oftanglien geführt werben muͤſ⸗
fen; beide8 DVermuthungen, zu welchen wir vielleicht weni⸗
ger berechtigt find als. zu der, daB jener Name irrig flatt
des der Oftfachfen niedergeſchrieben it’). Während der neun⸗
unddreiffigiährigen. Regierung Ines Eonnten feindliche Beruͤh⸗
rungen mit. den Briten nicht fehlen, unter denen der Krieg
gegen Geraint, den König von Gernau, von Ine und feinem
Verwandten Nunna geführt, durch fiegreiche Erfolge fih aus:
zeichnete. Die nächfte Gewalt nach dem Könige in den füd-
lichen Gegenden von Weſſer befaß viele Jahre, ſchon feit Cents
wind Tagen, der Unterfönig oder König Baltdred oder Baldrec,
deſſen bedeutender Einfluß, durch andere Nachrichten erwiefen,
auch daraus hervorzugehen fcheint, daß die Walifer einem um
710.
diefe Zeit lebenden FZürften von Devenfhire und Gornwales den
fächfifhen Namen Balderich beilegen ). Die härteflen Kämpfe
1) Judicia civit. london. ap.: Wilkins p. 72. Nach leg. Aethel-
stani ibid. p. 64 find 30,000 sceattas nur 120 Pfund. Nach einer
andern Angabe in judic. civit. lond. ibid. 71. war, nad) dem Volks⸗
rechte der Angeln, das Wergeld der Könige 30,000 Thrymſen, was nach
der freilich nicht unbeftrittenen Meinung, daß acht Thrymſen ein Pfund
bildeten, dem von Florenz erwähnten Wergelde entfprechen würde.
2) Malmesb. I: 2. Nec solum Cantuaritae, sed et Orientales
Angli hereditarium exceperunt odium,.omni nobilitate primo pulsa,
post etiam bello fusa. Lingard hat: vielleicht:an eine der unſrigen
ähnliche Erklärung gedacht, als er fchrieb, Essex, by what means is
unknown, had alceady been annexed to his crown, und ſich babei auf
den eben angeführten Schriftiteller berief.
8) Guil. Malmesb; de antiq. Glaston. p. 308. ad: a. 681.
Baldred rex — Kenwine etiam consentiente dedit — p. 309. Canc-
toeay — Kenwino etiam et Baldredo consentientibus dedit — Ibid.
p. 311. Privilegium regis Inae de a. 725. Ina — hortatu Balt-
dredi et Athelardi subregulorum — Baltdree — Ine fährt fort: a
predecessoribus meis Kenewalchio, Kenwino, Cedwalla, Baldredo
Lappenberg’s Gefchichte Englands I. 47
%8 Zweite Abtheilung.
waren jedoch ſtets diejenigen, welche bie Angelfachfen unter eine
ander um ben Ruhm bee Tapferkeit und Sbergewalt in dem
loder vereinten Bundesftaate mit Muth und Wuth ihrer Vaͤter
ſtritten. Mercien und Weſſex lieferten ſich im Jahre 715 eine
Schlacht, von der ungewiß blieb, auf welcher Seite der Ver⸗
luft ſchrecklicher geweſen fei. Der Schauplatz dieſes Kampfes
war Wodnesbeorh (Wanborough in Wilts), ein Ort welcher
mit jener oft bewaͤhrten Anziehungskraft der Schlachtfelder, ſei
es durch natuͤrliche oder durch hier vielleicht zum Schutze eines
Wodanstempels kuͤnſtlich befeſtigte Lage, ſchon die Leichen
früherer Schlachten beherbergte.
Doch nicht: nur bie Kriegägefchichte, welche den größten
Kaum der Furzen Sahrbücher jened Volks bildet, hat Ines
Namen uns aufbewahrt. Cine von ihm veranfialtete Samm⸗
lung der Geſetze feines Volkes ift, auſſer denen ber Fentifchen
Könige, die erfle unter den Übrigen Angelfachfen und bekannte
und erhaltene. Staatörechtlihe Sagen fpäterer Jahrhunderte
. eitheilen Ine das angenteflenfte Lob eines mächtigen und weis
fen Regenten; fie erzählen von den utiter- ihm gefafften Naties
nalbefchlüffen der Angeln, die Gültigkeit der mit Briten ein
gegangenen Ehen anzuerkennen (eounubium); wie auch feit
feiner Zeit mit Scoten und Deutſchen ähnliche Berbindungen
üblic) geworben, und wie fernerer Verkehr (commercium) mit
den armoricanifchen Briten, giltebrüberliher Schuß (sicut
eonjurati fratres) für die aus Enghern beroorgegangenen
Godthlaͤnder feſtgeſetzt fe).
Die Kirchenverwaltung förderte er, nach dem im J. 703
erfolgten Tode des Biſchofs von Wincheſter, Hedda, durch Ab:
confirmatum. — Am Schluß: Zigo Baldtedus rex eonfirmavi: Ego
Adelard frater reginae cotsensi. Auch König Cuthreb nennt im Zahre
744 den Baldredb feinen Borgänger, zwiſchen Centwin und Gedwalla.
In einem ums Jahr 701 geſchriebnen Wrief des Aldhelmus wird e
genannt: patricius Baldredus. Ibid. 347. — Bon dem Briten Balbrid
fe Caradoc ed. Wynne p. 17. |
1) Leges Edwardi conf. Die legte Angabe laͤſſt ſich vielleicht als
eine misverſtandne, nicht: ganz To alte Rachticht von den Brivilegien,
welche die aus den weftphälifchen Städten Soeſt u. a. auf Gothland
angefiebelten deutſchen Kaufleute in England erhielten. beuten.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 29
fonberung eines von dieſem Bisthume abgettetnen Diffvietes,
defien Sitz nah Shirebum verlegt wurde‘), "Unter fen
vielgepriefenen Verbienften um die Errichtung und Unterſtichzung
der Klöfter it Der Bau des neuen Gebäudes und die etwen⸗
terte Dotation des altbritifchen Glaſtonbuty, zum Geelenheite _
feines Verwandten Mull, befonders denkwuͤrdig?). Beſonders
aber fühlen wir uns gedrungen Ined Zhaten und Abfichten
eine höhere Weihe beizulegen, weil wir als feinen Freund und
Rathgeber ber trefflichen Bifchof Aldhelm kennen; einen Mann,
dem die durch die Verehrung von gfüchtige Angelſachſen beige⸗
meſſene koͤnigliche Geburt keinen hoͤhern Glanz verleihen Fonitte
und deſſen Verbienfte wir unbedenklich denen des ehrwurdigen J
Beda zur Seite fehen’). Blieb er hinter dieſem vielleicht an 709.
umfaffender Gelehtſamkeit zuruͤck, fo fland er feiner Zeit, werm
wir und gleich mit den unfaglichen Künfteleien damaliger Mes
trik nicht befseunden koͤnnen, ald Iateinifcher Dichter höher, er-
warb ſich ärößere Verdienſte um die Ausbildung unſerer Mut⸗
terſprache, ließ ihn in der Kenntniß des kanoniſchen und roͤmi⸗
ſchen Rechts hinter fich zuruck und uͤberragte ihm weit an ein⸗
flußreicher, praftifcher Thaͤtigkeit. Seine bedeutenden Kennts
niffe der lateinifchen und griechifchen Sprache verdankte er dee
Schule zu Canterbury, befonderd einem Afrikaner, dem Abte
des dortigen St. Auguſtinikloſters, Hadrian ), welcher England
zuerſt betrat, als Aldhelm beinahe dreiſſig Jahre zaͤhlte. Doch
verdankte auch er ſeine fruͤhere, beſonders die dialektiſche Bil⸗
dung, dem von einem Scoten geſtifteten Kloſter Maildulfes⸗
1) Palgrave II, 286 führt b. J. 711 bie iederherſtellung des
Bisthums Selſea an. Dieſe darf mit der Errichtung des zu Shireburn
nicht verwechſelt werben, welche gleich nach dem 3. 703 zu Stande kam,
während Gelfea nad) den uns befannten Nachrichten erft unter bem Gras
biihofe von Canterbury Rothelm (736— 740) unter Ines Nachfolger
wieberhergeftellt wurde. © Will. Malmesb. de pontificib. L U.
p- 257.
2) &. will, Malmesb. de antiquitat. Glaston. apud Gale I.
3) Wilhelms von Malmesbury Urtheib f. de regibus I, 2..
Das fünfte Buch; ber gesta pontäfie. ift eine Biographie vs Aldhelm.
Bgl. auch oben ©. 175 u. 192,
4) Malmesb. |, I. Beda IV, 1. V, W.
—
17*
260 Zweite Abtheitung.
burg '), fpäter Malmesbury genannt, deffen berühmter Mind
dem berühmteften Schüler und nachherigen Abte feines Kloſters
ein ehrenwerthes biographifches Denkmal feßte. In der Auf
zaͤhlung und Charakteriſtik feiner Werke ift Feine Bemerkung
für Aldhelm und fein Volt bis zu unfern Tagen bezeichnender
als die, welche den Prunk als deſſen volfsthümliche Eigen:
fhaft hervorhebt ).
Ein Name welchem ein noch groͤßerer Ruhm beſchieden
war als dem Aldhelmus, darf hier nicht ganz verſchwiegen
werden, wenngleich ſeine beſſere Thaͤtigkeit nicht ſeinem Vater⸗
lande angehoͤrt. Winfrid oder St. Bonifacius wurde, ehe er
zu Siegen uͤber das Heidenthum nach Deutſchland ging, von
Ine zu einer Geſandtſchaft an den Erzbiſchof von Kent ge:
braucht; sin Verhältniß durch welches der fcharfblidende Koͤ⸗
nig fowie der nachherige Apoftel nur ehrenwerther erſcheinen ?),
Die lebten Jahre der Herrfchaft Ines ‚waren weniger
gluͤcklich als die Mehrzahl der früheren. Es wird berichtet,
daß er im I. 721 den Ätheling Cynewulf erſchlagen“), wozu
wir die Veranlaſſung nur in einer von dieſem gewagten Em⸗
poͤrung ſuchen duͤrfen. Die einmal angezuͤndete Flamme ſcheint
jedoch durch Cynewulfs Blut nicht ausgeloͤſcht zu ſein. Die
Verſchwornen hatten ſich einer von Ine erſt erbaueten Burg
in Somerſet, Taunton, bemaͤchtigt. Seine rriegeriſche Koͤni—
1) Beda l. V. c. 18. ibique Smith.
2) Graeci involute, Romani splendide, Angli pompatice aicere
solent. Quem (sc. Aldhelmum) ex acumine Graecum putabis, et ex
nitore Romanum jurabis et ex pompa Anglum intelligs.. Malmesb.
IL. J. Weiher Schriftfteller ift aber, wenn diefe Charakteriftit beruͤckſich⸗
tigt wird, ‚überenglifcher ald grade Wilhelm von Malmesbury,
ber hier feine größten Sünden zu einer Nationaltugend zu erheben nicht
uͤbel Luſt bezeigt?
8) Vita S. Bonifacii.
4) Chron. saxon. Florent. h. a. Wenn wir dem Wil helm
von Malmesbury ganz trauen duͤrfen, ſo hatte Ine keine Feinde im
Innern ſeines Reichs. Domi gratiam, foris reverentiam mercabatur.
Adeo annis duo de sexaginta potestate functus, sine alto insidiaram
metu securus incanuit, sanctissimus amoris publici lenocinator. Doch
hat auch Ine nicht 58, fondern Feine 40 Jahre geherrſcht, kann aber
bei ſeiner Abdankung 58 Jahre gezaͤhlt haben.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Sahıh. 261
gin Athelburge entriß fie ihnen und zerflörte diefelbe, während
Ine mit den Suͤdſachſen gluͤcklich Fämpfte und. vermuthlich zu:
gleich weniger glücklich gegen die Walifer, welche unter Ivor
und anderen Führern die unruhige Stimmung in Weſſer zu
Zeindſeligkeiten benutzten). Ealdbryht, gleichfalls ein Ätheling,
an der Spitze der Verſchwornen, floh, -nach der Einnahme
Tauntons, aus Weſſer und inte in allem Elend der Verban⸗
nung in Surrey umher, fand jedoch hernach in Suffer neue.
Unterſtuͤtzung. Erſt nach mehrern Jahren wurde auch er von
Ine beſiegt und erſchlagen. | ‚725,
Bald näch diefen Siegen und nach fi fi ebenundbreiffigiäßriger
Regierung beſchloß Ine der forgensolen Krone und der Welt
zu entfagen?). Der Wunſch nach dieſem Schritte kann viel⸗ 726.
faͤltige Veraulaſſung in der Laſt der Koͤnigswuͤrde ſowie be⸗
ſonders in den Unruhen derer gefunden haben, denen Ine be⸗
reits zu lange geherrſcht hatte; die Weiſe aber, wie der Ent⸗
ſchluß durch die Koͤnigin uchelburg⸗ bei ihrem Gemahle zur
Meife gebracht wurde, ift zu: harakteriftifch, um deren Erwaͤh⸗
nung ganz zu übergehn. Ein großes Feſt wurde auf einer koͤ⸗
niglichen Hofftätte mit größter Pracht bereitet. Nachdem ed
mit aller Lebensluft genoffen war, festen die Töniglichen Ehe:
‚gatten am folgenden Zage die Reife fort. Sogleich wurde,
auf das. Geheiß der Königin, das Prunfgemad) von den Land⸗
leuten mit Dünger und Unrath befudelt, in das königliche Bett
eine Sau geworfen. Üthelburge veranlaffte den König, nahe
dem fie kaum eine Meile von jenem Orte fich entfernt hatten,
wieder zuruͤckzukehren und zeigte ihm dort den Traum des Le⸗
bens, in einer jener derben Verſinnlichungen, wie das Mittel⸗
alter jenen ſich in Todtentaͤnzen und aͤhnlichen Darſtellungen
vorzufuͤhren liebte. Des tief ergriffenen Ine Entſchluß wird
) Annales Cambriae ad a. 722. Brut y Tywysogion ad a. 721.
2) Chron. saxon. Florent. und die neueften Schriftfteller nehmen
bier das Jahr 728 an. Doch Beda V, 7. gibt die obige unbezweifelte
‚Angabe über ein Ereigniß, welches kurz vor der Beendigung feines Ge:
ſchichtswerkes fich zugetragen. Auch fteht chron. saxon. im Wiberfpru
mit feinen eignen Angaben, da nach denfelben Ines Nachfolger ÄAthelheard
14 Sahre regierte und im 3. 740 geftorben fein fol; nad Appendix ad
Bedam ftarb er 739.
262 | 3weite Abtheilyng.
nunmehr bald ausgefüchrt; er übesgibt die Krone dem Bruder
feine Frau, dem bisherigen Unterfönig Äthelheard, von dem
königlichen Stamme Gerdich '), und piügert mit jener nach
Rom, wo es ihm perftattet war noch einige Jahre is irdiſcher
Dürftigfeit nach bimmlifchen Schaͤtzen zu ringen‘), .
Ine hatte noch einen ‚andern, durch die männliche Linie
ibm nähern Verwandten zurufgelaffen, ben AÄtheling Oswald,
und demfelhen einen Theil. des Reichs beſtimmt). Der Kampf
ber beiden Thronbewerber währte mehrere Sabre, bis Oswald
flarb, und feine Partei, wenngleich ſtark, nah dem Verluſte
ihres tapfern Anführers ), den Athelheard anzuerkennen ſich be:
auemte. Xuffere Angriffe machten diefe Vereinigung ſehr noth:
wendig. Die Siege welche die Briten ſich über Adelrad von
Weſſer, unter dem Ashelhsarh bezeichnet febeint, zufchreiben,
fallen freilich, den dabei angegebnen Jahren (720 und 721) zus
folge, ſchon in bie Regierung Ines und erfcheinen Daher mehr⸗
fach ungewiß; Doch konnte ein. Negent vom Weffer weder auf
Anhaͤnger noch auf Ruhm rechnen, wenn ex nicht einmal Siege
über die ſtets ſich mehr aufloͤſenden Welſchen erfochten batte,
Es laͤfſt fich aber nicht bezweifeln, daß bie Briten um dieſe
Zeit, nach Ines Abdankung, von dem Joche der Angeln ſich
ſehr befreiten ), und ebenſo wenig, das AÄthelheard dieſes feinem
Volke zu verantworten hatte. Noch haͤrtex war für dieſen das
* Übergewicht, welches Mersiens König Athelbald über alle an
gelſaͤchſiſche Staaten bis zum Humberfluſſe gewann. Dieſer
nahm ihm ſogar Sumurton (Somerton) im Lande der is
1) Von Athelburge ſagt Malmesbury: regii generis feming de
Cerdici prosapia regis oriunda. Florent. ad a. 728,
| 2) Malmesb. a, a. DO. Die alten Schriftfteller fagen nur, daß
Ine zu Rom, nicht dag er im Bahre feiner Ankunft flarb. Vielleicht
beruht der eben gedachte Srrthum in den Jahren 725 u. 728 auf einer
Verwechslung bes Zahres feiner Abdankung mit dem feines Todes.
Malmesb. autiquit. Glasten. behauptet, Ine fei ſchon fruͤber einmal
nad Rom gepilgert.
8) Beda V, 7. ipso relicto regno et juvenioribas commendato.
- Die fpätern Schriftſteller ſprechen nur von ber. endlichen Nachfolge des
ÜÄthelheard.
‘ 4) Vir strenuissimus. Florent. ad 8. 780.
5) Nach dem Beugniffe des Blorenz b. 3. 731.
Bon Mitte des 9. bis Ende des 8. Jahrh. 263
merſaͤten, da die Belagerten Eeinen Widerſtand zu leiften vere
mochten und Xthefheard Feine Hülfe bringen konnte ). Er flarh
nach vierzehnjaͤhriger Regierung, worauf ihm für eine ähnliche
Reibe von. Jahren fein Schwertmage Cuthred folgte ?).
CLuthred war gezwungen ‚den größten Theil feiner Zeit in
Kämpfen mit Äthelheard von Mercien zuzubringen, welche zu
einem für einen beider Theile günftigen Erfolge führten. Die
Weichen hatten jedoch durch Die Uneinigkeit der Angelfachien
fo fehr an Kräften gewonnen, ‚daß beide feindlihe Monarchen -
ſich vereinigten um jene zu unterdräden. Diefes gelang. ihren
vereinten zahlreichen Schaaren und der wetteifernden Tapferkeit
»erfelben fo fehr, daß die Ehre des Sieges den Angelfachfen
nicht fleeitig gemacht werden Fonnte’). Die Briten vereinten
ſich darauf, bei neuentflandnem Zwiſte zwifchen Cuthred und
Üthelbald, mit dem Erſtern, welcher mit ihnen bei Hereforb
Die Mercier gefchlagen haben fol, Doch zulest fie nicht vor der
Rache derſelben zu beſchuͤtzen vermochte *). In dieſem Kriege
fiel der Ätheling Cynric, Cuthreds Sohn, der auögezeichnetfle
Krieger und Säger, ber im Ungeflüme jugendlihen Muthes
feine Schaaren zu Anftrengungen und Gefahren führte, welchen
diefe ſich nicht unterziehn wollten. Sie gaben. daB feltene
Schaufpiel von Truppen, welche fich gegen den tollkuͤhnen Fuͤh⸗
zer empörten und nur. durch die Ermordung deſſelben feinen
fehonungslofen Befehlen zu entgehn wuflten ). Dee Drud
Der mercifchen Obergewalt wurbe fo Iäftig, daß Guthreb gegen
Athelbald und ben bemfelben verbuͤndeten König der Picten,
Duengud oder Unnuſt, in den Kampf 309%). Doch ein gefähr:
1) Chron. saxon, ad a. 735. Henr.‚Huntend.
2) Maeg fagt chron. saxon. — Propinquus Florent. chron.
genealog. — Cognatus Malmesb. Henr. Huntend. Zeugniffe
genug gegen Lingard, welcher Euthreb den. Bruder feines Vorgaͤn⸗
gers nennt.
8) Chron. saxon. Florent. ad a. 7438. Henr. Huntend.
p. 340. Bon biefer Schlacht ſcheint auch Caradoc p. 16 zu ſprechen,
obgleich ex ſtatt des Cuthred Athelheard nennt.
4) Caradoc p. 17.
5) Henr, Huntend. p. 341. Chron, saxon. ad a. 748.
6) Appendix ad Bedam. Simeon Dunelm. ad a. 750.
752,
264 Zweite Abtheilung.
licher Aufftand drohte bald dem Könige felbft. Der wegen ·ſei⸗
ner Tapferkeit viel gepriefene Ealdorman Athelhun ') Iehnte fih
wider ihn auf und, wenngleich nur durch nicht zahlreiche Schaa⸗
ren unterftüßt, widerftand ihm lange. Nur die Verwundung
des Äthelhun verfchaffte der gerechten Sache den Sieg, welder
vom Könige gegen die Empörer mit kluger Schonung benukt
wurde. Diefe belohnte fich nad) zwei Jahren fehr, als Athel⸗
huns Tapferkeit den Sieg der Weſtſachſen uͤber den anmaßen⸗
den Äthelbald von Mercien bei Burford erfocht und Weſſer
von allem Drude anderer angelfächfifchen Staaten für immer
befreite. Seit dem glorreichen Tage bei Burforb befeftigte und
754.
erweiterte fich dieſer Staat. fortwährend. und fchritt zu einem
vollfommenen Supremate über die Staaten der Inſel von,
welches er behauptete, .-bid nach drei Jahrhunderten die rohe
Kraft überfeeifcher Feinde ihm gänzlich vernichtete. |
Schon in dem auf die Demüthigung Merciens folgenden
Sahre wandte fich Cuthred gegen die Briten, welche feinen
Widerſtand zu leiften vermochten und auf der Flucht den größs
ten Verluſt erlitten”). Doc bald. nach allen diefen Erfolgen
ftarb Cuthred, kinderlos und zu früh um ein Zeuge des ſeinem
Volke aufkeimenden Gluͤckes zu ſein.
Ihm folgte fein Verwandter Sigebricht, der Sohn eines
Unterkoͤnigs Sigeric); zwei Namen deren Klang an die Für
ften von Effer, welche Cynrics Namen nahe verwandt waren,
bedeutfam erinnert. Das Glüd feines Vorgängers hatte diefen
fo fehr verblendet, daß er feine Unterthanen fchmählichft behan-
delte. Die, Vorſtellungen treuer Rathgeber, die Geſetze und
das Recht aufrecht zu erhalten, veizten den wilden Tyrannen
nur noch zu neuen Gewaltthätigkeiten. Bei den fleigenden Be
fhwerden gegen ihn verfammelten fich die Vomehmen und bie
1) Chron. saxon. ad a. 750. Audacissimus consul. Henr.
Huntend, \
2) Rah Goffrei Saimar 2. 1803 wurde Euthreb von ben
Walen gefchlagen; eine Nachricht welche ſelbſt Bromton ihm nicht
nachſchreibt.
9 Florent. genealog. Bgl. chron. saxon. ad a. 83.
— Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh.
‚Gemeinen ') zu einem Witena-Gemote und nach ausführlicher
Erwägung forachen fie einflimmig jenem die Krone von Weffer
ab, welche einem andern Abkönimling: Cerdics, dem Cynewulf,
tıbertragen wurde. Nur Hamptonfhire-wurde dem Gigebricht
selaffen. Doch auch hier muſſte er: lichten, als er den Cum⸗
bra, den einflußreidien Beamten: feines ‚Vorgängers ?);,. über
deſſen weife Rathfchläge erboſt, ermordete. Er’ floh, wie einſt
Ceadwalla, in. den Andredeswald, doch um ihn nicht ‚wieder
zu verlaffen; ein treuer Sauhirte des ermordeten Cumbra ent»
deckte ihn und rächte durch feinen: Speer das vergoffene Blut
fo vieler Edlen.
Die lange, einunddreiſſi giährige Regierung des Cynewulf
iſt auffallend arm an Begebenheiten, deren Andenken ſich uns
erhalten hat. Es iſt dieſes das in der Geſchichte der Angel:
fachfen und andern Völker, deren Gefchichte durch Tradition
und Lied fortgepflanzt wird, leicht erflärbare Geſchick aller Fürs .
ften, welche aufferhalb der firenggefeßlichen Erbfolge den Thron
beftiegen und Feine Söhne und Enkel auf demfelben zurüdlieffen. -
Er focht harte, doch fiegreiche Kämpfe mit den Welfchen, von
welchen nicht einmal die Namen der Wahlftätten und die Jah⸗
reszahlen und überliefert find °); doch hat fich in der fchweig-
famen Kirche. ein Denkmal der Buße König Cynewulfs über
die den Cornwalifern zugeflgten Bedruͤckungen erhalten‘). Das
"Schreiben welches er mit feinen Bifchöfen und Satrapen an
den Erzbifchof von Mainz, Lullus, richtete, beweift den ausge⸗
dehnten Verkehr der Angelfachfen mit der beutfchen Kirche °).
Eine Schlacht gegen Dffa, den gewaltigen .König der Mercier,
endete unglüdtich für Weller, welches Benſington (Benfon m
1) Congregati sunt proceres et populus totius regni. Henr.
Huntend..
2) Consul nobilissimus. Henr. Huntend. Sn einer Urkunde
Euthreds für Glaſtonbury v. 3. 744 heifft ed: praefectus (irrig prae-
fati). regis. Gale I, 313.
8) Wahrfcheinlich gehört hieher: annal. Cambr. ad a. 760 von der
Schlacht zwifchen Briten und Sachſen bei Hereford.
4) Urkunde. v. J. 766 für das Kloſter zu Wells, in Dugdale
monastic. I, 186, . .. ,
5) Epistol. Bonifacii 92,
266 Zweite Abtheilung.
Srfordfhire) verlor ').. Eynewulfs Ende war, wenngleich (nit,
doch gevaltiem. Im einunddreiſſigſten Jahre ſeiner Regie⸗
zung?) verbannte er Dom juͤngern Bruder feines Verweſers, Ey
neheard, welcher fi dem. Gebote zu fügen vorgeb, doch mit
einigen Gefährten heimlich. den zu Merten (Devonfhire) ver
ſtohlne Liebe pflegenden König Uberrafchte. Als ber König yer⸗
nahm, daß die Burg umringt fei, trat. ex vor Die. Pforte und
angegriffen, ben Atheling Cyneheard erblidend, verwundete er
Dielen. Der Monarch wurde fogleich von: den Aufwieglem über
mältigt und erfchlagen. Die Seinigen : flürzten herbei und er:
hielten das Anerbieten des Lebens und vieler Belohnungen,
doch Beides verfchmähend fochten fie, bis .alfe, auffer einem
jedoch auch ſchon verwundeten Briten, ber :alö Geifel dort wm,
gefallen waren. Am folgenden: Morgen exfuhren des Koͤnigs
zuruͤckgebliebne Thane was fich ereignet hatte, unb mit bem
Ealdorman Oſric und dem Than Wigferth an der Spige eb
ten fie nah Merton zu ber Leiche ihres Deren. Sie fanden
die Pforten verfchloffen, welche fie gewaltfam zu flürmen vers
ſuchten; doch Cyneheard verhieß ihnen Geld und Land nad
eigner Auswahl, wenn fie ihm die Krone geflatten wollten,
fie zugleich benachrichtigend, daß ihre Verwandten mit ihm
wären, die ihn nie verlaffen würden. Doch die getreue Schaar
erflärte einmütbig, daß Fein Verwandter ihnen theurer fein koͤnne
als ihe Herr und daß fie nie dem Mörder deſſelben folgen
winden. Gie erfuchten Darauf ihre Verwandten in Cyneheards
Gefolge, dieſen jeßt gefund und umverfehrt zu verlaſſen. Doch
auch diefe. erwieberten, baß fie dieſelbe Auffoderung an die
geſtellt hätten, welche geflern mit dem Könige waren; fie woll⸗
ten fich nicht weniger tapfer zeigen als diefe ’). Darauf wurde
1) Chron. saxon. ad a, 775. Florent. ad a. 778.
2) Schon früher findet fi hier eine Werwechstung der XXVI. mit
ver rigtigen XXXI. Leptere Zahl in ohron. saxon. ad a. 755; jene in
Florent. ad a. 784, Malmesb. Henr. Huntend. Matth.
Westmon. Daß Cyneheard Thon gleich vor der Mache des neuen Kö:
nigs geflohen fei, ift ein Irrthum Lingards.
| 8) Diefe Stelle de saxon. chron. ad a, 755 tft ſchr entſtellt.
‚ Üthelweard, welcher die ganze Erzaͤhlung jenem am genaueften nad;-
bildet, hat Hier einen ganz andern Sinn, weldjer der beiberfeitigen Auf:
’
Bon Mitte des 8. bis Ende ds& 8. Jahrh. 267
den Thoren gefochten, bis des Koͤnigs Getreue eindrangen
d ben Ätheling und le feine Anhaͤnger, bis auf Einen,
yoch.auh verwundeten Pathen bes Caldormans, exſchlugen.
mewulfs Leiche wurde, gleichwie die her: meiſten chriſtlichen
mige vom Weſſer, zu Wincheſter belgeſest. die des Lyelingẽ
Arminſter in Devonſhixjee.
Der Naͤchſtberechtigte zu dem erledigten Throne wer, noch
x uns erhalten Kunde des Stammes. Cerdics, ein Urenkel
3 Koͤnig Ines Bender Ingils, Ealmund, welcher durch eine
18. unbekanme Verkettung der Schickſale der dortigen Krone
n dieſe Zeit König von Kent wor. Vermuthlich genuͤgte Dies
r. Grund den weſtſaͤchſiſehen Wittigſten um demſelben nicht
zweite Krone zu Übertragen; Beorthric, ein andrer Ber: -
enhter des koͤniglichen Hauſes, deffen Recht nur durch den
eiten Ausdruf, baß..er dem Stamme Cerdics angehöre, bes
ichuet wird, wurde. auf dem Gemote non deu Witan wählt
ad went. Wolke beſtaͤtigt. Beorthric entſprach dem Vertrauen,
elches ihn gerufen hatte: er ſicherte die innere Ruhe des Lan⸗
3 durch Vertreibung des Egbert, eined Sohnes des eben
achten Königs Alcmudz gegen Angriffe äufferer Feinde, der
iwiten oder anderer Angelfahfen, wurde fein Reich ficher bes
abet. Nicht menig wurde der Friede des Landes durch eine
# dem maͤchtigen Offa von Mercien eingegangene. Verbin⸗
ng befefligt, defien Tochter Cabburge er zur Ehe erhielt. 787.
«gbert, welcher bisher an Dffas „Hofe Schuß gefunden und.
offnungen auf den Befis der weftfächfifchen Krone genäht
te, floh jeßt über die Ser gu den Franken.
Dafielbe Jahr wurde durch den erſten kuhnen Verſuch
ormaͤnniſcher Seeraͤuber in Weſſer zu landen merkwuͤrdig.
ei Schiffe derſelben wagten ſich, vermuthlich laͤngs ber öfl-
chen Kuͤſte Britanniens, bis zu der uralten Haſenſtadt des
)urotrigen, Dorcheſter. Der boͤnigliche Gerefe daſelbſt — die
derung ben Zweck beilegt, eine offene Fehde, im Gegenfag zu dem an.
r Perſon des Königs verübten Morde, zu erklären. Auf die Erzaͤh.
ıng bes Goffrei Gaimar Vers 1838 — 1920 ift hier nur deshalb
inzuweifen, um ben geringen hiftorifchen Gehalt dieſes jest zugänglich
eworbenen Reimchroniſten, den auch hier Bromton ſchon erkannt
at, anzudeuten.
*68 3weite Adbtheilung.
Aufbewahrung ſeines Namens, Beadward "), zeugt von dem
tiefen Eindrude, weldjen dieſe Begebenbeit hinterließ — keinen
800.
ss nig, welcher an den füblichen Grenzen feines Reichs verweilte,
andern Argwohn hegend, ald daß jene frembe Kaufleute wi-
ren, welche die Zollſtaͤtte zu umgehn verſuchten, kam mit we⸗
nigen Begleitern herangeritten um ſie zu belehren oder hinzuzu⸗
fuͤhren. Er und die Seinigen wurden von den Reubern an⸗
gegriſter und erſchlagen.
Der Einfluß der Gemahlin des Beorthric, einer Tochter
jener durch die. Ermordung ihres Schwiegerſohnes, des Koͤ⸗
nigs der Oſtangeln, Äthelbyrth, berüchtigten Königin Cyne⸗
dritha, beſtimmte jenen der ſteigenden Macht Merciens in
Kent ruhig zuzuſehn. Über die heimiſchen Verhaͤltniſſe erſchlich
fie ſich durch die Neigung ihres Gemahls die ausgedehnteſte
Herrſchaft; Ealdormanen, Geiſtliche und: Volk mufften- ihrem
Eigenwillen und ihren ſchaͤdlichen Grillen folgen. Die welch
ihr zu gehorchen ſaͤumten, wuſſte ſie durch das einer rohen
Zeit eigenthuͤmliche, bei den ſtammverwandten Longobarden
vorzuͤglich häufige Verbrechen der Giftmiſcherei zu entfernen.
Doch ald Enadburge in ihrem Einflufie auf den König duch
den, durch hohe Geburt und feltene Liebenswürdigkeit audge _
zeichneten, jungen Ealdorman Worr ſich befchränft fand, erw
griff fie wieder die fichere Todesgabe; aber mit. dem Freunde
genoß auch der König aus dem unfeligen Becher. Der Kö
wurde zu Werham beftattet; Eadburge aber, ſich reicher Schäße
‘ bemächtigend, floh zu der gegenhberliegenden Küfte des Fran-
kenlandes. Karl der Große nahm die flüchtige Königin, bie
Tochter feines Verbündeten, ded Königs von Mercien, guͤtig
auf, ald fie Geſchenke darbringend fich ihm zuerſt nahte.
„Waͤhlt Euch zum: neuen Gemahle,“ ſoll er zu ihr geſprochen
haben, „zwiſchen uns Beiden, mir oder meinem Sohne dort
auf dem Soͤller.“ Übereilend erwiederte das Weib: „wird mir
die Wahl anheimgeſtellt, ſo erkieſe ich mir Deinen Sohn, denn
er iſt juͤnger.“ Darauf der Koͤnig lachend: „haͤtteſt Du mich
erwaͤhlt, ſo wuͤrde ich Dich meinem Sohne verlobt haben jetzt
aber erhaͤltſt Du von und keinen.“
1) Aethelweard 1, TIL. prooem, piorent ad a. 787.
Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 269
Karl ließ fie als Abtiffin in ein Klofter ziehn; doch als
ie biefes und fich felbft durch mit einem ihrer Landsleute nie⸗
riger Geburt gepflogne Unzucht befledte, ward fie vertrieben.
zon einem einzigen Sclaven begleitet, wanderte fie duͤrftig
ach der Lombardei, wo Verwandte von ihr freilich nicht laͤn⸗
er berrfchten, doch noch verweilen konnten; aber in Elend
nd Schande endete fie ihr Leben, auf den Gaſſen von Pavia
ettelnd ).
1) AsserP? vita Aelfredi, aus biefem Simeon Dunelm. ad a. 802.
\ | | ı on re
SDritte AbtHeilung. .
Bon der Bereinigung der angelfächlifchen Staa⸗
ten unter den Weſtſachſen bid zur Alleinherrfchaft
ber, Dänen, \
Mes Karl der Große den Gedanken für einen Augenblid
bei fich haben vorübergehn laffen, durch eine Heirath mit ber
weftfächfifchen Eadburge fein ungeheures Reich noch über dem
britifchen Canal hin auszubehnen; er verfolgte denfelben nicht.
Treue Freunde und nicht übermächtige Verbündete, wie er fie
in feinen Verhältniffen zu Mercien, Northbumberland und Wef:
fer gefucht hat, Fonnten ihm gegen die britifchen Voͤlkerſchaf⸗
ten und normännifchen Seeräuber nüglicher fein als unwillige
Unterthanen, welche mit jenen fowie mit den Altfachfen gegen
ihn gemeinfchaftliche Waffen erheben Fonnten. Er. felbft begab
fi) damals nach Rom, um die erfehnte Cäfarenfrone von des
Papſtes geweihten Händen zu erhalten. Er ließ es daher ge:
fhehn, daß Ecgbert, welcher dreizehn Jahre in ſeinem Reiche,
vermuthlich in feiner Umgebung zugebradht ') und die Waffen
fertigkeit ſowie die aͤuſſere Liebenswuͤrdigkeit, welche ſein Volk
ſeit einem Jahrtauſende eigenthuͤmlich bezeichnet ), fi ſi ch angeeig⸗
1) Exulavit 3 annis cum rege Francorum, nobiliter tamen et
egregie. Henr. Huntend. 1. IV. ähnlih Florent. ad a. 886.
Die Zahl von drei Jahren, welche auch Lingard nadjichreibt, ohne die
Quelle zu nennen, ift ein Irrthum für dreizehn. Palgrapve überfah
diefe Stelle, wenn er (II, 238) behauptet, daß nur Wilhelm von
Malmesbury über bie frühern Iahre Ecgberts berichte.
2) Est enim gens illa (sc. Francorum) et exescitatione virium
\
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 271
net hatte,: ben Einladungen feiner Sreunde folgend,: des ihm.
zugefallnen- Thrones fi) bemaͤchtigte. Ein Sieg der Seinigen
bezeichnete den Tag ſeiner Kroͤnung. Eine merciſche Schaar,
Hwiccen unter. dem Ealdorman AÄthelmund, waren bei Cyne⸗
maͤresfurth über die. Themſe gegangen. Weertan, der Ealdor:
man der Wilfäten, ritt ihnen entgegen, und fcharf wurde ge:
fochten. Beider Heere Führer. fielen; doch die Siegesbotſchaft
wurde dem jungen Koͤnige :zugejsuchzet.
Die erfte That Ecgberts: fol gewefen fein, in einer Bandes:
-verfammlung zu Windyefter, mit Beiflimmung des gefammten
Volkes, der Infel Britannien den Namen England beizule
-
gen‘). Schon feit längerer Zeit hatte das. Übergewicht ber
nördlichen Reiche den Namen des Stammes der Angeln zu dem
vorherrſchenden Gefammtnamen unter der germanifchen Bevoͤl⸗
ferung ‚der Infel felbft gemacht?); und fogar. wenn beide
Hauptfiänime in dem Namen des Angelfachien zufammenge:
nannt bezeichnet. werden,. wird jener vorangeftellt?). Selbft
wenn von. Einwohnern des. fächfifchen Reichs ausſchließlich vie
:Rede war, „wurde biefen. fchon der-Name Engliſcmen, ‚wie in
den Geſetzen des Weſtſachſen Ine), -beigelegt.. . Wenn nım
auch Gaelen und Briten fortfuhren ihren Nachbarn den Nas
men der Sachfen zu geben, unter welchem biefe ihnen zuerft bes
Sannt a wurden, fo konnte doch dem Auslande. diefer Name,
der ‚zu:: Vermeidölungen mit den Altfachfen Anlaß gab,
welche damald durch die Kriege. mit. Karl dem Großen und
ihre endlich erfolgte Belehrung zum Chriftenthume, der. Kirche,
dem Staate: und dem allgeminen Verkehre wichtig ‚geworben
et comitate morum canctarım oceidentalium facile princeps, Guil.
Malmesb. L II. c. 1.
1) A..D. DCCC Egbertns rex: totius Britenniae® in parliamento
apud Wintoniam mutavit nomen regni de consensu populi sui et jus- .
sit illad de caetero vocari Angliam. Historia fundationis hospit. S.
Leonardi,: Monasticon Anglican. Vol, VI. p. 608. Zgl. Caradocp.2%6.
2) Beda hist. Anglor. ecdlesiast. praefatio. Bonifacii epistol,
$) Der Sefammtname Angli Saxones findet fich zuerſt bei Pau⸗
Warnefrid de gestis Longobardor, 1. VI. c. 16. Cedoaldus rex
Aunglorum Saxonum; alfo vor Set, | 5 u
» Inae leg. 24.
—
22. Dritte Abtheiluns. u
‚waren, nur unbequem werben, während ber Pame’bet, auf
dem Feftlande faſt verkhollenen Angeln jenes Inſelvolk deutlich
‚und nicht ungefchichtlich begeichnete. :&ollte alfo der Intel von
feiner Hauptbevoͤllerung ein entſprechender Name gegeben. wer -
P 23
den, fo war ‘der von den Angeln bergenonmmene gewiß der
paſſendſte. Nicht fpricht jedoch ‚mehr für die obige Nachricht,
rals daB ſich der Name Anglia vor Ecgbert micht-nachweilen
laͤſſt, wohl aber bald nach ſeiner Zeit‘). Doch ift: did Veran:
laffung dazu um fo dumkler, da Fein damaliger koͤniglicher Zis
tel das Land, ſondern jeder den Volksſtamm der Untertha⸗
nen?) begrichnete. ‚Man pflegt auch gewoͤhnlich dieſe Machricht
ganz zu verwerfen, weil fie dahin gedeutet wird, als habe Ecg⸗
:bert feinem. Koͤnigreiche Weſſer fein der Namen England
beigelegt, sine:wungh: Ecgbetts und ſpaͤtere Urkunden leicht wi
derlegte Meinungt Es iſt offenbar bloß ‚von bet gnzen Ins
ſel die Kede, welche indeffen me durch eine poliniſche Bezie⸗
bung vereinigt iur, den Bretwalge.. Die Abſchaffung dieſes
Titels, der von jetzt an nicht mehr" vorkommt, ſcheint Gegbert
bewirkt und: 'baflr den des Beherrſchers von Englaud ein⸗
geführt ‚zu: haben. Die Veranlaſſing zu dieſen mit. weſentli⸗
hen Intereffen. ober Rechten. ber Angeiſachſen keineswegb ver:
knuͤpften und Daher von ben aͤltern Chroniſten ——
Beſchluſſe mag duch Karl den: Großen ‚gegeben ſein;, der
foeben- feine Hertichaft uͤber die Briten im: Frankenlande, auf
‚welche der Zitel des Bretwalda mit gebrutst werben
befeftigt hatte, dem Kaiſertitel annahm und eiferfüdhtig Al⸗
les zu entfernen ſuchte, was auch nur durch eine: smigefuchte
N Der Name "Anglia ift mie zuerft vorgekommen in ber in Ecg⸗
berts Gegenwart ausgeſtelllen Urkunde bes Königs Wiglaf von Mercia
vom 3. 833 d. St. Augustini bei Ingulph: coram pohtificibus et
proceribus maioribus totius Angliae. Bei Savile p. 85%. Bei Schrift:
ftellern bemerkte ich ihn zuerſt in annal. xänten. ad a. 780, deren aͤlte⸗
ſter Theil im J. 852 redigirt iſt. Terra Anglorum bei Beda. L V.
o. 21. fol nicht den Namen des Landes andeuten, und wird daher auch
von Älfred überfegt: of Angol theode. -
2). Rex. Anglorum nennt-fih auch Offa von: geereien in einer Ur⸗
kunde regni sui anno 38 (795); in den erident.. eccles. cantuar. bei
Twysden 2219 zum Sahre 790 > gelegt.
Bon Anfang des.9.: bis Anfang. des 11. Jahrh. 273
Zweideutigkeit ſeine Ober: feine Radfolge, echte zu gefaͤhr⸗
den fhien. : ‘
.. Die erften Degienmgsja Eegberts verfloſſen in gluͤckli⸗
cher Ruhe, welche er zur Befeſtigung feiner Herrſchaft trefflich
nutzte. Selbſt die Briten ſcheinen einen Zeitraum von zwan⸗
zig Jahren hindurch vor und im Anfange von Ecgberts Regie:
zung, durch die Schidfale ihrer Stammgenpffen: jarfeit bes
. Meered gewarnt, dem Kriegöfpiele mit den Sachſen entfagt. zu
haben. Nicht ohne Beziehung zu dem Aufftande ber. Armori⸗
caner im: J. 809 gegen den: bamald in Sachfen. abweſenden
Kaiſer Karl ereignete es ſich — mag nun ein allgemeiner Auf:
fand. ber; Briten diefjeit. nd. jenfeit des Meeres gegen die ger:
maniſchen unterdruͤcker erregt ſein, oder Ecgbert die Altbriten
von einer Huͤlfeleiſtung an die Bretons abgelenkt Haben — daß
ſeit jenem Jahre fich eine: Reihe von Fehden mit Cornwales)
und den uͤbrigen Waliſern entſpann, welche fin Echbert und
ſeine Krieger augenblicklicher Ruhm und bie Ichrteichfte Vor⸗
ſchule fuͤr groͤßere Kaͤmpfe wurden. Sowie Karl, deſſen neuer⸗
baute Flotte zu Boulogne die Verbindung ver gemeinſchaftlichen
Feinde abſchnitt, fiegte auch Ecgbert. Cormwales wurde mit
Weſſexr vereint; die übrigen Suͤbbriten erklaͤrten ſich &cgbert zins⸗
bar. Mit greßer Strenge wurde das widerſpenſtige: Waliſer⸗
land mit Feuer und: Schwert verheert, ſelbſt der Biſchofsfitz zu
St. Davids in Aſche gelegt”). Doch blieben: die Bande der
“unterjöchten Provinzen fehr locker; fon Im 9823 fochten
pie Cormwalen. mit ben Deonfäten eine große. Schlacht ‚bei
Gavolfordꝰ), und fo wenig verbreiteten ſich die: Angelfachfen
über den Zamarfluß hinaus, daß dieſer noch viele Jahrhun⸗
derte hindurch eine der mertwürbigfien Sprach⸗ und Voͤlker⸗
Scheiden Europas geblieben iſt. |
1) Guil, Malmesb. 1 1. ed Matth, Westnion. nd, 809,
2) Malmesb. l.1. Florent. Wigorn. Ehron. saxon. ad a.
818. Matth. Westmon. ad a. 810, 811. Oaradoc p. 21. Über
die carolingifchen Briten ſ. Säuberts Daru I, 56. Einhardi
annales ad a. 811. |
8) Aethelweard. Florent, Caradoc p.'25. Die Dena des
chren: saxon. ed. Ingram an dieſer Gtelle rm eine faiſche Brot t für
Defna oder Defena. . en
Bappenberg‘ 8 Geſchichte AEnglands I, 48
)
7 -". ‚Dritte Abtheilung..: BE
Eccgbert hatte bereits beinahe. das Viertel eines Jahrhun⸗
derts auf dem Throne zugebracht; im Weſten war. fein Reich
‚gegen den: gedemüthigten Erbfeind völlig gefichertz fein mäds
tiger Freund war irbifcher Giemeinfchaft bereits entrüdt, um,
im Spiegel der Erinnerung und’ Geſchichte klarer aufgefafl
- ein unerreichted Vorbild kommenden Herrfchern entgegen
flrahlen: als ex befonnen und fühn , den Zeitpunct ergrif,
in welchem die Kräfte des bis dahin vorberrfchenden Merciens
: von der Anarchie des Emporkoͤmmlings Beornwulf und feinen
"823,
Geſippe zereiffen wurden, um: die angemaßte Herrſchaft Diele
Landes Uber die. fämmtlichen übrigen füdlichen angelfaͤchſiſchen
- Staaten zu zerflören. Ein König der Oftangeln,. defien No
me unbefannt ift wie ber feiner: Vorgänger fett dem ermor
deten Äthelbert, bot den Vorwand zu einem Kriege über bie
. Herrfchaft Englands dar, ald er mit feinen Wittigften zum
Könige Ergbert kam, um bei diefem Schutz und Hülfe gegen
den Übermuth Merciend nachzuſuchen und zu bitten, daß a
‚binführo fie .befriebe und ihr Mundbord ſei. Der Anfang
dieſes Kriegs fchien jedoch gegen Ecgbert ſich zu wenden, da
die Mercher bis zu den Wilfäten vordrangen; aber der bluti
Tag bei -Ellendune'), wenn er gleich das Leben Hund, de
Ealdormand der Sumerfäten?) und vidler anderr Zapfen
foderte, entſchied flie: den fächfifchen Drachen. Der Siege
verfolgte jetzt raſch lang genährte Pläne. Die ſuͤdlichen Staas
ten waren durch. die Könige von Mercien der längft begruͤn⸗
deten Oberherrichaft von WWefler und den jene Staaten ver
‚waltenden mediaten Königen aus .dem:weftfächfifchen Fürftenhaufe
entzogen’). Als folche haben wir in Kent ben Bater. Ecgbertö
1) Praelium, unde dicitur: Ellendune rivus cruore rubuit, ruina
restitit, foetore tabuit. Henr. Huntend. L IV. Eiledune i. e.
mons Kallae, Florent. ad .a. 823, Ein anderes Lied auf bie
Schlacht bei Ellendune, welches ben Beornwulf ſelbſt dort fallen laͤſſt,
rn Robert de Brunne an:
- Elendoune, Elendoune, , the lond .is fulle rede
. Of the blode of Bernewolf, ther be toke his dede.
.. 9 Asthelweard. 1. III, c.-2.
35) Chron. saxon. Florent. ad a. 823. Malmesb. Henr,
Huntend. Ingrams Überfegung, welche hier von Balbreds Ber
Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 275
Almamb und Eadbert Prem geſehen. Rhmliche Werbäftniffe
now Suſſex find noch aͤlter; fi Eſſex haben wir oben einen
Unterfönig Sigebert aus Cynrick Stamm vielleicht errathen.
Arsch: das Suthe⸗Rige (Surxen) wird unter ben ehemaligen
weßkfächfiichen Apanagen jest genannt, Ecgbert ſandte feinen
Sohn Rihelwulf webit feinem kriegeriſchen Biſchofe von Shire⸗
horn, Ealſthan, und dem Ealdorman Wulfheard nach Kent,
we fie den Koͤnig Boaldred norxdwaͤrts über bie Themſe yertüe⸗
bes, Die ſaͤmmtlichen genannten Staaten unterwarfen ſich
Dem Könige yon Weſſer, welcher den Kentern feinen Sohn
Atbhelwulf zum Könige ſetzte. Kent fowie Die übrigen Beinen
Reiche warden von jetzt am nicht entfernten Verwandten von
Den Seitenlinien, fonhen den aͤlteſten Söhnen des Stamm
hauptes verliehen. Die Anſoruͤche Merciens auf die Oſtangeln
ſchienen begründeten aber. leichter. aufrecht zu erhalten, Nach⸗
dem bie. Unruhen auf der Synode zu Clovesho beſchwichtigt
waren, wo zwei Ealdorwanen, Burhelm und Muca, erſchlagen
wurden, griff Beomwulf die Oſtangeln nach einigen Jahren
wiedor au, fiel aber in dem Treffen, ſowie auch bald dar⸗
auf mis funf ſeiner früheren Gefährten und Ealdormanen
825.
Beoommulfs Annerwankter und Nachfolger Lubera’). Die
Mereier. ziefen. Ist einmüthig. ben Verwandten bes rechtmaͤßi⸗
gen Herrſcheihauiſes, ben Herzog hen Hwiceas, Wiglaf?), auf
wandten ſpricht, iſt unbegreiſlich. Doch ſtimme ih Ingram a. a. 9,
darin bei, daß bei Florenz a. a. O. ſtatt Orientales Angli zu leſen
iſt: Orientales Saxones, _
1) Veornwulfs Tod wirb im chron. saxon. und Floren z fhon
b. 3. 823 angegeben, was mit den dortigen undhronologifchen Angaben
über das Concilium zu Elovesho b. 3. 8223 ftatt 824 zufammenbängt.
@. Concilia I, 175. 6. Dafelbft wirb au Bynna, ein Bruder des
Königs, genannt, der biefem nicht auf ben Thron folgte.
2). Palgrave nennt Wiglaf einen Verwandten Bed Lubera, wo⸗
für ich keinen Beleg anführen aın. Aus Ingulphs Darftellung geht
dagegen ſchon hervor, baß biefer ihn als rechtmaͤßigen König betrachtet.
Wiglaf felbft in einer Urkunde v. 3. 833, welche Ingulph einfchaltet,
nennt Edeldritha cognata mes. Auch war fein Sohn Wigmund mit
einer -Zochter des Königs Ceolwulf, Alfishe, verheirathet. Wlarent.
geneal. Daſelbſt Heifft feine Gemahlin Kenedrithe, bei Jugulph
| 18*
U
276 Deitte Abtheiluns.
den bedraͤngten Thron, der aber, von Eegbert in die Flucht
gefchlagen, denfelben ganz verlaffen muffte und nur durch den
Schuß, welchen feine Verwandte, bie heil. Edeldrithe, Koͤnig
Offas Tochter, ihm in ihrem Kloſter verlieh, ſein Leben vor
den Nachforſchungen der Krieger Ecgberts rettete. Ecgbert
drang über den Humber vor, wo bie Northumbrier unter dem
Könige Eanred, zeitige Unterwerfung rathſam erachtend, ihm
friedlich bei Dore entgegenfamen, die Verheiffungen bed
Friedens und Zributes durch Geifeln befräftigten und froh und
friedlich gefinnt von einander ſchieden ). Ecgbert war jetzt
als Herrſcher von ganz England, welches im Norden ſich wei⸗
ter als nach dem jetzigen Begriffe ausdehnte, anerkannt,
und konnte ſich mit mehr Recht als irgend einer ber ſieben
Könige, welchen vor ihm der Titel Bretwalda zuerkannt war,
denfelben geben und ebenfo, da bie Briten der. Vernichtung
geweiht fehienen, deren Namen dem der Angeln aufopfern.
Wiglaf erhielt jetzt Mercien unter einem Tribute von Ecgberts
Gnade wieder, den König der Weſtſachſen als feinen Lehns⸗
bern anerkennend ). Der. widerfpenftige Koͤnig von Eſſer,
Swithräd, wurde befriegt und vertrieben; das Reich der Oſt⸗
- fachfen hörte für immer auf zu fein und wurde ein Theil des
Meiches des weftfächfifhen Kronprinzen. Ecgberts Siegeszug
richtete fich gegen die Walifer, welche einen erfolgreichen Wi⸗
derſtand entgegenfeßen Eonnten. Er verheerte das Land bis
zu Snowdons Höhen, drang nach Denbighfhire ein, wo die
Befisnahme der Herrfchaft Rhyvoniac durch die Sachen ) be
Gelfribas jene Könnte alfo bie herrichfüchtige Tochter Ceonwulfs gewe⸗
fen fein. |
1) Nur Matthäus von Weftminfter, im Wiberfpruch mit
allen Altern Quellen, fpricht hier von Karten Verhetrungen in Nort⸗
humbrien.
2) Url. v. 3.883 bei Ingulph: per dominum meum Ecgbertum
regem Westsaxoniae et Athelwulphum filium eius illud obtinui cpn-
firmari — In praesentia dominorum meorum Kcgberti — «et Athel-
wulphi. — -
| .8) Annales Cambriae ad a. 816; | vgl. 818, 822 über die Erobes
rung von Powis burch die Sachſen und Bruty Tywzeogion ad a, 816,
818, 822. Sol. chron. saxon. ad a, 823,
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 277
ſonders bemerkt wird, und drang, da aufferbem bie Eroberung
von. Wales nie vollendet. war, in dad alte: Mona '), welches
jest das. Volt erblickte, deſſen Name das heil. Eiland ber.
Briten jebt trägt (Angles: ey). Nur die Könige von Cumber⸗
land und Strathelyde waren nicht in Ecgbertd Reich begriffen,
welche Unabhängigkeit fie der friedlichen Stellung. verbankten,
in welcher. fie-zu ihren mächtigen Nachbaren zu verharren ver⸗
ſtanden.
Die neue Herrſchaft Ecgberts trug einen von dem ‚alten .
Bretwaldathume wefentlich verfchiedenen Charakter, wenn fie
gleich in ihren Grundſaͤtzen zunaͤchſt auf daſſelbe ſich füßte
und bie. Veränderung vom Wahlkaifer zum Oberlehnsherrn
durch frühere Vorgänge vorbereitet war. Jene Eleinen, für den
Zweck der Eroberung begründeten Staatenconglomerate mufften,
duch innere Bebürfniffe und Einrichtungen noch nicht ver:
knuͤpft, aufhören, fowie das Schwert roſtete und. die Ausficht
auf Beute den Muth des. rohen Kriegerd nicht ſtets neu be⸗
lebte; der Einfluß der Kirche Eonnte wohl ein folched Feldla⸗
ger allmälig auflöfen, aber nicht in eine Eräftige Schirmherr:
ſchaft der Religion, des Friedens und der auffeimenden Indus
ſtrie verwandeln. Auch verloren jene Staaten Nichtd gegen den
‚Gewinn der Centralifation der Gewalt; felbft die alten Eöniglichen
Sefchlechter von Wodand Namen waren erlofchen. Adel_und
Volk blieben im Übrigen in ihren alten Rechten und National
verfaffungen. Doch forgte hier, wie die Gefchichte ſo haufig
gelehrt hat, der natürliche Gang der Dinge fo gut für bie
- Menfchen, als fie bei aller Einficht und Vorausficht der kom⸗
menden Begebenheiten es nur hätten lenken koͤnnen. Während
Fehdeſucht und Anarchie nur dazu. zu dienen fchienen, alle uͤbri⸗
gen Staaten dem-Eräftigften und unverborbenften derfelben un:
terzuordnnen, wurde durch die Vereinigung aller Kräfte zugleich
die Möglichkeit gegeben, das Reich der Angelfachfen gegen bie
ſtets gefährlicher und bald unmwiberflehlich werdenden Einfälle der.
Dänen und Normannen zu fehüsen ober doch die Vertreibung
1) Caradoc p. 24. Die Chronologie Caradocs iſt gar ver:
worren; er fest jenen Feldzug ums Jahr 826 und body in. die Zeit bes
im 3. 819 verftorbenen Geonwulf von Mercia, deſſen Kriege gegen bie
Demeten die annal. Cambriae ad a. 818 wirklich erweifen.
832,
\
278 Dritte Abtheilung.
derſelben moͤglich zu machen und die Grundzuͤge bed Share:
ters und der Verfaſſung bes engliſchen Volks jo zu befrftigen,
daß fie nach einem Jahrtauſende ſich nicht nur erhalten, ſon⸗
dern alb ein Hauptelement des Charakters und des groͤßten
Theils der alten und der neuen Welt wiederfinden,
Wenige Jahre nur hatte Ecgbert feines ausgebehnten Here
haft fich erfreuet, als ibm Botfchaft wurde, daß bänifche
Seeräuber auf der Infel Shepey gelandet feien und dert ge
vauibt hätten. Im folgenden Jahre landete eine. Flotte von
35 Piratenichiffen zu Yarmouth in Dorfetfhire, wo Erxabiit
ſelbſt den Raͤubern entgegenrücte, doch mit großem Vetluſte
von den rauden Söhnen des Nordens aufs Haupt gefchlagen
wurde. Ecgbert veranflaltete fogleih eine Verſammlung dei
Praͤlaten und Großen feined Reichs zu London. Wir erbliden
unter diefen, in einer dort ausgeſtellten Urkunde '), neben dem
Könige Withlaf auch den Erzbiſchof von York, ſowle die ofls
835.
anglifchen Bifchöfe, doch Nicht deren Könige, deren Abgeotb⸗
nete fie vielleicht waren. Die Dänen ſaͤumten nit ihre Lan
dung bald zu wiederholen, vermuthlich durch bie Briten som
Cornwales veranlafit, welche fich mit ihnen vereinigten und des
gen Ecgbert ind Feld ruͤckten, welther jest beffer geruͤſtet bie
Feinde bei Hengeftdune ?) vernichtet. Die Vermeſſenheit ver
Wealen follte jedoch noch mit härterer Strafe gebuͤßt werden.
Ecgbert nahm Cheſter, die Haupiſtadt von Gwynedh ( Caer
Lheon ae Ohyfrdwy). Unter andern Demuͤthigungen, welche
er den Einwohnern auferlegte, war die Berflörung des ehet⸗
nen Standbildes ihres ehemaligen Königs Cadwalhon, mit
dem Verbote baffelbe je wiederherzuftellen, Allen Wealen nd
Nachkommen derfelben gebot er feine Reiche innerhalb ſechs
„Monaten bei Todesſtrafe zu verlaſſen; eine Maßregel ſchwaͤch⸗
licher Politik, welche jene furchtbarer erſcheinen laͤſſt, als fie
es wirklich zu einer Zeit fein Eonnten, mo die Eultur ber Am-
gelfathfen die walififche Nationalität leichter unſchaͤdlich hätte
machen. koͤnnen als ihre Waffen fie vernichten. Die Walifer
4
1) Som Könige Withlaf für das Kloſter Groyland. 833 am Lage
St. Auguftini. ©. Insulph.
2) Mons Hengisti. Florent. ad a. 885.
\
\
'. Bon Anfang des 0. bis.Anfang bes 11. Jahrh. 279
fehrieben- diefen: —— dem alten Haſſe m, weichen Red⸗
butge; Eegberts Gemahlin, gegen ihren Stamm trug 9.
Dieſe That iſt die letzte uns dekannte der gilicklichen Regierung
ba welcher im fölgenden Jahre fein tahmuiles Leben 836.
beſchlo
Eeccgbett hat ein angelfächfifches Reich beelribet, wie >
“an Umfang und an Kraft früher nie beflanden hatte und wel-
ches durch Einheit und größere ‚innere Ruhe bie geiſtige Aus⸗
bildung und Entwickelung der Landes und Gerichts⸗Verfaſ⸗
ſungen weſentlich foͤrberte. Seine Thaten waren die Saat,
aus der bie goldenen Fruͤchte entſproſſen, welche ſeine Nach⸗
folger zeitigten und deren Erinnerung die Nachwelt mit dem
großen Namen Alfreds zu verknüpfen ſich gewoͤhnt hat. Dcch
ſelten wird ein hohes Ziel etreicht, ohne daß gleichzeitig ſchon
der Keim des Verderbens keck an dem überragenden Lebens⸗
baum ruͤttelt. Jene Soͤhne des Elends und der Barbarei, die
Dänen oder Normannen, welche ſeit einem halben Jahrhun⸗
dert bie einzelnen angelfächfifihen Staaten wiederholt Hutch ver⸗
einzelte Einfälle heimgefucht hatten, begannen jetzt bie ganze
Aufmerkfomteit und die volle Kraft der Geſammtſtaaten in
* zu nehmen und endigten in der Vernichtung der an⸗
gelfächfifchen Herrſchaft und dem Auftritt des notmanniſchen
Namens, Die Gefthichte des naͤchſten Nachfolgers Ecgberts iſt
faft mr ein Kampf mit den Normannen, und ber neue Volks⸗
ſtamm welchet England betrat, erheiſcht ſchon jetzt einige naͤ⸗
here Betrachtung.
Das Dunkel welches die Herkunft jener furchtbaren Naͤu⸗
berhorden deckt, die Ungewißheit der Veranlaſſung zu ihren
Auswanderungen und Niederlaſſungen von Island bis Gieilien,
von Apulien bis Irland, die Anzahl, vielleicht nicht Three
Schaaren, aber ihrer Thaten auf dem weiten Schauplabe bei:
nahe unferes ganzen Welttheiled, von welchen jede an det See
oder großen Strömen belegene Stadt mit ihren Muͤnſtern und
Kirchen bis zu dem Beinflen Dörfern des Binnenlandes ein
ſchauervolles Andenken bewahrte, diefe ‘und ähnliche ne
bafte biftorifche Wohrnehmungen erregen unfere Aufmerkſambkei
1) Caradoc p. 97.
280 | Dritte Abtheilung.
nicht minder als die Herrlichkeit und Schönheit, in welchen
fpätere Zeiten die Normannen ald die Urbilder heibnifcher Ne
turkraft, ald die Anorbner fortwirtender Einrichtungen und Se
ſetzgebungen, als die Schöpfer und Pfleger einer neuen poeti⸗
fyen Eultur, als die Vorbilder eines fiegreichen mit Märtyrer
und mit weltlichen Kronen belohnten Glaubens, kurz als ben
Prototup jener chriſtlich⸗ europaͤiſchen Bildungsſtufe, welche mit
dem Namen des Ritterthbumd belegt werben. kann, gepriefen
; wenngleich dieſes Lob mit eben der Willkuͤr ertheilt ifl,
mit welcher die Natur auf dem Grabe des Räuberd der Wuͤſte
‚wie auf dem bed tugendhaften Patriarchen den Schmud ihrer
Blumen beroorfpriefien fit.
Der Name der Normannen, welchen zuerſt der Geograph
von Ravenna uns nennt, deutet urſpruͤnglich nicht auf ein be⸗
ſtimmtes Land, ſondern bezeichnet nur bie nördliche Lage Den
Landes zu den chriftlichen Staaten und. namentlich zu
Franken. Die Angelfachfen waren gewohnt norbilche —*
Dänen zu benennen‘). Der Zeitgenoſſe Ecgberts, der Franke
Eginhard, begriff Dänen und Schweden unter jenem Namen ’);
Ergberts Enkel, König Alfred, welcher die Anführer der Nor
mannen felbft gefprochen hatte, fchliefft jedoch fchon Die Schwes
den von dieſer Bezeichnung aus’). Die Heimat der Norman
‚nen lediglich auf Norwegen zu befchränten, ift ein Irrthum
der Sefchichtforfcher, welche überfehn haben, daß ber Landes:
name Norwegen erfi im elften Sahrhunderte entflanben u 9
1) So chron. saxon. Doch Asser. vita Aelfredi ſagt (en pa-
gani; Normanni sive Dani.
2) Vita Caroli c. 18 et 15. Adam Brem. 1.1. c. 13. u. c. 2%.
fhreibt dem Eg in hard nach, während er Gap. 238. aus ber Kunde
feiner 3eit, bes elften Sahrhunderts ‚ fpriät.
5) Älfreds Germania in Dahlmanns Forſchungen S. 421.
4) Adam Bremens. c. 238. Nordmannia — a modernis did-
tur Norwegia. Rad) ihm hat Orderic. Vital. eecles. histor. 1, IV.
(p. 541. B. bei Duchesne script. rer. normann.) Norregavia,
doch nicht als ſynonym mit Dacia, wie Depping II, 257 anzunehmen
ſcheint, deffen Abhandlung von Namen und Baterlande der Rormannen
das Zeitalter ber oft neuem Gchriftftellee nicht genug fondert. Das
ganze rühmlichft bekannte Werf: Histoire des expeditions maritimes
r Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 281
und im ammittelbare Beziehung. zu den Normannen, berem
Name durch die Nieberlaffung in, ver franzöfifchen Normandie
eine: engere Stammbebentung ‚erhalten bat, --gefegt wurde.
Wohl aber gingen aus diefem Kuͤſtenlande, ber unerſchoͤpflichen
Wiege kuͤhner Seeleute, Maͤnner hervor, welche gleich denen
der daͤniſchen Inſeln und des juͤtiſchen Cherſones die engliſchen
und ſchottiſchen Inſeln, Orcaden und Hebriden, ſowie Irland
angriffen. Die Piraten, welche im I. 787 in Weſſexr gelan⸗
Det waren, werden Normanmen aus Derethaland ‚genannt, wor⸗
“unter wahrſcheinlich das durch feine Seekoͤnige in ben: Sagen
bekannte . Härdeland. in Norwegen ') zu verflehen iſt, von
wo fpäter die ungebeugten. Entdeder Jolands hervorgegan⸗
gen ſind. |
Die Deranlaffung zu ben Auswanderungen der Normannen
darf nicht zunaͤchſt in eigenthuͤmlichen Sitten derſelben geſucht
werden. Die Armuth jener Nordlaͤnder, wo auch in den
ſonnenreichen Monaten der Druck der Felſen und ihrer zahl⸗
loſen Bruchſtuͤcke, welche jedem Felde den Anſchein des Kampf⸗
platzes einer geſtrigen Titanenſchlacht geben, weder Saat noch
Vieh gedeihen laſſen, und das Misverhältniß der Bevölkerung
waren dem rohen Zeitgenoffen vor einem SIahrtaufende fo hins
derlich als dem fcharffichtigen . Grübler über die Überbevoͤlke⸗
zung unferd Jahrhunderts ?).: Die Abhülfe war in jenen
Tagen, wo ed nur Völker, nicht feßhafte Staaten gab, leicht
gegeben, und wir erbliden, auch. nach den Ende der. vorzugs⸗
weife fogenannten Völkerwanderung und. nad) dem Sturze des
weftrömifchen Reichs, ein‘ fortwährendes Auöftrömen Beute
des Normans et de leur etablissement en France. 2 T. Paris 1826, -
enthält auch Manches über die Landungen der Normannen in England.
Meine Recenfion biefes Werkes in der hallifchen Lit.-Beitung v. J. 1832
habe ich in diefem Werke an einigen Stellen benugt. ’
. 1) Theodoricus de regibus Noryegiae apuıd Langebek
script. rer. danic. T. V. p. 315. In ber Schlacht am Haferfjork
(ums Sahr 885) blieb Eirike, König.von Hördaland. Snorro Stur⸗
Lefon Haralds Saga ens Harfagra Cap. 19. Ein anderer König diefes
Landes, Halfe, kommt früher vor. Gibſons Vermuthung, welche
Ingram in feine Überfegung aufgenommen hat, ift nicht einmal ſprach⸗
ich zu rechtfertigen: the Northmen from the land of robbers.
2) ©. Others Reifebericht und Malthus essay on population.
282... .-. ' Dritte Übtheilung.'
und Heltmat. ſuchender Norblaͤnder auf. der Nord⸗ und ODſt⸗See.
Als Britannien im ſethsten Jahrhundert keine große Schaan
Einwanderer mehr zuließ, machten in andern Landſtrichen bie
Longobarben Raum, welches dem’ Vorbringen entfernterer
Stämme im Norden mittelbar nutzte. Won bem größten Ein-
fing auf jene Völker waren aber Karld des Großen Erxobenti-
gen in ODeutſchlanb und die Grenze, welche er durch -biefelbeh
und die Einfühtung des Chriftenthums Ihrem Vorbringen feste.
Es kam nicht als zufaͤllig angeſehn werben, daB wenige
Dahre nachdem Wittekind die heil. Taufe empfangen Hatte, Die
erſten Normaͤnner in England geſehn wurben, fowie baß fie
mit der Befefligung der fraͤnkiſchen Herrfchaft in ſtets vermehr⸗
ten Schaaren hinüberfchifften. | .
Die Weiſe in welcher bie Auswanderer, oder nach altem
Aucbrucke die Elenden), verfuhren, wär dieſelbe in welcher
die germaniſchen Recken mit ihren Gefährten ihte Gefolgſchaf⸗
ten ordneten. Gewöhnlich etblicken wit, wenn ImB die Namen
bee Heerflihret genannt werben, zwei ober drei berfelben an
ber Spitze vieler Gefolgſchaften, welche für beſtimmte Zwecke
auf kurze Zeit ſich vereinten ). So werden wir Inguar und
Ubba, Oſkytel und Guthrun, Bjorn und Aſten zu ihten Zuͤgen
bruͤderlich vereint finden. So wenig wie hierin, brachten die
Normaͤnner überhaupt neue Einrichtungen und einflußteihe
Richtungen nad England. Wenn fie in bem Herzogthume, .
welches ihnen in Frankreich zufiel,. in kurzer Beit bie bortige
Sprache annahmen, bie ihrige zum größten Theile vergaßen,
wenn ſir dort, wo fie Über ein großes Land frei und unum:
ſchraͤnkt heirfchten, kein Nechtöinftitut, Teine Sitte, einen
Brauch, welcher ihnen als eigenthümlich zuzufchreiben wäre,
einführten: fo iſt diefes in England um fo weniger zu erwars
ten, welches feit Sahrhunderten von Sachſen nicht nur, fon:
dern auch den Nachbaren der Nornrannen, ben Angeln und
; Bhten, bewohnt war. Daß diefe die altvaͤterliche Sprache
und Sitte keineswegs verlieffen, fondern nur ausbilbeten,
1) Philipps deutfche Gefchichte Ih. I. 328. |
2) So Prudent. Trecens. ad a. 850. Horicus — assumptis
Normannorum exercitu etc. Hincmar. Rhemens. ad a. 851 —
eorum societate innguntur — se secundum sodalitates suas dividunt.
N
27
Von Anfang des 9; bis Anfang des 11. Jahrh. 283
mag zu. den Antrieben gehört haben, welche bie Dänen und
übrigen Normaͤnner veranlaſſten Englands Küften aufzuſuchen,
wo fie ſich ſpaͤter vorzuͤglich in den von den Angeln bevoͤlkerten
Ländern niederlieffen. Wenn dieſe Bemerkung einiges Licht auf
den Erfolg wirft, welchen die Dänen an den Oſtkuͤſten von
Mittelengland fanden, ſo erfchwert fie dennoch fehr die Aus:
mittelung deffen, was Neues burch fie dort. gefliftet, was
Dauerndes von ihnen dort binterlaffen fein mag Während
vie Gefchichte der Dänen oder Normannen in England noch
ger Teinen geimblichen Bearbeiter gefunden, hat man ſchon
ihrer Einwirkung. auf englifche Sprache und Inſtitutionen zu
Wieles zugefchrieben, Wenn wir auch unbedenklich bei letzteren
in ben meiften Fällen Verwechslung der Normannen mit den .
ſpaͤtern aus Frankreich gekommenen Nordmannen, ober viel⸗
leicht richtiger den Franzoſen aus der Normandie, erkennen:
ſo kann hierzu nicht der Einfluß gehoͤren, welchen die Daͤnen
auf die Sprache der noͤrdlichen Haͤlfte Englands geaͤuſſert ha⸗
ben füllen und welcher, wenn er fich begründen lieffe, auch zu
sinigen fetnern Folgerungen berechtigen. würde, Alle Unterfu
chung uͤber die. Gefchichte der englifhen Sprache führt uns
uber biB jest auf den Mangel an Materialien, gefchweige an
Reſultaten über die unbezwelfelte Werfchiedenheit der Sprache
in den ſaͤchſiſchen und anglifchen Staaten Britanniens zuruͤck
Wo die Grammatiker den wichtigen Streit kaum begormmen has
ben, laͤfſt fich daher fuͤr jest nur nach allgemeinen Wahrneh⸗
mungen urtheilen, und dieſe ſprechen gegen die, welche das uns
vetſtaͤndlich gewordene Heimiſcht den fremden Seeraͤubern has
ben zuſchreiben wollen. Dieſe Wahrnehmungen find, daß der
Einfluß der Nordmannen in England tur als ein hemmender
und als Ruͤckſchritt zu betrachten ift, daß dieſe aber ben vor=
handenen Einrichtungen des Staats, ' welche ihnen in ben
Grundzügen vertraut waren, ſowie der ihnen neuen Kirche fich
anſchloſſen. Berner hat ſtets die Feder Über das Schwert, das
Dlivengeſtruͤppe fiber den Lorbeer, die geiftige Cultur über bie
rohe Gewalt geflegt, die Schtiftſprache fiegt ſtets uͤber die un-
gefchriebene, und felbft die Heimat der Normannen hat feine
Buchſtabenſchrift erft den Angelfachfen nachgezeichnet. Nehmen
wir alſo die Infeln und Xheile Britanniend aus, welche nicht
284 Dritte Abtheilung.
fruͤher von Angelſachſen bewohnt waren, ſo erkennen wir in
der Sprache nirgends weſentliche Beſtandtheile, welche nicht
altſaͤchfiſch oder angliſch find, und glauben in den ſich ſpaͤter
zeigenden Dialektsabweichungen nur die in den noͤrdlichen Pro⸗
vinzen durch die Daͤnen negativ gefoͤrderte Verharrung der al⸗
ten Sprache und die geringere Vermiſchung mit dee norman
nifch=franzöfifchen Sprache zu erkennen. Worzüglich glauben
wir dieſes von dem nörblichften Theile Northumbriens behaup: -
ten zu muͤſſen, ben jesigen fchottifchen Flachlanden, wo bie
Entflebung der dortigen Sprache einigen in. unbeflimmbaren
Puncten der Vergangenheit entftandenen ſcandinaviſchen — noch
lieber mit dem umbeftimmteren Namen gothifch belegten — Ein
flüffen zugefchrieben wird; jener Sprache, welche die: Gaelen
noch jegt die ber Saffenagh nennen und aus welcher noch jetzt
aus Allen Ramfays und Robert Burns Liedern dem‘ Deutfchen
die traulichen Tächfifchen Klänge entgegenlächein. |
Dieſelbe Schwierigkeit, wie die Ähnlichkeit der angelſaͤch⸗
fifchen und dänifhen Sprache, bietet fich ruͤckſichtlich der in
England aufgenommenen und auögebilbeten Sagenwelt dar. Im
diefe muß Einzelned durch die neueren Normannen, was den
anglifchen Anfieblern Englands neu war, gebracht, Vieles aber
wieder aufgewedt fein, was das Chriftenthum und die uͤbrige
römifche Bildung aus der Erinnerung der Söhne Wodans ver
drängt hatten.: Bei diefen Sagen bleibt indeffen den Forfchern
noch bie fehwierige Aufgabe, näher zu beflimmen, was von dem
fpäteren Sagenbeflande im Norden, welcher mit dem der An
gelfachfen Übereinftimmungen barbietet, von ven letzteren aus
der feandinavifchen Dichtkunft entlehnt if. Wir erinnern bier
“nur an die befannte Übereinftimmung in den Stammtafeln ber
Könige fowie an die. Sagen vom Könige. Offe.
Über einige andere Spuren, wirkliche oder vermeinte, der
Sitten und Einrichtungen des Daͤnenvolkes wird fpäter gele:
gentlich die Rede fein. Bemerken wir hier nur noch, was in
der Gefchichte des Staats, der die Meere dereinft zu beherr⸗
ſchen beftimmt war, nicht ganz übergangen werden darf, daß
England Kunde des Schiffbaues und der Schifffahrt vom Feinde
gelernt haben mag. Doc dürfen wir diefen Vortheil, falls
er fich nachweifen lieſſe, nicht überfchägen. Die Gefchichte der
Bon Anfang-des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 285°
folgenden Jahrhunderte beweift nicht, daß England früh Schiff⸗
fahrt und’ berfeeifchen Handel trieb. Alle Nachrichten über
Die Schiffe der Normannen und: felbft aufgefundene: Truͤmmer
derfelben beweifen auch, daß biefe: fehr Elein. waren und auf
keine überlegene Kunft deuten. . Eine Räuberfchaar -gebrauchte
“ deren zumellen 300-400; die kleinſten Zlüffe wurden mit
ihnen befahren, und fand ſich eine ſeichte Furth oder fehlte das
Waſſer aus den Quellen, fo fprang die Mannfchaft. and Ufer,
die Schifflein wurden aus dem: Strome herausgenommen und
auf den: Schultern der Ruderer weiter getragen. Der Umſtand,
daß die meiſten das Schiffsweſen betreffenden Ausdruͤcke in ber
englifchen mit: der. nordifchen Sprache übereinflimmen, darf
bier, wo die Sachfen ſchon als kuͤhne Segler befannt waren,
nicht angeführt werden, um fo ‚weniger, da dieſelbe Bemerkung
auch bei füdlichen Sprachen, am überrafchendften ‚bei der ſpa⸗
niſchen ſich durchführen laͤſſt, und alfo nur xin allgemeiner
und dlterer Einfluß des germanifchen Volkes auf. die Schiffs
fahrtöfumde erſi chtlich itt.
Je geringer aber der thaͤtige Einfluß war, welchen die
Normannen auf England ausuͤbten, deſto groͤßer iſt der hem⸗
mende geweſen. Ihre nordiſche Eiskruſte umzog die Geſittung
und Bildung eines Landes, in welchem manche Elemente ver⸗
eint und entfaltet waren, um als das eigenthuͤmlichſte und be⸗
deutendſte das germaniſche hervorzuheben.
Der geiſtige Eindruck welchen die Normannen den Eng⸗
laͤndern einpraͤgten, war Furcht, Betaͤubung, dumpfer
Schrecken. Die Grauſamkeit von welcher die Raubzuͤge der
Heiden in England begleitet waren, überfteigt jede Befchreibung,
und von allen Unfällen welche das oft heimgefuchte England
betroffen haben, erklären die Alteren Gefchichtfchreiber die Plage
der Dänen für den fchredlichften ). Selbft die Siege über die⸗
) Henr. Huntend. 1. V. prooem. Plaga per Danos facta
longe immanior, ionge crudelior ceteris fuit. Dani terram undique
creberrime, diutissime insilientes et assilientes eam non obtinere, sed
praedari studebant et omnia destruere, non dominari cupiebant. Qui
si quandoque vincerentur, nihil proficiebant victores, cum alibi clas-
sis et exefcitus maior insurgeret ... domos combusserunt, res aspor-
tabant, pueros sursum jactatos lancearım acumine Io susceperunt, conin-
ges vi oppresserunt etc. .
286 0. Deitte Abtheilung.
ſelben gewährten wenig Freube, da ſchwer erxkfauft fin nur hie
Gegend des hamaligen Landungsplatzes der Dänen ſicherten,
während. andere Raͤuber unterdeſſen mit mehr‘ Sicherheit an
anderen: Ufern- landeten, und ſo die große Kuͤſtenflaͤche, in
welcher Englanb in nachfeigenden Tagen durch jenes - hölzerne
Bollwerk feiner Flotte die beſte Schutzwehr unh Die Mög
lichkeit des vielfeitigften Verkehrs gefunden Bat, demals deſſen
groͤßte Laſt wurde.
So dunkel bie Wanderungen und Ahentenn her ner
manniſchen Wikingen uns find, fo ergibt die Betrachtung ib
Züge gegen England dach einige die Überſicht derſelben fahr
erleichternde Reſultate. Zunaͤchſt die Auſicht, fie als Folge der
Siege Karls des Großen im noͤrdlichen Deutſchland zu ‚hetyashe
tm; ferner ‚die. Bemerkung, daß :ziele Züge nie in großer
Schwaͤrmen, : Harichreden ‚gleich, uͤher England heuhrgten,
ſondern daß ſie allmdlig er bedeutender wurden, - In ber
von und bereits gefihilberten Zeit. und ſelbſt noch in: der äh
folgenden bemerken wir große Pauſen, in melden. von bes
Rormannen nicht die Mebe iſt, unb- einige ber erſtin Überfäle
geſchahen mit fa geringen Kraͤften und zumelen: mit ſa geuin-
gem Erfolge, daß nur ber zufällige Verluſt eines Edlen ader
Baeamten und dad ſpaͤter von jenen bem ganzen, Lande gabrachte
Unhell jenen Anfängen des Übel. in Geſaͤngen und Chroniker
Bedeutfamkeit verfchaffte. Die Angriffe der Normannen wer
ren anfänglich weniger gegen. Englanb gerichtet, ſandern mehr
auf die dortigen Infeln und die gegenüberliegenden Küflen van
Flandern und Holland, fowie Irland, ma fie verfchichene fehle
Niederlafjungen erlangten, qus welchen ihre Maubzüge untee
nommen wurden. Kleine Infeln an ben Münbungen großer
Stroͤme wurden vorzugsweiſe non Ihnen geſucht, wo ſie bie
Kauffahrer leicht erſpaͤhen, ihnen wegelagern und die Beute
in Sicherheit: bringen konnten. Sn finden wir. fie an den
Miündungen der Schelde, des Seine, der Loire, der Themſe.
Die geringe Schifffahrtöfunde jener Zeit, welche nieht durch
Muth und Kechkheit allein erfegt werben fonnte, geftattete nicht
daß die meilten jener Seefahrten Direct Yon den norbifchen
Reichen her gemacht wurden, fondern zwang damals, wie wir
ed noch von fpätern Jahrhunderten wiffen, vie Beinen Schiffe
Bon Anfang bes 9. bis Anfang des.11. Jahrh. 287
bie Küftenfahrt ſtets vorzuziehn und, wie ed hernach ber Kauf⸗
mann nannte, Winterlager und Nieberlaffungen zu: Diefem
Zwecke zu fuchen, Diefen Gefichtöpunet ind Auge fafiend, daß
jene Angriffe ‚der Normannen gewoͤhnlich vom nahgelegnen
Stanbpuncte aus auf England gerichtet wurden, wird e& viel
leicht möglich fein, wenn bie Gefchichte aller Nordſeeinſeln
und Küften. fowie der im atlantifchen Meere wefllih von Eng»
land ergründet wird, bereinft im. den. Raubjagden und. Einfäls
len der Normannen mehr Bufammenhang und Planmaͤßigkeit |
zu finden, als bisher gefchehen if. Wir werden auch in Ge⸗
maͤßheit diefer Anficht übee die: Angriffe des Normannen auf
die oͤſtlichen Ufer Englands einiges unverboffte Licht den
fraͤnkiſchen Annaliſten entlehnen koͤnnen; wie überhaupt es ſich
zeigt, daß an dieſer Kuͤſte deutlichere Geſtalten und bekannta
Namen auftreten. Bon der Kuͤſte von Waſſex dagegen ver⸗
nehmen wir felten mehr als bie. Jahl der feinklishen Schiffe,
wenngleich zu erwarten ſteht, daß dieſelben meiſteys aus den
bekannten Niederlaſſungen der Noxmannen in Dublin. md am
‚ der Weſtkuͤſte Irlands, hier Oſtmannen gegannt, und ihrem
Inſelreich auf den ‚Hebriben und Ortaden heruͤberſchifften.
Wonn wir einigen Legenden und beſanders der älteren
daͤniſchen Koͤnigsſage trauen duͤrften, ſo ſind die Daͤnen ſchon
ſehr fruͤh, vor den von uns oben angegebenen Landungen, in
Dorcheſter im 3. 787 und in Lindisfarneo acht Jahre ſpaͤter
haͤufig eingefallen. Die glaubwuͤrdigſten engliſchen Quellen ge⸗
ben jene Jahre als die an, in welchen England die Daͤnen
zuerſt ſah, und es if durch alles vorhin Angefuͤhrte fehr glaub⸗
wirdig, daß erſt in der letztgedachten Beit die Einfälle der.
Normannen häufig und fehr gefährlich wurden. Beruͤckſichti⸗
gungöwerther find hier einige abweichende Nachrichten, welche
fi) bei englifchen Chroniften finden). Die auffallenbfle der⸗
felben fpricht von dem Angriffe auf das Klofter Lindisfame
ums Jahr 687, welcher fchon früh den Scaldingen oder Nors
mannen zugefeprieben iftz doch haben wir jebe Urfache zu glaus
ben, daß bie damaligen nördlichen Feinde die Picten gewefen
1) Die Landungen der Dänen unter Offa von Mercin, von benen
ſein fabelreicher Biograph berichtet, koͤnnen ſowohl uf bie v. 3. 787
als die v. 3. 795 bezogen werben. |
288 . Dritte Abtheilung.. -
find ), welche, wie oben erwähnt, nach König Ecgfrids Tode
die. Northumbrier wieder demuͤthigten und zuruͤckdraͤngten.
Diefelben nördlichen Feinde mögen ed geweſen fein, welche
Durch ihre Verheerungen Northbumbriens den Ticta, welcher im
J. 754 Abt zu Slaftonbury wär, veranlafft hatten aus je -
nem ande zu fliehn). Eine Landung in Thanet, welche im
3. 753 flattgefunden haben foll, hat mehr Aufmerkſamkeit
erregt, doch möchte ſie auf einer Verwechfelung mit der um
ein Jahrhundert fpäter auf derfelben Inſel vorgefallenen ber
ruhn ?), ‘wenngleich früher Heine Landungen ber Seeräuber
und Beutiruhigung der Meerfahrt erwiefen find, welche: jeboch
die Aufmerbfamteit der Fuͤrſten noch nicht auf ſich gezogen
hatten”). Daß nad dem Sahre 795 die Einfälle ber Nor
mannen fich vermehrten, wenn auch die Chroniken, welche und
diefelben.. berichteten, verloren gegangen find,: oder auch kein
Mönch. fie verzeichnete, ift nicht- zu ‚bezweifeln. Die Hart⸗
nädigkeit der. Treffen in den Jahren 832 und 833 "geftattet
fchon nicht länger ‚den damals Iandenden Normannen lediglich
die Abficht des Seeraubes und ber. Küftenplünderung zuzu⸗
fchreiben, fondern Iäfft vielmehr den Plan einer: feften Nieder
laſſung vorausſeten, um von dort aus zu Waſſer oder u
9» Bedae vita 8, Cuthberti” c. 40. ſagt bloß: Ecælesiam illan
tentationis aura percussit. In der metriſchen vita c. 37:
_ Insistens Aquilo niveis confisus in armis
Hinc atque hinc adeo Lindisfarnen perosis
Tecta quatit flabris. |
Simeon Dunelm. p. 69 erzählt darauf von dem Einfalle. der Ecal:
dingen, welche aud York zerftörten. 5
2) Vita 8. Patricii ap. Alford annal, eccl. anglo-saxon. T. I.
8) Lingard I, 172 erwähnt berfelben und überficht die beffer
beglaubigte v. 3. 787. Jene Iahrzahl beruht aber nur auf der neueren
ehronol. eccl. august. cantuar. Aus bdiefer Angabe ift wahrfcheinlich
die ähnliche in der Legende der Gt. Mildrede in W. Thorns Chronik
Gap. XXIV. gefloſſen.
4) Bregowini epist.ad Lullum (in Bonifacii epist. Nr. 103):
crebris infestationibus improborum hominum in provinciis Anglorum
seu Galliae regiones. Nunc vero pace ac tuitione nobis a principi-
bus indubitanter undique promissa —. £ullus flarb 7865 und Bregowin
kann ber Erzbifchof von Ganterbury v. 3. 759— 768 gewefen fein.
—
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 289
Lande, durch Krieges⸗ oder durch Friedens⸗Gewerbe die Noth⸗
durft des Lebens zu friſten, oder auch dem Übermuthe roher
Naturkraͤfte zum Hohne geſelliger Ordnung nachzugeben.
Dieſe Vorausſetzung wird ſehr beſtaͤrkt, da bald darauf ein
großes Heer der Daͤnen im Buͤndniß mit den Weſtbriten Koͤ⸗
nig Ecgbryht angriff, welcher jedoch die Verbuͤndeten bei Hen⸗
giſtdun vernichtete. Eine ſolche Vereinigung zwiſchen zwei der
Abſtammung und Sprache nach ſo ſehr verſchiednen Nationen
ſetzt ein ſchon fruͤher beſtandenes Verhaͤltniß voraus und leitet auf
die Vermuthung daß dieſe Daͤnen zu denjenigen gehoͤrten, welche
ſich bereits in Irland oder den Hebriden niedergelaſſen hatten.
Nur durch eine ſolche wenngleich auffallende Vereinigung ſcheint
es erklaͤrlich, daß fuͤr geraume Zeit, bis zum Ende des neun⸗
ten Jahrhunderts, keine feindliche Landungen der Daͤnen an
den altbritiſchen Kuͤſten berichtet werben, welche gegen die Hor⸗
den der Normannen fchwerlich weder durch alte Befeftigung
noch durch bie Armuth des Gebirgvolks geſchuͤtzt werden konnten.
Üpnliche Buͤndniſſe gingen auch die Briten in Frankreich ‚mit
ben Dinen zu Raubzůgen gegen die Franken ein I
Athelwulf.
| Unter, Ecgberts Nachfolger, Üthelwulf, feinem Sohne,
ſetzten bie Normannen ihre Angriffe auf dieſelben Gegenden
kn gegen die en welche auf der Snfel Portland fich feſt⸗
zufegen fuchten, anfänglich mit täufchendem Glüde focht, doch
zuletzt die Wahlftatt und das Leben verlor”). Die Schaaren des:
deindes hatten ſo ſehr zugenommen, daß ſie ganz England
wie mit einem Netze umſpannten.
Inn Lindeſſe, Oſtanglien, Kent wurden viele Einwohner |
von jenem .erfchlagen. Im folgenden Jahre drang er bis zu 839.
den Städten London, Canterbury und Rocheſter vor, welche
1) Hincmar. Rhemens. annal. ad a. 866,
2). Chron. saxon.-ad a. 837. Daß Äthelmulf ſelbſt damals gegen
die Daͤnen kaͤmplte, wie tingard erzählt, beruht nicht auf den aͤltern
Quellen.
Lappenberg' 8 oahide Englands 1. 19
851.
0 . Dritte Abtheilung.
Rthelwulfs Sohn oder Bruder, Äthelſtan, dem jener die vom
ihm ſelbſt bisher vegierten Reiche Übertragen hatte, nicht zu
vertheidigen wuffte. Athelwulf felbft wurde im nächften Jahre
bei Charmouth, wie dort früher fein Vater, von ber Heiden,
welche in 35 Schiffen oder, nach anderm Ausdrucke, mit einem
Schiffſsheere gelommen waren, befiegt. Eine andere Schaar
von Dänen überfiel nad emigen Jahren Northumbrien, wel:
ches feit Ecgbertö Tode wieder vom Thronfolgezwiſten zerriſſen
wurde. Äthelred, der Sohn von Ecgberis Freunde Eanred,
war vertrieben und Rebwulf hatte fi) der Regierung bemaͤch⸗
tigt. Er ging mit ſeinem Feldherrn Alfred dem Feinde ent
gegen, welcher Beide bei Alretheslein erfihlug, wodurch Athel⸗
red dad Meich wieder erhielt). Glüdlicher waren nach einem
Jahre Kthelwulfs Eriegerifcher Biſchef Ealchfian und Ealdor⸗
man Ofrie mit den Dorſaͤten gegen die Dänen, welche im
Bande der Sumerfäten, da wo ber Parretfiuß in ben Canal
von Briſtol fich ergieflt, gelandet waren. Das Blutbad war
groß, wie ed nur in einer Schlacht gewefen fein Tann, welde
erft am dritten Tags entfchieden wurbe‘). Nach ſechs Jahren
wurde bei .Wicganbeorg in Devonfhire von Georl, dem Cal
dorman von Domnonia, ein ähnlicher Sieg erfochten. König
Athelſtan von Kent mit dem Ealdorman Ealhere wagte zum
erften Male fie zur See anzugreifen und nahm bei Sands
wich neun ihrer Schiffe. Schon hatte eine Schaar Norman
nen auf der Juſel Shepey, an bee Mündung ber Themſe,
fefien Fuß gefafit ) und uͤberwinterte dort in England zum
erfien Mate. Gleich darauf zeigte fich eine viel größere Fotte
der Normannen ald England bisher geſehn hatte, von zehn⸗
mal 35 Segeln *), welche biöher die flärkfle normannifche Flotte
1) Matth. Westmon. ad a. 844.
2) Chron. saxon. ad a. 845. Von einer Landung der Rormannen
bei den Angelfachfen, weiche jene nad) einer breitägigen Schlacht beſieg⸗
ten, im 3. 544, f Prudent Trecenes, annel, und daraus chren.
de gestis Normannor,
8) Asseri vita Aelfredi. Wenn chron. saxon. ad a. 851 daſſelbe
von Thanet ſagt, fo muͤſſen wir einem Fehler in einer alten Handſchrift
vermuthen, da bie befte Iateinifche Redaction der Sachſenchronik, nas
mentlich Florenz, hier auch Shepey lieſt. Gthelseh hat jedoch Thanet.
4) Feorth half hund ift angelfächfifcher wie beutſcher Sprachoe⸗
R
/
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 294
an Englands Küfen geweſen. Der Feind eroberte Canterbury
und London, fchlug den König der Mercier Beorthwulf, erlitt
jedoch endlich durch König Athelwulf und Seinen Sohn Athel⸗
ſtan, bei Ockley in Surrey, die größte Niederlage. Diefe
Fiotte war ein Theil von der des Rorik, Enkels des aͤltern und
Bruders des jüngern Heriold, welcher Lestere im J. 826 ger
tauft, vom Frankenkoͤnige Ludwig dem Frommen mit Ruſtrin⸗
gien belehnt war, worin nad) feinem im I. 852 erfolgten
Rode jener Rorik folgte). Diefe Belehnungen bezwedten bie
Abkaufung einzelner gefürchteter Normannenführer und die Abe
wehrung der Landäleute derfelben durch jene Politit, welde
die Mömer einfl gegen die Deutſchen quögelbt zund welcher hie
Angelfachfen bald folgtenz Doch alle immer mit demſelben un⸗
weshofften Erfolge, da der ſtarke Feind weber durch bad ges
Selig übernommene Lehnsverhältniß, nad weniger durch das
gemeinſame Band des Chriſtenthums zur Anerkennung bes
Friedens unter den chriſtlichen Staaten ſich hewogen fuͤhlte.
Die zehlloſen Schaaren ber nachſtroͤmenden Landsleute fanden
vielmehr in dieſen dert wohnenden die zuverlaͤſſigſſen und kun⸗
digſten Anführer und dieſe ſtets neue Huͤlfe in neuen Ankoͤmm⸗
Ungen. Dieſe Unerſchoͤpflichkeit feiner Feinde empfand auch
England, als im folgenden Jahre nach der ebengedachten Nie⸗
derlage dieſe wieder landeten, bie Koͤnige von Kent und Sur:
u folgen und ein Binterloge ef ber Infe) Bi be
brauch. Daß dieſe Zahl nur als eine rhetoriſche oder poetiſche anzu⸗
ſehn, iſt wohl nicht zu bezweifeln. Alles dieſes findet ſich jedoch auch
bei Aſſer.
1) Ich verdanke jene fchäghere Nachricht dem Prudent. Tre-
sens. ad a, 850. Roric nepos Herioldi — assumptis Normannarum
erxexcitibus, cum multitudise navium Fresian — devastat — vetero-
zum vero pars Britanniam insulam Anglosque impetenten, ‚ab eie
auxilio Demini nostri Jesu Christi superaatur. Den Bruder. bes jüns
gern Heriold nennt ihn Rudolf. Fuldensis ad a, 850. Es ſcheint
durchaus irrig, zu dem ewigen Geſpenſte der: norbifsken Meſchicht⸗
ſchreiber, das auch Turner bier ſucht, die Zuflucht gu nehmen. Der
Rormanne Reginperi, welcher um biefe Beit bei der Belagerung von
Paris und ben fpätern Feldzuͤgen gefucht wird, war im 3. 845 5 geſtor⸗
ben. ®@. amnal. zantena. h. a.
19 *
292 Dritte Abtheilung:
haupteten ). In den nächflen Jahren fehweigen bie englifchen
Jahrbuͤcher von den Dänen, und wir kehren darum hier zu den
inneren Verhältniffen der Angelfachien zurüd.
Üthelwulf hatte, beim Antritte feiner Regierung in Weſ⸗
fer, fein bisheriges Koͤnigthum im Süͤdoſten Englands wie
derum feinem aͤlteſten Sohne Äthelſtan?) übertragen. Ey
bert hatte einft dem weifen Prefbyter der Kirche zu Wincheſter,
Swithun, bie Erziehung feines Sohnes Athelſtan übertragen,
einem viel erprobten Manne, der in weltlichen Sefchäften durch
Rath und That dem Könige gedient hatte; AÄthelmulf war,
- vielleicht um ihn der Eiferfucht Brithrics zu entziehn, für
+ 816.
die Kirche erzogen und hatte bereit den Grad des Subdia⸗
conus erhalten; doch die Erhebung feines Vaters zum Throne,
vieleicht das Abfterben eines aͤltern Sohnes deſſelben, de
Athelſtan geheiffen haben mag, veranlafite fchon den Papft
Leo III. den einzigen jungen Sproß aus Cerdics Stamme
‚von ben geiftlihen Gelübden zu entbinden ). Geine Faͤhigkei⸗
ten follen nicht bedeutend, Liebe zum Frieden ımd zur Ruhe
feine vorherrfchende Neigung geweſen fein, welche die kloͤſter⸗
liche Erziehung nur befördert haben Tann. Wenn Ecgbert
‘mit Karl dem Großen verglichen wird, fo Tann alfo die Ver
gleichung auf die Söhne beider Monarchen ausgebehnt werben.
Doc wuflte er fich in dem Regimente Englands und an fer
‚ner Seite gebiegene und treffliche Rathgeber zu erhalten, unter
denen Ealchſtan, der Bifchof von Sherburn, bereitd früher mit
ihm in Kent gefochten hatte. Schon in ven. erften Regie
1) Chron. saxon, ad a. 854.
2) &o findet ſich die Verwanbtfchaft bei Aſſer in ber vita Ael-
fredi und Florent. Wigorn. Kjusd. annal. Malmesb. Ethel-
‚ward III, 3. IV, 2. Chron. saxon. ad’a. 836. Cotton Ms. ber
‘chron. saxon. Henr. Huntend, Chron. Mailros,. Matth. West-
mon. geben Äthelftan für den zweiten Sohn Ecgberts aus.
8) Diefe Rachricht bes Malmesb. de pontificib. 1. II. Rud-
borne historia maj. winton. 1. ITI. c. 1. #ft zu fehr von Lingarb
Hezweifelt. Es verfteht fih, daß Äthelwulf die Dispenfation erhielt ehe
ee König von Kent wurde, nicht nach Ecgberts ode, zu welcher letz⸗
ten Angabe Wilhelm von Malmesbury vielleicht nur durch feine
Sucht, eine platonifhe Sentenz anzubringen, verleitet if. Nach Hear.
Huntend. war Athelwulf Biſchof zu Winchefter,. als fein Vater ſtarb.
\
*
Von Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 293
rungsjahre trieb ihn feine Froͤmmigkeit zu einer Romfahrt
und zu andern Verfuchen ‚ durch religioͤſe Ermahnungen, felbft
an den fraͤnkiſchen König, bem Elende der Welt abzubelfen.
Kaifer Ludwig erhielt eine Gefandtfchaft von dem Könige ber 839,
Angeln um Beides zu bewirken '); doch die Damals beabſich⸗
tigte koͤnigliche Pilgerſchaft fcheint Durch .die Kriege mit den
Normannen verhindert zu ſein. Die Geſchichte ſeiner Regie⸗
rung beſteht waͤhrend der erſten ſechzehn Jahre nur in den
ſchon berichteten Kaͤmpfen mit den Daͤnen. Darauf nahm ihn
die Bedraͤngniß des Koͤnigs von Mercia, Beohred, in Anſpruch,
welcher, ſeinem Bruder Beortulf in der Regierung folgend,
gleich dieſem von den Waliſen, damals unter Roderic Mawr
oder dem Großen, ſehr beunruhigt wurde. Der Feldzug gegen
die Briten, welcher zwiſchen Mercia und dem Weſtmeere (ſo
nannten die Angelſachſen die iriſche See und den Canal, wo⸗
von noch Weſtmoreland ſeinen Namen traͤgt) wohnten, wurde
mit gewohntem Gluͤcke, doch nur zum Erfolge augenblicklicher
Demuͤthigung gefuͤhrt. Beohred erhielt nach deſſen Beendi⸗
gung nicht nur die Herrſchaft uͤber die Beſiegten, welche den
alten Tribut zu zahlen wieder begannen ?), ſondern auch die
Hand von Äthelwulfs Tochter Athelſwitha, und auf einem
großen Feſte zu Chippenham wurde der koͤnigliche Bund ein
gefegnet. -
- Mit Osburghe, der Tochter ſeines Schenken Dflac, aus
dem Haufe Gerdich, von Withgar und Stuff, den Eroberern
ber Infel Wight, abflammend, hatte Athelwulf auffer der
ebengenamnten Tochter fünf Söhne erzeugt, den mehrgedach⸗
ten König Äthelſtan, Üthelbald, Äthelbert, Äthelred und den
zur Zeit jener Hochgezite fuͤnfjaͤhrigen Alfred, Diefer Knabe
war beflimmt fchon in jenem zarten Alter die Role zu begin-
nen, welche fein ereignißvolles Leben zum anziehenpften Ab⸗
ſchnitte in ber Geſchichte der Angelſachſen gemacht hat. Zu⸗
gleich ſehn wir feinen Vater Äthelwulf mit dem Feſtlande und
1) Prudent! Trecens. ad a. ‚839.
2) Caradoc p. 35. Im 3.876 bei Theilung des Neiches unter
Roderics Söhnen blieb die Entrichtung des Tributs bei Aberfram, dem
Lande des Alteften Sohnes. Die beiden andern Länder, Powis und
Dinefowr, wurden jenem untergeordnet.
855.
294. Deitte Abtheilung.
Rom in eine Beihe von Verbindungen treten, in weichen wir
nicht lediglich die Wirkung einer moͤnchiſchen Erziehung, few
dern eine großartige, die Stellung Englands zum om
Europa erhebende Staatsklugheit erfennen müflen. Die He
ligung, welche Karl der Große feiner Herrfchaft mittels der
Krönung durch den Papft verliehen hatte, war von ben Zeit⸗
genoffen nicht verfannt und andem Regenten ein Gegenfland
der Nacheiferung und bed Neides geworden, Dem Könige
von England in feiner jebigen audgebehnten Macht durfte eine
ähnliche Weihe nicht fehlen, und der Papſt konnte nur willig .
eine Handlung vollziehen, welche feine und der Kirche Rechte
üder die Weit unwiderleglich zu beftätigen fchien. Ein: gerin⸗
gerer Zweck kann den König ſchwerlich vermocht haben fein
fehe junges, vor allen übrigen geliebtes Kind den Gefahren
der Reife über Meer und Gebirge außzufeken, als er Afred
mit einem großen Gefolge Edler und Dienfimannen nach Rom
fondte, wo biefer vom Papfte Leo IV. gefalbt und gekrönt
wurde’). Ob es lediglich Willkuͤr des Vaters war, daß er
den jimgſten unter feinen Söhnen von dem Papfle zum Kb
nige weihn ließ, ober welche Abficht zum Grunde gelegen has
ben mag, ift bei dem Mangel an Nachrichten wicht zu entfähei
ben, fo wenig ald wre über nähere Umftände diefer feltfamen
Krönung unterrichtet find, welche eine lange vorbereitende Unter⸗
handlung voraudfegt. Ungern vermiffen wir auch bier Macs
tichten über ÄAlfreds Mutter Osburga, von welcher Athelwulf
in diefen Sahren fich fcheiden ließ, ob fie gleich noch ſpaͤtet
für ihrer Kinder Erziehung liebevolle Sorge trug. Da Affred
vielleicht nur gefalbt, nicht ausdrädlich zum Könige von ganz
England beſtimmt wurde, auch die Herrſchaft jenes Landes
erit nach dem Ableben aller feiner Brüder erhielt, To koͤtmtt
bie Veranlaffung feiner Romfahrt etwas zufälliger gewefen fen,
als fie es jegt erfcheint, und der Werth jener Salbung erſt
durch das fpdtere Gluͤck Alfreds in den Augen der Seinigen
geſtiegen ſein.
Nach zwei Jahren vollfuͤhtte Äthelwulf einen ſchon in den
1) Asser. vita Aelfredi a. 853. Leo papa IV., qui praefatum
infantem Aelfredum oppido ordinans, unxit in regem, in Alm
adoptionis sibimet accipiens confirmavit,
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 2096
eigten Jahren feiner Regierung gehegten Plan ') und zog ſelbſt
fein Sohn Alfred mit ſich führend, nach Rom, wo er ein
volles Jahr umter dem Pontificate Benedicts III. verweilte.
Die roͤmiſchen Jahrbuͤcher haben die koſtbaren Geſchenke an
Gold und Edelſteinen, ſeidnen Gewaͤndern, welche ber fromme
und reiche Sachſenkoͤnig dem heil. Petrus darbrachte, ſorgfaͤl⸗
tig verzeichnet; auch die Biſchoͤfe, die niedere Geiſtlichkeit, die
Optimaten Roms, alle wurden reich beſpendet?). Die wie
derum abgebrannte Schola der Sachſen wurde vom Koͤnige
eu hergeſtellt, und eine Stiftung für fein Seelenheil
mit der großen Summe von 300 jährlich zu fendenden Mans
cuſſen von ihm begründet. Aus diefer Stiftung entſtand der
ſpaͤter oft drüdend gewordene Peteröpfenning, welchen Eng
land nach Rom fcheffen muffte (Rome Scot, Romefeoh) ?).
Bon der angeblichen Einführung des Zehnten und andern bef:
fer erwiefenen Einrichtungen diefes Königs haben wir bereits
oben zu handeln Beranlaffung gefunden. ,
Ein nicht wenig auffallender Schritt Äthehwulfd muß es aL
erſcheinen und nur durch den Wunſch die Bande mit dem
Hbrigen Europe näher zufammenzüuziehn erklärbar, daß er auf
Der Ruͤckkehr bei dem Könige Karl ben Kahlen, der dem nad
Rom Reifenden jede Aufmerkſamkeit und Ehre erwiefen hatte,
Jänger verweilte ımb zu Berberie an ber Dife deſſen zwoͤlfjaͤh⸗
rige Tochter Judith, Durch Hincmar, den Bifchof von Rheims,
‚fh antrauen ließ. Biel Misfallen erregte es bei feinem
4) Annal. Prudent. Trecens. ad à 839. -
2) Anastasii vitae pontif. apud Muratori II, 251. Bür
die Bedeckung des Daches der Kirche St. Pierre be Ferrieres in der
franzoͤſiſchen Didcefe Sens wurde ber König durch Briefe, welche ihm
md feinem Geheimfihreiber Felix vom Abte jenes Klofters, Lupus, zuge⸗
Fandt warden, angegangen. Die Briefe des Lestern an den Erzbifchof
“ von York, Wimund, und den bortigen Abt Altifig zeigen den Verl
zwifchen beiden Ländern und bie bort geſuchten literariſchen Schaͤtze.
Lupi epist, 13. 14. 43. 61. 62.
3) &f von Matthäus von Weftminfter wirb bie Einfuͤh⸗
rung des Peterspfennings ſchon dem Könige Ine zugeſchrieben.
4) Prudent. Trecens, annel. ada. 856. Asser. Ingulph.
Das lateinifche Sormular für diefe Trauung iſt uns erhalten, f. bei
Bouquet scrr. rer. ' geilic. 1 T. Vo. p. 621. | .
296: Deitte Abtheilung.
Volke, daß er feiner Gemahlin ein Diadem auffeßte und ik
den Namen ber Königin ertheilte, welcher Zitel Durch Ead⸗
‚burge, Brithrics Wittwe, bei jenem: fehr verhaflt geworben war.
Nah fo manchen Handlungen, durch welche die Rechte
‚feiner 'ältern Kinder und ber Mutter fehr beeinträchtigt worteben,
darf es nicht überrafchen, wenn Äthelwulf in feiner Heimat
nicht eine willtommene Aufnahme fand. thelbald, der dk
teſte unter den jest lebenden Söhnen des Königs, hatte mit
858.
dem Bifchofe von Shirborn Ealchſtan, und. Eanwulf, dem
Ealdorman der Sumerfäten, fi) im Walde Selweod verſchwo⸗
ren ben König nicht in England wieder aufzunehmen. Dod
fand biefer eine zuverläffige Stüge in der Mehrzahl feines
Adels und Volkes, und ed warb daher al& eine unbegreiflice
Milde angefehn, daß er dem abtrünnigen Sohne den :weflls
hen heil feines Reichs abtrat und nur bie Öftlichen Länder
deffelben,, welche durch den vor kurzer Zeit eingetretenen. Tod
Äthelftans der Krone von Weſſer heimgefallen waren, ſelbſ
behielt: Athelmulf ftarb nach wenigen Sahren, ‚Kent und das
hbrige von ihm zuleßt regierte Reich ') dem Äthelbert hinter
laſſend, Wefler aber nach Äthelbalds Tode dem Ärhelred, fo
dann erft dem. Alfred, wobei der erfigenannte der vier Brüder,
der König von Kent, vom fernern Erbrechte auf jenes Red
fowie von den Privatbefisungen (Bocland) des verftorbenen
u Königs durch deffen Verfügung ausgefchloffen wurde ?).
Üthelbalb.
Üthelbalds kurze fernere Regierung {ft durch feine mit ber
jungen Witwe feines Vaters eingegangne Che berlichtigt.
Die Angelfachfen waren über die Erneuerung eines ihnen fchon
früher unwillkommenen Verhältniffes entrüftetz die Geiſtlich⸗
keit war über die Verachtung der Kirchengefege empört. Äthel⸗
bald muſſte, den ernflen Vorftelungen Swithuns, des Bi
ſchofs von Winchefter, nachgebend, fich zur Scheidung von Ju⸗
1) Es ift mir zweifelhaft, ob Efier noch zu biefem Reiche gehörte,
da Affer b. 3. 860 e8 nicht nennt.
DD) ©. Älfreds Teſtament; in lateinifcher Überfegung in Camden
‚serr. rer. angl. p. 22. Spelmani vita Aelfredi; angelſaͤchſiſch in
Wiſes Ausgabe des Affer. Orford 1788; zulegt bafelbft 1817, 4.
Bon Anfang .des.Q.; bis Anfang bes 11. Jahrh. 297
dich entfehlieffen, welche. die ihr zur; Morgengabe angewieſenen
Guůter verkaufte md: nach Frankreich heimiehrte ). Sie hatte
England keine Erben gegeben, doch aus ihrer dritten: Ehe::mit
Balduin, Grafen von. Flandern, entſproß Mathilde, die Ge:
mahlin⸗ Wühelms: des Eroberers. Athelbald ſtarb fchon im J.
860: Seine oft :bewährte Tapferkeit wurde bei den nach :feis
nem Tode erfolgten Unfällen Englands; vernüſſt, und es blieb
feinen Vaterlande lieb um seinen. Helden zu klagen, der, em
ex nicht. in der Jugendbluͤthe den Seinigen : enkien. wäre, es
vom namenloſen Elende hätte erretten Fönnen * J
tt h el ert.
Nach feinem. Zode hätte Kthelwulfs dritter Sohn tet
veb auf dem Throne von Wefier folgen: follen; Doc) ‚der jims
gere Bruber Äthelbert, -Ränig von. Kent, wuſſte feinen. An⸗
fprjichen. auf den Vorxehrig, in Wiberfpruc mit feines Waters
Verfügung, welche, fofern fie nicht bad:.Bodand fondern die
Shranfolge.betraf, für. die. Weftfachfen:nicht bindend fein Tonne,
Anerkennung zu verfchaffen. Er regierte Weſſex mit feſter, nis
higer ‚Hand bis zu feinem ſchon nach. fünf Jahren erfolgten
Zode, Beide Reiche. ficken barauf dem bicher gueücgefegten
Äee y au Ran
/
41
F Athelred« 2
ihelrebs inhrie Regierung iſt nur die Gelhihte
neuer, ſehr ungluͤcklicher Kämpfe :mit den Dänen, welche im
feinen: Zagen zuerſt feften Fuß in England faflten. Seit dem
860.
866.
Jahre 854 hatten dieſe keine neuen denkwuͤrdigen Anfäle.auf .
England unternommen, als im J. 860 ihr Anfuͤhrer Weland
mit einer großen Schaar Daͤnen, welche an den Ufern der
Somme verweilt hatte, vielleicht durch die Nachricht von
dem in biefem Jahre erfolgten Zode des tapfern Königs Äthel-
bald und die Zwiftigfeiten über die Thronfolge ermuthigt, in
‚, 3) Asser. Ingulph. Prudent. Trecens. ad a. 858.
Hincmar. Rhemens, ad a. 862. Die Rachricht von der Scheidung
beruht nur auf Matthäus von Weitminer und des Thomae
Rubborn. annal. eccl. winton.
2) Henr. Huntendon.
—
Fe
298 > Dritte Abtpeitung.
867.
Sonthampton landete, . biö Bindefter vercicite um Kirk
Stadt nebft ihren Kirchen mit größter Grauſamkeit pluͤnderte
Keinemi. Mönche der Kathebrale wide dad Leben geſchenll
Doch Osrik und Athelwulf, die Caldormanen von Hamptoa
umd Berks, gewannen. durch den Aufenthalt ber Räuber Seit
ihnen auf: dem Rinkwege zu ihren Schiffen entgegenzutreten
Sie ſchlugen die Räuber aufs Haupt, welche, die große Beute
—— weibiſch flohn und ber Seinemimdung zuſchiff⸗
ten ). Weland ſelbſt ließ ſich bald darauf: in Srankreich be⸗
wegen die Taufe zu empfangen, wurde aber von einem der
Seinigen binnen kurzer Friſt erſchlagen.
Die anlockendſte Station in England fuͤr die Normannen
muſſte die. Muͤndung der Themſe fein, und wir finden fie auch
nach einigen Schren: wieder dort, auf der Inſel Thanet. Die
Kenter verfprachen ihnen eine Summe Geldes, wenn fie. ihnen
einen Frieden zuſichern und halten wuͤrden. Si gelobten den
Frieden, doch mar um bei nächtlicher Weile die Arglofen zu
überfallen und veichere Beute heimzufichren, ws der Preis dei
Bricdend: geweſen fein wuͤrde.
Um dieſe Zeit wurde von den Danen ein Angriff auf
England gemacht, welcher zu erfolgreich war, um nicht be
Dhantafie der nachfolgenden Gefchlechter mehr als bie duͤrre
biftorifche Zreue in Anſpruch zu nehmen?) Die dänifchen
Heerführer, Inguar und Ubba, — die erſten dänifchen Na
men welche den ungelfächfiichen Annalen bekannt find — wer
Ben in den worbiichen Sagen bie Söhne Regnar Lodbrogs ge
wannt. König Regnar Lobbrog war, wie jene Sagen unb be
fonders dex berühmte ihm beigelegte Tobeögefang angeben, nad
Vielen Siegen in den Oſtſeelaͤndern nach England gefegelt, wo
m den Angelſachſen | Baltheoe erſchlagen hatte, werheerte
I) Den Ramen des Weland entnehme ich aus Prudent. Tre-
cens. ad a. 860. Hincmar: Rhemens: ad a. 861, für das Übrige
f. Asser. ad a. 860,
-9) Simeon de eccl. Dimelm. c. 6. gibt ausbrädtih 867 ober
das fünfte Jahr der Regierung Alles an. Man darf alfo nkht mit
Palgrave durch Asser. vita Aelfredĩ a: 867, dee unbeſtimmt ſagt,
eo tempore maxima inter Northanhymbros discordia, ſich verleiten la
fen dieſes Jahr für das erſte der Regierung Äas gu neuen.
RK .
Bon Anfang bes 9, bis Anfang bes 11. Jahrh. 298: .
Schottland, Irland und die kleinen Safeln und wurde endlich,
bei einer Landung in Northumberland durch ben König Aka
gefangen, im einem Kerker von giftigen. Schlangen verzehrt").
Jene Sagen, auf denen unſere Kenntniß der nordiſchen Ge⸗
ſchichte großentheils beruht, ſetzen den gefelerten Eroberer Reg:
nar Lodbtog um ein Iahrbimbert Früher, als der hiſtoriſch bes
gründete Einfall feiner Söhne auf England ftattfand und als
Aa, in Fehde mit Osbert, dem Nachfolger AÄthelreds, Nort⸗
humbriens feit dem Jahre 862 ſich bemäthtigt hatte. : Die
aͤltem engliſchen Annalen erwähnen: bagegen weder des Reg⸗
nar Lobbrog noch Überhaupt einer befondern Veranlaſſung ber
Ankunft des Inguar und Ubba in England; der gleichzeitige
Affer nennt ſelbſt nicht einmal jene:dvei Namen ?). Doch fehlt
es auffer jenem beruͤhmten altem Tobeßgefange, dem Krafumal,
nicht an beachtungswerthen Nachrichten, nach welchen bei
Regnar Lodbrog, den wir, wo nicht allein als hiſtoriſch ans
erkennen, doch Hier allein zu beruͤckſichtigen haben, ſowohl in
dere Mitte des neunten Jahrhunderts ledte als in Morthum⸗
brien ſtarb und Vater des Inguar amd deſſen Beruders war’).
- 1). Begen die Anficht, caß ber ſterbende Regnar feinen Schwanen
eeſang feisft gebiet, mid) zu verweahren, möchte überfiffig fcheinen,
wenn jene nicht noch in neuefter Zeit ihre Vertheibiger gefunden hätte.
©. Legis Fundgruben bes alten Norbens I, 160 fg. Engliſche Übers
ſegzungen beffelben ‚gaben mit dem isländifchen Texte der englifche Ges
fandtfchaftscaplan zu Kopenhagen, Johnſtone, hernah Zurner;z
deutſch Bräter in ben norbifchen Blumen. Legis a. a. D. Lorenk
Geſchichte Älfrebs des Großen. Über die Regnar Lodbrogs Gage
im Allgemeinen f. 9. E. Müller Sagenbibliothek U, 261 fg. Gei-
jer Svea Rikes Häfder I, 545 29.
2) Beide finden ſich in saxon chron. ad a. 870. Henr. Hun-
tend. Will Malmesb. Dagegen fagen bie fpätern f. g. Asseri
annales ad a. 878: Dicunt quod tres sorores Hinguarii et Hubbae,
filiae videlicet Lodebrocki, illud vexillum texerunt etc. Florent,
ad a. 870 führt nur den Inguar qus ber vita 8. Edmundi an. Auch
ÜÄthelwearb fpriht nur von tyrannus Ihgwar. — Bimeon de
Dunelm. eccl. c. VI. nennt Hinguar und Hubba mit andern bäni-
Then Königen.
3) Hamsfort ehrenel. prima apud Langtbek « scrt. rer, dan.
1, 35 fugt ad a. 864: Regnerus, ab Halla Hybemorum tegulo
eaptuw, gravi suppHote afficitur, noeatus in carcere. Fossiun habet
ME ..:. "Deitte. Abtpeitung.
Daß; Bänden. ‚her. oͤltern englifchen und Aberhaupt aller dis,
ter Nachtichten uͤber Lodbrogs Tod in: Northumbrien.; wieh,
indeſſen um fo. bedenklicher, wenn wir feine: Söhne, welchen
die Abſecht zugeſchrieten wird ſeinen Tod zu raͤchen, nicht in
jenem :Bande_ ſondern in :Oftanglien landen ſehn und bei ben
ſpaͤtern engliſchen Schriftſtellern ganz abweichende Sagen. über
ihre Ankunft. in England, vernehmen.
Die eine erzaͤhlt), Daß ein Din: aus koniglichem Ge
äßchte, Lothebrok genannt, -alkin.: mit einen. Sperber. auf
einem Boote von Daͤnernark durch Sturm: verfchlagen, nad,
England: zum. Könige: von Oſtanglien, Eadmund, gelangt: und
von deſſen Jaͤger Biom erſchlagen ſei. Dieſer Biorn ſei wie⸗
dexum zur Strafe auf einem Boote allein auf das Meer aus:
geſetzt, nach Dänemark: verſchlagen und habe die Soͤhne Lothe⸗
broks zur Rache. :gegen. ſeinen eignen Koͤnig aufgereizt. Eine
andere Sage von wenigſtens gleichem Alter lautet, wie Bjoͤrn
Butfekarl (bei Andern Bruern Bocard), welcher mit ſeiner
Frau vom Koͤnige Osbert, dem Vorgaͤnger Ällas, ſchwer ver
Vest war, und deſſen Verwandte ſchon Osbert zu ſtuͤrzen, da⸗
gegen Alla auf den Thron zu erheben fi bemüht hatten, zu
dem ihm verwandten bänifchen Könige Codrinus flüchtete, um
dieſen zur Eroberung Northumbriens beffen Thron unterbeffen
Alla eingenommen hatte, aufzufodern ”). Die letztere, von den
annum. 865, Es wuͤrde wichtig ſein zu erfahren, woher dieſe Schrift⸗
ſteller ihre ziemlich richtigen Angaben genommen haben. Wichtiger iſt uns
die historia S. Edmundi (acta Sanctor. sub Nov..20), welche ſchon
von Are Frodi, dem Islaͤnder, benust wurde, als er Edmunds Tod
duch Jvar, Regnar Lobbrogs Cohn, im J. 870 erzählte. Adam
von Bremen (l. L c. 33.) fagt ferner, nach Anführungen aus ber
historia Francorum (annales fuldenses ad a, 873): Scriptum est in
gestis Francorum: Crudelissimus omnium fuit Inguar filius Lodparchi,
qui Christianos ubique per supplicia necavit. Diefe von Adam be,
nugten gesta Francorum find leider unbekannt. Auf Lobbrogs Tod in
England laͤſſt fiy in ben englijchen Quellen nur deuten Simeon
Dunelm. ad a. 794.
1) So Matthäus von Weftminfter 6. 3 870.
: 9,Geffroi Gaimar V, 2590 sp. ‚Douglas von Slafton:
bury in einer Pergamenthandfchrift zu: Hambhurg. Bromton p; 80%
und wiederum 809. Hector. Boöthii hist. sopt.: Gine ähnliche Be⸗
"Bon Anfang. des 9: bis Anfang des 11. Jahrh. 301
neuern Geſchichtſchreibern uͤberſehne Sage erfcheint als "bie
vonwurfäfreiefte, da. fie gegen die Chronologie ‚nicht verſtoͤßt,
den Angriff auf Northumberland erklaͤrt, keine rein poetiſchen
Züge an ſich traͤgt und in dem Koͤnige Codrinus den hiſtoriſch
bekannten Dänen Guthrun, welcher bald’ darauf das Königreich
Oſtanglien eroberte, erkennen laͤſſt. Auch koͤnnte fie immerhin
nur die wirkliche Beranlaffung zu Guthruns Zuge nach Eng-
land enthalten, verfchieden von ber, welche die mit ihm ver:
bimbeten Inguar und Hubba dahin rief. Unleugbar ift «8,
daß größere Schaaren als die, in welchen dieſe Seerduber
gewöhnlich zufammengerottet waren, nunmehr das nördliche
England überfielen, daß fie planmaͤßiger und. noch graufamer
verfuhren als ihre Vorgänger und: auch das Land in einem
fremder Egoberung nur zu guͤnſtigen anarchiſchen Zuſtande fan⸗
den. Mitt erkennen auch in den jetzt Imbenden Dänen, mit
mehr Beftimmtheit wie früher, Einwohner ber. Dänifchen Inſel⸗
weiche flatt jener: zahls und .namenlofen nordiſchen Seeraͤu⸗
ber, welche auf den. nahgelegnen Küften und. Infeln feſte Nies
derlaſſungen erobert: hatten und felbff von fihwachen Landes
herren mit größern Diſtricten und Schlupfwinkeln foͤrmlich be⸗
lehnt waren.
Im J. 866 landete eine bedeutende Flotte der Daͤnen in
Dſtanglien, welche, mit. dem dortigen Volke einen Friedensver⸗
trag abſchlieſſend, dafelbſt auf dem feſten Lande Englands,
welches nur fchwache. Vertheidigungsmittel in einigen ſchlecht
verfchanzten Städten befaß, zum: erſten Male uͤberwinterten.
Dem größten. Theile des fremden Heeres wurden Roſſe ver⸗
ſchafft und im folgenden Jahre ein Zug nach Northumbrien
unternommen, wo. die Stadt York in feine Gewalt fiel). 867
‚König Osbert, durch ‚einen Aufruhr vertrieben, wurbe vom 1. Nov. '
Bolke zurücdgerufen, vereinigte ſich mi Ale, und Beide rüuͤck⸗
ten im Frühlinge des folgenden Jahres gegen York. Die Ihri⸗
‚ gebenheit vom Könige Alla und einem reichen Kaufmanne zu York, Ar:
nulf mit Beinamen Seefahrer, und: befien ſchoͤner Gattin Becwithe, als
‚Beranlaffung der Ankunft bes Ivar und Ubba, berichtet eine Handfchrift
vom Ende bes zwölften Sahrhunderts, aus welcher ber Seraußgeber. bes
G. Saimar ©. 795— 798 einen Auszüg liefert,
1) Chron, saxon. Annal, Cambr. h. a.
302 Dritte Abtheilung.
gen nahmen bie Stadt und tiſſen deren Mauern wieder, bie
heiden Herrſcher fielen jeboch bei einem Überfalle ber zur Ver
sweiflung getriebenen Dänen. So zerrhttet war Northumbrien,
to ſehr aufgelöft die. gefellige Drbnung des Reichs und fo gan
gerſtoͤrt die Nationalität des Volks durch bie feit Länger denn
einem Jahrhunderte dort herrſchende Anarchie, daß die Rert
humbrier es ſich gefallen lieffen ein Buͤndniß mit den Heiden
einzugehn und von ihnen einen König in Bernicin, Namens
Ergbert, anzunehmen, während bie übrigen im füblichen Nort⸗
bumbrien blieben ’). Nach einer engliſchen Sage wear Alle
nicht mit bei der Exflürmung von York, fondern erfreute ſich
damals auf ber Jagd feines. wohlgezieten Sperre und fiel ber
nach im vereinzelten Treffen mit vielen der. Seinigen ). Die
daniſchen Sagen wicberholen dagegen, wie r mit de
alien DibosLift ein Land fo groß wie eine vom I
erbeten habe, flıgen uber hernach mit. ber ihmen eigenthuͤmlichen
Henkersluſt hinzu, wie jener dem Nortbumbrier, dem Moͤrder
des Vaters, die Mibben geöffuet, bie Wunden mit Salz; be
ſtreuet und bie ‚Zungen herausgeriſſen habe).
Die Dänen rüdten. im folgenden Jahre in das Königreih
Mercia und bemächtigten ſich der feften Stadt Rottinghau,
wo fie mit dem Könige bed Landes, Burchred, nachdem er
mit Eadmund, Koͤrig der Oflangeln, Äthelce& von Weffer uud
‚beffen Bruder Ülfred, dem. Exzbiſchofe von Ganterbury umb
den. angeſehnſten Geiſtlichen Englands, weiche — fo groß
war bie Landesnoth — auf ihr Vorrecht ber Befreiung von
‚ der Heereöfolge verzichteten *), bie Feinde vergeblich belagert
1) Simeon Dunelm, p. 1%, 142, .145. Chronic. Mailros.
Richt ganz zu überfehn find annal. Roskild. bei Langebek scrr. rer.
danic. I, 874. Reges Nordumbroram Belle: atque Oshertus eeciderunt,
ac Denwolf et Berrwolf de..prelio fagerunt. Letztere ſind fonft nie
gends bemerkt, doch deutet bie Erwaͤhnung des wenigen Shreniſten be⸗
kannten Osbert auf eine gute Quelle.
9)G. Gaimar V,2%. Bromton cool. 808,
3) Saxo Grammat. p 177.
4) &. Beorcheds Urkunde v. 3. 860 im kater vor mRectiagba⸗
ausgefiellt (bei Ingulph), wo am Schluſſe ber König den Präfaten
für die freiwillig geleiftete Kriegsfolge dankt, von welcher. fein ' Oo
gervater Eeter) Athelwulf fie einſt befreit habe.
\
- Bon Anfang des 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 303
hatte,- einen Friedensvertrag abichlefien"), in. deſſen Zolge fie
aus jener Burg mit großer Beute abzogen. Sie ritten dar⸗
auf nach York zuruͤck, wo. fie ein volles Jahr verweilten, id
ten fodann durch Mercien zu den Oflangeln und brachten in
Thetford, an ber Grenze Suffolks und Norfolks, den Winter
zu. Bei den jetzt folgenden Vorfaͤllen werden zuerſt in ben
angelſaͤchſiſchen Jahrbuͤchern Namen der Anführer ber Dänen
und. Friefen, welche das Gluͤck des fiegreichen Stammgenoffen
oder Freunde herbeirief, genamt. Doch find die Angaben
über Deren „wihere Berhaͤltniſſe fich fehr wiberfprechend. Ivar
wird von Inguar smterichieden, und Letzterer, ſoll forte Uffa,
ein natuͤrlicher Sohn Regnar Lodbrogs geweien fein?). Healf⸗
den und-Eowild oder Cowulf werben ziemlich einſtimmig Ins
guars Brüder genamnt ’). Als begleitende Könige werben von
. ben Engländern, doch der. dänischen Sage umbelannt *),. aufs
geführt auffer den obengenannten: Guthrun, Bagfeg, Hoſte⸗
nius (vieleicht Haeſten oder Haſting), Döfyiel Anwynd ober
1) Heinrich von Huntingdon, welcher allein von den alten
Geſchichtſchreibern Inguar und Ubba ſchon bei der Landung in Oft:
anglien nennt, ſagt: cum suos obsessos et viribus impares Hinguarus
videret, vulpeculari astutia verbisque delinitis inducias ab Anglis im.
peszavit. Vorher fagt er: Hinguar ingentis erat ingenii, Ubha vere
fortitudinis admirandae.
