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Full text of "Geschichte von England"

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Geſchicht e 


europaͤiſchen Staaten. 
Herausgegeben | 


A. H. L. Heeren nd F. A. ukert. | 


— — — — — — — 


Geſchichte von England, 


EM. Lappenberg 





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Erfter Band. HER ) 


Mit einer Karte. 


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Hamburg, 1834. 
Bei Friedrich Perthes. 











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Gefchichte 


nsland, 


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von 
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ZH MR, Lappenberg 
Erfter Band, 
Mit einer Karte. 


Hamburg, 1834. 
Bei Friedrich Perthes.. 


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Borwort, 


— — — 


VJeder Schhriftfteller, welcher auf das Wert mehrerer 
Sabre und mancher Mühen einen Theil feiner beſten 
Lebenökräfte übertrug und demfelben die reichen Genüffe, 
welche Natur, Wiſſenſchaft und Kunft den willig Auffaf- 
fenden jederzeit Darbieten, häufig aufopferte, möchte wohl 
faft immer ſich gedrungen fühlen denen, die feinem Buche 
ihre Aufmerkſamkeit widmen wollen, als Freund den 
FIreunden entgegenzufreten und ihnen feine Kunde über 
; bie Entflehung des Werkes ſowie feine Anfichten über 
| deſſen Richtung und Zwed an dad Herz zu legen. Doch 
hält den Einzelnen leicht der Gedanke zurück, daß aͤhn⸗ 
liche Wuͤnſche ſchon von vielen andern Schriftftellern vor 


ihm gehegt und nicht felten auögefprochen find, fo daB 


der wohlgefinnte Lefer, mit denfelben vertraut, unauf- 
- gefodert ihnen entgegenfommt und felbft, wenn er 


vi Borwort. 


aud) dem neuen Werke Eeine Belehrung zu verdanken 
glaubt, doch zur Begründung feines Eritifchen Urtheils 
die allgemeineren Geſichtspuncte zur Würdigung deſ—⸗ 
felben ſelbſt aufzufuhen und zu ordnen fich_veranlafft 
fühlt. Dürfen wir nun dem regen Eritifchen Sinne 
unferer Zeit vertrauen, daß ſolche Männer, denen zu 
gefallen, wenn nicht zu nüßen, als ber Anftrengung 
fhönfter Lohn anerkannt wird, den literarhiſtoriſchen 
Standpunct ded neuen Werkes bald felbft, und viel- 
Leicht richtiger, als der Verfafler es vermag, ermitteln 
werden: fo würde die Beſorgniß eines Misverſtehens 
noch ungegruͤndeter erſcheinen, wenn es ſich von einem 
Werke handelt, welchem durch ſeine Beſtimmung mit 
anderen Abtheilungen eines gemeinſchaftlichen Unterneh⸗ 
mens gewiſſe Begrenzungen und Rahmen. angewieſen 
ſind. Da nun auch der Verfaſſer ſeine Anſichten uͤber 
den gegenwaͤrtigen Standpunct der Geſchichtskunde in 
England in einem beſondern Abſchnitte dieſes Werkes 
dem Kundigen vermuthlich genuͤgend angedeutet hat: 
fo wird dieſer in den Urtheilen über die ‚neuen Ges 
ſchichtſchreiber auch hinlaͤnglich erkennen, was jener fuͤr 
Beduͤrfniß und erſtrebenswerth für feine eigene Aufgabe | 
erachten muſſte. 
Es bleiben mir daher nur einige Nachtichten fuͤr 





Borwort. IH 


die, welchen daran liegt, über die Veranlaſſung dies 
fee Arbeit, fowie einige dieſen erſten Theil derfelben 
beiteffende Bemerkungen, die an bie Äuſſerungen des 
Dankes, welchen für verſchiedene bei derfelben gewor⸗ 
dene Begünfkigungen auszufprechen eine: theure Pflicht 
nie auferlegt, ſich reihen mögen. 

Es dürfte wohl auffallen, daß die Gefchichte 
eines Staates, welcher ſtets von bebeutendem, oft von 
vorherrfchendem Intereſſe für die alte wie die neue 
Welt wor, von einem Manne übernommen worben ift, 
welcher nit etwa in Beruf und Stellung eines Leh⸗ 
xers bie Entſchuldigung fuͤr die Übernahme eines fchwer 
auszuführenden, aber doch wünfchenswerthen Unternebs | 
mens, ſowie die Mittel zu deffen befferer Ausführung 
gefunden haben möchte. Als unpaffend, felbft als ans 
maßend Fönnte man. zeihen, daß der fie übernahm, der 
in Ermanglung des gedachten. Berufs nicht unbefchränt: 
ter Muße für das große Thema ſich erfreut, fondern 2 


vielmehr feit einer Reihe von Jahren einem praktiſchen 


Berufe angehört, welcher allerdings die Fähigkeit für 
vereinzelte hiftorifche und flagtörechtliche Unterſuchungen 
zu fchärfen vermag und. zur Bearbeitung ber. vaterläns 
biihen Geſchichte dringend auffobert, aber der Ems 
pfaͤnglichkeit für allgemeinere Anfichten, der: Auffaflung 





vn Borwort. 


des vielbewegten Lebens, ber poetifchen wie ber mora- 
uſchen Elemente ber allgemeinen Geſchichte, entgegen: 
zutreten, auch den Verſuch lebendig Fräftiger Darftel- 
lung und ben Ausdrud eigenthümlicher Empfindung, 
als fremdartig und ſtoͤrend abzuweiſen pflegt. Fol⸗ 
gendes daher uͤber die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe des | 
Derfaffers zu feiner Aufgabe. 

Die Herausgeber der: europäifhen Staatenge— 
fhichte hatten viele Jahre nach einem Bearbeiter der 
Gefchichte Großbritanniens gefucht und häufig erfahren, 
daß deren Studium durch eigenthümliche, Auffere nicht 
minder ald innere Schwierigkeiten beutfche Gelehrte 
von fid) entfernt. hält. Der erſte Gefchichtforfcher un- 
ferer Zeit, feit feinen. Zugend- und Lehr- Sahren mit 
England vertraut, der zu früh Hingefchiedene, fol 
früher. die Hoffnung. genährt haben, daß er felbft 
einem ſolchen Werke ſich unterziehen koͤnnte; der geift- 
| veichfte der neuern Geſchichtſchreiber hatte es ſpaͤter 
übernommen, ald eine andere Richtung feiner Forſchun⸗ 
gen ihn von der Betrachtung jened Landes entfernte. 
Möchten Beider Namen unerrathen bleiben, um nicht 
unguͤnſtige Vergleichungen und vergebliche Sehnſucht 
nach dem uns Verſagten zu wecken! Der Anfrage 
um Rath wuſſte ich damals nur durch Hindeutung auf 





Borwort. IX 


Deutſche zu erwiedern, deren Muße und uͤbrige Ver⸗ 
haͤltniſſe ihrem desfallſigen Berufe nicht entfprachen, 
oder auf Englaͤnder, welche nur der Bearbeitung der 
neuern Jahrhunderte gern ſich hingegeben haͤtten. 
Unter dieſen Umſtaͤnden und da ein Beſchluß gefaſſt 
werden muſſte, — es waren bereits einige Baͤnde der 
europaͤiſchen Staatengeſchichte erſchienen, — gab ich der 
ehrenvollen Auffoberung nach, die Geſchichte eines mir 
durch fruͤheren mehrjaͤhrigen Aufenthalt ſehr werthen 
Landes ſelbſt zu uͤbernehmen. Durch die ſoeben voll: 
endete "Anordnung des hiefigen. Archives im Beſitze 
größerer Muße , hatte ich mancherlei hiſtoriſche und 
rechtshiſtoriſche Arbeiten begonnen, von denen einige 
jest ganz ober doch theilweiſe in den Haͤnden deut⸗ 
fcher Geſchichtsfreunde ſind. Der große Aufwand von 
Zeit, welchen beſonders die Bearbeitung von Urkunden 
und andern Quellen der deutſchen Geſchichte fodert, 
ward nicht gehoͤrig in Anſchlag gebracht, und dabei der 
ernſten Willenskraft und einer nicht ganz jugendfriſchen 
Geſundheit zu viel vertraut. Das klare Bewuſſtſein 
deſſen, was mir England und manche. feiner wuͤrdigſten 
Männer geworben find, und der ‚Zauber unerlofchener 
fhöner Erinnerungen hatten mir ‚Gefinnungen eigen und 
eigenſt gemacht, welche bem ziemen, der zu dem theue⸗ 


x Borwort. 


ven Vaterlande von Worzuͤgen und Mängeln uud fo 
manchen und fremdarfigen Erſcheinungen bes. politifchen _ 
Dafeins jenes Volkes berichten: fol. Der Aufenthalt 
des Verfaſſers in feiner Vaterſtadt, deren Bibliotheken 
in Beziehung auf ben. nahgelegenen Inſelſtaat reicher 
find als die meiften Deutſchlands, das ſchaͤtzbare dor⸗ 
tige Gemeingut an Kenntniſſen uͤber den Handel, die 
Induſtrie und andere Verhaͤltniſſe des heutigen Eng⸗ 
lands, die einer literariſchen Verbindung ſowie etwa⸗ 
niger eigener Anſchauung günftige Nähe jenes Landes, 
die Erläuterungen angelſaͤchſiſcher Sprache und Sitten, 
welche ſich dem Niederfachfen noch heute im Leben dar⸗ 
bieten: ſolche waren die Gruͤnde, wodurch ben Zwei⸗ 
feln des Verfaſſers, ob er zu dieſem Unternehmen ſich 
eigene, begegnet wurde. Mannichfache Beſchaͤftigungen 
mit der Handelsgeſchichte des Mittelalters, der Beſitz 
| ſchaͤtzbarer Actenſtuͤcke, deren einige zu Hamburg, wel⸗ 
ches vor dein großen Aufſchwunge Englands in ben 
ſpaͤtern Jahren der | Königin - Clifabeth: Häufig in vers 
trauten Verhältniffen zum englifhen Hofe ſtand und 
- flets der ehrenvollſten Verbindung mit demſelben fich 
erfreut hat, aufbewahrt find, durften bie Hoffnung 
naͤhren, durch einige neue Aufſchlane au dem Senne 
zu nuͤtzen. 


Borwort. xı 


Als indefien endlich die erwuͤnſchen Jage der 
Muße für: die Entwerfung der neuer Arbeit Samen, 
geigten fich größere Schwierigkeiten, :ald vorhergefehn 

‘ waren, vorzüglic bei ber ‚älteren Wefchichte Englands. 
Die Mangelhaftigkeit. der. früheren Vear beitungen Datz 
felben war in. England nicht verfannt, und das Be 
duͤrfniß grünblicher "Behandlung ſchon durch Gibken, 
der in feinem großen Werke demfelben ſelbſt nur gel 
gentlich abhelfen konnte, angeregt; bei meiſten nenern 
fleiſſigen Arbeitern geht Kritik und allgeneine Geſchichts 
kunde ab. Dem Deutſchen muſſte es unſchwer fallen, 
auf den Bahnen, welche verehrte ndsmaͤnnet und 
Lehrer eroͤffnet hatten, nehe Blicke fie die Geſchichte 
Altenglands zu gewinnen, bei dener der Geſchichts 
freund fich nur. zu ‚gern zu begnuͤgen ınb reich zu duͤn⸗ 
ten pflegt. Zur Begründung. folcher: Anfichten, auch 
wo fie ſich ganz richtig erwiefen, fehlte es aber. an 
allen Grunblagen und Vorarbeiten. Sogar die Zierbehi 
Ihaffung der wichtigſten Quellenſchriftſteller nahm viele 
Beit und Geduld in Anſpruch, welche lieber der Arbeit 
felöft hätten nägen ſollen. Eine erfreuliche Erfcheinung 
und fördernde Anregung wurden ‚mit während: ben 
Ausarbeitung des gegenwärtigen .erften Bandes bie 
Werke des Sir Francis Palgrave, welche durch neue 


xii u Borwort. 


Anfihten, Belfeitigkeit und großen: Reichthum des be= 
nutzten Materids bald “belehrten, bald zur Prüfung 
und befjeren Beyuͤndung der eigenen Anſichten auffo- 
berten. Nicht. mnder foͤrderlich wurde meiner Arbeit 
eine während bderfelben zufällig entftandene Correfpön- 
denz :mit dem Schriftführer der Parlamentscommiffion 
für bie Erhalting und Herausgabe der Gefchichts- und 
Rechts = Denkniler Großbritanniens, - Heren Charles 
Purton Cooper ,;.welche mich theils. mit einigen neuen | 
Quellen bekannt machte, theils mir Gelegenheit darbot 
viele literaͤriſche und hiſtoriſche Notizen , welche ſonſt 
als gelehrter Sllaſt in meinem Werke einen Platz 
hätten ‚finden miſſen, gwedmößiger den: Arbeiten; jener 
| Some zuzupenden.' J au 
Wenn nun;aher mein Schifflein dernoch ih, ri 
ki gefegelt ift, As der urfprüngliche Plan diefer. Samm⸗ 
lung es zu verangen fcheint, und ich für ‚bie angel⸗ 
ſaͤchfiſchen Zeiten einen ſo ſehr bedeutenden Raum in 
Anſpruch genommen haͤbe: ſo beruͤckſichtige man ſowohl 
die, Nothwendigkeit neuer Begründung. und. Surücfüh: 
rung: der Nachrichten auf: die bisher fo häufig verfann: 
ten legten Quellen, melche in: folgenden Jahrhunderten 
bei den vorhandenen beffetn Vorarbeiten feltener erfo- 
derlich fein werden, als auch dad ‚befondere, biöher 


m 


Bormwort. - xmu 


noch nie verfolgte Intereffe, welches bie Geſchichte bes 
unvermifchten deutfchen . Stammes ‚in. Britannien vor 
feinee Romanifirung dur) die Nomannen bei ben 
Deutfchen in Anfprudh nehmen darf... In Allem was 
zur Grundlegung einer Geſchichte der Angelfachfen dienen 
konnte und ſich hiſtoriſch erweifen ließ, glaubte ich das 
her nicht geigen zu dürfen; manches Andere über angel: 
fächfifche Mythen, die Altbriten und daı noͤrdliche Eng: 
fand betreffende Geſchichtsſagen wird: velleicht bald: an 
andern paflenden Orten mitgetheilt‘ wirden. ‚Die ‘von 
wir mit Nachweiſungen audgearbeitetn genealogifchen 
Tabellen der angelfähfifhen Rönigähtufer find: diefem 
Bande beigefügt. Mit wenigen: Ausnahmen, in welchen 
ih eine Hypotheſe ald foldhe zu: fernerer Unterſuchung 
glaubte aufſtellen zu duͤrfen, wird man das Beſtrehen 
erkennen, auf den feſteſten Grund zu bauen; moͤchten 
mit der Ausfuͤhrung Andere zufriedener ſein, als Der 
Verfaſſer felbft es fein darf.  . 9 

Das Beſtreben die letzten Quellen der oktengfidhen 
Geſchichte, fo weit fie für uns vorhanden find, zu er- 
fennen und anzubeuten, hätte jedoch hoͤchſt mangelhaft 
bleiben müfjen, wenn nicht die zuvorkommende Güte der 
gelehrten Vorfteher ber Bücherfammlungen zu Göttin- 
gen, Hannover, Kiel und Wolfenbüttel, dem Berfaf- 


xır Vorwort. 


ſer die zu dergleichen Unterſuchungen erfoderliche laͤn⸗ 
gere und ungiſtoͤrte Benutzung vieler ſeltener Werke 
und Handſchriften geſtattet hätte. Indem ich dieſen 
wuͤrdigen Maͤnnem fuͤr das mir erwieſene Vertrauen 
und Wohlwollen meine aufrichtigſte Dankbarkeit hier 
zu bezeugen mich verpflichtet fühle, muß ich zu dem— 
felben Zwecke wieberum meines geehrten Freundes Coo⸗ 
per gebenken, deſſen einflußreicher Verwendung ich ‚nicht 
allein viele wertlvolle, für die normanniſche und fpätere 
Perioden der Gſſchichte Englands wichtige Werke ver- 
danke, ſondern auch). die vor Abſchluß dieſes erſten 
Bandes zeitig erfolgte Mitthellung mehrerer für die 
angelſaͤchſiſche Gefchichte bedeutender, von. der Recorb⸗ 
commiſfion "verasftalteter Quellenfammlungen, welche er 
dem yerjönlic ‚unbekannten Ausländer vor deren bis 
jetzt noch nicht erfolgter oͤffentlichen Bekanntmachung zu 
eigenem Gebrauche geſtattete. Moͤchte das was hier 
gegeben werden kann, ſo ſeltenen und ehrenvollen Zu⸗ 
trauens nicht ganz unwerth erſcheinen! 
Hamburg, den 16. September 1833. 


. 8J | n | h al . t. . 
Literarifhe Einleitung. 


Seite 
. XXXI 


Veranlaſſiung.. anne. 


Sammlungen der englifgen Ehronifien. 


Parker. Savile 2.0. en. .. xxxiii 
W. Camden..— EEE — 
Twysden. Fell. Sal ee XXxxvV 
Sparte. Wharton. Th. Heaameı - 2 2 220 e. xxxv 
Engliſche Recortcommiflton. - -» o - = - ee. ne 0 RERWE 


Waliſiſche Gefchichtöquellen. 
Dichter. Reiben : - 2 2 0 xXxXxXxvII 
Gildas Cormat - 22 ee. 22% RKXVIN 
Remis ee KXXIK. 
Jeffrey von Monmouth, ER XL 
Tyſſiliiiii... —— 
Ponticus Virunnius - 2 00 nen xvur 
Robert Vace. Eayamın . le en 
Caradoc von Hancarvan 2 > 20 . 
Sohannes von Brechvann rn ‚LXIIL 
Lappenberg’s Sefichte Englande J b 


m Inhalt. 
Seite 
Chronicon Walliae. Chronicon Cambriaee . . . ... XLIIL 
Brut y Tywysogin . » >» 2 0 0 0er ne. — 
Angelſaͤchſiſche Geſchichtſchreiber. 
Beda.... ee er ee. XL 
Ültere angelſachfiſche Quellen ee. XLv 
Aller. . . ee ee ee XL 
Die angelſaͤchſiſche Chronik ee. XLIX 
Quellen berfilben - > 2 2 0 0 0 nn rn en LI 
Bon den Verfaſſen. . LOL 
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Slorenz von Worceſter ern. LVII . 
Marianus ECcotus > 00 en —_ _ 
Simeon von Durham « . » . ....2.0.. "LIX 
Chronicon Mailros, Heinrich don —*8 — LX 
Roger von Hoveden ... LxI 
Alvred von Beverly - 2 0 0 Lxii 
Ferse EEE — 


Ailred von Rivau 0 2 00er LXIV 

Wilhelm von Malmesbuy - = o 2 2 00 rn 

“ Matthäus von Weſtminſter ee 1 1 3 2 08 2 8.2 2: —. LXV 

Johan 8 Wallingford - 0. 000 n Lxvi 
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” 5 Normannifche Schriftftelee. | 

Dudo von St. Quentin ne _ 


Wilhelm von Jumieges ... — 
Robert Wacee— re. LXYIL 
Benoit de St. Maur. . . rennen — 
Geffrey Gaimar a — 


 Engiihe Reimchroniten. . J 


‚Robert von —— .. 1XvnIii 
Peter Langtoft . a ... — 
Robert de Zlunne J . . « I o . . ..0 ® « D — 


Inhalt. xvri 


Spaͤtere Chroniſten. 
“ "Seomton oe . ee een eo. 0. ee... *  LXIx 
Dogs von Blaftonbun u R 2. eo. — 


Urkunden. Geſetze. Muͤmzen. 


Nreuere Geſchichtſchreiber. 


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Milton... ö ... — 
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Spelman . . “ . . . \ o . . 0. e « o e . e 
Rapin de Khoyra8 . .» 2. 2 0. . nen F 
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Erſte Abtheilung. 


Britannien vor und unter ben Römern. 





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tannien . 0 [ Le 2 1 8 LE LT LT 8 RT Tr 8 8. — Bu wer) 
—— und Grade be Betten. een. 


Baptiinze und Kürten a , 
Gehlige Zuftände und Eittn - -» oe 0 ce 


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138 
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xviii Inhalt. 


Seite 
Geſetze des Dyonwall Moelmud.... :. . eo... 3 
Bolleftämme - . - 222.2.) 16 
Kriegszüge des Julius Säfar nadı Britannien 1. 
Landung unter Galigula  ..... ... —2902 
Eroberung unter den folgenden Kailſern ... | ...97 
Eintheilung und Verwaltung der britannifchen Provinzen ... 29 
Erhaltung altbritiſcher Sprache und Sitten.383883 
Politiſche Geſchichte unter der Romerherrſcheſt— ...... 88 
Angriffe ſaͤchſiſcher Seeraͤuber . - re Wo 


Erſte Spuren bes Chriftenthbums - - - 22 2 02 e. 45 
Einfluß und Denkmäler romiſcher Pitung - re. Wi 
Pin - . . ........... 58 
Scoten ... NDR 
Empdrungen rdmiſcher deerfahrer nn. 55 
Roͤmiſch⸗britiſche Kolonie in der Bretagne . Wenn. 56 
Zuruͤckziehung roͤmiſcher Truppen - - » - > un nn. 58 
Schiclau des Chriſtenthums .. .. . een. bl 


Zweite Abtheilung. - 


-Bon- der Ankunft der Angeln und- Sadıfen - bis 
zur feftern Vereinigung der von benſelben 
geſtifteten Staaten. 
Die Sage von ben Äfcingen.. . . ...68 


Zeitrechnung dee Angelfachfen. Siunen . . 1.. . .. 69 
Aſtammung der Angelſachſen > 


Atfahfen .: - - Da 84 
Stammfage ber Sad ... 686 
- Angeln. ... » ....88 
Juͤten.. een. 88 


Frieſen und andere flammrerwandte Einwanderer ee 2.2.2.9 
Widerfland ber Loegrier. Arthur. ee een... 108 
Kula von Suſſex .... lee . .. . .. 107 
Cerdic und ſein Stamm in Weller. een. 110 
ee een. 114 


Inhalt. 


Reide der Angeln . . . 0. 
Staaten nördlich des Sumber . 

Briten in Wales, Cumberland, Oiatjlup 
Gefammtzuftand Britanniens . 
Die Würde des Bretwalde . - . 


Kämpfe zwifchen den germanifihen Fürften . 


Britiſche Kiche - - - - .. 
St. Patricius. - Rynias. et. Eelumba 
Gildas Cormac 


RKoͤmiſch⸗ Eatpolifche Kirche der der Angelfachfen 


Yapfl Gregor, der Große “0:0... 
St. Auguftin in Kent . . 
Ütgelbert, König von Rent. 


Forts und Rüd: Schritte der Betgrung | in Sa, ae und 


DOftanglien . . - oo. 
Athelfrid von Rortfumbrien ee 
Cadwin, feine Belehrung und Badfige 
&t. Paulinus. . . 
Chriſtenthum in Oftanglien 0.0. 


Chriftenthfum in Weflr - - - - . . 


Zeudbric von Gwent . 

Bretwalda Oſwalde. . 
Bretwalda Oſwiu von Bernicha . 

Sieg Über Penda von Mercien . . 
Kämpfe mit Cenwealh von -Weffer -- - - 


Bereinigung der britifchen und römifchen Rice. . 


Theodor, Erzbifhof von Canterbury . 
Erlebniſſe Wilfride, Biſchofs von York . 
Ecgfrid und AÄlfwin von Rorthumbrien 
Bulfhere von Mercien . 


Einwirkungen ber ergehen un und der ſcotiſchen Geifttichen auf 


bas Seflland . : na 
Abfrid von Northumbrien ... 
Krchliche Einrichtungen -. - » 0... 
Bilhöfe- - > 2 > 2 Een. 


Köfter . Der Fer Be Er BE er 


Kirchliche Geographie a 
PHarrlirhden . : . 
Berhaͤltniſſe der Geifien zum Staate .. 
Kirchenzehnten . . 
Krchenrecht. Gomiſches Reit) . f 


x | Inhalt. 


1 


| Seite 
Die Mutterſprache in der Kirch . 198896 
Volksglaube. Pilgerſchaften. —⸗ 198 
Verehrung ber Reliquien und andere Übersefte be Helbentpums . 202 
Politiſcher Einfluß des Ehriftentbums - - oo 2 0 0.0.8208 ° 
Steigen der Macht von Welle - - - » . . - . . — 
Northumbrien. Aldfrid .. a . — 
Beda. nenne 204 
Ecgbert. Willibrord. Die Ewalde oo. ....  \ı ©) 
Rorthumbrifche Könige. Cabwulf, Oſred u. x. Pe — 
Gulf nenn 1 
Eidbert . ..» | Fa | / 
Anarchie in Rortfumbrien ne nr 200 
Alchred (Willehbad) - - - v2 0. een. 209 
Rormannen auf Lindisfarne a er ern. 212 
Eardbuf. . - » .. .34 .. 213 
Dbermacht der Mereler ee eek. 8216 
Äthelbert. und Oftbiye - - «+ - J .. .— 
Der Clito Äthelbald ... .. 219 
Otffa. Gagen., Offas Dyke. Karl ber —2 Eynethrythe .. 222 
Erzbisthum Lichfild - ne en 228 
Geonwuf . o. .» een. 232 
Beflegung Kent. Gadbert der Nrebiger 0 en 
Wiederaufhebung bes Grgpistgums Eifel ...... 2388 
Verfall Merciens . .. neun. 235 
Dftanglien . 0.0. .. . . 356 
Oſtſachſen.. . 237 
Kent.. . 238 
Sue - -.- . . .. 241 
Kleinere Staaten: Mittelfachfen, , Euthrige, Sins vu .. 3 
Wachfender Einfluß von Weller. . - + - .. 826 
Eynegils und Ewihelm - - - - een... . — 
Genweah . . . « nen . 246 
Gentwin . ee. . 2350 
Kämpfe mit: den Briten een. — 
Ceadwalla in Suſſer . 352 | 
Groberung von Wight . .. . .. 2% 
Ine. reroeſchichte- Pr 1:7; 
Geſetzgebung . - 0. , ....258 
Adhelm | . 259 
Winfd . .... nen KO 
Zneb Pilgerfahrt nach Rem. >. een. . 232 


yadaktı XxXi 


Suthreb. Kämpfe mit athebel von Rercien. 2 00. 268 
Seebriht - > .. en 264 
Gyammulf, Kämpfe mit Befen und Merciern "| 
Beorthric und. Eynethrothe ee... oe. 267 
Dritte Abtheilung. 


Bon ber Bereinigung der angelſaͤchſiſchen Staa- 
ten unter den Weſtſachſen bis zur Allein 
herrſchaft der Daͤnen. 


Ecgbert 800 — 836. . 
Kdnigreihh England. -. - - 2 2 2.0. rn 21 
Zinsbarkeit der Briten - - > 2 2 0 0 rn rn 278 
Unterwerfung ver Dflangeln- - - © > > 2 2 2 0... : 2% 
Siege Über Based und Wiglaf von Mercin - -. . - 2... 275 
Berhältuiffe umtergeorbneter Staaten - -. - - . . eo... 27 
Landung bänikger Seeraͤuber in Bir - - -» - > 2 2.0. 278 
Behegung von Rorbwales Fe — 
Bon ber Herkunft der Rordmannen, deren Ausiwanberunges, ſo 

wie Einwirkungen auf die Beſiegen... 

Frichere Züge der Serräuber gegen England. - - - » - - . 237 

Üthelwulf 836— 857 
Seien mit den Rermannen -. - - - . » en... 290 
Abus Eime - - - > 2 2 2 2 2 ee. ee. 29 
Bıhect Mom - - - 2 2.2 2 20.20. I 2.2.2.0. — 
Des jungen Xifrebs Krönung zu Biom en 24 
Shelmuffs ............— 295 
Bumählung mit Si - - - - - - 2 2... .. 0 

Üthelbaib 857 — 860 


xx Inhalt. 


Er 00-8. 


\ 


vandung Welands . te 
Regnar Lodbrog und fin eägne 
Inguar 


König AÄllas Grmorbung . .. 
Die Daͤnen in Mercien und Offanglien . 


König Eadmunds Märtyrerthum .. . - Er 


Dänifches Königreich in Oftanglien. Guten 
Angriffe der Dänen auf Weſſex 


Are 1-0 


Seine Jugendjahre. ... 
Friedensvertrag mit den Dänen. 2. 
Healfdens Vertrag mit Burheb von Wercien 
Coowulf. - . .. . 

Die Dänen in Rorthumbrien . u . 
Guthruns Krieg gegen Älfred 

Alfred zu Äthelings:Cy . . 

Sieg bei Äcglea 
Taufe bes Guthrun⸗ ätpeifan » von Dinge . 
Dafen - x... . F 
Streifzuͤge der Rormannen . 

Role . . .. 

Guthred von Northumorien 

Athelred, Ealdorman von Mercien 
Wiederherſtellung von Weffer . 

Innere Verwaltung . 

‚Berdienfte um Sprache und Wifenfäaft 

Die Gefandtfchaft nach Indien . . .. 
Berbindungen mit Rom. Saqſſenſchate 
Unterricht. Oxforde. 

Alfreds Zeiteintheiliung . 


Haeſtens und Bjoͤrns Eiſenribbe Küche ns Sogn " 


Schlacht bei Farnham . . 
Überfall der Oftangeln und Bortgumrie . 
Daeften in Effer . 
Zuftand von Wales . 
Älfrebs Zeflament . . 


“ 


‘ 


138 BIER. 


t 


Inhalt. | xxmu 


Geite 

Eadward der Altere 1924. 
Cuto thelwolb een. . 880 
Bündnis mit Guthrun II. . ee... 852 


Die Züten von Wight und Set. .............. 358 
2ämpfe mit Ithelwold und ben Dänen . .. . — 


Athelflede. on. nenn. 855 
Anlage von Burgen - » 2 2 2 2 ee rennen. 856 
Krieg gegen Walls . 0 2 87 
Aufftand ber. Dänen - - 2 2 2 2 nen nn nn. 858 
Angriff der Lidwicken.. nn nen 859 
ÜÄthelfleves Tod. . . .....4361 
Oberherrlichkeit Eadwards . el 
Die Grafen von Rorthumbrien - een nn. 36% 
Berwaltung bed Innern... 2.2 oe oe oe or nen nn 863 


Eadwards Kinder ©. 2.0 oe. ee ern 3686 
Athelſtan 924— 941. | 
Sagen über Ätpelftans Geburt und Sugend? . . .» - - . . 366 
Alfred, der hochverraͤtheriſche Mönh - -. > > 2 2 22020. 368 
Sithrik von Bernicia und feine Söhne - - © » > 2 2 2 ..869 
Englands Berhältniffe mit Noiwegen. 0... . 870 
Englands Berhältniffe mit t Branteei een. 873 
Dftanglien .. . . .. 20200. 375 
Beſiegung der Woaliſer .. 2 . . . nn. 376 
Exeter; Königebilder - © - - 2 0 2 em 
Kaiſer Otto ber Große und — nenne. 0. 87 
Eadithe und Abive. - - rn 
Berbindungen mit Klöftern af dem Seftlande . ne 378 
Edwin . . .. 379 
Siegeszug nach Schottland ... 880 
Alanus von Bretagne» > > nr rm 
Schlacht bei Brunanburgh nennen. 882 
Gefesgebung - - . nennen. 885 
Die Friedgilde zu London ...... 8386 


-. 


Eadmund 941 — 946. 


Kämpfe und Vertrag mit Analav ee. 883 


Rriege mit britifchen und ſchottiſchen —— ee nn. 889 
bkemunds Ermordung. . . . nenn BHO 





zım Inhalt. 
Be 
. Eadred 6956. 


Hiring von Rorthumberland ... | 
Hochgraf Oſulf. et ee BR 
Kanzler Turketu een: BO 


Eadwi 955 — 951. 


Streit der geiſtlichen und ber welulichen Maik re. — 
Verfall der Kirche in. England . .. ee. 396 
Dunftan der Benebictiner et en ne BES 
Eadwis Krönungsffl - © - 2 20 nenn nen. 39 
Berbannung Dunflnd - - -» = 2 2 2 2 2 2 20 r . 400 
Defien Ruͤckkehr . een W . 401 
Eadgar, König von Dercien em 
 Üthelgifes Leiden © - 0 000er. ... 402 


Eadgar 9599-975. 
Der Bögling der Älfmena - = 2 2 2 nennen. 20ß 
Gedeihen der Benebictinee - oo 2 nn 44040 
Biſchof Oswald. - 2 0 0 0 2 an 2 er — 
Eadgars Frauen und Kinder : = 2 2 2 2 2 40 
Unfälle bes Landes - © > 2 0 2 2 rn ne een. 406 
Kriegszug gegen bie Oflmannıen . » - > 2 0 en... 407 
Kriege gegen Wales und Weflmordland - - - > > 00... 408 
- Berhältniffe gegen Rordbritannin - - - - - ve — 
Ottos bed Großen FZreundſchaft. ... 2410 
Krönung zu Bath . ee em 
Perſoͤnlichkeit Eargars ....42411 
Rechtspflege und Einrichtungennnnn. 24182 


Eadward der Maͤrtyrer 975— 978. | 
Wahiftreitigleiten . . - nn. 414 


Die Ealvormanen Älfhere, Ajein, , Meinst. m 
Eoncilium zu Caue . . . . 0. en... 5 


Gabwarbs Ermordung - - -» 2 2:2 2 nenne pe. 


Inhalt. xxv 
Seite, 
Athelred U. der Unberathene 978 - 1016. 


Berheerungen ber Daͤnen.. 
Svend und Palnatole. . . . 
Üfperes Tod. Älfrie. . ... . 
Angriffe auf das fühlihe En land. FE 
Krieg Englands gegen bie N rmandie ee... 
Rormannen in Eſſex. Brithnoth. Danegeib nen 
AÄfrics Verrath -. - -» - -» .. 
Olav Trygveſons und Sende Sanbungen ... 
Berheerungen im füblichen England . 
Üthelrebs Zug gegen Gumberland . 
Galborman Leofy - - - » . . 
Athelreds Gemahlinnen und Kinder 
Emma von der Normandie . . 
Die St. Briccius Naht . - 
Alfrics neuer Verrath. 

ECabric Stren . . . 2. . 
König Svends Niederlage durch uiſkhtel Keen. 
Tthelreds Bünftlinge - > = 2 een 
Bulfnoths Aufftland -. » 2 2 0 ne een 
Entſtehung bes Schiffsgeldes ..... 
Thurkill hin Have und die Jomceitingen ee 


‚419 


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Alfeahs Märtyrertbum . . . .. 

Svends Doppelbart Landung und Sie. rn. . 
Kriegögräuel . oo. PR . 
Tthelreds Flucht nach Rouen ee ren. 
Evends Eod. . . nee 
Äufferer Friede und innese Berwüsfniffe . en 
Enuts Landung . es ir een 


ÜlbeltehB Ed nn 


Eadmund Eifenfeite 1016, 


Dänifhe Belagerung Londons - oe > > 2 20 nn nn. 44 
Schlacht bei Sceorftan . . rennen = 45 
Kämpfe bei Brentford und Ottford ...486 
Schlacht bei Affandun-. - > 2 20 2 ne rn 
Bergleih zu On - - 2 I een en nee 
Cadmunds Eh. © > 2 20 nr 
Eadrics Einflußß. 0 


— 





xxvi | | Anhalt 


Vierte Abtheilung. 
Die Zeiten der Mlleinherrfchaft der Dänen 
in England. 


Cnut 1016 106. 


Emwäehlange zum König von. England . .. 462 
Verbannung der Mitglieber des alten Königshaufes ..... — 


uUthrede von Northumbrien Ermordung . . - en —. 
Vertheilung des Landes in große gräfliche Provinzen. .. 468 
Fernere Maßregeln gegen Eadmunds Verwandte und Radtommen — 
Vermaͤhlung Cnuts mit Emma lfgifu .. - . . . 465 
Vertilgung angelſaͤchſiſcher Großen. — 
Cnuts Geſetzgebunnggg.. 466 
Witherlagsrecht. Husceorle. singt) wire een. 467 
Verhältniffe zur’ Geiſtlichkeit. .. nn. 468 
Streitigkeiten mit dem bamburgifchen Grybischume 0020. 470 
Der Jarle Thurchill und Erich Gatfernung ren nn. 472 
uf Sal... . ....... \ / 
Verhaͤltniſſe zum Kaifer Konrad IL. ... 47% 
Scandinavifhe Kriege - 0 — 
Enuts Reife nah Rom -- -- = = 2 2 476 
Krönung zu NRidaröß -. -- 00 een een en a. 478 
Verhältniffe zu der Normandie. - - en nn. 8479 
Unterwerfung Sqhottlande © und Eumberlande ....... 480 
Enuts Tod... nn nn. 4 


Beine Reötonmenfänft- tn nn 482 


Harold. der Hafenfüßige 1035 — 1039. 


unterdruͤckung der angeiräffgen Partei nn. 484 
Harthacnuts Freunde . -. -. Fe 
Die Ktpelinge zu Ruuen.. nn nn. 485 
Eadwards Landungg.486 
Kifreds Ermordung >22 oe en . . . 487 


Harolds Regierungggg. ... .. . MR» 


Imhalt. XXVII 
Cette 
“ Harthacnut 1099_ 1082: | 


Ermählung deſſelben .. ..... et nn .. 489 
Berfolgung wider .Darolds. Bene. .. ... — 
Reues Danengeld .....491 
Berufung des Atheuing Eadward .. ......... 4092 
Svends Eſtrithſen Reiſe nach England. N 
Zod varthacnuts ee 


— 


Fünfte Abtheilung. 
Rickehr und Untergang, der. angelfächfifchen | 
Dynaſtie. 


Eadward der Bekenner 1022 — 1066. 


Cabgythe . .. ee 2. dd 
Svends Eftrithfen Anſpruͤche ee ee... 
Krönung Eodbwarde . . . een. 
Demüthigung ber — Mutter - RE — 
Gunhildes Verbannung ' Were le. ih... 
Rorwegifche Scehten - . - ne 
Die verbannterf Angelfachfen in Flandern. een elere . 500 
Ermordung des Dänen Bin - - - > 20 501 
Die fränkifchen Geiftlichen in England . - - - 2 2.2.2. 508 


S 


Erbauung des Dontes zu Weftminfter . - ..:.. 504 
Die normannifchen Günftlinge am engeren HR. 0.505 
Euftaz, Graf von Boulogne -» -. - - .... 000.506 
Godwines Verbannung . - een 509 
Beſuch Wilhelms von. ber Normandie ...  ;) 3 | 
Der Bürgerkrieg . . ... . — 
Flucht der normannifchen Sing ernennen. 518 
Sodwines Tod . . ., een. 516 
Des Äthelings Eadwarb "Rückkehr . .. ... 517 
Krieg mit Schottland. Siward Earl von i Roepumbein 0. 518 
Ufgars Verbannung . . . . . 4 519 


Erg mit Wale . . . 51 ernennen. 520 





xxvnmnt Inhalt. 


Zu Seite 
Leofric von Coventry nn nn. 5 
Alfgars zweite Verbannung und zo. rennen. 52 
Harolds Siege über die Waliſe.... 0 nn. 528 
Deſſen Reife nad bee Normandie - - > 2 0 0 0 000. 5 
Aufftand in Rorthbumberland - - > 2: 2:2 0 0 200. 2228 
Eadwarbs Tod... 6880 


Harold II. 1066 Januar bis October. 


Krönung Harolds rn BR 
Toſtigs Intrigun - - » - - Pe 1.1. | 
Landung des Harold Hardrade von Norw een ...... .. 58 
Schlacht bei Stamforbbridgee - - = © 2 2... eo. 00.0. 536 
Der Stamm ber Guelfen.389 
Kriegsrüftungen in der Normandie. - - « - 0 20. . .„ 542 
Papſt Alerander I... - » 2 eo 222... nn. 5 
Landung ber Normannen in England - - - «2 2 0.2... 546 
Schlacht bei Senlac ober Hafling - - * - . ... . .. 549 


Darolds Ende .. ” . . . . 0 — 0 — . . ‘ 554 


Sechste Abtheilung. 
Innere Zuftände der Angelfachfen: 


Berfchiedenartige Elemente dee Gefittung . - en 0. . 558 
Bon der Sprache und ihren Dialekten. 0... 59 


Staatsrechtliche Verhaltuſẽ. 


Der König und bie Athelinge ..... .. 56 
Die Königin - 2 0 ent en. ee ne. 568 
Die bevorrechteten Freien ober ber Deafhe 00... 565 
Die Dofämtr -. . - 2 een ein een . — 
Der Ealdorma..... . 567 
Der Geſith und der Zoe .. en... . 569 


Die ſchlechthin Freien. Ceorle. Seburen und andere Pörlse . .. 573 
Die Unkden - 2 0 len. . 57 


Inhalt xxix 

Die Geiſtlichen. 677 
Das VWitena⸗Gemotte.. .— 
echte des Königs und des Volts am Banbegentsume. Beiden, | 
Bodand. Larnland  » 2 2 nn een eine j . 6% 
Sudbalitöt - - > 2: 0000. irren. 880 
Die Landesverwaltung. Shires ne. ren 581 
De Serefe. - » - . ren. . eo 00. . 582% 
Mägthe, Hundrede und andere Unteahtpelungen ee... 588 
Srimirte Diftricte. Soc. . » » een. 886 
Gegenfeitige Retsbürgfhaft - - - 00000... 
Die Zeotbung -. - » 2 er nn 38 
Briebglldoen . oo 0 2 0 er ern nn 589 


Sreoborh ST 


Privats uud Prafetihe Sapungn. 5 | 


Dex Vreie und das Wergelb . ... . . 891 
Das Munddd teren. 58 
Die he » . 2 2 0er nen .. . 594 
Bom Sohenccht » » 0 00 ren. . 

Bom Eibreht. 2 0 2a ren er 
Bon ben Foderungen. nen 
Bon den Berbrechen und deren Buße - - ». 2 0. .. — 


88 


Rechtspflege. 


Die urtheller.... er... 601 
Gerichtliches Verfahren. Eibeshelfer. een... 602 
Bom Geldwerthe der Eiddee... ee . 605 
Bon gerichtlichen Zweilämpfen und andern Gottesurtheilen . 
Bom Urfprunge des GefchwornengerihtE . . -» on. 
Der Einigliche Oberhof > > 2 m. 2 ee ne 


332 


Staͤdtiſche Verfaſſungen. 


milde Einrichtungen.. ne. 608 
Opfers und Teufels: Glden - - > 2 2 2 rm 
Etädtisches Gildewefn . . ER 609 

. Wycgerefen. Laghemannen een. 610 


xxx | Inhalt. 


Erundeigenthum ber Stadt. Som - 2 6111 
Dienſte und Abgaben, ber Bürger a 612 
Der Frohnbote A 6 x ° . — 4 | . . . . 613 . 


London .2 . . . .“ . . .. ..o — 
Bandelsrechtuche * Girängn nennen. 614 


" Banbebaultu. | 


Die Viehzuchtt6185 
Der Adarbau tieren nn... 617 
Londmanfe een. 618 
Gärten. Weindbu -. - ll SE LI IL I — 
Waldungen, Forſten und Sagsen ernennen. 69 
Der Siihfing - - . . .... . 68321 
Bergbau. Salzwerle - - - 2 0 2 er .. — 
Städtifche Gewerbe. 622 
Handelsverkerrrrrr8683 
Muͤnzweſen.. 86686 


Schtußbemerkungen een. . ...627 








Literariihe Einleitung. 


An Geſchichtskunde dAlterer Zeit beruht auf ber Kenntniß 
der Gefhichtöquellen. Ein Geſchichtswerk follte daher nur 
dann der genauen Nachweifung derfelben entbehren, wenn 
folhe als anderweit hinlaͤnglich bekannt vorausgefeßt werben 
darf. Der Mangel an dergleichen Auskunft für die Gefchichte - 
Englands in der Literatur diefes Landes felbft ") wird den Frem⸗ 
den, deren größte- Bibliotheken felten viele jener Quellen bes 
figen, um fo fühlbarer. Wenn aber der Zweck eines Gefchichtds 
werkes zulest die Förderung der Einfiht und bes Selbſtſtu⸗ 
biums der Gefchichte iſt, fo genügen bie literarifchen Notizen 
über jene noch wenig, fondern es muß ald Grundlage alles 
biftorifhen Studiums eine genaue Würdigung der einzelnen 
Geſchichtsquellen, ihrer Eigenthümlichfeit und ihrer Ableitung 
aus einander erkannt werben. Diefe fehlt vielleicht bei keinen 
Geſchichtsforſchern mehr ald bei den englifchen, einige wenige 
der neueften Zeit, Lingard und Palgrave vielleicht nur ausge⸗ 
nommen, welche jeboch felbft hierin mehr durch einen richtigen, 
aber nicht immer befolgten Zact, ald eine wifienfchaftlich bes 
geümdete Anficht geleitet fcheinen. Daher werben von ben engs 
liſchen Gefchichtfchreibern gewöhnlich Quellen angegeben, welche 
in dem nachflehenden Bande gar nicht, oder in dem feltenen 
Sale, wo ihre Quelle unbekannt ift, angeführt find: z. 8. 


1) W. Nicholson the english, scotch and irish historical. li- 
braries. 8. edit. London 1736, fol. genügt heutigen Anfprüchen keines⸗ 
wegs mehr. Über die Chroniken der Angelfachfen findet fi ein gedie⸗ 
Wurr Auffag von Dr. Reinhold Schmid im Hermes Bd. XXX., 


“uf welchen verwiefen zu haben im Obigen größere Kürze uns geflattet, . 


kappenberg's Geſchichte Englands I. c 


i 





xxx Literarifhe Einleitung: 


Matthäus von Weftminfter, Roger von Hoveben, Bromton, 
Knighton u, U. PVorzüglihe Ausgaben einzelner Gefchichtss 
quellen, welche ald Compaß zur Drientirung auf dem verbuns 


kelten Geſchichtsmeere dienen koͤnnten, befißt England: fehr 
wenige; die Analyfe ber Chroniken zur Ermittlung bed wörts - 


lich Entlehnten, des Neugeftalteten und ber eigenthümlichen 
Mittheilung, die Vergleihung und Beglaubigung ber letzteren 
mit gleichzeitigen Urkunden und anderen Quellen, die Erläutes 
rung des politifchen Standpuncted des Schriftſtellers, die Er⸗ 
oͤrterung ſeiner Sprache — alles dieſes gehoͤrt in England, 
wie gewoͤhnlich in andern Laͤndern, noch zu den ſelten erfuͤll⸗ 
ten Foderungen an die Geſchichtsforſchung, fo daß auch die 
Geſchichtſchreibung, gleich anderer Autagepraris, weit hinter der 
Theorie zurüdbleiben muß. 

Die folgenben Nachweifungen und kritiſchen Bemer⸗ 
kungen werden in der hier erfoderlichen Kuͤrze, und mit Aus⸗ 
ſchliefſung der dem Leſer hinlaͤnglich bekannten griechiſchen, roͤ⸗ 
miſchen, nordiſchen und deutſchen Quellen fuͤr die engliſche 
Geſchichte, ſowie auch der engliſchen Biographien, welche in 


den einzelnen betreffenden Geſchichtsperioden angeführt. find, - 


Pr 


biee nur auf die wichtigkten Quellen der angelfächfifchen Ges _ 


ſchichte ſich erſtrecken. Sie ſollen die Grundlage zu manchen 


einzelnen in dieſem Werke zerſtreuten Bemerkungen, und dieſe 


zum Theil die Belege mancher hier kurz aufgeſtellten Behaup⸗ 


tungen bilden. 


Das Studium der aͤlteren engliſchen Geſchichte wird un⸗ 


gemein erleichtert fein, ſobald England bie feit längerer Zeit 
von der für die Erhaltung britifcher Gefchichtös und Rechts⸗ 


Denkmäler niedergefegten Parlamenticommiffion unter ihren _ 


umfaffenden Arbeiten gleichfalls beabfichtigte Ausgabe der engs 
lifchen Gefchichtichreiber bi8 zu dem Jahre 1500 befitt. Es 
liegen nicht allein fehr viele beffere Handfchriften der bisher 
größtentheils fchlecht abgebrudten englifchen Ghroniften annoch 
unbenugt, fondern auch eine fehr bedeutende Anzahl wichtiger 
Geſchichtsquellen iſt nie an das Zageslicht gezogen‘). Es 

1) über den Plan biefer Sammlung und bie-Borarbeiten ber oben 


gedachten Commiſſion für biefelbe finden ſich Nachrichten in. dem Werke 
des Shhriftführers derfelben, C. P, Cooper aeceunt of the most impor- 


— — — 
— — — 


Literariſche Einleitung. | xxın 


laͤſt fich aber mit Zuverficht annehmen, baß unter der jetzigen 
thätigen, ſachkundigen und umfichtigen Leitung biefer Arbeiten 
und bei den Mitteln, mit welchen die Vaterlandsliche der Enge 
laͤnder dieſes Unternehmen unterflügt, England bald eine 
Sammlung feiner Geſchichts⸗ und Rechts⸗Quellen erhalten Tann, 
welche an Vollſtaͤndigkeit die anderer Länder fo weit Übertrefs 
fen wind, als es bisher hinter den hiſtoriſchen Sammlungen 
Italiens, Frankreichs, Dänemarks zuruͤckgeblieben ift. 

Die größeren Sammlungen welche und bis jegt vorla⸗ 
gen, gehören bem fiebenzehnten Jahrhunderte oder noch frühes 
er Zeit an. Die ältefte ift vom Erzbifhof von Canterbury, . 
Matthäus Parker, veranflaltet ") und enthält nur den Gottfried 
von Monmouth, deſſen Epitomator Ponticus Virunnius, Bes 
das Kirchengeſchichte, Gildas Schriften, Wilhelm von New⸗ 
bridge und einen lateiniſchen Auszug aus Froiſſard. Parker 
hatte jedoch 1574 ſchon den Walſingham und Aſſers Leben 
des Alfred zu London fol. mit altfächfifchen Typen abdrucken 
laſſen, ſowie bereits 1570 ben Matthaͤus von Weſtminſter und 
im naͤchſten Jahre den Matthaͤus von Paris. Hierauf folg⸗ 
ten die von Sir Henry Savile geſammelten: Rerum an- 


glicarum seriptores post Bedam praecipui?), naͤmlich die 


drei vorzüglichften Werke des Wilhelm von Malmesbury und 
die Chroniken des Heinrich von Huntingdon, bes Roger von 
Hoveden, des Üthelmeard und des Abtes Ingulph; ein fehr 
bedeutender Gewinn für die Gefchichte, doch fo fehr flüchtig 
bearbeitet, daß im Hoveden ein großer Theil des Heinrich von 
Huntingden woörtlic wieder abgedruckt if. Einzeln wurden im 
demfelben Jahre und an bemfelben Orte des Matthäus von 
Befiminfter und des Florenz Chroniken abgedruckt, woher denn 
das wichtige Werk des Letzten vielleicht zu wenig beachtet iſt. 
Wenige Jahre darauf ergaͤnzte der große engliſche Alterthums⸗ 
forſcher William Camden (+ 1623) die vorhergehenden Samm⸗ 


tant public Records of GreatBritain and the publications of the 
Record Commissioners T. II. p. 144 — 178 und p. 365 — 870. 
1) Rerum britannicarım scriptores vetustiores et praecipui. Lug- 
dan. 1587. fol. 
2) Londimi 1596. Francofurti 1601. fol. Typis Wechslianis 
sd, Claudium Marnium et heredes Johannis Aubrii. 
- c* 


xxxiv Literarifche Einleitung. 


lungen burch bie von ihm herauögegebenen Anglica, Nor- 
mannica, Hibernica, Cambrica a veteribus scripta '), 
welche einen neuen, boch tadelhaften Abdruck von Bifchof Aſ⸗ 
ferd Leben des Königs Alfred enthalten, ferner den Wilhelm von 
Sumieges?), Walſinghams Chronif, ber unnöthiger Weife ein 
Auszug dieſes Werkes, dad, Hypodigma Neustriae, beigefügt 
iftz auch des Gicaldus Cambrenfis Werke: Itinerarium, fowie 
descriptio Cambriae, Topographia Hiberniae und Hi- 
bernia expugnata find darin enthalten. Es bewährt dad ges 
ringe Sntereffe, welches das praßtifch ausgebildete und hiftoris 
ſchen Vorurtheilen bingegebene England an gründlicher Ges 
ſchichtskunde nahm, daß, während es nicht an Gegenfländen 
zu gefchichtlich = ſtaatsrechtlichen Zorfchungen fehlte, diefe Samms 
lungen nicht dort,. fondern nur in Deutichland wieder aufges 
legt werden Eonnten, gefchweige denn‘ daß zwedmäßigere 
Sammlungen veranftaltet wurden. Erſt funfzig Iahre fpäter 
erfolgte der Abdrud der nach Beda wichtigſten Quelle für 
die angelfächfifche Gefchichte, nämlich der angelfächfifchen Chros 
nit, welche das Original vieler der "vorher erſchienenen latei⸗ 
niſch abgefaſſten Geſchichtswerke iſt. Von geringem Werthe 
fuͤr die angelſaͤchſiſche Periode wären die historiae anglica- 

nae seriptores X, von Roger Twysden herausgegeben °), 
wenn Simeon bon Durham nicht oft, den Mangel ded Florenz 
erfegt hätte und einige eigenthümliche Nachrichten befäße, 
und jene Sammlung nicht auch den Abt von Rieveaux de 
genealogia regum Anglorum und deſſen Leben König 
Eduards des Bekenners enthielte. Intereffanter find uns bie - 
zu Orford veranflalteten Sammlungen, von denen bie bed 
dortigen Bifchofs, Iohn Zell, befonders den beffern Ab» 
druc des Ingulph und die Gefchichte des Peter von Blois 
fowie die melrofer Chronik enthält‘), die andre, yon Dr. Gale 


1) Francofurti 1608, fol. 

2) Deffen Ausgabe nach zwei de thouanifchen bandſchriſten in Du- 
chesne scır. rer. normannic, iſt beſſer. 

8) Londini 1652, fol. 


4) Rerum anglicarum scriptorum veterum T. I. Oxonias 1684. 
fol. Es iſt nicht mehr davon erſchienen. Da Fells Name nicht in dem 


[4 


| giterarifhe Einleitung. xxıv 


beforgt, den Gildas, Nennius, Eddius, 3. Wallingford, bie 
werthvolle Gefchichte der Klöfter Ramfey und Ely und andere 
für die normannifche Periode ber englifchen Gefchichte wichtige 
Schriftfieller ). Seit jener Zeit iſt keine ähnliche Sammlung 
erfchienen , welche bier zu erwähnen ift, ald etwa bie des Jo⸗ 
ſeph Sparke von Peterborough: historiae, anglicanae aeripto- 
res varii?), welche ſich größtentheild entweder auf die Ges 
ſchichte des Klofterd zu Peterborough oder die bed Erzbifchofs 
von Canterbury, Thomas von Bedet, beziehen. Wichtiger iſt 
uns, wenngleich ausſchlieſſlich der Kirchengefchichte beftimmt, 
die von Henry Wharton herausgegebene Anglia sacra ?), eine 

werthuolle Sammlung von Gefchichten mancher Bisthlimer 
und Klöfter fowie berühmter Geiftlichen. Sehr viele englifche 
Chroniften gab im Anfange dbed-vorigen Jahrhunderts. ber 
überaus fleiffige Thomas Hearne heraus, wenngleich mit ges - 
ringer Kritik und Umfiht. Da alle feine Ausgaben einzeln 
veranftaltet wurden *), fo find- fie jehr zerſtreut und fchwer zu 
vereinigen; für ben vorliegenden Zweck ift nur etwa bes Schot⸗ 
ten Fordun Chronik zu nennen ). 

Das Beduͤrfniß einer vollſtaͤndigen Sammlung der engli⸗ 
ſchen Hiſtoriographen des Mittelalters wurde nicht fruͤher ernſt⸗ 
haft angeregt als durch Gibbon 5), welcher nicht nur den Ge⸗ 
—* Hume, ſondern auch wohl alle ſeine Zeitgenoſſen 
an umfaſſender Kenntniß jener Periode uͤberragte. Es iſt jedoch, 


Beche erwaͤhnt iſt, ſo wird dieſe Sammlung ſehr haͤufig mit der apn- 
lich gedruckten des Dr. Gale verwechſelt. 

1) Historiae britannicae, saxonicae, anglo-danicae scriptöres XV, 
opera Thomae Gale, Th. Dr. Oxonige 1691. Diefer Band wel: 
Ger die ältern Schriftfteller umfafft, wird gewöhnlich ber erfte genannt, 
der zweite aber ift v. 3. 1687 datirt. 

2) Londini 1728. Zwei fehr Feine Folianten. 

$) Londini 2 Vol, fol. 1691. 

4) Die unter feinem Namen zuweilen angeführte collectio scripto- 
ram enthält von Chroniſten nur einen der unbebeutendften, Wilhelm. 
von Borcefter. 

5) Johannis de Fordun scotichronicon genuinum ed. Th. 
Hearne. 5 Vol. 8. Oxon. 1722. 

6) ©. Deſſen Miscellaneous Works. 


xxxvi Literarifhe Einleitung. 


daß fein Pan nicht zum Ausführung Tam, nur in ber Vot⸗ 
ausfegung zu bedauern, daß, falls derfelbe fich erweitert. hitte, 
auch noch andere Männer, als ber von ihm: bazu beflimmte 
Sohn Pinkerton, welcher das Zutrauen bee gelebrten Welt 
nicht unverdient verfcherzt hatte, zugezogen fein wuͤrden. 

Der erfte Band der von der Recordrommiffion herauszu⸗ 
gebenden Materialien ober Monumente der ätteren enzliſchen 
Sefchichte ') enthält, nad) Auszuͤgen aus den griechiſchen und 
roͤmiſchen Beographen und Hiftoritern, den Gildas, Rennius, 
Bedas Chronik und Kirchengefihichte des englifchen Volks, die 
angelfächfifche Chronik, Afferd Leben des Alfred, die Chroniken 
bes Athelweard, Florenz von Worcefter, Simeon von Dur⸗ 
ham, Heinrich von Huntingdon, ded Geoffrey Gaimar es- 
teire des Engles, annales Cambriae, dad dem Caradoc 
von Llancarvan zugefchriebene Wert Brut y Tywysogien, 
alle tiefe Chroniken jedoch nur bis zum Jahre 1066, ferner 
noch dad carmen de bello hastingensi. Vier Bände: find 
noch beftimmt um Alles zu umfaffen, was die Gefchichte Enge 
lands bis zur normannifchen Eroberung befchreibt oder ers 
laͤuter. | 

Die Hoffnung des Gefchichtöforfchers, aus walififchen Nach⸗ 
richten bedeutende Auffchlüffe über die aͤlteſte Geſchichte Bri⸗ 
tanniend zu erhalten, iſt nicht erfült worden. Allerdings iſt 
die Geſchichte der Reiche von Wales und Cornmwaled erläutert, 


1) As die Handſchrift biefes erften Bandes der großbritannifchen 
Geſchichte dem Drucke übergeben werben follte, hatte ber Verfaſſer noch 
die Freude, durch. die ausgezeichnete Güte feines geehrten Freundes, Hrn. 
©. 9. Cooper, ben erfien Band ber materials for the history of 
. Great Britain oder scriptores rerum anglicarum, welchen die Serrem 
Petrie und der kuͤrzlich verftorbene Price beforgt Habe, foweit dere 
felbe Band bis dahin abgebrudt war, geliehen zu erhalten. Die Aus- 
führung ſcheint uns den billigen Erwartungen an ein folches Werk zu 
genügen. Wenn wir nun freilich fehr zu bedauern haben, daß bie 
Einleitung, welche die Nachrichten und Bemerkungen über die abges 
drudten Werke, deren Verfaſſer und Handſchriften enthalten Toll, noch 
nicht gebrudt iſt: fo fegte uns doch das Mitgetheilte in den Stand, fos 
wohl unfern Anfichten über den Zufammenhang der bekannten englifchen 
Geſchichtsquellen fefter zu vertrauen, als auch einige der Geſchichtsfor⸗ 
fung bisher unbekannte neue Quellen zu benugen, 





Ziterariſche Einleitung. xxxvi 


und ſehr ſchaͤtzbar iſt es, das ſehr hohe, vielleicht zum Theil 
bis in das ſechſte Jahrhundert nach Chriſti Geburt hinaufrei⸗ 
chende Alter der Gedichte der Barden Aneurin, Talieſin, Liy⸗ 
warchhen und Merdhin erkannt zu haben’). Doch liefern 
biefe anziehenden poetiichen Gaben mehr den Gegenfland als 
eine Erläuterung ber Gefchichte ihrer Zeitz wohl aber finden 
wie in ihrer glühenben Baterlandöliebe, in bem verzehsenden 
Haffe gegen bie Angelſachſen, in dem lberfchwellen Eräftiger, 
dem Gegenftanbe ſich überhebender Begeiſterung, ber mit bem 
Berfalle der Größe von Ehemals ſtets prunkhafter ſich gebaͤh⸗ 
renden Ruhmredigkeit, die Keime jener Sagenwelt, welche die 
Waliſer der nachfolgenden Jahrhunderte anſtatt einer Geſchichte 
Britanniens eingeſchwaͤrzt haben. Wenn wir dieſe und aͤhn⸗ 
liche ſcandinaviſche Machwerke betrachten, ſo muß uns der 
volle Werth der Wahrheitsliebt unſerer chriſtlich beſcheidenen 
Moͤnchschroniſten ſich vergegenwaͤrtigen, im Gegenſatze zu ber 
Umsonbeheit des in der weltlichen Poeſie feiner Tage fortlebens 
den Heidenthums, ber in derſelben vorwaltenden Abenteuers 
lichkeit, Sinnenluſt und Schmeichelei. So knechtiſch jene 
Treue erſcheint, fo leicht der Ernſt und die Kraft des Glau⸗ 
bens verkannt werben, welche den redlichen Chronikenſchreibern 
vor allen Tugenden galten, fo lächerlich die Genauigkeit ift, 
mit welcher fie fich Fein Jota ihres Vorgängers erfparen, und 
wenngleich, wie aus ber Zugend, wenn geifleöbar, ein Lafter, 
fo aus ihrer geiftlofen Zreue, die abgefchmadktefle Pebanteri 
wand die geöbfle Unwahrheit entftchen konnte und oft. entflanz 
ben iſt; fo verdanken wir doch dieſer Schülertreue allein den 
Gronologifchen Ariadnefaden durch das Labyrinth bed Mittels 
olters, die Bruͤcke welche über den dahinraufchenden, ewig 
beweglichen, neuerglängenden Wellen bed Zeitenſtromes die alte 
mit der neuen Welt verbunden hält, und diefe auf ihre Keime 
md ihre früheren Metamorphofen, auf das was fie ihren Vor⸗ 
fahren und der Vorfehung verdankt, ſtets neu wieder hinweiſt. 


1) Diefe Schaͤte der altbritiſchen Literatur nebſt andern find ge: 
- fammelt in the Myvyrian Archaiology of Wales, a collection of histo- 
Kcal documents from ancient Mass. 8 Vol. 8. London 1801—7.. Bgl. 
Zurners Abhandlung Aber das Alter jener Gedichte in der history af 
ke Anglosaxons, 


Xxxviii kiterarifhe Einleitung. 


Die hiftorifchen Triaden ber Waliſer enthalten manche ge⸗ 
ſchichtliche Auskunft, doch beduͤrfen ſie zum Verſtaͤndniſſe noch | 
mancher fehlenden Erläuterung. Die Anhänglichfeit an. eine 
urfprünglich tiefgebachte Form konnte bei der ganz unpaſſen⸗ 
ben Anwendung nur dem Zwecke der in Abgefchmadtheit aus: 
artenden Zufammenftellung entgegenwirken '). 

Der ältefte und bekannte walififche Gefchichtfchreiber, wenn 
er anders durch fein liber querulus de excidio Britanniae, 
auch historia genannt, auf diefen Namen Anſpruch machen 
kann, ift Gildas Cormac?), der, im 3. 516 geboren, ein 
Schüler des H. Iltut und Mönd zu Bangor, nad theils 
auf Reifen oder Nilgerſchaften, theils in Einſamkeit verlebten 
| vierundfunfzig Jahren im Klofter zu Malmesbury ſtarb. Ihm 
wird noch eine Epiſtel zugeſchrieben, worin er ſich in Jere⸗ 
miaden über bie Verderbtheit feiner Zeit ergeht’). Die hi-: 
‚storia ift im 3. 560, die Epiſtel vor dem Jahre 547 abges 
fafft, in welchem der bafelbft erwähnte König Maglocun von. 
Gwynedh ſtarb. Beda, Alcuin, Lupus führen Gildas, ges 
nannt den Weifen, ſchon an . Galfrid von Monmouth bes 
ruft ſich auf ein größeres Geſchichtswerk des Gibdas, welches 


1) S. . auſſer ber Myvyrian Archaiology, Edw. Lhuyd archaeo- 
logia britannica.. Oxford 170”. Edw. Davis celtic researches. 
London 1804. 8. Edw. Williams Iyrical and pastoral pooms. Lon- 
don. 1794. 12. Vol. 2. 


2) ©. unten ©. 135. Er war fm Jahre der Schlacht bei Bath 
geboren , welches Beda aus einem Misverftändniffe der histor. Gildae 
c. 26. in das Jahr 493 fegte. 


3) Beide Werke ſ. bei Gale Th. I. , erfteres au in C. Ber-⸗ 
trami britannicarum gentium historiae antiquae scriptores tres, | 
Havniae 1758, 8. Gildas ift jeboch ſchon feit der erfien Ausgabe 
durch Yolydor Virgilius (London 1526. 8.) ſehr haͤufig gedruckt. 
&. Fabricii bibl. med. aevi. j 


4) &. au) Guil. Malmesb. de antig. glaston. apud Gale TI, 
300. Zwei alte Handfchriften, Caradoci Gildae sapientis vita und 
vita sanctissimi atque doctissimi viri Gildae, follen nächftens gedruckt 
werden. ©. Cooper a. a. O. I, 162. Gebrudt ift vita Gildae 


— a monacho ruyensi in ber bibliotheca floriacensis, Lugdun. 
165. 8 








Literarifhe Einleitung. xxix 


wir nicht mehr beſitzen, falls es nicht in der des Nennius 
Namen tragenden historia Britonum verborgen fein ſollte ). 

Diefes Werl, auch eulogium Britanniae betitelt, wird 
gewöhnlid dem Abte zu Bangor Nennius, einem Schüler des 
Erzbiſchofs von Gwynedh, Elbod, zugeſchrieben. Wenn daher 
deſſen Abfaſſung in das Jahr 688 geſetzt iſt, ſo kann dieſe 
Zeit nur auf die urſpruͤngliche Geſtaltung ſich beziehn, in wel⸗ 
cher wir jenes Werk nicht mehr beſitzen, das, mit mancherlei 
Einſchiebſeln und Zuſaͤtzen verſehn, auf unſere Tage gelangt 
iſt. Die Vorrede der gewoͤhnlichen Handſchriften ſetzt die Ab⸗ 
faſſung in das Jahr 858, eine Angabe welche mit dem To⸗ 
besjahre des Elbod, nämlich, 809, vereinbar iſt. Eine werths 
volle vaticanifche Handfchrift diefed Werkes, aus dem zehnten 
Sahrbunderte, welcher die meilten jener fremdartigen Zufäge 
fehlen, nennt Marcus den Anachoreten ald den Schriftfteller 
oder vielleicht nur Abfchreiber im 3. 945. Eine mit Ichrreis 
chen Anmerkungen verfehene Ausgabe dieſer Handfchrift haben 
wir durch W. Gunn erhalten ?); dem diteren Abdrucke des 
Nennius bei Gale, fowie bei Bertram, ift ein fchägbarer Ans 
bang angelfähfifcher Genealogien beigefügt, welche ein. fpäteree 
Abfchreiber in einer alten Handfchrift vollfländiger fand, jedoch 
auf den Rath feines Lehrers, des Prefbyter Samuel Beula⸗ 
us, (alfo nicht, wie angenommen worden ift, des Nennius 
Lehrer) abkürzte. Nennius nennt als. feine Quellen die an- 
nales Romanorum, chronica 8. patrum et scripta Scoto- 
ram Anglorumque et traditio veterum. Die welfchen 
Zriaden, werden zu lebterer gehören, denn fein Werk ift voll 
von Trilogien ). Es ift der für die Kritik wichtige Umftand 
überfehn worden, daß ein großer Theil dieſes Werkes von 


1) Diefes if Turnere Meinung. History of the Anglo-Saxons 
„Qt. | 


2) The historia Britonum etc, by Mark the Hermit. Lon- 
den 1819. 8, 


3) Cap. VII. Drei Söhne der in Irland landenden Spanier mit 
D Schiffen und 30 Frauen. Cap. XXV. 3208 römifche Kaifer- in 
Beitannien. Cap. XXVII. drei Rieberlagen der Römer ducch bie Briten. 
Cap. XXVII. drei Schiffe der Gachfen. Cap. XLVII. 800 Gadıfen 
md S00 Weiten u. a. m. Ä 


\ 


u Bitpearifche Einleltung. 


. Heinäch von Huntingdon und oft wörtlich in feine Gefchichte 
eingetragen ift, ohne jedoch weder ben Nenniud oder Marcus 
zu nennen, fondem nur quendam authorem S. 300 3. 56 


vgl. Nennius cap. 26. quidam ©: 310 3. 55 vgl. Nen- 


-'nius e. 44.; und fogar ©. 313-3. 5i: ‚Gildas historio- 
graphus '). Die Chronologie, welcher Nennius folgt, iſt Feine 
ambere als die des Eufebius, wenngleich bie Handſchriften, na⸗ 
mentlich die des Marcus, dieſelbe auch ſehr verſtuͤmmelt haben. 
Jeffrey (Galfridus) ap Arthur, zu Monmouth geboren, 1152 
Biſchof zu St. Afaph, iſt der englifche Milchbruder des dänifchen 
Sara Grammaticus. Im zierlichften Latein feiner Zeit gab er 
eine Geſchichte der Briten, welche, aus dichtem Sagenftoffe 
und einigen hiftorifchen Anklängen zufemmengemwebt, durch claſ⸗ 
fiſch gravitdtifchen Anftrich die englifche Gefchichtsforfchung mit 
ſchuͤchterner Befangenheit gelähmt hat. Im neueren Zeiten hat 
man fih zu ımbedingter Verwerfung bed ganzen Werkes ver- 
eint und dabei überfehn, daß viele feiner Angaben durch ans 
berweit erhaltene Nachrichten unterflügt find”), welche nicht 
nur bei Jeffrey, fondern auch bei manchen von einander ganz 
unabhängigen Schriftftellern fi finden. Er felbft behauptet 
- fein Werk nur aus einer in britifcher Sprache geflhriebenen 
Chronik überfebt zu Haben, welche der Archidiaconus. von Op: 
ford, Walter’), in der Bretagne gefunden und ihm mitgetheitt 
habe, genamt Brut-y-Brenhined, die Geſchichte ber Könige 


von Britaunien. Für das Original dieſes Werkes wird der 


dem Tyſſtlio zugefchriebene Brut gehalten, welcher in der 
Welsh Archaeology T. H, gedrudt und von P. Roberts 
überfegt ift, unter dem Zitel: a chronicle of british' kings. 
London 1810. 8. Doch bleibt noch immer einiger Zweifel, ob 


1) Die Stellen des Rennius, welche ſich bei Heinrich von 
Huntingbon wieder finden, find vorzüglich aus Cap. 2—4, 9, 10, 


‚16, 23, 28, 36, 38, 47—49, 51, 54, 61, 62. Einige Stellen des 


Heinrichs ſchlieſſen ſich näher an bie vatlcanifche Handſchrift, z B. 
©. 313. Arthurus belliger. 


2) Bgl. unten &. 42 Rote 2. 


3) Nie der jüngere Walter Mapes, wie gewoͤhnlich gefagt 
wird ſondern ein älterer Walter Calenius. ©. Douce zu Warton 
hist, of english Peeizy T.L e- 19. 


- or Pe 11} 


Biterärifäe Einleitung. xLı 


dieſes Werk nicht ein ſpaͤterer Auszug des Galfrid iſt ). Die 
lateiniſche Nachbildung des britiſchen Driginals ſcheint ums J. 
4123 vollendet zu ſein. Daß nicht Alles Überfegung iſt, hätte 


man aud den, vielen Gapiteln des Werks woͤrtlich eingefchaltes 


ten, Stellen des vorkanbenen Werkes des Gas”) erkennen 
Inwen, von welchen er (IV, 20. VI, 13. XH, 6.) auch ein 
anderes, jest unbekanntes, de wictoria Ambrosii, anführt. 
Aus Beda, den er ewwähnt (XH, 14), hat Jeffrey wicht 
wörtlich geſchoͤpft, wohl aber. füheint er den Nennius oder deſ⸗ 


fen Original an manden Stellen vor ſich gehabt zu haben 9, 





in denen die libereinfiimmung des Gedankens, der Wendung 
wurd mancher lateiniſcher Ausdruͤcke nicht zufällig fein kann. 

Zu den Schuftftelern welche ihn audfchrieben, Darf man 
Bilkam von Malmesbary und Henry von Huntingden nicht 
rechnen, da er der Werte beider Gefhichtichreiber am Schlufle 
bes jeinigen gedenkt. Zuerſt hat fein Werk vielleicht Alfred 
von Beverly ercerpirt, welcher es nur histeria Britonum, 
ohne Angabe des Verfaſſers, nennt und Zweifel über die hiſto⸗ 
rifche Treue defjelben nicht verhehlt. Die historia Britenum 


weciche in ber Chronik des Albericus citirt wird *), koͤnnte Gal⸗ 
. fribs Bear fen. Ponticus Birunnius von Treviſo verfertigte 


einen Audzug dieſes Werkes in fechs Biken‘), und Gerva⸗ 
fu: von Tilbury foll bereits vier Buͤcher Erläuterungen zu 
vemfelben gefchrieben haben. - 


Schon mehrere Zeitgenoffen des Jefftey eiferten ſehr ge⸗ 


| gar die von ihm ausgegangene Verbreitung der Sagen von 


Km unter dem Gewande authentiicher Geſchichte; Wilhelm 
von Newbridge und Girald der Cambrier find die berühmteren 
 derfelben. Schon fräher erklärte Wilhelm von Malmesbury 


1) Turner Anglo-Baxon history I, 159. J 
D) Jeder Zweifel wird fchwinden, wenn Galfrid VI, 3. mit Gil⸗ 
bad Gap. 14 —16. verglichen wird. Vgl. auch Galfrid V, 5. mit 


| Gildas Gap. 8. Galfr. V, 3 u. 14. mit Bildas Gap. 10. 


8) Bl. befonders Galfr. 1 VI. c. 12-15, 17, 40 — 48%. mit , 
Nenaius c. 36, 45, 47, | —52. 

4) S.dafılöft &.5 und 6.3. 484, 442 u. ſ. w. Auch von Die 
Ins Vahrſagungen daſelbſt b. J. 717, 1186, 1180. 

5) In Parkers soript. rer. britan. abgedruckt. 


XL Literariſche Einleitung. | 


fich wider die britifchen Sagen von Arthur). Dagegen wurde 
die willkommene Aufnahme, welche. diefe Einkleivung und Aus- 
fhmüdung der alten beliebten Sagen erhielt, durch die po= 
Litifche Anſicht König Heinrich& I. ſehr gefördert; vielleicht war 
felbft die Abfaffung des Werkes: durch Hieſe veranlaſſt?). Wir 
wollen die Hoffnung nicht aufgeben, durch einzelne Aufklaͤrun⸗ 
gen Gefchichte und Dichtungen Jeffreys noch gehörig gefchies 
ben, und letztere dann auch ohne Groll als anziehende Über⸗ 


reſte der Vorwelt geehrt, und die Entflehungsgeichichte der 


Sage zu einem brauchbaren Stoffe der Nationalgeſchichte er⸗ 


hoben zu ſehn. 
Eine franzoͤſiſche Nachbildung des Galfrid ſcheint der 


roman de Brut des Robert Wace zu fein’), von welchem 
eine im dreizehnten Jahrhunderte durch Layamon, einen an 
dem Ufer. ded Severn lebenden Priefter‘), verfertigte altenglis 
ſche Übertragung das Wohlgefallen bed Volkes an jener Gage 
beweift. Layamon erflärt in der Einleitung, daß er mehrere 


Geſchichtswerke benutzt und alſo den Wace nicht lediglich 


uͤberſetzt habe. | 
Für zu wichtig in Beziehung auf die Gefchichte Englands 
wird Die Gefchichte des Caradoc, eines Moͤnches zu Llancars 


van, angefehn, welche bis zum Sahre 1156 fortgeführt und 


von H. Llwyd und Dr. Powell (1584) und fpäter von W. 
Wynne (1697) überfegt und herausgegeben iſt. Ihre Haupt: 
grundlage ift die angelfächfifche, nebft einer walififchen Chro- 
nit, in welche der Verfaſſer manche walifiihe Sagen, oft fehr 


unchronologiſch und unkritifch, vermebt hat. Man glaubt, daß 


1) Eine verftänbige, doch etwas breite und beſchraͤnkte Vertheidi⸗ 


gung des Galfrid findet ſich vor Wynnes Caradoc. 


2) Dieſer Gedanke iſt von Turner (history of England in the 


- middle ages T. IV. p. 339—355) ſehr wahrſcheinlich gemacht. 


8) gl. Warton 1. 1. I, 67. ©. die Auffäge bes Abbe la 


Rue in ber englifchen Archaeologia T. 12— 14. 


4) Bon biefer für bie Kenntniß ber altenglifchen Sprache wichtigen 
Überfegung wie von dem altfranzöfffchen Originale laͤſſt die Geſellſchaft 
ber Alterthumsforfcher zu London durch Hrn. Frederick Mabben 
einen Abdruck nebft englifcher Überfegung und Geläuterungen in 2 Baͤn⸗ 
den 8. herausgeben. 


| 


—— 


Literariſche Einleitung. Lin 


fie im Kloſter Strata Florida entſtanden. ſei, und kennt Hand⸗ 
ſchriften, welche bis zum Jahre 1410 binaufreihen). Ein 
aͤhnliches Werk des Johannes von Brechvan iſt gleichfalls wie⸗ 
derholt von walifiſchen Forſchern benutzt, deſſen Abdruck, wie 
einiger anderer wenig oder garnicht bekannter walifiſchen Denk⸗ 
mäler, nächftend viel neues Licht auf die in merkwuͤrdiger Zaͤh⸗ 
heit zwei Sahrtaufende hindurch erhaltenen Überbleibfel eines 
großen Volksſtammes werfen dürfte. | 

Sene von Caradoc benutzte walififche Chronik iſt vermuth⸗ 
ih dad ehronicon Wallige ab a. 444 usque ad a. 954, 
fowie der Anfang der Bortfegungen beffelben das chronicon 
Cambriae ad a. 1286, deren Abdrud in der neuen Sammlung | 
der englifchen Gefchichtfchreiber bis zum Jahre 1066, "unter 
dem Titel annales Cambriae, foeben gefchehn if. Diefe 
Jahrbuͤcher find in der Zeitrechnung nicht nad) den Jahren 
der Geburt Chriſti abgefafit, fondern beginnen mit einem 
Sabre, welches vermuthlich als das der Ankunft der Sachſen 
anzufehn ift, was denn, wenn wir gleich bei den Walifern 
eher eine Zortfegung vömifcher Annalen fuchen möchten, doch 
in diefem Zalle auf eine Anfchlieffung an angelfächfifche Chros 
nifen deutet. Die Ungenauigkeit welche in ber Zeitrechnung 
durch diefe Methode veranlafft ifl, müflen wir um fo mehr bes 
dauern, da biefe wenigen Blätter, bei aller Kürze, fehr viele 
ſchaͤtzbare Nachrichten über die Negenten und bie Kriegöges 
ſchichte aller britifhen Stämme enthalten, und die Gefchichte 
der Briten, fowie wir fie. bisher aus dem Caradoc Tannten, 
zahlreiche wichtige Berichtigungen und: Zufäge gewinnt. Die 
walififch gefchriebene Chronik der Fürften von Wales, Brut y 
Tywysogion, wovon Brut y Saeson nur eine etwas abs 
weichende und mit Stellen aus des Richardus Divienfis Jahr⸗ 
bühern von Winchefter und einigen anderen Geſchichtswerken 
interpolitte Handfchrift ift, beginnt mit der Abdankung Cad⸗ 
waladord im 3. 681, wo Tyſilio und Galfrid von Mons 
mouth fchlieffen, und ift bis zu der Eroberung von Wales 
dich Eadward I. fortgeführt. Auch dieſes letztgenannte Werk, 
welhes bis zu Ende des neunten Sahrhunderts aus den an- 


1) &. Cooper a. a. D. II, 457. 


‘ 


XLIV Literariſche Einleitung 


nales Cambriae überfegt ſcheint, iſt irrig dem Caradoc zuge 
ſchrieben. Bis zum Jahre 1066 findet ſich der waliſiſche Text 
mit engliſcher Überfegung in der neuerſcheinenden Sammlung. 

Bedas großes Werk über die engliihe Kirchengefchichte 
müfjen wir zu den vollendetflen und für die Nachwelt wichtigs 
fien Leiſtungen feines Jahrhunderts zählen. Die erften 22 
Kapitel ded exften Buches diefes Werkes find größtentheils 
wörtlich aus DOrofius, Gildas, einer Legende vom h. Germas 
nus, auffer einigen nicht mit Beflimmtheit nachzuweiſenden 
Duellen, gefhöpft. Für den groͤßeren und wichtigeren Xheil 
des Werkes, feit der Einführung des Chriftenthums bet ben 
Angelfachfen, rechtfertigt er die Glaubwuͤrdigkeit feiner Darſtel⸗ 
hıng durch die Namhaftmachung der fachkundigen Erzbifchöfe, 
Biſchoͤfe und Äbte unter feinen Zeit: und Landes - Genoffen, 
weldye ihm aus ihren Kirchen= und felbft den päpftlichen Ars 
chiven alle erfoberlichen Mittheilungen zugeftellt hatten. Unzaͤh⸗ 
ige Männer wurden ferner von ihm vernommen, deren Außds 
fagen über Selbſterlebtes oder glaubhafte Zrabdition mit ber 
gedachten Geiftlichen Nachrichten zu jenem anziehenden Werke 
nerfchmolzen find ). Won. den übrigen’ hiflorifchen Schriften 
- Bebas. find hier noch anzuführen: das Leben des heil. Cuth⸗ 
bert und. bie intereffante Gefchichte des Kloſters zu Wear⸗ 
mouth ?). Seine Univerſalchronik enthält gleichfalls einige A * 
gaben tiber englifche Geſchichte, welche, ſchon von Paul Wars 
nefrib in der Gefchichte der Longobarden nachgeſchrieben, ſpaͤ⸗ 
ter in die zahlreichen Werke, denen jene Arbeit Bedas als 
Grundlage diente, mit uͤbergegangen find. 

Verdienſtvolle und umfaffende Werke haben oft der Ge⸗ 





1) Ba. Schmid a. a. D. und deſſen Einleitung zu den Geſetzen 
ber Angelſachſen. &. auch unten ©. 204. Bon feinen dhronologifchen 
Irrthuͤmern find von uns manche angeführt. Die befte Ausgabe bes la⸗ 
teinifchen Zertes und ber angelfächfifchen Überfegung, fowie ber Beinen 
‚ biftorifchen Schriften des Beda ift von Joh. Smith. Cambridge 
1722. fol. über eine Handfehrift der Kirchengeſchichte aus dem achten 
Sahrhundert und eine vom Archivar de Ram gu Mecheln hen 
Ausgabe diefes Werkes f. Mone Quellen und Borfihungen Th 

2) Eestere ift nicht, wie man gejagt bat, verloren, — auch 


in Smiths Ausgabe gedruckt. 7 


—— 


- 


Litera riſche Einleitung. zLV 


ſchichtsforſchung den Nachtheil gebracht, daß die benusten Mas 
terialien berfelden unbeachtet verloren gingen. So auch Bes 
das Werk, was wir um fo fhmerzlicher empfinden, ba er aus 


der politifchen Gefchichte feines Landes Manches aufgezeichnet - 


finden muſſte, was der Plan feines Werkes in daſſelbe aufzu⸗ 
nehmen nicht geſtattete, woher wir namentlich uͤber das in der 
folgenden Zeit wichtigſte der angelſaͤchſiſchen Reiche, Weſſex, weil 
es erſt ſpaͤt dad Chriſtenthum annahm, am duͤrftigſten unter 
richtet werben. Als folche Aufzeichnumgen laſſen fich erfennen: 
GSenealogien der Töniglichen Gefchlechten, Liflen über die Reihe⸗ 

folge der Könige und angefehner Geiftlihen, Nekrologien ober 
Dbituarien und bionyfifche Zeittafeln. 