2) Lodbrogs Sage bei Rafn Nordiſke —* Giſtories 2 L
Heft 3. ©. 147. Saxo Grammat. 172,
| 8) Thomae Eliensis vita 8. Eildrithae apud Mabillon
acta 8. 8. Bened. T. II. Chron. saxon. ad a. 878, Alfred. Be-
verlac annal. ad a, 866. Nach ben gewöhnlichen Gefchlechtstiften find
die Soͤhe Regnars: Erih, Agnar, Ivar Beenlos, Huitſerk, Sigurd
und Biorn Eifenribbe und von einer Befhläferin Inguar und Ubba.
Der alte, ſchon von Ingulph aufgenommene Bericht, über die Zer⸗
flörung des Kloſters Medeshamſtede, nennt bie beiden Lettern nicht uns
ter ben Königen, fandern unter den Jarlen. Ubba wird bei Simeon
von Durham vom Cuthbert dux Frisiarum genannt.
4) Die annal. Roskild, fagen, daß Inguar cum novem aquilonis
regibun gezogen ſei; biefe nennen als Jvars Brüder: Inquar, et Ubi.
(dubba) et Bjorn (Gifenribbe) et Ulf (Howulf?).
5) Oskytel Tann, wie Suhm II, 409 vermuthet, jener Aſeatil
ſein, welcher, ein Anfuͤhrer der Normannen, bei der Belagerung von
| 304 — Dritte Abthettuas⸗
Hamund; ferner die Grafen Sidroc der aͤltere (vielleicht der⸗
felbe welcher in fruͤhern Jahren dureh ſeine Pluͤnderungen
laͤngs der Seine bekannt geworden war) I und ber Füngen,
Osbert, Feene, Harald, Döbeam. -
Aus ſchmerzlich anziehenden Berichten konnen -wir: exfehn,
daß die Gegenwehr der Einwohner von Lincolafhire mit jener
Zapferfeit, welche den Marfchleuten eigenthuͤmlich ift, geleitet
‚wurde. Am St. Mauritiustage war in Keſteven vom. Grafen
Algar dem Iüngern ein Sieg über ein Heer der Dänen, das
von York nach Lindfey gefchifft war und von dem von ihnen,
zerſtoͤren Klofter. Bardeney zuruͤckkam, erfochten, welche drei
ihrer: Könige (Hoflenius, Eomwulf?) und zahlreiche Mannſchaft
verloren und nur durch die zeitige Ankunft ihrer. Verbündeten
von gänzlicher Vernichtung. gerettet: wurden. Erſt in biefer
Nacht follen Guthrun, mit ben Übrigen obengenannten Königen
und Grafen, fowie auch Inguar mit einer großen. Schaar.
von Kriegen, Frauen und Kindern aus thier Heimat in Eng:
and angelangt fein. Die Nachricht von biefen neuen Feinden
° verbreitete fo: großen Schreden, daß von 8000 Männern, welche
Algar unter feinem Befehle gefammelt. hatte, nur 2000 blieben.
Der Ealdorman Algar verteilte die treugebliebene Schaut,
‚ nachdem fie die Meſſe gehört und den geiftlichen Segen empfan⸗
gen hatten. Unter dem tapfern Laienbruber des Klofters Croy⸗
land, dem ehemaligen Ritter Zoli, und dem erlauchten Mar
quarb von Brune ftand der rechte Flügel, unter dem Vicedomi⸗
nus von Lincoln Osgot, mit Harbnig von Reihale und den
Kriegen von Stamford der linke Flügel. Wie groß bie Muth
der erbitterten Heiden auch war, fo wuflten die Chriften ihr
doch unerfchüttert zu wiberfiehen, in keilfoͤrmiger Schlacht:
orbnung zufammengedrängt, mit einem Schilddache die Pfeile,
mit dicht aneinandergereihten Speeren die Weiter abhaltend.
Der Abend nahte, als die Dänen, deren Pfeile verfchoffen,
deren Roſſe ermüdet waren, zu fliehn vorgaben. Der Ungeſtuͤm
ber Angelſachſen ließ ſich durch den Rath der Fuhrer nicht von
Paris im J. 889. war und hernach vom⸗ Grafen Oba verraͤtheriſch er⸗
ſchlagen wurde, als er die Tauft empfangen wollte. Trithem. chron, '
hirsaug. T. I. p. 40, |
. 4). Chron. fontanell. ad a. 842, 845.
Bon Anfang-bes 9. bis Anfang des 11. Zahrh. 305
ungeorbneter Verfolgung ber Feinde abhalten. Sobald dieſe
die Chriſten, nach aufgeloͤſter Schlachtordnung, auf den Fel⸗
dern vereinzelt erblickten, kehrten ſie ſchaarenweiſe zuruͤck und
metzelten die durch ihren unbeſonnenen Muth verrathenen Kaͤm⸗
pfer nieder; Algar, Toli und andere ausgezeichnete Ritter ver⸗
ſuchten noch eine Weile auf einer Anhoͤhe den andringenden
Feinden zu widerſtehn, fielen aber bald, von unzaͤhligen Wun⸗
den bedeckt, auf den Haufen der uͤbrigen Chriſtenleichen.
Die Daͤnen zogen jetzt zu dem Kloſter Croyland. Sie
fanden hier keinen Widerſtand, aber auch keine Schaͤtze, da der
Abt Theodor dieſe in einem Brunnen verborgen und ſeine
Moͤnche weggeſandt hatte. Der Koͤnig Oſkytyl erſchlug den
das Hochamt haltenden Abt am Altare, und feine getaͤuſchte
Horde zuͤndete das Kloſter an. Doch ſelbſt bei dieſer Barba⸗
rei verleugnete fich die beffere Natur des Menſchen nicht. Der
jüngere Jarl Sidroc fand in einer Gelle einen zehnjaͤhrigen
Knaben, Zurgar,. deffen Schönheit md Anhänglichkeit an feis
nen ermordeten Lehrer ihn ergriff er hieß jenen die Kutfe abs
legen, gab ihm ein kurzes dänifches Gewand und muffte ihn
der Wuth feiner Begleiter zu entziehen. Zurgar entfloh nad)
einigen Tagen, und ihm verdanken. wir zum Theil die jetzt ge⸗
gebenen Nachrichten.
Die Daͤnen ſetzten ihren Raubzug fort, nach) dem Kloſter
Medeshamſtede (Peterborough). Der hier verſuchte Widerſtand
wurde bald beſiegt, das Kloſter erſtuͤrmt, und kein Moͤnch und
Einwohner deſſelben entging den durch den Verluſt des Lubba,
der ein Bruder des Jarl Hubba genannt wird, gereizten Hei⸗
den; die Altaͤre und Grabmaͤler wurden zerſtoͤrt, die Mauer
zerbrochen; eine große Sammlung geiſtlicher Schriften ver⸗
brannte mit dem ganzen Kloſter, und die Daͤnen zogen, mit
vielen Wagen, mit der ihnen brauchbaren Beute davon gen
Huntingbon '), welches, fowie gleich darauf das reiche Nonnen '
kloſter zu Ely, von ihnen geplündert. und zerflört wurde. Im
m verlor das Land zugleich feine großen, zur Sicherheit die⸗
ſem Aſyle anvertrauten Schaͤtze.
1) S. die ſehr ausfuͤhrliche Erzaͤhlung bei Ingulph und die Vasta-
tio monasterii Medeshamstede im Monastico anglicano T. L und |
bei Langebek serr. rer. danic. T. UI. p. 52 sq.
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 20
870,
306 Dritte Abtheilung.
Im folgenden Sommer kam es zu einer Schlacht mit
Eabımumb, dem Könige der Dflangeln, welchen, da er fich vom
den übrigen angelfächfifchen Zürften nicht unterflügt fah, wohl
mr das Bewuſſtſein der Schwäche feiner Krieger abgehal⸗
ten hatte den verberblichen Feinden früher entgegenzutreten.
Eadmund, aud dem Gefchlechte der Altfachfen ), war feit fer
nem vierzehnten Jahre, dem Jahre 855, König der DR
angeln. Sein Bater, der König Alcmund, Gemahl be
Siwara, war, fagt man, vom Könige Offa von Merian
nach Ecgfrids kinderloſem Abflerben zu feinem Nachfolge
beſtimmt gewefen?). In Oflanglim war den Dänen, welde
zu Thetford ihr Winterquartier gehalten haften, der Ealdor
man Ulffetul enfgegengegangen, doch nah hartem Kampfe
mit feiner Schaar erſchlagen. Im Anfange des Winters ſiel
Eadmund ſelbſt in die Hände Inguars, und da er deſſen Bor
ſchlaͤge, der chrifllichen Religion abtrünnig zu werden und un
ter feinem Oberbefehle zu regieren, verwarf, voll liebevoller
Sorge für feine Unterthanen und im reinfen Pflichtgefühl des
Leben preißgebend, warb er auf bie graufamftie Weiſe hinge
richtet. Inguar ließ den unglüdlihen König an einen Baum
binden, ihn fehlagen, dann mit Pfeilgefchoffen nach ihm zielen
und zulest, ob feiner unerfchütterlihen Standhaftigkeit er
mirdet, ihm das Haupt abfehlagen. Die Feſtigkeit und Ruhe
Eadmunds bei fo vielen Qualen, im Angefichte feiner ruchlo⸗
fen Feinde, erinnert an das Betragen der nordamerikaniſchen
Stämme in aͤhnlichen Fällen; feine Beweggruͤnde und Aufle
rungen, wie fie.aus dem Munde eined gegenwärtigen Kriegers
anf. und gekommen find ’), flellen den würbigfien Glaubenshel⸗
den ihn gleich, der als Schlachtopfer zeigte, wie fehr er ver
diente der Hobepriefter und Fuͤrſt des Volks zu fen. Auch
wurde er bald deſſen Heiliger, und in ber langen Reihe Fönig-
licher Heiligen ift kaum einer, der fo lange eine über Europa
verbreitete Verehrung genofien hat.
1) Asser. ad a. 855. Florent. Wigorn.
2) Legende von Gt. Eabmunds Leben bei Gapsrave legenda an-
glica. Bom Limes S. Eadmundi f. oben ©. 236.
8) Abbo Floriac. de vita 8, Eadmundi in actis Sanctor. Co-
lon. V. v1. | |
\
!ı te.
Von Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 307
Oſtanglien wurde jetzt ganz von den Dänen in Beſitz ges
nommen und die Tönigliche Würde diefes Landes einem ihrer
Könige, Guthrun genannt, zu Theil. Wenn das füdliche Nort-
humbrien auch vielleicht ſchon früher von Hubba beherrfcht
wurde '), und Bernicia längere Zeit unter dänifchem Einfluffe
ftand ?), fo blieb Oftanglien doch allein während ‚einiger Zeit‘ -
ein eigentlich bänifches Reich, welches zugleich den Mittelpunct
für die Übrigen Niederlaffungen der Dänen in England bil-
dete, welcher erft fpdter, da Oſtanglien wieder englifch gewor⸗
den war, gegen Northumberland vertaufcht wurde. _ ——
Inguar, welchen die engliſchen Annalen unter keiner an⸗
dern Bezeichnung als der des grauſamſten und heidniſchen Ty⸗
rannen kennen, verfchwindet jetzt für einige Zeit unfern Bliden;
wahrfcheinlich hatte er fich zu den Franken gewandt, welche
ihn mit demfelben Abfcheu betrachteten). Während Guthrun
fein neues Reich zu befeftigen fuchte, wandten fich die See⸗
Pönige Baſeg und Healfben gegen "Weffer, deſſen tapferer
König Athelred in einem Sabre gegen die Dänen unzählige:
Male und oft ald Sieger gefochten hat. Die Dänen überfielen
vor Ende des Winterd und ehe nach damaliger Kriegfüährung
ein feindliche8 Heer erwartet wurde, im Anfange des März
ober ſchon früher, die Burg zu Reading, am fühlichen Ufer
1) Rah Bromton ©. 807 war Hubba in Rorthumbrien geblie
ben, doch haben wir ihn oben bei ber Zerſtoͤrung von Medeshamſtede
geſehn. |
2) Selbſt Strathelyde wurde nicht verfchont,, wo bie Stabt Alcluyd
von ben „ſchwarzen Heiden’ zerftört wurde. Annal. Cambr. Annal.
Ulton. ad a. 870,
3) ©. Adam. Bremens. l.l, Aethelweard ad a, 870, welder
ihn Spar nennt, fagt, er fei bald geftorben; vielleicht eine Verwechslung
mit dem, welcher nad) der Lobbrogs Sage (bei Rafn Nordiske konnge
‚histories I, 147) deſſen Bruder war, im 3. 872 verftorbenen Dänen-
kdnig Spar. Inguar erfchien im 3. 877 wieber in England. ©. unten.
Nach dem nicht fehr Fritifchen Wablingforb bei Gale I, 535 wurde
Inguar von ben Northumbriern ermordet und von Hubba überlebt.
Auffallend genug hat Hermann Corner in feiner Chronik b. I. 868
in einer übrigens aus befannter Quelle gezognen Stelle die Nachricht
eingefcyaltet: Inguar — non diu regnavit, quia propter suaın impro-
‘ bitatem a suis interfectus fuit, non relinquens post se semen.
20 *
\
308 . Deitte Abtheilung.
der Themfe in Berkſhire; und während von dort aus Einige
ind Land reitend baffelbe brandfchagten, warfen Andere einen
Wal zwifchen der Themſe und dem Kennetfluffe zur Be
fefligung jenes Orts auf. Die Umherſtreifenden fuchte AÄthel⸗
wulf, der Ealdorman des Gaues, mit den Männern, welde
der Beftellung der Felder fchnell entriffen werden Tonnten, be
Englefield auf, erfchlug einen ihrer Iarle Sidrac und den
größten Theil jener Bande. Nach wenigen Tagen trafen Kb:
nig Äthelred und fein Bruder Alfred mit einem Heere ein und
griffen die Heiden in der Burg zu Reading an, jeboch erfolg:
108 und mit Verluſt des braven Äthelwulf. Die Weftfachfen
verfannten die Gefahr nicht, in welcher ihre Unabhängigkeit
fland, und erneuerten den Kampf nach wenigen Tagen zu X:
cesdun (Mons fraxini).. Die Heiden theilten ſich in zwei
Sclachtordnungen, die eine unter den beiden Königen, die
andere unter den Jarlen; worauf auch die Chriften ſich gleich⸗
- mäßig unter AÄthelred und Alfred vertheilten. Athelreds An-
hänglichkeit an den duffern Gottesdienſt hätte vielleicht auch
bier den Heiden neue Siege gebracht; doch während er ben
Ermahnungen der Seinigen erwiderte, daß er, bevor die Mefle
geendigt fei, den Drt nicht lebendig verlaffen würde, flürzte
ber jüngere Bruder mit dem Muthe eines Ebers auf bie
Feinde, welche noch nicht alle auf ihrem günflig gelegenen An:
grifföplage verfammelt waren. Die Weſtſachſen, welche für ihr
Leben, ihre Lieben und ihr Vaterland kämpften, fiegten endlich
nad) ‚einer blutigen Schlacht gegen die Dänen, welche hungri⸗
gen Wölfen gleich gefochten hatten. Bon Legtern blieben auf
dem Felde König Bacſeg, die Iarle Sidrac), Osbern, Frene
und Harold. Die Überlebenden fuchten in fchleunigfter Flucht
Reading zu erreihen. Ein Gefecht nach vierzehn Tagen bei
Bafing endete unglücklich für die Weſtſachſen; ebenfo nach zwei
Monaten ein anderes bei Merton, wo Heahmund, der Bis
fhof von Sherbom, und mancher andere gute’ Degen fiel.
871 Auch Äthelred wurde in dem lebtern Treffen verwundet und
23. Mai. ftarb bald darauf. Die Dänen kehrten nach Reading zurid.
1) Entweder iſt Sibrac von den Sidrocs zu unterſcheiden, oder es
iſt hier ein Irrthum des Chroniſten, da jener bei Englefield gefallen war.
Von Anfang bes 9. bis Anfang bes. 11. Jahrh. 309
| m lfred. |
Nach Athelreds Tode riefen die Bünfihe des gefammten
Volks deffen jüngften, jetzt zweiundzwanzigjaͤhrigen Bruder Al
fred auf. den Thron von Weller. Obgleich von den Ältern
fhon früh zur Herrfchaft beftimmt und in dieſer Abficht in
feiner Kindheit nach Rom gefandt, um die Salbung bed Pap⸗
ſtes zu empfangen, muffte feine Sugend bei dem frühen Tode
des Vaters, abgefehn von den Verwirrungen der lebten Regies
rungsjahre deffelben, bisher die Ausführung von Plänen ver:
hindern, welche ohnehin Kloftergelübde ober fonft die Abfin⸗
dung und freiwillige Entfagung feiner aͤltern Brüder vorauss
feste. Unter der Herrſchaft feiner Brüder wird er ald der
zweite Regent bezeichnet; ein Ausdruck welcher wahrfcheinlicher
auf eine befchränkte Mitherefchaft des ganzen Reichs als auf
die Regierung. Kentd ‘und der angrenzenden 2änder zu deuten
ſcheint ). Auch hatte er durch geiftige Gaben und ausgezeich⸗
nete Tapferkeit, welche am Tage zu Aſcesdun das Vaterland
gerettet hatten, die ganze Zuneigung des Volks gewonnen, fos
daß es nur von feinem Willen abgehangen hätte den Bruber
vom Throne zu entfeßen. Doc, war er fo fern von dem Ehr⸗
geize der Alleinherrfchaft, daß er auch jest das ihm angetra=
gene Reich, deſſen Beſchuͤtzung gegen die Heiden fchon den
vereinten Kräften der Brüder zu ſchwer gewefen war, allein zu
übernehmen fich weigerte und erft nach Monatsfriſt zu dieſem
Entfchluffe bewogen werden konnte. Er begann mit dieſem
eine Laufbahn, welche ihn zu einem felten erreichten, nie übers
ſtrahlten Ruhme geführt hat. Ihm warb das’ feltene Gluͤck,
fein unterdrücdtes Volt von dem Joche verhaffter heibnifcher \
Fremden zu befreien und es feinem Glauben wie dem Genufle
altoäterlicher Sitten und wohlbewährter Gewohnheit wieberzus
geben, zugleich aber es dem neuen Morgenlichte einer ſtaats
1) Athelred nennt ſich in Urkunden v. d. J. 866 u. 867: rex occi-
dentalium Saxonum et Cantuariorum. Älfreb dagegen wird wiederholt "
von Affer Secundarius genannt. A. 868 Aelfred rex, Secundarii
tamen tunc ordine fretus. A. 871 Aelfred tunc Secundarius — Ael-
fred, qui usque ad id temporis, viventibus fratribus suis, Secunda-
rius fuerat.
310 | Deitte Abtheilung. .: ...:
bürgerlichen Entwidelung und nationalen Bildung entgegenzis
führen, deren Strahlen, wenngleich oft feltfam gebrochen, jetzt
über den größten Theil des Erdballs leuchten. Das große
Unglüd, die tiefe Erniedrigung, welche ifn und fein Volk tra
fen, baben nur: zur Folie feines Ruhms gedient, oder was
beſſer ift, zur tiefen Begründung der Dankbarkeit feines Volks
für den, der Freiheit wiedergab und neues Leben ſpendete.
Mag nun auch bie überfehwellende Verehrung: früherer und bie
Wortfeligkeit fpäterer Zeiten. manches Lob. auf Alfred gehäuft
haben, welches die Kritik wieder vernichten muß, inbem fie
die Keime mancher ihm zugefchriebenen Einzichtung fchon früher
bei feinem Volke und deſſen Stammgenofjen nachweilt: fo er⸗
bit Dagegen das klare Auge. unbefangener Kritil, den unge
trübten Quellen gleichzeitiger und glaubwürdigfier Berichte fol
gend,. bei allem ferneren Zorfchen nur ſtets neuen Grund in
Alfred den Spiegel der Könige und ben ‚Helden der eutopäi-
ſchen Geſi ittung zu erkennen.
| Die. Kindheit und Jugend Ülfeede bieten ein wunderba⸗
res Dorfpiel dar zu dem ernfien Drama feiner männlichen
Bahre. Dem Herricher Britannieng, welchen bereits drei Erafts
"Yolle Söhne umgeben, ‚wird im I. 848 von der treuen *
burge ein Knaͤblein geboren, welches durch Schoͤnheit und
Lieblichkeit, wie ſpaͤter durch Geiſt und Kräfte, alle Neigung
der Altern auf ſich bannet. In. Tagen als das Reich auf allen
Selten von ben ſtets neu anwachſenden gefährlichften Feinden an-
gegriffen. wirh und jene Söhne, zum Theil fehon im Mannes
alter, eine unſchaͤtzbare Gewaͤhr für bie Erhaltung des Neiches
ſcheinen, wird non ben Alten der Plan erfonnen und gepflegt,
mit Verletzung der Reichögefege, mit Gefährdung des Dafeins
ihrer Staaten, dem tbeuren, Letztgebornen bie. Herrlichkeit und
bie Macht der Krone zu übertragen. Für die. Erreichung fols
ches Wunfches ift Fein Mittel bedenklich, Fein Pfad gefahrvoll.
Das fimfjährige Königsfind wird auf dem gebrechlichen fächfis
ſchen Kiele den Meereswogen anvertraut, durch bie Länder un⸗
zuderläffiger Freunde gebracht, über die Firften und Eisfelder
der Alpen getragen, hin gen Roma. Der heilige Vater wird
angegangen dem fremden Kinde den Segen der Salbung an
gedeihn zu kaſſen; biefer, unbefümmert des Erfolges, ſpendet
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahıh. 311
ihm die größte Gabe der Chriſtenheit. Der .gefalbee Knabe
kehrt ins Heimatland zuruͤck und wiederholt nach. wenigen
Jahren biefelbe Fahrt mit derfelben Sitherheit. Er entwidelte
fi herrlich, zum Staunen und zur Freude vieler Zeugen zwi⸗
ſchen der Pictenmauer und dem Ziberfirome; des Körper entk '
faltete fich kraftvoll und ‚gefhmeidig; ;. fein Waidmann und fein
Ritter zeigte fich ihm gleich. Doch für feine höhere Bildung
forgte die Liebe jener von Äthelwulf verfloßenen Mutter. Sie
lehrte ihn viele fächfifche Lieder und ihn, obgleich ſchon zwölf:
jährig, dennoch vor mehreren der ‚ditern Brüder, Yefen. In
etwas fortgerhcttem Juͤnglingsalter uͤberfiel ihn eine ſehr ſchmerz⸗
hafte, den Rizten er Zeit ımbefannte Krankheit, welche ihn
jedem weltiichen jerkehr unbrauchbar zu ‚machen ı drohte: Er
fchien nach einem Gebete, welches er in einer Kirche‘ in Corn:
wales, dem Aufenthalte bes heil. Neot, dargebracht hatte, von
derſelben befreit Im zwanzigften Lebensjahre vermählte er
fich der Alſwithe, der Tochter des AÄthelred, Ealdormans bet
Gainen (Gainsborough in Lincolnſhire) und der wuͤrdigen Ead⸗
burge aus dem Geſchlechte der Koͤnige von Mercia. Doch
mitten“ in “dem mehrtaͤgigen Hochzeitsgelage ergriff ihn das
ſchmerzliche Übel wieder, zum Schreden der vielen Gäfte und
Umffehenden, und kaum während eines Tages feines; thätigen
Lebens war: Aifred von demfelben befreit. Aber durch bie
- Macht des Gemüths, die Kraft des Willens wuffte Alfred die _
ungeſtuͤme Reizbarkeit des Körpers zu befiegen, und bie vers
mehrte Gewalt koͤrperlicher Schwäche fcheint die geiſtige Se:
genwirkung nur geſtaͤhlt zu haben. Dieſer Koͤrperleiden un⸗
geachtet konnte er in den juͤngern Jahren bereits ſo Vieles,
wie ſchon erwaͤhnt, leiſten; und nachdem ſein Vater die Krone
won Weffer niedergelegt. und feine Pläne für Alfred aufgege⸗
ben ‚hatte, nachdem deſſen drei Brüder den Thron von Wels
fer. nach einander befliegen hatten und natürlichen Todes, zwei
berfelben kinderlos, ber dritie zwei unmündige Söhne zurüde
Yafiend, geftorben waren, wurde jener dem Saum zweiundzwan:
zigiaͤhrigen Ülfeed aufgedrungen. Wahrlich, wäre alles dieſes
durch eine andere Hand uns berichtet als die hoͤchſtglaubwir⸗
dige des Biſchofs Aſſer, des Zeitgenoſſen und Freundes Al⸗
freds, der noch währegb des Letztern Leben ſchrieb, duͤtfte etwa
.
32 Dritte Abtheilung.
eine poetifche Einkleivung, eine etwas fpätere Abfaſſung irgend
“einen. Zweifel begründen, hätte: ein Waliſe Ähnliches von einem
welfchen Sürften erzählt, wir würden alles eben Ermähnte
benen überlafien müffen, welhe Don Quixotes Lanze ererbt
haben mögen, um fie für. König Arthur. und die Tafelrunde
zu brechen.
Die erſten Begebenheiten in Alfreds Regierung geben zu
erkennen, wie ſchwierig die Umſtaͤnde waren, unter welchen er
fe angetreten hatte. Gleich nad dem Tage von Merton war
zu Reading ein uͤberſeeiſches Heer von Normannen, welche
ihre Sommerfahrt *) hierher gerichtet, ‚gelandet und hatte ſich
mit den dortigen Dänen vereinigt. Während. Alfred die Leiche
ſeines Bruders nach Winburn geleitete ?), drangen die Dänen
mit ihrem ganzen Heere bis Wilton vor. König Alfred wagte
eö mit wenigen Tapfern bie ‚überlegene Schaar anzugreifen.
Der Muth der Seinigen hatte über die Wuth. ber Feinde ge
fi iegt ; diefe flohn; doch da die fühnen Derfolger fi ſich hinreiſſen
lieſſen jene zu weit zu verfolgen, wandten ſi ie ſich um, bildeten
eine neue Schlachtordnung und behaupteten das Feld. Di
Sachſen hatten durch die acht großen Xreffen?) und die um
zähligen Scharmuͤtzel dieſes Jahres ſehr viele Mannſchaft, *
auch die Heiden einen ihrer Könige und neun Jarle) verlo⸗
zen. Beiden Theilen war des Kampfes genug geworden, und
die Dänen vertrugen fich mit den Sachfen über die Bedingun⸗
gen, unter welchen fie das Land räumten. In biefem Ver
trage, war Mercien nicht eingefchloffen. Healfden mit feinen
Borden zog nach London, wo er uͤberwinterte. Nachdem er
1) Chron, saxon. ad a. 871 ſagt: micel sumorlida, Sibſon
überfegt: magna aestiva quies. Vgl. Ingram: a vast army. Aigen
weard fpricht hier von aestivas exercitu. Henr. Huntend.:
nit in aestate magna exercitus. Ich glaube, daß chron. saxon. baf
ſelbe ausdrüden wollte, was Affer fagt: de ultramarinis .partibus
alius paganorum exercitus, und leſe sumor lida, i. e. aestiva classis,
9 Aetkelweard.
:8) So fagt Aſſer; ebenfo Athelweard: tria certamina exceptis
sopra memoratis bellis (näml. zu Engleficlb, Reading, Üfcesbun, Merton
und Wilton). Dagegen haben neun alle Handfehriften des chron, saxon.
„u. Asser. Chron, saxon, undecim. Aethelweard, _
Bon Anfang des 9, bis Anfang bes 11. Jahrh. 313
einen Frieden unter Feſtſetzung eines Tributes mit Burhed,
- dem Könige von Mercien, abgefchlöffen ), verließ er London,
rücdte nach. Northumbrien bin und. feßte daſelbſt den von den
Eingebornen vertriebnen Koͤnig Ecgbert wieder ein, uͤberwinterte
aber in der merciſchen Provinz Lindſey, wo König Burhed die 873. -
zeichen Ländereien des von den Dänen zerflörten Klofters Bars
beney, fowie. ähnlicher unglüdlicher Stiftungen, theils ſich ſelbſt
zugeeignet theils unter feine Krieger vertheilt hatte). . Burhed
bequemte ſich zu einem neuen Vertrage, welcher nur immer
mehr. den Barbaren feine Schwäche offenbarte. Diefe benutzend
zogen jene, allen. gegebnen Verheiffungen zum Hohne, im naͤch⸗
fien Jahre in Has ſuͤdliche Mercken und überwinterten bei. dem
beruͤhmten Kloſter KHreopandun (Repton) in Derbyfhire und.
zerſtoͤrten dieſe geheiligte Grabſtaͤtte der Herrſcher von Mercien.
Dem Burbed, Alfreds Schwager, wurde bie Krone entriſſen,
und feinem: Vaterlande wie feiner Wuͤrde entſagend, zog er
mit feiner Gemahlin Üthelfwitha: Aber Meer nach Rom, wo
er. bald ftarb: und in der Kirche. St. Marid, bei der Schola
der. Sachen, beigelegt. wurbe; feine vertriebene Königen folgte
ihm bald zu Zicino. Dem Dänenheere behagte es indeſſen 888,
nicht in feinem Lande zu herrfchen, ſondern fie zogen. es vor
Taibute aus demſelben zu: ziehn und zu biefem Zwecke, fowie
in Rorthumberland. den Ecgbert,. fo. auch hier einen Eingebors
nen, den Ceolwulf, einen Dienſtmann bes frühern Königs, zum
Erheber dieſer Schagungen, unter dem Titel eines Königs in ...
Mercien, doch ausdruͤcklich nur für die ihnen beliebige Zeit an⸗
zufegen. Die Erpreſſungen dieſes Verräthers, welcher die Mitz
tel feine Landsleute auszufaugen .beffer ald die Barbaren kannte,
gegen die wenigen noch vorhandnen Landleute, die Kaufleute,
die fchuglofen Wittwen und Waifen, haben feinen Namen mit
Fluch belaflet. Die Mönche wurden aufs finnreichfte ‚gefoltert,
wegen der vermeinten Mitwiffenfchaft um bie Schäge ihrer
Klöfter. Das zu Croyland, welches erft vor wenig Jahren fo '
viel. von den Dänen gelitten hatte , wurde mit ber ungeheuren
1) Myrcii foederis pactum et, stipendia statuunt, Aethelweard
ad a. 872,
2) Ingulph, ad a. 871. — —
314°. Dritte Abtheilung.
Brandfſchatzung von 1000 Pfund belegt und dadurch faſt ver⸗
nichtet. Doch entdeckten die Daͤnen nach einigen Jahren, daß
Ceolwulf ſo wenig ihnen treu war als ſeinem fruͤhern Herrn
und Freunden; ſie ſetzten ihn ab, entriſſen ihm ſeine zuſam⸗
877— mengeſcharrte Beute und lieſſen ihn im. größten Elend, ver
880. letzten Kleidungsſtuͤcke beraubt, erbärmlich verfontmen. Ein
Theil des Landes war ihm von den. Dänen: fehon früher ge
‚nommen, beren einige die. größten Städte an fich riffen und
fefte .Wohnfige in denfelben nahmen. : Diefe Städte blieben
noch lange unter dem Namen der daͤniſchen Burgen befannt
und. wurden auch, fofern ſie urfprünglic aus. Lincoln, Not:
tingham, Derby (fo.von den Dänen, von den Merciern North⸗
weorthig genannt) ), Leicefler und Stamford. beflanden, bie
fünf Städte, ober: wenn York und Chefler mitgerechnet wur⸗
den, die fieben Stäbte genannt. Die Fimfbürger hatten, einen
Gerichtshof und andre Einrichtungen gemeinſchaftlich und theil
ten munche gleiche: Schickſale; doch ‚möchten. dieſe keinen aͤhn⸗
lichen Urſachen, wie die bekannten Staͤdtebineniſſe des Conti⸗
nents, ſondern vorzuͤglich nur der Stamm⸗ imd Bluts⸗ Ver⸗
wandtſchaft der bis auf Wilhelm den Eroberer: herrſchende
Seſchlechter zuzuſchreiben fein ?).
. Die. Normannen ſchweiften unterdeſſen, wie e-Eotfaren r
der. See, umſtaͤt im Lande umher. Healfden zog mit einem
Heere von Repton nad) Northumbrien, wo er am Tynefluß
875. uvͤberwinterte. In dieſem Lande war Ecgbert geſtorben und ein
ähnliches Werkzeug der Dänen, Namens Kicfig, ihm gefolgt.
Auch ee flarb nach drei Jahren, und. ein zweiter Ecgben
trat in ‚feine Stelle ). Ganz Northumbrien war jegt unter
ber er Deusicaft der Diner, und häufige Einfälle wurden bereits
..... 9» Streams alch, ‚ St. Bildes: galoſter, erhielt den Namen Whitby
von den Daͤnen, wie denn alle von ihnen bewohnte Gegenden ſich durch
Ortsnamen mit der Endigung bye, welches Wort im Daͤniſchen eine
Wohnftaͤtte bedeutet, auszeichnen. Es iſt jedoch, wie oben ſchon .an-
gedeutet, ſehr ſchwierig das Daͤniſche von dem aͤltern Angelfaͤchſt ſchen
zu unterſcheiden.
8) Asser. vita Aelfredi ad a. 874—877. Palgrave II, 29.
Aethelredi leg. toncil, wanetung. $. 2.
3) Simeon Dunelm. ad a. 872—.876.
Bon Anfang bes d. bis Anfang des 11. Jahrh. 315
von bier aus in das. Pictenland und Stratheiyde . gemacht.
Doch auch bier brachte bie Nothwendigkeit der Beſtellung der
veröbeten Felder. und die überwältigende. Freude bei Beſitzes
viele. Dänen zu feſten Anſiedlungen, und die Haͤnde welche
Ruder und Speer geſchickt zu handhaben wuſſten, erlernten all⸗
maͤlig den Gebrauch des Pfluges und der Egge.
Waͤhrend Healfden die Seinigen in Kriegs⸗ wie in Stier
dens⸗ Künfien übte, waren: bie Könige Gothrun, Oſtytel und
Anwynd, ald fie:von Repten aufbrachen,. nach Cambrivge ges
jogen, um bort zu überwintern. Im folgenden Jahre muffte
abes auch diefe Gegend, welche der Nothdurft ihres. Lebens
nicht ‚genügen konnte, wieber verlaſſen werden, und raſch auf:
brechend eilten ſie in das Land ‚der Dorfäten und bemächtig
ten ſich des. Schloſſes Warham, welches, am britiſchen Mittel⸗
meere — wie der Canal damals genannt wurde — gelegen,
ihnen für Raubzuͤge in Meffer ſowohl als fuͤr Seeraub und
—— ber. fraͤnkiſchen Kuͤſten gleich guͤnſtig war. Alfred,
obgleich im vorigen Jahre zur See ſiegreich gegen ſieben
Schiffe ) der Normannen, hielt:es doch für vathfamer: das
Her in Warham abzulaufen und erhielt von bemfelben: das
Berfprechen ſchleunigen Abzuges; unter: Stellung: von angefehs
nen. Geiſeln und eidlicher Bekraͤftigung auf Reliquien?) und,
was die Diden als vorzuͤglich heilig: bisher. nicht hatten thun
wollen, auf dem Armbande. Doch, die nie dad Wort gebun-
den hatte, feffelte auch jeßt nicht Geifel und Eid. Bel Nacht
uͤberfielen fie die Reiterei des Koͤnigs, metzelten bie Krieger
nieder, und waͤhrend eine Schaar in Warham blieb, ritt die
andre auf den erbeuteten Roſſen nad) dem für ihre Beduͤrf⸗
niſſe nicht weniger vortheilhaft belegnen Exeter „ſetzte ſich im
deſſen Beſitz und uͤberwinterte daſelbſt. Eyeter und Warham
bildeten jetzt fuͤr die von allen Seiten hinſtroͤmenden Norman⸗
nen Anziehungspuncte, welche die Unabhaͤngigkeit des übrigen
Weſſer gefaͤhrlichſt bedrohten. Alfred belagerte im Sommer
15) So chron, saxon. und Athelw eard. —Asseri annal. Henr.
Huntend. ‚Die Zahl ichs bei Affers AÄlfred und Floreng
: 23 3 möchte hier nicht. über: Älfreds Leichtglaͤnbigkeit ſpotten,
fondern vielmehr Hierin einen Beweis fon daß eine aholte Verehruns
der Gebeine bei jenem Volke ſtattfand.
316 Dritte Abteheilung.
die erften Städte, ohne jeboch fich derſelben bemächtigen zu
koͤnnen. Er ließ nımmehr, um ferneren Landungen fichrer vor
zubeugen, an allen Küften größere ald die bisher gefannten
Schiffe erbauen, um mit denfelben bie Mündungen ber Ströme
zu .bewachen '). Seinen Sciffern verbot er den Feinden auf
dee See Proviant zu überlaflen. Die neue Flotte bewährte
fih bald. Hundertundzwanzig (in der Sprache jener Zeit ein
großes Hundert) Schiffe mit neuen dänifchen Kriegern waren
feit emem Monate auf der See zuruͤckgehalten, ohne ihre Ziel,
die neuen Nieberlaffungen in Weſſex, erreichen zu koͤnnen. Bei
Swanawyk begegneten ihnen Xlfreds Seeleute, welche fie mu⸗
thig angriffen und auseinandertrieben. Herumirrend, vom Ufer
ſich weiter entfernend, geriethen die dänifchen Schiffer in Stru⸗
del und Untiefen, in welchen fie beim Nebelwetter Alle ver
ſanken?). Diefer Unfall der Dänen erleichterte den Weſtſach⸗
fen bie Abſchlieſſung eines Vertrages mit den Seekoͤnigen zu
Exeter, welche in demſelben Jahre dieſe Stadt wirklich verlieſſen
und nach Gloceſter in dem merciſchen Lande der Hwiccas ?) zogen.
Andre Schwärme. der Dänen hatten ſich mittlerweile auch Lon⸗
dons wieder bemächtigt ſowie der weftfächfifchen Lande *), und
zur Weſſex war jest nicht unter der Herrfchaft der Dänen.
In Suͤdwales überwinterte damals der berühmte Rollo oder
ein Bruder bed Inguar und Healfden, vielleicht Hubba.°), und
1) Impositis piratis. ber biefen Sprachgebrauch f. oben S. 86.
2) In Affers Leben Älfreds z. 3. 877 find zwei verfchiebene Be
richte über die Vorfälle diefes Jahres. Der Teste ſtimmt wörtlich mit
Affers Annalen, chron. saxon., Florent. Wigorn.
8) Äthelweard ift hier genauer als bie übrigen Quellen, welche
nur von Mercia ſprechen.
4) Henr. Huntendon.
5) Asseri vita Aelfredi ad a. 878 fagt nur: frater Hynguari
et Healfdenae. Ebenſo chron. saxon. und Florent. Henr. Hun-
tend.: frater Halfdenne. Sur Äthelweard, der gegen Affer
nicht entfcheibet, hat: Advectus est Healfdene Inguuaris tyranni fra-
ter, welchem Palgrave II, 264, ben Florenz irrig citicend, folgt.
Simeon Dunelm. Chron. Mailros. Hoveden u. 2%. Iaffen In
guar und ‚Healfden Beide felbft landen. Spelmann Acdfredi vita
nennt hier mit größter Suverficht den Hubba, und nach ihm ohne Recht:
fertigung Turner. — Bromton u. %, welche des Hubba bei b. 9.
Von Anfang des 9. bis Anfang des 11. Zabel. 317
. \
wahrfcheinlich war es in Folge einer Übereinkunft der zu Glos
cefter weilenden MWilingen mit Hubba, daß im: Anfange des
folgenden Jahres ein Angriff auf Weffer von verfchtednen Sei⸗
ten ber gemacht wurde. Gothruns Heer fiel in den Wilfäten-
gau ein und nahm die Eönigliche Villa Chippenham, von wel:
chem’ Standquartier auöftrömend fie dad Land befegten. Hubba
Yandete im nördlichen Devonfhire mit 23 Schiffen und um:
zingelte das ſchwach ummauerte, doch durch feine. Lage ficher
geſchuͤtzte Schloß Cynwith, wohin viele treue Dienftimannen
freds fich geflüchtet hatten). Die Belagerer hofften die Feſtung |
durch Waffermangel und Hunger zur Übergabe zu zwingen;
doch die Vertkeidiger, ehe fie in folche Schmad, einwilligten,
wagten bei Tagesanbruch einen unerwarteten Ausfall, durch
den fie den Dänen den Weg zu ihren Schiffen abfchnitten und
fowohl Hubba ald ein großes Zaufend feiner Begleiter?) nie
dermetzelten. Eine wichtige Siegestrophaͤe waren die Fahnen,
in welche Inguars und Hubbas drei Schweſtern an einem
Tage den Vogel Odins, einen Raben, gewebt hatten, welcher
durch das Flattern oder Herabhaͤngen der Fluͤgel des Vogels,
welchen der Volksglaube fuͤr lebend anſah, Sieg oder Nieder⸗
gedenken, ſagen, daß er ſchon bei Chippenham gefallen ſei, wo ein
Grabhuͤgel, Ubbelowe genannt, ſein Andenken erhalte. — Nach chron.
turon. war Rollo im erſten Jahre der Regierung Karls des Dicken, alſo
877— 878 nach England gegangen. ©. bei Duchesne scrr. norman.
p. 26. Die Angabe Guidos, bei Albericus 3. 3. 880, daß Lob-
brogs Sohn Bjorn mit feinem Lehrer Haſting um biefe Zeit nach Eng-
land gekommen fei und gegen Älfred geſochten habe, iſt nicht als genau
chronologifch anzufehn.
1) Zurner, Lingard und Palgrave nennen unter biefen ben
Ealdorman Ddun ober Odda von Devonfhire. Die dort angeführte
chron. saxon. und Florent. Wigorn. rechtfertigen diefe Angabe nicht,
wohl aber Äthelweard, dem man glauben barf, wenn er nicht ältern
Quellen widerſpricht. Diefer fagt jedoch hier: rex ruit, octoginta
quippe cum eo decades: postremo victoriae obtinent locum Dani.
Odun fheint nur von Spelman a. a. D. zu flammen.
2) &0 Asser; chron. saxon. und Henr. Huntendon haben bie
Zahl 840, worin 24 hloth. (24 >< 85) enthalten find. Diefelbe Bol! Mans
nen tft es welche Arthur erfchlägt.-
313 | Dritte Abtheilung.
lage dem fuͤr ſolchen Trug nicht unglaͤubigen Heere andeutete ').
Unerachtet dieſes einzelnen Erfolges war die Lage von Wefler
eine hoͤchſt bedrängte. Die Dänen waren norbwärts fo weit
vorgebrungen und verheerten das. Land mit folcher Gewalt,
daß: nur noch der Sau der tapfern Sumorfäten ihnen nicht
preiögegeben war. Auf viele feiner Unterthanen, . namentlid
die aus altbritiichem Stamme, durfte Alfred in dieſen Zeiten
der Gaͤhrung nicht zählen. Viele Eingeborne, von Mangel und
Zurcht getrieben, entflohn übers Meer. Andre zogen es vor
fi) den grimmen Heiden: zu unterwerfen und verlieffen, ja
empörten fich wider den allein flandhaften König”). Hätte
ihn damald ein: feindlicher Speer getroffen, haͤtte ſein hohes
Herz verzagen, ihn zu einer ſchwaͤchlich verzweifelnden Aufopfe⸗
rung reizen oder ihm Rettung bei uͤberſeeiſchen Stammgenoß
ſen geſtatten koͤnnen, ſo waͤre der Koͤnigsſtamm wie die Frei⸗
heit in England erloſchen; dieſes Land wäre die Beute, wäre
die Wüfte der Seeräuber geworden. Mit wenigen XÄthelingen,
Dienftmannen und Kriegern ®), unter denen wir Äthelnoth, ben
Ealdorman der Sumorfäten kennen, brachte der König, von
feinem Volke verlaffen und getrennt, in den Wäldern und
Marfchen Somerfetd mehrere Wintermonate gleich einem Fluͤcht⸗
linge zu. Der Unterhalt der Seinigen muffte mit Lift ober
Gewalt den Heiden oder den denſelben untergebnen Chriften
entwandt werben. Er felbft erzählte in fpätern Tagen gerne
von jener Verdunklung feines Gefchides. Eine fihere Schuß
1) Von biefen Fahnen ſ. Asser. ad a. ‚878. Encom. Emmae
apud Langebek scrr. rer. danic. V, 485.
2) Die Meuterei der Feigen, fo fehr fie aus, den gegebnen Ber:
haͤltniſſen folgen muffte, wird nur von Äthelwearb- fpäter b. 3. 886
angebeutet: Aelfredo — quem non ingenio, quem occursu non supe-
raverat civilis discordia saevo.
8) Affers Worte: cum paucis suis nobilibus et etiam cum qui-
busdam militibus et vasallis — in magna tribulatione inquietaın vi-
tam ducebat — haben Zurner und Diejenigen überfehn, welche Al⸗
fred in den duͤrftigſten Bettlerhuͤtten herumirren laſſen. Jener Ütheb
noth wird hier nur von Äthelmeard genannt, body ift er ohne Zweifel
derfelbe Galborman diefes Ramens, welcher im I. 894 in biefer Gegend
-focht. ©. chron. saxon. Aethelweard. KRlorent, h.a -
.
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Sahıh. 319
ſtaͤtte hatte er bei einem feiner Kuhhirten gefunden. - Eines
Tages faß er heim Herde, für fich Pfeile und Bogen fchnigend,
als die emfige Hausfrau, ihres hohen Gaſtes unkundig, mit
Brotbaden befhäftiget war. Das Brot, zu nahe dem Feuer,
begann zu brennen, als jene den Danebenfigenden anfuhr:
Sichft nicht brennen das Brot, du Menfch, und fäumft es zu drehen,
Der das Heiffe zu gern nur oft ſchon Haft uns verfchlungen *)} |
Eine andre Erzählung, wie. Älfred allein in. feinem Haufe
die heil. Bücher oder vaterländifche Annalen leſend faß, waͤh⸗
rend fein Gefinde auf den Fifchfang ausgegangen war und er
einem anflopfenden Bettler die Hälfte des lebten Brotes gege⸗
ben, darauf ihm im Traum der heil. Guthbert erfchienen und
die Wiederherſtellung in fein Reich ihm verheiffen, bezeichnet
wenigftend den Charakter, welchen die Angelfachfen liebten und
der deöhalb von ihnen ihrem Älfred zugefchrieben wurde ?). Wir
erfahren aus diefer Sage noch, daß Älfreds treue Mutter Os⸗
burge, welcher er das bedeutfame Zraumgeficht fogleich mit⸗
theilte, nicht. den Sopn und dieſer die Mutter nicht verlaffen
hatte. Rad) wenigen Monaten, um "Offen, ‚gelang ed dem
König mit dem treuen Adel der Sumorfäten in einem durch
Moraft und Wald geſchuͤtzten Drte eine Burg aufzumerfen,
welche den Namen der Äthelings:Ey (Infel), hernach Äthelney
lange getragen hat. Sie lag näher bei Somerton ald Taun⸗
ton, öftlich am Parretfluffe und ift der ſpaͤten Nachwelt nicht
nur durch Sagen, fondern felbft durch einen dort gefundnen,
wit Alfreds Namen bezeichneten goldnen Halsſchmuck nachge⸗
wiefen ’). Von bier aus wurden unermüdlich Streifzüge gegen
1) Ich ſtehe nicht an, dem würdigen Affer hier auch in feinen Ver:
fen zu folgen. Es kann nicht genug darauf aufmerkfam gemacht wer⸗
den, wie die Poefle in Form und Inhalt den dürren Iahresregiftern
des Mittelalters ſich anzufchmiegen nur wenige Zahre ſich enthalten Eann.
2) Historia de S. Cuthberto apud Twysden 71. Ingulph.
Will. Malmesb. j
8) ©. vie Zeichnungen in Hickes thesaur. I, 142, Ich möchte
nicht zweifeln, daß jenes Kunſtwerk in England verfertigt fein koͤnne,
wofür die angelfächfifche umfchrift ſpricht. Aſſer fagt ausdruͤcklich, daß
Alfred „aurifices* fehr gefördert Habe. gl. Camden Britannia ed.
Gough.- Die Nähe von Gumerton: ergibt ſich übrigens ſchon durch
320 Dritte Abtheilung.
die Feinde unternommen: und neue Verbindungen mit den
Freunden angefnüpft. Afreds eigne Wirkſamkeit, Muth und
‚Schlauheit find uns in der Erzählung bezeichnet, wie ex, feine
Kunde heimatlichen Geſanges benugend, als Harfner im das
Lager der Dänen ging und während dieſe ſich des freigebi:
gen Liederſpenders erfreuten, das Lager, bie Zahl ber Feinde
und die Zuruͤſtungen derſelben erfpähte‘). Nach fieben Bo
‚en gelang ed ihm mit feinen Getreuen ber drei Gauen Su
morfet, Wilts und Hampton auf beflimmter Zagfahrt zufam
menzulommen, beim Xgbrythöfteine, gelegen am öftlichen Ende
des vom Öftlichen Sumorfet nad Devonfhire fi) hinanſtrecken⸗
den Selmood (Weidenwaldes), ber bedeutend genug war um
einer befondern Shire ben Namen zu geben, jest aber, gleich
fo vielen der ungeheuern Waldungen, welche England noch bis
in das bdreizehnte Jahrhundert hinab bedeckten, kaum den Als
terthumsforſchern befannt if. In dem Schatten biefes Wal
des wurben bie Gelübde der Treue erneuert; am folgenden
Tage ruͤckte das Heer bis Acglea (Ilay) ?) zunächft Ethandım ’)
-(Heddington), wo ed die bereitd von feiner Ankunft unterrid:
tete Hauptmacht der Dänen antraf. Diefe zauderten nicht
einen blutigen Kampf mit den für Vaterland. und Freiheit fech⸗
tenden Sachſen zu wagen; nach heftigem Widerſtande unterlie
gend, ergriffen fie die Flucht, um ſich in ihre Feſte zuruͤckzuzie⸗
ben. Alfred folgte ihnen auf dem Fuße und belagerte biejenis
gen, welche dem Rachefchwert entronnen waren. Nach vierzehn
Tagen erboten fich die Belagerten das Land zu. verlaffen, wenn
ihnen der freie Abzug geflattet würde; fie erflärten fich bereit
jeglichen unter ihnen ald Geifel zu ftellen, während Feine von
Üfred verlangt wurden. Der König nahm dieſe Bedingung
an, welche auch bald erfüllt wurde. Eine nicht minder wid
tige Folge diefed Sieges war, daß der Dänenfürft Gothrum,
Affer, welcher diefen Ort dreimal b. 3. 878 ftatt Sommerfet nennt,
fowie aus histor. 8. Cuthberti bie des nahgelegnen Glaftonbury.
1) Ingulph. Will. Malmesb. Auch Guido bei Albericus
b. 3. 880. | |
2) ©. die Specialfarte in Ingram saxon chron. z. 3. 878.
3) Diefen Namen haben Affer, chron. saxon, und Äthelwearb.
» Bon Anfang des 9. bis Anfang-des 11. Jahrh. 32
auch Gormub genannt’), den Entſchluß faſſte zum Chriſten⸗
thum überzutveten und baburch die Aufhebung des feindfeligen
Gegenfages zwiſchen ben: diteren Bewohnern und den neuen
nordifchen Anfiedlern ‚der Infel zu vermitteln: Die heil. Taufe
wurde unfem von Äthellingburg an ihm: und dreiſſig feiner
‚vomehmften Mannen vollzogen; Guthrun erhielt Den Namen
Athelſtan; AÄlfred nahm ihn ald Sohn an, aus dem Taufwaſ⸗
ſer ihn emporhebend, worauf der Ealdorman der Sumerſaͤten,
Athelnoth, ihn feierlich abtrocknete. Die beiden Könige blieben
zwölf Tage bei einander, und Alfted überhäufte bie Dänen
mit reihen Gaben ?).
Die daͤniſchen Krieger: verlieffen nunmehr Weffer und zur
gen nach Giruncefter, im Lande der Hwiccas. Cine nette, von
jenfeit des Meeres herübergefommme feindliche Flotte landete,
doch ging ſie die Themſe nicht weiter als Fulham hinauf und
ſchiffte im folgenden Jahre, Britannien verlaſſend, nach Gent.
Der Fuͤhrer derſelben war Haeſten oder Haſting Ns ein Name
-1) Ingulpk. will, Malmesb;
‘ 2%) mid micelum fe. Chron. saxon. — Multa et .optima aedifi-
cin. Asser. Florent. Wigorn. Sollte für aedikeia nicht bne-
ficia geſchrieben ſein?
8) Affer 879 — 881. Wilhelm von Malmesbury. Elis
nand bei Albericus 3. 3. 880 beinahe mit denfelben Worten wie
Wilhelm von Malmesbury. Annal. vedastini et Hincmar.
Rhemens. ad a. 882. Die Zeitrechnung ber frühern Thaten Haſtings
beruht vorzüglih auf dem von neuen Schriftftellern kaum genannten
chron. turon, bei Duchesne scrr. rer. normann., wornach er bereits im
3. 841 (nit 851 wie Guil. Gemmetic.) mit Bjorn nach Frank⸗
veih Lam. Die Jahre 856 und 858. dafelbft find zu vergleiden mit
Prudent. Trecens. ad a, 857 et 858, wo der Vertrag, den noch
jener Haſting mit Karl dem Kahlen fchloß, hier von dem Pringen Bjorn
erzählt wirds. Der Zug nad) una im chron. turon. wird viel wahr:
ſcheinlicher durch Prudent. Trecens, ad a. 859, welcher fagt, daß
die Dänen. ſchon die Inſel la Camargue und bie Mündung ber Rhone
befegten, von wo ber Zug nach dem Golfo di Spezzia fehr leicht war.
Die Stelle: in Hincmar. Rhemens. ad a. 866 (woraus chron. nor-
mann. ad a. 869), wo pagus- Italiae durch Perg in pagus Imalise
(Affel) ſchoͤn verbeffert wird, darf nicht auf Haflings mit Turner ge
sogen werben. Später vgl. Rhegino ad a. 867. 874. Gesta domin.
Ambazian. ad a. 877 bei Duchesne |. |. p. 24 und den Verfolg Une
Lappenbergs Geſchichte Englands I. 4 |
8
322 Dritte Abtheilung.
welcher dem noͤrdlichen wie dem ſuͤdlichen Europa furchtbar
wurde, und durch welchen die Fahrten der Normannen der Ge⸗
ſchichte Europas in jenem Jahrhunderte ein grauſenvolles Band
und eine traurige Einheit ertheilt haben. Das gemeinſame In⸗
tereſſe an dieſen Raubzuͤgen ſpricht ſich ſelbſt in den kurzen ber
zeitigen engliſchen Jahrbuͤchern aus, welche bie wichtigſten Wan⸗
derungen der Normannen in Belgien und im noͤrdlichen Frankreich
verzeichnen, ſogar wenn ſie Nichts uͤber das eigne Vaterland
berichten. Es wird erzählt, wie nach einem Zteffen mit den
Franken im 3. 881, worin wir das bei Vimeu erkennen, bie
Normannen Roffe erbeuteten. Die Züge nah der Maas und
Aiſne werden berichtet, wie der laͤngs der Schelde und die
iiberwinterung im Kloſter Condé); auch die Schlacht bei
Haslo wird nicht vergeffen?),. bis dann die Irrzüge jene
ruhe⸗ und frieblofen Bolfes fie wieder nad) Britannien zurid—
Bringen.
Guthrun war im J. 880 mit ſeinem Heere ve von Girencefler
aufgebrochen und in das ſchon feit vierzehn Jahren von den
Dänen befeste Oſtanglien eingerüdt: Vermuthlich war es eine
Folge der früher getroffnen Abkunft mit Alfred, daß er diefes
Land nunmehr ganz unter die Seinigen: vertheilte und als Kbs
nig dieſes Landes, eines vom Könige von Weffer verlichnen
Lehns, herrſchte). Der vorhandene Vertrag, welchen König
ferer Erzählung. Nach diefer Zufanimenftellung bedarf es wohl Taum
der Erwähnung, daß ich den Haeften für eine einzige hiſtoriſche Perſon
nehme und diefe Anſicht für befier begründet halte, ald Suhms ver
worrne Citatenmaſſe und bie unbeſtimmten Angaben Anderer es ſollten
vermuthen laſſen.
1) Aſſer. Chron. saxon. ad a. 880—888.
2) Escelun bei Aethelweard ad a, 882. Diefe Jahreszahl if
in Übereinftimmung mit ben annales vedastini und anbern fränkifchen
Angaben. Die Überwinterung in Gent und Condé, nad ben eriglifchen
Quellen in den Jahren 880 u. 883, fegen die annales vedastini ein Safe
früher, womit Hincmar. Rhemens, ad a. 880. (Normannos in
Ganto residentes) und annal. fuldens. ad a. 880 (Nordmannos, qui in
Scalta fiuvio longo tempore residebant) übereinftimmen.
8) Malmesb. II, 4 Gorm, der Engländer, welcher um biefe
Zeit Guthruns bei Saxo grammaticus und in der Erich s-Chronik
‚unter ben daͤniſchen Koͤnigen genannt wird, möchte biefefbe Perſon fein;
\ EAU
Bon. Anfang.ded 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 323 - |
Alfred. und. alle. Witan englifchen Geſchlechts mit Guthrun und
allem. Volke das in Oſtanglien wohnte abichloß, beſtimmt
zunächfi die. Landesgrenzen; aufwärts der Themfe, fodann auf:
waͤrts des Leafluffes, diefem entlang bis zu feinem Urfprunge,
dann rechts nach Bedford, und fodann die Dufe hinauf bis zu
der Watlingftraße. Die übrigen: Verfügungen, welche gemein-
fchaftlich zwifchen ‚beiden Voͤlkern beliebt wurden, feßen, vor⸗
zuͤglich durch Feſtſtellung defjelben Wergeldes, vollflommene
Nechtögleichheit zwiſchen denfelben feſt und regeln den Handels⸗
verkehr: ſowie das: gerichtliche Verfahren in den zwifchen beiden
Bölkern entſtandnen Streitigkeiten. Auffallend find die Be⸗
flimmungen, welche durch ihre desfallfi igen Verbote und bezeu-
gen, daß freie wie hoͤrige Engländer zu dem Heere der Dis
nen uͤberzugehn pflegten. Don folchen chriftlichen Fluͤchtlin⸗
gen, welche bei den Normannen ſogar Huͤlfe gegen die eignen
Landsleute ſuchten, finden ſich manche Beiſpiele und ein ſehr
auffallendes begegnet und hier. Iſembard, Here von la Ferté
in Ponthieu, war mit König Ludwig, dem Sohne Ludwigs des
Stammlers, in einen Zwift gerathen und zu Guthrun, ſchon
ehe diefer Chrift geworden, geflüchtet und demfelben willfom=
men gewefen. Er begleitete diefen auf feinen Zügen durch
England und führte ihn, dem die ‚abgefchloffenen Verträge
Muße, aber Feine Ruhe gaben, nach feinem Vaterlande, wo
fie, nach vielen -Verheerungen und der Verbrennung der reichert
Abtei St. NRiquier an der Somme, vom Könige Ludwig II.
bei Vimeun '), mit Anftrengimg feiner legten: Lebenskraͤfte, zu⸗
ruͤctgetrieben wurden ?). =
doch iſt nicht mit Turner zu uͤberſehn, daß Gorm in England gebo⸗
ren, aber bereits ſein Vater Frothi England beſiegt haben und daſelbſt
getauft ſein ſoll.
1) Dieſe Schlacht iſt den Deutſchen beſonders durch das auf die⸗
ſelbe gedichtete deutſche Siegeslied bekannt. Daß in Neuſtrien damals
die deutſche Sprache nicht verdraͤngt war und wie ſich ſpaͤter die Sprach⸗
grenze der Deutſchen und Franzoſen bildete, habe ich in der obenerwaͤhn⸗
ten Recenſion Deppings kurz ausgefuͤhrt.
2) Die Hauptſtelle gibt der Cantor Guido de Bazache, welche
wir nur aus den von Alberich gegebnen Auszügen kennen. ©. Al-.
berici chron, ad a, 881. Guthrun wird hier Gnorrmund genannt,
| 21*
RT Dritte Abtheitung.
| Auffer dieſen findet fich noch in einer Beflätigung von Eos
ten ber Nachfolger beider Könige eine andre Satzung ber Könige
Afred und Guthrun, welche und zeigt, daß das Chriftenthum
bereitö als die Staatöreligion des dänischen Volkes in England
angefehen wurde, wie auch das Fortbeſtehen der geiftlichen
Würden in ben dänifchen Landen beweifl. Jene Satzung ent:
bält eine Reihe von Strafgefehen, zus Erhaltung der wefent
lichften Borfchriften ber Kirche wie des Staates, woeldye fi
bier bei beiden Völkern die Hand reichten, um Orbnung und
Sitte zu erhalten und fogar, zur Foͤrderung ber gemeinfchaftlis
hen Aufficht, die weltlichen Bußen unter ſich theilten. De
Gedanke, die Fremden, welche aus dem Lande ganz wegzuwei⸗
fen durch die Schuld des legtvergangnen Sahrhunderts nicht
mehr möglich war, jebt durch Eine Kirche und Ein Geſetz
mit feinem Volke zu vereinigen, bewährt und die großartige
Sefinnung Xlfeedö, zu großartig freilich um auf ein bereitwill⸗
ges Entgegenfommen ber Menge und zumal jener dem Raub
ſchwer entwöhnten Seeräuberhorben rechnen zu. fönnen.
England erfreuete fich in dieſem Jahre des langentbehrten
Friedens und winde nur m einzelnen Gegenden durch bie
Normannen beunruhigt. Alfred wirkte eifrig für die Kuͤſtenbe⸗
wachung durch Schiffe und wies dadurch manchen Raubzug
von feinem Lande ab. Im Jahre 882 hatte der König von
Frankreich, Ludwig III., kurz vor feinem Tode, mit Hafling,
welcher mit feinen Schiffen die Loire befegt hielt, eine Abfim
dung gefchlofien ‘). Die Rormannen verlieffen die dortige Ge
wie in ber kurz vorher bafelbft ercerpirten Stelle aus Malmesbury.
Auch chron, 8. Rioharii bei Bouquet VIII, 273 nennt ihn Guar®
mund und laͤſſt ihn bei Bimen fallen, eine Nachricht welche Eeine wei
tere Beglaubigung finde. Wenn Guthrun Frankreich wieder verließ,
ſo war dieſes dem Kloſterchroniſten jener Zeit Grund genug ihn als
erſchlagen zu betrachten.
1) Annal, vedastini ad a. 882. Hiudowicus vero rex Ligerim
petiit, Nordmannos volens e regno suo eiicere atque Alstingum in
amicitiam recipere; quod et fecit. Hincmar. Rhemens. h. a.
Bastingus et complices illius Nerdmanni ex Ligeri egressi, mari-
timas partes petierunt. Depping hat jene Verhanblang —
fowie Turn er deren hoͤchſt wahrſcheinliche Beziehung zu England, Mir
/
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 3%
gend und beabfichtigten eine Landung in Weller. Doc Alfred
kam ihnen auf dem Meere mit feiner Flotte zuvor und errang
den vollfiändigften Sieg. Zwei Schiffe der Feinde wurden
genommen, nachdem die ganze Beſatzung derſelben getöbfet
war; die Anführer auf zwei andern, durch den Kampf und
Wunden ermattet, nach abgelegten Waffen mit gebeugtem Knie ı
um Gnade flehend, überlieferten fi) mit ihrer Mannfchaft den
Siegern. Haſting ſelbſt focht noch in demfelben Sahre in der
berühmten Schlacht bei Haslo gegen den Kaifer Karl. Eng⸗
land blieb auch noch einige Zeit von ben gefährlichen Gäften
befreiet, welche längs der Schelde und des Rheins fich ver:
breiteten, doch bei Norden und Vimeu ſtarke Niederlagen eve
ütten. Schon im 3. 884 wurde es für diefe rathſam jene
- außgeplünderten Gegenden für einige Friſt zu verlaffen und
andre aufzufuchen, in welchen das Feld der Beute einige Jahre
brach gelegen hatte. Das Heer theilte fih und eine Abtheis
lung ging nach Löwen, eine andre fegte mit vielen Pferden bei
Boulogne über die Hovede (fo nannten unfre Vorfahren dem
englifhen Canal) und landeten in Kent‘). Die Dänen bela-
gerten Rocheſter und legten eine Feſte dieſer Stadt gegenüber
an. „Doch vertheidigten fich die Einwohner berfelben muthvoll
und gluͤcklich, bis Alfred ein Heer zufammenziehen und den Bes .
lagerten zum Entfage kommen konnte. Die Seinde flohen, mit
Zurüdlaffung. ihrer Roffe und Gefangnen, zu den Schiffen und
größtentheild, in uͤberſeeiſche Länder. Ein Xheil derfelben ging,
wenn wir bem verworren ſchwuͤlſtigen Berichte des Xtheling
Üthelweard vertramen bürfen, an das nördliche Ufer der Themſe,
wo ſie fi zu. Benfleet in Effer nieberlieffen ımdb, von ben |
Landleuten in Oſtanglien, welche auch in der Erfeßung ver
florbener oder entlaffener Geifeln fäumten, unterftügt, Raubzüge
dürfen, da wir Alfting oder Hafting auf diefer Wanderung wiflen, ihn
um fo cher auch in dem normannifchen Königenamen Bald, ber in die⸗
fem Iahre bei Haslo gegenwärtig war, fuchen. ©. annal. fuldens.
1) Affer b. 3.884. Henr. Huntend, Äthelweard 6.9.9.
gebenkt auch des Zuges nach Löwen. Annal. wedastini ad a, 884. Dani
Bononiam veriunt; pars illorum transit mare, atque pars Luva-
3% Deitte Abtheilung. -
veranflalteten ). Alfred fandte daher feine Schiffe, mit Krie⸗
gern ſtark bemannt, zum Lande ber treufofen Herrſcher Of:
angliens, an deſſen Küfte zu Stourmouth feine Seeleute zehn
Schiffe der Widingen mit allen ihren Schägen nahmen. Dod
als Alfreds Schiffe fid) nach Haufe wenden wollten und, ſchon
aus dem Hafen herauögefegelt, auf offenem Meere bei Nacht
wenig aufmerffam waren, wurden fie von den Feinden, welde
fehnel von allen Seiten mehr Schiffe herbeigezogen - hatten,
überfalfen und befiegt. Ungeachtet dieſes letzten Unfalles flelte
Alfred bald die Altern Lehndverhälmiffe der Dänen in Oft
anglien wieder ber, und es fcheint felbft daß. er Guthrum-Ätyek
flan gänzlich vertrieben haben würde, wenn dieſet nicht durd
Den berühmten Rollo, den nachherigen erflen Herzog der Nor
mandie, zeitige Hülfe erhalten hätte. Diefer, ber aud feinem
Baterlande verbannte Sohn Rogewalds, Herm von Mör,
war im 3. 875, gleich nach der großen. Schlacht von He
fersfjörd, welche den König Harald Schönhaar zum Herm der
Eleinen Könige des feit jener Zeit ald Norwegen benannten
Landed gemacht hatte, nach England gelommen, hatte freund:
fchaftliche Verbindungen: mit Guthrun angeknüpft und war,
wie die Sage erzählt, durch einen bedentungsvollen Traum be
wogen, nad der Normandie gegangen ?).: Der Belagerung
von Paris dur, feine Landöleute entzog er fich in jenem Jahre,
15) So viel ſcheint mir in einer dunkeln Stelle Athelweardsb. J.
885 zu liegen, welche alle engliſche Geſchichtſchreiber ganz unbeachtet
laſſen. Sie, erklaͤrt uns den folgenden Feldzug gegen bie. Oſtangeln, zu
bem wir in den übrigen Quellen gar Feine Veranlafjung wahrnehmen;
es fei denn daß wir Affers Worte praedandi causa. für eine folde
halten, was Üfred zum Seeraͤuber ftenipeln würbe, ober richtiger die
am Schluſſe diefes Jahres bei Affer und chron. saxon.: gegebne Notiz,
daß das Heer in Oſtangeln den Zrieden gebrochen, für die von Äthel:
weard erweiterte, bei jenen nur irrig zu fpät eingeſchaltete Nachricht
erkennen wollten.
2) Asser. vita Aelfredi hat hier eine ausführliche Nachricht, welde
ein neuer Zufag aus ben f. g. Asserii annales if. Florent. Wi-
gorn. und fpätere Handfchriften des: chron. saxan. erwähnen nur ber
Ankunft Rollos in der Nosmandie. Die Nachricht von dem Zraume
berubt auf normannifchen Sagen bei Dudo von St. Quentin,
nicht aber, wie ein englifcder Kritiker meint, auf Albert Grang.
Bon Anfang bes 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 827
als Älfred den. Guthrun angriff, um Letzterem zu Hülſe zu eilen,
was ihm. fo vollfommen gelang, daß: diefer ihm die Hälfte: fei-
nes Reiches ‘anbot, welches. Exrbieten jedoch Rollo, ſowie die
Aufforderung. das Chriftentkum anzunehmen, ablehnte.
In der eben angegebnen Weife deuten wir. die: wunder:
liche Nachricht der neuern Hiftorifer, daß Rollo mit dem Kö:
nige Alfred befreundet gewefen und um ihn zu retten von den
Thoren der Stabt Paris weggeeilt. fei. Der ältefte Gefchicht-
fehreiber der Normandie, Dudo, der Mönd von St. Quentin,
erzählt nämlich, daß alles dieſes fich zwifchen Rollo und Alfte-
nius ober Athelften, König der Angeln, begeben habe ). Un
ter diefem Legtern ift von Dudos Nachfolgern, vermuthlich fchon
von ihm felbft, der Enkel Alfreds, welcher jenen Namen fuͤhrte,
verſtanden und darauf von einem halbkritiſchen Geſchichtſchrei⸗
ber, John von Wallingford, welcher die Bemerkung gemacht,
daß, da dieſer Äthelſtan fpäter als Rollo gelebt habe, er mit
Alfred verwechfelt fein müffe ?), "welche Nachricht dann freilich
die gegründetften ‚Bedenklichkeiten verurfacht hat. Erinnern wir
und aber,. vaß Guthrun bei der Taufe den Namen Üthelftan
angenommen hatte und unter diefem den normannifchen Geift:
lichen befannt fein mufite, fo iſt das Raͤthſel fo einfach als
genügend ‚gelöft, und wir fehen wieder, wie felbft ein Unge⸗
thuͤm von Sage einen fchägbaren biftorifchen Kern enthal⸗
ten kann.
Eine Reihe von Jahren blieb England jetzt unbefeindet
1) ©. Dudo. Wilhelm. von Zumieges, Robert Wace
roman du Rou ed, Plougquet T.L Bei Dudo ©. 78 iſt es auffal⸗
lend, daß er die Feinde des Alſtan, Königs der Angli, auch Anglos nennt.
Auch Guil. Malmesb. de gest. pontif. 1. V. bei Gale I, 368.
2) Diefe von Zurner I, 572 und Depping I, 214 überfehne
Stelle bes Joh. Wallingford (bei Gale.I, 537) findet fi ſich bei der
Regierung des englifchen Königs Äthelftan: Reservavit ad istum regem,
quod superius dixi de Kalfredo et Rollone, scriptorum historiae Nor-
mannorum (nämlich Wilhelm von Sumieges 3. II. Cap. 4. nad)
Dudo von St. Quentin), quod nequaguam:stare potest, cum Rollo
asque ad Kalstäni regnum ex ipso eius volumine et chronicorum sup-
putatione. convinci possit non pervenisse. Sed et ınulti alii historici
ob auctoritatem Ealstani ad eum referunt, quae ad eum constat non
pertinere.
328 Dritte Abtheilung.
"son ben Mosmaunen. Guthrun⸗Athelſtan ſtarb im J. 890, und
ihm folgte nachher ein Sohn oder Neffe gleiches Namens, weis
her fpäter mit Alfreds Nachfolger dad alte Bünbniß ber ber
Derfeitigen Vorgänger erneuerte. Der nächte Nachfolger dei
alten Guthrun fcheint Eohric geweſen zu fein ).
Bernicia wurbe bamald von Ecgbert für die Dänen ver
waltet, und das übrige Northumbrien, nach Healfbens Tode, von
Guthred beherrſcht?). Diefer fol ein Sohn des dänifchen Ks
nigs Hardikanut gewefen fein, welcher von feinen Landsleuten
eines englifhen Wittwe zu Wittingham als Sclave verkauft,
doch durch Vermittlung ſpaͤter wohlbelohnter Geiftlicher. losge⸗
kauft und zum Koͤnige der Northumbrier erhoben wurde. Durch
ihn wurde das Bisthum Durham durch das eingegangne Bis⸗
thum Hexham ſehr erweitert und wurden der Kirche des heil. Cuth⸗
bert große Privilegien ertheilt, worunter Unverletzbarkeit der zu ihr
Gefllichteten auf 37 Tage und Gleichſtellung bed Friedensbru⸗
ches derfelben mit dem des Friedens des Föniglichen Palaſtes
oder der Strafe von 96 Pfund Silber. Auf dieſem von ben
weſtſaͤchſiſchen Königen beflätigten, von ben Biihöfen wohl m |
haltenen und noch beſſer erweiterten Vorrechte beruhen die Rechte
ber ſpaͤter fogenannten PM alzgraffchaft (county palatine) und
der ausgedehnten Juriödiction, welche ber Bifchof von Durham
1) Guil. Malmesb. II, 8. Florent. Wigorn. Chronic.
Mailros. ad a, 891. Chron, saxon, ad a. 890. Friedensſchluß der Koͤ⸗
nige Edward und Guthrun. Turner I, 579 führt aus einer Hands
fhriftlichen Biographie des Gt. Neot an, daß Guthrun in Dänemarf
geftorben zu fein fcheine, wohin fih au Guil. Malmesb. 1. 1. deu
ten lieffe: posteris perfidiae successionem transmittens,
2) Diefer wird nur bei feinem Zobesjahre 905 erwähnt. Die Rad
richt welhe Palgrave bei Wild. v. Malmesbury finden will, daß
jener vierzehn Jahre in Oſtanglien geherrfcht habe, finde ich bei dem⸗
feiden nicht; doch ift die Sache felbft durch den Mangel widerfprechen⸗
der Angaben wahrfcheinlih. Der Aelstanus rex Saxonum, deffen Todes⸗
jahr in den annal. Cambr. ad a. 898 angeführt wird, könnte Guthrun⸗
Äthelſtan II. fein; doch kann ich es nur wahrfcheinlich nennen, daß jener
den legteren Namen gleichfalls geführt habe.
8) Simeon Dunelm. ad a. 883, Diefer Iäfft jeboch den Healß
den fterben, wo nad) ben obenerwähnten ältern Quellen fein Bruder
gefallen war. Nah Florenz flarben Healfben und Eowild, Inguars
Brüder, erft im 3. 911. S. auch chron. saxon, h. a,
I,
Bon Anfang. des q.bis Anfang des 11. Jahrh. 329
noch heute, wenngleich mit einiger zur Zeit der Rirchensefor:
mation eingeführten Beſchraͤnkung, außübt, während ‚Die andern
mit ähnlichen Rechten verfehenen Marken an der Grenze gegen
Schottland und Wales, Cheſter, Lancafter,. Pembroke und Her
ham, eingegangen und ber Krone längfl anhenmgefallen ſind.
Eine neue Zerftörung ber Kirche zu Lindisfarne in jenen Zeiten
burch die Scoten erinnert und, wie auch von biefer Geite her
bie Sräuel barbariſcher Kriegfuͤhrung ſtets fertgefeht wurden.
Zuverlaͤſſiger als ben Anfang feiner Regierung erfahren wir
beren Ende durch feinen Tod, welcher am St. Bartholomäus
tage zu York erfolgte‘), Er hinterließ .brei Söhne, Analaf,
(Niel, Nigel), Sihtric und Reginald?), welcher fpäter die vaͤ⸗
kerlichen Rechte in Northumbrien wieber geltend machte, wenn
es gleich Alfred gelang nach Oluthreb Tode ber Oberheres
[haft dieſer Länder fich wieber zu bemäctign.
Der oben gedachte Bertrag AÄlfreds mit Guthrun beſtimmte
bie Grenze nicht nur zwifchen WBeffer und Dftanglien, foglern
auch zwiſchen ben fammtlichen angelfächfitch verblitbuen und
ven von Dänen bewohnten Laͤndern; letztre auch durch die Bes
nennung Dauslage bezeichnet, wie jene buch bie von Wels
ferenalage und Mercenalage; Ausbrüde welche zundchit auf
das Volksrecht, fobann auf das bemfelben unterworfene Land
füch beziehen. Ein großer Theil des chemaligen Loͤnigreichs
1) Simeon Dunelm. de eccl. I, 14, Gesta al 1. 894.
Todestag und Srabftätte gibt Äthelmesarb. an, welcher ihn Gothfrid
sex Northambriorum nennt, worin Tu raer I, 59% einen Sohn Zur
guars ſucht.
894.
—
2) Dieſe wichtige Notiz findet ſich in dem Excerpte der uns uͤbri⸗
gens leider unbekannten gesta Anglorum bei Adam von Bremen TI,
35. (MNordmanni) in Angliam quoque müserunt unum ex sociis Hal-
dani, qui dum ab Anglis occideretur, Dani in locum ipsias Gundre-
dum constituerunt. Ipse autem Northunabriam expugnavit atque ex
llo tempore Fresia et Anglia in ditione Danorum esse feruntur.
Seriptum est in gestis Angloram. — Eäb. II. c. 15: Anglia autem,
at supra diximus, et in gestia Anglorum scribitur, post mortem Gun-
dredi (al. Gudredi) a filiis eius Analaph, Sigtrich et Reginold per
ınaas fero centmm permansit in dition» Danorum. Die gewähnliche
Anficht, welche Sigtrik unb feine Brüder zu Sbhnen wars wait
beruht auf einer Deutung bez Annalen von uiſter.
330 Dritte Abtheilung. .:
Mercien war dadurch den Daͤnen abgetreten, doch der weſtliche
Theil deſſelben, namentlich das Land der Hwiccas, , verblich
dem Könige Alfred. : Diefer englifche . Theil Mexciend wurde .
für Iängre Zeit fortan als eine befondre Ealdormanſchaft ver:
waltet ), zuerft von Äthelred, der durch. die Heirath mit Äther
fleda AÄAlfreds Schwiegerfohn geworden war und. von. dem Kb
nige auch bald die.Verwaltung Londons erhielt. Äthelred er
fcheint .mit der Gewalt und auch zuweilen mit dem Zitel eines
Unterfönigs; unter. Genehmigung bed Königs rief er das Wi⸗
tena-Gemote zu. Gloceſter zufammen, auf welchem mehrere Bi
fchöfe, Ealdormanen, fünf wenigftend, und bie übrigen tüchti:
gen Mannen?) des: Landes : erfchienen. : Wahrſcheinlich hatte
Athelred erbliche Anfprüche auf Mercia, welche er, wie mehrere
ſeiner Vorgaͤnger, durch die Verbindung mit einer ſaͤchſiſchen
Fuͤrſtentochter befeſtigte. Die uͤbrigen Verhaͤltniſſe im Innem
Merciens wurden durch dieſes Lehnverband zu Weſſex wenig
geaͤndert; und ſo finden wir, daß, waͤhrend in Weſſex die Koͤni⸗
gin den Thron nicht beſteigen durfte, nach Angabe der Ge
ſchichtſchreiber, in Folge der Beſtimmungen welche die Verbre⸗
chen der Eadburge veranlaſſt hatten, wahrſcheinlich aber, gleich
dem ſogenannten ſaliſchen Geſetze, in der eigentlichen Weſenheit
des ſaͤchſiſchen Koͤnigthums beruhen, — die weſtſaͤchfiſche Koͤ
nigstochter nach AÄthelreds Tode, als Hlaefdige (Lady) der
Mercier herrſchte, das Zutrauen des Geſetzes und der Witan
nicht taͤuſchend.
So vielſeitig Aifreds ghaͤtigkeit, fo . umfaſſend fein Bid
auch zu jeder Zeit ſeines Lebens war, fo erfeheint-doch Die Pes
riode nach den letterwaͤhnten Siegen uͤber die Daͤnen als das
* Es iſt mir kein Grund bekannt, mit Wanley und Smith die
Üchtheit der Urkunde vom J. 884 (Smith Bebg ©. 771) zu bezwei⸗
feln, worin Äthelred ſich nennt: principatu et dominio gentis Mercio-
rum subfultus — gentis Merciorum ducatum gubernans. — Was A:
fer b. 3. 886 erzählt, ift nur, daß der comes Merciorum damals Lon:
bon erhielt. Florenz b. 3. 794 nennt ihn ubregulus;. Athel⸗
weard rex.
| . 2) Das. angelfächfifee duguth bebeutet bie Tugend. und die Edel:
leute,. wie auch virtus für .bie mrannfäaft 0 ober ben- niedern Landadel
haͤufig bei Delmolb u. U. gebraucht wird. .
y
Bon Anfang bes 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 331 | |
wahre. Feft feiner Regierung, die höchfte Feier ſeines Lebens.
War Alfred unerſchuͤtterlich und umermüblih in den Kaͤmpfen
‚gegen die Seinde geweſen, fo war er jest fo einſichtsvoll be⸗
fonnen als raſtlos in ber Wiederherſtellung und Verbefferung
des Miedererrungnen und Erhaltnen. Die zerflörten Burgen
wurden neu und feſter erbauet, verfallne Städte und Lands
ſtraßen hergeftellt und viele neue angelegt. Während andre
angelfächfifche Könige die Zerſtoͤrung der. Klöfter durch, die Daͤ⸗
nen benußt hatten um bie Befitungen berfelben an fish und
ihre Dienflmannen zu reiffen, war er befchäftigf die erworbnen
Rechte der Geiftlichkeit zu ſchuͤtzen und ihre Verhaͤltniſſe beffer
zu ordnen. Unter. neuen geiftlichen Stiftungen welche er er-
richtete, werden: und Klöfter :bei Shaftsbury und Wincheſter
genannt-und ein. andres zu Äthelingey, dem Orte welcher ihn
feinem Vaterlande erhalten hatte. Die Stadt London, welche
Durch die Gefechte der Rormannen innerhalb ihrer Mauern und
den häufigen Brand ein unbewohnbarer Schutthaufen‘ gewor⸗
den war, ließ ex wieber aufräumen und.wohnlich und glänzend
herftellen‘‘). In feinen eignen Königsburgen. und Landfigen
gab er felbft das Mufter vauerhafterer und fchönerer Bauten,
ald die Angelfachfen felbft bisher errichtet hatten, wobei die
jugendlichen Eindrüde, welche er auf feinen Reifen .jenfeit ‚der
Alpen aufgefaſſt hatte, ihn in ſpaͤtern Jahren noch leiteten.
Daß ein Mann von ſeinem Geiſte und ſeiner Regſamkeit auch
im Techniſchen bier gediegne Kenntniſſe beſaß und feinen Un-
-tertbanen auch hierin Lehrer wurde, wird nicht ald wunderbar
erfcheinen, wenngleich feine Zeitgenoſſen, wenig vertraut mit
der burch fo viele feltfame und ſchaͤdliche Myſterien verhüllten
Kunſt, einer fofjlihen Berichtöerftattung fich nicht gewachſen
‚gezeigt haben ).
1) Id. ad a. 884. p. 13: aedificia supra omnem antecessorum
suorum consuetudinem venerabiliora et pretiosiora nova sua machina-
tione facere. Id. ad a. 886: Quid loquar de civitatibus et urbibus
renovandis et aliis, ubi nunquam ante fuerant, construendis aedificiis
aureis et argenteis incomparabiliter illo edocente fabricatis, de aulig
et cambris regalibüs lapideis et ligneis suo iussu mirabiliter constru-
ctis, de villis regalibus lapideis antiqua positione mutatis et in. recen-
sioribus locis regali imperio decentissime constructis. |
2) Spelmann in. ber vita Aelfredi 1. IH. S. 8. behauptet. aus
=
82 - Dritte Abtheilung.
Wichtiger noch als. AÄlfreds Verdienſte um die Baukunſt
auf. dem feſten Lande erſcheint, was er, wie oben erwähnt, für
den. Schifföbau leiſtete. Bebeutender als jene wird diefen nennen,
wer theils die nur bee Wichtigkeit defielben vergleichbare Lang:
ſamkeit erwägt, mit welcher das ganze Sees und Schiffs⸗Weſen
fi) von jeher auögehildet hat; theild ben erſten, wennglid
mehrere folgende Jahrhunderte hindurch wenig entwickelten Keim
der Größe Britanniens erkennt. Der Bau feiner Schiffe war
auch durch Feine Nachahmung fremder Schiffe veranlafit, for
dern ganz Alfreds Schöpfung. Diefe neuen Schiffe hatten
fechözig Ruder und mehrere und werben ald noch einmal fo
ang, höher, fchneller und weniger ſchwankend ald die frühem
beſchrieben. Seiner Lanböleute fiheint er zur Handhabung
derfelben fich nicht haben bebienen zu koͤnnen, fondern riefen,
die erfahrenften Seeleute des Mittelalters, von denen noch ber
nordifche Alfred, Peter der Große, lernte, zu dieſem Zwede
herbeigezogen zu haben’). .
Sehr fihwierig iſt e8 genau auszumitteln, worin AÄlfreds
Verdienſte um bie Verwaltung feines Staates beflanden. Dan
hat früher ihm die Stiftung fehr vieler Einrichtungen beige
meffen, welche allen germanifchen Voͤlkern laͤngſt eigenthuͤmlich
und bei den Angelſachſen vorzuͤglich ausgebildet Haren. Dem
Helden welchem die Nation ſo Vieles ſchuldig war, verdankte
fie gern Alles, und Alfreds Name ward mit dem Ruhm bei
Cyrus, Theſeus, Numa und Karl geſchmuͤckt?). Unbefangne
Forſchung bat laͤngſt das fchöne Bild des Erretters mad Wie
- berherflellerd von dem Werthe des golbnen Schmudes, womit
der Stelle Affers b. 3. 886, daß Älfred zuerft Gebäude von Quader⸗
feinen errichtet habe, was dort nicht gefagt if, wo vielmehr der Ältern
villae regales lapideae gebacht wird. Vgl. auch Bedae histor, abbat.
Wiremuth. ad a. 676,
1) Über die Schiffe f. Affer ad a. 877. Chron. saxen. und
Florent. gebenken biefer erft b. 3. 897. Über die friefiiche Bemar⸗
nung befonbers chron, saxon. 1.1, wohin audy Affers Ausdruͤcke a. a. O.
impositis piratis. und b. 3. 884 Frisones — sponte se suo dominio
-webdiderunt zu beuten fein mögen.
2) In historia Ramesien. bei Gale I, 338 c. IV. finde ich. zuerk
eine ſolche Anſicht: Aeclfredi regis, anglicarum legum conditoris.
Bon Anfang.bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 333
es fodter.umgeben wurde, zu trennen gewuſſt umd ed If jebt
nur dahin zu ſehen, daß nicht jene bimkelnbe Kritik, weiche,
mit Der unfeligen Staatenftlrmerei Hand in Hand,‘ die Wils
ferien wie bad materielle Wohl Europas zu vernichten droht,
die Erinnerung. an die geößten Wohlthäter dieſes Welttheiles
in ihrer befchränkten Unwiffenheit vernichte.
Alfreds eifriged Beſtreben war, fein Volk zu einem rechts
lichen Zuſtande zuruͤckzufuͤhren und folchen gegen Willkin
und Neuerungen zu ſchuͤtzen. Zu biefem Zwecke veranſtaltete
er eine Sammlung der Gefeke der drei vorzüglichfien ihm uns
terworfnen Stämme, der Kenter, Mercier und Weſtſachſen,
welche deren Koͤnige Ethelbert, Offa und Ine einſt hatten nie⸗
derſchreiben laſſen, und aͤnderte einige derfelben mit dem Rathe
ſeiner Witan ab. Doch wagte er es nicht, wie er ſelbſt ſagt,
eigner Satzungen viele niederſchreiben zu laſſen, da er nicht vor⸗
ausſehen koͤnne, wie dieſe denen welche nach ihm kommen
wuͤrden gefallen moͤchten. Unermuͤdlich war er in der Hand⸗
habung der Gefetze. Die Armen, ſagt fein Biograph Aſſer,
hatten kaum einen andern Freund als ihn. Die Macht und
Willkuͤr des Adels war in den unruhigen Kriegsjahren ſehr ge⸗
ſteigert, und die Gerichte wurden durch deren Einfluß unter⸗
druͤckt. Unter den Richtern und Geſchwornen herrſchte bei ih⸗
rer großen Unwiſſenheit ſtets Zwieſpalt, und die meiſten Strei⸗
tigkeiten muſſten zur endlichen Entſcheidung vor die Bank des
Koͤnigs ſelbſt gebracht werden. Selbſt bei Angelegenheiten
welche in ven untern Gerichtshoͤfen entſchieden wurden, war er
unablaͤſſig bemuͤht die Gruͤnde der gefaͤllten Urtheile zu ver⸗
nehmen und zu unterſuchen, wodurch er haͤufig Anlaß fand
die Richter beſſer zu belehren und ſie auf die Nothwendigkeit
des Erlernens der in fruͤhern Jahren verſaͤumten Rechtskunde
und andrer Kenntniſſe hinzuweiſen, ſowie auch zuweilen die
ſtrengſte Ahndung ſelbſt, in nicht weniger als 44 auf uns ge⸗
kommnen Faͤllen, Todesſtrafe dem imgerechten und uͤbereilten
Spruche folgte).
1) ©. Asser. vita Aelfredi in fine. Andrew Horne miroir
de justice. Londen 1642 et 1646. Ausführliche Auszüge finden fi.
in Spelmanns. AÄlfred &. 88, Fürzere bei Turner und Lingard.
In Houard coutume⸗ englo-normandes ou im. Abdrucke des
334 J Dritte Abtheilung.
Beſonders wirkſame Mittel zur Verhinderung der einge⸗
einen Raͤubereien und. Gewaltthätigkeiten ergriff Alfred durch
eine beffere Eintheilung der Provinzialdiftriete und ihrer Unter:
abtheilungen, fowie zur Befeftigung "der Gefammtbürgfchaft ber
Einwohner der Fleinen Difttiete, Hundreden und Thrithingen
genannt, zur Stellung ber in benfelben überfuͤhrten Verbre⸗
her ). Zugleich theilte er auch bie Gefchäfte der früher an
die Spitze einer Provinz oder Graffchaft geftellten Ealdorma⸗
nen: unter dieſelben und neu angeordnete Richter). Das fiefe
Dunkel welches die Verwaltung der angelfähfifchen Reiche
deckt, verhindert und auch hier ſo deutlich zu ſehen, wie wir es
wimfchen; doch wenn wir und erinnern, wie Alfreds Staaten
feit feines Großvaterd Ecgbert Tagen vereint und duch den
Vertrag mit Guthrun naͤher beſtimmt waren, und wie manche
Veraͤnderung in dem auf die Kriegsverfaſſung und die Dienſt⸗
barkeit der Unterjochten begruͤndeten Staatenbunde fremder Er⸗
oberer, bei deren Umwandlung in einen auf eine gemeinſame
Gerichtsverfaffung zunaͤchſt geſtuͤtzten Staat freier Eingeborner,
erfoderlich wurde: ſo moͤgen wir die Nothwendigkeit der von
alten, wenn auch nicht gleichzeitigen Geſchichtſchreibern ihm bei⸗
gemeſſenen verbeſſerten Provinzial: Eintheilung nicht bezweifeln;
ſowie auch nicht geleugnet werden kann, daß der weite Begrif
der ‚germanifchen Gefammtbürgfchaft viele Anwendungen und
Modificationen “Durch ihn erlitten hat. Durch dergleichen Ver
befferungen in ber Gerichtöverfaffung, von welcher fpdter au&
führlicher die Rede fein wird, brachte Alfred -feinem Reiche
folhe Sicherheit, daß erzählt wird, daß der Reifende welcher
feine Börfe auf der Landftraße verlor, ohne Zweifel: dieſe nah
Monatöfrift unberührt wieberfinben konnte, goldne Armbänder,
-Horne das hier fragliche Gap. V. deſſelben, weil es fuͤr ganz un⸗
authentiſch gehalten wurde. Vgl. au) Cooper public records
I, |
1) Ingulphus. W. Malmesb.
Ä 2) Eine Betätigung diefer Nachricht der eben genannten Schrift:
ſteller möchte fich darin finden, daß. die Urkunden aus Älfreds Beit zu:
- exft duces, indigesve et praesides unteefiheiben; ſo Urkunde ı v. 880
in Smiehe Beba S. 771. |
Bon Anfang.des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 335
am Scheldewege aufgehaͤngt, kein Vorůberziehender wegguneb:
men wagte‘). : i
Bu: den. Silke ‚qugefäjriebnen: Einrichtungen geht. bie
Aufnahme eines Kataſters oder einer fchriftlichen -Batiftifchen
Überficht „feines Reiches, nach den oben angegebenen. Diſtricts⸗
abtheilungen, welche auf einer Rolle. verzeichnet zu Wincheſter,
der Hauptſtadt feines. Meiches, auſbewahrt wurde?). Auch Diefe
Nachricht hat man bezweifeln wollen doc; fehlt es nicht air
ältern Beifpielen in der fränkischen Geſchichte, und andrerfeits
ift uns -Älfeeds' Orbnungsfinn, die Grundlage jeter guten Ad⸗
iniftration; fo vortheilhaft bekannt, daß das alte Seugniß, den
jungen Zweifel bald befchwichtigt. |
Wenn die Verbienfte des. braven Kriegers, des einfichte:
vollen, thätigen. Staatömannes, To ausgezeichnet fie waren, fo
ſehr fie den Königenamen verherrlichten, an dem ſtets fich aus⸗
dehnenden Horizonte der Sefchichte nach’ einigen Sahrhunderten
ober Jahrtauſenden doch zulest in der: Maffe bedeutungslofer
werben und vor anderm bellern Lichte exbleichen: ſo wird doch
Alfreds Stern nur mit Britanniens Namen imtergehen Fönnen,
da feine Berbienfte um die Förderung der Sprache und geifliger
Bildung nur mit: den germanifchen Sprachen felbft vergeffen
werben koͤnnten. Das Chriftentbum hatte’ bereis einen bedeu⸗
tenden Einfluß auf die wiffenfchaftliche Ausbildung dieſes Lan⸗
des geduffert, und die. feotifche wie. die roͤmiſche Geiſtlichkeit
wuͤrdige Genoſſen unter den Angelfachfen gefumden. Doch blieb
die Bildung in England auf bie Geiſtlichen befchräntt, und als
nach fo vielen innern Kriegen. die Dänen das Land verheer⸗
ten, ſo viele Kloͤſter mit ihren Bibliotheken und Schaͤtzen nie⸗
berbrannten, da verfehwand die Zahl älterer gelehrter Geiftlichen
und jüngere konnten nicht herangeogen werden. So begab es
2 Jenes Ingulph, dieſes win. von Malmesburpy. Xhn:
liche Sagen vom: König Eadwin von Northumbrien f. oben. Im eng:
ften Zuſammenhange mit denen von Älfred, fiehn die ganz ähnlichen von
Forthi, dem Könige von Dänemarf (Saxo I. V, 95 f. g. chronicon
Erici Nr. 35.), bie ‘von Rollo von der Normandie (Dudo 6; 64.)
Depping expeditions maritimes etc. Normanda.T. I; p. 131 erwoͤhnt
bie von Brian, dem iriſchen Könige von Munſter. un
2) Sngulph bei Fell ©. 81.
36 - - Deitte Abtheilung.:.
fich Bat, daß in Bedas mb: Alcuins Vaterlande, zur Beit als
Alfred ſeine Regierung antrat, ſehr Wenige ſuͤdlich vom Hum⸗
ber, ſuͤbdlich von der. Themſe aber Niemand gefunden wurde,
welcher ein lateiniſches Werl uberſetzen konnte“). Jene weni⸗
gen Merecier förderte er befiend und zog fie aux ſich: Plegnnmd
wurbe Erzbifchoß won. Canterbury, ein Mann dem vie Entfie
hung der angelſaͤchfiſchen Chronik vielfach zugeſchrieben ii;
Kehelſtan und Werwulf wurden feine Capelane. Werfrich
zum Biſchof von: Worceſter einaunt, Oberſetzte auf des Koͤnige
Geheiß die Dialogen bed heil. Gregor. und feines Schülers
Petrus aus dem -Lateinfichen in bie Landesſprache. Alfred
felbft bemühte fi) dem Mangel gebehrter Männer durch Hew
beiziehung von Ausländern abzubelfen, unter denen Grunbald,
Propft von St. Dmer, welchen er auf feinen Reifen in Franb
reich hatte kennen lernen, Johannes aus Corvey in Altſachſen
ein fehr gelehrter vnd kunftreicher Geiſtlicher, durch deſſen im
gang Klfreds Kenntniſſe ſehr bereichert warden, welchen er dem
neugeftifteten Kloſter zu Athelingey vorfehte, und Aſſer aus War
les, ſpaͤter Biſchof won Sherburn, befonberd: zu: nennen ſin
Letztern fuchte er jährlich ſechs Monate am ſich zu feſſeln und
Kberließ in der Übrigen Zeit ihn feinem Amte. Wir verdanken
dieſem Marme, welcher mit bem Könige lange enge vertrant
kebte, eine durch Einfachheit und Reichhaltigkeit der gefammel
ten Züge hoͤchſt anziehende Bebensbefchreibung feines erkabenn
Freundes. Zu deu Gelehrten feiner Zeit, mi melden Xlfee
gleichfalls freumbfchaftlich verkehrte, gehört der Scote Johannes
(Erigena), der beruͤhmteſte Dialektiker feiner Zeit’. Eine w
gelegentliche Sorge und eine liche Beichäftigung war: es ihm,
feitdem ev bie lateiniſche Sprache in feinen fechsunddreiſſigſten
Lebensjahre. erlernt hatte, aus biefer Sprache Werke im fein
Mutterfprache zu überfegen und dadurch zum Gemeingute fer
ned Volkes zu machen, welches er auöbildete und bereicherte.
Dos wichtigfte derfelben iſt uns das Buch des Vosthius von
ben. Troͤſtungen ber Philoſophie, da er ber Überfegimg an vie
len Stellen. feine eignen gebiegnen und glüdlic ausgedruͤckten
1) Ütfrebs Borrede zur Überfegung des Paſtorale bes heil. Bregon
2) Er wird von Turner u. X. mit dem Altfachfen Sohannes
verwechfelt, ein Irrthum ben bereits Ingulpd verſchuldet bat.
Von Anfang, bes; 9. His Anfang des 11. Jahrh. 387
Gedanken und poetiſche Ausfchmüdungen eingeſchaltet hat").
Seine Überfegung des großen Geſchichtswerkes Bebas war ſei⸗
nem Valle eine unfchägbare-Gabe, und verlich diefem trefflichen
Buche den einzigen ihm noch fehlenden Werth um ein Natio⸗
nalwerk zu werden, wie es von den uͤbrigen Voͤlkern Europas |
nur wenige, felbft nach Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, er
halten haben. Das Buch des Papfied Gregorius von ber Seel
forge war durch bie Verehrung, welcher jener in England vorzüge
lich genoß,: eine gluͤcliche Wahl zu einer Verdolmetſchung fir ben
König. —* er in der Vorrede zu dieſem Werke ſeine Lehrer
in der lateiniſchen Sprache und: unter dieſen ben Erzbiſchof
Vlegmund nennt, welcher im Jahre 890-den Sitz in Canter
hury erhielt, ſo finden wir hier: ein ausdruͤckliches Zeugniß, daß
dieſe Uberſetung erſt nach dieſem Jahre von Alfred verfaſſt
wurde. ¶ Seine überſetzung ber Geſchichte des Orofius, welche
ſchon⸗ eins Hauytquelle des Beda für aͤltre Geſchichtskunde
war, beweiſt den fuͤr ſeine Tage und unter ſeinen Zeitgenoſſen
unsfaffenben. gefchichtlichen Sinn Afreds, iſt uns aber beſenders
durch bie eingelegten Schilderungen Deutſchlands und der nor⸗
bißchen: Laͤnder, ‚aus ben Reiſeberichten des Wallfiſchfaͤnger
Ohtheyes und. Wulfſtans gefchöpft, merkwürdig). Es werben
ihm noch mehrere Überfegungen, mit mehr oder weniger Grund,
zuasichrieben, von ben Palmen, welche ex kurz vor feinem Tode
begonnen. haben ſoll.“), von der Bibel, Auszüge aus ben Bes
trachtumgen des heil. Augaſtinus, den Fabeln des Aſop, ſawie
ein Bu über die. Falkenzucht; doch möchte, wenngleich hin⸗
Länglich erhellt, daß die Muße feiner fpätern Jahre mehr Ar-
beiten: ſchuf als das Leben der thätigflen Schriftſteller ſeiner
Zeit, zuweilen der Rame des verehrten Koͤnigs als Empfeh⸗
9 8. viele Auszüge bei Zurner 8. V. Gap. 2. Doc möchten. |
einige, dieſer Erweiterungen von Aſſer herruͤhren, welcher in Guil.
Malwmesb. de gestis pontific, 1. IV. fagt; libros Boäthii planioribus
verbis elycidavit, illis diebus labore necessario, nostris ridiculo. Sed
enim jusgn Regis factum est,. ut levius ab eodem in anglicum tra-
feratur germopem, | |
2) Ge bie. Grtäutenmgen Beer Beihe in Dabimenes dor⸗
ſchungen Th. J. ae
8) Guil, Malmesb, 1. 1. c. 4.
Lappenberg's Geſchichte Englands J. 22
338 - Dritte Abtheilung.
Iung eines Buches welches er lediglich veranlafit ober veran
flaltet haben Könnte, gebraucht worden fein’). Der Verluſ
eines von ihm felbft gefchriebnen Buches, welches er fein Hand⸗
buch nannte, ift fehr befiagt worden, doch nad) den von Ale
gegeben Erläuterungen enthielt ed nur Auszüge aus andern,
vorzüglich theologifchen Werken.
Alfreds damals ungewöhnliche Vertrautheit mit der übre
gen Welt und unlöfchbare Wißbegierde erklaͤrt und die nick
ganz richtig fo benannte Geſandtſchaft zu den Kirchen des heil.
Thomas und Bartholomäus in Indien. Sowie er haͤufig Ge
ben nach Rom bringen ließ und mit entfernten Geiftlichen,
unter denen nur Abel, ‚der Biſchof -von Jeruſalem genannt
wird, im Verkehr ſtand?): fo ließ er auch einſt, in Folge eine
zur Zeit als die Dänen London beſetzt hielten abgelegten Ge
lübdes °), durch zwei Geiftliche, den nachherigen Bifchof Sige⸗
heim und Äthelftan, Weihgeſchenke nach Indien bringen. Wenn
felbft das Aufferordentliche eines folchen Schritte bei Alfreds
Charakter nicht fehr auffallen. dürfte, -fo wird doch auch jenes
durch bie längft üblichen Pilgerfchaften zum Simeon Stwlites
und vielen heiligen Örtern verringert und jedem Zweifel durch
bie noch nad) einigen Jahrhunderten vorhandnen, von Alfreds
geiſtlichen Sendeboten mitgebrachten orientalifchen Edelſteine
begegnet‘). Die glänzende Ausruͤſtung, welche ſpaͤtere Ge
ſchichtſchreiber Diefer Pilgerfchaft verliehen haben, indem: fie St
gehelm den Biſchof von Sherborn und Äthelftan einen Ealdor⸗
man nennen, hat gleichfalls beigetragen britiſche Zweifel· zu er⸗
1) Schon Kthelwearb nennt von den Überfegumgen. 008 de es
Boethius und ſpricht von andern: numero iguoto. |
2) Affer ©. 17. "
8) Chron, saxon, ad a. 883. Florent. Es ſcheint mir nidt,
wie die Überfeger der chron. saxon. und Turner meinen, ah eine Be
lagerung von Eondon im I. 883 zu denken zu fein, fondern die vom
3. 872. Geit bem I. 883 aber fochten die Dänen zuerft nicht mit
England, und es ergibt ſich dadurch der Zeitpunct oder doch, bie Möglich
keit ber Erfüllung diefes Gelübdes, ſowie der gleichzeitigen Abfendung
der Gefchenke nad) Rom. Die richtige Auffaffung des ‚angelfächfifchen
Textes Haben Henr. Huntendon. md Alfred Beverlac.
4) Guil. Malmesb. de regibus 1. II. c. 4. Id. de geatis pon-
af, l. I.
Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 339
regen. Jener, vermuthlich der bereits erwähnte Capellan Als
freds, erhielt das gedachte Bisthum erft fiebenundzwanzig Jahre
fpäter ') und wurde in den Altern Quellen, welche die Erwaͤh⸗
nung ſolcher Würden nicht vergeffen, fogar zu früh als folder
bezeichnet. ©
Bon keinem der Vorgänger Alfreds if uns bekannt, daß
er eine ſo regelmaͤßige Verbindung mit Rom unterhielt. Vom
Dapfte Marinus erwirkte er die Befreiung der Schola der Sach⸗
fen von Abgaben und Zöllenz an defien Nachfolger Stephanus
gingen jährlich Boten. mit Briefen und Gefchenten ab’). Es
Kaffe fich wohl annehmen, daß Alfred die Gelegenheit, welche
dieſer Verkehr zu ber wiflenfchaftlichen Ausbildung feines Vol⸗
kes darbot, auf jede Weife benutzte. Sowie er felbft, hierin
dem Solon glei, nur mit dem Leben aufhörte zu lernen,
forgte er auch mit. großer Umficht für die Erziehung feiner
eignen Kinder unb derer feiner Unterthanen. Die des Adels
erhielten Unterricht i in der angelfächfifchen und lateiniſchen Sprache
ſowie im Schreiben, und lernten Bücher und befonders Ges
dichte in der Mütterfprache auswendig, ehe fie durch Jagd⸗
und Kriegd=Übungen höherer Bildung entzogen wurden.
Auch die Univerfität zu Oxford fol fich befondrer. Beruͤck⸗
fichtigung :durch Alfred erfreut haben. Grimbald, den er zu
deren beſſerer Anordnung dahin geſetzt hatte, foll mit ben: dor⸗
tigen Scholaftitern in einen Zwiſt gerathen fein, welche bie al⸗
ten Einrichtungen, ans ben Zeiten des Gildas, Melkinus, Nennius,
Kedtigern, ia ſelbſt des heil. Germanus verfochten. Nach drei⸗
jährigen Streitigkeiten joll Alfred felbft dahin gegangen ’fein, um
ben Frieden herzuftellen. Doc findet fich diefe Nachricht nur
in Camdens Abdrude von Affers Leben Alfreds, deſſen Hand⸗
fchrift umbelannt iſt. Die Alte Ausgabe Parkerd, deren
Handſchrift aber. auch bei dem Brande von Cottons Biblios
the verloren ging, enthält die fragliche Stelle nit. Da ins
1) &. chron. saxon. ad a. 910, Ein Irrtum oder irriger Aus:
drud des Florenz b. 3. 883 hat Matthäus von Weftminfter
zu ber Angabe verleitet, „daß af re er Thon damals geftorden und Sige⸗
helm ihm gefolgt ſei.
2) Aaser. ad a. 884. Chron. saxon. ad a. 887— 890, Flo-
rent. ad a. 888; on on
22”
340 Dritte Abtheilung.
deß beide Ausgaben erſt erſchienen ſind, nachdem unter der
Regierung. der Königin Eliſabeth ein —— ber bat
höhere Alter‘ der Univerfitäten Oxford ımb Cambridge entflans
den war, fo iſt es —— ob der eine Herausgeber
die fragliche Stelle wegließ oder der andre eine Verfälfchung
äinfchaltete. - Der Umftand, daß Feiner der Schriftfieller, welche
Affer fo genau nachzufchreiben pflegten, von diefer Rachricht nur
eine Spur enthält, ſowie manche innere Grimde fprechen für
die letztre Anfiht. .
E83 darf wohl unfere Aufmerkſamkeit erregen, wie unte
fo vielen unglinfligen Umſtaͤnden Alfred die Zeit und die Mit
tel erhielt, um fo Vieles und fo Großes durchzufeken. Bir
erhalten durch die Darftellung von AÄlfreds Eginhard. eine aͤhn
liche Antwort, wie Karl der Große oder Benjamin Franklm
fie ertheilt haben wiürbe. Die größte Sparfamkeit und Ord⸗
nung im Gebrauche der Zeit wie der Einkünfte bringen be
irgend zwedimäßigen Plänen Unglaubliches hervor. Aſſer theitt
und das Budget der jährlichen Ausgaben bed Königs mit.
. Eine Hälfte feiner Einmahmen war für weltliche, die andre für
geiftliche Zwede beſtimmt. Die erflre zerfiel wiederum in brei
Abtheilungen, deren erfle er jährlich an feine Krieger auötheilte,
fowie an edle Dienfimannen, welche er abwechfelnd einen Mo:
nat im Vierteljahre den Dienft verrichten und dann auf zwei
Monate den eignen Gefchäften nachgeben ließ. Das zweite
Sechstel war für die unzähligen Bauleute und Kuͤnſtler be
fiimmt, welche er aus vielen Völkern um ſich her verſammelt
hatte und zur Verſchoͤnerung ſeiner eignen Befitzungen wie
ſeines Reiches gebrauchte. Das dritte Sechstel gehoͤrte der Gaſt⸗
freundſchaft und Unterſtuͤtzung der Fremden, welche aus der
Naͤhe und der Ferne, mit und ohne Anliegen ihn aufſuchten.
Die andre Hälfte feiner Geſammteinnahme hatte er feinen Saͤckel⸗
meiſtern geboten vierfach zu vertheilen. Ein Viertel berfelben
war für. bie Armen jeglicher Nation beflimmt, das zweite für
bie beiden Klöfter welche er ſelbſt geſtiftet, das dritte fuͤr die
Schule welche er fuͤr den jungen Adel ſeines Volkes muͤh⸗
ſam begruͤndet hatte, das letzte endlich fuͤr alle benachbarten
Kloͤſter, Kirchen und deren Diener in ſeinen ſaͤchſiſchen Landen
oder Mercien, und auch zuweilen abwechſelnd fuͤr die bei den
Von Anfang des 9.bis. Anfang: des. 11. Jahrh. 3
Altbriten und in Cornwales, Galllen, Armorica, "Northumbrien,
am ſeltenſten in Irland. Ebenfo gewilienhaft wie feine Ein:
Einfte oertheilte er den Dienft feines Koͤrpers und Geifles: zwis
fhen der Erde und dem Himmel. . Zur befiem Bermbung ber
Nacht und fletß..genauen Kunde der flächtigen Stunden. erfand
er fich einen Beitmefler, aus ſechs Lichten, von denen jedes
in einer durch durchſichtige Häute gegen Luftzug gefchüsten
Kapfel vier Stunden brannte). Und gewiß iſt es auch felten
einem Sterblihen gelungen, wie Alfred, bie beffere Hälfte feis
ned irdiſchen Lebend dem Hoͤchſten was der Menich- erſtreben
kann zu weihen, in dem großen Umfange, wie es faſt nur in
Zeiten moͤglich ſcheint, in welchen die Perſoͤnlichkeit des beguͤn⸗
ſtigten Individuums dem Mechaniſmus des nachruͤckenden Zeit⸗
alters die anſtrebende Bahn bricht.
Die fegensreichen Arbeiten und friedlichen Studien ıfrebe
- follten wiederum‘ auf längere Zeit ımterbrochen werben und ber
Ruhm des Kriegshelden fich noch eimmal bewähren. Die Nor⸗
mannen : waren. in ben fraͤnkiſchen und deutſchen Reichen wie⸗
derholt geſchlagen und auf einige Flußmuͤndungen zuruͤckgetrie⸗
ben, an denen ſie amphibienartig den weitern Angriffen aus⸗
zuweichen und kleine Vortheile zu erfechten wuſſten. Am 1.
September des Jahres 891°) hatte ber deutſche König Arnulf
ihnen, in ber Schlacht an der Dyle bei Löwen, einen Todes:
ſtreich beigebracht. Haeſten (Alſting) hatte mit ſeinen Daͤnen
im vorhergehenden Jahre ſich zu Argowe an der Somme nie⸗
dergelaſſen, und im folgenden Jahre, nachdem er das Kloſter
zu St. Vaaſt wortbruͤchig uͤberfallen hatte, befeſtigte er EZ zu
1) Asser.
2) Am 26. Juni war die miederlage b ber Deutſchen am Fiuſe Set,
nicht der Sieg derſelben. Vgl. Depping exped. marit. des Normands
T. II. 85. In den annal, fuldens. h. a. tft hie Luͤcke hinter Kalendis
ohne Zweifel durch Septembris zu ergänzen, da diefer der noch lange
hernach zum Andenken der Niederlage der Rormannen zu Löwen gefeierte
Tag war. Rad) den annal, vedastini h. a. muͤſſte die Schlacht erft im
Anfange des December vorgefallen fein. In ben annal. fuldens. iſt
vermuthlich die Nachricht von dem Tode ber dänifchen Könige Sigfrid
und Gottfrib eine irrige, da annal. vedastini und Rhegino ihrer
nicht gebenten, bagegen des früher erfolgten Todes beiber Könige bei d.
3. 885 u. 887.
ML ...:, Dritte Abtheilung.
893.
Kriens. Eine Schaar feiner Truppen geiff die Stadt Gt.
Der. any deren Befefligungen noch nicht vollendet waren; doch
Die tapfern Bürger. toͤdteten mehr als die Hälfte. derfelben und
ſchlugen mit gleihem Glide einen erneuerten Angriff: zusüd.
Hacfien ſcheint nicht ‚mit feinen Landöleuten an der Dyle ge
fochten zu haben, glüdlicher als diefe ſchlug er den König Odo
vor. Amiens zurüd und überfiel ihn bernach in Vermandois.
Das folgende Jahr brachte eine große Hungersnoth ins nörd:
liche Frankreich, und die Daͤnen gingen von Löwen, welches fie
ungeachtet jenes vielgefeierten Sieges nicht verlaffen hatten,
nach. .Boulogne ') und .fchifften dort auf 250: Schiffen unter
einem: Könige, welcher Haeftens Zögling und Waffengefährte,
der alte Bin Eifenribbe gewefen zu fein ſcheint?), zu ber
Mündung des Lymnefluffes im Öftlichen Kent, am öftlichen
- Ende des Andredwaldes. Sie zogen ihre Schiffe dieſen
Heinen Zluß einige Meilen. aufwärts, wo: fie: eine von ben
Landleuten eiligft errichtete Schanze bald zerflörten, und befe
fligten ſi fi darauf zu Appledorn. Bald nach ihnen, vermuth⸗
lich im naͤchſten Fruͤhjahr, ſchiffte Haeſten mit 80 Schiffen ‘)
9 Annal. vedastini ad a. 892 aeben die Zeit. genauer an als chron.
saxon. ad a. 898. Auch Äthelweard fegt die Abfahrt von Boulogne
nach Kent in das Jahr nach dem Siege Arnulfs, ſowie auch Asserii
annal. ad a. 892,
2) Die englifchen Schriftſteller nennen Bjoͤrn hier nicht, ſondern
fprechen nur von einem Könige. Meine Andeutung gründet fi auf,
folgende Stelle Guidos bei. Albericus zum 9. 895: Bier(n) totius
excidii signifer et exercituum rex, iterum Geallias infestans ad extre-
mum ab Arnulfo imperatore et Francis multis preliis victus, in An-
gliam, oportunum suae tyrannidis suffugium, est expulsus, sed (ab)
Anglis iterum victus indeque Frisiam petens mortuus est ibidem. Das
bei ift jedoch nicht zu überfepn Guil. Gemmet. LI. c. 11. Bier to-
tius excidiĩ signifer exercituumque rex, dum nativum solum repeteret,
naufragium passus, vix àapud Anylos portum .obtinuit, quam pluribus
de suis navibus submersis. Indeque Frisiam repetens, ibidem obiit
mortem. Dudo erwähnt des Björn nicht. Gleichzeitige Nachrichten
über ihn f. bei Prudent. Trecens, ad a. 858. Fragment. chron,
fontanell. ad a. 855 — 859,
8) Depping I, 39 fagt, daß biefe 80 Schiffe von ber Muͤndung
ber Geine abgefegelt feien, wo fie ſich der Stadt Evreux bemächtigt
hätten. Diefe irrige Nachricht Scheint durch Asserii annal. ad a. 895
—
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 343
zu: Mündung der Themſe und auf der Swale in das Innere
des Landes: bis Milton (Sexay Lathe), wo er ſich verſchanzte.
In dieſer ginſtigen Stellung, wo beide daͤniſche Heere,
jedes durch Wald, Waſſer und Werke geſchuͤtzt, ſich einander
leicht. unterſtuͤtzen konnten, verharrten fie ein volles Jahr, ohne
von ben Eingebornen angegriffen zu werden. Haeſten ver:
ſprach das ‚Land. bald wieder zu verlaſſen und gab ſogar / zwei
894,
Söhne als Geiſel an Alfred, welcher mit feinem Schwiegers
ſohne Athelred die Stelle. des Pathen bei ihnen verfehend ') ih⸗
nen :hie Taufe ertheilen und fie zum Water zuruͤckkehren ließ.
Doch Alfred, der die Größe der Gefahr, welche Haeftens
Name und Macht: ihm brachten, nicht miskennen konnte, er⸗
neuerte die durch des Altern Guthruns und Guthreds eben er - - -
‚folgten. Tod aufgelöften Bündniffe mit den Dänen in Oftanglin
und Northumbrien. Diefe legten Gelübde ab, jene ftellten
ſechs Geiſeln. Northumbrien, welches dem Könige Heoric
(Erich) anbeimfiel, blieb auch jest in einem friedlichen Vers
hältnifje, wenn nicht in einem lockern Lehnöverbande zu Weſſex.
Doc) zeigte ſich bald, daß auf dieſe Eide nicht zu bauen war,
denn man fah auch jene Dänen bald mit den Schaaren Hae⸗
ſtens im Lande, befonderd in Hampton und Berffhire, umher⸗
ſchweifen und plünden. Xifred nahm darauf eine vortheil:
bafte Stellung in Kent, zwifchen den beiden großen Heeren ber
Normannen, von. welcher aus er jedes von beiden leicht an⸗
.
greifen Eonnte. Die einzelnen Schaaren der Feinde, welche
feit ihree Landung fich, zerftreut und im Lande und Walde -
umbergeftreift hatten, wurden jest von Xlfreds Faͤhnlein und
einzelnen Ybtheilungen bewaffneter Bürger verfolgt. Die Feinde
zogen es daher vor, mit der aufgehäuften Beute über bie.
Themſe nach Effer zu eilen; doch Eadward, Üfreds tapfrer Sohn,
war mit. feinen Mannen -ihnen ſchon bei Farnham in Surrey
zuvorgelommen, wo die. Dänen, gefchlagen, ihre Beute und bie,
vom Zefllande mitgebrachten Pferde zurudlieffen und, mit ihs
veranlafft zu fein, welcher hier die Einnahme von Eoreur und die Flucht
des Bifchofs Sebar einfchaltet, : die dem Dudo 1. II. p: 77. nachge⸗
ſchrieben find. Iſt meine oben gegebne Erläuterung richtig, fo möchte
jene Begebenheit in das Jahr 885 fallen.
1) Aethelweard. 0 |
' oo.
A — Dritte Abtheftlang. ——————
rem verwundeten Anführer über die Theule mit großem Ver
luſte fliehend, auf der Infel Thorney am :Coluefluß. in Eſſex ſich
fammelten. Alfreds Plan fie dort ſchnell zu umgingela-umd: zu ver-
nichten, Tonnte nicht auögeführt werden, da es theils an Schiffen
fehlte, theils die Hälfte ſenies Heeres, nach der beſtehenden Cinrich⸗
tung, zur Ruͤckkehr in die Heimat beſtimmt war und es an Proviau
mangelte. Prinz Eadward ſcheint mit Hiufe ſeines Dheims Athel⸗
red, welcher von London her zu feiner Unterfiägung Fam, bie bet
verfammelten Dänen zulegt zur Übergabe gezwungen zus haben;
fie ſtellten Geifel und verlieffen die dortige Gegend ’). Alfted
war unterdefien in feine Erbſtaaten gerufen, welche von zwei
Flotten treulofer Ofltanglier und Rorthumbrier angegriffen was
ren. Die eine war füdlich gefegelt und hatte bereits die Stabt
Ereter belagert, die andre, durch das Norbmeer fchiffend, bes
logerte eine Burg in Devonfhire. Diefe Zlotten kehrten uns
verrichteter Sache zuruͤck, boch erſt im folgenden Jahre, ımb
griffen auf dem Ruͤckwege die Stadt Chicheſter in Suffer an,
wurden jedoch von den Bürgern, mit Verluſt einiger Hundert
Mann, zu ihren Schiffen zurüdgetrieben. Das lebhaftere Kriegs:
ſchauſpiel blieb im Often, wo Alfreds Heer die Burg belagerte,
welche Haeften fchon in frühern Sahren zu Banafleet befeflen?)
und Fürzlich wiederhergeſtellt hatte, um fein Hauptlager umb
bie Truppen von Applevorn und Milton dahin zu ziehen. Er
felbft war auf einem Raubzug tiefer in das Land hineingegan⸗
gen, als Bamfleet von den Weftfachfen und Londonern genoms
men, viele Schäge, zahlreiche Schiffe, Weiber und Kinder,
ſelbſt Haeſtens, erbeutet wurben.. Der edelmüthige König fandte
dem Rormannen die Frau und feine Kinder zuruͤck, welche ges
fangen warten, während jener AÄlfreds Länder verheerte. Die
Daͤnen fommelten fi von allen Seiten in Effer, wo fie zu
Shobury (Shobery) ein Teiles Lager errichteten und wo aud
aus Dftanglien und Northumbrien viele. Kriegsgeſellen ſich zu
ihnen ſammelten, worauf dieſe alle vereint Die Themſe auf⸗
waͤrts und bis an den Savernfluß zogen. Hier aber ver
einten ſich mit Äthelred die Ealdormanen Xthelm und Äthel⸗
1) ©. Äthelweard, wenn wir anders dem tmverftändtichften
Schriftſteller i in dem fehlerhafteſten Abdrucke einen Sinn unterlegen bürfen.
27 Äthelwearb b. 3. 885.. | |
oo ea a EA ER a Br en
Fo - u — „St 7 .. —
Bon Anfang de4:9.:5i6: Anfang. des 11. Jahrh. 6
noth und alle Thane und. Koͤnige, weiche, damals vom Berti
dienſte befreiet, Land und Haus. beftellen wollten; fie sanzine
gelten die Feinde zu Buttingkon ein Gavern; wo fie. fi) durch
befefligte: Werke ſchuͤtzten. Ätfred: wer noch mit. Dex Flotte
in. Devonfhire Hefchäftigt.. Auf :beiven Seiten war man gegen
vie Heiden gluͤcklich, wolche zuletzt von Hunger gedrückt, nach⸗
dem ſie ihre Nferde: verzehrt hatten, nach mehreren erfolgten
Ausfällen und großen; Niebertägen.. nblich heimlich entflohen.
In Eifer: fand: Harſten wiederum vᷣrdeutende Verſtaͤrkungen aus
den anglodaͤnifchen. Laͤndern ſandte Frauen und Schaͤtze auf
Schiffen nach Oſtanglien und zog in Eilmaͤrſchen nordweſtlich
vor Cheſter. Der Überfall gelang nicht ſo ſehr, daß die Ein⸗
wohner ſich nicht innerhalb der Waͤlle zuruͤckziehen konnten; doch
trieben jene. viel Vieh zuſammen, toͤdteten die Menſchen und
verzehrten das Getreide oder zündeten an 'jebem Abend eim
Luſtfeuer damit an. Als ihnen hier die Lebensmittel zu fehlen
begannen, zogen fle im folgenden Jahre in. die flidwaltfifchen 895.
Sander Gwent, Brecknal und die angrenzenden Diftricte ”) und
von bort.nach Efier und ber Inſel Merſey. Vor Einbruch
des Winters aber liefen fie in.die Themſe und in ven Leafluß 896.
ein und errichteten ‚ein Lager, vier beutfche Meilen diesfeit
London. Von hier aus flreiften ‚fie. im Lande umher, bis nach
Stamford am Welland (Nortbampton)?). Einen Angriff der
Buͤrger von London trieben fie zuruͤck und erſchlugen vier von
des Königs Thanen; doch der König ruckte zur Erntezeit her⸗
bei, um die Einbringung bed Getreide. zu beſchuͤtzen. Wie
bier Alfred eines Tages laͤngs dem Lea hinaufritt, erſpaͤhte er
eine Stelle, wo er durch Anlegung zmeier Werke von beiden
Seiten des Uferd die Rückkehr der feindlichen Schiffe verhin⸗
derte. Die Dänen fahen fi) dadurch veranlafit ihre Stellung
aufzugeben und. nach Quatbridge am Savern Gridgenorth,
1) Ansalı Cambriae he, Nordmanni venerant et: vastaverunt
Loyor (England) et Bricheniam et Guent et Guinliguiam (Marſch⸗
diſtrict zwifchen den Fluͤſſen Savern, Dee und Tow). Morganwy und,
Buallt werden noch hinzugefegt in Brut y Tywysogion. |
2) Ätpelweard. Turner bezieht diefe Stelle auf ben vorjägek
gen Zug Haeſtens. ‚Die fehr dunkle Stelle laͤſſt wandern Deutung zu,
doch keinen Zweifel über ben Zritpuact.
36 .: Detese Abepeilumg. ":°:.
Schropfhire) zu ziehn, wo fie fi andy ben: Winter hindurch
zu halten ;wuflten. - Ihre. Feſte am Lea wurde von. ben. Lois
donern ‚niebergerifien,. .und ihre Schiffe und was ih Werth⸗
volles vorfand nad) dem Hafen Londons geführt. : I -Diefem
Yahıe hatte auch ein Anführer bie daͤniſchen Geeräuber, ver
muthlidy der Bruder Guthreds von Northumberland, Siegfred,
bie Kite Englands‘ wiederholt geplimdert. Dody hatte Al⸗
freds Geſchicklichkeit und Muth Lie Dänen befiegt; im folgen
den: Sommer kehtten mande zu ihren Wohnſitzen zuruͤck und
die Befiglofen fchifften unter: Haeften fih ein. und fuhren zur
Geinemündung '), während Heinere Schaaren die fübliche Kuͤſte
Englands viel durch Angriffe. und Plünderungen .beldfligten,
doch von Alfreds neuerbauten Schiffen ımd den tapfern Weit
fachfen und friefifhen Seeleuten mit großem Derlufte zurüd:
getrieben wurden.
Die frühere Verbindung der Walifer mit: den Dänen hatte
noch nicht ganz aufgehört, wenngleich einzelne Gegenden jene
von biefen wiederholt angegriffen und außsgeplimdert. wurden.
Erſt durch. Alfred ward ein friedliches Verhaͤltniß der Weſt
ſachſen und Briten begründet. Hemeid, König von: Demetia,
fowie Helifed, König von Brehon, ‚welche die Tyrannei be
Söhne Noderichd des. Großen (Rotri Mawr) nicht. langer er:
tragen Eonnten, zogen mit ihrem Volke e& vor, fich dem König
Alfred zu ‚unterwerfen. Howel, König von Gleguiſing, ſowie
die Könige von Gwent, Brocmail und Fernail, übertrugen
ihre Reiche ihm gleichfalld zum Lehn?), um fich gegen den
Druck des Eäldormand Äthered und der Mercer zu fichern.
Zulegt entfchloß fich auch Anaraut, Roderichs Sohn, bie nuß
1) Saxon chronicle. Asser. annal. ad a. 895. Deppings
Verdacht (a.a. ©. II. 75) „Hasting revint avec ıme flotte de P’Angle-
terre; peut-e&tre Alfred, pour susciter quelques troubles parmi les
Francs (!), avoit il fait monter cette flott& par des Anglo-Saxons“ (T),
dürfen wir "wohl unwiberlegt Taffen, Tolange wir nicht mehr. über A⸗
frebs Feindſchaft gegen bie Franken und Saeftens Bund mit den An⸗
gelſachſen erfahren.
. 9) IIlo enim tempore et, molto ante omnes regiones dexteralis
Britanniae partes (bie Länder ber Althriten) ad Aelfred regem perti-
mebant et adhuc pertinent — expetivere regem, ut dominium et de-
fensionem ab eo pro inimicis suis haberent ete. Asser. ad a. 885,
j
mn
Bon Anfang des 9. Bis: Anfang. des 11. Jahrh. 37
loſe und fchädliche Verbindung mit: den Daͤnen in Nortkumbrien
abzubrechen. Ex: kam zu Alfred, welcher: ihn ehrenvoll empfing
umd aus den Händen des Bifchofd als Sohn annahm, worauf
- jener ihm: fein ganzes Land zum Eigenthum: auftrug, um e8 uns .
ter .denfelben Berhältniffen, unter welchen der Ealdorman Abe
red Mercien..befaß, wieder zu erhalten. Diefe Berhälmiffe wur⸗
den in Afveds Tagen nicht aufs. neue gefkört, welcher: auch in
. den lebten Lebensjahren von den Dänen in und auſſerhalb
England nicht wieder beunruhigt wurdhe.