Unter den diteren Iehrreihen Genealogien iſt beſonders 
die zu beachten, welche hinter einer Handſchrift des Nennius 
ſich fiadet und uͤber die oͤſtlichen und noͤrdlichen Reiche Eng⸗ 
lands, von einer britiſchen Hand, mehrere wichtige Notizen 
mittheilt. Andere bisher nur unvolfiändig gebrudte find ber 
angelfächfifchen Ehronit und dem Florenz von Worceſter einge⸗ 
fhaltet, und aus biefen in die uͤbrigen Chroniken übergegans 
gen ). Auf Northumbrien bezüglich findet ſich Manches dieſer 
Art im Simeon von Durham. 

Manche Regententafeln find mit ben Geſchlechtsregiſtern 
verſchmolzen. Eine ſolche fuͤr die weſtſaͤchſiſchen Koͤnige iſt oft 

met?) und iſt, da fie in einigen Handſchriften mit König 
fred fchliefft, dieſem ohne genügenden Grund als DVerfafler 
zageſchrieben. Sie weicht nicht nur bedeutend von den ges 
wöhnlichen Angaben uͤber die Regierungsjahre der weſtſaͤchſi⸗ 
hen Hegenten ab, wie fie denn ben Cerdic anflatt 36 nur 
16 Jahre herrfchen lafft ſondern ſtreitet auch mit ſich ſelbſt, da 
fe Affred, anſtatt im 3. 871, erſt 396 Jahre nach 494, alſo 
800 zur Regierung gelangen laͤſſt. Sie hätte ſchwerlich bie 
ie geworbene Aufmerkſamkeit erhalten, wenn ihre Refultate 
ſſets wären berechnet worden. Die uralte, bis jetzt bewahrte 


1) &. auch textus Rofferisis (ed. Hearne. Oxon, 1722, 8) 
686 et 87. 

2) Bor Bhelocs Ausgabe bes Beda e. 6. Hinter Spyelmanns 
via Aelfredi p. 199. Eingeſchaltet von Bibfon, fowie auh Ingram 
em chzon, saxon. ad a, 49. gl. bafelbft und p. XI. 


xbvI Eiterariſche Einleitung. 


Sitte, die Öffentlichen Documente. und Urkunden nach den Res 
gierungsjahren der Könige zu bativen, muflte die genaue 
Kunde derfelben zu einem allgemeinen Bebürfniffe machen; was 
auch Beda bezeugt, indem er. von manchen Berechnen ber 
Föniglichen Regierungen fpricht, die mit dem richterlichen 
Spruche, welcher nur priefterlicher Autorität einfl zukommen 
‚burfte, den Namen eines unwürbigen Regenten von ihren Lis 
fin ganz ausſchloſſen und feine Regierungjahre dem befs 
feren Nachfolger zutheilten. 
| Die Nebrologien enthalten zu den Todestagen ſolcher, an 
beren Seelenmeſſen ˖erinnert werben ſollte, gewoͤhnlich die An⸗ 
gabe der Schenkungen, durch welche ſich jene verdient gemacht 
haben, der Verwandten, bei welchen das Patronat der Stif⸗ 
tungen verblieben ſein mag, und andere oft allgemeines Inter⸗ 
eſſe anſprechende Notizen ). Ein großartiges Nekrologium 
iſt der altengliſche Kalender, welcher groͤßtentheils angelfächfis 
ſche Maͤrtyrer und fromme Geber umfaſſte und an ſeinen Ur⸗ 
ſprung aus den Obituarien einzelner Hauptkirchen erinnernd, in 
einzelnen Dioͤceſen verſchieden war. 

Kleine Chroniken ſind, ſo weit ſich mit Beſtimmtheit aus⸗ 
mitteln laͤſſt, vor Bedas Zeiten vielleicht noch nicht aus diony⸗ 
fiſchen neunzehnjährigen Oftertafeln, fondern vielmehr aus den 
Regententafeln entftanden. Möchte gleich die höchft wahrſchein⸗ 
liche Entftehung der älteften deutfchen Sahrbücher, welche an 
den Rand der dionyſiſchen Beittafeln gefchrieben wurden ?), in 


| 1) 8. ein ſolches aus der Kathedrale von Canterbury in War- 
ton Anglia sacra T. I. p. 52 sg. 

2) Es ift ſchon von Andern bemerkt worben, daß die annales majo- 
- res juvavienses ihren angelfächfifchen Urfprung an der Stirne tragen, 
Über ihre wirklichen oder vermeinten Irrthuͤmer ift an andern Stellen 
diefes Bandes die Rede. Hier bemerken wir nur noch, daß fie allein uns 
den ſonſt unbefannten Zodestag des Königs. Eadbald von Kent XIV. 
, Kal. Febr. a. 640 aufbewahrt haben. . Wichtiger erfcheinen uns aber in 
ber oben gedachten Beziehung die annales lauresham., allemannici et 
nazariani, welche zu ihrer allgemeinen Anerkennung der noch fehlenden 
Erklärung bedürfen. Wir müflen daher zunächft bemerken, baß in 713 
imors Alflide (Alfrede) et Halidulfi (Adulpbj, Haldulfi) regis nicht 
eine irrige Angabe des Zobesjahres des im 3. 705 verftorbenen Königs 
Alfrid enthalten iſt. Älflede war die Tochter des Könige Oswiu von 


N 


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{) 


Ziterarifche Einleitung. xuvii 


Scotenkloͤſtern, dafuͤr ſprechen, daß dieſe Sitte aus Britannien 
nach Deutſchland heruͤbergebracht wurde: ſo wuͤrde dennoch 
theils ſcotiſche Moͤnchsſitte noch nicht für die Angelſachſen bes 
weifen, theilö finden fich auch hinlängliche Spuren, daß Letztere 
eine Ära feit ihrer Ankunft in Britannien kannten, welche fie in 
nicht Tirchlichen Angelegenheiten zu Bebas Zeiten noch nicht vers‘ 
laffen hatten. Dieſe Zeitrechnung, verbunden mit der Angabe 
ber Regierungsjahre wird mit Ausſchlieſſung ber chriftlichen Ara, 


Rorthumberland, geboren 654, welche im 59. Lebensjahre ala Äbtiffin 
von Streonesheale (Whitby), alfo im 3. 713 verftarb (f. Beda 1. IH. 
c.24.). Albulph, König der Oftangeln, kam 663 zur Regierung. Gein 
Todesjahr war bisher unbekannt; man konnte nur vermuthen, daß er 
lange gelebt haben muß, da fein Nachfolger Selred erft im 3. 747 flarb 
und auch Beda ihn feinen Zeitgenoffen nennt, (ſ. Beba II, 15. IV, 17.). 
Auch in den annales Petav. ift fein Todesjahr verzeichnet mit dem ent⸗ 
flelten Namen Ogledulfus. Unter dem im I. 705 verftorbenen Abte 
Domnanus mödte wohl Niemand zu verftehen fein ald der berühmte 
Abt von Hy oder Jona, Adamnanus, von bem wit aus Beda V, 1. 
und 15. mwiffen, daß er um biefe Zeit flarb. Das von den Herausgebern 
des Beba angenommene Todesjahr 702 ift, wie Smith ſelbſt gefteht, 
willkuͤrlich Fabricius bibl med, aevi hat ben ber ‚obigen Angabe 
nahkommenden IX. Kal. Oct. 704. Sowie diefer Name verflümmelt 
it, fo find es auch die der übrigen Bifchöfe und Äbte, doch geftattet. ihr 
Klang uns deutlich den irländifchen Urfprung derfelben zu erfennen. 729 
Macflatheus ift vielleicht derfelbe Name ald der des Abtes von Bangor 
Machlaisreus in dem uralten Antiphonarium dieſes Klofters (in Mu- 
ratori anecdot. T. IV. p. 159). Im Dubdecris abbas + 726 
Mint ein Nachfolger des Adamnan auf Hy, welcher zwifchen 716729 
daſeibſt Ichte, Duunchadus, verborgen (f. Beda I. V. c. 22.) — Ann, 
707 dormitio Tigermal, vermuthlich des Tigernoth oder Tigernach 
ejiscopus et confessor, deffen Todestag in der angelfähfiihen Kirche 
m 5. April begangen wurde. In 705 Canani episcopi Eönnen wir die 
von Bangor Gaman- oder den jüngern Eronan nicht fuchen, wohl 
der den Bifchof Colman, der Lindesfarne im J. 66% verlaffen hatte 


v.| m nach Hy zurüdgelebrt war. Auch in ben alten annales breves. ful- 


&sses (monum. hist. German. II, 237.) find auffer den Jahren der 


u 

| mthumbrifchen Könige Egfrid und Osred bie Todesjahre der ſcotiſchen 
er Viſchoͤſe von Eindesfarne, Aidan, Finan und Colman angegeben ; letzteres 
15° ft 664 iſt jedoch auf feine oben gedachte Abreiſe zu beziehn. In den 


ch 





den fasti corbeienses (in Wigands Ardiv für Geſchichte und Alter⸗ 

Gmzkunde Weftphalens Th. VI.) finden ſich gleichfalls die Notizen über 

Fiaan, Solman und Egfrid. 
Bappenberg’s Geſchichte Englands T. d 





XLVvi ' Literariſche Einleitung - 


noch von fpätern Chroniften wie Henry von Huntingdon befolgt, 
und laͤſſt alſo auf die verloren gegangenen Quellen fchlieflen. 

Die ältefle und befannte Eleine Chronik iſt eine northums 
brifche; welche bald. nach Bedas Tode endet‘). Über andere, 
welche in den - Handfchriftenverzeichniffen ber englifchen Bis 
bliothefen angeführt werben, erfieht man zu wenig um erken⸗ 
nen zu koͤnnen, ob fie Vorgänger Bedas und ber angelſaͤchſi⸗ 
ſchen Chronik oder deren Epitomatoren ſind. | 

Manche alte Chroniken find noch in englifchen Bibliothe 


Sken handſchriftlich vorhanden; vielleicht finden ſich unter den⸗ 


ſelben die gesta Anglorum, welche Adam von Bremen 
3.1. € 35. und 8. I. C. 15. anführt und vielleicht haͤu⸗ 
figer benugt. Ich kann dieſes Wert in Feiner ber bekannten 
Quellen entdeden. | 
Eines für eine wichtige Epoche der engliſchen Geſchichte 
bedeutenden Werkes iſt hier kurz zu gedenken, der vom Biſchofe 
Aſſer verfaſſten ‚Biographie, bes Königs feed. Wenn diefelbe 
auch in Feiner einzigen ganz guten Handfchrift auf und gelangt 
zu fein ſcheint, fo Fönnen wir fie doch aus des Chronik des Florenz 
von Worcefler, welcher jene zum größten Theile in fein Berk 
wörtlich aufgenommen hat, häufig wieberherfiellen.. Doch war 
in Sir R. Cottons Bibliothek eine alte Handfchrift aus dem 
zehnten Jahrhunderte vorhanden, welche nicht genug beachtet 
wurbe, weil man bemerkte, daß in ihr viele in andern Manus 
feripten vorhandene, obgleich bei Florenz gleichfalls mangelnde, 
Stellen fehlten, :und fie deshalb für lüdenhaft erlärte?). Doch 
find die meiften dieſer fehlenden- Stellen duch ihren Inhalt 


_verwerflich, namentlich die vielbefprochene in. Camdens Ausgabe 


zuerft vorhandene, über das Alter der Univerfität Oxford, deren 
Nichtvorhandenfein der Parteifucht die beften Handfchriften vers 


daͤchtig machte. Diefe Stellen find der Biographie Alfreds 


erft jpäter aus einem Werke eingefchaltet, welchem irrthuͤmlich 


1) Sebrudt in Hickes thesaur. linguar. septent. T II. p. 288 
und in 3. Smith Vorrede zu feiner Ausgabe von Bedas Geſchichts⸗ 
werken. 

2) Ed. Parker 1570. Camden 1600 et 1603. Kanales rer. 
gest. Aelfredi auct. Asserio rec. F. Wise. Oxon. 1722, 8., we 
bie Vergleichung mit der cottonfchen Handfchrift gegeben iſt. 


j 


Literarifhe Einfeitung xuix 


ber Name von Aſſers Annalen‘) gegeben if. Dieſes letztere 
iſt aus der Sachen: Chronik, Dudos nermannifcher Gefchichte, 
mehreren Legenden, Afferd Biographie des Alfred und einigen 
unbefannten Quellen abgeleitet. und kann ſchwerlich vor bem elften 
Sahrhunderte entflanden fein. Ein Irrthum des Leland oder 
vielmehr Gales hat auch veranlafit, daß diefen Annalen des 
Pſeudo = Afjer der Titel des chropigon St, Neoti. er; 
theilt id. 

Die wichtigſte Quelle für bie ältere Geſchichte Englands 
nach Beda und eine der wichtigſten in der ganzen Hiſtorio⸗ 
gRaphie des noͤrdlichen Europas iſt die angelſaͤchſiſche Chronik, 
in der Landesſprache geſchrieben und in den ſpaͤtern Jahrhun⸗ 
derten voll gleichzeitiger Nachrichten. Eine durchgaͤngig kriti⸗ 
ſche Unterſuchung ihrer Quellen, Handſchriften und Überſetzun⸗ 
gen iſt die wichtigſte Aufgabe für. die engliſche Geſchichtsfor⸗ 
ſchung, welche zu liefern biſher nur theilweiſe verſucht iſt und 
noch weniger gelungen ſcheint. Dieſe Unterſuchung iſt dadurch 
ſehr erſchwert, daß die Handſchriften oder vielmehr die Bear⸗ 
beitungen derſelben, welche in verſchiedenen Kloͤſtern abgefaſſt 
find, oft ſehr vom einander abweichen, bie beſten derſelben nicht 
ganz bekannt und bie befannten von ben Herausgeben will 
fürlich und fogar ohne KRüdjict auf bie Verſchiedenheit ber 
engelfächfifchen Dialekte, in welchen fie gefchrieben wutden, 
durch einander geworfen abgedrudt find. Selbft von ben la 
teinifchen Uherſetzungen ober Bearbeitungen find mehrere, welche 
die vorzüglichfien feinen, ungebrudt, 

Die ältefle bekannte Handfchrift deu angelſaͤchſiſchen Chro⸗ 
me if die des Benn’t College zu Cambridge, welche bi8 zum 
Jahre. 891 von Einer Hand und nicht fpäter als im zehnten 


Jahrhunderte gefchrieben iſt ). Der Dialekt in welchem fie 


abgefaſſt iſt, laſſt ſich als der von Mercien bezeichnen, wäh: 
und bis uͤbrigen Handſchriften ben von MWefler haben. Gie 
M von ‚andern Händen bis zum Jahre 1070 angelſaͤchſiſch und 


1) Sedruckt in Gale oolleet. T. I. Vol. unten &. 339. 
2) Val. Wifes Vorrede a. a. D. 


5) Machrichten über die Handſchriften finden sn in Inrama 
Acigabe und Gopper on the public regords H, | 
” * 


ur. | Literariſche Einleitung. 


bis 1075 lateiniſch fortgeſetzt. Dieſe Handſchrift, we welche die 
Grundlage des Textes bilden ſollte, iſt von den biöherigen 
Herausgebern nur theilweife benußt. - 

’ Eine Handſchrift, welche dem Kiofter St. Auguſtins zu 
Canterbury gehoͤrte, hernach dem Sir R. Totton, jezt dem 
britiſchen Muſeum, iſt nur bis zum Jahre 997 ‚fortgefeet. 
Sie wird bezeichnet Cott. Tiber. A. VI. 

Eine andere, welche bis zum Sabre 1001 sing, war in 
Sir R. Cottons Bibliothek, ift aber bei dem Brande im Jahre 
1735. verloren gegangen. (C. Otho B. XI.) Sie: bilbet bie 
Grundlage von Wheſoks, der ‚gelten, Ausgabe des Saxon 
Chroniele > ae 

- Eine Handfchrift, vom Ehbiſchofe Laud der bodleyſchen 
| Bibtiothet zu Orford geſchenkt (Laud. E. 80.), iſt urfürängs 
lich bis zum Jahre 1122, ſodann, mit manchen Normanniſmen 
in Orthographie und Sprache, weiter bis zum Jahre 1154 
geführt. Sie iſt im Kloſter Medhamſtede, ſpaͤter Peterborough 
J enn in Nortbampfonfhive, entſtanden und enthält viele erweis⸗ 

falſche Urkunden dieſes Kloſters. Aus dieſem Umſtande 
bisweilen, obgleich dieſer Tert- offenbar zu den neuern ge⸗ 
hoͤrt, zu eilig geſchloſſen worden, daß die Moͤnche von Peter⸗ 
borough die urſpruͤnglichen Verfaſſer der Chronik ſeien. 

Sehr abgekuͤrzt und normanniſirt, doch mit Nachrichten 
bereichert, welche ben übrigen Heanbfcyriffen fehlen, ift eine, 

welche vermutblich aus Ganterbury ſtammt, jest auf dem britis 
ſchen Mufeum: Cotton Domitian A. VIIL Die beiden letz⸗ 
ten Manuferfpte find Ai Gibſons Ausgabe vorzuͤglich benußt ). 
Gilbſon benutzte noch eine andere, zunaͤchſt bis zum Jahre 
1016, hernach bis uͤber 1080 fortgefuͤhrte Ehromit bes Kloſters 
Peterborough, welche jetzt verloren · iſt. 

Wichtiger fi nd zwei von Ingram, dem dritten. Hermußge 
ber ber angelfichfiſchen Chionit ” benubte Zetbůůchet bes. Kos 


nen‘ 
8 canabtie ‚1623. fol., . Hinter „feiner Ausgabe. der Kirchenge— 
ſchichte des Beda. Zee j 
J 2) Oxon. 1692.43. len iu em, 


28y London 4823. 4. mit englifcher Überfegung und — No⸗ 
ten. Eine enghiſche überſegung von Miß ˖ Guriey;, owelche nor<tink 


— 


\ j x - 


N 


. Literarifhe, Einfeitung., . ct. 


ſters Wingdon bis zum Jahre 1066 und der Kathedrale zu Bor: 
ceſter bis: zum Jahre 1079, heide im britifchen Mufeum, (Cote, 
ton Tiberius B. I. und IV.). „Beide find fich einander nahe: 


- verwandt und enthalten bei den fpätern Jahren fehr fchägbare 


Berichte, welche -in den, eigentlichen angelfächfifchen Chroniten 
kuͤrzer oder auch wohl abweichend. gegeben find. Ä 

Eine. Abſchrift eines jetzt unbekannten Originales, welche 
von Lambard im Jahre 1563; genommen iſt, behandelt, die 
Geſchichte Englands vom Jahre 1043 bis 1079. Sie iſt in 
dem Anhange zu Lyes angelſaͤchſiſchem Woͤrterbuche Bd. —9— 
abgedruckt und ſtimmt woͤrtlich mit dem uͤberein, was SH. 
gram aus. der Chronit von Worcefter anführt. 

Dieſe Überficht mag dazu dienen, jeden mit folchen. Stu⸗ 
dien Vertrauten, der die angelfächf ifche Chronik, auf der 
ren verichiedenen Recenſionen die in lateinifcher Sprache abs Ä 
gefaflten Chroniken Englands wiederum . beruhen, in irgend. 
einer urfprünglichen. oder abgeleiteten Form benugen will, 


die Schwierigkeiten der nähern kritiſchen Pruͤfung aufmerkfa am 


zu maden. 
Da fit Beda big zu, Withelm von Malmesbury, dis ' 


— 82t 


keinen Geſchichtſchreiber fand, ber von der angelfächfi iſchen Chro; 

vn unabhängig bie Geſchichte des ganzen Landes verzeichnete, 

fo iſt eine Unterfuchung über bie Quellen und bie Verfafler 
derfelben um fo wichtiger. - 

Bei den erſten Jahrhunderten nach Chrjſi Geburt, bie 

* Jahre 449, ſind bald Beda de sex netatibus mund} 

md deſſen Kirchengefchichte, bald Gildas u. A. für die Quellen 


; wögegeben. Indeſſen finde ich. nur bei den Narhrichten über 


die alten Bewohner Britanniend und Irlands den Beba 
hist. eccl; 1. I. g. 1.) benust. Bei allem. Übrigen ji Eu⸗ 
kbius. und. eine unbedeutende. kirchenhiſtoriſche Ehronif excerpist 
und Beda nur ‚dann ſtillſchweigend beruͤckſichtigt, mo ber an: 
eefächfifche Chronift Bedas Angabe ergänzt ader von. berfelben 
Ömeidht. Vergl. Chron. Sax. a. ‚189, 435, 443. 3. verglichen 


NR ee 


in Jahren gedruckt, aber nid. in 1 den widhenta gegeben wi 
fr gelobt. | | \ | 


"ii. ont. art 


} 


X Literatiſche Einleitung. 


mit Reda L. I. c. 4. 11.13. Die Berechnung der Jahre ſeit Er⸗ 
ſchaffung der Welt folgt der des Euſebius und Oroſius, welche 
feit jener Epoche bis zur Geburt Chrifti 5198 Jahre annimmt '). 
Vom Jahre 449 — 597 enthälf unſere Chronik, neben: 

einigen Eentifhen, beinahe nur weflerifche Nachrichten aus ber 
beidnifchen Zeit, welche gerade dem Beda fo fehr fehlen. Be⸗ 
merkendwerth, als Beleg für die Glaubwürdigkeit der Chronik, 
iſt Die richtige Angabe von zwei genau bezeichneten Sonnenfinz 
flernifjen in den. Jahren 538 und 5405 fo anch bei den Jahren 
664 und 733, bei weldyem letztern jedoch die Angabe des Tages 
und der Stunde, welche Florenz von Worceſter angibt, in uns 
fern Handfchriften der. angelfähfifchen Chronik fehlt. In ter 
folgenden Zeit bis zum Jahre 731, wo Bedas großes Ge: 
ſchichtswerk fchliefft, mögen die norbenglifchen Angelegenheiten 
aus jenem entlehnt fein. - Der Rahrichten welche fich nicht auch 
bei Beda finden, find nur wenige, und meiftens aus der neuern 
und ſchlechten Handſchrift Lauds (fo bei ben 33. 603, 616, 617. 
Doch haben auch die beffern Handfchriften Zufäße, deren Urs 
fprung und unbekannt ift, (3. B. bei den 33. 693, 740) und 
Angaben welche, wie ſchon Florenz bemerkte, von Beda ab⸗ 
weichen. Bon den Jahren 732—845 ift die angeächfifähe Chro⸗ 
nik für uns die legte‘ Quelle. Doch auch bier bemerken wir 
etweisliche Fehler der bekannten Handfchriften, z. B. bei der 
Mondfiniternig vom Jahre 796, welche bei Simeon von Durs 
ham richtig, aber in jenen zum Jahre 795 gefetzt iſt. Vom 
Jahre 851 — 887 find Auszuͤge aus Aſſerb Lebensbeſchreibung | 
des Königs Alfred, mit feltehen Abweichungen, getreu in daß 
Angelfächfifche übertragen. Ingram nimmt das umgekehrte 
Verhaͤltniß an, ohne jedoch zu erflären, weshalb Affer nicht 
auch die folgenden Begebenheiten bis zu Alfreds Tode nach 
erzählte. Es möchte felbft zu beachten fein, daß die angel: 
ſaͤchſi iſche Chronik keine Nachrichten aus Aſſer hat, welche nigt 
auch bei Florenz von Worceſter ſich finden, und daher 3. B 
keine beim Jahre 856. 


1) Es iſt unbegreiflich, wie Ingram hierüber sroeifeln konnte und 
deshalb die Flechten Lesarten in ben Zert aufgenommen hat. Anno VI. 
ift zu Iefen anno II. Unter anno. 616 ift ſtatt 5616 zu leſen 6816. 
Unter anno 83 ift XXVI. zu emendiren in XXI. 


giterarifihe Einleitung. Lin 


Sn das Jahr 891 Fällt bereitd die Abfaſſung der angels 
fähftichen Chronik durch den Erzbifchof von Canterbury, Pleg⸗ 
mund. Ob die Benn’t Handſchrift wirklich. um Das Jahr 894 
gefchrieben fein Fönne, vermögen nur Sachkundige, welche biefe 
ſelbſt unterfucht haben, zu beurtheilen. Die Gründe welche 
für den Verfaſſer angegeben find, beſchraͤnken fi ich Darauf, daß 
er berfelbe geweien fein koͤnnte. 

In dem Folgenden Zönnte die oft fo fehr irrige Chrono⸗ 
logie, wie bei den 33. 915— 922 Zweifel gegen die hiſtoriſche 
Zreue ber Chronik erwecken; doch dürfen wir derfelben zum 
Gluͤck nicht zufchreiben, mad die Miögriffe der Herausgeber, 
welche oft durch die von ihnen felbft gefammelten Batianten 
und befonderd aus der Vergleihung mit Floreng von Worce⸗ 
fier verbefiert werden können, verfchuldet haben. j 

Das Jahr 977 bildet mit mehr Gewißheit einen Abfchnitt 
in ber Geſchichte der angelfäcfifchen Chroniken. Mit dieſem 
Jahre Schlieffen nicht nur. zwei alte Handſchriften, ſondern 

auch der aͤlteſte Nachbildner derſelben in lateiniſcher Sprache, 
Tthelwearbd. 

Von dieſer Zeit, beſonders ſeit dem Jahre 100i, welches 
gleichfalls durch das. Aufhoͤren einiger Handſchriften bezeichnet 
iſt, werden die Abweichungen der verſchiedenen Handſchriften 


immer bedeutender, vorzäglich derer, ‚welche die Abingdon= und | 


vie Worceſter⸗CEhronik genannt werden. Dieſe ſelbſt wieder, 
obgleich unter einander viel näher uͤbereinſtimmend als mit an⸗ 
dem Handſchriften, weichen doch im Einzelnen bisweilen von 
tinander ab, z. B.b. d. J. 1046,. 1048, 1049, 1053 hat 
me walififche und mercifche Nachwichten, welche diefer fehlen. 
Bei der Frage nad; dem Urfprunge dieſer Chroniken 
"wängt fich und zuerft Die Frage: auf, ‚ob. biefelben nicht, :gleich 
f vielen der Übrigen im ber neuen Laubeäfprache gefchriebeuen 
Chroniken anderer Voͤlker, von Geiſtlichen im der uͤblichen roͤ⸗ 
niſchen Kirchenſprache abgefaſſt und ſpaͤter in dad Angelſaͤchſi⸗ 
Me übertragen feien: ‚Erinnern. wir: uns indeſſen, daß ſchon 
Ufred des. Beda Kirchengeſchichte ſowie ben Oroſius in das 
Angelfächfifche -Iiberfegen ließ, daß ſchon vor Beda dieſe Spra⸗ 
de Caedmons Geſaͤnge beſaß, fo wird gegen die Moͤglichkeit 
der Abfaſſung dieſer Jahrbuͤcher in derſelben Sprache, welche 


+ 


° 


LIV Literariſche Einleitung. 


bis zu Alfreds Zeit höchft einfach gefchrieben und faft mager 
zu nennen find, Fein Zweifel erlaubt fein. Florenz von Wors 
cefter führt die chronica saxonica wiederholt an (b. d. J. 
672, 674, 734), worunter, wie bie Vergleichung ergibt, die 
angelfächfifche Chronit zu verftchen if. Ob nun aber neben 
den und bekannten Tateinifch gefchriebenen Elementen derfelben 
eine weflerifche in der Landesfprache gefchriebene Chronik die 
Grundlage gebildet hat, wer vermöchte diefed zu behaupten 
oder zu widerlegen?! Zum Glüde kommt hierauf, in Bes 
ziehbung auf die Glaubwürdigkeit der dürren Notizen, wenig 
an. Eine alte Sage fchreibt ihre Abfaffung dem zu, dem bie 
Angelfachfen alles Zreffliche verdanken wollten, dem Könige 
Üfred ). Die Fortfegungen der Chronik find. oft von Zeitges | 
noffen gefchrieben, welche zu errathen ein fehr fchwieriges, aber 
nicht werthlofes Raͤthſel für die Kritik ift, doch fchwerlich, bei 
dem; jegigen Zuftande der Quellen, zu löfen fein dürfte. Auch 
bei jenen möchte ed. nicht immer unbedenklich: erfiheinen, ob, fie 
wirklich zuerft in der Landesſprache niedergefchrieben' find. 
Dergleicht man nämlich die Iateinifche Chronik des Florenz von 
Morcefter mit "der angelfächfifchen, ſo findet man, daß jene 
durchaus der worcefter Handfchrift derfelben am nächften kommt. 
Doc gibt Florenz manches Detail, welches dieſer fehlt, wie 
b.:d. 3. 1040, 1041 u. 1049, und dagegen jene b. d. 9. 
693 u. 710, ſelbſt b. 3. 1044 über König Eadwards Heirat, 
Man hat fi) gewöhnlich darauf befshrankt, den Erzbifchof 
von Canterbury, Plegmund, für den erſten Verfaſſer diefer Jahr: 
bücher bid.zum Sahre 924, auch bis. 988 mit fehr. ſchwachen 
Gründen den Erzbifchof Dunften, zu nennen, ald die Forte 
feßer aber einzelne Mönche zu Peterborough. Erſteres ifl 
auf. Feine Weiſe erwiefen; wir haben nicht einmal‘ Veran: 
laſſung die dlteften Handfchriften feiner Kirche: und Ges 
gend zuzufchreiben; was für Peterborough angeführt wird, 
bezieht fich nur auf: die von da ausgegangene, vielfach interpo: 
lirte Handſchrift. Kürzlich ift, wenngleich mit zu: großem Auf: 
wand von Scharffinn um ſchnell überzeugen zu. können, von 
einem Ungenannten, welcher durch die Bearbeitung der Ger 


1) Geoffrei Gaimar vs. 345, 2319. Zr 


es 


Biterarifche Einleitung . LV 


fhichte von Peterborough auf diefe Borfchung geleitet wurde, 
der Verfuch gemacht worden '), als Derfafler der ganzen Chro⸗ 
mit bis zum Jahre 1023 in der trefflihen worcefler‘ Hand- 
fchrift, den berishmten Grammatiker Alfric, deſſen biöher nicht 
anerkannte Identität mit dem im I. 1051 verflorbenen Erz- 
bifchofe von York diefes Namens behauptet wird, barzuftellen. 
Für die folgenden Abtheilungen werden folgende ausgezeichnete - 
Namen als die der Verfaffer angegeben: zwifchen 1017—1056 
Stigand, Erzbiſchof von Canterbury, ſodann Wulfſtan, Bifchof. 
von Worceſter 1002 — 1095, der Prior Nicolaus von 1087 
— 1121. Zuletzt folgen angeblich die. fhlechtern-- -Zufäße ber 
Übte von Peterborough, Remaldus, Hugo Whyte, Dsbernus 
und anderer Moͤnche. Der Verſuch ſchon ift fehr ehrenwerth, 
da theild die Nachweiſung verfchiebener Parteianfichten eines der 
wichtigften Refultate gibt, theild die ‚Bollendung biefer. Unter: 
fuhung bei genauerer Nachforſchung in der Geſchichte einiger 
Karhedralen und Kloͤſter, in welchen bie Chroniſten gelebt ha⸗ 
ben ſollen, dereinſt erreichbar erſcheint. Vor Allem moͤchte in⸗ 
deſſen neben dem Inhalte die Verſchiedenheit, das Alter und 
die Heimat der einzelnen Handſchriften zu dieſem Behufe naͤ⸗ 
her zu unterſuchen ſein. 

Bei aller Verſchiedenheit unter den angelſachſ iſchen Chro⸗ 
niken muß die allgemeine Ähnlichkeit, beſonders eine auffallende 
Ubereinſtimmung in manchen chronologiſchen Irrthuͤmern der⸗ 
ſelben, in den angelſaͤchfiſchen wie lateiniſchen Texten, in bie 
Augen fallen. Um Lebtere. zu erklären, hat fchon Gibſon ſich 
auf eine Nachricht bezogen, daß in den von. den Königen ge: 
fifteten Klöflern in: England das Bemerkenswerthe, was in 
der Umgegend vorfiel, niedergefchrieben und von ben Schrei⸗ 
bem auf dem naͤchſten Goncilium mit den Notizen anderer 
Klöfter verglichen. und fo zufammengeftelt ſei )y. Doch muß 
bier bemerkt werden, daß dieſe Nachricht eines fchottifchen: Ge: 
ſchichtſchreibers, des Fortſetzers von Forduns Scotichronicon, 
Balter Vower, welcher im Anfange des ſunfzehnten Jehrhun⸗ 


- 1) Ancient history, englich and french, exemplißied in a regular J 


äsection of the saxon chronicle. London. 1830. 8. 
2) Forduni scoticronicon ed. Hearne T. IV. p. 1348, 


7 Literatiſche Einteicung, | / 


dertes ſchrieb, in keinem Falle ohne weitere Mochweiſung auf 
die und bier vorliegenden Abſchnitte der angelſaͤchſi iſchen Chroö⸗ 
niken bezogen werden kann. 

Bis zum Jahre 1036 find poetiſche Bruchſtuͤcke der an⸗ 
gelſaͤchſiſchen Chronik bisweilen eingelegt; naͤmlich b. d. J. 937, 
941, 953, 973, 975 (wo die Handſchriften verſchiedene Verſe 
haben), 979 (welche bie . frühern Herausgeber nicht bemerkt 
haben), 1011 und 1036. Daß dieſe Verſe nicht gleichzeitig 
mit ben Jahren, bei denen fie fichen, gebichtet find, erhellt zu⸗ 
weilen fchon aus ihrem Inhalte, wie b. 3. 958, beim Ans - 
‘ tritte von Eadgars Regierung über deren Erfolge, und 975 
über ‘deffen Zodestag, wegen deſſen Feſtſtellung auf aͤltere Dich⸗ 
ter Bezug genommen wird. 

Unter den lateiniſchen Bearbeitungen der Sachſenchronik 
iſt bie aͤlteſte, die des Äthelweard, bis zum Jahre 975, dem 
Jahre bei welchem einige alte Handſchriften jener ſchlieſſen, 
in vier Büchern fortgeführt. Mit dem. den Angelſachſen eigens 
thuͤmlichen Bombaft ift jene, ohne genannt zu werden, im Aus⸗ 
zuge und oft ſchlecht überfebt.'), und wuͤrde ohne das Original 
jest um fo fchmwieriger zu verftehen fein, da die einzige alte 
Handſchrift ded Äthelmeard, in dem Brande von Sir. R. Cots 
tons Bibliothef verloren, und nur durch den Abbru bei Sa⸗ 
vile befannt iſt. Das letzte Buch enthält jedoch uber. die Regie⸗ 
zungen Äthelreds und Alfreds manche [hägbare Notizen, welche 
bei Affer und den übrigen Chroniften vergeblidy geſucht und nit 
einer etwa’ verlornen Hanbdfchrift der Sachſenchronik, fondern, rich 

tiger bem Äthelweard felbft zugefchrieben werben. . Dennoch bleibt 
. bie Anfchlieffung an die angelſaͤchſiſche Ehronik ſtets erkennbar, 
- and felbft dort d. 3. 975 eingelegte Verſe ‚Pad in lateiniſcher 

Sprache nachgebildet. 

Atthelweard war Fein Geiſtlicher, fonbern ein: vom Könige 
Athelred abflammender Ealdorman. Er felbft nennt fich, wie 
denn die Angelfachfen in ber Titelſucht alle germaniſche Stamm- 
verwandten übertrafen, Patricius Consul Fabius Quaestor 
Ethelwerdus. Man erklärt ihn gewöhnlich für den ‚ums 

1) 3. 8. anno 710 gefuhton with Gerente ift überfegt bellum 
| gesserunt contra Uutgirente. Geinen Styl fadelt ſchon Wilhelm 
von Malmesbury fehr ſcharf. De gestis.reg. Angloram 1. 1. 


Literariſche Einleitung. uvii 


Jahr 1090 verſtorbenen Ealdorman dieſes Namens '), welche 
Vermuthung noch irriger ſcheint als Die, weiche ihn fir den im J. 
922 geſtorbenen Sohn König Ülfreds hielt. ÄAthelweard widmete 
fein Werk einer Verwandten (consobrina), Mathilde, welche 
vom Könige Ülfred, dem Bruder feines Vorfahren (abavus) 
Athelred, durch deſſen an Kaifer Otto I. vermählte Enkelin 
Eadaythe abflahmte. Man hat diefe Mathilde für die Toch⸗ 
"tee der Eadgythe gehalten, weldhe Xbtiffin von Queblinburg 
geworden tft, und fid auf bie Worte: „Eadgytha, ex qua 
tu principium tenes nativitatis und ‘vera Christi .ancilla“ 
geftügt ). Doch dieſe Abtiffin war nicht ber Cadgythe (+ 947), . 
fondern Kaifer Ottos mit feiner zweiten Gemahlin Adelheid erzeugte 
Zochter, geb. im 3. 955°). Auch kann bie angebeutete Verwandt: 
(haft nicht bei einer Tochter, fondern nur bei einer Enkelin der Ead⸗ 
gothe zu ſuchen fein, da Alfred nicht der abavas, fonbern der 
atavus der Mathilde genannt wirb *). Diefe finde ich denn 
auch in der von Eadgythes Sohne Ludolf mit Ida, Tochter 
Herrmann, des Herzogs von Allemannien, erzeugten. Tochter, 
‚welche, an 3. 949 geboren, mit Obizzone von Mailand, dem 
Stammvater ber Bisconti, verehelicht wurde. Diefe Erklärung 
findet noch eine Beſtaͤtigung in ber Auffoderung AÄthelweards 
an Mathilde, ihn zu belehren, welchem Könige in der Nähe 
des großen St. Bernhard (iuxta Jupitereos montes) bie 
Schweſter der Eadgythe zur. Ehe gegeben und welche deren 
Nachkommenſchaft fei, welches zu erfahren ihr durch ihren Eins 
flug *) fowie die Nähe ihres Aufenthaltes leicht fein würde. 
Auch erklaͤrt fi aus dem Aufenthalte der Mathilde eher, wie 
der Late dazu kam für eine Frau jenes Wert im Iateinifche 
Sprache zu Übertragen. In Solge unferer Voramöfegung iſt 
aber auch Athelweards Beitalter beſtimmt, welcher um das 


1) Nicholson english Hist. library p. 48. 

2) Aethelweard prol. libri I. 5 

$) Gie ftarb im 3.999. gl. annal. quedlinburg. ad a. 955 sg. 
apud Leibnitz script, rer. brunsvic. T. I, 

)L.W.c.2t © 


5) Quae non solum affınitate, sed ef potestate videris oppiets, 
aulia Intercapodino prohibente. Prol. libri I. Ä 


LVTE u Literarifche Einleitung. 


. Jahr 1000 fein Werk verfafft. Haben muß. ‚Welcher indeffen 


von ben beiben Söhnen bes Könige Üthelred, ob Athelm oder 


ber im 3. 905 im Aufruhr in Oftanglien gegen Eadward gez, 
fallene, mit einer geraubten Nonne verheiratete Äthehwold ber 
Urgroßvater undrd AÄthelweard war, ſcheint nicht. ‚zu ermitteln. 


Drei angefehne Männer feines Namens flarben in jener Zeit, 


in dem Jahre 1001 der Hochgereve bed Königs, 1016 der 


Sohn Äthelfines, und 1017 der Sohn Äthelmerd des Großen. 


Bon AÄthelſines Mutter, Alfwen, der Gemahlin des Halbkoͤnigs 
Athelſtan von Oftanglien, wiffen wir, daß fie von koͤniglicher 
Abſtammung war und ihr ſogar die. Erziehung des Königs 
Eadgar anvertrauet wurde; vielleicht bildet ſie das fehlende 
Glied in der Aoflammung unſers Athelweard vom Koͤnige 
Athelred. 

Bald nach der Befeſtigung der normanniſchen Dynaflie 
auf dem engliſchen Zhrone begann bie angelfächfiihe Sprache, 
fich zu trüben und aus dem Gebrauche der Geiftlichkeit ſich 
mehr. und mehr zu verlieren. Für Lebtere war es kein leerer 
Prunk der Gelahrtheit, fondern ein Bedürfniß der Unkundigen, 
die Zeitbücher Englands in der ihnen verfländlichern Kirchen: 
ſprache zu erhalten, deren aus ber erflen Hälfte des zwölften 
- Sahrhundertd oder fruͤher abgefaſſt mehrere auf unſere Zeit 
gelangt ſind. 


Der fuͤr uns werthvollſte Überſetzer der angelfächfifchen | 


Chronik ift Florenz, Mönch zu MWorcefter, auch Bavonius ges 
nannt. :Diefer fchaltete der Univerfalhronit bes Irlaͤnders, 
Marianus Scotus, welcher fein Leben im Kloſter Fulda zus 

‚brachte (+.1083)°, auffer einer Überfegung eines der vorhande⸗ 
nen . worcefler Chronit fehr nahe fommenden oder- von ihm 
felbft etwas abgeänderten und. ergänzten Tertes der angelſaͤchfi⸗ 
ſchen Chronik’), Auszüge aus Beda, den größten Theil von 
Afferd Biographie des Alfred und manche werthuolle, befonders 


— — 


| we K ⸗— 


‚genealogifche Nachrichten ein, und führte fie bid zu feinem. 


Zodedjahre 1118 fort. Er hatte. nicht nur vorzügliche Hands 
ſchriften vor ſich, ſondern überfehte auch das Angelfächfifche 
richtiger, ald es bei andern Ehroniften bemerflich if. Daß er 


1) e. oben &. um. Vgl. auch b. 3. 988. 