Die letzten Jahre Alfreds verfloſſen in Frieden, laſſen uns
aber ohne weitere Berichte über feine Thaͤtigkeit. Jedoch ein
ber Geſchichte merkwuͤrdiges Document von ihm iſt auf unſere
Tage gekommen, ſein Teſtament, welches uns ſchon gedient
bat um über die’ Verfügungen ſeines Vaters Athelwulf belehrt
zu werben. und und genauen Nachweis: über die Unbedeuten⸗
heit des Privatbefiged der damaligen Könige von England er⸗
theil. Nach dem mit feinem letztverſtorbnen Bruder Äthereb
zu Swinburn eingegangnen Erbvertrage folten beide Kinder
die Stammgüter ihres Haufe erhalten, in Folge welches Vers
trages nach Äthereds Ableben AÄlfred von dem zu Langdon vers
fammelten Witena-Gemote gerichtlich als Erbe. anerfannt wors
ben war und demnach fpäter, in der im neuen Münfter zu
Wincheſter gemachten Erklärung, weiter verfügte. Er vertheilte
feine Ländereien ‚zwifchen feine Söhne Eadward und Athels
weard, fowie Äthereds Söhne Athelm und Athelwold. Seine
Drei öchter Athelfleda von Mercien, Äthelgiva, die Xbtiffin des
neuen Kloſters zu Shaftsbury, und Älfthryde, dem Grafen
von Flandern, Balduin, Sohne der zweiten Gemahlin Athel⸗
wulfs aus ihrer fpätern Ehe, vermählt '), erhielten, ſowie Als
freds Gattin Alfwitha und ein Anverwandter Döferth, mehrere
Dörfer zu lebenslänglicher Nubnieffung,. um hernach an bie
Speerfeite feines Stamms zuruchufallen. Freunde, Seiftige,
1). wrifthryde beſaß das Dorf kewesham (Kent) mit feinen ſpater
beruͤhmt gewordnen Zubehoͤrigen, Greenwich und Woolwich, welche ſie
im J. 916 dem Kloſter St. Petri zu Blandin bei Gent ſchenkte. Die
Urkunden und verſchiednen Beſtaͤtigungen dieſer Schenkungen ſind noch
handſchriftlich vorhanden und vom Herrn Profeſſor Warnkoͤnig wie
der aufgefunden. Vgl. auch Danesday. Kent fol. 12b. |
8 .:..: . Dritte Abtheilung. m:
901.
bie. krirgeriſche Dienſimannſchaft feines Haufe, Arme waren
nach. dem Zuſchnitte ſeines Vermoͤgens reichlich bedacht, den
von ihm Preigelaffenen dev Fortbeſtand ihrer Freiheit gefichert
Alfted ſtarb um:28.: October: des J. 901), nachdem er
neummdzwanzig Jahre und ſechs Monate regiert, nut dreiund⸗
funfzig Sahre gelebt hatte. Keinen beſſer verdienten Ruhm
hat irgend ein Herrſcher hinterlaſſen. Welche Etfcheinung
wenn wir ihn mit der Mehrzahl der froͤmmelnden, feigen und
ungeſetzlichen Koͤnige vergleichen, unter denen die Unabhaͤngig⸗
beit, Wohlfahrt und Bildung der Angelſachſen zerſtoͤrt worden
„waren! Doch ſelbſt wenn wir. ihn mit allen bedeutenden
Fuͤrſten zufammtenftellen, welche durch dAuffere Schickſale und
den Umfang des Geleiſteten ihm vergleichbar find, dem kraͤfti⸗
gen und welfen Ecgbert, dem Beherrſcher der: halben, dem
Wunder der ganzen Welt und Macwelt, dem Franken Karl,
dem großen Baar Peter ober Friedrich dem Einzigen: fo moͤch⸗
ten wir Peinem diefer bemunderungswürbigen Männer den Vor
zang vor dem großen Sachſenkoͤnige zuerkennen, deſſen Leben
an alle großen Regenten zugleich erinnert, ohne durch verkehr⸗
ten Ehrgeiz und Eroberungsfucht befledt zu fein. Ohne bie
Macht der genannten Könige zu befigen, wirkte er für Europa
nicht weniger durch Kampf und Sieg gegen die Feinde dei
ganzen Europas und die geflicchtetften Anführer derſelben, ſowie
wenn das Schwert zu wirken aufgehört: hatte, burch den ge
raͤuſchloſen, aber ſichern Sieg "der Bekehrung zum Chriften
thume. Doc, winde ed ein Wahn fein, den König vom Men
ſchen trennen zu wollen und den größten Ruhm Alfreds oder
andrer großen Herrſcher in ambrer als der hervotragendſten
Perſoͤnlichkeit zu ſuchen, unter Berüdfichtigung der Umſtaͤnde,
inter welchen diefe gebildet war und durch welche ſie ſo ſehr
hat hervortreten koͤnnen. Ohne daher in einigen die fruͤhen
D Florent. Wigorn. Chron. saxon. ad a. 0, Der anſchei⸗
nende Widerſpruch des Simeon b. J. 899 und chron. saxon. verdie⸗
nen keine Beruͤckfichtigung. Jener gibt felbft die Indiction IV. an,
weiche bekanntlich: in das Jahr 901 fällt; auch ſtimmt deſſen Angabe
Über den Antritt und bie Dauer ber Regierung mit der Angabe ber
weſtſaͤchſtſchen Shroniften überein. Depositio Alfredi R, wird auch im
angelfächfifchen Kalender am 28. October begangen.
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 349
Jahre Ülfeeds treffenden Auſſerungen des heil. Neot und Aſ⸗
ford mehr zu erkennen als: bie Ermahnungen des Tiebevoll
ſtrengen Beichtvaters, dinfen wir glauben, daß die Lehren der
Vorwelt und dltrer Freunde, daß die fchmerzhafte, aber eine
Natur wie: die feinige zum Nachfinnen fördernde Kraͤnklichkeit,
daß die Tage des Ungluͤcks ſeinem Charakter eine nie ober felten
otreichte Bereinigung ded Helden und des Weifen gegeben haben 1),
So haben bald taufend Jahre geustheilt, und wenn Beobachtung
und Kunde menfchlicher Empfindung die Gabe bev Prophezeiung
verleihen, werben alfo noch viele Weltälter urtheilen. Nie Eonnte
der Held von Äthelingseye vergeſſen werben, ber echte Koͤnigsſproß,
dee verlaffene Fluͤchtling, in mweldem' das Wohl des ganzen
chriſtlichen Britanniend verborgen war; der gluͤcklicher als jener
Sebaſtian von Portugal, als der verkoͤrperte Arthur von Avallona
der Altern Dichtkunft, wiederkehrte und die reiche Ernte dem
Furzen Winter folgen ſah. Selbft die’ normannifchen Unter:
drüder haben Alfred. nicht feinblich betrachtet und den Ruhm
eines ſolchen Königs als ihred Vorfahren ſich gern angeeignet.
Doc wie. mafite eine felche Erinnerung, ein fo ſchoͤner Troſt
. fpäter bei ‚dem angelſachſiſchen Stamme fortwirken Kein Slanz
H Den Namen des Weileſten. geben ihm auch manche enghiſche
Annalen mittler Zeit. Auch die Bezeichnung veridieus, die Turner mwuns
berlich the ‚truthteller überfegend zum Lobe ber Wahrheitsliche und
Aufrichtigkeit des großen Koͤnigs benutzt, bedeutet entweder daſſelbe oder
iſt gar nicht als beſonderer Beiname gemeint. Turner II, 140 über:
fleht, daß Schon Affer den Älſted veridicus nennt und zwar 6. 3. 855,
wo er. ihn nur als Berichterftatter über bie angelfächfifche. Ihronfolge
anführt: a domino meo Aelfredo Anglo-Sazonum rege veridico etiam,
saepe mihi referente audivi, quod et ille etiam a veridicis multis re-.
ferentibus. Die Stelle daſelbſt b. 3. 900 ift nicht von Affer, ber
fein Werk im 3. 893 ſchrieb, und: dürfte cher als Beweis für. jenen
Beinamen angeführt werben. In jedem Falle darf nicht überfehn. wer⸗
den, daß in veridicus nur ein Anglofaronifmus oder Germaniſmus ſteckt,
da sothbora (vates, astrologus, rhetoricus) und „Wahrfager‘‘, sooth-
sayer, zunächft den bezeichnen, welcher des Wahren wiſſend iſt. In die⸗
ſem Sinne wird auch Beada veridicus genannt. Simeon Dunelm.
Durch eine. andere Deutung lieffe fich jener Beiname mit Xlfreds gefege.
geberifchem Ruhm in Verbindung bringen, da veridicus, wie der daͤnie
ſche sandmand, für Urtheiler, Richter gebraucht wird, womit das ver—
dict der Jury zufammenpängt. | —
350 Dritte Abtheilung.
ift ſo groß als der aus der Krippe und dem Bettlermantel
herausſtrahlt, und Fein Andenken fo wohl bewahrt ald bei den
Unterdrüdten. Die gegenwärtige ‚Zeit aber wird am liebften
ven Weifen ehren, den Gefeßerhalter und Bildner feines Bol
kes; fie ehrt ihn um fo mehr, da die Erinnerung an ihn mit
feinem jemer fpdtern Auswichfe und Misbraͤuche der. Verfaſ⸗
fung und Bildung verknüpft ift, welche die Streitart nur
noch im Richtbeil, dad Recht in den Gebühren, die Kirche in
den Zehnten erkennen. Wenn aber Männer wie Alfred jedem
Bolke und jeder Zeit in dem Kreißlaufe des menfchlichen Bei
fie angehören, fo darf dennoch, den britiſchen Rachkommen
zunaͤchſt, der Deutfche, deſſen Sprache und Bildung noch viele
goldene Früchte, Die Alfred fäete, durch fernere Forfchungen
gewinnen werben, mit frohem Stolze jagen: der Mann gehört
und an’). — ⸗
Eadward der. Ältere.
Nach Alfreds Tode vereinigten fich: die Stimmen ber Bit
tigften für deſſen dlteflen Sohn Eadward, welcher durch einen
‘ berrlihen Sieg über Haeſtens Heer am Tage zu: Farnham
einft fich bewährt hatte. Es gab einige welche durch dieſe
Übertragung bed ganzen Reichs an den Sohn des juͤngem
Bruders die Rechte der Söhne des Altern Bruders Athelreb‘)
beeinträchtigt glaubten; ob fie für Clito ÄAthelwold, den ditern
Enkel Äthelwulfs, das Reich oder nur. einen, Theil deffelben
anfprachen, erfcheint zweifelhaft. Athelwold felbft fcheint an
fängli nur die Erweiterung feined durch Alfreds Verfügungen
angeblich gefchmälerten Privatbefiged beabfichtigt zu haben, da
. er ohne Verlaub ded Königs und feiner Witena einiger koͤnig⸗
1) Buch Ruth II, 205: des wackern Grafen Friedrich Leopold,
‚von: Stolberg Motto zu feiner gemüthvollen beutfchen Darftellung
aus Turners Arbeiten über Älfred. en Ä
2) Diefer ältere Bruder (worin die:beffern Quellen übereinftimmen
gegen Heinrich von Duntingbon, welder ven Prätendenten ben
jüngern Sohn Alfreds nennt) wird 'von- den-&hroniffen nicht genannt;
doch ergibt Xlfreds Zeftament bie, Verwandtſchaft unwiderleglich. Ic:
kann daher Turners Stiliſchweigen fo wenig als Palgraves um
motivirte Entfceidung für. AÄthelbald billigen; ſchon Lingard hat hier
das Richtige gefunden. ' Ä |
\
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 351
lichen Weiler oder Städtchen, Winburn und Twineham fich
bemächtigte.. Der König rüdte mit feinen Kriegern bis Bad⸗
bury gegen’ ihn vor, und Athelwold, die Thore der Stadt ver⸗
rammelnd, ſchwur: dort ein Herr zu leben oder eine Leiche
zu liegen. Doch bald War er bier durch nächtliche Flucht vers
fhwunden, und König Eadward “fand dort nur die Nonne,
welche jener ohne feine, bes Familienhauptes, Genehmigung
und wider dad Gebot der Biſchoͤfe geehlicht hatte. Die ges
luͤbdbruͤchige Nonne wurde dem Klofter wiedergegeben. Der
Neffe AÄlfreds aber war nach Northumbrien geflohen, wo bie
Dänen ed angemeffen fanden, ihn, ber Schug und Genofjens
ſchaft fuchend gekommen war, ald den rechtmäßigen Herrn und
Oberkönig') anzuerkennen. Nach. den Ruͤſtungen einiger Jahre,
fuhr der Dänenfürft Äthelwold, an der Spige einer großen 904.
. Slotte der Dänen, von Nortbumbrien und Oftanglien nach
Efier, von wo er mit erprefiten Schiffen nach. Oftanglien zus
. ruͤckkehrte 2). Um dieſe Zeit oder fruͤher waren daͤniſche See⸗
raͤuber in Kent gelandet, welche unter Äthelwolds Befehl ge⸗
ftanden haben koͤnnen, wenn wir gleich Feine Nachricht darüber. \
beſitzen; doch waren bie Kenter foweit fiegreich, daß die Daͤ⸗ |
nen nicht bei. ihnen fich nieberlieffen?). Im folgenden Jahre 905.
bewog Athelwold die Oſtangeln und deren König Erich ’
1) Constituerunt eum regem et principem super reges et duces
suos. Henr. Huntend. Rex et princeps regum eorum factus est..
Chron. Mailros. | .
2) Chron. saxon. Florent. ad a.904. Malmesb. L II. c.5.
Daß Äthelwold Hülfstruppen aus Frankreich ‚geholt, Tcheint mir durchs
aus ein Irrthum der neuern. Gefchichtfchreiber, mie ſolches aus. dem Zus
fammenmwerfen einzelner Brocken verſchiedner Schriftfteller. zu entſtehn
pflegt. Wilhelms von Malmesbury piratae koͤnnen nur die Daͤ⸗
nen in England fein, und die transmarinae partes bei Florenz ergeben
fi durch Vergleichung mit Chron. saxon. u. a. als Sir, wohin und
woher er mit der dänifchen Flotte gefchifft war. -
8) Die fiegreihe Schlacht bei Holme Tegen Florenz, Simeon,
chron. Mailros. und Athelweard in das Jahr 904, chron. saxon. in
902, Heinrich von Huntingdon in die Jahre 912 oder 913, als
unentſchiednen Erfolges: Äthelmweard vermechfelt fie mit ber etwaß:
fpäter erfolgten Schlacht. Turner 'überfah die. meiften: dieſer Stellen,
welche auch Lingard ganz und gar nicht ber en
4) Florent. ad a. 90%.
352 ‚Dritte Abtheilung.
zu einem Kriegszug gegen Mercien, in welchem noch des Koͤ⸗
nigs Schweſtermann, der Patricius Athelred, herrſchte. Sie
drangen bis Cricklade in Berkſhire vor, gingen uͤber die
Themſe und verwuͤſteten die Gegenden, wo aber Furcht ſo
wenig als Liebe dem Äthelmold Anhänger award. Eadward
folgte ihm mit feinem Heere und zerförte den Diſtrict, welcher
zwifhen St. Edmunds Mark und der Dufe liegt. Aus biefer
zwifchen. dem dänifchen Reichen gelegenen Gegend wurde, nad:
dem der Zweck ber Verheerung erfüllt war, ein Ruͤckzug erfos
derlich, doch ‚gelang es dem ‚Könige durch fiebenmal wieder
holte Botfchaft nicht die Tampfentbrannten Kenter zum Rüds
marſche zu bewegen. Die Feinde. benusten bald die dadurch
eutflandene Trennung des Heeres: und fielen über die Kenter
ber, von denen fie vide treffliche Ealbormanen, einen Abt’)
und andere Steeiter erfchlugenz; aber diefe Braven verkauften
ihr Leben nur um den Preid des vollſtaͤndigſten Sieges, die
Könige Äthelwold und Eorich, die Anführer (Holdas) Beorth
figt, Brithnoths Sohn, Oſkytel, Yop, unyäblige Krieger blies
ben mit ihnen auf der Wahlſtatt.
Eadward hatte durch diefen Sieg nicht nur ben gefaͤhr⸗
FR lichſten ſeiner Feinde vernichtet, ſondern fand auch die Daͤnen
bereit den. Frieden zu Yingaford abzuſchlieſſen?), deſſen Folge
das noch vorhandene Buͤndniß Eadwards mit Eorichs Nach⸗
folger Guthrun wurde, eine Erneuerung der von Alfred und
dem aͤltern Guthrun = Äthelften einſt vereinbarten Sagungen.
Eadward erfcheint während feiner ganzen Regierung ald ein
| angelfächfifcher König in. feiner urfprünglichen kraͤftigen Ge
flatt, das Erworbene befefligend und, foweit die Verhaͤltniſſe
irgend geflatteten, ausbehnend und fo England, wie einſt Ecg
1) Eadwoldus, regis minister, "Kenulfus, abbas, Flo rent,
Chron, sgxon. Der große Verwirrer ber englifchen Gefchichte, Mat:
thbäus von Weftminfter, ſchreibt: Radwoldus et Kewulfus abbates,
und -biefem folgend Lingard: two abbots,
2) Simeon Dunelm. p. 133 ad a. 906. Bex R Beopasitate
ecompulsus pacem: firmsyit cum orientalibus. Anglis et Nertbanhym-.
brensibus. Dagegen Dexfelbe p. 162 ad a. 906: Paganprum exereitus
de, Kastanglis: et Northymbria, invietum esse Kadwardum zoientes,
pacem cum eo faeiunt eto. Florent. ad a. 9067 Chron. saxon.
ad a. 907, 0
Bon Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 353
bert, nit der Krone Weſſer under: Einer: Landedhobeit ver⸗
einigend. .-:--
Die guten auf der Inſel Wight, durch ihre vage ges
ſchuͤtzt, hatten bisher: noch anter eigenen Königen fich unab⸗
haͤngig von Weller erhalten. : Unter AÄlfreds Regierung war
mit Eilbert, Aiſtolphs Sohne, der dortige Koͤnigsſtamm aus⸗
geftorben, und die Inſeljuten unterwarfen fich regt: dent: Könige
Eadwark. : Denfelben Entſchluß faſſten die Juͤten in Kent, : welche
im: einer. mit jenen Inſulanern gemeinſamen Volksthuͤmlichkeit
ungeſtoͤrt ſeit König Baldreds Tode als ‚freier Staat beſtan⸗
den!). Nach dieſem tritt der altjuͤtiſche Stamm in England
richt wieber in deffen Geſchichte herbor, es ſei denn daß man.
einige kleine Dialekts⸗ und Sitten⸗Eigenthuͤmlichkeiten, welche
Inſelbewohnern ſelten fehlen, oder: etwa bie unter König Hein⸗
rich VI. geſchehene Krönung des Henry de Beauchamp, Grafen
don Warwick, als Koͤnigs von Wight, alſo anſehen wollte.
Nicht. viele Jahre währte cd; ſo hatten die unrubigen
Dänen in Rorthumbrien ven: beſchwornen Frieden. verlegt, und m
Eadwarden war e3 vielleicht nicht: unwillkommen, an:der Spike " -"
ber Weftfachfen und Mercier im jenes Land "einzurliden. Er 910.
durchzog da& Land. fünf Machen: hindurch und verließ 23 mit
Beute und ‚Gefangenen beladen, nachdem Cuthreds Söhne, die
Könige und: die übrigen Anführer der. Dönen das Buͤndniß er⸗
neuert hatten?).
Im folgenden Jahre verweilte Ewa: in Kent um 914.
eine e Flotte von himdert, Schiffen zu erwarten, welche von den
ſudoͤſtlichen Küften her ſich dort‘ verfammelte. Da England in
diefen Augenbliden ruhig fchien, fo Tann die Beflimmung biefer
großen Flotte wohl nur gegen dad Ausland gerichtet gemefen-
fein, und. felbft ohne Ruͤckblick auf die.um biefe Zeit oder
einige Jahre: fpäter gefchloffene -Ehe der Zochter Eadwards,
Eadgive, mit dem Könige von Frankreich, Karl dem Ginfälz
tigen, oder auf die gleichzeitig gefchehene Aufnahme des von
ben. Normannen vertriebenen Regenten Armoricas, bes Grafen
Mathuedri. und ſeines jungen Sohnes Alain, melden Eadward
1) Joh. Wallingford apud Gale I, 538,
2) Florent. Chron. saxon. ad a. 910,
Eappenberg’s Geſchichte Englands I. 23
\
354... Dritte Abtheilung.
noch faufen ımb mit feinem eigenen aͤlteſten Sohne erziehen
ließ‘), dürfen wir wohl muthmaßen, baß der König von Eng:
land beabfichtigte dem von Frankreich gegen Rollo, der in die
fem Jahre dem Lebtern durch den Vertrag zu St. Clair an
der Epte die Normandie abzwang, in. der drohenden Gefahr
911
5. Aug.
zu Huͤtfe zu eilen. Die Northumbrier indeſſen, entweder in
Übereinſtimmung mit ihren Stammverwandten in Frankreich
‚ober nur‘ ihrer ſelbſt "willen, den vortheilhaften Augenblid ers
greifend, in welchem der ‚größte Theil des englifhen Heer
fich auf der Flotte befand, drangen, das Buͤndniß wiederum
brechend, in Mercien ein. und bi Stratford am. Avon vor.
Auf dem Avon: fchifften fie in den Seven und pluͤnderten
an den Kuͤſten. Darauf 309 das Raubheer mit feiner Beute
beladen längs dem weltlichen. Ufer. :Ded Severn, welchen Fluß
fie bei Quatbridge (Quatford oder Bridgenorth in. Sbropſ hire)
uͤberſchritten um ſich heimwaͤrts zu wenden ?).. Doch das
merciſche Heer, von Eadwards Sehweſter, Der. ‚topfern Athel⸗
flede, geführt; traf mit den Daͤnen bei: Zeotanheale, ( Tetten⸗
ball in Staffordſhire) zuſammen und trieb ſie ſiegreich zus
ruͤck. Bald auch eilte Eadward mit dem ausgeſchifften Heere
zum Schutze Merciens herbei. und die ſich zuruͤckziehenden
Feinde bei Wodansfield erteichend, erfocht er den glaͤnzendſten
Sieg’). Es ſollen dort. bie Könige :Eowils - mb Healfden
1) Chron. namnet. bei Bouquet VII, %76 fügt: freilich, daß
das Kind Alain zum König Äthelftan gebracht kei, und es findet fich dort
am Rande nach der Zahl 912 gleich darauf 951; da ber Zert aber hin
zufügt, daß Alain und ÜÄthelitan zufammen erzogen und. jener im ge
teiften Alter nach Bretagne zuruͤckgekehrt ſei, ſo kann das Jahr 931
nicht richtig fein, und iſt entweder 913 zu leſen ober jene Zahl gehört
zu der erften Rückkehr des im 3. 937 anerkannten Bretägnerfürften in
fein Vaterland. Daru Geſchichte ber Bretagne. (Schubert I, 79)
fheint auch eine ſolche frühere Zeit anzunehmen, body umgeht er die er⸗
foderliche Beweisführung durch Weglaffung bed Namens Äthelftan und
der Sahreszahl in feinem Gitate aus der Chronik von Nantes.
2) Üthelweard. Simeon ©. 133 b. 3. 910, Florenz 9.
8) Athelweard. Florenz, Simeon ©. 151 b. 2. 910.
Wobangfield ift Feine zwei englifche Meilen von Zettenhall weſtlich ges
legen, und es würbe nicht unrichtig erfcheinen hier nur ein und daſ⸗
felhe Treffen unter zwei Namen, zu: ſuchen, wenn nicht Florenz ſie
Don Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 355
Inguars Brüber 1), deren die englifchen Kriegsannalen einige -
dreiffig Jahre früher gedacht haben, die Jarle Ohter und
Scurf, neun Holden und- viele Taufende von Kriegern gefal-
len fein. Jene Koͤnigsnamen erfcheinen an diefer Stelle etwas
verbächtig, und der Zweifel über das Schlachtfeld fcheint um
fo mehr zu der Vermuthung zu berechtigen, daß dieſe Chro=
niften das gefeierte Andenken einer frühen Schlacht mit der .
gegenmoärtigen verfchmolzen haben.
Der Erfolg des Siegs war jedoch unzweifelhaft; England
war von dem Angriffe der Dänen errettet, dieſe waren be
firaft. Doch mittlerweile war der Vertrag zu St. Clair an
der Epte abgefchloffen und die Dänen erhielten in Frankreich
eine Provinz, welche für England gefährlicher warb als für
jenes Land, ja mehr noch ald die Abtretungen, welche den
Dänen fchon in England felbft geworden waren.
Bald nach der im Reiche hergeftellten Ruhe wurde Ead⸗
wards Macht durch eine friedliche Eroberung bereichert, durch
den Heimfall von London und Drford mit den angrenzenden
Ländereien, mit welchen Alfred feinen Schwager Äthelred, den
Heren des englifchen Mercia, belehnt hatte. Äthelved war nach -
längerer Kraͤnklichkeit, welche feine früher erwiefene Thatkraft
gehemmt hatte”), geſtorben und Mercien auf feine Wittwe
Üthelfleda übergegangen, welche das Land ſchon lange regiert
und felbft dad Heer befehligt hatte. Die Tochter Alfreds bes
"währte fi) als die wuͤrdige Herrin Merciad und fland auch
als Wittwe dem Regimente ihres Landes fo preiöwürdig vor,
daß ohne die Iungfrau= Königin fie in der Gefchichte Englands
unuͤbertroffen, felbft unvergleichbar geblieben wäre. Den feflen,
der Herrſchaft würdigen Sinn hatte Athelfleda auch dadurch
erwieſen, daß ſie nach der Geburt einer Tochter, um in Zukunft
I
auedruͤcklich von einander trennte. Tthelw eard nennt nur den erſten
Ort; die uͤbrigen Chroniken in allen bekannten Handſchriften, ſo ab⸗
weichend dieſe in der Chronologie ſind, nur den zweiten.
3) Nach Äthelweard ſtarb hier auch Inguar ſelbſt.
2) Eximiae vir probitatis (prowess, Tapferkeit), dux et patri-
cius, dominus et subregulus Merciorum Aethelredus, post nonnulla
quae egerat bona, decessit. Florent, ad a. 912.
23*
356 Dritte Abtheilung.
zu vermeiden was dem Berufe der Regentin hinderlich fein
Eönnte, in Eeufchefter Enthaltfamteit lebte ?).
Eadwards Hauptbeſtreben ging nunmehr dahin, mit
Üthelfleda feinem Lande eine Anzahl feſter Plaͤtze zu verſchaf—
fen, welche daffelbe gegen die Überfälle der Dänen zu ſichern
und deren Vorrüden zu hemmen vermöchten. Die befeftigten
Drte an der däanifchsenglifchen Grenze waren faft alle den
Dänen zugefallen, welche von dort aus das benachbarte Land
in fleter Aufregung der Furcht und Ruͤſtung erhielten. Chefter
wurde von Eadward wieder erbaut, fowie Witham (Effer),
Towcaſter und Hertford; feine Schwefter errichtete,‘ hier wie
dort nicht ohne Firchliche Feierlichkeiten, da die moͤnchiſchen
Chroniften den Zag der Gründung fletd genau anzugeben wil:
fen, gegen Walifer wie Dänen die Burgen zu Branusbury
(Herford) ), Stafford, Tamworth, Scergeate (Sarrat, Hert⸗
ford) Wardborough ’), auch die in ſpaͤtern Jahrhunderten viel⸗
‘fach verherrlichte zu Waͤringavic (Warwid) und zahlreiche an
dere 9. Auffallend genug mag es denen erſcheinen, welche noch
immer jedem Staate und jeder Provinz deſſelben im Mittel⸗
alter eine iſolirte Ausbildung zuſchreiben und nicht die Gleich⸗
| zeitigkeit der geiſtigen Anregung und Gruͤndung vieler Inſtitu⸗
tionen in den ſtammverwandten Laͤndern auch in jener Zeit be⸗
merkt haben, wenn wir einige Jahre ſpaͤter eine ganz aͤhnliche
planmaͤßige Anlage von Staͤdten oder Burgen in Deutſch⸗
land durch Kaiſer Heinrich J. finden, der, wie bald weiter
zu erwaͤhnen, mit Eadward in naher verwandtſchaftlicher
Verbindung ſtand. Eine neuentdeckte beſſere Bauart der Be⸗
feſtigungen mit Mauern von Feld: und Bad-Steinen °) mag dieſe
1) Ingulph. Malmesb.
2) Nichts offenbart fo fehr den Mangel an aritik in den bisherigen
Erlaͤuterungen der saxon chronicle, als daß die Anlage der Koͤnigin
von Mercia Mm Lincoln, dem Lande der Dänen, geſucht werden kann.
8) Ingram in feiner Überfegung: Warburtons richtiger im
Inder.
) S. saxon chron. Florent. ad a. 907 - 918. Jenes fagt ſtets:
tha burh getimbrede; Diefer: arcem munitam exstruxit; ober urbs
conditur etc. Fa Ä
5) Touecestra muro lapideo cingitur — Coleceaster — murum
Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 357
zahlreichen Anlagen zunaͤchſt veranlaſſt haben; doch haben beide
Monarchien gleichfalls aͤhnliche Geſetze gegeben, durch welche
aus jenen Burgen ſpaͤter bedeutende Städte entflanden: Ead⸗
ward, indem er alle Kaufhandlungen nur innerhalb der Burg:
thore vorzunehmen gebot ); ber deutſche Koͤnig dadurch, daß
er, wie die unbeſtimmten Worte der Annaliſten berichten, die
Abſchlieſſung der gedachten Handlungen und die Haltung an⸗
derer feierlichen oder geſelligen Zuſammenkuͤnfte in den Staͤdten
zu begehn gebot ?).
Der Beſitz von London fuͤhrte den Koͤnig Eadward zu
dem des ſuͤdlichen Theils von Eſſer, wo er Maldon beſetzte 915.
und die benachbarten Sachſen ſich der Herrſchaft der Daͤnen
entzogen um ſich ihm zu unterwerfen.
Waͤhrend die ſaͤchſiſche Herrſchaft im Oſten durch den Koͤ⸗
nig wieder befeſtigt wurde, fuͤhrte ſeine heldenmuͤthige Schwe⸗
ſter einen Krieg zur Sicherung derſelben im Weſten. Hugan
917.
(Swen, Eugenius), König von Gwent, hatte ſeines Lehns⸗
herrn Abweſenheit benutzt um in deſſen Staaten einzufallen.
Athelflede trieb Owen nach Briccenamere (Brecknock) zuruͤck
und machte ſeine Frau und mehrere ſeiner Begleiter zu Gefan⸗
genen. Der Brite kehrte jedoch nicht zur Lehnstreue zuruͤck,
ſondern floh zu den Daͤnen in Doraby, welche mit ihrem
Volke die Loofung zum Kriege ſtets willkommen hieſſen. Am
letzten Juli des folgenden Sommers gelang es der Herrin von
Mercien Doraby zu nehmen. Einer ihrer erſten Beamten, den
die Waliſer Gwyan, aus dem Geſchlechte des Herrn des Lan⸗
des Ely (Iſle of Ely, in dem damals daͤniſchen Cambridge⸗
ſhire) nennen, wuſſte die Thore der Stadt in Brand zu ſtecken;
dennoch wehrten ſich die Dänen mit moͤrderiſcher Wuth, vier
von Äthelfledes beſten Thanen wurden erſchlagen, und Owen
redintegravi.. Florent. ad a. 918. Mid stan wealle, Chron,
saxon. ad a. 921. 0 |
1) Leges Kduardi I, 2.
2) Concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit
celebrari,. — Wittekind Corvey. 1. I. ber das Verſtaͤndniß biefer
|
Worte f. G. E. Wilda de libertate romana urbium germänic. Ha-
lis (1831).
918. '
358 | Deitte Abtheilung.
ſelbſt, ber keine Gnade begehrte noch erwarten durfte, ſtuͤrzte
ſich in fen Schwert ’). +
Die Dänen der übrigen fünf Städte waren gleichfalls
aufgeftanden, und zunaͤchſt gegen die neuerrichteten Burgen ges
richtet zerftörten fie Towcaſter; wurben jedoch, als fie aud
Budinghamfhire Überfielen, gefchlagen. Ein Heer der Dänen,
welches aus Oftanglien und Huntingbon zur Eroberung Beb-
fordd ausgezogen war, wurde dort gänzlich beſiegt. Eimer
Schaar von Heiden aus dänifh Mercin, Chir und Of:
anglien, welche bis ‚Herefordfhire vorgebrungen war, leiftete
die neu errichtete Burg zu Wigmore feftlen Widerfland, und die
Beſatzung zwang jene zum Rüdzuge. Eabwarbs Heer brang
jest mit gefleigertem Muthe bis Zemöford (Bedforbfhire) vor,
wo der König der Dänen, — wir erfahren nicht, ob Guthrum
gemeint ift — fein Herzog Toglos?) nebft deſſen Sohne, dem
Jarl Mannan, und andern Heerführern eingefchloffen und bei
Einnahme der Burg erfchlagen wurden. Die Kenter und
Sachen in Efjer und Surrey, durch dieſes Beilpiel aufgeregt,
‚zogen fich zufammen, griffen die Dänen in Colchefter an und
nahmen biefe Burg ein. Die Oftangeln dagegen, in Vereins
gung mit Seeräubern ihres Stammes, umzingelten Die neue
Feſte zu Maldon, zogen ſich jeboch vor den zum Entfage hen
1) Caradoc, Florent. Simeon. Chron. Mailros. ad a. 917.
Chron, saxon. ad a. 916. Daß Omen ſich nicht ermordet habe und
derfelbe fei weldyer einundzwanzig Iahre Tpäter vorkommt, iſt eine
durchaus unerwiefene Behauptung Palgraves, fowie noch mehr bie,
baß jener Owen König von Cornwales gewefen ſei. Der Feldzug gegen
dieſes Land würde den Weftfachfen, nicht aber den entfernten Merciern
obgelegen haben. Für Gwent entfcheibet bie Lage von Brecknock, neben
dem Vorkommen ded Namens Omen unter ben bortigen Fürften (f. chron.
saxon. ad a. 926); fonft hätte legterer Grund auf Gumbrien hingewie⸗
fen, wie es auch bei dem Owen im 3. 938 gefchehen muß.
2) Slorenz b. 3. 918. Chron. saxon. ad a. 921. Ich ftche
. nit an in biefem Zoglos, normannifirt Douglas, ben älteften uns bes
Tannten Stammpater dieſes glorreichen Gefchlechts anzunehmen, wenn:
glei) die Senealogen biefes Haufes, David Hume von Godscroft
und die Familienarchive darüber ſchweigen. Er ift alfo daͤniſchen ober
germanifcyen, nicht, wie der Nachbarhaß wollte, celtifchen ober gallifchen
Urfprungs. Dieſer iſt auch der Comes Toli in der hist. eliens, 1. I. c. 85.
Bon Anfang des 9. big Anfang des 11. Jahrh. 359
beieilenden Englänbern zurüd und wurben, von biefen verfolgt,
bald niebergemeßelt und ausdeinandergetrieben. Der König
ließ jest die Mauern von Huntingdon, welches ihm gleichfalls |
anheimgefallen mar, ſowie von Zoweafter und Colchefter wies
dverherftellen. Die Dänen ber angrenzenden Landſchaften aber,
Jarl Thorketyl, die Landesherren (holdas) ') von Bedford und
Northampton, die zu Cambridge feßhafte Ritterfchaft (here),
nahmen Eadward zu ihrem Schushern und Vertreter (to
hlaforde and to mund-boran) an, ſowie Leicefter fich der
Athelfleda unterwarf. Die Dänen imd Oſtangeln befräftigten
ben, alten Frieden mit neuen Eiden; fie fchwuren: „zu wollen
was König Eadward wolle, zu befeinden was ex befeinde,
- auf der See wie auf dem Lande.” Bei diefen veränderten
Berhältnifien der Fremden konnten aud viele Sachfen in die⸗
fer Provinz, gleich den noch übrigen. Oftfachfen der breiffig-
jährigen Zwingherrſchaft der Fremden überdrüffig, froh dem
Könige ihrer Abkunft und ihres Rechts fich wieder unterwer⸗
fen. Diefe rafchen Erfolge find größtentheils der Achtung zu:
zufchreiben, welche Eadward fich und feinen Waffen zu ver-
fchaffen wufite, doch auc der Klugheit, mit welcher er bie
Auswanderung mächtiger Dänen nach dem neubegrünbeten nor:
mannifchen Staate in Frankreich beförderte, worin wir in feis
nem bem Jarl Zhorketyl, deſſen Entfernung er dem neuen
Lehnöbunde gern vorzog, erwielenen Entgegenfonmen ein Bei:
fpiel haben.
Waͤhrend dieſer vielen Kämpfe im Oſten ſeines Reiche 95.
hatte Eadward noch die Vertheidigung gegen einen Angriff zu
fuͤhren, welcher im Weſten durch die in der Bretagne anſaͤſſigen
Daͤnen, die Lidwiken von den Angelſachſen genannt ?), verſucht
1) Die holdas werden haͤufig in Northumbrien genannt und in la⸗
teiniſchen Urkunden überfegt: duces. Ihre Stellung ergibt ſich daraus,
Daß der-Holda die Hälfte des für den Ealdorman gezahlten Wergeldes -
werth war. Judicia civit. london. Anhang bei Wilkins ©. 71. —
Statt Thorketyl nennt Florenz: Thurferth.
2) Diefer Rame wird von Ingram zur Sachſenchronik S. 181
von lid, Schiff, und wicciam, wachen oder wohnen, abgeleitet. Ich möchte
diefen Namen, befien Auslegung übrigens aus Asser. vita Aelfredi ad
a. 885, verglichen mit ber Sachſenchronik, unbeftritten hervorgeht, lie⸗
912.
!
300 Dritte Abtheilung.
wurde. Diefe Dänen follen biefelben gewefen fein welche
England vor achtzehn Jahren verlieffen, fie waren nach dem
Bertrage zu St. Clair an der Epte von den unzufriebenen Bre
tond oder vielleicht von dem Herzoge Rollo vertrieben. Zuerfl
griffen fie, unter dem mit dem northumbrifchen Könige Rege⸗
wald verbindeten Jarl Dther und dem nachherigen Jarl von
Northbumberland, Oswulf Gracaba (Clackmannan) und: Dim:
blain jenfeit des Firth of Forth an und zerflörten letztere
Stadt. Später waren fie unter den Sarlen Other und
Hroald zur Mündung ded Severn geſchifft, hatten in Wales
geplündert, den Biſchof von Llandaff, Cameleac, ſoung oen
welchen Eadward hernach mit 40 Pfund Silber ausloͤſte, und
wuͤrden von dieſer Seite her bis ins Innere von Mercien ge⸗
drungen fein, wenn die Männer von Hereford und Gloceſter
ihnen nicht entgegengerücdt wären und ben Hroald und Geol⸗
cil, einen Bruder des Other, mit andern ihrer Anführer er
fhlagen hätten. Das Heer felbft wurde in einer Hölzung
umzingelt und muffte Geifeln geben ‘für die Zufiherung, Ead⸗
wards Reich zu verlaffen. Eadward, wohl kundig der Pir«
tengelübde, ftelte feine Wachpoften an der füdlihen Muͤndung
des Severn, an der des Avon in Devonfhire und an ber übris
gen Küfte dafelbft auf; dennoch landeten die Dänen wieder
holt, wurden aber niebergemegelt, und wenige nur der Gelan-
deten ſchwammen zu ihren Schiffen zurüd. Zange verweilten
ſie auf der Inſel Reoric (Flatholm, mitten im Briſtol Chan⸗
nel), doch ſtarben deren daſelbſt viele den Hungertod des fei⸗
gen Raͤubers, die uͤbrigen ſchifften nach Irland ').
ber aus dem alten Namen Armoricas, Laetica, terra Laetuvia (f. Daru
a a. O. I, 25) herleiten, wofür auch die Lesart Liothwicum hier
ſpricht, ſowie die bekannte Herleitung der „Leute“ aus ben Laetis der
römifchen Provinzen.
1) Simeon ad a.912, wo Cracaba(m) gewöhnlich 4 B. in Chal-
mers Caledonia. T. I. p. 385) für einen Beinamen des Oswulf und
Dunbline für Dublin genommen wird, welde Stadt ganz aufferhalb
bes Gefichtskreifes des Mönches von Durham liegt. Annal. Cambriae
ad a. 918. Florent. ad a. 915. Saxon. chron. ad a. 910, 918.
Henr. Huntend. ad a. 918, welche, in den Begebenheiten überein:
ſtimmend, in ber Zeitrechnung ſehr abweichen. Innere Gründe, ber
offenbare Irrthum des chron. saxon,, welches den Tod der Äthelflede b.
um Ss m FI Zr un en Zn Te ee,
m 7 #7
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 361
Eadward ſetzte im: folgenden Sabre die Unterwerfung ber
Dänen fort. Er nahm Stamford ein, errichtete eine: fefte
Burg füdli am Welundfluffe und .unterjochte. fodann. die
nördliche Umgegend. Der wichtigfte Sieg wurde der AÄthel⸗
flede durch ihr Anfehn und ihre Unterhandlungen, welchen die
Dänen zu York nachgaben, das Verfprechen des treuen Gehor⸗
ſams eidlich bekräftigend. Doc bald darauf ftarb diefe mer: 919
würdige Frau !), nur eine Tochter, Älfwine, binterlafjend, um 12. Iuni,
deren Hand NReginald, Guthreds von Northumbrien Sohn,
fi) bewarb 2). Sollte die junge Prinzeffin auch diefen Ans
trägen nicht abgeneigt gewefen fein, fo wird Eadwards Poli»
tie nicht getadelt werden, der die mercifchen Staaten mit fer
nem Reiche nunmehr verband und dadurch alle germanifche
Einwohner der britifchen Infel enger vereinigte. Sie entfagte
jedoch unwillig der Ausficht auf die Herrfchaft, und Eadward
muffte fie gewaltfam nach Wefler führen laffen. Die Sach⸗
fen indeß fowohl als die Dänen in Mercien unterwarfen: fich
Eadwarden immer mehr, und biefer fuhr fort durch neue Be⸗
feftigungen zu Nottingham, Bakewell im Peaklande (Derby:
Thire) ?), Manchefter an ber Grenze Northumbriend u. a. die
erweiterte‘ Serrfchaft zu fihern. 0
Üthelfledes Tod hatte auf einer andern Seite dahin ge
wirft, Hoffnungen zue Eroberung des von ihrem männlichen
Geiſte nicht länger vertheidigten Landes zu erweden. Sithrit,
‚welcher, nachdem er feinen dltern Bruder Analav (Nieh) im J.
914 ermordet hatte‘), mit Reginald Northumbrien beherrfchte,
J. 918 und wiederum 920 berichtet, und die ziemlich genaue Angabe
des Florenz uͤber auswaͤrtige Vorfaͤlle, fuͤr welche wir einen andern
Maßſtab haben, entſcheiden meiſtens fuͤr Letztern.
1) Florent. ad a. 919, Henr. Huntend, ad a. 919. Chron,
saxon, et annal, Cambriae ad a. 918,
2) Caradoc.p. 47.
8) Lingard, fucht, im Widerſpruch mit allen Handſchriften des
saxon. chron. ad a. 924, daſſelbe im Pictenlande und daher zu Bath⸗
gate in Lothian. ob biefes damals Pictenland hieß, ob Eabward irgend
eine Zeftung in einem ihm nicht eigenthuͤmlich gehörigen Lande anlegte,
find Fragen welche vor einer fo fehr willkürlichen Hypotheſe hätten ber.
rhdfichtigt werben müffen.
4) Simeon p. 133. Henr. Huntend, ad a. 921.
-
von Banborough genannt, Sohn Eanwulfd, eines Fr
R.. ‚7 Zu Dritte Abteheilung.
verſuchte einen Einfall bei Darenport in Chefhire, weihe j P,
doch zu feinen für ihn günfligen Zolgen führte. Bald bang
fchiffte Leofred, ein Däne, und Griffith ap Madoc, d
Schwager Owens, de’ Zürften von Befhwales, verbündet ı
einem Heere von Irland nach Wales, um fich des Luk
und der angrenzenden Marken zu bemächtigen. Cs gela
ihnen die Stabt Chefler und das benachbarte Lanb zu befegg
und Eabwardd eigene Gegenwart wurde erfodert um jene Si.
wieder zu gewinnen‘). Der König, bie Zeinde im Dei
von Walewood (Sherwood) erreichend, theilte fein Hech
zwei Treffen, deren eins er feinem Sohne AÄthelftan, dad 4
dere befien Brüdern Eadmud und Eadred anvertraute 3
ftan, durch Leofred perfönlich bedrängt, verwundete fe be q
fen mit dem Speere und zwang ihn fich zu ergeben; Mei:
jüngern Brüber erfehlugen den Griffith, und beider feinhähem
Heerführer Häupter prangten als Siegeszeichen auf den Myp
en von Chefter?). Die Könige von Wales, Howe DEE
Glitauc und Eodwal, leifteten dem Könige Eabward En iäß
Treue. Der König von Rorthumbrien, Sithrik, Uthred Mag
Reginald und alle übrige Dänen in jenem Lande, weR
York anheimgefallen waren ?), felbft die von Schottland ui
Strathelyde mit ihren Königen, nahmen Eadward zum He
und Vater an und fchloffen feſte Buͤndniſſe mit ihm‘). I
ter denen welche jebt Eadwarden huldigten, wird a“ Me
Alfreds, vermuthlich ber Stammater der in ben ni n
IJe
1) Ich habe Caradocs Erzaͤhlung hier um fo bereitwilllger acſ
genommen, ba auch Wilhelm von Malmesbury II, 6 ſagt: Bei
Eduardus, paucis ante obitum diebus, urbem Legionum fiducia Be
num zebellantem a contumacia compescuit. Bon ber Oberhe
Eadwards über Wales ſ. Palgrave II, 244. 4
2) Chron. saxon. ad a. 922. Wenn jedoch bie Zeitrediuung W
annal. Cambriae richtig wäre, fo mäffte Glitauc ſchon im I. 919
morbet fein.
8) Chron. saxon. ad a. 923. Simeon p. 183 ad a, 919, of
Rex Ingwald zu Iefen Reginwald.
4) Chron. saxon. ad a. 924. Florent. Ingulph, ad
Chron. Mailros, ad a. 921. — hominium fecerunt, Ä
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 303 |
Jahrhunderten ausgezeichneten Grafen von Northumbrien ‘)
und einer jener kleinen Fuͤrſten und Herren, welche gleich je
nem Ealdormane der Seinen, AÄlfreds Schwiegervater, und
Dem oben gedachten Heren von Ely die alte Freiheit und Vers _
bindung mit Mercien und dem übrigen England mitten unter
den Dänen zu erhalten wuſſten. Eadward erſcheint jest maͤch⸗
tiger, ald irgend ein früherer Bretwalda ed je gewefen war,
und wir fehen Ecgbertd und Alfreds Beftrebungen durch den un⸗
ermüblih thätigen, einſichtsvollen Mann ausgeführt, Doc) \
uͤberraſchte ihn auf dem Gipfel ſeines Gluͤcks bald der Tod
im vierundzwanzigſten Jahre feiner Herrſchaft?) zu Farndon in
Mercien.
Die fortwaͤhrende Vorbereitung oder Fuͤhrung von Krie⸗
gen konnte Eadward⸗ wenig Muße für Beſchaͤftigungen mit
den Wiſſenſchaften und Kuͤnſten laſſen, in der Maße wie ſein
Vater ſie geliebt und geuͤbt hatte. Wahrſcheinlich fehlte ihm
hierzu auch die hingebende Neigung und der ernſte Wille,
welche Alfred ausgezeichnet hatten. Wir finden in Eadwards
Regierung keinen neuen Namen, welcher anderd ald im Kriege
bedeutend: gewefen wäre. Doch forgte er für die würdigen
Freunde feines Vaters. Um Grimbald, welcher nad) St.
Omer gehen wollte, bei ſich zu behalten, ließ ex zu Wincheſter
den neuen Muͤnſter errichten und mit geraͤumiger Kirche und
924.
vielen Gebaͤuden verſehen. Die Wanderungen der Englaͤnder nach
Nom dauerten unter ihm fort. Vorzüuͤgliches Verdienſt um die
Geiſtlichkeit erwarb er fih, auf Anhalten des Papftes Formo⸗
fus, durch Errichtung drei neuer, von den im 3. 910 durch
\ .
1) Daß Eadwulf der Stammvater der im folgenden Sahrhunbert
bebeutfam auftretenden englifchen Grafen von Northumbrien ift, bewei⸗
fen auſſer andern Zeugniffen bie ſtets wiederkehrenden Namen Gabulf,
Uthred und Aldred. Vgl. über die oben genannten Altern Aldred und
Uthred chron. saxon. ad a. 924 et 926. Florent. ad a. 926, 8Si-
meon Dunelm. Historia S. Cuthberti p. 74. Die duces ähnlihen
Namen bei Simeon (vgl. oben ©. 244 Note 8) ad a. 774, 799) mögen
Vorfahren jenes Eadulfs geweſen fein. Cine andere Abflammung gibt .
Palgrave II, 823. nach einer Handfchrift des vierzehnten Jahrhunderts.
2) Florent. Simeon, wo bie indietio XV. irrig flatt XII.
Hernach ad a. 940. indict. XIV. ftatt XIII. Chron, saxon. ad a. 925.
364 Dritte Abtheilung.
Todesfaͤlle erlebigten großen Bisthämern zu Winchefter und
Sherborn abgefonderter, zu Walls in Sommerfet, Grediton
oder Kirton in Devonfhire und zu St. Petrok m Com:
waled. Seine Bemühungen um die Rechtöpflege beftätigen
mehrere erhaltene Gefege, unter denen Feines einflußreice
wurde als das obenerwähnte, welches die Burg des Krieger
zue Förderung des Verkehrs und des Rechtes fowie zu
Wiege des germanifchen Bürgerflandes, auf Waffenehre und
Induſtrie begründet, benutzte.
Eadward war dreimal verheirathet und Vater von drei⸗
zehn uns bekannten Kindern, in deren ſorgfaͤltiger Erziehung
er feinem Vater Alfred nachahmte. Seine erſte Gemahlin war
Egmina, wenn nicht eines Schaͤfers Tochter, doch gewiß nict
von auögezeichneter Geburt '), welche ihm einen Sohn, Athel⸗
ſtan, und eine Tochter gebar; ſpaͤter heirathete er Alfleda, Tod |
ter des Ealdormans Athelm; die letzte welche die koͤnigliche
Ehre mit ihm theilte, war Eadgive. Drei Söhne haben. wi
bereitö genannt; ein vierter, Alfward, farb gleich nach ihm;
fpater Edwin; drei derfelben beftiegen feinen Zhron. Don den
Zöchtern wurden mehrere nad) des Vaters Tode den erfin
Fuͤrſten Europas vermaͤhlt; er ſelbſt ertheilte noch die Hand
Eadgives, einer Tochter zweiter Ehe, dem Könige von Frank |
reich, Karl dem Einfältigen. Es würde wegen ber oben ange
deuteten politifchen Beziehungen zwifchen England und Frank |
reich Iehrreich fein zu erfahren, wann diefe Verbindung flatt
gefunden hat; doch laſſen die Jahrbücher beider Voͤlker übe
eine Verbindung, welche und zugleich die erfte befannte Ber
mählung einer englifhen Königötochter mit einem Könige von
Frankreich ift, ohne glaubwürdige Nachricht”). Nach der Ge
1) Guil. Malmesb. LII. c. 5. nennt fie illustris foemina. L.IL
c. 6. ut ferunt, concubina, wo hernady auch die Sage von der GE
ferstodhter. Florent, ex muliere nobilissima. Annal. ramesiens. c. IV.
alto quidem patris profusus sanguine, sed, ut fertur, non aeque neb; '
lis exceptus gremioe concubinae,
2) Die Angabe einiger wegen ihrer irrigen Chronologie verrufenes
franzöfifcyen Shronifen (Bouquet VIIL et IX.) geben freilich dieſt
Beirat b. 3.898; doch hoͤchſtwahrſcheinlich nur weil fie Karls des Gir
fälligen dem Rollo verchelichte natürliche Tochter Gifela aus ent
2a mn nn ZA gu Ti „ee 02 4 [um
PP
— — re = — 2—
‘
Ä
Von Anfang bee. 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 365.
fangennehmung biefes Königs durch Herbert, Grafen. von
Bermandois, im 3. 923, floh Eadgive mit ihrem dreijährigen
Söhne, Loutd, von feinem langen Aufenthalte in England
Dutremer benannt, zu ihrem. Vater, : nicht lange vor beffen
Zode, ‚welcher fie mit väterlicher Liebe aufnahm : und: beher: .
bergte.
Es wird noch ein Sohn Eadwards genannt, als der
Bruder Äthelſtans, Gregorius, welchen die Sehnfucht nach
himmliſchen Guͤtern vom Hofe weg zu den Graͤbern der Apo⸗
ſtel und aus St. Peters Stadt in bie Wildniſſe der Alpen
trieb. Auf. feine Veranlaffung verwandelte fein Schwager,
Kaifer Otto der Große, eine dortige vom heil. Meinrad..ger
- fliftete Kapelle in em Kloſter; es ift diefes U. 8. Frauen
Stift. zu Einfieveln ‘). Ältere und..wie es ſcheint auch die
neuen Gefchichtfchreiber Englands haben diefe Beziehung ihres
Königshaufed zu jenem: vielgefeierten Klofter überfehn,. welche
zu, bezweifeln nicht gar viel Grund vorhanden und welche,
wenn unbegründet, auch als. bloße alte Sage Äthelſtans weit
verbreiteten. Ruhm Sicherer ald der Panegyricus der von ihm.
begabten Klöfter beweifen würbe. u
Athelſtan.
Alle Frůchte der Tapferkeit feiner. Vorfahren vereint zu
genieffen in einer nicht langjährigen, aber der ruhmvollſten
Regierung, in welcher jedes Jahr zu einer neuen Verherrli⸗
chung des angelſaͤchſiſchen Namens beſtimmt ſchien, war das
ſchoͤne Loos Äthelſtans, des durch tapfere Thaten ſchon bes
kannten aͤlteſten Sohnes Eadwards. Es iſt das Wahrzeichen,
946.
zuverlaͤſſiger als das vollkommenſte Lob der Moͤnchschroniſten, an
welchem der Geſchichtforſcher die bedeutendſten Maͤnner in der
rechtmaͤßigen Ehe herleiteten. In dem gedachten Jahre hatte Eadward
hoͤchſtens das neunundzwanzigſte Jahr erreicht; Eadgive war feine dritte,
wenn nit eine Tpätere Enkelin. Cadgives Sohn, Ludwig, warb erft
ums Jahr 920 geboren, und die Verheirathungen ihrer leiblichen Schwer
ftern laffen annehmen, daß fie nicht viele Jahre vor dieſer Zeit ver⸗
heirathet iſt.
1) J. v. Müller. Schite der Schweiz B. J. Cap. 12. und
Note 295.
‘
36860 Druͤtte Abtheilung.
Mebelwelt der Vergangenheit erkennt, daß dieſe, von ber dank⸗
erfühten Begeifterung ihrer Zeitgenoffen in dichterifche Geftalten
umgewandelt, durch dad Kortleben in tiefempfundenen Sagen ber
umverhüllten Gefchichte auf Jahrhunderte, oft‘ auf immer ent:
zogen worden find. Für das Ziefempfundene mangelt das ver⸗
gegenwärtigende und fortlebende Wort, und in der vermitteln
den Dichtung erhält die Nachwelt das ehrwuͤrdige Zeugniß der
Gefühle und Stimmungen, in welcher die Borwelt ihrer Helden
gedachte. So ift ed auch dem Äthelſtan geworben, daß feine
Geburt in ein undurchdringliches Dunkel früh eingehuͤllt wurde.
Das Hirtenmäbchen, die fchönfte Blume: des Thales, ſieht in
einem Traumgefichte aus ihrem unbefledten Schooße einen Mond
emporfleigen, beffen Strahlen ganz England erleuchten. : Eine
Landfrau, die Amme bes koͤniglichen Kindes, findet dadurch
fich hingezogen bie wunderfame Maid im ihre Hütte aufzuneh⸗
meh. Der Königsfohn, auf der Jagd verirrt, gelangt durch
diefen Zufall zu feiner Amme und dem reizenden Gefchöpfe in
ihrer Umgebung. Sugenbkraft und SJugendfchöne feiern den
Bund, welcher in ber, überirdifchen Welt befchloffen war;
Äthelftan wird geboren, und auf fein Vaterland ftrahlen bie
herrlichen Himmelözeichen mit ungekanntem Glanze. Nicht
unwichtig ift und biefe Sage, oder die Anwendung Diefer
Sage auf Äthelftan, auſſer der zunächfkliegenden eben ange-
deuteten Beziehung auf feine Regierung, durch die Blicke,
welche fie uns auf die Gefchichte feines Volks und feiner Zeit
eröffnet. Wir erkennen bier zum erſten Male, daß Walhalla
mit feinen Göttern aus dem Glauben der Angelfachfen völlig
verfchwunden war, fogar ald altes Heldengefchlecht wurden
diefelben kaum mehr geehrt; Wodan war ein erbärmlicher Gau
ler, Freya eine verächtliche Buhlerin geworden. Dadurch war
der alten Staatöverfaffung ihre wefentlichfte, Die religiöfe _
| Stuͤtze geraubt; die Föniglichen Gefchlechter hatten mit ihren
- Ahnen Wodan und Sarnote ihre Heiligkeit verloren, und bie
Bedeutſamkeit des Adels ſchwand in gleihem Maße. Das
Volk hatte die Religion, den Vollöglauben der Wahn verjährs
. tee Staatöklugheit, dieſe fich felbft überlebt, und auch die
Könige von Weffer, die laͤngſtlebenden Exben Wodans, ver-
fhmähten das heilig und vomehm thuende, verachteten daß
Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 367
ſtaatskluge Beſtreben, ihr Geſchlecht nur mit ebenbuͤrtigen
Frauen, Wodans Enkelinnen, fortzupflanzen. Vielleicht hat
das Beiſpiel der normanniſchen Fuͤrſten, welche in den unregels
mäßigften ehelichen Verbindungen, wie nur bie unflätefle Pine
tenhorde fie kennt, zu leben pflegten, verderblich auf die nene
Anficht eingewirkt, wie viele damals fich bildende Anfichten
erſt aus dem Leben in die Romantik des Mittelalterd überges
gangen find. Doch wie die Anarchie der Wilingen endete md .
das Königthum fich wiederum und flärker als früher böfeftigte,
bewährte es fich auch hier, daß die Mevolution nur zu ‚einer
Umkehrung der Anwendung geführt, nicht einen wefentlicken
Grundſatz ſelbſt erfchüttert hatte. Die Ebenbürtigkeit der
Wodansgeſchlechter war zu der der Koͤnigshaͤuſer umgeſtaltet,
und wir kennen keinen Regenten jener Zeit, welcher wie Äthel⸗
flan, der Hirtin Sohn, viele Schweſtern ausſchließlich an
europaͤiſche Fuͤrſten vermaͤhlte.
Athelſtan war als ſchoͤner und zierlicher Knabe ſchon der
Liebling Alfreds geweſen, und das Volk hat lange nicht ver⸗
geſſen, wie dieſer ihn fruͤh mit einem Purpurmantel, geſchmei⸗
dereichem Gürtel und dem Sachſenſchwerte in goldner Scheide
in der feligen Freude der Großälten, halb tändelnd halb
ernft, vitterlich bekleidete‘). Eadwards letzter Wille ernannte '
diefen aͤlteſten Sohn zu feinem Zihronfolger, und bie Wittigften,
zunähft auf einem Landtage in Mercien, da Eabward zu
Farndon geflorben war, fodann in Weſſer, befräftigten biefen
Befchluß um fo eher, da faft gleich nadı Eadwards Tode auch .
fein nächftfolgender Sohn Alfward, aus uhbeftritten: gefehlis .
cher Ehe, geftorben war, die übrigen Söhne das männliche
Alter nicht erreicht, hatten und auch Eadwards jüngerer Bru⸗
ber, welchem in ſolchem Falle die Krone haͤtte verliehen werden
müffen, vor etwa zwei Jahren geſtorben war?). Die Kroͤ⸗
nung gefchah zu Kingſton, durch bie Hand des Erzbifchofs
von Canterbury, Athelm ?), den wir für einen Vetter des Koͤ⸗
nigs, den Sohn Äthelreds und den dlteren Bruder des Üthels
wold, halten möchten *). i ü
y Malmesb. 2) Florent.e. 5) Idem.
4) Zu biefer Vermuthung berechtigt der Name, das Alter des bald
!
68 . Dritte Abtheilung.
Es fehlte jedoch nicht an Widerſtand gegen bie. Thron⸗
folge Äthelſtans und dieſes in Weffer ſelbſt. Zu Wincheſter,
vermuthlich als dort uͤber fernere Thronbeſteigung berathſchlagt
wurde, hatte ein gewiſſer Alfred den Plan geſchmiedet jenen
zu ergreifen, zu blenden und vom Throne zu floßen. Alfred,
deſſen Name auf eine Verwandtfchaft mit dem großen Könige
zu folgern berechtigt, wurde ergriffen, doch nicht wegen Hoch⸗
verraths gerichtet, fondern zu Ablegung. eines Reinigungdeides
an ben Papft Johannes X. gefchidtz ein rüdfi chtsvolles Ver⸗
fahren, welches nur erklaͤrbar erſcheint, wenn wir Alfred fuͤr
eine der Kirche verwandte Perſon halten; welchen Umſtand je⸗
doch die Kloſterchroniſten, wie haͤufig in aͤhnlichen Faͤllen, zu
Ehren ihres Standes zu verſchweigen ſich geſtatten). Er
legte zu Rom in der St. Peterskirche den Eid ab, ſank aber
unmittelbar nach dieſem Acte zuſammen und ſtarb in der drit⸗
ten Nacht darauf in der Schola der Englaͤnder. Dieſes Er⸗
eigniß diente zur vollſten Beſtaͤtigung des Frevels; in jedem
Falle erloſchen mit dem Tode ſeine Rechte zur Herrſchaft,
und ſeine großen Beſitzungen in der Naͤhe von Malmesbury
wurden, durch das richterliche Erkenntniß der Witan, in allem
Umfange dem ſchwer verlegten Athelſtan zugeſprochen. Deſſen
Gnade wurde gepriefen, als er dem von Gott gezeichneten
Hochverräther ein Begräbniß unter Chriftenleichen zugeftand ?),
und die Schenkung der ehemaligen Lande Alfreds an daB Klo⸗
ſter zu Malmesbury verſchaffte dem freigebigen Sieger durch
einen Moͤnch dieſer Stiftung, den bekannten Wilhelm, das
groͤßte Lob unter den angelfächfifchen Herrſchern noch nach
nach dieſer Kroͤnung verſtorbnen Erzbiſchof, das Schweigen über jene
älteren Söhne des ältern Bruders Älfreds, welche zum Throne vor Äthels
wold berechtigt geweſen wären, fein früheres Bisthum im weftfächfifchen
Bath, die Gewohnheit der Apanagirung ber Verwandten des Königs
durch geiftlihe Pfründen, endlich feine durch feine. Verwandtſchaft zu
Dunftan erwiefene Herkunft und Angefeffenheit bei Glaftonbury in Weffer.
1) Quidam Aelfredus magnae insolentiae homo. Malmesb.
Ein Ätheling wird er nur von Lingard genannt; aber obgleich ver-
muthlich fo durch Geburt, hatte er diefen Titel durch den Übertritt Zur
Kirche verloren.
2) Malmesb. II, 6. Id.’de pontificibus 1. V.
Bon Anfang bes 9. bis Anfang. bes 11. Jahrh. 3 |
mehren Jahrhunderten, ald thelſtans ‚Stamm laͤngſt vertrie⸗
ben und feine Anfprüche. erloſchen waren, und ſelbſt ein Reich
Mefler unter den Königreichen nicht. mehr vorhanden war.
‚ Eine. ber erſten Thaten der Regierung Athelſtans wo,
#:%6e
gelangt. if, der Politit zum Opfer. brachte, indem ‚er, ihre
Band jenem northumbrifchen Fuͤrſten Sithrik verlieh, deſſen
kuͤrzlich verſtorbenen Bruders Reginald ) Bewerbung einſt den
Vorwand dargeboten ‚hatte, um der Tochter Äthelfledes ihr
ererbtes Reich zu nehmen ?). Sithrik nahm Northumbrien —
ober vielmehr das alte Bernicia, — vom’ Bluffe Tees bis zur
Grenze altfaͤchſiſcher Herrſchaft und, Cultur, Edinburg, von
Athelftan zum; Lehne, und als er in Jahresfriſt ſtarb, benutzte
dieſer den willkommenen Anlaß dieſes Land, nach Vertreibung
der. Söhne Sithriks aus erſter Ehe, Guthfred und Analap,
- feinem Reiche wieder einzuverleiben. ‚Anlav floh nach Irland,
wo -feinem Haufe nah verwandte daͤniſche Fuͤrſten berifchten
welche ihn willig aufnahmen. Der aͤltere Guthfred ſuchte bei
Tonſtantin, dem Könige von Schottland, und Eugen, dem
Herrſcher von Cumbrien, Schutz. Doch bereiteten diefe fi
bald Xthelftans Auffoderung zu folgen, den Flüchtling ihm
auszuliefern, welcher inbefjen vorher mit einem feiner Beglei⸗
1) Gegen Palgrave IH, 817, welcher diefen noch fpäter regierend
anführt, fpricht nicht nur alle Wahrfcheinitchkeit, fondern auch das
Beugniß ber historia S. Cuthberti apud Twysden p. 74, welcher
ſagt, daß er gleichzeitig mit König Cadward geſtorben.
2) Malmesb. II, 5. fagt ausdruͤcklich, daß er ihren Namen nicht
kenne; das Ms, Tib. fol. IV. bei Turner II, 177, weiches den Hochs
zeitstag den 30. Januar 925 angibt, nennt den Namen ebenfo wenig.
Der Name Eadgytha oder Editha, welchen Matthäus von Welt:
minfter b. 3. 925 ihr gibt, gehört einer jüngern, hernach zu erwaͤh⸗
nenden Schweſter. Da Sithriks Eadgytha am, 15. Juli geftorben fein -
fol, an welchem Zage der altenglifche Kalender Kadgitha Reg, ner
zeichnet, fo ergeben die englifchen Martyrologien vielleicht ein Mehreres.
Wallingforb ©. 539 verwechfelt fie mit Orgina (Eadgiva), ber
fräntifhen Königin. Fuͤr bie Erklärung ber daͤniſchen Sagen von ber
Thyra, ber Tochter des englifchen Königs (Edelred), Schweſter bes
Ütheiftan, weiche der König Gorm heirathete, iſt dieſe hiſtoriſche Rad
richt nicht ohne Beziehung.
" Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 24
Pr
396 Dritte Abtheilung.
tee Durfrith entfloh. Guthfred verſuchte jetzt durch Bitten unit
durch Drohungen die Stadt York zu gewimen; doch die Wins
ger verliehen Beiden kein Gehör, und von dort ſich wegwen⸗
dend warb er in einer benachbarten Burg wiederum von
einer Schaar Weſtſachſen eingeſchloſſen. Aber auch dieſer Ant
zog ſich der verſchmitzte Daͤne durch die Flucht. Er verweilte
jetzt lange auf dem Meere, dem heimatlichen Elemente feines
Volkes, bis er feinen Freund Turfrith durch Schiffbruch vers
lor und felbft durdy Sturm und die Bedrängnüffe der Gedch:
teten getrieben, dem Könige Äthelſtan mit: gebeugtem, unter
wöürfigem &inne fi) ergab. Der König nahm: den "Sohn
feines Schwagerd guͤtig auf und bewirthete ihn mit altfächft
ſcher Gaftfreiheit. Doch fehon nach vier: Tagen — mistraute
biefee den Abfichten AÄthelſtans, oder war es die Unflätigteit
feines Stammgenoffen, welthe ihn vertrieb? — war Güth⸗
fred verfchwunden und griff, wie ein Fiſch nuur im Wuſſer
froh, zum Seeräuberleben '). Athelſtan ließ nunmehr die Feſte,
welche die Dänen zu York erbauet hatten, nieberräffen, um
ihnen für die Zukunft ſolchen Zufluchfsort abzufchneiden. Die
dort gefundene Beute ward unter bie englifche Mannfchäft
vertheilt, weshalb Athelftans Großmuth geprieſen iſt, in wel⸗
chem Verfahren wir aber wohl nur den alten germaniſchen
Kriegsgebrauch erkennen dürfen, welcher felbft dem Könige kei⸗
nen groͤßern Antheil an der Beute geflastete, als fein Loos -
ihm zumied?). Die Verwaltung des Landes wurde dur) Va⸗
fallen Ächelſtans geführt, unter denen auch daͤniſche, dort’ ein⸗
heimiſch gewordene Geſchlechter ſich befanden.
Der Zuftand des nördlichen Europa begann aus der
großen Gaͤhrung und Regelloſi igkeit, welche in allen ſeinen Laͤn⸗
dern geherrſcht hatte, in einen friedlichern und geordnetern Zu⸗
ſtand uͤberzugehen. Die kleinen Koͤnigreiche oder Herrſchaften,
in welche Daͤnemark, Norwegen und Schweden vertheilt wa⸗
sen und wodurch fie ein dem angelſaͤchſiſchen ſogenannten Sies
4 1) ubeln von Maimesburn, weheſheinni nach —2
lichen Lie
2) * Gregor. Turon. II, 27, von der Bafe zu Soiſſons. Einen
Beleg aus dem elften Iahrhundert gibt Arnold von Luͤbeck I, 27.
Bon Anfang des 9; bis Anfang bes 11. Jahrh. 371
benreich voͤllig ähnliches Bild darboten'), begannen auch dort
allmälig durch Gorm den Alten, Harald Schönhaar und Grich
zu großen Reichen vereint zu werben. _ Jene Eleineren. Fürften
hatten, bei der Geringfügigkeit ihrer Macht, auch eine Anfprüche
anf die. von ihren Unterthbanen oder vielmehr Stammgenofjen
im Auslande eroberten Länder machen können, und wir bürfen
die. bei einigen ſpaͤtern mittelalterlichen daͤniſchen Geſchicht⸗
fehreibern vorhandnen entgegengefegten Andeutungen den fpäter
. entftandnen, flaatörechtlichen Anfichten und andern Dichtungen
zufchreiben. Die normegifchen Auswanbrer unter Harald Schöns
haar begnügten fich mit der friedlichen Eroberung Islands umd
haben durch die dort entwidelte Bildung fpäteren Gefchlehten
zum Xheil erfeßt, was ihre Vorfahren auf den Raubzügen in
bie füdwärtd gelegnen Länder zerftört hatten. Harald, wenns
gleich als Nachkomme Inguard gefeiert?), fcheint Feine Ans
fprüche auf Nordengland gemacht zu haben. Äthelſtan ſelbſt
fol fein Land befucht und jener, im friedlichften Bunde mit
dieſem, ihm feinen Sohn Haquin zur Erziehung in englifcher
Sitte und Kunft gefandt haben. Als fein Pflegefohn ſpaͤter,
nach der Vertreibung von Erich Blutart, den Thron von Nors
wegen zu befteigen von den Eingebornen berufen wurbe, unters
flügte ihn ÄAthelſtan mit feinen Waffen.
Wenn num gleich die allgemeine Richtung des Zeitalters |
| eine Annäherung eines norwegifchen Herrfchers zu dem Könige
des Stammlanded germanifcher und norbifcher Bildung unter
den vorhanden Verhältnifien, wo ſchon ein Ehebündniß der
Fuͤrſten die feit Sahrzehnten friedlich neben einander wohnenden
Nationen enger hatte vereinigen follen, . nicht unmöglich ers
feinen laͤſſt, fo trägt doch dieſe Zuſendung eines Sohnes an
einen Monarchen, welcher einen ſo ſehr zweideutigen Charakter
bewährte wie Äthelſtan, und der, wie es auch geſchah, aus dem
Freunde der Normannen fo leicht deren Zeind werben konnte,
den Stempel nicht: geringer Unwahrfcheinlichleit. Kein englis
ſcher Geſchichtſchreiber gedenkt des Aufenthaltes Haquins an
1) Anonym. Roskild. Adam. Bremens, JI, 15.
2) Bon feinem Sohne fagt Adam JI, 15. Haquinus ex genere
Jaguar et giganteo semine descendens.
24 *
-
II "Dritte Abtheilung.
Arhelftans Hofe. Von einer Verbindung Koͤnig Haralds von
Norwegen mit diefem gibt und. ein fpdteser normannifcher
> Mönch") einige Nachricht, wenn er erzählt, wie jener durch
Helgrim und Döftid dem Könige von England ein Schiff mit
goldnen Schiffsfchnäbeln, purpumem Segel und im Innem
mit vergoldeten Schilden zum Geſchenke gefandt, auch jene
Sendeboten zu York Eöniglicy gaſtirt und. befchenkt fein. Die
Ausfhmüdung diefer Erzählung charakteriſirt mit größter Treue
die Ballade, welcher jener Schriftfteller, ber es fich. fo eifrig
angelegen fein ließ. poetifche Wahrheit zu hiftorifcher Unwahr⸗
heit umzufchaffen,' gefolgt ifl, wenn er fie gar nicht wörtlich
überfegte. Hätte der Chronift, welcher der vorzüglichfte Vers
breiter, oft vielleicht Erfinder von Athelſtans Ruhme gemwefen
ift, aus demfelben Liebe oder aus anderer Quelle noch jene
Sage von Haquin gebannt, wie konnte et fie hier verfchweis "
gen? Und dennoch hat Lingard, der befonnene Gefchicht:
ſchreiber, der Feiner fremden Hypotheſe zu folgen: vermeint, von
dem Glanze, welches jened Nordlicht über die Geſchichte Eng⸗
lands zu: verbreiten fcheint, fich dermaßen hinreiffen laſſen, daß
er im ungewohnten Combinationseifer, nicht etwa jened goldne
Schiff von Seekraken und Meermädeln, — denn die wären
zur ‚Herftellung der Romanze in der Ordnung gewefen, ba fie.
in dem Mönchslatein nur ihren Platz nicht erhalten hatten, —
fondern von dem Königsfindlein Haco ſelbſt ‚begleiten laͤſſt So.
werden — man zürne nicht über das verrathene Geheimnig
der. Kunft — Notizen an Notizen, Sagen an Sagen ges
fhichtet, und felbiges nennen wir Geſchichte. Die eigentlichen
Zeugen für jene Nachricht find alfo nur einige nordifche Ges
fchichtfchreiber*), deren poetifhe Quellen bekannt, doch aller:
1) Wilhelm von Malmesbury.
1) Theodericus Monach. de regib. Norwegiae apud. Lan-
: gebek V, 814. Snorro Haraldsfage Gap. 41—43. Cs ift von ben:
englifchen Gefchichtfehreibern überfehn, daß auch Saxo Grammaticus
lib. X. die obige Nachricht von Haquins Erziehung bei Athelſtan gibt
und zwar mit recht pragmatifchen Zufägen, wie diefer von dem Nor:
weger ſich Hülfe gegen Harald Blatand erwerben wollte. So anneh:
menswerth nun biefes erfcheint, fo fehr wird uns diefe Angabe bier .
durch ihre Übrige Umgebung verleidet. Harald Harfagr und Harald
%
Von Anfang des 9. big Anfang des 11. FJahrh. 373 |
dings nicht ohne Grund und fernere Erläuterung als verwerf⸗
lich anzufehen find. Sollte indefien bier unfer Miötrauen und
zu der richtigen Erflärung führen, wenn, wie wir ſchon früher
in Äthelſtan nicht den König der Engländer (Anglorum) fons
dern den der Oſtangeln, Guthrun Äthelftan I. oder IL, erken⸗
nen, welchem Harald, fchon feit dem Jahre 863 König, feinen
Sohn in defjen Kindheit anvertraute? Diefe Erklärung kann
wohl nur an Wahrfcheinlichfeit gewinnen, wenn die Nachricht
von Äthelſtans Beſuch in Dänemark näher ind Auge gefafft
und bier beachtet wird, daß er in feines. Vaters Eadward
Zagen dort von Guthrun aufgenommen wird '), mo..mir. alfo
wieber durch den Guthrun Athelftan in bem Dänenlande Eng⸗
lands geneckt werden.
Jene Sage uͤber Hacos Erziehung bei Athelſtan, welche
bekanntuch jenem den Namen Hagen Adelſtansfoſtre (Pflege⸗
fohn) in dee Gefchichte Norwegens verfchafft hat, gewinnt noch
an Bebeutung durch bie ihr gegebene Beziehung, daß Haralds
Altefter Sohn, Erich Blutart, welcher nach bed Vaters Tode
einige Jahre -in Norwegen herrſchte, nach Guthfreds Vertrei⸗
bung als Vaſall Äthelſtans in England regiert habe. Die
glaubwuͤrdigſte Nachricht?) gibt aber nur an, daß er, im Jd.
936 aus Norwegen vertrieben, nach England; geflohen und dort,
von dem unbekannten Könige ehrenvoll. aufgenommen, geſtax⸗
ben fei.
Deutlicher als Äthelſtans Verhältniffe mit dem Norden
find die mit Frankreich. Da fich keine Änderung der bedrängten
Verhaͤltniſſe ſeines Schwagers, des Koͤnigs der Franken, darbot,
ſo gab er ein Vorbild der ſpaͤter oft befolgten Politik, indem er,
mit dem maͤchtigſten Feinde Karls und dem wirklichen Herrn
Frankreichs ſich verſoͤhnend, Hugo dem Großen, Roberts Sahne,
Blatand waren bekanntlich nicht. gleichzeitig, herrſchend. Athelſtan wird
Athelreds Sohn genannt; der daͤniſche Harald erſcheint als Sohn der
beliebten Thyra, Äthelreds Lochter und als teſtamentariſcher Erbe
Englands ! , |
1) Wallingford p. 540,
2) Theodoricus-l l. Ron dem bänifchen Erich, mit weichem
bee Norweger von Torfäus IV, 7. Palgrave II, 817. u. A.
verwechſelt iſt, kann erſt unter kbrige Eadred die Rede Fin.
1 | Dritte Abtheilung.
Herzoge von Neufivien, Burgund und Francien, bie Hanb
| feiner Schweſter Eadhild überließ‘). Die geflohen Anhaͤn⸗
—
ger des ungluͤcklichen Karl ſcheinen nach Irland gewichen zu
fein, vielleicht auch er ſelbſt). Der Brautwerber war ein
Vetter Athelſtans, der Graf von Boulogne, Adalolf, Sohn
Balduins von Flandern und ber Ülfthryde, Schweſter König
Eabwards ?), weiche in -Hugos Namen bie zahllofen, reichen
und feltenen Brautgefchenke in der zu Abingbon angeſetzten Ver⸗
ſammlung der Stoßen des Reichs uͤberbrachte. Aufſer unſchaͤtz⸗
basen Reliquien, dem Schwerte Gonftantins des Großen, bee
ſiegreichen Lanze Karls des Großen und dem Banner des Maͤr⸗
tyters Mauricius und ber thebaͤiſchen Legion, welche dieſem
Monarchen auf feinen Feldzuͤgen in Spanien ven Sieg vers
Heden: hatte, wurden aus Fraukreich nach England gebracht:
herrliche Roſſe, orientalifche Gewuͤrze, weiche‘ diefes Land nie
gefehn hatte, : prachtuolle - Geſchmeide, herrliche Smaragden,
eine wundervoll geatbeitete Onyrvafe, auf welcher Saaten, Wein⸗
öde, Menfchen der. Natur gleich und lebend fich zu bewegen
fbienen, vermuthlich ein. Kunſtwerk des Alterihumes, deſſen
Beichreibung lebhaft an die berühmte, im fechezehnten. Jahr⸗
hundert aufgefundene Barberinis ober Portland-Bafe und aͤhn⸗
liche Kunſtſchaͤze erinnert, gegen deren Werth Fein Beitalter
gleichgültig gewefen iſt. Die fo fefllich eingeleitete Ehe fcheint
4) Äthelweard im Prodmium. Malmesb;, der Hugo mit feinem
ohne verwechſelt. Frodaard. Hugo Bloriac. bei Bouquet VILLE,
134, 289. Daß in diefem Jahre ber jugendliche Fluͤchtling Ludwig aus
England nach Frankreich gefandt fei, um einen Verſuch zur Rettung feines
Vaters durch feine Gegenwart zu unterflügen, iſt eine Nachricht Lin⸗
gards, deren Quelle wir beinahe in einer Verwechslung mit der zehn
Jahre fpäter erfolgten Ruͤckkehr jenes Prinzen fuchen möchten.“ Sige⸗
bert von Gemblours, Guido bei Alberich fegen Ludwigs Rüde
kehr itrig ins Jahr 928, was gleichfalls zu einer Misdeutung für das
Sapt 926 Anlaß gegeben zu haben ſcheint.
2) Annal. Saxo ad a, 927.
8) So tft Malmesbury gu berichtigen: filius — ex filia regis
Eadwardi Ethelswitha. Vgl. chron. sithiense bei Bouquet IX, 74.
©omes Bononiae fest Brevissima regum Angliae hist: (Ms. Hamburg)
richtig hinzu, was in feiher gewdhulichen Quelle, wilbelm von
Malmesbury, fehlt.
Don Anfang. des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 3876
Bein SU gebraght zu haben. Nach mehrern Jahren finden,
wir Hugo ‚und Ithelſtan feindlich fich. gegenüberftehend. ads
bild: wer anbeerbt ‚geflorben oder geichieden; Hugo Capet war
bes Sohn einer zweiten, im 3. 938 geichloffenen Ehe Hugos
bes Großen mit. Hedwig, ber Tochter ded deutſchen Heinrich I.
‚England genoß in dem gegenwärtigen Zeitpunct eine Macht,
welche es fruͤher nie beſeſſen hatte. Oſtanglien ward ganz mit
England wieder vereinigt und deſſen Verwaltung einem Vers
wandten bes koͤniglichen Hauſes uͤbertragen, welcher den Na⸗
men Athelſtan fuͤhrte und wegen feines bedeutenden Einfluſſes,
auch vielleicht in ſcherzhafter Bezeichnung des Unterſchiedes von
ſeinem koͤniglichen Ramensgenoſſen, den Beinamen des Halb⸗
koͤnigs erhielt ). Huwal Dda, König von Demeod, der be:
ruͤhmte Geſetzgeber der Waliſer, Sohn des Cadel (+ d09) und
Enkel Rodri des Großen 2), feit dem Tode feines Oheims Anas
vaut (+ 915) der erſte Fürft unter den Walifern, Owen (Wuer),
ber König. von Gwent, Conſtantin, König, der Scoten, Ealdred
von Banborough hatten. ſich gegen ihm vereinigt, als ſie ihn
burch die Vertreibung Guthferth& mächtig werden fahen. Seine
Waffen waren ſiegreich und jene Fuͤrſten erneuerten ihm, auf
einem zu Eamote (Emmet in Northumberland) gehaltnen Hof—
tage, bie feinem Vater Eadward früher geleiſteten Huldigungs⸗
eide ?), wobei fie, vermauthlich die Schotten, allem Goͤtzendienſte
(deofolgeld) feierlichſt entſagten. Die noͤrdlichen Waliſer ver⸗
ſuchten der Unterthaͤnigkeit, welcher ſie ſich gegen Mercia ſchon
wiederholt gefügt hatten, bei dem Übergang der Herrſchaft dies
ſes Landes an Weffer ſich wieder zu entziehen; Doch zwang
Athelſtan ſie zu Hereford ihm einen jaͤhrlichen nicht geringen
TIribut zu entrichten namlich, 20 > Pfund Gold, 300 Pfund
9» Annal. xamesiens, c. II. u
. 2) Diefe Berichtigung der gewöhnlichen Angaben verdanke ich den
annal. Cambr. ad a. 909, 915 und Brut y Tywysogion ad a. 926,
948. Bon den Söhnen des Himeid von Demetia, der einft AÄlfreds
926
12, Zul.
Schutz erhalten hatte, waren Louwarch 903 geitorben, Roſtri 904 ents
hauptet,. und fo biefes Reich an die Söhne. des Rodri Mawr gefällen-
©. annal, Cambr. .
3) Florent Simeon. Chron, saxon, ad 936, u Mal-
'mesb. Il, 6. ’ |
376 = Dritee Abtheltung.
Silber, 2500 Stuͤck Hornvieh; ein Tribut welcher größer alb
der bisher entrichtete war, welchem noch Kalten und Jagd⸗
bunde beigefügt wurden und ein ſtets druͤckendes Lehnsverhaͤlt⸗
niß der britifchen Unterfönige zu dem britifchen Baſileus folgte.
Bir fehen jene bald beträchtliche Summen für die Belehnung
entrichten, im Heere des engliſchen Koͤnigs gegen ihre eignen
Stammgenoſſen dienen und dem Hofgerichte jenes ſich fügen ).
Den Fluß Wye ſetzte Athelftan den Waliſern zur Grenze, ſowie
den Tamar den Weſtbriten, welche er bewog die Stadt Exe⸗
ter, von welcher bisher die Sachſen einen Theil beſeſſen hat⸗
ten, ganz zu verlaſſen ?), Wahrſcheinlich hatten Walen und
Sachſen, dieſe in geringerer Anzahl und in einem abgefünders
ten Theile dieſer zu den Zeiten der Römer, vermuthlich fchon
vor denfelben, bekannten Handelsſtadt (Isca Damnoniorum,
Caer IE), dort nebeneinander, durch ein Sicherheits⸗ und- Ders
kehrs⸗ Buͤndniß vereint gelebt, wie ein aͤhnliches Nebeneinan⸗
derleben ſich in Irland und Wales zwiſchen Sachſen und Celten
zuweilen findet, und in der Geſchichte nicht nur germaniſcher
Sieger und romaniſcher Beſiegter und andrer durch Sprache
und Recht ‚getrennter Völker vorkommt, ſondern auch in den
von den Sachſen beſiegten Slavenlaͤndern eine ſehr häufige
Erſcheinung war. thelften, hierin dem Beiſpiele ſeines Vaters
folgend, befeftigte die Stadt mit Thuͤrmen und einer Mauer
von Quaberfteinen, und die Weflfachfen übten unter deren
Schuge die Friedenskuͤnſte fo eifrig, daß Ereter, obgleich nicht
durch den Boden des benachbarten Landes begünftigt, zu ben
beſuchteſten und reichſten Marktplägen des europäifchen Handels
im fruͤhern Mittelalter gehörte. Es wurden zu Ereter und in
der benachbarten Gegend Bildfäulen Äthelſtans errichtet, welche
noch nach Sahrhunderten gefehn find ); ein und merkwürbis
ges Verfahren, wenn wir nur die Nachahmung einer fraͤnki⸗
ſchen Einrichtung darin ſuchen; mehr noch, wenn wir die Ros
1) Vgl. Palgrave I, 460 fo.
. 2) Cornwallenses — ab Excestra, quam ad id temporis aequo
cum Anglis iure inhabitabant, cedere compulit. Malmesb. II, 6. —
Hanc urbem primus rex Aethelstanus in potestatem Anglorum, .effu-
gatis Britanibus redactam etc. Id. de e⸗ pontiſic. U.
$) Malmesb. 1I, 6.
Von Anfang des 9, bis Anfang bes. 11, ‚Sahrh 877 j
landsſaͤulen nur auf ben‘ Dingftäten in. Sachen bemerkend,
eine ;altfächfiiche, dem Heidenthume entflammende Sitte der
Befriedung des Gerichtsplatzes glauben erkannt zu haben, aus
welcher noch jetzt die Aufſtellung eines Gemaͤldes des jedesma⸗
ligen Koͤnigs in den engliſchen und andern Gerichtshoͤfen her⸗
ſtammen moͤchte.
Ein Buͤndniß mit eben dieſem alten Stammlande Saqh⸗
ſen iſt das Ereigniß in Athelſtans Regierung, welches uns
hiernächft anzieht. Heinrich, der König der Deutfchen, hielt
für feinen noch nicht achtzehnjährigen Sohn Otto, den nach⸗
berigen großen. Kaifer, um. bie Hand einer der Schweflern
Athelſtans an). Diefer fandte zwei berfelben, Eadithe und
Adive, nach Coͤln, begleitet von feinem Kanzler Zhurketul, dem
‚Vetter des Königs, Sohn AÄthelweards, einem Manne welcher
weltlichen Freuden und dem Genuffe großer Erbgüter nicht.
vergeblich entfagte, um auf feinem hohen Poften durch Gedan⸗
ken der Weisheit und Froͤmmigkeit den Rath von vier Koͤni⸗
gen zu leiten, Edwards und ſeiner thronfolgenden Söhne ).
Eadithe wurde dem Otto zu Theil, Adive erhielt ein Fuͤrſt und 930.
angeſehner Beamter des koͤniglichen Hofes, welcher uns durch
die Lage feines Landes neben ben Alpen bezeichnet wird ’):
Bu Eadithes Morgengabe gehoͤrte die Stadt Ragdeburg. Sie
1) Contin. Rheginon. ad a. 930, Wittekind 1.I ver leid
Ditmar, Sigebert von Gekublours u. %. fie irrig die Tochter
Eadmunds nennt. Das richtige Jahr hat auch Annal. Saxo. Alſo
weber 932 wie Turner, noch nad 936 wie Eingard buch Ins
gulph ©. 87 irregeleitet worden. Edithas Sohn, Lubolph, war bei
ihrem am 26. Januar 947 erfolgten Tode ſechzehn Jahre alt. Witte-
kind 1. III. Luitprand, de reb. gestis imper. et reg. 1. IV. c. 7.
‚der jedoch fie irrig Digit, bie Tochter eines Bruders bes Könige ütheh
ſtan nennt.
2) Sngulph hat über ihn, da er hernach Abt bes Kloflers Eroys
land wurde, wo er auch im 3. 975 flarb, viele Nachrichten. |
8) Ingulph. 38, Malmesb. II, 5. 6. Gollte kein Geſchicht.
fchreiber, eine Urkunde mehr uns ben Schwager Dttos nennen? Dies
fer kann Fürft zu Burgund, Lenzburg, Kyburg gewefen fein. Wiek
leicht koͤnnten Urkunden ober Nekrologien bes Kloſters Einſiedeln barüber
eine Nachweiſung enthalten. Roſwitha gebenkt such ber Adive als ber
jüngeren Schweſter namentlich.
—
378... Dritte Abtheilung..
Iabta über. fechbychn Jahre sihüch an den ie det bene
beutiche Könige, und: hinterließ ihm ringe. Sohn, Zuhalf, (al:
Ger jedoch, dem Mater Dash deſſen zweite Che entfremdetn ung
den ſelben ſtarb) ſowie win: ſegensreiches Andenken ihres Tu⸗
genden, welches auch aus dem weiblichen Munde in Ryſwichat
Verſen vollguͤltig und wohltoͤnend auf die Nachwelt gelangt: iſt.
Die iimaſte und ſchoͤnſte von. Arhelſtansz Schweſtern, EI:
gie, - vecheirathete der Bruder an einen Fuͤrſten, welches von
Dein englifchen Chroniften Ludwig von Aquitanien genannt");
von Neuen für den gleichbenannten König von Nieberburgund
oder Provence gehalten ift?). Letzterer lebte jedoch zu früh
um für den Gemahl der Elgive gehalten zu werben, - und un⸗
fere Unkunde der damaligen Gefchichte Guiemes gibt Leinen
Grund um das Vorhandenfein jenes Prinzen. zu bezweifeln,
wenn wir gleich ſehr die erfoderliche Aufklärung buch fran⸗
zoͤſiſche Hiſtoriker wünfchten, um bie, zweifelhafte Treue der
Berichte über Äthelftan befier zu wärbigen.. |
WBaͤhrend des Königs Macht und Anſehn dureh, feine fie ieg⸗
eeichen Waffen und durch die glaͤnzendſten ‚Verbindungen; in
Europa ſich taͤglich vermehrten, unterließ er nicht durch freige⸗
bige Spendung der eroberten Beute und der ihm zugewandten
Schaͤtze an die Kloͤſter, nicht nur ſeines Landes ſondern ſelbſt
in fernen Gegenden, fuͤr den irdiſchen Ruhm wie fuͤr das ewige
Heil unermuͤdlich zu ſorgen. Kynewold, Biſchof von Worce⸗
ſter, wurde von ihm mit reichen Gaben an jene angelſaͤchſiſche
Kirche Helvetiens, oder das Scotenkloſter zu St. Gallen und
an benachbarte Kloͤſter abgeſandt und Äthelſtan in die geiſtliche
Brůuͤderſchaft jenes Kloſters dankbar aufgenommen ).
Doch keine Verdienſte und Feine Anſtrengungen vermochten
den gefahrbringenden Mafel zu vertilgen, welcher feiner Geburt
1) Guil. Malmesb, und nach ihm Ingulpp,
2) & auch Schmidt (f. orig.‘ guelfic. IV, 891 sq.), etcher
Abive md Elgive für dieſelbe Tochter Eadwards hält und auſſerdem
die chronologiſchen Bedenklichkeiten nicht beſeitigt.
8) ©. J. v. Müller Geſch. der Schwein BL Gap. 1, ber in
Note 269 eine bandfihriftiiche Urkunde Athelftans v. 3. 929 anfuͤhrt.
Den ‚Gig des Bischofs Ceonwald habe ih aus Flo rent. ad a, 929 m.
957 und Guil. Malmesb. de gestis pomtific. beftimmt.
Bon Anfang bee 9. bis Anfang des 11. Jahrh. ss
in den Augen feinen altglaͤubigen vandeleute anklebte, malt
welcher. durch die Benruͤhungen ihn auszumerzen nur noch
groͤßer wurde. Des AMteſte Sohn. 3: ſeines Vaters zweiter,
unbeſtritten aͤchter Ehe, CEadwin, hatte die Jahre dei. Maͤnn⸗
lichkeit erreicht, und jugendliche. Umbefonnetihelt; bie Liebe des
treuen Bolkes oder zus die raſtloſe Furcht des Uſurpatots
veranlafften den Verdacht, daß er Gedanken der Herrſchaft
naͤhre. Er reinigte ſich von den Anſchuldigungen durch einen
Eid welcher aber dem, ber. felbft mit Worten und Begriffen
ſpielt, nicht. mehr heilig iſt. Athelſtan ließ” den gefuͤrchteten
Bruder ergreifen und mit ‚einem einzigen Gefährten auf : einem
zerbrechlichen Kahn zur See ausſetzen. Dieſer, den ſtirmenden
Wellen und ber Verzweiflung preiſgegeben, fluͤrzte ſich ns
Meer; ver. beſonnene treue Begleiter konnte ibn. nicht reiten,
brachte aber bie Leiche auf jenem Schifflein, mit. ben Füßen
fortrudernd, nach Whitſand an der franzoͤſiſchen Käfte '). ‚Wie
ſeltſam auch diefe Aodesart erſcheinen mag, welche ben Richter
ver Gefabr der Rache des Geretteten bloßſtellt, ſo liegt ſie
doch im Geiſte einer Zeit, welche den Gottesurtheilen ſo Vieles
anheimſtellte, die, zur Milderung roher Sitte beſtimmt, zugleich
- auch Den Moͤrder unter dem Mantel der Gerechtigkeit und Ve⸗
ligion -erhalten konnten). Athelſtan empfand. oder heuchelte
viele Scham über ben Frevel leidenfchaftlicher Herrſchſutht; fies
benjaͤhrige Reue ſollte den Wurm ertoͤdten, welcher an feinem
Herzen nagte, und der uͤbereilte Scherz feines Mundſchenken,
welcher ihn an die gem vergeſſene That mahnte, koſtete dieſem
das Leben’)
—X fuhlte um r mehr das Beblruiß, bie Rube im
| 9 Chron. saxon. Chr. Mailros. ad a. . 983, Hear. Huntend.
berichtet nur Eadwins Tod dur See. Simson Dunelm. den Mord.
a Malmesb. die weniger zuverläffigen naͤhern Umſtaͤnde.
So in der Erzaͤhlung von Atheldrythe, Offas Königin, vita Of
el pP. 12 von Biden dem Mörder kothbroks. Bromton. ad a, 808,
5) As der König mit einem Fuße flolperte, fügte er ſich ſchnell
auf den atldern, der Schenk rief ihre zus fo Hilft ein Bruder beim ans
dern! — Daß berfelbe Vorfall in Cadwards des Bekenners Leben wieder
erfcheint, beweifet wenigſtens nicht, das er fich auf gar Nichte gründe.
\
3 . . Diitte Abtheilung.
Imern ſeines Reiches zu ſichern, da er ben Sturm ſich zu⸗
ſammenziehn ſah, welcher ihn vom Norden her bedrohte. Im
Herbſte des Jahres 934 war Conſtantin, ber König oder, wie
er in feinem Verhaͤltniſſe zu feinem englifchen Lehnoherrn ges
nannt wurde, der Unterfönig von Schottland, noch auf einem
Gemote der englifchen Wittigften zu Buckingham; nach feiner
Rückkehr brach die Empörung aus. Eocha Owen, Eugenius)
war damals König von Cumberland, in, Folge. einer Verfuͤ⸗
gung Gonftantind, welche dem präfumtiven Erben. oder Tanai⸗
ften der fchottifchen Krone bis zu deren Erlangung Cunlber⸗
land übertragen hatte. Er vereinte fich mit diefem, um für
fein gegenwaͤrtiges und fein künftiges Reich zu fechten. Doch
Athelſtan drang mit feinem Heere ſiegreich in das innere Land
vor; feine Flotte trieb die feindlichen Schiffe bi zum Borges
u birge Gaithneß und verheerte die dortige Gegend. Konftantin
unterwarf fi aufs neue dem Könige von England, dem ex
feinen Sohn als Geifel mit großen Geſchenken fandte, worauf
der Friede hergeftelt wurde und Äthelſtan nach Weſſer zu:
ruͤckkehrte.
Athelſtans Aufmerkſamkeit wurde jetzt maͤchtig auf Frank⸗
reich hingezogen. Die Bretons hatten ſeit mehrern Jahren
fſich beſtrebt das Joch der Normannen abzuſchuͤtteln, und Ead⸗
wards Pflegling Alanus kehrte, mit Äthelſtans Genehmigung,
in feine Heimat zuruͤck). Die erſten Verſuche die Unabhaͤn⸗
gigkeit ſeines Vaterlandes herzuſtellen erſchienen weniger guͤn⸗
ſtig. Doch der im J. 936 erfolgte Tod des Uſurpators der
franzoͤſiſchen Krone, Rudolfs, gab den Angelegenheiten Frank⸗
reichs eine andre Richtung. ÄAthelſtans Neffe, der Sohn des
fhon feit dem Jahre 929 verftorbnen Karl des. Einfältigen,
Ludwig ber Überfeeifche, wurbe von ben vereinten Großen Frank:
reichs durch eine Gefandtfchaft, an deren Spige der Erzbifchof
von Send fland, zurücdgerufen. Äthelſtan felbft hatte biefen
entfcheidenden Schritt veranlafft, durch feiie an den mächtigen
Herzog der Normandie, Wilhelm I., entbotnen Gefandten und
1) Chron. namnet. 'apıd- Bouquet VII, 876. Britones a
transmarinis regionibus Alstani regis praesidio revertentee. Pro-
doard. ad a. 996. Ibid.
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11, Jahth. 3
übermachten Geſchenke). In Äthelſtans und Eadgives Hände
wurde der Eid ber Franzoſen abgelegt; Ludwig ſchiffte mit
ſtattlicher Begleitung nach Boulogne und wurde dald zum Ko⸗
nige gekroͤnt?). Äthelſtan verließ feinen Neffen nicht und trug
durch kraͤftige Unterflügung dazu bei, ihn auf dem ſchwankenden
Throne zu befeſtigen, welchen. fein Schwager, ber. deutſche Otto;
welcher. in demſelben Jahre mit Ludwig den. Thron beftiegen
hatte, und Hugo, welcher nach: dem: Tode ber; Ethilde ‚eine
Schweſter Dttos, Hebmig, geheirathet hatte; ‚mit: vereinten Waf⸗
fen: angriffen ’). Wahrſcheinlich waren englifhe,Krieger gegen⸗
waͤrtig als Montrenül erobert: wurbe;. bie. Dort. gefangne. (Bes
mahlin ded Grafen Herluin wurke dent: Könige Äthelſtan -ges
fandt. Seine Flotte. unterſtuͤtzte auch im folgenden Jahre die
Anhaͤnger Ludwigs an den noͤrdlichen Kuͤſten Frankreichs, bock
mit geringem Erfolge. "Bald indeß ſah AÄthelſtan feinen Neffen
durch die Heirath mit. einer andern Schweſter Ottos, Gerberge,
938.
der Wittwe des eben verſtorbnen Giſelbert, Herzogs von Loth⸗
ringen, auf dem Throne Frankreichs geſichert und: ber Ausſicht
auf den⸗ Beſitz Lothringens bingegeben, diesiäle <ausch: Alanuß: in
- feinem Herzogthum ſich bifefligte ). : Die Koͤnigin Mutter
Eadgive wird fpäter, wegen einer unbefonnenen Heirath mit
Heribert, dem Grafen von Vermandois, genamt.
‚Die Theilnahme Äthelftans an den emäpdtichen: Welttir⸗
deln wurde von den beſiegten, aber nie gedemuͤthigten Feinden
im Norden der Inſel fuͤr ihre Zwecke nicht ungenutzt gelaſſen.
Ein Sohn des zu Anfange von Äthelſtans Regierung aus
Northumbrien vertriebnen Sithrik , Analav, welcher damals
bei den Oſtmannen oder Daͤnen in Irland Aufnahme und Un⸗
terſtuͤtzung gefuden, hatte die Hand der Tochter ng |
1) Bouguet un, 304. Hugo Floriae.. ma 810. Guil,
Gemetic. II. c.
2) Chron, — Chron. verdun. wia. 237. 290. Fro-
doard. IV. c. 26. Ä ..
5) Frodoard. ad a. 938. 9.
4) Id. ad a. 951.
5) So Malmesbury. Ingulph, p. 37. Nicht Buthferths
Sohn, wie Palgrave II, 817 meint.
382 I Deitte Abtheilung.
von Schoitland) erhalten. Durch dieſe Verbindung muffte
dee Plan: eines daͤniſch⸗ northumbriſchen Reiches, welches fir
Schottland wie Tür: Cumbrien eine, treffliche Schutzmauer Ihrer
Unabhaͤngigkeit gewähren konnte, ſich faft nothwendig geflalten.
Es bildete fi eine: umfaſſende Bereinigung der Dänen in Eng
land und’ Idand mit den Schotten und ben ihnen: verwandten
Meichen gegen Äthelſtan. Mit 625Schiffen langte Analav aus
Irland auf dem Humber anz et —— ſich der Stabt
York wie einer väterlichen Erbſchaft und vereinigte ſich mit
feinem Schwiegervater Conſtantin, Owen von Cumberland, und
vielen anbern Sixften ber verbaͤndeten Stämme: Doch Athel⸗
ſtan, welcher durch. Unterhandlungen den Gegner zu täufähen
verſtand, benugte‘ bie: dabusch genmunnene: Seit, um bemfeiben
bald mit einer wohlgeruͤſteten Macht gegenhberzuftcht. Analavb
Muth umd Sthlauheit mufften von feinen Gegnern anerkannt
werden. Gr Fri: ſich in dad. Lager Üthelftans als: Harfuet
verkleidet: und erkundſchaftete deffen Stärke und Vertheflung,
während er von den buch : fein Spiel erfreueten Angelfuchfen
Lob; :Speife und· Gold aͤrndtete. Gold ter. Gunſt feine obs
feinde zu Danken, Widerte den Wilingen fo. ſehr ‘er; daß et
A Im deren: Augeſicht es indie. Erde verfcharste. Hier er⸗
kannte ihn ein Daͤne, ber emfl:ıinter-ihm gefochten; jetzt abi
Dein Koͤnige der Angelfachlen: den Ed der: Treue geleiſtelhatte.
Bein Gewiffen entſchied dahin, daß er jenen entfllehen laſſen, Athel⸗
ſtan aber son. der drohenden Gefahr. unterrichten ſolle. Diefer
folgte der MBärnimg, verließ mit den Benigen fogleich bad
Lager, in welchem eine in der. Nacht, unter Anfuͤhrung des
Biſchofs von Shireburn, zufällig arigelangte Schaar von Ans
gelſachſen von: den. Rormannen erſchlagen am folgenden Mor⸗
gen gefunden wurde.
Zwei Tage darauf ereignete fich die Sqlacht bei Brunan⸗
burg in Nothumberland, eine der gefeiertſten des Mittelalters,
in welcher die ganze Kraft des Haſſes zwilchen den entgegen
ftehenden Nationen fich entlud, und die Überlegenheit der Kriegs⸗
kunde und Kriegszucht bei Angelfachfen den Sieg davontrug.
1) Alſo deſſen Schwiegerſohn, nicht Schwager, mie Balgravı |
0.0.0. |
>
Bon Anfang des 0. bis Anfang des 11. Jahrh. 388
Die engliſchen CEhroniſten vermögen nicht ſich zur einfachen
ꝓroſciſchen Erzaͤhlung herabzuſtimmen, wenn fic von bem. Waß⸗
fenruhme dieſes? Tages reden, und haben uns merkwürdige
Leder von den Heldene Rthelftan und Cadmund, ſeinem Bru⸗
von; eehalten ). Fünf Könige, unter denen: Eligenius, ein Use
turtönig: von Deira,; genannt wird, ſieben Jarle der Daͤnen und
Ihrer Verbuͤnbeten fielen, auſſer unzähligen Kiegsvolle; unter
Yrin war ein Sohn Gonſtantins, welcher‘ den tapfern Kanzler.
Daurketul, der din Bingen: won Bonbon anführte, esfchlug-. - Gons
fenem:ferbft anib.:Andian-flohen zu den Schiffen ). Ahelſten
verlor unten den Sefalinen feine: "beiden: Wettern Äkwin und
Daorketuls Bruͤder. Keinr groͤßeres Schlachten fiel
auf: at: Inſel ahri,; ſagt der. angelfichfiiche: Dichter, Mn
jend glänzenden: Wilegasfihmiede, die Angeln und Sachfen, uͤber
Bid breite. Gerd Zkumen um Beitannien aufzufuchen.. Dürfen
‚wir, was jedoch noch enigen MDedonklichkeiten unterlirgt ſcan⸗
diciaviſche Sagen auf vie Schlacht bei Brananburg beffchen,
ſo waren einige: nordiſchr Condottieri Eigil und. * in
Rthelſtans Soldrgetreten und hatten, dubch Vernichtung er
Slander au helcauig ves Slegrs bedeutend beigetragen * |
2 55 IT
* 44) Chran. naxop.,ad! 8.388, Sugsam' hat die Bitgetsbe: PR
dem Veremaße ahdfucken laſſen, Erlaͤuterte und ſehr berichtigt find, Text
Hab. Überfegung. Bon Price: in, feiner Ausgabe von Wharton. history
of’english poetry. 1834. T. I. p’LXXXVI-CH.
2) ©. atödrüdiih Florenz. Vgl. saxon. chron. Dis Konftanz
tin und zwölf Jarle fielen, iſt eine Nachricht ber fpätern Wilhelm
von Malmesbuty und Ingulph. Vgl. auch Fordun IV. c. 22 -
et 23, Der Name des Rormannen Froda iſt ein ſchon von Hei nrich
von Puntingdon verſchuudeter Überfegungsfehler des dem Konftantfn
gegebnen Epitheton: se froda, der Weife. Auch aus hilderine, Krieg,
bat der Eine einen Eigennamen gefhaffen, der Andere eine neue angel
ſaͤchſi ſche Kriegsgottin Hilda gedeutet. Auch gegen den alten Inwodd
bei Ingram iſt zu warnen; der Betrüger — denn Nichts anders iſt
inwidda, inwittä — hat duletzt den Überfeger betrogen. Vgl. Prite
a. a. O.
—5)7 ohnstone antig. celto - seandicae. Die Ausgabe ber
Eigils Saga (Ausgabe der arna=magnatfhen Commiſſion. 1809. 4.)
P. E. Müller GSagabibliothel. I, 109 fg. Die obige Angabe über
Brlutaxt hat auch Shorre in ber Gage von’ Hakon dem Guten Cap. 8
u. %, fowie zorfär us (hist, Norweg. 1. IV. c. 7.) &ufgenoimmen.
36 0. Dritte Abtheilung.
Duͤrften wir derfelben Egilsfage unbedingten Glauben fehenten,
ſo waͤre einige Zeit vor jener Schlacht. der aus feinem: Reiche
vertriebene König von Norwegen, Erich Blutart. ober. der Bru⸗
bermörber, Haralds mit ber:fchönen Hewa Sohn ,: von. Achel⸗
fan mit. Northumberland : belehnt, um es gegen die Schotten
a vertheidigen. Doc theils ſchweigen hier alle engliſchen
Nachrichten, theils ſcheint ein um ein Jahrzehnt juͤngeres, bald
zu erwaͤhnendes Ereigniß unter. Kthelftans:. zweiten Nachfolger
bie Übertragung auf feine Regierung veranlafft: zu:haben. Wenn
jedoch der längfiverflarbene Rollo, Herzog von-her Normandie,
unter den Verbündeten Äthelftand bei dieſer Schlacht angeführt
wird"), fo erkennen wir. wieber, wie die. Geſchichte noch immer
von der Sage: beherrſcht wird. Der⸗ Erfolg bed Sieges war
unzweifelhaft, und Athelſtan gendoß der Ruhe, feines. Reiches
und der Verbreitung feines Ruhmes noch: mehrere Jahre KR
an bad Ende feiner. nicht. langen Hereikhaft.:. .. ur mc
Er ſtarb ſchon im 3. 940 27. October ). Wir zrfahnte
über ſein Aufferes, daß er nicht fehr groß war und die blon
den Locken der. Sachen mit Goldfaͤden zuſammenhielt. Muth
und Sreigebigfeit ‚zeichneten ihn ſehr aus; Eigenſchaften welche
nie. verfehlt haben die Liebe bes Volles und der Kleriſei zu
gewinnen. Beine unechte Geburt fowie bie. feiner Herefchaft
gemachten Befchulbigungen wurden vergeffenz jene um fo eher;
da er Feine Söhne hinterließ auf weiche er fine. Krone hätte
vererben Fönnen. | |
940, .
Theodorich (de regib. Norw.) fagt nur, Bub. er. nad) feiner. Ver
treibung ad Angliam navigavit et, arege honorifice susceptus, ibidem
diem obiit. Nach dem auf feinen Tod, auf Befehl der Königin Guns -
bild, verfafften Ehrengebichte (drape), fiel er auf einem Wilungszug
gegen England. ©. Torfaeus L IV. c. 10, Müller a. a. O. I,
875. Langes Helbenfage 866.
1) &o noch Turner. Rollo flach Im J. 917. ©. Flarent.
Wigorn. Orderic. Vital. Robert. Wace Roman de Rou.
2) So Florenz, Malmesb., Simeon, Mailros., nicht 94
wie chron. saxon., dem Palgrave folgt; eine Jahrzahl welde nicht
einmal mit der gleich folgenden Angabe über die Regierungszeit Äthelftang,
14 Sabre und 10 Wochen, übereinftimmt. Der Todestag findet ſich
auch im calendarium der merfeburger Kicche, woraus auf eine abnuche
Berbiadung wie mit St. Gallen zu üſchueſſen iſt. | "
Bon Anfang-bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 385
Xhelftan hatte nicht verfäumt während feiner Kriege und
ausgedehnten Verbindungen für die innere Verwaltung bes
Landes zu forgen und gewiß nicht verfannt, daß auf dieſer
die vorzüglichfte Kraft des Reiches beruhe. Wir müffen feiner
Geſetze bier um fo mehr gedenken, da fie nicht, gleich denen
der meiften feiner Vorgänger, Niederzeichnungen alter Gewohn⸗
heitörechte enthalten, fondern neue Verfügungen, welche zur Auf:
rechthaltung der alten Ordnung gefchaffen wurden und daher
ein ſehr anfchauliches Bild vom damaligen Zuflande des Lanz
des geben. Die vielen Kriege und die Vermifchung mehrerer
wenig befreundeter Stämme hatten Ungefeglichleit und Unorb>
nung hervorgerufen, in welcher Verweigerung der Steuern, Ar⸗
muth, Raub und PVerwahrlofung der Rechtöpflege übers
_ handnahmen. Die Entrichtung des Zehnten, des Seelen⸗
ſchatzes fowie des Pflugalmofend muſſte dringend eingefchärft
werden, und der König gebot fie „bei feiner Freundſchaft“. Die
Unterlaffung derfelben follte wie ein Vergehen gegen ihn felbft
‚geahndet werben. Xthelftan verfügte die Verpflegung verarm⸗
ter Engländer auf feinen Domainen und betrieb die Auslöfung
derer, welche wegen Schulden und Vergehungen der Hörigkeit
heimgefallen waren. Den Bann (die Bannmtile), wodurch
ſein Vater den Handelsverkehr in die Staͤdte gezogen hatte,
—
ſchaͤrfte er neu ein und ſorgte durch Verfuͤgungen uͤber das
Muͤnzweſen und den gerichtlichen Beweis im Handel zunaͤchſt
für das ſtaͤdtiſche Gewerbe. Die Wiederherſtellung und Erhals
tung der Befefligung, die Züchtigkeit der Waffen, die Sorge
für Kriegsroffe wird durch mehrere feiner Geſetze bezwedt.
Doch die meiften Bemühungen erfoderte die große Zahl von
herumtreibenden Leuten, welche weder Eigenthum beſaßen noch
einen Herm und Schuß hatten, denen alfo die beiden Bedin⸗
gungen, unter denen ein Laie allein dem Staate angehörte,
fehlten. Diefe gebot er ihrer Magenſchaft, den ſie verbuͤrgen⸗
den Verwandten, im Volksrechte einem beſtimmten Schutzherrn
und Vertreter zu unterwerfen, durch welchen der Staat die
Gewaͤhr erhielt, daß jene den Geſetzen und Gerichten ſich ſtellen
konnten. Hiemit nahe zuſammenhaͤngend wurde das Verfahren
gegen die des Diebſtahls, welchem das Vagabondiren faſt
gleichbedeutend erſcheint, Beſchuldigten geordnet; 3 zugleich
gappenberg’ 8 Geſchichte Englands 1. 2
f ’
386 | Dritte Abtheilung.
auch ben Misbraͤuchen oder dem Unverſtande der Sqchubherren
vorgebeugt.
Eine Folge dieſer geſetzlichen Anordnungen waren die en⸗
gern, auf der alten Geſammtbuͤrgſchaft beruhenden Vereinigun⸗
gen, welche von den Einwohnern bed Landes zum Schutze des
Eigenthums und zur Wiedererlangung des Entwandten unter
einander eingegangen wurden. Wir beſitzen das Statut der
Friedgilden ) zu London, welches unter Beziehung auf aͤltere
Vereinigungen und mit willfommner Audführlichkeit belehrt, mit
welcher Strenge die kleinſten Diebftähle, wenn auch von Kna⸗
ben von nicht mehr ald zwölf Jahren begangen, fireng beſtraft
wurden, wie, um und nach heutiger Weife auszudruͤcken, eine
Verficherungscäafle unter den Zriebgildegenoffen beftand, um ben
Schaden der Beflohlnen zu erfegen. Der freien Lanbbefiger
waren je zehn Männer. näher vereinigt, denen von den Hins
terſaſſen derſelben einer beigefügt wurbe, um in. Deren Namen
zum Vortheile Aller mit jenen zu berathen. Die Gildegenoflen
vereinten fich, die hohen Beamten und Freien monatlich, wenn
fie wollten, die Hinterfaffen und. ihre Witan oder Deputicten
jährlich im Herbite zu gemeinfchaftlichen Gaftmahlen, Deren
liberzefte den Armen gereicht wurben. Alle waren zu jährlichen
‚Beiträgen fowie zu gewiffen Spenden für bie Seelenmeſſen
der verftorbenen Gildebrüber verbunden. In Zällen entwand-
ten Eigenthums foderten fie den Gerefen ihrer Shire zur
Aufſtellung ber etwa noch erfoberlichen Mannfhaft auf, ver-
folgten mit dieſer auf ihren, Hoffen den flüchtigen Dieb, und wenn
dieſer fh in die angrenzende Shire flüchtete, fuchten fie da⸗
felbft ähnliche Rechtsverfolgung bei den dortigen Gerefen nach.
Die Hälfte des Vermögens des überführten Diebes fiel, nad
Abzug des Erfaged für das geftohlne Gut, zur einen Hälfte
an den König, zur andern an die Gilde. Der Zweck der
Gilde wor faft in denfelben Worten ausgedruͤckt wie der ber
geſammten Rechtögenoffenfchaft des Reiches, an beren Spike
König Eadward fland?), „in einer und berfelben Freundſchaft
1) Judie. civitatis london. wo fie ſich im Prodmium und Art. VIIE
$. 10. diefen Ram geben.
2) Leg, Eadwardi. Concil, exon. $. 2.
Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 39%
und Zeinbfehaft zu leben,“ und bewaͤhrt ſich fo al eine nm
anders angewandte Darſtellung ber gegenfeitigen Rechtsduͤrg⸗
ſchaft, welche bei fortichreitender Cultur weniger auf den alt
väterlichen Familienbanden ald den zw deren Grfag in den
‚Städten erfhaffenen neuen Vereinen, Gilden oder Hanſen bea
ruhten. Bei allem Dunkel, dad in einigen Stellen jener zus
nächft auf den Schuß der Heerben berechneten Statuten herrſcht,
verdienen fie unfere Aufmerkſamkeit als eines der älteften Gilbe⸗
Katuten, auf denen bie ariſtokratiſche Stäbteverfaffung fih fpds
ter weiter ausbilbete, und daher ald einer der wichtigften und
älteften. Belege der Autonomie ber amgeljächftfchen Staͤdte
(bye-laws) '). Das Jutereſſanteſte im jenem Inſtitute winde
jedoch ſcheinen, wenn miſere in dem umſichern Texte gewagte
Erklaͤrung fich bewähren ſollie, das Verhaͤltniß der Hinterſaffen
und ihre Repraͤſentation im Rathe deu flimmfähigen Adligen
und Freien. Dieſe Erlaͤuterung widerſpricht andern bei Erde
terung der aͤlteſten Laͤnderverfaſſung zu erwaͤhnenden Nachtich⸗
ten nicht, wuͤrde dagegen auf auffallende Weiſe nicht zur
Nechtfestigumg, aber zur Erlaͤuterung einer vielbeſprochnen Gage
dienen, nach weicher die englifchen Burgen Bud Recht, Depu⸗
thrte in das Unterhaus zu ſenden, auf Hreibriefe des Koͤnigs
Kipelfian, namentlid auf einen der Stadt Beverley nach der
Scchlacht von Brunanburg erteilten, Kinaufleiten. Und fo bes
währte es fich auch: hier, daß die wirkliche volPsthämliche Sage
nur der richtigen Deutung bedarf, um nieht zu lehren, als fie
auf der Gtirme trägt; gleihwie des aufrichtigen Dienfchen
Einfiht und Wille ſtets beffer find, als bie unvollkommene,
ben Begriff irreführende Sprache bem bloßen Gehöre ihn
darſtellt.
| Eadmund. |
Bei Kthelſtans Tode hatte König Eadwards lebender ds .
teffee Sohn, aus feiner Teßten echten Ehe, das männliche Al
ter, ber Atheling Eadmund, deſſen Mannheit ſchon vor drei
Jahren in der: Schlacht von Brunanbarg?) vos ben Augen
1) Bgl. Wilda Gildeweſen S. 246, Palgrave I, 197.
2) Man darf es wohl nicht zu gem ahnen, wenn earon. saxon.
233%
388 Dritte Abtheilung.
feines Volles bewährt war. Die Angelfachfen leifteten ihm
. willig die Eide der Treue, gelobten zu lieben was er liebe, zu
haſſen was er haffe. Den Erbfeinden des Reiches aber, den
Schotten und Dänen, welche nur Äthelftand gefürchtetes Schwert
zurücdgehalten hatte, bot der Übergang der Krone auf ein
jugendlihe® Haupt eine willlommene Gelegenheit zum: Auf
flande, in. der Anftcht der in Northumbrien anfäffigen Dänen
vielleicht zur Zuruͤckrufung des rechtmäßigen Herm. Analav
ward aus Irland von bdiefen zuruͤck und ald König ber
Northumbrier ausgerufen‘). Die Dänen in Mercien und vers
muthlich auch die in Oftanglien —* ſich gleich dem Herr⸗
ſcher ihres Stammes an, und es gelang dem Koͤnige Ead⸗
mund ſehr langſam auch nur in einem Theile der abgefallnen
Laͤnder anerkannt zu werben. Hatte doch fogar der Erzbiſchof
von York, Wulfftan, in der eigennüßigfien Politif, welche die
Anhänger feiner Kirche gern verfchwiegen haben, dem heibni-
ſchen Könige ſich angeſchloſſen?). Bei Zamworth in Mercien
943. erlitt. Eadmund eine ſchwere Niederlage. Doch gelang es ihm
endlich mit der altwäterlichen Zapferkeit ſich Merciens und der
wohlbefeſtigten dänifchen Fünfftädte (Derby, Lincoln, Notting:
ham, Stamforb und Leicefler) zu bemächtigen. In letzterer
Stadt /hatte er fchon Analav und den treulofen Erzbifchof ein: .
x gefchloffen, welchen es jedoch gelang nächtlicher Weile zu entfliehn.
Unter Vermittlung der Erzbiftöfe von Canterbury und York
(jener Ddo genannt, war der Sohn eines Dänen, welcher- zu -
Alfreds Zeiten gegen England gefochten hatte) ’), Fam ein Ver:
trag zu Stande, vermöge deſſen Eadmund dem dänifchen Fürs
und andere Chroniften ad a. 941 ihn als circiter XVIIL. annorum bei
feiner Thronbeſteigung angeben. | -
1) Florent. ad a. 941.
” 2) ©. saxon. chron. ad a. 948 in der cottonifchen Handſchrift
bei Ingram. Die übrigen Handfchriften, fowie andere Ehroniften, und
neuerlich der Katholit Lingard, verfchweigen was ſich nicht bemän-
teln laͤſſt. gl. Guil. Malmesb. de gestis pontific. 1. HI., welcher
von Wulfftans Beftrafung durch Eadmund erzählt, welche rbec erſt von
deſſen Nachfolger unternommen iſt.
. 8) Guil. Malmesb. de gestis pontific. lI. J.
x
® - . \ | . | .
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 889
ſten das Land oͤſtlich von der Watlingſtraße abtrat ). Analav
nahm das Chriſtenthum an, worin ihm auch Reginald, ein
Bruder Analavs, Sohn des Sithrik, und der jüngere Analav,
Gutferths Sohn, folgten. Der Altere Analav erfcheint um dieſe
Zeit nicht Yänger ald Gonftantind Schwiegerfohn und fol Als
bitha, die Zochter feines treuen Rathgebers, des Jarls Orm,
fi vermählt haben?). Doch bald nach dem Vertrage mit
Eadmund ftarb jener, und mit dem Schreden feined Schwers
tes verfchwand die ganze Macht, welche feit Athelflans Tode
den Engländern wiederum fo unbeilbringend gewefen war.
Reginald und der jlingere Analav wurden nunmehr von Ead⸗
imund vertrieben, welcher nach zwei Jahren wieder ber Her
der abgetretenen Länder ward. |
Noch glüdliher wurde Cadmund im folgenden Jahre, als
er, von dem Heere des benachbarten Königs Llewelyen von Des
metia unterflügt, den Sohn, des langiährigen Feindes feines
Haufes, Owen (Eocha), Königs von Cumberland, Dunwalloen
(Dondeall, Donald), König von Stratheiyde, angeif. Er be:
fiegte ihn, gab jedoch Eumberland dem frühern Lehnöheren deſ⸗
feiben, damald Malcolm I, dem Sohn des nach der Schladht
von Brunanburg in ein Klofter zurüdgezognen Conftantin IIL
von Schottland, unter der Verpflichtung des von England zu
Waſſer und zu Lande im Kriege zu leitenden Beiftandes, zus
ruͤck; wodurch fowie durch’ den.obenerwähnten Umftand der
Auflöfung der Familienverhältniffe Malcolms mit feinem Schwas
ger Analav ed wahrfcheinlich wird, daß Malcolm, erkennend, daß
ein mächtiger Dänenfürft ihn freilich von England trenne ‚fi
nem eignen Lande aber nicht minder gefährlich werden koͤnne,
an ben legten Kriegen gegen Eadmund Teinen Antheil genom⸗
1) Simeon Dunelm. ad a. 939. Chron. saxon. ad a. 942.
- Henr. Huntend. Es ift mir unbegreiflih, wie Turner und Pal:
grave dem Matthäus von Weftminfter in feiner Angabe ohne
Bedenken folgen, daß Eabmund und Analav ſich auch dahin vereinigt
hätten, daß dem Überlebenden das ganze Reich zufallen ſolle. Der Chros
nift des vierzehnten Iahrhunderts übertrug auf den Altern Eabmund,
was wir fpäter von bem Vertrage des jüngern Eadmund mit einem an⸗
dern Daͤnenkoͤnig vernehmen werben.
2) Matth. Westmon, ad a, 940,
300 Dritte Abtheilung.
men hatte. Malcolm verlieh wiederum Gumbrien on feinen
Zanaiften Indulf, welcher dem Eadmund, wie feinen Rachfols
gern, den Eid ber Treue leiſtete und hielt, wie denn in dieſem
ganzen Jahrhunderte das jest erneuerte Verhältniß nicht wies
der unterbrochen wurde‘). Dunwallon, welcher nody breiffig
Sabre lebte, bis er auf einer Pilgerfchaft nach Rom dad Leben
einbüßte, fcheint im Beſitze des nördlichen ober fchettifchen
Strathclyde, das noch mehrere Jahrhunderte ſelbſtaͤndig ſich
erhielt, geblieben und ihm ein Sohn, Anderach, darauf ein
zweiter, welcher ben Namen feines Großvaters mug, gefolgt
zu fein ?),
Eadmunds Leben endete fchon früh durch eine bei dem
Zuſtande des Landes auffallend feltene Gewaltthat. Ein von
ihm verbannter Mann, Leaf, hatte die Vermeſſenheit fich an ber
26. Mai.
gaſtlichen Tafel des Königs einzuſchleichen; aus Zorn bei deſ⸗
ſen Anblick oder auch durch einen Angriff deſſelben auf ſeine
Truchſeſſen gereizt, zudte Eadmund den Dolch auf Leof; die |
fer kam bem König zupor, ber entfeelt hinſank. Eadmund
batte nur fiebenthalb Jahre regiert. Ex war zuerſt verheirathet
mit Elfgive, ber Mutter feiner Söhne und fpätern. Thronfol⸗
ger, Eadwy und Eadgar, einer Frau welder wegen ausge⸗
zeichneter Zugenden der Beiname der Heiligen ertheilt ift °).
'1) Chron. saxon, ad a. 945. Annal. Cambr. ad a. 946. Henr.
Huntend. Malmesb. Forduni Scoti chron. IV, 26,
2) ©. wnten b. 3. 973. Innes ecritical essay p. 802, Annal,
Cambr, ad a. 974, 999, 1015. Simeon Dunelm. ad a. 1018, wo
Eugenius rex (C)Luthensium ein Enkel des Dunwallon fein möchte.
Halgrave (II, 443), der bie Abftammung Anderachs überficht, die
annal. Cambr. nicht Fannte und dem Matthäus von WBeftminfter,
der erzählt, "daß Dunwallons Söhne vom Sieger geblendet wurden, zu
viel Blauben ſchenkt, hat die Trennung jener beiden Reiche unter Eabmund
überfehn. Es bleibt mir felbft noch einiger Zweifel, ob biefer überall
gegen Dunwallon kämpfte, und nicht vielmehr gegen beffen bisher übers
fehnen Bruder Catguocaum, befien Ermordung durch die Sachſen annal.
Cambr. und Brut y Tywysogion b. 3, 950 berichten.
8) Florent. ad a. 955 sanctae Alfgivae reginae fillus. Doch
tft unter einer Urkunde Eadmunds verzeichnet Elfgiva, concubina Regis.
©. Text. Roffens. p. 108. Ihe Zobestag iſt im angelſaͤchſiſchen Kar
tender unter dem 5. Mai verzeichnet. Vgl. Aethelweard IV, 6
—
\
,
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 391
Zur Zeit ſeines Todes war er mit Athelflede von Donerham,
Tochter des Ealdormanes der Wiltſaͤten, Älgar, vermaͤhlt ).
Es haben ſich mehrere geſetzliche Beſchluͤſſe aus ſeiner Zeit
erhalten, welche jedoch hier keine beſondere Aufmerkſamkeit auf
fich lenken koͤnnen. Neue und wohlerwogene Geſetze koͤnnen
nicht das Werk eines ſtets geruͤſteten, jungen Kriegers fein,
und nur als ſolcher iſt Eadmund uͤber die Buͤhne der Welt⸗
geſchichte geſchritten. —
Eadred.
Wegen der großen Jugend ſeiner Soͤhne folgte dem Ead⸗
mund, durch die Wahl der Optimaten, ſein jüngerer Bruder
Eadieb. Maren es Zweifel über feine Wahl oder erfoderten:
bie Vorbereitungen der Krönungsfeierlichkeiten fo viele Zeit, was
wegen der nöthigen Gegenwart entfernter Lehnsleute nicht un:
woahrfcheinlich ift, die Krönung erfolgte erft nach beinahe brei
Monaten zu Kingſton. Auffer den Engländern leifleten die
Fürften von Wales, der von Cumbrien, und Malcolm, der Koͤ⸗
'nig von Schottland, die Eide des Lehnbündniffes. Auch
nortbumbrifche Große erbliden wir um König Eabred m den
erften Jahren feiner Herrfchaft verfammelt. Einige derfelben
fcheinen einen Aufftand unter dem jüngem Analav, Sithriks
Sohne, begonnen zu haben”), welcher indefien fchnell von
Das Räthfel ihrer Geſchichte wird durch eine freilich angefochtene Ur⸗
kunde ihres Sohnes Eadgar, in welcher ſie unter den Zeugen erſcheint,
noch vermehrt. ©. dieſelbe in Monast. Angl, I, 27.
1) Chron. saxon. ad a. 946, 961, welche Stelle bieher uͤberſehn
iſt, ſogar von Palgrave II, 262.
2) Urkunde v. 3. 946 bei Hickes IH. p. 802 nr. 11. Chron,
Mailros. ad a. 947 et 948. Wallingford 541. Chron. saxen., wels
ches hier fehr unchronologiſch iſt, erwähnt der KRuͤckkehr Analavs b. J.
949, zwei Jahre nach der Huldigung bei Taddenscliff und ſetzt feine
Vertreibung ins Jahr 952; Heinrich von Huntingdon lettere in
das vierte Regierungsijahr Eadreds, nachdem er ſchon einmal in Ead⸗
munds viertem Regierungsjahre vertrieben war. Auſſer dieſen Wider⸗
ſpruͤchen und Unwahrſcheinlichkeiten macht das Stillſchweigen der beſten
Ehroniſten, des Florenz, des durhamer Simeon u. A. die Ruͤckkehr
des juͤngern Analavs verdaͤchtig doch iſt ſie an ſich nicht unwahrſcheinlich
392 Dritte Abtheilung. u
| Eadred gedämpft wurbe, und bald darauf ſchwuren ihm alle |
919
\
N
Northumbrier, mit dem Erzbifchofe Wulfitan, ‚zu Taddenscliff
den Eid der Treue!). Bald jedoch verfuchten: diefe fich von
berfelben loszureiſſen, was ihnen nicht mislang. ' Harald Blaus
zahn, der König von Dänemark, faflte den Plan feinen Sohn
Hiring (Hirc, Erich) nad Northbumbrien zu fchiden, um für
diefen dafelbft dad Dänenreih zu gewinnen’). Wir fehen
bier, wie fo häufig, daß die Chroniken der Zeinde nur die Ks
nige nennen, unter denen die Krieger die Einfälle verfuchten,
während die Einheimifchen hoͤchſtens die Namen der Führer
kennen, welche an der Spige der Feinde flanden; demnach aber
jene ebenfo wahr als diefe berichten. Der Sohn des maͤchti⸗
gen Harald wurde von den Northumbriern freudig aufgenom⸗
men; auch der treulofe Bifchof Wulfftan fiel ihm zu, mit dem⸗
felben auch die übrige Geiftlichkeit des Landes. Eadred, nicht
geneigt die bereitd anerkannten Rechte aufzugeben, ruͤckte mit
einem ftarken ‚Heere in Northumbrien ein und verheerte und
brandfchagte es, nach dem Gebrauche damaliger Kriegsführung;
felbft das Klofter zu Rippon, die berühmte Stiftung Wilfrids,
wurde zerftört. Im zweiten Jahre dieſes erfolglofen Zerflös
rungskrieges wollte Eadred fuͤr die Winterzeit heimkehren, als
eine Niederlage, welche die Bürger von York dem. Nachtrab
feines Heeres beibrachten, ihn fehr reiste und ex das ganze
dortige Land wüfle zu legen verfündigte. Diefer Befchluß
fehredte die Einwohner, welche zur Unterwerfung zuruͤckkehrten.