1 


. — — — — —— —— ⸗ 


uͤber Britannien, und dieſe begichen fich meiſtens auf Schott⸗ 
und einige Geiſtliche. Florenz hatte uͤbrigens eine viel 
zaͤndigere Handſchrift des Mariams benute al die von 
xius gedruckte, und wir finden daher bei ihm manche auf 
qhland, ſelbſi auf das Klofter Fulda bezügliche Nechrich⸗ 
des Marianus, deren Unterſuchung zu den wichtigſten Vor⸗ 
iten für eine beſſere Ausgabe dieſes Chroniſten gehört. 
Das Werk des Florenz bildet großentheils woͤrtlich die 
andlage einer ums Jahr 1129 durch ben Vorſaͤnger der 
Cuthbertslirche zu Durham, Simeon, zuſammengetragenen 
nit, welche vom Jahre 848 bis 1129 fortgeführt iſt. 
enthält fie noch einige eigenthinmliche northumbrifche und 
ttiſche Nachrichten. Mehr derfelben giebt ein antıres 
thimliches Werk deffelben, gleichfalls chronicon.de gestis 
um Anglorum betitelt, weldes vom Jahre 616 bis 957 
geführt if. In letzterm benugte er ben Beda, bie historia , 
. ehronica huius patriae, mancher Heiligen Legenden. 
e ber erfigeriannten Chronik :b. J. 1066 eingefdaltete Er⸗ 
hung über Harolds Beſuch bei Herzog Wilhelm von ber 
cmandie findet fih aud in Eadmers historia Novorum 
L, jedoch etwas abgekürzt, weöhalb daher Iehtere Simeons 
weile nicht geweſen fein Tann. Auch die historia dunel- 
msis ecelesiae, unter Simeond Namen in drei Büchern, 
häit manches Anterefiante uͤber bie ‚Beidichie des nörblichen 


LX Literarifche Einleitung. 


| Die Chronik der Abtei zu Meltofe (Mailros), vom Jahre 
7351270, ift für die angellächfiiche Periode nur ein mit fehr 
menigen unbedeutenden Zufägen verfehener Auszug der Zeit: 
bücher des Simeon von Durham '). 

Heinrich, Archidiaconus der Didcefe von Huntingben, ver 
faffte eine historia Anglorum vom Jahre ber Landung bed 
Julius CAfar bis zum Jahre. 1135, hernach bis 1154 fortge 
führt. Die erften ſechs Bücher umfehlieffen die vor ung lie 
gende Periode, für welche er die ihm bekannten. Werke oder 


Sagen benugte, während‘ er fpäter eigene Erfahrungen, ober | 


Berichte der Augenzeugen verzeichnete?). Einige. feiner weni: 


gen wichtigen Quellen find noch nicht aufgefunden, die wichti= - | 


gern, auffer dem Eutrop, Paulus Diaconus u. A., find Bedas 
Univerfalchroni? und englifche Kirchengefchichte, Nennius (den 
ee Bildas nennt) und die angelfächfifche Chronik ?), welche letz⸗ 
tere er jedoch zuweilen irrig verbolmetfchtes wenngleich nicht 
fo oft ald man ihm dieſes beigemefien hat, benn wenn er b. 
3%. 671 von dem Kriege der Vögel fpricht, fo ift dieſes nicht 
als Mangel an Sprachkunde, fondern als eine irrige Deutung 
einer Naturerfcheinung anzufehen*). Seine Chrenalogie ift 
boͤchſt verworren und oft ımrichtig, fowie häufig auch die ge 
nealogiſchen Nachrichten; woraus fich deutlich ergibt, daß er 


nicht, wie man wohl gefagt hat, den Florenz von Worceſter j 


benuste. Befonders anziehend find jedoch ferne Befchreibungen 
der Schlachten, welche oft aus alten Liedern entlehnt fein mo⸗ 


1) Gedruckt In (Fell) rer. anglic. script, T, L 
2) S. Deffen Prodmium zum Bud VII. 
8) Nicht aber Galfrid von Monmouth, f. oben &. zum. — 


Warton hist. of engl. poetry I, 138. behauptet irrig, daß die Er⸗ 
waͤhnung bes Brutus in bem echten Nennius filh nicht finde, und das : 


von Heinrich im Klofter Bec gefundene Buch, woraus er bie Notiz 
von Brutus 'fchöpfte, der Galfrid gewefn; doch bekannte Haud⸗ 
ſchriften des Nennins ſprechen gegen ihn. J 

| 4) Diefer Misverftand iſt es wahrfcheinlich, welder, von Milten 
nicht erkannt, diefen zu dee haͤufig wiederholten, dem Geſchichtsſtudium ſei⸗ 
nes Vaterlandes oft nachtheilig gewordenen Xufferung veranlafite: Such 
bickerings to recount, met often in these our writers; what more 
worth is it than to chronicle the wars of kites or .crows flocking 
“and fighting in the air? History of England ad a. 800, | 





mn 5— 


u — — 
% 


Literariſche Einleitung. LXI 


gen. Eine fehr genaue Übereinftimmung mit dem jedoch aus⸗ 


fuͤhrlichern Ailred von Rievaux, welche alſo auf eine gleiche 
uns unbekannte Quelle ſchlieſſen laͤſſt, zeigt ſich bei der Erzaͤh⸗ 
lung von Eadmund Eiſenſeite. Ein auffallender Contraſt mit 
allen uͤhrigen moͤnchiſchen Chroniſten, welche den Dunſtan nicht 
genug preiſen koͤnnen, iſt ſein Lob des Koͤnigs Eadwy, ſowie 
wir im Allgemeinen in Allem was dieſer Schriftſteller berich⸗ 


tet und was er verſchweigt, den vaterlandsliebenden, geiſtlichen 


wie weltlichen Unterdruͤckern abholden Angelſachſen erkennen. 
Daß er ſchon normannifche Quellen benutzte, lieſſe fich vielleicht 
aus feiner mit dem Roman de Rou übereinflimmenden Erzähs - 
lung von den Söhnen ber Königin Emma folgern '), fowie 
den ihm unter ben englifchen Ehroniften eigenthümlichen nor⸗ 
manniſchen Nachrichten, z. B. 1047 uͤber die Schlacht im Val 
des Dunes, 1066 Wilhelms Rede vor der Schlacht bei Has 
flings. Aus ähnlihen Werken find vieleicht mehrere feiner. 
altbritifchen Nachrichten Über die Prinzefjin Helena u. A., was 
fi) weder aus unfern Handfchriften des Nennius noch bes 
Galfrid von Monmouth herleiten laͤſſt, geſchoͤpft. Heinrich 
widmete ſein Werk demſelben Biſchofe Alexander von Lincoln, 
welchen auch jener in einigen Buͤchern feiner historia Britonum 
anrebet. Kine Fortfegung des Heinrich von Huntingden, welche 
feinen Namen führt, iſt bis jegt nur in einer vom Jahre 1042 
bis 1275 fortgeführten Handſchrift vorhanden ?). 

Roger aud Hoveden in Yorkfhire, Capellan König Hein⸗ 
richs II., Surift und Profeffor der Theologie zu Oxford, lebte 
noch im 3. 1204. Er wird viel zu häufig angeführt, da er 
bis auf die legten Jahre feiner annales bekannten Chroniften 
bis auf unbedeutende Zufäge nur nachgefchrieben hat, und 
zwar für die angelfächfifche Periode dem Simeon von Durham 
und Heinrich von Huntingdon. Der Anfang ded Werkes, mit 
Einfluß des Prologes bis zum Jahre 803 (Frankfurter Ausgabe 
des Savile &. 401— 407) ift aus Simeon ©. 90—119. 
Dos Folgende bid zum Jahre 849 ©. 414 ik aus Heinrich 
von Huntingdon B. IV. S. 341 bi B. V. ©, 348. Hier⸗ 


1) ©. unten ©. 487. | 
2) Cooper a. a. ©. II, 165. 


N 


x Literarifhe Einleitung. ur 
auf bis zum Jahre 1122 ©. 414—477 ift aus Simeons 


zweitem Were ©. 137 — 2455 morauf Roger vom Jahre 


1122—1148 ©. 490 zu Heinrich von Huntingdon ©. 382— 
395 zuruͤckkehrt. 

Aored, Theſaurarius des Kloſters zu Beverley, hat in 
feinen von Th. Hearne zu Oxford 1716 herausgegebenen an- 
nalium 1. IX. den Beda, Galfırid von Monmouth und Si: 
meon von Durham ercerpirt. Er fchliefit mit den Iahren, wo 
Letzterer endet. Wir find bei diefem Epitomator daher nicht 
zu dem Schluffe berechtigt, daß er in diefem Jahre fchrieb, 
ober fogar weiter zu folgen, daß dad Werf des Galfrid, bef- 
fen Erfcheinung bekauntlich fpäter- ald die des Heinrich von 
Huntingdon und Wilhelm von Malmesbury erfolgte, ſchon im 
3. 1128 erfchienen fei. Zuweilen finden fih Spuren einer 
unmittelbaren Benugung der angelfächfiihen Chronik, wie b. 
d. 3. 879 (883) über Älfreds Sendung nach Indien. Die 
Reihefolge der angelfächfifchen Könige, welche das fechste Bud) 
enthält, ift, bid auf die Einleitung, aus dem Anhange, welcher 
fi. beim Florenz von Worcefter findet. Die eigenthuͤmlichen 
Zufäße find ſehr gering und kurz. 

Die vorflehenden find die vorzüglichften Werke, welche we⸗ 
gen engen Anfchluffes an die älteflen Quellen der angelfächfi- 
fchen Gefchichte hier aufgeführt werden mufften. Doc find in 
den erften Sahrhunderten nach der normannifchen Eroberung 
noch mehrere andere englifche Gefchichtfchreiber aufgetreten, 
welche, der neuen Dynaftie zugethban, vorzüglich des verderbli= 
chen Einfluffes wegen, den fie durch normannifche Borurtheile 
und Unkritik auf die ältere Gefchichte ausgeuͤbt haben ‚- zuwei⸗ 
len jedoch auch durch unverbächtige eigenthümliche Nachrichten 
unfere Aufmerkfamteit auf fich ziehen. | 

Dad Verl, welched dem Ingulph, einem ums Jahr 1030 
geborenen Englaͤnder, der Geheimſchreiber des Herzogs Wil⸗ 
helm von der Normandie, ſpaͤter Abt zu Croyland in Lincoln⸗ 
ſhire wurde und im J. 1130 ſtarb, zugeſchrieben wird, muß 
bier zuerſt angeführt werden‘). Dieſes Werk enthält die Ge⸗ 


1) gl. Tagulph. ad a, 1075, wo feine esentsfärebun ein: 


| geſchaltet iſt. 


PER 


- 


Literariſche Einleitung. LXin 


ſchichte des Kloſters Croyland, "mit vielen eingeflochtenen Nach⸗ 
richten uͤber die Geſchichte des Koͤnigreichs Mercien, ſowie ſpaͤ⸗ 
ter des geſammten Englands bis zum Jahre 1091. Unechte 
Urkunden feines Kloſters) würden und die Echtheit des uͤbri⸗ 
gen Inhaltes der Chronit fo ‚wenig wie große Parteilichkeit 
eines Seheimfchreibers für feinen Fürften feine Autorfchaft vers 
dächtig machen, und die Fortſetzung feines Werkes durch Peter 


"von Bloid, den bekannten Archidiaconus von Bath, ſcheint ber 


Echtheit des Werkes einen unzweifelhaften Stempel aufzu= 
drüden. Bon ber Gründung bis zu der im J. .870 durch die 
Dänen erfolgten Zerftörung des Klofters beruft Ingulph fich auf 
fünf ältere.Chroniften Aion, Zhurgar, Swetman u. A.); wer 
die Gefchichte der Jahre 871—948 audgefüllt hat, wird nicht 
berichtet; das Leben bes Abtes Thurketul habe deſſen Ders 
wandter, der jüngere Abt Egelrich, gefchrieben; dieſe habe er 
zur fortgefegt. Jedoch ſo wohl unterflügt die Authenticität dies 
fer Chronik demnach fcheint, fo nachgiebig wir gegen einzelne 
zu erwartende fchwache Seiten derfelben fein mögen, fo moͤch⸗ 
ten fih dennoch wenige Werke finden, deren Echtheit durch 
bie große Zahl von Ierthümern, welche in einem angeblich 
großentheild gleichzeitigen Schriftftellee umerflärlich find, zwei⸗ 
felhafter erfcheint. Selbſt das Leben Thurketuls berichtet irrig, 
daß biefer den König Conftantin von Schottland bei Brunans 
burg erfchlagen, daß Kaifer Heinwich nach diefer Schlacht für 
feinen Sohn Dtto fi um die englifche Königötochter bewor⸗ 
ben habe. Beſonders in den Nachrichten von Alfred und Ead⸗ 
ward dem Älteren flimmt die Chronit, dem irrigen Inhalte 
und felbft den Worten nach, bis auf eigenthümliche Fehler in 
Chronologie und Zhatfachen ’), fo häufig mit dem fpdtern Wil: 
beim von Malmesbury überein, daß es ſchwer wird Diele 
Stelle nicht "für die der croylander Chronik eingefchalteten Worte 
Wilhelms zu halten, wenn nicht eine von beiden gemeinfchaft 
lich benugte Quelle hier nachgewiefen würde. Selbſt die Nach⸗ 


1) Über dieſe ſ. Hickes thesaur. III, 78. 
7) Ingulph. ad a. 97% und am Schluſſe des Werkes. 
5) Den Johannes von Altfachfen nennt nur Ingulph Johannes 


Bestes. Vgl. in beiden Gchriftftellern die Stelle von der Errichemns 
der hundreden durch Alfred. 


kappenber g's Geſchichte Englands J. u: 


XIV Literariſche Einleitung. 


richt uͤber die Beerdigung zweier Verwandten des Thurketul im 
Kloſter zu Malmesbury findet ſich bei beiden Schriftſtellern er⸗ 
wähnt ), wobei Letzterer aber ein Geſchichtswerk, in lateiniſchen 
Herametern gefchrieben, als feine Quelle anführt. Sogar eine Ur: 
- Bunde von Malmesbury wird dort b. 3. 97% volftändig abgeſchrie⸗ 
ben, volftändiger, als die gedruckte Handfchrift des Mönches diefes - 
Klofters fie Eennt. Doch auch in dem Theile der Chronik, in wels 
chem Ingulph von dem berichtet, was er felbft erlebt hatte, iſt er 
hoͤchſt unzuverläffig.. So b. d. 3. 1056 *) und 1062, wo er dem 
Strafen Radulf, Sohn der Soda, deren Gemahl nennt. Go: 
gar bie gleichzeitigen Äbte des Kloſters Croylanb werben von 
Ingulph verwirrt’). Auch Ailred von Rievaur fcheint von ihm 
benugt zu fein. Sehr wahrfcheinlich iſt es daher, daß das 
echte Werk des Ingulph nicht auf und gelangt iſt, fonbern daß 
Thon früh das vorhandene Werk, zu welchem jener auch be: 
nutzt iſt, zufammengetragen wurbe; gewiß aber darf jede Nach⸗ 
richt des vorhandenen Werkes nur mit der größten Umficht 
benugt werben. Es ift gebrudt in Saviles, befier in Fells 
Sammlung. 

Allred, Abt von Rievaur in Yorkfhire, ſammelte genealos 
gifche Notizen über die angelfächfifchen Könige; von feinen ans 
dern Schriften iſt hier nur noch das mit Legenden burchwebte 
Leben Eadwards des Bekenners anzuführen‘),. Sein Lob Cab: 
gard, die Erzählung vom Tode Gobwines erinnern lebhaft an 
Alfred von Beverley. 

Wilhelm, Mönch und Bibliothelar zu Malmesbury ( 1141) 

fchrieb mehrere, durch eigenthümliche Darftelung und eine von ' 
der chronologifchen Form abweichende Anorbnung fehr beliebte . 
Werke: de gestis regum Anglorum 1. V. bis 1126, hi- 
storia novella bis 1143 und de gestis pontificum I, V.°) 


| 1) Ingulph. p. 39. will. Malmesb. 1.1.6. c.6 p. 51. 
Vol. auch bei Beiben die Stellen über Eabivin. 
2) Vgl. unten S. 520 Note 1. 

8) ‚Hierauf macht der Verfäffer des saxon chrosicle dissected auf: 
merkſam, ohne jedoch auf: mehr als eine Mangelhaftigkeit ber abgedruck⸗ 
ten Handſchriften zu folgern. 

4) Gedruckt bei Twysden. | 

5) Saͤmmtlich, bis auf das fünfte Buch des legten Werkes, wel: 





Literariſche Einleitung. | LXV 


Denn er gleich manche bekannte Quellen kannte und benußte, 
von benen ex im Prolog zum erſten Buche des Hauptwerkes 
ſpricht, fo bemerken mir doch nicht, Daß er fie ausſchrieb, und mioͤch⸗ 
ten auch aus diefem Grube den Ingulph nicht zu den von ihm 
benutzten Schriften zählen. Reben vielen intereffanten Nach⸗ 
sichten, welche er und erhalten hat, findet fich bei ihm eine 
Fuͤlle abgeichmadter und felbft feinem Stoffe durchaus fern 
liegender Mährchen. Diefen verbanft fein Werk jedoch einen 
großen Theil des Beifalls, welchen ed fand; denn nach Beda 
und Galfrid von Monmouth tft Fein dlterer englifcher Ge 
fchichtfchreiber fo viel von den Chroniften Englands wie des 
Continents benust worden; unter den dltern der letzten nenne 
ich nur Alberich von Troisfontaines und Vincenz von Beauvais. 

Dem Matthäus, Mönch der MWeftminfterabtei, wird ein 
aus mannichfaltigen Chroniten im  vierzehnten, Sahrhunderte 
zufammengefegtes Geſchichtswerk, weiches flores. historiarum 
betitelt iſt, zugefchrieben ). Diefe Compilation ift verkehrter 
Weiſe fehr viel benubt worden, da man nicht bemerkte, daß 
die Quellen des Matthäus, namentlich, für die angelſaͤchſiſche 
Periode, fi beinahe alle erhalten haben, und von Matthäus . 
nur abgekürzt, oft ungefchidt zufammengezogen, und wenn bei 
jenen die chronologiſche Reihefolge fehlte, oft zu irrigen Sabre 
ren eingefchaltet find. Als die uns für jegt angehenden Quels 
Ien find biee zu nennen: Beda, Aſſer, die angelſaͤchſiſche 
Chronik, Florenz von Worceſter, Nennius, Galfrid - von 
Monmouth, Wilhelm von Jumieges (4. B. b. J. 887 aus 
L L ce. 6—11. von Haftein und ſpaͤter von Rollo), Marianus 
Scotus, Wilhelm von Malmesbury, welchen Letztern er auch 
häufig nennt, 3. B. 979, 1035. Vielleicht gehört auch Hein⸗ 


ih von Huntingdon hierher, doch find einige zu dieſer Ver⸗ . 


muthung Anlaß gebende Stellen?) des Letztern, meiflens das 
noͤrdliche England und die Dänen betreffend, won Matthäus 
ausführlicher und alſo vermuthlich aus einer * ähnlichen Auelle 


qhes bei Sale und Whartons Anglia saera ;- in nloeichender geeen⸗ 
fin ſich findet bei Savile. 


1) Edit, Francofurt. 1601. fol. 


2) 3u andern gebbet auch die pugna avium a. 671. 
- e* 


LXVI Literarifhe Einleitung. 


umfländlicher mitgetheilt. Die Erzählung vom Zweilampfe 
Eadmunds Gifenfeite mit Cnut b. 3. 1016 ſcheint aus Ailred 
. von Rievaur S. 364: audgezögen. Viele Legenden find nach 
erzählt und Nachrichten aus Klofterchroniten gefammelt, und 
fo finden fi) einige fpärliche Notizen, welche der Eimftige Hers 
ausgeber englifcher Gefchichtöquellen Torgfättig herauszuſuchen 
nicht verſchmaͤhen darf. 

Dem Johannes Wallingford, einem im J. 1214 verſtor⸗ 
benen Abte zu St. Albans, ſchreibt Gale ein von ihm heraus⸗ 
gegebenes, vom J. 449 bis zum I. 1036 fortgefuͤhrtes Werk 
- über die engliſche Geſchichte zu). Der Verfaffer macht einige 
Berfuche biftorifcher Kritik, welche ihm aber fehr mislingen?). 
Für bie Geſchichte der nörbichften angelfächfifchen Provinzen 
gibt er einige eigenthümliche Nachrichten unb es möchte in bie 
fer Gegend wohl der Wohnſitz des DVerfafferd zu fuchen fein. 
Biel benugt find des Wilhelm von Sumieged erfte fechs Bücher 
der Gefchichte der Normannen, nicht aber Dudo unmittelbar, 
da wir des Letztern Nachrichten mit den Zufägen und Fort⸗ 
fegungen des Erfigenannten in bem vorliegenden Werke benust 
“finden: z. B. ©. 532 u 533 aus Guil. Gemet. 1. I. c. 3—5.; 
auch S. 548 aus 1. V. c. 8. ©. 549 u. 550 aus 1. VI. 
c. 10—13. Er nennt ferner den Galfrid von Monmouth, 
Wilhelm von Malmesbury und Heinrich don Huntingbon, und 
ercerpirt die Biographien der Heil. Guthlac, Neot, Guthbert, 
Edward, auch Bridferths Leben des Dunflan. Das Citat 
ber historia Gothorum iſt bem Wilhelm von Jumieges nach⸗ 
gefchrieben. - 

Wir gedenken bier noch kurz einiger normannifcher Ges 
fehichtfchreiber, welche die englifche Gefchichte fchon in dieſer 
Periode berühren. Dudo von St. Quentin iſt in diefer Bes 
ziehung nur in wenigen Stellen von Intereffe, viel mehr aber - 
Wilhelm vom Jumieges, welcher die Gefchichte feines Volkes 
bis zum 3. 1137 fortführt. Wilhelm von Jumieges ift, wie 
ſchon erwähnt, von manchen englifchen Chronikanten ercerpirt. 
Beide finden fih in Ducheſnes Sammlung ber scriptores 


1) Histor. britann. scriptores XV, 
2) ©, unten ©. 877.. 1— 


2 
+ 


Literariſche Einleitung. Lxvii 


rerum normannicarum, letzterer auch in Camden Anglica, 
Normannica ete. Viel wichtiger iſt für die Geſchichtsforſchung, 
ungeachtet ſeiner poetiſchen Einkleidung, eine von manchen 


Sagen durchwebte Geſchichte der Herzoge der Normandie, bes 


titelt vom Herzoge Rollo, “Roman de Rou, das Wert bes 
Mogifter Robert Wace, der, zu Serfey geboren, zu Caen er: 
zogen, von König Heinrich IT. von England eine Präbende zu 
Bajeur erhielt. , Seineds ums Jahr 1155 gefchriebenen le 
Brut ift fchon früher gedacht. Zür das elfte Sahrhundert . 
gibt und der Roman de Rou -fehr viele eigenthuͤmliche und 
glaubwürdige Nachrichten. bei deren Gebrauch jedoch vorzüg- 
lich die Parteilichkeit der Normannen zu berüdfichtigen iſt. 
Auch diefes Werk fcheint mehreren englifchen Chroniken als 
Quelle gedient zu haben. Es iſt zuerſt vor einigen Jahren 
von Hm. Pluquet herausgegeben ). 
| Schon vor Ware ſchrieb Benoit de St. Maur eine ge: 
veimte Gefchichte der Herzoge von der Normandie, bis zum 
Zode des englifchen Könige Heinrich I. Sie ift noch unge. _ 
druckt, nur in Auszügen bekannt?) und für die englifche Ges 
fchichte noch nicht benußt. 
Nur. durch die Sprache franzöfifchen Normannen angehoͤ⸗ 
rig und in England ein Jahrhundert nach der normannifchen 
Eroberung für die Herren bed Landes gefchrieben, ift L’e- 
storie des ‚Engles solum la translacion Maistre Geoffrey 
Gaimar, eine gereimte Chronit Englands von Eerbicd Lanz 
dung im 3. 495 bis zu dem im J. 1099 erfolgten Tod des 
Wilpelm Rufus. Sie ſcheint in der Mitte des zwölften Jahr: 
hunderts abgefaflt, und folgt der häufig miöverftandenen ans 
gelfächfiichen Chronik, doch ift fie mit manchen, nicht immer 
biftorifchen Zufägen geſchmuͤckt, für ‚welche aber Gaimar ald 
ältefte bisher aufgefundene Duelle, wenn er fich gleich auf eine 
ältere bezieht, nicht unwichtig it. Dieſes Werk erfcheint zum 
erſten Male gebrudt in dem erften Bande der Sammlung ber 
Recorbcommilfic ion. 


1) Rouen 1827. 2 T. 8, Philologifche und grammatiſche Bemer⸗ 
tagen von Raynouard, ſowie hiſtoriſche von A. le Prevoſt find 
defelbft 1829 erfchienen. 

2) Depping histoire des expeditions maritines des Normands. 


LXVIN giterarifhe Einleitung. 


Unter ben vielen englifchen gereimten Chroniken gehört 
die des Robert von Glocefter, ums 3. 1280 gefchrieben, zu 
den bemerkenswertheften '). Ste“ beginnt mit den Sagen. bes 
Geoffrey von Monmouth; in der angelfächfifchen Zeit folgt fie 
vorzüglich dem Wilhelm von Malmesbury, doch-aud) dem Hein⸗ 
rich von. Huntingdon, wie in der Erzählung von Enut am 
Meeresufer, und ber Rede Wilhelms vor der Schlacht bei 
Haſtings und andern Umftänden der letztern. Der Bericht 
von dem Zweikampfe des Eadmund Eiſenſeite und Cnut zu 
Olneye mit der ausführlichen Rede iſt eine Nachbildung des 
Ailred von Rievaur. 

Eine ähnliche Chronik, welche Peter Langtoft, Canoni⸗ 
cus zu Bridlyngtqn (Yorkfhire), daher auch Pers von Brid⸗ 
lyngton genannt, in franzöftfcher Sprache ſchrieb, iſt, obgleich 
handſchriftlich vorhanden, uns nur aus der engliſchen gereim⸗ 
ten Überſetzung des Robert de Brunne bekannt?). Der Her: 
auögeber hat den dem le Brut nachgebildeten Theil weggelafs 
fen. Sie gebt bis zum Tode Eadwarbs I. (1307) und ift : 
nicht viel fpäter gefchrieben und überfest. Das Wenige was 
über die angelfächfifche Gefchichte gefagt wird, wobei der Ver: 


+ faffer den Gildas, Beba, Heinrich von Huntingdon und Wil⸗ 





heim von Malmesbury nennt, find die von Robert de Brunne 
eingelegten altenglifchen Sagen, bei deren einer von Havelock 
König Guntars Sohne ?), er ausdruͤcklich bemerkt, daß fie fi) 
im Pers von Bridiyngton nicht finde. Es iſt bemerkenswerth, 
wie in diefen Sagen das fpäter mächtig gewordene Weſſer 
ſchon vorangeftellt wird; fo wird berichtet, daß Herman, des 
. Königs Brithrit (von. Weffer) Haushofmeifter, von dem daͤni⸗ 
fchen Herzog Kebribt am Humber erfchlagen wurde und des 
Königs Nache fürchtend nach Dänemark zuruͤckfloh. In Diefer 
ind 3. 791 gefesten Begebenheit ift die erſte Landung der 
Dänen auf Lindisfarne im 3. 795 wohl nicht zu verfennen ). 
Andere Sagen Tannte er von Beormwulf‘), Sir Frethebald, . 


1) Herausgegeben von Thomas Hearne 2 Thle. Orford 172. 8. 
2) Edit. Th. Hearne. 2 Vol. Oxford 1725. 8. 

3) &. unten ©. 119. oo 

4) ©. unten &. 337. 

5) ©. unten ©. 274. 


giterarifhe Einleitung. LXIX 


den Schlachten bei Kerham und Doncafter mit "den Dänen. 
Diefe Eönnten wohl auf bie bifforifche Beſiegung derſelben 
durch Ecgbert ſich bezichn und gleich andern englifch = bänifchen 
Sagen aus DManglien fiammen. Die: Eritifche Bearbeitung 
ber altenglifchen Sagen, welche nicht walififchen und norman= 
nifhen, ſondern angelfächfiihen oder fonft germanifchen und 
nordiſchen Urſprungs ſind, iſt eine hoͤchſt anziehende Aufgabe, 
welche ein mit umfaſſenden Kenntniſſen aͤlterer Dichtung und 
Geſchichte ausgeruͤſteter engliſcher Alterthumoforſcher ſich bald 
vorſetzen moͤge! 

Über die ſpaͤtern Chroniſten bemerken wir noch, was bei 
den vorgenannten ſchon auffallen koͤnnte, daß die meiſten der⸗ 
ſelben aus Yorkfhire oder den angrenzenden Grafſchaften ſtam⸗ 
men, was aus ber länger erhaltenen Nationalität derfelben er⸗ 
Härt werden mag. Ihre Hanptquellen find feltener ‚die ans, 
gelſaͤchſiſche Chronik und Florenz, fondern Heinrich von Hun⸗ 
tingdon und Wilhelm von Malmesbury, deren Sagen und 
Sabeln gewöhnlich in gtoßer Breite abgefchrieben werben. So 
verhält es fich namentlich mit dem gar zu häufig angeführten 
Werbe, welches dem Bromton, Abte von Jorvaulx in York: 
fhire, der zu Ende bes vierzehnten Jahrhunderts Iebte, zuge: . 
fohrieben wird. Es erflredt fi) vom I. 588 bis 1198, und 
man koͤnnte daher das Werk vielleicht einem älteren Verfaſſer 
zufchreiben, wenn nicht des Heirathsvertrages der Johanna, 
Schweſter König Eduards TIL, mit David, nachherigem Könige 
von Schottland, gedacht würde. Auffer den eben gedachten 
Hiſtorikern hat er jeboch auch den Florenz auögefchrieben, fo: 
wie die flores historiarum; er nennt auch die Chroniken 
des Walter von Gifeboum. Das einzige Intereffe welches er 
für die angelfächfifche, Periode bisher. gewährte, manche an⸗ 
ziehende Sagen jener Zeit und zuerſt zu berichten, verſchwin⸗ 
det jebt, da wir biefe ſaͤmmtlich beim Gaimar gefunden ha⸗ 
ben. Dieſelben Sagen finden ſich auch kuͤrzer in der unge⸗ 
dmackten altengliſchen Chronik des Douglas von Glaſtonbury, de⸗ 
sen hamburgifches Manufeript bis auf die Zeiten Eduards IH. 
gebt, in welcher durch "die entftelten, mit Gaimar uͤbereinſtim⸗ 
menden Namen‘) noch deutlicher die Benugung ber norman⸗ 

1) &o cap. III. Renaude für Reginald. Cap. 112. Estrilde für 


LXX Literarifhe Einleitung. 


nifhen Quelle verrathen wirb. In der früheren Geſchichte 
folgt Douglas jedoch dem Galfrid von Monmouth, in der 
fpäteren hat er eigenthümlidhe und auch durch die Mittheilung - 
gleichzeitiger Lieber werthvolle Nachrichten über” die Kriege der 
Engländer mit den Schotten im breizehnten und vierzehnten 
Sahrhumberte. 

Aleine hiſtoriſche Schriften find von und gelegentlich dort, 
"wo fie der Geſchichtsforſchung ihre Dienfte leifteten, berührt 
worden. Sehr viele Kloſter⸗ und Heiligen: Gefdhichten find 
noch ungebrudt. Briefe, Homilien und andere Denkmäler find 
biöher nur fparfam an das Licht gefürbert. Manches mas 
fpäteren Zeiten angehörte, wird fpäter paflender erwähnt. 

Über anderweitige Hülfsmittel für bie angelfächfiihe Ge⸗ 
fhichte müfjen wir zunaͤchſt bemerken, daß eine befonvere 
Sammlung der wichtigen Urkunden zu derfelben noch fehlt. 
Einzelne, ſowohl in lateinifcher ald angelfächfiicher Sprache, 
finden fi in Hearnes textus roffensis, befonders das 
Bisthum Nochefter betreffend, Hemming chartulary of the 
church of Worcester, ferner zerfireut in Hickes thesau- 
rus, Smiths Ausgabe ded Beba, bei ben Klofterchroniten von 
Ely und Glaftonbury (beide bei Gale 3. J.). Die meiften 
biefer Urkunden beziehen fich jedoch auf Kirchen und Kloͤſter; 
die der Testeren find im monasticum anglicanum geſam⸗ 
melt von William Dugdale und Roger. Dodbsworth (3 Thle. fol. 
41682), fortgefeßt von 3. Stevens 2 Zhle. fol. und new von 
Cayley, Sir Henry Eis und Bandinell in 8 Bden. fol. ver 
mehrt neu herausgegeben. Den Sammlungen der 'angelfäd- 
fifhen Gefege, unter denen die von David Wilkins (London 
1721. fol ) bisher die vollftändigfle war, hat fürzlih Dr. R. 
Schmid eine mit. einer deutfchen Überfegung verfehne Ausgabe 
‚ Hinzugefügt '), welche um fo dankenswerther uns erfcheint, da 


bie Elftride oder Alfride, König Eadgars Geliebte. Cap. 107.: Alured 
that Dolphynes was called ift nicht Dauphin, fondeen Gaimar vs. 
8023. 4, Aluered Edelwolfing ert apelez. Cap. 107.: a Dane that 
me called Roynt aus Gaimar va. 8016: un Danois, un tyrant, qui 
Somerlede out nom le grant. 


1) Die Gefege der Angelfachfen in der Urfprache mit Überfegung 
und Erläuterungen, Erſter Theil. Leipzig 1832. 8, Über bie bevor: - 


\ 


Literarifhe Einleitung - LXxxi 


die von der Recordcommiſſion unternommene neue Bearbeitung 
derſelben, nach vielen Handſchriften und mit engliſcher Über⸗ 
ſetzung, durch den Tod des nicht leicht zu erſetzenden Hrn. 
Price in Stillſtand gerathen iſt). Die geiſtlichen Geſetze, 
Concilien und andere das angelſaͤchſiſche Kirchenrecht betreffende 
Documente find geſammelt in Henr. Spelmanni concilia, 
decreta etc. in re, ecclesiarum orbis britannici, 2 T. 
London 1639 et 1664. fol. olftändiger in Dr. Wilkins 
concilia magnae Britanniae et Hiberniae ab a. 446 ad 


a. 1717. 5 Vol. London 1737. fol. 


Die Geſetze der Walifer oder die Sammlung des Howel 


Dda und anderer Fürften find nach einer norbwalififchen 
(Gwynedd, Venedotia) Handſchrift des breizehnten Jahr⸗ 


hundert von W. Wotton?) mit Iateinifcher Überfegung ber: 
ausgegeben. Eine englifche befigen wir nach einer andern Hand⸗ 


ſchrift vom 3. 1685 °) von Probert‘). Die Recordcommiſſion 
laͤfft dieſelbe jest nach drei im Dialeft und kleinern Rechts 


gebräuchen abweichenden Zerten von Gwynedd, Demetia und 
Powis oder Slamorgan, von denen ber ältefte von Gwynedd 
aus einer Handfchrift des zwölften Sahrhundertd entnommen 
ift, nach Vergleichung zahlreicher alter Handfchriften, mit faft 


fiehende Ausgabe f. Cooper a. a. O. I, 153. Die Geſe « e Enuts find 
beſonders von Kolderup Rofenvinge (Havniae 1826.) herausge⸗. 
geben; ein normannifch = franzöfifcher Zert der von Wilhelm dem Erobe⸗ 
xer heftätigten gasenachn ſchen Geſetze von Palgrave a. a. O. IH, 

88 fg.;.deffen Bd. I. Cap. 2. für die aͤuſſere Rechtsgeſchichte, ‚neben 
dem befannten Werke von G. Philipps Geſchichte des angelfächfifchen 
Kechts. Göttingen 1825. 8.) überhaupt hier zu vergleichen iſt. 


1) Ich habe wiederum ber Freundſchaft des Hrn. Cooper dafür 
zu danken, dag ich auch die von biefem Werke gebrudten Bogen kenne. 
Sie enthalten die Gefege der kentiſchen Könige, darauf Älfreds, Ines, 
des ältern Eadward und Äthelftans, nebft einzelnen, dem Beitalter der- 
ſelben angehörigen, beſſer als bei Wilkins geordneten Stüden. 


2) Londini 1780. fol. Vgl. Schmid Geſetze der Kg. 
Einleitung $. 8. Eooper a. a. O. 


8) Gebruckt in Archaeology of Wales T. III 
4) The ancient laws of Cambria translated from the Welsh by 
William Probert, London, 1828, 8, 


— 


. 


xx Biterarifhe Einleitung 


ebenſo alten Iateinifchen Verſionen und neuer engliſcher Über- 
ſetzung abdruden. 
Für das Studium der fehr reichen angelfächfiichen Muͤnz⸗ 
geſchichte iſt jetzt vorzuͤglich Rudings Werk (Annals. of the 
coinage etc. 4 Vol. 4.) au benugen. 


Ein Blick auf. die Bemühungen neuerer Gefchichtfchreiber 
ſeit dem Gebrauche der Buchdruderkunft führt und zum Dou⸗ 
glas von Slaftonbury zuruͤck, deſſen Werk‘ die Grundlage der 
aͤlteſten gedruckten englifchen Chronik, der bed Buchbruders 
. William Carton 1480, bildet. Nirgends zeigt es fich deutli⸗ 
‚ cher ald in der englifchen biftorifchen Literatur, wie langfam 
das Studium der Geſchichte von dem Glauben an willfitliche 
Erfindungen ab fih auf bie gleichzeitigen Gefchichtfchreiber, 
alte Gefege und andere Denkmäler gerichtet hat. Won ben 
. normannifchen Dichtungen des Gaimar und ded Le Brut in 
dem Auszuge des Douglas wandten ſich die Gefchichtichreiber 
zum Bromton, Matthäus von Weſtminſter, Wilhelm von 
Malmesbury, Heinrich von Huntingbon, bis, jemehr der Lauf 
der Jahrhunderte fie davon zu entfernen fehien, deſto eifriger die 
Geſchichtsforſchung zu den aͤlteſten Chronifen, _dem größeren 
Geſchichtswerke Bedas und andern treuen Kunden ber ori 
zurüdzufehren fich beſtrebt hat. Das Andenken an die 

gelſachſen ſchien in England vor dem Glanze des normanni⸗ 
ſchen Adels faſt vernichtet und Shakeſpeare, deſſen Muſe ihren 
- Stoff in allen Gegenden und allen Jahrhunderten Europas 
fand, und felbft den Lear der britifchen Sage, den Schotten 
und den Dänen verherrlichte, fand, während feine Sprache 
unbewuſſt zu ihnen zuruͤckkehrte in der reichen Geſchichte der 
eigenſten Vorfahren keinen Gegenſtand, welcher ſeine Zuhoͤrer 
anzog. Erſt der Sturz der Stuarts und das Emporkommen 
der Gemeinen Englands erſchuf dieſem Lande durch die Hand 
des Mannes, welcher vor Allen mit Abſicht und Studium 
das germaniſche Element ſeiner Sprache erfolgreich foͤrderte, 
des erhabenen Miltons, in deſſen letzten Lebensjahren die erſte 
ausfuͤhrliche Geſchichte der Angelſachſen in ſeiner Mutter⸗ 


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Literarifhe Einleitung. Lxxiii 


ſprache). Seit längerer Zeit waren des großen Forſchers im 
englifhen Alterthbume, des William Camden vielfeitige Unter: 
fuhungen geprüft; Milton felbft konnte zuerft einen Abdruck 
der angelfächfiichen Jahrbücher benutzen; feine Sreundfchaft mit 
dem Spracforiher Junius, dem Herausgeber Caebmons, 


ſcheint ihm manchen Blid in das höhere Geiftesleben feiner 


Vorfahren aufgefchloffen zu haben. So unwichtig Miltond 
Geſchichtswerk in unferen Augen jest ift, fo muͤſſen wir den⸗ 
noch bie forgfältige Sichtung Achthiftorifcher Nachrichten darin 
bemerken und biefe bei dem blinden, beinahe fiebenzigjährigen 
Sreife, dem großem Dichter, einft gar regfamen Staatömanne, 
den die Trockenheit der Chroniften fo fehr widerte, daß er un⸗ 
verhohlen fich darlıber auszufprechen fich gebrungen fühlte, als 
hoͤchſt ehrenwerth anerkennen. — Brauchbar ift das im 9. 
1679 erſchienene chronicon regum Angliae von David 


Lanahom (London 8.), eine nicht ohne Kritif aus zahlreichen 


und den befien ihm bekannten Quellen zufammengefehte Mo: 
fait über die angelſaͤchſiſche Königs = und Kriegs = Gefchichte 
bis zu feed dem Großen. Das Leben diefes Monarchen 
duch Spelman bildet eine Epoche in der Altern Geſchichts⸗ 


forſchung Englands. Rapin de Thoyras (1724) hat ſehr we⸗ 


nig fuͤr die angelſaͤchfiſche Periode geleiſtet und ſcheint ſelbſt 
manche damals laͤngſt gedruckte Quelle nicht gekannt zu haben; 
doch enthalten Tindals Noten manche Berichtigungen und Er⸗ 
Rmungen. Ein bedeutender Fortſchritt zeigt ſich in dem die An⸗ 
gelſachſen betreffenden Abſchnitte von Thomas Carte's Geſchichte 
von England?), welche für ben aͤltern Theil derſelben uͤber⸗ 
haupt die Quelle des David Hume, dem gruͤndliche Kennt⸗ 
niſſe des fruͤheren Mittelalters durchaus abgingen, geworden 
iſt. Ehren wir Hume auch in feiner Darſtellung der Geſchichte 


der Stuart und einzelner Abtheilungen berjenigen ber. Tubord 
als den fcharffinnigflen der neueren Gefchichtforfcher, als das un: 


erreichte, hochbegabte Mufter der Gefchichtfchreibung, welcher 
das Erbtheil engliſcher Kraft, bie lichtvoll Klarheit des ſchot⸗ 


1) Zuerſt 1671. Ein Abdruck findet ſich in (Kennet) A ıcom- 
Plte history of England. T. I. fol. 1706. 


2) London 1747 — 55. 4 Vol. fol. 


LXKIV giterarifhr Einleitung. 


“tifchen Denkers und die leichte Anmuth des Landes feiner gei- 
fligen Ausbildung, des von ihm vielgeltebten Frankreichs, in fich 
vereinigte: fo find in. diefem unferm Lobe auch ſchon die Gründe 
niebergelegt, weshalb Hume, dem e8 anfänglich nur um bie Ge- 
fchichte der englifchen Revolution zu thun war, von welcer er 
feine hiftorifchen Arbeiten erfi in fpdteren Jahren auf die Anfänge 
ber englifchen Gefchichte zurüdführte '), dem Mittelalter nicht Bes 
Heifterung oder auch nur Miltond Fleiß zuwenden konnte. 
Kein Wunder alfo, wenn Gibbon bei feinen vielumfaffenden 
Studien, an Scharffinn und Combinationdgabe feinem großen: 
Zeitgenofien gleich, in den feinem Lebenswerke beiläufig einge- 
fchalteten Nachrichten über die Angelfachfen Yehrreicher ift als 
Hume. Nach diefen. Beiden ift noch ein anderer Stern erfter 
Größe am britifchen Horizonte zu nennen, doch beinahe nur- 
und' noch mehr wie bei Milton, um an ein wenig beachtetes | 
Merk defjelben zu erinnern. Edmund Burke fchrieb ein abrid- 
gement of english history, welches er bis zum J. 1216 
fortführte. Verdienſtlich in demſelben ift die vechtögefchichtliche 
Behandlung der angelfähhfifchen Geſchichte. Da diefes Werk, 
vermuthlich eine Arbeit früherer Sahre, erft nach feinem Tode 
gebrudt wurbe”), fo dürfen wir wohl annehmen, daß, wenn 
der talentvolfte unter den britifchen Staatsmaͤnnern fich em: 
fler mit diefem Gegenftande befchäftigt hätte, auch England 
ein Werk befigen Fönnte, gleich denen, durch welche jene benei- 
benöwertheften. Staaten des Alterthums und jene wunderbare 
Erneuerung des perikleifchen Athens, die Zofeanenflabt, in 
ewig jugendlichen: Farben vor dem bemundernden Auge ber 
Nachwelt ftehn. 

Wohl moͤchte es ſcheinen ald ob gezeigt werben follte, 
daß die größten Geiſter eines der Freiheit ergebenen Volks 
zum Studium feiner Gefchichte ſich unwiderſtehlich hingezogen 
fühlen, wenn bier noch der Geſchithte Englands durch Sir 
James Madintofh, den anfcheinenden Gegner, aber in Wahr⸗ 
heit das Geiftesfind des großen Burke, gebacht wird. Das 


1) Die Geſchichte der Stuarts erfchien 1755, die der Tudors 1759, 
die ber frühern Zeit einige Jahre fpäter. 
2) In der Sammlung feiner Werke. Ausgabe vom 3. 1812. 8. 
Vol. X, ’ 


Literariſche Einleitung. LXXV 


Studium der Philoſophie und der Rechte Curopas und Aſiens, 
ein hohes Richteramt zu Calcutta, ein wahrhaft bedeutender 
Antheil an der europaͤiſchen Politik durch Erzeugung und Ver⸗ 
breitung der ſchaffenden, foͤrdernden, weiterbildenden Gedan⸗ 
ken im innern Nationalleben, ſowie der ruͤckblickenden, erhal⸗ 
tenden, grundſtuͤtzenden in dem Voͤlkerrechte und Staaten⸗ 
ſyſteme beider Hemiſphaͤren, die Gunſt der leichtſcherzenden 
Mufen, die anerkannte Meiſterſchaft edler, anmuthiger Hoffitte, 
der viel empfangende, doc nicht minder fpendende Verkehr 
mit den vorzüglichften Beitgenoffen, alles dieſes, mehr ald Sir 
Balter Raleigh und der große Baco umfafiten, genuͤgte dem 
Sohne eines duͤrftigen Schotten nicht, und felbft die dem von 
eigenem Zeuer fletd glühenden Genius ſchwer zu uͤberwindende 
Abneigung gegen mühfames Verarbeiten gegebener roher 
- Stoffe hielt den feltenen Mann nicht ab feit vielen Jahren 
an einer Geihichte Englands zu arbeiten, welcher die Zeitge⸗ 
noffen fchon im voraus den Lorbeerfranz willig zuerfannten. 
Kränklichkeit und der Druck des unwilllommenen Alterd bes 
wogen Madintofh den Plan feines Werkes einzufchränten; das 
was er noch geglaubt liefern zu können, unterbrach der Tod. 
Des Vortrefflihen unter dem Geleifteten wird fpdter noch ges 
dacht. werden koͤnnen; für‘ den kurzen Abfchnitt ber angelfäch- 
fiichen Geſchichte darf das Lob geiftvoller und richtiger Auf⸗ 
- faffung fowie würdiger Darftellung genügen. 

Würde Mackintoſh aber bei rüfligeren Kräften nicht mehr 
geleitet haben? Geftehen wir es offen; nicht ex konnte, Fein 
anderer gleichbegabter Dann kann in unferen Tagen der Ab⸗ 
fafiung eines vollendeten Gefchichtöwerkos Uber das Mittelalter 
genügen; am wenigften in England, wo ber Sefchichtöquellen 

1wmaͤhlige neu hervorſprudeln, wo die Wünfchelruthe auf mans 
B ken tiefliegenden Hort fich hinneigt, ohne ihn bereits getzofe 
= | fen zu haben. Es werben noch Generationen vergehn, bis als 
e | lea diefee Stoff georbnet und vertheilt fein wird, um von dem 
5 | Reiter dereinft gebeutet werben zu Finnen. Der germanifche 
a, elsfkamm muß feine alten Sagen, feine alte Sprache, fein 
. Mb Recht durch Alterthumsforſcher, Sprachkundige, Rechts⸗ 
s  Süniker erſt beſſer -ergelinbet haben, che über viele ber wich⸗ 
tigten Öragen eine nmerſchutteriche Auslunft ertheilt werden 


Lxxvı Literarifche. Einleitung. 


kam; die Gefehichte des einen Staates wird ohne gleichmäßi: 
ges Fortfchreiten derer der Nachbarftaaten luͤckenhaft bleiben. 
Der fchwierige Beruf des heutigen Gefchichtäforfcherd, welcher 
zahlloſe, nach allen Seiten hin in Einzelbeiten zerfplitternde 
und oft fernliegende Unterfuchungen erforbert, verträgt fich gar 
wenig mit dem bed Gefchichtichreiberd im hoͤchſten Sinne, der 
auch von dem Leben gelernt haben foll, und durdy und fir 
die Gegenwart die Vergangenheit verftehen will. Dennoch be: 
darf die Gefchichte einer oft erneuerten Geſtaltung, fowohl um 
die Fortichritte der Forſchungen fich anzueignen und ihnen das 
echte Licht und ihren Werth zu verleihen, als auch we⸗ 
gen des ſtets wandelbaren, unentwidelten Bebürfniffes 
dee Gegenwart. Der Darſteller vergangener Zeiten, dies 
ſes Berufes eingedent, wird daher nicht immer apodiktiſche 
Gewißheit geben wollen, er: wird ‚vielmehr oft auf die Luͤcken 
unferer Gefchichtöfenntniffe aufmerkſam machen und felbft viel 
durch eine klare Überficht der anfcheinend verloren gegangenen. 
Gefchichte gewinnen; er. wird ben Leſer nicht zum traͤgen Auf⸗ 
faſſen bed Niedergelegten einwiegen, ſondern häufig in feine 
unterſuchungen hineinziehen muͤſſen; er wird, wenn er ſich als 
den ruͤckwaͤrts gekehrten Propheten betrachtet, feiner wohler: 
wogenen Ausfprüche Deutung oft dem verfländigen, vieleicht 
begabteren ober glüdlicheren Forſcher überlaffen. 
Diefer ehrenwerthen Forſcher in den altenglifchen Se 
fehichten bleiben noch einige zu erwähnen. Zuvoͤrderſt Whit⸗ 
aker, welcher in dem Rahmen einer Gefchichte der Stadt Mans 
hefter eine fehr grundliche Gefchichte Englands unter den Roͤ⸗ 
mern lieferte‘). in ähnliches Werk ift feine genuine his- 
‚ tory of the Britons asserted against M. Macpherson ?), 
In dem fehr geſchaͤtzten Werke des Dr. Robert Henry, eines 
fchottifchen Geiftlichen, history of Great Britain ’) ift bie 
zömifche :Periobe mit Vorliebe und Erfolg gearbeitet; um bie 
angelfächfifche zu loben, muß man auf bie Vorgänger zuric⸗ 
geblickt haben. 


1) 2de edit. corrected. London 1778. 2 Vol. 8. j 

2) Gleichfalls 2de edit. London 1778, 
5) History of Great Britain. 6 Vol. Edinburgh 1771— 179. 4. 
oft wieber aufgelegt und in Auszüge verarbeitet. 


Literarifhe Einleitung. LXXVII 


An die ebengenannten Schriftſteller, ſowie Carte, ſchloß 
ſich unſer Landsmann M. C. Sprengel in ſeiner bis zum J. 
1207 fortgeſetzten Geſchichte Großbritanniens an, ber jedoch 
viele Quellen: und, andere Huͤlfsmittel ſelbſt mit Sorgfalt 
benutzte. 


Unvergefflihe Verdienſte um die Geſchichte der Angel 


fachfen bat fich Sharon Zurmer erworben '), befonders durch fies 
feres Eingehn auf ihren Culturſtand, unbefangenes Stubium ber 
walifiichen Literatur und Benugung vieler ungebrudten Hand⸗ 
fchriften. Freilich iſt diefe ſehr verbienftnolle Materialienfamnt- 
lung mit vielen unnöthigen Abfchweifungen beladen, und ber 
Berfaffer bat oft lieber Vieles gegeben ald mit Kritif die 
Nachrichten gefichtet. 

Lingardd Darffellung der angelfächfifchen Gefchichte zeich- 
net fich durch befonnene Anordnung fowie Klarheit und Buͤn⸗ 
digkeit des Vortraged aus; doch hat er hier gewöhnlich 
die von feinen legten Vorgängern erwiefenen Thatfachen wies 
dergegeben und nur in feltenen Füllen, wo Katholicifmus ihn 
zum Widerfpruche gegen einige engherzige Anfichten des eng- 
liſchen Proteftantiimus veranlaflt, felbftändige . und neue For: 
ſchungen geliefert. 

Dem gebliebenen Beduͤrfniſſe hat das kuͤrzlich erſchienene 
Werk von (Sir) Francis Palgrave zum Theil abzuhelfen ſich 
mit vielem Erfolge bemüht ?). Die politiſchen Inſtitutionen der 
Angelfachfen find von ihm mit vielem Scharffinne erörtert, und. 
eine fehr ſchaͤtzbare chronologifche Überficht der Gefchichte der 
angelfächfifchen größeren Staaten und Pleinern Provinzen iſt 
aus dem Befunde vieler für diefen Zweck unbenugten Quellen 
gegeben. Wohl fiheint er und in ber Anwendung mancher 
modernen hifforifchen Hypothefen, namentlich in der Ableitung 


mancher hiflorifchen Erfcheinungen aus roͤmiſchen Elementen, 


m Beziehung auf England zu weit zu gehn. Unfer Buch von 
den Angelfachfen trägt Beweife genug in fich, wie mannichfache 


i) History of the Anglosaxons. Zuerft 1799 — 1805. Die fünfte 
Iufloge ift zu London 1828. 8. 8 Vol. erfchienen. 


9) The rise and progress of the english commonwealth. Anglo- 
“sa period, ‚By Francis Palgrave, II Parts. London 1832. 4. 





LXXVIII giterarifche Einleitung. 


Belehrung wir biefem, Fenntnißreichen Forſcher verbanken, 

. „gleich manche der Hauptgedanten befielben, wenn aud Re 
tgte feiner eigenen Wahrnehmungen, von ums nicht als 
anerkannt, fondern als ein verjährtes Gemeingut der vo) 
und rechtöhiftorifchen Forſcher des Zefllandes angefprochen n 
ben müffen. Palgrave hat auch unlängft in einem, urfprü 
ih für das jugendliche Alter berechneten, gebiegenen, bu 
Landkarten und andere Abbildungen finnig ausgeftatteten Bi 
lein eine die Nefultate feiner Forſchungen einfchliefiende ( 
fhichte der Angelfachfen ') herausgegeben. 


1) History of England. Vol. I. Anglosaxon period by F. P: 
grave. London 1831, bildet Vol. XXL der Family Library. 


Erſte Abtheilung 
Britannien vor und unter den Römern, 


— 


2 


d. öltefte Kunde feines Daſeins ‘verdankt Britannien dem 


Streben nady dem Welthandel, für umb durch welchen dieſes 
Land felbft dereinft fo groß werden follte. Über ein Jahrtau⸗ 
ſend vor der Geburt U. H. hatten bie‘ Phönizier Gades und 
Iarkffus gegrlmdet, deren muthige Sthiffer wir in der Nebel⸗ 
gehalt jener fernen Zeiten erbliden, nachdem das Zinn an den 
Kiſten Spaniens weniger ergiebig befunden wurde, dieſes Me⸗ 
tal nach langſamer Kuͤſtenfahrt von vier Monaten aus den 
Imſeln holend, welche Herodot als die Kaſſiteriden oder 


Ye Inſeln, in denen der Kaſſiteros, das Zinn, waͤchſt, ber 


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Kühne, umd welche jebt den Namen der Scilly⸗ oder Sorlins 
gue:Infeln führen”), Herodot Fonnte, ob er gleich in Tyrus 
nachforſchte, die Lage diefer Inſeln nicht erfahren und hat den 
Kamen Britanniens noch nicht erwaͤhnt. Wahrſcheinlich ſind 
Ne Phoͤnizier von ihrer eigenen Kuͤſte aus nie unmittelbar nach 
men Inſeln gefahren, wenngleich der auf fpäte Zeiten tiber: 
iferte Name des Mannes, welcher zuerft von benfelben das 
Ann heimbrachte, Midacıitos >), ein phoͤniziſcher zu ſein ſcheint. 


N Lib. II. cap. 115,. Er ſchrieb zwiſchen 425 und. 408. | 

2) Cambden Britannia pag. 1112. Qgl. Heerens Idan I. 191; 
Brdmann Geſchichte der Erfindungen IV. &. 397. -: ni 

9) Plin. hist. nat. I. VII. c. 56. Es ift.£ein Grund bernd, 
bifen Ramen in Midas Phrygius zu. verwandeln. 
Eoppenberg’s Geſchichte Englands J. 4 


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2 Erſte Abtheilung. 


Britannien nennt zuerft ‚Ariftoteles ') mit der Angabe, Daß es 
beide Inſeln Albion und Ierne umfaſſe. In den Zagen 
feiner Jugend hatte der Garthaginenfer Himilko, von feinem 
Staate auf eine Entdedungdreife gefandt (zwifchen d. 3: 362— 
350), andere Binninfeln, er nennt fie Sſtrymnides, neben Al⸗ 
bion und. zwei Tagereifen von Jerne?) — Kleine Infeln in der 
Bay St. ⸗Michaels Mount, nördlich von Cap Lizard an der 
Kuͤſte von Cornwales — gefunden ?), ſowie einige Jahre nach 
ihm auch der Buͤrger der beruͤhmten Pflanzſtadt der Phokaͤer, 
der Maſſilier Pytheas (330— 320), deſſen Tagebuch in 
den von Strabo und anderen alten Schriftſtellern aufbewahr⸗ 
ten geringen Bruchſtuͤcken die aͤlteſten Nachrichten uͤber die Be⸗ 
wohner dieſer Inſeln uns erhalten hat‘). Die Maſſilier und 
Narbonner verfolgten fchon früh auf einem Landwege zu der 
Mordküfte Galliend °) den Tauſchhandel auf der Inſel Ictis 
(Wight oder Mont, St.» Michel) ). umd den britiſchen Küften. 
Diefer älteftle Handel wurde gleichfalld wegen beö dem Alter: 
thume fo fehr wichtigen. Zinnes fowie auch wegen des Bleies 
betrieben. Die Seefahrer dehnten denjelben auch auf, einige 


andere Srjeugniffe dieſes Landes aus, auf Sclaven , Häute, 


- 1) De mundo cap. 3. Irland unter dem Samen Jernis erwähnt 
auch der Dichter der dem Orpheus zugefchriebenen Argonautica V. 1179. 


. 9 Über biefe geographiiche Beflimmung f. im Metropolitan 1832 

January. 
5 ) Bruchſtuͤcke ſeines im fuͤnften Jahrhunderte nach C. G. vorhan⸗ 
denen Tagebuches befitzen wir in dem Gedichte des Feſtus Avienus: Ora 
maritima. Benn, wie Ulert und I. Lelewel (Entdedungen ber Gar: 
thager und Griechen auf dem atlantifchen Dcean) annehmen, Himilko 
in. bie Mitte des fünften Jahrhunderts zu feßen ift, fo wirb ben Phös 
niciern die Ehre der Entdeckung Britanniens ab⸗ und erft den Cartha: 
gern zuzufprechen fein. 

- 4) Murray de Pythea Massiliensi in Nov. Commentat. Got- 
Ä ling. T. .. 

5) Plinius, 

6) Für bie erftere Erklaͤrung ſpricht bie genaue übereinſtimmung 
ber Namen; für ketzteres ber wichtigere Umftand, daß auf dieſelben Dio⸗ 
dor’8 Angabe (8. V.) allein pafit, daß zur Fluthzeit fie als Infel, zur 
Zeit der Ebbe als Halbinfel erſcheinen, ſowie auch bie Ri des eigene 
lichen britiſchen Zinnlandes Cornwalet 


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— 


Britannien vor und unter den Römern. 3 


treffliche Jagdhunde, deren die Kelten ſich im Kriege bedienten. 


Britifches Schiffsbauholz diente dem Archimedes (+ 212) u 
dem Mafte des größten Kriegsſchiffes, welches er zu Syracus 


verfertigen ließ. Gold und Silber follen dort gefunden fein; 


eine untergeorbnete Gattung Perlen ift dafelbft noch vorhanden. | 


Den Griechen wurben diefes Land und feine Metalle bald ein 
Segenftand wifjenfchaftlicher Forfhung, wie ein Werk des Pos 
lybius über diefelben beweift, deffen Verluft Derjenige ſchmerz⸗ 
baft empfinden muß, welcher die richtige Auffaffungdgabe und 
den Scharffinn dieſes Gefchichtfchreibers erkannt hat. 

Die Römer wurden mit Britannien erft durch. ihr Stre⸗ 
ben nach der MWeltherrfchaft bekannt. Scipio hatte, ald er. bie 


Kaufleute aus den drei ausgezeichnetften celtifchen Städten, Maſ⸗ 
ſilia, Narbo und Corbilo, Tber Britannien befragte, Feine bes 


Vehrende Antwort erhalten. Publius Craſſus ) wird uns als der 
erfte Römer genannt, welcher die Kaffiteriden befuchte. Die Maͤn⸗ 
gel des dortigen Bergbaues bemerkend, foll er den Einwohnern. 
bie Kunſt gezeigt haben, durch tieferes Graben mehr Zinn zu 


gewinnen. Vielleicht iſt er der roͤmiſche Legat dieſes Namens, 
welcher auf Caͤſars Geheiß die Beſiegung der dem britiſchen 


Meere anwohnenden galliſchen Völker vollfuͤhrt hatte?). 

Durch Caͤſars Eroberung des ſuͤdlichen Englands und die 
ſpaͤter durch die roͤmiſchen Kaiſer ausgedehnte Herrſchaft in 
dieſem Lande iſt es uns erſt moͤglich geworden ein Bild deſſel⸗ 
ben darzuſtellen. Wohl durfte den Griechen und Römern die 
Söttin des Krieges und der Wiffenfchaft in Einer Geftalt er: 
fcheinen; die macedonifchen und römifchen Schwerter haben 
dem Alterthume die Grenzen der Erde und Geſchichtskunde feſt⸗ 
geſteckt. Freilich iſt jenes Bild Britanniens ein fehr dunkles 
und bedarf gar fehr des zuruͤckſchlagenden Lichtes neuerer wiſ⸗ 


ſerſchaftlichen Forſchungen. Dem Strabo, ſowie Caͤſar und Pto⸗ 


lemaͤus, iſt ſogar die Geſtalt und die gegenſeitige Lage der 
beitiigen Inſein durchaus undeutlich geblieben. Jenem liegt 
Stand ganz im Norden von England und Schottland; den 


—* Strabo m. p. 175. Lingard nennt ihn irrthuͤmlich Lucius 
us. 


2) Caesar de bello gallico l. II. c. 34. 
q* 


4 Erſte Abtheilung. 


Letzteren erſcheinen die Nordkuͤſten Irlands und Schottlands in 

derfelben nördlichen Breite ). Diefe Bellimmungen haben 
zahlloſe Miöverfländniffe in den Beflimmungen der nach dem 
Grade der Länge und Breite angegebenen Gegenden und Voͤl⸗ 
kerſtaͤmme veranlafien müfjen. Die Kunde von den Einwoh⸗ 
nern -ift aber durch den Umſtand fehr erfchwert, daß ſich in 
den Infeln und thren verfchiedenen Diftricten fehr verfchiedene 
Grade der Gultur vorfinden, welche von den Schriftftellern im 
entgegengefesteften Sinne zu allgemein verftanden find. Die 
Bewohner ber Kafliteriden, deren Lage noch Strabo nahe bei 
Gallicien ſucht und deren Eriftenz fogar von Plinius ?) bezwei: 
felt ift, find von Pytheas faft mit denfelben Worten gefchil: 
- dert, wie an anderen Stellen die Sherier. Sie trieben neben 
einem Eunftlofen Bergbau Viehzucht und taufchten Zinn, Blei und 
Felle gegen Salz, Töpfer: und Erz⸗Waaren von den Kaufleuten 
ein. Man fah fie mit langen Bärten, gleich Böden, in dunkeln, 
auf die Zerfen herabfallenden und um die Bruft gefchloffenen 
Kleidern und auf Stöde geftüßt auf ihren zehn Infeln umher: 
ſchweifen. Es iſt nicht unwahrfcheinlich, Daß diefe Nachrichten 
auch auf das nächfigelegene zinnreiche Küftenland Cornwallis, 
vielleicht felbft auf den Stamm der Siluren in Suͤdwales aus⸗ 
zubehnen find; ungewiß aber, ob wir in jenen Bergleuten ibe: 
rifche Anfiebler ’) oder eine uralte heimifche Bevölkerung, iden- 


| 1) Hierüber f. die trefflichen Erörterungen Manrert’s in feiner 

Geographie der Griechen und Römer. Abth. Britannia. Die Zeichnung 
bes Ptolemäus hat noch der Globus gu Nürnberg v. 3. 15205 in ber 
Überlinfhen Ausgabe des Ptolemäus erfcheint Britannien zuerft in auf: 
rechtſtehender Form. 

‘2) Hist. natural. 1. XXXIV. c. 6. Waren dieſe Inſeln vorhanden 

und nicht lediglich eine Erfindung gaditaniſcher Schiffer, um ihre Re 
benbuhler im Handel zu Irrfahrten auf dem weiten Meere zu verführen, 
fo Eönnen ‚fie nur bei dem Zinnlande Gornwalis gefucht werden. ‚Die 
Untunde und das Stillſchweigen fpäterer Schriftfteller über diefelben 
mag dadurch erklärt werben, daß ber befchwerlihe Seeweg nach dem 
Auftommen bes gaflifchen Landweges vergeffen wurde. 

: 3) Agricola c. 11.. Die Meinung des Tacitus iſt fehr ans 
gefochten, weil man fie auf alle Britannier bezog. Auch Dionyfius 
Periegetes 8. 563 erklärte die Einwohner der Kaffiteriden für Nach⸗ 
kommen ber Soerier. ber die Verfchiedenhgit der iberiſchen von den alt⸗ 


Britannien vol und unter den Römern. | 5 


tifh mit der des Ubrigen. England, erkennen bürfen. Die 
Küftenfahrt, wenngleich auf kleinen, von Weiden geflochtenen 
und mit Leder Überzogenen Booten, war ſchon längft fehr be 
lebt gewefen 5; die Metalle wurden zur Infel Wight gebracht, 
und ein. folcher die eigene Thaͤtigkeit weckender Handel hatte 
lingft die Bewohner der Suͤdkuͤſte Englands regſam, beleh> 
sungöfählg, den fremden Säften freundlich gemacht. Doc 
fhlummerte ihr Geift in einer an den heimifchen Boden gefefs 
felten Befangenheit, bis, durch das Misgeſchick des ungerechte⸗ 
fien feindlichen Uberfalls, aus einem nicht zu Europa gerechne: 
ten?), nur wenigen fühnen Schiffern bekannten Lande der bri⸗ 
tiſchen Barbaren eine mit dem roͤmiſchen Kaiſerſtaate engver⸗ 
knupfte Provinz und zulegt derjenige Staat geworden ift, wels 
cher mehr als irgend ein anderer im europäifchen Staatenbunde, 
nicht nur Diefem, fondern auch den erft nach vielen Jahrhun⸗ 
derten entdeckten Ländern und Welttheilen den Stempel feines 
Charakters ımd feiner Einrichtungen aufgebrüdt bat. 

Die Bewohner Englands gehörten, mit etwaiger Aus: 
nahme der obengedachten, vielleicht iberifchen, Golonien, zu 
demfelben großen Völfergefchlechte, welches wir in Gallien und 
Belgien finden und das gewöhnlich den Namen der Celten 
führt. Eine Verfchiedenheit des nördlichen und des füblichen 
Stammes anzunehmen und jenen wegen feines ftarfen Glieder: 
baues und der rothen Haare mit Zacitus für germanifchen Ur: 


hyrungs zu halten, find wir durch andere Nachrichten nicht bes 


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fügt. Die befonders in Wales und in der Bretagne noch fort: 
lebende Sprache, fowie ber Druidendienft, welcher in chrifllicher 
Metamorphoſe noch bis zu fpdten Tagen in Wales beftand und 
dem Lande Kraft zu taufendjährigem Widerftande gegen bie 
englifchen Herrfcher verlieh, find es, welche die hauptfächlichften 


heitifchen Sprachen ſ. W. v. Humboldt Prüfung ber Unterfuchungen 
über die Urbewohner Hiſpaniens vermittelft der vaſtiſchen Sprache. 
6. 168 fg. 

1) Plin. hist. natur. L IV. c. 16. 1. VII. c. 56. Dieſelben 
Sthiffe finden wir ſpãter noch bei ben ſaͤchſtſchen Seeraͤubern. Isidor. 
wie. . XIX. 

2) Rod — ſpricht von Wight und anderen Infeln, welche 
wiſchen Europa und Britannien liegen. 


— 


6 Erſte Abtheilung. 


Kennzeichen dieſes großen Stammes bilden und welche als 
das Geiſtige an ihm am laͤngſten ſich erhalten haben. Wir 
duͤrfen daher von keiner Seite ſo viele Belehrung uͤber die 
aͤlteſte Geſchichte dieſes Stammes dereinſt erwarten, als durch 
die wiſſenſchaftlichen Bemuͤhungen der Walliſer um die uralte 
Nationalliteratur ihres Volkes, welche jedoch biöher nur in 
wenigen Puncten zu ganz entfihiebenen Refultaten geführt haben. 
Mit den unter ſich näher verwandten Dialeften von Wa⸗ 
les und Bretagne find, unter fich verfchwiftert, Die gallifche 
Sprache Ealedoniens und die erfifche Irlands als ein gemeins 
ſamer Sprahflamm anerkannt. Die Grammatik diefer Spra⸗ 
chen ift genau erforfcht. Die Klänge der Harfe Oſſians, ent- 
ſttellt, verfälfcht wie fie aus mehr als taufenbjährigem Schlum⸗ 
mer erwacht, das ganze ftaunende Europa durchdrangen, ha⸗ 
ben felbft in dem einer unerhörten Verzerrung bed poetifchen 
Geſchmackes fowie Tabyrinthifcher Verwirrung und gefährlichfter 
Ausartung aller urfprünglichen bürgerlichen Einrichtungen hin⸗ 
gegebenen Welttheile in den Herzen der Befjeren einen filber- 
reinen Widerhall erweckt, befien Begeifterung auch jenfeit bes 
Oceans in den wieberaufgefundenen poetifhen Naturflängen 
‚wie in den ſich auöbildenden Verfaſſungsgrundſaͤtzen forttönet, 
während zugleich die Sprache des Barden, das vergeffene Erb⸗ 
theil dürftiger Hirten, feitbem in der Vergeiftigung wiffenfchafts 
licher Forfchung das wichtigfte Zeugniß über einen der größten 
Voͤlkerſtaͤmme Europas geworden if. So führt der ficherfte 
Stab, welcher der Wiffenfchaft verliehen ift, der unvergäng- 
lichſte Befig des flerblichen Menfchen, der Nachhall des reinen 
Odem Gottes, ihn durch viele Sahrtaufende verfchollener Vor⸗ 
zeiten, bringt die Einheit zahllofer Voͤlkerſtaͤmme big an bie 
Schmelle feiner Sinne, und läfft ihn das geifligfte Geheimniß 
ahnen, wie der Gedanke belebender Ton, der Geift Fleifch ward. 
Die britifche Volksſage darf der Gefchichtfchreiber  unferer 
Zage, nach der Urgefchichte diefes Stammes gefragt, nur leiſe 
berühren. Auch fie, gleich der Stammfage anderer europätfcher 
Völker, erfcheint nur in jener roͤmiſchen Zerrmaſke, welche bei 
dem abendlichen Nachleuchten ber untergegangenen römifchen 
Sonne in der ihren eigenen Stern miöfennenden neuen Welt 
ſich bildete. Führt auch jeder Fingerzeig alter Sagen. und mit 


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Britannien vor und unter ben Römern. 7 


Recht nach dem Orient, fo. haben. doch die Dichtungen von 
Zrojad Untergange und der Slucht des Brufus, eine6 Urenkels 
des Aneas, nach Britannien ') in den Übertuͤnchungen unnafios 
naler Verbildung, in welcher wir fie jegt allein Eennen, jeden 
bifterifchen Gehalt verloren und. die abgeflachte Hieroglyphe 
fcheint und retilingölos verloren... Die eitin Briten wuflten 
nichts Beſſeres, als fich mit dem abgebleichten, werthlofen Flit⸗ 
terflante der Hauptſtadt zu. ſchmuͤcken und die fabelhafte Stamm⸗ 
ſage Roms auch ſich anzueignen. 

Der Name, welchen die Waliſer ſich noch heute geben, 
Kymri ober Cumri, derjenige der nordweſtlichen Provinz Cum⸗ 
berland, die Übereinftiimmung der Worte, welche uns aus ber 
Sprache der alten Kimmerier ober Cimbrer erhalten find, mit 
dem Waliſiſchen, die Sagen der welfchen Zriaden, fowie bie 
roͤmiſchen Nachrichten, berechtigen und anzunehmen, daß der 
Bolköftamm, welchen wir in England zu Caͤſars Zeiten vorfins 
den, jenen von Weſtaſien fi) allmaͤlig fortbewegenden Kimme- 
riern angehört habe. Doc das Dunkel, "welches den Namen 
jenes Volles trägt, bebedt die. Zeit ihrer Einwanderung; wir 
erfennen indefin aus dem fpäteren Hergange, daß. fie. lange 
vor Caͤſar gefchah. Hu der Starke (Hm Cadarn), fagen die 
walififchen Triaden, führte dad Wolf der Eymri aus dem Lande 
des Sommers, Deffrobani, wo Konftantinopel iſt, über das 
Rebelmeer (dem beutfchen Dcean) nach ber unbewohnten Infel 
Britannien und nach Llydaw (Armorica, Bretagne), wo fie 
fh nieberlieffen. Sie. befreiten das Land, welches früher Clas 
Merddin, das Land ber Seeklippen und nachher Tel Theis, 
Vie Infel des Honigs hieß, von der Herrfchaft der Bären, 

Völfe und Auerochfen. Prydain, der Sohn Add des Großen, 
ward Herrfcher des Landes, dem er durch‘ weiſes Regiment 
fen ſaturniſches Zeitalter verſchaffte und welches feinen Namen 
behielt. Später follen. noch Zuͤge von Aoegrwys aus Swatgwy 


1) Das aiteſte Zeugniß uͤber dieſe Sage gibt ein Moͤnch iu Ban 
gr, Rennius, welder fie aus’ alten Schriften der Worfahren berich⸗ 
tete. Einige Sahrhunderte neuer ift Galfrid von Monmouth, fowie 
bad Gedicht des Robert Wace, le Brut d’Angleterre, Der Verbin⸗ 
bung ber Sage von ber Abftammung ber preuſſen von Brutus mit der 
beitiſchen bleibt noch nachzuſpuͤren. 





8 Bu Erſte Abtheilung. 


Gaſcogne) und Brythonen aus Llydaw zu ihren Stammge⸗ 
noſſen auf der Inſel gegangen ſein und in deren ſuͤdoͤſtlichen 
Gegenden ſich angeſiedelt haben '). - 

Die Sprache der Briten fand fi, wenn anders Taci⸗ 
tus?) dieſe Studien fo ergruͤndet hat wie die Tiefen des 
menſchlichen Herzens, bei den Aſtyonen am baltiſchen Meere 
wieder, jenem Meere, deſſen weſtlichen Anwohnern noch lange 
der Name der Cimbern verblieben iſt. Das britanniſche Haide⸗ 
land an der Ems ſcheint dieſen uralten Namen demſelben cim⸗ 
briſchen Stamme zu verdanken. In Gallia Belgica, zwiſchen 
Boulogne und Amiens, weilte ein Volk, welches den Namen 
Britanni führte’); ein frühes Beiſpiel des ſteten Wechſelver⸗ 
kehrs zwiſchen beiden Ufern und ein auffallender Beleg, wie 
wenig ſelbſt die groͤßte Waſſerſcheide, eine ſo bequeme Begren⸗ 
zung ſie fuͤr manchen Staatszweck auch bildet, Nationen zu 
trennen vermag, waͤhrend ſelbſt ein kleines Gebirge fowie - 
den Schnee und den Wein, fo bie verfchiedenften Sprachen 
und Sitten in der Entfernung von wenig Schritten jedes auf 
feiner Seite unwandelbar erhält. Daß das engliiche Küften- 
vol? der Belgen aus dem: Belgien des Feſtlandes herüberge: 
Tommen fei, fagt ſchon Cäfar*), welcher die- Sage. von den 
im innern Lande wohnenden Autochthonen — alſo den Albios 
nen, deren Namen wir noch in dem der fchottifchen Hochlande, 


Alpin, Albany, finden — berichtet. Wir' finden bier die ältefte 
‚genaue Kunde von Wanderungen der nördlichen. Völker und 


bürfen, da wir unter dieſem Namen nur unfere engbegrenzte 
Kenntniß jener Erfcheinung zu begreifen gewohnt find, in Bri⸗ 
tannien die erften Thaten der Völkerwanderung fehen, wie nach 
mehr als einem Jahrtauſend diefe mit der Schlacht bei Haflings 
und den Siegen der Normannen dort endete. Aber auffer. ben 
Belgen waren in bem ſtark bevoͤlkerten England noch die Atra⸗ 
baten an der Themſe, die Genemani am Stour und die Paris 


fer am Humber, deren Berwandtichaft mit den gallſchen Voͤl⸗ 


1) Ärchaeology of Wales. 

. 2) Germania c. 45, 
3) Plin. hist, natur. 1. IV. c. 17. 
#) De bello gallico V. 12, 


\ 


Britannien vor und unter ben Römern. 9 


fern gleiches Namens keinem Bweifel unterliegen kann, fowie 
bie Ortönamen, beſonders deren celtifche Endung danum, bie 
Identitaͤt beider Völker nicht minder darthun. . 

Diefer Zuſtand ber Bevölkerung bezeichnet uns: Deutlich 
ben Kreid der Nationen,’ welchem-England zugehörte,. ald Caͤ⸗ 
fard Zuß defjen Ufer betrat und dadurch die Schiffernachrichten 
von den Binninfeln verfchollen,.. cimbrifche Vergeſſenheit für 
Britannien aufhörte und das durch römische Waffen der Cultur 
erlämpfte Britannien feinen  erften Gefchichtfchreiber in demjeni⸗ 
gen Manne zu finden das feltene Gluͤck hatte, für deffen Wiß⸗ 
begierde, Scharffinn und Herrſchergabe weder die Wiſſenſchaft 
noch die Welt zu groß waren. 

Jenes britiſch⸗ galliſche Volk, welches der Canal nicht 
geiſtig trennte, wurde noch durch den gemeinfchaftlichen Dienft 
der Druiden enger zufammengehalten. Die wichtige Nachricht 
Coaͤſars, daß die Gallier, obgleich fie im Allgemeinen eine hoͤ⸗ 
bere Bildung ald die Briten befaßen, bei den Druiden der 
Lebteren tiefere Kenntniß zu fuchen pflegten, lafit, verbunden 
mit der Angabe deflelben Beobachterd über die ſtarke Anzahl 
der britifchen Bevölferung, auf ‚gefchehene Auswanderungen 
von dem nörblichen nach dem von ihren Landsleuten langſam 
md theilweife eroberten füdlichen Lande fchlieffen. Die vielen 
Myfterien der Druidenlehre find und um fo dunkler, da die 
Überlieferung von denfelben nicht auf ‘den Alteften Quellen be⸗ 

wiht, fondern vielmehr aus Zeiten auf uns gelangt ift, wo bie 
ernſte, religiöfe Bedeutung bed Druidenthumes dem reineren 

\ Chriftenthume gewichen war und bie entheiligten Geheimlehren " 

der Druiden wiffenfchaftlichen, patriotifchen, oft auch unlau= 

| team Zwecken untergeordnet wurden. Die Nachrichten über den - 

berdifchen Ochfenftall, den Keffelorden und aͤhnliche Traditionen 

der Waliſer find und entweder unverfländlich oder ohne hiſtori⸗ 

Ihen Gehalt. Die Einfachheit der alten Denkmäler des briti⸗ 





» 


' Wen Staubens, die Cromlechs, einige mit einem großen Steine 
bodeckte Pfeiler, Cairs (concentrifche Kreife von Steinen), 
. Bagfteine, Carns (Steinhuͤgel mit Erbe überworfen) u. 0. m. 
dem unzählige fich dem Alterthumsforfcher in bem Weſten 
und den anderen britiſchen Infeln noch heute zeigen, 

doauen auf geringe Ausbildung des aͤuſſeren Gottesdienſtes hin, 


mn. 


10 | Erfie Absheilung. 


wenn fie: gleich bewähren, daß die größte Anflsengung der pbys 


fifchen und mechanifchen Kräfte den Göttern geweiht war’). 
Der Zolgezeit find jene Stätten. der alten Glaubensverehrung 
oft dadurch wichtig geworben, daß fie dem chriftlichen Cultus 


geweiht wurden, was in England um fo häufiger geſchehen 


fein mag, da der Einführung des Chriſtenthumes durch das 


Druidenthum Fein hartnädiger Widerfland entgegengefegt wurde. " 


Vom Gebrauche von Gögenbildern findet: fih bet. ihnen Feine 
Spur. Über die Glaubendlehre und die Kenntriſſe der wel: 
lichen Braminen erfuhr Caͤſar Ähnliches als einft Alexander 
von denen bed Ganges. Jene lehrten die Unſterblichkeit der 
Seele, die Wanderung lesterer von einem Körper zu dem an 
deren; fie prägten eine auf biefen Glauben begründete Verach⸗ 


tung des Lebend ein”); Vieles wuſſten fie von den Himmels 


förpern und deren Bewegung, berichteten vom Umfange ber 
Welt und der Länder, der Natur der Dinge, ben Kräften und 
ber Macht der Gottheiten‘). Es ift dad größte Geheimniß 
ber: Gefchichte, wie das jugendfrifche Gedaͤchtniß der Vorwelt 
mit abfichtlicher Verwerfung fchriftlicher Aufzeichnung, welches 
von den Druiden bekannt ift*), feinen heiligfien Befis und bie 


- 1) Die Berufung auf Helatäus und Diodor 1.II. p-130 kann | 
freilich nicht beweifen, daß dort von bem riefenhaften Stonehenge bi 


Salisbury (chorea gigantum, brit. Cor Gawr) bie Rebe ift, doch 
wird es von ben Barden bes fechsten Jahrhunderts erwähnt und darf 
mit Zupverfiht von diefem auf ältere heidnifche Monumente und Ge 
bräuche gefolgert werden. S. von bergleichen Denfmälen Mone Ge 
Schichte des nordifchen Heibenthbumes Th. II. ©. 485 —454, welder 
dafelbft auch von der Glaubenslchre der Briten nach den ihm zugäng- 
lichen Quellen mit Einfiht und umfaffender Kenntniß des Heidenthumes 
anderer celtifcher Völker gehandelt hat. | 2 
2) Lucan. I. 447. Eine Triade der Druiden (bei Davies Cel- 
tie regearches 182): „Die drei erſten Brundfäge der Weisheit: Gehor⸗ 
fam gegen die Gefege Gottes, Sorge für das Wohl der Menfchen und 
Stärke in den Ereigniffen des Lebens”, findet fi als Brundfag dex 
Symnofephiften und der Druiden ſchon bei Diogenes von Laërte 
(Prooem, $- 5.) Zeßeıw IeoVs zal undiv xuxdv doav zal üydgslar 
doxeiv. I 

3) Caesar de bello gall. 1. VI. c. 14. — dl 

4) Bon ben gallifchen. Druiden berichtet Caͤſar, daß fie den Ge _ 
brauch griechifcher Buchſtaben in ben Gefchäften bes gewöhnlichen Beben: 





— 
8 


— 


—— 


I 


. Britannien vor und unter den Römern. Ai 


wichtigflien Wahrnehmungen fich zu erhalten wuſſte: wie flaus 
nenöwerth erfchten alfo dieſes Wunder der Vertrautheit mit den 
unermefflichen Naturkoͤrpern, die Kunde ber bald heilend bald 
toͤdtlich daͤmoniſchen Kräfte, die Botfchaft von den durch die 
übrigen Sterblichen vergefienen ober noch unerfchloffenen Das 
feinsfhwingumgen; wie ehrwuͤrdig erfchienen die geheiligten 
- Männer den barbartfchen Celten. ‚Bei ihrem Stande und Dem 
der Ritter war die Herrfchaft des Landes. Die Druiden ums  ' 
terorbneten fich einem felbfigewählten Oberpriefter; doch haben 
bisweilen die Waffen über das celtifche Papſtthum entfchieden. 
Durch Handhabung der richterlichen Gewalt wurden fie irdi⸗ 
fhen Dingen genau vertraut und ficherten fich den weltlichen 
Einfluß, der Gerechtigkeit aber die Schugwehr religiöfer Ehr⸗ 
furcht. Auf ihre Menfchenopfer, welche jedoch möglichft auf 
verworfene Verbrecher und gefangene Zeinde befchränft waren, 
blicken wir mit Schauder; doch darf die Nachwelt, welche ohne 
die Entſchuldigung einer religiöfen Verblendung nach zwei Jahr⸗ 
taufenden dhnliche Opfer befonnener . fortgefebt hatte, che 
die Zweifel über Rechtmäßigkeit der Todesſtrafen ein Gegens 
fand nationaler Berathung wurden, ich hüten jene nicht zu 
fireng zu verdammen. Wie der Ritter von feinem Heergefolge 
fo war ber Druide von Iehrbegierigen Juͤngern umringt, bes 
; nn zwanzig Lehrjahre nicht zu lang duͤnkten um jene Wiſſen⸗ 
= haft, aſtrologiſche und magiſche Kunft, fo wie den Scharfblid 
= bei richterlichen Schiedöfpruches, das Recht bie Opfer zu ver 
: sichten und Den furchtbaren Bann zu verkuͤnden, mit den welts 
lichen Begünftigungen der Abgaben.» und Kriegsdienſt⸗ Frei⸗ 
heit) zu erwerben. 
In naher Verbindung zu den Druiden ſtanden die Bar⸗ 
den Beirdd). Alle Lehren jener waren in Verſe gebracht; dieſe 


benutzt hätten. Sollte dieſer den kenutnißreichen britiſchen Druiden fremd 

ghlichen fein? Cs wird ihnen auch eine hieroglyphiſche Bardenſchrift 

‚ wit ſechszehn Buchſtaben zugefhrieben, welche aus Pflanzenbildern be⸗ 

auden, wie auch Pflanzen zu den Gegenſtaͤnden heiliger Verehrung bei 

der Briten gehörten, z. B. die Eiche, bie Miſtel, welche vor dem Opfer 

; bee den Druiden mit goldenem Meſſer vom Baume gef m wurde (©. 
Plin, L XVI. sect, 95.) - 


1) Caesar LI. ec. 13. Tacit, ann. XIV. 30, 





Bei 
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122 70. &rfe Abtheitung. 