Erich flüchtete in’ eine Wuͤſte, Stänmoor genannt, doch durch
und berechtigt Zurner und Pal grade, nicht zum völligen Isnoriren
der obigen Nachrichten.
1) Chron. saxon. Florent. ad a. 949,
..2) Adam. Bremens. II, 15. Haraldus — in Anglos susm di-
latavit potentiam etc. — Anglia autem etc. Haroldus, Hiring filium
suum misit in Angliam, Qui subacta insula a Northumbris tandem
proditus et occisus est. Xgl. f. g. chron. Erici. Die englifhen Ges
ſchichtforſcher müffen dieſen aͤlteſten Zeugen überfehn haben, wenn fie
einftimmig biefen Erid für den ſchon früher erwähnten Sohn des Ha⸗
zald Daarfagr von Norwegen halten. Das islaͤndiſche Fragment wel-
ches Turner für feine Anfi ht deutet, iſt, wie es fich auch felbft ans
tündet, und namentlich in ber betveffenben Stelle, ein Excerpt aus
Adam a. a. O.
Bon Anfang des 9. bis. Anfang des 11. Jahrh. 398
den DVerrath des fächfifchen Höchgrafen Ofulph ') wurden Erich
und feine beiden Söhne Heinrich und Reginald von einem daͤ⸗
niſchen Begleiter Maccus, Olavs Sohne, getoͤdtet?). Der Kö:
nig wurbe durch neue Eide und viele Gefchenke verföhnt, der
treulofe Erzbifchof entfeßt und in das Gefängniß. zu Whitby
oder zu Jedborough geworfen, erhielt jedoch ſpaͤter das ſuͤdlich
gelegene, von den Dänen entfernte Bisthum Dorchefter. Viele
ber dänifchen Holdas und Adligen wurden in die Gefangen
ſchaft geführt, und die beiden ehemaligen Königreiche Bernicien
und Deira werden, unter Aufhebung der Benennungen ‘und
unter dem Zitel einer Graffchaft (Earldom) Northumberland,
zur Belohnung dem Dfulf‘ verliehen, in deſſen Gefchlechte das
eigentliche Northumberland, fpäter von dem füblichen. York und
dem nördlichen Lothian getsennt, bis nach der normannifchen
Eroberung verblieben ift’). Eine große Anzahl von Dänen
mwurzelte in diefem Lande ein, wie es uns bie Verfchiedenheit
der Ortsnamen und mancher Bezeichnungen politifcher Inftitus
tionen *), erhaltene Sagen und ein Nachklang der Sprache
1) Osulf heahgerefa in einer Urkunde v. 93. 946. Bon andern
northumbrifchen Namen f. Smith Beda appendix 772.
2) Adam L|. Simeon Dunelm. p.204. Florent. Matth,
Westmon. ad a, 950. Lesterer allein nennt die Söhne Erichs. Schon
Turner bemerkt mit Recht, daß unter Heinrih (Crih) und Reginald _
vermuthlih die von Snorro in ber Hakonaſage angeführten Harekr
und Roggnalldr gemeint find, zwei der Könige, welche mit Erich Bloͤdun
in der Schlacht mit Eabmund fielen. &o bemerken wir aud) bier, wie ges _
wöhnlih wo Matthäus andere Nachrichten hat als die übrigen Chro⸗
niften, bei ihm nur ſchlecht angewandte Kenntniß der dänifchen Sagen.
Chron, saxon. fegt Erichs Tod ins Jahr 95%. Auf den Namen Dlav
"oder Analav geftüst, deutet Lingard, mit bei ihm ungewöhnlicher, aber
fodann defto Fühnerer Combination, die oben S. 392: Note 1. nachge⸗
wiefenen Notizen als einen gleichzeitigen Einfall von zwei verſchiedenen
daͤniſchen Heeren, welche ſich einander aufrieben.
8) Bon feinen Vorfahren ſ. oben ©. 363 Note 1.
4) Daß, wie Lingarb fagt, erſt durch Eadred die ben angelſaͤch⸗
fifchen Hundreds entfprechenden. „„Wapentake’' in jenem Lande eingeführt
wurden, ift um fo unmwahrjceinlicher, da in biefem Falle der angelſaͤch⸗
fiihe Name auch wohl mit eingeführt worben wäre. Beine Quelle
(Wallingford 541) fagt nur: duo regna in baronias et comitatus
divisa sunt. a ‚
t
—
394 Dritt« Abtheilung.
leicht bemerklich machen. Die Befeſtigung des wieder eroberten
Gebietes f cheint die ganze Thätigkeit Eadrebs waͤhrend ſeiner
uͤbrigen, im Ganzen nur neunjaͤhrigen, Regierung in Anſpruch
genommen zu haben. Er litt an bösartiger Kraͤnklichkeit, wos
bei eine Schwäche in ben Füßen beſonders bezeichnet wird ').
Einen trefflihen Rathgeber verlor er an feinem Better, Dem
mehrgebachten Kanzler Turketul, welcher ‚gleich nad) Befiegung
Northumbriens der Welt entfagte und in dem in den dänifchen
Kriegen zerftörten, von ihm aber und durch Eadreds Freigebig⸗
keit wiederhergeſtellten Kloſter Croyland in Gottesfurcht und
Werken der Milde, thaͤtig noch als Abt, dem Ende ſeiner Tage
entgegenging (+ 973)%). Ein uns denkwuͤrdiger Zug angel:
fächfifcher Staatskunſt erfcheint bei Erneuerung der Privilegien
biefes Kloſters, wo ber König alles Gefoderte, nur nicht die
Wiederherſtellung des Aſyls des Kloſters bewilligte. |
Eadred farb im 3. 955 am 26. November, vielleicht uns
vermählt, gewiß aber ohne Exben. |
Eadwi.
Einſtimmig wurde von den Wittigſten des geſammten
Englands in Weffer, ſowie Mercien, Eadreds Neffe, ſeines dl:
teften Bruders Eadmund Sohn, Eadwi, ein. Iüngling von
‚ ausgezeichneter Schönheit, zum Könige erforen?). Die Eurze
Regierung biefes unbedeutenden , jungen Fürften iſt durch ein
großes Misgeſchick, welches feine Unbefonnenheiten veranlafften,
audgezeichnetz; Doch noch mehr feſſelt fie unfere Aufmerkfamfeit
faft wider unfern Willen, weil fie einer jener Zummelpläge der -
Geſchichte geworden ift, auf welchem entgegengefeßte Anfichten
über Kirche und Staat. und deren Verhaͤltniſſe ihre Streitroffe,
mit und ohne verfchloffenem Viſir, gegen einander geführt haben.
Während in unfern Tagen die Gebanken der Menfchen
in unfläter Aufregung gern nah mehr Enden ald bie Wind:
1) ©. Turner. Er
2) Ausführlich handelt über ipn Ingulph in der Sefchichte jenes
Klofters.
3) In utraque plebe regum numeros nominaque suppleret electus.
— Cum ab universis Anglorum principibus communi electione unge-
retur et consecraretur in regem. Britferth. I, |, c. IV.
J
‘
Bon Anfang des 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 395
zofe zählt zugleich hinſchweifen, und Fein Gedanke einen Beth
hat welcher nicht durch einer neuen Jacobskittel glänzt oder |
täufcht: fo mar dagegen das Mittelalter-in einer großen Geis
ſtesgilde feft verbunden, um einige wenige, in langjähriger Übers
lieferung gar wunderbar nicht minder verberrlichte als verbuns
Zelte Anfichten zu befeftigen und auszubilden. Daher ergibt
ſich dann die auffallendfte Ähntichkeit, felbft in den großartigs
fien, im Gegenfab zu ihren nähern Umgebungen eigenthuͤmlichſt
erfcheinenden Individuen auf jener Bühne, wo der mächtige,
aber verweichlichte Nachkomme Lleiner nordiſcher Häuptlinge
aus Wodans Gefchlechte/ mit dem oft an Weisheit, ſtets an
Klugheit überlegnen Nachfolger des Bifhermannes und Auffes
hers über die Chriftengemeinde zu Rom ſich plößlic in der
rieſenhaften Geftalt jenes optifchen Zruged einander gegenüber-
flanden, und In dem Wechfelglüde ihrer Kämpfe der damals
enger verbundnen und leichter erfchütterten Welt größeres Irr⸗
fal und Ungemad) brachten, als felbft die fchlimmflen der alten
Tage gekannt hatten, in denen König Egel über dem Haupte
_ ber Eaiferlichen Roma den Stab der Vergeltung gebrochen hat.
Beruhet nun diefer Kampf in allen Ländern auf denfelben wis
berfireitenden Grundfägen und Leidenfchaften und ehren bie
verfchiebnen Kämpfe beinahe in einer ſtehenden Maſke wieder,
fo find bie für einzelne Länder fich ergebenden Verſchiedenhei⸗
ten um fo forgfältiger von ber allgemeinen Ericheinung zu
ſondern. |
Weoenn bie Ahnlichkeit jenes Schaufpiees auch darin ſich
aͤuſſerte, daß es im Anbeginn gewoͤhnlich wie ein Kampf zwi⸗
ſchen Landes⸗ und Geiſtes⸗ Hoheit erſchien, ſo konnte dennoch
in einem Lande, welches wie Britannien in ſeiner alten Lan⸗
deskirche und derjenigen der Scoten einen eigenthuͤmlichen Gei⸗
ſtesreichthum beſaß, die roͤmiſche Überlegenheit nicht ſogleich mif
der Einfuͤhrung der katholiſchen Anſichten, ſondern erſt nach
der Aufloͤſung jener Kirchen hervortreten. Durch die groͤßere
Entfernung weltlicher und aller perſoͤnlichen Beziehungen des
Kirchen⸗Oberhauptes zu ben nordiſchen Koͤnigen muſſten fich
hier die Verhaͤltniſſe weniger raſch geſtalten, als bei den Voͤl⸗
kern, deren Sprache und Recht der Weltſtadt zu dienen nie
aufgehoͤrt hatten und die ſtets, wie fruͤher im Triumphe auf
>
396 . Dritte Abtheilung.
Y
dem Capitole, fo jegt in den Gewölben des St. Petershaufes
die größte irdifche Herrlichkeit verehrten und fuchten. So war
denn in England feit völliger Einflhrung des Chriftenthumes
fein erheblicher Widerftreit zwifchen Kirche und Staat laut ges
worden, und noch weniger waren bereitd ein König und «ein
Geiftlicher als Vertreter zweier entgegengefeßten Syſteme auf:
getreten, welche deren Schickſal durch ihre Fehde wie durch
einen gerichtlichen Zweikampf zu entfcheiden vermeinten. Auch
tönnen felbft wir in König Eadwis Kampfe mit dem Erzbi-
fchofe Dunflan einen in feiner ganzen Bedeutung von- beiden
Parteien wohlbegriffnen Kampf noch nicht erkennen, ſondern
vielmehr nur groͤßtentheils ein Schaufpiel für die müßige
Menge und deren unruhige Leidenfchaften. |
England hatte, fern von dem Mittelpuncte des geiftlichen
Haders, zugleich der nähern Oberaufficht über feine Geiftlichen
und des. Einfluffed wohlberechneter, im Schooße der Kirche ges
gründeter Anflalten entbehren müfjen. Die Misbräuche der
Seiftlichen, welche ſchon in frühern Jahrhunderten erwähnt find,
waren im nördlichen England durch den Krieg, noch mehr
durch den Frieden mit den Normannen heu belebt. Man er
innert ſich des Verfahrens des Erzbifchofs von York und ſei⸗
ner Seiftlichen und zieht vermutblich ben reinen Wobandverehs
rer dem heuchlerifchen Verbündeten des Gößenbienerö vor. Die
Prieſterehe zeigte ſich damals nicht nur der Kirche, fondern
auch. dem Staate gefährlich, da die verheiratheten Prälaten
Durch die Anhänglichkeit an Frau und Kind verleitet wurden
ſelbſt den Abfall vom Glauben zur Erhaltung weltlicher Schäge
zu beſchoͤnigen. Im füdlihen Europa hatte die allmdlig aus⸗
gebildete und verbreitete Negel der Mönche vom Berge Caffino
der größten Veriockung zur Abtrünnigkeit einen Damm entges
sengefegt, und langfam war die Berehrung „es Benedict von
Nurſia und feiner auf dem Gälibate der Geiftlichen und ben
andern Kloftergelübden, der. Armuth und des Gehorfams, beruhen-
den Borfchriften bis zu den nördlichen Provinzen Galliend vor:
gedrungen; doch Wilfrids frühere Verfuche den Klerus auf je
nem Moͤnchsſtande zu begründen, und manches Dahinzielende
was von englifchen Goncilien und frommen Königen verfügt
worden, war theild erfolglos geblieben theils vergeffen.
Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 397
Im erſten Jahre ber Regierung Athelſtans war, aus einem
edlen weftfächfifchen Gefchlechte, der Sohn des Heorſtan und
ber Chnedrithba geboren, Dunſtan genannt’). : Der talentvolle
Knabe wurde in der Klofterfchule zu Glaſtonbury, wo viele
dorthin ausgewanderte Scoten ihren. Unterhalt durch die: Erzies
bung der Söhne angefehner Sachfen ficy erwarben, zu höherer
1) Bon Dunftans Geburtsjahr f. oben &. 60. Note 1. Xuffer
denjenigen Nachrichten über Dunftan, welche fich bei den bekannten Altern
Geſchichtſchreibern zerftreut finden, befigen wir mehrere Biographien
über benfelben.
.a) Adalardi, monachi blandiniensig, eulogiuin. Dünstani, etwa. zwan⸗
zig Jahre nach deſſen Tode abgefaſſt und einem ſeiner Nachfolger,
dem Erzbiſchofe Elpheg, dedicirt. Sie erzaͤhlt faſt nur Wunderge⸗
ſchichten und iſt, da ſie wenig enthaͤlt was nicht in andere, bereits
gedruckte Werke uͤbergegangen iſt, ungedruckt geblieben. Eine Hand⸗
ſchrift des Kloſters Bec wird erwähnt von Papebrod in actis \
Sanct. Maii 19. T. IV, p. 344. .
- b) Britferthi vita 8. Dunstani ift gleichfalls bald nad beffen. Tode
gefchrieben und dem dritten Nachfolger Dunftans zu Canterbury,
Erzbiſchofe Ätfric, gewidmet. Diefe Biographie ift fehr lehrreich.
Gedruckt aus einer Handfhrift des Kloſters St. Vedaſti zu Arras
in actis Sanctor. a. a. D. Zurner citirt ſie gewöhnlich als das
Ms. Cleopatra B. 18 in Cottons Bibliothel.
ec) Vita S. Dunstani, auctore Osberto, gebrudt von Surius.de
probatis Sanctorum vitis. Sit wird in bad Jahr 1020 gefegt. Gie
ſtimmt wörtlich mit dem gleich anzuführenden Eadmer überein, und es
Eönnte der Name Osbert vielleicht auf einem Srrthum beruhen. |
d) Osberni vita 8. Dunstani 1. II, ums Sahr 1070 von einem
Freunde des Erzbifchofes Lanfrant gefchrieben. Sie ift mit der vor:
hergehenden fehr übereinflimmend, doch enthält fie manche lehrreiche
Notizen. Gedrudt in actis Sanctor. a; a. D. und im Auszuge in
Wharton Anglia sacra II, 83. DOsbernus beklagte den Unter:
gang mehrerer Schriften durch ben Brand der Bibliothek zu Can:
terbury im J. 1070, doch benugte er angelfächfifche Überfegungen
berfelben, welche er auffand. >
e) Vita S. Dunstani, auctore Eadmero. Diefer war ein Schüler
des Erzbifchofs Anfelm. Bebrudt im Auszuge bei Wharton a.
0. D. ©. 211 fg. — Man erkennt, welcher Grab von Unparteilid:
keit fi) von ben angeführten Schriftftellern etwa erwarten läfft.
J) Ein Ms. Guilielm. Malmesburiensis de vita S, Dunstasi
‚ arshiepiscopi libri II wird nächflens gebrudt.; S. Cooper
public records II, 164, \
.
3 Dritte Abteilung.
Bildung angeleitet. Eine Kränklichleit, weldhe ber Entwide fi
lung großer Zalente- oft fehr günftig ifk, indem fie bie Abge⸗
zogenhelt von dem abſtumpfenden Geraͤuſche und Zerſplitterung
der aͤuſſern Welt erleichtert und vielleicht das Neroenfoften: zu
höherer Empfaͤnglichkeit anregt, fcheint auf Dunſtan, wie früher
auf König Alfred, günftig eingewirkt zu haben. Durch ange
fehne Verwandte, worunter vermuthlich der Erzbifhof Wulf:
helm, von Ganterbum ’), wurde er fehr früh an den Hof
VLtheiſtans gebracht, doch durch die Verfolgungen des Neides
juͤngerer, durch Dunſtans Hochmuth vielleicht gereizter Ver⸗
wandten, welche ſeine Liebe fuͤr Nationallieder und altvaͤterliche
Geſchichte als Hinneigung zum Goͤtzendienſte und zur Zaube⸗
rei verdaͤchtig zu machen wuſſten?), vom Hofe wieder entfernt
und von feinen rohen Gegnern noch felbft auf ſeinem Heims
wege gemishandelt und in einen Sumpf geworfen. Der Rath
feines Anverwandten, bed. Bifchofs won ‚Winchefter, und eine
neue ihm zugeftoßene Krankheit bewogen ihn fh um Moͤnche
zu beflimmen. Im ber Geſellſchaft einer reichen Matrone aus
koͤniglichem Geſchkechte, ÄAthekflede, brachte er kange Zeit zu,
in welcher er auch die Kuͤnſte der Muſi k und der Malerei
ausbildete, ſelbſt in Metallarbeiten, wie Cruciſixen, Glocken,
Weihrauchfaͤſſern ſich auszeichnete?). Zahlloſe Wunder werden
von ihm berichtet, deren Werth daran zu erkemen iſt, daß als
das erſte derfelben, ſchwerlich ohne den uͤblichen Hinblic® auf
das große Vorbild der Chriſtenheit und das erſte Wunderwerk
des Erloͤſers auf der Hochzeit zu Cana, erzaͤhlt wird, wie. bei
einem Beſuthe Bed Königs und feined Hofes bei Atheiflede und
Dunſtan, die koͤniglichen Mundſchenken das Faß mit Meth, ſo
oft ſee es geleert zu haben meinten, ſtets neu gefuͤllt fanden.
1) Osbern ſagt: patruus suus Athelmus. Diefer Vorgänger des
Wulfhelm ſcheint indeß fchon vor dem Jahre 928 geftorben zu fein.
2) Ex. libris salıtaribus et viris peritis non saluti animazum
" profutura, sed avitae gentilitatis vanissima didicisse carmina et histo- -
riesum. frivelas colere incantationum naenias, Britferth c. 1.
Sy Bel. Britferth, Dobern u. A. Wharten kistory of
english poets (ed. Price. 1824) T. I. on the introduction of lear-
ning into England, p. 139. In Hides Th. J. befindet fi in Kupfer
ftich eine Zeichnung Dunftans, den Erloͤſer darſtellend. |
Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 399
König Eadmund feßte ihn dem Kloſter Glaftonbury vor, wo
er als erfter Abt in England die Benedictiner⸗Regel einführte,
welche gleichzeitig mit ihm der Erzbifchof von Canterbury, Odo,
in dem franzöfifchen Klofter Kleury, das von dem vor etwa
breiffig Jahren geftifteten burgundiſchen Kloſter Clugny aus⸗
gegangen, angenommen hatte); fo auch Äthelwald, ſpaͤter Bi⸗
ſchof von Wincheſter und Odos Neffe Oswald, der nachherige
Erzbiſchof von Vork und andre angeſehne Geiſtliche, durch
welche die Benedictiner⸗Regel durch alle Kloͤſter Englands all⸗
maͤlig verbreitet wurde. Dunſtan ſelbſt widmete fich ganz dem
Berufe des firengen Klofterlebens, und wir befigen noch- von
. ihm eine Erläuterung ber neu eingeführten Regel» Das ihm
vom Könige Eadred und deffen- Mutter angetragne kleine Biör
thum Kirton (Devonfhire) lehnte er ab und begnüigte fich, -
einflußreicherer Stellung entgegenfehend, baflelbe dem Afwold -
zuzumwenden ?). Der König vertraute, was in Zeiten, wo Kir⸗
chenraub feltmer war ald die Erſtirmung der fefteften Burg,
häufig geſchah, dem Schutze der geheiligeen Mauern feines
Kloſters die koͤniglichen Schäge und die Erwerbungäbriefe mans
cher Ländereien an, während Dunftan, fomwie früher die Schaͤtze
ber Äthelflede, fo jetzt die größern Eadreds mit deſſen Zuſtim⸗
mung zur Begründung von Kloftergebäuden verwandte.
Vieleicht hätte Dunflan im Eifer fir Kloſterdiſciplin und
beren Verbreitung fein Leben befchloffen, wenn nicht ein Vor⸗
fol bei Eadwis Krönung ihn in den Strudel politifchen Ge
triebes bineingeriffen hätte. Der junge König war von den
Reizen feiner wie es fcheint ihm wegen zu naher Verwandt:
Schaft ungültig vermählten ÜÄthelgive, der Algive Zochter *), fo
1) Daß er nad) Fleury ging, fagt ausbrüdiig Ingulph 29... .
2) Osbern u, X. erzählen indeffen, daß dem Dunftan das durch
Elfrys Tod (+ 951) erledigte Bisthum Winchefter angeboten fei. Ich
folge den ältern und Hauptquellen, dem Britferth, dem Klorenz
$. 3. 93, fowie meiner Anfiht von Dunftans Charakter.
8) Die Biographen Dunftans behaupten alle, Äthelgiva fei nicht
des Könige Gemahlin gewefen, fonbern belegen fie und ihre Mutter mit
den entehrenbften Ausbrüden. Doc felbft Britferth fagt von biefer:
natione praecelsa. Wir folgen dem Malmesb. II, 7. Histor. Ram-
sey c. 7. Wallingford p. 548, befonders aber ber von Turner
t
400 Dritte Abtheilung.
» fehr befangen, daß er gleich nach der feierlichen Krönung die
Geſellſchaft feiner Thane verließ, um zu den Frauen feines
Haufed zu eilen. Die Thane waren über dieſe ihrem Feſtge⸗
lage angethane Schmach erbittert; die Geiſtlichen um fo mehr,
da fie die Gemahlin des Königs nicht als folche anerkannten, |
fondern mit Birchenrechtlicher Gonfequenz fein Kebsweib ſchmaͤh⸗
ten. Auf des Erzbifchofs Ddo Antrag wurden Bifhof Kinfey
von Kithfield und Dunftan zum König. Abgefandt und fanden
dieſen mit abgelegter Krone mit feinem Weibe taͤndelnd, nicht
gewillet zu den Trinkhoͤrnern zuruͤckzukehren, denen er ſoeben
entflohen war. Da ergriff ber leidenſchaftliche junge Abt den
König bei der Hand, fehte die Krone dem gefalbten Haupte
wieder auf und führte ihn, die Drohungen der Frauen verach⸗
tend zu dem: Krönungöfefte zurüd.
Dieſes rafche Verfahren Dunftans erwies ſich bald als
hoͤchſt unbeſonnen und nachtheilig. Schon unter dem letzten
Koͤnige hatten ſich die Praͤlaten und uͤbrigen Geiſtlichen, welche
durch die ſtrengere Difeiplin in ihren Rechten und Genuͤſſen
beſchraͤnkt wurden, um Eadwi geſammelt und ſich ſeiner Zu⸗
neigung bemaͤchtigt. Die tiefgekraͤnkte Koͤnigin wurde willig
das Organ der groͤßern Maſſe der alten Landesgeiſtlichkeit, und
der Plan wurde ‚bald ausgeführt, den Roͤmling Dunſtan zu
ftürzen und alle feine Anhänger, die neuen Benedictiner, zu
vertreiben. Die Veranlaffung fand ſich in dem Verlangen bes
Königs, ſaͤmmtliche dem Klofter zu Glaftonbury anvertraute
koͤnigliche Schaͤtze zurüdgeliefert zu erhalten. Die Formen des
Rechtöganged wurden beobachtet '); doch Dunftan fand es rath:
famer dem Abfchluffe derfelben ſich durch die Flucht zu ent
ziehen und glüdtich erreichte er die Küfte von Flandern. Er
wurde bier vom Grafen Eamulf gütig aufgenommen und ver:
weilte einige Zeit im Klofler St. Petri: oder Blandinium bei
Gent.
Eadwis gefaͤhrlichſte Feinde waren in ſeiner Naͤhe geblie⸗
ben. Von boͤſen Rathgebern hingeriſſen, beraubte er ſeine im
angefuͤhrten Urkunde in ber historia Abbendon., worin Adlfgiva regis
uxor et Aethelgifa mater eius.
„. Dunstanus a rege pro iustitia proscriptus. Flo rent. Si-
meonh, a. |
Von Anfang bes 9. bis Anfany des 11. Jahrh. 401
ganzen Lande, beſonders in: den Kloͤſtern hochverehrte Groß⸗
mutter, die Koͤnigin Eadgive, ihrer Reichthuͤmer. Die neube⸗
gruͤndeten Benedictinerkloͤſter wurden von ihm eingezogen, un⸗
bekuͤmmert, daß die Regel jener Moͤnche der Erhaltung ſeines
Reiches guͤnſtig war, und daß eine auf Entſagung irdiſcher Guͤ⸗
ter gegruͤndete Partei gar bald uͤber ſtarres Recht und Gewinn⸗
ſucht den Sieg davontragen würde. Durch dergleichen. Ges
waltthaten der Habfucht, befonderd gegen alte und erfahrne
Männer, und feine nachfichtige Schwäche gegen übermüthige
Günftlinge erbitterte er nur zu. bald einen. großen Theil feines
Volkes. Mercien und bie öftlihen Staaten, fowie fpäter auch
Northumbrien, fielen von ihm ab und .erwählten, nach einer
traurigen Epifobe ber allgemeinen Anarchie, feinen juͤngern, da⸗
mals vierzehnjährigen Bruder, den Ätheling Eadgar, welcher in
dem erflern Lande die Statthalterfchaft bereitö verwaltet: hatte”),
zu ihrem. Könige. Die Themſe trennte das neue Reich von 987.
ben mit Weffer vereint gebliebnen Staaten, und es erſtreckte fich
bis Lothian und zu. der Jungfrauenburg (Castrum.puellarum, |
Edinburg) am Firth of Zorth?). Daß biefe Revolution nicht
ohne Mitwirkung der ‚verfolgten Benebictiner ausgefuͤhrt wurde,
ift im höchften Grade wahrfcheinlih und wird es noch mehr
Durch deren baldige Berufung nad Mercien. Dunſtan verließ
die Klofterzelle zu Blandin ?), wurde von den zu Bradford vers
fammelten Witena Merciens zum Bifchofe beftimmt, um ſtets
dem Könige mit feinem Rathe zur Seite zu fiehen, und er
hielt vom Könige Eadgar die erledigten Didcefen zu Worcefter
und zu London, wobei die Verlegung der Kanones, welche zwei
1) Wie Palgrave II, 285 angibt, auf das chron. saxon, geftügt,
welches aber ihn ſchon 955 als König nennt und in biefer Periode fehr
incorrect erſcheint. Doch iſt die Urkunde v. J. 866 entſcheidender,
worin Eadgar regulus. über bie mehr als jährige Anarchie nach der
Vertreibung Eadwis f. auch Knighton, welcher fi hier auf bie alten
Chroniken der in Mercien gelegnen Abtei zu Leiceſter beruft. _
2) S. Wallingford 542, welcher unter Eabwis Staaten auch
Cornwales und bie alten Namen ber Juti Cantiani et Juti Vectiani nennt.
8) Seine Dankbarkeit gegen biefes Klofler erweift er burch eine
vom Könige Eadgar im 3. 964 auögeftellte Beftätigung der oben e. 947
Note 1 erwähnten Schenkung. |
gappenberg’s Geſchichte Englands I. 26
Bistälimer in Einer Hand zu halten unterfagten, mit nicht ge
Johannes, der fieben Kirchen, ober bed Paulus, der allen Kir
- graufam , verftümmelt durch Zerfchneidung der Muſkeln mb
‘then ald ſchuldbelafteten Opfer fiel, welche die Einfuͤht
402 Dritte Abtheilung. |
singerm Beiſpiele ald bem des geliebten Juͤngers des Her,
chen zugleich vorgeftanden, mit wunberfamer Keckheit entſchu⸗
digt wurde ).
Dem tief gebemüthigten Eobwi waren noch empfindlicher
Kraͤnkungen vorbehalten. Die ihm treu geblichnen Geiſtlichen
Erzbiſchof Odo an deren Spitze, drangen in ihn, ſich von da
ibm zu nahe verwandten Äthelfgive zu trennen ?). Er nie
nachgeben, und wir. ſehen fie durch ferne eignen Bewaffneten ad
dem Töniglichen Palaſt geichleppt und nach Irland verbaut I
Ihr ſchoͤnes Antlitz wurbe mit glühenden Eiſen fhmadud E
entftellt. Als fie, nach geheilten Wunden, Irland verlieh wi i
nach England zurüdkchrte, wurde fie zu Glocefter ergreifen I
Sehnen der Beine, und farb nach wenigen Tagen bes dad
fin Todes. Eadwi ſelbſt ftarb bald darauf an bemjcdke
Ortz ob Durch den Haß oder durch das Eifen feiner Feic
gemorbet, iſt ungewiß ’)., Mit mehr Sicherheit duͤrfen wir.is
Algemeinen über ihn urtheilen, daß moͤnchiſche Schriftieie Bi
fein Andenken unbillig und ungebührlich verunftaltet haben, mi &
daß ber gefrönte Juͤngling als eined jener mehr beilugatuw J
N
\
k
n
großer Ummwälzungen im Staate und in der Kirche mung!
häufig verlangt hat‘). Will aber die Nachwelt über 1}
chen Charaktere ein gerechtes Urtheil fällen, fo barf 7°
vergeffen, daß die Schriftfieller, welchen wir bie Kenntniß di
Periode verbanfen, gewöhnlich, einer © Partei angehören und wi x
1) Chron. saxon. ad a. 958. Florent. unb Bimeon 0
2) Osbernus de vita Odonis apud Wharton 1. L 8%. Sk
mesb. de pontificib. p. 201. |
8) Novissimum flatum misera [morte expiravit. Brit ferth. Ki
Edwyo misera morte damnato. Osbernus de vita Odonis p&
Fatali sorte sublato, Historia Ramsey. c. 14. Zurner füpt Wi
einer handſthriftlichen Chronit (Cotton Kbrary. nr. A. b.) an: Mi‘
Westsaxeaum Edwinus in pago gloucestrensk interfectus fait. |
4) Über das Detail mögen bie beſondern Abhandlungen —XR
werben, welche Eingarb, Turner u. A. demſelben geisibzmet Hal’
Don Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 403
Intereſſe ihrer Sache oft großartig und richtig auffaſſen, aber
n ben Gegnern nicht dad entgegengefetzte, gleichfalls großartige
Intereſſe erkennen, und in dieſen nur rebelliſche, verſtockte
Drenfchen ſehen, woher dann zuweilen, je größer die Sache,
efto kleinlicher bie Angriffe auf deren Feinde find.
Eadgar.
Dem unglũclichen Bruder folgte der gluclichſt Koͤnig;
enn dieſer Beiname gebuͤhrt keinem angelſaͤchfiſchen Fuͤrſten
nehr als dem Eadgar, welcher alle Fruͤchte der Arbeiten ſeiner
— erntete md durch die in den nordiſchen Reichen,
ch Abſtroͤnung ber überzäßligen Voͤlkermaſſen und Nieder
affumng derſelben in den Prodinzen, beren fall jedes größere
Reich Europas ihnen eine gezollt hatte, entſtandene Ruhe vors
ugsweiſe beguͤnſtigt war. Doc zeicdmete zugleich Cabgars
Sharalter eine feltte Nachgiebigkeit gegen femme erfahrnen Rath:
yeber nicht nur, Sondern auch gegen bie Eigenthänlichkeiten
ber verſchiednen vun ihm beherrfchten Nationen aus, burch
velche Eigenfchaft wie viele ber Vorzuͤge wie der Vorwürfe
einer Regierung zu erflären haben. Auf bie Bildung dieſer
Enfichten hat vermuthlich feine erfte Erziehung entfcheibend eins
jewirkt, da er als Kind, wit wiffen nicht aus welchen Gruͤn⸗
en, denn feine Mutter lebte vieleicht noch. als er bereits zu
Bännlichen Jahren heramgereift war, ber Alfwena, ber ihm
Banden Wittwe bes obgedachten Xthelftan, des Halbkoͤnigs
Bon Oſtanglien, zur Erziehung anvertraut) war und dadurch
Ritt) mit ben Dinen und deren Sitten befannt wurde. Wahr:
ſcheinlich waren bie hieburch entflandenen Verbindungen nidyt
one Einfluß auf bie Erwaͤhlung Cadgars zum Könige von
Mercien geblieben.
Die Seele der Regierung Eadgard blieb Dunſtan, wel⸗
ber. einen mit großer Herrſchſucht erftrebten Einfluß, foweit .
wir ed zu erkennen vermögen, zum Beſten bes Reiches vers
mandte, indem ex fich und der Kirche diente. Der Erzbiſchof
Doo, welchen ungeachtet ber anſcheinenden Haͤrte ſeinet Vor⸗
1) Historia Ramsey. c. 8. Athelwin, der Sohn der Alfwena,
wird auf feinem Leichenſtein genannt cognatus Edgari. G. Gough
bepulcral. monument. Vol. I.
26 *
402 u Dritte Abtheilung. |
| Bistälimer im Einer Hand zu halten unterfagten, mit nicht ges
singerm Beiſpiele ald bem be geliebten Juͤngers bed ‚Her,
Johannes, der fieben Kirchen, ober bed Paulus, der alen Kits
hen zugleich voygeflanden, mit wunderſamer Keckheit entſchul⸗
digt wurde”).
Dem tief gebemüthigten Eadwi waren noch einpfinblichere
Kraͤnkungen vorbehalten. Die ihm treu gebliebnen Geiftlichen,
Erzbiſchof Odo an deren Spike, drangen in ihn, ſich von der
ihm zu nabe verwandten Xthelfgive zu trennen). Er muſſte
nachgeben, und wir. fehen fie Durch feine eignen Bewaffneten aus
dem Töniglichen. Palaſt gefchleppt und nach Irland verbanmt ˖
She Schönes Antlitz wurde mit glühenden Eifen ſchmachvoll
entftellt. Als fie, nach geheilten Wunden, Irland verließ und
nach England zuruͤckehrte, wurde fie zu Gloceſter ergriffen,
grauſam , verflümmelt durch Berfehneidung der Muſkeln und
Sehnen der Beine, und ſtarb nach wenigen Tagen des elende⸗
ſten Todes. Eadwi ſelbſt ſtarb bald darauf an demſelhen
Ortz ob durch den Haß oder durch das Eiſen feiner Feinde
gemorbet, iſt ungewiß ’), Mit mehr Sicherheit bürfen wir im
Algemeinen über ihn urtheilen, daß moͤnchiſche Schriftfteller
fein Andenten unbilig und ungebührlich verunftaltet haben, und
daß ber gefrönte Juͤngling als eined jener mehr beklagenswer⸗
‘then als. fchuldbelafleten Opfer fiel, weldhe bie Einführung
großer Ummälzungen im Staate und in ber Kirche nur zu
häufig verlangt hat‘). Will aber bie Nachwelt über bergleis
chen Charaktere ein gerechted Urtheil fällen, fo darf fie nie
vergeffen, baß bie Schriftfieller, welchen wir die Kenntniß einer
Periode verdanken, gewöhnlich einer Partei angehören und das
1) Chron. saxon. nd a. 958. Florent. und Simeon.
9) Osbernus de vita Odonis apud Wharton 1. 1, 84. Mal-
mesb. de pontificib. p. 201.
8) Novissimum flatum misera !morte expiravi. Britferth. IL
KEdwyo misera morte damnato. Osbernus de vita Odonis, p. 84,
Fatali sorte sublato, Historia Ramsey. c. 14. Turner führt aus
einer handſtchriftlichen Chronit (Cotton library. nr. A.b.) an: Rex
Westsaxoaum Edwinus in pago gloucestrens interfoctus fuit.
4) über das Detail mögen die befondern Abhandlungen nachgefehn
werben, welche Lingard, Zurner u %. demſelben gewidmet haben.
Bon Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 403
Intereſſe ihrer Sache oft großartig und richtig auffaffen, aber
. in den Gegnern nicht dad entgegengefetzte, gleichfalls großattige
Intereſſe erkennen, und in dieſen nur en verſtockte
Menſchen ſehen, woher dann zuweilen, je groͤßer die Gache,
deſto kleinlicher die Angriffe auf deren Feinde ſind.
Eadgar.
Dem ungluicichen Bruder folgte ber sttticfte König;
denn dieſer Beiname gebührt keinem angelfächfifhen Fuͤrſten
mehr ald dem Eadgar, welcher alle Früchte der Arbeiten ſeiner
Vorgänger erntete md durch die in den nordiſchen Keichen,
nach. Abſtroͤnung ber überzäpligen Voͤlkermaſſen und Nieder
laffımg berjelden in den Provinzen, beren fall jedes größere
Reich Europas ihnen eine gezollt hatte, entſtandene Ruhe vor⸗
zugsweiſe beguͤnſtigt war. Doc, zeichnete zugleich Eadgars
Charakter eine ſeltne Nachgiebigkeit gegen ſeine etfahrnen Rath:
geber nicht nur, ſondern auch gegen die Eigenthuͤnnichkelten
ber verſchiednen vun ihm beherrſchten Nationen aus, durch
welche Eigenfchaft wir viele ber Vorzuͤge wie der Vorwuͤrfe
feiner Regierung: zu erflären haben. Auf die Bildung dieſer
Anfichten hat vermuthlic feine erſte Erziehung entfcheidend ein⸗
gewirkt, da er als Kind, wit wiſſen nicht aus welchen Gruͤn⸗
den, benn feine Mutter Iebte vieleicht noch. als er bereits zu
männlichen Jahren heramgereift war, der Alfwena, ber ihm
verwandten Wittwe bes obgedachten Athelftan, des Halbkoͤnigs
von Oſtanglien, zur Erziehung anvertraut!) war und dadurch
fruͤh mit den Dänen und deren Sitten befannt wurde. Wahr:
ſcheinlich waren die hiedurch entflandenen Verbindungen nidyt
ohne Einfluß auf bie Erwaͤhlung Eadgars zum Könige von
Mercien geblieben.
Die Seele der Regierung Eadgard blieb Dunftan, wels
her. einen mit großer Herrfchfucht erftrebten Einfluß, foweit .
wir e8 zu erkennen vermögen, zum Beſten bed Reiches ver
wandte, indem ex fich und ber Kirche diente. Der Erzbiſchof
Ddo, welchem ungeadjtet ber anſcheinenden Härte feiner Vor⸗
1) Historia Ramsey. c. 8. Athelwin, ber Sohn ber Alfwena,
wird auf feinem Leichenftein genannt cognatus Edgari. ©, Goush
sepulcral. momument. Vol. I. |
26 *
404 Dritte Abtheilung.
‚fahren der Beiname des Guten geworben war, in dem letzt⸗
vergangnen Jahre geflorben, und deffen Nachfolger, Atffie,
- früher Bifchof von Winchefler, war auf dem Wege nah Rom
zur Nachſuchung des Palliums unter den Gletſchern Helvetiens
ſchmaͤhlich erfroren. Der bisherige Biſchof von Sherburn war
bereitö für den erzbifchöflichen Stuhl von Ganterbury wieder
erwählt, ald Eadgar diefen Mann, ald folchem Poften nicht
‚gewachfen, ober mit andern Worten, der weber Benedictiner⸗
\
moͤnch war noch dem Einfluffe dieſes Ordens zu widerfteben
wuffte '), zu feinem eben verlaffenen Sige zurudfandte. Brau⸗
chen wir hinzuzufügen, daß Fein Andter als Dunflan das Erz
bisthum und Primat von England erhielt, und der Papft Io
hannes XII. die Erwählung feines rüfligften Vorkaͤmpfers dur
Erxtheilung bes Palliums willig gewährte! Dunftans eifrigfies
Beftreben war zunaͤchſt dahin gerichtet die Bisthuͤmer in die
Hände von Benedictinern zu bringen. Das von ihn abge
‚gebene Bisthum Worceſter erhielt ein Brudersfohn Odos, Ds
wald; London wurbe dem Affen zu Theil. Äthelwold, ein
Schüler Dunftans, der Abt des zunächft nach Glaſtonbury der
Benedictinerregel unterworfnen Kloſters Abingbon, erhielt das
nach einigen Iahren erledigte reiche Bisthum Winchefter. Der
Einfegung der. neuen Bifchöfe folgte alsbald bie oft gemalt:
fame Vertreibung der alten Geiftlichen, welche nicht der Welt
im Sinne der Klofterregel entfagen und die. Einführung der
Benebittiner, welche bald der herrfchende Orden in England
wurden, beförbern wollten. Vierzig Klöfter follen demfelben von
Eadgar gefliftet fein). Oswald, fpdter zum Erzbifchofe von
York erhoben, wegen deſſen Strenge in Entfernung der ver
heiratheten Geiftlichen den deöfallfigen Gefegen fein Name bei
gelegt wurde (Oswalds-law) °), fowie Athelwold, waren mit
1) Vir mitis et modestus et humilis et benignus in tantum, us
' tumidos quosque vel rebelles sub correctionis verbere non ut debuis-
set cohiberet. Britferth. 1. 1. p. 254. Homo mansuetior quam
industrior et qui suae magis quam alienae vitae posset consulere.
Osbern. de vita Dunstani. Nimiae pietatis et simplicitatis. Idem
de vita Odonis.
2) Florent. Wigorn. ad a. 959,
. 5) Bir befigen von Cadmer eine Biographie des Erzbiſchofs Os⸗
Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 405
ihrem Lehrer Dunſtan die hauptſaͤchlichſten Rathgeber des Koͤ⸗
nigs. Bei Beiden iſt nicht zu verſchweigen, daß ſie theils
ſelbſt der Unterweiſung des geiſtlichen Standes ſich mit Gifer
widmeten theils viele Moͤnche aus Frankreich nach England
zogen. "Zu Letztern gehört auch der durch feine Lebensbeſchrei⸗
bung des heil. Eabmund bekannte Abbo von Fleury, welcher
die verfallene Klofterfchule zu Ramſey wieberherftellte. 5
UÜlber Eadgar ſelbſt während feiner erfien fünf Regierungs-
jahre vernehmen wir Feine: Nachrichten, aufjer etwa von feiner.
‚ Rinfchweigenden Mitwirkung zu den die Mönche betreffenden‘
Anftalten. Die Derirrungen des jugendlichen, wenig beſchraͤnk⸗
ten Fuͤrſten fcheinen jene Sahre großentheils ausgefuͤllt zu ha⸗
ben, ohne ihm aͤhnliche Gefahren wie ſeinem Bruder zu brin⸗
gen. Ugelfieda, die weiſſe, auch genannt Äned (die Ente), die
. Tochter des Ealdormanes Drdmear,. feine erfte Gemahlin, hat
ihm ben Eadward, der: bereinft- fein Nachfolger auf dem Throne.
wurde, geboren. Mit Wulfrithe, einer aus dem Kloſter ge⸗
raubten Novize, erzeugte er eine Tochter Eadgithe, welche
jungfraͤulich ſich der Kirche weihte und. Äbtiſſin zu Wilton
wurde). Baͤnkelſaͤnger beluſtigten noch nach Jahrhunderten
die Umſtehenden mit der Sage, wie Koͤnig Eadgar auch einſt
die Tochter eines edlen Daͤnen ſich zur Bettgenoſſin beſchieden,
die darob entſetzte Mutter aber ſtatt des geliebten Kindes dem
Wuͤſtling in dem Dunkel der Nacht ein Sclavenweib unterge⸗
ſchoben, und, nach Entdeckung des Truges, der Koͤnig das elende
Spielwerk ſeiner Luſt in den Stand der Freien und uͤber ihre
ehemaligen Herrinnen als Gebieterin erhoben habe. Manches
Andre wuſſte man von der Grauſamkeit und den Ausſchwei⸗
fungen von Dunſtans koͤniglichem Guͤnſtling zu erzaͤhlen, was,
fo ſehr dergleichen auch durch Die Feinde feiner erſten Regie⸗
rungsjahre, die weltlich geſinnten Geiſtlichen, verbreitet wurde
und von den ſpaͤtern Normannen zur Herabwuͤrdigung der
wald — gedruckt bei Wharton Anglia sacra. T. II. Urkunde v. 3.
964 bei Wilkins concil. I, 239. i
1) Der Wulfrithe gebenkt auch Floren z b. 3. 964, ſowie, ohne
fie zu nennen, Osbern ©. VII. Bei Malmesbury fehlen der
gleichen romantifche Abenteuer nie, und in mancherlei Geſtalt vn fie bei
Bromton zu lefen.
406 , Deitte Abtheilung.
alten angelſaͤchſiſchen Herrſches ausgeſchmuͤckt fein mag, doch
im Allgemeinen den Eindruck, den feine früher Jahre zurüd:
lieſſcn, wiebergibt, Endlich) vermaͤhlte er ſich mit Alfthrythe,
ber Tochter bed Drbgar, Ealdormans von Devonſhire, des
.Grimders des Kloſters Taviſtok, welche ihm noch zum Vater
vyon zwei Prinzen, dem fruͤhverſtorbnen Atheling Eabmund und
dem nachherigen König Äthelred, machte. Die naͤhern Um⸗
ſtaͤnde dieſer Heirath ſind uns vielleicht nicht ganz unwahr be⸗
richtet und ſind eine Perle in jenem angelſaͤchſiſchen Novellen:
ſchatze, weicher und bie Verderbtheit bes raſch feinem Unten
gange entgegeneilenben Herrſcherſtammes bezeugt. Eadgar ver
nahm Lob und Preis der ſchoͤnen Tochter des Ealboymanıd
won Devanfhire und ſandte feinen Jugendfreund Athelwold,
bed Halbkoͤnigs Athelſtan Sohn, um ihm üben die Wahrheit
immer Rede Bericht zu erflatten oder gar. für. ihn ben Braut
werber zu machen. Des jugendlichen Abgefandten Herz ent
brennt, fir die reizende Alſthrythe, er freiet felbft um ihre Hand,
führt die ſchoͤnſte Btlüthe Englands beim. Dem Könige ſchil⸗
dert der unbefonnenie Frebler jene nun als unſchoͤn, migsgeſtal⸗
tet, koͤniglicher Ehren durchaus unwuͤrdig. Doch wie bliebe
ſolche Schänbeit unbelauſcht? Bald wird dem Lehnherrn ber
Verrath des Vaſallen Fund. Freundlich meldet fich dieſem der
Herr zum Beſuche an, wo bald Alfthrythe, welche dem Gatten
nicht verzeihen kann ihe die Ausficht auf Die Krone geraubt zu
haben, ienem ſich in die Arme wirft. Der König geflattete es
fih an Xthelwold felbft Rache zu nehmen, indem er ihn im
Walde mit einem Speere hinterruͤks ermaorbete, und bie Wittwe
ward des Mörderd Sattin ?). _
In grellem Gontrafte zu dem wilden Leben bes Hofes
fand das vielfache Unglüd, welches England damals heims
. fuchts, Seuchen, fowie Feueröbrünfte, welche. London verheer-
1) Schon in einer Urkunde v. 3. 964: Elfrith regina, Concil, L,
2399. Go auch Florenz. Chrom. saxon. irrig erſt 2. 3. 965. Im
einer Urkunde Eadgars v. 3. 970 (Gale I, 317) heiſſt fie AÄlfthryth,
ſowie in einer andern ihres Sohnes Äthelveb =. a. bei Hickes dissert.
p- & und v. 3. 999 (bei Palgrave II, 224).
2) WilL Malmesb, Ansfäprliher G. Gaimer. vs. 8601 4q.
Bromton. | u
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahth. 407
ten ımb St. Pauls Münfter in biefer Stadt in Afche legten,
werben von jest an häufiger bemerkt umd find als ein Anzeichen
der zunehmenden Bevölkerung beſonders beachtenswerth,
Doch muͤſſen andre Begebenheiten fid, ereignet haben,
welche dem jungen Könige die Liebe ‚feines Volkes, die Achtung
feiner Zeinde verfchafften. Zur völligen Sicherung Englanbe
gegen die dort anſaͤſſigen Oſtmannen oder Dänen war es er=
foderlich, auch ihren auf. ben umhergelegnen Infeln, beſonders
zu Dublin und andern feflen P lägen ber irlaͤndiſchen Küiften
verweilenden Landöleuten zu gebieten. Eadgar feste zu dieſem
Zwecke die Bemuͤhungen ſeiner Vorgaͤnger fort, in einer zahl⸗
reichen Flotte die Schutzwehr und Macht ſeines Volkes zu be⸗
gründen. Die Zahl feine Schiffe fol am ber weftlichen,
nördlichen und oͤſtlichen Kuͤſte an jeder. ein großes Tauſend,
alfo, wenn jener Ausdrud wörtlich zu verſtehn waͤre, nicht we⸗
niger als 3600 betragen haben; worin wir allerdings hyper⸗
boliſche Angaben erkennen, aber auch nicht vergeſſen duͤrfen,
wie klein jene zunaͤchſt nur fuͤr Kuͤſtenfahrten und Fiſchfang
beſtimmten Schiffe waren. Die Schiffsſchau (scip-fyrdunge)
‚wurde aljährig nach Oſtern von dem Könige, welchen eine
Flotte zu der andern. im Kreife um Britannien herumführte, ges
Balten. Diefe wohleingerichteten Ruͤſtungen verfchafften der
Regierung Eadgars daB größte Anfehn und hielten während
berfelben alle Kriege von ben Grenzen. bed eigentlichen Eng:
Lands fo fern, daß ber König den Beinamen bed Friedſamen er=
bielt. Doch fehlte es nicht an ruhmvoll ausgeführten Kriegen
und Streifzuͤgen gegen die Nachbarſtaaten. Auf: einem der
erften von Eadgar unternommmen Seezüge bewirkte er die Uns
terwerfing ber Dänen in Irland und nahm Dublin ein, die
erſte Eroberung der Angelſachſen uͤber ihre Inſel hinaus; Koͤ⸗
nig Sigeferth, welcher ſich zu Wimborn das Leben nahm und
deſſen Name den daͤniſchen Urſprung andeutet, ſcheint ein Kriegs⸗
gefangner geweſen zu fein ).
1) Chron. saxon. ad a. 962. Beſtaͤtigte ſich meine Vermuthung,
fo würde doch ein Ehronift den Zug nach Irland angedeutet haben,
weichen wir nur aus den pomphaften Phrafen einer von Eadgar für
das Klofter zu Morcefter im J. 964 gegebnen Urkunde kennen. ©.
Wilkins condl. I, 239.
!
40. Dritte Abtheilung.
973
bemerken. wir in dieſer Zeit In England nicht. Die Intereſſen
des Papfied wurden von: ben Benebictinem. nicht verfäumt.
Kaiſer Otto L, fein Oheim, Tanbte auch an Eadgar Foftbare
Geſchenke und befefligte den Sriedensbund mit ihm ), vielleicht
auch einen Vertrag, um gemeinichaftlich bem Vorbringen ber
Dänen in England wie in Deutfchland .enfgegenzuwirten.
- Eine. väthfelhafte: Begebenheit in Eadgard Regierung if,
daß er im fechzehnten Jahre berfelben, im. breiffigften feines
Alters, am Pfingfitage des Jahres 973 zu Alemansceaftre
(Bath) von Dunſtan ſich Frönen und falben ließ. Weshalb
diefes nicht früher gefchehn und zu welchem Swede damals,
wird nicht berichtet. :AlS König von Weſſer und Mercien muß
Eadgar ſchon feliher gekrönt fein; es koͤnnte alfo im einem
geitalter, wo Eadgars Verwandte, Otto I. und Dito IE., bie
römifche, die italienifche Koͤnigs⸗ und die Kaifer: Krone in drei
verſchiednen Hochfeften erhielten, auch ein König bes fächfifchen
Englands ein befonberes Kroͤnungsfeſt für die durch Huld und
Treue untergebenen .celtifchen Staaten erfpriedlich geachtet ha⸗
ben. Man hat fchon früh diefe Krönung mit einer Sage in
Verbindumg gebracht, welcher zufolge Eadgar, nach ber Ent
führung .einer Nonne, auf Dunftans Gebot die Krone wäh
end der Buße in fieben Jahren nicht auf das Haupt fehte 9;
doch fehlt diefer Erklaͤrung zunaͤchſt chronologifche Übereinftim-
mung. Wahrſcheinlich vereinte fich die Prachtliebe bes Koͤ⸗
. D Florent. ad a. 959. Imperator etiam. primus Otto, qui
weam (Föadgari) amitam in coniugem habebat, mira illi munera di-
xaxit.et cum eo paotum firmissimae pacis firmayit. Doch fagt Flo⸗
zenz richt ausdruͤcklich, daß diefes im 3. 955 gefchehen fei, fondern
nur amı Schluffe der dort gegebnen allgemeinen Charakteriftif. Indeß
mag hiermit immerhin die verworrene Nacdjricht des Edlehard (ca-
sus 8. Galli c. 9.) in Verbindung gefest werben, daß im 3. 958 ober
959, ma. Cadgar König von Norbdenglanb ober ſchon bes ganzen Reiches
war, Keaiſer Otto einige Zeit bei feinem Schwager, Abalbag (!), König
ber Engländer, verweitt habe (aliquamdiu apud — agente), um ein
Bündnis gegen Kanut (!), König der Dänen, abzufchlieffen. -Auch der
im 3. 947 verſtorbenen Edithe wird hier von Ehroniften noch gedacht.
Ein Buͤndniß Ottos gegen die Dänen hatten wir mit feinem Schwas
gen Cadreb im 3. 946 (vgl. Adam von Bremen II, 2) gefucht.
2) Osbern l. 1. |
Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 411
nigs mit dem Wunſche Dunſtans, durch Einführung der Sal⸗
bung das Koͤnigthum der Kirche untergebener zu machen; das
dreiſſigſte Jahr wurde als durch Die bibliſche Geſchichte gehei⸗
ligt gewaͤhlt. Daß die Ceremonie in einer alt⸗ roͤmiſchen, durch
ſeine Heilquellen, ſowie das fraͤnkiſche Aachen, beruͤhmten
Stadt vorgenommen wurde, mag nicht bedeutungslos geſchehen
fein. Em glorreicher Tag folgte bald. Als er die diesjährige
Seefahrt um fein Reich begann, fand er zu Cheſter ſaͤmmt⸗
liche Zürften, welche Lehne von ihm trugen, bereit ben Eid
der Huldigung zu erneuern. Er ſetzte ſich in ein Boot, befien
Steuer er ergriff, und acht ihm untergebene Könige, Kenneth,
der König der Schotten, Malcolm, der König der Cumbrer,
Maccus ber Archipirate, König von Man und der ‚Hebridier,
Dunhewall, König von Strathelgde, Siferth, Jacob und Ho»
wel, Könige von Wales, Jukill, König von Welhmoreland ')
— alle diefe Eadgard Lehnsleute, ruderten ben flolgen Herrn
Ckein angelfächfiicher Monarch pflegte fih fo pomphafte Zitel
in feinen Diplomen zu ertheilen7) — auf ben Deeſtrome
. zu dem Kloſter St. Sohannie. Hier wenden dem Apoflel
. Gebete dargebracht, und der nie gefehne Triumphzug bemegte
fih nad Chefter zuruͤck. Der König verhehlte feine Freude
nicht, und wir werbem hier wieder, wie fihon häufig in Ead⸗
gard Gefchichte, daran erinnert, daß es manche, Parallele für u
Ludwig XIV. gibt.
Doc waren ihm nicht wie dieſem trübe Tage beſchieden.
Er ſtarb ſchon zwei. Jahre nach jenem Feſte, ober, wie der
Dichter in der angelſaͤchſiſchen Chronik fagt, er endete feine
Erdentraͤume, ſuchte ein andere® Licht, heiterer und reiner. Dies
975
fe ruhmvolle König fol von Körperbau ſehr klein und ſchwaͤche
1) Florent. ad a. 978. Matthaeus ade. gm. Maqena
archipirata. Urkunde v. J. 971 bei Gull Malmesb, antig. glaston,
Die Angabe des Matthäus, Dufnal, rex Demetiae, ſcheint irrig,
da ein folder nicht bekannt iſt; meine Erklärung des Namens ftügt ſich
auf Brut y Tywysogion ad, a. 974 und annal. Ulton.
2) 3. B. totius Albionis Imperator Augustus; Rex et basileng
totius Britanniae — Anglorum basileus, omniumqgue regum insularum
oceani quae Britanniam circumiacent, cunctarumque nationum quae
infra eam includuntur Imperator et Dominus ete.
/
412 Drtitte Abtheilung.
lich gewefen fein; doch in dem fteten Bewufftfein dieſes Man-
geld, in Tagen wo rohe Körperkraft: Alles entſchied, durch
vorfirebenden Muth fich ausgezeichnet haben. Es iſt oft ge
priefen worden, wie er den ruhmrebigen König Kenneth, wel:
cher über feine Statue zu ſpotten wagte, in: den Wald hin
ausnahm, um im Zweikampfe Beider Kräfte und Muth zu erw
proben ').. Die vermeſſene Kritif der ruͤckſichtsloſen Nachwelt
bat fogar in der ruhmvollen Majeflät den ber jedesmaligen
jüngften Generation am beflen befannten Helden Tom dei
Daͤumling wiedererkennen wollen, welchen. Andere jeboch nur
als deffen Zwerg anfehn. Unter ben Zugenden welche den
Regenten jener Zeit zierten,. wird an ihm gerühmt der Eifer,
mit welthem er felbft, feine Provinzen im Sommer und Wins
ter dürchreifend, die Mechtöpflege feinee Ealdormanen prüfte
und deren Vergehen ftrafte. Ein Beilpiel großer Strenge übte
er gegen die vermuthlich dänifchen Einwohner der Infel Tha⸗
net, welche Handelöfchiffe, die von York kamen, geplündert
hatten; die ganze Infel muſſte für den Frevel ihrer Seeraͤu⸗
ber büßen?). Seine geiftlihen Sagungen :fchärften die Ab⸗
gabe an bie Kirche. mit einer Härte ein, welche die fabelhaf⸗
teften NRutfcherzinfen des deutſchen Rechtes übertrifft. Wer den
Heerbpfenning ober den Romefcot an dem beflimmten St. Pe
tritage nicht‘ entrichtet hatte, muflte..ifn nach Rom bringen.
nebft einer Buße dort und einer noch größern an ben König
nach feiner Heimkehr. : Beim dritten Nichtzahlungsfalle war
er aller Habe und Guͤter verluſtig. Wer den Kirchenzehnten
nicht entrichten wollte, verlor den ganzen zehntpflichtigen Be⸗
Re; zwei Zehntel. deffelben erhielt die berechtigte Pfarrkirche,
vier der Bifchof und die. übrigen dee König oder ber mittels
‚bare Lehnsherr des widerſetzlichen Thanes. Eadgars Geiſtliche
entwarfen unter ſeinem Namen eine neue Beicht⸗ und Buß⸗
Ordnung, welche, auf der alten des Columban und der ſpaͤtern
1) Florent. ad a. 975. Malmesb. Eine ähnliche Geſchichte
erzählt Athelred von Rievaux (vita Kadwardi regis p. 867)
vom König Malcolm von Schottland.
2) Chron. saxon. ad a. 969. Henr. Huntend.
.
Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 413
des Erzbiſchofs Ecgbert von York beruhend, fehr geſchaͤrfte
Strafbeſtimmungen enthält)... . |
In den weltlichen Gefegen wurben bie Pflichten der Rich
ter eingefchärft, die Haltung des Burggerichtd zu brei Malen
im Jahre verfügt, wie unfere altdeutichen Städteftatute AÄhns
liches beflimmen, dad Shiregericht zweimal jährlich, die Grund»
fäge der Gefammtburgfchaft näher beflimmt und Verfügungen
getroffen, um gefchehene Kaufcontracte durch gefeglich angeord> -
‚nete beeidigte Zeugen zu beglaubigen, deren in jeber größeren
Stadt 33, in Beinen Burgen und jeber Hundrebe zwölf vors
handen fein follten; ein Element ältefter Städteverfaffung,
"welches ſich über England hinaus verfolgen laͤſſt. Eadgars
‚Sorge für gleihen Mimzfuß, allgemeine Anerbennung ber
Maße von Winchefter ?) und ähnliche Gegenflände bezeugen
ims, wie fehr Handel und Verkehr im Lande ſich verbreiteten
und gewirdigt wurden; und beflätigen auffallender Weife,
durch die genaue Übereinflimmung der wichtigflen jener Eins
richtungen mit denen des übrigen Europa, daß die willlürliche _
Verwirrung in denfelben, welche zu befiegen den angeflrengtes
ſten Bemühungen der Wiffenfchaft nimmer gelingen will, ber
ungedeihlichen Zerfplitterung und anmaßlicher Eedezmachtvolls
kommenheit fpdterer Tage entſproſſen if.
Eadward der Maͤrtyrer. |
Eadgar hinterließ zwei fehr junge Söhne, den dreizehn:
jährigen Eadwarb und ben fiebenjäprigen Äthelted. Obgleich
bie verwitwete Königin Alfthrythe dahin geſtrebt hatte ihrem
1) Vol. Mone Quellen und Forſchungen Bb. I.
2) Es ift bekannt, daß Gewicht und Maß fih.nirgends reiner ers
halten haben als in England, wo die Normalmafe von Winchefter
ſtets den Standard bilden. Weniger bekannt .mag es fein, daß die Unze
des angelfähfiichen ‚Pfundes Silbergewicht 450 Gran Troyes⸗Gewicht
enthielt, während die cölner Unze noch 451,38 berfelben hat (f. Mac-
pherson history of commerce I, 292), und wir bier nit nur ges
meinfchaftliche Normalgewichte, vermuthlich der altrömifchen libra ents
- -flammend, fondern baffelbe viel übereinftimmenber finden, als die f. g.
cölner Gewichte in Deutſchland untereinander find. Bemerkenswerth ift
es auch, daß, während die angelfächfiichen Münzen beutfche Namen tras
gen, das Pfund, pound, auch dem Namen nach römifch iſt.
414 Dritte Abtheilung.
Sohne bie Krone zu verſchaffen, fo. hatten doch ber Vater forte
deſſen Räthe fich für den Altern, durchaus legitimen Sohn «:
klaͤrt. Einige Große des Reichs wollten das Wahlrecht be
baupten und aus ſehr ungenügenden Gründen für their
ſtinmmen, da weder der Water noch bie Mutter Eadwards bei
feines Erzeugung gekrönt gewefen fein '), welcher Grund nk
weber unwahr ift oder zugleich auch den jlngerh Prinzen.
trifft. Doch der Primas beendigte den Wahlſtreit, da er bie
Kreuzeöfahne ergriff und, in ber Mitte der Verſammlung bie
‚Gründe ber entgegengefegten Partei widerlegen, Eadward bie
Krone überteug.
Diefer heftige Streit hatte der Perſonlichkeit ber koͤnigll⸗
chen Knaben nicht gelten koͤnnen, ımb es zeigte ſich gleich, Daß
die Parteien welche das Land theilten, bie Freunde und bie
Gegner der BDenedictiner waren, deren Vertreibung vergebllch
verſucht wurde. Alfhere, ber mächtige Caldorman von Mer
den, vertrieb bie Minche aus den Kloͤſtern feines Landes und
Sfnete diefelben wieder den verheiratheten Seiftlichen. Jene
wurben von dem goftbefreundeten Äthelwin, dem Ealdormane
von Oſtanglien?), und befien Bruder Alfwold, fowie Sem
vielgefdlerten, tapfern umb frommen alborman von &ffe,
Brithnoth ?), deſſen Verbienften die benachbarten Grafen, ähm
fih unterordnend, geme huldigten, Träftig vertheidigt. Es ifl
jedoch durchaus unklar, in welchem Zuſammenhange die Vers
bannung des mächtigen, wegen feiner Weisheit, Beredſambkeit
und trefflichen zehnjährigen Verwaltung von Deira geprie ſenen
Earles Oslac mit dieſen Begebenheiten ſtand“). Die Freunde
1) Eadmerl,Lp. 220.
2) Florent. ad a. 975. Hist, Ramsey. e. 89. Über bie alte
Bildfäule des Alwin im Kloſter Ramſey, welche noch vorhanden iſt,
vgl. Palgrave II, 301. Geine Grabſchrift, worin er totius Angliae
(sc. orientalis) Aldermannus genannt wird, f. auch bei Gale I, 462.
8) Über die Thaten diefes Brithnoth befigen wir ein angeljächfifches
Gedicht, gebrudt von Hearne hinter Joh. Glaston. chronic., von
dem Conybeare illustration of anglo-saxon poetry eine Ülberfegung
geliefert hat. Vgl. über ihn historia eliehsis L II. c. 6. bei Gale I,
498. Histor. Ramsey. c. 71. Er iſt ſchon in den Urkunden Eadgars
v. 3. 964 u. 970 gu bemerken.
4) Florent. ad a. 976 fagt inkuste expellitur. Chron. saxon,
Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 415
der zuruͤckgekehrten Mönche beklagen feine Verbannung uͤber
die vollenden Wogen, dad Bad der Seemöve, die Wohnung
des Wallfifches hinaus: aber. wad, wenn nicht Dunſtan, vers
mochte ihn damals. zu verbannen? Und hatte biefer den Wils
Ien und die Macht folche Männer zu bannen und zu Achten,
ſollte er dann nicht eher den Xfhere verbannt haben? |
Die Partei der alten Geiſtlichen fuchte den neuerworbes
nen Vortheil nach Kräften zu benugen. Es zeugt für ben
fleten Zuſammenhang der biöherigen britifchen Kirche mit ben
Scoten und den fortwährenden Gegenfab gegen Rom, daß die
vertriebenen Geiftlichen nach Schottland geflüchtet waren und
nunmehr aus biefem Lande den an Geift und Redekunſt un⸗
übertrefflichen Biſchof Beornhelm zuruͤckbrachten, um auf ben
jegt häufig gehaltenen Synoden ihre Sache gegen Dunftan zu
vertreten ’). Auf der Synode zu Galne hatte der Erzbiſchof
am Schluſſe feiner eindringlichen Rede foeben erflärt, „daß
er, ber alte, dem Stillfchweigen bereitd geweihte Mann, dar⸗
auf verzichte die Gegner zu bekaͤmpfen; Chriſtus der Herr
wuͤrde ſie beſiegen;“ als ploͤtzlich die Gallerie des Hauſes oder
der Chor der Kirche einbrach und einige Anweſende ſehr ver⸗
legte, anbere tödtete. Der Primas und die Seinigen flanben
‚auf einem durch den Einbruch nicht gefährbeten Plot, und bie
Rettung der Einen möchte fo wenig wunderbar erfcheineh als
die Verlegung der Andern. Der König war wegen feiner Ju⸗
gend bei dem Goncilium nicht zugegen. Es lieſſen fich fo
manche Beipiele von eingefallmen, mit Menfchen überlafteten
Gebäuden zu allen Zeiten, befonders aber im Mittelalter, wo
es auch baufällige Gebdube gab, anführen, bei benen weber
Katholik noch Antikatholit den heil. Dunſtan m Anſpruch
nehmen wird’). Die Getoͤdteten und Verletzten waren auch
in dem Gedichte b. J. 975. Oslac dux erſcheint unter andern in ben
Urkunden Eadgars v. I. 970 bei Gale I, 517, 521. In deſſen
weltlichen Geſetzen $. 17. In diebus Eadgari regis — Thord, Oslaci
comitis filius, Hist. eliens. I, 42,
1) Osbernusll. l.
2) Auf einem Hoftage Kaifer Friedrichs I. zu Erfurt flürgte der
Berfammiungsfaal eins acht Fuͤrſten, über Hundert Ritter wurden vers
legt, kein Kleriker befchädigt. Albert von Stade b. 3. 1188,
46... 1 Deitte Abtheilung.
nicht die feinbfeligen Geiftlichen, fondern bie würbigften Ealbor-
manen ). Doch koͤnnen wenige Schriftfteler feit der Kirchen
reformation ſich entfchlieffen den verbächtigen Prälaten von
ber unmahrfcheinlichfien Anklage frei zu fprechen, daß er hier
die gefährliche, gar nicht zu verheimlichenbe, nußlofe Rolle de
graufamften Machiniften gefpielt habe. |
Verftändigen wir uns bier über unſere Anfiht von Dun:
ſtan. Sein Chriftentbum war nicht die. Religion ber Liebe,
ber feligen Freude an ber Schöpfung, der mit zarten Faden
an bie Blumen der Erde gefefielten Geiſtigkeit; es war. eben
fo wenig die ernfle Lehre von dem gegenfeitig anzuerkennenden,
aber durch Liebe auszugleichenden Rechte aller Menfchen, oder
gar von ber Gleichheit in irbifchen Verhältniffen. Der reinfte, |
Harheiterfte Begriff, ſobald er ind Leben tritt, wird nothwens
big durch die gegebenen, befländigen Gegenfäge bedingt, vers
wirt, verdunkelt. Alfo waren ed die BZügellofigkeit, Roheit
- amd Sinnlichheit der Barbaren, welche ald ber zu ‚bezwingende
‚und zu läuternde Stoff aus der Lehre Chrifti die Einheit des
Papſtthums, die Scholaftit der Klerifer, die Strenge der Or⸗
denöregel foberten und erfchufen. Durch diefe wollte Dunftan
das Größte und Beſte was feiner Zeit befchieden fein Eonnte,
und wenn auch alle Berichte über fein Leben gegen ihn zeugen
follten, fo beweift doch der Einfluß, welchen die durch ihn
neubegründete Geiftlichkeit über fein Land auf fo manche
Jahrhunderte bewährte, in Zeiten felbft als nur das Gloͤck⸗
lein des Meßknaben den Priefter an den Namen des verfcholle:
nen Heiligen erinnerte, Daß, wer fo Eräftig in der Zeit allges
meiner Auflöfung. die ernſter Gefinnten zu erweden und zu
binden vermochte, das Beſſere und Beſte was feiner Zeit
Einficht und Verhältniffe darboten, begriff und wirkte. Wir
werben bald Dunftand zahlreiche, trefflihe Sänger und Juͤn⸗
gersjuͤnger kennen lernen, welche, um nicht von dem Dielen
zu reden, was fie für die Kirche, Bildung und Sprache der
Angelfachfen thaten, den Sturm, welchen der Norden auf
England brachte, zum Segen für England und den Norden
1) Florent. ad a. 977: totius Angliae maiores natu. — Chro.
saxon.: ealle tha yldestan Angelcynnes witan,
EA m 3 2 ma m em La — 2
—
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. M7
zu verwandeln wuſſten und zuletzt, ald bie Normannen Engs
land befiegten, ihrem Waterlande fo viele Anhänglichfeit bes
wahrten, daß fie ſaͤmmtlich vertilgt werden muſſten, ehe ber
Eroberer im feften Tower tubig fchlafen konnte. |
Freilich verwechfelte Dunftan mit feinen Gleichgefinnten
dad Weſen mit der Form, wie bis auf biefen Zag noch alle
und jede Reformatoren und Sectenmacher, bis auf den Einen
‚welcher feine Juͤnger Feine Form lehrte, weil ex wufite, daß
feiner ewigen Lehre jedes Zeitalter, mit oder ohne Anerkennung
bes Stifterd, feine jedesmal nothwendige Geftaltung, Zorm,
ja, warum follten wir nicht fagn — Mafle geben würbe.
Aber der Geift lebt fort, troß der ſelbſtmoͤrderiſchen Luͤge und
der ſich einander verdraͤngenden Metamorphoſen, und Dunſtans
Geiſt und Werke haben die angelfächfifche Sprache und Dys
naſtie, felbft den Katholiciſmus in England überlebt, und es
darf ihre Einwirfung noch heute von der anglisrömifchen Kirche
und felbft vom Qudfer und Diffenter, der gleich Dunſtan das
Beſte kraͤftig will, nicht verleugnet werden.
Eadward begann kaum dem maͤnnlichen Alter ſich zu
naͤhern und die Erwartung zu erwecken, daß er durch eine
nach Sitte ſeines Hauſes fruͤhzeitige Heirath ſein Geſchlecht
fortſetzen moͤchte, als die Beſorgniſſe ſeiner Stiefmutter, welche
er durch Ertheilung der Grafſchaft Dorſet zu beſchwichtigen
vergeblich verſucht hatte‘), neu erwachten. Am. Abend des
18. März 978 wurde er auf der Jagd, vor dem Haufe feiner 978,
fohmeichelnd ihn einlabenden Stiefmutter zu Corfegate, auf
dem Pferde ſitzend einen Trunk ſchluͤrfend, von einem von der
Elfride gedungenen Moͤrder mit dem Dolche in den Leib ge⸗
ſtoßen; er ſpornte augenblicklich ſein Roß, ſank aber ſogleich er⸗
mattet mit dem hervorquellenden Eingeweide vom Sattel und
wurde in dem Steigbuͤgel haͤngend zu Tode geſchleift). Der .
Körper des Königs wurde dürftig eingefchartt, und ed war ber
Ealdorman von Mercien, Alfhere, ein Vetter Eadgars ?),
1) Wallingford p. 545,
2) Passio S. Eadwardi. Malm esb. und von Beiden abweichend
G. Gaimar. vs. 8989 sq.
$) Florent. Chron. Mailros. ad a. 983 propinquus.
gappenberg’s Beſqhichte Enslands I. 277
}
48 . Dritte Abtheilung.
Dunftans Gegner, welcher im folgenden: Iahre die Leiche. wies
der auffuchte und die koͤnigliche Beflattung veranlafite ').
Auf Alfhere, fowie auf des jungen Königs zehnjährigen Bru⸗
der und Nachfolger, Athelred, ift die Anfchuldigung. des Mor
bed gerichtet worden; auf jenen”) vermuthlich von den Bene
Hictinern, deren Gegner er begünftigte, auf dieſen burch ſpaͤtere
Sage’), welche den unbeliebten König m mit ber Anklage jedes
Verbrechens gern verfolgte.
Athelred IL, der Unberatbene.
Der Berfuch die ältere natürliche Tochter Eadgars, Cab
githe, auf den Thron zu erheben, fand. wenig Unterflügung ‘),
und am Ofterfefle wurde zu Kingſton der Knabe Äthelreb ge
kroͤnt, welcher den Krönungseid °) fchwur, den zu halten er zu
ſchwach war, und die Huldigungseide empfing, die. feire Man |
nen fo haufig brechen ſollten. Dunftan fol fchon bei ber
Zaufe fowie bei der Krönung die ıumfelige Regierung: Xtbeb |
reds vorausgefagt haben; gewiſſer iſt, daß er feinen Einfluß
nicht geltend machte, um durch eine zwedmäßge Erziehung
1) Malmesb. G. Gaimar. Florent. ad a, 978 et 979.
She murdered him with her own hands, fagt Burke, ber ftets bie
Berfchwendung der Farben für ein gutes Gemälde unerläfflih hält. Nur
der Gefchichtsverwirreer Wallingford, welcher der Stiefmutter ben
Namen Gunhilda gibt, erzählt: percussit eum cutello quem absconderat
eb occidit. (Beinrih von Huntingdon hatte dieſes Gerücht beis
Kufig, neben der gefhichtlichen Nachricht, als folches erwähnt.) Cor-
pus illa plumbo involvens in Stura Aumine (nämlich dem Heinen Fluß
diefes Ramens in Hampf hire), ut dieitur, diu abscondit. Doch nach
einer ums Jahr 1014 von Lupus verfafften Predigt (in Hickes dis-
sert. epist. thes. III, 102) ift der Körper verbrannt.
2) Malmesb. 1 II. c. 10. — Elferii, qui priorem regem oc-
. ciderat.
3) &o nicht nur etwa Adam von Bremen II, 87. Adelrad
parricidium expiavit — fondern auh Wilhelm von Malmesbury
II, 10: parricidio J cui conniventiam adhibuerat, immanis.
4) Daß ein älterer Bruder ÜÄthelreds, genannt Cabmund, ber
Tochter eines walififgen Zürften vermaͤhlt, verfucht habe den Thron zu
befteigen, fcheint ein Irrthum des G. Gaimar oder feiner Quelle.
5) S. Denſelben in Hickes thesaur.
/
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 419
die Kraft und die Faͤhigkeiten feiner Vorfahren in dem jungen
Bürften zu wecken. Sein leivenfchaftlicher Schmerz bei feines
Bruders Tode zeigt, daß er tieferer Eindruͤcke fähig war; feine
Schönheit ſowie feine Freundlichkeit werben gepriefen; doch
wurden in ihm nur bie Anlagen des Kloſterbruders entwidelt,
ſo fehr, daß Moͤnche felbft ihm diefen Vorwurf machen ').
So lange Dunftan lebte, blieb die Regierung kraͤftig ge:
nug, dufferen Angriffen zu widerftehn und innerer Zerrüttung
4988,
vorzubeugen. Nach feinem im zehnten Negierungsjahre Äthel-
reds erfolgten Tode bemerkte man bald den Verluft des Mans
ned, befien ftarfe Hand die fremdartigen, wiberftrebenben Voͤl⸗
kermaffen zuſammengehalten hatte. Schon in den erſten Jah⸗
ren Äthelrebs zeigte es fi, daß aus dem nörblichen Europa, _
welches durch einige große Herrſcher beſchwichtigt geſchienen, in⸗
dem es ſich in einige groͤßere Staaten vereint hatte, durch das
Alter und die Schwaͤche ſeiner damaligen Fuͤrſten, mehr viel⸗
leicht durch den dort entſtandenen Kampf zwiſchen dem neuen
Chriftenthunie und dem alten Gögendienfte, der Seeräuberei
fletö neue Schaaren erwuchſen. Eadgars Nachgiebigkeit gegen
einzelne normannifche Auswanderer war getabelt worden; das
entgegengefeßte Syitem erfodert aber mehr Mittel, ald Wohls
habenheit und Lebensluft gegen Hunger und Tobeöverachtung
zu bewähren pflegen. In demfelben Jahre wurden im Welten 980,
Cheſter, im Oſten die Themfemündung, im Süden Southamps
ton von Piraten angegriffen, welche viele. Eingebome erſchlu⸗
gen, andere zu dem Sclavenmarkte fortführten. Das Reich
Dyved und in ibm St. Davids wurbe von dem Könige der
Hebriden, Harald, und feinem Sohne Gottfried geplündert ?),
weiche auf ihren Inſeln den flammverwandten Seeräubern ſtets
einen gefährlichen Sammelplat darboten. Das Unglüd mahnte
an ben Frevel, als defien Strafe jened betrachtet wurde, und
ber Leichnam des heil. Eadward ward nunmehr feierlich zu
Shaftsbury beigefegt. Aber die Suͤdkuͤſten Englands wurden
⸗
1) Osbernus in vita 8. Elphegi (f. unten): imbellis quis im-
becillis monachum potius quam militem actione praetendebat..
2) Annal, Cambriae ad a. 982, 987. Annal, Ulton. Brut y
Tywysogion ad a. 979, 981. wyanee Garador ©. 61. |
27*
420 Dritte Abtheilang.
in den beiden nächfifolgenden Jahren nicht minder von ben
feindlichen Schiffen verheert, und es erneuert fih das ermuͤ⸗
dende Schaufpiel unaufhörlicher Landungen und Scharmükel,
wie England ed vor. zwei Jahrhunderten kannte. Duͤrfen wir
den daͤniſchen Sagen trauen, welche in dieſer Zeit ſchon mehr
Geſchichtsmetall zu enthalten beginnen, ſo machte der junge
Wiking Suend, der nachherige König Daͤnemarks und de
groͤßern Theils von England, hier feine Seekriegsſchule. Toki,
der Sohn Palnes, der Geſchichte und Dichtung gleich bekannt
unter dem Namen Palnatofe, der Hauptmann von Iomöbun '),
hatte auf feinen jugendlichen Seefahrten die Hand der Dlofa,
Tochter eines walififchen Fürften ‚Stephan, und die Hälfte der
Herrichaft erhalten. Palnatofe ward der Lehrer und Freund
des Suend, eines unehelichen Sohnes des Königs Harald
Blatand von Dänemark, und führte diefen an die ihm wohls
983.
bekannten weiffen Küften des britifchen Canals. Seit 983,
wo wir Suend in Dänemark befchäftigt wiffen, entflahb eine
Pauſe in dem Küftenkriege, doch nur um innern Fehden Raum
zu geben. Alfhere war im 3. 083 nach einem Feldzuge, wel
chen er gegen Brednod und andere walifiiche Staaten führte,
geftorben, angeblich von Ungeziefer zerfreffen, eine vermuthlich
finnbildlih auf feine Reue zu deutende Zodesart, mit welcher
der Volkshaß des Mittelalters feine Opfer oft zu verunglim⸗
pfen beliebte; und ſein zweiter Sohn Alfric ) erhielt, da
der alte Odda das Kloſter vorgezogen hatte, die Grafſchaft
Mercien. Er warb nach wenigen Jahren verbannt, doch, wie
es fcheint, bald wieder zurüdgerufen. Ein Streit, dem der
Biſchof von Rochefter nicht fremd war, führte den König zur
Belagerung ber Stadt Rochefter, welche. hartnädigen Wibers
1) Bol. Vedel Simonfens geſchichtliche unterſuchung über
Jomsbury im Wendenlande. Dänifch 1813, verbeutfht von 8. Gieſe⸗
brecht. 1827. — Palnatofe überließ fpäter fein Eigentbum in Brets
land an Björn den Briten und feinen Enkel Wager, Akes Sohn. ©.
Jomsvikingr Gaga.
2) Annal. Cambriae h. a. Malmesb. II, 9.
3) Waprfcheinlich der Junker Alvric (Cyld), weldher mit dem Cals
borman Alfhere (feinem Water) und mit dem Ätheling, nachherigem Ks
nige, Äthelred zu Ely genannt wird. Hist. eliens. L c. 5, 12, 57.
/
"Bon Knfang bes 9. dis Anfang bes 11. Jahrh. 424
ſtand entgegenſetzte. Dunſtan, durch. die daraus entflandenen
Verheerungen des Gutes ded heil. Andreas, des Schuspatrones
der Kirche zu Rocheſter, bewogen, vermittelte ben Frieden
durch Zahlung von hundert Pfund Silbers, nicht ohne heftige
Vorwürfe von dem Könige wegen feiner » für uns keineswegs
erwiefenen, Habſucht ').
Die Zeinde auf der See ſcheinen von dieſen innern
| Streitigkeiten. nicht unterrichtet gewefen zu fein. Schon im
nächften. Jahre plünberten ſie die. Hafenftadt zu Watchet
(Somerfet), im folgenden: Iahre wurden Goba, der Thegn
von: Devonfhire, und Strenwold von jenen. erfchlagen, doch
warb ber frevelhafte Angriff zuruͤckgewieſen und geraͤcht. Laͤfſt
die füböftliche Lage ber angegriffenen Küften hier Leine Krieger
der dänifchen Inſeln vermuthen, welchen die Weftlüften Engs _
- Yands zur Beute näher lagen, fo .mag.dad Miötrauen wider
die gegenüberwohnenden Altdänen in ber Normandie, welche
fi früherer Gewohnheiten, ihres alten Lebenöberufs, ſchwer⸗
lich mit der Taufe fletd entfchlugen, fehs gegründet evfcheinen;
—
Wir ſehn bereits in dieſem Lande, welches Rolf der Gaͤnger
und ſeine Nachkommen bald achtzig Jahre beſaßen, das Ge⸗
ſchlecht der Eroberer oder des Adels ſehr zunehmen und deren
UÜberzahl nach einigen Jahrzehnten die berühmten Eroberungen
im ſuͤdlichen Italien beginnen. Wohl moͤgen daher jene Angriffe
auf die engliſchen Haͤfen einem Kriege, dem erſten groͤßeren
zwiſchen England und Frankreich, vorhergegangen ſein, und
dem darauf unter Vermittlung des heil. Vaters ſelbſt abge⸗
ſchloſſenen Frieden, woruͤber Schriftſteller beider kriegfuͤhrender
Länder uns genaue, wenngleich in Nebenumſtanden näherer Auf:
klaͤrung bebürfende Nachrichten überliefert haben. Eine eng⸗
liſche Flotte landete zu Barfleur, und die Krieger folgten dem
Befehle Äthelreds nur zu willig, Alles zu verbrennen und zu
morben. So fehr erbittert war diefer, daß er geboten hatte,
Nichtd in der Normandie auf feiner Stelle zu laffen als jenen
Felfen St. Michael und den Markgrafen Richarb I. (sans
peur) ?) mit auf den Rüden gebundenen Händen zu ihm zu
1) Osberni vita Dunstani. Chron. saxon. ad a. 986.
2) Richt Richard: II. oder ber Gute, ber 99% (chron, saxon.) ober
996 (Guil, Gemet.) zur Regierung gelangte.
422 Dritte Abtheilung.
führen. Der Ungeflüm der Engländer fchabete anfänglich den
Normannen, bald ihnen felbft noch. mehr. Neel (Nigellus)
von St. Sauveur ſammelte die verzweiflungsvollen Mannen
des Cotentin, ſelbſt die Frauen ſchloſſen ſich im Gefecht an
dieſe, und von den zu weit vorgedrungenen Englaͤndern blieb
nur der Bote der fehredlichen Nachricht, . um. die Flotte mit
den Schiffern zu retten und dem Könige Athelred die Nieder
lage zu verkünden. Der Papſt Iohannes XVE, ergriffen
durch die Nachricht von der’ blutigen Fehde: zwifchen zwei be
nachbarten chriftlichen Fürften, deren Kräfte zur Bekämpfung
der heidnifchen Räuber beffer vereint. gemwefen ‚wären, ſandte
ſeinen Apocriſiarius, den Vicebiſchof von Trier; Leo, zum Kb
991.
nige von Weſſer und mit deſſen Genehmigung zu Richard,
worauf zu Rouen, am 1. März 091, em durch‘ fein Alters
thum und bie theilnehmenden Mächte uns fehr merkwürbiger
noch vorhandener Friedensfchluß durch die Sacramente, in
Gegenwart des Biſchofs von Sherkorn, deffen Bisthum im
Kriege mit den Normannen - befonders gefährdet war, befiegelt
wurde ). |
9 Die Urkunde it von With. von Malmesbury II, 10 uns
aufbewahrt. Über die darin aufgeführten Namen, Leo, ſowie die Zeugen
. berrfcht einiges Dunkel. Malmesbury nennt den. Papft Sohannes XV.
Der Bifchof von Sherburn Edelfinus ift vermuthlid der Edelsius in
Malmesb. de gestis pontificum p. 248. Doch iſt W. v. Malmesb.
bier ganz unzuverläffig. So tft unter andern Alfıwold nah Florenz
. Thon im 3. 978 geftorben, und Wulffey, welchen Wilhelm als deſſen
Vorgänger nennt, wird in Urkunden. v. 3. 99& u. 999 genannt. Die
Nachricht des Matthäus von Weftminfter 3. 3. 990, dem unbes
greiflicher Weife Lingard u. A. nachſchreiben, iſt wie gewöhnlich nur
aus feinen wiberfinnigen Combinationen entftanden, da fie bie Heirath
Üthelreds mit Emma von der Normandie, welche erft im J. 1002 voll:
zogen wurde, ſchon vorausfegt. Auffallend iſt, daß Feine andere engli⸗
fe Quelle von jenem ober gar einem andern berzeifigen Kriege Engs
lands mit der Normandie fpridht. Denn die Stelle in chron. saxon. ad
a. 1000 welche darauf bezogen ift, ſpricht nach richtiger Erklärung,
beftätigt durch Klorenz b. 3. 1000 u. 1001, von ben: Dänen und
Heiden. Dagegen fehweigen die normännifchen Schriftftellee von biefer
Fehde unter Richard I., berichten aber bie oben erwähnte unter Ri:
hard II. nach der Bermählung Äthelrebs mit Emma. ©. Guil. Ge-
met. V, 4 den Walsingham Ypodigma.Neustziae. wörtlich aus
|
Bon Anfang des 9. 668; Anfang bes 11. Sahrh. 423
Achelred muffte durch jene Zriebensnachricht um ſo mehr
erfreut werden, da ihm ſchon Botſchaft von einem neuen Ans
griffe der Normannen auf Ipswich verkündet war. Juſtin
and Guthmund, Stegetand Sohn, vermuthlich unter. Analav .
Trygges Sohn, der König ‚von: Norwegen, welcher mit ihnen
oder bald hernach Fam, verheerten bie dortige Gegend um fo
graufgmer,. da fie fich wegen einer vor einigen Sahren erlitte-
nen Niederlage rächen wollten. Der tapfere Ealdorman Briths
noth, von den Dänen hoͤhnend hexausgefodert, ſetzte mit feiner
heldenmuͤthigen kleinen: Schaar ihnen feſten Widerftand entge⸗
‚gen, ſtarb aber bei Malden den traurigen Tod des Beſieg⸗
ten’): Dieſer Verluſt verbreitete fo großen Schrecken unter
ben Umgebungen des Königs, daß diefer, dem Rathe des Erz:
biſchofs won Canterbury, Siric, welcher zunaͤchſt die Erhal⸗
tung der Laͤnderien ſeiner Kirche in jener Gegend im Auge
hatte, ſowie bed Ealdormans Äthelwerd und des Älfric, des
and der Verbannung zuruͤckberufenen Ealdormans von Mercien,
folgend, beſchloß, was, im Großen wenigſtens, bisher nie ges
ſchehen war, dem norwegiſchen ‚Deere eine Summe von zehn⸗
lauſend Pfund zu ‚gen, gegen dad Verfprechen, fernen Pin
’ A
ſhrebt, und Roman de Rou vs. 6216 sg. Saite das" encomium En-
mas biefe Begebenheit verſchwiegen haben? Plouquet hat babes):üns
ter Beziehung auf bie misverftandne Stelle des chron. saxon;, fie in das
Jahr 1000 fegen wollen. Auch ift in. ber Zeit ums Sehr 1008, - wie
ein Blick auf Englands damalige Bebrängniffe kehren wird, ein. Ans
. griff beffelben. auf die Normandie unglaublih. Doch ſieht man bie
Nothvendigkeit ein, die bekanntlich unchronologiſchen Angaben der aͤl⸗
tern normannifchen Gefchichte zu ordnen; weshalb dann die Urkunde ver:
laffen, welche wohl Zeichen eines falſchen Abdruckes, aber keia Merkmal
einer Verfaͤlſchung in ſich traͤgt?
1) S. oben S. 414 Note 3. Chron. saxon. berichtet feinen Tod
b. 3. 991 und wiederum 993. Er Hatte kurz vor feinem Tode alle
feine Ländereien den Kirchen geſchenkt. ©. Urkunde bei Palgrave II,
223. Daß er dux Northunimbroram genannt wird, ſcheint ein Itr⸗
thum des Chroniſten in der hist. eiens. II, 6. Doch wäre es möglich,
daß er nad) Oklacs Verbannung Deira erhalten, wie nad) feinem Tode
biefelbe dem Ätfbelm zu Theil geworben zu fein ſcheint. Letterer heifft
994 dux transhümbranse gentis. Urfunbe:in monast. Angl. VI, 1446,
100%.dux. Gale I, 522, nn BR
424 . . Dritte. Adtäeilung
derungen und Verheerungen in den Landestheilen ber benann⸗
ten Herren zu entſagen. Doch verpflichteten ſich dieſe, dem
Heere, ſolange es noch bei ihnen bleiben wuͤrde, Lebensmit⸗
tel zu verſchaffen; und andere nähere Beſtimmungen des Frie⸗
benövertrages, über die Erhaltung und die. Ausbehnung ber
Friedensgenoſſenſchaft, die rechtliche Feſtſetzung und Beftrafung
des Friedensbruched und die Größe der Bußen beweilen, baß
ein baldiger Abzug des Heered.. gar nicht erwartet wurde‘).
Durch diefen, nach einigen Jahren vermuthlich erneuerten umd
ausgedehnten, Vertrag wurden alfo Dänen in -einigen Provin⸗
zen Englands ald Gäfte (hospites), im Sinne der altgerma
nifchen Krieger, zugelaffen, wo biefelben bisher nicht gekannt
waren, und hier wurde bald, wie früher in ähnlichen Fällen,
aus dem ald vorübergehend gedachten Verhaͤltniſſe eine nicht fried⸗
lich abzuſchuͤttelnde Laſt. : Zugleich gab bie Vertheilung jener
Summe unter den Unterthanen zu emer Abgabe: Veramlafjung,
welche unter dem Namen des Dänengelded noch viele Jahr⸗
- hunderte für die Laien — benn die. Geiftlichleit war: von bes
felben vermuthlich fchon durch ihren erften Urheber, den Erz
bifchof von.Ganterbury, befreiet — beftand, als längft der Zwed
‚ berfelben verfchollen war, und die gerechteften Befchwerden laut
993.
werben ließ). Da im folgenden Jahre die Fremden die von
ipnen befegten Provinzen nicht verlieffen, fo verfammelte ÄAthel⸗
‚sed eine Landmacht, deren Oberbefehl er feinem Schwiegervater
ZThored, dem. Ealdorman Alfric, fowie den Bifchöfen von
Winchefter und Docchefter.,. Alfſtan und Aſcwig, anvertraufe,
fowie eine Flotte von größeren Kriegöfchiffen zu London, um
1) Diefer Vertrag ift in den Gefegen Äthelrebs enthalten CWil-
kins p. 104; von Schmid ©. 113 gehörig abgefonbert). Die Erwaͤh⸗
nung ber Abfindungsfumme von 22,000 Pfund fowie Analavs machen |
- 48 unwahrfcheinlich, daß biefer Vertrag in das 3. 991 gehöre, für wel
ches die übrigen in bemfelben aufgegählten Namen entfcheiden. Vielleicht
beſitzen wir den Vertrag in einer. mit Analav im 3. 994 nach Girics
Tode (7 994 vor Oſtern) erneuerten Geftalt. Kein neuerer Geſchicht⸗
ſchreiber hat dieſen merkwürdigen Vertrag beachtet, fo wenig wie ben
innern Zuſammenhang ber zunaͤchſt folgenden. Begebenheiten. —
2) Leg. Eadwardi confess. art. XI. geben fie auf 12 Pfenninge
für die Hide: Landes an; doch iſt fie ſchwerlich ſtets gleich und jene
Summe vermuthlih nur der einfache Steueranfas, die Simple, gewefen.
Bon Anfang des 9. bis Anfangedes 11. Jahrh. 425
die entfliehenden Feinde auf der See aufzufangen. Doch Als
fric verrieth. den. Feinden. den zum Angriffe beflimmten Tag;
fie entflohen und er mit ihnen; die Schiffe der Londoner und
Oſtanglier erreichten aber die Feinde, erſchlugen viele derſelben
und führten das eigene Schiff Alfrics, indeß ohne den ent⸗
flohenen Verraͤther, im Triumphe zum Hafen‘). Die zu Cl⸗
sencefter verfammelte Gemote der Biſchoͤfe, Ealdormanen und
angefehnen Mannen Englands aͤchtete den Verraͤther und ſprach
ſeine ſaͤmmtlichen ererbten Guͤter dem Koͤnige zu. Alfgar, Al⸗
frics Sohn, vielleicht Mitſchuldiger ſeines Vaters, wurde auf 2
des Königs Befehl geblendet. Das. aus. den füblichen Provin⸗
zen vertriebene Daͤnenheer wandte ſich jetzt nach den .nördlis
chen, wo. feine dort angeſiedelten Stammgenoſſen ihnen an⸗
faͤnglich ernſten Widerſtand entgegenſetzten. Doc, eroberte je⸗
nes die Stadt Banborough und zerſtoͤrte ſie beinahe durch
Plünderung. Mit. feiner Beute beladen ſchiffte es zur Muͤn⸗
dung des Humber und „richtete im Northumbrien und Lindfey
große Verwüflungen an. Bemaffnete vereinigten. fich gegen dafs
felbe, doch drei ihrer Anführer, Zrena, Gobwin und Frithe⸗
gift), ‚deren Väter dort angefiebelte daͤniſche Krieger waren,
verriethen jene a an die e.neuangefommenen. Dänn.
1) Chron. saxon. ad a. 992. Bei Florenz ſheint ber verwot ⸗
renen Darſtellung ein Misverſtaͤndniß zum Grunde zu liegen. Ich beziehe
die Urkunde. v. 3. 999, worin Äthelred den. Comes Aelfrie — contra
meum regale imperium multa inaudita miserabiliter committens pia-
cula — erwähnt, auf den oben erwähnten Älfric. Er kann alfo nicht
derfelbe fein mit dem dux Aelfric, beffen Name unter diefer Urkunde
fteht und ſchon 994 (Urkunde monast. Angl. VI, 1446) und 1004
(Urkunde bei Gale I, 522) ebenfo wieder vorfommt. Zlftic Tann aud)
wenigſtens ſeit dem J. 1006 nicht dux Merciorum gewefen fein, da
damals Eadric diefe Würde erhielt. Legterer erfcheint als ber welcher
im 3. 1016 gegen die Dänen fiel. Der legte Bruder Eadwin fiel bei
Ringmer im 3. 1010. (So Blorenzs doch eine andere Lesart ſ. in
chron. saxon.) Der ältere Älfric fol einen Bruder Eadwin ober Odda
gehabt haben, welcher erſt 1056 als Moͤnch ftarb. Go viel nur, um
auf die Verwirrung aufmerkſam zu machen, wenn wir fie gleich jegt
nicht völlig loͤſen koͤnnen. \
2) Brena und $rithegift finden fich unter manchen andern Miniſte⸗
rialen Eadgars, welche daͤniſche Namen tragen, 3. B. Enut, Turkotel,
226 Dritte Abtheiluas.
An demſelben Jahre 993 ſoll Analav oder Olav Zrygbe⸗
fon mit 93 Schiffen auf der Themſe über London hinaus ges
fegelt und an der Grenze der Grafſchaft Middleſex Staines
verheert haben, darauf nach Sandwich (Kent) geſchifft fein ’).
RNach der andern Seite hin wurde, .unter Anführung be
Üchelfy, ber beruht ch wer Sohn des ehemaligen Halbkoͤnigs
von Dftanglien, Atbelftans, war, in Verbindung mit Guin, dem
Könige von Gwent, gegen Meredith, den: König. von. Demetia
994 und Cardigan, ſiegreich geftiitten®).. Im J. 994, am Tage
8, Sept.
der Geburt Mariä, erfchien jemer König der Norweger : mit
Suen, dem Könige. der Dänen, welcher. die ihm früher angeb⸗
lich widerfahrne Zuruͤckweiſung durch Äthelred, als er deſſen
Gaſtfteiheit in Anfpruch nahm, zu rächen vorgab ’), vor Bil⸗
lings Thoxe zu London mit einer Anzahl Schiffe, welche ver⸗
muthlich ebenſo willkuͤrlich wie die Anzahl der feindlichen Schiffe
des vorigen Jahres und: aus chronologiſcher Spielerei auf 4
angegeben wirb *). Die wackern Bürger fehlugen aber den grins
men Feind zurüd und: bankten der heil. Jungfrau für: die Begeifte
rung, welche ihren Arm’fo kräftig geſtaͤrkt hatte. Die feindliche
Ziotte landete darauf :an den Küften von Effer, Kent, Suffe
und Hampfhire, fengte, brannte, morbete mit: Barbarenluſt
und Fertigkeit. Nachdem die Kuͤſten ausgeplünbert waren,
verfchafften bie Dänen unb Norweger fih ‚Pferde, fchweiften
im Lande umber und fthwelgten in zahlloſen, umfaglichen Fre⸗
veln. Üthelred, vor treulofen, hadernden Vaſallen umgeben,
felbft großer Gedanken und Thaten unfaͤhig, ergriff den Aus⸗
weg der Schwäche: er verhieß ein Daͤnengeld von 16,000
Pfund, zu weldhem ganz England beifteuerte, und ließ das
daͤniſche Heer auf Koften feiner Unterthanen von Weffer zu
Southampton beköfligen. König Dlav wurbe darauf, nach ges
Kelten Geifeln für feine Sicherheit, durch Eifeg, den. wuͤrdigen
Thurgod, in einer Urkunde v. J. 970 bei Gale I, 519. In Urkunden
des Kloſters zu Groyland bei Ingulph z. I. 966, 970.
oo 1) Chron. saxon.
2) Annal, Cambrise ad a. 998.
8) Adam. Bremens. II, 235. Saxo Grammaticus X, 188.
: &) Ibid. Flerent.
Von Anfang .des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 427
Biſchof von Wincheſter, und Kthelweard, welcher ſchon vor drei
Jahren mit den Daͤnen in Eſſer unterhandelt hatte und deſſen
Name Fabius Quaͤſtor Patricius Äthelmeard durch ein von
ihm verfaſſtes Geſchichtswerk nicht unbekannt iſt, zum Koͤnige
von England nach deſſen Stadt Andover (Hants) gefuͤhrt.
Olav, der in ſeiner Jugend auf einer der Scilly⸗Inſeln ge⸗
tauft war‘) und unter dem Namen Ole (Olaf) mehrere Jahre
in England. unerkannt gelebt hatte, wurde vom Biſchofe Eifeg
neu eingefegnet?), von Athelred als Sohn angenommen ımb
mit. Tiniglichen Gaben überhäuft. Er verſprach, ald er im
folgenden Sommer heimfihiffte, nicht wieder ald Feind: nad
England zuruͤckzukehren und tft, so ſehr bie leichte Beute ihn
Ioden mufite, dieſem Verſprechen treu geblieben. . Später hei⸗
rathete er eine Schweſter ſeines Waffengefährten, Königs Suen,
und wurde hernach von dieſem bei Svaͤld vernichtet und dem 1
Leben, wenn er:nicht. dieſes auf‘ wunderbare Weiſe rettete, ges
wiß aber der Gefchichte entriffen.. Bon Suen, ober. von feinem
Eaiferlichen Pathen Suenotto. genannt, der bier einen leichtern
und gluͤcklichern Kampf beſtand als mit: den Slaven, von bes
nen er ſich zu. zweien Mulen gefangen nehmen ließ und loskaufen
mufite, ‚gefchieht beim Abfchluffe diefer Verhandlungen Feine Er⸗
wähnung; ‚vielleicht begleitete er ohne eignes "Kriegsgefolge Das
mals Dia während einer ber ihm wiederholt gewordnen Thron⸗
entſetzungen. Sein Angriff auf die Inſel Man wird in dieſen
Jahren ermähnt’). Mit feinen. und Olavs Abzuge von Hanp⸗ |
Thire. fällt der erſte Angeiff jener nordiſchen Widingen, welche
in .Deutfehland auch Afcomannen genannt wurden, auf bie
noͤrdlichen Küßen dieſes Landes; beſonders die Grafſchaft Stade,
1) Theoderie. de Tegib. Norveg. c. ‚vo. Snorce in Olav
Trygveſons Saga.
. 2) ‚Confirmari ab episcopo fecit, Florent. ad a. 994.
8) Annal. Cambr. Was Caradoc p. 68 von Svens Angriff
auf Notdwales fagt, wo König Idwal erſchlagen fei, beruht auf. wills
Eürlicher Ausfhmüdung jenee ältern Quelle, welche nur angibt, daß
jener Idwal zwei Iahre fpäter getödtet fi. Osbernus de vita EI-
phegi bei Wharton H, 181. erzählt, Sven ſei geftorben und ein
anderer Kührer, Thurkill, ihm gefolgt. Doh Blorenz nennt jenen
Sven ausdruͤcklich König der Dänen. M Ä
!
48 ° " ODritte Abtheilung..: nt
zufammen 2) umd zeigt und, wenn jener auch nicht in Der un:
mittelbarften Verbindung mit dem lebten Zuge berfelben nad
England ſtehen follte, wie fehr das nördliche Europa aus der
ihm einige Jahrzehnte hindurch geworben Ruhe gemeinſchaftlich
aufgeruͤttelt war.
Oer groͤßere Theil des Heeres der Normannen war ſeinen
Koͤnigen nicht in die Helmat gefolgt und wurde vielmehr ver⸗
muthlich durch neue Ankoͤmmlinge verſtaͤrkt. Nach einigen Jah⸗
ren. tonnten die Mittel des Unterhaltes. für. die Fremden aus -
der Nachbarfchaft von den ſchwer gebrüdten Einwohnern nicht
länger herbeigeſchafft werben, und das Dänenheer befchloß feine
Flotte zu ruͤſten und auf. einem: fröhlichen Raubzuge andre feit
einigen Sahren nicht abgeerntete Beutefelder aufzufuchen, Um
Weſſer herumfchiffenb landeten die Seeräuber an. der Mündung
der. Sewern,.. durchzogen die felbft vom Danegeld Bisher
verfchonten walififchen Reiche, wandten fich dann nach Devon:
fhire und :Cormwaled, deren nördliche Kuͤſten fie brandſchatzten
und. verheerten, hernach um. Penwithfteort (Lands End) her
unmſegelnd und den Zamorfluß -binauffchiffend-nach den ſuͤdlichen
"997.
Küften und den innern Gegenden derfelben. In: der erfige
nannten fchönen. Landſchaft überwinterten fie, verbrannten das
Kloſter Taviftot?) und ſetzten, mit ſchwerer Beute beladen, |
im: folgenden Iahre ihre Fahrt nach Dorfetfhire, Wight und
Southampton fort. Bon den Engländern wurden oft Ber
ſuche zum Kampfe gewünfcht,. dach: die Ungefchiclichkeit oder
. ber. Berrath ihrer mit den Dänen oft durch Verwandtſchaft,
998.
oͤfterer durch Eigennug verbundnen Heerführer, - zuweilen auch
manche jener unerklärlichen kleinen Unfälle, welche, von dem
Muthvollen überfehn, den Entmuthigten wie Himmelöftrafen |
zu feinem gänzlichen Verderben verfolgen, vernichteten die Ent:
würfe der Gutgefinnten. Dad nächte Frühjahr erblickte die⸗
felben Dänen auf dem Mebwayfluffe und die Stadt Rochefter
belagernd. Die Mannfchaft von Kent eilte bald zum Entfage
herbei, doch auch dieſe wurde von den Seerdubern nieberge:
1) Adam. Bremens,. 1. II. c. 22. et 218. et Ditmar, Mer-
seburg. .
2) Florent. Chron. saxon, ad a. 997.
+
Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 229
metzelt, welche fich jeßt ‘der Roſſe bemaͤchtigten und Kent bis
an die weſtlichſte Grenze bin verheerten. König Äthelred mit
feinen Reichöräthen befchloß nunmehr ‚bie Ausrüflung einer
Flotte und eined Landheeres. |
Zene war, da Alfreds und Gabgars trefftiche Einrichtuns
gen, wenngleich vernachlaͤſſigt, doch ſelbſt den Traͤgen und
Schwaͤchlingen ſich noch nachwirkend erwieſen, zu London bald
beſchafft; aber dieſes, welches die Feinde erſt aus dem Lande
heraus und auf die See hinaustreiben ſollte, konnte, bei dem
Mangel gemeinſamer und durchgreifender Maßregeln, in jenem
Gemenge kleiner gleichberechtigter oder anſpruchsvoller Staaten,
welche das angelſaͤchſiſche Reich bildeten, nicht raſch zuſammen⸗
gebracht werden. Koͤnig und Witan hatten nach jahrelanger
Berathung beſchloſſen, der Ealdorman kuͤndigte den Befchluß
der Gemote der Grafſchaft an, zablloſe Verſammlungen der
Thane und ihrer Hinterſaſſen wurden bald einzeln bald ge⸗
meinſchaftlich gehalten; endlich ſtellten ſich die Waffenfaͤhigen
auf dem Hundred oder Wagentake der Shire. Schon waren
viel Geld und Muͤhe verſchwendet, die bereitwilligen Landſaſſen
gedruͤckt, Herzoge und Grafen zankten oder zauderten; das
letzte, erbaͤrmlichſte Privatintereſſe war geltend gemacht und Al⸗
les gewiſſenhaft erörtert; endlich ruͤckkte das Reichsheer, nach
beſchaffter Ernte, gehoͤrten Meſſen, abgehaltenen Familienfe⸗
ſten aus allen Gauen zuſammen. Unterdeſſen hatten die Daͤ⸗
nen das Land ausgeſogen, jeder Leidenſchaft gefroͤhnt und zo⸗
gen, da die letzte Nachleſe Nichts mehr gebracht hatte, mit den
beutebeladnen Wagen ſicher und der durch die unbeholfen
ſchwerfaͤlligen Ruͤſtungen noch mehr geſchwaͤchten Gegner ſpot⸗
tend, Odin und Thor, Regnar Lodbrog und Haſting in Jubel⸗
liedern feiernd, ihren wohlbewahrten Schiffen an der Kuͤſte zu.
Die in England zu Stande gebrachten Kriegsruͤſtungen
waren vielleicht von einigem Gewicht, als im naͤchſten Fruͤh⸗
jahre die Dänen beriethen, welcher Kuͤſte ſie ihr Steuer zus 1000.
lenken follten, und der Normandie den Vorzug gaben '), aus
welcher Herzog Richard II. die frechen Räuber bald zuruͤck⸗
drängte. Athelreb benugte den Augenblid der Ruhe im Suͤ⸗
1) Florent. Chron, saxon, ad a. 1000.
}
0 Dritte Abtheilung.
den und die zufammengebrachten Streitkräfte, um feine ent
fentern großen Lehnsleute, welche die Entrichtung —— unge⸗
wohnten, zur Zeit ihrer urſpruͤnglichen nur auf Kriegsdienſte
lautenden Lehnsverpflichtung, felbft ihrer -Huldigung an den
gegenwärtigen König nicht vorhandnen Zributes, des Dänen
geldes, verweigerten, mit einem Executionskriege zu uͤberziehn
Das angelfächfifche Landheer durchzog Malcolms III., Königs
von Cumberland, Eleine Bundesſtaaten und erging ſich hier in
der Zerſtoͤrungsluſt und Rache, welche den Daͤnen follte gegol⸗
ten haben. Die Flotte wurde zum Mitgenuſſe in Cheſter er
wartet, aber welcher Wind hätte fo günftig geblafen, um jene
zur wechten Zeit in den Beflimmungshafen zu bringen? Zulekt
erreichten fie die Eleine Inſel Maenige :(Angelfey) und fanden
hier Gelegenheit, darin die Ehre und das Anfehn ded Banner
Athelreds des Faulen zu verfechten ).
Doch ſollten die Engländer ſich dieſes Triumphs nict
Lange erfreuen. Die Dänen kehrten zu den englifchen Küften
zurück, an benen ſi fie ungeftraft frevelten. Diele wadere Mär
ner in Hampfhire wurden von ihnen erfchlagen, die Tapferkeit
vereinzelter Angelfachfen vermochte dem Vorbringen der Feinde
Teinen Damm entgegenzufegen. In Devonfhire Fam ihnen fe |
gar der Ealdorman Paley (Palling) entgegen, Gemahl ver |
Gunhilde, einer Schwefter des dänifchen Königs Suen, wel
cher, obgleich von dänifcher Herkunft, von Äthelred mit Hi
fern und Gelbe reich begabt worden war. Gelang den Di
nen auch nicht die Eroberung der durch ſtarke Mauern und
tapfere fächfifh Bürger vertheidigten Stadt Exeter, fo befieg
ten fie doch die Devnfäten und Sumorfäten zu Penho und
zogen hernach nach Dorfet und zurl zur Infel Wight. Ki
nig und Räthe befchloffen nun, ehe ein neuer Raubzug begin
nen Tonnte, durch eine neue Spende den Frieden fich zu er
Faufen, und Earldorman Leoffy, ein Mann welchen des Königs
Gunſt erhoben hatte), wurde zu den Dänen geſandt, um ih⸗
1) Florent. Chron. saxon. Fordun, IV, 35.
2) Urkunde v. 3.99. Leofsige dux. Palgrave Il, 224. ur
kunde v. 3. 1012. Leofsinum, quem de satrapio nomine tuli ad
celsioris apicem dignitatis, dignum duxi promovere ducem constituendo
eum etc. Urkunde bei Suhm a. a. ©. III, 793.
Von Anfang .bes:9. bis Anfang des 11. Sahrh, 434
nen bie ungeheure Summe von 24,006. Pfund, auſſer fernerm
Unterhalte, zu verfprechen. Der. Preis wurde bezahlt, doch
Leofſy erfreute. fich feines: Foftbaren Friedenswerkes nicht. Er
erſchlug Afic, des Könige Hochgrafen, heimlich in deſſen eigs
nem Haufe und mufite mit feinen. Mitfchuldigen die Strafe
der Verbannung dulden; eine bei den Angelfachfen befonders
häufig erwähnte und bei ihrer Anhanglichkeit am Vaterland
und alter Gewoͤhnung fchwer empfundne Strafe), in welcher
fi uns das, allmalige Aufhören ‚des Fehderechts zu erlennen
gibt. Ein allgemeiner. Beichluß der Witena unterfagte dem
Frevler irgend eine Unterflügung oder Gabe zu reichen, und
felbft feine Schwefter Athelflede wurde, als fie diefem Gebote
‚entgegenhandelte, aller ihrer Habe. entiegt.
Athelreds Entſchluß zu der Ablaufung der Dänen mag
vorzüglich durch feine vor Oſtern dieſes Jahres angeſetzte neue
Vermaͤhlung bewirkt fein. - Äthelred- hatte in feinem ſiebzehnten
Jahre Aiflede, die Tochter des durch den von Eadgar und
feinem Schwiegerfohne ihm übertragnen Kriegäbefehl bekannten
Ealdormanes Thored, Gunnord Sohnes, geheirathet ?). Diefe
batte ihm mehrere Söhne, feinen Nachfolger Eadınund, Eadwi
und Atkelftan, denen noch Ecgbert, Eadred, Badgar hinzugefügt
werden, fowie, der Sage nad), vier Zöchter geboren. Nach
dem Tode feiner erfien Gemahlin veranlaſſte bie. feltene Schöns
1) Man ſehe das ſchoͤne angelſaͤchſiſche Gedicht. des Verbannten
Lich, in Congbeare illustrations und Turner III, 382,
3) Malmesb. 71. Eennt ihren Ramen nicht; er fagt von ihrem
Cohn Eadward: non ex Emma natus, sed ex guadam alia, quam
fama obscura recondit. — Schol, 83 ad Adam. Bremens. II, 87.
hat unter der Lesart Affıcud (al. affiluit) wohl nur den Namen Aifiebe
verſteckt. Den Namen des Schwiegervaters des Koͤnigs, Thored, hat
Ailred abbas rievall. apud Twysden p. 862 et 372. Dagegen
fagt die Genealogie Hinter Florenz p. 694: Hic ex Alfgiva comitis
. Agilberti filia tres filios habuit, Eadmundum, Eadwium et Aethelsta-
— num, et unam filiam Eadgitham. äühnlich Bromton ad a. 981. R.
Higden I, 269, nur daß fie jene Edgiva und deren Vater Ecgbert
nennen. Die hier genannten Kinder ſind auch anderweitig bekannt;
body (Howell) medulla historiae anglicanae führt noch als ſolche
an: Egbert, Eadred, Eadgar, bdiefe vermuthlih aus einer Urkunde in
monast. Angl. I, 216 und drei unbelannte Töchter. Arch eingard
ſpricht von zehn Kindern aus biefer erflen Che,
J
432 . . Deitte Abtheilung.
heit Emmas, der Tochter Richarbs J. und der Schweſter beö
zweiten diefed Namens, bamaligen Herzogd der Normandie, -
eine Heirath Athelreds mit einer auf dem Throne der Angel
fachfen längft nicht gefehenen auswärtigen Prinzeffin ), welche
im Allgemeinen zur Bermeidung der unfaglichen Verwirrungen
durch die einheimifchen Verwandten des Königshaufes und zur
Stuͤtze des Reiches felbft gegen aͤuſſere Feinde wünfchenswerth
erfchien. Selbft die Verbindung mit dem Zürflen. der Nor
mandie konnte zur Ertödtung mancher feindlihen Elemente
als wichtig gedacht, wenngleich unter den manchen denkbaren
Wechſelfaͤllen alö zu gewagt betrachtet werben. Äthelreds ge:
ringfuͤgige Perfönlichkeit machte jeboch jene zu feinem und fer
nes Landes Glüde beftinnmte Verbindung nur zum Keim bes
gaͤnzlichen Verderbend Beider. Emma, ald der Juwel der Nor:
mannen gepriefen?), nahm, da ihre Name dem dad Fremde
haſſenden Ohre der Angelfachfen ungewohnt war, ben von
Alfgive an. Ihre Schönheit und verzüglichen. Geiftesgaben,
felbft mehrere Kinder, welche fie ihm gab, Alfred, Eadward,
der ſpaͤter, unter dem Beinamen des Bekenners befannt, des
Baters Thron beftieg, und Goda Eonnten Äthelred nicht fefleln,
der in ben Armen feiner Buhldirnen die Noth des Landes,
die Ehre ſeines Hauſes gering acdhtete?). Doch. mag hier die
Bemerkung am paffendflen gemacht werden, daß, wenngleid
‘ Englands Unglüd gegen Üthelreds Regierung nur zu vernehm:
Tich zeugt, dennoch in der Darſtellung -der jet beginnenden
neuen Berhältniffe Englands zu der Normandie und biefer
ganzen legten Periode der angelfächfifchen Gefchichte, die mei⸗
fen der Hiftorifer, welche erft nach der Eroberung Englands
durch die Normannen fchrieben und welche, wenn fie auch nicht
abfichtlih das Andenken der Gegner der Vorfahren Wilhelms
des Erobererd Eränkten, doch die: feindlichen Anfichten, Deutun: _
gen und Sagen ber Normannen über die Angelfachfen in ihre |
1) Daß AÄthelred ſelbſt in der Normandie beim Grafen Richard an
“hielt, fagt zuerſt Goffrei Gaimar V. 4134.
2) Gemma Normannorum. Henr. Huntend, 1 VL Ran
Higden 271. |
8) Malmesb, 64.
I.
Ä | | I
Bon Anfang des:9. his. Anfang des 11. Jahrh. 433
Geſchichte hineinitrugen, daß diefe Schriftfieller, welchen wir
foft allein unfere Kenntniß der Gefchichte Englands verdanken,
mit großem Mistrauen, felbft wenn auch nur von einem —*
red die Rede iſt, zu benutzen ſind.
Die in England ſtets behaglich verweilenden daniſchen
Heere muſſten auf dieſe Verbindung mit Scheelſucht und Be⸗
ſorgniß hinblicken. Vor dem legten Vertrage mit Athelred, im
Anfange dieſes Jahres, konnten ſie ſich als die Gebieter Eng⸗
lands betrachten; nicht durch voͤlkerrechtlich ſtets anerkannte
Eroberung, ſondern durch die Furcht vor der Brandfackel und ur
dem Dolche des daͤmoniſchen Raubgefindeld. Iener dritte Ver⸗ \
trag mit Äthelred war nicht mit der Abficht gefchloffen, bfir
als die frühen gehalten zu werben. Doc war, da fie Eng:
land nicht zu verlaffen gefiunt waren, zum femem Brude . ,
Zeine Zeit zu verlieren. Üthelred und Richard, Angelfachfen
und Normannen Eonnten unterbeffen fich näher befreunden; ein
beiden Nationen verwandter Sprößling Tonnte enge Verbin _
dungen und neue Intereflen zum Nachtheile des Seeräubers
volkes wecken; der Plan, den König und die Erften feines Reis
ches zu erfchlagen und durch diefen Verrat) die Banbiten in
. den alleinigen Beſitz ded Landes zu feßen, warb fchnell ent⸗
worfen, konnte fehr bald audgeführt fein‘), Dad Complot 1002.
gelangte zu den Ohren des Königs, welcher mit feinen Räthen
Fein andres Mittel wuflte*), der unduldbaren, treulofen Gaͤſte
ſich zu entledigen, als die leßte Zuflucht der Schwachen, den
Mord. An alle Städte Englands wurden Schreiben bed Koͤ⸗
nigs heimlich gefanbt ?), im welchen biefer dad den Dänen
gezwungen. bewilligte, von dieſen frevelhaft misbrauchte fichere
1) Florent. und Simeon Dunelm. ad a, 1002, deren fo gar
nicht beachtete Worte lauten: Aethelredus — omnes Danos — oceidi
jussit, quia illum suosque primates vita regnoque privare et totius
Angliae dominium suae ditioni conati sunt subdere. gl. chron, saxon,
2) Matth. Westmon. ad a, 1012 nennt ald den, älteren Quel⸗
len unbekannten, Rathgeber des Koͤnigs: Auna quidam, militiae prin-
ceps, vir strenuus et bellicosus,, qui. sub rege regni negotia dispo-
nenda susciperet.
8) Aethelredi abbatis genenl, reg: Anglı 368. Hear. „Hun-
tend. Ban. Higden,
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 28
⁊
[N Drittar Abthieilung.
Geleite aufhob und die dort verweilenden Raͤuber am Et.
1002
18. Nov.
Britciuſstage, unter dem Schutze Gottes und feiner Heiligen,
zu toͤdten gebot. Der Befehl. wurbe. ohne. Schrecken vernon⸗
men, nicht den Daͤnen verrathen und / unbedenklich ausgefuͤhrt.
Große Grauſamkeiten ſollen bei dieſem Gemetzel ſelbſt gegen
den Dänen geneigte engliſche Weiber und Kinder der Daͤnen
von dem in Rache ſchwelgenden Volke veruͤbt worden ſein)).
Hoͤchſt unklug war es, bei einer Graͤuelthat, welche nur Gruͤnde
der Stantöfiugheit zu entſchuldigen verſuchen durften, dem
Privathaſſe ſo viel Raum zu laſſen, daß auf eines koͤniglichen
Sinftlings, Eadrics, Geheiß fogar Sunhilde, Die Gemahlin des
treulofen. Dinen Palling, aber Schweſter des Koͤnigs Sven,
gleichfalls hingerichtet wurde’) Über bie Ausdehnung biefer
Maßregeln find wir nicht genügend belehrt, da fie.in Eeinem
Salle die von Altern daͤniſchen Gefchlechtern. bewohnten Pro⸗
vinzen Rorthumberland und Oſtanglien, fowie bie ſieben Städte
Merciend, welche wir auch nach wie vor in ben Haͤnden alts
däntfcher Gefchlechter finden, begriffen haben Tann. Wahr:
fcheinlich waren die dem Morde Geweihten nur jene gebornen
Dänen und Norweger, welche von dem Heere Svens, Dlavs
und ihrer: Genoſſen in England zuruͤckgeblieben hei So
groß bad Verbrechen uns ſtets erſcheinen muß, fo duͤrfen doch
die vielen in obiger Darſtellung enthaltenen Gruͤnde fuͤr eine
weniger ſtrenge Anſicht nicht überfehn werben, wobei wir aud
noch beſonders erwägen, daß weder allein Äthelred und feine
Rathgeber nach einzelne. Individuen hier fehuldig find, fondern
daß" das ganze, feit Jahren gereizte Volk der Landeseingeſeſſe⸗
nen, foweit fie durch jene frechen Fremden gemishanbelt umb
bedrängt wurden, zur Ausführung‘ diefer That, welche allen
"Ständen und namentld auch den Geiftlichen vorher bekannt
fein muffte, in der Begeiſterung des Nationalhaffes ſich ver
eint hatte. - Nichts iſt unbefonnener und ungerechter als den
5 E) he nicht zu uͤberſehn, daß bas Ärgfte von den eingegrabnen
Weibern, zermalmten Kindlein u. .dergl. nur in ber historia Norman-
nerum- Guik Gemet. erzählt. wird,. wenn man nicht‘ auch den jenem
mit den bei ihm befannten Ausſchmuͤckungen nachfchreibenden Balli n9:
ford noch ſtets als Geſchichttauelle will gelten laſſs. 1°
9» Malmesb. 4.
" * Po Pr)
- !
Bon Anfang.des 9. bie Aufans bes 11. Jahrh. 435
St. Briciudtog mit der St. Barthalemaͤusnacht zuſammen⸗
zuftelen; näher liegt die Vergleichung mit dem Kampfe der
Briten unter der Boudicea oder mit der ſieilianiſchen Veſper.
Doch wer moͤchte die roͤmiſchen Legionen oder die franzoͤſi⸗
ſchen Krieger mit. jenen Barbareſken der Nordſee vergleichen?
‚ Gewiß: wäre auch über. dieſe That laͤngſt anders geur⸗
theilt worben, als gewöhnlich geſchieht, wenn ihr Erfolg gluͤck⸗
licher. geweſen waͤre. Kaum vernahm jedoch Koͤnig Spen,
welchem die neuerliche Beflegung Olavs von Norwegen Ruhe.
und Sicherheit. in feinen Reiche verfchaffte, die Botſchaft von
der Ermordung feiner Angehoͤrigen in England, als eine Fahrt
‚nach: diefem Lande für die nächfte goͤnſtige Jahreszeit ſeinen
Seemannen angeſagt wurde. Bei einem kuͤrzlich auf Veran⸗
laſſung des. Todes des Harald, feines Jarls von Schonen,
mit deffen Söhnen, Sigwald, dem Nachfolger Balnatokes In
‚der Hauptmannfchaft zu Somsburg, und Thorkill, ſowie andern
Jomswikingen gefeierten Zodtenmahle hatte der König gelobt
bed: flüchtigen oder getöbteten Äthelreds Reich in drei Jahren
zu erobern‘). GSpen landete-.mit feiner Zlotte, nachdem a
an Deheubarths Kuͤſte geplündert hatte”), in Devonſhire, was
wegen ber Entlegenheit dieſer Provinz für den vom Weſten
her Sciffenden auffallen: darf. Es iſt unbefannt, ob. der
Daͤnenkoͤnig zunächft die Befibergreifung des Eigenthums fei-
ned in jener Graffchaft und bekannt gewordnen Schwagers
Palling beabfichtigte, oder ob der Verrath bereits: eingeleitet
war, burch den der normannifche Graf Hugo, welchen die Koͤ⸗
nigin Emma der ihr vermuthli zur Morgengabe ertheilten
Stadt Ereter vorgefegt hatte, dieſe Stadt ihm überlieferte und
die Plünderung derfelben ſowie die Niederreiſſung der dortigen
feewärts errichteten Mauer geftattete. Als Suend darauf nad)
Wiltfhire vordrang, fammelte ſich bald die Mannfchaft aus die⸗
fer Provinz, fowie aus .Hampfhire, um muthig und Träftig Die
Angreifenden zu vertreiben... Doch ihr Heer führte jener- Earl-
dorman Alfric, der ſchun fruͤher ſein Vaterland ben Feinden
| verrathen ’), ‘den aber AÄthelred, er durch "bie Verwandt⸗
1): Jomswikinga Saga.
2) Gentiles vastaverunt Demetiome.. Annal. Canbr. . 2.4008.
3) Für die Identität mit dem früheren Verräther ſprechen chrom.
28* .
j 6. Dritte Abeheilung.. 5:
fehaft ihrer Wäter veranlaſſt, ſtets wieder in ſein Reich und zu
> allen Ehren aufgenommen hatte. Wie der Zag.ber Schlacht
1004,
erſchien, fpielte Alfric feine alten Verraͤtherkimſte und ſtellte ſich
ſo krank, daß er an ein Treffen nicht denken koͤnne. Dem
elenden Führer mufften die Angelfachfen, wenngleich nieberges
fehlagen und zormentbrannt, folgen, und. Suend zog unge:
Hört zu feinen Schiffen zuruͤck, nachdem er Wilton und Sarum
geplündert und verbrannt. hatte. Diefer neue Verrath fcheint
jedoch dem Üfric nicht wieder verziehen zu fein, deſſen Perfon
wir nicht weiter bezeichnet, dagegen bald darauf‘ die Ealdor⸗
manfchaft von Mercia in andern, wenngleich nicht beſſern Haͤn⸗
ven finden, des gefährlichiien der Guͤnſtlinge des ſchwachen
Athelred, des fchon oben beim St. Brieciustage genannten Ead⸗
ric, mit dem Beinamen Streona (der Erwerber), Sohnes von
einem gewiffen Kgelric, aus nieberm Gefchlechte, welchem ber
König felbft die Hand feiner Tochter Eadgitha ertheilte *).
‚Eine der wenigen erfreulichen Erfchenungen jener Tage
bietet ſich und in einem andern Schwiegerſohne des Königs
dar, dem oftanglifchen Ealdormane Ulffytel, genannt Snilling,
von daͤniſcher Abkunft, der jenes Tochter Wlfhildis zur Ge
mahlin erhalten hatte”). Sven, im folgenden Sommer wie
berum einen neuen Verheerungszug gegen England unterneh:
mend, überfiel Oſtanglien und verbrannte Norwich. Ulfky⸗
tel, uͤberraſcht, ſah fich gendthigt, auf‘ den Rath der Mit:
‚ tigften feiner Provinz, von Sven einen Frieden zu. erkau⸗
fen. Sven aber, den Bertrag nad drei Wochen brechend,
saxon. Florent. Doc bleibt einiger Zweifel, ob er berfelbe Älfric
geweſen welcher früher verbannt war. gl. oben ©. 425 Note 1. Gin
- Aelfric dux kommt noch in einer Urkunde Äthelreds v. 3. 1012
‚wieder vor. Suhm aa O. Auch gehoͤren Wilts und Hampſſhire
| nicht zu Mercien.
1) Bol. Florenz 1007, 1009. Der Rame des Vaters wird etwas
verbächtig, da er. derfelbe iſt als Ailric, der Name des Vorgängers
Eadrics in feiner fpäter erhaltnen Galdormanfdaft. ' se
2) Suhm Hiflorie af: Danmark III, 431. In urkunden v. J.
970 u. 1004 findet ſich nur ein Minifteriale dieſes Namens bei Gale I,
‚517, 522. Ebenſo 1012 bei Suhm III, 795.” Chron. saxon. gibt ihm
nicht den Zitel eines Galbormans; ert Slorenz nennt a dux East-
änglorum., —
Ei
—
Don Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 437
überfiel und: jerftörte : Thedford. Ulfkytel verſammelte dar⸗
auf ſeine Schaaren, eilte ben Daͤnen, als fie zu ihren Schif⸗
fen zuruͤckkehrten, entgegen und lieferte ihnen ein Treffen,
kuͤhn und ſtandhaft, wie die Daͤnen kein aͤhnliches in England.
hatten fechten muͤſſen. Die edelſten Oſtanglier fielen, doch ent:
famen nur wenige Dänen und diefe nur durch die Nichtvolls
firedung des ‘von Ulfkytel gegebnen Befehles, die. Schiffe der .
Dänen zu verbrennen '). Der Dänenkönig wurde durch dieſes
Verfehn gerettet und konnte fogar fein Winterlager. in Eng:
land halten, doch "das frifche Andenken an Zhurketild gutes _
Schwert, welthes jenen erinnerte, wie unglüdlich feine. Kämpfe
mit tapfern Männern, wenn nicht durch Verraͤtherei unterflügt,
zu fein pflegten, fowie eine in England, welches durch die Sok
gen des unfeligen nordifchen Raubfyflems durch jede Art von
Landplagen vielfältig heimgefucht wurde, audgebrochene Hungerds
noth, bewogen ihn mit feinem Heere in feine Heimat: zuruͤckzu⸗
fehren, ohne das Exroberungdgelübde für jebt volführt zu haben.
Um Mitfommer landete Sven wiederum mit einer zahl⸗ 1006.
lofen Flotte zu Sandwich, dem jebt ganz verfallnen, einft beis
nahe wichtigften Hafen Englands, nach alter Gewohnheit plüns
dernd und durch Feuer. und Schwert zerftörend. Äthelred vers
fammelte feine Krieger aus Weller und Mercien, denen «3
nicht an Kampfluft fehlte; aber die Dänen wufften einem offe:
nen Kampfe auszuweichen und zogen fi) nach St. Martins
Meſſe in die milde und fchöne Inſel Wight zuruͤck, welche
fchon fo oft zu dem Winterlager ihrer Landsleute gedient hatte.
‚Doch ſchon mitten im Winter eilten fie nach Hampfhire,
Städte und Dörfer wurden als ihre Signal⸗ und Wacht⸗Feuer
angezimdet; Berkfhire „wurde zerftört; die Bürger von Win-
chefter fahen zerfmirfcht, wie der fchonungslofe, uͤbermuͤthige
Zeind durch ihre Thore die Beute zur Proviantirung der ent:
fernten Seeufer fchleppte. Jede Landfchaft in Wefler wurde
mit der Brandfadel und Blute gezeichnet. Äthelred verweilte
unterdeffen in Shropfhire. Seine Rathgeber, welche die Waf⸗
fen der Angelfachfen in Anwendung zu bringen nicht verſtan⸗
den, wuflten Teinen Ausweg, als dem treulofen Freunde eine
. 2) Slorenz 1004. J |
) \
438 ....... Dritte Abtchheilung.
noch größere. Summe zu bieten, als dieſer fruͤher ſchon erhal⸗
ten hatte, und fuͤr 36,000 Pfund Silber), bie. hoͤchſte Summe
vermuthlids. welche die bamalige Finanzkunde aufzubringen
wußte, auſſer der Bekoͤſtigung und: Verpflegaug dei Daͤnen in
ganz Englund, verſtand ſich Koͤnig Som ss einem neuen
eugfriebenöfchluffe, mo.
Das :größte Übel für: England in jener Alt, welches ob
fein das endloſe Elend. der Fremdherrſchaft: und das Hexabſit⸗
ten des: alten angelſaͤchſiſchen Namens erklaͤrt, war Die Anar⸗
hie des hohen Adels und der .angefehnen. Hofbeamten;.:. Gegen
jenen. ſuchte Äthelred eine Stübe: in. den Guͤmſtlingen, welde
feiner. Schwäche fchmeicheltenz. doch dieſes Mittel: war, wie
haufig, fchlimmer noch. als das UÜbel dem es entgegengeſtellt
wurde. Es ſind oben ſchon mehrere Beiſpiele exwaͤhnt; doc)
Eadrit, welcher nur der Frechheit und gelenker Zunge Reich⸗
thum und Wuͤrden verdankte, übertraf im. ſchamloſen Verrath
pflichwergeſſener Selbſtfucht, Stolz und Grauſamkeit Alles,
Wh Angelfarhfen. gefannt hatten... Der bisherige erſte Guͤnſt⸗
ling des Könige, Wulfgeat ?), wurde wegen: ungenechter Ge
richtspflege und vieler: ungebuͤhrlicher Anmaßung aller.. feiner
Guͤter und Ehren beraubt. Den mächtigen Ealdorman Alf
heim von Deira ?) lockte er zu: einem großen Hochgezite und
ließ. ihn am vierten Tag bes. Feſtes, durch: einen dazu gedungs
hen Bleifcher von. Shrewsbury, im Walde tüdifch erfchlagen.
Alfhelms Soͤhne, Wlfheah und Ufegeat, wurden bald darauf
in des Könige ‚Namen geblendet 9. Mit ihm waren auch
9 Einige, Hendſchriften des aax. chron. Hear. Hunt end.
Ran. Higden fagen 30,000 Pfund, Die obige Summe. wird au
durch andere Handfchriften des sax. chron. .. Stavenz, chron. Mail-
ros., Simeon u. A. beſtaͤtigt.
2) Als Miniſteriale in Urkunden Üthelreds v. 8. 994, 999, bei
Dugäale VI, 1446, Palgrave II, 224. 100%, bei Gale 1, 522.
359) Deira. S. oben ©. 423 Rote 1.
4) Florent. ad a. 1006. Wlfheah als iniſteriale Athelreds
in Urkunde 994. Dugdale.a. a. O. Wir verfagen uns zuweilen das
Vergnügen nicht, durch urkundliche Nachweifungen die Eriftenz ber in
den Gefchichtsannalen, genannten Perfonen zu conflatiren. Diefe Nadhs
welfungen bürfen das Interefie in Anſpruch nehmen, welches dem Lefer
eines hiftorifchen Gebichtes oder Romans durch hiſtoriſche Rachweifung
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 489
feine Brüder alle große Herren geworden, Brithric Aifric Goder
AÄthelwin, Athelweard, AÄthelmer, „welche aber ſchon vm bieſe
Zeit, in. dem. Jahre nach. Eadrics Erhebung zu der wichtigſten
Ealdormanſchaft, der von ganz Mercien), unter ſich in bluti⸗
gen Fehden raſeten. Brithric, dem keines der Laſter feines gluͤck⸗
lichſten Bruders fehlte, hatte den Sohn: feines Bruders AÄthelm,
Wulfnoth, den Junker. von Suſſer?), Vater des in der ſpaͤtern
Geſchichte beruͤhmten Godwin, verleumdet. Wulfnoth, auf Grhoͤr
und Recht: nicht hoffend, floh, bemaͤchtigte ſich einer Anzahl
von zwanzig Schiffen, mit welchen er nach Wilirger- Sitte
das Meer befuhr und bie, Küften, auch feines Vaterlandes,
plünderte.. Sein Oheim Brithric verfolgte ihn mit achtzig Se⸗
deln Ein heftiger Sturm erhob fi ch, und warf bie. Flotte an
die: Felſenufer; ‚niele der Schiffe wurden von Wulfnoth hernach
verbrannt und die Übrigen Fehrten nach London zuruͤck. Der .
Berluft dieſer Schiffe wurde um fo mehr beklagt, ba: fie zur
Abhaltung der auswärtigen Feinde beftimmt waren und die
Angelſachſen auf deren Errichtung foeben die größte Kraft⸗
| anfirengungen verwandt hatten. .. Nach einem Rrichsbeſchluſſe
hatten je 310 Hiden ) e ein Fig, neun berfelben ie ‚einen |
‚ber: ‚Helden gewährt wird; denn viel größer, wir dürfen es ut verheh⸗
len, als zu dergleichen gedichteter Hiſtorie, darf unſer Zutrauen zu den
meiſten Moͤnchschroniken im Allgemeinen vor naͤherer Pruͤfung nicht ſein
Iſt unſere Chronik aber an ſich glaubwürdig, fo lehren uns jene ur⸗
kundlichen Notizen, daß ſie uns nicht lediglich die hiſtoriſchen Merkwuͤr⸗
digkeiten ihrer Provinz, ſondern wirklich die Schickſale des dem Reiche
wichtigen Mannes vortraͤgt. |
1) Eadric fteht an der Spige aller Laien in der Urkunde v. 3.1012
(bei Subm Geld. III, 795), wo auch die Namen der meiſten feiner
Brüder, und Godwine, miles. Der bortige Aelfric dux ‚Thunte fein
Bruder diefed Namens fein. ©. oben ©. 435 Note 3. Die meiſten
Namen. diefes Gefchlechts find in einer Urkunde v. 3.970 unter ben
Minifterialen Eadgars (bei Gale I, 518). Goda kann der. im 3 988
gefallene Miniſteriale (satrapa) dieſes Namms fein. |
2) „Cild.“ Chron. saxon. „puer nobilis,‘ Huntend.. ani-
. nister‘“ Florent. Chron. saxon. und Huntend. fegen diefe Bege⸗
benheit ins 3. 1008, die meiften übrigen Chroniflen ums J. 1009.
5) Hida vocatur terra uwnius aratri culturae suffisiens‘per annım.
Henr. Huntend. ad a. 1008, Ron den fihmanfenden Angaben über
40. a Dritte Abtheilung.
Panzer und: Helm geliefert. Eine größere Flotte war nie in
Britannien zu irgend einer. Zeit vereint‘). In Sandwich, wo
- fie ſich verfammelte, follen nach neuen Berechnungen: gegen
1000 Schiffe gelegen haben, während der Ruͤſtungen 40,000
zufammengebraht worden. Doch find diefe Vermuthungen
hoͤchſt unficher, da die Angabe ven 243,600 Hiden in Eng:
land füdlich vom Humber auf ſehr umverfländlichen Notizen be
ruht ), und ſelbſt nicht erwiefen ift, daß dieſelben Hiden
welche zu Einem Schiffe fteuerten, auch für Eine Rüflung bei
zutragen hatten. Wären fo fehr viele Schiffe wirklich ausge
rüftet worden, fo hätte ber Verluſt eined Theiles jener achtzig
nicht als fo fehr unheilvoll betrachtet werben Fönnen. .
‚Diefe Einrichtung war vermuthlich nur in ber Vertheilung
der Laſt eine neue, da wir aͤhnliche Gemeinſchaft zur Erbauung
eines Schiffes im ganzen Norden ſchon frühe finden. Alfreds
Schiffsbauten find wahrfcheinlich auf diefelbe Weife befchafft.
Doch erkennen wir jedenfalls in Äthelrens Regierung, wie bie
Noth eine treffliche Lehrerin der Staatskunft werden Tann.
Sowie das Danegeld, fo hat fi) auch das Schiffsgeld lange
im Gebrauch erhalten; in beiden ift, wenn man ben "geifs
lichen Schoß nicht. hieher rechnet, der Anfang der directen
Beſteuerung Englands zu fuchen. Zugleid) aber darf es nichi
unbemerkt bleiben, daß die erfte Einführung oder Abänderung
folcher gemeinfamen Abgaben in den Zeiten der Schwäche einen
. binlänglichen Beweis für das Vorhandenfein von Verfammlun:
gen zu Tiefern fcheint, an welchen bie Eigenthümer der Hiden
die Größe der Hide (die altſaͤchſiſche Huthe, welche noch in vielen Dorfes:
namen zu erkennen ift), welche in einigen alten Nachrichten auf ein
großes Hundert ober 120 Acres (Morgen) angegeben ift, f. dissert, ad
Doomes daybook p. XLVI. neu abgebrudt in Ellis introduction to
Doomes daybook. Der auffallende Widerſpruch in jener Angabe Iäfft
vermuthen, daß hide, wie mansus, Hufe, Pflug, kein genau beftimmtes
Landmaß, fondern vielmehr eine Kriegsbienft » oder Steuer: Quote bes
7 zeichnete.
1) Henr. Huntendon.
2) ©. das Verzeichniß der Hiden bei Gale scrr. Brit. ], 7468,
befiev in Camden Britannia (ed. Gibson CLXVIL) und Spel:
manns glossar. .
Bon Anfang des 9: bis Anfang des 11. Jahrh. 44
ſelbſt oder durch. ihr Vertreter, mitfißend oder umherſtehend, -
Antheil nahmen, Noch fihherer nehmen wir aber eine früber
unbekannte Wohlhabenheit in dem fo dft ausgeſogenen Lande
wahr und den Anfang einer Geldcirculation, Durch welche .jes
der Eleinfte freie Eigenthümer befähigt war Abgaben diefer Art
zu: bezahlen. Wichtiger noch als die Nachrichten über. die fir
jene Zeit ungeheuer fcheinenden Summen, welche von einzelnen
Kidftern im Kriege und bei andern Borfällen, :wo ihre Immunität
Seine Anerfennung fand, gezahlt wurden, iſt es uns zu bemers
ken, wie unter. allen. Unfällen des Landes der freie Georl auch
in der allgemeinen -Reichögenoffenfchafe fich als freies Mitglied
behauptete, wie er ed früher in den Eleinen Staaten, Gilden
und Bereinen geweſen. Zu lehrreich für den Zufland der klei⸗
nen freien. Landlente dieſer Gegenden in dieſer Zeit, um nicht
kurz angedeutet zu werden, iſt die Verſchwoͤrung der Ceorle
der Normandie gegen, Äthelreds Schwager, Herzog Richard I,
die, um mannidhfaltige Zreiheiten und Rechte zu erringen, ein
großes Parlament hielten, zu welchem: bie verſchiednen Commu⸗
nen je. zwei Mitglieber ſandten). Wie. wichtig das. Mohls -
wollen der. angelfächfiichen Georle felbft. tem Herrſcher werden
konnte, wenn. ed weiſe benußt worden wäre, hatte ſchon Athel⸗
tebö Sohn Gelegenheit zu erfahren.
Doch wiederum müflen wir und von. ben anziehenbem
und wichtigſten Lehren der angelſaͤchſiſchen Gefchichte ab und
zu. dem ’ermübenden,; aber unerläfflichen ‘Berichte von. den
Schlachten und Schannügeln. wenden, ‚weldhe, während. bie
weſentlichſten Schielfale der Nätion, die Keime ihrer flillen Ent⸗
widlung. oder. unvermeidlicher Verwilderung ‚ die Entftehung 'der
einflußreichften Einrichtungen, mit faſt undurchdringlichem Schleier
bedeckt bleiben, dad beinahe einzige. und erhaltene Fragment der
Geſchichte jenes Staates bilden und daher ald das Ganze berz -
felben angefehn zu. werben pflegen. Sigmwald, der bereits ges
nannte ehemalige Hauptmann der Jomsburg, war in ben legs
ten Jahren auf einem nach England unternommenen Streif⸗
*
5975 sq. .
1) Guil, Gemet. v, 2. ui, im Roman de Ron ve.
en.
42 Dritte Abtheilung.
t
zuge erſchlagen). ‚Sein tapferer Bruber Thorkill?), genannt
- bin: Have, der Lange, um beffen Blut zu rächen, landete mit
40 Schiffen in England, worauf nach einigen Monaten feine jüns
gexen Brüder Hemming und Eiglaf oder Eglif, Thorgils Söhne,
in Thanet landeten und mit jenem vereint nad) Sandwich ſchiff⸗
ten. Sie rückten raſch auf Canterbury vor, welches fie einge
nommen haben würden, wenn deſſen Bürger fih nicht durch
Sahlung von 3000 Pfund Silber den Frieden erfauft hätten.
Athelred ſchickte eine Gefandtfchaft an den Hof von Rouen,
zu feinem Schwager, um befien Rath und Hülfe zu erbitten; |
doch vernehmen wir von keinem glüdlichen. Erfolge’). Die
kriegserfahrnen Jomswikingen fchifften, gleich ihren Vorgängen,
dem Eiland Wight zu und begannen gleich jenen die Raub
züge in bie kaum von ben lebten Verheerungen wieder aufle⸗
benden Landfchaften Suffer, Hampfhire und Berffhire. Äthel⸗
red fiellte fi) an die Spitze feines Heered und war im Be
griffe die guͤnſtige Stimmung beffelben und die Furcht des fih
zurlchziehenden Zeinded zu benugen: doch Eabric ertheilte ihm
wiederum verrätherifche Rathichläge, welchen folgend der König
die Feinde fich, ruhig zuruͤckziehen ließ. Trotz der empfangnen
großen Abkaufungsſumme gingen die Daͤnen jetzt nach Kent
zuruͤck und beraubten beide Ufer der Themſe. Nur die Ar
griffe auf London gelangen ihnen nicht; die tapfern Ritter und
Bürger, welche dieſe wohlbefeſtigte und reihe Stadt ehten
voll vertheidigten, haben ſelbſt die benachbarten Provinzen,
welche die Daͤnen in dem milden Winter die Themſe hinauf⸗
ſegelnd durchſtreiften, von denſelben oft befreit. Im folgenden
Jahre zogen fie nach Ofltanglien, wo Ulfkytel an ber Spike
eined aus mehren Graffchaften: zufammengezogenen Heeres
„010 fland und ihnen zu Ringmere bei Ipswich begegnete‘). Doc
e Ale - '
: ° 3) Entom. Emmas. Daß Sigwald ber dort erwähnte Bruder
Thorkille war, feheint nicht zu bezweifeln, da jener einige. Jahre nad
dem 3. 1000 geftorben iſt. Vol. Vedel Simonſon über Iomsburz.
2) Über Thorkill oder Thurketill ſ. Langebek acır. rer. danic. Il.
458—463.
8) Henr. Huntendon. Bromton.
9). Florenz und Simeon geben ben: Ort genau an, dielleitht
das jetzige Rushmere heath bei Ipswih. Snorro hatte auch von ulf
bie. Oſtanglier flohan, nur die Maͤnner von Cambridge ſtanden.
Viele Tapfere fielen, unter denen auch Kthelſtan, cin Eidanr
des Königs, genannt wird ); der Than Thurkytel, mit: dem
Beinamen Ameiſenhaupt, begann die ſchimpfliche Flucht. Das
Daͤnenheer behauptete: die Wahlſtaͤtte, verſchaffte ſich bald Roffo
und. pluͤnderte rings: umher. Thetford amb: Cambridge wurden
in Aſche gelegt. Der Lauf der Themſe und der Nebenſtroͤme
derſelben hezeichnet die fernern Zuͤge der Daͤnen, : weiche‘ im
Einzelnen weiter. zu. verfolgen: ermuͤdend und unnuͤtz iſt. Durch
ihre Geſchicklichkeit, noch mehr durch das Ungeſchick der angelſaͤch⸗
fiſchen Heerfuͤhrer trafen die feindlichen Bose nie gegeneinander,
Die Plane .des:-fähfifchen Lagers Tamen nie zur Reife; die
größte Uneinigkeit brach aus, jeder Ealdorman wollte nur fick
bergen, Feine. Landſchaft neben der andern fechten. Nachdem
das halbe England bereitd von Thurkytel und feinen Genoffen '
verheert. war, befchloffen, König und Witena mit dem fiegrei-
chen Feinde einen Friedensvertrag ‚unter den gewöhnlichen Bes
dingungen zu fchlieflen, wobei, wie früher ſtets Daß letzte Abkaufs⸗
geld beträchtlich gefleigert war,. fo auch) jest 48,000 Pfund
Bon Anfang des 9. bis: Aufang des 11. Jahrh. 43
1011.
Silbers bedungen wurden. ‚Doch troß der eingeganguen Vers
pflichtung und mihrend mit :der.. größten Strenge gegen das
tiefgebeugte Land das umgeheure Danegeld eingefammelt, Was
led fogar, um eine Beifleuer zu erpreffen, mit Krieg überzogen
und St. Davids in bemfelben zerflört warb ), wurde Ganter-
bury von den Dänen angegriffen: und burch den Verrath des
Abtes Amar denfelben überliefert Nebſt andern angeſehnen
kills Schlacht bei Ringmara Haide in uiftius Lande gehört, doch laͤfſt
er ſie von demſelben nach Koͤnig Svens Tode gegen Äthelred und ſeinen
Verbuͤndeten, Koͤnig Olof von Norwegen, liefern. S. Olof Haralds⸗
ſons Sagen Cap. 13. Wenn wir Snorro als Geſchichtsquelle be⸗
nutzen wollen, ſo iſt es unerlaͤſſlich auch deſſen Irrthuͤmer gleichzeitig zu
ſichten und zu berichtigen.
1) Chron. saxon. cynges athum. ‚Florent. gener regis find
glaubwürbiger als Henr. Huntend. äorerius regis. Der Name ber
an Äthelftan: verheirateten Tochter Äthelreds ift unbekannt.
2) Diefe Deutung fcheint mir die Nachricht ber annal. Cambr. (und
ann. eccl. Meneviae) ad .a. 1011 gu geben, daß die Bachfen Edrich
(Eadric) und Ubls (Ubrich, Umbrich, ‚vielleicht Uthred) Menevia zers
ftört hätten.
\
4 .: Dritte ‚Absheilung.
1012.
Männern wurbe der ehrwuͤrdige Erzbifchof Alfeah gefangen
und auf die Schiffe ber Dänen gefchleppt. . Bürger und Möndıe
von Canterbury mufften über die Klinge fpringen; von den in
ben Chriſtkirchen eingefchloffenen Weibern und. Kindern ward
anne: das zehnte am Leben erhalten: Obgleich am nächften
Oſterfeſte die verheiſſere Summe gezahlt war, ſo wurde den⸗
noch Alfeah nicht befreit, ſondern ein beſondres Loͤſegeld von
demſelben verlangt. Dieſer, ob er gleich ſchon acht Monate
in der harten Gefangenſchaft geſchmachtet hatte, unterſagte den
Seinigen durchaus für ihn Etwas zu zahlen. Die Daͤnen,
welche mit. ihren Schaͤtzen davonzuziehen und auch jenen jebt
108 zu werden wünfchten, . rebeten ihm ſtark zu, feine Freiheit
mit 3000 Pfund Golded zu erfaufen. Er foll in einem Au:
genblid der Schwäche früher ein Löfegeld verheiffen haben und
erbitterte daher die Feinde durch Verweigerung defjelben jegt um
fo mehr.'). Viele der Dänen. waren von den ungewohnten
franzöfifchen Weinen, welche ihnen hierher gebracht wurden,
trunfen. Er warb vor.den Rath der. Dänen geführt und, da
Überredungen nicht fruchteten , fehredlich gemishandelt , mit
Steinen, Knochen und. Dchfenhörnern geworfen. Streitärte
flogen an feinen Kopf, da fan? er blutig und ferbend zu Be
den. Ein Däne, Thrum, den er kurz zuvor getauft hatte, gab
wicleidig ihm den Todesſtoß ).
U Der Zeitgenoſſe Ditmar, Biſchof von Merſeburg (B. VII.
gibt uns, auf einen ihm gewordenen Bericht fich berufend, die Altefte
ausführliche Nachricht über dieſe Begebenheit. Iener zufolge bemühte fih
Thurkill den Alfeah vor der Wuth der Dänen zu retten. Ditmar
gibt jeboh dem Alfeah irrig Dunftans Namen.
ı 2) Über Älfeahs Leben befist man eine bem Dsbern ums 2.
1070 zugefchriebene Schrift, gebrucdt in Wharton Anglia sacra T. II.
Mabillon acta Sanctor. 21. April. Kürger, doch im Übrigen wörtlich
uͤbereinſtimmend bei Surius de prob. Sanct. vit. T. II. April,
p- 188 sq. Der legte Theil diefes Werkes, foweit er zugleich die Di:
nen betrifft, ift mit einigen Grläuterungen auch bei Langebek scrr.
rer. danic. II, 489 sq. Florenz hat Ciniges wörtlich aus demſelben
entlehnt, 3. 8. beim 3. 1007 die Schilderung Eadrics; auch 1011 über
bie Gräuel hei der Einnahme Canterburys, wenn nicht eine gemein ||
Ihaftlihe Quelle benutzt fein follte, ba in Anderem Beide wenig über:
einſtimmen.
x
Bon Anfang. des. 9. bis Anfang ded 11. Jahrh. 445
Es iſt nicht: unwahrfcheinlich,, "daß irgend eine beſondre
Veranlaſſung die Dänen gegen ben unglüdlichen Erzbifchof "ers
bittert: hatte; doc liegen hinlängliche Gründe in feinem Eifer
füe den Frieden und bie zuweilen⸗ gelungne Bekehrung ihrer
Landsleute zum Chriſtenthume. Alfeahs Biograph berichtet
noch die den uͤbrigen engliſchen Geſchichtſchreibern unbekannte
‚oder nicht glaubwuͤrdige Nachricht), daß Eadric Streona ſelbſt
die Daͤnen zu dieſer letzten Belagerung Canterburys angefuͤhrt
habe. Einer ſeiner Bruͤder naͤmlich ſei von dem kentiſchen
Adel, welchen er als deren koͤniglicher Beamter ungerecht be⸗
hanbelte, erfchlagen ?). Eadric konnte von feinem. Könige, wel⸗
cher die in feinen Augen verzeihliche Selbfthülfe des Eentifchen -
Adels nicht beftrafen wollte, die begehrte Rache nicht erlangen
und uͤberfiel Kent mit 10,000 Mann, welche ihm wider des
Königs Willen folgten. Da er hier indeffen tapfern Wiber-
ftand fand, fo, fährt der Biograph in der bis hieher nicht ver⸗
dächtigen Erzählung fort, foderte er die bei Sandwich liegen⸗
den Dänen auf, mit ihm den Tod feines Bruders an Canter⸗
bury zu rächen, wobei im Verfolge bei Einnahme diefer Stadt
des verrätherifchen Abtes Alfmar nicht gedacht wird. Osbern
oder welcher fpätere Mönch feinen Namen’ tragen mag, fcheint
fi bier geirrt zu haben, wie denn auch andre Irrthuͤmer von
ihm berichtet werden, daß König Sven damald bereits. vers _
ftorben geweſen. Ein folcher Irrthum konnte bei dem vielfäl-
tigen Verrathe Eadricd für den oberflächlichen Lefer oder Hoͤ⸗
rer leicht entſtehn. Thurkills Rache für feinen Bruder Sig-
wald Zonnte mit der Eadrics für feinen Bruder verwech⸗
felt fein, während und dagegen ein Blick auf die bald fols
genden Begebenheiten und Eadrics Verrätherrolle in benfelben
zugleich zeigt, daß er damals noch nicht alles Vertrauen feines
1) Bromton hatte Osberns Werk vor fih. Auf diefe Beiden
ftügt fi vermuthlich die zweifelsfreie Erzaͤhlung Palsraves (history
of England I, 297.). .
2) Dsbern bezeichnet diefen unbenannten’ Bruder Eabdrics mit den⸗
feiben Worten, lubricus. et. superbus, wie Florenz ad a. 1008 den
Brithrik. Die Nobilitas Cantuariorum macht diefe Erzählung nicht wee
niger verbächtig als hernach bie große Anzahl ber Krieger Gabricd. Der
. fechsundvierzigjährige Äthelred wird senio contabescens genannt ıc.
1013.
2 2 \ ‚Deitte‘ Abtheilung.-
Königs: und Volt⸗ verſcherzt hatte, aber Thaten beging, welche
die Verwirrung des beſchraͤnkten Biographen erklaͤren.
Der Friede mit Thurkill hatte auch die Folge gehabt, daß
derfelbe mit 45 Schiffen, wahrſcheinlich gegen Belehnung mit
einem. Zheile von DOftanglien, fi) dem. Könige von England
unterworfen hatte... Unterbefien . hatte. aber König Spen ben
Beſchluß gefafit, die Siege feiner Unterthanen’in England zu
benugen: und diefe guͤnſtige Gelegenheit jest fo. weit zu verfol
gen, um das alte, den Jomswikingen abgelegte Geluͤbde zu
vollfuͤhren ). Es bedurfte daher für ihn. Feiner Einladung
Thurkills, wenn, anders .eine folche unter deſſen neueingegangner
Verpflichtung und Stellung denkbar und: zuträglich geweſen
wäre?). Der alte König Sven Doppekbart, welcher die Ans
gelegenheiten Dänemarks feinem jlmgern. Sohne Harald über
tragen hatte, erfchien mit: den ältern Söhnen Cnut und Ola, #
dem nachherigen Heiligen und Könige von Norwegen ?), im
Fruͤhjahr im Hafen von Sandwich und fegelte zur Muͤmdung
des Humberfluffed, und von dort in den rent ſchiffend fchlug
er fein Lager bei Gainsborough auf. Hier,unterwarf fich ihm
Uhtred, der mächtige Graf von Northumberland, welchem auf
bie dänifchen feflen fünf Städte in Mercien, welhe Eadmund
ber Ältere einft ſich unterworfen hatte, folgten und zufegt das |
‚ganze Volk nörbli von. der Watlingſtraße. Vielleicht machte
Spen m Northumbrien Anſpruͤche geltend, welche von feinem
vor vielen Fahren in biefem. Lande erfchlagnen Bruder her
sübrten, wodurch die ruhige unterwerfung der Northumbriet
1) Annal. Cambr. ad a. 1011. erwaͤhnen, daß Sweyn drei Jahre
fruͤher ehe er nach England gelangte, Schiffbruch gelitten habe, wahr |
ſcheinlich alfo auf einer dadurch gehinderten Reife nad) jenem Lande. -
2) Was Malmesbury ©. 69 erzählt von einer ſolchen, welde
umns 3. 1013 gefegt wird. Doc find alle feine Angaben von den uͤbri⸗
gen Chroniken abweichend; den legten Zribut gibt er nur auf 8000
Pfund an, die Zahl ber dänifchen Schiffe welche Kthelred folgten, auf
funfzig. _ —— |
8) Adam. l. l. 'Theodoric. de regib; Norweg..c. 15. gebentt
feines Aufenthaltes in England, wenngteich mit Zabeln - untermifct. |
©norro König £ Olav ve veiligen Sase. Car. 21-26. Leg. Edusr
di’c. 16,
79 2 o 22 m 0 300 HA Ver a u ER SE 4 FE En fm mn.
Bon Anfang des 9. bis Anfang des. 11. Zahth. 447 5
- tät würde). Er ruͤckte nunmehr jenſeit der Batlingftraße
nach Drford und Winchefter, welche ihm Geifeln ſtellten. Die
Verheerungen und Graufamleiten welche Sven feinem Heere
geftattete, fcheinen alle frühern zu übertreffen. Es ift eine
merkwuͤrdige Darftelung derfelben in einer Predigt des Möns
ches Wulf (Lupus) in angelfächfifher Sprache in biefem Jahre
niedergefchrieben und noch vorhanden?). Schrecklich wie Das
Bild ift, welches ber Prediger von dem Zuſtande Englands
entwirft, fo lehren dennoch die unter Äthelred gegebenen. weltlis -
chen wie geifilichen Geſetze, daß er nicht zu viel über bie Her⸗
abwuͤrdigung der englifhen Nation felbft fagt. Der Mens
fchenhandel war ein Haupterwerb geworden. Wie wir es bei
den verworfenften Negervölkern kaum gefehn. haben, verkaufte
der Bruder den Bruder, der Vater den. Sohn, der Sohn die
Mutter. Die Zurcht vor den norbifhen Schredbildern hatte
jede Kraft gelähmt. - In den Zreffen pflegte ein Däne zehn
und mehr Angelfachfen zuruͤckzutreiben; ja man hatte vor zwei oder
drei Seeräubern ganze Schaaren von Chriften von einer Küfte
zur andern fliehen fehn. Die Gefchichte befigt feit der großen
Völkerwanderung, als deren Nachihwingung dieſe -Dänenzüge
freilich angefehn werden müffen, bein fo anfchaulihes Bild der
Entwürbigung, welche rohe Horben der höherfichenden, aber vers
weichlichten Cultur zu bringen vermögen. Waren aber die Angels
fachfen nicht fo gefunten wie die Römer in der angedeuteten Zeit,
fo war dad befeindende Element um fo viel fehlimmer, da
Feine germanifche Nation je fo tief gefunken war, ald die lang⸗
jährige Gewohnheit ded widernatürlichften Erwerbes jened Sees
säubervolf heruntergebracht hatte. Doch hatte das Übel durch
die Höhe, zu welcher es gelangt war, auch feinen Endpunct
erreicht, und die Anerkennung Soens zu Bath durch Xıheimere,
den Ealdorman von Devonfhire, die Thane von Weffer und
bie Herren und Bürger von London, welche eine kurze Zeit
den König Athelred in ihrer Mitte und feinen neuen Vaſallen
1) Adam. Bremens. II, 86. Svein — veteres iniurias tam
occisi fratris (conf. ibid. c. 15.) quam suae repulsionis (sont, ibid.
c 25.) ulturus etc.
2) Gedruckt in Hickes thesaur. II, Dissert. epistol. p. 99 *
£ateiniih in Langebek acrr. rer. danic. II, 3
N /
448 | Dritte Abtheilung.
Thurkill an ber Spige; gegen die Krieger und Schiffe Cab |
ſich vertheidigt hatten, bereitete den Übergang zum XAufkies i'
jener Gräuel, indem fie die Einführung des fi ttenmildend
Chriſtenthumes im Norden befeſtigte und die Vereinigung “
fodann friedliche Unabhängigkeit jener Reiche bewirkte. 1
Durch die feinem. Gegner fo raſch geleiſteten Huldigun
in allen Theilen des Reiches ſtand Xthelreb bald — wit a
fen nicht den flaatsrechtlichen Anachronifmus begehen, zu I
ohne Land, denn der germanifche Fürft befaß noch nich
für feine Enkel erfundene Zerritorialrecht, — aber er fun
Mannen und Diener, feines Konigsrechtes ‚wie feiner $i
rechte beraubt da. Seine Königinn Imme flüchtete zu MM
Bruder Richard, deſſen ‚Gefinnung wegen eined mit Omi
geſchloſſenen Freundſchafts vertrages, welcher ſogar ben 8 Drag
der aus England geraubten Güter in der Normanbie a
lich. geflattete, zweifeihaft erfcheinen konnte; auch in 6 - in |
Eadward und Alfred, fandte.Xthelred mit dem Bildek# a
London Alfen, ihrem Erzieher, nach. der Normandie?
Dänen muſſte er England uͤberlaſſen und ftdue und
felbft, mit einigen bisher zu Winchefter. vergrabenen MAR
auf die von jenen lange befeffene, jet verlaffene ar
von da aber nach Weihnachten zu feinem Schwage MM
des Ganald, welcher den unglüdlihen König ehremel
nahm?) und ihm jene -Öaftfreiheit erwies, durch welde IM
ſten Englandd und Frankreichs nicht felten im ähnlichen
Veranlaffung gefunden haben ſich und das Königtpum, MM
Vertreter der edeiften Gefinnungeh, zu bewähren. Fi
: Dem Könige Üthelred dem Unberathnen wurde iu
unerwartete ald gefährliche Gunft des Schickſales.
sen Monat nach ſeiner Ankunft zu Rouen fuchten in
in
4
—1—
N
) Guil. Genet. V, 7. welcher jeboch wit Kanon €
men bie Züge Svens v. J. 1003 u.:1012 zuſammenwirſt. a u |
2) Florent, Saxon. chron. ad a. 1013. Guil, 54 v
inan de Rou,' welcher jedoch gewöhnlich nur den Wilhei Ao
mieges vor ſich hat, wie einendurchgaͤngige Vergleichung mid WM
darthun würde, Der Herausgeber Pluquet hält ſeltſamer W
Kamen bes. Königs Alred oder Äthelred ſtets für Auf,
Roman de Rou ſelbſt .vs..65444 Alvereb nennt, '
"IE
8
"T
Bon Anfang bes 9. bis Anfang des-il, Jahrh. 449
aus England, verkimberd: Sven ſei am Lichtmeßſonntage 1014
ploͤtzlich auf einer zu Gainnsborough gehaltenen Verfammlung 2. Bebr.
geftorben; der heil. Eadmund felbft, meine man, habe den To⸗
deöfpeer auf ihm gefchleudert, ‚weil ex fein Vaterland zerſtoͤrte;
die Flotte ober das Schiffsheer: der Dänen habe den jungen
Prinzen Cnut zum Könige ausgerufen; aber die Wittigſten
‚Englands, Gefttiche und Laien, hätten einmüthig befchloffen ihren
König Üiheteed zu befchidden und ihm zu fagen, baß kein Kö⸗
nig Ihnen lieber fei als ihr angeborner Herr, wollte ex fie nur
beffer' als er ehe gethan halten. Wie hätte Ätheireh fich ges
ſtehen ſollen, daß die goldne Laft, welche das Ungluͤck feines
Lebens geweſen, hinfort nicht leichter zu tragen ſein wuͤrde?
Sie wieder zu ergreifen war er in ſeinem Leben einmal nicht
traͤge. Er ſandte ſeinen Prinzen Eadweard und Abgeordnete
um zu verkunden, — wir befißen wahrſcheinlich bie "eignen
orte der Proclamation — „er heiffe allen feinen Leuten feis
nen Gruß entbieten. und verſpreche allen ein huldreicher Here
zu fein; daB er verbefiern wolle, was fie alle misbilligten, daß
Alles und Jedes was gegen ihn’ gefagt oder gehandelt; verge⸗
ben fein folte, falls fie alle einflimmig und ohne Gefaͤhrde zu
ihm: fig kehrten.“ So warb dann Freundſchaft in’ Wort und
That und durch Vertrag auf beiden Seiten hergeftelt "). Je⸗
der daͤniſche Krieger wurde für immer von England verbannt
und dafelbft geächtet erklaͤrt. Darauf Eehrte RAthelred fchon um
Faftenzeit heim und ward von feinem ganzen Wolke. fröhlichen,
als ſeit feinem Krönumgstage es geſchehen war, begrüßt. Cnut
verweilte noch in Gainsborough umd ließ im Lande Lindſey
Pferde für fein Heer zuſammentreiben. Hierher ruͤckte auch
Athelred, mit größter Grauſamkeit ‘gegen biefe feine abgefallnen
Provinzen; doch auch mit ungewohnten Erfolgen — er war von .
Thurchill unterſtuͤtzt — gegen feine Feinde. Eifrig ließ ex ber
Leiche Svens nachforfhen, um an diefer noch feine-NRache zu _
uͤben; fie wurde jedoch von einer Matrone verborgen gehalten,
dann nach York und fpdter zu Roeskilds Gräbern von jener
und andern englifchen rauen geleitet”). Cnuts Dänen begas
1) Merkwuͤrdige Worte des chron. saxon. u. Florent. ad a. 1014.
2) Ditmar. Merseb. mit dem Simeon Dunelm. ad a, 1014. -
und encom. Emmae übereinftimmend. G. Gaimar vs. 4162. '‘
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 29
40. Deitte Abtheilung.
ben ſich auf ihre Schiffe und landeten zu Sandwich, wo ja
die feinem Vater gegebnen Geiſeln, die vornehmſten Iünglg
Englands‘, mit abgefchnittenen Händen, Ohren und Nafm4
das Land feßte und neuen Tribut von 30,000 Pfund &
ber ) für fein zu Greenwich flehendes. Heer erprefite; WW
fchten England - für ihn verloren, da Thurchill fich ihm nit
terwerfen wollte, Er fchiffte hierauf mit nur 60 ihm geil
nen Schiffen nach Daͤnemark, wo er einen ee
firch: machte. feinen Bruder Haralb zu bewegen. jetzt Di
marks: Herrfchaft. mit ihm. zu. theilen, darauf ‚aber, da
tere der Zukunft anheimflellend, einen gemeinfehaftign I
dug nach dem Wendenlande mit demſelben unternahm. |
Ein. Sonnenblid des Friedens und der Sicherheit fr
auf. England; doch follte es nur ein fehr kurzer fein. .
waren die Engländer ſich felbft überlaffen, als bereit-m
genden Jahre die innern Fehden wieder ausbrachen GE
Streone. hatte auf der Reichöverfammlung zu Oxfoid 9
den aͤlteſten Thane der ſogenannten ſieben Burgen ie
cien, Sigeferth- und Morcaer, in feine Wohnung gi
‚meuchlingd gemordet. Äthelred, diefer Unthat
‚nicht: fremd, gebot deren Befigungen in feinem Namen * ei 2
auch Aldgithe, die Wittwe Sigeferthd, nach Malmitl
fangen zu führen. Des Königs aͤlteſter Sohn erfter Cd
mund, mit dem Beinamen Eifenfeite, erblidte fie. Ir Wi
nahm. fie, wider Willen feines Vaters, zur Frau und ME
tigte fih darauf mit Gewalt des Gebietes der beiden EEE
nen Thane?). Unterbeffen war auch Thurchill wieder va
eb abgefallen, da er feine ehrgeizigen Abfichten allein
fegen fich nicht getrauete, und ‘war mit neun Schiffen nu
land- gefahren, dreiffig Schiffe mit treuen, ſtarken Krug
waffnet in England zurüdiaffenn, um Cnut ae
biefes Landes wieder zu bemächtigen. Gnut folgte *
the willig, ſicherte ſich die Unterſtuͤtzung feines - Stier
des ſchwediſchen Herrſchers Dev, genannt der Speöffl
' u.
1) So Florent. Simeon. Dagegen haben ehren.
Henr. Huntend., Bromton 21,000 Pfund.
2) Florent. ad a. 1015 zwiſchen d dem 15. Auguſt und 8. PR |
-
h
h
|
h
⸗
4
Von Anfang des 9% bis Anfang.des 11. Jahrt. 451
ſegelte mit 200 Schiffen aus?), auf denen auch Erik Jarl von
Norwegen:?),welcher Gyda, eine natuͤrliche Tochter Koͤnig
Svens, geheirathet und mit ſeinem Bruder Hacon jenes Land
erhalten. hatte”); der Jarl Ulf, Sohn’ des Thurchill Sprakalaeg
und Enkel Styrbioͤrns und einer Tochter Haralds Blaͤtand,
ſich befanden.
Auf die Nachricht von Cnuts Landung in Sandwich zo⸗ 1016.
gen ſich die angelſaͤchſiſchen Heere, unter Eabmund und Ead⸗
ric, zuſammen. Doch dieſer Verraͤther, ganz in dem Gewirre
feiner eigennuͤtzigen Plane ‚verloren, ſtrebte nur dahin den’
Prinzen ums ‚Leben zu bringen, welcher Plan entdeckt
» So encom. Emmae. Florenz ad a. 1015 magna classis,
Ehron. saxon. ad a. 1016 ſpricht nur von 160 Schiffen, ohne zu ſagen,
daß es die ganze Flotte geweſen. Ditmar hat 340 Schiffe, jedes mit
-80 Mann. Olav Trygweſons Sage 800 Schiffe. Adam. l. I. mille navi-
bdas Caut armatus. So zuverlaͤſſig pflegen numeriſche Angaben zu fein!
Daß auch Harald, Cnuts älterer Bruder, denfelben begleitete, fagt Dit⸗
mar B. VII.
O5 Adam. I; 86. Cnut pactum imit cum fratre, filio Herici,
ui regnavit in’ Suedia, eiusque fultus auxilio deliberavit — Angliam
subiugare. Daher die Sage (Guil. Gemet. V, 8. Wallingford
548, auch in leg. Eadwardi confess. nat, 15), daß Gnut den Lacmann,
König der Schweden (Laghman bezeichnet vielleicht nur bie Würde), und .
Olav, König der. Norweger (welcher damals von Sven vertrieben "gegen
Cnut focht), zu Hülfe gerufen habe.
8) Erich war ſchon aus Norwegen vertrieben, in welches Reich
Dlav der Deilige nach Svens Tode zurüdkchrte. Adam a. a. D. fegt
Olavs Ruͤckkehr nach Norwegen vor. Enuts im Sommer bed J. 1015
erfolgter Rüdkehr nad England. Damit. ſtimmt auh Theodorich
‘(de regib. Norveg. c. XV.), welcher Olavs Ruͤckkehr aus England nad
Norwegen zur Zeit von Äthelreds Flucht nach der Normandie angibt.
Snorro erfheint alfo als durchaus unhiftorifh, wenn er ben Olav
dem Könige Äthelred nach feiner Rückkehr London von den Dänen, in
deren Befis es (nad) den englifchen Nachrichten) während Äthelrebs
Leben nie.war,. erobern helfen unb denfelben hernach zu andern Kämpfen
begleiten laͤſſt. Vgl. oben S. 442 Note 4. Der junge Dlav perweilte
ohne Kriegsgefolge am Hofe des Feindes feines Gegnerd, des Soen,
und mag an Gefechten gegen benfelben Theil genommen haben; das Weir
tere verdankt Olavs Ruhm ben Scalden, denen für Geld und Wein
jedes Lied feil war. Man fehbe unter andern die Gunnlaugs Sage,
worin felbft Athelred als ein Ergel der wohithatigen Gottheie beſen⸗
gen wird!
20*
'
42° Deitee Abtheituns.
N
wurde und zur Fotge hatte, daß beide Heere ſich wieder
trennten und dem Feinde den Ruͤcken kehrten. Eadric
verlockte darauf vierzig Schiffe, welche groͤßtentheils mit den
von Äthelred beſoldeten Daͤnen beſetzt waren, denſelben zu ver⸗
laſſen und ging mit ihnen zum Koͤnig Cnut uͤber. Der Feld⸗
zug wurde von den Daͤnen, welche, den ſpaͤtern ſtehenden Hee⸗
ren ſehr ähnlich, gleichfalls dadurch ein großes Ubergewicht über
den durch Haus, Feld oder Markt haͤufig in Anſpruch genom⸗
menen angelſaͤchſiſchen Heerbann beſaßen, auch im Winter fort
geführt, und Cnut, den Eadric an feiner Seite, ſchiffte mit dem
Anfange des folgenden Jahres die Themſe ganz hinauf bis
nach Gridlade (im Norden von Wiltfhire) und zog von da
. fengend und brennend nad) Warwickſhire. Der Ätheling Ead⸗
mund brachte ein Heer zufammen, doch ba ber zu London
verweilende König Äthelred mit den tapfern Bürgern biefer
Stadt bei demfelden nicht erfchien, fo fah man plößlich das
ganze Heer aufgelöft und die Krieger zu ihren Städten und
Dörfern eilen. Es erging ein neues allgemeines Aufgebot zur
Heerfahrt unter Androhung flrenger Strafen, -und der König |
ließ fich durch die Vorſtellungen der an ihn abgeorbneten Ge
fandten bewegen fich feinen Kriegern zu zeigen. Aber kaum
war, er bei denfelben angelangt, als ihm das Gerücht einer
gegen ihn angezettelten Verfchwörung ind Ohr geraunt wurde
‚und der unfelige Schwädling bad Heer entließ, um fich in
den feſten Thuͤrmen Londons zu verſchlieſſen. Eadmund eilte
jegt zu feinem Schwager Uthred, dem Grafen von Northum⸗
berland, wie das Volk hoffte, um Mannfchaft gegen die D&s I
nen zufammenzuziehen. Doch befchränkte jener fich darauf |
einige von Eadrics Landfchaften, Stafford, Salop und Cheſter,
pluͤndernd zu durchziehen. Cnut, welcher mit den Seinigen
im noͤrdlichen Weſſex hauſete, ging, auf die Botſchaft von |.
Uthreds Zuge, nach Lincoln und fiel in Northumbrien em, wor:
‘auf der Graf zurüdkehrend fich mit feinen Leuten dem Daͤnen⸗
fürften, wie früher dem. Vater deſſelben, unterwarf und für
feine Unterwürfigkeit Geifeln ſtellte. Cnut eilte jegt den Kb
nig Üthelred in London felbft anzugreifen, wohin zur Verthei⸗
digung der Stadt auh Eadmund gezogen war. Ehe jener
mit feiner Slotte anlangte, war unterdeffen Athelred, welcher
Bon Anfang des 9. His Anfang des 11. Jahrh. 453:
fett längerer Seit. oft fiech barniebergelegen hatte, am St. 1016
Georgstage verftorben. Seine Keiche wurde in St. Pauls: 23. April.
Kirche beigefegt. Die Gefchichte kemt . wenige fo lange und
ſtets unglüdliche Regierungen als die feinige, und wie verſchul⸗
det auch fein Elend war, hat daher bie Kirche ihm doch die
Ehre des Märtyrertbums zuerkannt. | |
Eadmund Eifenfeite.
Zerriſſen wie England durch den Haß und bie Zehben
des höhern "Adeß gegeneinander ımd die daher entflandene
Treulofigkeit deffelben gegen ben König war, trennten fich bie
Herzen des Volkes doch nicht ganz von dem alten Herrſcher
flamme, und befonders der aufleimende Bürgerfland vergaß
nicht, daß er diefemi feine neuen Vorrechte verdankte und von
den Dänen Feine Befldtigung oder gar Erweiterung berfelben
zu erwarten hatte. Die dem verflorbenen Könige treugebliebe-
nen, zu London verfammelten Wittigften, fowie die Bürger
diefer Stadt, deren Xheilnahme hier. ausdruͤcklich gedacht wird,
erkoren Eadmund, Äthelteds aͤlteſten Sohn, defien Tapferkeit
ihm den bezeichnenden Beinamen Eifenfeite verfchafft hatte,
zum Könige Englands, Der. bei weiten größere Theil der
engliſchen Geiftlichkeit und des Adels jedoch hatte fich einmüs
thig verbunden den Dänen Enut zum Herm und Könige zu
erwählen; Bifhöfe, Abte, Ealdormanen und andere Vornehme
vom Abel firömten nad Southampton, wo Cnut verweilte, um
vor ihm von dem Gefchlechte Äthelxeds für immer eidlich ſich
loszuſagen, den Frieden mit Cnut feflzufegen und ihm Treue zu
fhwören, wogegen diefer auch ihnen, nach göttlichen und welt:
lichen Rechten, ein treuer. Herr zu fein durch feinen Eid be>
Träftigte '). Eadmund verließ mit feinem Bruder Äthelſtan
London, wo die verwittwete Königin Emma zurüdblieb ’), und
1) Florent. Simeon ada. 1016 geben obige im saxon. chron.
fehlende Nachricht. | m
u 2) Ditmar a. a. D., deffen Nachrichten jedoch mit Vorſicht zu
benugen find. Unter Anderm iſt zu bemerken, daß, nach bem englifchen
Ehroniften, Eabmund London verließ vor der dänifchen Belagerung und
daher nicht, wie jener erzähle, heimlich bei Nacht in einem Boote
berfelben entfloh; daß Eadmund nicht von Thurgul (Thurchill), der
MR Dritte Abtbeilung. : .
verſchaffte fh, von treuen Kriegen umringt, bie Anerkennung
des Volkes in Weſtſachſen. Die daͤniſche Flotte "hatte unter
zu liefern, als Beider Heere im Lande der Hwiccas zu Sceor⸗
N
‚bie Stabt verfuchtz doch die Bürger von London, gelegentlih
4
deſſen vor London geankert, welche fie zur Übergabe auffoderte.
Die übermüthige Auffoderung der. Dänen an die Königin fol
an die Bedingungen geknüpft geweſen fein, daß fie ihre Söhne
ihnen außliefern, fi) mit 15,000, zwei bortige Bifchöfe mit
12,000 Pfund fowie den dortigen Waffen Iosfaufen und für
die Erfüllung dieſer Bedingungen 300 Geiſeln fiellen folk.
Die Königin fol nad) langem Schwanken dieſe Vorſchlaͤge
angenommen und Geifeln geftellt haben). Body wurben jene
nicht erfült. Don den Dänen wurden daher Gräben um
bie Stadt gezogen, Belagerungdwerke aufgerichtet; viele Ar
griffe wurden von dem Waffer wie von bem Lande her auf f
von ihrem Könige unterftügt, ſchlugen den mächtigen Feind
unerfhroden ſtets zurüd. Eabmund unterdeſſen kaͤmpfte un
verdroffen. den ganzen Sommer hindurch zahlreiche Gefechte
und Schlachten mit dem Feinde. Zu Pen, bei Gillingham in |
Dorfet, hatte er ed gewagt mit feiner Eleinen Schaar ein D&
nenheer anzugreifen, wo fein Muth und feine Geſchicklichkei
den Sieg über die rohe Menge davontrugen. Ald er in dm
naͤchſten Monaten die Zahl: feiner Krieger verflärft hatte, wagte
er dem Cnut felbfl, am Tage nad) St. Iohannid, eine Schladt
ihn angriff (f- unten), erſchlagen wurde. Dit mars Nachrichten im B. VII.
nehmen in der Zeit zwiſchen Eadmunds Tode und vor der übergabe ein
Ende. Das encom. Emmae ſtimmt dagegen mit Ditmar darin über
ein, daß London fi wirklich an nut ergab, und erzählt, daß Cat:
mund bie Nacht vor Cnuts Einzug entfloh. AÄhnlid) auch Roman de
Rou vs. 6518 sq. Doch können wir ben Verfaffer jenes encomium kei⸗
neswegs als durchaus mwohlunterrichtet anfehn, welcher den Eabmund
noch ben folgenden Winter in London zubringen und im Frühjahr bar
‚ auf fechten !äfft, da dieſer doch ſchon vor Anfang des Winters gefton
ben war,
1) Nur ber merfeburger Biſchof verburgt dieſe Nachrichten.
dieſe Belagerung Londons möchte ſich auch Snorro a. a. O. Cap.
beziehen, und unzweifelhafter Flatobogen bei Torfaeus T.IIL.c.19.
Der im ketztern genannte Thord, Thurth, ein Neffe Spurdills, ı wird noch
in engliſchen Urkunden ſpaͤter genannt. Palgrave H, 226, |
Bon Anfang des 9. bie Anfang des 11. Jahrh. 4.
flan (Wilts) zufammenträfen. Durch Eadmundstreffliche An⸗
orbnung feines: Heeres, die Begeiſterung welche feine Reden
und fein Beiſpiel demfelben mittheilten, wären die Dänen: bes
fiegt gewefen, wenn nicht: der. treulofe Eadric Streone, Amar,
welcher. den Beinamen: des Lieblings (Deorling), vermuthlich. des
verftorbenen - Königs, :teug, und Algar, Meaws Sohn, mit
ihnen zahlreiche ſuͤdangliſche Krieger '), auf ihrer Seite, gefoch⸗
ten hätten. Beim: Einbruche der Nacht war der Kampf un⸗
entſchieden, und Eadmund begann denſelben wiederum am fol⸗
genden Tage. Nach einem heftigen Gefechte drangen ſchon
die Engländer ſiegreich vor,. und Eadmund hatte ſich den Weg bis.
zu Enut gebahnt, deffen Schild er.mit einem kraftvollen Streiche
theilte, ohne ihn ſelbſt jedoch gefaͤhrlich zu verletzen. Thurchill
rettete Cnut, indem er Eadmunds Roß in zwei Stuͤcke zer⸗
bieb 2). Die Dänen wären: an dieſen Tagen aufgerigben, doch
der Landesverraͤther Eadric Streone rettete fie durch eine Kriegs⸗
lift. Er ſchlug einem Manne Osmear, deffen Haupt und Haar.
dem bed Königs Eadmund ſehr glichen, den Kopf ab, hob dies
fen empor umb rief den ihnen entgegenftehenden Kriegerm zu:
Ihe Männer von Dorfet, Devon, Wilts, fliehet, denn euer
Sührer iſt gefallen; hier feht in meiner Hand das Haupt eures
Herrn, des Bafileus Eadmund! Zlieht oder ergebt euch, fo ,
fchnell ihr koͤnnt! Ohne Eadmunds Geißeögegentwart, welcher
ſich auf einen Hügel ftellte, auf welchem die Seinigen ihn ers
bliden konnten, wären die. beſtuͤrzten Engländer zur Flucht
verleitet geweſen; dennoch hatte die dadurch veranlaſſte Unord⸗
nung die Wirkung, daß der Sieg uͤber die Daͤnen nicht ver⸗
1) Edricus — cum Suthantontensibus et Wiltoniensibus etc, (nicht
aber die von Somerfet, wie Turner und Lingard fchreiben) in parte
Danorum fuerant: Florent. Simeon ad a. 1016. Lingard
irrt alfo, wenn er behauptet, Eadric ‘habe gegen die Dänen gefochten.
Algar oder Älmar muß ıder Ealdorman von Southampton gewefen fein,
da Wilts zu Eadrics Mercien gehörte, welches nur aus dem Iheile bes
- alten Königreiches. Mercia befand, das nicht an bänffche Herren und
Lehnsleute (Danelaghe) gefallen war. .
2) Knytlinga Saga. Auf diefen Kampf beziehe ich auch bie von
Ingram richtig überfegte, aber irrig auf ben fpÄter vorgefhlagenen
Zweikampf beiber Könige bezogne Gtelle ber sax. chron, p. 197; vgl.
Flatobogen bei Torfaeus hist. Norveg. P. III. c. 19.
1. Bee Dritte Abthellung
folgt‘ wurde und dieſe in ber Nacht unbemerkt nach dem Lager
von London fich zuruͤckziehen konnten). Die Dänen ſchrieben
fih den Sieg zu; bie Tapferleit der Engländer. anerfennend,
behaupteten. fie. jenen dem Eifer und. dem Muthe Thurchills zu
verdanken, welcher feine. Treue dem Könige: Enut hier. bewäh-
ren wollte”). Wahrfcheinlih war es eine mit nut verabre⸗
dete Li, daß Eadric ſich jetzt feinem firgerfreuten Schwager
Eadmund nabte um Gnabe zu fuchen und den Eid der Zreue
zu leiſten. Eadmund gab der wohlgefpielten Reue Gehör und
ſchenkte ihm, der jetzt die Dänen ihm zu wersnthen fchien, alles
Zutrauen. Ein dritter Kampf mit den Dänen, bei Brentfor
an der Themfe, war ihm: durchaus flegreich, ebenfo mit ver
ftärktem Heere ein folgender bei Ottford in Kent. Schon
flohen die Dänen nach ber Inſel Shepey, und Eadmund
hätte fie leicht ganz aufreiben Fönnen, wenn er nicht durch
den trügerifchen Rath Eadrics, der ſtets wie der böfe Geiſt
Englands wieder erfcheint, ſich hätte bereben laffen von der
Verfolgung derfelben zu Eagelsford abzuftehen und. nach Weſſer
heimzukehren. Cnut war bald durch neue Ankoͤmmlinge verſtaͤrkt,
und fo Fam es nod) zu ber großen Schlacht bei Affandun (Aſhdown
in Effer), der erften, aber auc) der letzten Schlacht welche König
Eadmund verlor. Der rafche Angriff Eadmunds brachte die DE
nen zum Weichen und nach dem biutigften Kampfe fchien der
Sieg der Angelfachfen nicht zweifelhaft. Vergebens ermahnte
der tapfere Thurchill die Krieger Enuts und zeigte ihnen den
ſtolz flatternden Raben auf der Töniglichen Standarte. Trotz
aller preiswuͤrdigſten Anflrengungen Eabmunds jedoch wurde
ſeine Schlachtordnung und der Muth der Seinigen durch jenen
‚alten Berräther, den Ealdorman von Mercien, erfchüttert, web
her mit feinen Magefäten (Hwiccas, ‚Hereford) im entfcheiden |
den Augenblide das Banner ſenkend entfloh ). Diefer Ums |
fland entfchiedb über ben Ausgang ber Schlacht. und Uber das
Schickſal Englands. Beſonders zahlreich war der Verluft des |
angelfächfifdyen Adels, welcher bei ben Eroberern, als denſelben
1) Florent. Malmeab.
2) Eocom. Emmae. Thurchills Gegenwart bei dieſer Schlacht ge⸗
denkt auch G. Gaimar V. 4229, welcher die Zeit genau angibt,
3),Florent. Encom. Emmae.
Bon Anfang 5469. bis Kafang:des 11. Jahrh. 457
durch ſeinen Einfluß im Lande laͤſtig und großentheils ven
Dänen durch: fein. gleichfalls gebrochnes Wort verfallen, keine
Gnade finden durfte... Unter: den großen Ramen welche unter
denen der Gefallnen verzeichnet find, bemerken wir auch: die
Ealdormanen Wfkittte ') und Äthelweard von Dflanglien, Sohn
des früher berühmten Ealdormanes von Dflanglien, Athelwine
des Gottbefreundeten”), Godwine von Lindfey ?); auch ben
mehr erwähnten Ailfric; ferner einen Biſchof von Dorchefter,
Eadnoth und andre Geiftliche,. welche nach alter Sitte ihres’
Volkes fich im Lager eingefunden hatten, nicht um zu kämpfen, -
fondern durch ihre Gebete die Streiter zu ermuthigen und: zu
ſtaͤrken ). Cnut und Thurchill errichteten, nach einigen Jahren,
zum Andenken dieſer entfcheidender Schlacht, welche für Die
Dänen damald wurde was fpäter für die Normannen bie be:
rühmtere Schlacht bei Haflings, eine Kirche auf dem Hügel
von Afybomn ‘); vielleicht das erſte Mal, daß die neubekehr⸗
ten Dänen in einem chriftlihen Denkmale ihren Ruhm ımb
ihren Frieden fuchten. Cnut begnügte ſich nicht mit dem fiegs
reichen Auögange biefer Schlacht, . fondern verfolgte feinen Geg⸗
ner bis in Gloceſterſhire hinein, Eadmund wollte ein neues
Kriegöfpiel wagen, doch beide Könige wurden von Eabric zu ’
einem Sriedenövergleiche bewogen. Eadmund fol felbft den
Cnut aufgefodert haben das Blut ihrer Völker zu fchonen. und
ihren Kampf über die Herrſcherkrone Englands durch einen
Zweikampf zu erledigen. : Die Nachrichten über die Art wie
1) Irrig alfo Snorro ober feine Quelle Thord Kolbains Sohn,
welche in Olav des Heiligen Sage Cap. 23. erzählt, daß uufketill vom
Jarl Erich bei London erfchlagen fe. - .
2) Ingram folgt ber. falfchen Lesart Ethelſey, welcher gleich
‚Üthelwine ein Sohn des Halbkoͤnigs Äthelften war. Florenz und Si⸗
meon haben Äthelwin, und bezeichnen durch den Zufag dei amicus
als den, deſſen Tod b. 3. 992 erwähnt war. .
8) Zn ihm laͤſſt fi der Godwine Tuchen, welcher im J. 998. in
Eindfey mit feinem Heere floh. Florent, Godwine minister.. Urkunde
1004, 1012. Gale I, 622. Suhm-1ll, 795. .
4) Histor. Ramsey. c. 72. — ur “
5) Chron. saxon, Florent. ad a. 1020, Histor. eliens. ıL 2.
Daß Enut auch an andern Kampfplägen Kirchen errichtet babe, et ver:
muthlich nur ein Zuſatz des Matth. Westmeh.'
466.. Dritte Abtheilung.. - -
Cnut dieſen Antrag aufnahm, weichen von einander ab; gewiß
iſt, daß. Eadmund keinen Vortheil aus demſelben gewann ).
Das Gefecht oder die Herausfoderung endigte auf der Inſel
Olney im Severnfluſſe mit. Friedenskuſſen, Bundesſchwuͤren,
Bruͤderſchaft und einem Theilungsvertrage, welchem zufolge
Eadmund Weſſer, Eſſer, Oſtanglien und London und was
ſuͤdweſtlich liegt behielt, das uͤbrige England aber oder, mit
andern. Worten, was nörblid von Foßway und: der Watlings:
ſtraße lag,. an. Enut fielz der Titel und ‚die Krone Englands,
deren. Cnut fich fchon : angemaßt hatte, verblieb dem Eadmund 2).
Die jungen Könige beſchenkten ſich gegenſeitig mit ritterlihen -
Waffen und. Foftbaren Gewändern und ſchieden von einander,
nachdem noch für die daͤniſche Flotte ein Tribut feftgefegt war,
welchen auch Eadmunds Staaten entrichten follten.: London
hatte'nach der Schlacht von Aſhdown einen befondern Vertrag .
mit dem Jarl Erik, welcher die Belagerung geleitet. hatte, abs
geſchloſſen und geflattete jegt dem bänifchen Heere den Aufent⸗
halt für den. Winter in feinen Hafen und Mauen’). Die
tapfern. Bürger hatten ſich kaum des Friedensabfchluffes und
ber Ruͤckkehr des Königs in ‚ihrer Stadt erfreuet, als dieſer
dafelbft *) plöglih am St. Andreastage, kaum ſechs Monate
- feinen Vater überlebend, flarb, wahrfcheinlich. durch eine .meus
helmörderifche Hand getoͤdtet. Eadric felbft und fein Sohn
wurden dieſes Verbrechens angeklagt, den König meuchlings
in. einem unbeachteten Augenblide mit einem Dolce‘) oder
1) Aethelred Rieval. 363. erzählt ausführlihd von dem Zwei⸗
kampfe, aus ihm wörtlid Matth. Westmon,, aud zum Theil
Bromton. Knyghton. Ähnliyd Huntend. Nah Malmesb.
II, 10. und encom. Emmae lehnte nut die Einladung vorfichtig ab.
Nah G. Gaimar wurden alle Vorbereitungen zum Kampfe getroffen,
do von Enut, als er dem Feinde gegenüber fland, ber Friede beſpro⸗
chen. Auch Joh. Petriburg: bei Sparke 36. Johannis ehreni-
con in Ludewig reliq. Mss. glauben an den Zweikampf.
2) Corona regni tamen Eadmundo xemansit. Rex: Londoniam et
‘ "'sceptra cepit regalia.. Huntend,
8) Encom. Emmae. Henr. Huntend. laſſen ondon vor ‚dem
allgemeinen Frieden in Cnuts Haͤnde fallen; nach demſelben chron.
saxon. FIorent.
4) Florent. Mietor. eliens, I, 21.
2 Aethelred Bieval. 865. Malmcosb. Huntend, welcher
-
Bon Anfang des .9; bis Anfang des 11. Jahrh. 459.
durch Gt") oder auch durch. eine einen Bogenfchügen dar⸗
ſtellende - Mafchine?) um& Leben gebracht zu. haben. Daß
Eadric dem Könige Cnut einen Dienſt hierdurch zu erweiſen
glaubte, iſt nicht zu bezweifeln, eher, ob dieſer um die That:
wuſſte, weſſen er von den englifchen Schriftſtellern wentgffens
nicht befchuldigt warb’), welche vielmehr erzählen‘), — was
fih jedoch als Misverfland erweilt, — daß Cnut den Eabdric
für diefe That fogteih habe auffnüpfen laſſen. Am meiften
möchte gegen Enut eine Schenkung Verdacht erregen, welche er
in feinen ſpaͤtern Lebensjahren am Grabe Eadmunds zu Glaſton⸗
buy machte „zur Vergebung feiner (Cnuts) Sünde und für
die Seele feines Bruderd Könige Eadmund”‘). Ä
Eadric der Verräther, fowie fein Vorgänger in Künften
und Wuͤrden, Ailric, ſind ſchwer zu faſſen, ſelbſt bei aller Ver⸗
txautheit der neuern Geſchichte mit vielfachen Verraͤthern unſe⸗
rer Tage, welche unter zwoͤlf Fahnen gefochten, fuͤr zwoͤlf Re⸗
gierungen Tractate unterzeichnet haben, mit der Ruhe des Kun⸗
digen, der die Fahne nur für ein beliebiges Stuͤck Leinewand an⸗
fieht, und alle mögliche Worte für Hauche der längft befchwich-
tigten Luft, Alle aber welche an Heiligkeit der Fahnen. und Worte
glauben, als ſchwache und ungebildete Thoren verachtet. Waren
Üthelred und Eadmund fo fehr verblendet, daß fie fich ſtets
von verſchmitzten Intriganten täufchen lieffen und. den fchlimm:
fien aller ihrer Feinde immer wieder zu Gnade aufnahmen? Al-
lerdingd war Täufhung in folchen Zeiten leichter, als fie neuer
und feltener war, wie der gemeine Marktichreier unferer Tage
damals für einen Zauberer gegolten hätte. Aber muflten nicht,
da die Wittigften an allen irgend bedeutenden Beſchluͤſſen
Theilnehmer waren, dieſe ebenſo ſchwach wie Wr, Köntge oder
fügt, daß ber König zu Orford ſtarb. Auch Snorro (Olav Haralds⸗
fon Saga Gap. 24.) nennt Eadric Streona als den Moͤrder. Ebenſo
histor. eliens. 1. . Den Worb beflätigt auch hist. rom⸗eeiens. c. 74.
1) Adam. Bremena. |. |,
2) G. Gaimar. vs. 4399. Bromton p. 906,
3) Nur in der Knytlinga Saro Srammaticus gibt
diefe Nachricht nur als Geruͤcht.
4) Aethelred Rieval.
5) urkunde v. 3. 1032 dei Guil. Malmesb. de "antiquitatib:
glaston. ecclesiae. gl. Matth. Westmon, ad a. 1026.
"460 Dritte Abtheilung.
verrätherifch wie Eadrie und: feine Genoffen fen? Oder ſollte
nicht vielmehr, wie bebeutend Eadrics Perfönlichkeit, wie groß
fein dämonifcher Einfluß gemefen fein mag, Manches ihm von
Zeitgenoffien und Nachkommen angedichtet fein, ‘ wie: einige
Materien alle böfe und giftige Dünfle an fich ziehn? und
war er nicht zugleich, wie feine Vorgänger in der Ealdorman-
ſchaft von Mercien, hauptſaͤchlich nur ein Organ Merciens,
deſſen Adel großentheild dänifchen Urfprungs, deſſen Volk daͤ⸗
nifch senglifcher Zunge, Beide der weftfächfiihen Herrfcherfamilie
fih nie befonderd ergeben zeigten? Diefe Löfung des Räthfels
erfcheint um fo glaubwürdiger, da Eadric das Zutrauen feiner
Provinz nie verlor, welche ihm zu den Dänen wie zu den Well:
fachfen folgte. Hatten doch felbft die Ealdormanen von Wefts
fachfen ſich ſchon zuweilen für den dänifchen Raben erklärt. Der
Glaube an Wodans Enkel war längft. verfchwunden; mit je
nem hatten die hohen Gefchlechter fich ſelbſt aufgegeben, erft
in Sinnenluft, dann in Feigheit, und die politiſche Bedeutſam⸗
keit der Eöniglichen wie der adeligen Gefchledhter war an den
Wurzeln tief erfchüttert. Der Emportömmling (Streona)
wurde freilich noch mit dem befferer alter Gefinnung und neuer
Schwäche entflammten Haffe bemäfelt und verfolgt, hätte aber
nur durch einen andern verfchmigteren Emporkoͤmmling verdrängt
werden fünnen. Der Etaat befland nicht länger in dem vers
einten Intereſſe des Königthums, des Adeld und der Kirche,
in welchem die Würbdigften des Volks fich vereinten, fondern
‘in einigen Leuten, welche jene zu repräfentiren vorgaben; einis
ges zufällig durch die Laune des Königd zufammengetroffene,
verfchwägerte "ind vervetterte Hofgefinde bildete eine Gefellfchaft,
welche. ſich fürden Staat hielt, dem Einfluffe nach für den
Augenblid es wirklih war. Schon jest haben wir genug von
der angelfächfiichen Hofgefchichte vernommen, von der hoh⸗
len Eitelkeit, wie den Ausfchweifungen der Fürften, der Herrſch⸗
fucht der Prälaten, tüdifchen Morden ımd böfeflem Verrath
felbft' unter nächften Verwandten, um biefen Hof für fo by⸗
zantinifch zu halten ald jener am Bosporus es je war, und
den Zufammenfturz einer. auf denfelben geflügten Staatsma-
ſchine zu verfiehen. EIN. |
.
Vierte Kotheilung
Die daten der Alleinherrſchaft der Däich in |
‚England. .
— 22—424
aut.
Sir ı nad) Eedmunds Ermordung berief deſen m mächtgfe |
Vaſall, nut, der König des noͤrdlichen Englands, - die : Bis
fchöfe, Ealdormanen und faͤmmtliche Thane, Exrbgefeffene und
Biedermannen *) zu einer großen Gemote nad) London. : Hier
trat berfelbe hervor und foberte, als ob er feiner eigenen Er⸗
innerung nicht vertrauen bikfe, die "welche Zeugen: feinee Uns: ::
terredungen mit. Cabmund wegen ber Wrüber und Söhne befs
felben gewefen, auf zu erklaͤren, ob damals, falls er Ead⸗
mund überleben follte, ihm oder jenen ber Thron. beftimmt
wosden fei.. Feige und eigennüßige Stimmen betheuerten ſo⸗
gleih mit Eidſchwuͤren , daß Eadmund weder bei geſunden
Tagen noch in den letzten Stunden ſeinen Bruͤdern das Reich
habe übertragen wollen; Cnut ſolle, nach Eadmunds ihnen be⸗
kanntem Willen, deſſen Kinder unterſtuͤtzen und ſchuͤtzen, bis
dieſe das regierungsfaͤhige Alter: erreichten. Dieſe Erklaͤrung
über die Ausſchlieſſung der Bruͤder war damals, wo die Anz
fprüche der Minderjahrigen auf den Thron feten dei ich⸗
1) Onmnes episcopos, duces et principes eunctosiue: nptimetes
gentis Anglise: Fiarent. Ich habe Fein Bedenken getragen im Jexte
jene altnieberfächfifchen Ausdrüde anzuwenden, weil ich fie der angel⸗
fächfifchen Verfaffung entfprehend halte. Biedermann ift ein Optimat,
zugleich im moralifchen und ftaatsrechtlichen Begriff, von bedarntt d.
der welcher Wohnung und Erblund befiet.
1017. .
462 u Vierte Abtheitung.
!
tigt wurden, Alles was Enut bedurfte um als König des gans
zen Englands anerkannt zu werden. Mit wenigen Ausnah⸗
men fchwur bie verfammelte Menge dem Cnut, ihn zum Koͤ⸗
nige von Weftfachfen und den mit demfelben vereinten Staaten
zu erwählen, ihm Gehorfam zu leiten und feinem Heere die
gewohnten Tribute zu entrichten. Cnut felbft mit entblößter
“Hand, fowie bie ihn verbürgenden angefehnften, Dänen, les
ftete darauf den Weſtſachſen und übrigen: Engländern bie
Eide, welche durch die üblichen Zuficherungen der Unterthanen
erwiebert wurden. Eadmunds Brüder und Soͤhne wurden
jest durch einen Gefammtbefchluß der Wittigften von allen An
rechten auf die Thronfolge in England für immer, als Unwuͤr⸗
dige, auögefchloffen '), und der trefflichfte, mit Eadmund be:
freundetfte unter den überlebenden Brüdern, der theling
| Eadwig, aus dem Lande verbannt. nut, welcher diefen Geg⸗
ner vor Allen fürchtete, verfuchte ihn Durch Eabric zu toͤdli⸗
chen -Gefahren verloden zu laffen, und nur der Muth, eines
angefehnen Mannes, Äthelweard, welcher den gefährlichen. Auf:
trag auf fih nahm den - fremden Zyrannen. zu befchwichtigen,
vettete jenen für jeßt. . .
Nach kurzer Friſt, im Anfange des folgenden Jahrs, fand
die Krönung des ‚Königs Cnut zu London flatt. Auch die
entfernter wohnenden - Lehnömannen waren. hierher, berufen.
Uthred von Northumberland, :der- Schwager Eabmunds, er⸗
ſchien gleichfalls auf erfolgte Einladung, unter gegebenem „Se
leite, um mit dem neuen. Hersfcher feinen Frieden abzufchlief
fen. : Doch. auch ihn hielt Enut für zu gefährlich; und als
Uthred mit vierzig feiner: Lehnsleute in des Königs Halle ein
trat, brach plöglich der Daͤne Thorbrand Hold mit Geharniſch⸗
ten hervor und metzelte jene nieder. Nachdem die Kroͤnungs⸗,
Lehns⸗ und Unterthanen = Eide jegt- feierlich) gegen einander
ausgetaufcht, die Verträge „mit--den Großen des Reichs ges
macht und die Vergeffenheit alten Haders und feſte Freund:
fchaft ne :befchweren waren, ordnete Cnut eine neue Ber
; Heilung der Nteichöoerwaltung an. Schon in den letzten Jah⸗
1 Omnino despexerunt, fagt Florenz, der uͤber dieſe Verhand⸗
tungen die ausführlichfte Nachricht gibt. Vgl. Aethelred. Rieval,
—
—8
Die Zeit & Alleinhertſchaft d. Dänen In Engl. 468
ren ſeiner Vorgaͤnger mag die Vertheilung des Landes in eine
große Zahl kleiner Provinzen als nachtheilig erfannt - worben
‘fein, wie aus der geringen Zahl: der. namhaft ‚gemachten
“ &aldormanen (duces) hervorzugehen ſcheint. Cnut, weiter
- gehend, theilte. England in ‚vier Theile. Von diefen. behielt er
Weſſer feiner eigenen unmittelbaren Verwaltung vor; Mercien
‚erhielt Eadric; Oſtanglien, des erfchlagerien: Ealdormans Ulfs
Fittle Wittwe, Eadgithe, ‚heirathend.'), der Jarl Thurchill, deſſen
Waffen Cnut mehr noch als Egbrics Derrätherei zu danken
:hatte; und Northumbrien der ehemalige, Jarl von Norwegen,
Eric. Es erfolgte jetzt eine Reihe von Maßregeln, durch
welche Cnut gegen die Nachkommen und Verwandten der legi⸗
timen Familie ſich ſicherte. Der Atheling Eadwig, welcher
‚dem Verbannungsgebote der Witan zu London nicht gehorcht
hatte, wurde von -Enut--in die Reichsacht erklaͤrt; ebenſo ein
anderer Eadwig, vermuthlich ein Verwandter des koͤniglichen
Hauſes, welchem, um ihn von dem gleichbenannten Athelinge
zu unterſcheiden?), der Beiname des Bauernkoͤnigs (Ceorla
Cyng) gegeben wurde. Die kaum zweijährigen Söhne: des
Koͤnigs Eadmund, Eadward und Eadmund, ſandte Cnut, da
er dem Rathe, den Eadric gegeben haben fon, fie fogleich zu
tödten, nicht folgen wollte, zu feinem Halbbruder, Olav dem Heis
ligen, König von Schweden. Diefer wollte ſich der Gäfte, welche
dereinft in fo fehr. misliche Berhältniffe ihn verwideln Eonnten,
nicht annehmen, _ ebenfo werig Cnuts Wünfchen und, wie
man erzählte, gegebenen Winken, fie erfchlagen zu laffen, wach:
fommen. Die Kinder wurden daher weiter gefandt und blie⸗
ben zulegt an dem Hofe des Königs von Ungarn, Stephan
des. Heiligen L welcher durch ſeine Semahiin Giſela des deut⸗
1) Sum I, |
-2) Chron. saxon.: ad a. 1017 u. 1020, Florent, ad a. 1017.
Henr. Hun tend. p. 363 unterfcheiden beide Eadwigs. Bei Simeon,
der bier fonft buchftäbli mit Flor enz übereinftimme, fcheinen S. 177
3. 47 die Worte et Eadwin. ausgefallen zu fein, woher er wie einige
fpätere und bie neueften Schriftftellee nur Einen Gadwig annehmen... Es
ift überfehen, daß der Ätheling im 3. 1017 eefätagen wurde, der Ans
bere noch mehrere Jahre lebte. Ä
8) Florenz nennt ihn Salomon, vo. vom J. 997 bis 1038
a... Bierte Abtheilung. -
fchen: Königs und. römifchen Kaiferd Heinrichs IL, gleichfalls
: mit .dem Beinamen des Heiligen geſchmuͤckt), Schwager
war; Ohne Zweifel find bei dieſem Fuͤrſten durch jene engli⸗
ſchen Prinzen manche: Hoffnungen gemedt und genährt wor-
. den. Dem. älten .berfelben, Eadmund, gab König Stephan
feine zweite Tochter zur Ehe, welche jedoch ihren Gemahl
durch fruͤhzeitigen Tod und ohne Kinder: zu hinterlaſſen verlor,
‚worauf fie dem Grafen Eppo von Rellenburg- ihre Hand
reichte und durch ihn Mütter des Heil. Eberhard wurde”).
Der jimgere Prinz wurde mit Agatha, einer Angehörigen des
deutſchen Kaiſerhauſes 2), vermaͤhlt und erzeugte mehrere Kin⸗
der, welche wir auf britifchem Boden fpäter wiederſehn werben.
‚Die gefaͤhrlichſten Feinde hatte Cnut aus England ent-
fernt. DOlav von. Borwegen, wenn anders vie Bichterifchen
Sagen Snorros*) einigen hiftorifhen Boden haben, welder
nach Eadmunds Tode deſſen Brüder unterflügte, warb zu⸗
virdgeföhlagen; den übrigen Norden beherrſchte Enut durch
herrſchto in ungarn König. Stephan. Adam. Bremens, 1 1. Fili
XKadınundi) in Ruzziam exilig sunt damaali. Be Suym a. a. O.
III, 533, ”
1) Diefe hier wichtige Verwandiſchaft wird von, dem engiiſchen Si
ſtorikern uͤberſehen; ſie wirft Licht auf Enuts ſpaͤtere Politik.
2) Aethelred Rieval, . Eadmundo filiam suam (sc: rex Hunga-
riorum) dedit uxerem. G. Gaimar. va. 8506. und nad ifin Brom-
ton p. 907 nennen den Dänen, welcher die Knaben begleitete, Walgar.
Johannis chron, apnd Lydewig. über‘ bie‘ ‚zweite Che ber Wittwe
Eadmunds f. acta Sanctor. 10. Jun. T. III. .et April. T. I.
5) Thes Casares mage. Chron. saxon. ad a. -1057, filia germani
Henrici imperatoris. Florent. ad a. 1017 filia germani sui (! leg.
. sancti) Henrici imiperatoris. Aethelred Rieval. 'Germanus i. e.
frater ift hier von fpätern Chroniken oft für, ber Deutiche, misverftan:
den. Reginae (Hungariae) sororem. Malmesh. Suhm III, 72%.
erklaͤrt Agatha für die Tochter des Bruno, nachherigen Viſchofs von
Augsburg (+ 1029), ber ein Bruder Kaifer Heinrichs IH: und der Könis
gin -Gifela war. Bol. über Bruno orig. Buelfice. T. IV. Daß unter
dem Kaifer Heinrich dieſer Zweite und nicht etwa der Dritte gemeint it,
ergeben fpätere Ereigniſſe. Ä
4) A. a. O. Cap. 25 fg. Hierauf find auch wohl die BO Geeräu:
berſchiffe zu deuten, welche Enut im 3. 1018 an ben engliſchen Küſten
beſtegte. Ditmar. 1, VII.
Die Beit d. Alleinherrſchaft d. Dänen in Enge: 465
eigene Macht ober die feiner Anverwandten. Die größte ‚Gefahr
drohte ihm aber von der Normandie, von der Wittwe Äthel⸗
reds, Ymme oder Alfgifu, die mit zwei Söhnen bei ihrem
Bruder Herzog Richard II. oder dem Guten verweilte. Nach
fo vielen Gewaltthaͤtigkeiten des nordiſchen Eroberers ſetzt uns
die Staatsklugheit in Erſtaunen, mit welcher er ſich entſchloß
der Wittwe des angelſaͤchſiſchen Koͤnigs ſeine Hand zu reichen
und, ohne Beruͤckſichtigung ihrer und feiner aͤltern Kinder, bie
Thronfolge ihren zu erwartenden gemeinfchaftlihen Kindern zu
verheiffen ). Schon zu Ende des Julimonates wurde biefe
Dermählung vollzogen. - Eine Zolge berfelben fcheinen einige
mildere Maßregeln gewefen zu fein, da wir den Atheling Eads
wy wieder zurüdgerufen finden ?), fowie auch ben fogenanns
ten Bauernkoͤnig. Doc Cnut konnte ſich nicht für ficher hal
ten, wenn fo viele mächtige Angelſachſen ihn umgaben. Den
Atheling Eadwy ließ er noch in demſelben Jahre bei Tovi⸗
ſtock verraͤtheriſch ermorden 9 den Eadric von Mexien, wel⸗
cher feine Zhronbefteigung in England fo fehr erleichtert hatte,
aber von Dänen wie -Angelfachfen gleich gehaſſt wurbe, am
Weihnachtstage in feinem Eöniglichen Palafte zu London durch
den Jarl Erich erſchlagen und den Koͤrper unbeerdigt uͤber
die Mauer in die Themſe werfen). An demſelben Tage ließ
er auch,. auf unerwiefenen Verdacht, bie angefehnen Männer,
den Ealdorman von Chefter und Coventry, Normann, den
vornehmften unter Eadrics Minifterialen, den Äthelweard,
Sohn Athelmard des Großen (von Devonfhire), und Brithric,
Alfeags Sohn, ermorden). Normannd Befigungen erhielt
deifen Bruder Leofric, welcher fich der Gunſt Cnuts noch
lange :erfreuete. Ein Beweggrund zur Niedermetzelung anderer
Angelfahfen mag in der. Nothwendigkeit gelegen haben, die
daͤniſchen Krieger durch Landbefig zu belohnen und an Eng»
land zu felleln‘). Dagegen wurden alle Angelfachfen, deren
1) Encom. Emmae. Florent. etc.
2) Cum rege pacificatus est. Florent.
83) Florent. Malmesb,
4) Florent. Encom. Emmae. Malmgb. Ingulph.
5) Florent, '
6) Histor. Ramsey. c. 84. init.
ka ppenberg’s Geſchichte Englands I. 30
466 | Vierte Abtheilung.
Verrath oder Schwäche bie alte Dymaftie geſtuͤrzt hatten, von
Cnut als gefährlich oder unbrauchbar mit großer Strenge und
Härte aus feiner Nähe und fogar oft aus feinem Reiche ent
fernt. Ein großes Dänengeld von 72,000 Pfund, welches ben
Engländern auferlegt wurde, auffer 10,500. Pfund, welde
die Bürger von London allein bezahlten, befchloß bie feindlis
hen Maßregeln des neuen Herrſchers gegen England, in wel⸗
chem wir waͤhrend ſeiner ganzen ſpaͤtern Regierung nur eine
Spur von Unruhen, durch Angelſachſen erregt, finden. Nachdem
jene druͤckende Abgabe entrichtet war, ſandte Cnuͤt feine Flotte,
bis auf vierzig Schiffe, nach. Dänemark zuruͤck.
| In Cnuts Regierung nehmen wir jet eine fehr merkwürs
dige Veränderung wahr: wir finden in ihm, wem auch nicht
einen Karin dem Großen gleichzuftellenden Regenten, doch einen
Eroberer der nicht gehaſſt wurde, unter ihm ein Volk wel
ches glücklicher erfcheint, ald es unter feinen eingebormen Res
genten zuletzt geweſen war. Der tapfere Krieger zeigte won
diefer Zeit am fich als einen befonnenen und weifen Regenten,
welcher alle Segnungen des Friedend anzuerkennen, zu för
dern und zu benugen verſtand. Der gefegliche Zuſtand des
- Landes wurde auf einem großen Neichötage zu DOrford gere
gelt, und die Gefeggebung, wie fie zu König Eadgars bes
Siegreihen Tagen beftand '), als die Norm angenommen.
Eadgars Gefeßgebung hatte auch die in England wohnenden
Dänen befonders berüdfichtigt; die Gefege Äthelreds, in denen,
‚ fo weit wir fie Eennen, ähnliche Rüdfichten fich nicht finden,
mögen felbft Manches enthalten haben, wodurch die Gewohns
heitörechte derfelben verlegt waren, nut widmete der Ges
- vechtigkeitöpflege die größte Aufmerkfamkeit,. und häufig ſah
man ihn feine englifchen Staaten, von einer Mark zur andern,
- von feinen Rathgebern und Schreibern begleitet, zu Diefem
Zwecke durchreifen ?). Als das Ergebniß dieſer richterlichen
1) Chron. saxon. Florent. ad a. 1018, woraus Matthäus
von Weftminfter 5. 3. 1022 leges Eadwardi primi macht, und
von beren Überfegung in das Lateinifche und Ginführung in Dänes
mark (!) fpricht. |
2) Cum rex Cnutus more assueto regni fines peragraret. Histor.
Ramsey. c. 85.
+
Die Zeit d. Alleinherrſchaft d. Dänen in Engl. 467
Bemühungen bürfen wir Cnuts eigene den Angelfachfen ge⸗
gebene zahlreiche Geſetze betrachten, ſowohl geiftlihe als
weltliche, zu deren leßteren noch eine befontere Sammlung pon
Wald: und Jagd⸗-Rechten zu zählen if. Beſonders fällt in
‚jenen die Sorgfalt auf, mit welcher den Angelfachfen und des .
ren einzelnen Provinzen, wie den Dänen, ihre eigenthuͤmlichen
Rechte erhalten wurden, den Letzteren Feine gefeßliche Begünfti-
* gung zu Theil wurde, und wie Alles dort geſchah um den
Anfprüchen der Geiftlichfeit zu genügen. In welchem der
achtzehn Iahre, in denen Cnut über England herrſchte, dieſe
Gefege zu Winchefter gegeben find, iſt nach Sitte jener Zeit
. nicht naͤher angegeben und ift fpäter auszumitteln wenig ver⸗
ſucht warden. Doch fcheint dieſes Werk nicht in die erſten Res
gierungsjahre fallen zu können und iſt daher namentlich nicht,
wie. wohl gefchehn, mit der eben erwähnten Beſtaͤtigung der
Sefeggebung Eadgars zu verwechſeln; wie denn auch andere
Umftände für ein ſpaͤteres Jahr fprechen, ald Cnut ‚Normen
gen wieber erobert, hen Peteräpfenning neu eingeführt hatte,
und ähnliche‘). Bu
Unbezweifelter möchte zu den früheren Arbeiten König
Enutd die Entwerfung bed Witherlagsrechtes, einss für fein
fiebendes Heer ſowie die Leihwachen feiner Jarle abgefafltes
Hofrecht oder vielleicht richtigen mit denſelben entworfenes Gil⸗
derecht gehoͤren. Da der groͤßte Theil dieſes Heeres in Eng⸗
land verweilte, das Witherlagsrecht dort entftand ?) und die
Einfuͤhrung ſtrenger Diſciplin bei jener Kriegsgenoſſenſchaft die
erſte Bedingung aller übrigen Verbeſſerungen des Zuſtandes
dieſes Landes werden muſſte, fo darf die Erwaͤhnung dieſes
Geſetzes in der Geſchichte dieſes Landes nicht uͤbergangen wer⸗
ben, Die unmittelbare kriegeriſche Umgebung eines Eroberers
uͤbt ſtets großen Einfluß, und dieſe urſpruͤnglich daͤniſchen Krie⸗
ger, von den Angelſachſen husceorlas, auch tinglith, tingman-
1) Matth. Wostmon. ad a, 1023: „bonas leges omnibus pro-
misit“ Tann bier nicht entfcheiden., Wilkins fegt das Goncilium zu
Winchefter in das 3. 1021, dem Suhm IN, 556. beiftimmt.
2) Suenonis Aggonis histor, legum castrensium regia Canuti
Magni c. IV. apud Langebek scrr. rer. danic. T. III. p. 146,
“ 30* M
*
468 Blerte Abtheilung.
nalith genannt"), haben auch fpäter, fowohl als Leibwache
der Koͤnige als der maͤchtigen Vaſallen derſelben, eine nicht
unwichtige Rolle in England geſpielt. Sie waren mit Äxten,
Hellebarden und Schwertern, welche mit Gold auögelegt glänz-
ten, verfehn und entfprachen in Zweck, Abkunft und Aus-
ruͤſtung den Wäringern, in denen der byzantinifche Thron feine
Sicherheit fuchte. Die Anzahl diefer Krieger war zu Cnuts
- Zeiten nicht nur fehr groß — fie wird auf 3000, von Andern
auf 6000 gefchägt — fondern fie war auch aus den verfchie:
denften Völkern unter Cnuts Banner zufammengeflrömt und
bedurfte um fo mehr fixengfter Kriegszucht. Sogar ein tapfes
rer wendiſcher Fürft, Gottſchalk, Udos Sohn, verweilte lange
bei Enut in England und erwarb die Hand einer Tochter des
Föniglichen Haufes?). nut felbft betrachtete fich mehr als
Vorſteher diefer Kriegergilde denn ald Gebteter derfelben und
ſoll felbft, als er in England einen biefer Gildebrüber im -
Zome erfchlagen hatte, ſich der Entfcheidung derfelben in ihrer
‚Gteffne oder Zufammenkunft unterworfen und fchwere neun⸗
- fache Buße entrichtet haben). Die befchimpfende Benennung
des aus dieſer Gilde gefloßenen Kriegers, Nithing, iſt en ans
gelſaͤchſiſches Wort und wird noch fpdter in Beziehungen ge
braucht, welche es fehr wahrfcheinlich machen, daß jenes Gil⸗
derecht ber Eöniglichen Hauskerle fich auch nach der normanis
ſchen Eroberung erhalten hat *).
Mit derſelben Klugheit und demfelben Erfolge mit denen
Cnut die Intereffen' der Übrigen Stände beruͤckſichtigte, nahm
er auch die der Geiftlichkeit wahr. Das Heidenthum, welches
manchen Schlupfwinfel in dem Vollöglauben der Angelfachfen
fi erhalten und durch die neuangefiedelten Dänen wieder
Eingang gefunden hatte, wurde ernfllich unterfagt. Die Geiſt⸗
1) Xgl. Langebek scrr. rer. danic. II, 454. not. d. Pal-
grave II, 381. Huscarli fommen häufig im Doomsdaybook vor. Bgl.
Ellis introduction zu bemfelben II, 151 sq. I, 91.
2) Adam. II, 48, 59. IN, 21. Saxo p. 196. '
8) Sven Aggol.l.c. X.
4) ©. chron, saxon. ad a. 1049. Guil. Malmesb. de Wil-
helmo II. ad a. 1088, wo ber Abdruck irrig Nithering, und uns ihm
Matth. Paris,
Die Zeit b. Alleinherrfchaft d. Danen in Engl. 469
lichen wurden von ihm geehrt, viele Kirchen neu erbauet, je⸗
des Kloſter in England reich begabt), und auch die in den
benachbarten Ländern, unter andern St. Omer ), Chartres®),.
wurden durch reiche Geſchenke freudig überrafcht; durch ähnliche
war das Domcapitel zu Bremen beftimmt für ihn, unter dem
chriftlihen Namen Lambert, und die Königin Emma fowie
‚ feinen Sohn Harthacnut in ihrer Brüderfihaft zu beten; auch
Coͤln erhielt von ihm prachtvolle Pfalter und Chorbücher *).
Er beflimmte die Zage zur Feier des Andenkens des heil. Koͤ⸗
nigs Eadward ſowie Dunftans; die Gebeine des von den
Dänen fo ſchmachvoll gemorbeten Erzbifchofs Ülfeng ließ er
im feierlichften Gepränge nach Canterbury geleiten. Den heil.
König und Märtyrer Cadmund zu ehren erbauete er ein Bes
nebictinerflofter, ein Unternehmen durch welches, fowie durch
“mehrere der fchon erwähnten Einrichtungen, das Wohlwollen
des angelfächfifchen Volks zu gewinnen er ficher rechnen konnte.
Die Wiederherſtellung des St. Peterspfennings war ein Unter⸗
nehmen, welches ihm in der Gunſt der hohen Geiſtlichkeit ſehr
erhob, ohne ihm bei dem Volle zu fchaben, welches ben
König, der in ihrer Mitte vorzugöweife weilte und ihre
Mechte, ihre Heiligen, ihre Sprache, in welcher er felbft einige
Verſe dichtete, die ſich erhalten haben‘), ehrte, nicht laͤn⸗
1) Histor. Ramsey. c. 80 sq.
2) Encom. Emmae. |
8) Will. Malmesb. Fulberti Carnot. epist. 97, worin der
Biſchof dem regi Danomarchiae Cnuto, homini longo a nobis terrae
marisque intervallo diviso, quem paganorum principem audieramus —
für fein Gefchent dankt. Der Brief enthält Keine Spur von Enuts Ans
wefenheit in Chartres, wie Suhm annimmt, um ihn mit beffen Reife
nah Rom in Verbindung zu bringen. Er ſcheint ihm vielmehr in die
erften Regierungsjahre zu fegen, wo Zulbert noch Nichts von feinen -
chriſtlichen Werken vernommen hatte.
4) Diefe gelangten ſchon im J. 1055 als Geſchenke, welche dem
Biſchofe Aldred von Worceſter gemacht wurden, nach England zuruͤck.
©. Guil. Malmesb. Vita Wulstani in Wharton Anglia sacra.
T.1I. Die angelfähfifche Handfchrift erſchwerte vermuthlich das Eefen,
die Sprache das Verftändniß derſelben. Adam. Bremens. |. II.
e. 87 schol, | \
5) Histor, eliens. c, 27. |
!
470 Vierte Abtheilung. —
ger als einen auslaͤndiſchen Feind haſſte. Er ertheilte ſogar
bie daͤniſchen Bisthlimer an engliſche Geiſtliche, unter andern
Schonen an Bernhard, FZühnen an Reinher, Seeland oder
Roskyld an Gerbrand; ein Verfahren welched weniger auffals
fen durfte, da Olav der Heilige von Norwegen, fowie Olav
von Schweden viele treffliche Priefter aus England, worunter
Sigafrid, Grimkil, Rodulf, Bernhard, Wolfred (einige dieſer
Namen deuten vielleicht auf bänifche Abflammung zurüd), zur
Belehrung ihrer Unterthanen entboten hatten‘). Die Ordina⸗
tion dieſer dänifchen Bifchöfe wurde von dem Erzbifchofe von
Canterbury, AÄthelnoth, vollzogen, wodurch diefer der englifchen
Kirche einen Supremat über die nordifche Kirche zu erwerben
trachtete, welches, zwar nicht durch hohes Alter, aber durch
paͤpſtliche Verleihungen und vielfache Verdienfte um das. Chris
ftenthbum im Norden, die hamburgifhe Kirche damals noch .
befaß *). Diefer ſtand feit einigen Iahren der Erzbifhof Un:
wan vor, ‚aus dem erlauchten Gefchlechte der Immedingen,
veich begütert, mächtig duch die Gunſt des Kaiſers, einfluß-
reich durch die Gunſt der Benebictiner, deren Regel ex in fer
ner Diöcefe zuerft einführte, verehrungdwürdig durch die Froͤm⸗
migfeit, mit welcher er alle ihm verliehene Güter und Vor⸗
züge Dazu verwandte, das Heidenthum bis auf die Wurzeln
feiner Haine auszurotten und von deutfchen, wendifchen und
fcandinavifchen Zungen nur Chriſtum preiſen zu laſſen. Dieſer
Kirchenfuͤrſt hatte ſeine Macht in weltlichen Kaͤmpfen nicht
minder als in ſiegreichen Miſſionen erprobt und ſtand nicht
an, den Biſchof Gerbrand, welcher nad) dort empfangener
Weihe von England heimkehrte, gefangen zu nehmen und fefl
zu halten, bi8 er den ber hamburgifchen Metropolis fchuldigen
Gehorſam verſprach. Gerbrand ging ſo ſehr in die Anſ icht
1) Adam. Bremens, II, 89, 44. etc. Al.
2) Es mag hier bemerkt werben, daß ſich Deutfche unter den Geift:
lichen in England fehr felten finden. Als Ausnahme bemerfe ich einen
y
Abt von Ramfey, nachherigen Einftedler, welcher den in Slandern und
Sachſen berühmten Namen Widmann trägt, zur Zeit ald das Geflecht
der bdeutfchen Grafen dieſes Namens ausftarb. Histor. Ramsey. c. 75.
“ Qui cum esset bonae vitae et prudentiae laudabilis, genuina tanı
animi feritate, utpote Teutonicus natione etc, coll. c. 76—79 et 106.
—
N
’
Die Bett d. Kulsinperefgaft d. Dänen in Engl. 4714
dieſer Kirche und Unwans ein, daß dieſer ihn mit Briefen und
Geſchenken an den Koͤnig Enut zuruͤckſandte, um dieſen theilß -
durch Vorwürfe zu ſtrafen, theild ihm zu dem Gebeihen feiner _
"Regierung Heil zu wünfchen So großartig ber Zweck der
Sendung war, zwifchen den beiden. mächtigften Fuͤrſten des
nördlichen Europa Verföhnung und Freundfchaft zu fliften, fo
ward die Ausrichtung derfelben bei dem ſtaatsklugen Cnut nicht
ſchwierig, dem keine Herrſchervorurtheile den Blick in die Zu⸗
kunft, in welcher die Verbindung mit dem maͤchtigen Primaten
viele Vortheile verhieß, trüͤbten). |
Wenngleich die meiſten der gebachten Unternehmungen
nicht alle in den erfien Jahren der Regierung Cnuts ausge:
- führt werben Fonnten, fo handelte der König doch fchon gleich
in dem angegebenen Sinne und fah die Früchte diefer Gefn
nung fo weit reifen, daß er im 3. 1019 nach Dänemark mit 1019,
neun Schiffen zuruͤckkehren konnte, Er fol von dort im Wins
ter einen Feldzug gegen bie Wenden unternommen haben,
welcher in Beziehung auf England dadurch wichtig erfcheint, .
daß der hernach fo berühmte Godwine, Wulfnoths Sohn”),
jene Feinde des Königs heimlich in der Nacht überfallen und
niebergemegelt und dadurch dem Könige die größte Freude,
“der englifchen Tapferkeit willige Anerfennung und fich bie
Jarlswuͤrde verfchafft haben fol’). Doch wedte Cnuts Ab:
1) Adam. 1. II, c. 33 sq,, woraus fich auch, da dieſer Geſchicht⸗
ſchreiber gewöhnlich dem chronologifchen Verlaufe der Begebenheiten folgt,
bie Zeitbeſtimmung obiger Vorfälle ergibt, welche duch den Umftand,
daß Äthelnoth im 3. 1020 zum Erzbiſchofe erwählt wurde, beftätigt
. wird Noch genauere Beflimmung gewährt dem Gefchichtforfcher die
angenehm überrafchende Urkunde Enuts für das Klofter Ely vom 30. '
- Zunt 1022 — welche Gerbrandum Roscylde parrochie (de) Danorum
gente unter den Gegenwärtigen anführt- 0 -
2) über feine Abftammung f. oben. Eine Gage über feine Here
kunft gibt die Knytlinga: Sage, weldher Zurner, folgt.
3) Heinrih von Huntingdon ift der Ältefte Buͤrge für diefe
Nachricht, weiche Radulph be Diceto, Bromton, Kuyghton ıc.
nacdhfihreiben. Matth. Westmon. ad a. 1024 zieht dieſe Nadhriht
über Godwine mit einer fpätern Heerfahrt zufammen, doch ift ein Krieg:
Enuts gegen die Wenden nicht unwahrſcheinlich, und Godwine findet ſich
als dux in. Urkunden vom‘ 3. 1021— 1023 bei Suhm III, 799., als
comes 1022 bei Gale I, 523, _ |
4
1020,
1021.
472 Vierte Abthellung.
weienheit in England noch immer einige Gefahr. Er Tehrte
im folgenden Fruͤhjahr nach dieſem Lande zurüd und be
rief zu Cirenceſter ein Gemote der Wittigften, in welchem
Eadwy und der Ealdorman Äthelweard geächtet wurden ').
Es genügte dem Dänenkönige bereits feine Gegner aus dem
Lande zu entfernen, er bedurfte Eabrics. Dolch gegen die An-
gelfachfen nicht länger und konnte in den fpätern Jahren es
wagen bie meiften größeren Verwaltungsbezirke den Händen
von Angelfachfen, großentheils aus älteren Gefchlechtern anzus
vertrauen. Gefährlicher drohten ihm einige feiner bänifchen
Breunde und Magnaten zu werden, bei welchen dad neu einge⸗
fuͤhrte ſtrenge Regiment, die Umwandlung des Lagers in einen
Gerichtshof, ſowie die Gleichſtellung und vermeinte Bevorzu⸗
gung der Englaͤnder heftigen Unwillen erregen konnten. Die
enge Verbindung der Großen beider Nationen durch Heirathen,
worin Cnut ſelbſt mit dem Beiſpiele vorangegangen war, konnte
nicht raſch nachgeahmt werden und in einzelnen Faͤllen den
Dänen zu ſehr mit angelſaͤchſiſchen Intereſſen verfnüpfen. So
erging es dem Thurchill, dem wichtigſten unter Cnuts Waffen⸗
bruͤdern, welcher mit ſeiner angelſaͤchſiſchen Gemahlin Eadgy⸗
the aus England verbannt wurde. Nach Jahresfriſt wurden
die Geaͤchteten vom Reichsbanne entbunden, und Thurchill er⸗
hielt Cnuts Vertrauen wieder, doch nicht in England, ſondern
in Daͤnemark wurde ihm die Statthalterſchaft übertragen ?),
und fein Sohn ald Geifel für Cnut nad) England gebracht.
Bald darauf wurde auch der Jarl Erich vertrieben. Defien
Provinz Northumberland war, unter feinem Oberbefehle, in ben
Händen eined Bruderd des erfchlagenen Uthred geblieben, bes
Eadulf Cudel, eined trägen und feigen Manned. Der König
‚von Schottland, Malcolm II, Kennetbs Sohn, benußte die
Verwirrung, welche bie Umgeflaltung Englands begleiten muſſte,
und die Schwaͤche ſeines Nachbarn, um ſeine Rechte in der
‚ 1) Chron. saxon. gedenkt Beider, Florenz nur bes gestern. Si⸗
meon und andere Chroniker ſchweigen hier gaͤnzlich. |
2) Sax. chron. ad a. 1021 et 1028, Klorent. ad a. 1021.
Dagegen haben Wilhelm von Malmesbury und Matthäus
von Weftminfter ad a. 1021 die Sage, daß er bei feiner Landung
in Dänemark: von den dortigen Iarlen erfchlagen fei.
Die Zeit db. Alleinherrſchaft d. Dänen in Engt. 473
Provinz Lothene, welche fein Vater von Eabgar erhalten hatte,
zu vergrößern und übertrug biefe dem Fürften Owen (Euge⸗
nius) dem Kahlen').. Doch ſchadete diefer Verluft dem Jarl 1018.
Erich nicht, welchen wir noch mehrere Jahre in. England an
dem. Hofe des Königs erbliden. Die Urfache feiner Verbans
nung iſt unbelannt, und wir erfahren von ihm nur noch, daß
er bald darauf ‚ im Begriffe eine Pilgerfchaft nach Rom anzu⸗
treten, an einem Blutſturʒe ſtarb?).
Cnut hatte in ſeiner Gefolgſchaft vorzuͤglich den Jari— ur
(Wolf) audgezeichnet, den Sohn Thorgils Sprafalege, Soh⸗
ned des Styr Bjorn’). UF Iarl erhielt die Hand der Aſt⸗
rith, Cnuts Schwefter, und wurde durch feinen mit berfelben
erzeugten Sohn Spen der Stammvater der nachfolgenden Ki
nige Dänemarks. Die Schwefter feines Schwager Ulf ver
mählte Enut dem gedachten Earl Godwine, deſſen Tochter wir
ald Königin von England erbliden werden. England vr
dankte diefem friedlichen Syſteme fchöne Jahre der Ruhe, a |
welchen es fich von dem langwaͤhrenden Drude erholte.
dem Lande „wo Cnut anfaͤnglich gleich dem Bafiliſk in a
den libyfchen Wüften faß" *), wurben bie verlaffenen Selder
neu bebauet, Burgen, Brüden und Wege bergeflelt, Kir
chen und Kapellen errichtet. Weber Uber den König noch feine
1) Simeon Dunelm. Chron. Mailros. Jener nennt b. J. 1018
ſtatt Sadulfs noch deſſen Bruder, doch erzählt er felbft richtiger p. 81.
Auf diefe Vorfälle und fpätere Verföhnung mit Cnut mag fich beziehn,
was Snorro a. a. D. Cap. 140. von der Sendung ber Krieger von
‚Schottland und Fife an Enut erzählt.
2) Yric fugere compulit.e Huntend. 363. Malmesb, 78.
Lesteren fchreibt Matthäus von Weftminfter b. 9. 1021 aus.
Doc finden wir Yric dux oder comes noch in den Urkunden v. Juni
1022 bei Gale I, 923. und die beinah gleichzeitigen bei Suhm III,
79. Yalgrave II, 226. Nah Snorro a. a. DO. Cap. 23. müflte
Erich Thon im 3. 1018 geflorben fein. Vgl. auh Theodoric. de
regib. Norveg. c. 14.
8) Adam. Bremens.II,48. Snorro.a.a.D. Cap.144. Saxo
Grammat. 197. ulfs Vater und Großvater, Spraclingus und Urfug,
kennt ſchon Florenz b. 3.1049. uilf Jarl findet fich felten in angel:
fächfiihen Urkunden, wie in ber bei Palgrave a. a O. \
4) Ditmar.l. |. |
-
1025.
N
MA. vBierte Abtheilung.
Beamten iſt eine Klage der Angelfachfen auf und gelangt, und
feine Vorliebe für den Aufenthalt im ‚England beweift,- daß er
die Vortheile der phyſiſchen Lage wie der polltifchen Verhält
niffe dieſes Landes würdigte und werth hielt.
Enut ımterließ jedoch nicht feine Blicke aufmerkſam nach
allen Theilen feines Reiches zu richten und baffelbe auf allen
Seiten zu befefligen und zu vergrößern. Durch die Vermitt
lung feines Freundes, des Erzbifchofs Unwan, welcher ihn nach
dem wiederertbauten Hamburg eingelaben hatte, ſchloß er mit
dem neuen Kaifer Konrad II. einen Frieden, in welchem dieſer
ihm die Stadt Schlefwig mit der bortigen Mark abtrat und
die Eider die deutſche eichsgrenze wurde). Cnuts junge
Zochter Gunbilde wurde dem Sohne Konrads, Heinrich, dem
nachherigen Kaifer dieſes Namens, verlobt; ein’ glorreiches Er-
eigniß, weiches , wenn wir die Macht beider Herrſcher betrach⸗
ten, in der Vermaͤhlung von Athelſtans Tochter mit Otto dem
Großen ein nur ſchwaches Vorbild fand.
Die Kämpfe, welche Gnut, durch ungezähmten Ehrgeiz
verlodt, fortwährend mit den ſcandinaviſchen Reichen beftand,
entfernten ihn zuweilen von England. Selbit Ulf Iarl, ver
leitet durch bie Königin Ymme, hatte den Verſuch gemacht
ben ihm anvertrauten jungen Sohn des Könige und ber
Ymme, Cnut den Harten (Harthacnut) , zum Koͤnige von
Dänemark ausrufen zu laſſen; ein Vergehn welches der König
zu verzeihn vermuthlich durch feine Plane gegen Schweden und
Norwegen bewogen ward”). Im SI. 1025 fchiffte er zur Oft
fee, wo Olav, König von Norwegen, und Anund Jacob, Kb
nig von Schweden, gegen ihn gerüftet waren, und er in Schos
nen am Fluffe Helga, am Fuße des Berges Stanga, gegen
Wf und Eylaf, die Söhne des Ragnwald, Jarls von Weſt⸗
gothland, und ber Ingeborg, König Olofs Trygweſon Zochter,
eine ihm und vielen englifchen Kriegern unglüdlihe Schlacht
1) Adam, LI. c. 38., welcher dieſen Vertrag gleich nach Kon⸗
rads Regierungsantritt, im 3. 1024, ſetzt und von den fpäter erfolgten -
Beziehungen beider Herrfcher zu einander trennt. Über die Auelegung
jenes Vertrages f. Bald ſchleſwig⸗ holftein. Rechtsgeſchichte IH. U
©. 15.
2) Snorro a. a. D. Cap. 158.
\
‚Die Zeit d. Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 475 "
focht), in welcher UF Jarl feinem Böniglichen Schwager das
Leben rettete. Unmuthig kehrte der Koͤnig nach Seeland zu⸗
ruͤck, wo Ulf Jarl durch ein zu Roeskild veranſtaltetes Feſt⸗
mahl ihn am St. Michaelisabende zu erheitern ſuchte. Der
einſylbige Koͤnig, dem Becher ſich entziehend, ſpielte Schach
mit dem Gaſtgeber, dem während des Spieles ein haſtiges
Wort über die Schlacht von Helga entfuhr. Die geboppelte
Schmach vermochte Enut nicht zu ertragen, und Ulf fiel durch
bie Hand eines in St. Luciens Kirche ihm nachgefondten
, Kämmerlings, des Norwegerd Ivar Huida?).
Das Nähere über die Kriege Cnuts in diefen Reichen fos
wie mit den Sinnen und die mit deren Zürften geführten Vers
handlungen gehören der angelfächfifchen Sefchichte nicht an, wenn
überhaupt die Mehrzahl der über jene zu und gelangten Nachs
richten irgend einer Gefchichte und nicht größtentheild der Sa⸗
genmwelt der Ecalden anheimfallen fol. Doc müffen wir
dad aus benfelben hervorheben, was die Angelfachfen felbft mit
betraf, und mas deren Schriftfteller der Aufzeichnung werth
hielten; viel zu fparfam leider für uns, welche durch folche
Stüspuncte allein die molluffenartigen Sagen des Nordens
zur Gefchichte zu befeftigen und zu erheben vermögen.
Ein ruhiger Zeitpunct war eingetreten, in welchem Gnut
.- 1) Chron. saxon, ad a. 1025, jeboch nur in Mss. Laud und Domi-
tian, woburh Saxo Grammat. p. 195 und Snorro a. aD.
Cap. 160. eine bis auf den, von den Überfegern der Chronik nicht vers
flandnen, Namen des Zluffes fiy ausdehnende, fo merkwürdige als
feltne Beftätigung erhalten. Snorro a. a.D. Gap. 95., welcher Ulfs
und Eylafs Abflammung auf bie oben angegebne Weife bezeichnet,
hält jenen für den Schwager Cnuts; Eylaf nennt er nicht, ober ver:
wechfelt ihn mit Dlav. Bol. au Huntend. Bromton. Snorro
a. a. DO. Gap. 139 fg. Annal. Island. ad a. 1027 apud Langebek
III. ift hiernach gleichfalls zu berichtigen. Es ijt übrigens auch in ben
erften Sahren Cnuts ein Jarl Eylaf in feiner Umgebung, welcher im
3. 1022 Demetia verheerte und Menevia (St. Davibs) zerftörte, nach
Enut3 Zode aber nad) Deutſchland floh. Annal. Cambr. ad a. 1022,
Brut y Tywysogion ad a. 1020, 1036. Bermuthlich iſt es diefer, wels
chem Suhm die Graffhaft Glocefter zufchreibt.
2) Snorro a. a. O. Cap. 162 fg. nifs Ermordung fäut alfo
in ab J. 1025, nicht, wie gewoͤhnlich angenommen wird, zwei Jahre
ſpaͤter |
1026.
476 Vierte Abtheilung.
einen lingſt gehegten, oft auf efehobenen Wunſch ohne Be
forgniß für feine Staaten austühren konnte. In der lebten
Hälfte des Jahres 1026 verließ er Dänemark und trat als
Pilger, durch Flandern, Frankreich und Burgund nad) Rom,
in die Zußtapfen ehrwuͤrdiger angelfächfiicher Vorgänger und
ward der erfie König Dänemarks, welcher dem Nachfolger des
heil. Petrus feine Huldigungen felbft darbrachte. Die Pilger
zeife eined Monarchen wie König- Cnut es war, konnte nicht
ausfchliefflich feiner Andacht geweiht. fein. Er brachte dem
Papft Johannes XIX. große Gaben, welchen er dadurch be
wog die Schola der Sachen zu Rom von Abgaben und Zoͤl⸗
len zu befreien, auch die druͤckenden Abgaben für das Pallium
feinem Erzbifhofe zu erleichtern. Nachdem der König alle
heil. Kirchen und Kapellen in Mittelitalten befucht hatte, vers
weilte er noch bi8 zum Oſterfeſte des folgenden Jahres in
Rom, um bei ber Kaiferfrönung feines Freundes und Verbuͤn⸗
beten, Konrads II., dort gegenwärtig zu fein. Vom Kaifer
wurde Cnut mit vielen und Eoflbaren Gaben, golbnen und
ſilbernen Vafen und prachtvollen Gewändern befchenft. Viel⸗
leicht wurde hier die obengebachte Vermählung der Kinder bei⸗
der Fürften befchloffen. Der Kaifer fowie Rudolf von Bur-
gund ficherten bier den Unterthanen Cnuts, welche ald Kauf:
leute oder Pilger ihre Staaten burchwanderten, Schuß und
Befreiung von den miöbräuchlichen Abgaben, zu deren Erhe⸗
bung die Engpäffe der Gebirgslande häufige Veranlaffung ga⸗
ben '), Cnut Eehrte fodann auf demjelben Wege auf welchen
1) iiber den Zeitpunct Befer Reife herrſcht eine auffallende unge⸗
wißheit, und wir find hier in dem ſeltnen Falle, zwiſchen widerſprechen⸗
den Angaben von Beitgenoffen entfcheiden zu müffen. Kür das 3. 1031
fprechen chron, saxon. (in der Handfchrift von Worcefter) und alle englifche
Quellen, von denen Radulphus de Diceto, ber b. 3. 1027 und
1031 diefer Pilgerfchaft gedenkt, nur ald Ausnahme zu bemerken fein
möchte, um zu unterfuchen, ob er bei der erſten Stelle eine andere
Quelle ale Heinrih von Huntingbon vor fih hatte. Auh Adam
von Bremen erzählt von Cnuts Romfahrt erft unter dem Erzbifchofe
Libentius 1029— 1033. Dagegen berichtet ein Zeitgenoffe, welcher nut
felbſt zu Rom geſehen haben muß, Wippo, Kaiſer Konrads Geheim⸗
ſchreiber, daß Cnut und Rudolf bei Konrads Kroͤnung zugegen waren
(vita Conradi Salici apud Pistorius). Cnut ſelbſt erzähl in einem
Die Zeit.b. Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 477
er nach Rom gegangen, nach Daͤnemark zuruͤck, um Frieden
und feſte Vertraͤge mit den weſtlichen Staaten zu ſchlieſſen,
welche ſeiner Macht ſo gefaͤhrlich zu werden drohten, und eilte
darauf nach England, dem er ſich durch feine Fuͤrſorge für Die
Kirche und bie Erhebung der ihr gebuͤhrenden Abgaben bereits
angekuͤndigt hatte.
Was die Waffen im Nordweſten nicht vermocht Hatten,
verfuchte Cnut jest durch Beflechungen zu erreichen. Nach
England zuruͤckgekehrt, ſandte er von hier Gold, Silber und
andere Eoftbare Gefchenke an die Jarle Norwegens, welche
Dlav hafften, der ihren und ihrer Frauen unfitflichen Wandel
ſtrafte und wegen feiner eifrigen Verfolgung des Heidenthums
bei einem großen Xheile feines Volks verhaflt war”). Die
Rechte welche Hakon, der Sohn feines früher aus feiriem
Theile Norwegens vertriebenen Schwagers Erich, geltend mas
chen wollte, gaben Enut, obgleih er den Pater vertrieben
hatte, Anlaß im Namen ded Sohnes, welchen er bie Graf⸗
ſchaft Worceſter verliehen?) und bie Hand feiner Schweſter⸗
tochter Gunhilde ?) verheiſſen hatte, Norwegen wieder zu fos
dem. Gleich Hakon waren auch viele andere angefehne Nor⸗
weger, unter denen Oslac und Skialg, Erlings Soͤhne, ge⸗
nannt werben, welchen Cnut bedeutende Lehne in England
an die engliſchen Praͤlaten gerichteten Sendſchreiben (s. a. et d.), daß
ee den Kaifer Konrad und König Rubolf am. Ofterfefte zu Rom ges
ſprochen habe. ©. Florenz. Malmesb. Ingulph. Das richtige
Jahr findet ſich auch in chron. turonens., vieleicht aus der Aufzeichnung
eines Moͤnchs, welcher den König auf feiner Reife in jenem Klofter fah.
©. bei Bouquet X, 284, Dgl. auch encom. Emmae. Wil, Godet bei
Bouquet 1.1. 262. Es ift denkbar, daß die ältefte englifche Chronik
durch ein X anftatt des V in 1026 zu einem Irrthum verleitet ift. Der
> Zitel welchen fih nut in dem gebachten Senbfchreiben beilegt, rex
Norveganorum et partis Sueyorum, mag fpäter eingefchaltet fein. Die
Lesart Robertus flott Rodulphus bei Ingulph ift erfichtlich falſch.
1) Florent. ad a. 1020, vgl. mit Snorro a. a. O. Cap. 139 fg.
Gap. 195. Theodoric. de regib. Norveg. c. 16.
2) Palgrave Il, 289.
5) Ihr Vater wirb Wirtgeorn, rex Winidorum genannt von ko
renz b. 3. 1029, welchem fpätere Shroniften den Ihnen betannten Na⸗
men Vortigerů untergefchoben haben. .
1023,
478 Vierte Abtheilung.
übertrug‘). Im 3. 1028 bemannte Gnut 50 Schiffe mit |
englifchen Thanen und nachdem er dieſe Flotte in Daͤnemark
fehr verftärft hatte — ein großes Zaufend Schiffe, berichte
der Moͤnch von Nidarös, Zheodorich — fuhr er gen Norwegen,
wo ed ihm leicht gelang Dlay, der mehr die Zugenden befaß
welche ihn im Srieden bei cioilifirten Völkern geſchmuͤckt haben
würden, als bie eined Feldherrn und des Veherrfchers roher
Maſſen, bald zu vertreiben. nut ließ fich zum Oberkoͤnige
von Norwegen von den zu Nidaros verfammelten Häuptlingen
und Geiftlichen erwählen”) und Eehrte mit den von den Nors
wegern ihm gegebenen Geifeln nach England heim, nachdem
\
1023
29. Zul.
ee Hakon Jarl zu feinem Stellvertreter in dieſem Reiche bes
ſtellt hatte. Auch dieſer begab ſich nach England, um bie
Vorbereitungen zu feiner Vermählung zu treffen, kam aber auf
ber: Rückehe um, vermuthlih im Schiffhsuche, oder wie Aus
dere berichten, auf ben Ortaden erſchlagen ). Dlae wollte
die durch das -Auöbleiben des Statthalters entitonbene Ders
wirrung benugen. und machte einen Verſuch fein Meich wieder
zu erwerben; boch wurde er. von feinen durch bad engliſche
Silber verlockten Lehnsmannen ermordet. Sein Andenken er⸗
hielt ſich lange im Norden, wo biefer Frevel bald als folder
erkannt wurde, als das eines Märtyrerd für feinen Glauben,
und fein Todestag warb lange in ber Kirche feierlich began-
gen *), Norwegen wurde nunmehr. von Enut feinem natürlis
hen Sohne Sven übertragen. Ä
Während nut ſtets mehr Kronen auf fein Haupt
heute, waren bie rechtmäßigen Erben des englifchen Thrones,
= 1) Snorro a. a. O. Cap. 140. o⸗laeus miles. urkunde Wauts
bei Palgrave II, 290, in welcher auch Hacon dux,
:2) ©nosro a. a. D. Cap. 180.
“ 8) Chron. saxon. Florent. ad a. 1080. Theödorie. L l.
Snorro L 1. c. 195.
3) Chron. saxon. ad’ a, 1080. Theoborid gibt 1029 als das
i Todesjahr an, womit auh Adam von Bremen übereinzuftinimen
Scheint, der Dlavs Tod unter des Erzbiſchofs Unwan Regkerung berich⸗
tet3 doch erzählt Theodorich ſelbſt, daß Diaw länger als zwei. Jahre
in Rußland und Schweden verweilte, und Adam berichtet bier Qlavs
Zob, weil er von feiner Vertreibung hatte. farechen muͤſſen.
zZ zo =
YMTETRLZ
Die Zeit d. Alteinberefhaft d. Dünen in Enge. 479
die Söhne Äthelred& und der Ymme, zu männlichen Jahren
berangereift. Ihr Oheim Richard IT. von der Normandie
hatte ihnen: ein Aſyl am feinem Hofe zu Rouen gefichert, doch
zu Gunften. der von Ymme mit feinem zweiten. Schwager
Cnut erzeugten Söhne die Anfprüche jener auf England nicht
geltend gemacht... Richard II. ſtarb nach dreiffigiähriger Regie⸗
ring‘), worauf ihm fein älteren. Sohn, gleiches Namens ber
dritte, und als diefer nach kurzer Friſt flarb, deſſen jüngerer
Bruder folgte, Robert I., feinen Beitgenoffen unter den Bei⸗
namen bed Sreigebigen ſowie auch des Zeufeld, der Nachwelt
vorzüglich als der Vater Wilhelms bed Eroberers bekennt:
Herzog Robert fcheint es gewefen zu fein den: Cnut, in bei
Abficht, durch ſolche Verbindung die. von ber Normandie ber
ihn drohenden Stürme zu beichwichtigen, feiner .Schwefler
Eftrith, oder Margaretha, Ulfs Wittwe, verlobte?). Doch. Ro«
bert fand. kein Behagen an, dieſer Ehegenoffin und wies fin
nach. kurzer Friſt ſchnoͤde zurüd. In ber. nachftfelgenden. Zeit
pflog ber Herzog. trauten Umgang mit Arkot, einer Vuͤrgers⸗
“ tochter von Falaife, weldpe ihm ben. Sohn gab, welchen fünfz
iährig bie Großen ber Normandie und im. fechäunbdzeiffigieh: "
Jahre das Witenagemote zu London ald Gebieter anerkann⸗
ten. ‚Robert, im Zwifte mit der. verfioßenen Eſtritha Bruber,
dachte jest daran feiner Schweſter Söhne, die angelfäcfifchen
Äthelinge, auf den Thron ihres Paters zurüdzuführen. Cine
1) Nach Florenz ſtarben Richard II. und IH: im 3. 1026. Die
neuen lateinifhen Einſchaltungen des sax. chron. fegen Beider Todes⸗
fälle in das 3. 1024; Wilhelm von Iumieges ben des Erxftern in
das 3.1026, den des Zweiten in das 3. 1028. So auch chron. turon,
bei Bouquet X | |
2) Adam von Bremen II, 37 und Saro 193 u. 200 erzählen,
daß Eftrith vor ihrer Heirath mit Ulf dem Richard von ber Normanbie
vermählt gewefen. Diefer muͤſſte Richard I. geweien fein, her, wenn
er auch in fpätern Jahren geheirathet, doch nicht fo leicht ſich geſchie⸗
den haͤtte. Da aber Eſtriths Gemahl derſelbe normanniſche Fuͤrſt war
welcher nach Jeruſalem zog, ſo kann nur Robert gemeint ſein. Dieſes
berichtet denn auch ein naͤherer Zeitgenoſſe als Adam, der als Zeuge
feiner Zeit nicht zu verachtende Radulphus Glaber: Robertus
Normannorum dux — sororem Anglorum regis Canut manifestum est
duxisse uxorem, quum odiendo divortium faceret, ©, Bouqust X, 52.
480 WViecekte Abtheilung.
Geſandtſchaft, welche er deshalb an Cnut abordnete, fand keine
willkommene Aufnahme; er verſuchte daher mit Gewalt der
Waffen die Rechte ſeiner Neffen zu unterſtuͤtzen. — Eine be⸗
traͤchtliche Flotte wurde bei Fecamp ausgeruͤſtet und mit ta
pfern Kriegern bemannt. Doch ein heftiger Sturm trieb die
normannifchen Schiffe nach der Inſel Jerſey zuruͤck, wo eine
langwierige Winbflille den ungebuldigen Herzog zu verzweif-
lungsvoller Wuth brachte, bis er zuletzt ſich gluͤcklich preiſen
muſſte, einen Theil ſeiner Schiffe gerettet zu haben und ſie
gegen den Herzog Alain von Bretagne, mit welchem Lande
die nachbarliche Fehde felten- ruhte, gebrauchen zu koͤnnen.
Die Druͤmmer mancher: hier zerftörten Schiffe zeigte man noch
nad) einem Jahrhunderte qu "Rouen ). Cnut, der jedoch den
gefährtichen Beind, dent: ein: guͤnſtiger Wind fich einft verbins
bon konnte, fürchtete, ’ fuchte: ihn durch falſche Verheiſſungen,
wenn nicht durch wirkliche Nachgiebigkeit, zu beruhigen. Man
glaubte in der Normandie,- ‚daß Sendeboten des Königs Enut
in feinem Namen gelebt hätten, daß die beiden Athelinge die
Hälfte des Reichs, alſo Alles was ihr Bruder König Cads
mund bei: feinem Tode beſaß , nach Enuts ‚Ableben erhalten
foliten ).
‚Die letzte Befriedigung feines Ehrgeizes erhielt Cnut durd
Ä pie Unterwerfung der norbbritifchen Reiche Schottland und
Eumberland. Bisher hatten nur bie Fuͤrſten des fübdlichen
Schottlands ihm gehulbigt, während Duncan, König von Cum⸗
berland und Malcolm II. den dänifchen Oberherrn anzuerken⸗
nen fich geweigert hatten. Ein glüdlicher Feldzug gegen Dun
can, welchem fen Oheim Malcolm vergeblich zu Hülfe herbeis
eilte, endete in ber Vereinigung auch biefer Staaten, fowie
der untergeordneten Könige Maelbätha (der durch Shakſpeares
1) Guil. Genmet. 1. VI. c. 10—12. Weallingford 549,
Roman de Rou 7896. Daru Gefch. der Bretagne I, 98. Auch Guil.
Malmesb,, welcher allein_unter ben ältern englifchen Chroniſten dieſer
Expedition gebentt, Treibt fie Robert zu. Nur Wallingforb 550,
welcher mit feltnem_ Misgeſchicke ſtets irrig verbeſſert, miſſt ſie dem
Richard II. bei.
2) Guil. Gemet, VI, 13.
‘
u
Die Beit d. Atleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 481
Dichtung verewigte Macbeth) und Jehmarc mit: ‚ber wordi⸗
ſchen Herrſcherkrone ').
Cnut genoß dieſer vereinten Ehren nicht lange mehn.
wurde von unheilbarem Siechthum ergriffen und ſtarb im *
1035 am 11. November zu Shaftesbury. Seine Aſche ver⸗
blieb dem Lande, welchem er. von feinen uͤbrigen Staaten am
liebften angehörte, und wirb von ber weftfächfifchen Koͤnigsgruft
im alten Münfter zu Winchefter umfchloffen ). Die Gefchichte,
- fowie fie ihn als den mächtigften Herrfcher des nördlichen Eus
1035.
ropas kennt, würbe ihn ald einen ber größten Regenten ehren,
. wenn grenzenlofe Herrfchfucht und ungezähmte Reidenfchaft ihn
nicht zu manchem Frevel hingerifjen hätten. Dagegen berichtet
manche Sage von ihm achtungswuͤrdige und felbft ‚liebenswer:
the Züge. Wohlbekannt ift, wie er feinen Zuß von ber her
anruͤckenden Zluth befpülen ließ, als die Höflinge vor ihm den
- Weihrauch, welcher im Norden in den Händen der Scalden
gebiehen ift, wie nur je in den Dben des Orients, vergeudes
ten und fofortigen Eintritt der Ebbe von feinem Befehle zu
erwarten .vorgaben ’). Wir fehn ihn den ruhigen Strom im
Schifflein herabgleiten und, an dem fernen Gefange der Mönde
zu Ey ſich erfreuend, die behaglich finnige Stimmung in
wohltoͤnenden Verſen ausfprechen. Indeffen erfcheinen ſolche
Züge gleich den Blümlein, welche auch an dem ſtarren Felſen
einzeln bervorfpriefien. Freunde und Verehrer, welche ein ums
faffendes, treues Bild ihres Königs der Nachwelt zu überlies
fern ſich gedrungen fanden, hat er in ber zahlreichen, von ihm
beſchuͤtzten Geiftlichkeit nicht erweckt, und Zeitgenoffen glaubten
ihm, für viele Regententugenden binlänglicy gedankt zu haben,
wenn fie von fo vielen Herrfchervergehen ſchwiegen. Sein gro:
ed Reich war bald nach feinem Tode wieder zerfpalten, und
England, nachdem es Jahrhunderte hindurch in einzelnen Pro:
vinzen dad och der Dänen getragen hatte, zulest ganz eine
Provinz bed daͤniſchen Königs geworden war, bat wenige
1) Chron.. saxon. ad a. 1081. Henr. Huntend. Fordun.
IV, 41, |
2) Sax. chron. Florent.
8) Henr. Huntendon. G. Gaimar. vs. 46% 2q.
Lappenberg's Geſchichte Englands I. 31
482 | ‚Bierts Abrpeitung.
Sabre nach Enuts Tode Beine ſiegreichen bänifhen Krieger
wiebergefehn. Doch war Cnuts Regierung für ‚Englands fer
nere Schickfale dadurch entfcheidend, daß fie die angelfächfis
fchen Gefchlechter immer mehr auflöfte und vermichtete, und
daburch. ber: bevorſtehenden normannifchen Eroberung und de
ren bedeutenden Folgen den Weg ebnete.