‚ Dichteten ferner von ber Abſtammung der Fuͤrſten und neben | 
didactiſcher und epifcher Poeſie fehlte Die lyriſche nicht, welche 
' beim Klange der Chrotta vorgetragen wurde. . Sind und auh 
keine Werke und nicht einmal-die Namen älterer Barden aufs 
bewahrt worden, fo laͤfſt doch Alles was über fie berichtef wird 
‚annehmen, daß fie den noch vorhandenen Werken ber Barden 
des fechften und der folgenden Jahrhunderte entfprachen, welchen 
wir päter unfere Aufmerkfamfeit nicht werden entziehen Dürfen. 
Daß aber fchon Pofidonius und Caͤſar Barden Fannten, ift uns 
ein wichtiger Beweis für das Alter der celtifchen Wohnfige in 
Britannien. Die wandernden Völfer tragen Feine Gedichte, |, 
Faum bie bürftigften Sagen mit fich herum. Jene der Hebräer J 
beginnen für uns erft durch Moſes; die Angelfachfen, die Nor |. 
mannen haben keine dichterifche Habe aus der alten Heimat 
zu bem neuen Lande gebraht. Der Menſch foll und muß 
feinem Boden \allein angehören, Friede, Muße, Wohlſtand ei: 
nes im alten Stammfiße verweilenden Volkes find zur Erzeu⸗ 
gung der Nationalpoefie unentbehrlich. 
Der neben den Druiden herrfchende Stand wär berjenige 
der Häfptlinge oder Ritter. Beide adlige Stände hatten ſich 
zu Caͤſars Zeiten ben groͤßten Theil des: übrigen Volkes in 
Gallien, welches duch Gläubiger, Auflagen und den Übermuth 
ber Mächtigen gedrüdt war, in einem Verhältniffe. ſchutzberech⸗ 
tigter Hörigkeit unterworfen. Die römifche Eroberung felbft hat 
dazu ‚beigetragen, ein fchon früher vorhandenes Clientelverhaͤltniß 
der befi glofen Volksclaſſe zu den Beguͤterten mehr auszubilden, 
wie es ſich in ſehr reinen patriarchaliſchen Formen der Clans 
noch in den ſchottiſchen Hochlanden und Inſeln vorfindet. 

Das Land war unter viele Staͤmme und deren Koͤnige 
getheilt, welche durch das Prieſterthum loſe verbunden ſelb⸗ 
ſtaͤndig neben einander lebten, in manchem innern Hader ihre 
Kampfluſt naͤhrten und die Jugend übten, ohne ſelbſt ſpaͤter 
in den Tagen des Unterganges der allgemeinen Freiheit die 
Einſicht und Kraft zu gemeinſamem Widerſtand zu zeigen ')- 
Die Gewalt der Fürften war durch die eben angegebenen Kafters 
ſehr befchräntt und vorzüglich auf den Kriegöbefehl erſtreckt; 





1) Diodor. L V. p. 347. Tacit, Agricola c, 12, 


. 


Britannien vor und unter den Roͤmern. 13 


vi. Im füblichen durch den Handelsverkehr gebildeten Eng⸗ 
nd!) und vorzüglich in Kent fand. Caͤſar bedeutenden Getrei: . 
ebau, den das milde Clima begimfligte und der durch die 
'unft des Mergelnd gehoben wurde). Von dem in „Höhlen 
ufbewahrten ungebrofchenen Korne wurde der tägliche Bedarf 
ausgenommen und geröftet, nicht als Brot gebaden?), ſo⸗ 
ie auch die Bereitung der Käfe nicht üblich war. Garten⸗ 
mſt wär nicht vorhanden, doch "die große Anzahl der Ge⸗ 
mde, der Menfchen und bed Viehes fiel dem Römer .auf. 
upfer und eiferne Ringe dienten zum Gelbe. Die Sitte ro⸗ 
e Völker fih zum Schreden der Feinde mit blauer und gruͤ⸗ 
r Farbe zu bemalen*), fowie die des Tatowirens hatte ſich 
ch fpäter bei den Briten im Norden (Picti) erhalten; aud) 
: Frauen zogen auf ähnliche Weife gefärbt, Athiopinnen gleich, 
bekleidet bei einigen Opfern umher ). Langes Haupthaar 
nd Knebelbärte waren allgemein. Gleich den Gallien ſchmuͤck⸗ 
n fie den Mittelfinger mit. einem Ringe‘). . Die runden 
unftlofen Hütten aus Robr oder Holz glichen denen jenes Vol: 
ed. Die gallifchen wiürfelartig bemalten Mäntel find. in. den 
jochlanden noch gewoͤhnlich. Ihre Kleidung hüllte den ganzen 
Örper ein; ein Gixtel umſchloß den Leib, Metaliketten hingen 
m die Bruſt. Der Griff dee Schwerter war mit den Zähnen 
toßer Seefifche geziert. Die Sitte. auf Streitwagen, von 
hun Effeden genannt, an deren Achfen Sicheln befeftigt waren, 
zu fechten, worin fie große Gefchiclichkeit bewiefen, war in 
einem nicht gebirgigen Lande und bei. den zum Reiterdienfte 
nicht hinlänglich flarken Pferden, diefem Volke fowie einigen 
anderen Gelten eigenthümlich. Der Wagenlenker war der Bor: 
nimere; die Diener führten die Baffen N. Der Angriff auf 


l) Diodor. 1. V. p. 209. 

2) Plin. 1. XVII. c. 6. 

9) Diodor. I. V. p. 347. 

4) Caeruleus. Caesar 1. V. c. 1. ‚Virides Britanni. Ovid. 
Auer. II. 16. 29. Vol. Tzschucke ad Melam, III. 6. GE 

5) Plin. 1. XXI. c. 1: 

6) Plin. 1. XXXII. c. 1. . — 

) Caesar. Strabo IV. 200. Diodor. Taciti Agricola. 


K 


4... Erfte Abtheilung. 


die Feinde wurde von ihnen mit heraußfordernden Gefängen 
und betäubendent Geheule begonnen '). Ihre Sefkungen beftans 
den in der natürlichen Schubwehr undurchdringlicher Wälder ?). 
Im Innern bes Landes fanden fi) nur die roheren Eigenthuͤm⸗ 
lichkeiten des Volkes und Befchränkung deſſelben auf Viehzucht, 
welche gemeinfchaftlich mit der Jagd, der Kleidung Felle; der 
Nahrung Mildy und Fleisch Tieferten ). Der Norden des Lan- 
des fcheint nur dem Pfeile und Wurfſpiefſe des herumfchweifen: 


ben, fo gewandten als muthvollen Jaͤgers gehorcht zu haben. 
Daß jedoch je zehn oder zwoͤlf nah verwandte Maͤnner ihre 
Frauen gemeinſchaftlich beſeſſen haͤtten, der Erſtvermaͤhlte je⸗ 


doch als Vater ſaͤmmtlicher Kinder betrachtet ſei, iſt eine roͤ⸗ 
miſche Sage *), welche nur auf ein Misverſtaͤndniß oder vor⸗ 
gefallenen Misbrauch und geſetzwidrige Unfitte fich gründen 
konnte, wenn fie auf Die eigentlichen Briten bezogen wird, wenn 
von einem Lande die Rede ift, deſſen tapferfte Vertheidigung 
gegen jeden feindlichen Einfall alle die &eftrhle erkennen Yäflt, 
welche :die Heimat und den ererbten Heerd dem Einwohner zu 
einer Hauptwurzel feines Dafeins machen, wo die Verhältniffe 
der bevorrechteten ſo wie der hörigen Claſſen erbliche Rechte 
vorausfesten, und wo endlich in Boadiceas Thaten ımd Leiden 
noch heute der chriftlich gefitteten Welt eine Lehre und ein Beis 
fpiel dargeboten wird, wie ber Frevel vegelloier, das reine Na⸗ 
tusgefühl der Unfchulb nicht achtender Begierden tief empfunden, 
gerächt: und verachtet werde. Einfachheit, Rechtlichkeit, Maͤ⸗ 
figeit, nicht ohne einen Hang zur Streitſucht, werben ald 
Hauptcharafter des Volkes angegeben °); der Ruhm der Tapfer- 
keit ift befonders den norbifchen Stämmen verblieben. 


Mela III. 6, welcher wie Tacitus dieſen Wagen den Namen covinni 
gibt, welchen fie bei den beigifchen Gelten führten. 

DDiol. 62 c. 12. 

2) Caesar, Strabo. 

3) Der Reichthum an Mil und Fellen wird gepriefen in Kume- 
nii panegyr. ad Constantin. Aug, cap. 9. gl. Eund. ad Constan- 
tium Caesarem cap. 11. 

4) Caesar |.|. Diodor gedenkt berfelben nicht, Dio 1. 62. 
c. 6. benutzt biefe Sage in einer Rebe, welche er für die Bundvica ges 
drechfelt hat. 

5) Diodor 1. |. 


Britannien vor unb: unter ben Römern. 15 


. Ein. fehr viel klareres Bild des gefelligen Zuſtandes 
ber alten“ Briten tiefe ſich nach den Gefegen des: Dyonwall 
Moelmud, welcher 400 Jahre vor Ch. ©. gelebt haben fol,‘ 
entwerfen, wennTbiejenigen welche in umferer ſehr viel: juͤnge⸗ 
ren Handſchrift fie diefelben ausgegeben werden, für aͤcht koͤnn⸗ 
ten gehalten werben 9; doch tragen jene Geſetze in fich. viele 
Kennzeichen römischen, fo wie noch mehr fächfifchen Einfluffes 
und in beim Schlußartifel fogar das Belenntniß, daß ihre Nies 
derzeihnung der Zeit angehört, in welcher das Britenthum auf: 
Bales und in feiner Achtheit vorzüglich auf den Süden dieſes 
Landes befchränft war. Sie bezeugen das Dafein eines Staa: 
tenbundes, deffen Zweck Sicherheit. und: Schuß gegen Auffere ' 
Zeinde ſowohl als gegen innere Bedruͤckungen bezwedte. Aus 
den zahlreichen erblichen Häuptlingen -oder Fürften, welche über 
ihre Völker Herrfchen, wählen die verbuͤndeten Nachbarflaaten, 
welche von minder berechtigten Grenzſtaaten unterfchieben wers 
den, einen Dictator Oder Lord Paramount, wie es Eaffivelaun, 
Garadog, Arthur waren. Die gefammte Volksverſammlung, 
Gorſedd, aus allen Nachbar» und NRebenländern, welche aus 
allen, fpdter aus 300, Freien beftand, befaß die Souverainetät 
und gefeßgebende Macht. Sie vermochte des - Königs Gefebe 
aufzuheben, den Oberfürſten abzuſetzen, neue Wiſſenſchaften 
änzuführen u. a. Dem Difteictöflirften flanb wiederum ein 
Landtag zur Seite, welcher aus den Freien feiner Herrſchaft 
gebildet wurde, und dem die Erhaltung der Geſetze und bie 
Entiheidung der Rechtshändel in legter Inftanz oblag. Jedes 
diefer Völker theilte fich wieder in Stämme, Genebyl genannt, 
N oder die uns noch in Schottland bekannten Clans und beren 
Ai Haͤuptlinge, Pencenedyl, dem ein von den Stammverwandten 
- 3 gewählter Vertreter derfelben, Teisbantyle, in feinen wichtigften 
Berrichtungen beigeorbnet war. In ben Clansverfammlungen 
| fimmten die verbeivatheten Weiber mit. Freigeborne Männer 
„N Mr Frauen mufften fünf Ader Landes befisen. Das Land 
ze, mu für verſchiedene Verwaltungszwecke vielfach eingetheilt, 
e 1) The ancient laws of Cambria, translated by W. Probert. 
er. 3. Bol. Gervinus in ben Heibelbfeg. Sahrbüchern 1881. ©. 46-94. 
* rise et progress of the Euglisn commonwealth, T. I. 
2. - | 


16... Erſte Abtheilung.:--. - 


Bier „Trefs“, urfprängliche Niederlaffungen,' Dörfer, waren zu 
einem „Maenawl“ oder Gerichtsbezitke vereint, in denen ber 
Maer, ein angefehener Eöniglicher Beamter, Recht: ſprach und 
‚mit feiner Frau die. Lehnögefälle des Herrſchers erhob. Sunf: 
zig Trefs bildeten ein „Commot“, hundert ein „Eantred. In 
jedem Commot waren ſechs Maenawls und zwei Tief für den 
König und feine Beamten auögefondert. 

Der Aderbau zeigt fich als das Hauptgewerbe dieſes Lan⸗ 
des. Beamte, Gelehrte und Kuͤnſtler bildeten eine Art von 
Patriciat, deſſen Genoſſen einen doppelten Landbeſitz, zehn 
Acker, inne haben muſſten. Zu jenen Kuͤnſtlern gehoͤrten, auffer 
den Barven, die Schmiede, Zimmerleute, Maurer, Schmelzer. 
Die Sklaven fcheinen aus befiegten Feinden, Eigenen, welde 
ein Geſammteigenthum des Stammes waren, beflanden zu ha 


ben. Bei manchen Sitten und Rechtögebräuchen jedoch, welche \ 


den germanifchen ähnlich find, wozu die Zahlung eines Wehr: 
geldes an die Verwandten der Erfchlagenen durch den Mörder, 
“der Beweis durch Gottesurtheile und Eideshuͤlfe gehören, iſt, 
wenn gleich jene Gefege ganz oder theilweife neuer fein follten 
als die Ankunft der Sachfen in Britannien, keineswegs eine 
Übertragung fächfifcher Rechtögewohnheiten auf die Cambrier, 
fondern eine. ältere, auf ähnliche Verhältniffe und Beduͤrfniſſe 
begruͤndete Verfaſſung anzunehmen. 

Von den britiſchen Volksſtaͤmmen nennen wir billig ben: 
jenigen zuerft, welcher, obgleich auf ihn jederzeit die aͤſten An⸗ 
griffe der Roͤmer, Sachſen und Normannen gerichtet waren, in 
der Geſchichte ſtets die alte Ehre, bis auf heute den ur⸗ 
alten Namen in der Grafſchaft der Maͤnner von Kent be⸗ 
wahrt hat. Die Kantii waren von vier Fuͤrſten beherricht 5 
Ptolemaͤus rechnet London zu ihren Staate; die Städte Doros 
vernum (Comtiopolis, Canteöbury) Rputupiä (Richborgugh) 
und Ruculver ') lagen in demfelben. „Nördlich der Themſe bis 
zum Sluffe Stour: wohnten die Zrinobanten, als dexen Haupt 
ſtadt London, ſchon damals ein bedeutender Handelsort, genannt 


Äk 


1) Letzteres nennt das Itinerarium beim Ricardus Corinäus, 
welches, obgleich ſchon 1753 zu Copenhagen gedruckt, ſelbſt unſerm ver: ” 


dienſtvollen Mannert unbekannt geblieben iſt. 


| 





Britannien vor und unter ben Römern. 17 


ird. Noͤrdlich vom Stour wohnten die Cenimami.'). . Die 
fe umfchloß in Norfolk die Sceni oder Simeni, ihre Haupt⸗ 
adt führte den gewöhnlichen celtifchen Namen. Venta. Die 
tigen Grafichaften Cambridge, Bedford, Northhampton, Hun⸗ 
ngton bewohnten bie Katuvellauni Cptolem. Katueuchlani). 
she Diſtrict umfaffte Stratford, fo wie Verulam, welches. fie 
egründet hatten, zwei Drte, welche einft die. geweihteften | 
Stätten neuerer Bildung werden follten. 

Die Goritaner (Coriniaidd) , welche, wie bie welfchen 
riaben fagen, aus einem teutonifchen Sumpflande eingewans 
ert find, befaßen die Städte Lindum, dad heutige Lincoln, und 
hate (Leicefter). Über ihnen finden wir die Parifer. 

Das größte Volk war das der Briganten, ‚welche das 
ind nordiwärtd vom Humber und Merfey bis zur Suͤdgrenze 
Schottlands inne hatten. Den Charakter diefed Volkes bezeich⸗ 
et Die Bedeutung, welche ihrem Namen in der teltorömifchen 
Sprache der Franzofen geblieben iſt. Unter mehreren Städten 
ft York die befanntefte; die Caer oder Stadt Luel (Lugeval⸗ 
um, Garlifle) im Lande der Cumbri, bdieffeit der Picten⸗ 
nauer, ift lange ein-Sig der Ureinwohner und ein durch Froh⸗ 
inn und Kunſt gefeierter heiterer Hoffiß alter Herrſcher ver: 
lieben ). Gaturactonium, Vinnovium mögen bier noch auß 
mderen Orten hervorgehoben werben, weil fie in den Namen 
Katarik und Binchefter Leicht erfenntlich fich erhalten haben. 
Zu diefem Volke gehörten auch die Iuganten und die Canger. 

Die Vorfahren der alten Walifer waren bie Ordoviken im 
Norden und auf ber Infel Man, die Demeten und der maͤch⸗ 
fgfte der dortigen Stämme, die Siluren. 

Dorfet und Sommerfetfhire umfchloffen vom englifchen 
Cmal bis zu dem von Briſtol die Belgen?), bei denen eine 
Stadt Venta in Wincheſter ſich wieberfindet. 

Das alte Zinnland, Bretland, jetzt Cornwales und Des 
bonfhire, war von den Dummoniern bewohnt. Die römifchen 


1) Caesar V. 21. Ricard. Cor. Itiner. IIL 
Y) Merry Carlifle, in ben Balladen und ben Gedichten von 
der Tafelrunde viel beſungen. 
3) Caesar de bello gallico l. V. c. 12, und Triade VI. 
Eappenberg’s Geſchichte Englands L | 2 


18 Erfte Abtheilung. 


Heereszuͤge beruͤhrten dieſe ſuͤdweſtliche Ede der Provinz nit, 
und wir befiten daher die menigften Nachrichten aus biefer 
Zeit über den Theil des Landes, . von welchen die drei altem 
Welttheite zuerft gehört haben. . 

Zwiſchen den Dumnoniem und den Belgen wohnten die 
Durotrigens in ber Grafichaft Glocefler die. Dobuni. Die 
Atrebaten, deren Stadt Calleva war‘), faßen um das heu⸗ 


tige Oxford herum. Unter und neben ihnen fucht man Die von 


Caͤſar genannten kleinen Stämme der Segontiaci, Ancalites, 

Bibroci, bei dem Drte Bibracte im Brai Hundreb an der 

Themfe unterhalb Windſor?), und. bie Gaffii ’). 

| Wir dürfen bier die Vermuthung nicht zuruͤckhalten, daß 
auffer den Coritanern, welche aus dem gegenüberliegenden jebi: 

‚gen Nordfriesland, aus welchen ihnen fpäter die Angeln folg- 

ten, eingewandert fein Fönnten, ‚auch die Belgen, ‚die Atreba⸗ 


ten und vieleicht einige andere kleinere Stämme teutonifhen 


Urfprunges find. Die Errichtung und Benennung des ſaͤchfiſchen 
Geſtades, ſowie ſpaͤter des feſteſten der ſaͤchſiſchen Koͤnigreiche, 
Wefler, im Lande der Belgen, Dienen ſehr die bei. der Na 
menögleichheit faft unvermeibliche Annahme zu befikzfen. 

Bon den fchottifchen und irkändifchen Volksſtaͤmmen, deren 
Namen wir faft nur durch Molemaͤus Eennen, Tann nur in 
den Specialgefchichten biefer Länder Die Rebe ſein. Bier ift nur 


1) Ricard Itiner, vi. — 


2) Ihid, 

8) Fr Die Geographie Britguniens unter: den Sömern fiehe aufler 
den bekannten Werken des Vaters der Geographie und Alterthumskunde 
Englands, des tefihen Camden, fowie Horfeley und Stukeley, bie 
ſehr brauchbare Zufammenftellung und Erläuterung des Tertes bes Pto⸗ 
lemäus, Antonint Iter Britanniarum und ber betreffenden Stellen der 
‚Notitia imperii occidentalis in dem Anhange zu dem erſten Buche von 
Henrys. Gefchichte von Großbritannien. Die Stinerarien des Ante 
nin und bes Richard von. Girencefler mit den Erklärungen von Gale, 
Horfeley und Stufeley zufammengeftellt, gibt Whitaker am Schluſſe 
der History of Manchester. Unferm Mannert aber bleibt das Ber: 
dienft, ‘am beften die Anfichten ber Alten über bie Geſtalt Britanniens 
umb daher auch zuweilen die Hüften des Ptolemäus erläutert zu haben, 
während bie Eingeborenen bas Land ſelbſt mit feinen Auerthumern bie > 
fee kennen muſſten. | 


Fin 
a] 





\ 


Q 


Britannien vor und unter den Römern. 19 


rten, daß bie Einwohner der Hochlande, die Gaelen, 
Römern Galedonter genannt werben, in den. fchots 

tiederlanden aber die Mäaten. 

e Briten hatten bisher ohne irgend eine Berührung mit 

lichen Europa gelebt, auffer den oben angegebenen 


mige Neifende und einen meiftens von Zwifchenhänblem 


1, nicht bedeutenden Handel, als fie venahmen, daß 
ven her das gewaltige Römervolt fchon zu den ſtamm⸗ 
ten Gallien borgedrungen fet und viele derfelben. be— 

babe; Zapfer und eigener Gefahr eingeben? fuchten 
ch vergeblich, die Gallier gegen den fiegreichen Feind zu 
ven; dieſe ungenügenbe Hülfe diente aber nur dazu der 
1 Politit einen Grund oder dem römifchen Feldherrn 
jewand barzubieten, um einen Angriff auf das unbe⸗ 
e Eiland zu wagen. Bald vernahmen bie dortigen 
ner von fremden Kaufleuten, daß jener Zuruͤſtungen 
Landung :teeffe, und fie erblidten einen roͤmiſchen Haupts 
3. Voluferius, der auf einem langen Schiffe ihre Küften 
e. Einige der britifchen Völker, durch den Ruf ber 
von mehr Welten, als jene Fannten, gefchredt, ober 
Abfıht durch Verhandlungen die Feinde hinzuhalten, 
Geſandte über See in das römifche Feldlager um 
und Unterwerfung zu verheiffen. Sie wurden von 
hrgeizigen Gegner freundlichft aufgenommen und vers 
die baldige Erfüllung jener Verheiffungen. Mit ihnen 
mmius, welchen die Römer wegen feiner Tapferkeit, 
inficht und feines Anſehns begünftigten und zum Koͤ⸗ 
: gallifchen Atrebaten (Arras) eingefegt hatten, welcher 
: den Auftrag übernahm, die Briten zum Vertrauen 


roͤmiſche Volt zu überreden und die baldige Ankunft , 


elbheren zu verkünden. Kaum hatte jeboch Commius 
nträge in Öffentlicher WVerfammlung kund gethan, als, 
ih die Fürften die vwölferrechtliche Heiligkeit der Ges 
zu ſchuͤtzen hatten, das erbitterte Volk, den Sinn der 
en Worte ſchnell erfpähend, den Mebner. ergriff und 


55 
v. Chr. 


Ob Gommius hier, wie früher feine Stammgenoffen, - 


ie ex fpäter that, die Roͤmer verrathen wollte, iſt die 


welche ed erlaubt ift ungelöfet zu laffen. Die Briten _ 
| wre 





20 Erſte Abtheilung. 


fammelten ihre Schaaren, welche fie an den Hochufern geſchickt 
vertheilten. Die Ceſariaiden), welche vom Lande ber Mena⸗ 


pier her zwei Legionen mit guͤnſtigem Winde hmüberfchifften, 
wagten anfänglich die Landung nicht, verfuchten fie aber her: 


nad), den Zeitpunct der Ebbe wahrnehmend, auf einer flachen 


Uferfirede. Hier waren britifche Reiter und Kriegswagen vor 
den Fußvolke aufgeftellt, welche die Landenden einige Zeit 


| 
| 


hindurch gewandt und kuͤhn zurüdhielten. Dod das Wurfge: - 


ſchuͤtz der Feinde, der römifche Muth, die Begeifterung flir ih⸗ 
sen Feldherrn, den großen C Sulius Caͤſar, unter dem ben 
Ruhm des Sieged auch nur etwas gefchmilert zu fehen für 
größere Schande" geachtet wurde ald unter einem anbern Heer: 
führer gefchlagen zu werden, vor Allem aber die Üüberlegene Kriegs: 
zucht bewerkſtelligten die feindliche Landung. Die Briten, in 
der erſten Beflürzung die Gefahr als größer fich verftellend, 
ſchickten Gefandte an Cafar und mit denfelben den Atrebaten- 
fürften Commiud, um Geifel anzubieten, dem römifchen Schuße 
ſich zu unterwerfen und Berzeihung wegen das an Gommius 
begangenen Frevels zu erbitten. Da Cäfar, defien Reiterei zu 
ſchwach gewefen war die Beſiegten zu verfolgen, diefen Anträs 
gen nicht anders als freudig überrafcht williged Gehör Leihen 
Tonnte, fo wurden die britifchen Krieger auf ihre Felder zurüd: 





‚gefandt und ihre Fürften kamen zu Eäfar um fich und. ihre \ 


Staaten feinem Schuge zu empfehlen. Sedoch bald bemerften 
fie, daß die Zapferfeit des Gegners fie über feine Anzahl ge 
täufcht hatte; fie vernahmen, daß die von demfelben erwarte 
ten Schiffe mit der Meiterei und dem Getreide durch einen 
Sturm vernichtet feien. Bald reifte in ihnen der Entſchluß 
ihr Vaterland auf immer von dem verwegenen Feinde zu befreien. 
Sie entfernten ſich aus dem römischen Lager, -fammelten ihre 
Krieger und griffen die zur. Fouragirung ausgeſchickten Roͤmer 
an, denen jedoch Caͤſar zeitige Huͤlfe ſandte. Nach einigen 
Tagen wurden fie von den Römern angegriffen und gefchlagen, 
wenngleich) wegen Mangel an Meiterei nicht verfolgt. An 
demfelben Zage erboten fie fi die doppelte Zahl der früher 


- 195) Die Römer werben in den Triaden Cesariaidd genannt, Ar- 


phaeology of Wales p. 58, 


Britannien vor und unter den Römern. 21 


erheiffenen Geifel zu fenden, und Cäfar eilte bei bem nahe 
evorftehenden Aquinoctium dem gefährlichen Kampfe mit den 
lementen auszuweichen und burch fehnelle Ruͤckkehr nach Gals 
en ein nur für feinen Ruhm nicht erfolglofes Abenteuer zu 
eendigen. 

Doc, folgte dem leichten Vorfpiele bald: ein ernfterer Kampf. 
Schon im naͤchſten Sommer wurden bie britifchen Geſtade von 
zaͤſar mit flärkerer Zruppenzahl, fünf Legionen und 2000 
teitern, und. allem Waffengefhüs, wozu auch ein Elephant 


54 


v. Chr. 


ehörte '), wieder betreten, ohne daß er auf einen Widerftand \ 


af, da. die Kuͤſtenbewohner, welche ſich anfänglich) am flachen 
fer gerüftet hatten, durch die Größe der herannahenden Flotte 
ſchreckt, auf die hoͤheren Puncte des Landes ſich zuruͤckzogen. 

in innerer Zwiſt, genaͤhrt durch Mandubratius?), den Sohn 
3 von Caſſivellaun ermordeten mächtigen Fuͤrſten der Trino⸗ 
miten, Smanuentius, zerflörte dad Land. Gering war der 
dutzen, welchen die gegen einheimifche Seinde in den Wäldern 
ereitd angebrachten Verhacke wider die Römer leifteten, gegen 
en Nachtheil daß durch Mangel an Einigkeit der Briten bie 
remden Feinde unbeläftigt landeten, ihre Flotte herflellten und 
nit Teicht errungenen Siegen vorbrangen. Jene hatten endlich 

nbebeutenden Hader dem erften Bedürfniffe der eigenen Selb: 
aͤndigkeit aufgeopfert und dem tapfern Caffivellaun (Fürften 

er Gaffier), der bisher mit den, Nachbarflaaten fteten Krieg 
anterhalten hatte, die gemeinfame SHeereöführung übertragen. , 
In Streifzügen und Überfällen wurde viele Tapferkeit bewährt, 
doch der Mangel an Kriegözucht verfchuldete zu große Beſtuͤr⸗ 
ung nach einem Unfalle und verhinderte große Schlachten. 
Die Zeinde drangen, biö zur Themſe vor, welche fie an einer 


fühten Zuhrt, durch das vom Gaffivellaun im Flußbette einge: , 


tanmelte ſtarke Pfahlwerk, deſſen Trümmer Beda ?) noch nad 
mehr ald fieben Jahrhunderten Fannte, nicht aufgehalten, durch⸗ 
vateten. Der Verrath der Zrinobanten und anderer Völker 


1) Polyaen. |, van Man glaubt ſein Skelett wieder gefunden 
wa haben. 


2) Caesar 1.1. V. c. 20. Orosius 1. VI c. 8. nenne ihn. 


\adrogorius. 
9) Bedae hist. ec. l. I. c. 2. 





22 Erſte Abtheilung. 


entmuthigte den britiſchen Heerführer, deſſen Ruhm nur durch 


das ehrenwerthe Zeugniß Caͤſars auf uns gelangt iſt, nicht in 
ſeiner tapfern Gegenwehr; ſeine geſchickt angelegte Waldfeſte 
wurde mit großer Muͤhe endlich eingenommen, und auch dann 
verſuchte er noch einen vergeblichen Angriff auf das Lager an 
der Kuͤſte von Kent, um den Roͤmern durch Zerſtoͤrung ihrer 
Flotte aus dem eroberten Lande einen Kerker zu machen. Als 
. Sein anderer Ausweg ihm blieb, vermittelte jener Atrebate Com⸗ 


mius feine Unterwerfung, durch welche die Römer, was fie in . 


biefem ihnen unheimlichen Lande. allein fuchen konnten, ben 


Ruhm bes Siegerd erreichten, Caffivellaun aber, was durch 


die Schmach fcheinbarer Demüthigung. nicht zu theuer erfauft 
war, bie Räumung feined Vaterlandes von feindlichen Heeren. 
- Geifeln wurden diefes Mal von den Römern wirklich heimge 
führt, Getreide ward ihnen geliefert; Rom wurde Durch Caͤſars 
Bulletins uͤber den Reichthum des neuen Welttheiles durch ei⸗ 
nen Harniſch von Perlen, welchen Caͤſar der Venus ) weihte, 
geblendet; doch die verheiſſenen jährlichen Abgaben wurden nicht 
entrichtet, und mit Ausnahme jener Geifeln waren die Britans 


nier wieder fo frei wie vor einem Jahre, ehe eine flüchtige: 


Wolke den Sonnenfchein ihrer Freiheit augenblidlich verdunkelt 
hatte. Dem flillen, aber mächtigen Einfluffe der Bildungsſtrah⸗ 
len jenes vömifchen Weltgeſtirns konnte Britannien fich nicht 
entziehen, und ſchon die Münzen ihres Fuͤrſten Cunobellin, de 
‚in der Sage und burch Shafefpeares Dichtung verherrlichten 
Cymbellin, beweifen, daß das römifche Alphabet den Einge 
‚ bornen verfländlich, die römifche Kunſt im Lande geehrt war ?). 


Beinahe ein Sahrhundert verging, ehe die Briten ander . 


Römer ald friedliche Kaufleute auf ihrem Boden ſahen; die in 
Gallien von ihren Ausfuhren erhobenen Zölle bemerkten fie 


1) Plin. IX. 35, Man Eönnte in biefer Huldigung eine Beftätt. 
gung der Anficht finden, daß Gäfar durch eine finnliche Neigung zu 
dem Kriege gegen Britannien geführt ſei; doch bezieht fich die Stelle 
bes Tacitus, worauf jene fi) gründet ‚ nicht auf diefes Land fondern 
auf Zrier. 


2) ©. Pegges essay on the coins of Cunobeline. London 1766. 


biefen Münzen. Kerner Henry history of Great Britain T. II, 


x 
Auh Whitakers history of Manchester enthält Beijnungen von } 


h 


guuwyen wagen um <VUjuUw zu gab TYRWURTWyER 


mgreifung bes Dreans und Öritanniens aufführte ), zeigt 


mr, welhen Werth bie Römer auf biefed Land legten :. 


velche große Schwierigkeiten durch bie Tapferkeit ber, Eins 
= ihnen entgegengeftellt wurden. Vielleicht hätten biefe 
m ‚römifchen Befehle gehorcht, denn die Kraft der Rs 


var fhon im Schwinben, ihre Macht bem Gipfel nahe, 


dem fie bald wieder Herhbfteigen follte, wein wicht vers 
he Zwietracht bie brltiſchen Zürftengefchlechter zerriſſen 
ihrem Lande dadurch vierhundertjahrige unterjochung ges 


Em Sohn des britiſchen Fuͤrſten Cunobellin, eines Nach⸗ 
3 bes Caſſivellaun, war mit wenigen Anhängern von ſei⸗ 
Bater geflohen und hatte ſich dem Galigula unterworfen. 
Verraͤtherei fehadete nur durch das Beifpiel, welches fie 
darauf einem‘ ventriebenen Aufruhrflifter, Berik genannt, 
welchen der Kaifer Elaudius aufgenommen hatte‘ umb die 
a ausgeliefert verlangten‘). Statt befien beſchloß ber 


n. Chr. 


: auf der Infel den Ruhm Caͤſars ſich zu erwerben. Die _ 


1 genoffen einer fo fehr anerkannten Kriegerehre, daß bie 
um Kampfe gegen diefelben unter dem Befehle des Aulus 
ius beftimmten Legionen kaum zum Aufbruche konnten 
en werben. Doc) durch die Landung bed Feindes übers 
‚ bermochten fie berfelben keine Hinderniſſe entgegenzus 
mh hemährten ihre Fanferfeit in Meinen (ineriflaßdötechz 





2 0. Erfte Abtheilung. 
ten i, welche neun Jahre hindurch fortgeſetzt wurden. Die 


galliſchen Bundeögenoffen ?) der kaiſerlichen Truppen, wenn fie 


anfaͤnglich das. Leben der Stammverwandten ſchonten und nur 
deren Pferde töbteten, muflten ihnen zuleßt verberblich werben. 
Der Ruhm des erften bedeutenden Sieged in Britannien. und 
bie. Ehre des Triumphes tm feiner Heimat wurde dem. En. Hos 
ſidius Geta?). Diefes Land wurde. die Paldfira ber römifchen 
Imperatoren. Veſpaſianus an der Spike der zweiten Legion, 
von Titus begleitet, focht damals dreiffig Schlachten, eroberte 
bie Infel Wight, befiegte zwei Bölkerfchaften und nahm zwanzig 
Orte ein‘). Mit Claudius war auch Galba, und Vitellius 
führte während jenes Abwefenheit die Reichöverwaltung °). 
Bon den Söhnen des bereits verftorbenen Cunobellin, Togodum⸗ 
nus und Caradok, fiel jener im Kampfe, biefer wurde über die 
Themſe zurücgetrieben; und Claudius, mit dem Beinamen bed 
| Britanifchen beehrt, rückte felbft in deren Hauptflabt Camalo⸗ 
dunum ein). Von dort aus begann er durch Verhandlungen und 
Waffen das füdöftliche England zur römifchen Provinz, welcher 
Plautius, hernach P. DOftorius Scapula ”) vorgefegt wurde, 
zu organifiren. Ein FZürft Cogidubnus erhielt einige Länder in 
ber Gegend von Selle ‚ welche er flol; war unter dem 


‘ 1) Taeiti annal. x. c. 89, Crebra.. proelia et saepius im 
modum latrocinii per saltus, per paludes, ut cuique sors aut virtas; 


temere, proviso; ob iram, ob’ praedam; jussu et aliquando i ignaris 


ducibus. 


2) Diol.l.c. 20, Die Kelten dafelbft koͤnnen nur, nad) dem ges 
wöhnlichen Sprachgebrauch, mit Reimarus für Gallier, nicht mit 
£Kylander und Lingard für Germanen gehalten werben. 


3) Dio 1. 60. c. 20, 
4) Taecit. hist. III. 45. Sueton. Vespasian, c.4. Titus c. 4. 
5) Sueton. Galba c. 7. | 


6) Wird gewöhnlich für Maiden erklärt; von Mannert a. a. 9. . 


©. 157. mit triftigen Gründen für Colcheſter. 


7) Ein von ihm angelegtes Lager will Camden (Britannia ed. 
Gibson p. 300) in Oyſterhills, K. Dineder bei Hereforb erkennen. — 
Dftorius kam im Jahr 47. Lingard nimmt gegen Dio Gaffius 
1. 60. c. 8. das Jahr 50 an und verwirrt dadurch die nachfolgenden 
Beitbeflimmungen. - 


Pr GE 


Britannien.vor und unter den Roͤmern. 25 


Zitel eines kaiſerlichen Legaten zu verwalten, und verwandte den 
Reſt feines ‚Lebens dazu, die Herrfchaft der Römer in feinem 
Vaterlande zu befefligen '). Die Mehrzahl der Eingebomen, 
| welche ſich dem Sieger angefchlofen hatte, bereuete: Diefes je⸗ 
doch bald, da fie erfannten, daß Unterthanenpflicht von ihnen 
- verlangt. wurde und fogar das Waffenrecht ihnen genommen 
' werden folte. Als der Welten Britanniend den römifchen 
Feldlagern am Avon und Severn fich unterwerfen follte, ers 
Härten fich im Oſten zuerft die Icener gegen die neue Zwing⸗ 
herrſchaft. Die Gefchichte berichtet ihre Nieverlage, zugleich 
ober preifet fie viele und glänzende Wa;fenthaten berfelben. 
Ihr Unglüd fchredite die gleichgefinnten Nachbarftaaten, aber 
Die Ganger und Siluren, unter sem Nationalhelden Caradof, 
fegten einen Krieg der Vernichtung und der Verzweiflung fort. 
Auch die Briganten, in den noch unbefiegten Widlichen Regio: 
nen Englands, erhoben fich nunmehr zum Schuge d 
meinen Freiheit; doch bevor das Einverfländniß bei ihnen allge: 
mein war und fie Tampfgerüftet auftraten, wurben fie von 
Oſtorius, welcher fein Heer raſch gegen fie wandte, für jetzt 
theils geſchreckt theild befchwichtigt.. Um die Unterwuͤrfigkeit 
ber Befiegten und derer, welchen mit dem Namen ber Bun: 
desgenoffen gefchmeichelt wurde, und zugleich dem Interefie 
N mb der Bildung Roms in diefen Landen einen feften Stüß- 
„\ yunct zu fichern, wurde eine Golonie tapferer Veteranen zu 
us umalodumum gegründet. Der. römifche Adler fchien bereits 
\ Aber die britiſchen Ebenen zu herrfchen, als die Gebirgsvoͤlker, 
de Eiluren, Ordoviken u. a., welche ſich um Caradok ge⸗ 


1) Die Hypotheſe mehrerer Ausleger zum Agricola Gap. 14, 
wide Lin gar d auch als bie feinige angibt, den Togodumnus, beſſen 
zo die Briten ſehr erbittert hatte, für ben Cogidubnus zu halten, 
 Munhaltbar, wenn Dio verglichen wird: Die allgemeine Weltgefchichte 
21.47. &. 32. macht ihn zum Sohne der Gartismandua und bes af: 
ſwellaunus und laͤſſt ihn ftatt des Togodumnus im Kampfe gegen bie 
&mer fallen. — Zu Ehichefter ift im 3. 1723 in Suffer ein Zempel 





7? ma Nr. 76. p. 192.332. Die Infchrift ift auch bei Henry history 
of Gr. Brit. T. I. p. 86. 


suigtgraben, auf weichem fid eine Inſchrift befindet: Ex auctoritate Ti- 
berii Claudii Cogidubni regis legati Augusti in Britannia. ©. Gale 
ia Philosoph. Transactions 1728 Oct. 31. Horseley Britan. ro- 


— 


51. 


26 Erſte Antheitung. 


ſchaart hatten, einen neuen und dem Feinde lange verberblichen 
Kampf begannen. Doch Freiheitöliebe und die Verehrung heis 
mifcher Götter, Tapferkeit und Schlauheit unterlägeri der ge 
regelten Kriegskunſt; Caradoks Burg ) wurde genommen; 
ſeine Frau, Tochter und Bruͤder fielen in die Gewalt des Sie⸗ 
gers. Er ſelbſt ſuchte Schutz und Huͤlfe bei den fruͤher be⸗ 
freundeten Briganten, doch deren?) Königin Cartismandua, 
welche weniger durch edlen Kampf fuͤr die Selbſtaͤndigkeit ihres 
Volkes als durch die Gunſt der Roͤmer zu erreichen erwartete, 
fuchte ſich dieſe durch verraͤtheriſche Auslieferung des Gaſtfreun⸗ 
des an die Feinde, velchen er neun Jahre Widerſtand geleiſtet 
hatte, zu erkaufen ’). Doch wenngleich er mit den Seinigen 


der ſtolz triumphirenden Roma als dad glorreichſte SchaufpieE 


bienen muflte, welche dieſen Verrath ihren größten Siegem 
durch 9 Scipio und L. Paulus gleichſtellte, ſo waren bie 
koch Sebirgsodtker, welche er geführt, unbezwungen. Die 
Siluren fielen über die römifchen Legionen, welche Landwehrers 


‚bei ihnen errichten ſollten; her; wenn ſie gleich haͤufig wichen, 


erfreute ſich der Gegner dennoch keines Sieges. Seine Trup⸗ 
pen, welche nur mit dem Letzten der Siluren den Geiſt briti⸗ 


1) Caer Caradoch auf einem hohen Huͤgel am Ony River, unfern 
des Zuſammenfluſſes des Clun und Teme im ſuͤdoſtlichen Shropſſhire, 


zeigt noch die Spuren uralter Beſeſtigung. 


D Es iſt unbegreiflich, wodurch Henry und Lingard verleitet 


ſein mögen. Cartismandua für die Stiefmutter des Caradoch, alſo eine 


Witwe des Cymbelin zu halten, ein Verhaͤltniß, worüber kein glaub⸗ 
würbiges Zeugniß bei den Alten aufzufinden ift und welches Zacitus 
(Ann. XI. 36.) nicht hätte verfchweigen dürfen. Vgl. auch die ‚vor: 
bergehende Note über Cogidubnus. Diefe Beiſpiele koͤnnen ftatt vieler 
anderer die Ungenauigkeit darthun, mit welder die Gefchichte Englands 
von deſſen gelehrteften Gefhichtfchreibern behandelt ift. 


5) Tacit. XII. 36. Nono post anno, quam bellum in Britan- 
nia coeptum. Wald; zum Agricola nennt irrig das Jahr 48 und 
rechnet alfo von Caligulas Feldzuge an. Daß Offorius im dritten Jahre 
feiner Verwaltung geftorben ſei, oder daß A. Didius fie ſechs Jahre 
geführt habe, find willfärliche Annahmen. Schloffer Geſch. der alten 
Welt IIE. 1. ©. 291. nimmt an, vom 9. 46 bis 50 fei kein Legat in 
Britannien gewefen, was bei dem Kampfe und ‚dem Ruhme ded Gara- 
doch fehr unwahrſcheinlich ift. 


J 
4 
‘ 


Britannien vor und unter den Römern. . 27 


fer Unabhängigkeit zu. ertoͤdten hoffen durften, wurden täglich 
mehr aufgerieben, während die Bundesgenoſſen jener fich tägs 
lich mehrten. Dflorius flarb kummervoll. Sein Tod wurde 

von den Briten mit Recht wie ein Sieg gefeiert, und fein Nach⸗ 
folger Aulus Didius Gallus war ihnen. wenig gefährlid (nad) 
2 md bis 58). Einige Jahre waren verfloffen, ald ber Ge 
mol der Cartismandua, Venutius '), von derfelben getrennt, 
die men feiner Schildknappen, Vellocatus, heirathete, Tich an ber 
Spike feines Volkes den Römern gegenüberftellte, deren Waf⸗ 
fen, durch Caͤſius Nafica geſchickt gelenkt, augenhlidlich Ruhe 
herorbrachten. 

Die Briten des heutigen Englands ſchienen den Roͤmern 
beinahe unterworfen zu fein, und der Legat Suetonius Pauli⸗ 
ms (Kit d. J. 59)?) nach zwei Sahren ruhiger Verwaltung 

. glaubte durch einen gewaltfamen Angriff auf dad Druidenthum 
mn deſſen Hauptfiß, der Infel Mona (Eubonia, Anglefey), 
„WM Zerſtoͤrung ber geheiligten Haine die römifche Macht voͤl⸗ Ä 
.  Ägbefeftige zu haben, als es jenen faſt gelungen wäre bie - 
Roͤner auf dem celtifchen Inſelboden zu vertilgen. Diefe und 
die übrigen Provinzialen waren Durch die harten Auflagen, zu 
deren Erſchwingung fie fich roͤmiſchen Wucherern (unter biefen 
 mEA. Seneca?), in bem Liebe zur Weisheit und ſchmutzige 
- Hehſucht auf feltene, doch nicht umerhörte Weiſe fih vers 
migten) hatten preißgeben müffen, aber auch die empoͤrendſte 
5 Oemaltthätigkeit ded Procurator Catus und anderer roͤmiſcher 
e; Rahttabes lebhaft erbittert. Kein Land ertrug die Einverlei⸗ 
bung zue Provinz unwilliger ald das ber tanferen SIcener, 
welches deſſen König, der reiche Prafutagus, um baflelbe ſowie 


wur ı 


1) Wenn eine Handfhrift des Zacitus ann. XII. 40, ihn als 
Shrften eines fanft nie genannten Volkes ber Evigantes (al. Jugantes) 
wvernnt, ſo koͤnnen wir hier nur einen Schreibfehler fuͤr die bekannten 
* Brigantes annehmen. Mit Unrecht wird dieſer Krieg, den Tacitus 

bei der Regierung bes Veſpaſian erzählt, fehon in bie Zeit des Clau⸗ 
Dub geſetzt. ne 
2) Lingard fagt feith. 3.57. ©. aber Taciti Agricola c. 14. 
In Jahre 58 hatte Verrius einige Streifzüge gegen die Siluren unter: 
nenmen, als ber Tod ihn wegraffte. 
9 Dio Cass. 





28 | Erfie Abtheilung. 


die Seinigen vor den Beamten und Einkünftepächtern zu ſichern, 
nach dem Beifpiele ded damaliger Roms, in der, Entwürdi- 
sung Schu gegen die Roheit fuchend, gemeinfchaftlich mir 
“ feinen beiben Töchtern dem Kaifer vermacht hatte. Die Graͤuel 
thaten der übermüthigen und verworfenen Provinzialbeamten 
welche der Frevel mehr noch ald der Beſitz befeligte, deren un: 
geregelte Begierden der rohſte Muthwille zur Verblendung ge 
gen alle Rechte der Menfchheit und eigenes wohlverftandenen 
Intereſſe fleigerte, brachten e8 dahin, daß unter Anführung de 
hochherzigen Witwe des Prafutagus, der Königin Bundicea 
eine Schaar ” von 230,000 Briten ’) über die Römer herfiel 
Gamalodunum, den bedeutenden Marktplatz London und Veru 
Jam zerflörte und 70,000 Römer?) (mworunter die neunte Legion 
unter dem Legaten Petiliud Cerealis) und landesverraͤtheriſch⸗ 
eingeborne Bundeögenoffen mit aller Wuth der Rache, zu wel: 
cher Verlegung der Götter, der Ehre und des Heerdes ent 
flammen Eonnte, niebermegelte. Suetonius Paulinus erfocht ü 
einem verzweiflungsvollen Kampfe durch bie keilfoͤrmige Schlacht 
ordnung einen. blutigen Sieg, den Bundicea nicht überlebe: 
wollte, nachdem 80,000 Briten gefallen waren. Doch nid 
der Mangel eigener Ordnung, nicht die Verftärfungen der RE 
mer, nur im folgenden Winter der Kornmangel vermochte .di 
Briten dem Reiche ber Cäfaren wieder zu unterwerfen. Diefe 
war jedoch erreicht, daß man zu Rom bie Nothwendigkeit ei 
ner milden Verwaltung begriff. Dem Procurator Catus wurd 
ein Nachfolger im Julius Glaſſicianus geſetzt, dem Feldherri 
folgten Petronius Turpillianus, der verachtete Trebellius Mart 
mus und ber unthaͤtige Vettius Bollanus, unter deſſen ſchwa⸗ 

chem Befehle die roͤmiſchen Krieger zügellofer, die Briten kuͤh⸗ 
ner wurden ’). Bei den Briganten hatte Venufius die Feind⸗ 
Schaft gegen Rom und deren Verbündete Cartismandua gendhrl 
und burfte hoffen die Römer zu überwältigen, wenn nicht Bel 


1) Dio Cass. LXII. 8. 


3) Londinium, cognomento coloniae quidem non insigne, sed co 
pia mercatorum et commeatuum maxime celebre. Taciti anna 
XIV. 33, | 


5) Taciti ann. XIV. 28—40, Agricola c. 14—17, Histor. 1% 


Britannien vor und unter den Römern. 29 


paſianus, das römifche Reich orbnend, ben Petilius Cerealis 
zum Conſularlegaten ernannt und dieſer jene nach einem Jahre 
hindurch geführten Kampfe unterdruͤckt hätte. Doch ſtets mit 70—75. 
» na Kraft erhoben fich dieſe Gebirgsvälker wieder, die Sie 
> en konnten erſt durch Frontinus, die Ordoviker und deren 75—78. 
= Berbimdete im nordweftlihen England durch feinen Nachfolger 
* En. Jul. Agricola von fernen Kämpfen abgehalten werden; 
2 einen Feldherrn, deſſen ruhmvolles Andenken in dem von. dem 
goßm Gefchichtfchreiber der Kaiferzeit (dem größten darin, daß 
» min der Weltgefchichte, auch ber chriſtlichen, einziges Bei⸗ 
F fie, fr die ihm gleichzeitigen beſiegten Nationen Anerkennung 
= md Ahtung verkündete), bem. Schwiegervater. gefegten: wir⸗ 
= digen Denkmale ewig leben wird. | 
— Die Ruhe der letzten Jahre in dem größeren Zheile Eng⸗ 
-lands hatte nicht minder als die Gewalt der Waffen in ben 
* Abrigen Diſtricten befjelben nunmehr, wo auch nad) den ver= 
"  geblihen Beſtrebungen des CI. Givilis im belgifchen Gallien 
3 bie ehifchen Stämme des Feſtlandes den Römern ſich unter: 
*  worfm hatten, die Vereinigung Englands mit dem römifchen 
s Rede befördert. Die ſtaatskluge und weile Verwaltung des 
I Agricola vollendete die Romanifirung der britiichen Gelten und 
"gab dem größeren Theile Britanniend diejenige Form, in wel⸗ 
* Ger eö mehrere Jahrhunderte verwaltet wurde, und dadurch zu= 
gleich die Veranlaffung zu der politifchen Trennung ver beiden 
$ Rheile diefed Landes, welche von fpäteren Einwanderern die 
‚ Namen England und Schottland erhalten haben. Die For⸗ 
men dieſer Verwaltung, in welcher, indem fie die Nationalein⸗ 
pr der Briten zerftörte, ihr Land als ein Theil Europas ans 
eckannt wurde, müflen bier in ihrer mit der ganzen Reichsver⸗ 
valtung fortſchreitenden Entwickelung ſkizzirt werden. | ’ 
Die Eintheilung in Britannia inferior und superior be - 
zichnet ungefähr das heutige England und Schottland, doch 
keine Provinzen. Dieſe waren: Britannia prima, das ſuͤdliche 
Land unter der Themſe; secunda von jenem durch die Severn 
getennt, hieß Wales; öftlich erſtreckte fi) von der Themſe bis 
zum Merfey und Humber Flavia Cäfarienfis, deren Name 
auf Agricolas Herrn, ald Ordner dieſes Landes, deutet. Jen⸗ 
feit des Humber bis 25 römifche Meilen nördlich des Pictens 


30 . Erfte Abtheilung. 


walles war bie Provinz Marima Cäfarienfiß, welche an bie 
fünfte, Balentia, grenzte. Hinter dem fchottifchen. Walle wurde 
der noͤrdlichſten Provinz der Name Veſpaſiana gegeben, wel 
cher als Andenken an eine folgenlofe Befißergreifung durch die 
römifchen Stinerarien und das im vorigen Sahrhunderte wieder 
aufgefundene Werk des Richard von Cirenceſter fih uns erhal⸗ 
| ten bat. 

: Die oberfte Civil: und Militair- ‚Gewalt über Britannien 
war anfaͤnglich einem Statthalter anvertraut, welcher den vor⸗ 
nehmen Titel eines Legatus oder Gonfularis fühtte‘). Der 
Procurator verfah die Intereffen der Faiferlihen Schatzkammer 
und erhob die Grundfteuer, die Kopffteuer und gewiffe Natu: 
ralleiftungen. Severus vertheite bie Statthalterfchaft in zwei 
Hälften. As Conftantin. fein Reich in vier Verwaltungsbezirke 
theilte, fiel Britannien demjenigen zu, der unter den Praefec- 
tus praetorio Galliarum, der anfänglid zu Trier, hernach 
zu Arles refidirte, gefegt war. Unter einem Vicarius befjelben 
flanden zwei Gonfulares der Provinzen Marima Käfarienfis 
und Valentia, und brei Präfides ber füplichen Provinzen ?). 
Fuͤr die Einkünfte des Landes waren dem Comes largitionum 
des Deeidentö untergeordnet ein Rationalis summarum Bri- 
tanniarum, ein Praepositus thesaurorum Augustensium 
in Britanniis. und ein Procurator cynegii in Britannia 
Biennensis °). Unter dem Comes largitionum privatarım 

1) Die Zitel eines Präfectus und Proprätor fcheinen für Britan: 
nien nur bei den Neuern vorzukommen. Jene Würde bekleideten: Agri: 
cola bis 3. 3. 845 Salluftius Lucullus (Suet on. Domitian. c. 10.); 
Julius Severus (Dio apud Xiphilin.); El. Prifeus Licinius (Infchrift 


bei Camden p. LXViR.); Lollius Urbicus 1465 ulpius. Marcellus 
180; CElodius Albinus 190 — 197. 


2) ©. Notitia imperii occident. c. 69. Bon den Vicarien Eennen 


wir vom 3. 319 Pacatianus, vermuthlich ben erften derfelben und nad: 
herigen Praefectus Praetorio. Cod. Theod. 1. X, tit. 15. 1.2. VII. 
9, 1. 1. 2. XL üt. 7. de exactoribus; unter Gonftantius den Martis 
nus, Ammian. 1.XIV. c. 5. unter Balentinian ben Givilis Id. . XXVII. 
0. 8., hernach Alypius Id. XXIX. c 1. 


5) Not. ]. c. 385. für Biennensis lieſt Pancirol ©. 68 Dremten- Ä 


‚sio, ohne jedoch feine Erklärung hinzuzufügen. Grävius (Thesaur. 


t. VII.): Bentensis, welcher aud) cynegii an bie Stelle deö gynecii | 


der fruͤheren Herausgeber gefett hat. 


PRDREEE ur Z.. 


Britannien vor und unter den Römern. 31 


fand . ein befonderer. Rationalis rei privatae per Britan- 
nias'). Wir Tönnen hier lediglich: das Gerippe der Verwal⸗ 


tung darſtellen; das Nähere, der Ertrag der Einkuͤnfte, das 
Wachſen oder Sinken derſelben ſind uns durchaus unbekannt. 


Doch erſt nach den Zeiten Appians?) begann die Staatsein⸗ 


nahme die Koſten der Verwaltung zu decken. Die Militairge⸗ 


walt in Britannien, bem römifchen Magister militum prae- 
sentalis untergeordnet, war dem Comes militum Britannia- 


xum (2200 Mann zu Fuße und. 200 Reiter) und dem Co- 


mes tractuS maritimi, fpdter litoris saxonici per Bri- 
tannias (3000 Mann zu Fuße und 600 Reiter) anvertraut, 
doch eine größere Macht dem Dux limitum Britanniarum, 
414,000 Mann zu Fuß und 900 Reiter — zufammen eine 
Heeresmacht von 19,200 Mann Fußvolk und 1700 Reitern. 
Der britifche Graf hatte 37 Gaftelle, der Comes des Sachfen- 
ufers neun Feflungen zu beſchuͤtzen, welche an der Nordſeekuͤſte 
des ſuͤdlichen Englands, von der Meerenge von Dover bis 
Brancaſter in Norfolk und Perenſey in Suffolk lagen’). Die 
Grenzfeſtungen waren zahlreich und erfoberten eine ſtarke Be⸗ 
ſatzung. | 
Die Anzahl diefer Beamten und ber, gegen andere römis 
fche Provinzen gehalten, geringe Umfang der einzelnen: Pro: 
dinzen laͤſſt auf binlänglichen Gegenftand der Zihätigkeit, fowie, 


bes Erwerbes für das bezeichtiete Verwaltungsperſonale und 


1) Not. 1. c. 42. 
2) ©. Deſſen Prodmium. 


9 Notit. c. 20 et 70, ibique Pancirol. it. p.157. Die Angabe 
Zurners B. II. c. 3., daß der Graf des ſaͤchſiſchen Geftades das 
fübliche Ufer. Britannien bewachte, oder gar Lingards, welcher ihm 
die Macht über die Diſtriete vom Humber bis zum Vorgebirge Lands⸗ 
end in Cornwallis ausdehnt, erweckt durchaus irrige Vorſtellung uͤber 
die Stellung der Roͤmer im ſuͤdweſtlichen England. Der Titel Comes 
teris saxonici findet ſich erft in der Notitia imperii occident., welche 
ia ber Zeit des Homorius und Arcadius aufgefegt ifl. Der Schug, des 
Griedens auf dem dortigen atlantifchen Meere lag viel natürlicher den 
galiihen Küftentruppen unter dem Befehl des dux tractus armoricani 
(Not. i imp. oceid. I. 86.) ob, wenngleich der Oberbefehl Über das See⸗ 
weien jener Gegenden zumeilen, wie beim Garaufius, in Einer Hand 


vereinigt geweſen fein mag. 


\ 


. 


\ 





- 


32 Erſte Abtheilung. 


deſſen zahlreiche Zugehörigen fehlieffen, die wir mit ber hers 


koͤmmlichen Anfiht von dem Mangel aller Eultur in dieſem 
ande nicht vereinbar finden. Wichtiger jedoch als diefe For: 
men, in welchen ber Ehrgeiz einiger Cäfariaden eine Stufe zu 
höheren Zielen fand ober bie Habfucht andere Mittel. der Bes 
friedigung fuchte, muffte für‘ die Briten. die Anordnung des 
ftädtifhen Weſens werden. Hier erbliden wir neue Vortheile, 
welche felbft der Feind einem bisher ifolirt geflandenen Lande 


ſtets bringt. Als die Römer Britannien verlieffen, waren 28 


Städte in demfelben, auffer einer bedeutenden Anzahl von Caſtel⸗ 
len, Häfen und, Eleinen Ortfchaften; wir Fennen unter jenen 
2 Municipia, York und Verulam, neun Colonien, Camalo- 
dunum. (Malden), Rhbutupiae (Richborough), Londinium 
Augusta, Glevum Claudia (Sloucefter) ‚ Thermae aquae 
solis (Bath), Isca tolonia (Garleon in Monmouth), Cambo- 
ricum (Chefterford bei Cambridge), Lindum (Lincoln) -und 
Deva Colonia (&hefter); ferner zehn Städte, welche dad 


Recht der Latinität erhalten hatten, Pterotone (Inverneß), 


Victoria (Perth), Durnomagus (Gafter in Lincolnfhire), Lu- 
gubalia (Garlifle), Cattaracton. (Caterif), Cambodunum 
(Sta in Longwood), Coccium (Bladrode in Lancafter), 
Theodosia (Dunbarton), Corinum (Girencefter) und Sor- 
‚biodunum (Alt Sarum), die legte Colonie gegen Suͤdweſten, 
Das Land der freien Damnonier. Das an römifchen Überreften 
vorzüglich reiche Volantium (Ellenborough in Cumberland) be 
wahrt eine Infchrift, wodurd wir erfahren, daß ed Decurio: 
nen befaß, welche fich.in einem dazu beftimmten öffentlichen Ge 


A 
bäude verfammelten. Diefe Städte befagen alfo einen Rath K 
(Decurionen, Curialed, Municipes) mit felbft gewählten Mas d 
x 
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giftraten (Duumvirn, Principales), das Recht flreitiger fowie 


willfürlicher Gerichtöbarkeit. Sie waren mit der Steuererhe⸗ 


bung in. ihren Diftricten beauftragt, und es ift bekannt, wie 
die Gefammtbürgichaft der fädtifchen Decurionen denfelben bie 
größte Laft geworden ift und ihrem Stande die größte Schmach 
gebracht hat. Daß dieſe Misbraͤuche auch in Britannien ein⸗ 


geriſſen waren, erſehen wir aus einer Verfuͤgung Conſtantins 


zur Abhuͤlfe derſelben in dieſem Lande ). Seit den Seiten die⸗ u 
1) Cod. Theod. XI. 7, 2. 


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! 


Britannien vor und unter den Römern 33 


ſes Kaiferd war der von ber ganzen Stabt gewählte, zunaͤchſt 
gegen Bedruͤckungen des Statthalters beſtimmte Defenſor be⸗ 
deutend geworden. Die Einrichtung der Collegia, in welchen 
gewiſſe Kuͤnſtler und Handwerker zu Rom vereinigt waren, 


war für dieſe, wenn fie in fremde Provinzen verſetzt wur⸗ 


den, beſonders günflig. Wir finden manche Kunde über 
bad Vorhandenfein derfelben in Britannien in alten Infchrifs 
ten, und es ift ſehr wahrfcheinlih, daß mit den römifchen 
Gewerben diefe Form gefelliger Vereine und erblicher Verpflich- 
tung, mit welcher jene betrieben wurden, fi fi fortpflanzte und 
fo en urfprünglicher Keim des einige Jahrhunderte nach der 
römifchen Herrfchaft in England po fehr einftußreich geworbes 
nen Gildewefens waren. \ 

Sehr großer Vorficht bedarf ed, wenn wir tiber dasjenige 
berichten wollen, was von altbritifchen Elementen unter den 
Römern fortgelebt hat. Aus den Schriftftelern der Lebtern 
tönnen wir barüber nur fehr wenig entnehmen; die altbritifchen 
Nachrichten in den walififchen Schriften find in zu neuer und 
erweislich nicht unverfälfchter Seftalt auf und gelangt. In 
ber größeren öftlihen Hälfte Britanniens 'ift beinahe. nur in 
Fluß⸗ und Gebirgs- Namen vie altbritiiche Benennung erhal: 
ten‘). Die alten britifchen Volksnamen fowie die ber Orts 
fchaften find jedoch gänzlich verfcehwunden, oder find doch in 
der roͤmiſchen Umgeſtaltung faſt unkenntlich, waͤhrend wir in 
Gallien die alten Benennungen ſo ſehr leicht wieder kennen; 
und zu den ſeltenen Ausnahmen ſcheinen nur einige durch den 
Handelsverkehr vor der roͤmiſchen Herrſchaft im noͤrdlichen Eu⸗ 
ropa bekannte Gegenden zu gehoͤren: die Inſel Wight, Du⸗ 
bris (Dover), das Land Kent, jener Weltmarkt an der Themſe, 
welcher, obgleich von den Roͤmern mit dem Namen Auguſta 
beehrt, den alten Namen London?) ſich erhielt. 

Anders verhaͤlt es ſich jenſeit des England durchſchnei⸗ 
denden apenninartigen Gebirges, wo in dem nachherigen Reiche 


1) Eine reiche Aufzaͤhlung derſelben mit Erlaͤuterungen in Chal- 
mers Caledonia. T. I. p. 33 —56, 


2) Lundinium vetus opidum, quod Augustam posteritas appel- 
vi. Amm. Marcell. Lib, XXVII. c. 8. | 
gappenberg’s Geſchichte Englands J. 3 





34 Erſte Abtheilung. U 


der Cymri ( Cumberland, mit den füböftlichen Provinzen Schott: 
lands, fowie Weſtmoreland, Kancafter), in Wales, Cornwales, 
Devonſhire, Man und Angleſey jede forachliche Beziehung auf 
die reinere Erhaltung ber britifchen Volksſtaͤmme fchlieffen laͤſſt. 
Die Sprache von Wales ift bekannt, auch wirb von deren 
Schickſale noch häufiger die Rede fein; doch muß hier bemerkt 
werben, baß Cornwales von den Norwegern noch im zwölften 
Jahrhunderte Bretland genannt wird ') und noch in ber Mitte 
des fechözehnten Jahrhundertes nur die britifche Urfprache, in 


dem Dialekte der corniſchen — die Loegrier- Sprache genannt 


— daſelbſt gefprochen wurde, feit welcher Zeit fie mit der Kir: 
chenreformation und Ausbreitung des Gebrauches gedrudter 
englifcher Bücher abyahm, bis fie mit dem Tode der legten 
Erhalterin derfelben, einer eingebornen, fehr bejahrten Frau, vor 
einem halben Jahrhunderte gänzlich unter den lebenden Spra⸗ 
eben erlofchen ift?). Länger noch hat fich die celtifche Urfprache 
auf der Infel Man erhalten — das Manks genannt — viel 
leicht weil es eine größere Beimifchung ded Angelfächfifchen in 


. 1) Theodorich, der Mönch yon Drontheim, in Historia et anti- 
quitat. regum Norwegiae bei Langebek scrr. rer. danic. T. V. p.315. 
2) Bon 1560 — 1602 nahm die cornifche Sprache fehr ab und blich 

nur noch auf den weftlichen Theil des Landes beſchraͤnkt, wo fie fich bis 
zum Anfang des vorigen Jahrhunderts erhielt. Lhhuyd archaeologia 
britannica p. 225 - 259. gibt eine Grammatik derfelben. Lhuyd fagt, 
es gäbe Feine gedruckte cornifche Bücher und nur brei bis vier Werke in 


Handſchriften. Jedoch find neuerlich durch den Präftbenten ber Royal | 


Society bekannt gemacht: Mount Calvary und The Creation of the 


World (published by Davies Gilbech. 8. London. Nichols and Son, 


jenes pp. 98; biefes pp. 237.); das erftere ift alt cornifh, mit gerin- 
ger ſachiſcher oder daͤniſcher Beimiſchung; dieſes in neuerem Corniſch 
im Jahre 1611 geſchrieben. Beiden find die im Jahre 1682 von J. 
Knigwin gemachten Überfegungen und mehrere Heine cornifche Stuͤcke 
beigefügt... ol. W. Borlase on the antiquities of Cornwall with a 
Vocabulary. Fol. Oxford 1754 und London 1769. Derfelbe on tbe 


natural history of Cornwall. Oxford 1758 fol. W. Price Archaeo- ; 


logia Cornu-Britannica, containing a Cornisı Grammar and Voca- 
. bulary. Sherborne 1790. 4. D. Barrington on the expiration of 


the Cornish language, in ber Arohaeol. britanniea Vol. II. p. 279. : 


Vol. V. p. 81; auch die Whandlungen in Grose artiguarien Roper- 
tory T. I. 1779. 


tern von den Römern anerkannt wurden, iſt nicht unwahrs 
ich, da beren richtige Politik auch in anderen Provinzen 
r dienlich erkannte, fich ſolche Vermittler zwifchen fich 
en ihnen in Sprache, Cultus und Rechtsbegriffen durchaus 
wtigen Voͤlkern zu erhalten. Doch da ihre Namen ſelbſt 
in der Gefchichte der Aufftände in Britannien, noch auf 
en ober andern Dentmälern vorfommen, fo müffen fie 
viel mehr als die Role reicher Privatleute gefpielt haben, 
e mir von ihren unterdrüdten Stamm= und Glaubend- 
ſſen mit altherkoͤmmlicher Verehrung, regem Mitgefühl 
uweilen mancher verfiohlnen Hoffnung betrachtet wurben. 
ſpricht die brififche Sagengefchichte von Fürften zu Col⸗ 
', Gomwales, bei den Gewiſſen (in Warwid und Wors 
in ber Römerzeit, worauf doch immer eine wahrfchein- 
Vermutung für das Vorhandenfein folder Fürftenges 
ter, vom welchen zahlreiche alte Stammbaͤume uralter, 
ritee Gefchlechter abgeleitet werben, fich flüst”). Doch 
r koͤnnen wir das Vorhandenfein dieſer fürftlihen Ges 
ter und größere Unabhängigkeit der öftlichen Briten nur 
eftlichen England annehmen, wohin Feine Heerſtraßen der 


) Henry Rowland Mona antigna restaurata, with an ap- 
ı containing a comparative table 6f primitive and derivative 
« Lond. 1722 und 1766, 4. John Kelly a practical Gram- 
t the anclent Gaelic or language of the Isle of Man, usually 








36 | Erfte Abtheilung. 


: Römer über Chifelborough '), Carleon und Chefler hinausgin⸗ 


gen, mit Ausnahme bed Weges, melden die Eroberung Mo: 
nas erfodert hatte, wie denn auch die Bewachung der Küfte 
bier den Eingebomen überlaffen war. In keinem Theile Eng: 
lands finden ſich weniger römifche Überbleibfel ald bei ben 
Dammnonien und in Wales. Diefen geringen Einfluß der Roͤ⸗ 
mer aus der Fügfamkeit und Schwäche der dortigen Eingebor: 
nen erklären zu wollen?) ift nicht geftattet, wenn wir uns 
der tapfern Kämpfe der Siluren erinnem. Im Öegentheil duͤr⸗ 


fen wir hieraus und aus dem Umftande, daß die weltlichen 


Küften Englands von dem Einfällen aus dem gegenüberliegen- 
den Irland frei blieben, folgern, daß jene Völker, ‚welche das 
wichtigfte Zeichen eigener Nationalität in ihrer Landesſprache 
zu bewahren wufiten, den Römern in Wahrheit geachtete Bun⸗ 
beögenoffen blieben, wobei die römifche Hofkanzlei es gem 
vergaß, daß zur Einheit der Gewalt in der Britannia prima 
und secunda emige Diftricte fehlten und ber Fiſcus auf bie 
Saben und Abgaben des Küflenlandes des atlantifchen Dceans, 
welcher feiner großen Beflimmung für Die Verbindung und den 
Verkehr der Welten noch fo fern war, willig verzichtete. Diefe 
Anficht über die Begrenzung der wirklichen Herrfchaft Roms und 
das Verhältniß der weftlichen Stämme ift für die ſpaͤtere Gefchichte 
vielfach wichtig; fie erklärt und begründet die britifchen Sagen 
geſchichten, die Nachrichten von der erfien Einführung des 

Chriſtenthums und den Zufland des Landes nach dem Abzuge 
ber Römer; fie bezeichnet und die Grenzen der angelfächfifchen 
Eroberungen, welche an denen bed romanifirten Britanniens 
häufig verfolgt werben koͤnnen; und trägt fehr dazu bei, durch den 
fcharfen Gegenfag der nationalen -Kraft und der den Vorfah⸗ 


ren entfremdeten Schwäche dad Räthfel der angelfächfifchen Er: 


oberung und der nachfolgenden Begebenheiten zu löfen. Ob bie 
Bauart der Dörfer und Wohnungen, ob landwirtbfchaftliche 
Gebräuche, religiöfer Aberglaube und manche andere Sitten 


1) Isca Damnoniorum, welches Horfeley und nad ihm Henry 


im oben angeführten Appendix fo erklären, wenngleich Eesterer an ans : 


bern Stellen ber Altern Angabe, die diefen Ort für Ereter nimmt, folget. 


2) Wie Henry, ber zuerſt einige der obigen Bemerkungen gemacht 
zu haben ſcheint. 


hung ift jedoch das Beſiehen eines .altbritifcen Erbrechtes 
Baled, Kent’ und einigen Gegenden von Nortpumberland 
auf neuere Zeiten, welches den Namen Gavelkind führt. ' 
seit wir es in feiner Vermiſchung mit altfächfifcpem Rechte 
nen Tönnen, erbten alle Söhne veflelben Vaters; ber 
te erhielt jedoch den Heerd; bad Heergewette ber ditefte 
naͤchſtfolgende Waffenfähige; auch dem Sohne deö Ge⸗ 
ten konnte dad Erbrecht gar nicht ober nur zur Hälfte 
dgen werben ?). 

Über die Zeiten Britanniens unter ben Römern ift wenig 
erichten. Eine Provinz hat keine Selbftändigkeit, ihr pflan⸗ 
rtiged Traumleben alfo auch Leine Geſchichte. Die meilten 
benheiten, deren Schauplag fie werben Tann, fogar die 
nberungen und die Entwidelung des Verwaltungsmecha⸗ 
18 gehören ber Gefchichte des Reiches ober der Hauptfladt 
Die Siege der britifhen Legionen in fernen Landen ges 
tem kaum zur Kunde, berührten noch weniger das Herz 
Landsleute. Die legte Erwerbung eines morfchen Staas 
loſſes verfiel befonderem Misgefchide, da die dem Walds 
ne gewaltfam eingepfropfte Culture ber Cäfariaden richt 
ves höheren “geiftigen Lebens und moralifcher Hochgefühle, 
fondern biejenige eines Zeitalter, wo Talent und Geiſtes⸗ 


D} Beldıes hiſtoriſche ;Wiſſen kann beftehen, wenn der in menden 





120, 


38 Eeſte Abtheilung. 
Braft der innen Stimme bee Menſchenbruſt, unter und mit 


welcher fie Sich harmonifch ausbilden follen, abtrännig, nur der 


Sinnlichkeit, allen Gebrechen der menfchlichen Natur und ver: 


damaligen Verirrung des bürgerlichen Verbandes. dienten, Roͤ⸗ 
mifche Sitte, Kleivung, Auöfchweifung fanden mit den Tem⸗ 


peln, der Sprache und dem Rechte der Weltfladt bei‘ den. Bars 
baren Eingang, und jeder guͤnſtige und jeden. nachtheilige Ein⸗ 
fluß des Sieges vereinten ſich, um die Nationalitaͤt der mit 
ihnen verſchmelzenden Beſiegten, der einzelnen: bald verfcholles 
nen Stämme: fowie des ganzen Volkes, zu zerſtoͤen. 

Agricola hatte den Umfang der britannifchen. Provinz bi: 
in das Innere. Schottlands hinein erweitert; doc; feine Kämpfe 
und die. fpäteren Siege der Galedonier gehöten, wenngleich 
nicht dhne Einfluß auf Britannien, welches ‚hier nur ald die 
Heerflraße zu dem bewegteften. Tummelplatze nordiſcher und 
roͤmiſcher Tapferkeit erſcheint, vielmehr der Geſchichte Schott 
lands an. 

Don dieſem Sande war auch die Bewegung ausgegangen, 
welche zu den Zeiten des Kaiſers Hadrian den · Freiheitsſinn 
der Britannier zu neuem Leben und einer anſcheinend gegruͤn⸗ 
beten. Hoffnung ermedte, das. roͤmiſche Joch ganz abwerfen zu: 
koͤmen ). Wenngleich -indeffen die roͤmiſchen Heere in der 
aͤlteren Provinz ſich behaupteten „ſo hielt der Kaiſer es doch 
fuͤr rathſam, die von Agricola in Schottland- gezogene und bes 
feftigte: Grenzlinie aufzugeben und. zwiſchen dem Tyne und 
Solway Frith einen mit einem Graben verſehenen Wall, den 
noch jest: ſechs Fuß hohen. Pictenwall, aufzuwerfen, welcher die 


eigentliche: Provinz ſchuͤtzen konnte 2). Der Einfall der. Maͤa⸗ 


2, Spartiani Ha drian. c. s. Britanni teneri sub romana, 


ditione non poterant. "Fronto.de bello parthico $. 4. Ha- 


driano iimperium obtinente, quantum militum a Britannis caesum! 
Orosius 1. VII. c. 17. Severus victor in Britanniam defectu 





pene omnium- sociorum trahitur. Ubi magnis gravibusque praelis | 


sdepe gestis etc. Mol. aud) Cassiodor. 


4 


drude murus auf eine Mauer folgernz; doch auffer- andern Gründen laß 
ſen die Worte des Capitolin. Antonin. Pius c. 5. alio muro cespi- 


2) Spartiani Hadrian. c. 11. Mannert will aus bem Aus⸗ 


titio auf einen frühern Erdwall des Hadrian fhlieffen. Herodian | 


II. 14. kennt nur Wälle, zuuera, vor Severus. 


! 


‘' Britannien vor und -unter den Römern. 39 


ten (im füdlihen Schottland) blieb nicht ohne Unterfiligung 

und Anfchlieffung mancher Briganten und vermuthlich anderer 
Briten, da fie Bid zu den Ordoviken vorbrangens doch wurben 

fie von dem Proprätor Lollius Urbicus zurudigedrängt, welcher 
den von feinem Heren, dem Kaifer Antoninus dem Fromme 
benannten Erdwall zwifchen Eaerriden am Forth und Alchuid 

an der Elyde aufwarf). Bon einen Kriege in Britannien 
unter der Regierung des Kaifer Antoninus des Philoſophen 161— 
wiffert' wit me den Nahen des römiſchen Feloherin: Galpur- 180 
nind Agricola. Der Kaifer fanri in der Ruhe: feines Palaftes 
Lehren verborgener Weisheit nach md Heß es: ſich gefallen, 
wenn fein Name dem noͤrdlichſten Denkmale vmifher Herr: 
fchaft - ercheilt wurde und: der Redner : ihn und das Volk mit 

dem Wahne taͤuſchte, daß er in behaglichen Genuſſe ded Wiſ⸗ 

ſens und Erlernens das Ruder ves ungeheuern Staatsſchiffes 

und auch dieſe ferne Kriegesfuͤhrung leite?). Unter dem Kai⸗ 

fee Commodus wurde die Grenzbefeſtigung von dem Briten 90 
durchbrochen, und ſchwer ward es beim: Ulpius Marcellus fe 197 
zuruͤckzudraͤngen. Die Macht- und das Anſehn, welche beffen 
Nachfolger Clodius Albinus verleiten konnte mit dem Seve⸗ 

rus um den Beſitz des -Kafferitanteld zu kämpfen, zeugt vor 

den: Fortfchritten, welche die Gultur und Wohlhabenheit feiner 
Provinz gemacht hatte, fowie: die von Severus unternommene 
Theilung der Verwaltung‘ —— in zwel Haͤlften) dies 

felbe Wahrnehmung beſtaͤngt. CE nach dein Keiege gegen die 
Caledonier, welchet ſpaͤter des Kalfers eigene: Gegenwart erfos 

derte (bis zu feinem im Jahre 211 zu York: erfolgten dd) SR 


1) Diele Angabe ift bie faſt allgemein angenommenes' ber Gras 
hams Dyke fcheint die Spuren dieſes Walles noch zu bewahren, ſowie 
daſelbſt gefundene Inſchriften auf Antoninus hinzuweiſen. Jedoch Pau- 
sanias 1. VIII. c. 48. 8. 8, womit die eben angeführte Stelle des Ga: 
pitolinus fich ſehr wohl vereint, bleibt bei jener Annahme unerflärt, 
verträgt fich aber ſehr wohl ‚mit der Anficht, daß Antoninus Wal ne 
ben dem bes Hadrianus, den bie Britten zerflörten,. errichtet fe.  . 

2) Capitolini Antonia, Philosoph. 0. 8. Fronto, angeführt 
wa Eumentus: in beffen. Panegyrieus: auf: Eonſtantius. Cop. 14. 

3) Herodian. l. I. 0.8.54 . 


4) Galfrid. Monmouth. I. V. c. 2. gibt dem Soyae bes Se⸗ 


40 Erſte Abtheilung. 


er den Wall des Hadriau oder den des Antonin vergrößerte 

und durch eine Mauer verſtaͤrkte), iſt eine. nicht werthloſe 

Frage. der Alterthumsforſcher; doch - bleibt in jedem, Falle der 

Entſcheidung es feſt begründet, daß das fübliche Schottland 

ſtets ein unficherer. Befiß der Römer und in den Händen un: 

zuverläffiger Bundesgenoſſen war und demnach nur in dem 

heutigen England ein irgend bedeutender Einfluß Roms ſtatt⸗ 

gefunden haben kann. 

- Die Ruhe, welche Britannien mit Ausnahme der nörbli= 
chen Grenzlande genoß, begann in dieſem Jahrhunderte durch 
eine Erſcheinung geſtoͤrt zu werden, welche in dieſer Art und 
in ihren wichtigen Folgen in. ver Weltgeſchichte neu, für jenes 
Land von unabſehbarem Einfluſſe war. Das Element, welches 
dem feindſeligen, wuͤſten Umherſchweifen der Wilden ein heil⸗ 
ſames Ziel ſieckt, der Cultur und vielſeitigem Verkehr zur 
ſicherſten Verbindung und freier Heerſtraße beſtimmt iſt, war im 
noͤrdlichen Europa in einem Zuſtande, welcher weder der Tren⸗ 
nung noch der Verbindung diente und bei deſſen Anblicke da⸗ 
mals ſchwerlich ein Übergang aus jener zu dieſer geahnet wer 

den konnte. Es begann damals mit Schaaren jener wage⸗ 

kuͤhnen Seeraͤuber angefuͤllt zu werden, denen es noch viele 

Jahrhunderte das wahre Vaterland geweſen iſt, welche allen 

Geſfahren der offenen See und der Stürme ſich preiögebend, bei 

jedem XZreffen in Eleinen. ‚gebrechlihen Fahrzeugen den Muth 

des Zweikampfes mit gleichen Waffen bewährten und wen 

gleich in der Menfchenverachtung bed Heidenthumes und ver 

| derblichſter Verhoͤhnung der Gerechteit die auf dem Eigen 


verus, Baffianus, auch mit dem britifch lautenden Namen Caracalla ge 
nennt, eine britifche Mutter. . 