ECrinmt' hatte mit der Königin Alfgifu⸗Ymme wwei Kinder
erzeugt, Cnut den Harten, welchem er, bie Laſt der Regie⸗
rung theilend und nach der haͤufigen Sitte jener Zeit, ſchon
den Prinzen ein Koͤnigreich auszuſondern, Daͤnemark bereits
‚übertragen hatte, und Gunhilde, Atheldrude genannt, dem
deutſchen Koͤnige Heinrich III. verlobt und im folgenden Jahre
1036, von Thiadmar, nachherigem Biſchof von Hildesheim,
nach Deutfchland geleitet, demfelben vermählt. Sie ftarb fchon
nach zwei Sahren, „wie der herrliche Morgenſtern in. der Frühe
untergeht,“ in Stalien und ihr Leichnam wurbe nach. Speier
gebracht. Ste hinterließ. ihrem Gemahl eine Tochter Beatrix,
nachherige Abdtiffin von Quedlinburg '). Doch waren noch
zwei Männer, welche Cnut ald feine Söhne. behandelte und
mit Alfwen oder Älfgiva, einer Tochter des von Eadric Streone
einft erichlagenen Ealvormand von Hamptonfhire, Alfhelm
und der edlen Frau Wulfrune, erzeugt zu: haben glaubte.
Doh England war überzeugt, daß der ältere derfelben, Sven,
eines Prieſters, ber jüngere, Harald, eines Schufters Kind,
von ber unfeuchtboren Älfwen dem Könige als ihre gemein:
' 9 Wippo de vita Chunradi Salici, Adam. If, 44, Herm.
Contr. Marian. Scot. Otto Frising. Rormanniſche Sagen über
Gunhilde aus Balladen gefchöpft f. bei Guil. Malmesk 1. Ir. e. 12.
Bromton col. 983. Nach diefen war fie des Ehebruchs angeklagt,
aber durch einen gerichtlichen Zweikampf, worin ein Heiner Neffe,
Maͤnnike genannt, für fie gegen den großen Köking focht, befreit.
Die Angabe, daß fie zu Brügge am 21. Auguft 1042 verftorben fei, if,
obgleich durch ein Denkmal ih. ciner dortigen Kirche unterſtuͤtzt (abge
drudt in Miraeus |]. II. donat. Belgic. c. 23, und neuerlih Ellis
introduction to Doomsdaybook II, 137), nur der Eitelkeit ober dem
Eigennug ber dortigen Mönche zuzuſchreiben. Vgl. Suhm IV, 3.
Orig. guelf. IV, 815. on einer andern Gunhild, Cnuts Schweſter⸗
tochter, f. oben und auch unten 3. 9. 1015, j auch Koeler diss. de
geneal. famil. August. Francon.
Die Beit d. At-iaherw hatt d Daͤnen in Engt. 483
ſchaftlichen Kinder untergeſchoben fen’). Wir müſſen unſern
Zweifel zuruͤckhalten, ob ein ſolcher zweifacher Betmg bem
„Enut unentdeckt bleiben konnte, und erinnern nur an bie vies
len Intereſſen, welche fich verfchwören .mufiten, um jeden Ans
ſpruch auf Enuts Erbſchaft Zweifeln zu unterwerfen. Diefer
batte dem Sven die norwegifche Krone verliehen, wohin Letz⸗
tern feine angebliche Mutter begleitete”). Zu Gunften Haralds
hatte jedoch der König Feine uns bekannten Verfügungen getrof:
fen und ihm ganz England fchwerlich zutheilen wollen).
Harold der Hafenfüßige.
Wahrſcheinlich hatte Cnut die englifche Krone bem Har⸗
thacnut beſtimmt, wie es bei feiner Vermaͤhlung mit Ymme in
dem Ehevertrage audgefprochen war. Doc iſt es keineswegs
unmöglich, daß er fpäter, als er der Oberherr von ſechs Reis
chen geworden war, den Söhnen Äthelreds das fübliche Eng:
laand übertragen wollte. Aber jener war zur Zeit ded Todes
feines Baters in Dänemark abwefend und befaß nicht die Gunft
‚ber dänifchen Bevölkerung Englands, Die Häupter des gan-
zen nördlich von der Themſe belegnen Landes erklärten fich für
‚jenen Harold, den angeblichen Sohn Enutd, vorzüglich der von
Lesterem einft fehr begünftigte Leofric, Earl der Mercier, und
bie mit andern Dänen zu London faſt eingebürgerten koͤnigli⸗
chen Seeleute und Krieger 9. Den Harold erwaͤhlten dieſe in
‚ 1) Chron. saxon. Florent. Encom. Emmae. Histor. Ram-
sey. c. 94. |
2) Snorro aa. O. Gap. 252 fg.
.8) Sax. chron. und befonderd Florent. ad a. 1035. — Pal-
grave I. l. II, 256. und History of England I, 321: behauptet das
Gegentheil, wie es fcheint, ohne zuverläffige Autorität. Denn für ſolche
kann Simeon b. 3. 1035, welcher bier den Florenz nur miss
verftand, nicht gegeben werden. Die Angabe des encom. Emmae, Har-
decnuto quicquid suae parebat ditioni tradidit, beweift zu viel und ift
bei den Berhältniffen des normannifhen Encomiaften nicht. als glaub:
würbig zu betrachten. Eher lieffe fich auf die unzweideutige Nachricht
des Adam von Bremen 3. II. Cap. 54, bauen, doch mochte dieſer
wohl nur nach dem Erfolge geurtheilt haben.
4) The lithsmen on Lunden. Sax. chron. ad a. 1035; vgl. ad a.
10847. . Londonienses, qui iam pene in barbarorum mores propter
31 *
N
44... °. Bierte Abtheilung. .
einem zu. Orford gehaltrien Gentote zum Könige bed merci
fhen und northbumbrifchen Reiches und wollten ihm die füblis
chen Länder ald Lehn oder Statthalterfhaft von dem noch un:
mündigen Harthacnut übertragen wiffen. Die angelfächfifche
Bevölkerung war für Eadward, Äthelreds Sohn, oder Harthas
enut geneigt. Als die dänifchen Gewalthaber ihnen den Has
rold aufdrangen, flüchteten viele, eined Hauptes ermangelnd
das fie zum Kriege vereinte, in die Wälder und Marfchen von
Ely und Dftanglien und fuchten in leidenfchaftlicher Werzweif-
lung Hülfe, Rath, Zröftung bei den folchen Begebenheiten
nicht gewachfenen, durch das heftige Andringen eingefchüchters
nchen '). Die Königin Ymme bemühte fich indeß kraͤf⸗
tiger mit Huͤlfe des mächtigen Earls von Weffer, Gobwine,
biefem Beſchluſſe entgegenzuwirken und verfuchte die Vormund⸗
[haft über Harthacnut ?) oder doch die Regentfhaft im Na
men der Söhne Äthelreds an fich zu reiffen. Doch Harold
ſandte ſogleich ſeine Soͤldner nach Wincheſter, um ſich in den
Beſitz des koͤniglichen Hortes zu ſetzen, deſſen die Koͤnigin ſich
angemaßt hatte. Dieſer ward Wincheſter zum Aufenthalte an⸗
gewieſen, in der Umgebung der dem Harthacnut anhaͤngenden
Husceorle. Dennoch erreichten die Weſtſachſen, daß ein Be⸗
ſchluß des Witenagemotes dem Koͤnig Harthacnut das ſuͤdlich
von der Themſe liegende Reich zuſprach. Äthelnoth, der ehr⸗
wuͤrdige Erzbiſchof von Canterbury, weigerte ſich Harold zu
kroͤnen, ſolange Äthelreds Kinder lebten). Aber für Hartha⸗
enut war umſonſt gearbeitet und die Wuͤnſche der Seinigen rie⸗
fen ihn vergeblich nad) England, da die Sorge für fein daͤni⸗
frequentem convictum transierant, Malmesb. II, 12. Die lithamen
find urfprünglid wohl nur bie tinglith auf den feften Thürmen Londons,
welche mit englifchen. Bormepmen ein londoner Patriciat fpäter gebildet
haben mögen.
1) Ingulphus.
2) Godwinus tutorem pupillorum se adserens. Malme sb. LI.
Als Pupillen konnten aber body, die Söhne Ymmes und Äthelreds nicht
gelten; es muß alfo diefer Ausdrud auf Harthacnut beſchraͤnkt wer
den. Doch Eönnte es aus einer falfchen üÜberfegung entftanden fein.
Chron. sax. nennt Gobwine: heoro healdest man, sc. der Älgifu und
ihrer Husceorle. . |
5) Encom. Emmae.
Die Zeit d.- Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 485
ſches Reich ihn damals unabweislich an dieſes feſſelte. Sven
und feine Mutter, jene. Alfgifu von Northampton, hatte ſich
Durch: ihre Tyrannei bei‘ den -Norwegern ſehr verhafit gemacht
und dieſe beriefen Magnus, den zehniaͤhrigen Sohn des Heil.
Olav, vom..Hofe des Königs Jareſlav, in das Reich feines
Vaters zuruͤck. Die Nachricht vom Tode Cnuts ermuthigte
die Norweger einen Angriff auf Dänemark, wohin Sven
zuruͤckgekehrt war, zu verfuchen,. und. ber Streit wurde, da auch
diefer mittlerweile geflorben war, von den mächtigen Lehnsleu⸗
ten: bes jugendlichen. Herrfcherd durch ein von Leichtgläubigen
damald oft unternommenes, doch felten in Erfüllung gegange- .
. ned Glüdöfpiel ‚eines Erbvertrages dahin. gefchlichtet, daß, wenn
einee von. Beiden ohne Söhne zu. hinterlaffen flürbe, deſſen
Krone auf den liberlebenden fallen ſolle). Während dieſer
Begebenheiten und Verhandlungen muffte e8 für Harthacnut
rathſamer erfcheinen, die. dänische Krone auch durch feine Ges
genwart in Dänemark fi zu fichern, ald den zweibeutigen
Auffoderungen feiner herrfchfüchtigen Mutter und Godwines zu
folgen. . Kränklichkeit und bie nordifche Luft an den Bechern
feheinen ihn auch fchon damald an ber Fusführung ausgedehn⸗
ter Plane gehindert zu haben.
Das Ausbleiben Harthacnuts muſſte die Hoffnung der
Kronpraͤtendenten am Hofe von Rouen neu beleben und ihre
Freunde veranlaſſen einen Verſuch zur Herſtellung der angel⸗
ſaͤchfiſchen Dynaſtie zu wagen. Eadward hatte die Hoffnung
den Thron ſeines Vaters zu beſteigen nie ganz aufgegeben, und
in dieſer Beziehung weltliche und geiſtliche Verbindungen i in Flan⸗
bern und in den ſaͤchſiſchen Landen angeknuͤpft; wir ſfinden
ſelbſt Schenkungen von ihm für den Fall feiner Dereinfligen
Zhronbefteigung ausgeſtellt?). Ymme foderte jene ihre beiden
Söhne auf, daß einer von ihnen fich zu ihe nach Winchefter
begeben möge, um fich mit ihr über die Mittel, ihr vorenthalte-
nes Erbtheil wieder zu erhalten, zu berathen. Was auch Ym⸗
“mes Abficht bei diefem Schreiben gewefen fein mag, folite fo-
1) Theodoric. I. I. c. 21. 22.
2) Für das St. Peters: Kiofter zu Gent eine Urkunde v. 3. 1016
dafelbf
..;
686 . :: : Bieite Abtheilung.
gar daſſelbe nicht von ihrer. ſondern bes Verraͤthers Ha⸗
rolds Hand geſchrieben fein‘), fo erkennen wir ſtets in demſel⸗
ben, wie eine ben Äthelingen Eadward und Alfred ergebene
Partei fich bildete, welche bier Hoffnungen nährte, dort Be
ſorgniſſe erweckte, doch beide noch fern von der, Erfüllung.
Miötrauen oder Übereilung geftattete vielleicht dem Athelingen
nicht : den -in der Einladung ‚gegebenen Winken zu folgen; fie
fammelten viel wohlgeruͤſtetes normannifches Gefolge und fchiffs
ten fi) mit demfelben zu Barfleur ein, um den unter Herzog
Robert mißlungenen Verſuch zu erneuern.: , Der ditere Prinz
1036.
landete zu Southampton mit vierzig Schiffen. . Eadward felbft
eilte nach Winchefter, wo er feine Mutter fand, aber fich vom
Bolke Ealt aufgenommen ſah. Die ihn begleitenden, .den An:
gelſachſen ſtets verhafften Normannen, melche nad) Feindes-
brauch. zu plündern begannen, wurden von jenen angegriffen
und die Zahl der gegen dieſelben herbeiftrümenben Landbewoh⸗
ner wuchs fo flark, daß Eabward, ald er gleichzeitig Unfälle
feines Bruders vernahm, ed aufgab ein Reich, auf: welches er
ſelbſt in der Stille feiner Verbannung fchon oft Verzicht geleis
ſtet, durch die Hülfe fremder Pfeile und Schwerter wieder zu
gewinnen und in das Afyl bei feines Vetters Sohne zuruͤckkehrte?).
ttheling Älfred war unterbeffen nad) Brügge gegangen,
wo feine Nichte Eleonore, Richards II. von der Normandie
Zochter, und deren Gemahl Balduin, der Graf von Flandern,
vielleicht noch lebte und deſſen Sohn Balduin V. herrfchte ?),
in. welchem ſchon damald im. reichen Handelöverlehre aufbluͤ⸗
henden Lande eine durch jene VBerwandtfchaftsverhältniffe ange
regte feindliche Stellung gegen England fich bildete. Balduin
bot feinem Vetter Triegerifche Hülfe an, die Alfred aber nicht
zu bebürfen glaubte; diefer begnügte fich einige Ritter des Gra-
1) Wie unwahrfheinlich auch diefe Behauptung des Encomiaften der
Emma ift, fo findet fie boch eine Beftätigung in den Worten des Flo⸗
renz: Aelfredüim, cum versus Lundoniam ad regis Haroldi colloguium,
ut mandarat, properaret etc. |
2) Florent. ad a. 1036. Encom. Emmae. Roman de Rou II,
vs. 9770 sg. Guil. Pictav. apud Duchesne scrr. rer. normann,
‚p: 178, dem Guil. Gemet. 1. VII. c. 8. nachſchreibt.
8) Guil. Gemet. |. V. c. 13. Roman de Rou I. p. 852,
N
Die Beit d. Alteinhesifhnft d. Dänen in Engl. 487 J
fen Euſtaz von: Boulogne, ſeines Schwagers — er heirathete
in zweiter Che Alfreds Schweſter Goda, früher mit Walter,
Erafen von Mantes, vermählt ) — mit den Seinigen zu vers
einen. . Zu, Witfand eingefchifft. kandete er, nad einem vers
geblichen Verſuche, in einem von Harolds Truppen befehten
Hafen zu Dover und wurde. von den Kentern, welche. die Ges
finnungen ihres Erzbifchofed theilten, freudig aufgenommen.
Godwin empfing Alfred mit: gleifender Freundlichkeit und. erbor
fih ihn unter ficherm Geleite nach London. zum Könige Has
rold zu bringen. Doc kaum gaben Alfred und feine Schaar
auf diefe Berheiffungen fich forglofer Ruhe hin, als jener bei
Nacht ergriffen und gebunden, diefe zu Guilford in Surrey in
den Haͤuſern vereinzelt überfallen und 600 derſelben niederge⸗
mebelt, andre verftümmelt, geblendet oder als Selaven verkauft
wurden. AÄlfred wurde am folgenden Morgen zu Harold wei⸗
ter geſchleppt, welcher den Ätheling tiefer in. fein Reich hinein,
in bürftiger Kleidung, die Füße unter dem Sattel zufammen:
gebunden, bringen ließ. Im Kloſter zu Ely angelangt, warb
er auf Befehl des Königs vor ein aus rohen Kriegern gebil-
deted Gericht geftellt und. es wurden ihm bie Augen geblendet,
wobet aber, man darf wohl annehmen abfichtlich,, das Gehirn
verlegt und ein baldiger Eläglicher Tod herbeigeführt wurde.
Keim größer Unheil gefhah im Lande, ſeitdem die Dänen nad)
England kamen, fagt ber Elagendbe Dichter jener Zeit’), Has
rold und noch mehr Godwin, der fich feinem Oheim Eadric
Streone hier nur zu ähnlich zeigte, Tuben ſchweren Haß auf
ſich, und keine Berufung auf die vom Koͤnige erhaltenen Befehle
und andre Entſchuldigungen haben den Letztern je in den Au⸗
gen. der angelfächfifchen und normamiſchen Zeitgenoſſen oder
der Nachwelt entfühnen Fünnen. Keine Überzeugung von ber
Untauglichkeit des angelſaͤchſiſchen Königehaufes für den .Zhron,
nicht der gleißnerifche. Wunſch die Gefahren eines Burgerkrie⸗
1) Malmesb. I. II. c. 13. Ä
2) Chron. saxon. ad a. 1086. Histor. eliens.- a n. c. 82., deren
Worte ſich bei Florent., Simeon wiederfinden. Roman de Rou.
Guil. Pictav. Encom. Emmae. Henr. Huntend. fimmt mit
- Roman de Rou auffallend überein, fegt bie Vegebenheit aber irris einige
Jahre ſpaͤter.
—
488WVierte Abeheilung.: :
ges den Unterthanen zu erfparen, haben je politiiche Verbrechen
und Verlegungen ded Voͤlkerrechtes von dieſer frevelhaften
Größe vechtfertigen Tonnen, und ed darf eine Genugthuung
fuͤr die erfcheinen, welche. m die Ewigkeit der fo oft verlegten
fittlichen Principien unerfchütterlich- glauben, daß ebenfo nad
acht Jahrhunderten über den Zrevel des größten Zeldherm
burch .ein eimflimmiges Schuldig beider Hemifphären geurtheilt
if. Ymme felbft wurde nach diefen Vorfällen, welche Harolds
Sicherheit bedrohten, aus England, mitten im Winter, mit
großer, Härte vertrieben. Sie floh nach Brügge, wo- der jün-
gere Balduin und Athala, feine Gemahlin, des franzöfifchen
Königs Robert Tochter, fie gaftfreundlich beherbergten.
Harold erreichte jebt, daß Harthacnut aller Anfprüche auf
England .verluftig erflärt und er felbft ald alleiniger König bes
Reiches von dem Adel und bem ganzen Volke anerkannt
wurde ').. Wir vernehmen Feine wichtigen Nachrichten über
feine Regierung. Einige Klöfter fuchte er fich durch Gefchenke
geneigt zu machen, wie unter andern das Klofter Croyland few
nen Krönungdsmantel erhielt, und er hat die Nachrede der
Moͤnchschroniſten dadurch für. und gedämpft. Die Schäge
Enuts und Ymmes geftatteten ihm freigebig zu fein, ohne fein
Volk zu. drüden, wofür Ymmes Freunde die Ruchlofigkeit des
Königs, welcher flatt die Mefje zu hören dem edlen Waid⸗
werke oblag, bitter tabelten?). Daß die Walifer unter ihrem
tapfern Zürften Griffith, Llewellynd Sohn, glüdlich gegen bie
Engländer fochten und fehr bedeutende Männer der Legten im
Kampfe fielen, Eadwy, des mercifchen Grafen Leofric Brus
der u. A.), verräth eine Schwäche, der England laͤngſt ent:
wacfen ſchien. Während durch Vorfälle diefer Art die Stels
lung Harolds fich nicht befefligte, war ed Harthacnut und feis
nen Rathgebern gelungen das daͤniſche Reich gegen innere und
Auffere Feinde zu fichern. Der jugendliche Fürft konnte den
von Brügge ihm zulommenden Auffoderungen. jebt ohne Ge
fahr für feine Krone nachgeben und fuhr mit zehn Schiffen
nach Brügge. Er verweilte den Winter bier; doch kaum war
1) Floreat. ad a. 1038.
2) Encom. Emmae.
8) Sax. chron. ad a. 1039.
Die Zeit d. Alleinherrſchaft b: Dänen in Engl. 489
die Jahredzeit günftig um fi) wieder zur See zu begeben,
als die. Nachricht erfcholl, daß König Harold am 17. Maͤrz 1039.
zu Orford plhelich verſtorben fi).
6 artha« n ut. |
In England war beinahe nur Eine Stimme über. bie-neue
Rönigswahl. Nur die Perfon Harthacnuts konnte die vers
ſchiednen Anfichten der entgegengefesten Nationen, Sachſen und
Dänen, vereinigen. Die Weſtſachſen hatten fich fchon vor vier
Jahren für ihn erklärt, den Dänen war: er der Nächfiberechs-
tigte. Noch einmal folten für kurze Friſt auf Einem Haupte
zwei nordifche Kronen’ vereinigt werben, welche hernach für im»
mer getrennt in parallelen Bahnen, doch in verfchiebenartigftem
Geſchicke, nur in auffallend feltenen Ausnahmen durch ähnliche:
Intereſſen verbündet oder entzweiet find. Harthacnut - hatte
größere Erwartungen erwedt, wie fihon der ihm gegebne Bei:
name bezeugt, als es erfüllte. ine Gefandtfchaft von Geift:
lichen und Laien, unter jenen wird und der: Bifchof von Lon⸗
don, Alfward, genannt ?), war von dem Witenagemote nach
Brügge gefandt um: Harthacnut, nebft feiner Mutter Alfgifu,
einzuladen nad England zu kommen, damit er. ben bortigen
Zhron des mächtigen alten Enutd ?) beſteige. Der junge Fürft
folgte der verfrauensvollen Einladung und fuhr mit 60 Schif:
fen, welche er im Swens Hafen. (het Zwin) bereits zum _
Kriege gegen Harold gefammelt hatte‘), zur Themſe, wo jus
beinder Empfang, fodann der Pomp der Krönungöfeier feiner
barıten. Ad Ymme jegt die Wuͤnſche erfuͤllt fah welche fie
ſchon vor der Geburt ihres Sohnes für ihn gehegt hatte,
wandten fich ihre Gedanken alle (und fie waren eö welche den.
König vorzüglich beherrſchten) auf Rache an denen, welche
feine Ihronbefteigung in ‚England bisher verhindert und ihre
Berbannung veranlafft hatten. Eadulf, der Jarl von Norts
humberland, ein Verwandter Harthacnuts und von biefem mit
1) Florent. ad a. 1039, 1040. Encom, Emmae.
) Hist. Ramsey. c. 9. | Bu
8) Den store, rike, ‚gamle Knut, die gewöhnlichen Beinamen
deſſelben.
4) Adam. Bremens. II, 54.
490 J Bierte, Abtheiluns.
geheuchelter Freundſchaft aufgenommen, wurde auf fein Scheiß
von Siward ermordet und. diefem- feine. große Grafſchaft er:
theilt *). Alfric, der Erzbifchof von Vork, Godwine, Styr der
Haudmeier, Eadric der Ausgeber, Thrond der Schlachter de
Eöniglichen Haufes, die. verfchiedenartigften, doch alle einfluß⸗
reiche Männer, wurden in eine Unterfuchung ‚wegen der Er
mordung Alfreds und der damit zufammenhängenden Vorfälle
gezogen. Der Leichnam feiries Vorgängers warb ber geweih⸗
ten Erde wieber enteifien und in eine Grube, hernach in die
Themſe geworfen... Die dänischen Einwohner zu Londen wa
ren uͤber diefed Verfahren empört, und ba es einem Fifcher ge
lang die gemißhanbelte Leiche wiederzufinden, fo wurbe fie vom
jenen’ auf dem dem heil. Clemens gewibmeten Kirchhofe der
Dänen. ehrenvoll beigefett.. Die gegenfeitigen Vorwürfe über
die Ermordung Alfreds, mit welchen der Erzbifchof Alfric (wel:
. cher. den Living, den Bifchof von Worcefter, dieſes Verbrechens
ſiegreich befchuldigte und: dadurch ſich vieles Bisthum für einige
Zeit verfchaffte) und Godwine fich überhauften, endeten jedoch
nah wmancen Miöhelligkeiten zulegt durch eine Verſoͤhnung
Beider mit dem Könige; von Seiten Godwines durch Hülfe
eines Eoftbaren demfelben gemachten Gefchenfes, eines Schiffes mit .
vergoldetem Kiele nebfl achtzig Kriegern, welche fchwere golbne
Armbänder, vergoldete Helme, Schilder und. Schwerter, Streit:
ärte mit Gold und Silber eingelegt und eine Lanze, Atagar
genannt, trugen 9; ein Luxus deſſen Anwendung und zeigt,
wie fehr die wandelnden Häufer des Meeres und das Geräth
des Krieged dem Dänen theurer waren als der ſtaͤdtiſche Palaſt
und die Kuͤnſte des Friedens.
Eine der erſten Sorgen Hatthaenuts muſſte jetzt ſein, die
Mannfchaft der Flotte, welche ihn geleitet hatte, würdig zu be
lohnen. . Die Engländer, welche von den harten Danegeldem
1) Chron. saxon. ad a, 1041. Simeon p. 204. über Siwards
Abftammung vgl. auch den fabelhaften Autor de comitibus Huntendon.
et Northampton. bei Langebek III, 287 sq.
2) Diefe Befchreibung des glaubwürbigen Florenz mag bazu bie:
ten, die Befchreibungen des encom. Emmae, bed Snorro und an:
derer norbifcher und normannifcher Schriftftellee von ber Pracht man:
‚her Schiffe und des Seewelens jener Zeit im Allgemeinen zu beglaubigen.
Die Zeit d. Alteinherefhaft d. Dänen in Engl. 491
unter dem ‘alten Cnut längft entbunden waren, da. Diefer nım
416 Schiffe aus benfelben erhielt, fühlten fich verlegt, als. ih⸗
nen im tiefen Frieden dieſe fehr druͤckende Kriegsſteuer mit
32,000 Pfund ‚Silber abgefodert wurde. in jeder Ruberer
‚ erhielt 8'), der Steuermann 12 Marken Silberd; Summen,
welche gleichfalls zeigen, wie ſich unter jenen norbifchen See⸗
leuten .ein vornehmes Ritterthum gebildet hatte, welches auch)
an Aufferm Glanze dem des feſten Landes nicht nachfland.: In
entfernten Theilen des Reiches fehlte es nicht an Leuten,
. welche fi dem Beginn eines: folchen goldnen Zeitalters mit
Gewalt widerfegten. An manchen Orten mag gefchehen fein,
"was wir. von Worcefler durch den dort weilenden Chroniften
wifjen. ‚Einige Fönigliche Beamte. wurden von dem erzuͤrnten
Volke daſelbſt erfchlagen. Der Vorgang wurbe fpät, aber
firenge beſtraft. Sechs Monate nad) der Unthat erfchienen bie
Ealdormanen Leofric, Godwine, Siward, der neue Jarl von
Northumberland, Thor, Jarl der Mittelangeln ?), und Roni?),
der Mogefäten Ealdorman, mit den Husceorlen und einem gros
Ben Heere in der. flroffälligen Provinz, verwuͤſteten fie und. verz
brannten die. Stadt. Die Einwohner verbankten ihre Leben
größtentheild nur der Flucht, einige ihrer durch. eirie guͤnſtige
Stellung auf einer Infel des Savemfluffes begünftigten Ta⸗
pferkeit. Die bitterften Beſchwerden über den Übermuth der
Dänen find bis auf unfere Zeit gebrungen. Wenn Hundert Ans
gelfachfen einem einzigen Dänen begegneten, fo mufiten fie flille
fiehn und. denſelben demüthig begrüßen; fahen ſie ihn über
eine Brüde kommen, fo muflten fie vor derfelben. halten, wenn
fie nicht den fchimpflichften Mishandlungen preiögegeben wer:
den wollten. In jedem angelfähfifhen Haufe Iagerte ein
Däne, welcher als Gebieter beffelben fchaltete und Frau und
1) Florent. Nah Malmesb. 20 oder 30.
2) Mediterraneorum comes nennt ihn Slorenz.. Er ift derfelbe
welder in einer Urkunde Harthacnut® Turr comes de Huntindon gt: |
nannt wird. Histor. Ramsey. c. 9.
5) Da Florenz und Simeon ben Namen Roni geben, fo fcheint
es mir zu Eühn diefen in Rou oder Raou yerändern zu wollen und gar
Rom, den Magefäten, für Radulf von Hereford zu erklären, von dem
gleich die Rede fein wird.
| ehrte ’).
9... Vierte Abtheilung.
Toͤchter des. Haudhern als Dienerinnen feiner - kiſte ent⸗
Neben der Befriedigung der dänifcpen Krieger vergaßen
Ymme und ihr Sohn die Klöfter nicht. Seelenmeffen für den
verftordnen Enut wurden geftiftet ?) und trugen während feiner
furzen-Regierung noch dazu bei, den fehr bedeutend geworbnen
Landbefig der Geifllichkeit zu vermehren. Bedeutſamer war
der Entſchluß, den Atheling Eadward aus der Normandie
herüuͤberzurufen und ihn mit der feinen Verhaͤltniſſen gebühren:
104.
den Auszeichnung am angelfächfichen Hofe aufzunehmen. Sein
Charakter. durfte Peine Beſorgniß erregen, daß er feinem Halb:
bruder auf dem Throne gefährlich werden koͤnne ). Mit: Eab:
ward Fam, aufier ‚einigen normannifehen Seiftlichen, auch Ead⸗
wards Neffe Radulf, ein Sohn. der Gytha, der Tochter AÄthel⸗
reds und ihres erften Gemahles Walter von Mantes *).
Harthacnut hatte früher nicht ohne Grund gezögert Di
nernark zu verlaffen, welches von feinen erbitterten Feinden, den
: Norwegen, ſtets bedroht war. Seine Abwefenheit wurde von -
Diefen bald zu einem neuen Kriege gegen jenes Rand benuft.
Der König war jest nicht geneigt fein neues Reich zu verlaf:
fen, in welchem er fich in einer bisher unbekannten Schwelge⸗
rei wohlbehagte*), und er übertrug den Befehl der gegen Ma
gnus von Norwegen gefandten Flotte dem Svend⸗Eſtrithſon.
Dieſer, fein Vetter, Sohn des Schwagerds König Cnuts, de
N
von dieſem erfchlagnen Ulf, war nach feines Vaters Tode
nach Schweden geflüchtet und hatte unter dem dortigen Kb
nige Sacob eine zwölfiährige Kriegsſchule gemacht. Als fein
Vetter. den englifchen Thron beftieg, reiſte er, der fehr nahe
Nechte auf die Thronfolge in Dänemark hatte, zu dieſem, wo⸗
1) Gaimar vs. 4764. Bromton 934. Knighton 2325.
2) Histor. Ramsey. c. 96.
“— HZNoH Lingard folgt der Erzählung bes Malmesb. (au
histor. Ramsey. c. 102. u. %.), daß Harthacnut damals feine Schwefter
Gunhilde an Kaifer Heinrich vermählt habe. Dieſer war, wie oben er:
wähnt, ſchon verftorben, als Darthacnut nad) England zurückkehrte.
4) Histor. Ramsey. c. 116. |
5) Henr. Huntend.
Die Zeit d. Alleinhertſchaft d. Daͤnen in Engl. 493
bei es ihm begegnete, als er, durch Sturm an das Land Ha⸗
deln getrieben, ſich ſeeraͤuberiſcher Gewohnheit nicht enthalten
konnte, von den zu Ritzebuͤttel oder andern nahgelegnen Schloͤſ⸗
fern weilenden Rittern des Erzbiſchofs zu Bremen gefangen zu ˖
wexrden. Dem Erzbiſchofe Bezelin Alebrand fehlte die Klug:
heit nicht, die Gewaltthaͤtigkeit des erkannten Thronerben als
Übereilung oder Schwank zu behandeln. Er nahm feinen
vornehmen Gefangnen nach Bremen und fuchte durch ehren:
volle Bewirthung und koͤnigliche Saftgefchente das Verſehen
feiner tapfern, aber Turzfichtigen Ritter zum Beften zu wenden.
In England angelangt, folgte Svend der Auffoderung des Koͤ⸗
nigs, zu beren Erreichung fein eignes Intereſſe ihn dringend
antrieb. Doc von den Norwegern auf das Haupt gefchlas
gen, floh er nach England‘). ALS er hier landete, war Hars
thacnut bereitö nicht mehr. Bei der Hochzeit, welche der koͤ⸗
nigliche Stalbruder, Marjchall Osgod Clapa, feiner Zochter
Gytha bei ihrer Vermählung mit dem reichen Dänen Towi,
genannt Prut oder der Stolze, zu Lambeth veranftaltet hatte,
war auch.der König gefund und heiter erfchienen. Bei dem
frohen Gelage zur Verlobten ſich wendend, ihr Heil zutrinkend,
ſank er, mitten unter den Zügen aus dem Pocale, vom Schlag 1042
fluffe getroffen zur Erde nieder und farb bald darauf. 8. Suni.
1) Adam. Bremens. II, 55 — 57, Theodoric. c. 24.
/
Fünfte Abtheilung.
ie und Untergang der angelſaͤchſiſchen
| Dynaſtie.
N
Eadward der Bekenner.
Das Harthaenutd ımermarteten Tod, ber kinderlos, von
näheren Verwandten nicht umgeben und in den legten Tagen
ſprachlos verfchied,. waren die Angelfachfen ihrem alten Herr
fcherhaufe zurüdigegeben, welches noch in den Nachkommen
Eadmunds Eifenfeite in Ungarn fowie in beffen Bruder Ead-
ward fortiebte. Auf biefen waren fogleich Aller Gedanken ge
richtet, und noch ehe Harthacnuts Leiche in der Königsgruft
des alten Miünfterd zu Winchefter beigefeßt werden konnte, war
Eadward ald König der Engländer zu London feierlich ver:
kuͤndet. Eadward hatte in früheren Jahren die Krone oft be
gehrt und felbft mit Waffengewalt erſtreben wollen, Doch ſich
an ben Gedanken längft gewöhnt auf diefelbe zu verzichten;
die Elöfterlichen Befchäftigungen mander Jahre hatten feine
Neigungen befangen und die Energie ertödtet, welche die
ſchwierige Stelle des Herrfcherö in einem Lande, das wieder:
holt und noch vor wenigen. Sahren' ihn zurüdgewiefen hatte,
erfoderte, und fein Aufenthalt am englifchzdänifchen Hofe hatte
ihm die Stärke der entgegengefeßten innern Parteien, die Ge
fahr, welche vom Norden ber drohte, die Unzuverläffigkeit und
Schwäche feiner Freunde kennen gelehrt. So fehr war er fih
bewufit, daß andere Kräfte als die feinigen erfoderlich wären
alle jene Gegner und nicht minder gefährlichen Freunde zu len:
ten und zu beherrfchen, daß er die verhängnißvolle Gabe ab:
Ruͤckkehr und Untergang der angelf.. Dynaftie. 495
zulehnen ‚geneigt war und verzagt dem mächtigen Gobwine zu
Fuͤßen ſtuͤrzte, ihn um Huͤlfe zur Ruͤckkehr in die Stille eines
normanniſchen Kloſters anzuflehn '). Nur die kraͤftigſte Uberre⸗
dungsgabe Godwines und des Living, dem Älfric das Bid
thum Worceſter wiedergeben muſſte, hatten ihn zur Annahme
vermocht?). Der ſchlaue Earl erkannte leicht, daß er ſelbſt
für jetzt Feine Ausficht hätte ‚die Übrigen: Thronbewerber : zır
verdrängen, daß. Eabwarb aber, flarf in der durch fo. viele
Leiden geftählten Liebe feines. Volks, ſowie durch die Verbin
dungen des Föniglichen Haufes ‚mit vielen Fürften des. Feſtlan⸗
des, ſchwach durch Charakter und Erziehung, Mangel an Eries
- gerifhen Gaben und. feine frühe Entfrembung tom vaterländi-
fchen Boden; in den Händen des geſchickten Lenkers, gleich
feinem Vater Äthelred, das gefügigfle Herrſcherwerkzeug wer:
den muͤſſe. Daß er felbft und feine kraftvollen Söhne bie
Zügel der Regierung ergreifen und fich erhalten würden, bavan
durfte Gobwine wenig zweifeln; doch unterließ er Nicht fich
den Erfolg feiner Plane. zu ſichern. Seine Söhne erhielten
vergrößerte ober neue Provinzen und. Würden. Godwines eigs
ned Earlthum .umfafite auffee Suffer, wo fein Vater den
Ehrentitel eined Cyld geführt hatte, Kent und den größten
füdlichen Theil von Weller. Von feinen Söhnen befaß Ha⸗
rold Oflanglien und Efjer’), Swegen (Saen) erhielt das
nördliche Weffer*), weiche Provinzen nebeneinander gelegen -
die reichfle und größte Hälfte England& bildeten. Won den
jüngern, Zoflig, . Gurth, Leofwine und Wulfnoth, werden
y Daß Eabward damals in der Normandie war, ſagt Wilhelm
von Poitiers, ber jedoch als Normanne den Einfluß des jungen Her⸗
zogs Wilhelm zu hoch anſchlaͤgt. Lingard behauptet, daß jener da⸗
mals in England war, und will dieſes aus dem encom. Emmae, welches
vor Harthacntts Tode gefchrieben war, und aus den Nichts entfcheiden-
den Worten bes Wilhelm von Sumteges (I. VII. c. 9.) bewei⸗
fen. Er überficht dagegen bie einzige Stelle, welche für feine Meinung
fpriht, bei Malmesb. orantem in Normanniam reditus auxilium.
2) Florent. ad a. 1042. Malmesb.
8) Harold erfcheint ſchon unter Harthacnut als dux. Urkunde in
Smiths Ausgabe des Beda p. 780.
4) Florent. ad a, 1051.
6 ..Zünfte Abtheilung. '
“wir: fodter vernehmen. Doc nicht minber: ald durch feine
Söhne wollte Godwine auch durch feme Tochter Eadgythe
bersfchen, welche der König zu feiner Gemahlin. zu erheben
verfprah. Eadgythe befaß nicht gewöhnliche Geiftesgaben,
“wahre Zrömmigfeit und viel Liebreiz, welche ihr, der Schwe
. fler der Godwinsſoͤhne, das Lob der Rofe unter den Dornen,
und ſogar ihr, der Tinderlofen Königin, die Huldigung und
dankbare Erinnerung ihrer Völker erworben haben. ‚Doch ge
wann fie nie ihres Gemahls Zutrauen und Liebe, welcher ents
weder aus Abneigung gegen ihre Angehörigen, ober wahrfchein-
licher in Beobachtung alter flrenger Gelübde, in moͤnchiſcher
Enthaltſamkeit von feiner Gemahlin fich abfchied ).
Für dieſe feinen Abfichten ſo fehr günftigen Verhaͤltniſſe
hatte Godwine die übrigen Kronprätendenten aufgeopfert. Un⸗
ter diefen war zunaͤchſt feines eignen Schwagerd Ulf mit
Enuts Schwefter und König Svens Tochter erzeugter Sohn,
Spend Eſtrithſon, Harthacnuts naͤchſter Anverwandter. Svend
landete in England in dem unguͤnſtigen Zeitpuncte nach der
obengedachten, gegen Koͤnig Magnus verlornen Seeſchlacht
und fand keine Unterſtuͤtzung, um damals ſeine Anſpruͤche in
England auszufuͤhren; doch Eadward erkannte und fuͤrchtete
den kraͤftigen Mann. Er verſprach ihm, — ſo hat wenigſtens
Svend Eſtrithſon, der nachherige Koͤnig von Daͤnemark, ſeinen
Freunden. oft erzählt”) — ſogar wenn er ſelbſt Söhne hinter:
laffen folte, ihn für den Erben ber englifhen Krone zu er
Haren; und Spend, durch diefe Zuficherung, welche ohne Be
flätigung der Wittigften ſehr locker war, befchwichtigt, verließ
England, um neuer Kämpfe Spiel mit König Magnus zu wa
gen. Auch dieſer König machte Anfprüche auf Englands
Krone, wie auf Dänemarks, welche auf dem mit Harthacnut
einft vollzogenen, gegenfeitigen Erbvertrage berubten, welcher,
abgefehn von der flantörechtlichen Ungültigkeit eines folchen
Vertrags, den Angelfachfen um fo anmaßlicher erfcheinen
i) Malmesb. Das vollſte Lob der Königin findet fih bei In:
gulph, welcher ſchon ald Knabe fie Fannte und banfbar verehrte.
2) Adam, Bremens, |. II. c. 57. 1, IIL'e. 12.
Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie.
muſſte, ba Harthacnut zur Zeit der Abſchlieſſung deſſelben KON
England noch nicht Beſitz ergriffen Hatte ).
‚ Dergleichen. Verhandlungen, erfi um einen König zu finden,
fodann die unbegehrten Bewerber zuruͤckzumeiſen, verzögerten
die Krönung, welche‘ durch den hinzugetretenen, ſolchen Zeften
unzuträglichen Winter bis zum nächftfolgenden Ofterfefte aus⸗
gefegt blieb. Sie wurde in dem Münfter der alten weſtſaͤch⸗
ſiſchen Hauptſtadt Wincheſter, mit dem den Angelſachſen eigen⸗
thuͤmlichen aͤuſſern und, Redepompe, durch den, Erzbiſchof Eadſoy
in beinahe aller Biſchoͤfe Gegenwart vollzogen. |
Der erſte Gegner, . mit welchem. ‚König Eadward zu
kampfen gezwungen wurde, war ſeine eigene Mutter. Dieſe
hatte oft bewieſen, wie wenig fie die Kinder aus ihrer erſten
Ehe liebte, fo fehr, daß ihr die freilich unerwiefene Nachrede
folgte, daß ihres Sohnes Alfreds Ermordung ihr: nicht fremb
gewefen ſei. Eadwards Zhronbefteigung hatte fie nur deshalb
nicht gehindert, weil fie auf feine Schwäche und Rachgiebig:
Leit vechnete. Der Priefler Stigand, ihr. Freund und Rath⸗
geber, welchen jener kuͤrzlich zum Biſchofe von Oſtanglien
ernannt hatte, beſtaͤrkte fie in ihren eigennittzigen Planen, zu
denen die Zuruͤckhaltung der großen koͤniglichen Schaͤtze zu
Wincheſter gehörte. Eadward Eonnte die Rechtmäßigkeit diefes
Beſitzes um fo weniger anerkennen, da Ymmes Anfprüche ſich
1043.
auf die Schentungen Cnuts, den er nur ald den Räuber dr
ohne Zweifel großentheild altväterlihen Schaͤtze betrachten
konnte, ſich flügten. Die drei, angefehnften Männer des Reichs,
Godwine, Leofric und Siward, wurden vom Könige beauf⸗
tragt von Gloceſter heimlich nach Winchefter zu. reiten, um der
überrafchten Königin Mutter die beftrittenen Gegenflände,
Gold, Silber, Geſchmeide mit Gewalt zu entreiffen: Doch
wurde ihre alles Nothwendige gelaffen, fowie der fernere
Aufenthalt in Winchefter geftattet. Auch Stigand muſſte für
feine Rathichläge büßen, fein Bisthum und Alles was er
vom Könige als Lehn erhalten hatte, wurde ihm genom⸗
1) Man ſehe, wenn es beliebt, den Streit ritterlich ebler Gefin⸗
nung beider Koͤnige in dem angeblichen Schrelben bei Snorro Al
Magnusi Goda c. 38 u. 89.
Lappenberg’s Gefhichte Englands I. 32
498 Fünfte Abtheilung.
‚men '), doch ſchon im folgenden Sabre adielt er ſein Bis⸗
thum wieder.
Mit dieſen Hofintriguen haͤngt wahrſcheinlich auch die
Verbannung der. edlen Frau Gunhilde, einer Schweſtertochter
Koͤnig Cnuts, ſowie ihrer Soͤhne Hemming und Thurkill zu⸗
ſammen. Sie war fruͤher dem Jarl Haquin, ſodann dem
Jarl Harold, Thurkills Sohn, vermaͤhlt, welcher auf - ber
Ruͤckkehr von Rom auf der Elbe vom Herzoge Drbulf von
Sachfen, der einen Gegner feines Schwiegervaterd, des Ki:
nigs Magnus von Norwegen, in feinen Kämpfen für das di
”
nifche Reich aus dem Wege rdumen wollte, erfchlagen war?).
Gunhilde ging nach Brügge, fpäter, nah Magnus Tode
(+ 1047), nach Dänemark und hinterließ durch ihre Schen⸗
Zungen an bie Klöfter jener Stadt ein ruhmvolles Andenken,
welches die fpätere Zeit auf Enutd Tochter, die Kailerin Gun
bilde, übertragen hat’). Auch der Fremd Harthacnuts, der
Stallere uud Shiregereve von Middlefer, Osgod Clapa, wurde
verbannt *), und Ähnliches gefchah gleichfalls Allen, welche fih
der Königswahl Eabmards. anfänglich entgegengefeßt hatten’).
Doc auch gegen auswärtige Feinde hatte Eadward ſich
zu ruͤſten. König Magnus focht glüdlich gegen Svend von
Daͤnemark, und es war zu beforgen, daß jener ſich auch gegen
England wenden würde. Mit 35 Schiffen‘) erwartete Ead⸗
1) Chron. saxon. ed. Ingram ad a. 1043. Florent. Da
- Ymmes Heirathögut, ihre Heerden und Getreide geraubt wurden, ift
eine von Lingard, im Widerfpruh mit allen zuverläffigen Quellen,
gegebene Nachricht. Die Sage von dem von Ymme beftandnen Gottes⸗
urtheil hat Thon Carte I, 348 widerlegt. Es muß bier auch vor
Ingrams Ausgabe ber angelfähfifchen Chronik gewarnt werden, welche
bei diefen und den folgenden Jahren verſchiedne Darftellungen als vers
ſchiedne Begebenheiten an einander reiht.
2) Adam. II, 58. Der Mord geſchah am 18. November 1042;
dgl. Wedekinds Noten Th. IL
3) ©. oben &. 482. Florent. ad a. 1045. Chron. aaxon.
ad a. 1044. |
4) Florent. ad a. 1046, Urkunde bei Hickes grammat, Anglo-
sax. p. 158.
5) Malmesb.
6) Classis praevalida. Florent. ad a. 1085. über bie Zahl 85
f. oben.
J
Ruͤckkehr und Untergang der angel. Dynaftie. 499
}
ward zu Sandwich die Nachricht von feiner Ankunft. Doch
wurde jener durch Svends neufräftigen Wiberfland in ber Ofts
fee zurüdigehalten. Svend befandte König Eadward um Hülfe.
Richtiger erfcheint Godwines Rath ihm funfzig Schiffe zu
ſchicken, um den beiden Reichen drohenden Magnus zu vernich⸗
ten‘). Doc Leofricd Anfiht drang im Witenagemote durch,
jene Hülfe nicht zu bewilligen; unter dem wenig bewährten
Führer konnte eine fchmerzlich zu entbehrende Flotte vernichtet
und fodann der Widerfland gegen einen Angriff des Magnus
auf England zu fehr erfchwert werden; dagegen Svends Glüd -
den Engländern nicht minder gefährlich zu werden drohte. Da,
die gehoffte Unterflügung auöblieb, fo war die neue Niederlage
Spende entfcheidend und Magnus im ungeftörten Befige beider
Reiche, Norwegen und Dänemart. Godwines Rath wurde
bald als der richtige erkannt. Fuͤnfundzwanzig normegifche
Schiffe, unter Anführung des Lothen und Erling, erfchienen,
gleich nach Beendigung des Krieges, vor Sandwich, pluͤnder⸗
ten die reihe Hafenflabt und verheerten, nachdem fie von der
Inſel Thanet durch das tapfere Landvolk zurüdgefchlagen was
ren, die Provinz Efier. Die Norweger wanbten fi von bier
nach Flandern, wo eine vielleicht durch Ymme. genährte feind⸗
felige Stimmung gegen König Eadwarb an bed Grafen Bal⸗
duin Hofe herrfchte, um dafelbft ihre Loftbare Beute in Sitz _
cherheit zu bringen und fie in dem bald ganz zu erobernden
England zu benugen, während fie felbft zu dem neu enthüllten
Banner ihres Königs zogen”). Spend hatte fi) zu dem Koͤ⸗
nige Jacob von Schweden gewandt und, die befchwornen
Zriedensgelübde brechend, mit deffen Hülfe Dänemark wieder
um angegriffen. Der plögliche Tod des Königs Magnus
machte Spend Eftrithfon zum König von Dänemark und den
Oheim ded Magnus, Harold, genannt Hardrada, der Strenge,
zum alleinigen Herrn Norwegens; fowie England von der Bes
forgniß erneuerter normwegifcher Angriffe glücklich befreiet wurde.
1) Chron. saxon. Florent. ad a; 1047.
2) Chron, saxon. ad a. 1047. Henr. Huntend. nennt fie prio-
cipes Danorum; boch ergibt der Zufammenhang ber Begebenheiten, was
auch. die Ramen fchon wahrſcheinlich machen, daß darunter Rorweger
zu verſtehen find.
32 *
\
500 . Sünfte Abtheilung. 2
Harold fowie Spend ſchickten Gefandte an Eadward um Frie:
dend= und Freundſchafts⸗Buͤndniſſe abzufchlieffen, welche beide,
ohne einen jener fich oft feindlich gegenüberfichenden Könige
durch Hülfeleiftungen offenkundig zu begünftigen, willig ange
nommen wurden. Svend fol jedoch eine jährliche Zahlung
an Geld, vielleicht einen Theil des Danegeldes, von Eadward
erhalten haben, nachdem er mit einem Heereszuge gegen Eng:
land gedroht hatte ). |
Das Misverhältniß mit dem Grafen Balduin. von $lan:
dern trat jest immer mehr hervor. Brügge war der Sammel:
plag der angelfächfifchen Verbannten, und Ruͤſtungen gegen ihr
Vaterland wurden von denfelben bort offen betrieben. Hieher
war Osgod Clapa gegangen und bemannte feine Kiele auf
bem in der deutfchen Heldenfage gefeierten Sande von Wulpe?).
Hier erichten auch Earl Sweyn, Godwines Sohn. Diefer kam
aus Weftwales, wohin Griffin, der König von Nordwales,
ihn begleitet hatte, fiegreich und von Geifeln umgeben. In
der übermüthigen Freude des jugendlichen Sieger heimkeh—⸗
rend, erblickte er Eadgiven, die Äbtiffin von Leominfter (Here
ford), deren Anblid ihn hinriß rohem Gelüfte nachzugeben,
worauf er gefättigt fie zurücfandte ’). Ob er fie gleich ſpaͤter
zu ſeinem ehelichen Weibe machen wollte, ſo konnte ein ſolcher
Frevel nicht ungeahndet bleiben. Der misvergnuͤgte Earl ver:
ließ feine Graffchaft, welche der König dem Harold, Sweyns
Bruder, und Earl Beorn, einem Bruder König Spende, zus
theilte, mit einer nicht geringen Anzahl Schiffe und ging zw
erft zu feinem Vetter, König Svend, aber bald mit den Dänen
entzweit, zu ſeinen Landsleuten in Flandern. Vermuthlich
1) Adam. Bremens, III, 12. Die perföntiche Bekoäntichaft
diefes Schriftftellees mit König Send zwingt uns jedes feiner Worte
Über dieſe Angelegenheiten zu berüdfichtigen.
2) Die Lage von Ulpe oder Wulpe, einem Dorfe an der flanbris
Then Küfte, nordweſtlich von Sluys, in den Gebichten Gubrun und Lam:
precht erwähnt (f. Grimms Helbenfage), ift nacdhgewiefen von Mone
(Quellen und Forſchungen I, 13). Die Bebeutfamkeit diefer Gegend
für die Schifffahrt wird uns auch durch bie bortige aͤlteſte hamburger
Hanſe zu Oſtkerken bewaͤhrt.
9) Chron, saxon. ad a. 1046. Florent. ad a. 1047.
Ruͤckkehr und Untergang der ängelſ. Dynaſtie. 501
fochten dieſe ritterlichen Gaͤſte mit Balduins Faͤhnlein in dem
Kriege, in welchen dieſer mit dem Herzoge von Lothringen und
andern benachbarten Fuͤrſten gemeinſchaftlich gegen den Kaiſer
Heinrich III. verwickelt war, und durch die Zerſtoͤrung der
herrlichen kaiſerlichen Pfalz zu Nymwegen und andern Kriegs⸗
frevel den Unwillen deſſelben ſehr gereizt hatte. Der Kaiſer
entbot Koͤnig Svend von Daͤnemark mit einer Flotte dorthin,
welcher auch der Auffoderung gehorchte und dem Kaiſer das
Geluͤbde der Treue und Huld ablegte. Eadward wurde vom
Kaiſer angegangen, durch eine Flotte das Meer bewahren zu
laſſen, damit Graf Balduin nicht entfliehen moͤge, und kam
dieſem Wunſche unter den obwaltenden Verhältniffen bereit⸗
willig nach. Er ſelbſt verweilte mit einem betraͤchtlichen Schiffs⸗
heere zu Sandwich, bis der Kaiſer die Demuͤthigung Balduins
erreicht hatte ').
Sweyn war ber Irrfahrt der heimatlofen Seeraͤuber
mübe geworben?) unb wandte fich jest an feinen Vetter
Biden, welcher mit Godwine und einer Flotte von 42 Segeln
zu Perenfey lag, um durch feine Vermittlung feinen Frieden
mit dem Könige herzuftellen, zugleich aber auch von jenem
und Harold die Abtretung feiner kürzlich ihnen verliehenen
Befisungen zu erlangen. Zu Erſterem erklärte Biden fich be⸗
reitwillig, das Andere verweigerte er fowie Harold. Als nım
Bidm forglos, von wenigen Gefährten begleitet, nach Boshan
ritt, wo Sweyns Schiffe lagen, ließ diefer ihn ergreifen, bin
den und zu Schiffe nach Dartmouth führen, daſelbſt erfchlagen
und begraben’). Daß dieſer Frevelthat zunächft Privatrache
zum Grunde lag, ift wohl Baum zu bezweifeln, doc) wurde
fie durch die tief gemurzelte Abneigung der Angelfachfen gegen
‚ die Dänen beförbert, welche letztere auch bald fich darin Aufferte,
daß auch König Svends und Bidrnd Bruder Osbjoͤrn (Esbern)
mit allen ‚feinen Anhängern aus England verbannt und da⸗
1) Chron. saxon. ad a. 1049. Florent, Lambert, Schat-
naburg. ad a, 1046 sq.
2) Pirata factus, praedis mar virtutes maiorum polluit,
Malmesb.
9% Florent. ad a, 1049 und bie doppelte Erzaͤhlung aus” chron.
saxon. h.a. |
502 Sünfte Abtheilung.
durch der daͤniſche Einfluß in die eiche angelegenheiten völlig
vernichtet wurbe i). Jener Meuchelmord wurde Durch gerichts
| lichen Spruch beftraft und Sweyn geächtet, worauf er mit
zwei Schiffen nach Brügge ging und dort den Winter zus
brachte. Spraͤche nicht die ganze Geſchichte jener Zeit von
dem mächtigen Einfluffe des Hauſes Godwine in England, fo
fanden wie ſchon einen auffallenden Beleg für denfelben in ber
ſchon im naͤchſten Jahre, angeblich auf Aldreds, des Biſchofs
von Worceſter, Zürfprache erfolgten Zuruͤckberuſung beffelben
in fein Vaterland’).
Das Gehäffige jener That wurde in den Augen der Zelt
genoften fehr Durch bie erfreulichen Folgen derſelben geſchwaͤcht.
Dur die Entfemung aller mächtigen Dänen ward es bem
Könige möglich, das feit beinahe vierzig Jahren fo ſchwer ba
and, drüdende, vor allen andern Abgaben, ‚fo viel ihrer auch
waren, zu entrichtende Danegeld, welches fein Water Äthelred
begonnen hatte ben bänifchen Soͤldnern zu zahlen, gänzlich
‚ aufzuheben. Eine ſolche Maßregel konnte nur allmälig ausge
1049.
führt werben, und es gefchahen die letzten Schritte dazu im 9.
4049, als ber König neun jener Schiffe aus feinem Dienfle
entlieh und Die noch übrigen fünf mit ihren Lithsmannen mır
für die nachflen zwölf Monate in feinem Solde behielt. Im
folgenden Sommer blidte der Angelfachfe mit frobem Selbſt⸗
gefuͤhle auf feine Höfen, in welchen Feines bänifchen Krieges
ſchiffes Flagge mehr wehte, fowie auf die Thuͤrme Londons
welche Feine als folche privilegirte und befoldete Schaar daͤni⸗
ſcher Husceorle mehr bewachte.
Aber die kaum geheilte Wunde gerechter Nationaleiferſucht
wurde durch Koͤnig Eadward auf andere Weiſe und nicht
minder empfindlich und gefahrvoll erneuert. Eadward hatte
nicht nur die Juͤnglingsjahre, welche den Neigungen und Dem
GCharakter ihre fee Richtung zu geben pflegen, fondern auch
die folgenden, wo unzerſtoͤrbare Bande der Liebe und Gewohn⸗
beit ihn bis zum Tode fefleln, in einem durch Clima, Sitte,
1) Adam. Bremens. Ill, 14. Eo tempore separabant se
Angli a regno Danorum etc, -
2) Chron, saxon. ad a. 1050. Florent, ad a. 1049.
X
Ruͤckehr und Untergang dee angelſ. Dynaſtie. 503
ESbdrache von feinem Vaterlande nicht wenig. verfchiebenen
Lande sugebracht. Je höher die geiftigen Genüffe ihn erhoben,
welchen er in feiner friedlichen, mußevollen Stellung fich hin:
geben durfte (und eine hingebende erleuchtete Frömmigkeit
. war ed, welde ihm nach feinem Tode den Beinamen bes Be:
kenners verdiente), deſto verzeihlicher, ſowie ſtaͤrker muſſte ‚bei
ihm die Überzeugung ſich geſtalten, daß die Theilnehmer der
ihn beſeligenden Stimmungen auf ſein ganzes Zutrauen und
auf die Unterſtuͤtzung ber von dem Herrn ihm verliehenen
Macht ein Anrecht haͤtten. Als er nun die Heimat ſeiner Bil⸗
dung und ſeiner Freuden verließ, war ber treuherzige ˖ Gruß
des weſtfaͤchſiſchen Landmannes ſeinem Ohre fremd geworden
und ſprach nicht zu feinem Herzen; bie rohen Sitten der ar
glodänifhen Magnaten, von deren Verkehre ihm nicht länger
verſtattet war in dad ſtille Kloſtergewoͤlbe zu fliehn, wiberten
ihn an; der unabhängige Sinn ber. angelfächfifchen Geiftlichkeit,
welche durch Sprache und alte Traditionen von der römifchen
Kirche ſtets getrennt blieb, erfchien dem rechtgläubigen Katho⸗
liken nicht viel beſſer als tobfündliche Keberei. Vor Allem
bemühte fich daher Eadward normännifche Seiftliche in fein
Reich zu ziefn und daffelbe dadurch dem römifchen Stuhle
näher zu bringen. Bald nach feiner Thronbeſteigung wurbe das
durch des Freundes von Cnuts, Alfwards, Tod erledigte Bisthum
zu London einem Moͤnche von Jumieges, Robert dem Franken,
weicher früher den Beduͤrfniſſen des Verbannten oft huͤlfreich
entgegengefommen fein fol, ertheilt. Nach einigen Jahren
wurbe dieſer an Eadſys Stelle zum Erzbiſchofe von Canter⸗
bury und Primaten von ganz England erhoben. Andere fraͤn⸗
kiſche Geiſtliche wurden Capellane des Koͤnigs, welche hier wie
an ben meiſten Höfen als bie Pflanzſchule der kimftigen Bi
fehöfe betrachtet werben Eonnten. Einem derfelben, Wilhelm,
wurde auf Robertd Betrieb und des Papſtes Scheiß der Sit
zu London gegeben, obgleich berfelbe fchon an Sparhafoc, def:
fen reiche Abtei Abingdon (Berks) ein Verwandter des Könige,
Bifhof Rodulf, bereits erhalten hatte, von Eadward mit
Brief und Siegel ertheilt war und jener mit Gewalt vertries
ben werben muffte. Ein anderer Normann, Ulf, erhielt das
Bisthum Dorchefier, und fo fielen die. beften erledigten Pfruͤn⸗
504 Fuͤnfte Abtheilunsg.
den in die Hände von Ausländern, was. die englifche Geiſtlich⸗
keit bisher nicht hatte ertragen lernen. Ausländifche, heſonders
normannifche Klöfter und Kirchen wurden: vom Könige, de
Königin und den Großen des Reichs reich begabt ). Auffal
lend Fönnte das Misfallen erfcheinen, welches bie von Eadwarh
ernannten Biſchoͤfe der paͤpſtlichen Curie erregten; doch duͤrfen
wir, ſpaͤrlich wie die daruͤber und zugekommenen Nachtichten
find, dennoch wohl: annehmen, daß jenes ſich nicht wirklich
auf die. ernannten. Sefftlichen bezog, fondern, daß daſſelbe auf |
denfelben Snveftiturftreitigkeiten und paͤpſtlichen Anfprächen be
zuhte, welche in jenen Jahrhunderten ganz Europa erfuͤllten.
Eadward felbft hatte feine Verehrung für. Rom auch Durch eime |
‚ Pilgerfchaft nad der Wohnung ded Statthalterd Gottes an
den Zag legen wollen;. doch verfannte er bie Regentenpflichten
und den Rath der Seinigen nicht, welche langroierige Entfer
‚nung von feinem Reiche nicht geflatten wollten. Er fanbte
Abgeoronete, Hermann, feinen ehemaligen Gapellan, zum Bi
fhofe von Sherborn befördert, und Aldred, den Biſchof von
Worceſter, nach Rom zu dem nach. dem Ofterfefte gehaltenen
Goncilium, welche vom .Papfte Leo IX. ihm die nachgefuchte
Loͤſung von feinem Gelübbe brachten, unter der auferlegten
Bedingung dem heil. Petrus und Paulus ein Münfter zu er
bauen. Dem frommen Manne war. ed Fein zu großes Opfer
ein Zehntel feiner Einkünfte für diefen Zweck jährlich zu ver
wenden; das flattlichfte Gebäu erhob fich auf der weftlich von
London belegenen Infel Thorrey, an der Stelle der früher von
Seberet, Könige von Eifer, errichteten, laͤngſt verfallenen
Kirche. Eadward hatte in feinem legten Lebensjahre bie
Freude diefe Kirche : geweiht zu fehn 2). Und diefes Weſt⸗
münfter war das letzte Vermächtniß der. angelfächfifchen Herr:
ſcher an die Nachwelt, welches in feinen bald erfolgten Erwei⸗
terungen ber Abtei und der Hallen: Die Wahlflätte und de
Tempel der guten Geſetze Eadwards des Bekenners, angelſaͤch⸗
ſiſcher Verfaſſung u und deuiſcher Beige geworben it; Mauern,
u DEIllisa. a. 2. h, ‚324.
2) Chron. sax, ad a. 1049 et 1066. Albericus ad a. 1098,
Ailredus de vita Eadwardi confess. apud Twysden p. 879 sg.
"Rüdtehe and Untergang ber. angelf. Dynaſtie. 505
“welchen, wie vielleicht keinen ſpaͤtern ober felihern, da in ihnen
die zarteſten Elemente der buͤrgerlichen Geſellſchaft erhalten
und entwickelt wurden und ſie von den inhaltſchwerſten Ent⸗
ſcheidungen fuͤr alle Welttheile wiederhallten, ewig unvergeſſ⸗
liche Weihe geworden iſt. D
Eine fernere Huldigung Eadwards fir den paͤpſtlichen
Stuhl lag unſtreitig in der Abſendung von geiſtlichen Abgeord⸗
neten zu dem von Papſte Leo zu St. Remy gehaltenen Con⸗
cilium '), welche. die unabhängige angelſaͤchſiſche Kirche nicht
ohne Mistraisen. befrächtete.‘ Selbft: auf’ weltliche: Geſchaͤfte
und Verhaͤltniſſe begann. die Vorliebe Eadwards für die Ans
ſichten und Sitten‘ des Fatholifchen Feſtlandes ihren Einfluß
'
zu ben. Es war nicht fo unbedeutend als es und jetzt er⸗
foheinen mag, baß er. flatt des aufgebrüdten ein’ angehängtes
Siegel, wie es dort :gefchah, bei koͤniglichen Briefen. einführte,
Daß er die angelſaͤchſiſche Handſchrift durch bie leichtere franzoͤ⸗
fifche der ihn: umgebenden Klerifer zu verdrängen ſuchte; der -
Kanzler des Königs felbft war: ein Normanne, Hugolinus?).
Die Geiftlichen aus franzöfifcher Schule fliegen ſchneller empor,
„Ieiteten die Sprüche. des NRichterd, und mit dem Gemanbe
wurde auch ber Geiſt normanniſcher Verfaſſung leichter ein⸗
gefuͤhrt.
Doch haͤtte die Nation viele dieſer Neuerungen taum be⸗
merkt und die allmaͤlige Einſetzung fremder Praͤlaten vielleicht
ertragen, wenn nicht auch die maͤchtigen weltlichen Herren des
Landes durch die fremden Guͤnſtlinge des Hofes beſchraͤnkt wor⸗
den wären. Schon hatte ein Neffe des Königs, Radulf, wel⸗
cher ihm aus’ feiner Verbannung nach England gefolgt war;
die Graffchaft Hereford, jene Mark gegen Wales, vielleicht erſt
feit „der. Verbannung Sweyns, verliehen ?) erhalten. Zu Ra:
1) Chron. saxon..ad a. 1049. Histor. Ramsey. c. 114. wo für -
Aedwino zu leſen ift Kadwardo. -
2) ©. die Lifte bei Duchesne scrr. normann. 1023,
$) Palgrave II, 290. fpriht auch von einer Verbannung Ras
dulfs zwifchen ben Jahren 1041 — 1051; doch ift die Stelle auf welche
er ſich deshalb bezieht, misverftanden. Histor. Ramsey. c. 116.. Comes
quidam Radulphus nomine, Normannus natione, quem rex Kadwardus,
de taediosi exilii latibulis revertens (sc. Kadwardus & 1041) secum
- in Angliam reduxerat.
-
506 Fünfte Abtheilung.
bulf hatten fi) aber auch ſchon viele franzöfifche Ritter ge
ſellt, welche auf feinen Burgen verweilten.. Ginige berfelben
hatten eigne Burgen erhalten, wie Däbern, Pentetoſt und Hugo').
' Die. Burg eined andern fränkifchen Ritters, Robert, Sohnes ber
. Mimarca, wird und als noͤrdlich von London belegen bezeid;
net). Radulf galt für allmaͤchtig an Eadwards Hofe; bie
Schwachen bublten um feine Gunft und wagten Feine feine
Anmafungen zu verweigern, unb felbft der einflußreiche Abt
des Kloſters Ramfey fand fich durch ſolche Rüdfichten bewo I
gen ihm Ländereien, nady denen er gelüflete, abzutxeten; bie |
Mächtigen erblidten ihn nur mit ſchlecht verhaltnem Grolle.
Des Erzbiſchofs Robert Weigemg den ernannten Sparhaf
zum Biſchofe von London zu weihen, regte foeben die Gemir
ther gegen die Franken wieder auf, und mit Scheelfucht blickten
bie Angelfachfen auf die kuͤrzlich erfolgte zweite Vermählung
ihree Königstochter Goda, Radulfs Mutter, mit Euflaz, Gm
fen von Bonlogne, non fenem Schnurrbarte aux grenons
benannt (dereinft durch fpdtere Ehe der Vater der Könige von
Serufalent, des berühmten Gottfried von Bouillon und Bel
byin-1.)?), als die Rachricht von bevorftchenden neuen Ber
1) Pentecostes castele.. Sax. chron. ad a. 1052. Daß biefer nidt
mit Ingram in ber Normandie zu Juchen ift, ergibt fich aus Sloren
b. 3. 1053. Osbernus vero cognomento Pentecost et socius eins
Hugo sua reddiderunt castella.
2) Rodbertus, fil. Guimarcae, nobilis mulieris, wirb von Wil:
heim von Poitiers (p. 19 C) ats ein fehr reicher, im ſuͤdlichen
Gnglanh angefeffener Normanne und Blutsverwandter bes Herzogs ge
nannt. Im Doomsdaybook werben ex und fein Sohn Sweyn häufg B
mit zeichen Befisungen aufgeführt. Der Sohn erbaute bie Burg Ro
leigh in. Efier, ober vielleicht ftellte er fie nur in biefer Gegend, wo wir
die Burg feines Vaters fuchen dürfen, wieder ber. Jener Robert, def:
fen Bater von den Neuern isrig Wimark genannt wirb, komme im eine
Urkunde Eduard ald ber Thane von Kent und als stallere vor.
8) Chron. Lanereost. Me. (citat. Ellis introduction to Doome-
day I, 8384) fest biefe Heirath in den September 1051, vermuthlich
aus einer Verwechslung mit bem obengebadhten in eben biefe Zeit fal⸗
lenden Beſuch des. Euſtaz. Eine ſolche Veranlaffung diefes Vorfalles hätte
der angelfächfifchen Ehroniften u. A. nicht unbekannt‘ fein tönnen. Mal-
mesb. fagt von Euſtaz ausdruͤcklich: Eduardum, nescio qua de czuss,
adiit.
J
Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 507
chen fränkifcher Fuͤrſten bei Eadward erſcholl und mit Mis⸗
trauen und Unmuth vernommen wurde. Des Koͤnigs Schwa⸗
ger Euſtaz erſchien mit ſtattlichem Gefolge beim Koͤnige von
England. Als er heimlehrte ), bemerkte man, daß er in Roberts 1051.
des Franken erzbiſchoͤflicher Reſidenz ein Mahl einnahm, viel⸗
leicht alſo mit dieſem einen Anſchlag ſchmiedete, und daß er
auf feiner fernern Reiſe nahe vor Dover, einer von Godwines |
Burgen, mit feinen. Mannen den Harniſch anlegt. Stolz: ı
fprengten fie.in die Stadt und erflärten, daß fie fih ihre Qua ⸗
tiere nach Gutduͤnken in den Bürgerhäufem ausfuchen wuͤrden.
Selbſt gegen bie Misbraͤuche der Beherbergung des Königs
und feines Gefolged wuſſten bie Bürger fich zu fichern; den
fraͤnkiſchen Herren aber, die als Landplage und offenbare Feinde
erfchienen, wollte Niemand zum Wirthe dienen. Als nun einer
derfelben in verbienbetem Ungeſtim einen Hausbonden, wels
cher ihn zuruͤkwies, verwundete, marb jener fogleich von ben
ergrimmten Mitbuͤrgern erfchlagen. Enflaz und feine Gefähr-
ten fchwangen ſich ſchnell auf dad Roß, erfihlugen den Hause
‚bonden auf feinem eignen Herde und noch zwanzig andre.
Bon den Händen der Bürger fielen aber nicht weniger Frans
Zen, viel mehr wurden verwundet, und nur mit Mühe retteten
fi Euſtaz und wenige feine Mannen. Den König ergriff
größter Unwille gegen die Bürger, und er gebot dem Earl Gods
wine nach Kent zu gehen um Doverd Einwohner zu beftrafen.
Doch was hätte ben flolzen und mächtigen Godwine veranlaf-
. fen follen feinem fchwachen Schwiegerfohne zu folgen, um feine
braven Bürger zu kraͤnken wegen einer That, deren Lob an
allen Enden Englands wieberhaltte, und fich vor jenem verhafſ⸗
ten Franken fo fehr herabzumürbigen? Alle Weſtſachſen theils
ten feine Sefinnungen in dem Haſſe; denn rüdfichtslofe Ans
maßung und unbefonnene. Gewaltthaten bezeichneten bie Fuß⸗
tapfen jedes Welfhen in England. In ber Nähe einer von
ihnen in Hereford neuerbauten Burg, vielleicht Pentecofl, was
ren felbft des Könige Mamen jeder Beleidigung ımd Ber
1) 34 folge "Hier den Erzählungen ber angelſaͤchſiſchen Chronik,
Malmesb. u. A. Florenz, welcher in ber normannifcgen Zeit fchrieb,
ift viel weniger genau und erzählt, der folgende Vorfall habe fich fchon
bei ber im September erfolgten Landung des Euſtaz gugetragen.
A
N
508 Fuͤnfte Abtheilung.
letzungen ausgeſetzt geweſen. Godwine und feine Söhne, Stene
und Harold, befchloffen baher ihre und. der ‚Nation Kluge
vor den König zu bringen, welcher einen Reichstag wegen Wi
fer Händel nach der Stadt Gloceſter vor dem legten heil Wi
“ rientag ') auögefchrieben hatte. Doch verfammelten fie in MM
Grafſchaft diefes Namens, zu Byrerſtone und Langtre, Mi
ftarkes, wohlgerlftetes Gefolge um fich ber, welches bie O
währung einer Bitte vielleicht hätte erzwingen Eönnen. Leeſ
Siward, Raulf und die Übrigen Anhänger des Königs, Mi
melten gleichfalls ihre Krieger, und es erfoberte viele Dal
nenheit wmeifer Qermittler, die entgegenftehenden Parteien WE
einem Kampfe abzuhalten, welcher bie angefehnften Maͤnner &
lands aufzureiben drohte. Gobwine vermochte nicht vor
Könige ſich zu rechtfertigen, defien Ohr jene Welſchen bl
vergiftet hatten; noch weniger wurde feinem Anfinnen mie
geben, Euſtaz und fein Gefolge fowie die Zranzofen auf MM
Burg in Hereford *) in feine Hände. ausgeliefert zu hilf
Doch ſtellte Eadward die Ruhe für den Augenbiid z
Geifeln geben und darauf eine neue Verfammlung feine MW ER
nach London entbieten. Als Godwine und feine Emm ie
ihren Thanen ?) zu: Southwark erfchienen, fanden fie da * *
1) Neh thaere aeftre Sta. Maria maessan — aer thae ME
Sta. Marian maessan. - Der Tag ber Geburt Mariä (8. Gap): Wi
Lateran Marid Meffentag, ift unter dem verflümmelten Namen bi}
teinentages bekannt. =
2) &o fcheint mir chrop. saxon.: „Eustatius and his mei WW‘
eac tha Francyscan the on tham castelle waeron“ zu deuten
renz hat biefes überfegt: Hustatium et socios eius, insuper et New
nos et Bonoisienses, qui castellum in Dorverniae clivo tem
Diefer hatte entiveder nur eine mangelhafte,. ihm unverftänblide Pi!
fhrift vor fih, oder Eadward muͤſſte fchon früher die Burg zu 2M
Franzoſen anvertraut haben, was uns den Übermuth bes Guftaz AM
Hoher machte, doch hoͤchſt unwahrſcheinlich ift. Die gewoͤhnliche
nung, daß Wilhelm ber Eroberer die Burg zu Dover zuerſ ci
‚ feheint mir, obgleih Ellis a. a. DO. I, 228. fie noch wicberheik‘
noch irrig. gl. auch Hasted history of Kent T. IX, 480. MM
Pictar. beſchreibt das castrum Dovera, als er die Übergabe WE
duch die Burgmannen an Herzog Wilhelm berichtet. S. 191 CM
5) Ingram hat bier 5. I. 1051 wieder zwei abweichende
lungen berfelben Begebenheis als verſchiedne Vorfaͤlle Hinter eines H .
. . “ “ | |
Ruͤckkehr und Untergang der. angelf. Dynaftie 509
nig von dem flattlichften, fü» und norbwärtd der Themſe her:
beigezognen Heere umgeben, auch wurde Harold von. einer gro>
Ben Anzahl eingefchlichterter Begleiter plöglich- verlaflen, welche
zu: dee Hofpartei übergingen und dem Könige ſich neu ver
bürgten.. Earl Sweyn wurbe von dem Witenagemote fofort
aufferhalb des Geſetzes erklärt, Godwine mit Harold zur
Rechtfertigung vor das Gemote geladen. Diefe verlangten deö
Königs Geleit und Geiſeln für ihre Sicherheit, entlieffen jedoch
zu des Königs Händen alle ihre Thane, wie er es verlangte.
Eadward geftattete ihnen mit zwölf Mannen vor feinem Rathe
zu ericheinen, um bie einzelnen Beſchwerden unterfuchen zu
laffen, und ficherte ihnen feinen Frieden und Geleit zu; da fie
‚aber auf die, wenngleich unter den gegebnen Verhältniffen un⸗
erlafjlich erfcheinende, doch das Pänigliche Anfehn verlegende
Stellung von Geifeln beflanden, fo wurde dem Godwine und
feinen Söhnen auferlegt innerhalb fünf Tagen England zu ver:
laſſen. Diefer ging daher mit feiner Frau Gytha, Toſtig und
defien Frau Judith, einer Tochter ober Nichte‘) des Grafen
Balduin von Flandern, Smweyn und. Gurth nach feinem Gute
Bosham und Zhorney Island?) im heimatlichen Suffer, von
wo ein Schiff, mit fo viel Gold, Silber und andern Koftbars
keiten, als es tragen konnte, eiligſt beladen, ſie nach Flandern
ſtellt. Die zweite, welche vortheilhafter fur Godwine ſpricht als die
erſte, beginnt S. 229: Tha heafdon the Welisge menn etc., welche
er irrig für Walifer hält. Schon With. von Malmeaburn verſiel |
in dieſen Irrthum. 3 |
1) Sax. chron. fagt -nur mage; beſtimmter filia, Florenz h. a.
Historia de eccl. dunelm. I. III. c. 11. Albericus ad a. 1060,
2) Diefes am Kanal gelegene Thorney, nicht Weftminfter, wie
Ingram ©. 228, ift gemeint. Sax. chron. felbft fagt: he wende
suth to Thornege, und biefelbe wird in der folgenden Erzählung ber»
felben Begebenheit, welche Ingram für eine andere hält, durch bie
Lage von Bofenham bezeichnet, Zu Bofham finden wir. auch Sweyn
und Harold, Godwines Söhne, welches auh Malmesbury nennt
praedium sui (sc. Haroldi) iuris. Der Ort befaß danlals eine fehr
fhöne Kirche, deren Patronat viele. Streitigkeiten erregte. Die Provins
zialgefchichte von Suſſex Eönnte noch mandye Notiz über Wulfndths
Vorfahren und Enkel aufbewahren. Doomesdag bemerkt noch bei mans
chen Plägen in Suffer, daf fie Godwine, Harold oder Goda gehörten.
⸗
bortigen Königs ben Winter zubrachten ‘). Eadwards
fche Rathgeber unterdeffen, nicht zuftieden die mächtigen
geſtuͤrzt und den König feiner Lieblinge beraubt zu hab
- wogen ihn felbfi von feiner Gemahlin Eadgithe fich ;
nen, welche er aller Ehren beraubt mit einer Dim
das Klofter Wherwell zu feiner Schwefter fandte 3
Triumph welchen die frankifch paͤpſtliche Partei noch
iſt auch anzufehen, daß jetzt Sphrhafoe aus London ver
wurde und der Normanne Wilhelm dad dortige ride
thum befam. Ein andrer Sranzofe, Odda, erhielt die
fchaft über die Devnfäten, Sumerfäten, Dorfäten mb |
walen?). Harolds Grafichaft im Oſten Englands vor
gar, dem Sohne Leofric, zu Theil
1) Palgrave history of England I, 842, folgert aus de
richt des sax. chron,, daß Harold in Irland unter des König,
verweilte, daß diefer Eadward geweſen und daher die oͤſtliche K
lands ihm gehört haben müffe. Diefe Behauptung bedarf ein
Beweiſes als einer Stelle, welcher die obige Auslegung ange
fcheint, und es ift ohnehin wiberfprechend, daß der in England |
und verfolgte Harold von biefem in einem andern Staate, von
aus biefer einen Krieg gegen- Gabward anzettelte, deſſen Schut
haben follte.
2) Das Odda ober Ötho ein Normann aemelen. wirb ve
Ruͤckkehr und Untergang ber angelf. Dynaftie. 51L
Noch vor dem Schluffe des Jahres erhielt Eadward den
Beſuch Wilhelmd des Baſtardes von der. Normandie und feis
ned zahlreichen Gefolges. Freigebig bewirthet Fehrten fie mit
großen Gefchenken des englifchen Könige heim. Diefer Bes
fuch ift um fo bedeutungövoller, da er ben Gedanken bei
Wilhelm erwedt haben kann, fich diefes fchönen und von fei=
nen Landsleuten fchon mitbeherrfchten Reiches feines Finder
loſen guten Vetters dereinft zu bemächtigen. Zwar leugnet _
diefed ') fein Geheimfchreiber und nachheriger Abt und Ges
fchichtfchreiber Ingulf, welcher dem Fürften auf diefer Reife bes
kannt wurde; doch kann er ſchwerlich mehr wifjen, ald daß da⸗
mals nicht ſchon über eine Erbfolge zu Gunften Wilhelms
zwifchen den beiden verwandten Herrfchern verhandelt worden
if. Normännifhe Schriftfteller behaupten dagegen, wenngleich
wenig glaubwürbig, daß Eadward durch den Erzbifchof Robert
die Thronfolge Englands jenem angeboten und fogar Godwi⸗
nes Sohn und Enkel ihm als Geifel zugeftellt habe).
Die Verbannung der Godwines hatte zu viele Intereffen
verlegt um lange währen zu dürfen, und jene verfäumten Fein _
Mittel ſich eine triumphirende Ruͤckkehr zu fichern. Irlaͤndiſche
Seeräuber hatten fchon früher fich mit Griffin, dem Könige von
. Norbwales, vereinigt, um dad weftliche England zu plündern
und zu verheeren; buch war ed dem tapfern Bifchofe von Wor⸗
cefter, Ealdred, gelungen fie zurüdzutreiben ’). _E8 wurde Has
old leicht die Walifer zu überreden fich mit ihm zur gemeins
fchaftlihen Rache gegen England zu vereinigen. Harold und 1052.
fein Bruder Leofwine hatten ſich neue Schiffe auszurüften ges
wuſſt, geiffen die Provinz des Grafen Odda an und erfchlus
gen mehr ald dreiffig tapfere Degen und viele ihrer Leute; bie -
Waliſer rücdten in Hereford ein, wo fie die Sranzofen auf ih⸗
ser Burg belagerten und nachdem viele. derfelben fowie der
nannte Graf von Hereford, nicht, wie jene Lifte jagt, ein fpäter ges
Tchaffener Graf von Oftanglien.
1) Ingulph. p. 65 et 78. |
2) Guil Pictav. p. 181. Sowie diefer, ber Gapellan des Her⸗
zogs, fo erzählt auch Ingulph 1065 von biefer argeblichen Sendung
des Erzbiſchofs Robert.
8) Chron, saxon, ad a. 1049, | \
512. Fünfte Abtheilung.
Eingebornen - getödtet waren, mit Beute fchwer belaben davon:
zogen. Auch Godwines Angriffmuflte jest befürchtet werben,
und um dieſem entgegenzulommen, wurde ben "größten Geg-
nern beffelben, Raulf und Odda, ber Oberbefehl über 40 bei
Sandwich, flationirte Schiffe anvertrauet. Vor Mitfommer war
Sodwine von Brügge zu. feinen unterhalb Nieuport, an de
Muͤndung der Yfer ') gefammelten Schiffen gegangen und mit
diefen gegen Albiond weile Kuͤſten gefegelt. Hier fand er
feine Kenter ihm noch getreu: bie Schifföleute von Haſtings,
alle Mannen von Suffer, Surrey und Eſſer erklaͤrten nur für
ihn leben und fterben zu wollen. Die koͤnigliche Flotte fuchte
ihm zu begegnen, ward aber dur Stürme fo fehr von der
erſtrebten Richtung Entfernt, daß fie nah Sandwich zuruͤckkeh⸗
ren muſſte. Der König befchloß geſchicktere Anführer und
Steuerleute anzuordnen, doch während diefe lange vergeblih
gefucht wurden, ging das Schiffsheer audeinander. Dieſe
wohlbefannten, ſtets fich erneuenden Verlegenheiten feiner Land&
Jeute blieben Godwine nicht unbekannt. Er fchiffte nach ber frudt:
"baren Infel Wight, wo es leicht .war feiner Flotte Proviant
zu verfchaffen, und von ba nach der Infel Portland. Hieher
Fam Harold ihm entgegen, und Beide fuhren jest längs der
Küfte oſtwaͤrts, fi) da wo fie Feinen feindlichen Widerſtand
fanden, auf die Requifition der für ihre Heer erfoberlichen Le
bensmittel befchräntend, Landvolk fowie befonderd Seeleute E
zu ſich ziehend und. Geifel und Schiffe einfodernd ’). Diele
Maͤßigung vermehrte die Zahl ihrer Anhänger fehr in einem
ihnen ſtets geneigten Lande, und mit ſehr yerſtaͤrkter Flotte
fuhren fie die Themſe hinauf nach London,’ wo der König |
mit 50 Schiffen und feinen Earlen lag. Gobwine und feine
Söhne fandten jest die Bitte zum Könige; daß er fie in
die ihnen widerrechtlich entriffenen Befigungen wiederum eiw
fegen möge. Diefer, zur Willfährigkeit nicht geneigt, da
in Godwine ſtets das Bild des Mörders feines Bruders ihm
entgegentrat, zauderte und fandte umher um mehr Eriegerifce Ei
15) Nicht Yſendyk in Norbholland, wie Ingram meint.
+. 2) Bon ben zwei verfchiebenen Berichten, welche Ingram burd
. einanderwirft, flimmt ber oben befolgte allein zu ben folgenden Bege⸗
benheitn.
Ruͤckkehr und Untergang der angelf. Dynaſtie. 513
Hilfe herbeizuziehn. Godwine konnte nur mit Muͤhe ſein
uͤber den Verzug entruͤſtetes Heer von einem Angriffe zuruͤck⸗
halten. Endlich am 14. September, beinahe ein Jahr nach
feiner Verbannung, ſtellte er feine Schiffe vor London
auf, indeß feine Landtruppen am Strande heranruͤckten. Die
Buͤrger von London beguͤnſtigten ihn gleichfalls, waͤhrend das
Heer des Koͤnigs, ſo zahlreich es auch war, ſich abgeneigt
zeigte gegen Landsleute und Anverwandte zum Vortheile der
Ausländer zu fechten. Stigand, der Biſchof von Wincheſter,
durch feine Stellung dem alten Earl von Weſſex eng vertraut,
war es vorzüglich welcher, unter Beiſtimmung und Beiſtand
. wohlgefinnter Männer, - den Kampf verhinderte und den König
bewog zur Sicherung bed Friedens gegenfeitig Geiſeln flellen
zu laffen. Die normannifche Partei erfannte hierin fofort das
Signal zu ihrem Sale. Erzbiſchof Robert und die übrigen
fränkischen Geiftlichen warfen fi auf ihre Roſſe und flürzten
eiligft aus dem Öfllichen Thore Londons heraus. Palium und
Schaͤtze, Amt und Würde verlaffend, begab fi) Robert mit
ben Seinigen auf ein gebrechliches Boot, uͤbergluͤcklich das
normanniſche Geſtade zu erreichen, wohlbehaltnen Leibe den
ketzeriſchen Säuften der derben Sachfen entronnen. . Doch blieb
Robert ein gefährlicher Feind der Angelfachfen. Ex eilte nad)
Rom, um über feine Entfegung und befonderd feinen Nachfols
ger Stigand lebhafte Befchwerbe zu führen, und dee Schein
bed Rechtes auf feiner Seite ift nicht ohne ſchaͤdlichen Einfluß.
auf fpätere, Verhandlungen geblieben; doch am fchädlichften
wirkte ex gegen bie Angelfachfen dadurch, daß er bei Wilhelm
von der Normandie den Gedanken nährte, wenn nicht erweckte,
fi die englifche Erbfolge anzueignen.. Bon den fränkifchen
Rittern flohen manche weſtlich nach Hereford in die Burgen
Dentecofis und Hugo, andre nördlih zu Roberts Schloffe.
Das Witenagemote, welches Damals vor ben Thoren gehalten
wurbe, konnte bei der jekigen Stimmung feinen Zwed nicht -
verfehlen ). Earl Godwine vechtfertigte fih und feine Söhne
volfommen gegen bie ihnen: gemachten Anſchuldigungen, und
1) Den bortigen Verhandlungen ſcheinen die Nachrichten aitichat,
welche Gaimar V. 4870. mit fruͤhern Begebenheiten verwirrt. |
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 33
N
5444 Füͤnfte Abtheilung.
. Anfrid genannt Ceocesfoot (Hahnenfuß), Alfred, de =
leges Guillelin.. Conquest, art, 54,
Alle wurben in ihren fruͤhern Befiß eingefeßt, auch bie$
wieder zu ihrem Gemahle zuruͤckgefuͤhrt. Sweyn war je
unterdeſſen, auf dem Ruͤckwege von einer. Pilgerreife, w
zur Suͤhne der Ermordung feines Vetterd Biden nad *
lem angeſtellt hatte, geftorben '). Die Franzoſen, Se
Laien, wurden, weil fie verderbliche Eimrichtungen einge
unrecht gerichtet, Unraͤthliches gerathen hatten, geächtet, mit
gen Ausnahmen, betreffend die Verwandten bed Könige, mit
Rabulf, Robert, der Wimarca Sohn, oder einige unbebeuigg
dem Könige in dienſtbarer Nähe ſtehende Perfonen, ai
Diaconus Robert, deffen Schwiegerfphn Richard, Scrobs &
Reitknecht?). Die vollkommenſte Verſoͤhnung war in W
Weiſe zu Stande gebracht, und die allgemeine Bu
des ganzen Volkes muß auch den König Überzeugt br
feine tändelnde Vorliebe für normannifche —58
nem Reiche das groͤßte Verderben bringen konnte. N J
Unleugbar ſah hier das kraͤftige Naturgefühl te
richtiger ald das fchwache Auge des zu einem trügeriihr
mopolitifchen Standpuncte entrüdten Monarchen. Beh
auch dad Joch der Dänen und Norweger den Angelfi
weſen, fo waren boch diefe Völker ihnen in Sprache wi
ten nah verwandt, und die Verfchiedenheit der Hecke |
nicht fo groß, daß fie in der Gemeinfamfeit anrer # *
niſſe und der, bei der ſteten Unterordnung der rohen F
unter das gebildetere, auf bie dortigen Dänen Übergegm
Gultur der Angelfachfen nicht bald vergeffen werben WM
Anders war eö- mit den Normannen. Diefe, wennglet h
bifchen Urfprungs, waren ihren Stammgenoffen Tngf
bet und hatten bie Cultur der Unterjochten und ſuͤdlich a he
1) Chron. saxon, ad a. 1052 iſt ſehr beſtimmt uͤber Im
Lingard irrt daher, weng € er von ber unerbittlichkeit Gabi
Sweyn fpridt. on
.2) Florent. ad a. 1052. Die Zahl ker in England & |
btiebnen Franzoſen kann jedoch nicht ganz fo gering een ca
bie Ehroniften angeben, da Wilhelm der Eroberer es fr a —*
hielt fie ruͤckſichtlich der Abgaben den Englaͤndern gleichzu
| Ruͤckehr und Untergang der angetf.. Dynaſtie. 515
baren arigeriottrinen. Statt: der Normannen in Frankreich ließ
fen fie‘ fich jegt beffer als die Franzoſen in der Norntandie bes
zeichnen. "&ie hatten die romaniſche Sprache, nur in einem
von dem des ſuͤdlichen Frankenreiches verſchiednen Dinelte,
angenommen: und“ alögebilvetz Sitten. und Einrichtungen waren
franzoͤſiſch, nur:die Wander: und Eroberungs: Luft war. ihren
eigenthümtgh:. verblieben, : hatte den Ruhm. ihrer Waffen über
ganz Europa’ verbreitet: und bie rohſten Steräuber: ;u.. Herren
und Färften der ſchoͤnſten "Länder; des romaniſchen? Europa;
umgefchaffen.:..: Für den Angelfachfen. war die. Normandie; aber
nicht. allein..die indchfte Berührung mit. dem romanifhen Mes
fen, ſondern auch bie. Grenze des. ſtets mächtiger ſich geftals
tenden @influffes des. Papſtthumes. .: Mit gerechtem Mis⸗
trauen durften die fraͤnkiſchen Freüunde des. Koͤnigs: als Vie
Vorzuͤgler und Kundſchafter des gewaltigen Neurom betrachtet
werden; Eadwards des Bekenners Pietaͤt wurde Britannien
richt minder gefährlich als Caͤſars kriegeriſche und Oregort
geiftliche "Eroberung, und. ſetzte beide gewiffermaßen fort. Da
die weltlichen Intereffen zu Rom die. Oberhand. hewonnen hafe
ten, ſo war das geringfte ÜBel Welches der Angelfachſe zu
fuͤrchten hatte, daß England dem romaniſchen Syſtem eine
geiſtige, der golderpreſſenden Curie zu: Rom: eine. voelitiche Er⸗
oberung werben möge; das größere Übel, eine Unterjochung
unter die Herzoge der Normandie, : muſſte die letztere zugleich
mit fi führen. So dürfen wir: wohl den Buͤrgerkrieg des
Godwine, wenn auch nur fehr wenig. Blut id ihm vergoffen
ift,. doch als fehr wichtig durch die in bemfelben auögelprochz
nen Anfichten betrachten. Wie Eadward dad erfte Beiſpiel
bed dem fpatern Europa fo verberblic) gewordnen krankhaften
Mohlgefallens an fränkifcher Hoffitte und Sprache. gab: fo ers
bliden wir :in dem Miderftreben: der Angelfachfen : und dem
Anfchlieffen an Godwine eine noch nicht. wider: feindliche Deere,
wohl aber wider entgegengefeßte Geifteörichtungen, vielleicht zum -
erften. Male in dieſer Weife im Mittelalter, fich Träftig hervor⸗
draͤngende Nationalität. Möchte es ihr ſtets gelungen fein den
britifchen Canal ald ihre Grenjfcheide zu ſchuͤtzen; viel heimi⸗
ſches Elend wäre erfpart,. die. wichtigſte Nationalliteratur jener
Zeit nicht unterbrüdt, und eine ununterbrochne Verwandt:
\ eo. 33 %
1053.
—
516 Aisı.n:T. Fuͤnfte Abtbeilunge:: ni
ſchaft wuͤrde den Geiſt, die Sprache und bie Kunden der Vorwelt
mit ber Gegenwart zu unſrer grofien Bereicherung ° verknuͤpfen.
Als ein großer Unfall. für England war as zu betrachten,
daß die Angelſachſen nach: eben hergeſtellter Ruhe. ihren Fuͤhrer
Godwine verloren. "Er: hatte lange und viel gewirkt und fühlte
ſich am Abende ſeiner Tage. Seine Kraͤnklichkeit war im vor⸗
hergehenden Jahre, gleich nach den: Verhandlungen zu London,
bemerkbar geworden ). Et hatte ſich in ſeine Grafſechaft be⸗
geben und: wohnte am Dfterfefle einem vom Könige zu Win⸗
cheſter veranſtalteten Mahle bei, wo ein Schlagfluß Ihre, wie.
einft den Eöniglichen Zecher Harthacnzt ; an der :Tafel uͤber⸗
raſchte. Seine Soͤhne trugen den Beftnnungslofen.. heraus,
doch ſtarb in:erfl unter vielen Schmerzen am fünften Tage.
Das Geruͤcht liber: dieſe Begehenheit, welches nach Rouen ge⸗
langt und vonuden Deut Daufe Godwine feindſeligen normanni⸗
ſchen Schüftſtellern verbreitet iſt, erzählte, daß einer. der koͤnigli⸗
chen Schenken mit. einem Fuße Jehltnat, Doch ſchnel mit dem
abern fich aufrichtete. „So hilft in Bruder dem andern,“
rief. Godwine lachend dud.: „Ja,“ exwiederte der König, ihn
ſtrenge anblickend/c, und lebte Afred noch, fo könnte er mir fo
helfen !* Godwine fühlte ſich hiedurch aufgefobert feine Unſchuld
an Älfreds Ermordung zu betheuern; märe er ſchuldig, fo möge,
forach er, der Biffen welchen ex zum Munde führte, ihm in
der: Kehle: ſtecken bleiben. Und, o Wunder und Schreden! fo
gefchah ed; die Vorſehung hatte ben VBerräther. bezeichnet und
geſtraft. Die Erzählung fcheint nur der letzte Verfuch der nor:
mannifchen. Partei, fih an der Loͤwenhaut ihre hartnaͤckigen
Gegners zu :rächen?). : Zuverläffige nähere Nachrichten über
Godwines PerfönlichPeit fehlen und leider gänzlich. : Die Schrift:
fteller welche. "einige Jahrzehente nach feinem Tode ſchrieben,
waren alle im Solde der normanniſchen Dynaſtie oder von
| deren Anſichten befangen. Diefe bafften ihn fo fon daß fie
1) Chron,, saxon. ad a. 1052 fin,
2) Der erſte Theil der Erzaͤhlung erinnert ſehr an bie vom Könige
Üthelftan.. Der Iegte findet fich zuerft bei Ingulph, welcher damals
beim Herzog Wilhelm lebte, ſowie bei Ülfred von Beverleyz beide
in Älreds von Riveaur vita Eadwardi p. 895 — Beide fehr um
glaubwürdige Sqhriftſteller. |
\
Rückkehr und Untergang der angelf. Dynaftie. 517
Beine feiner Verdienſte mehr. anertennen konnten; bie fpdtern
von ben Normannen „gebrüdten Angelfachfen dagegen hätten
die größten Fehler ertragen und vergeffen, wenn ein folcher
Führer fie wieder zum fiegreichen Kampfe geführt hätte. Seine
Kargheit gegen die durch andre Machthaber verwöhnten Kir:
chen bat ihm manches Lob entzogen’); Redefertigkeit in ben
Öffentlichen VBerfammlungen und Gewandtheit waren Verdienſte
welche anerkannt wurden und ihn fehr gefördert haben; doch
waren ed die eifernen. Waffen welche ben Ruf des- Sohnes
bes Junkers von Suffer zuerfl unter Enut in Schweden be=
%
gründet hatten. Sein größter Ruhm ift, Daß feine Intereffen -
gewoͤhnlich mit ben beſten Intereſſen ſeines Volkes enge ver⸗
eint waren.
Weſſex wurde, nach Godwines Tode, vom Könige deffen
älteftem Sohne Harold ertheiltz des Legtern Graffchaft erhielt
Äfgar, der Sohn des Earl Leofric. Eadward war jetzt von
einem ernſten Beflreben erfüllt, den englifchen Thron feinen
natürlichen Erben zu. fihern. Er fandte deshalb den Biſchof
von Worcefter, Ealdred, nach Coͤln zum Kaifer Heinrich HE,
je
054: .
welcher am Unterrhein damals verweilte um feinen jungen Sohn
zum Könige von Deutfchland zu Aachen weihen zu laſſen.
Ealdred, vom: Kaifer wie von dem Erzbiichofe Hermann fehr
ehrenvoll aufgenommen, benutzte das Vertrauen des Erſtern
um Eabwards Plan zur Ausführung zu bringen, den Sohn
Eadniunds Ironſide, Eadward, welcher einer Nichte des Kai⸗
ſers vermählt war, nad) England aus Ungarn zurüdzubringen.
Wahrfcheinlich verzögerte die zwifchen dem Kaifer und dem König
Andread von Ungarn damals ausgebrochene Fehde, fowie ber
Zod des Leptern und bald darauf der. des Kaiferd, die Aus⸗
führung dieſes Planed. Zum großen Jubel des Volkes Yangte .
Eadward AÄtheling endlich in England an, von feiner Gemah:
lin Agathe und feinen Kindern, Eadgar AÄtheling, Margaretha
und Chriftine begleitet. Doch ehe er noch feinen Eöniglichen
Dheim erblidte, von deſſen Augen eine ihm ungünftige Partei,
vermuthlih Earl Harolds, des nachherigen Königs, Freunde,
ihn fern zu halten wuſſte, flarb er plöglich zu London. Hätte
1) Chren. saxon. ad a. 1052 fin,
1057.
- 1055.
518 Fuͤnfte Abtheilung.
ſein Tod, der ſo viel Verdacht erregen kann, dem Earl Harold,
welcher viel dadurch zu gewinnen fchten, zugefchrieben werben
Tönen, fo würde dieſer Umfland von den Gegnern beffelben
“wohl nicht mit Stillfehweigen übergangen fein, und wir müf
fen in demfelben einen jener nicht fo gar feltnen Unglüdsfälle
erbliden, welche die "Nationen lehren follten die Laſt ihrer
Geſchicke und die Hoffnung ihres Gluͤcks nicht zu leichtfinnig
an einen einzelnen, fchwachen Lebendfaden zu Fnüpfen, -
Die Herftellung der Ordnung im Innern zeigte auch bald
. glüdliche Folgen in den nachbarlichen Verhältniffen. Macbeth,
welcher. den milden König Duncan im J. 1039 bei Elgin
hatte ermorden laffen, war, vermuthlich wegen verweigerter
Huldigung, in ein feindfeliged. Verhältniß zu England gerathen.
Bei ihm hatten die geflüchteten Normannen Osbern und
Hugo mit ihrem Gefolge willlommne Aufnahme und Schuß
gefunden. Schotten und Normannen fochten vereint, wie jene
mit den Franzofen fpäter fo häufig gegen England ihre Rei:
ben aneinanderfchloffen, gegen Siward, den Earl von Nort
humbrien, welcher, durch riefenhaften Körperbau und Kraft der
Sefinnung die Helden der Vorzeit vergegenwärtigend, auf bes
Königs Eadward Geheiß mit beträchtlichen Neiterfchaaren und
einer Flotte den Ufurpator in feinem Reiche angriff. Viele
Zaufende von Schotten, alle normanniſche Truppen fielen.
Doch auch viele von Siwards und des Königs Haustruppen,
. Dsbern, Siwards Sohn, und fein Neffe Siward, waren tapfer
kaͤmpfend auf der Wahlftatt geblieben. Auf die Nachricht. von
des Sohnes Tode fragte ee nur, wo biefer die Zodeswunde
erhalten, und als diefe in deſſen Bruft erkannt wurde, verans
flaltete er mit frohem Stolze das Leichengepränge. Duncand
Sohn, Malcolm Ceanmore, der bisher nur die Krone von
Gumberland getragen hatte, empfing Schottland zu Lehen vom
König Eadward.
Siwarb. überlebte die Freude dieſes glorreichen Sieges
nicht lange. Er erkrankte nach hergeſtelltem Frieden, und der
in ſeinen Augen ſo ſchmaͤhliche Augenblick nahte, in dem der
alte Held auf ſeinem Lager den Tod zu gewaͤrtigen hatte.
Dieſes nannte er nach Art der Kuͤhe ſterben und ließ ſich wie
zur Schlacht vollſtaͤndigſt rüſten und waffnen. Nachdem die⸗
Ruͤckkeht und Untergang der angelſ, Dynaſtie. 519
ſes gefchehen,. gab er, :im Todeslampfe bie golbne Gtreitart
nicht miflend, zufrieden den Geiſt auf). Siwards überleben:
der Sohn, Waltheof, hatte die Jahre der Muͤndigkeit noch nicht
erreicht, und bie erledigte Grafichaft wurde vom önige dem
Bruder Harolds, Toſtig, ertheilt.
Harolds Anſehn wuchs ſehr durch ſeine jetige Stellung, —.
das Talent ſowie das Wohlwollen, welche er in ſeinem hohen
Amte vor den Augen der Nation entwickelte, beſonders aber
durch die geſchickte Kriegsführung” gegen die Feinde an den
weßlichen Grenzen des Reiches. Es war nothmwendig. gewor:
ben die Walifer, welche von ihren Bergen in die angelſaͤch⸗
ſiſchen Ebenen: herabflürzten, kraͤftig wieber zuruͤckzudraͤngen.
Harold überwältigte ihre Schaaren, welche bis nahe: vor.:Slo>
cefter vorgedrungen waren, und ließ das Haupt ihres Anfuͤh⸗
rers Hris, eines Bruders des Königs: Griffin, abichlagen und
über den Thoren jener Stadt aufſtecken 2. ‚Die Walifer nah⸗
men noch in demfelben Zahre blutige Mache in der Grafichaft
Leofrics, wo fie die Mannen auf den Wartthuͤrmen zu We:
bury (Salop) überfielen und niedermekelten. . |
Doch bald entfpann fich zwifchen den berefependen Ge:
ſchlechtern Englands, Godwines und. Leofricd Söhnen, ein Zwiſt,
‚ durch welchen: nur die feindlichen Nachbarn gewannen. Harold . .
wuſſte den Earl Alfgar bei dem Könige des Verrathes gegen feine
Derfon und das Land verdächtig zu;machen, und. dad zu London ver:
fammelte Witenagemote verbannte dieſen, wenngleich das vorgewr ·
fene Vergehn lediglich in einer entſchuldbaren Übereilung beſtand >).
Alfgar, wider ſeinen Willen zum abtruͤnnigen Vaſallen gemacht,
ging jetzt, wie fruͤher Harold, in ſeine Verbannung nach Wa⸗
les und Irland, wo er zu feinen eignen Schiffen noch achtzehn
andre fammelte. Mit diefer nicht unbebeutenden Heereömacht
ſchloß er ſich an Griffith an, deſſen Krieger, mit ſeinen iriſchen
1) Ich erwoͤhne dieſe northumbriſche Sage aus Huntend. l. VL,
Radulfi de Diceto abbreviat. chronic. 477., Auctor de comitibus
Huntendon. et Northampton., nur um. auf ihre Quellen in der altbänis
fchen Sagengefchichte von König Habbinger u. A. hinzuweiſen.
2) Chron, saxon. ad a. 1058.
3) Chron. saxon, ad a. 1055.
1055
520 Günfie Abtheiluus.
und nordiſchen Bundesgeneſſen, in Hereford einftelen ) Hier
hatte Earl Ralph den Verfuch gemacht die Englaͤnder, welche
gewohnt waren zu Fuße zu kaͤmpfen, ſeinen weggeſandten
Normannen glg, beritten zu machen; , body midlang bie
ſes fo fehr, daß in der Schlacht die Roſſe / nur dazu bienten
24. Oct. Ralph und feinen Truppen die fofort ergriffene Flucht zu er
1056.
leichten. Viele berfelben, * — 500 an der Zahl, wilden er
ſchlagen. Die Sieger ‚drangen in die Stadt Hereford, welche
fie, ohne felbft des neuerbauten Münflers zu ſchonen, vers
brannten. . Ein allgemeines Aufgebot erging. durch das ganze
Reich, und Harold warb an die Spige eines beträchtlichen, zu
Gloceſter verſammelten Heeres geſtellt. Er drang in Bat
ein und trieb die Feinde in bie füdlichen Gegenden diefes Lam
des zuruͤck. Hier entließ er den groͤßern Theil feines Heeres
da er die fliehenden Feinde in ihre Bergſchluchten zu verfolgen
nicht rathſam hielt, und zog ſich nach Hereford zuruͤck, welches
er herſtellen und neu befeſtigen ließ. Unterdeſſen erſchienen Bo⸗
ten von Griffith und Alfgar, welche um Frieden nachſuchten
der von biefen und. Harold - abgefchloffen wurde und ba
diente, daß Alfgar, in alle feine Befigungen wieder eingefekt,
feine Flotte zu Chefter, nach gezahltem Kriegsſolde, entlieg.
Doc fchon im folgenden Jahre wurden von. den rafllofen
Waliſern neue Angriffe auf. England verfucht: der kuͤrzlich er⸗
nannte Bifchof von Hereford, Leofgar, einer jener Triegerifchen
Drälaten des frühern Mittelalters, in deren Neigungen wir ben
erfien Keim der fpätern- Ritterorden erkennen möchten, verließ
Altar und Bifchoföfleb, um Schwert, Speer und Schild zu
ergreifen und mit dem. Muthe bes freiwiligen. Krieger zu
kaͤmpfen. Doch er fiel bei Glaſtonbury, ein Opfer ſeines Un⸗
1) Ingulph.' ad a. 1056 ſpricht von auxilio noricae elassis,
quae ex insperato advenerat. Hier fcheint eine Verwechslung mit
demjenigen zu fein, was chron. saxon., Florent. u. %. ad a. 1058
und zwar Letzterer mit beinahe denfelben Worten (norveganicae clasais
adminiculo, quae ad illum venergt ex improviso) berichten. Doch er⸗
zählen auch annal. Cambr. ad a. 1056: Magnus (hernady König von
Norwegen) filius Haraldi (IV. Hardrabe) vastavit regionem Anglorum
auxiliante Griffino rege Britonum. S. auch Brut y Tywysogion h. a.
Sn Wynnes Saraboc wird flatt des Magnus, Roderich, Sohn bes
bänifchen Königs Harold, genannt.
Ruͤckehr und Untergang ber angelſ. Dynaſtie. 621
gefllmes, mit feinen Prieflern und vielen andern tapfern Man⸗
nen. Es war Mitfommer und bie englifden Truppen, ie
ſich fammelten, litten viel durch die ungewöhnliche Hitze; Men -
ſchen und Pferde ſanken erfchöpft von: den langen Tagreifen
flerbend dahin. Harold umd Leofric, unter Beiftand des fieten
Vermittlers, Biſchofs Ealdred, brachten daher einen Bergleich Ä
mit. Griffith zu Stande, in welchem biefer gegen andre. ers
reichte Bebingungen, die Hoheit des Königs der Engländer aner⸗
kannte und ihm als Unterkönig treu und hold zu bleiben ſchwur.
Enpland fchien jest ganz beruhigt, als, bald nach des
Athelings Eadward Tode, ber mächtige Eall von Coventry
(Mercien), Leofric, ſtarb. Tapferkeit, Reichthum, die fteigebige
Anwendung, welche er und feine Gemahlin Godiva zum Bes
fien der geiftlichen Stiftungen, ſowie der Bürger und übrigen
Einwohner feined Landes Don demfelber machten, haben Beide
zum reichen Gegenſtande der englifchen Volksſage gemacht '),
welche jest oft in ungebührlicdyen Zweifel gezogen wird. In
jener Zeit der bizarıflen Widerfprüche, wo nur Geſchenke ben
rofffien Abfans zwifchen Reichthum und Dürftigkeit fchienen
vermitteln zu können und daher. Freigebigfeit eine Tugend von
eigenthümtichem Werthe war, wo himmelanſtrebende Poefie ver
an die Scholle gebimbnen Profa, die Anftrengung noch nicht
gefchwächter Naturkräfte, durch Begeifterung erhöht, Wunden
ber Traͤgheit und Beſchraͤnktheit gegenüberflanden: damals ers
fehien der mächtige, freigebige, geiftvolle und tapfere Fürft den
andern Sterblihen in einem fo herrlichen als wohlverdienten
Blanze. Bon allen erweislich alten Sagen möchten daher
wohl die welche glorveiche Herrfchergefchlechter umflrahlen, nur
mit größter Vorſicht und bei augenfcheinlicher Entſtellung ber
Lobfängerei oder des Unverftanded zu verwerfen fein. Sollte
ſelbſt, — um nicht zu wiederholen, was häufig von ähnlichen
Männern gefchehen und berichtet if, — follte ſelbſt die Erzaͤh⸗
Iung ohne allen hiftorifchen Grund fein und unglaublicher er⸗
fiheinen als fo manche wohlerwiefene, feltfame Gelübde und
langt beflandene, fo voſſenhafte Dienfipflühten aus jener Bei,
1) Chron. saxon, Florent. Matth. Westmon. ad a. 1057.
‚Bromton. p. 99.
‚922 . | Sünfte Abtheilung.
jene Sage, an welche. die Ertheilung der buͤrgerlichen und
" Bolls$reiheiten der Stadt Coventry fich. knuͤpfet? Wie die ehr:
würdige Godive ihren Gemahl dringend bat, zu Ehren be
Mütter Gottes, die unter dem Schutze derfelben weilenben Bir:
ger diefer Stadt von. manchen Laften zu befreien und Diefe,
um ber Gewährung der Bitte auszuweichen, fie nur unte
einer unehrbar umd daher unmöglich erfcheinenden Bedingung
zugeiland; worauf die eble Frau, um den guten Zweck zu es
reichen, das üppige, auf die Ferſe herabwallende Haupthaar
als ein undurchdringliches Gewand um ſich herlegte, von dem
allein bedeckt ſie in aller Ehrbarkeit und Zucht zum Muͤnſter
ritt und ſo den erſehnten Zreibrief für bie dankbaren Buͤrger
erwarb.
In die Grafſchaft feine Vaters‘ flgte Kırgar, deffen
Grafſchaft Dftanglien jegt jüngern Söhnen der großen Käufer
ertheilt wurde; Suffolk erhielt Godwines Sohn Gurth. Die
Abtretung dieſer Länder ſowohl als bie Erledigung der von
1058.
Alfgars und Harolde "Gebieten begrenzten Staff haft :Hereford
mag zu ben Streitigkeiten Anlaß gegeben haben, in bexen Folge
Alfgar ſchon im folgenden :Iahre vom König Eadward zum
zweiten Male verbannt wurde. Er floh wieder zu den Wali⸗
fern und bemächtigte fi ch mit Griffiths Huͤlfe ſeiner Grafſchaft
wieder, worin ihn eine in den dortigen Gewaͤſſern zufaͤllig ge⸗
genwaͤrtige Flotte der gegen den Koͤnig Eadward, wegen feiner
dem daͤniſchen Koͤnige Sven erwieſenen Huͤlfeleiſtungen, erbit⸗
terten Norweger unterſtuͤtzte )y. Der ſchwache König muſſte
dieſe Handlungen des Aufruhrs genehmigen, und die Parteien,
fowie England, brachten mehrere Jahre in tiefer Ruhe: zu.
Eadward ſammelte einige Franken um ſich herum: Giſelbert
1061.
Hasbain, ein Lothringer, erhielt das Bisthum zu Wales. Der
Freund des Godwine dagegen, Ealdred, bekam das Erzbisthum
zu York. Earl Toſtig mit ſeiner Gemahlin durfte, da er
die ſteten Feinde an der ſchottiſchen Grenze hinlaͤnglich gede⸗
muͤthigt hätte, ſich unbekuͤmmert mit jenem, der fein Pal
lium zu Rom audzulöfen hatte, auf eine Wallfahrt nach biefer
Stabt begeben. Toftig wurde vom Pop Nicolaus mit gehß⸗
9 Florent. Chron, Saxon.
\
Ruͤckehtr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 523
ter Auszeichnung aufgenommen, aber dem Ealdred welchem
der bei der angelſaͤchſiſchen Geiſtlichkeit haͤufige Vorwurf man⸗
gelnder Gelehrſamkeit gemacht wurde, die paͤpſtliche Beſtaͤti⸗
gung verweigert. Aber Toſtigs Drohung, dem Papſt, deſſen
Schwaͤchen er in Rom und durch die Raͤuber auf der Heer⸗
ſtraße daſelbſt erkannte, den Peteröpfennig zu entziehen, vers.
fchaffte dem Ealdred das Pallium. Toſtigs Graffchaft. wurde
jedoch unterbefien. vom Könige Makolm von Schottland ans
gegriffen und vermüflet ).
Alfgars Tod, an beffen Stelle wir feinen Sohn Eadwin
finden, und eine neue Fehde Harolds mit Griffith von Wales,
welcher Alfgars Schwiegerſohn geworden war ?), ſcheinen nicht
ohne Beziehung zu einander zu ſtehen. Der König verweilte
zu Anfang des Jahres‘ 1063 zu Glocefter,. ald die Keckheit der
Waliſer wiederum die Landesgrenzen tberfchritt. Harold. hatte
1083.
ſich überzeugt, daß dieſe Feinde über die ‚Grenze zuruͤckzutrei⸗ |
ben nie den Frieden ficherte, daß feine bisherigen Mittel der
Kriegsführung ihm aber Leine größern. Erfolge gegen - diefes
Veicht bewegliche, zähe und in feinen Bergfchluchten und Waͤl⸗
dern unverfolgbare Volk geftattete. Er hatte: daher einen Theil
feiner Truppen an die dürftige Nahrung der Waliſer gewöhnt,
fie mit leichten Spieffen und lebernen Panzern und Helmen bes
waffnet, und felbft mit diefen zu Fuße. vorrücdend, den größern
Theil der Berittenen zurldlaffend, verfolgte ex unermüdlich bie
Balifer, welche dem Fräftigen Ernfte und der Ausdauer aͤhn⸗
lihe Zugenden entgegenzufegen nicht . gewohnt waren. Die
Malifer flüchteten nach allen Seiten und wurden bis in bie
Schluchten und Höhlen vom Snowbon verfolgt; Griffith ent⸗
fchlüpfte Taum den Händen feiner Gegner und entfloh auf
einem Schiffe. Harold ließ feinen Palaft zu Rudhlan (Flint)
und die Schiffe des walififchen Fürften in Feuer aufgehen, bes
gab fich auf feine Flotte zu Briſtol und umfchiffte den größten
Theil von Wales, während Zoflig vom Norden her ‚mit feinen
Reiterfchaaren die Öftliche Grenze des Landes durchzog. Wo
1) Guil. Malmesb. de vitis ponific. l. UI. c. 1. Simson
Dunelm. ad a. 1061. Gaimar. va. 5099 sq.
2) Guil. Gemet, L VII. c. 31. | )
heilſam entgegengewirft hätte, jebt aber nur eimige-
1064,
Bofallen wurden mit feiner Herrfchaft von Eadward Mi
G
524 | Fünfte Abtheilung.
Harold im Lande gefiegt hatte, wurden große Denkyfale mh)
der Inſchrift: „Hier fiegte Harold" errichtet. Doc uhe
die prahlerifchen Denkmäler bezeugen bie Erfolge ben gutc
Ernft diefes Krieges. Die Waliſer entfegten und v
ihren Unterkönig, fanbten dem Könige Eadward *
gelobten alle fruͤher auferlegten Tribute zu entrichten. 7
aur die welche Waffen trugen, fondern felbft Suchen
in folchen Mafien niedergemeßelt, daß fich bald ein 2
Männern in Wales zeigte und Heirathen ber alien
Englänbern, biöher nur feltene Ausnahmen, vom —
ſtattet wurden; eine Maßregel welche, früher allgemein un
genfeitig genehmigt ‚ ber verberblichen Trennung beiber 5
Sprache und Kirchenferte geſchiednen Volksſtaͤmm
Brauen nach England brachte, während das ——
vorzuͤglichſten Eigenthuͤmlichkeiten Bis. zum heutigen 2
wahrt hat. Dem bewaffneten Waliſer welcher ie
Offas⸗Walles fich bliden. he, wurde nach Harolds Bi
zechte Hand abgehaum. So fehr geichwächt woaren. Mi ”
fer, daß-fie ſelbſt fpäter den Angelfachlen gegen mi
ſchaftlichen Feinde feine erhebliche Hulfe zu leiſten
und unter bie Herrſchaft jener ſich lange beugten. Im ig
Jahre wurbe der unglüdliche Griffith von feinen oil
Unterthanen ermordet . und fein Haupt nebft dem SAME
feines Schiffes dem flolzen Sieger gefandt, der fie ml
Königs Füßen legte‘). Zwei Stiefbrüder des abi
welchem fowie auch dem Earl Harold fie ide ber: A
ſchworen, duch welchen letztern wir erkennen, daß HM
Herzogthum, wie das deutſche Staatsrecht gefprochen WM
würde, Norowales umfaflte, ſowie Othos das FÜ
Cornwaless. Doch blieb in Suͤdwales noch immer I
daͤmpfter Muth und Haß gegen die Engländer, weihe F
bald wieder zeigte, als Harold für den König ein J
1) Ingulph. ada. 1063, Florent, äd a. 1063 et 1066 4
saxon, Giraldus Cambrensis de illandibalib. Walliad WA
apud Wharton Anglia sacra. Joh. Sarisber. de mo m
ium , VI. c. 6.
Rüdtehr und Untergang ber angelf. Dynaſtie. 525
zu Portaschth (Monmonth) errichten ließ, welches Garaboc, ber 1065. -
Sohn eines. von jenem norbwalififchen Griffith . erfchlagnen
gleichbenannten Fuͤrſten von Suͤdwales, zerftörte und Arbeiter
und Gefinde niedermepelte.
Harold befand ſich verrmithlich damals in der Normanbie;
eine Tpatfarhe ‚welche, ba nicht mehr deutlich zu erkennen ifl,
was in fpätern Zeiten ihr zugebichtet fein mag, zu ben bes
ſtrittenſten der engliſchen Geſchichte gehoͤrt. Daß dieſes der
Zeitpunct war, iſt nur wahrſcheinlich); doch darf dieſer Um⸗
ſtand hier als gleichguͤltig betrachtet werden. Harold verließ
ſeinen Familienſitz zu Bosham, um den Herzog Wilhelm, ſei⸗
nem Bruder Toſtig verſchwaͤgert (Beider Gemahlinnen, Judith
und die Herzogin Mathilde, waren Toͤchter des Grafen Balduin
von Flandern), aufzuſuchen) und ihn zu veranlaſſen, feinem
Bruder Wulfnoth und feinem Enkel Haco, Sweyns Sohn,
welche Godwine zu Geifeln für fein und der’ Geinigen Betras
gen dem Könige Eadward geftellt hatte. und welche biefer zu
größerer Sicherheit unb als Sewährleiftung für feine Erben
jenem anvertraut hatte), die Freiheit wieberzugeben. abs u
ward foll ihm zugleich den Auftrag ertheilt haben, dem He
zoge Wilhelm die DVerfiherung zu bringen, daß er ihn zum
Erben der englifchen Krone beſtimmt habe. Solche ‚Botfchaft
bebaupteten die Rormannen*) von’ Harold, ber dem Herzoge
1) Nach Wace fand diefe Keife glei nah) Godwines Tode ſtatt;
Die eigentlichen angelfähfifhen Quellen mit Florenz u. A. ſchweigen
ganz über biefelbe und das angeblich von Eadward dem Wilhelm vers.
riehene Erbrecht.
2) Rach Andern wurde er nach Flandern ſchiffend, ober gar zufällig
auf der See verirrt, an die normanniſche Kuͤſte verſchlagen. S. Hun⸗
tingbon, welder auch diefen Vorfall in das 3.1054 fest. Malmesb.
Snorro af Haraldi Hardrada c. 78. |
5) Ingulph. Guil. Pictav. Eadmer. histor. novorum 1. I.
Roman de Rou II, 101. 107. Florent. ad a. 1087. Auffallend ift,
daß Wilhelm von Jumieges fowie auh Orbericus Bitalis
dieſer Geiſeln nicht gebenken.
4) Guil. Pictav. Wace 14, 108. Guil. Gemet. VIL «3
Nicht aber bei Eabmer, bei welchem vielmehr, was Wace auch auf
nimmt, ber König den Harold warnt nicht zu Wilhelm zu gehn.
536 Fünfte Abthetlung.
von Eadward Schwert und Ring brachte‘), vernommen zu |
haben, als er, von England herüberfchiffend. und zu Ponthien
durch Sturm an das Land 'getrieben, vor dem dortigen Grafen
Guy von Abbeville nach der Sitte des barbarifchen Strandrechtes
gefangen und im den Thurm zu Beaurain geworfen, durch |
‚Herzog Wühelms Fräftige Verwendung befreiet oder Tosgekauft
und von bemielben ehrenvoll aufgenommen war. Hätte Cab: |
warb jene Geifeln dem Herzoge wirklich, wie biefer es be |
bauptete, als Gewährleiftung für die ihm beflimmte Thronfolge
erhalten, fo wäre folcher Auftrag denkbar. Doch waren Bil
helms Anrechte an den englifchen Thron fehr entfernt und |
lediglich von Ymme, der Mutter Eadwards, ald Schwefter dei |
Großvaterd des Herzogs, hergeleitet, eine Verwandtſchaft welche,
auch abgefehen von der unchelichen Geburt Wilhelms, vielem
kein Erbrecht auf England verleihen konnte. Harold hatte ebenfo J
wenig Ynfprüche auf einen Zhron, für den die Wahl ber Bit:
tigften auf die nächfiberechtigten würdigen Verwandten befchräntt F
war; der Nächfiberechtigte war aber unbezweifelt der junge Äthe
ling Eadgar, Eadmunds Ironſide Enkel. Es erfcheint daher
höchft unwahrfcheinlich, daß der König, welcher den rechten
Erben ‘und feinen Sohn aus Ungarn in ihre Heimat hatte
zuruͤckfuͤhren laffen, fih in den fpätern Jahren feines Lebens
gegen Wilhelm rüdfichtlih der” Thronfolge verpflichtet haben
folte. Wohl aber mag Eadward, als er noch in ber Nor
mandie am Hofe Wilhelms Iebte, Aufferungen haben fallen
Yaffen, welche der Herzog jest gegen Harold, den er in fein
Intereſſen auf jede Weile zu ziehen verfuchte, liſtig benugte?).
Er verlangte von. Harold, daß diefer ihm feine Hülfe zur Beſtei⸗
gung bed dereinſt exledigten Zhroned zufagte, und daß er fowie dit |
1) So das carmen de bello hastingensi, welches dem berühmten
Lanfrank wohl ohne Grund zugefchrieben iſt, von Perg in einer brüffe
ler Handfchrift entdeckt, abgedrudt in Petries Sammlung Sh.L De
Verfaffer gibt ſich durch die Darftellung mit Galliciimen als Normannen |
zu erkennen; zu legteren gehört: ter quinque dies für, einige Woche.
2) So Eadmers Bericht, welcher überhaupt bie meiften Spum |
innerer Wahrheit in fih trägt. Er ift bei Simeon 3. 3. 1066 auf:
genommen. Ähnlichen Nachrichten folgt P. Langhoft (Robert de |
Brunnes) chronicle.
Rückkehr und Untergang ber angelf. Dynaſtie. 627
Burg Dover mit einem Brummen für ihn einzurichten, ſelbſt noch)
andere Burgen in feinem Gebiete ihm ſchon jetzt einzuräumen,
feine Schwefter einem normannifchen Edelmanne, ſich ſelbſt
bereinft mit des Herzogs Tochter Adeliza zu vermählen geloben
folte; wogegen Wilhelm demfelben den Neffen Haco fogleich, den
Bruder Wulfnoth aber bei feiner Zhronbefleigung freizulaffen,
auch, einer Nachricht zufolge '), mit der Zochter ihm bie Hälfte
Englands zu überlaffen fich erbot. Harold, überrafcht, in ber
Gewalt des gefährlichften Gegnerd, welcher. kuͤrzlich des an
Aain, dem Herzoge von Bretagne, begangnen Meuchelmorbes
angeklagt war, verfprach was ihm abgebrungen wurde. Doch
Wilhelm, durch dieſe Zuficherung nicht beruhigt, berief eine
feierliche Verfammlung feiner Stände nad Bonneville?), ließ
die heiligftien Reliquien in einem Schrein vereinigen und dieſen
- bebeden. Harold wurde fodann von ihm aufgefodert eidlich
feine gegebnen Verfprechungen zu betheuern -und, als dieſer auf
ben bededten Schrein, deſſen große Heiligkeit er nicht ahnte,
gefchworen hatte, mit derfelben, zu feinem. Entfegen über die
fhweren Verpflichtungen, bekannt gemacht. Bor diefer Vers
handlung hatte Harold als Gaſtfreund oder nach derſelben als
Lehnsmann den Herzog auf einem Feldzuge gegen den Herzog
der Bretagne, Conan, begleitet und durch Tapferkeit, Geiſt und
gewandte Hofſitte die Bewunderung der Normannen ſich ers ⸗
worben. Mit kriegeriſchen Ehren und Geſchenken uͤberhaͤuft
kehrte er nach England zuruͤck, wo der König mit Beſorg⸗
niß von ihm das Vorgefallne vernahm ).
1) Guil, Gemet.
2) Guil., Pictav. Nah Bajeur Wace.
8) Die Reife Harolds nach der Normandie, nebft den fernern Vor -
fällen zwifchen Harold und Wilhelm bilden den Gegenftand ber Darftels
- Tungen auf einem merkwürdigen, von Mathilde, der Gemahlin Wilhelms
des Eroberers, oder wahrfheinlicher von Mathilde, der Gemahlin Hein⸗
richs I. von England, oder audy beffen Tochter gleichen Namens, geftickten
großen Teppich, la toilette du duc Guillaume genannt, 210 Fuß lang,
welcher in der Kathedrale von Bajeur jährlid ausgehängt wird. Er
tft ausführlich befchrieben und erörtert von Eancelot in ben mémoires
de l’academie des inscriptions et belles lettres. T. IX. p. 535 (ab
gedrudt in A. Thierry histoire de la conqueste de l’Angleterre I,
36% sq.) T. XII, 369 sg. Ducarel Anglo-Norman antiquities.
lich eingefallen war '). ‚Beides hatte bie größte Unzufriebe
1065.
nen Unterthanen einen Zribut zur Unterhaltung feiner Hitman Ei
‚tric, ein northumbrifcher Edler am koͤniglichen Hofe, di
528 Zänfte Abtheilung.
Die Gefahren der Zukunft erſchienen noch greller up!
ein neueingetretenes unglüdichwangeres Ereigniß. Zofig meh!
wenngleich Sohn einer dänifchen Frau, doch als BWeffacdk if!
feiner Provinz ungern gefehn. Er erhob wiberrechtlic von W
nen oder Hußceorle, und zur Beflreitung der durch de WER
behnung feiner Herrfchaft und die, fürftlichen Verbindungen, bt
welchen er lebte, gewachfenen Ausgaben; während er nicht ang
fie die Sicherheit des Landes gehörige Sorge trug, wie! Ja
während feiner Reife nach Rom König Malcolm von * 4 |
bes ihm geleifteten Brudereides nicht achtend, in fein Land fi
gegen feine Verwaltung erwedt. Um fich im Beſitze dr
zu erhalten, Ichritt ex, fehr auffahrenden Sinnes, zu ten gl
ten Gewaltthätigkeiten: auf fein Anftiften und die Der
feiner Schweiter, ber Königin, waren in biefem —*
terliſt, ſowie Gamel, Orms Sohn?), und Ulf, der S * I
fins, in Toſtigs Gemaͤchern ermordet. Bald nach & —
Michaelisfeſte, als Toſtig bei dem Könige zu Breit —
weilte, uͤberfielen zweihundert northumbriſche —**
fuͤhrung des Gamelbeorn ’) Durſtan, des Agelnoth *
nicorn *), der Söhne des Heardulf, die Haustruppen DE
welche vor ben Angreifenden flohen, aber am —*
zuerſt Amund und Rawenfwart auſſerhalb der Stabt E
fie über den Humber festen komten, zweihundert be
De la Rue r&cherches sur l’histoire de la Normandie. I W {
lichen ſtimmt diefer Teppich mit dem Roman de Rou des Sanınli
von Bajeur überein und Möchte nicht ohne Einfluß —*
ben Andern geblieben fein. Turner und Thierry bemupen er
der zu fehr und vergeffen, daß hiftorifche Erläuterung eines Kunf
bafjelbe noch nicht durchweg zu einer Geſchichtsquelle ſtempelt.
1) Simeon. ad a. 1059, 1061. 3
2) Vermuthlich der ſehr beguͤterte Dann, beffen das E er.
book fo oft gedenkt. *
38) Gamelbur oft im Doomesbapbaok in Vorkſhire ni
T(empore) R(egis) K(adwardi). a
4) Vielleicht daſelbſt Glunier T. R. E,
a
Rüuckkehr und Untsrgang:der angelf Dynaftie s20
Daͤnen ſowie Englaͤnder ‚‚mieberinegelten. Toſtigs Schaͤtze und
Waffen zu York wurden von den Aufruͤhrern erbeutet, und
in einem Witenagemote der ſaͤmmtlichen Thane des Landes :zu_
VYork wurde Toſtig mit allen feinen verderblichen Rathgebern
verbannt, und. Morcar, AÄlfgars Sohn, durch eine. Geſandtſchaft
aufgefodert die Herrſchaft über ihr Land. zu übernehmen. Mor⸗
car trug Fein Bedenken diefem. Antrag zu entſprechen und rüdte : - De
mit der verfammelten Mannfchaft. nach Lincoln, Derby, Nots
tingham: bis Northampton herunter. Hier ſtieſſen fein Bruder
Eadwin und die gewöhnlichen Verbündeten des. Haufed Leo⸗
frics, viele Walifer, zu ihm. : Sie geftatteten ſich mit ihrer
überlegenen. Macht viele Plünderungen und Verwuͤſtungen,
an deren Folgen die dortigen Gegenden noch viele Jahre litten.
Harold. Fam ihnen zu Drford entgegen, Doch vermogte er 1065
Nichts. ald der an ihn ergangenen Auffoderung zu genügen, die 3. Det.
Sache feines Bruders aufzugeben und zum Bellen der allge
meinen Ruhe den König zu bewegen die Wahl. des_Orafen
Morcar zu beftätigen. Vielleicht fpielte Harold eine wenig
brüderliche Rolle bei dieſen Verhandlungen, und feine Gegner
behaupteten, daß er es eigentlich geweſen welcher Toſtig ver
trieben. habe.'); dieſer felbft fcheint feine Anficht getheilt zu ha⸗
ben. Doch wie follte Harold gewinfcht haben. dem Haufe
Leofrich die Macht von halb England zu ertheilen? Dom Kö:
nige wurden hernach die Gefehe feines Vorgängers, Königs
Enut, emeuert”). Toſtig ſcheint noch verfucht zu haben - fich
mit Gewalt der Waffen zu halten; doch wurde er nach weni-
gen Tagen zurüdgefchlagen und floh, mit. feinee Gemahlin
Judith, zum Grafen Balduin von Flandern, fpäter nad St.
Dmer, wo er den Winter: vermweilte und Plane. zur Wieder:
1) Heraldus ipsum exulare compulit. Orderic. Vitalis, Bon
der Feindfchaft zwifchen Harold und feinem Bruder in den früheflen Jah⸗
ren f. Ailredi vita Eadwardi p. 394, welche Erzählung Heinrich
von Huntingdon auf fpätere Jahre überträgt: Der normannifch
gefinnte Wilhelm von Malmesbury ſpricht ſehr hart uͤber Harolds
Verfahren gegen Toſtig.
2) Chron. saxon. ‚Florent. Wir müffen e8 bier. xahingeſtellt
fein laſſen, ob dieſer Act zu Hurtiſhavet geſchah, oder ob die Nachricht
im tractatus de legibus anglicanis prooem. bei Cooper public re-
cords II, 421, auf eine frühere Beflätigung jener. Gefege deutet.
Lappenberg’s Geſchichte Englands I.
‚
\
worden, was srfprünglich na Bünbe‘ war — entwarf: amd
zur · Ausfuͤhruag vorbereitete.
1066
5. Jan.
Vermaͤhlung: mit Alfgars Tochter Ädgitha, der Wittwe be |
Griffith, Das Intereſſe dieſes Earls mit den beiden anden J
welche Englands Macht auf ber Inſel mehr wie je ausbehr |
gibt ein. frühes Beiſpiel von dem aufs den, 2. Merz geſetten Jahen
| Histor. eliensis 1. I. c. 43. Guil. Pictav. Roman de Rou vw.
als einen. Beträger bar, welcher die Umftependen durch die nur von ih⸗
30 Gimſa e Abthritung.: 2.02:
erlangung ſeines Landes an betr Cigenhum war ſchon ‚gb
.:. Waͤhrend dieſes Winters, nachbemn..e er am . Beihnachtfeh |
das neue Wünfter bei Condon hatte . errichten. laffen,. .im.. Au:
fange bed: folgenden. Jahres ſtarb Eadward ')...
Auf feinem Sterbebette:emannte er, auf Anfuchen Feine
Barone, ber. Königin Bruder: Harold zu feinem Nachfolger‘);
eine Wahl welche er für die feinem Lande zuträglichfte hal⸗
ten. durfte, da auch durch Toſtigs Entfemung und Harold |
maͤchtigſten Maͤnnern des Reichs enge verknuͤpft war.
Der ſchwache Charakter Eadwards hatte ſich in feine
ganzen Regierung ſo deutlich an den Tag gelegt, daß alı |
Froͤmmigkeit und Güte, weiche ihn ſchmuͤckten, ihn nicht in
den Augen der Völker ald achtungswerthen Regenten erfcheinn F
Laffen konnten. Wie ſollte die Maſſe je einen Mann "acht, |
welcher dem gegen ihn frevelnden Landmann erklärte, er würk
ihn beftrafen, wenn es feinem Gefühle möglih wäre? Geh
der Heilige fol Kräfte zeigen, wenn auch nur im ertragen
Leiden oder übernatürlihen Wundern. Doc. fcheinen nich
alle Fehler feiner Regierung ‚den Zeitgenoffen fich fo fehr grel
dargeftellt zu haben. Auch die übrigen Staaten. Exrope
pflegten damals, mehr von einigen Herzogen und Grafen di
den Koͤnigen felbft regiert: zu werden; ein nachtheiliger. Einfluf
herrſchſuͤchtiger Geiſtlichkeil pflegte wichtiger zu fein, als er be
Eadward dem Belenner hervortrit. Wenn ex felbft:auch nick
kämpfte, fo erfochten in feinem Namen tapfere Feldherren Siegt,
1) Das sax. chron., welches feinen Tod noch in das J. 1065 feßt,
anfange.
2) ©. die Ode im chron. saxon. .h. a. Florent; Eadmar.
10880 sq. ‘Orderic. Vital. Nur Snorro a. a. D: 'ftellt Harel
angeblich bernommene Grbeseinfegung kaͤuſchte.
aaa WE ia ta a
“u
Rldtehr und Untergang. der ange. Dynaftie. 531
Bei biefem Waffenglüͤck gegen auffen Fonnten, ohne
he Beſorgniß für die Unabhängigkeit des Reichs, die gäbe
renden Hefen austoben, welche die daͤniſche Unterdruͤckung dem
Lande zuruͤckgelaſſen hatte, und bie alten ſcheinbar gebroche⸗
nen Kraͤfte des nationalen Theiles der Bevoͤlkerung ſtaͤrkten
und erprobten ſich. Dabei wollte. Gadward. nur das Gute und
Befte feines Volks; ihm ward das feltene Glüd, alte druͤckende
Abgaben aufheben zu Finnen, Bein Vorwurf befledte feine
Rechtspflege. So iſt es alfo wohl: erflärlich, wie. des from:
volles wurde, befonderd wenn bie ber. feinigen porangehenden
und nachfolgenden Regierungen in. Betracht gezogen wyrben.
Der blonde blaudugige Eadward war ber legte angelfächfifche
Hersfcher. aus Gerdicd und Wodand Stamme; fein Name, die
Geſetze Eadward des Belennerd wurden daher Symbol der
geſammten angelſaͤchſiſchen Verfaſſung. Mit feinem Todes⸗
jahre: endete. die. Jugend Englands, gleich der des Präftigen,
begabten Juͤnglings, welchen bann einige Unbehülflichkeit und
Misgeſchick ſchwer drüdten. Die theuern Jugenderinnerun⸗
gen, dad Beflreben ihnen treu zu bleiben, find die Freude
nd Mi de
und der. Stüßpunct fpäterer Jahre, endlich werden die fremd⸗
artigen, feindfeligen Einflüffe befiegt, und in der Fülle der
männlichen Kraft zeigt ſich vollendet was der Juͤngling er-
firebte. So haben die Seefahrten der Angeln und Sachſen
ihr Biel gefunden in Canada und zu Galcutta, wie Caedmons
Lied durch Milton herrlicher ſtrahlte; fo find Eadward des
Bekenners Gefege die Grundlage, auf welcher die altdeutfche
bisher ein Volk hinfälliger Sterblicher umſchlungen hat.
Harold II. |
Der Bufland des Reichs bei Eadwards Tode war , durch
Die von mehrern Selten zu erwartenden Anfprüche auf bie
Krone, fo fehr gefährbet, daß die Sicherung beffelben die größte
Eile erfoderte. Da Eadwards Ende feit einiger Zeit‘ erwartet
war, fo hatten die Großen des Reichs dringende Veranlaffung
gefunden, zu der Feier des Weihnachtöfeftes und der Einweihung
des neuen Münfter fich in der Nahe des Koͤnigs einzufinden.
34*
\
—
‚men Eadwards Andenken bei den Angelſachſen ein fehr liebes |
Berfaffung fi zu dem herrlichften Bunde geftaltete, welcher _
TTS ETF
vechtmäßige Anfprüche auf die Krone, wegen des im ang
fiichen Staatörechte anerkannten Grundes feiner Jugend
. berüdfichtigt werden konnten, erhielt die Graffcaft 9
Harold begann mit größter Umficht und Thaͤtigkeit fir
ganze Reich zu forgen, wie er "bisher in feiner Provin M
‚ währt hatte: firenge Gerechtigkeitspflege, Einführung %
. Einrichtungen und Gefeße, Sicherheit der Landſtraßen, d
Sorge für die Herftellung des Kriegsweſens, Schut m)
guͤnſtigung der Geiftlichkeit, alles dieſes wurde von I
1) A totius regni primatibus electus, Florent. Han. d
1. II c. 48., wo fich alles das über Harold, was Floren ih
der angelfächft ifchen Chronik überfegt, mit ben Worten bi I"
findet. Daß Harold die Krone nicht wider den Willen der Dogud
bielt, wie Wilh. von Malmesbury und einige normannift
fteller (nicht Wace) behaupten, welche von ‚Harold nur fpredien 4
gen über ihn vorzubringen, zeigt bie Unterftägung, welde er *
2) Hear. Huntend.
8) Daß er von Gtigand gekrönt fei, verbreiteten bie nörmel
Sntriguen, um feine Krönung ald ungeweiht barzuftelln, }
Ordericus Vitalis ©. 492, der, ob er gleich beffer untere
weſen fein muß, es ſich auch erlaubte Zoftig als den ältern Seh
wines, von dem jüngern Sohne Harold ans dem väterlichen Er
fer vertrieben, barzuftellen. So auch Goil. Pictav. Behr |
|
N
Rädteht und Untergang des. angelf. Dynaſtie. 533
fein hohes Amt lange ſchon vorbereiteten Koͤnige arwartet, ver⸗
heiſſen und wirklich eingeleitet. Uber ſeine Fähigkeiten zu ber
Regierung, die Kraft mit welcher. er feine Talente entwidelte,
ift felbft unter feinen Gegnern, welche ihm ſo viel Ungänftiges
"anzubichten fich bemühn, dennoch nur eine günftige Stimme ').
Im Norden des Reichs zeigte ſich anfänglich. eine durch
Toſtigs Anhaͤnger heryorgebrachte unguͤnſtige Stimmung; doch
die Anweſenheit Harolds, welcher nur von Wulfſtan, dem Bi⸗
ſchofe von Worceſter, begleitet. nach York eilte, bewirkte, die
befriedigendſte Anderung”). Toſtig hatte ſich vielleicht mit
Herzog Wilhelm, ſeinem Schwager, und dem Grafen Balduin
von Flandern, feinem Schwiegervater, verbindet um des Erſte⸗
ren Anſpruͤche zu unterſtuͤtzen, da er fuͤr jetzt die Unmoͤglichkeit
einſah, ſeine eigenen Hoffnungen auf die Thronfolge zu ver⸗
wirklichen. So laſſen uns wenigſtens die normannifchen Be⸗
richte fchlieffen; die englifchen und nordiſchen jedoch erzaͤhlen
von. Handlungen, welche die Vermuthung erweden, daß To⸗
flig, ald er Kunde.von Wilhelms feſtem Entfchluffe, ſich Eng⸗
lands felbft’zu bemächtigen, erhielt, ſelbſt diefes Land ober einen
Theil defjelben zu erwerben befchloß 9. Noch im Aprilmonate
erfchien Toſtig mit einer beträchtlichen Flotte und vielen
Flamländern bei der Infel Wight, wo er Geld und Proviartt
raubte, und ging von dort nach Sandwich, um bafelbfl ebenfo
zu verfahren und Matrofen zu preffen. Harold vernahm um:
terbefien, daß auch Herzog Wilhelm eine Landung in England
beabfichtige, und brachte ein größeres Heer aus Fußvolk und
Schiffen zufammen, ald England je gefehn hatte. Als er auf
Sandwich zurüdte, verließ fein Bruder diefen Ort, wo er
felbft dann verweilte um feine Flotte fi) dort verfammeln zu
fehn, ging dann nach Wight um daſelbſt die Rüfltungen in den
1) Orderic. Vital. p. 492 B. Erat enim magnitudine et
elegantia viribusque corporis animique audacia : linguae facundia
'multisque facetiis et probitatibus admirabilis. ©. auch Roman de
Raou II. vs. 10710 sg.
wm ©"
2) Guil. Malmesb. de vita S. Walfstani ed Wharton
Anglia sacra II, 253. ——
3) Auch Adam von Bremmiv, 14. Tosä — cum —R
sibi ereptum audiret. . oo
1066
8. Sept.
4
534 - Shnfas: Asrheitungsti: cn ©
make. Häfen zu deodadten und Vyttheitte ſeine Trup⸗
pen am ben Kuſten des Landes. Den ganzen Sommer erwar⸗
‚tete er dort feine Feinde, wohlgeruͤſtet, doch als die Lebens⸗
mittel fehlten‘), ſah ex: ſich guzwungen einen großen Theil des
Heeres nach Landesgebrauch zu entlaſſen, und ging darauf ſelbſt
nah London, wohin ’er' auch die Flotte ſchiffen ep, von der
. jedoch :ein großer Theil durch Stürme unterzing.
Toſtig, nachdem er eine Niederlage durch "feinen: ehemaligen
Statthalter Northumbriens, Copſi, bei oder auf dee Inſel Tha⸗
net erlitten. Hatte?), war mit ſechszig Schiffen zur Mündung
des Humber gefegelt: und hatte von dort aus das Land Lind:
fey verwuͤſtet, ward aber: bald von den Grafen. Eadwin ımb
Morcar aus dem Lande getrieben und von feinen Seeleuten
verlaſſen. Er ging jetzt mit zwolf Beinen Schiffen zum Rs
nige Malcolm Canmore welcher ihn und die Seinigen freund
lich aufnahm und den Sommer hindurch bewirthete. Toſtig
hatte den Koͤnig der Daͤnen, Sbend, vergeblich aufgefodert mit
ihm ſich zu einem Kriegszuge gegen England, jene alte Pro
vinz der Dänen’), zu. vereinen‘). "Do beſſer gelang ihm
dieſer Wunsch: bei dem im 'vlelfachen, wunderbaren Abenteuem
in Europa und Aſien verfuchten Könige Harald Hardrada
Sigurds von Norwegen Sehne‘). Toſtig feheint ſich hie
für ben naͤchſten Thronberechtigten und den NAlteſten Sohn
y Chron, saxon. tha Waes manna metsunge agan; von Ingram
falſch überfegt: when the provisioning of the ‚men began. Schon
Florenz hat richtig: victu deficiente.
2) Gaimar vs. 5160 sg; vgl. Simeon Dunelm, hist, eccles.
c. 14.
\ 3) Anglia Danis ex antiquo subiecta est. Adam. Bremens, IV, 14.
4) Snorro a. a. ©. Eap. 81. Snorro ift in den folgenden
Eapiteln dieſer Sage eine fehr werthvolle Gefchichtäquelle, welche, bis
“auf einige Abweichungen in den angelſaͤchſiſchen Namen, mit den engli⸗
fhen Quellen genau übereinftimmt, doch viele ‚Intereffante Umftände
allein mittheilt.
5) Es ift auffallend, daß alle englifche Geſchichtsquellen dieſem
König den Beinamen Harfagar geben, ihn mit dem älteren "Könige bie
fes Namens verwechfelnd. Doc hätte Palgrave (history I. c. XV.)
dieſen Irrthum, der ſchon von Andern bemerkt war, nicht wieder⸗
holen ſollen.
Ruͤckkeht und Untergang Ber-angelf, Dynaſtie. 585,
Godwines Nusgegehen zu: haben. . Dem: nerwegſſchen Bönige
verhieß: er Die: Hälfte, von’ Erigland ). Während. des Sons
mess imytnbe: eime: norwegifiche: Flotte "non : einigen: ¶ hunder Se⸗
geln xausgeruͤſtetz an der Kite. Schottlands traf dieſe mit
Toſtig zuſammen imd den gleichfrills verbuͤndeten: Jarlen der
Srcaden, Pad imd Edcling, Thorfiuns Soͤhnen, fowie.auch
ſchottiſchen bdaͤniſch⸗ iriſchen Schiffen). Sie lanbeten im An⸗
fange des Septembers bei Scarborough, welche. Stadt. fie nach
einem harinädigen Kahl mit den Bürgern verbrannten“)
Der. König: von England‘ hatte, wie er. bie norwegiſcheLan⸗
dung vornahm, fieben: Heerſchaaren) gufammiengezogen, um
nach Zum Norden zu marſchiren, doch langte er nicht fruͤh
genug an um die Grafen Eadwin und Morcar, welche von
den Norwegern und Flaͤmingetn⸗ zu. York überfallen zugeben); 1
zu.:uinterfiligen: In einim ſehr blutigen Gefechte, deſſen 20.
Wahlſtaͤtte bei Fulfors noch.'nach Jahrhunderten im, Süden
der Stadt gezeigt iſt), wurden bie: Grafen ‚gefchlagen.. Nicht
nur ımzählige Laien, guch viele: Geiftliche, deren Gefinnung
mit ihrem :Erzbifchofe fürr Harold war, fanden. ihren :2od ?).
Wenige Tage nach diefem Unftille erreichte das: Heer des enge
liſchen Harold Tadcaſter, wo er :auch - feine Flottesveriamntelte,
Hardrada und Toſtig lieſſen Ni: Seifen geben und verſprachen
9 Theodorieus c. 28 Snprröl, } c. 77: Saxo. Gram-
maticus. Ordericus Vital, 'p. 493.D. Chron: saxon., jagt. gar:
Tostig him to beah et his man- wearth. Die andere Hälfte wäre dann
für Wilhelm beftimmt geweſen. Tosti subditus est ei, ‚Hunteni.
Haraldus vehit in Angliaın regnaturus, Marian. Scot. Zu I
Gnorro ſagt 200° norwegifche Kriegsſchiffe. Cbron. '8axon.
nimmt bie vereinte Flotte auf mehr als 300. an. Die Angabe. dep. Si:
meon über mehr als 500 narmwegifche große Schiffe iſt daher wohl fehr
übertrieben.
u 3) Die Schottifche Hülfe iſt nicht nur wahrſcheinlich, ſondern wird
auch gleich der iriſchen von Adam von Bremen IV, 14. erwähnt.
. 4)» &norro Gap. 86.. Die Zeitbeſtimmung f. b. Marian. Scot
:-. 9 Marian. Scot, aus weihen Sigebert u. Ur
6) Chron. saxon. und Snorro Cap. 88, een Vene: üüge
einfinmend an. — En Eee Ze
- T)ı Bimpon. Huntend. el J ee
8) Marian, Scot.
536. 0,9 7 Fünfte Abtheilung.
dem Lande Frieden und Schutz, wenn deſſen ‚Krieger ſie ſuͤd⸗
waͤrts begleiten wollten um das Reich zu erobern. Mit die
fen PManen befchäftigt hatten fie bie Stedt York verlaffen und
waren, ohne felbft die ihnen ‚geftellten Geifeln mitzunchnien '),
nach dem nur etwa eine Meile. entfernten Stamforbbridge am
Derwent gegangen. Das englifche: ‚Heer mit dem Könige in
York, dem Sige des Erzbifchofs Ealdred, fehr guͤnſtig aufge
1066 nommen ,: uͤberraſchte am Montag, den 26. September 2), das
25. Sept. feindliche an jenem Orte, als die Fuͤrſten deſſelben im Begriff |
waren. nach York zurüdzutehren um neue Beamte: einzufegen, |
Lehne zu vertheilen. und bie neue Eroberung nach unbefchränfte
Herrfcher Weiſe fich ganz. zuzueignen. Die Grafen Paul mb |
Erling waren :.bei den Schiffen zuriidigelaflen, .ald Hardrada
und Toſtig auf ihrem Marſche vor ſich Staubwolfen empor
—wirbeln ſahn, welche Letzterer für:.:dte Anzeichen neuer, ihnen
ſich anſchlieſſender Freunde hielt. Als aber die engliſchen
Truppen erkannt wurden, rieth Toſtig vorſichtiger mit dem Ks
nige, welcher für den Kampf nicht geruͤſtet war), zu den
Schiffen ſchnell zuruͤckzueilen und mit den daſelbſt zurüdgeblie
benen Schaaren ſich zu vereinen; doch Hardrades kuͤhner Rath
wurde befolgt, drei raſche Streiter abzufenden um die Zuruͤd
gebliebenen herbeizuholen. Hardrada ließ alſo fein Kriegsban
. ner, Landeyda (Berddung des Landes) genannt, aufrichten.
Neben biefem blieb et mit feinem ganzen Kriegögefolges; das
Fußvolt wurde in eine, große kreisfoͤrmige Linie geſtellt, Schild
an Schild, die Speere vor ſich in die Erde und dem Feinde
entgegengeſteckt, um den Angriff der feindlichen Reiter abzu⸗
halten; die leichten Bogenſchuͤtzen wurden dahin geſandt, wo
1) Die Lesart des Florenz fagt, daß fie alle 150, bie des Si:
meon, baß fie von 500 Geifeln 150 in York gurüdtieffen. |
2) Rach dem chron. saxon. fünf Tage nad St. Matthäi Abend
oder nad; Florenz VII. Kal. Octobr. Daher der Irrthum der nor
mannifchen arififelkr, VII. Octubr., den Palgrave erneuert. Auch
Snorro Gap. 90. gibt genau an: Montag nad St. Matthät und
‘Cap. 100. neungebn Zage vor ber Schlacht bei Haſtings, welche auf
den 14. October fiel.
$) Araldum imparatum absque loricis invenit. Marian. Scot.
Ähnlich Saxo Srammaticus p. 207 neglectis corporum muni-
mentis,
'
Ruͤckehr und Untergang der angelſ Dynaſtie. 537
feinblicher : Angriff beſonders drohte, Harold, mit den flarfen
Schaaren engliſcher Fußvoͤller und: Reiter. vorruͤckend, erblickte
ſchon einen norwegiſchen Fuͤhrer im hellblauen Mäntel und
mit glaͤnzendem Helme auf ſchwarzem Roſſe bie: feindliche
Schlachtlinie muſternd. Das flürzende Roß warf den Reiter zu
Boben.: „Wer iſt,“ fragte Harold, „jene Rieſengeſtalt, welche
vom Pferde niedergeworfen iſt Und vernehmend, Daß‘ ed ſein
koͤniglicher Gegner war, rief er ſeinen Schaaren zum. Beginn
der Schlacht, wo ein: gluͤckliches Wort oft fe tiefen Eindruck
macht, zu: „Ein ſtattlicher Mann, aber wahrlich, ihr ſeht, daß
fein Gluͤck ihn ſchon verlaffen: bat“ ne LOREE re 1 1 .
Toſtig hatte: feine Banner in: einer Anbern Gegend. des
Felded aufgeſtellt. Ein Fähnlein: von zwanzig engliſchen
Thingemannen oder Husceorlen, ſelbſt ſowie ihre Roſſe ganz
mit. eiſerner Ruͤſtung umſchloſſen, ritt auf ſein Heer zu und
fragte nach Toſtig, ihm eine Botſchaft von: feinem Bruder zu
verkünden. „Wiſſet, daß er hier weilt“, entgegnete der Earl
ſelbſt. „Harald der: König", erwiederte der Neiter einer,
„jendet die Gruß und dieſe Botfchaftr Frieden und ganz
Northumbrien bietet er dir an: ja,:um-dic als feinen Buns
-deögenoffen und Freund zu fichern, iſt ein Drittel von ganz
England ihm Fein zu hoher Preis.“ Zoflig bePlagte,. daß
biefer Vorſchlag ihm. nicht fruͤher, che: fo vieles Blut vergoflen,
gemacht feiz doch. erfundigte er ſich, welchen Erfag. dem Has
rold Sigurds Sohn fuͤr ſeine angewandte Muͤhe werden ſolle.
— „Bon Englands Erde. ſieben Fuß, oder fo viel mehr als feine
"Länge die anderer Menfchen überragt," war bed Geharnifchten -
Antwort. Darauf‘ der Earl: „So reitet denn zu eurem Herrn
zuruͤck und laſſt ihn zum Kampfe fich ruͤſten: denn nimmer
fol e8 glaubwürbige ‚Sage ber Rormannen werden, daß Earl
Toſtig ihren König in. Zeindes Landen verlaſſen habe. Mit .
einander wollen wir England erobern ober ehrenwerth fterben.”
Hardrada tadelte Zoflig, als er vernahm, jener Wortführer,
ber nicht große Dam, beffen feften Sit auf dem Pferde er,
9 Snorro Cap.93. Dieſer erzoͤhlt auch, daß der Fürft von
Norwegen, die -Befinnung nicht verlierend, ſogleich ausrkef: ein. Fall
weiſſagt den Reiſenden Heil! Theodor ich erzaͤhlt entgegengeſetzt, daß
er geaͤuſſert habe: daß der Fall eine boͤſe Vorbedeutung ſei.
Englänber ſich gegen ihre Feinde ermannten und Kellafir
griffen. Des normegifchen Koͤnigs Tupferkuit, weihe
Berſerkerwuth ſeine Feinde um ſich herum vernichtete, hatt
Seinigen vielleicht zwieder begeiſtert, doch traf ihn ein vech
nißvoller Pfeil am Halſe, welcher ihm ſogleich toͤrtete
Joſtig ſtellte ſich jetzt zum Landeyda, einen: ziveiten, fi
allen: Norwegern ‚gemachten Friedens antrag auf deren Del
abweiſend. Auch. ex. ‘fiel mit" Loͤwenmuth kaͤmpfend.
Schlacht fchien fir England. gewonnen, als Eyſtein Im,d
Liebling Hardradas, dem sr feine Tochter: Maria verlt ba
mit den Kriegern : von den Schiffen eintraf und ar MM
WDreffen begann. "Der unerſchuͤtterliche Muth, eined Tunf
welther an dem. Bruͤckenkopfe ftand, hielt die nbring
Engländer lange auf und er toͤdtete 40: derſelben mit ſi
Streitart; Fein. Speer traf den gewandten Käufer, DE
lich ein Engländer, in einem: Boote unter die Bridch
end, ſchlau ihm von dort her. eine toͤdtliche Wunde ki
gen wufſſte). Keine Tapferkeit der Verbuͤndeten konte
den Mangel an Ordnung und Kriegszucht erſetzen. De?
fand. die. Englaͤnder als Sieger, die: bedeutenden Art
welche zum Zreffen: gekommin waren: <:alle erſchlagen
Dee? König von Irlande wird unter’ den: Getöbteten: genai
min. aahblairhteen Mal Ana IASAI "Stine mann nad nad
ee 2 eg: *
-
2 Shel —— ——
nn
u — *
nt DE
R = — *
Te
ii gt, 7
u N er
.
H
0
uf
Ih
‘
Lu
i
9
Ye
,
_
Ru ckkehr und Untet gang Bersangeif, Dynaſtie. 539
fange ımter -bem-: Namen bee’ Schlachtenbruͤcke (pons "belli)
bekantit'tgengefen.: Olav, den Bohn: des norwegiſchen Ko⸗
nigs yy den ihn beglritenden Biſchof, fowiei'den Grafen der
Oreaden, Paul, verſchonte der. Sieger. und: ließ.fie; nach :geges
benen Geiſeln und abgelegten Eiben;: miteden Überreſten ihres
Heeresauf:eimmdzwanzig :Schiffen heimkehren. Die Beute
welche den Siegern in: die Haͤndefiel,“ war [ehrt bodeutend;
unterderſelben fol eine große Maſſe Goldes geweſen ſein,
welche der norwegiſche König von ſeinen Kriegszuͤgen in Oſten
heimbrachte und welche jetzt dem Könige von England, ſpaͤter
ſeinem Nachfolger zufiel?). Harolds unzeitige Sparſamkelt
machte: viele feiner Anhaͤnger ungehalten ?) und wändte ſie von
ihm ab, zu einer Zeit als er treuer und fefter : Geſinnungen
ſehr bedurfte.
Toſtigs ‚Schäge \ ‚waren nicht i in’ das Feldlager gebracht,
ſondern ſeinet Gemahlin Judith, welche bei ihrem Vater zu
Bruͤgge verweilte, anvertraut. Ihre Hand und ihre Reich⸗
thuͤmer erhielt ſpaͤter (1071) Welf IV., der. Sohn Azos und der
Kımigunde, der Stifter der juͤngern welfifchen Linie, deſſen
Söhne Welf V. und Heinrih der Schwarze nad) einander
das Herzogthum Baiern befaßen, von welchem: erlauchten:
Stamme das: Haus bes jetzigen Königs von England. feine
Abkunft herleitet ).
Haroldukonnte ſich feines Sieges nicht erfreuen; ihn bes |
untuhigte die Ungewißheit über das was im Suͤden bes
Reichs ‚vorgefallen fein mogte. Herzog Wilhelm hatte, feit
dem er die Nachricht vom Tode des Königs Eadward erhals
ten, nur auf die Eroberung bed nach ber von ihm verbreite:
i) Chron. saxon. nennt noch einen anbern Sohn des Rönigt Het:
muhd, was wahrfcheinlich nur. ein Irrthum iſt.
2) Schol, ad Adam. IV, 14. Annal. Saxo ad a. 1066, wo
jedoch Judith für die Gcmahlin des Harold gehalten wird, und fich au
die Sage findet, daß jenes Gold durch fie an Welf gelangt fei. .:
8) Marian, apud Higden.
4) Anonym. de Guelphis nennt Judith regina, wodurch Gib-
bon (miscellanesüs works II.) verleitet fein mag dem Toſtig ben
Töniglihen Titel zu ertheilen. ber’ Zubithe Stiftungen, Begrabriß zu
Weingarten u. A. f. orig. guelphic, Ir, 268 sg. Ä
\
tel auf, bald knirpfte er ihn wieder zu. Schucicu
auf der Seine nach feinem Palaſte zu Rouen zurk, wi
ſtaunenden Hofleute den: Zürften zu befragen nicht ww
Nur der ſpaͤter ankommende Seneſchall, der einfſluſreiche
helm von Breteuil?), Sohn des früheren Seneſchalb DE
wuſſte fein Stillſchweigen zu brechen, inbem er von be
errathenen Urfache befjelben zu ‘fprechen begann. *
Wuͤnſche reiften durch Fitz⸗ Osberns Vorſtellungen je |
fhlüffen, deren Ausführung ‚mit der größten Befomahe
bereitet wurde. Gefandte wurben an Harold entbotm; m
an bie dem Herzoge gegebenen Berfprechungen zu ent
zu: deren Erfüllung aufzufodern. Eine derfelben, die der
lung mit Adeliza, des Herzogs Tochter, hatte dem IM
ger Tod unmöglich gemacht. Als Harold jene Aueh
ablehnte und, auf die Drobang eines Kriegs, nımmle
bie legten: in England zuruͤckgebliebenen Normannm m
nem Reiche jagte I fo erklärte Wilbelm feinen Bridemn.
N über das Zunäcftfolgende iſt der Roman de Rou Dei
ziehende Quelle. La chronique de Normandie (bei Bouquet
iſt nur die etwas verbreiterte Nachbildung von jenem. Thier:
misgegriffen, daß er die Letztere zur Grundlage feiner Gryählum
und diefe wiederum mit manchen unverblirgten Zügen ausſchni⸗
UN met. ah Ale 2. nn... an un
. Rüdtehe und-Unterghmg"seo wngelf. Dynaftie. 541
dem Bifhofe von Bajeur,. und Robert von Moretatrie (fpäter
-Earl von Cornwales), fowie. feinen: Ibrigen ‚mächtigern Bafal:
len, Robert, Grafen von Eu, : Richard, Grafen von Evreur,
Roger - von Montgomery (ſpaͤter Earl von Atundel und
Shrewsbury), dem Senefchal Wilhelm, Sire von Breteuil
(fpäter Earl. von Hereford), Gautier Gifford, Grafen von Lon⸗
guemar (fpäter Earl von Budingham), Roger von Vieilles,
- Site von Beaumont, Yvo, Schwager des Herzogs und Her⸗
luins Sohn, welche alle er in einer Capelle verfammelt hatte,
den Plan feine Rechte auf England zu. erfechten, auch die ihm
durch die Ermordung Alfreds einft widerfahrne Beleidigung
ſowie die Verfchmähung feiner Tochter zu rächen, falls fie zu
der Heerfahrt übers Meer ihre Zuſtimmung ertheilten. Die
Paits, denn fo dürfen wir die hier Verhandelnden wohl bez
nennen, waren willig ben ‚großen Gedanken bes Fürften aufs
zufaffen, Doch ‚erfuchten fie diefen feine fämmtlichen Barone
wegen biefer wichtigen Angelegenheit zuſammenzuberufen. Diefe
Verſammlung, auf welcher mehrere Hunderte von Theilneh⸗
mern waren, fand auf einem Hoftage zu Lillebonne ſtatt.
Der Herzog hielt hier fein Parlement). Die ſchon gedachte
"Mittheilung wurde ruhig angehört; doch als diefer die Barone
zur Berathung allein gelaffen hatte, erhoben fie viele Einwens
Dungen, fo fehr auch Fitz⸗Osbern fie zur Nachgiebigkeit mit
teiftigen Gründen und ſchoͤnen Worten zu bereden fuchte. Sie
ſeien arm und durch viele fruͤhere Huͤlfen und Steuern ge⸗
druͤckt; uͤbers Meer zu ziehn koͤnne dem normanniſchen Ritter
oder Buͤrger kein Herzog gebieten; Harold dagegen beſitze
große Schaͤtze, mit denen er Freunde, Heerfuͤhrer und Koͤnige
in ſeinen Sold nehmen koͤnne; ſein ſei die groͤßte Flotte, ihm
dienten zahlreiche und die erfahrenſten Seeleute, deren Geſchick⸗
lichkeit und Muth in vielen Stuͤrmen und Kaͤmpfen bewaͤhrt
ſei; auch fein Landheer ſei viel zahlreicher als das der Nor⸗
mannen, welche in Jahresfriſt nicht die erfoderlichen Schiffe
und Ruderer zuſammenbringen koͤnnten; ein ſolches Unterneh⸗
men uͤberſteige ſelbſt die Macht des roͤmiſchen Kaiſers ; die
1) Der Ausdruck kommt ſchon bei dem Aufſtande der normendiſthen
Communen vor. Roman de Rou vs, 5984.
4
die normannifche Ritterſchaft war dieſes Mal ih
‚gefangen und ungeſtuͤm widerſetzte fie ſich jetzt, doch
der angemutheten Verdopplung -der Lehnspflicht, welche
kommen und Recht werden koͤnne, als der Leiſtung der Kr
huͤlfe nach einfachem Maßſtabe. Während ber Landtag, |
das Streiten felbft ſchon nachgiebiger geworden, durche
dertobte, ließ der Herzog bie. Barone einzeln zu fig 4
und vertrug fich, unter Verwahrung der ‚alten Reste de
ben, mit ihnen über die Zahl der ihm zu liefernden md A
mannenden Schiffe. Die Geſammtzahl derſelben bit:
beinahe auf 700, wie der Vater des poetilcen
Robert Ware, ald Augenzeuge berichtete. Meit did %
ben flimmen auch Liften, welche über die Beitraͤge de MR
nen großen Barone vorhanden find, ziemlich übereh,
wirde die. von Andern angegebene Zahl von 3000
auch wenn die Heinften Boote mirgerechnet werden, (GM
zu rechtfertigen fein ?).. Als der Herzog die Bewiligen
ner Stände fich gefichert hatte, ließ er in ben
1) Guil. Pictav.
2) Wace fagt 6965 bie von Taylor (on Gavelkind),
in Littleton history of Henry II, book I. appendix, belar
under OA. VOL WELLE “hau nad an WA len
Rückkehr und Untergang ber angelſ, Dynaſtie. DEI
Staaten Ritter und Soͤldner auffodern die Eroberung‘ Eng
lands mit ihm gegen“ reichen Sold; ſtaktliche Geſchenke und
engliſche Laͤndereien zu unternehmen. Mit groͤßter Auſtrengung
wurden die Schiffe gezimmert, Waffen und Vorräthe eitigft
herbeigefchafft.. Die. Streifigkeitei mit der: Bretagne wurben
fiegreic; beendet. "Viele .angefehne:. Bretoung; Atlan, der. Graf
von Ponthieore '), und fein Bruder, der: Graf’ von Leon (Beibe
Söhne des Herzogs::Eudo ‚von der Bretagne), .:die Sires Yon
Dinan, Vitry, Raoul von Gael?) und: manche Andere aus
Diefem Lande, . fowie: aus Maine, Anjou, Ponthieu ?), .Boie
logne, Letztere unter ihrem Grafen Enftag, folgten dem Kiieg&
rufe. „Sehr ‚baute Wilhelm auf .die Unterflügung, welche er
zu feinem Zuge Bei Dem Könige von Frankreich, Philipp I, zu
finden hoffte; doch ber .jugendlihe König, auf dringendes
Anrathen feiner Barone, welche die Übermacht des Mitvafallen
eiferſuͤchtig fürchteten, fchlug dieſes Anliegen gaͤnzlich ab, ohme
jeboch die Folgen der Siege Wilhelms fcharf genug ing: Auge
zu faffen, um. durch eine zeitige Verbindung mit...Hurold.den
franzöfifchen . Landen Jahrhunderte von Kriegen zu erfparen.
Selbſt des ‚Herzogs Schwiegervater, Graf Balduin V. von
Flandern, da: ihm kein beftimmter Antheil an dem zu erobert
den Lande zugefichert werben follte, enthielt fich einer unmit-
telbaren Zheilnahme an jenem. Zuge, wenngleich er felbft Has
rold durch falſche Nachrichten täufchte, um . Wilhelm. zu beguͤn⸗
fligen, und. ‘die ſtets beweglichen, . zu allen Gewerben des
Kriegs wie des Friedens gleich berufenen Flaͤminger hier ſo we⸗
nig als bei irgend . einer merkwuͤrdigen aha | des Mittelalters
fehlten 9.
1) Bol. Daru Geſch. der VBretane I, 106; Fr Hab
2) Später Graf von Norfold und Euffolk, unter bem Namen
Ralph Waher oder Guader befannt. ©. Plouquet zum. Roman de
Rou JI, 247. Ellis.I, 471.
3) Burgunder und andere Gisalpiner führt auch Orderie. Vital.
494. an, der. gern feine Vorgänger in, Nachtichten uͤberbietet. Spieren
ſpricht gar von Piemonggfern.
4) Doomesdaybook nennt bes Grafen Neffen, den veidsbegüterten
Gifelbert von Gent, Drogo von Bevreire, bie Slaminger drgo, Die
Walter, Winemar u u. A. .
KRuͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 545
Endlich im Monate Auguft war ‘die Zlotte zu St. Valery
verfammelt; doch widrige Winde hielten fie dort vier Wo⸗
chen auf. Der. unerwartet günftige Zeitpunct zu einer Lan⸗
dung, welchen ‚die Entfernung Harold und der englifchen Flotte
aus den fühlichen Häfen darbot, fchien zu verſchwinden; ber
Unterhalt des großen Heeres von mehr als 50,000 Kriegern
wurde fehr fhwierig, und die biöher gehanbhabte Strenge der
Difeiplin war kaum länger zu behaupten’). Schon begannen
die Krieger ungebuldig zu werben, den Zweck dieſes Zuges zu
verdammen, deſſen Gefahr fich darzuftellen. Da ließ der Her
zog die Reliquien des Schußpatrones jener Stadt, bed heil.
Valerius, in einer Proceffion herumtragen, um die unruhige
Maffe zu zerfireuen und zu ermuthigen. Der nächfle Sonnens -
untergang brachte den günftigften Wind, und der ungeflüme
Herzog ließ jest durch Die Herolde alle Krieger am Ufer und
auf. den Schiffen, fogar ohne Herbeifchaffung. ihrer Habe und
Diener, ſich eiligft. ſammeln. Ad der Morgen fernhin zu
daͤmmern ‚begann, gab eine auf dem Mafte des Admiralſchiffes
angezündete Lampe das Zeichen, die Trompeten fchmetterten,
umd bie auffteigende Sonne fah vor dem frifchen Hauche des
anbrechenden 27. Septemberd dad Gewimmel unzähliger Schiffe
fi) auf der Rhede entfalten und auf das hohe Meer hinbes
wegen. Das Schiff, die Mora genannt, welches den Herzog
und die geweihte Standarte trug,. war. ein Gefchen? der Her:
zogin, feiner Gemahlin; am Kiele war von Kupfer ein Knabe,
welcher mit gefpanntem Bogen zielte. In der folgenden Nacht
war das fchnellfegelnde Schiff des ungebuldigen Herzogs rafch
über die gewaltigen Meeredwogen fortgeeilt, und. am folgenden
Morgen. meldete der Matrofe vom Maftorbe herab, daß ex
ringsum nur das Meer und die Luft erblide. Der Tod des
Abenteuerd iſt die Furcht; die Anker muſſten ausgeworfen |
anlaffung dar, welche ber übefenbe der aricoeſahne ſchwerich unge:
nutt ließ.
1) Guil. Pictav. P. 197 B. Stipendio ipsius millia militum
quinquaginta alebantur — Militibus et hospitibus abunde sumptus
administrabantur. Später p. 199 D. werden Wilhelms Krieger auf
60,000 angegeben. Ord eric. Vital, p. 500 B. vergrößert bie Zahl
wohl ohne Grund; quinquaginta millia militum cum copia peditum.
£Eappenberg’s Geſchichte Englands I. 3
MVVV D ⏑ —⏑ — Ba
29. Sept. uͤber 1100 Jahre nachdem C. Julius Caͤſar die — —
ebenſo weit über 600 Jahre nachdem Hengiſt dic
dieſes Land, um es zu beherrſchen, geführt hatte.
von 60,000 Mann wurde jetzt and Land gefekt,
gewohnt, nach Beute begierig, unter einem Führer, a
und Geifteßgegenwart unerfchütterlih war. Als =
fig das englifche Ufer betrat, flolperte er, und die =e3
erſchraken uͤber das Vorzeichen, doch. jener beruhigt I
„Bei Gottes Glanze“ — fo pflegte er zu fchwören ⸗—
mit den Händen von dem Lande Befig ergriffen,
nicht wieder geraubt werben; ganz iſt es unfer" i) —
manne lief fogleich zu der nächften Hütte, brachte⸗
aus dem Dache geriffene Stüde und vollendete de =
tete Schaufpiel der feierlichen Befisnahme. Der 4%
reich begüterte Normanne Robert, der Wimarca EIFM,
ihm die Nachricht von Harolds Siege bei Stainforbönk
und warnte ihn, nicht ohne Hohn, vor deffen drohender
macht ?); aber der Herzog lehnte diefe Weiſung ruhig eb,
ihm 10,000 Dann von feinem Heere zur Eroberung de |
des genügen würden. Die Schiffe ließ er fofort auf beit
ziehen, abtafeln und unter fichere Obhut flellen, damit =
‚Beige fie zur Flucht miöbrauchen, noch: die englifche Flak
Nüdtehe und Untergang der angelf. Dynaftie. 547
Harold feierte zu York den Steg Über bie Norweger und
Zoftig, als ein Ritter, welcher Tag und Nacht von Haflings
bergeritten war, ihm die Nachricht von ber Ankunft und bev
Groͤße des feindlichen Heeres brachte. Schleumigft eilte er, die
errungene Beute bem Exzbifchofe von York, Aldred, anvertrauend, ' "|
nach London, die Söldner mit fih führend und gab die Bes
fehle zur Zufammenziehung der Landwehr. Doch: war biefe
nie fchnell gerüftet, Nortbumbrien konnte nicht ganz von Trup⸗
pen entblößt werden, welche er dem Vicegrafen Merleswain
anvertraut). Seine Schwäger, die Earle Eadwin und Mora
car, blieben zuruͤck und mögen mit Andern fich abfichtlich einem
Kampfe ferngehalten haben, deſſen Beranlafjung fie misbiligs
ten, wie Harolds eigne Schwefter, König Eabwarbs Wittwe ?),
es that, deſſen Erfolge fie miötrauten und deſſen günfligftes
Refultat für Harold fie vielleicht nicht wünfchten ). Es ſchei⸗
‚nen ihm daher viele von ben 100,000 Mann ‚gefehlt zu haben, |
welche die Normannen erwarteten, und um fo würbiger ers
fcheint die Zeftigkeit, mit welcher er den durch den Mönch von
Becamp, Don Hugo Margot, nad) vielen vorangegangnen. Ders
handlungen ihm gemachten Antrag abwies, dem Herzoge bie
Krone abzutreten, felbit aber dad Land jenfeit des Humbers
zu behalten, während fein Bruder Gurth alles von Gobwine
beberrfchte Land erhalten folle *); ebenfo den Vorfchlag, ſich zum
Zweikampfe mit Wilhelm zu ſtellen, oder dem Papſte die Ent⸗
ſcheidung des Streites zu überlaffen, erſteren vielleicht in dem
klaͤren, daß Wilhelm gleich nad) der Landung bie Flotte zerftört habe.
Wilhelm: von Pottiers gedenkt ausdruͤcklich der custodia navium,
Diefer läfft aber auch den Herzog fagen: ad effugium nullam viam pa-
tere; illinc pontus (alſo feine Schiffe?) et arma. P- 201, Anliches hat
carmen de bello hastäng. |
1) Gaimar vw. 5355.
%9 Wilhelm von Poitiers ©. 19,
9» Florent. h. a Morcarus et Edwinus cum suis se huic
certamini ‚subtraxerunt. Roman de Rou vs. 12877. D’ultre li Hum-
bre n’i vint gaires, Quer cil orent altres affaires; Daneiz (d. h. Nor:
wegen) les orent damagiez E Tosti les ont empiriez.
4) Roman de Rou vs. 12856 24. |
35 *
548 u Bünfte Abtheilung.
nicht eingeflandnen ) Bewuſſtſein des unbefonnenen ober tri-
geriſch gegebnen und gebrochnen Wortes als Gottesurtheil
fuͤrchtend. Selbſt Gurth war von folcher Beforgniß betroffen
und bat den Bruder den Kampf benen zu überlaffen, welde
den Normannen gegenüber ohne Schuld und Berpflichtung
fländen; er mit den braven Landöleuten. wollte für ihn fiegen,
fiele er aber, fo fei Harold dann ja noch übrig, um ihn zu
rächen und bad Gluͤck beö Kampfes zu verfuchen ?).
Auch Harold hatte einen Geifllihen an Wilhelm abge:
orbnet, um feine Anficht ihres Streites ihm darzulegen. Der
liftige Herzog hatte. dieſen Mönd vor dem Lager getroffen
und, fich für einen Vertrauten des Herzogs ausgebend, ihm den
Inhalt feiner Botfchaft abgeforfcht. Auch darin von Harold
verfchieden, ‚welcher Wilhelms Sendeboten zomig und ſchnoͤde
aufnahm und felbft gemishandelt haben foll, empfing er, nad:
‚dem ex fich auf eine Antwort vorbereitet, feierlich die Botſchaft,
durch welche Harold dem Herzoge jebed Recht auf England,
welches biefer aus der frühern Schenkung Eadwarbs herleiten
wollte, ableugnete und fich dagegen wegen feined eignen u
tes auf des verfiorbnen Königs letzten Willen ſtuͤtzte.
mächtniffe der Sterbenden anzuerkennen und aufrecht ‚zu el
ten, fei, feitbem Auguflin die Lehren ber vömifch = chriftlichn
Kirche nach England gebracht habe, allgemeines Gewohnheit
recht dieſes Landes geworden. Wilhelm wuſſte dieſe Behbau |
tung nicht zu ‚widerlegen, berief fi aber auf die früher
Schenkung, welche von den Magnaten des Königs, dem Erzbi:
fchof Stigand ſowie den Earlen Godwine, Leofric und Siward,
eidlich bekraͤftigt worden ſei; eine Angabe welche, da drei
der hier ge enannten Männer längft, Siward fogar fchon vor
Eadgar Athelings Heimkehr verftorben, ſchwer zu widerlegen
war, boch ſtets fehr verdächtig bleibt. Mehr möchte für Wil⸗
beim zu fprechen fcheinen, daß er ben gZwift der Entfcheidung,
nad normannifchem oder engliſchem Rechte, beiden Völkern
1) Selbſt Wilhelm von Poitiers S. 201 Hält Harold für
unbefangen und in ber Verblendung der Herrſchſucht keiner Schuld ſich
bewuſſt.
2) Malmesb. p. 100. Die normanniſche Entfietung diefes Bor:
res ſ ſ. im Roman de Rou vs. 12150 s2q.
‘
Ruͤckkehr und Untergang der angelf. Dynaftie. 549
anheimzugeben und fich dem Ausfpruche derfelben zu unterwer-
fen erbot; ein Anerbieten worin, bei der unbeftreitbaren Unfäs
higfeit des Königs fein Reich zu vergeben, wohl nur die Zus
'verficht Wilhelms auf bie Abneigung mancher engliſcher Macht⸗
haber gegen Harold fi ich erblicken laͤſſt ').
Die Normannen hatten fich unterbeffen bei Haftings feſt
verſchanzt und verheerten von dort aus die umliegende Gegend
ſo ſehr, daß dieſelbe nach zwanzig Jahren noch wuͤſte und oͤde
log’). Die Nachricht von dieſen Freveln gab Harolds Schrit⸗
ten Slügel, und ſchon am 13. Dctober traf er bei feinem in
Eilmaͤrſchen herbeigerudten und durch von König Spend ges
fandte daͤniſche Hülfsteuppen ?) vermehrten Heere ein, welches
auf den Hügeln unweit Haflings fich gelagert hatte. Dennoch
war kaum die Hälfte des von allen Seiten Englands gegen
die verhafften Fremden aufgebrochnen Heeres vereinigt, "und
die Dänen wurden unbrauchbar, da fie nicht gegen Herzog
Wilhelm felbft fechten zu wollen erklärten. Eine Flotte von
700 Schiffen hatte Harold nach den ſuͤdlichen Häfen gefandt,
um die Schiffe des Herzogs zu bewachen und bereinft den Bes
fi iegten den Rüdzug abzufchneiden. Er hoffte die Feinde durch
einen Angriff in der folgenden Nacht oder doch beim folgenden
Tagesanbruch zu uͤberraſchen. Seine Angelſachſen und die
Soͤldner ſtaͤrkten ſich durch Speiſe und Trank, und man vers
nahm ſie die ganze Nacht hindurch jubeln und die hergebrach⸗
ten Trinkſpruche ausbringen. Die Normannen hatten Has
rold8 Ankunft nicht erwartet, und eine beträchtliche Schaar
derſelben war an dem Tage audgezogen, um Lebenömittel zu
1) Des Wilhelm von Poiti ers Bericht uͤber die verſchiedenen
Botſchafter lautet ganz verſchieden von dem des Roman de Rou. Will.
Malmesb. hat Beide vereinigt. Wiederum anders bichtet carmen de
bello hasting.
2) ©. die Beweife im Doomesdaybook. Ellis I, 314 sg. Auch
Harolds Truppen fcheinen viel Land oͤde gelegt zu haben, und die auf
Wilhelm jedenfalls irrig übergetragene Antwort (Matth. Paris), daß
er das ihm gehörige Land nicht zerftören wolle, gebührt dem Harold,
wenngleich von feinem Gegner (Roman de Rou vs. 12065 sg.) nicht in
der ſchoͤnſten Auslegung erzählt.
3) Guil, Pictav. 201 D. Copiosa auxilia miserat eius cognata
terra ‚Danorum.
—
550- Füänfte Abtheilung.
fuchen. Doch bald war Wilhelm von berfelben benachrichtigt
und traf Anorbnungen gegen einen Überfall und auf ben am
naͤchſten Tage zu erwartenden Kampf, fowie ex durch geiftliche
Übungen, unter dem Beiſtande der Bilchöfe von Bajeur und
Coutance und zahlreicher nonnannifcher Geifllichen, ſich und bie
Seinigen vorbereitete‘). Der Herzog ſelbſt empfing daS heilige
Abendmahl. Beim Anbruch des Tages hielt er eine Anrede
an fein Heer, bis Wilhelm Fitz Osbern ihn, -zum Kampfe
mahnend, unterbrach). Er warf dann fo eilig den Panzer um,
daß er ihn anfänglich verkehrt anlegte, welcher Misgriff in dem
ſchickſalsſchwangern Augenblide Schreden zu verbreiten drohte,
aber von ihm fogleich als Gegenſtand des Scherzed aufgefafit
wurde ?). Doch huldigte er dem frommen Wahne ber Seins
‚gen barin, daß er die theuren Reliquien, gegen welche Harold
Eidbrüchigkeit gefrevelt hatte, um feinen Hals hing, als die
. zuoverläffigen und ımbefiegbaren Bundesgenofien feiner Sadı.
Eine wichtige Sorge des Herzogs war für die geheiligte Fahn—,
doch Raoul von Condes und Walte: Giffard weigerten fih
das ehrenvolle Amt anzunehmen, um auf dad Kämpfen nidt
verzichten zu dürfen; dem Zouftain dem Weißen, Rous Sobe
aus dem Ländchen Caur, wurde dad geweihte Banner amw
traut, befjen flandhafte Erhaltung ihm und feinen Geſchlecht
bad rühmlichfle Wappen und reiche Beſitzungen brachte‘).
Diefe Fahne blieb bei der dritten Heeredabtheilung, den Nov
mannen, von Wilhelm felbft befehligt; die erfie Schaar, unter
Roger von Montgomery und Wilhelm Fit Osbern, enthidt |
bie Krieger von Boulogne, einige Picarden und die Miethötrups
pen; die zweite aber die von Poitou, Bretagne und Maine
unter Main Tergant und Aimery, Vicomte von Ihouars. Das
1) Guil. Pictav. Roman de Rou. Will. Malmesb.
2) Von einer Anrede an fein Heer haben wir drei angebliche Be
richte, welche durchaus verſchieden von einander lauten: bei Wilhelm
‚von Poitiers, der fie felbft nicht für authentifch gibt (etsi notis
non ex tota dignitate sua relatam), bei Wace und bei Heinrid |
von Huntingdon.
3) Guil, Pictav. Wace vs. 12635. Malmesb.
4) Roman de Rou vs. 12770. Ellis I, 497. s. v. Turstinus
fl. Rolf,
'
Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 551
Heer der Normannen unterſchied ſich von dem der Englaͤnder 5
befonder8 durch befjere Reiterei, in welcher Letztere fehr zurüds
geblieben waren, während jene fogar eine große Anzahl guter
Roffe über dad Meer mitgebracht, ferner auch durch wohlge⸗
übte Bogenfchügen. Das englifche Heer war größtentheild mit
Streitärten bewaffnet, in deren Gebrauche es ſich auszeichnete;
doch entbehrten viele in demfelben eigentlicher Kriegswaffen und
waren nur. mit Kolben, eifernen Furken, Schleudern und Knuͤp⸗
peln geruͤſtet. Sie umgaben ſich, auf einer vortheilhaft gelegnen
Hoͤhe enge in keilfoͤrmiger Schlachtordnung zuſammengedraͤngt,
mit Palliſaden und ihren Schilden gleichſam wie in einer Burg,
die Standarte und der Schutz des Koͤnigs und ſeiner Bruͤder
wurden den Baronen und Buͤrgern von London anvertraut;
die Kenter, nach altem Heldenvorrechte, ſtanden vor der uͤbri⸗
gen Schlachtordnung, um den erſten Streich zu fuͤhren. Die
Normannen ruͤckten heran, Harold erwartete ſie kuͤhn und ru⸗
hig, doch als ihre großen Maſſen, beſonders die Reitereiſchaa⸗
ren ſich entfalteten, haͤtte ihn bald ſeine Faſſung verlaſſen, da
er Eeine fo große Anzahl der Feinde beforgte und, durch einen
Brief des Grafen Balduin von Flandern getäufcht, die ‚der
Berittenen am wenigften erwartet hatte. Man hörte die An-
gelfachfen Gott und ‚Chriflum anrufen: Halig rode, halig
eruce, maehtig God! Sogleich entbrannte der Kampf auf
drei Stellen, die Trompeten, Zinken und Hömer hallten von
den Hügeln wider, und die Normannen begannen den An⸗
griff. Der erſte Schlag war durch einen edeln, kunſt⸗ und
fangreihen Ritter, den das Gefchmeide bed Waffenſchmids wie
das des Dichters zierte, gefallen; Taillefer war der Name,
unter dem dad Heer ihn kannte‘). Er hatte vom Herzoge
ſich diefe Sunft erbeten und ritt vor demfelben her, mehrere.
in der Morgenfonne ftrahlende Schwerter fpielend in die Höhe
werfend und auffangend, und mit laut binfchallender Stimme
das Heldenlied von Roland und dem großen Karl, Oliver und
1) Carmen de bello hasting.: Histrio cor audax nimium quem
nobilitet — nimium Iacisor fer. Henr. Huntend. Wace vs.
18149 sg. Gaimar. vs. 5278 u. Nichts Anderes als Taillefer iſt
der Name bes Meifters Hans Tallhoͤfer, von deſſen Kampfrecht f.
Dreyers vermilchte Abhandl. Th. I. \
552 Suͤnfte Abtheilung..
den Zapfern, welche zu Ronceval gefallen, fingend '). Er
ned der Schwerter war nicht in feine Hand zuruͤckgefallen, doch
war es geſchickt geworfen, ein engliſcher Bannertraͤger von
demſelben getroffen ſank zu Boden. Mit dem zweiten Schwert
hatte er nicht fchlechter gezielt. Der Schreden welchen diee
kuͤhne That perbreitete, war dem erften Angriffe der Norman
nen günftig, doch währte es nicht lahge bis fie von Dem flar
ken Arme der Angelfachfen zurhdigedrängt wurden; Das heran
ruͤckende Fußvolk der Feinde ward zerftört, ‚viele normannifde
Reiter flürzten in einen verbedten Graben. So .groß bie |
Tapferkeit einzelner Normannen war, fo unermüdlich Herzog |
Wilhelm, Bifhof Ddo und andre hochgeftelte Männer in be
geiſternden Reden und im hartnädigften Kampfe fich bewähe |
ten, fo fiegte dennoch die größere Einheit und Ord nung be
Angelſachſen. Der ganze linke Fluͤgel der Feinde, welchen die
erſte Heeresſchaar oder die der Bretons mit den Soͤldnem
bildete, floh; ſodann auch die dritte, der Kern des. Head,
welchen Wilhelm angeführt hatte. Er felbft wurde nicht ge
ſehen; das herrliche fpanifche Roß, welches eine von St. Jap
di Compoftela heimgekehrte Pilgerin ihm. aus Galicien mi
gebracht hatte, hernach zwei andre Roſſe?) wurden dem ik
nen Kämpfer an jenem Zage verwundet; man hielt ihn fü #
erſchlagen. Graf Euflaz- von Boulogne rettete ihn aus de
feindlichen Schaaren ’). Hier bewährte ſich die vereinte Kalt |
blütigkeit, Energie und der Schnellblick des Feldheren, der Reiche
zu erobern verfuchen durfte. Er eilte mit zuruͤckgeworfnem
Helme zu den Fliehenden, gab ſich zu erkennen als lebend und
zuverſichtlich ſiegend; ihrer Ehre, ihrem Antheile des Sieges
bat ex fie nicht zu entſagen und unvermeidlichem Verderben ſich
ſchmaͤhlich zu überliefern. Kaum hatte er dieſe zum Stillſtand
gebracht und gegen die Engländer gewendet, fo fanden fich viel
1) Roman de Rou vs. 13151 sg. Malmesb. 1. III. c. 1. Die
Etelle bei Wace widerlegt den Turner history ‘of England T, IV. |
p. 319, welcher unter dem Rolandsliede eins vom normannifchen Rollo
‚Verflanden wiffen will...
2) Das zweite wurbe getroffen durch filius Bellois, vir celer et
facilis. Carmen hasting.
3) Carmen hasting.
l
Ruͤckkehr und Untergang der. angelf, Dynaftie. 553
Tauſende derſelben zwifchen jenen und bem zweiten normannis
fchen Corps eingefchloffen, welches der Herzog, den wilden Uns
geftüm der Verfolger wahrnehmend, mitten zwifchen die vers
folgenden Engländer und. deren alte Schlachtorbnung hatte
vordringen laſſen. Die in unbehülflichfter Enge eingefchloffe:
nen englifchen Truppen ‚wurden jest erbarmungslos von. der
überlegnen Anzahl der Feinde mit:Pfeilen, Speeren, Schwer:
tern niedergemegelt. Der Angriff wandte fich fofort gegen
das Hauptheer der Engländer. Die Pfeile der Normannen,
in grader Richtung abgefchoffen, verfehlten die höherfichenden
; Engländer; Wilhelm gebot höher zu zielen, viele Pfeile brach⸗ |
ten tödliche Kopfwunden, und Harold ſelbſt wurde an einem
Auge getroffen. Doc war die fefle Stellung der Engländer
nicht zu erſchuͤttern: wenn auch franzoͤſiſche Reiter die Schlacht⸗
linie an einer Stelle glaubten durchbrochen zu haben, ſo war
die Luͤcke ſogleich wieder durch die im Hintergrunde aufgeſtell⸗
ten Krieger ergaͤnzt. Schon war die dritte Nachmittagsſtunde
gekommen, als Wilhelm, erkennend, daß es ihm unmoͤglich ſein
wuͤrde die feſten Mauern der angelfächfifchen Schlachtordnung
umzuwerfen, ſich der fruͤhern guͤnſtigen Wendung der Schlacht
erinnernd, ſein Heer den Ruͤcken wenden und ſcheinbar fliehen
hieß. Mit ungebändigtem Siegesjubel verliefen jegt die Anz ,
gelfachfen ihre Reihen und flürzten, in viele kleine Schaaren
ſich vereinzelnd, von ihrem höhern Stanbpuncte in die Ebene
herab, hinter den nach allen Seiten eilenden Feinden voll Hoh⸗
nes ber. Da erfcholl der Ruf der normanniſchen Hörer, die
Feinde. wandten fih um, die Reiter derfelben fielen in den
Rüden der zerfireuten Engländer, deren Tod und Niederlage
entfchieden war. Von der Zapferkeit.. einzelner Angelfachfen
wird Manches berichtet, doch find die Namen derfelben uns -
von ben normannifchen Zeitgenoffen nicht aufbewahrt, welche
nur der zum Theil fehon früher gedachten und andrer erlauch-
ter Namen ihres eignen Volkes hier gedenfen. Wilhelm felbft
fuchte Harold auf dem Schlachtfelde, um mit ihm zu fechten;
ſtatt ſeiner begegnete er einem durch Tapferkeit ausgezeichneten
Englaͤnder, den er ſiegreich darniederlegte. Doch noch immer
flatterte ſtolz wogend die engliſche Standarte, um weiche her⸗
um ein Kern des Heeres unbeſiegt focht. In jedem Augenblicke
»y — WETTE 07 7 — mw. wy yo. .. ww... v
gelang und das Reich der Enkel Cerdics war nidt |
Harold, Gurth und Leofwine waren neben derfelben af
und Suffer, die Wiege der Größe des Godwineſchen $
war deſſen Grab geworden. Das neurömifche Banner m
vor den Normannen an die Stelle des englifchen aufgpf
und dad Banner bed legten angelfächfifchen Königs db
ſchenk nah Rom gefandt. Die Normannen weh |
mit unerbittlicher Verfolgung der Engländer befhäfff |
ven, Üibernachteten auf dem Schlachtfelbe; Wilhelm de 61
ver felbft in einem Zelte, welches ex dem geweihten beiſen
sundehft hatte errichten laſſen. Der längft erfgelee I
biefed Ortes vor der Schlacht war Senlac '); Wihan!
wie in England ſchon König Cnut feine Schlachtfelder ga
hatte, eine reich begabte Abtei daſelbſt errichten, mit
Namen la Bataigle, Battle Abbey führte. Der Geh
bezeichnete die Stelle, wo König Harolds und hemah
Dapftes Fahnen aufgepflanzt waren. Die Pergamentrole
zu St. Valery aufgenommenen Liften der Krieger, we
Herzog nach England begleiteten?), wurden bafelif &
1) Daher richtig bei Orderic. Vital. von biefer Schlaf:
lacium bellum. Dog ſchon Wilh. von Malmesbury nmtf
m Nu. S.ı ..
Rudkehr und Untergang ber angelf. Dynaftie. 555
hängt, und reiche Stiftungen aufeinander gehäuft, damit bie
Lampe nie erlöfchte, die Gebete nie verſtummten, welche das
Seelenheil der tapfern gefallenen Normannen fördern und die
Dankbarkeit und Demuth der glüdlichen Sieger preifen folls
ten. Alle diefe aͤuſſern Denkmäler, welche die Schlacht zu’
Senlac und die Eroberung Englands, die lebte That der Voͤl⸗
ferwanderung — denn das tft ihre Bedeutung in der Weltges
ſchichte — verberrlichen folten, find nicht mehr. Zerbrödelt
laͤngſt find die Hohen Mauern in Battle Abbey, und kaum find
einige Grunbfleine in einem Sumpfe zu erkennen; noch früher
war ber. Eultus, fir welchen die reiche Stiftung begründet
war, ‚einem reinern Gottesdienfte gewichen; die Nachlommen
ber glorreichften Gefchlechter, welche die Sahrhunderte des Lehn-
weſens verberrlicht haben, find in blutigen Kriegen oder in ber
Verweichlichung des Friedens ausgeflorben; die hohe Bedeu: -
‚tung felbft, welche Herzog Wilhelms ebenbürtige Kampfgenofs
fen in dem erneuerten Reiche und feiner Verfaffung fich er
tämpft und ihre wirklichen und angepfropften Enkel viele Jahr⸗
hunderte hindurch erhalten, auögebildet und den verfchiedenartis
‚gen Bedürfniffen der Zeiten angebildet haben, ift bereits durch
eine politifche Reformation tief erſchuͤttert.
Noch einen Blick haben wir auf das Schlachtfeld von
Senlac zurüdzuwerfen. Die erflen Leichen - welche man gr:
kannte zeigten, wie fehr die Mehrzahl Englands begriffen
hatte, daß die ganze Geſtalt feines bisherigen Dafeins in jenent
Kampfe zur Entfcheldung ftand. In den Eriegerifchen Rüftuns
gen erfannte man den Abt von Hyde und zwölf feiner Mönche.
Eine Leiche aber wurde vergeblich gefucht, ed war bie bes
nach glaubwürbigen Ausfagen gefallnen Königs. Zwei Möndye
die Entſtehung dieſer Liften würde für bie Sefchichte diefes welthiftoris
ſchen Adeld von großem Intereſſe Jein und tft duch das Verzeichniß
ber Tenants in capite zum Doomsdaybook zwar fehr erleichtert, doch
um fo weniger äberflüffig geworden, ba auch viele jener Namen ficy
unter den Afterlehnsieuten der wmmittelbar vom Könige Belchnten
befinden. Doomsday Tann übrigens in der Regel nur die Namen Derer
enthalten, welche die Schlacht bei Daftings gegen 20 Jahre überlebten.
Sehr viele Namen find im Roman de Rou verzeichnet und von Plous
quet erläutert, welche Stowe a. a. D. gleichfalls ertrahirt.
De Rn 3 rn
die Reiche dem Wilhelm Malet, damit fie das Ufer fern
welches Harold lebend mit fo großem Eifer bewachte?),
andern fpätern Nachrichten haben die Mönche von 8
ben Körper des Königs in ihre von Harold geftiftete A
tragen und bafelbft beflattet ). Kine dunkle Sage erhi
bei dem Volfe, daß ihr König noch nicht geftorben, f
vom Schlachtfelde gerettet ſei), in einer Eremitenje
%) Über biefelbef. Waltham Ms. Cotton. Jul. 6. Mt Hı
nr. 8776. Turner history of England T. I. p. 64, uf
die fehr begüterte Eddeva pulchra des Doomesbay hätt. Ellisl
koͤnnte Recht haben, wenn er biefe Identitaͤt verwirft, aber et
zeugt uns nicht, wenn er biefe Eddeva für Aldgithe, Harolds Gen
erflären will. Sollte aber Aldgithe nicht dafelbft (Warwick
als uxor Griffin vorfommen, da bie Normannen nur ben Graf
sold, aber keine feiner fpätern Verhältniffe anerkennen?
2) Guil. Pictav. carmen de bello hasting. Gpäter €
fleller, wie Wild. von Malmesbury, laffen den Herzog dit
Harolds feiner Mutter, ohne ihr Geld anzunehmen, zuſtellen. C
‚ hasting., anftatt Malet zu nennen, fagt: quidam, partim Norn
et Anglus — compater Heraldi —
8) Malmesb. u
4) Zuerft finde ich diefe Sage angebeutet bei Aethelred B
p. 39%: ‚Aut misere occubuit, aut, ut quidam putant, pecit
Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 557
Cheſter lange gelebt habe und in der dortigen St. Johannis⸗
Firche begraben fei. Es ift und fchwer hierin mehr als bie
Sehnfuht des unterdrüdten Volks, den König ihrer Nation /
wieder zu finden, zu erkennen; eine Sehnfucht welche oft in
ähnlichen Lagen die auffallendften Zäufchungen und ben feſte⸗
ften Volksglauben hervorgebracht hat, wobei wir an Sebaftian
von Portugal, den deutſchen Kaiſer Friedrich u. 2. faum zu
erinnern brauchen.
Harold Hiriterließ aus einer frühen, wie es ſcheint, recht⸗
maͤßigen Ehe, obgleich der Name ſeiner erſten Gemahlin uns
nicht aufbehalten iſt, die Soͤhne Godwine, Eadmund und
Magnus‘), ſowie zwei Toͤchter, Gythe und Gunhilde?). Ein
vierter Sohn, Ulf, koͤnnte das Kind der Aldgithe geweſen fein >).
Die Söhne flohen nad) Irland, Gythe zu ihres Waters Vetter
Spend von Dänemark und. wurde mit Waldemar, Czar .von
Rußland, des MWfewold Sohn, vermaͤhlt 9, dem fie den Sohn
Miftiflav- Harold und durch dieſen eine fernere erlauchte Nach⸗
ommenſchaft gab. |
1) Florent. ad a. 1068.
- 2) Capgrave legenda Ang,
3) Florent. ad a. 1037. on
4) Snorro U, 178. Saxo. Wedekinds Noten II Heft 1.
‘
Schöte Abtheilung |
Bon den innen Zufländen der Angelſahſa
4
E⸗ iſt mit gutem Rechte hergebracht die Geſchichte ber Oil
‚ ten an die ihrer Regenten zu knuͤpfen. Wir find zu n
Auffafiungsweife nicht nur durch die Beſchraͤnktheit we
Vertbeilung des überlieferten Gefchichtöftoffs getrieben, Mu)
auch durch den unverkennbaren Einfluß, welchen *
keit des maͤchtigſten Individuums und erſten Reken
der Monarchie auf deren Schickſale zu allen Zeiten *
bat, ſowie durch die Wahrſcheinlichkeit, mittels richüg w
dener Beachtumg ber Zeitgenoffen und Spiegelbilber dr M
weniger einfeitig zu fein, als wenn bie Gefchichte Kdlg &
andere, obwohl an fich wichtigere, doch umfern Augat
wöhnlich ferner flehende Geſtirne der Gefammtentwidiug
geknüpft würde. Jene Methode zwingt freilich, Det
wenn Kürze der Darftelung in deren Plane liegt, 2
fondertee Ergänzung mancher wefentlichen, die Intereſca M
den Bildungszuftand des Volks betreffenden Gegenfläntt, %
xen Auswahl biöweilen willkürlich erſcheint, weil fie bel
oft zufällig erhaltenen und verfiandenen Überlieferungen be
ift, oder auch durch den jebesmaligen Zuftand der Geſchih
ſchung veranlafft wird. f
Die Einficht der Verfaffungen, der Sitten und DEM
turzuftandes des vornormannifchen Englands muß um 1 WM
reicher fein, da in dieſem Lande alle Nationalitäten bei MM
ligen Europas, die Slaven ausgenommen, zufammeit
ae
J
Bon den innern Zuftänden der Angelſachſen. 559 -
Das celtiſche Volksthum iſt nirgends fo lange lebendig geblies
ben als in Großbritannien; das germanifche war nur auf bie
fer Infel vom befiegten Rom nicht geiftig überwältigt und um⸗
zebildet worden, hat nirgends fo früh und felbfiändig Früchte
jetragen und daher fo herrlich fich erhalten; das norbifche iſt
raftvoll aufgetreten und, wenngleich mit bem fächfifchen ver⸗
chmolzen, nicht verloren. Diefen Elementen der Bevölkerung
md Bildung fieht man zu verfchiebenen Zeiten die des Mittel-
neerd durch Römer, chriftlichen Klerus und Normannen in
Itroͤmiſcher, roͤmiſch⸗ Fatholifcher und romaniſcher Form enge
mgefchloffen, während. im abgefchloffenen woalififchen Gebirge.
as britifche Geltentbum, auf den Heineren Inſeln ein ſuͤdli⸗
yes Island nie ausſtirbt. Und dieſes Wolf, laͤngſt Fein Ur:
ol? mehr, vermengt mit den Stämmen von ganz Europa,
um Theil fogar gepfropft auf fchlechtes Pictenthum; und in
tefer gemifchten Bölfervereinigung Feine herrfchende Urfprache,
ondern ein Gemengfel, welches erfi feit der Mitte des vier-
ehnten Jahrhundert eine feftere, aber höchft abgeflachte Form
annahm: dieſes Volk und diefe Sprache beſaßen nach nur
wei Jahrhunderten ben größten Dichter welchen das Men:
chengeſchlecht erkannt hat, bald darauf auch die größte Macht
velche die Welt fah, und die durch vereinte Stätigkeit und
Beweglichkeit vollendetfie Verfaffung, deren Grundgedanken
hren Einfluß auf die Nationen beider Erdhälften vielfach aus⸗
geübt haben und für manches, kommende Sahrhundert noch bes
aupten werben.
Die wichtigften Elemente ber Sprache wie des übrigen
Rechtö= und Eultur= Zuflandes Englands find aber unleugbar
ei den Angelfachien zu fuchen, und auf diefe wird daher, bie
reite Baſis bes. germanifchen Volksthums ſowie die wefentli-
ben Einflüffe anderer Beftandtheile und Eigenthümlichkeiten
urz anbeutend, unfer Burger Umriß fich beſchraͤnken müffen.
Über eine Werfchiebenheit des anglifchen und fdchfifchen
Dialeftö ift, bei dem Mangel erweislich alter Handfchriften, -
iel feftfegen zu wollen, fehr mislich. Die von ben Angeln
1) Bgl. oben Cap. II. S. 77. Ein altes Zeugniß für: ben Unter⸗
hied findet ſich bei dem Angeln Beda (1. II. e. 5.): Caelin rex occi-
[4
500 Sechs te Abtheilung.
zuerſt bewohnten Provinzen waren vor Hengiſt und
Ankunft vielleicht fhon von einem deutſchen Volksſtamm
- bewohnt, unfere Handfchriften dagegen flammen aus: einer
wo Dänen und Norweger jene Landftriche befaßen; am m
zeigt aber, obgleich riefen von den alten Nachrichten ih
Anfiedlung ber Germanen in England nicht genannt wm
deren Sprache: fih ber angelfächfifchen verwandt Die |
fche Zunge hat weder buch den in Britannien zurüdge
nen Gebrauch noch durch die Kirchen: und Buͤcher⸗GSp
bedeutenden Einfluß auf die angelfächfifche gehabt; wohl
finden fich viele germanifche Wörter im Walifiichen m
welche großentheild. angelfächfifcher Nachbarfchaft, Bildung
Herrfchaft ihe Bürgerrecht verdanken, wenngleich Ein
auf eine aͤltere, doch nur unbeutlich erfennbare Berm
ſchaft der germanifchen und celtifchen Stämme hinweiſen
Bon dem angelfächfifchen Sprachfchage ift etwa nur end
tel als dem heutigen Englifch veraltet zu betrachten; db
manifche- Element ift großentheild fo entbehrlich, daß ak
danterei des vorigen Jahrhunderts unter vier Bora Ü
eines von lateinifchem Urfprung einfchwärzen konnte).
Dieſe kurzen Andeutungen über die Sprache geheim‘
einen durch vielfache Analogie bewährten Schluß. auf de
dehnung und die Erhaltung. der: angelfächfifchen Rechtiuh
Erfcheint es gleich folgerecht und geftatfet. glei
Wahrnehmung. derfelben Inftitute.bei allen germanifcen
ſtaͤmmen auf ein hohes Alter derfelben in der heidniſche
und ehe wir den Namen verfelben Eennen Lernen, zu M
fo möchten wir und boch hier nicht erlauben an be
Baſis der Sprache unmittelbar die nicht minder al
bed Privatrecht zu reihen. Es -fcheint unſerm Zwede
meſſener zuvoͤrderſt die Schilderung einiger weia
ſtaatsrechtlichen Verhältniffe an. einander zu Inüpfen, %
in den größern hiftorifchen Erfcheinungen oder. der beh
angelfächfifchen Eigenthümlichfeit und entgegengetreten
dentalium Saxonum, qui lingua eorum Ceawlin vocabater. I
freds des Weſtſachſen Überfegung : Ceawlin, i
1) Turner U, 440 sg. Macintosh history of Eagiet
“ *
Von den innern Zuſtaͤnden ber Angelſachſen. 561.
Hierauf wird von den ben Privatmann näher angehenden
Berhältniffen leichter und verſtandlicher geſprochen werden
koͤnnen.
Staatsrechtliche Verhaͤltniſſe.
Es ſcheint kein germaniſcher Koͤnig unter den Staͤmmen
fich befunden zu haben, welche in Britannien ſich niederlieſſen.
Bei den Sachfen und Ftriefen auf dem Zeftlande finden wir
felbft in fpätern Jahrhunderten noch einen König‘), in den
alten, feften Sigen der Hadeler, Wurften, Dithmarfchen, Oſt⸗
und Nord: Friefen, Stormarn, Holften wurde Fein Koͤnigthum
auf den Freiftant gepfropft. Das Heer neuer Eindringlinge
aber bedurfte des gemeinfamen Oberbefehls, welcher die ver -
einzelten Kräfte gegen die Eingebomen zuſammenhielt. Die
Anführer derfelben werden ſtets Herzoge (heretogas) oder
Ealdormanen genannt, und felbft Alla von Suſſer, welcer
einem Königthume vermuthlich auch die Bretwaldafchaft über
Bie übrigen verbundenen und unterworfenen Eleinen Staaten
werbankte, verwandelte erſt auf dem Boden des eroberten ans
bes bie Heeresleitung über feine Gefährten ober fein Gefinde
in die feiner germanifchen Heimat entlehnte, ' hochdeheiligte
Benennung des Sohnes ded Volks, in bortiger Landesfprache
wyning, (king, Koͤnig)). Der vom Volke durch die Kür
1) Beda 1. V. c. 11. Non enim habent regem antiqui Saxpnes,
med satrapas plurimos suae genti praepositos, qui ingruente belli ar-
=iculo mittunt aequaliter sortes, et quemcungue sors estenderit, hunc
tempore belli ducem! omnes seguuntur, huic obtemperant; peracto
zutem bello rursum aequalis potentiae omnes fiunt satrapae. Pals
grapes (I, 111.) Erzählung von den zwölf Ealdormanen ber Eachfen,
Deren einer zum Heerkoͤnige gewählt fei, beruht auf dem Miöverftande
eines überfhägten Chroniften, des Botho. (chron. picturatum apud
Leibnitz scrr. rer. brunsvic, III, 292.)
2) J. Allen inquiry into the rise et growth of the royal pre- |
rogative in-England. 1830. 8. Rote H. Ein anderer Name ber nors
mannifchen Könige findet fh bei den Burgundern: hendinos (Amm.
Marcell, XXVIII, 5.), welchen fhon 3. Grimm mit dem kindins _
des Ulfilas zufammenftellt. Vielleicht findet jener feine"Erklärung in ber
angelfähfiihen hyndene, .einer freiwilligen Vereinigung zum Schutze
gegen Gewalt und vor Gericht, welche bem byndeneman oder dem Be:
Hagten fich hinterſtellt. ,
Lappenberg’3 Geſchichte Englands I. | 36
Bon den innern Zuſtaͤnden ber Angelſachſen. 563
lichkeit befeſtigt; die Titel Baſileus, Primicerius, Flavius N),
Auguſtus u. a. bezeugen die frühe Übertragung fremder, we
nig verftandener Begriffe; der Geift Karlö des Großen wirkte
im Angelfachfen Ecgbert und deſſen Nachkommen fort, und der
Friegerifche Geift durch welchen’ Weſſex erobert wurde, brachte den
Gehorfam ded Kriegerd in die Berathungen friedlicher Tage.
Die Ernennung der Ealdormanen, der erften Diſtrictsbeam⸗
'ten, war dem Könige bereits anheimgefallen, und wir ers
bliden ihn bier, wie in. vielen unfergeorbneten Angelegenheiten,
als den Bevollmächtigten des Volks. _
Die Stellung des angelfähhfiichen Königs wird befonders
Deutlich dadurch bezeichnet, daß für denfelben ein eigenthuͤmli⸗
ches Wergeld feftgefegt ift, deffen die vorhandenen Geſetze an⸗
Derer germaniſcher Stämme nicht mehr gedenken. Von dieſem
Wergelde erhielten die eine Haͤlfte „die Werẽe“, die Magen: oder
Sippſchaft, die andre „die Cynebote“, dad Volk, urſpruͤnglich
wohl nur die Gefolgefchaft des Königs. In Mercien war die
einfache Were des Königs. 30,000 Sceatten, gleich 7200 Schils
lingen oder 120 Pfunden, oder gleich der von ſechs Thanen
„der 36 Ceorlen?); ein Verhältniß welches auch dem gericht
lichen Werthe der Eide diefer Stände entfpriht. Das ganze
Wergeld betrug alfo 240 Pfund. Die Were des mercifchen.
AÄthelings ift und nicht berichtet. Im nördlichen England war
aber die einfache Were des Königs Diefelbe als die des Äthe⸗
lings und des Erzbiſchoſs, nämlich 15,000 Thrymſen ?), wobei
fih ein andres DVerhältniß zu: den Wergelvern des Thanes
(2000) und des Ceorles (266 Thrymfen) ergibt. Das ganze
Wergeld für Verwandte und Volf betrug bier alfo 375 Pfund
Silber. Bei den Weſtſachſen wird des Wergeldes des Könige
gleichfalls gedacht, doch fcheint Diefes nur die für die Verwandten
befielben beftimmte Were zu bedeuten; in König Alfreds Zeis
1) Diefee Titel findet fich bei vielen andern germanifchen Sürften;
f. Philipps deutſche Geſchichte I, 479.
2) Leg. Aethelst. bei Wilkins p. 64. Das angelfächfifche Hund
" enthiele wie noch heute 28,800, der Schilling aber nur vier Pfenninge.
Leg. Guillelmi I. $..13. solt Engleis, co est quer deners,
8) Tremissis, zu drei Pfenningen, ba 266 thrymaas -—— 200 scill.
Bom Wergelde bei Wilkins S. 71. Schmid 212.
36*
KV BAT EG u. vis JsAylei QBUYWYUEIELLE VIE Ay
angefehnen Gefchlechtern des Landes oder des Ausland
gehören. Des Könige Gemahlin wurde mit ihm, ode‘
der König fpäter fich” verehelichte, befonders ?) gemeiht un
kroͤnt. Gin Vergehn gegen die ihren Gerichtshöfen gebih
Achtung (overseunesse) wurde ebenfo ſchwer beftraft «
den Königlichen Gerichten, während die Buße in den Gm
des Bifchofs oder Grafen um die Hälfte geringer war‘).
feierlichen Berfammlungen faß fie auf einem Xhrm ı
dem Könige, und erlangte durch ihre Gegenwart hie N
bei den Feſten einen bedeutenden Einfluß, auffer dem, wi
fhon die Verwaltung des eignen und des durch die Fe
gabe feftgefesten Vermögens, ſowie der abgefonderte wi
und geiftliche Hofftaat, welcher dem des Königs Ahnlid, }
Heiner war, ihr verliehen. Die wichtige Rolle welche
ginnen in der angelfächfifchen Gefchichte fpielen, tritt Ihe
dem Überblide der wichtigften Begebenheiten in derſelhen
vor; fie erfchiene um Vieles bedeutender, wenn es vergömt
in mande Provinzialgefchichte und die der angefehnen |
chen Stiftungen einzugehn ). Eine noch zu Charles L}
1) Sofcheint ung Aelfred. leg. 4. zu erflären. Vgl. letz
rior. tit. 69. c. 1. Leg. Alamann. tit. 26.
Bon ben innern Zufländen der Angelſachſen. 565
Anſpruch genommene Landesabgabe an die Königin (aurum
. reginae, gersuma'), donum) fcheint, ſoweit ed mir vers
gönnt ift deren Spur zu verfolgen, nur in den Königreichen
Mercien und Oftanglien erhoben. Zu Weller .war bie Autos
ritaͤt der Königin, in Folge ber Verbrechen der Eadburge,
Brithrics Gemahlin, längere Zeit nicht ‚ganz in dem alten Um⸗
fange anerkannt; doch war nach einigen Menfchenaltern bie
frühere Anficht wieberfergefielt.
Den König umgab' im Frieden feine -Dienftmannfchaft, in
welcher ſich bei den Angelfachfen das germanifche Gefolge noch
lange zu erkennen gibt (geferaednesse, gefere-scipe, fol-
goth), wie auf dem Eroberungszuge den ‚Herzog fein Gefolge
umtingt hatte. Den Rang derfelben zu einander zu beſtim⸗
men, hing vom Entfchluffe, des Fürften ab?). Die großen
Hofämter reichen bis zu den Alteflen Zeiten der chriftlich = ger:
manifchen Königreiche hinauf. Der Kammerer (bur-thegn’’),
cubicularius) wurde auch Hortbewahrer oder Schagmeilter
des Koͤnigs (hordera) genannt. Fuͤr die Kleider des Königs
Üthelved finden wir einen befondern Beamten, hraegel-thegn.
Den Truchſeß (disc-thegn) *) erblidt man häufig in der Nähe
des Könige. Der Schenke (pincerna) wird früh angeführt °),;
doch kennen wir feinen angelfächfifhen Namen nicht, fowie
I) Diefes Wort bezeichnet eine Buße, welche neben ber orbentlichen
noch bezahlt ward, zur völligen Erledigung aller Anfprüce, 3. B. was
für den Mord einer Frau mehr gebüßt warb, wenn fie ſchwanger war,
©. die Stellen bei Ducange. Im bdänifchen Recht heifft fie görsum.
Auffallend erfcheint, daß in dem älteften Stadtrechte von Schleſwig
Cap. 3. fie auch in einer Mark Golbes befteht. J
2) Gradus quin etiam ipse comitatus habet, iudicio eius, quem
sectantur; magnaque et comitum aemulatio, quibus primus apud prin-
cipem suum locus, Tacit. German. c, 13.
3) Ion bur, jest bower, Laube, Kammer. Schon in ber Tugend: '
zeit des Biſchofs Wilfrid wird genannt: Cudda senator et cubicula-
r̃us regis Oswin. Malmesb. de gestis pontificum 1. III. Doch ift.
diefes wohl nur fpätere Ausfhmädung, da Wilhelms Quelle, Ed:
dius (vita Wilfridi co. 2.) von Cudda nur fagt: unus ex sodali-
bus regis.
4) Unter König Äthelred. Wilkins concil. I, 284.
5) Zuerſt ums 3.741 bei Äthelbert II. von Kent. Monast. I, 458.
566 Sechste Abtheilung.
uͤberhaupt die große Verſchiedenheit der Benennungen dieſer
Amter bei den germaniſchen Staͤmmen der Vermuthung, daß
ſie aus der heidniſchen Zeit herſtammen und damals religioſe
Bedeutung gehabt, keineswegs guͤnſtig iſt. Wenn wir irgendwo
in den germaniſchen Staatseinrichtungen eine Nachbildung ri
mifcher Sitten vermuthen bürfen, fo ift diefes gewiß noch mehr
in dem Hofleben der Kal, und wir wiffen, wie viele aͤhnliche
Beamten für den Kaifer und Alles was feine geheiligte Nähe
berührte, die Barbaren zur beliebigen Auswahl und Nachah
mung vorfanden. Bei dem Marſchall führt felbft Der gewoͤhn⸗
liche angelfächfifche Name, stallere, auf römifchen Urfprung;
felten wird er cyninges horsthegn genannt. Der Staller
kommen oft mehrere zugleich vor, welche zugleich in verfchiebnen
Diftricten ald Bannerherren (vexilliferi) erfcheinen ). De
erfte derfelben nahm den erflen Rang in dem Witenagemote E
wie auf dem Felde ein, und ed. möchte Daher noch zweifelhaft
bleiben, ob der ſehr auögezeichnete Stallere nur ein Hofamt
oder nicht vielmehr zugleih ein älteres Heeres- oder Neid
Amt des Bannerherrn bekleidete. Solche bedeutende Männe
waren in Weffer AÄdelhun (752), Thored, Osgod Clappe
Ein Referendarius findet fih fihon in den. Urkunden König.
Athelberts von Kent genannt; vermuthlic dieſelbe Würde
weldhe feit Eadward dem Altern die des Kanzlers war”).
Doc findet fih) auch fchon eine Anzahl weniger bedeutender
Anmter in dem Dienfte des Königs, wie das des Hausmeiets,
des Haushofmeifterd (dispensator), des Koches (carnifex)
und andre’).
Ein andrer Geburt3adel ald der welcher unmittelbar von
bem Heer= oder See= Könige abftammt, ift in den angelfäh:
ſchen Staaten nicht bemerkbar. Doch geftaltete fich gleich
‚nah der fächfifhen Eroberung, ſowie in andern germanifchen
Staaten, ein Dienfts und Lehn= Adel, welcher anfänglich duch
Teine ununterbrochene Erbfolge gefichert war, aber den Kindern
) Der Name findet ſich auch bei den Norbfriefen.
| 2) Bon ben Hofämtern f. Philipps angelſaͤchſ. Rechtsgeſch. 6.23.
Deffen deutſche Gefchichte I, 441. Palgrave Il, 345.
3) Florent ad a. 1040. Rex — Maiorem domus, dispensato-
rem, suum carnificem et alios magnae dignitatis viros.
y
Bon den intern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 567
bes Miniſterialen, gleich den Athelingen, einen ber. Stellung
des Vaters entfprechenden hoͤhern Rang verlieh‘). Die pas
triarchalifche Verfaſſung, in welcher die Älteften die Angelegens
heiten des Stammes einft in friedlicher Zeit gelenft hatten, iſt
bei den Angelfachfen noch in ber Übertragung der Amtönamen
zu erfennen. - Der Xtefte war gleichbedeutend mit dem Vor⸗
nehmften?), und Ealdorman (senior, senator, dux, princeps,
satrapa, Doc comes faum vor dem eilften Jahrhunderte)
war daher die Benennung der verfchiebenften Vorgefegten, vors
zugsweiſe jedoch des der größern Landespiftricte. Der Rang
bes ealdor (zufammengezogen eorl, earl) blieb nächft
dem Könige der höchfte, doch erbliden wir ihn anfänglich nur
auf des Ealdormanes Frau und die jenem gleichgeftellten geift-
- lichen Würden ausgedehnt ). Der Ritel eorl findet fi in
früherer Zeit nur in den Geſetzen des Könige von Kent*),
allgemeiner erſt zur Zeit der Dänen, und mag daher altjüti:
ſchen Urfprunges in England und zur Unterfcheidung von den
-fpäter entflandenen Ältermannen der neuen Städte und andrer
Gilden beibehalten fein. Dad Amt ded mit dem Schwerte
feierlich umgürteten Ealdormanes war, den ihm untergebnen
Diſtrict im Kriege zu vertheidigen und anzuführen, im Frieden
dafelbft zu richten und zu ſchlichten und die Gefammtintereffen
des Volks wie die des Königs wahrzunehmen. Sowie ber -
Atheling dem Erzbifchofe, fo fleht der Ealdorman in allen
Rangverhältniffen gemwöhnlih dem Bifchofe gleih “). Zu Als
freds Zeiten waren die Ämter der Ealdormanen nicht lebens»
laͤnglich, geichweige erblich, da er die Seinigen erinnerte, daß
fie Sott und ihm ihr Amt und ihre Würde verdankten °).
Doc konnte dad Amt nicht ohne Entfcheidung der Wittigften
gervonnen werben, wie befonderö aus den Verhandlungen uns
1) Insignis nobilitas aut magna patrum merita principis dignatio-
nem etism adolescentulis adsignat. Tacit. German. c. 13.
2) Eorla ealdor wird von bem jugendlichen Könige Eabwarb ges
fagt. Chron. saxon. ad a. 975,
8) Leg. Aethelberti art. 74. Leg. Hlotharti art. 1.
4) Leg. Aethelberti art. 13. 14.
5) Vgl. Heywooda. a. D. |
6) Asser. de rebus gestis Aelfredi.
Sechste Abtheiluns.
ter Eadward dem Bekenner hervorgeht. Selbſt in Godwini
Familie laͤſſt ſich eine erbliche Würde nicht erkennen, fo wenig
wie in Northumberland bei Siwards Nachkommen. Diq
wurde das Amt des Vaters dem befaͤhigten, durch die Erſch
ung feiner juͤngern Jahre ſchon gebildeten Sohne in da
ſpaͤtern Jahrhunderten der angelſaͤchſiſchen Dynaſtie haͤufig ver
liehen, und die Grafſchaft Cheſter bietet, falls ein derzeii⸗
ger Stammbaum ausnahmsweiſe aͤcht fein Tann, die Ausnahm
einer während dreier Sahrhunderte vor der Eroberung, band |
die fchwierigen Verhältniffe der bortigen Mark vielleicht ke
gründeten, erblich erfcheinenden Grafihaft dar. Den gehäufe
und frembartigen Titeln ihrer Könige nachbildend, Tiebten auf
die Ealdormanen bdiefen leeren Prunk nicht weniger, wie bay
ber Gefchichtfchreiber Äthelweard fich nennt: Patricius Consd
- Fabius Quaestor Aethelwardus,
Die Stellung des Ealdormanes hatte fich im ra i
des Grafen auf dem Feſtlande in Pflichten und Rechten
gleichgeſtellt; ſelbſt die Einkünfte deſſelben beſtanden hier ge
dort, auſſer den hoͤhern Wergeldern und Bußen, in den Bde '
reien bed Grafenamtes und dem Drittel der von Bere
. ten, Märkten und andern Einkünften des Königs ala
Gelder ‘).
Nach ältefter beutfcher Sitte fiel in England bie pen |
Könige dem Ealdormane fowie andern Kriegsgefährten ver
bene Rüftung?), Heergewand oder Heergemebde (hererack
heregeata, fpäter’heriot) ?), nach defien Tode an jenen ge
ruͤck)), oder ed wurde fpäter eine genau beftimmte Abgift de |
1) Textus Roffensis p.-45. Heywood 1l.1.100. Ellis LL e;
2) Exigunt principis sui liberalitate illum bellatorem equum (#
terroß), illaın cruentam vietricemque frameam. Taciti German, c
8) über bie Etymologie f. Grimms Redtsalterthämer Y-)
und 567.
4) Den Beweis für die von Philipps (angelfäcf. Rehtägk -
9.316 a.) vermuthete Rüdgabe bes Heergewandes finde ich in der ſte
bie Angelfachfen bebeutungsvollen lex Anglior. tit. VI. art. 5. M
quemcunque hereditas terrae pervenerit, ad illum vestis. beilie, u
est lorica et ultio proximi et solutio leudis debet pertinert. Mies
erficht naͤmlich, daß hier, wie in leg. Canuti art, 70, 71., nicht Ws
ben Rechten bes Erben, fondern von ben Pflichten und Zahlungen, wor
Fe u Fa : Bus — a od — vu
%
. Bon den innern Zuftänden ber Angelfachfen. 569
für aus dem Nachlaffe oder von den Erben geleiftet, welche für dem
Ealdornian dur) den König Cnut auf vier gefattelte und ebenfo viel
ungefattelte Rofje, vier Helme und Panzer, acht Speere und Schilde,
nebft 200: Mancus Goldes beftimmt war. Bei andern germa=
nifhen Stämmen war dagegen das Heergewebde: fchon früher
der Antheil deffen geworden, welcher das Land, den Kriegd>
lohn des. Vorfahren, erbte; und auch in England wurbe fpäter
die Abfindung beim Tode des leuten Beſi itzers mit voͤlliger
Verwirrung der urſpruͤnglichen Begriffe, in eine Abgabe bei
. dem Antritte des Nachfolgerd in eim Eigentbum, deſſen Bes
geiff fogar jünger ift alö der ded Heergeweddes verwandelt. .
Die übrige -Gefölgefchaft (comites) der angelfächfifchen
Heerführer finden wir in dem gesith') oder Gefinde, häufis
ger unter dem allgemeinen Namen der Thegen?) (than, thai-
nus), Dienfimannen (ministeriales, servientes), welcher auch
die Eoldörmanen umfaffte, wieder. Man darf diefe Claſſe nicht
zum urfprünglichen Geburtdabel rechnen, da fie freilich durch
höheres. Wergeld und andere mit diefem. nach germanifchen b
Rechtöbegriffen genau verknüpfte Vorrechte vor den ſchlechthin
Freien ausgezeichnet waren, .aber erſt allmälig als erblich bes
trachtet find. In diefem Dienftadel, welcher die Freiheit des
Geſchlechtes nicht. nur nicht .beeinträchtigte fondern voraugfehte,
waren. die unmittelbaren Thane des Königs die ausgezeichnetz
flen, deren Vertrautheit mit demfelben oft. ald Verwandtfchaft
bezeichnet wird‘). In Weffer wie in Mercien war das Wers
dieſer, felbft wenn fein Erbgut ſchon als Allodium betrachtet wurde,
übernehmen muffte, bie Rede ift. Kein Allodium aber tft mehr als ver:
erbbares und verkäuftiches Eigenthum und fo frei, daß es nicht zum
Heerdienſte und zu Landesabgaben verpflichtet wäre, woher wir naments
lich in Kent den Allodiarius zum Heergewedde verpflichtet finden. Vgl.
Kelham doomesday p. 25% Ellis a. a. O. 54.
1) Leg. Inae, 28. -
2) Bon-thegian, bienen, von welcher Erklärung ich um fo weniger
abweichen möchte, da daſſelbe Wort fi auch im Islaͤndiſchen fuͤr Un⸗
terthan findet. S. Gragas.
3) Vgl. leg. Canuti 69. ÄAhnlich ſagen auch wir noch (Raths-⸗)
Verwandte fuͤr Genoſſen, und aͤhnlich ſind das Inſtitut der Vetterſchaften,
der Ausdruck Kinder für Dienende (Schiffskinder) u. a. aus der übertras
gung dei Begriffes der Samitie auf bürgerliche Verhältniffe zu erklaͤren.
\
570 | Sechste Abtheilung.
gelb eines fotchen, welcher auch twelfhyndumman genamt f
wurde, fo groß als das von ſechs freien Kerlen (twyhindu- |
man)'), nämlich) 1200 Scilinge. Die untergeordneten und |
häufig mittelbaren Thane?) (laessa, medema, mediocres) ge
börten in eine untere Glaffe und waren dem Koͤnigsthane nicht
gleichberechtiget. Zu einem Reinigungseide bedurfte jener zwölf
feiner Standeögenoffen, eine Anzahl welche auf micht gering |
Verbreitung derfelben fchlieffen läfft, der anbre elf der Seine
gen und einen Königöthan. Das Heergewebde beider Claſſu
von Thanen war verfchieben, und felbft da8 der Fleinen Than
war in Wefler abwetrchend von dem ber Dänen nicht nım,
fondern auch von denen in Mercien und Oſtanglien; welde
Umftand allein fchon gegen bie hergebrachte Meinung Zweifd
hätte erregen müffen, daß das Heergewedde in England durch
König Enut. erft eingeführt fei. Die Würbe des Thanes war mit
einem beflimmten Landbefige verknüpft. Der Eleine Than de
faß fünf Hyden Landes’); ber Ealborman, deſſen Heergewedde
achtmal größer war, vierzig Hyden*). Stammt auch bie
Grundſatz fehon aus dem alten Krieger und Wander⸗Leben da
Germanen, wo die Friegerifche Gefolgeordnung den Antheila
der Beute und dem eroberten Lande beflimmte‘), To ift as
gleichfalls, welcher nach geficherten Niederlaſſungen durch die
mit dem Frieden erwecte Cultur, fowie bie mit der vermehrt
angelfächfifchen Volkszahl erfoberlich geworbene und von m
1) Die Wörter twy- six - twelf - hyndum (nit hyndes) man
find noch nicht genügend erklärt. Sollten biefe Ausdrücke, welde
ſich bei andern germanifchen Stämmen nicht finden, fich nicht auf bie
Beit der Niederlaffung der Angelfachfen in Britannien beziehen? Ich
möchte fie erklaͤren: Männer, welche je nad) ihrem Range 2, 6, 12 bri⸗
tiſche Einwohner zu Hinterfaffen erhalten haben. Price zu Inc Ge
fegen 54. leitet hynde fowie hynden fehr ungenuͤgend von hund ab, weis
ches urfprünglich zehn bedeute. |
2) Gradus quin etiam et ipse comitatus habet. Tacit. Ger-
man. c. 13. |
3) Von der zweifelhaften Größe der hyd, byde (womit ‚Haut, Hütte
und bie ſaͤchſiſche Hude zufammenhangen) f. Ellis a. a. O. I, 145.
4) Histor, eliens. c, 40,
5) Agris, quos inter se secundum dignationem partiuntur. Ta- |
cit, l. l. 26, Y
‘
1
Fr PP 3 en u u AA A u a.
a Due 4A eu A A A BD 4
Bon den innern Zuftänden ber Angelfahfen. 574
chriftlichen Klerus begünftigte Erblichkeit des Landbefiged den
Dienftadel allmälig zu einem Geburtsadel umfchuf, auf welchen
die nicht verzichten wollten, welde in den geifllichen Stand
eingetreten waren‘). So fehr war des neuen Inſtitutes
Herkunft bald midverflanden, daß nicht die Friegerifche Ehre,
fondern deren äufferer Lohn für die Grundlage deffelben anges
fehn wurde und der Befiß von fünf Hyden, welche zur Lands
wehr (utfare) ihren Mann ftellten (jedoch im nördlichen Eng⸗
land nur wenn er drei Generationen hindurch ‚erhalten war), den
Freien aus ber niedern Claſſe der Ceorle zum Thanen erhob.
Selbſt der Waliſer konnte in Meer durch jenen Srundbefiß
den Rang ded Sirhyndummannes erwerben?). Doch wurde
jener Grundgedanfe noch ald Ausnahme zugelaffen; der Ceorl
welcher Helm, Panzer und ein mit Gold auögelegted Schwert
befaß, erhielt auch ohne das fonft erfoderliche Landeigenthum.
den Rang des Sithcundmannes. Der Kaufmann welcher zu
Dreien Malen mit eignen Mitteln über Meer gefahren war,
ward zur Thanfchaft berechtigt gehalten; der wohlhabende, von '
feinem Lehnsherrn empfohlene, dem Könige bekannte mittlere
Than rüdte zu des Königs unmittelbarem Thane hinauf, fowie .
aud ein um den König verdienter Than zum Eorle erhoben
werben konnte. |
Der Than blieb ſtets zum Kriegsdienſte verpflichtet und
muſſte, wie auch das Heergewedde folgern laͤſſt, wenigſtens
ſelbſt zu Pferde erſcheinen. Beſondre Abgaben an den Koͤnig
ſcheinen erſt ſpaͤter eingetreten zu ſein. Es iſt kein Grund
vorhanden um zu bezweifeln ’), daß jeder Than das Recht
Hatte, in dem Witenagemote, nicht nur feiner Graffchaft, ſon⸗
Dern auch dem des ganzen Reiches,“ fobald ‘von allgemein.
wichtigen Gegenfländen gehandelt wurde, zu erfcheinen und zu
flimmen, ohne jedoch zur perfönlichen Erfcheinung verpflichtet
zu fein, da der Ausbleibende ſich dem Befchluffe der Anweſen⸗
1) Leg. Henrici I, 68.
2) Leg. Inae 24,
8) Wenn Heymwood a. a. D. ©. 191 es chut, ſo iſt er durch
die eben angefuͤhrte und von ihm falſch erklaͤrte histor. eliens. c. 40.
irre geleitet.
barkeit *), während bie untern Glaffen durch wechfelfeitige
ſchaften und auf biefelben begründete Nechtöpflege ab
wurden. Die angelfächfijhen Iihane waren alfo volkı
die Vorgänger der normannifchen Barone.
Der Titel des Thanes fcheint den nur in ben älter
gelfächfifchen Gefegen vorfommenden des Gefith verdrin
haben ?), (diefer Name mag die urſpruͤnglichen Gi
‚oder Genoſſen .[gefera, geneat] des Königs bejeihh
welche dad. dreifache Wergeld der Freien werth waren um
ber auffer dem Namen sithcundmen auch den ber wnl
. dummen führten. Diefes Berhältniß des Wergelda 8.
welche wir in andern, den angelfächfifchen ndcfme
altgermaniſchen Geſetzen zwifchen ben Adeligen und bm-
finden, und wir erkennen hier, wie ſchon früh, bei den
auffehrauben des Dienftadels, die Rangordnung der &
bürger fich änderte, jener an die Stelle der eigentlichen
linge trat und aus dem Dienftadel felbft noch eine md
günftigte Claſſe über dem alten Gefinde hervortrat. Rit
Gefithes befaßen Land; fie waren -alfo auch dadurd in’
bung auf ihre Rechte unter fich verfchieden °). Auf
Titel, holda, welcher häufig in den nordenglifchen Ur
vorkommt, erfcheint nicht langer zur Zeit ber normant
Deurleauecma M"TL. »1.1 PIE PTR POP AR 4 mut. So... 2. PR |
Bon den innern Zuftänden der Angelſachſen. 673
Ses bebeuten, und entfpricht vermuthlich dem puer regis der
35 galfranten ').
> Zu den niedern Thanen pflegt man noch die rachenistri,
Sadenights (Reitknechte) zu zählen, welche in den an Wales
Angrenenben Marken anfäffig waren ?). |
3 te Jahl der Thane war in ben meiften Grafſchaften
ehr — Da ihre Wuͤrde an die Groͤße des Grundeigen⸗
shumes unzertrennlich gebunden war, fo konnte nur Ein Erbe
Beides erhalten, und die übrigen Verwandten blieben in dem
Stande der unbevorrechteten Freien, bis Kriegöglüd, Hofdienft
Byder andres günfliges Gefchid fie emporhob. Wenn wir die
wzhane noch nicht ‘von den Freien ausſchlieſſen dürfen, fo muͤſ⸗
en mir andrerſeits in der untergeordneten Mehrzahl der
Detztern fo wenig weder ſtets freies Eigenthum noch unbedingte
perſoͤnliche Freiheit erwarten. Der Freie ſteht hier dem adeli⸗
gen oder Krieger Gefchlechte, dort den Unfreien oder Sclaven
; gegenüber; Reichthum und Armuth, die Befchäftigung mit dem
Schotte, dem Pfluge, der Wagfchaale bilden zwifchen ihnen
wfelbft fehr weite, unzählige Verfchiebenheiten. Die meiften
Leute welche Freie genannt werben, hatten ſich unter ben
>&Scuß (commendatio) eines angefehnen, geiftlichen oder welt:
Tihen „Hlafords” ’) oder Lords geſtellt. Ohne Mitwiſſen des
Ealdormanes der Shire durfte der Lehnsmann dem Dienſte
ſeines Hlaford nicht entfagen, aus deſſen Bold-Getaele *)
ſcheiden und Schutz in einer andern Shire ſuchen. Der allge⸗
meine Name, unter welchem die aͤltern angelſächſi iſchen Geſetze die
1) Lex salica tit. XIV, 6. 1. VI, 2.
2) Heywood p. 266. Ellis I, 72.
3) Gewöhnlich erklärt von hlaf Brot und ord Urfprung, daher
Brothere — biefem entfpriht hlaf-eata (leg. Aethelberti 25.) und
erinnert an alle Brotetenbe, bie ganze Gemeine der Wurfifriefen (Urkunde
v. 3. 1399 hei Schuback de iure litoris). Doch möchte ich es eher
wie das ſchwediſche lavard, gleich ewart, durch custos legum erflären.
4) Leg. Aelfred. 87. Vermuthlich vom nordifchen bel, boel Grund:
ftüd, mansus, und getaele, Zahl, Lifte (wie im Tien manne taele,
Leg. Eadwardi c. 20.); alfo Rolle ber Sutshinterfaffen. Die Erklärung
von bold findet ihre Beftätigung in ber vom Weichbilde, dänifch wich-
bolde, wichbelde, das Grundeigentum der Wyfs oder der Stadt.
viduen, welche größtentheild in den verfchiedenartigften Ba
niffen zu den Privatperfonen, denen fie ſich ‚untergeordnet
ten, fanden. Dem Gegenfage und Reime mit eorl |
wir vielleicht vorzüglich das häufige Vorkommen dieſes ®
in den Geſetzen und Rechtsfragmenten zuzufchreiben. €
unter Cnut hatte diefer Ausdrud im Leben die verächtlcht
benbedeutung befommen, welche fi noch in dem km
churl erhalten bat, wie der Beiname Eadwigs Geo |
zeigt. Gewöhnlich wird dieſer Name durch villanus, vi
wiedergegeben und finden wir unter demfelben mehr #1
Fünftel der gegen 275,000 betragenden (Eigenthume, |
nach der normannifchen Eroberung im Doomesday teil
Eine andre, der Zahl nach derfelben zunddhftlommert
zeichnung ift die der borderers '), der geburi, der ee
umd andrer mehr auf beflimmte ländliche Beſchaͤftigunge
gewiefener Leute, welche zu dem vielfachften Dienften md
giften verpflichtet waren), Dem Heergewedde ber h
Claſſe entiprechend warb bei ihrem Tode von den Erhn
Beſthaupt oder, wenn fie auf jährliche Rente (gafol) g
hatten, eines Jahres Zins entrichtet. Die bunte Mami
tigkeit der Verhältnifje dieſer Leute erklärt fich theils am
Stammverfchiebenheit unter den Angeljachfen, theild abe
Von den innern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 575
Hören auch noch die Bürger, von denen bald mehr zu ſagen
fein wird. u | |
Auch die eingebormen Briten, welche der Übermuth. ver
Sieger mit dem Namen der Fremden oder Waelen geftempelt
hatte, Eonnten ald Freie betrachtet und für fie ein Wergelb
beftimmt werden. Beſaß der Waele kein Land, fo betrug dies
ſes nur. 60 Schillinge, befaß er eine halbe Hyde, 80 Schillinge,
befaß er eine ganze oder zahlte er Gabelle.an den König, 120
Schillinge. Im nördlichen England war dad Wergeld des
freien, bufelofen Waelen etwas größer '). Dieſes Verhaͤltniß
bed „gafolgelda Wiliscman“ laͤſſt ſich alfo fehr wohl mit
dem des romanus tributarius und possessor bei den Saals
franken zufammenftellen?). Seit der dänifchen Herrſchaft ver-
ſchwand der Unterfchied zwifchen Angelfachfen und den zwifchen
“ ihnen wohnenden Briten immer mehr, und ift nur noch an den
Grenzen ber freigebliebnen walififchen Provinzen erkennbar,
Eine nicht fehr große Claſſe - der’ angelfächfifchen Bevoͤlke⸗
‚ rung befland aus Unfreien (theow, esne), welche nach den
® Berechnungen, die auf Doomesday begründet find,. zur Zeit
F per normannifchen Eroberung etwas über 25,000 betrug. Die -
” oroße Mehrzahl berfelben war in dem Zuftande der Hörigkeit
durch Geburt, deren Vorfahren fchon römifche Sclaven, kriegs⸗
U oefangne, Briten und fonflige Feinde gewefen waren. Andre,
welche weiffe Theowas hieffen, waren Freigeborne, die wegen
Schulden. oder Verbrechen in. dieſen Zuftand durch dad Geſetz
' verfallen waren. Der Herr hatte dag Recht, fie im Lande an
“feine Stammgenofjen zu verkaufen; jenfeit der See durfte der
Hörige, felbft wenn er Verbrechen begangen hatte, nicht ver
Zauft werden). In den übrigen Verhaͤltniſſen fcheint ihr Zus
fland von dem der unbegüterten Zreien wenig verfchieden ge⸗
weſen zu fein. Sie hatten ein eigned Wergeld, von wels
chem bie eine Hälfte der Herr, die andere ihre Verwandten
erhielten. | |
Sehr auffallend iſt die Verfchledenheit der Anzahl der
1) Leg. Inae art. 32, Wergelder 87, 8.
2) Lex salica tit. 43. $. 7. 8.
-8) Leg. Inae art. 11.
⸗
-v „ v. ya
}
Bon den innern Zuſtaͤnden ber Angelfahfen. 577
Die chriftliche Geiſtlichkeit hatte: unter den Angelfachfen
‚eine bedeutende Stellung gewongen, wobei, unter fo mandem
von: berfelben erlebten Misgefchide und ben Streitigkeiten
- mit den Scoten, der Sieg. der Conſequenz des Syſtems fehr
in die Augen fält. Doc ift vor Allem zur Erklärung dieſer
bei barbarifchen Kriegerhorben auffallenden Erfcheinung zu ers
innern, daß ſchon Zacitus von dem großen Einfluffe der Pries
ſter auf weltliche Angelegenheiten berichtet, . und fie. fogar das
ausfchlieffliche Recht über Leben und Tod hatten.” Ein folcher
früherer Zuftand erleichterte ſehr die Herrſchaft der. romiſch⸗
paͤpſtlichen Kirche, und ein Theil ihrer Gerichtsbarkeit, die Got⸗
tesurtheile namentlich, moͤchte ſeinen Urſprung in den Rechtsge⸗
wohnheiten des heidniſchen Prieſterthumes gefunden haben.
Die Religion blieb eine Nationalangelegenheit, und Prieſter
ſpielten eine Hauptrolle unter den angelſaͤchſiſchen Wittigſten.
Der Rang des Erzbiſchofs war dem des Äiheling, der des
Biſchofs dem des Ealdormanes gleich. Die Bifchöfe ſtanden
. zugleich mit den Ealdormanen den VBerfammlungen der Shire,
deren Bezirk häufig mit dem der Bisthuͤmer zufammenfiel, vor.
Die Entſcheidung wichtiger Angelegenheiten war nie in
bie Hand einzelner Individuen gelegt. Der Ealdorman ents
ſchied in ſolchen Fällen nur mit Zuflimmung der Witena der
Grafſchaft; der König war in allen fein Volk betreffenden Ges
genftänden an bie der Wittigfien (tha witan, tha eadigan)
des Reiches gebunden. Diefe befanden aus angefehnen Geifls
lichen und Laien, welche duch ihre Amt zum Exfchenen in
bem großen Gemote (Micelgemote, auch mycel getheaht,
das große Gedachte, der große Rath) verpflichtet waren. Doch
fcheinen auffer den oben erwähnten Thanen andre Freie gleich-
falls berechtigt gewefen zu fein durch Gegenwart und Stimme
auf den fie angehenden Beſchluß einzuwirken '). Daß zu einer
jährlichen Volköverfammlung, wie ed bei den Sachſen ver Ball
gewefen fein foll, erwählte Deputirte aus jedem der drei Stände
zufammentdmen 2), möchte in Beziehung auf: die Angelfachfen
4) Concil. calchut, a. 785: in concilio publico coram rega etc.
ducibus et omni populo.
2) Vita S. Lebuini a Hucbaldo conscripta in Monument hist, _
_German. li, 361. I
Lappenderg' s velchihtt Englande J. 37
Pe Dh Kahn e⏑ ⏑—— ⏑ —⏑ 1 An en
"Spnoden. | |
Das von ben: germanifchen Stämmen eroberte dar
"hörte dent Siegervolfe gemeinfchaftlih. Bei ben Angel
erhielt 8 den Namen Folcland (ager publicus) und W
deren "Sefammtbefige, fofern es nicht auf dem Volle
Einzelnen für einige Zeit oder für immer übertragen w
Bei der erfien Übertragungsart blieb das Land old
‘die jedesmaligen Benuger waren zu vielen Dienften, pu
flen der Gemeinde ſowie des Königs, verpflichtet, fir die
haltung der Löniglichen Villen, den Unterhalt des Sigi’
feines Gefolges (festigman), uhren, Jagdhunde &%
forgen. Die angefehniten Ealdormanen, Thane, SM
ſelbſt Kirchen befaßen unter diefen Verpflichtungen viel rk
lebenslaͤnglich oder für befchränkte Zeit ). Dieſes Ze
. Scheint urfprünglich den Begleitern des Königs, je nad 1
Range verliehen gewefen zu fein. Das für immer im
1) Daß ſtaͤdtiſche Deputirte auf dem großen Witenagen
ſchienen befagen leg. Henrici I. -art. 7. keineswegs, wehde |
nur die Zungreven und vielleicht andere koͤnigliche Beamte und 8
‚nennt, und bie quatnor meliores villae, welche den praepomk
„ben Priefter begleiteten, nur auf ben Hundreden erwähnt.
2) Agri pro numero cultorum ab universis in vices occup®
!
\
- Bon ben Innern Buftänden der Angelſachſen. 579
Individuen durch Volksbefchlüffe erblich bewilligte Land wurde,
wenn auch früher ſymboliſch, doch ſchon bald fchriftlich
uͤberwieſen und erhielt: von dem Übertragungsdocumente oder
Buche den Namen Borland '). Dieſes dem Begriffe des Al⸗
lodium ·entſprechende Land war von jenen: gedachten beſondern
Baften befreiet und unterlag lediglich der von den Juriſten
jogenaunten trinoda neeessitas, d. h. der Verpflichtung zum '
Heerdienfte, zur Erhaltung. der Burgen. fowie der Brüden
(fyrd, burhbote. et brycgbote). Doch konnten bei der erften
Übertragung Verpflichtungen, Zehnten?), Renten und andere
Beiftungen dem erften Eigenthümer oder von diefem dem das
nit von. ihm Belehnten auferlegt werden. Dieſes Bocland
ionnfe der Georl, fowie Der Gefithe, der Than oder der König
xhalten. Das gebuchte Land des Königs gehörte nicht zu
ven Domainen der Krone, und wir fehen aus manchen Era
ahlungen und Belegen, unter andern aus dem Teftamente des
doͤnigs Alfred, daß fein Großvater Eegbert nach Willkuͤr dar⸗
ber zu verfuͤgen berechtigt. geweſen, wie. auch fein Enkel es
var. Das an Dritte, unter Bedingung des Ruͤckfalles, übers,
ragne Bocland hieß Laenland ?) und erjcheint unter den mans
ichfaltigften Seftalten. Sehr viel Folcland wurde, nachdem
ad Privateigenthum ſich vor dem Gemeindebefige geltend ges
acht: hatte, in Bocland Übertragen, und wir finden es unter
en DVorrechten des Königs verzeichnet, daß er bie Urkunden-
arüber auöftellte, wenn er glei dabei an die Zuſtimmung
siner Wittigften gebunden war, und diefe felten verfehlten
elbſt in den. Unterfchriften der Documente zu erkennen zu ges.
en, daß fie nicht ald Zeugen fondern ald Stimmführende ge:
enwärtig waren. Biel: Folcland wurde zu beſondern Zweden.
bgefondert, zur Befoldung der Thane (thegnland), des Shes.
1) Ähnlich ift auch dem Namen nach das Verhaͤltniß der libellario
omine possidentes und libellarii der Longobarden und Franken. |
2) Enutd Sefege I, 11. Über den Zehnten vom Grunbeigens
yume im roͤmiſchen und fränkifhen Reihe hat Birnbaum (Bonn
831) gelehrt und f&harffinnig gehandelt, fcheint jedoch felbft zuzugeben,
aß, wenn der Zufammenhang bes älteften englifchen Zehntrehts mit,
em römifchen unverkennbar, diefer bennoch nur fehr zart und locker fei.
8) Heming chartalar. worcester. p. 158; vgl. 20% fg. .
37 *
u Ahiedeetdeiek + ne er sc Beth .
Deſto wichtiger wurde dagegen, mit der Ausbildur
Minifterialität, der Begriff des geliehenen Landes, wora
Mechtöverhältniffe der Beudalität ich - entwickelten. Die
fänge des Kehnrechts wie des Ritterthums find bei den 2
fachfen fchon fehr früh zu erkennen. Selbſt der Row
Vafallen und Ritter (milites) wird ſchon zu König
Zeiten vernommen '), ‘und wir finden, anftatt der german
Wehrhaftmachung des Juͤnglings durch Befchlu der Bl
meinde, die Bekleidung mit dem ritterlichen Gürtel Id‘
angelſaͤchſiſchen König?) oder die Weihe des Schweil MM
Geiſtliche). Ahnliche Geremonien fanden bei de
mit Ealdormanfchaften, mitteld Umglrtung mit dem
durch den König, flatt. Die Lehnöpflicht wurde in fm
Huldigungdeide (hyld-ath) ausgedruͤckt: „Bei dem H
welchem dieſes Heiligthum heilig ift, will ich dem AR
und getreu (hold and getriwe) fein, und Alles Ihm
- er liebet und Alles fcheuen (ascunian) was er fe)
Gottes Recht und der Welt Gefegen und nie durh
ober Gewalt, Wort oder Werk etwas thun, was ihm
iſt, dawider er mich halte wie ich ed ernten will, und t
les leifte, wie es unſer Vorwort (formael) war, ald
mich beugte und feinen Willen erkiefete” *)
- "nu! — Gm mm um ,— ⏑⏑
\ ' .
Bon den innern Aufänden der Angelfahfen. 581
manifche Verwaltung und Rechtöpflege im Allgemeinen erkenn⸗
bar, wenngleich im Einzelnen dem Forſcher große Schwierig⸗
keiten ſich darbieten. Vor Allem wird man ſich huͤten muͤſ⸗
ſen allen Einrichtungen ein und daſſelbe kuͤnſtlich verarbeitete
Princip unterzulegen, vielmehr anerkennen, daß theils meh⸗
rere Jahrhunderte vor uns liegen, in welchen viele der uns
bekannten Einrichtungen erſt ihre Ausbildung und zuweilen ihre
Entſtehung erhalten haben, theils die urſpruͤnglichen Einrichtun⸗
gen der erobernden Angeln und Sachſen ſowohl auf dem B:s
dürfnifje der Kriegsführung ald auf den patriarchalifchen
Mechtöverhältniffen, welche im Frieden wieder hervortraten,
beruhen.
Die Enifiehung der größern Landesabtheilungen, der Shi⸗
res ), aus den kleinen Koͤnigreichen wie Kent, Suſſer, Eſſex,
Surrey und deren oft noch früher erfennbaren ‚Abtheilungen,
wie des Sid: und Nord⸗Volks in Oflanglien, oder den allmäs
lig eroberten walififchen und andern fremden Diftricten, wie dem
Zand der Devonfäten, der Cumbrier u. a., fällt in die Augen.
Das Miöverhältniß bes Umfanges der Shires gegen einander
ift in Mefler nicht fo groß als in’ Mercien und im Norden,
und ift dort, wo es fich gefaltet hatte, zuweilen auögeglichen,
wie dieſes von Alfred gefchehen zu fein ſcheint, und ſpaͤter un⸗
ter der Verwaltung des Eadric Streone, der die ehemalige
Winchcombleſ hire zu Gloceſter zog, bewerkſtelligt iſt. Auch ein
gegenſeitiger Einfluß der Shire- und der Dioͤceſan⸗Eintheilun⸗
gen ift nicht zu verfennen, namentlich in den Shires, welche
‚ben Namen der bifchöflichen Hauptfladt tragen, wie am auf:
fallendften in dem Lande der Hwiccas, welches mit der Shire
und dem Biöthume Worceſter genau zufammenfällt, In der
ausgebildeten angelfächfiihen Verfaffung wirde, an der Stelle
der frühen Nationalverfammlung, in jeder Shire halbjährlich
ein Gemote der Shire-Wittigften?) gehalten, an deſſen Spike
der Bilchof, der Ealdorman (der nachherige Earl) flanden und wo
Der Gerefa, hernach Reeve (daher Shire⸗Reeve, Sheriff⸗, ‚ein
| » Bon sciran abſcheeren woher Scheere, Scheerwand.
2) Eadgars Geſetze II, 5. Ätheiren II. (concil. waneting.)
8. 2 Die Berhandlungen eines Shiregemote Vvereford zu Koͤnig
Enuts Zeiten ſ in Hickos dissert. epistol, p. 2 .
Er 5
nen richtenden Gemeinde ausführte, Pfändungen vom
Brüche eintrieb, Abgaben, Geldbeiträge, Zehnten einfoderte
die Gefangnen verwahrte '). Einen Serefen finden wir
nur in dem Gau, fondern auch in jeder Heinen Juri
(tun-gerefa, der tunginus der Franken, wic-, port-,|
gerefa) ?) und in den verfciedenartigfien Vereinigi
wo Strafgelver oder Beiträge einzufodern waren (H
Deich, Spiel: Greven). Er entfpriht der urſpruͤng
Bedeutung der Bruchvoigte fowie aud) der Bedeutung
Benennung des Schultheiffen ’). Wenn der Shire-Gerefa
in England fein Amt fehr erweiterte und in die Stk
Ealdormaned trat, fo iſt er hier doch nie mit Demfelbe
wechfelt; es ift nie auf ihn der Titel comes, wohl ob
beö vicecomes übertragen). Auch in andern germa
Ländern können wir noch die Ealdormanen des Gaues unt
Mamen ber duces, satrapae, seniores, comites °) erf
1) Schr wahrſcheinlich erfcheint daher die alte Erklärung von
barb: von reafan, refan, alfo spoliator, exactor. Noch Gug
administr. c. 23.) überfegt: „exactores regii, quos dicunt graff
Bei den Kranken erhielt fi) das Wort Graf im greffier.
2) Sin foldher war auch der Graf von Bogen, beffen Paul
Bon den Innern Zuftänden ber Angelfachfen. 583
fie werden häufig mit den Gerefen oder Grafen zufammen und
fletö vor ihnen genannt), Als jedoch diefe Länder von ben
Franken befegt wurben, trat die Würde des Caldormanes
zurüd, deren Stelle theils durch Herzoge theils durch Kams-
merboten verfehen wurde, welche Legtere mit dem ‚umentbehrlis
chen Gau:Gerefen ſich iventificirten, und wi; finden diefen uns
ter der Bezeichnung des fränkifchen Dialekts, Graf, bald in
einer fehr erweiterten Stellung. Caldormanen von der Ges
noffenfchaft oder Gemeinde gemahlt, finden wir indeß noch
fpäter in flädtifchen und vielfachen untergeordneten Verhältnife
fen, im Gegenſatze der und neben den Föniglihen Beamten.
Da die Winde der Grafen auf dem Zeftlande früher vorzüg-
lich bei den Franken erwähnt ift, fo ift vermuthet worden, daß
Sachſen und Angelfachfen den Grafen von den. Franken er:
halten baben?). Doch trifft die Übereinftimmung jener Bes
"
zeichnung. bet beiden Völkern zu fehr zufammen, um nicht auf
ältern gemeinfchaftlihen Urfprung zurücdzuweifen. Wenn nur
: der Name von den Franken entlehnt fein follte, fo fragt fich,
—-—— m — We TE —⏑Â 3
— —
wie der Gerefa bei den Angelfachfen früher geheiffen. Sollte
aber die ganze Einrichtung, wie wir fie bei den Angelfachfen
finden, von den Franken entlehnt fein, fo muͤſſte dort auch das
Vorhandenſein der hoͤhergeſtellten Ealdormanen zugegeben wer⸗
den. Der Gerefa der Angelſachſen erhielt fuͤr ſeine Amtsfuͤh⸗
rung die Benutzung von Land, welches den Namen gereve-
(jegt reve) land führt, wie wir auch in Deutſchland bei
Wyfgereven ?) und Burgereven diefelbe Einrichtung finden.
Bu den älteften Diftrictöbenennungen, welche ber Shire
vorangingen, gehörte noch die „Maegthe“, ein Land, welches
die Genoffen eined Gefchlechtes oder Stammes, eine Magens
fchaft, wie fie im Kriege zufammen gefochten und erobert
- hatten, fo im Frieden zufammen erhielten *). Wir finden dieſe
Bezeihnung gewöhnlich fehon auf die größern fächfifchen, nicht
1) Dan ogl. bie in Savigny Geſch. d. rom. Rechts Th.I. Gap. 4,
freilich zu anderm Zwecke, gefammelten Stellen. Auch lex Ripuar. 88.
2) Grimm Rechtsalterthuͤmer 753.
8) Mindener Urkunde vom 3. 1296 in Falke tradit. Corvey.
p- 853: Censum trium mansorum pertinentium ad officium Wicgravü.
4) Tacit. Ll.c.7. Caesar. de bello gallico.
584 Sechste Abtheilung.
aber auf die von den Angeln beſetzten Provinzen angenak,
Doch zuweilen noch im Altern Sinne, vote bei der Naegthe da
Meanwaren. Daß fich eine wirkliche, bei den Anziichke
jedoch nur in feltenen Spuren noch nachzumeilende Vennn
fchaft unter diefen neben einander fiedelnden Gefclechtern bu
Erbrecht, Wergela, politiſche Bürgfchaften, Naͤherrechte m
andere mit jenen verknüpfte Einrichtungen lange erhale
konnten, zeigen uns viele Beifpiele, felbft mod; dei fi
Mittelalterd, in den Kluften, Vetterfchaften und ähnlichen $i
milienverbindungen germanifcher Stämme '), um nicht af
ferntereö hinzuweifen; woraus wir gleichfalls wahrnehmen, u
zulegt, bei größerer Beweglichkeit der Habe und fh 3
Landeigenthumes, die Verwandtfchaft nur ald Bezeichnung c
politifhen Verbindung übrigblieb. |
Die Eintheilung ded Landes in Hundreden berakt, gb
der entfprechenden nordifchen in Herräde, auf der ala 6
reöverfaffung ). Beide Namen würden einem Dilnk
theilt, welcher hundert Mannen zum Schuge und Rufe !
Ealdormaned erwählte. Doch hat fchon Tacitus beat, &
die wirkliche Anzahl nicht immer dem Namen da
mannen entfprach. Die ſchwankenden Verhältnife da
rung, fowie die Zoderungen der bei bauerndem
und Frieden fich entwidelnden Verfaffung, haben in dm
Zahlenverhältniffe mitbegründeten Ämtern ftets häufige A
derungen hervorgebracht. Die Stellung der hundert
Tann oft mit der Verbindung von ebenfo vielen frei s
lien oder auch Hyden (mansis), welche, wie es pin!
bie Thane gefchah, jegliche einen Mann ftellten, zufamm
gen; doc) laͤſſt fich Lesteres nur in wenigen Fällen nad
Überhaupt ift der dltere Umfang derſelben fehr fchwer
Tennen, da feit dee normannifchen Eroberung ihre Nam
häufig verändert find. Zu dieſen gehören die Hund
Northampton, deren jede zur Zeit Eadwards des Bekenn
1) Lex salica tit. 63.
2) Am deutlichften erkennen wir biefe noch bei ben Wi
Leg. Visigoth. 1. IX. tit. 2. c. 1.8.5. Bgi. J. M. Velse
Danorum institätis militaribus. Havniae’ 1831.:
; u '
f N
Bon den inneren Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 585 |
hundert. Hyden beitanden haben fol); Auch. die ſechs Sheb>
dings: oder Hundreden ber Infel Dan. Die: Bemerkung, dag
manche der Fleinen Shires die meiſten Hundreden zählen, hat
unloͤsbare Schwierigkeiten erregt ?); doch. führt biefelbe uns
gielleicht auf die richtigfte Erklärung der Entflehung der Hund⸗
reden, wenn wir zugleich wahrnehmen, -daß- jene Eleine Grafs
haften, Kent mit 61, Suſſex mit 65, Dorfet mit 34 Hunda
eben bie zuerft und alfo von den fich anfiedelnden Eroberer _
m ſtaͤrkſten bevölkerten Landfchaften find, während in den ſpaͤ⸗
er eroberten, wie Lancafter mit nur ſechs Hundreden, die bris
ifche Bevölkerung flärker blieb, und die Hundrede alfp auf -
ine. Eintheilung der angelfächfifchen Herren, ohne Ruͤckſicht auf
yie untergebenen Briten, fich beziehen möchten Die Verſamm⸗
ungen der Hundreden erhielten ſich zu Zweden freiwilliger ſo⸗
vie contentisfer Gerichtöbarkeit, monatlich nach uralter Sitte’).
Der. Vorſteher derſelben führte den Namen des AÄlteſten (Eal-
dor); ein Gerefe erfcheint nicht, und es ift der Shire- ober
aächfle Bur⸗Gereve vermuthlich der. Vollſtrecker der öindungen
des Hundrede gewefen *).
Gine den Hundreden entſprechende Eintheilung des noro⸗
ichen Englands in den von den Angeln bewohnten Provinzen
wurde dort Wapentake genannt °), wahrſcheinlich von der dort
gehaltenen Waffenſchau oder Vyrde) (fyrd, weorod), In
Kent finden fich mehrere Hundreden unter dem Namen Lathed _
bereinigt, welche bie Gerichtöbarkeit der Hundreden ausuͤbten,
und worin wir bie, nordiſche Lething ’) oder Heerfahrt wieder⸗
1) S. das ſachſi ſche Manuſcript bei Ellis 1. I, 184. 187.
2) ©. unter Andern Hallam Buropa during the middle ages.
Vol. 11. p. 391. .
3) Tacit. German. 11. Coeunt — certis diebus, cum aut in-
choatur luna aut impletur,
4) Ein hundred gerefe f&heint vor ben unzuverläffigen leges Kad-
wardi c. 85. nidt vorzukommen.
5) Leg. Kadwardi c. 33.
6) d. h. Würdigung, Mufterung. Die älteren Erklaͤrungen hat
sefammelt Ellis I, 180sq. - Die Grläuterung von Tacitus German.
c. 11. Considunt armati — sententia — si placuit, frameas concu-
Lent, fcheint auf den norbifchen Ramen nit paffend.
7) Juͤt. Low III, 2. Im Islaͤndiſchen: leid, conventus,
des Adeld waren im größern oder geringern Umfange von
Jurisdiction der Hundreden erimirt und übten biefe fe ı
Dieſes Privilegum hieß Saca, der germanifche Austne
die Immunität, und entfpricht, nach meiner Anficht, ganz |
Rechte der Sagibarone der Saalfranten. Den Dihid ı
welchen dad Recht der Saca auögelibt wurde, nat
Son, Eoca (Afyl), auch Kithesocn ?), worin bie Dep
auf dad Gefith, dem diefed Privilegium zuerft verlichen mer
ausgeſprochen iſt, und die Eingeſeſſenen Socmannm Di
Gerichte wurden in der Halle des- berechtigten Thancd ga
und erhielten daher den Namen von Hallmotes; fie fh mm
unter bem der courts-baron In Givil:, ſowie dem da ut
leet in Criminal: Sachen vorhanden,
Eine fehr wichtige, doch fir uns in mander Hu
- erfcheinende und oft falfch gedeutete Seite der Kechtäpfege ?
Angelfachfen ift die Ausbildung, welche bei ihnen bie
gung erhielt, bie jeder Volksgenoſſe für fein Berge -
leiften hatte, fofern er nicht bereitd in einer. ausgedeheh
Rechtsbürgfchaft durch Familienverhäftniffe ſtand >). Da hu
1) In Island bedeutet hreppr einen Diftrict, in welchem 10
Gragas 20 oder mehr Bonden einen Armen unterhielten.
2) Von saca Sache, engl. sake,. im gerichtlichen Ginne, c
Don ben Innern Buflänben der Angelfachfen. 587.
vater haftete nämlich allgemein für die Vergehen der Frau, ber
unmünbdigen Kinder, des Haußgefinded und der Sclaven, ſelbſt
i für den durch fein Vieh angerichteten Schaden, für Alle die in
= feiner Mundfchaft oder feinem Eigenthume waren und deren
Erwerb und Wergeld ihm dagegen. gehörte. Weniger ausge⸗
e dehnt war bie gegenfeitige Rechtöbürgfchaft der Sippe ober
w Magen (maegburg) !) unter einander, welche vorzüglidy bie
m Verpflichtung zur Blutrache erfchlagner, zum Schutze unmüns
ia Diger, fomwie auch des Eigenthumes der für deffen Verwaltung
m vorübergehend unfähigen Verwandten, zur Zahlung des durch
ei biefelben verwirften halben Wergeldes?), und ‚dagegen das
EReht zum Empfange ded Wergeldes für den ermordeten Vers
£, wandten, die Schmertfeite zu 3, die Spillmagen zu 4 deſſel⸗
Siben, begriff. Wir haben bier nur die Verhältniffe bezeichnet,
mmelche das Recht in den uns näher bekannten Zeiten vorfchrieb;
»!doch verlangte die Sitte, von dem Geſetze nicht. zu unterfcheis
eben, früher mehr, und ber Beiltand der Verwandten durfte in
„ den Fällen ſchwerlich verfagt werden, in welchen eine Fehde ges
ſetzlich geflattet war‘). Der Verpflichtung zur Fehde entſprach
in gerichtlichen: Verhandlungen die zur Eideshülfe, wenn die
Glaubwuͤrdigkeit der eidlihen Anklage oder DVertheidigung bes
ſtaͤrkt werben ſollte.
1 Bei der Entwickelung der angelſaͤchſiſchen Staaten und
deren Vermiſchung mit Briten und Daͤnen verloren jedoch dieſe
auf die Familie begruͤndeten Rechtsbuͤrgſchaften einen großen
Theil ihres Einfluſſes, und kuͤnſtliche Verbindungen ſollten das
dahinſchwindende patriarchaliſche Gefühl erſetzen. Der begü⸗
terte Eigenthuͤmer, der Lehnsherr nahm alle ſeine Hoͤrigen
(hyrede) in den Schutz, welchen bie Sippſchaft früher ges
währte, und übernahm die Verpflichtung diefelben bei Vergehun⸗
gen zu gerechter Strafe und Buße zu ftellen, für den flüchtigen
Mörder aber das Wergeld zu entrichten, worauf jedoch die .
Bürgichaft, welche die Sippfchaften feiner Leute mit einander
bildeten jegt ihm, dem Hlaford, der fie gegen den: Staat wie
1) Leg. Aclfred. 41.
2) Leg. Acthelb. 23, 2
3) Aelfredi leg. 42. Leg, Henrici I, 88, -
—
verknüpften Beſitz telbjigenugende Buͤrgſchaft darboten, MM
wie es fcheint, alte, urfprünglich Eriegerifche Abteilung ag
wandt. Se zehn Freie bildeten eine Zeothung'), von dam
einer dad Haupt (tien heofod): derfelben hieß, dem con
bernium und deſſen caput der fpdtern römifchen Kri
entfprechend ?), deren Priegerifcher Urfprung unter der fol
Umgeflaltung ald Wache (ward and watch) auf der fak
firaße noch lange erfenntlich blieb, bis zuletzt ſelbſt dr Aurih
zer der Mannfchaft der Hundrede, der comes stabgli, mm
noch ald ein - untergeorbneter Polizeibeamter (mastahle
diente’). Sehr wahrfcheinlih war ſchon dieſe Zehaheſ I
öltefter Zeit für das Wergeld ihrer Genoffen verplihie u
zu demfelben berechtigt, da wir auch in altgermariſta de
fegen fehr ſtrenge Vorfchriften über die Entrichtung von
geldern und Bußen vor neun Genoffen des Mörder, IL
brechers in ein Haus, des Entführer eines Zraumymmt
finden‘). War die Zehntfchaft vorhanden, fo mup dirk ai
1) &o und nit teothing ſchrieben die Angelſachſen; tyiing‘
bie fpätere Beit, wodurch ſchon der in allem Gefchichtlicen unml
fige Verfaſſer der leges Eadwardi Confessoris in ben Zrrihum
fein mag im c. 32., ber Zehntſchaft den. Begriff eines Dingd
Berichtes unterzulegen. Durch ihn iſt auch die irrige Anficht a
gelangt, daß ein Zeothung aus zehn Friborgen und biefe au
Y
\ 0)
Bon den innern Buftänden ber Angelfachfen. 589
enged Band unter ihren Mitgliedern gefchloffen haͤben, und
Niemand war mehr bei dem. Erfolge und zur Unterſtuͤtzung
eined lebensgefaͤhrlichen Unternehmens oder zur Verhinderung
deſſelben aufgefodert als die neun uͤbrigen Mitglieder derſel⸗
ben, und das Geſetz durfte: daher dieſe ſtets als. Mitſchul⸗
dige muthmaßen. Die aͤltern Geſetze ber Angelſachſen fprechen
nicht von Teothungen, Doch wohl von Gildegenoſſen (gegylä
dan), welche bei Leuten, die. keine Speermagen beſaßen, gleich:
mden Spillmagen fuͤr ein Drittel, und wenn auch Letztere fehlz
® ten, in bie Rechte ſaͤmmtlicher Verwandten tretend, für die
u Haͤlfte des Wergeldes hafteten). Wahrſcheinlich waren jene
a die Genoſſen derſelben Friedensgilden, ‚welche zu Athelſtans
e Beiten zu London ?) und vermuthlich in andern großen. Staͤd⸗
B ten vorhanden waren. Doch koͤnnen nicht alle Freie. in Gil⸗
u ben geweſen fein, welche ſolche Verpflichtungen übernahmen,
die nur denen aufgebürdet werden Tonnten, welche, wie etwa
u ftäbtifche Gilden, eigne Zwangsmittel gegen ihre Mitglieder bes
d faßen. Seit der Regierung des Königs Äthelſtan finden wir
5 baher vielfache Verfügungen, um jeden nicht eximirten $reien
» anzubalten eine Bürgichaft zu ftellen *), welche in dee füdlichen .
—8* von England in den Teothungs, in dieſer Bezichung
i Freoborhs 9, Verbürgung der Stden, von den, Normannen
I |
dieſen Fällen nicht von einer Buͤrgfchaft, ſondern von einer Mitſchuld
bie Rede iſt. Die Ausdruͤcke: collecto contubernio, collecta manu ſchei⸗
nen nicht auf eine beſtehende Verbindung zu deuten. Lex salica tit.
16. c. 1. et 3. befchränkt die Strafe beim Eindrude in ein Haus aus:
drüdiih auf die, welche überführt waren in dem contubergium des
Hauptfrevdlers geweſen zu ſein, und hat ebenſo wenig wie die Geſetze
Ber Ripuarier und. Anglier. bie in den uͤbrigen Fällen allerdings ſehr
auffallende Beſchraͤnkung der nach verſchiedenem Maasftabe zu Beſtra⸗
Finden auf die Zuhl Zehn.
1) Leg. Aelfredi 26, 27.
2) Judicia civit. London.
8) Leg. Eadgar. I. B, 6.
4) Palgrave.a. a. D. 196 u. 202.
5) Homines decimales oder decimarum, in Aethelstant consti-
%utio de hundredis. Teothung’in Judic. Lond. und leg. Canuti 11, 20.
zuerfi genannt. Der angelfähfifhe Ausdruck freoborh koͤmmt jedoch
in keiner vornormanniſchen Schrift vor, was von denen zu brachten iſt,
entfliehen, fo. verfielen fie in gewiſſe Strafen und bei Di
ftählen in die bes Erſatzes). Diefer Erſatz war ki ga
nem Dich fo. bedeutend, ‚daß er, wie in .neuen Jet
Brandgilden, die Eigenthümer zur Nachlaͤſſigkeit, wem MM
zu gröbern Misbraͤuchen veranlaffte. Die Haft der Zeomm
wurde fogar auf die ganze Dorfgemeinde ausgedehat und Ki
auf die Fälle bezogen, wo der Thaͤter unbekannt war ud
ungewiß. ſchien, ob berfelbe ein Rechtögenofje war.
meinde welde den Mörder - eines innerhalb ihrer Gm® 4
fundnen: Todten nicht in einem Monate ausfindy ac
muſſte das Wergeld an den Berechtigten und ein Di 4
den König entrichten. Doch Eennen wir. diefe, größe RAM
ber Freoborh, wie felbft diefen Namen, erft in der MM
ſchen Epoche, und es erfcheint hoͤchſt wahrſcheinlich, —1—
Friedgilden und Teothungen der Angelſachſen von DM
mannen benußt find, um zugleich die Verbindungen der de
wandtſchaft unter den Beſiegten zu ſchwaͤchen und Frege 9
lizei zu ‚üben. Hieraus möchte ſich auch wohl erklärt, m
halb. nur die-von den. Normannen zuerft voliftändig MIT
ten Provinzen die Freoborh am vollſtaͤndigſten ang
hatten. * | . \ u
⸗ ! f]
\
- 20
—
Von den innern Zuſtaͤnden der Enselfanfen. 691
1*
Privat— und ſtrafrechtliche! Sagungen:
Unſere Kenntniß des angelſaͤchſiſchen Rechtes iſt beſchraͤnk⸗
ter, als im Verhaͤltniß zu unſerer Kenntniß ihrer Geſchichte zu
erwarten ſtuͤnde. Es iſt bet ihnen nicht, wie beiandern ger:
manifchen Stämmen geichah, zur Sicherung ihrer Rechte eine
Aufzeichnung des Wefentlichften veranſtaltet, ſondern die und
erhaltenen Gefege bezwecken gewöhnlich” nur die Anordnung
neuer Einrichtungen oder die Feftftellung ungerwiffer Rechts:
grundfäge, welche häufig erft durch die Verbindung mit den
Dänen erfoderlich geworden ft. Erft unter den Normannen
und den burch jene eindringenden fremden Rechtsanfichten
wurden ausführliche Darftelungen des» angelfächfiichen Rechtes
yeranlafft, welche jedoch ſchon des Neuern, Misverftandenen und
Kremdartigen Manches mit aufgenommen haben. Bei aller
daraus entftehenden Mangelhaftigkeit unferer Kunde des angel:
fächfifhen Rechtes, welche durch den Berluft aller mercifchen
fowie der: meiften nortbumbrifchen Gefegrollen noch empfindl⸗
cher wird, find wir hinlänglih im Stande die Übereinſtimmung
beffelben mit_dem anderer germmifchen Völker zu erkennen und
bürfen ed, befonderd bei dem Umſtande, daß die Aufzeichnun:
gen der Gefetze ſowohl als Nechtöbelehrungen ımd Formulare
in angelſaͤchſiſcher Sprache ſich groͤßtentheils erhalten haben,
als eine der wichtigſten germaniſchen Rechtsquellen betrachten.
Ein beſonderes Intereſſe fuͤr die engliſche Geſchichte gewaͤhrt
bie des angelſaͤchſiſchen Rechtes dadurch, daß im letzteren auf
die glaubwuͤrdigſte Weiſe die Grundlage der ſpaͤtern Verhaͤlt⸗
niſſe der Normannen und Angelſachſen ſich zu erkennen gibt.
Einige Bemerkungen, welche die weſentlichſte Ubereinſtimmung
erläutern und einzelne Eigenthümlichkeiten hervorheben, wenn
beren, als dem Hiftorifchen fowie dem Staatsrechtlichen näher
angehörig, nicht dereitd an andern Stellen diefes Buches Er⸗
wähnung geſchah, find, hier zu verzeichnen, wenngleich eine
foftematifche Überfiht des angelfähfifchen Rechts um fo mehr
aufler dem Plane dieſer Darftellung liegen- dürfte, ba die an⸗
gelſaͤchſiſche Nechtögefchichte den Deutfchen durh wackerer
Landsleute Bemühungen ') vertrauter und zugänglicher gewor⸗
1) 3u Philipps Werken über das angelfächfifche und das englis
s022 Syrechs t e Abtheilung.
den iſt, als den Engländer ſelbſt bis jetzt noch Mi
den wurde. —
Der Freie ſtand im Staate zunaͤchſt als Mitglied ä
Geſchlechtes da, deſſen Angehörige zu gegenſeitiger Heike
entflandenen, Angriffen verpflichtet. waren. Diefe Verpfich
bezog ſich jedoch nur auf unrechtmäßige Angriffe und g
durch die Geſetze welche die häufigen Fehden zu vemak
bezweckten, mehr und mehr befchränkt und den Gerichten ff
Witan) zugleich ein Verfahren beſtimmt, wodurch ber Lodiſci
burd) . feine Dorfprecher Frieden und die verlegte Def
fchaft das fchuldige Wergeld erlangen ſollten). Di $
‚wandten des .Erfchlagnen erhielten für denfelben das gan
Mitgliedern feines Standes beftimmte Wergeld, wart, %
leod, Beides urſpruͤnglich den Mann, vir, ſodann die geſch
Strafe fuͤr deſſen Ermordung bedeutend. Dagegen Ip of
Verwandten ded ZTodtfchlägers ob, denfelben vor Geil
fielen, damit ex fein Wergeld entrichte; entfloh Dh. b; J
zahlten feine Verwandten die Hälfte des Wergeldes; de A
bannung und der Verluft: des werhaften Zamilienglieed 1
ber andern Hälfte des Wergeldes gleich gerechnet’); @ *
haͤltniß welches, im Falle keine Verwandten von Mt ME
feite vorhanden waren, fondern nur Gildegenoſſen m
magen, numerifch, doch nicht dem Grundfage nad "1 |
derte ?). Entfloh der Zodtfchläger nicht, fo ftand cd WW
| genſchaft nach ſpaͤtern Geſetzen frei, zur Entrichtung jmd 3
geldes ihm Aufihub zu geben, ober auch fid von WE
Manne ganz und gar loszufagen. Nur in Fällen a‘
giftungen und ehrlofen, heimlichen Morten (mord — iM
mit befonderer Beziehung auf Religion, Recht und Staats
Berlin 1832, hinzuzufügen. Schmids Abhandlungen im Herme
u. 32. fowie feine Ausgabe ber angelſaͤchſiſchen Geſetze und a
Rechtsalterthuͤmer ergänzen jene häufig.
1) Leg. Eadmund. II, 1u.7. .
2) Leg. Aethelberti 23,
8) Leg. Aclfred. 27. Eadmund. II, 1.
4) Diefe dem Meuchelmord entfprechende Bedeutung bes a
welche Grimm echtaalterthumrr 625) unter andern auch in}
ſche Recht unter den Normannen iſt auch jetzt deſſen *
Bon ben innern Zuſtaͤnden der Angelfahfen. 593
hatten die Verwandten, auffer andern Bußen, das ganze Wer⸗
geld zu zahlen.
Vor der Entrichtung des Wergeldes wurde, nach bem
Scheine der Halöfang entrichtet '), ein von ben naͤchſten zur
Blutrache berechtigten Verwandten bed Erſchlagnen zu zahlen⸗
des Loͤſegeld des Halſes oder Lebens, welches einem Zehntel
des Wergeldes entſprach. Das Wergeld muſſte vierzig Tage
darauf ganz entrichtet werden; ſpaͤter wurden breimöchentliche
Friſten eingeführt ?). |
Der König oder Herr. des Erſchlagnen erhielt ferner eine
Mannbuße, welche für den Ceorl 30, den Sirhyndumman 80°
und den Twelfhyndumman 120 Schillinge betrug ?). Auffers
Dem wurde für den Zriedensbruc dem Richter noch ein Fechts
gewette (fyhtewite) entrichtet, welches, gleich der Mannbuße,
mie erlafien werden konnte. |
Recht und Pflicht des Hausvaters. war der Schuß derer,
welche in feiner Hand — denn dieſe bedeutet Mund urfprüngs
Lich — oder. feiner Bevormundung (mund, mundbyrd). als
Unfreie oder als feine, Kinder und Frau flanden. Die Zus
rechnungsfaͤhigkeit des Knaben, feine Waffenfähigkeit, und
aͤlteſten Rechte, ſogleich bei offnem Grabe oder blinkendem
—
x
Die freie Verwaltung feines Vermögens begannen . bei den
aͤltern Angelfachfen fchon mit dem zehnten, nach den Geſetzen
König Athelftans jedoch erft mit dem zwölften Jahre. Doch
wurde auch dann noch die Zurechnungsfaͤhigkeit der Kinder, im
Zalle ded vom Vater begangnen Diebftahles, ſelbſt auf das in
Der Wiege liegende Kinb auögebehnt, wodurch biefes gleich
den mundigen hreienn der Sclaverei verfiel; ein Misbrauch
saxon. II, 6, hervorhebt, ſcheint ebenſo im angelfäcfigen Rechte ſich
zu finden: Leg. Aethelstan. II, 6.
1) Leg. Aethelbert. 22. nad) - ber cichtigen Interpunction von
Schmid. Ich nehme dort die 20 Schillinge für den Halsfang des
Georle, da 120 Schillinge fuͤr den Salsfang bed Zwelſhondimman ge⸗
zahlt werben.
2) Leg. Eadmundi II, 7. Eadwardi et Gudruni foedus $ 4
Bei Schmid abgefondert gedruckt e. 211. u | .
S) Leg. Inne 70. —
Eappenderg”e Gräiäe eageme . 38
‘
—
haben.
kentiſchen Rechts auch nur von den Freien zu ver
welche bee Zod des Vaterd ihres natlrlichen Vornes
saubt hatte. Der Anfang bed dreizehnten Schr mw
erſter Zeitpunct der Muͤndigkeit laͤſſt ſich als allgemn
niſch betrachten ).
Nach dem Tode des Vaters blieb das Kind kin
tee; doch erhielten die Magen der Speerhälfte gem a
die Verwaltung des Vermoͤgens oder Hauptfluhlee ®
und mufften genügende Bürgfchaft für daffelbe vor —
regemot fellen, bis zu ber erfien Muͤndigkeit des y
nen’). Die Gemeinſchaftlichkeit der Bormuͤnder e
weshalb für den Bormund fich. keine ausfchlieffliche S
findet, da mundbyrd, anweald, forspaece, we⸗⸗
gebraucht ‚werben, ſaͤmmtlich noch allgemeinere —
Die Ehe wurbe eingegangen, nachdem: in vorhex
nen Beredungen der Bräutigam (brydguma) mit ve?
wanbten der Braut ein Kaufgeld, welches Lebtere —M
Aufbewahrung deren naͤchſter Verwandter erhielt, und AH
fhon für die künftige Ehefrau die Morgengabe (morgespl
dos), welche zugleich ein haufig in Grundſtuͤcken .befieah
Witthum für den Fall des früheren Ablebens des Maul‘
[>43. FLVI.L EN Lu °._ı EL _ı1. en _...n -. PP Wi ee...
Bon beninnern Zuſtaͤnden der Angelfachfen. 505
Verwandten der Braut die Bevormundung ihrer Angehörigen hin⸗
fort dem Ehemanne übertrugen, fcheint auch mund, wie beiden
tongobarden, und mundr im Norden genamt zu fein‘). Je
mehr die Familienverbindung noch galt, und je eher bei dem
kriegeriſchen Wanderleben die verbeirathete Tochter verlaffen
oder verwittwet den väterlichen Verwandten wieder anheim⸗
fallen konnte, deſto wichtiger war ber. Kaufpreis, welcher we
nigſtens zum Xheile eine ähnliche Beſtimmung ald die Mors
zengabe erhielt. Bei: den ficher begründeten Verhaͤltniſſen fried⸗
licher Staaten wurde biefe bedeutender, der Kaufpreis dber
zlieb als Symbol, oder wurde lediglich dem guten Willen des
Braͤutigams überlaffen ). Das Mund der zur anderen Ehe
hreitenden Wittwe war in Bezug auf den Rang ihres frühes
sen Mannes gefeßlich abgemefjen’),. Fuͤr die Erfüllung die⸗
ſer Bedingungen wurden Bingen und Pfänder gegeben. Ging
ber Verlobte die Ehe in beftimmter Friſt nicht ein, fo hatte
er, auffer einer beflimmten Strafe, den feflgefebten Kaufpreis .
ber Braut zu zahlen‘). Die Habe welche dieſe vom Bater
als Ditgabe erhielt °) (fioh, gleich dem lombardiſchen phader-
fio im Gegenfag des inetlio oder Kaufpreifes), kehrte nach
bem Tode der kinderloſen Wittwe an ihre Verwandten zuruͤck.
Dieſelben erhielten auch ihre. Morgengabe nath abuse
Rechte, wie wir 85 bei den Dflfalen und Angern finden ®).
p. 75. Schmid 208) ſcheint mir. jedoch $. 8. Beides zu trennen.
Die Stelle beweift für bie Angelfachlen, was Grimm (Mechtsalten
thuͤmer 427) von andern germanifhen Völkern annimmt, daß die Braut
ben Kaufpreis, welcher daher auch zuweilen bie dos genannt wurde,
und die Morgengabe zufammen erhielt.
1) Aethelb. dom. 74. und bafeldft Price.
2) Cnut. I, 72. So möchte es ſich ſchon bei ben benachbar⸗
sen weniger Eriegerifchen Stämmen der Germanen verhalten haben, von
benen Zacitus feine Beobachtungen entlehnte, der des Kaufpreiſes nicht
zedenkt, aber die gleich jenem mit den Verwandten vor ber Hochzeit bes.
redete Morgengabe kennt. Cap.18.: dotem uxorimaritus offert— paren-
‚es et propinqui munera probant, Inter hasc munera uxor accipiter.
8) Äthelbert 74. ' '
4) ne 81. .
5)-Das armorum liquid fr Taeit. ‚German. ‘17.
6) Spaten 0. Lex Saxontim tik. VIIHI. art, 2.
38*
—*
600 Sechste Abtheiluns.
Eheverbote wegen zu naher Verwandtſchaft und Schwoͤ
geyſchaft wurden durch die chriſtliche Geiſtlichkeit eingeführt,
doch fanden ſich Gründe die Ausdehnung derſelben zu beſchraͤr
Sen‘). Freiwillige Trennungen bee Ehe waren fiatthaft, bei de
‚nen die Ehefrau, wenn die Kinder bei ihr blieben, die Hälfte
des Geſammtvermoͤgens, verweilten biefe bei. deu Manne, de I
Anteil eines Kindes erhielt ?). _
Der Gehorfam gegen den Ehemann, welchen das Geſeh
von der Frau verlangte, war fo ſtreng, daß bie: Frau nicht
serpflichtet war Diebflähle ihres Mannes anyuzeigen ?’). Doch
finden fi bei den Angelfachfen Teine Nachrichten, daß bem
Manne es geſtattet geweſen ſei feine ihm angetrauete Fra
zu verkaufen, wie eine vermuthlich auf Misverſtand altın
Rechtes beruhende Anſicht dieſes noch heute geſtatten will.
Das angelſaͤchſiſche Verlobungsformular iſt nicht aufge
Funden; doch die Übereinflimmung verfchiebener fehr alter alk
texirender amd rhythmiſcher Formulare in verfchiebenen engle
"Schen Provinzen, welche yor der Kirchenreformation gebraucht
wurden, ‚berechtigt uns wohl anzunehmen, daß fie alle dem
angelfächfifchen nachgebildet find. Sehr auffallend erinnert dr
Ernſt und die-Würde derfelben. an, die Betrachtungen, wei
Tacitus über die Eingehung der Che der. Germanen mail
und. welche vielleicht feine Kenntniß des Berlöbnißformuln
berfelben bezeugen *).
Über das Sachenrecht bleibt hier wenig zu bemerken, da
von den Schiefalen des Landeigenthums bei den ſtaatsrechtli⸗
en DVerhälmiffen die Rede war. Die Übertragungen des
Eigenthumö, beſonders bes Landbeſitzes, waren, theils ſym⸗
1) Bedae hist. eccl. I, 7.
2) Äthelbert 78. 79. 2
‚ 3) Ine 57.
er Jene iauten: I take thee — to be my 7 wedded hasband (wife)
to have and hold — for better, for worse, — for richer, for
poorer — in-sycknesse, in hele — for fairer, for fouler etc. (die Zrau
gelobt auch to be bonere and buxom) till death) us depart. Tacit.
German. c. 18: Mulier ipsis incipientis matrimonii auspiciis admo-
netur, venire ae laborum perichlorumque sociam, idem in pace, idem
in proelio passuram ausuramgue, Sic vivendum ‚ sic-pereundum.
m m Herr -
3
-
Bon den innern Buftdnden der Angelfahfen. 597...
| bolifch *) mit Helm, Schwert, Bogen, Pfeil, oder was fonft
als Denkzeichen aufbewahrt werden konnte, theils an Formu⸗
lare geknuͤpft, deren Rhythmus wir noch haufig in den angel:
fächfiichen Urkunden wiederfinden ?). '
Die Übertragung durch Scheifttiche Documente war fehr
gebräuchlich, und wir befigen daher noch manche Urkunde. aus
. der angelfächfifchen Zeit in der Kandes= wie in der lateinifchen
Sprache, welche bis auf die erften Zeiten der Glaubensboten
‚des Papſtes Gregor I. zurüdgehen. Das, Intereffe der angel⸗
fächfifch gefchriebenen Urkunden für unfere Tage ift um fo
größer, da beutfche Urkunden vor dem’ breizehnten Jahrhun⸗
derte nicht vorhanden find; doch muß bemerkt werden, baß
auch von jenen die Driginale felten vorgezeigt werden koͤnnen
und daß manche, namentlich alle mit großer Farbenpracht und
goldenen Buchftaben, erft nach der normannifchen Eroberung
gefchrieben find, um die damaligen Landesherren zu täufchen.
Der Verkauf des Landeigentbumd war durch die Einwil⸗
Ugung der nächften Erben bedingt... Manchen Gefammtbefig
und mancherlei Näherrechte muß eine fo fehr auf gemeinfame
Vereinigung jeder Art begründete Verfaſſung erzeugt, haben,
welche wir befier kennen würden, wenn wir. in den Urkunden
die felten willkuͤrlich aufgeführten Zeugen ſtets zu beuten vers
möchten.
Der ‚Verkäufer leiſtete dem Kaͤufer Gewähr (waere) und
verpflichtete fich zur Vertheidigung des verkauften Grundſtuͤcks
gegen widerrechtliche Anſpruͤche und zu beträchtlichen Bußen.
Der Verkäufer beweglicher Güter, welche angefprochen wur:
den, ward, wenn er Teine fernere Gewähre (geteama) hers
beiführen oder fich fon vechtfertigen Fonnte, ald Dieb be
trachtet ®).
Das Pfandrecht tft fehon in ſehr urſpruͤnglichen Zuſtaͤnden
der Geſellſchaft von bedeutendem Einfluſſe, da theils der Man⸗
gel an Zahlungsmitteln Verpfaͤndungen haͤufig veranlaſſt, theils
1) Ingulph. |
2) Hearnes textus roffensis 51. enthält ſolche Sormeln zuſam⸗
mengeſtelltz vgl. Palgrave II, 1%. |
3) Äthelreb IT, 10.
—
DB won den innen Zufänden ber Angelfahfen. PN
‚nr ff Das vom Wolfe bei der Crobermg serlichene
„ @oleland), an befiem Stelle ſpaͤter bie koͤniglichen Lehen
— konnte mit den auf demſelben haftenden Verpflichtun⸗
auf. den Naͤchſten im Dannöftamme vererben oder
in den Geſammtbeſitz der Söhne "gelangen. Ähnliche
wmirngen finden ſich bei der. terra salica der Saalfran⸗
r terra aviatioa der Ripuarier, in welchem dem Allo⸗
° entgegengefegten Pande nur der Mannöflomm oder bie
@rfeite') forterben Sonate). Bei biefem Zolclande war
Weit der Niederzeichnung der fchriftlihen Gefege ber Fall
ot möglich, daß der Water es vom Sohne erben konnte,
ches bei dem we als gewöhnlich bemerkt wird, fowie
berdanpt der maͤnniglich bekannten Exbfolge im. Boifslande
icht anders ald gelegentlich. bei den Alledien gedacht
ird. Dieſe aber, die Aflodien, beflanden zunaͤchſt ans Waf⸗
u, Schmuck, Sclaven, Hausthieren und anderer fahrender
abe, aber auch aus unbeweglichem Eigenthume, weldhes er:
t ober ſelbſt erworben und ‘errungen war. Solche Grund⸗
be find es welche bei den Angelfachien gewöhnlich den Nas
73 „Bocland“ führen. Erbrecht. an den Altobien befaßen
nntlihe, in gleichen Grade dem Erblafter naheftehende
wwanbte, unter gewifien näheren Verfügungen für Waf⸗
ı und Frauen: Gerade. - Borland konnte felbft au Frauen
nacht werben ); doch bildeten fich bald im einem noch krie⸗
rifchen Zeitalter auch Grundſaͤtze für die Vererbung des Als _
xiallandes, welche denen, die Volksland ımb Lehne beiras
ı, äbnelten. Das den Frauen vermachte Borland wurde
x ald zum Nießbrauch gegeben betrachtet. und kehrte an den
1) Es iſt ſchon oben bemerkt, daß ber Ausdruck Speer⸗ für
west : Geite ich in keinem der aͤlteren Geſetze als der ax Angliorem
bet, Diefer ſcheinen audy die franzäfifchen Juriſten ihr „tomber de _
sce en quenouille“ entlehnt zu haben. S
2) Leg. Henrici J, 70. $. 14 - 24. Bei ber Abfaffung des $. 19.
5 lex Ripuarior. tit. 56. vor, aber bach wohl nur weil das Recht
ſſelbe war. Beide Stellen erläutern fü dahin, daß ber Vorzug des
tannsftammes nicht bei jedem Grundſtuͤcke, fonkern unbedingt aur bei
rra aviatica (si terra exinde, sc. a virili sexu, sit) flattfindet.
8) ©. Kifreds Teftament in Wiles Affır.
win YAM DIV AUUUREERRNZEND guy 3 HU u .5
das gefammte Vermögen, es fei denn daß fie vor Aid
Trauerjahres zu einer andern Ehe fich entichloß).
: Bei ben Foderungen aus Verträgen find die viden Mb
lichen Befiimmungen zu beren Beglaubigung ſchon
Die Rüdgabe gekauften Viehes, welches ſich ald ungund w
wies, blieb dreiffig Tage hindurch geftattet, wenn der Belle
fer nicht eiblich feine Unkunde des Fehlers bemähtn Inte‘)
, Der Mangel an größerer baarer Münze machte Mi
bung anderer Zahlungsmittel häufig Tünftliche und bu a
fehriftliche Verträge erfoderlich. |
| Bürgfchaften waren fehr häufig, fowohl aus Ih
Stunde, ald aus der eigenthümlichen altgermanifcen Brülb
pflege hervorgehend. Doch in Fällen einzelner Berhirgag I
ben. wir diefe, wenn nicht vom Erſatze von Gelb tn MM
‚Sachen die Rebe ift, fowie auch die allgemeinen |
gewöhnlich nur von der Stellung des Verbrechers vor %
zu verfteben. J WB
Die Begehung unerlaubter Handlungen - war mit
facher Geld» aber auch Freiheits⸗ und Eörperlicher Stra
droht. Die Zobeöftrafe fand, wie bei den alten Gem
nur bei ehrlofen Handlungen, wie thdifchem Morde, |
brande und Diebflahle, flatt‘). Doch war aub bi
/
Bon ben intern Bußänden der Angelſachſen. 801
Strafe dem Willen und der Ausführung des Verlebten anheim⸗
jeftellt, welcher zu feinem Wergelde in ſolchem Falle verpflich-
et war. Die gewöhnliche Strafe bei fchweren Verbrechen war
ie Achtserflärung, wodurd der Geächtete (utlage) für vogel⸗
rei erklaͤtt wurde, oder, nach dem Ausdrucke jener Zeit, ein
Volfshaupt erhielt. Keiner durfte diefen Mann verbergen, ihn
u tödten war geftattet, wenn er fih zur Wehre febte").
Das Abfchlagen ber Hände und Fuͤße ward gleichfalls gegen
Diebe geſtattet. Befängniffe werden mit dem römifchen Na⸗
nen Kerfer genannt. Straftarife von Bußen für Börperliche
Beriegumgen fehlen bei den Angelfachfen nicht und find bei⸗
abe fo ausführlich wie die friefifchen. Jeder Theil und jebes
Eheilchen des Körpers, felbft die einzelnen Zähne. und Nägel,
varen beſonders gefchäßt. Die Sthngelder find von denen
nderer Völker verfchieden ?), doch deren Segenftände find dies
elben. Die Verwundung des Antliges, unter dem technifchen
fuödrude „WVlitivam, finden wir bier, wie bei Islaͤndern,
Angeln, Sacfen und Frieſen. Es laͤſſt ſich übrigens hier
vie bei der ganzen ſchriftlichen Geſetzgebung der Angelſachſen
emerken, daß fie des Symboliſchen und Alterthuͤmlichſten
ticht viel enthaͤlt; allenthalben findet ſich in den Aufzeichnun⸗
jen Streben nach genauer Begriffsbeſtimmung und daher Aus⸗
wu in Zahlen und Gelde. Altertbümliche Bußen und ans
‚ered Ähnliche finden wir daher häufig erft in fpdteren Geſetzen
einerkt oder gar nur durch die Sitte erhalten. Zu folchen ges
hoͤrt auch die Buße für dem getödteten Schwan, welcher beim
Schnabel aufgehangen mit Kom zu befchütten war. An aͤhn⸗
iche Bußen für Menfchen -und deren Abwägung in edlem
Metall erinnert noch das Anerbieten der Mutter des’ legten ans
‚elfächfifchen Königs, für den Leichnam ihres Sohnes ein glei⸗
hes Gewicht in Golde abumichen.
1) Eadward der Bekenner $. 7.
2) Auch diefe nicht immer, z. B. das Abhauen ber Ohren; deren
Zerftümmelung. wird nach. leg. Aethelberti 89—42, wie in leg. Alemap.
it. 60. mit zwölf und fechs Schillingen beſtraft, hoͤher aber der Ver⸗
uſt des Gehoͤrs. S. Price a. aD.
gelten oder verbreifachten Anzahl von Urtheilern beichal'
Dieſer Ausſchuß war vorzüglih für die Emtbedung ode I
terfuchung ber in feinem Bezirke begangenen Berbrehen I
ſtimmt; mit der Feſtſtellung des Verbrechens war aber über M
Beklagten entſchieden. Die Thane ſchwuren: feine (dull
Männer beftagen, Feine Schuld verhehlen zu mol. Di
Ausſchuß fcheimt anfänglich feine Findung dem Gene F
Beftätigung oder zur Abhaltung ber Gottesurtheile un 2
führung feierlicher Gerichtögebräuche vorgelegt ju ham Er
hbeſonderer Name für die Mitglieder dieſes Auscuid, 3
worbifchen Nefnd, Nemede entſprechend, war nicht borhanbe
und wurbe ihnen vieleicht erſt in Bezichung auf cn ih
malige Beeidigung: Wo ſich biefer Ausſchuß aber FALL
Stand findet, in welchem feine Mitglieder mehr de Cun
ſchaft von Urtheilern erhielten, wird ihnen der None ml
gegeben”). Zwei Drittel der vichterlichen Stimme WM
einen gültigen Ausſpruch; die Überflimmten hatten *
buße zu entrichten ?).
Der Proceß zeichnet ſich durch die dem Bag Wi
laͤſſge Stellung von Bürgen aber Rieberlegung von PM
für fein Erſcheinen am Gerichtötage aus. Zu dem RM
verfahren war das Inſtitut der Cideshelfer, der Werpiil
- Bon ben inneren Zuſtaͤnden der Angelfahfen. 603:
ee Magenfchaft ihren Verwandten mit den Waffen beizuſtehn
ntfproffen und zur gerichtlichen Fehde gemildert, beſonders
znısögebildet. Wenn ber Ginzelne einen Andern eined Verbre⸗
mens bezüchtigte (tyht), fo muſſte jener felbft vorher ſchwoͤren
»forath), daß er dieſen nicht aus Haß, noch verhohlenen
runden, noch untechtlicher Gier zeihe; ſieben Eideshelfer
znuſſten ihren Glauben an die Wahrheit diefer Erklärung
wleichfalld eidlich ‚erhärten. War der Beklagte. einem Herrn
n'örig, fo Eonnte der Hlaford felbft oder deſſen Gerefe. auftre⸗
„en und ſchwoͤren, daß jener feit dem legten Volksgerichte fein
mes Verbrechens überführt oder beftvaft fei, worauf der he⸗
Aagte Georl oder Sitheundman ‚durch ‚feinen von ‚einer gewiſ⸗
‚zu Zahl Eiveshelfer unterflügten Reinigungseid (lade ges
Jannt, wenn es fih ‚von Wergeld handelte, werelade)
„per das einfache Gotteßurtheil von der Anklage fich befreien
printe. Der Werth bes Eides hing von dem Stande bei
Beklagten ab, welcher ihn ablegte, und war bem Wergelde
„jetielben gleich, fo daß alfo der Eid des gewöhnlichen Freien
00 Schillinge wertb war!). Daher mar der hoͤchſte Eid,
ser welchen ein. Twelſhyndumman leiftete, 1200 Schilinge
Perth. Hatte der beklagte Lehnemann nicht das Zeugniß fei«
_.jed Hlaford für ſich, fo mufite er die dreifache Eideshllfe flel«
u oder das dreimal firengere Gottedurtheil beftehn. In allen
allen hatte der Beklagte eine größere Anzahl von Perfonen.
18 der Kläger zufammenzubringen, welche bereit waren ben,
jerlangten Glaubenseid zu leiſten (rimath, ungecorenne ath),
Bus welchen in verfchiebenen Fällen bald der Beklagte, bald der
Ph bald das Loos die erfoderliche Zahl ausfchied (cyreath).
ie Zahl der Eibeöhelfer ift in allen germanifchen Geſetzen
Each der Größe der zu: leiftenden Brüche ober dem Werthe
es ſtreitigen Gegenſtandes verſchieden?) und, wie es ſcheint,
Soft ziemlich willkuͤrlich feſtgeſetzt. Das angelfächfifche Recht
‚finden wir auch bier genauer beflimmt. ' Der Eideöhelfer
n 1) Leg. Aethelredi I, 1. |
w 9 In Beziehung auf die Stammverwandtſchaft möge hier bemerkt
werden, baß der bei den Angelfachfen gewöhnliche 36 Manneneid ſich
noch im 3.1472 bei den Hadelern findet. &. meine Schrift über aͤlteſte
Gefchichte und Rechte des Bandes Hadeln &. 60. nt
EZ 01, ]1i 2 2 0 2 2 ud * Da + De 1 ti ni ee + ee Sie VE
trug, nur für 60 Hyden oder ebenfo viele Schillinge den Glan
benseid ſchwoͤren. Gleichmaͤßig konnte der Ceorl oder Amy
hyndumman, deſſen Wergeld 200 Schillinge betrug, fir ca
Hyden, deren Äquivalent er im Wergeld hatte, deren will
cher Befig aber ihn zum Twelfhyndumman gemacht hätte ei
zehn Schillinge, deren Werth er in einer halben Hyde Mi
‚ wirklich befaß, Eideshelfer fein. Nach diefer Rechnung pl
es. fich denn auch. leicht, wie der Eid des Twel
durch den von fech8 Georlen erfeßt werden konnte.
Zu den gerichtlichen Beweismitteln der Angehſahſa ge
hörten die Gotteöurtheile, und unter biefen auch mmhlh
der Zweilampf. Da fchon bei den alten Germanen de IP
kampf eines Landesgenoffen mit einem gefangenen finr M
Vorbedeutung und göttliche Entfcheivung angeſehen —RX
fo war der Schritt nicht mehr fern, die Entſcheidung ei
ſchwierigen Beweisverfahrend in gerichtlichen Zweikaͤnpfen m
andern erweislich aus bem „Heidenthume auf die Cm
vererbten Gottesurtheilen zu fuchen. Die Erzählmgm %
Eadmunds Eifenfeite Zweikampfe mit nut, von be 2
derung Wilhelms durch ‚Harald beweifen, daß biefe Ei
lerdings, wenngleich felten, flattfand *). Das Nichtvorleen
ar ar 0m 8 u es „a W — . - - - .. -. —
Bon ben innern-Buftänden. ber Ängelfachfen. 606
Des gerichtlichen Zweikampfes in unfern angelfächfifchen Rechts⸗
‚quellen, obgleich fich eine eigenthumliche Benennung baflır fins
wet, Orneste.‘), fcheint, bei einer ſehr allgemeinen, auch unter
Men nächflverwandten germanifchen fowie norbifchen Völkern
wınd fpäter in England nachzumeifenden Sitte, keinen Beweis
gegen deſſen frühere Eriftenz bei den Angelfachfen zu bilden,
wenngleich. fpäter die Priefterfchaft derſelben erfolgreich entges
gengewirft bat. Die übrigen vorzugsweiſe ſobenannten Got⸗
Tesurtheile wurden ſelten und nur in Faͤllen angewandt, wo
Der leugnende Beklagte den Glauben. bei feinen Rechtögenofjen:
Durch frühere Verbrechen verwirkt hatte oder als Unfreier Feine
Eideshelfer aufftellen konnte. Sie fcheinen vorzüglich" das Ge⸗
ſtaͤndniß des Verbrechers bezweckt zu haben, wie ſelbſt einige
werfelben, namentlich die Probe des geweihten Biſſens (cor-
ssnaed) und. die Kreuzeöprobe, vorzüglich auf. die Phantafie zu
wwirken beſtimmt waren. Der Übergang von ben Gottesurthei—
Mer zu der Zortur möchte näher liegen, ald wir anzunehmen
zoflegen, wenn nur bie gröbften Misbraͤuche beider Beweismit-
el. ins Auge: gefafjt werben.
Man: bat den. Urfprung des Gerichtes der Geſchwornen
trial by Jury) oft. ſchon in den aͤlteſten Zeiten der Angels
Ku finden, bald aus ihren Gerichtöinflitutionen bald. von
wen Eideöhelfern herleiten wollen. . Es findet fich jedoch bei
Den Zngelfachfen Fein Gericht von Gefchwornen, welche die
«Slaubwürbigkeit ber Anklage und ben Werth ber. Beweife
Ben und Dänen, Sachſen und Shäringern hinzufügen. Aud in ber lex
Saxonum, welde feltfamer Weife allgemein überfehn iſt, findet fich der
Sweikampf, tit. 16. de terra aliena invasa — campo diiudiceturz
win ähnlicher Ausdruck wie in ber lex Angliorum viermäl- vorfommt.
SDer Ball der Anwendung ift -berfelbe welcher aus den leges
2Baiuvariorum und denen der Alemannen bekannt ift und ber in Weſt⸗
mninfter felbft noch in den Zeiten der Königin Elifabeth ftattfand. Auch
“Capitul. I. IV. c. 34. beweift, daß ber gerichtliche Zweikampf bei den
Sachſen Sitte war: si aliquis Saxo — contendere voluerit in‘ Sampo,
Micentiam habeat.
1) Daß auch in Deutſchland fich der Ausdruck Ernft für Zweikampf
Winbet, ſpricht für diefelbe Bedeutung bei ben aͤltern Angelfachfen. ©.
MH altaus glossar. Erneſtkreiz für Kampfplag gebrauit Sottfried
Von Straßburg. Triſtan und Iſolde V. 6764.
J
del + Die FE ARE Darin + Dass * Dr ee > Bd Fr Ad * Kae
theilee zugleich, zu ihrem WBefchluffe wurde Einfinmigl
nicht verlangt. Zwei Urfachen vorzüglich haben dife wi @
dere alte Gerichtöverfaffungen fo ſehr umgeftaltet, daß ſa
Vergleichung große Umficht erfodert, naͤmlich: das gang W
änderte Beweisverfahren nach der Aufhebung der Gorteiueb
und ber Eideshuͤlfe, ſowie noch mehr die Entflehung id P
fehriebenen und wiffenfchaftlich ausgebildeten, anfatt W
als Zhatfache vorhandenen, von Urtheilern nur bezeugt Sp
tes. Die Zeit und Art dieſer Umgeftaltung ergit
die Gefchichte der erften normannifchen Könige.
Die oberfte Gerechtigfeitöpflege hat urſpruͤngith on ®
dem Könige und dem Witenagemote gernerfchafil F
gen. Doch trennte fie ſich von Letzterm; jemeht de
bietion. des Erſtern durch befondere desfallſige Viduſ—
vermehrt wurde. Der Koͤnig war oberſter Richter bei va
gehungen feiner Krieger, bei ben Lehnftreitigkeiten fen
bei gewiffen ihm vorbehaltenen Fällen, in welden je %
Buße zufam'), da wo fein Friebe auf Lanbfraßen u
ſeinen Gebaͤuden verletzt war, bei andern Faͤllen ih, ©
feine Unterthanen wegen Beſchwerden wider ihre geue
Gerichte an ihn fich: zu wenden veranlafit warm?) #
Könige Alfreds und Eadgars Daͤtigkeit im geregelten GM
Bon den Innern Auftänden ber Angelſachſen. 60%
In, und das Recht der Ermäßigung der Eöniglichen Brüche
der Begnadigung der Leib⸗ und Lebens = Strafen auszuüben.
Bo der König weilte, konnte er Gericht halten, und der Ans
eklagte genoß feinen Schug und Frieden nicht nur in dem.
[file der Löniglichen Wohnung, fondern auch in einem Ums ”
reife von feinem jedesmaligen Aufenthalte, welchen die alte
techtöfprache mit mehr poetifcher als mäthematifcher Anfchaus
chkeit bezeichnet: von dem Burgthore, vor welchem ex fist,
ach vier Seiten hin drei Meilen, drei Viertel GFurlongs), drei
ſckerbreiten und neun Fuß, neun Speergriffe und neuh Gers
enlömer '). Die Anfegung reifender Oberrichter fand burdj
ie angelfächfi fchen Könige nicht ftatt, da'die Königliche Juris⸗
iction auſſerhalb Weſſer, aus mehrfacher Rüdficht, ſeltener
sgerufen wurde und den großen Fürfterr und mächtigen Geiſt⸗
hen der legten angelfächfifchen Regierungen die Verwaltung
teler königlichen Rechte übertragen war. Das Amt bed Kanzlers
zurde durch jenen wandernden koͤniglichen Oberhof (curia re-
„is) mehr und mehr bedeutend, befonders da er noch nicht
‘on eingefesten Richtern umgeben war, fondern die angefehn
em Männer der Provinz und der Begleitung des Königs
"uch ihren Rath die Entfcheidung des Königs lenkten. Die
‚roße Mannichfaltigkeit der Rechte und Gewohnheiten in ven
serfchiebenen Beftandtheilen des angelfächfifchen Reichs muſſte
„ie Veranlaffungen, das gemeinfame Oberhaupt um Entfchels
"ungen anzugeßn, vermehren, während zugleich die geftelgerten
Infprüche der Kirche den Ausſpruch des Königs "gegen die
Inien häufig zu erlangen wuſſten.
Es iſt hier nicht der Ort eine fernere Überficht des ame
erfächfifchen Rechtes zu geben. Nur. die der Gefchichte ange⸗
Örige Bemerkung ſei noch verſtattet, daß nicht nur in den
voßen Zügen jened mit dem. germanifchen übereinftimmt, ſon⸗
ern auc in Fleinen Zügen und in der Rechtsſprache felbft,
veiche die Eroberer nach Britannien gebracht haben. Das ..
ngelfächfifche ift oft durch die Verbrehungen der Normannen
1) Wilkins leges p. 63. Schmid S. 2:0. Schon das Haus,
der die Hufe des Mannes, bei welchem der König einen Trunk genoß,
‚ar mit boppelter Buße befrichet. Wgl. leg. Aethelberti «. 2—5.
Ba ©: 6. . Bu .
L
Bon ben Innern Zuſtaͤnden ber Angelfachfen. 609
Die Anfänge des fächfiichen Staͤdteweſens ſind auf die
Silden zu heidniſchen Opfern zuruͤckzufuͤhren ’). Diele Feſte
varen mit den Gerichts⸗ und Markt: Tagen verfnüpft und -
onnten auf der dem Feſte folgenden .Morgenfprache (morgen-
paece) durch den den Prieftern zuſtehenden Blutbann häufig
inen fehr ernſten Charakter annehmen. Das gemeinſchaftliche
Mahl, welches einen gar wichtigen Anfangspunct vieler politi⸗
chen Einrichtungen gebildet bat, erhielt die Weihe des religiös
en Cultus, welcher in ben fpäter erhaltenen Zuinkfprüchen ?)
er Angelfachfen noch wiebererfannt werden möchte. Sene
Eeufelögilden, wie Die chriftliche Geſetzgebung fie nannte, ganz
u unterdrüden, war in den germanifchen Ländern fehr ſchwer ?),
ad es muffte nicht nur für den Cultus ſelbſt, ſondern auch
uͤr die mit demſelben mit groͤßerer oder geringerer Willkuͤrlich⸗
eit verknuͤpften Einrichtungen ein Erſatz dargeboten werden.
Die feſtlichen Vereinigungen blieben unter den Standesgenoſſen,
md während für die Feſte und Gerichtsverſammilung der rei⸗
bern Thane die eigene Halle diente, wurde allmaͤlig fuͤr we⸗
riger beguͤterte Freie ein gemeinſames Gebäude aufgerichtet,
»eſſen Name (domus convivii) zeigt, wie jebe Berathung
nit einem Mahle verknüpft war. Dem Mahle blieb der
Sriede des alten Glaubens. Alle Genoffen deffe (ben, falls ihre
Zahl nicht fieben überftieg, hatten Daher das Wergeld für den.
n ihrer Mitte Erfchlagenen, wenn fie den Thaͤter nicht auslie⸗
erten zu geichen Theilen u eimrichten 9. Je enger die Ge⸗
Fr Taciti Germania G. 2. Bol. überhaupt daß freie Bet
on W. E. Wilda über das. Gildewefen im Mittelalter.
2) Roman de Rou vs. 12473.— 77.
8) Leg. Withredi 12. 13, Canuti leges eccl. 5. Capitulare de
‚art. Saxon. c. 2t. Si quis in honorem daemonum comederit etc.
4) Lex salica tit. 46, 1. 2. weldje Stellen irrig dahin interprefirt
ind, baß fieben ein convivium bilden. Der Grundſatz, daß fieben Zu:
ammenbetroffene gleich ſchuldig find, Tcheint auch in der angelfächfifchen
Rechtspardmie zu liegen, „fieben heiffen Diebe‘ (leg. Iuae 13.), welche
nit gefangen mit gehangen werben, und koͤnnte daher wohl bie Sieben
ven böfen Ruf erhalten haben, welchen fie fchon bei Jul. Capitolinus
im’ Verus) und Aufonius (KEphemeris) trägt, wo ‚mehr als ſechs
Bäfte, alfo fieben ein convicium genannt werden.
gappenberg’e Geſchichte Englands J. 39
N
610 Sehste Abtheilung.
E
noſſen zuſammenlebten, deſto mehr Beranlaffungen zu mm
Vereinigung boten ſich dar, und auffer dem religiöfen Zweit
erbliden wir fchon früh Vereine (gildoniae) zu gm
feitigen Hülfe, “wenn nicht auch zum Schabenderfahe I
Schiffbrühen, Brand und andern den Einzelnen erdricais
Unfällen ). Befonderd in den an der See gelegenen Habih
ſchen und benachbarten Städten bildeten fi die Snumga
der Hörigen, aud welchen der Keim der ſtaͤdtiſchen Vecaſcn
fi) entwickelte ). Da jedoch dieſe Bünde im
Reiche der Einheit des Staates oft bedrohlich ehe,
wurden fie häufig verboten und vor Allem der Ger
Eides bei ihrer Eingehung unterfagt. Bei den Angıllal
finden wir feine ähnliche Verbote der Gilden, vieleiät mr
ihren veligiöfen Charakter nicht verloren und daher unfet |
wirkung ber Geiftlichkeit flanden. Die eigenthümlid gig
Gilden waren zahlreich und früh, ſchon ſehr ausgik;
Die Verpflichtung der Gilden, den Frieden zu erhalten, & en
fo weit auögedehnt, daß in den Gefegen König A ⸗
felben ein. Theil des Wergeldes, wie oben erwaͤhnt, £
wird. In London waren mehrere Friedgilden n
Staͤnde vorhanden, welche in König Äthelſtans Ze iR |
merkwürdige Vereinigung zum beſſeren Schuge ihre
thums ſchloſſen“), Die gleih den fränkifchen *
ner Art nicht durch Eide, ſondern durch Austauſch
Unterpfaͤndern geſichert wurde. Auſſer den londour GA
gilden kennt man in der angelſaͤchſiſchen Zeit die
zu Dover, welche eine Friedgilde vorausfegen ft IWW.
drei Gilden der Bürger (gefersira®) zu Ganterburh;‘\ E
barf ı man annehmen, Daß viele andere ſchon damals eie
as
am
TSEHFNE
— —
— —am_
1) Capitul. Caroli Magni de 779. art. 13.
2) Capitul. LIV. c. 7. aus ber Zeit Ludwigs bes —* |
. Se. Hickes dissert. epist, und nach - ihm Zurner * |
83. VI. Gap. 10. und Wilda a. ä. O. age
4) S. oben ©. 386 u. 589 frithgilda: : Jadic. Londin, —*
5) In ben .alfen angelfächfifchen Stoffen, welche Ducaniſs |
Guildhalla anführt, wird fogar dieſes Wort durch frithgildum ah,
Selbft die Städte werden frithbyrig genannt, Geſ. Ktheiftund ut
* Bon den innern Bufländen det Angelfachfen. 611
ielche erft etwas Tpdter, jedoch häufig als aͤngft vorhanden;
r Befkättgungsurkunden erwähnt werben... In ben. handeltrei⸗
unden Städten erhielten dieſe Friedgilden, ober: doch eine
wefefben, : welche die uͤber See fahrenden angefehaen Kaufe
zaute enthielt, Veicht die Beſtimmung und ben Namen einer
ranbelögilde oder: Hanfe, unter denm die zu York, weiche
11? Hanſehaus beſaß, als bedeutend hervortritt ). J
; An der Spige der Gilden, wie der Staͤdte, finden wir
woͤhnlich Altermannen, welche biefelben verwalteten, ſoweit
‚zen Autonomie reichte und nicht durch’ die. Rechte der koͤnig⸗
Een ‚Gerefen, Wyc⸗, Port⸗ oder Buts Gereven ?), welche vie
Schte der’ Vogtei durch Amt oder Erbrecht aubuͤbten, be⸗
raͤnkt wat?).: Ein ſolcher Wycgereve iſt uns zu London
fiebenten*), zu Winchefter “fon im neunten Jahrhunderte
Sannt und bald darauf ‚zu: Bath’). - Der Einfluß der
Andbeſi ger, auf und neben vderen Gebiet die Staͤdte erbaut
mmren und bie dadurch einen eigentlichen Ariſtokratenſtand bil⸗
Sen, blieb lange zu erkennen. Am den König wurde ein oft
Seutender · Koͤnigszins entrichtet), wenn nicht derſelbe an
zen mi v dem oben, der Star belehnten Than era be the
y) Auſſer den Hanſen zu Beverley und Dunwich koͤnnen wi deren
we zu Montgomery und zu Hereford ſchon im Anfange der Regierung
gg Königs Johann als beftehend nadjtoeifen.: ©: Magnus Rotulus
KDae de anno fegni’ regis ‚Johanna. kerio p. 108. ©...
2) Den -Wykgieven, ſpaͤter Wycvdgt, kennen wir -in’ manden
wähfifchen. Stuͤdten: State, Winden, wie denn aud nur in ſaͤchſiſchen
undern der Ausdruck Weichbild vorzulommen fcheint. Der alte: Burs
eng ſcheint ‚heit mmlich mit dem ſpaͤtern Burggrafen verwechfelt zu
wurden.
3 Thierry (histoire de la conquete, de l’Angleterre T. II.)
104 in dem tapfern Ansgard den erſten Vorſteher der londoner Danfe
der Buͤrgerglide erkennen. Doch kennt man weder eine Hanſe der or:
ner noch irgendwo einen ‚Hanfewarben.
J 4) Leg. Hlothör, art. 16. „Bon dem im J. sot verſtorbenen
eornwulf f chrõn. Saxon, ha | |
5) ‚Chron.: saxon, ad, a. 897 u. 907.
6) Gleich dem Königszinfe zu Bremen, dem Wort: und Erb⸗ Binfe,
nsæus Arcarum anderer deutfchen. Stähte,
39*
612 ur Schstı Abtbeilung
manor) abgetreten war y. Vermuthlich iſt es dieſe Abgabe, I
welche gewoͤhnlich mit dem auch in deutſchen Staͤdten uͤblichen J
Schoß. (scot) zuſammengeſtellt und hlot. genannt wird ?).
Die Altermannfchaften zu Canterbury waren mit_einem dorti⸗
‚gen veräufferlichen. Gutöbefige -(soca) verknüpft ?).: In den
von ben Dänen bewohnten. Städten fand fich die Municinab |
verwaltung in ben Händen von zwölf „Laghamannen”, deren
Amt gleichfalls mit einer ‚Soca verbunden war, von welche
in Cambridge ein vitterliches, doch nicht großes " Heergewette |
dem Königögereven entrichtet wurde, . Diefe. Grundbefiger find
es alfo, welche wir mit andern .in ber alten Gilde der Than⸗
jener Stadt vereinigt finden, welche. nicht nur zu Leichenbe⸗
gaͤngniſſen und Schmäufen, ſondern auch zur Erhaltung de J
Zriebend und der Rechte eines jeglichen Mitgliedes vereinigt N
waren, :Der Gildebruder weldyer ohne grobe Schuld einm |
Kodtſchlag begangen hatte, wutde in Zahlung des Wergeldes
unterſtuͤtzt; der erſchlagene Genoſſe von. allen Gegilden geraͤcht.
Ein; Gildebruder welcher. deu andern, erſchlug, wurde aus ber
Gefaͤhrtenſchaft (gefere) und Sreundfchaft geſtoßen. Auch fir
die. Senofienfchaft der vereinten Thane - verbürgte: Die Gilde
entſprechenden Schuß. Die untergeorbnete Stellung dbife |
Thane geht aus der Erwähnung ihres Hlafords neben vum
Gildegereven hervor. In andern‘ Stäbten befaß. die Sefammt
heit der. Bürger diefe Privilegien der Sacq und Soca, woflt
dem Körige befondere Heer; Schiffs: auch Jagd⸗Dienſte, ober
Abgaben. entrichtet wurden. Die Bürger von Dover ſtellten
dafuͤr ‚jährlich. zwanzig Schiffe, jedes mit einundzwanzig Mann,
auf funfzehn Tage. In Cheſter wurden die zwoͤlf Laghaman⸗
nen aus ben Lehnsleuten bes Königs, des Biſchofs und des
J 9 Ellis a. a. ©. I,.192 fg. Doomesday iſt bet dem Mangel
Älterer Urkunden unfere Hauptquelle für die Rechte der angelſaͤchſiſchen
Staͤdte.
2) Mlot, lot bedeutet vermuthlich eine sors, ein Grundftůck (.
Grimm Richtealterihaner 584) und daher den Bins für daſſelbe.
Die Abgabe kommt mit den angelſaͤchſiſchen Namen vor in leg. Ead-
wardi Conf. c. 5%. und feüper- in einer: urkunde Dichelns des Erotereri
in Rymer. foedera I, 1.- u
3) Somners Canterbury p p- 9:
6
Bon den inneen Zuſtaͤnden der Angelfahfen: 613
Earls erwaͤhlt. Kleinbuͤrger, im Gegenſatz zu den eigentlichen
Großbuͤrgern, werben zu Derby, Norwich, Tateshall erwähnt
(meinburgenses, minores, minuti), Cambridge war is
zehn Wards abgetheilt, wie auch in London eine aͤhnliche Ein:
theilung ftattfand, welche anfänglich den Zeothungen oder Tien
Manna Zale der freien Landleute entfprochen hat’).
Sehr anfchaulich ſtellt ſich die Entſtehung des ſtaatsrecht⸗
lichen Begriffs der angelſaͤchſiſchen Stadt in ihrer Verpflichtung
zu Heerbann und Abgaben dar. Dieſe wurde gewoͤhnlich nach
je fuͤnf Hyden gerechnet, und war alſo der von einer entſpre⸗
chenden Anzahl der geringeren Thane gleich, deren Recht auf
dem Beſitze von fuͤnf heerbannsfaͤhigen Hyden beruhte. Brid⸗
port bezahlte gleich 5, Extter leiſtete die Kriegsdienſte von 5,
Dorcheſter und Hertford zahlten gleich 10, Worcheſter zahlte
gleich 15, Bath gleich 20 Hyden, Orford diente fo im Kriege,
Chefter zahlte gleih 50, Shrewsbury gleich 100 Hyden.
Auf dem Rechte an dieſen einzelnen Soken, aus denen
die Stadt zuſammengeſetzt war, ober Übertragung ber Soca
der ganzen Stadt (carta allodii ad aeternam hereditatem),
beruht, nach angelfächfifchen Rechtöbegriffen, das Recht. der fläbs
tifchen Jurisdiction?), wobei jedoch häufig eine aus roͤmiſcher
Zeit vorhandene flädtifche Gemeinde dieſes Recht in unvordenk⸗
licher Verjährung ſich erhalten haben mag.
Doch eine ununterbrochene Vererbung weſentlicher romi⸗
ſcher Staͤdteverfaſſungen moͤchte nirgend erweislich gemacht
werden. Vertheidiger dieſer Anſi cht haben ſogar den Defenſor
ber roͤmiſchen Municipalverfaſſung in dem praeco oder, ser-
gandus der Städte des nörblichen Englands und Schottlands
wiederfinden wollen’). Doch alle Verhaͤltniſſe und, Pfligten
| 1).ÄHntich erfcheint bie Abtheilung des alten Eoeft in „Ty“ vi-
‚euli, denen in andern Stäbten bie Kicchfpielseintheilung (Par. richtere,
deputati ad parochias, domus parochiales) entſpricht.
2) Deren Umfang wird angegeben in dem Tateinifchen Anhange zu
den Geſetzen Enuts 8. 129 |
EC athcart in der Borrebe zur englifchen Überfegung von
Savignys Rechtsgefhichte, Th. J., geftüst auf die leges Burgorum
bei Houard trait6 sur les coutumes Anglo-Normandes T. II. GEr
iſt durch c. 75. irre geführt, worin es heifft: Si praece vel serjandus
54 : Sechste Abtheilung.
deffelben find nur Die des germanifchen Gerichtsſchetgen de
Frohnboten, welcher, in ähnlicher Weife von den Binm e
wählt, das größte Zutrauen ber Glaubwürdigkeit von ſche
Zeugen. geniefft, Gefangene in fein Haus aufnehmen mai u)
bei. Auflaffungen von Grundftüden gegenwärtig iſt. \
Keine ftäptifche Verfaffung in England ift fo wich ah
die von: London. Das dortige Stadtgericht führte den Yuma
hus-thing, noch) in den Huſtings, einem Gerichte gem
tig erhalten, deffen Namen und Entflehung man nicht dd be
Dänen zuzufchreiben braucht. Der Name der Wittigſten (heit
auf die angelfächfiiche Stabtverfaffung nicht übertragen, ſo w
nmig wie fie den der Schöffen’ kannte. Wir finden früher cam
“ im Eadwards letztem Jahre zwei Tönigliche Portgerin $'
London. Der ariftokratifche Einfluß der - angrenzenden &
befiger iſt in London noch unverkennbar; welchen ad k
Cnightenegilde angehörte, die innerhalb und auſerhab be
Stadt Land und Gerichtsbarkeit eigenthlimlich beſß) WM
diefer mag auch bie außgebehnte Jagdgerechtigkeit, ER
Bürger von London in Chiltern, Middleſer und Ey I
“saßen, beruht haben. | m
Von einiger Regſamkeit im Handelsverkehre puhha Ib
in den verſchiedenen Staaten Britanniens find manhe
ven vorhanden. Dee Einwohner welcher einen franbe
mann länger als drei Mächte beherbergte, muffte bein P I
gen den Staat verbürgen, ihn vor Gericht ftellen oder PEN:
büßen?). Der fremde Kaufmann welcher mit vielen
reifte, hatte dem Königögerefen auf dem Kolcgemete SU
über deren Zahl zu machen und biefelben erfoberihm
falsitati consentiat — causa constitutionis villae pessundan |
minorandae — wo nur von einem Befchluffe der Bürger, weile v
Frohn verkünden fol, die Rebe ift. Vgl. auch das von Catie
nit angeführte c. 82. Über den germanifchen Gchergen vgl. odriss
a. a. Q 766 fg., ferner die Statuten von Soeſt, Magdeburg & b
iſt der sajo der Weſtgothen.
1) Urkunde bei Rymer I, 11. bezeugt, daß fie vor der mi}
ſchen Eroberung — tempore regis Eadwardi — vorhanden mE: |
2) Leges Hiothar. 15. Caut II, 28.
Ü ne Fun
Bon den innern Buftänden der Angelfahfen. 615
zu Rechte zu fielen). Kaufverträge über ‚Vieh muflten zu
London von mehreren biderben Georlen oder dem Füniglichen
Wicgerefen abgefchloffen werden). Später wurde verfügt,
daß kein Kauf aufferhalb der Thoxe und ohne Zeugniß bes
Portgerefen oder anderer glaubwürbiger Männer gefchehe °).
König AÄthelſtans Geſetze find an feine Gerefen in allen Burgen
gerichtet, deren Friedensbruch (burhbrice) aͤltere Geſetze
ſtreng unterſagt hatten ). Der Buͤrgerſchaft (burhwara)
ſelbſt war die Beſtrafung des Friedensbruches geftattet ), wo⸗
von, wie wir geſehn haben, die Buͤrger zu Dover gegen den
Strafen Euſtaz Gebrauch machten. Dreimal im Jahre fanden
bie Berfammlungen der Bürger (burhgemote) ſchon unter
Eadgar 6) flatt, wie einft drei jährliche Opfer „und. wir
‚die drei ungebotenen Dinge in der DVerfaffung der älteften
beutfchen Städte wieberfinden. Zu ben eigenthümlichen Anz
orbnungen für angelfächfifhe Städte gehörte die Eadgars, daß
in jeber größeren Burg 33 Männer erforen wurden, beren
Zeugniß bei Abſchlieſſung der Vertraͤge gelten ſollte, waͤhrend
in der ganzen uͤbrigen Hundrede oder kleinern Burgen nur
zwoͤlf dieſer Zeugen (gewitnesse) erwählt wurden”). In
ſpaͤtern flädtifchen Verfaffungen finden wir dieſe befondere
Glaubwürdigkeit den Kirchfpielbeamten fowie den Genoffen
bes Rathes zuerkannt, und es wäre wohl möglich, daß bie
ohnehin gewöhnlih aus der Marktpolizei hervorgegangene ſtaͤd⸗
tifche Rathöverfaffung zuweilen an diefes Inſtitut erkotner Zeu⸗
gen ſich angereihet haben mag.
1) Leges Aelfredi 3%,
2) Leges Hlothar. 16. Inae 25.
8) Leges Eadwardi 1. Athelstan, 14. 7. Indie london. 10.
‚ Eadmund. III, 5. Aethelred. I, 6.
4) Leges Inae 45. Eadawndi 2. Aetheired.
5) Foedus Aethelredi art. 7.
6) Leges Eadgar. I, 5. Canuti I, 16.
7) Leges Eadgar. II, 2. Nach Enuts Geſetzen 24. erſcheint dieſe
Ginrihtung nicht wehr vorhanden.
Von den Innern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 617
tet. Das Vließ (flis), welches vor Mitſommer nicht gefchoren
werben durfte ), lieferte die winterliche Kleidung, den Seffel
bes Thanes, die Ausfuhrwaare, welche der Tunfifertige Ries
ber= und Rhein= Länder in Tuͤchern wieber zuruͤckbrachte. Das
Leder wurde nicht nur zu Fuß⸗ und Bein⸗-Kleidungen benugt,
fondern felbft ber Iegte Hörige war an ben Gebrauch von
Handſchuhen gewöhnt ?).
Kein Theil der Viehzucht wurde aber mehr betrieben als
die Schweinezucht, welche in allen Laͤndern, denen ihre alten
Eichenwaldungen noch nicht abgeſtorben ſind, dem Sauhirten
ein geachtetes Gewerbe gewaͤhrt. Auſſer dem Hirten, welcher
bie Heerde des Haupthofs hütete (aehtheswan), gab es eine
andere Clafie (gafolswan), welche einen jährlichen Zins von
sehn Schweinen und fünf Ferkeln (stiferh) entrichtete und
ben Überfchuß des Extrages für fich behielt, Dagegen noch mit
einem Roffe zum Dienfte des Herrn bereit fein muflte. Vers -
muthlich beftand bie letztere aus Nachkommen der alten Briten,
wie auffer der Gafol die vermuthlich altbritifchen Ausprüde,
welche fich hier wie in andern Zweigen der Viehzucht und des
Aderbaues und zwar viel häufiger ald römifche finden, ver=
muthen laſſen ). Auch die Bienenzucht wurbe viel betrieben;
ber Bienenwärter lebte in aͤhnlichen Verhältniffen wie der
Saubirte und befaß gleich Diefem zumeilen freies Eigenthum,
was eine Folge des zunehmenden Bedarfes ber Wachskerzen
heim kirchlichen Cultus geweſen ſein mag.
Pferde wurden viel gezogen. Selbſt Kaͤthner Kotjeten)
1) Legen Inae 69.
2) Folgarius debet habere calceamenta et chjrothecas. Tractat.
je dignitate hominum Anglosaxonum im rheinifchen Mufeum für Juris:
prudenz Bd. V. ©. 145 fg.
8) Hog ift dem wälfchen hwch, kornwaͤlſch hoch zu nahe verwandt,
um es nicht zunächft für britifch zu halten. Die vielen übrigen Namen
find germanifch: swin, sugu, fear (Ferkel), pic (engl. piq, holländ.
big). Viele Materialien zur Bortfegung dieſer Unterfuchung finden ſich
in J. G. Radlofs Grundzügen einer Bildungsgefchichte der Germanen,
welche jedoch für hiftorifche Ergebniffe vor Allem einiger Sonderung der
verglichenen Sprachſtaͤmme bedarf, um nicht mehr oder etwas Anderes
ju beweiſen, ala beabſichtigt wird.
618 Sechſste Abtheilung.
hatten Pferde vor den Pflug zu ſpannen, und es iſt nicht zu f
vperwundern, wenn nur zu ſchnell die landenden Seeraͤuber au
den engliſchen Kuͤſten beritten waren. Auch wurde bie Aus
fuhr derſelben begehrt, und König Äthelſtan fand ſich veranlaſſt
den. uͤberſeeiſchen Verkauf derſelben zu unterfagen ). Auffallend
iſt es daher, den Gebrauch der Roſſe im Kriege nicht haͤufr
ger wahrzunehmen.
Der Ackerbau genuͤgte dem Beduͤrfniſſe. Wir vernehmen
nicht von Ausfuhr des Getreides, Hoch auch nicht von Ein
fuhr, und von Hungerönöthen und daraus entflehenden Krank
beiten bei ben Angelfachfen feltener als bei andern Zeitgenoffen.
Wilhelm von Poitierd nennt England eine. Kornkammer be
Ceres, wegen feines, Überfluffes an Getreide zu den Zeiten de
letzten Eadward?). Das Geſetz gebot den größten Theil gr W
ßerer Befigungen fletö zu. bebauen * Die verſchiedenen Getreide
gattungen: Roggen (xyge), Gerfte (angelſaͤchſiſch bere, dem
gothiſchen gleich), Waizen (hweat), Hafer (augelſaͤchſiſch ata, J
engliſch oats auch haver) wurden ſaͤmmtlich angebaut. Die ſtarke
Lultur des letztern laͤſſt vermuthen, daß derſelbe wohl, wie noch
im ſuͤdlichen Schottland geſchieht, als Kuchen geroͤſtet zun
Eſſen (woher der Name) benutzt fein koͤnnte. Sehr viel Get
wurde verbrauet zu Bier, beor, ealath, auch eala genamt;
ein Name welcher vielleicht von den Walifern berftammt‘)
und fich nur bei nördlichen Völkern wiederfindet, welche deſſen
Genuß den Angelfachfen verbanft haben koͤnnen. Die Oorg-
falt für die Güte des vermuthlich dort zur Ausfuhr beftimm:
ten Biered zeigt fi) zu Chefler, wo der welcher fchlechtes
Bier braute, nur durch Erlegung von vier Schillingen von de
: Strafe des Schandftuhles (cathedra stercoris) ſich loskaufen
konnte. Wie vertraut auch die römifchen Briten mit bem Ader:
bau geworben waren, fo müffen wir doch auch bei jenen be
merken, daß alles Adergeräth germanifche Namen trägt, wit
Egge (egtha), Pflug (plou, ploge, gewöhnlih sul), Sichel
1) Leges Aethelstan I, $. 21.
"2 Guil. Pictav. 210.
... 8) Leges Inae 64 sq.
9 Wilisc ealath. Leges Inae 70,
1
Von den innern Zuſtaͤnden der Angelfachſen. 649
(sicol), Drefchflegel (fail) u. a,, uud daß Einzeines nur des⸗
halb ſchwieriger erkannt wird, weil manche germanifche Wörter
‚bei uns veraltet find, ſowie 3. 8. Rechen, angelfächfifch. raos, in |
| altdeuffchen Urkunden Rakyſen. 2
Hier tft auch der Lanbmaße zu gedenken, welche gleich⸗
falls germaniſchen Urſprung verrathen, wie Acker, Ruthe, Daeg⸗
mete oder Demath, welches in Chefhire einem halben Acer
gleich ift, wie ed in Oſtfriesland und Nordftiedland.’) vor⸗
kommt; Rep (rope), Ferling und Ferding?), Suling oder
Swuling, von Sul oder Pflug.
| ‚Unter ben Provinzen in welchen Aderbau und Biebzudt
getrieben- wurde, möchten Ely, Norfolk und Suffolf auszuzeich⸗
‚nen fein, welche erſt durch die Bemühungen der dortigen Geift:
lichen und andrer Einwohner ausgetroduet und: zu urbaven
und ergiebigen Marfchlänbereien umgefchaffen wurden.
Gärten werben bei den Angelfachfen am Schluſſe dieſer
Periode häufig ‚genannt, weortgard, wovon bad englifche
orchard , das ditere deutfche Wortgarten. Mit diefen Gärten
find nicht zu verwechfen, fo fehr deren Erfcheinung und über .
räfchen mag, die oft genannten Weinberge. In Gloceflerfhire
und in andern füblich. gelegenen Sraffchaften finden fie fich bei
jedem Klofter; ein Theil des Bodens bed jebigen Umfanges
der Stadt London, Smithfield, war mit Weingarten bedeckt.
Die Trauben der in dieſen gepflanzten Neben, welche durch |
den Kaifer Probus zuerft gepflanzt fein mögen ?), wurden nicht
nur verzehrt, fondern auch, und vorzüglich in ber gefegneten
Shire Slocefter, ein Wein aus benfelben gekeltert, welcher den
Zeitgenoffen nicht zu herbe duͤnkte). Sn Effer kennen wir
Das Maß des Weines, welches aljährlih von Winzern dem
Grundherrn zu entrichten war. Vielleicht iſt ed unnoͤthig zur
Erklärung biefer Erfcheinung an ein früher milberes Klima
1) Was am Tage gemacht witd, ſ. auch Falk nehttheſh Th. H.
D In Hampfſhire und Somerſet, Doomesday.
3) Vopisci vita Probi.
4) Guil. Malmesb, gest. pontific. 1. IV. edit. Erancofurt.
p. 283. Ellis 1.1.1, 116 eg. Über Smithfield ſ. Urkunde ki Ry-
mer T. I. p. 17.
60 Sechste Abtheilung. I
zu glauben, ober eine Veraͤnderung des Bodens durch bie ſeit⸗
herige Benutzung anzunehmen; es genuͤgt vermuthlich hier, ſo⸗
wie bei den Berichten von dem Weine, welcher in andem
noͤrdlichen Gegenden wie in der Mark Brandenburg wuchs
ſich zu erinnern, daß unlaͤngſt von unſern Vorfahren weniger
milde und ſuͤße Weine als jetzt genoſſen, und dieſelben mit
ſuͤßen Ingredienzien vermengt und in mancherlei Zubereitungen
genoſſen wurden. | |
England war reich an Wäldern, welde in manden Ges
genden durch den Schug, welchen fie Räubern darboten, bie
Sicherheit der angrenzenden Einwohner und der Reiſenden ge
fährbeten. Nach des leuten Cadwards Regierung überließ der
Abt von St. Alband einen Manſus dem Thurmoth unter der E
Verpflichtung, daß er ben dortigen Wald von wilden Xhieren
und Raͤubern reinige und etwanigen Raub erfeße; auch Jieß
er den Wald, wo er an bie Watlingſtraße fließ, zu mehrere
Sicherheit ganz niederhauen ). Frevel und Diebftahl an
Bäumen wurden jedoch fchon früh fireng beftraft). Ein be
beutender Werth der Waldungen befland in. der Eichel: und
Buchen: Maft, nach welcher der Eigenthümer gefchägt wurde‘).
Der Werth des Baumes warb nach der Zahl der Schweine
berechnet, welche unter feinem Schatten ſtehen Fonnten. Em
andere wichtige Beziehung ber Wälder bot das. in Denfelben
verweilende Wild dar. Das edle Waidwerk war die vorüg
Uichſte Beluftigung der angefehnen weltlichen wie ‚geifllichen An:
“ gelfachfen. Alfred war durch feine Gefchicktichkeit in Demfelben
fhon in feiner Jugend auögezeichnet, manch Abentener, Hin
terlift, Verſaͤumniß, durch die Jagdleidenſchaft anderer Zürften
entftanden, ift berichtet; felbft Eadward der Belenner fchien
oft feine Zeit nur zwilchen Meffen und Jagden zu theilen. |
Schon die Augelſachſen Eannten eine Trennung ber niebern von |
“ ber hohen Jagd; diefe fland nur dem Könige oder dem auß
druͤcklich mit derfelben Belehnten zu, jene ben Grundeigenthuͤ⸗
mern. Vom Könige Cnut ift ein ausführliches Forſtgeſetz in
‘ 1) Historia abbatum S, Albani,
2) Leges Inae 43. 44, Aelfredi 12. | u
8) Leges Inae 49, u oo
Von ben innern Buftänden der Angelſachſen. 621
einer fpätern lateiniſchen Überfegung vorhanden, welches er zum
Beſten der Kirchen Englands, wie bie Einleitung befagt, ents
worfen hatte‘). In jeder Provinz wurden vier Thane erſten
Ranges für die Aufficht über die Wälder und bie Beurthei⸗
lung der Wald» und Jagd⸗Frevel angeftellt, unter denen vier
Thane zweiter Claffe und einige Freie für die Wahrnehmung
der. nähern Aufficht flanden. Diefe Männer wurden vom Koͤ⸗
nige jährlich mit Pferden und Waffen auögerüftet und erhiels
ten ein Gehalt im Silbergelde, welches für, die Mannen ber
verfchiedenen Glaffen je 200, 60 oder 15 Schillinge betrug.
Die Vergehungen der Untergeorbneten wurben nicht in ben
" allgemeinen Hundrebögerichten, fondern von den Forfibeamten
der erſten Claſſe beurtheilt, welche leßtere wieder unmittelbar
unter dem Könige fanden. Der Todtſchlag eined mittlern
Forſtthanes wurde dem Könige gleich. dem eines Königswildes
gefühnt. Auffer dem Hirfche wurben haͤufig auch Büffel, Has
fen, Kanirichen u. a. gehegt, welche Hegung (deorhege) fos
wie dad Bufammentreiben. bes Wildes ‘(stabilitio, stabilitas)
‚zu ben laͤſtigen Pflichten der Hörigen und der Bürger gerech-
net wırde?). Nur Wölfe und: Fuͤchſe zu: ſchieſſen wenn man
fie aufferhalb eines Geheges antraf, ſtand einem Jeglichen frei,
und wohl mögen wir und verwundern, wie letztere Thiere noch
bis auf den heutigen Tag der unerſchoͤpfliche Gegenſtand der
Verfolgung und der Jagdluſt des engliſchen Landjunkers haben
bleiben koͤnnen. Die britifchen Doggen, welche fchon die Auf⸗
merkſamkeit der Römer auf fich gewandt hatten, wurden auch
. von ben Angelfachfen. gezogen, und je zwei Geburen hatten die
Obliegenheit eine derſelben zu füttern,
| Der Fiſchfang war im ganzen Mittelalter durch die einge⸗
führten Daftenfpeifen eine noch wichtigere Beſchaͤftigung, als er
1) Gedruckt inSpelman glossarium archaeologicum und Schmid
angelſaͤchſ. Gefegen S. 171— 1745 mit denen über Wälder und Jagden
zu vergleichen de dignitate hominum Anglosaxonum und Ellis 1, 103,
Die Erwähnung ber lex Angliorum tit. I. art. 2. in dem Gefege
Enuts ift um fo merkwürdiger, da jenes Geſetz gleichfalls fchon den
in Park gehegter virſche und andere orſtrecheuiche Beſtimmun⸗
gen t
2) De dignit; homin.
4
Bon den innern Zuffänden der Angelfachfen. 623
lande, welche Salzquellen benusten. Doch waren bie vor
Worceſter und befonderd die „Wiches“ (Salzbrunnen) ‚von -
Shefhire fehr bedeutend. Letztere, uͤber welche Doomedbay aus⸗
fuͤhrliche Nachrichten ertheilt), ſcheinen groͤßtentheils zur Aus⸗
fuhr nach waliſiſchen Staaten gedient zu haben.
Staͤdtiſche Gewerbe ſcheinen im Allgemeinen’ noch nicht zu
einer großen Auszeichnung gebracht und nur- für den Bedarf |
ber Umgegend berechnet gewefen zu fein. Zuchmacher werben,
wie es fcheint, zu Stamford erwähnt 2), einer Gegend, deren
Tücher, mit Lincolngruͤn gefaͤrbt, durch altengliſche Balladen
wohl erinnerlich ſind. Der Krapp oder die Faͤrberroͤthe (ga-
rantia), welche von St. Denys geholt wurde, muß geeichfaus
zur Faͤrberei rother Tuͤcher gedient haben.
Die Stickereien und andere Arbeiten in Gold der angel⸗
aͤchſiſchen Frauen und Männer, welche auch hierin ihre Vers
wandtſchaft mit den fchmudliebenden Angliem des Feſtlandes
auffallend beftätigen ®), erregten die Bewunderung von ganz
Europa, felbft der Griechen und Saracenen. Aus Alfred⸗
Zeiten hat fi noch ſehr zierliche Arbeit erhalten. Der Uns
tereicht. im Goldwirken (aurifrisium) watd durch Übertragung
tiner halben Hyde Landes belohnt, und. für den Bedarf des
Königs und. der Königin findet fich eine befondere Goldſticke⸗
rei eingerichtet. Die in dieſen Kuͤnſten ſehr erfahrnen Deut⸗
ſchen kamen zu den Angelſachſen um von ihnen zu lernen,
und fremde Kaufleute brachten die koſtbarſten Arbeiten dieſer
Art nach England, welche dort Anerkennung und Abnahme
fanden iy.
Von eignem Handelsverkehre der angetan find Spu⸗
2 Doomesday I. fol. 268.
9 Panifici fast Döomesday I, 886 b. in einer bisher nicht beach⸗
keten Stelle. Parinifiel wäre richtiger, denn panifiei konnen ſchwerlich
bie ſonſt daſelbſt pistores genannten Bäder ſein.
9) Leges Anglior. tit. IV. art. 20. tit. VI. art. 6. _
4) Guil, Pictav. p. 211. Anglicae nationis foeminae multum
cu et auri. textura, egregie viri in omni valent artificio. Ad hoc
ncolere apud eos Germani solebant talium artium scientissimi etc.
Leo Marsicanus chron. casinens, 1, II. c. 38. bemeifet ung, daß
ienes opus anglicum felbft in Italien berühmt war.
&
har A WwWwWwWwwwwwWwWewWww ⏑ ee FF DJ
die englifchen Sachſen und Daͤnen nach Island, wo von
Stammverwandten das Erbrecht an den Guͤtern dort vol
ner Angelfachfen ihnen zugefichert war, wenn Pater, €
oder Bruder bafelbft ‚früher gewefen und bekannt wam
Wohin der Fühne Fuß eines begeifterten Miffionaird vorſchit,
Geiftlihe ihre Verbindungen angelnüpft hatten, dahin fd
jeder Zeit Handelöleute zu gegenfeitigem Gewinne bald get
Der Handelövertrag Offas mit Frankreich, Cnuts Fürorge,
die nach Stalien. reifenden Kaufleute möge bier gleichſalbt
in Erinnerung gebracht werden. Ein Seehandel de L.
ſachſen nach Rom iſt behauptet, ſcheint jedoch nicht bewichn
Das Schiff der Kauffahrer, felbft wenn es field
fremd war, erhielt, auffer wenn es duch ben Etum d
Strandrechte verwirkt war, im angelfächfifchen Hafen m
Srieden®). London war zu allen Zeiten ein bebeutrahed €
1) Deffen Sohn, Biſchof Andegar, flarb im 3.790. Ausal. Fe
2) Epist. Caroli ad Offam apud Wilkins condil, I, 199.
8) Vita 8. Wulstani in Wharton Angl. sacra II.
4) Gragas Arfathattr tit. 6 et 18.
5) Man ſucht den Beweis nur in Bedas historia abet. 9
muth. ad a. 667 (ap. Smith p, 294), wo von .einem Geifttiden 4
Bon ben innern Zuftänden ber Ingelfahfen. 625
vorium, in welchem viele Fremde fich fammelten, und .auffer
Normannen, Franzoſen, Zlämingern, welche wir vor Bilyngs⸗
gate in dem londoner Hafen zu Üthelreds II. Zeit Handel
treiben fehen, erfennen wir zugleich in den Kaufleuten. des Kais
ferd die thieler ‘), cölner?), bremer und andere Hanfen,
welche fchon damals in London die Grundlage. zu ihren ſpaͤter
flr den Handel Englands wie. Deutfchlands gleich wichtigen
Niederlaffungen gelegt Hatten. Handelsleute von la Hogue,
Lüttich, Nivelle durchzogen England, nachdem fie ihre Waaren
verzolt hatten. Die Deutfchen, wenngleich fonft . begünftigt,
und Andere mufiten die Weine und übrigen Waaren auf ihren
Schiffen feilbieten, wogegen fie Wolle, von jeher die größte
Stapelwaare Englands, heimführten. Die Entrichtung der
üblichen Handeldabgabe von Pfeffer, Handfchuhen und Tuͤchen
- an beflimmten Tagen zu einer der Schifffahrt ungünftigen Zeit,
zu Weihnachten und Oftern *), läfft vermuthen, daß diefe Schiffe -
eine fefte Stätte am Ufer inne hatten, welche die Stelle einer
Niederlage vertrat, bis fie zu der Erwerbung eines eignen Lan⸗
dungds, Waaren⸗ und Verkaufs⸗Platzes am Strande gelangten °).
Zu London wie in York finden wir ſchon im achten Sahrhuns
dert friefifche Kaufleute‘). Auch fpäter war York durch Hans
del, befonderd mit den dorthin fchiffenden Deutfchen audges
\
1) Engländer zu Thiel an der Waal, und Thieler in England um
Handel zu treiben, werden erwähnt in der Fehde über bie freie Rhein⸗
thifffahrt bis ins Meer im 3. 1018 bei Alpertus de diversit. temp.
1. U. c. 21. apud Eccard script. med. aevi.
2) Die Coͤlner nenne ich nur aus Wahrſcheinlichkeitsgruͤnden; der
Beweis fehlt fuͤr das zehnte, ſelbſt fuͤr das elfte Jahrhundert. Eine
dafuͤr zuweilen angeführte Stelle des magni chron. belgici ad a. 1048
ſpricht nur von coͤlner und Lütticher Kaufleuten in Holland.
3) Für die Mitte des elften Zahrhunderts zeugt hier vita 8. Bern-
hardi apud Leibnitz scrr. rer. brunsvic. T. I. 466.
4) ©. das Iondoner Statut (bei Bromton p. 897, Schmid
206) in ber beffern hamburger vandſchrift im rheiniſchen Muſeum für
Zurisprubenz Bd. V. Heft 3.
5) Bol. urkundliche Geſchichte der beutfchen Hanſe Th. L
6) Beda l. IV, 22. Altfridi vita 8. Ludger. c. 11. in mo-,
num. hist. German, I.
Lappenberg’s Gedichte Englands I. 40
vo iiggiibiht TRUYER Ay ME vitien vereuiltnoen NER
des Neichd, im welchen wir die Zahl ber berechtigten Pin
durch ‚die Altern Sandesgefege genau befchränkt fehen‘). 3
Heine Stadt oder Burg hatte einen Münzer, was fih.m
nur dadurch. erklären läfjt, daß, da hefondere Wechsler bi
ältern Angelfachfen nicht vorkommen, fremde Münze vom ®u
nicht in Zahlung genommen, fondern von den Muͤnzem ii
Landesmuͤnze umgefhmolzen wurbe, bis fich ber einfachere ie
tauſch auf den Banken von Geldwechölern (penig- mongen
bildete). Daß dieſe Münzer nicht kunſtlos arbeiteten, It
gen und die häufig aufbewahrten Münzen jener Jet, dem
Gepräge die Bilder der aͤlteſten Könige von Kent, Dec m
andern Reichen der. Angeln unb Sachfen auf une in
bringen. Doch trieben viele Falſchmuͤnzer in den Bälben €
beimliches, ſtrenge beftraftes Gewerbe, und es mag dam e
Grund gelegen ‚haben, die Zahl der Münzfidtten fo ſeht za"
mehren, wie dieſes zu Eadwards des Bekenners Zeit geie
1) Guil. Malmesb. de pontifie. Angl. 1. III. prooen, Da
cum urbs ampla — a daabus partibus Husae flumiais- iadelk
medio simns sui naves a Germania et Hybernia venientes.
‚ 2), Gragas Vigelodi tit. 101. Arfathattr. tit. 19.
8) Dooiesday.
Lv”) - — 22 - m ——— — a b⸗
w
Von den Innern. Bufänben ber Anseifahfen:, 627
N. Weiler md in Mercien finden wir verſchiedene Berechnum
gen herkoͤnmlich, dort den fächfifchen Schilling von vier‘), hier
: die Thrymſe oder ein Stu von drei Pfenningen. Der englis
ſche Schilling war im ganzen Norden fehr verbreitet und bat.
Tlange ..ald bie vorzuͤglichſte Silbermuͤnze gegelten. Denn daß -
ser: je nur. ideeller Werth geweſen, verträgt die -Entftehung des
ı Wortes von Schild oder Gepräge nicht; er wurde jedoch damals;
; wie ed foheint, nie ganz, fonbem in feinen Theilen oder Pfens
ningen ausgeprägt. Der Name Sterling⸗Geld ift bei den Ans
gelfachfen noch nicht nachgewiefen, doch erfcheint er fo fehr
bald nad der normannijchen Eroberung ?), daß wir der Wahr:
fcheinlichkeit, welche das germanifche Wort darbietet, wohl fols
gen dürfen, den Urfprung deffelben in ältere Zeit zu ſetzen, da
auch die Zeit in welcher diefe Benennung zuerft vorkommt,
erklaͤrt, wie fie im Gegenſatze zu. dem leichtern normannifchen
KBelbe:entflanden fein mag. Daß die Sacıfen die Benennun⸗
gen de Schillings ſowie, der Scaet (einer kleinen Münze
Deren zwanzig dem Schillinge entſprechen) und auch des Pfen⸗
mings (penig), wenn letzterer auch vom Pfunde (pondus),
Deſſen Theil er bildet, abzuleiten iſt, aus ihrem dem Handels⸗
verkehre nicht durchaus fremden Lande brachten, muͤſſen wir
annehmen; fo lange nicht die fpätere Übertragung biefer Nas
nen aus einem Lande in das andere wahrfcheinlic gemacht
werden Farin. Der merciihe Schilling oder die Thrymſe vers
raͤth gleichfalls deutfche Abftammung ’), und auch ber fremdars
tig lautende Mancus möchte nur das Zaufchmittel des fächfls
: 4) Dte gemöhntiche Angabe von Billing (leges Anglosaxonum
-p. 415) u. A., daß der Schilling fünf Pfenninge enthalte, gilt erſt für
Die nermannifde Zeit und if aus ber Vergleichung der Geſetze Aifreds
45 fg. mit denen Heinrichs I. 93. geſchoͤpft.
2) Schenkungsurkunde Wilhelm bes Eroberers an das Kloſter ©.
GEoroul (monasterium uticense in der Didcefe Liſieur in der Norman
die) v. 3. 1081 eingerüdt bei Ordericus Vitalis p. 602. Mo-
nasticon anglic. Vol. VI. P. 2. p. 1078. Orderich Biralis
war ein Moͤnch dieſes Kloſters. Er erwähnt noch lIbras sterilensium
und libras. eterilensis monetae b. J. 1082 p. 580. a
- 8) Auch bei den Sachſen auf dem Feſtlande findet ſich ein Schilling
von zwei und ein beſſerer von drei Ztemiſſen Lex Saxonum tit. 19.
40 *
0238 Sechste Abtheilung.
fchen „Manghere” (von manghian, tauſchen) bedeuten kai;
tere Bezeichnung, welche fich auch für eine Golbminy fe:
bedeutet gewöhnlich eine filberne von breiffig Pfenningen. Age
der Markt wurde Gold fowie Süber berechnet. Die Dr h
fechözehn, hernach zwanzig Pfenningen find auch dem init
Norden bekannt; Ferdinge gleichfalls (Veerdinge) in Kb
fachfen; eine Kupfermünze im nördlichen England fühl Mer
Namen Stüde (sticce). Auch bie nieberfächfiichen |
penninge finden fi in den denariis albis, candids We
angelfächfifchen Urkunden wieder. |
Die vorftehenden dürren Umriſſe fcheinen und das
fentlichfte zu umfaffen, was mit hiftorifcher Treue übe MP L
feligen Zuftände der Angelfachfen zu berichten if. Br WE
nen in biefen ſtets das germanifche Urvolk und bemertea Mille;
jest mit deſto ‘größerer Theilnahme, daß Fein gemalt uhr
Stamm aufferhalb Deutfchlands fich Länger in feine Aid im:
lität und Unabhängigkeit erhalten hat. Die meifn bi
ſchen Reiche waren, nad) Annahme der chriftlichen Nam: bin
vor dem durch diefen Schritt emporgehobenen Übergewiſc
mifcher Bildung zerfchellt. Weftgothen und Franken MM
nur eine unvolfländige, wenn nicht fcheinbare Ausna’'
wir fie ſchon früh gänzlich romanifirt finden. Diklw
bängliche Ausdauer im Erhalten und Werbreiten mi
Sitte, wohlverftandener Lehre und einer dem Maße vun
bener Thätigkeit enifprechenden Freiheit haben die Schla-W
ter bewährt, als fie die wendifchen Länder coloniftmt
welchen fie, foweit fie vordrangen, die Nationalität da WW
den vernichteten, wie ihre Vorfahren es mit beriil:i
Briten gethan. Doch müflen bie Sachſen nach VE
einen größern Sprachfchag, mehr Reichthum an Ya.
"und gerichtlichen Einrichtungen und Rechtöbegriffen, eih
ter vorgefchrittene geiflige und bürgerliche "Entwidtungg N
die gewöhnliche, Anficht anzunehmen geftattet, e
haben. Die ber gründlichen Befeftigung ber ſaͤchfiſhen N
-4
ki
er er ME
“ei
Bon den inneren Zuftänden ber Angelfachfen. 629.
und Sitte fpät nachfolgende Annahme des Chriftenthumes,
welche ‚nicht durch dringende politifche Rüdfichten bewirkt wurde,
fondern meiftens aus dem veligiöfen. Beblirfniffe der höher ges
fielten und beffern Beitgenoffen hervorging, hat daher bem
Deutfchthbume der neubekehrten Sachfeninfel nicht unmittelbar
nachtheilig fein koͤnnen. Selbſt die verſunkene Kirche ber
Briten tauchte nur wieder auf, um durh Warnung und hartz
nädige Vertheidigung einiger abgefchwächten, auf dem Mift:
beete der Schrift kuͤmmerlich fortgepflanzten Zrabitionn —
benn viel mehr war ihr Wiffen nicht, wenn anderd man nicht
alle hiſtoriſche Gelahrtheit höher zu fielen geneigt fein
follte — und mit Allem was fie an Gefinnung und geiftiger
Habe bringen konnte, nicht die britifche, fondern bie ſaͤchſiſche
Nationalität vor der romaniſchen zu ſchuͤtzen. Doch ward jene af
gefährlichere Proben geftelt. Es iſt oben off angedeutet, wie -
mit der alten Religion die Königsgefchlechter ihr Anfehn vers
loren und die dadurch erleichterte Sufammenziehung des Ober⸗
befehls wohl aͤuſſere Einheit, aber nicht innere Feſtigkeit ge⸗
waͤhrte. Doch auch die uͤbrigen aͤltern oder neuern angeſeh⸗
nen Geſchlechter der Angelſachſen theilten daſſelbe Loos. Die
Standesverhaͤltniſſe der alten Heerfuͤhrer ſowohl als des neuen
Dienſt⸗ und Lehn⸗Adels wurden, den Grundſaͤtzen des aͤltern
heimatlichen Geburtsadels der Sachſen gemaͤß, kunſtreich ent⸗
wickelt, und die ſtaatsrechtliche Rechnerei, welche die Gerichts⸗
verfaſſung der Angelſachſen ſo ſehr ausgebildet hat, trat mit
peinlicher Sorgfalt in den kleinſten Lebensverhaͤltniſſen wieder
hervor. Die Maͤnner welche den alten Geſammtbeſitz tapfer
vertheidigt und den neuen kuͤhn und geſchickt erfochten hatten, |
verloren ihre Kraft, als dem Privatbefige ihre "Sorge ange:
bannt wurde und bebaglicher Genuß bed Friedens und ber '
vermeinte Schutz der Standeörechte fie in Unthätigkeit und
Schwelgerei verfinten ließen. Briten und Scoten waren befiegt;
aber der treulofefte Nachbar eines Landes in dem. damaligen
Gulturzuftande war das Meer, welches, für friedliche Verbins
dungen zu ungeflüm, nur dem Feinde fich gimflig zeigte, um
ihm flets neue, unbewachte Landungdpläge darzubieten, waͤh⸗
rend der Friegerifche Geift der der, See und den Waffen ent
wöhnten, behaglichen, Heerdes und Mahles frohen Sachen im⸗
. 630. Sechste Abtheilung.
mer mehr entwich. "Aus den Landen im welchen ber Koͤnig
feine alten weftfächfiichen Domainen befaß, wurbe das Daͤnen⸗
heer Lange leidlich entfernt gehalten; in anderen Ländern fand
der anglifche und fächfiiche Adel Dienft und Zehn auch oft am
dänifchen Königöfeffel. Die Anfiedelung der dänifchen Than |
fprengte die Iodler gewordenen Bande der angelſaͤchſiſchen Gro⸗
Ben immer mehr, und der größere Zheil derfelben war zufris
den, als ihnen Befiß, Wergeld unb andere Hergebrachte ge
“fichert wurde, ihre Huldigungseide einem Könige fremder Zunge |
Darbringen zu dürfen.
Nur ein fremdgeborner Herrfcher vermochte die geſunkenen
Großen wieder zu beleben oder auch fie zu verdrängen, die den
Zapfern ımd Starken flärkenden, den Schwachen aber ſchwoͤ
enden Bande ber Verwandtſchaft und künfllichen Verbruͤde
rungen unſchaͤdlich zu machen, welche ber Sammlung’ de
Kräfte der Angelfachfen fich entgegenftellten. Doch felbft Cnuts
glorreiche Regierung und die glüdtichen Ereigniſſe, welche der
Nation ihre Selbftändigkfeit wiebergaben, hatten bie Großen de}
Reiches nicht erheben können; der Schattenkönig Eadward und
fein Majordomus Godwine bieten ein Schaufpiel dar, welde
von der traurigen Seite eine Wiederholung der den fraͤnkiſchen
Geſchichtsbuͤchern wohlbefannten Scenen war, ohne jeboch einen
Karl den Großen zu erweden. Nach den demüthigen Miſſio⸗
narien, denen wuͤrdige Prälaten und Meſſe⸗Thanen folgten, war
beim Verfall des kriegeriſchen Adels eine raͤnkevolle Kleriſei auf⸗
getreten, welche zur Vernichtung ihrer Gegner einem romani⸗
ſchen Heren die Länder Eonftantins zuzuwenden nicht für pflichts
widrig hielt. Und fo möchte dad Deutfchthum in Britannien
vernichtet fcheinen, als der Leichnam bed legten angelfächfifchen
Königs zu ehrenkarger Beflattung von der Wahlſtatt hinwegge⸗
tragen wurde. Daß dem aber nicht fo war, zeigt fich fchon
bei der oberflächlichften Kenntniß ded heutigen Englands, und
wird näher zu erörtern zu den anziehenbften Aufgaben ber fers
nern Gefchichtöbarftellung gehören. Es muß aber noch bier |
als Refjultat der früher gegebenen vereinzelten Nachrichten ans
” - erfammt werben, daß der Kern des Sachſenthums in Britans
nien nicht die Verderbtheit bes Dienftadeld getheikt hatte. Frei⸗
lid) fland ber ehemalige. freie Germane nicht mehr in nälliger
Bon den Innern Bufänden ber Angelfachfen. 631
nnabhaͤngigkeit daz er hatte für Verhaͤltniſſe die fein Eigen⸗
thum ſchuͤtzten, einen Theil ſeiner perſoͤnlichen Freiheit aufge⸗
opfert; doch waren dieſe Bande ſo leicht, daß ſelbſt der Name
des Freien ihm verbleiben konnte). Briten fowie Dänen wa⸗
sen freilich mit. den Deutfchen verſchmolzen, hatten aber bie
ingelfächfifche. Nationalität fi) angeeignet. Aus jenem Stande
3er alten Georld war die Bevölkerung hervorgegangen, welche
:inem großen Xheile Englands eine veränderte und fchönere
Seftalt gegeben, bie Viehzucht trefflih gehöhen, unzählige
Dörfer erbauet, darauf Städte bevölkert, den Grund. eines -
thaͤtigen Verkehrs gelegt und. eine Sprache und Literatur er⸗
ihaffen hat, deren Werth und Reichtum wir, nach dem was
ınd geblieben, ſehr hoch fehägen muͤſſen. Die anhänglichfte
Sefinnung an ihr Volksthum erhielt ſich ſtets bei diefer zahl:
seichen Slaffe, und fie war ed welche, fogar in der normanni-
ihen Eroberung, der deutſchen Nationalität einen neuen Sieg .
sorbereitet hat. .
1) Die liberi homines des Doomesday find größtentheils Hörige.
ses u uw cm
une N
*. 8. „wu u -wBn % R W
v Brunn BRD
*
Zufaͤte und Druefehler
2 Veſtimmungen L Seithhmer
9 1. ‚gaeläfche
4200. N Cantiopolis, Ganterbury
16 durch L und durch
2 wenn ua wenn
7.1. evenfey
383.8 m l. feine
5 L anberer
13 waren I. war
13 wie l. wenn
5 ob. I. ad Nennii
8 1. jenen Jahrhunderten
2 v. u. L. nimed eure -
15 werben L wird
2 3. 4 sunc I, sune
2 s 8 |, betwux
den früheften Erwähnungen bes Hengift gehört bie Stelle
in der Geographia Revennatis Anonymi 1. V. $. 81:
gens Saxonum veniens ab antiqua Saxonia cum
principe suo, nomine Anschis, |
.1 1 Bejledning — 3.3u.4 I. Doomesday book
elches
NS 00
wm
12
3 |
l. Geraint — N: I. uterpendragon — vierna
L._ Cymenesore — Keynor
u. 8 v. u. l. Mearcredesborn
nn)
u. 10 v. u. l. ber Hwiccas — 3. 11 v. u. des l. ber
l.
u.
I, Llywar
l. 3. * de Brunne
L Waegdaeg
l.
v
* u j
END OPROHNM
.u, L Carleol
v. u. 1. auf Amurath
v. u. Condidom I. Condidan
v. u. Kirche L Kirche zu
l. Eolumbans
Hicola
— * 2 Il. Cabvan
—8 Beda
385
8 )
N
> ne Fb GB RS 00 00 CN CH na 00.20
7*
vu. Lk Gm
⸗
aa vo vr VG Br V rn Q -
®.
Eiyvouana a ns un mv u HVHV NR
nennen ya n
'
„mE u WE VWB« „wu nn ee it
u 8. wSw gm u 88* ne 25)
mb In (7 RO Fa & ON RO Up ma joa Pe GO U
4
l. 3. U und bie
3. 8 l. en veranlafft
N. orpe - -
am Rande 5377 L
13 v.u. L Male faum erfjienene — L. 3. L Beorth
21 1. Edgars
16 Gaerlare I. Gaerleon
8 v. u PR Ines
51 ilgis
* 3.8 L Bromtons
8 v. u. L pincanheal (Finchale Priory, Durham)
3.2 I. Sceafs
.2 I. Wibbas — 3.6 L dem Senmwulf
Dengwern
Driguier —NR23.8 mus I. un
2—2 v. u. 1. fondern nur — aber möchten
, bier in
on Hengift I. vor Hengift
funfzigjähriger
Goberis € Sonne Vithred Eadric + 686)
un N
N Ve Ne > OR
wm
N
—A
N 00 5 In (0 10 0
um
„SB 8
S mi
©
En
[a]
5. a
®
uni,
E22
2
“os
:u. L Cuthreds
3.2 Pfund Gelb IL. Pfund Gold
L ungemeffenfte
v.u. Namen I. Gtamme
3.1 1. frühe
l. XAlcmund ober Ealmund
und des l. des
00 S tο
=
*
— 3
3
&
>
I. Alvethesleie
I. Sohnes Äthelmulf anvertrauet, einem
Ejusdem gehört gu Aſſer
Il. welche
l. Selwood
Äthelreb 1. ſtets: ÄAthered — R. 1 Robhorn I. Rudborne
13 1. ſelbſt nur Inguars Namen
-11. Eithildrithae — 8. 9 I. Frisiorum
Seene I. Frene — 3.9 v. u. I. Harding
I. Streanesſcalch. St. Hildas |
l. Gormund — 3. 13 I. Girencefter
3.9 u 10 I. nad jenem
l. Bazoche — Guormund
I. Rognwalds
3:4 LI Frothi — 3. om L des
l. Grimbald. i
3.2 welder in I. von weldjem
ph bu
u:
fu mb
©
7
—
v. u. u. ©. 344 3. 23 I. Appledore
v. u. 1. Gceobyrig (Shobury)
2 1. Loyer — Bricheniauc — Guinnliguiaue
2 ı 899 mit legterem verdient Feine
‘ wo
*
a
us u 9
[run un muıM
seen ev Wu eh m u
-
vu. on. .,.u.s..
5%
ER-r
SB. m80
ua ws ns ” „mywmä „wEr
—.. . · · 44W8
19 Schwager L Sawiegerſohr
5
15
1
.1
.1
1
1
1
1
jeh
me 06
eh
on
*
122
=
—
o
2 1L Monarchen — 3.9 u.
2 L[. wiceian
2. 6 1. Reginwald
1% Davenport — 3.12 1. Cadmund — 3. 2 d. u.
l. Cadwulfs
2 L Wells in Somerſet
feines l. feiner,
ihn 1. König Üthelftan
388 1. IE N. 2 1.
hilderine, Krieger |
I. Domerhbam (Damerham, Wiltfhire)
3. 5,1. Rognvalldr — welche ſchon mit Erich Blutart
Elfrys 1. Elfaͤ
S. 404 3. 1 ſeiner Zorfahren I. feines Verfahrens
3. 8 I. Eckehard — 3.3 v. u. L von dem — 3.2
hätten
98
8
1
1
2 und I. vielleicht auch
2
u.
1 deſſen I. deren
18. aus I. anftatt
6 1. anglicanifchen
ou’ NR. 1 1. SIomsburg -
8 U nidt ununterrichtet
5 I. Svoͤld
8 I. Wapentafe
,
1 1. und daß daher — 3. 13 doch L daher
2 L der Gheiticche
3. B. daß
d. l. werden
u
koͤnig
Il. hatten
Kom I. Roni
l. fowie der Jarl
3.5 1 bebarve
"U nahm um den
.7 v. u. I. Olav, König - —_ R. 21. et Eadwium
1028 1. 1030 .
I. England ul
l
Il. Pentecoſts
1. Byverſtone —N. 13.3 L Tateren
v. u. i. Thoren Londons
4 Bet der Ungewißheit über den Namen ber hier ges
dachten Tochter Wilhelms . (vgl. Roman de Rou
vs. 9652 u. 10821 und dafelbft Pluquet) ift die
Nachricht des Guernes del Pont de 8. Maxence
in defjen Vie de S. Thomas de Cantorbire (Mole
fenbüttler Handfchrift) zu beachten, daß diefe Zoch:
ter Rainils geheiffen und die Verlobung mit Harold
auf dem Schloffe zu Bures (bei Bajeur) vollzos
ſoiche —
gen ſei.
9 v. u. feine l.
18 l. bier, hapım —L 3 L genannt der Schoß«
N. 2 1. Hurtishovet
6 v. u. l. Deoraby
3. 7 ſchottiſchen und Hänifc) »irtfehen
⸗838B. u. treiter l. Reiter
Daß die normanniſchen Barone auf dem Schloſſe zu Bures
zu dieſem Zuge gegen England ſich eidlich verpfüch
teten, fagt Guernes a. a. O.
N. 31 Norweger
3. 19 u.% I. ein — heimgekehrter Pilgrim
s 9 ver Beitgenoffen : I. der großen Zeitmeſſer
N. eorum Ceanlin [. eorum Ceawlin
3.5 hat L hatte — N. II. Rechtsgeſchichte
s 8 L ſogar die nicht
« & 1. radcnights . |
über die Karte des angelſaͤchſiſchen Britanniens.
Die Karte uͤber Britannien unter den Angelſachſen, welche der |
geehrte Hr. Verleger diefem Bande beifügen zu laſſen kein Beden⸗
ten getragen hat, ift von mir unter dem gefchicdten und treuen
technifchen Beiftande des Hrn. 3. C. Köfter neu entworfen, da eine
ſolche, obgleich zum Studium der älteren Gefchichte jenes Landes
unentbehrlich, ſich in beutfchen oder fonjt bei uns nicht zu feltes.
nen Werken nicht findet. Unter den gebrauchten Huͤlfsmitteln
habe ih Ingrams Karte in feiner Ausgabe bed saxon chronicle,
fowie die befjer angelegte, nur gar zu Eleine, in Palgraves
in Duodez erfchienener Geſchichte von England zu nennen, Beide
bat gleich mir der Verfaſſer eines Beinen Werkes *) benußt, wel⸗
ches mir vor Abſendung meines Entwurfs zukam und aus welchem
ich die auch aus aͤlteren Werken bekannten Wappen der Koͤnigreiche
habe zeichnen laſſen. Hr. Collen hat ſeine Zeichnungen dieſer
und anderer weniger bekannten angelſaͤchſiſchen Wappen aus
Speeds theatre of Great Britain. Ms. im Heralds college,
bezeichnet L. 14. divi britannici entnommen. Die Authenticität
berfelben vermöct ich jedoch, nicht immer zu rechtfertigen. |
*) Britannia saxonica, a map - .of Britain during the saxon
'octarchy ete. by G. W. Collen. London 1853. 4.
—
Im Wappenſchilde Kents iſt das Roß; in :dem bee Saͤd⸗
fachfen find ſechs Schwalben; in dem ber Oſtſachſen drei Schme |
terz in dem ber Oſtangeln drei Kronen; Northumbrien hat das
Kreuz mit vier Loͤwen; Mercien ein St. Andreas-Kreuz; Welle |
ein Kreuz mit vier Schwalben.
Der Tod bed trefflichen Kartenſtechers Grimm zu Bela
hat einigen Aufenthalt veranlafft; doch vertraue ich, daß aud in |
der jegigen Ausführung bie von mir vorzuͤglich beabfichtigte An |
gabe der verfchiebenen Staͤmm⸗ und Auen Staaten nicht über
Laden erfcheine.
Angelſachſiſche Königeftämme.
Dompnena *6),
h. Merewalb,
oͤnig ber Weſt⸗
angeln.
N. N.
——
be)
40 24); h. 1)feine
2) Emma, Tochter
Königs?’ 1°),
AÄrconbriht* ®), Eanfithe?).
14. Zul. 6645 5. Scarbuch, Tochter
Annas, Königs der Oſtangeln.
ormenberge?), Euͤrcongote °), Eormenilde, Hlothere =
m franzöfifhen h. Wulfhere, König reg. 673, 12 Fehr.
Hofter Brie. der Mercier.
hraed "), Richard,
it 725 42); 5. 1) Cyne⸗ + als Mind zu
2) Üchtburh 19), Lucca.
— — 7—
byrht IL! — Alric“
. 748, + 760 reg. 76079.
> — I, 1. Urkunde v. J. 618
3
den. >
qui fuit
Thorne . 1. 1769.
*
Cantaar. apud Tuysden p. 2231.
Vgl. oben ©.
ee ji 2. 8. 4. u. 5., wenn
nigin genannt wird, ba 691 Eyneghthe noch
ir noch in einer fpäteren Urkunde v. 3. 700
a ©. 782; richtiger in Grose antiquarian
v. 3. 697 ober 712.
weiche Äthelbyrht Thon im Dr 121 X.
. 6. vgl. S. 7. 3. J. 748.
i
: Eormenric)).
von Kent?).
| Searbad”®),
— — —— —
ebryht (der Gute) *® Spithhelm *
| en —— + 660. I reg. 660, + 65,7
Gelred”°),
reg. 709 — 746).
) Bromton ©. 703.
) Beda III, 22. |
) Dafelbft. c. 30.
) Derfelbe IV, 11,
) Derfelbe V, 19.
) Urkunde in Smiths Beba ©. 749,
) Radulphi de Diceto abbreviat. ad a. 641.
| —— — —
| Tochter.
Stuffe „it are
| | 51 fi ’ A ,
| ’ Oslac 9).
Cuichelm), h. ae Ya
wulfums 3.835.
Ceolwulf
7 | (Ceolf) " 9),
Cynebalde reg. 597, + 611; h.
I Ä eine Tochter thel:
thelbald fride Königs von
| — Bernie 13),
swald ine’), Tochter, ©. Egel-
EG + 78855 5 h. 5..Dewald, ine”). Guthgits N,
efterdee König von
rge, Ge: Northum⸗ Genferth ').
seafribe brien *).
thums Cenfu
15). | reg. —8 8),
29), Äfcvine”*9,
reg. 674, + 676
fi |
Äthelſtan.
König des reg
ſuͤdoͤſtlichen
Englands
887, Pa um
thrpd **), AÄthelweard,
lduin, Grafen von + 16. Oct. 922.
| Slandern. ——— NN
Thurtetut. Kae. Brise.
geb. 907,
ı Quer aA
| liflede 204), | .
). |
2. 8. . 8. 3.
give 2°), Cadmund, Eadred, Eadburh, Ealgyfu,
inen Für: geb. um 920, reg. 940, + reg. 946, Nonne zu h. Louis
neben den 25. Mai 946; h. 1) Ar: + 955. Winche- von Aquis
Alpen. give?”);2) Üthelfiebe von fter. tanien.
Domerhbam, Tochter bes |
Caldorman Elgar.
Eadwi, Eadgar,
g. 955, + 1. geb. 948, reg. 055. +8. Qul. 9755
Oct. 959. h.1) Aiflebe 3°); 2) Rifthehbe 3);
3) Wulfrithe, Concubine ??).
2. 2.
| ach, Ead⸗ o., Kepsiveb, 5, x Sata,
Te und (? gr reg pril Abtiſſin zu
* mun ) ”. sh 1) 985 Älflede, Tochter — 2*
378. —R 2) &theigife, Tochter
| Egberts *° 29); 3) 1002 Emma
' oder Alfgive, Tochter Richards J.,
Herzogs der Normandie; + im
März 105
=
„?: Ä 2. 2, 2.
ilde, Ealcbbe, Alfred, Eabweard, Goda, Tochter
kytel H.Äthels iX 1036. reg. 1042, +5.1) Walter N. Ä.,
„Eal⸗ ſtan *5). 5. San. 1066; von Mantes; Apkiffin von
ı von h. Edithe, 2) Euſtach Wherwel
en? 9). Tochter God: von Boulogne. 1051.
- wines, + im
Dec, 1074. 1.
Radulf,
+21. Dec.
1057 25),
1) gı
2) Ant v. 3. 901 Edweards Gattin genannt. She
den angefünglos. dietion. Eadgive lebte noch unter
3) Be Unter Eadmund f. textüs Roffensis p. 109.
4) Ap- J. 99 bei Hickes II, 261.
. 5) Vo pProoem. 1. I.
halt ihn füpswithe.. Malmesbury II, 5. verwech⸗
j > Gibt diefer den Namen Elfgive.
Merd flard Eifgive im I. 955. Nach einer
Letztere Bean anglican. fol damals Elgife, Cab-
Nachrichten aben.
8) Al Note 2. Ihre ſechs Söhne ſ. in der Ur—
Königs Sn in annal. Burton. bei Feli I, 246,
ſchaftliche 2981. R. Higden I, 269.
9) FIRote 4.
Chronik 3. r regis (Aethelredi). Urkunde v. 8. 999 bei
4 3. 688 dllingford ©. 545 nennt fie Gunhild.
des Eramlit regis, f. Urkunde v. J. 999 a. a. O. Bol.
mit andern
10) &im. p. 205, Wallingford P- 546,
11) X: 1009,
red. Die Note 1. Rapin de Thoyras I, 375,
auch oben u. 464. b
12) M a. 1106. Malmesbury ©. 103 gedenkt
13) Sm ums 3. 1126 gefchriebenen Werke.
14) M
zic und Bi
im Widerſhreren Stammbäumen, doch niit bei Affer,
als den fraonik 3. 3. 854, Florenz z. 3. 849). - Da-
15) E.alten Shroniften gewöhnlich ift, den Ceawlin
16) ad Cerdics Enkel zu halten. Hiernach iſt die
ein Kloſter richtigen.
17) Me Chronit nennt Cutha ben Bruder und.
18) Sis. Letzteres auch Aſſer. Malmesbury.
19) & ihre verfchiedenen Nachkommen conftatirt.
thanleag erwähnt die angelfächfifche Chronik
20) tha, welchen Florenz hier als Sohn des
Eadgythe: hdenn Hunting don veranlaſſt fein mag
21) 8 Futhvine zu nennen. Malmesbury fagt
22) Udung in einem Zreffen gefallen.
+
, Eowa?6), Cenwalh ꝰ),
‚, + 653; +5. Aug. 6482.
he. nn, - Euthbert”"),
_ Alweo*). Demod‘), Genwalhs urenkel.
— N Offuf .. A
ilburh⸗ Os⸗ | Ceon- Cuth⸗ Cesl:
Cal, 1) ward. Eanwuf , wulf, red?), wulf),
tel Frib⸗ reg. 796, König reg. 819
IN Shin nhferth * 819; v. Kent, —2.
= gulum , Äthe I: Heard⸗ 19. A h.1 ) Cy⸗ + 805. |
rrey. bald ), bet”). atcelt negpthe —— NN
MR; reg. 716, d. Darcellina, 25); 2) Xuflede®),
bins’), x 757. Offa?o), Afbrys 9 Wigmund,
had veg. 757, +10. 7) Sohn Wigiafe,
Aug. 7955 $. | Königs von Mer:
Cwenedrythe. cien 828.
INT
Cynedri⸗ Ceo- Baur:
the ”°), nelm ?), genilde
825 Ab X17.Zul. #9),
tiffin. 81929),
TEE — — —— —
Eadburhge*), Älflede »), Äüthelfrede?), Ecgferth?),
7873 h. Brithric, h. Athelred Kd⸗ verlobt mit Äthel- + 79.
König, von nig von Nort: bert, König ber
Weiler. humbrien, 29. Dftangeln.
Sept. 792. E
Urkunde b. Smith . a. O. 786. Hemming I, 219.
Hefunte K. Offas bei Smith a. a. ©. 766 und v. 3. 780
Vita Offae secundi nennt ihn Tuinfred. Bei Kennius
Inferth, Vater des Clum, defjen Sohn Offa.
Angelfähfifhe Chronik 793. Nah Simeon flarb Offa 796
. Augusti. Drithe war ein fränkifches Mädchen, welche fich
ronilla nannte, xegi Franciae Carolo consanguinea ſ. vita
Florent, genealog.
Ethelburge bei Malmesbury a. a. O.
Angelſaͤchſi iſche Chronik. Simeon z. J. 792.
Alflede in vita Offae; Etheldrithe bei Ingulph. \
Urkunde v. 3. 799 bei Hickes thesaur. III, 262 not. 91.
Urkunde v. 3. 811, f. textus roffensis 96. Urkunde v. 3.
ickes a. a. O. L, 174
Urkunde im text. Roffensis 94.
Urkunde v. 3. 825 b. Hides a. a. O. III, 262. Note 73.
"‘alend. Anglo-Saxon,
"mton. p. 776.
Iph b. 3. 855. Chron. Mailtos.
— — —e —
Sige Äüdilwold?), Edric !9),
reg. 61 reg. 655, + 664. |
reg. 663, + 718. reg. 713,
+ 749 13),
Edburge °)
Übtiffin zu Diepanbun.
18. historia eliensis apud Wharton Anglia
dix. Die einzige mir bekannte Autorität für
Aldulf ald Sohn des Erſteren und Water bes
Vgl. oben ©. 237 und Einleitung ©. xıvı
del” Saxon.
me lm. ad h. a.
iſt b. I, 5. Sigebertus, frater eius (Eorpwaldi)
( | Aldulf“ 4. 9 Alfwold“*), Jurwine ꝰ).
eo
a.
Occa ?). Arie ?).
| Ealdhennn 27. 2). Bleocman ?).
Ecgwald 7 ?7), Bern,
)*). Leodwald ?7- °”), | Bernhom 2).
9. Gutheine 737), ” Ealbine 2).
of |
a Gupalti). Adeenkm)
eon⸗ l .ochter Kon g Ds⸗
89 G EN j wulfs 7685 vers
reg. 116 reg. 79 trieben 774.
18. \ 37, ui
| | reg.789, x x 800.
14. Sept.
792.
PA —
Osxed 2. Alchmund
(„v3
(„uusg ?
(„oo
19
*
ad
a |
»
(, gr
- nenrine hist.
2) Flore nonik bei den Sahren 729 und 738.
8) Beda geführten Jahren.
4) Beda —
5) Beda it. J
6) Beda B. 526 hat bie weißen Namen fehr verftüm-
7) Beda
8) Beda Ralmesbury I, 8.
9) Beda Annal. Lauresham. ad a. 713.
10) Beda Lac. l. VL
0) Ann, Uh, de gestis regum.
3 Iefügrten Jahre.
eüa
14) Vita a meon von Durham bei Empaten, wo
15) Beda 768. Degearns Vater ſcheint ſich nur
16) Beda | Sohn Dsric nepos Alfwoldi genannt wird.
17) Beda I
ji |
18) Beda } nennt Florenz beim Sabre 847 und in
19) Eddiuc, kennt dagegen ben Eadric nit. Si—
‚ mesb. p. 19. 1. für das nördliche England beſſere Gewaͤhrs⸗
20) Beda ].
21) Eddiunmeth), filin Royth, fiti Rum, Nennius,
22) Vita 8. ahre 738 nennt Eadbert den patruelis ſei⸗
23) Beda ſſt dieſer Ausdruc nicht für Vetter im weis
24) Beda möchte vielleicht die Heitath einer Schweitez
25) Beda 1a jenen Ausdruck rechtfertigen.
*
| A ÜÄftie”.
— —————— —
—— Osricꝰ),
Dct 6335 h. a reg.633, X 634.
8, Königs der
ae), Zadter
Kenter.
2. 2. Oswiu 10),
un”), Übditehend ), " Bufefren”), reg. 634, x 20.
York. + zu York. +mad 63% jung Aug. 651.
in Srantreich. I
|
Ethelwald '').
10) Beda II, 14. |
11) Derfelbe III, 14, 23, 24. Ä |
12) Herericus, nepos Aedwini regis. Beda IV, 23. Ein En
Eadwins und Sohn des Eadfrid, wie Florenz z. 3. 664 meint, .
ı Hererich nicht geweſen fein, da fonft Iener bei feinem Tode fehr
je Kinder und eine 17jährige Urenkelin gehabt haben muͤſſte. Nepos
utet bei Beda häufig den Neffen. ©. 111, 6. i
13) Beda IV, 28. Calendar. Anglo-Sax. XVIII. Cäl. Januar.
ıwenz b. 3. 680 fegt den Todestag auf XV. Cal. Decembr. |
1
Sigrid Storrat r N. N.,
feit 995 Witthrn 7), Sohn
Erichs des GilKönigs von
zeichen, Königs Ymeden.
ee
Spraka⸗
Diav SGchoolg *
koͤnig, |
König von Shmelart en,
+? HR 1025.
2
anllag: | | \
LER;
. wu -
N
Spend Efrithfon,
Koͤnig von Daͤnemark,
— — reg. 1047 + 1076.
Hemming | |
104.
1) ©. oben
2) ©. 430,
. 8).@. 477
94 Mi.
5) 6, 477..
6) &. 473 u. oth. cod. dipl. —X p. 68,
is vita Conradi Imp. ua anni con-
.. Fre APR
Tag 1067.
Toſti, Leofivine*), Sur 5), Wulfnorh
x 3. Sept. 10665 X 14. Oct. x 44, Ar 1087, *
5. Judith, Tochter 1066. 1066.
Balduins, Grafen von J
Slandern?).
So un | Gunhilde 9).
10873 h.
mar, Per —
Sohn, Czar von
Rußland. |
n
ne. 523.
8) ©. 557. — —
9) S. 509.
10) Son ihrem Grabe in ber St. Denati⸗ Krde gu Brügge f.
lis \introduction to Doomesdaybook T. IL. p. 136; und Message
seienoon et den arte de In Beigigue T. I. pı FB.
I
—— —— — — —
- .
— — —
— —— 75 *
— — — —
——— nn ©