1) Die legtere Anſicht ift von Mannert aufgefet und durch feine 
obengebachte Erklärung des murus Hadriani bedingt. 'Wlirde auch Dio 
von ber Mauer des Severus, wenn fle in Schottland lag, ohne an bie 
des Habdrian zu denken, gefagt haben, daß fie die Infel in zwei Theile 
fondere? L. 76. c. 12. Auch hätte er J. 1. c. 15. von den neuen Zeinds 
feligleiten der Maͤaten und Caledonier ‚anders fprechen müflen, wenn 
beide Voͤlker durch bie Mauer in völlig verfchiedene. Verhaͤltniſſe zu den 
Römern wären gelent worben. gl. auch Smitdı zum Beda. Appen- 
dix Nr. 5. 


A 


Britannien vor und unter den Römern. 41 


thume beruht, | befangen, einen durch [viele Gefchlechter fortge: | 


planten Muth, eine Abhärtung und Kampfgeſchicklichkeit an 
den Tag legten, welche, wichtigeren Zwecken zugewandt, Spar⸗ 
tod nd Altroms glänzenden Ruhm in ber Gefchichte würden 
‚emturt haben. Die Hauptflämme diefer Seekrieger find für 
Europa im Mittelalter von großer Wichtigkeit geworben, kei⸗ 


nem Lande aber mehr ald demjenigen, in. welchem aus ber 


Verſhmelzung der Sachfen und Normannen ein Volk ſich bils 
dete, welches mehr ald irgend ein anderes zugleich feine geiftis 
gen Eigenthümlichkeiten und feine bürgerliche Freiheit bewah⸗ 
rend, fie mit den Blüthen aller Bildung der Vor: und Mit 


welt zu vereinen wuſſte und daher glanzvolle Jahre des Vor⸗ 


ranges vor den übrigen Voͤlkern ber Erde hat. froh und ſtolz 


De Er Ep 


2) Bataviae alumnus. Eumen. — Menapiae civis. Aurel., Vi- 
etar. — Genere infimus. Oros; — Vilissimo natus. Eutrop. — Ri- 
eardus Corineus desitu Britann. 1. I. c. 8. $. 14. fucht, frinen Ge. 
burtöort in einer der beiden britifhen Städte Menapia, was durch die 
Angabe, daß er in Britannien erzogen ei, nicht wiberlegt wird. Gal- 
frid. Monmouth, L V. c. 8. juvenis in Britannia ex infima gente 


8) Diefer Titel findet ſich nicht früher als in. ber Notitia dignita- 
tm imperii, welche nach den Zeiten des Arcadius und Honorius 
eufgefest iſt. Die früheren Schriftftellee nennen ihn Comes. maritimi 


. dus; ein Umſtand, ber nicht Überfehen werden darf, da das litus 


meicum für die Gefchihte der Sachſen wichtig if. Non Carau⸗ 
fs ſagt Eutrop. 1, IX. c. 18. apud Bononiam per tractum Belgicae 


[2 





[3 
\ \ 


42 0 &rfte: Abtheilung. 


So: hedeutend war aber dieſe Stellimg durch die: Gefährlichket: 
des Gegners, daß Caraufius, die durch den gallifchen Bund 
ſchuh (Bagauda) erregte Verwirrung: benugend, : durch Abfin⸗ 
dung Und Vereinigung mit den fächfifchen. Seemärmern dem 
römifchen Scepter fih zu entziehen, Boulogne für fich zu be 
feftigen und in Britannien dem Kaifertitel anzunehmen wagte. 
Der Kaifer Maximinian fah fi ch gezwungen ihn ats Mitherr⸗ 
ſcher anzuerkennen, ohne jedoch ein Ende der Seeraͤubereien zu 
erreichen, welche die Kuͤſten ber Nordſee, des atlantiſchen und 
ſelbſt des Mittelmeeres in beſtaͤndiger Furcht erhielten. & 
herrſchte in dieſem Lande auch nach dem Verluſte Boulognes 
ſieben Zahre, ſiegreich gegen die. Ealedonier und kraftvoll in 
der innern Verwaltung, bis die Hand eines Meuchelmoͤrders 
feines Gefaͤhrten Allectus, ihm toͤdtete ), der drei Jahre hindurch 
feine Eſtelle behauptete, als Aſclepiodotus, der Praͤfect des 
Kaiſers Conſtantius, ihn und feine Schaaren: vernichtend, Lor 
don ſtuͤrmte und den Cãſaren bald ihre noͤrdlichſte Vrooin 
wieder gab ). 

7 7Die Thaten des Auguftus Carauſius fiir won großer Be 
deutung für die fpätere -Gefchichte Englands geworden. Bo⸗ 
tannien erfuhr durch ihn zuerſt, — denn ein wenige Jahre frhhet 
durch einen vom Kaiſer Probus eingeſetzten Präfed- gegen feinen 
Ham erregter Aufftand war durch den Freund bes Erſteren 


es Armoritae pacandum ‚mare, gie Franci et Baxones infestabant ete 
Ah Eumenius in Gonftant. Gap. 12. fagt von ber Flotte des Ca⸗ 
rauſi iris: quae olim Gallias tuebatur. 


0) Orosius L VIE 0.25: Bl. Genebrfer Geſch. des Carau⸗ 
ſius aras Münzen, a. d: Franz ur den Zufäsen zur allgemeinen Welthiſto⸗ 
rie IH VIE Dr: Stukeley medallic history of‘ Carausius. Einige 
Münzın des Carauſius und Allectus fi in Havercamps Oroſius. 
‚ &.5%'. S. auch Eumenii oratio pro restaurandis schulis c. 18 et 21. 

2) Eumenii panegyr. Constant c. 15— 17. gibt allein unter 
ben. älteren uns.erhaltenen Schriftftellern die nähern Umflände der Be: 
ſiegung des Allectus, und im Wefentlichen ftimmt Salfrid von Mon: 
mouth fo fehr mit diefem Berichte überein, daß wir auch hier bei vie 
fem. berufenen Schriftfteller altrömifche Quellen, welche jest‘ unbelannt 
find, vermuthen möchten. Auch der Name des Vertheidigers Londons 
bei Galfrid, Livius Gallus, ift wahrſcheinlich gleich feinen Übrigen 
sömifchen Namen echt. 


‚ wenn noch angelfächfiiche Bretwalden feine Münzen 
1 ihrigen: nachbildeten?). Die Sage, welche fpäter- bie 
1 deö Arthur oder Julius‘ Caͤſar vorzog, gab friher den 
1 dem väthfelhaften Gebaͤu am Catronfluſſe ). in einer 
d, wo Dfflen, ben wir, venn auch nicht, wie Mae⸗ 
wverkuͤndet, als einen Zeitgenoffen- des Carauſius, aber 
aͤufig als gültiges Zeugniß für alte Sage anfehen, wo; 
\ feinen. vielbeftagten Sohn Oſkar im: Treffen gegen ben 
igen Caros, den die Adlerſchwingen feines Stolzes aus⸗ 
nden König. der Schiffe, verlor. "Nicht minder hat über 
fs auf--die Fpätere- Germanifirung Britanniens durch die 
fm gewirkt. Er ſelbſt, germaniſcher Abſtammung, ein 
sier- von Geburt, hat die Anflebelung der Sachfen an 
ichſiſchen Geſtade in Gallien, ſowie in England, wenn 
oeranlafft ), doch · durch ſeine Bundniſſe mit· ihnen · befrr 
Die gewoͤhnliche Anſicht, daß das litus saxonicum - 
Ramen von: den- Beinden, deren: Angriffen: 68: ausgefegt 


)Zosimas L. I. c. 66. 

S. bie Münzen bei, Stukeley ut: aus ihm bei Balgravo: 
T. I. p. 25:06 30, 

Nennius c. 19. Fordun 1, 16. Camdon Britaania, 
rabilibus Britennise hinter Hearnes Ausgabe des Robert of 
sester p. 576; 





S 


44 - J Erſte Abtheilung. 


war, entlehnt habe, erſcheint ſo ſprachwidrig als unhiſtoriſch. 
Durch die vermuthlich gleichzeitigen Niederlaſſungen der Sach⸗ 
fen auf dem litus saxonicum bei Bayeur in der nachherigen 
Normandie, woburch diefer Drt noch lange dem Einflufje fran: 
zöfifcher Bildung und Sprache widerftand '), ift die Schwädh 
der Römer felbft auf den gallifchen Kuͤſten und jenſeit deẽ 
Ganaled, fowie die Neigung der Sachſen zu ‚ähnlichen Anfie- 
belungen, von welchen auch das litus saxonicum in Belgicz 
secunda (in Zlandern) einen ferneren. Beleg darbietet,. uni 
nicht. minder ber richtige Sprachgebrauch urkundlich erwiefere 
Auch hatte ſchon Kaifer Probus viele der mit den Sachfen eng 
verbundenen und von dem“ Geſchichtſchreiber ſelbſt mit denſelben 
verwechſelten Franken nach Britannien verſetzt, welche feſte 
Sitze daſelbſt erlangten und anfaͤnglich dem Kaiſer ſich anhaͤng⸗ 
lich erwiefen ?). 
Die Regierung des Conſtantius Chlorus muſſte die Steb 
lung Britanniens im roͤmiſchen Staate ſehr hervorheben, da er 
durch Neigung und eheliche Bande — ſeine Gemahlin Helena 
war die Tochter eines britiſchen Fuͤrſten oder doch ſolchem ver⸗ 
wandt) — und auch vielleicht durch den Wunſch, dieſes Land 
fuͤr Rom zu erhalten, geleitet, den groͤßten Theil ſeines Lebens 
in demſelben zubrachte. Sein Sohn Conſtantin wurde zu York, 
wo Jener geflorben war, zum Kaifer auögerufen. Ein deutſcher 


1) Grannona in litore saxonico.: Notit. imper. occid. c. 86. 
Du Chesne hist. T. I. p. 3. Sn den Sapitularien Karls des Kahlen 
heifft diefe Gegend Otlingua saxonica. Bouquet VII. 616. Saxones 
Bajocassini. Gregor. Turon. V. c. 27. ad a. 578. X.c. 9. For- 
tunati Carm. ]. III. c. 8. fagt am Schluß des fechöten Jahrhunderts 
von Felir, dem Bifchofe von Nantes, beffen Verdienfte um Armorica 
preifend: 

Aspera gens Saxo, vivens quasi more ferino, , 
Te mediante sacer, bellua reddit ovem. 


2) Zosimus L I. c. 68. 


3) ©. Panegyr. veteres p. 192 et 207”. Henr. Hunten- 
don und Galfrid. Monmouth. 1. V. c. 6et1l. nennen dieſen Kür: 
ſten Eoel, und Sener fchreibt ihm die Erbauung der zu feiner Zeit vorhan- 
denen Mauer Londons fowie der von Goldhefter zu. Dagegen Gesta 
Treveror. c. 29. Helena Treberorum nobilissima. 


a Ai. vr een 


De 


Britannien vor und unter ben Römern. 45 - 


Herzog unterſtuͤtzte Erdftig feine Ernennung, woraus wir bie 
Anweſenheit deutfcher Krieger folgern dürfen '). 

Der Name Gonftantind des Großen mahnt und zunaͤchſt 
an die größere Verbreitung des Chriſtenthums, welche zu feiner 
Zeit md durch ihn flattfand. 

Das Chriftenthbum hat in dem fernen Britannien ſchon 
früh unter celtiſchen und germanifchen Stämmen bereitwilligen 
Eingang gefunden und felbft wenn "verfolgt in entlegenfter 
Einfamkeit der Zukunft fegensreiche Früchte getragen. Es ift 
bisin die neueften Zeiten fo enge mit der bürgerlichen Verfaffung 
und daher den Hauptbegebenheiten biefes Landes verſchmolzen, 
daß ein Blick auf die Geſchichte der Religion zur Erlaͤuterung 
der politiſchen Begebenheiten nicht ſelten unerlaͤſſlich iſt. Die 
Nachricht, daß weniger denn dreiſſig Jahre nach dem Tode des 
Erlöfers eine ausgezeichnete Frau, Pomponia Gräcina, die Ges 
mohlin des Plautius, deſſen wichtige Siege Über Britannien 
ihm die Ehre der Dvation verfchafften, dad Chriſtenthum an= 
genommen, fteht, da es unwahrſcheinlich iſt, daß jene Frau 
Britamien je betrat, gleich einigen aͤhnlichen Nachrichten viels 
leiht in Feiner nähern Beziehung zu jenem Lande. Doch bes 
reits am Schluffe des ‚folgenden Sahrhundertd war dad Chris 
Rentbum ſchon Kelbit in die den Römern nicht untergebenen 
Gegenden Britanniend vorgebrungen, unter denen wir zunächft- 
Comwales md Wales verfiehen. Die Übereinflimmung der 
engliihen mit den orientalifchen Kirchen in der Anfegung bes 
Ofterfeſtes erweifet einen Zufammenhang beider Kicchen, der 
feine richtigfte Erklärung darin zu finden fcheint, daß ben viel- 
fehen Legenden über die Predigt ber Lehre von Chriſtus durch 
en anlänbifche Apoftel eine hiftoriiche Baſis untergelegt werde. 

Es hat fogar größere Wahrfcheinlichkeit für fih, daß die erfte 
Boiſchaft von der neuen Lehre nicht aus Rom, wo fie noch 
wiadrüdt war, fondern aus einer jener kleinaſiatiſchen Ge- 
. winden kam, welche dad Mittelmeer längft mit Gallien ver: 
baden hatte, aus dem der Bekehrungseifer Teicht auf den 
fen: und Handels⸗Straßen ben Weg nach Britannien fand. 


1) Sollte der Name des hier genannten Ergcus, rex Allemanno- 
ran, auxilii gratia Constantinum comitatus (f. Aurel. Victor Epi- 
tme) nicht eine Verſtuͤmelung für Ertocus, Herzog, fein? 


46 | Eeſte Abtheilung. 


Doch mr allgemeine Andeutungen dürfen wir in jenen Seten 
ſuchen. Der hiſtoriſche —— hätte gern ven Mauern — 
des uralten Kloſters Glaſtonbury auf der Infel Avallona (füb- 
Hd won Briftol) Zungen verlichen, um feine Gründung durch 
Joſeph von Arimathia zu befräftigen ”), in der uͤbereilten Vor⸗ 
ausſetzung, daß auf die erſte Verbreitung ber Lehre ben predi⸗ 
genden und taufenden Wanderern fogleich jene Wohnftätte in 
dem altbritiſchen Lande errichtet fe. Die Mauern fprechen al⸗ 
lerdings, aber fie bezeugen die Übereinftiimmung der Bauart I 
mit ben älteften angelſaͤchſiſchen Eapellen in England. Was 
uns fonft über diefen Ort, befonderd durch Aufräumung und R 
Aufgrabungen aus dem Schooße der treu bewahrenden Erw | 
bekannt ‚geworben, beweifet uns, daß fchon die Römer diefen 
vermuthlich früher zu einer britifchen Befeſtigung dienenden Ort 
kannten, wie Spuren der Wege und dort gefanmelte Minen ' 
Veſpafians und Hadriand beflätigen. | 

Micht fo verwerflich erfcheint die Sage von der Annahme 
des Chriſtenthums durch den britischen Fürften Lever Maur (dad 
größe Licht) oder Lucius, wenn wir fie mit den Zeugniffen 
Tertullians zuſammenſtellen. Lucius foR den Fagan und Dir 
van nach Rom gefondt haben, um vom roͤmiſchen Biſchofe 
Eleutherius nähere Unterweifung in den Lehen der chriftlichen 
Kirche zu erhalten, worauf römifche Miſſionen nach England 
gingen, drei Erzbisthümer und achtundzwanzig Bisthuͤmer ?) if 
teten — Benennungen, welche im Sinne der Zeit zu beuten 
find. Des Verdacht liegt nahe gemug, daß angelſaͤchſtſche Roͤm⸗ 
linge in ihren Streitigkeiten mit den zu der morgenkindifchen ° 
Kirche Hinmeigenden Altbriten in ſolchen Gefchichtehen eine Streit: - 
waffe fich bereiten wollten; doch woher waren fle dann grade 
bei den Schriftitellerr ausgebildet, welche die altbritifchen Quel⸗ 
len überfeßten? ?) 

1) Über dieſe und bie fpäteren Sagen tft eine Schrift des befanns 
ten Geſchichtſchreibers Wilhelm von Malmesbury: De. antiquite> 
tibus glastoniensis ecclesiae vorhanden und bei Gale T. I, gedrudts 
Vgl. au Richard Warner history of the abbey of Glaston- 
1826. 4., ber jedoch an St. Pauls Predigt in England glaubt. 

2) Die Zahl von 28 Bisthümern hängt ohne Zweifel mit der Lifte 
ber 28 Städte Britanniens bei Nennius c. 65, gufammen. 

5) Beda (Hist. eccl. 1. T. c. 4.) fegt den Lucius, der nah Gal⸗ 





Britannien vor und unter ben Römern. 47 


Gallien hatte in den Zeiten ber Vorgänger bed Eleu the⸗ 
rius ſehr zahlreiche chriſtliche Gemeinden, welche durch bie im J. 
177 zu Lvon und Vienne erlittenen Verfolgungen verherrlicht ſind, 
und aus denen manche Mitglieder fliehend die Zahl der chriſt⸗ 
lichen Glaͤubigen bei den ſtammverwandten freien Briten ver: 
färkt haben mögen. Der Streit zwifchen den Judenchriſten 
und den Heidenchriften über manche Aufferlihe Dinge und na= 
mentich die Zeige des Oſterfeſtes hatte damals fchon lange die 
— Gemither bewegt und veranlaſſte bei den Neubekehrten, welche 
g, Feine jener Parteien angehoͤrten, ſondern aus dem Druiden 
g me hervorgingen, neue Bedenklichkeiten. Ohne daher bie 
y item Ausſchmuͤckungen ber Nachricht von ber Sendung eine 
angeſehenen britifchen Häuptlings an Eleutherius einen zu großen 
Werth beizulegen, dürfen wir doch annehmen, daß derfelbe eine 
Vermittlung der unter den Chriften feiner Herrſchaft obwalten- 
dm, ihn ſelbſt vielleicht beunruhigenden widerfprechenden Ans 


feid von Monmouth im 3. 156 flarb, in die Zeiten des Marcus 
Aurelins, deſſen Regierung er mit dem Jahre 156 beginnt, anftatt 161. 
* Läb. V.c. 24. fegt er Eleutherius in die Jahre 167—182. Nennius 
Gibt das Jahr 164 für die Belehrung. deö Lucius an. Im Chronicon 
gibt Beda diefe Nachricht beim Zahre 180, was mit den Regierungss 
jahren des Papftes Elentherius 162— 182 oder 179 — 194 befjer har: 
monirt. Anastasii vitae pontificum, welche bie legten Angaben über 
Elentherius enthalten, geben auch die Nachricht von Lucius mit den 
ähnlihen Worten, welche Bedae hist. eccl. hat: Hic accepit episto- 
las a lucio, Britanniae rege, ut Christianus efficeretur per ejus 
mandatum, welche letzten Worte in Bedas chronic. fehlen. Dagegen 
fkinmt Anaftafius mit dem chronicon darin überein, daß Beibe erſt 
fpäter bei dem Nachfolger jenes Papites, Victor, der Verfügung (libelli) 
bes Erſteren über die Feier des Ofterfeftes gedenken. Hätte Beda bie 
“ vitse pontificum vor ſich gehabt, fo müffte die Nachricht von Lucius 
‚an hiftorifcher Slaubwürbigkeit fehr gewinnen, doch bie vielfache Ver: 
werung ber Chronologie wäre unerklaͤrbar. Nicht minder bedenklich 
Meiat es anzunehmen, daß ber Verfaſſer der vitae pontificum beide 
Wale Bedas hier follte vor Augen’ gehabt haben. Cine gruͤndliche 
Werfshung über die gesta pontificum wirb vieleicht noch eine beiben 
; Brpfern gemeinfchaftliche Quelle nachweiſen. Bei den Nachrichten des 
* Salfrid von Monmouth iſt nicht ganz zu uͤberſehen, daß ex ſich 
** LIV. c. 20. auf des Gildas liber de victoria Aurolii Am- 
„bei beruft. | 









48 Erle Abtheilung. 


ſichten bei dem Haupte der abendlaͤndiſchen Geiflihteit nach: 
gefucht babe. 

u Die allmälige Ausbreitung des Chriſtenthums in Briten | 
nien 309 indeffen dad misguͤnſtige Auge der heibnifchen Here 
fcher auf fi, und die Verfolgung der Chriften durch den Kai: 
fer Diocletian hat auch hier eine fchredvolle Erinnerung zurüd: 
selaffen. Das Martyrthum des heil, Albanus von Verulam 
und zweier Bürger von Carleon an dem Uskfluſſe, Aaron und 
Julius, bat auch in ben nachfolgenden Zeiten des Ruͤckfalles 
zum Heidenthume nicht verbunfelt werden können’). Der | 
hriftliche Glaube und die zur Erhaltung deffelben getroffenen |, 
Einrichtungen wurden jedoch noch nicht völlig unterbrüdt. 
. Schon unter dem milde gefinnten Nachfolger Diocletiand, Con⸗ 
ſtantius, durfte das Chriftenthbum bekannt werden, und unter 
Conftantin lernen wir die Namen und Didcefen dreier auf dem 

314. erften Concilium zu Arled gegenwärtigen britannifchen Biſchoͤfe 
und ihre von der römifchen Kirche abweichenden Anfichten ben 
nen, Eborius von York, Reftitutus von London und Adelfius 
von Lincoln?). Diefe Nachricht unterſtuͤtzt eine Sage, welde 
zu fehr in Zweifel gezogen iſt, daß auffer den drei angegebenen, 
auch Waled (Britannia secunda) zu Carleon und bie. nörb: 
lichfte Provinz zu St. Andrews (ehemals Albin) einen. Bifchof 
gehabt und jedes biefer Bisthuͤmer in zwölf Diftricte getbeilt 
gewefen fei’). Wenn diefe Nachricht gleich in ben Benennun: 
‚gen von fünf Erzbisthuͤmern und ſechzig Bisthuͤmern irrt, ſo 
moͤchte ſie doch im Weſentlichen auch nicht unbegruͤndet ſein. 
Die erſte Haͤlfte des vierten Jahrhunderts iſt fin Britan⸗ 
nien beſonders durch die Ruhe ausgezeichnet, in welcher die in 
nicht geringer Anzahl durch den gemeinſamen Glauben einander 


1) Gildas c. 8, Beda LI. c. 7. 


2) Spelman, concil. T. I. p. 42, Der Sit des Adelfius wird ’ 
dort Colonia Londinensium genannt, was mir richtiger fcheint mit 
Henry in Col. Lindum zu emendiren als dur Richborough zu 
übertragen. 

8) Giraldus Cambrensis de jure et statu Menevensis ecclesise 
ap. Wharton Anglia sacra T. II. p. 542. beruft fich) auf tomum Ana- "\ 
dleti papae, sicut in pontificalibus Romauorum gestis et inperialibon 
directum Galliarum episcopis, 





\ 


Britannien vor und unter ben Römern. 49 


näher gebrachten Eingebbrnen und Römer und andere Einwan- 
derer zu Friedenskuͤnſten ſich vereinten‘). Der Getreivebau war 
zu einer folhen Höhe gefliegen, daß Britannien eine Kornkam⸗ 
mer der nördlichen roͤmiſchen Provinzen wurde und durch jaͤhr⸗ 
liche Ausfuhren andere naͤhrte, ſich bereicherte 2). Staͤdtiſche 
Anlagen bluͤhten ſo ſehr, daß fie viele Bauleute und verwandte | 
Künftler und freie Handwerker. enthielten. und zwar in folcher 
Anzahl, daB diefe mit dem Getreide zur Wiederherftellung vers 
ödeter Provinzen aus Britannien entboten: wurden. Diefes Land 
war von Heerſtraßen in allen Richtungen durchkreuzt, deren 
viele den fpäteren Anfieblern zu ihren Märfchen wie zum 
Handelözuge gedient haben. MWahrfcheinlich ift ed, daß die 

Römer einige jener großen. Heerſtraßen ſchon vorfanden, welche 

foäter bekannt find unter den Namen: Watlingſtraße, vom ſuͤd⸗ 

lichen Ufer Kents, bei-RHntupis und London. vorbei, über Stony 

Stratford (Budingham), nach Segontium (Caernavon); Ikenild 

oder Rikenildfiraße, von Tynemouth über York, Derby, Bir⸗ 

mingham nady St. Davids. Bon letzterem Drte nad Souths 
hampton führte die Erminfiraße; die. Foſſa von Cornwales 
bis Caithneß oder vielleicht richtiger nur nach Lincoln?). Diefe 
Straßen, weldye durch römifche Arbeit, wenn nicht angelegt, 
doch ſehr verbeſſert wurden, beweiſen auch durch ihre Rich⸗ 
tung einen lebhaften innern Verkehr und eine Handelsver⸗ 
bindung mit den oͤſtlich und weſtlich don England gelegenen 
Nationen. Wir find gewohnt uns den roͤmiſchen Einfluß und 
die roͤmiſche Cultur in Britannien als bedeutend geringer zu 
denken, als ſie in den ſuͤdlich gelegenen Provinzen vorhanden 
waren; beſonders weil die Sprache des heutigen eigentlichen 
Englands ſich nicht unmittelbar auf jene altroͤmiſche ftüget 


1) Britannia — terra‘ tanto frugum. ubere, tanto laeta numero 
pastionum, tot metallorum fluens rivis, tot vectigalibus quaestilosa, 
tot accincta portubus, Eumenii paneg. Constant, Caes. c. XL vgl. 
Ejd. paneg. Constantin. August. c. IX. 

2) Amm. Marcell, XVIII. 2. Liban. orat. X T. II. p. 231. 
Zosim. 1. III. c. 5.’ Julian. in dem Briefe an ‚bie Athenienfer und 
Ernapii legation. 

:8) Ranulph. Higden Polychronicon 1. L Capit, de plateis 
gib, Whitaker Manchester I. p. 102 sq. Eine andere Angabe 
"der vichhefkrittenen Erminſtraße iſt auf meiner Karte angedeutet. 

kappenberg's Geſchichte Englands I. 4 








50 u Erfte Abteilung. 


und alte’ Monumente in England fich gar wenig erhalten F 
x haben. Letztere find durch frühere mehrfache Verheerungen 


fehr verringert worden, welche befonderd ‚die. von ben Römern 
zuerſt bewohnten und reichſten Provinzen trafen; dıberall 


litten fie durch die fpätere Cultur; doch werden no in un . ! 


ſern' Zagen manche entdeckt, welche die Bedeutſamkeit des roͤ⸗ 
mifchen Britanniens deutlich erkennen laſſen ). Viele Über 

bleibſel römifcher Bauten, welche jebt laͤngſt von der Pflugs 
ſchar überzogen oder wo dieſer Saat neu darlıber gethärmte 
Städte entfprofien find, zeigten fi) noch im zwölften und dreis 
zehnten Jahrhunderte dem kundigen Auge‘); und fir mande 
noch vorhandene find der Name und felbft die Deutung jegt 
das neckiſche Raͤthſel der Alterthumsforſcher. Auſſer den beiden 
Municipien hatte das entlegene Carleon (vie Stadt der Legion, 
Iſca Silurum), die es wie Bath (Aquae solis) zum Theil 
feinen heiſſen Quellen verdankt haben mag, Theater, Tempel, 
Palaͤfte, von denen ber Waliſer Girald') mit hoher Bewun⸗ 
derung erzählt. Später berichtet Ranulph Higden von den vies 
len unteridifchen Alterthͤmern der Stadt Cheſter (Deva)*). 
Den wieder aufgegrabenen Trümmern eined Zempeld des Nep⸗ 


tunud und der Minerva zu Chichefter verdanken wir einige. 


fehr wichtige Auffchlüffe über die Gefchichte Britanniens ımter 
den Römern. Die vollftändigfte Anſchauung römifcher Baus 
art gewähren und bie roͤmiſche Villa, welche zu Bignor in 
‚Suffer entdedt iſt, fowie die Alterthuͤmer zu Woodchefter in 
Gloceſter“). Beda erwähnt, auffer den: zu feiner Zeit vorhan⸗ 
denen römifchen Städten, Straßen und Brüden, aud noch 
eined gleichfalld dem angelfächfifchen Handelsverkehr dienende 


1) &. Horseley Britannia romana, 


2) Guil. Malmesb. de gestis regum 1. 1. c. 1. Id. de gestis 
‚pontif. 1. III. prooem, ' 


8) Girald, Cambrens, Itiner, Cambr. 1. I. c,5. Be Cam 
den p. 886, 


4) Ran. Higden Polychron. Bet Gale I. 200. 


5) Eiche über diefelben die Prachtwerke von Samuel Lyſon. Eon 
don 1797. 1815. Auch Deffen Reliquise britannico-romanae, 8 Vol. 

fol. London. Bon römifchen Zempeln und anderen Gebäuden zu Bath 
f. Denfelben und Carters Ancient architecture of England. 


q 





Britannien yor und unter den Römern. 51 


Leuchtthurms). Manche gemweihte Stätte des Alterthums gibt 
ſich durch die noch höhere Weihe zu erkennen, welche ihr durch 
dad Chriftenthum, welches ſtets jedes Verhältniß der Vergans 
genheit zu deuten und zu heiligen verftand, geworben iſt. St. 
Vetrus Kirche und Abtei zu Weftminfter, St. Paulus Dom zu 
. London dürfen uns nur noch ehrwuͤrdiger erfcheinen, wenn bort' 
x früher Apollosdienſt ein roheres Geſchlecht zu feiner Bildung 
5 gMühet, bier Dianas Tempel ben Glauben fo vieler Bölker 
zu Mmmittelt hatte”), Die Angeln und Sachſen, als fie fich in 
Egland niebergelaffen hatten, wohnten alfo in vömifchen 
Baum und wanbelten unter großartigen Bauten und fchönen 
| Werten römifcher Kunft umher. Darf ed daher überraſchen, 
we fie, durch ihre Belehrung zum Chriftentbume zum erften 
‚od Rh auf das Beduͤrfniß neuer Großbauten geleitet, die roͤmi⸗ 
wi Ihe Baukunſt in ihrem Lande wieder zu erweden ftrebten und 
duch) dieſe herach Werke errichtet wurden, welche fo ſehr ir⸗ 
m 19 ſachſiſcher Kunft zugefchrieben werben? Am häufigfien has 
zu ben fih Spuren alter Wälle und Befeftigungen erhaltens wenn 
ya gleih nicht zu verhehlen iſt, daß biefe durch ihren oft weniger 
de enifhiebenen Charakter nur zu häufig die Weranlaffung zu Mis⸗ 
3 deutengen und verjaͤhrten Irrthuͤmern geworden ſind. Zu den 
undezweifelten gehören die zu Richborough (Rhutupiaͤ), Lincoln 
u (inte), Burgh Caſtle (Gavianum bei Yarmouth in Suffolk), 
Cheſter (Deva). Sowie zu Dorcheſter, wo ein Amphitheater 
g Meötkar fein ſoll, fo fehlt zu Saledy im Bedforbfhire und man⸗ 
3 Gen andern Drten fogar bie römifche Benenmung. — 
Aus der großen Zahl roͤmiſcher Städte und Burgen dlur⸗ 
fm wir auf eine enge Vermiſchung ber Römer und Briten fol- 
J gen. Daher, hatte auch die vömifche Sprache bei den Provine 
ielen vielen Eingang gefunden, wie ans der Menge Iateini« 
fer Wörter hervorgeht, welche fich in dem Walififchen finden. 
Im heutigen Engliſch, forte fehon bei den Ungelfachfen fin - 
"Bi fi manche Wörter, welche, ſchon Julins Caͤſar und feine - 


1) Beda hist. 1. I. c. 11. | 


2) Die Abtei St. Albans bei dem alten Verulamium wurde ums 
u be 790 erbaut vom König Offa von Mercia — praeterguam pristi- 
g Wa, quod invenit de veteribus edificiis paganorum pridem factum, 
FT. Vitam Offae secundi. | . 
4* 











52 Erſte Abtheitung. 


vegion nach England brachten‘); und wenn wir bier die Be 
merkung und erlauben, daß die Angelfachfen nur langfam Eng⸗ 
land eroberten, fo haben wir auch dadurch gefagt, daß bie 
römifche Sprache nur langfam verdrängt werben konnte. Auch 
bernach muß die Zahl derer, welche das Lateinifche ald Buͤ⸗ 
cherfprache erlernten, bedeutend gewefen fein, wenn wir auf bie 
Anzahl der in ber angelfächfifhen Zeit in lateinifher Sprache 
und oft gut gefchriebenen Werke fehen, und die Zahl’ der Lefer 
und römifcher Sprache Kundigen muß groß genug gewelen fein, 
um bie fpätere Einführung des Normannifch = Sranzöfiichen. fo: 
wie befien Beibehaltung in den Gerichten zu erleichtern. Selbft 
in den britifchen Gefchichtfagen, wie fie im Nennius, Galfrid 
von Monmotth u. A. aufbehalten find, finden fich zu viele 
Ubereinſtimmungen mit römifcher Gefhichte und Sage, ul ein 
voͤlliges Aufhören rögifcher Sprache mit dem Aufhören roͤmi⸗ 
fcher Herrfhaft und der damaligen Vertilgung des Chriflens. 
thums behaupten zu dürfen. 

Auch die beffere Kunde der Schiffahrt bei ben Briten bat 
man geglaubt den Römern zufchreiben zu muͤſſen; doch willen 
wir, daß die hier flationirten römifchen Truppen Teinesweges 
auch nur ihren gewöhnlichen Seinden zur See, den Sacfen, 
gewachfen waren oder Seetreffen auch nur verfuchten?). Die 
Anwohner des Mittelmeered Finnen den Schiffer der Nordfee 
nur etwa beſſere Schiffszimmermannsarbeit gelehrt Haben. 
Die Sicherheit auf dem ſchwankenden Elemente, die -grabe 
fchneidende, pfeilfchnelle Bahn durch und über die wild an⸗ 
thuͤrmenden Wogen, der ruhige Blick, welcher ven Wind ehe 

er kommt auf ben fich fernhin Eräufelnden. Wogen erſpaͤhet, 
die unlöfchbare Luft an der amphibifchen Eriftenz des Seeman⸗ 
ned, dieſe find erſt durch Sachſen und Normannen nach Eng: 
land gelangt, wie denn auch die englifhe Sprache nicht nur 
fondern felbft die der Suͤdeuropaͤrr bezeugt, wen bie Na 
tur zu dem Meifler des Schiffes und der Woge berufen hat. 


N 1) 3. B. pondus, tremissis, clown, city, castle. 


2) Die für jene Behauptung angeführte Stelle des Eumenius 
Panegyr. Constantii c. 12. fagt vielmehr, daß Carauſius vieler Frem⸗ 
ben ſich bedient habe — exercitibus nostris in re maritima novis. 


Britannien vor und unter den Römern. 53 


ı Unfere Blicke mäffen fi) von ber romiſchen Bildung in 
Britannien ab und zu den Voͤlkern wenden, welche vorzuͤglich 


deren Bertilgung veranlafft haben, zu den im vierten Jahrhuns 
berte zuerft genannten und in dem jebigen Schottland erfcheis 
nenden Picten und Scoten. Beide Stämme waren den Cale⸗ 


donien und Maͤaten fehr verwandt, doch erfcheinen fie roher, 


und ed ift von den Scoten gewiß, von den Picten wahrfcheins 
lich, daß fie aus Irland herühbergefommen find und bie biöhes 
tigen Einwohner fich unterorbneten. Der Name der Picti ift 
feineöwegd die Benennung der am Körper bemalten Feinde, 
fondern Die durch die grammatifche Deutelei roͤmiſcher Schuls 
weiöheit entftelte Benennung der Peghten). Sie wohnten 


im öftlichen Schottland auf beiden Seiten der Grampianberge, ' 


von Snverneß und Eigin bis Dunbarton, oder Firth von Murray 
bis zu den Friths des Forth und der Clyde, fpäter aber auch 
noch im füdweftlichen Schottlande bis zur Pictenmauer, wo 
wir fpäter am Nithfluffe im Dumfries einen befondern Stamm 
derfelben, die Nidwaren, antreffen?). Im füblichen Schott 
land weiß der Landmann noch manche Denktmale der Peghts 


"in altm Gemäuern und Felfenwerken nachzuweiſen. Die Koͤ⸗ 


nige der Schotten nahmen auch ihren Namen im neunten 
Jahrhunderte in den Titel auf; Pictland wurde von den Nor⸗ 
wegern überfallen, und nod in ber berühmten Standarten- 
ſchlacht im Jahre 1138, ſowie in derjenigen von Glithero, 
fohten die Peghten von Galloway mit ihrer eigenthümlichen 
widen Tapferkeit. Da Feine Überreſte einer befondern Sprache 
derfelben ober auch nur Nachrichten über deren Dafein oder 
Untergang vorhanden find, fo haben die britifchen Alterthums⸗ 
oricher auf dem freien Felde unermüdlich, unter Aufftellung 
verfihiebenartigften Anfichten, bald fir einen gothifchen 
bald für einen- celtiſchen Urſprung der Sprache der Picten ge⸗ 
kaͤnpft. Gewiß ein Streit. um noch weniger als Worte: denn 


1) Auch Wittekind gibt {nen den richtigen Namen. Eume- 


sius paneg. Constant. c. VII. gedenkt ihrer zuerfi. Caledonum alio- 
runque Pictorum silvas et paludes. Ammian. Marcellin. I. 27. 
t. II. Britanni Pictis modo et Hibernis assueti hostibus, 


9) Bedae Vita 8. Cuthberti c. XI. gl. Bedae hist. occl.. 
LLc. I. . II. c. 4. L. V. c. 21. Ejusd. Chron, a. ‘452. 


— 


54 | Erfe Abtheilung. 


ein ober zwei uralte Gebiegenamen, welche wir heute "nicht 
aus der, auch nur bürftig bekannten, altgaliſchen Sprache zu 

erlaͤutern wiſſen, koͤnnen keinen Beweis fuͤr eine beſondere Dicken 
fprache abgeben, welche :wahrfcheinlich nur ald ein roherer 

Dialekt von der Sprache anderer britifcher und iriſcher Staͤm⸗ 
me abwich. 

Mit den Scoten vernehmen wir zugleich von den Attaco⸗ 
ten‘). Ein Stamm derſelben in dem ſuͤdlichen Argyleſhire und 
ben benachbarten Infeln behielt ven Namen ihrer urfprünglichen 
in Ulfter belegenen Heimat bei. Hiftoreth, des Iftorins Sohn, 
. wird ihr Anführer genannt, ein Name der nicht mehr gefchicht- 
liche Wahrheit haben mag ald der des Reuda?), den andre 
Sagen ihm beilegen. Ihnen folgten ihre Landsleute aus Irin 
(Jene, Hibernia) ſchaarenweiſe, und es iſt nicht zu bezweifeln, 
daß. unter den Scoten, gegen. welche tie Römer fochten, wir 
- haufig auch die Stammgenoffen derfelben, welche Irland nur 
zu dieſem Zwecke verlieffen, zu verfiehen haben. Aus dem 
‚weftlichen Wales oder den Gegenden der Demeten, bis zu 
welchen fie ihre Expberungen auszudehnen ſtrebten, foll Cuneda 
Wledig, mit feinen Söhnen aus Manau Guotodin kommend, 
fodter Herrfcher von Gwynedh, fie fhon zu der Zeit für im⸗ 
mer vertrieben haben, als bie Römer die übrige Infel noch 
nicht verlaffen hatten ?). - Das Anſehn diefer altbritifchen Fuͤr⸗ 
fiengefchlechter begann wieber zu fleigen, als der Druck ber 
roͤmiſchen Herrfchaft geſchwaͤcht wurde, und auf Cuneda Wledig 
(d. h. den Glorreichen, ein dem Caͤſar Auguſtus entſprechender 
Titel) und feinen Urahn Coel führten die Regenten von Strath⸗ 
clyde und Nordwales ihren Urſprung zuruͤck, ſowie bie corni⸗ 
ſche Dynaſtie auf den Koͤnig von Cornwales Branap⸗ 
Llyr), den Stammvater des Arthur und anderer Helden, 
welche eine völlige Unterdruͤckung ihrer Gebirgsvoͤlker durch Roͤ⸗ 

1) S. Amm. Marcel l 1. I. J 

2) Nennius c. 8. Beda 1.1 o1. 


'3) Nennins c. 8. und Appendir. Da Cuneda 146 Jahre vor ber 
Regierung des im I. 647 verftorbenen Mallcun nad) Gwynedh gekom⸗ 


men fein fol, To tft Hier die Zeit 8370 — 880. gegeben. Gododin wirb 


an ben Oftküften des fühlichen Schottlands zeſucht. 
9) Bei Salfrid genannt. 


x 





Britannien vor und unter den Römern. 55 


an wis ſpaͤter durch Sachſen und Dänen, abpnvchren ver 

In em Jahrhundert nach Conſtantins des Großen Tode, 
in welchem Britannien noch mit Rom vereint blieb, vernehmen 
wir von jenem beinahe nur als von dem Schaublatze der Vers 
heerungen durch jene celtifchen und Die germanifchen Stämme. 
Es wurde dadurch far die Roͤmer sine Schule für ben Land» 
und See: Krieg, aus welcher manche bebeutende Namen, aber 
zugleich) die Keime neuer Empoͤrungen hervorgingen. Der, Ges 


genkaiſer Bonoſus, welcher dem Sailer Probus Britannien, dad 


den Tyrannen, welche Galliens ſich bemächtigten, gleichfalls 
anheimzufallen pflegte, zu entreiſſen vergeblich verſuchte, war 
der Sohn eines britanniſchen Rhetors oder gelehrten Erzie⸗ 
hers, Magnentius); Der nach Britannien verbannte Panno⸗ 
nier Valentinus oder Valentinianus fand hier Freunde und 
Kraͤfte, um gegen den Kaiſer Valentinian einen Aufſtand zu 


bewirken, deſſen Daͤmpfung auch nach Gefangennehmung der 


Bautverſchwornen alle Klugheit des Heerfuͤhrers Theodofius 
im Anſpruch nahm’). Dieſer Sieg, mehr aber noch die glor⸗ 


reiche Befiegung der Picten und Scoten, ‚welche bis nad) Lon⸗ 
don vorgedrungen waren und ben Dur Britanniend, Fullofaus . 


bes, ſowie den Grafen des Seediſtricts, Nectavidus, erfchlagen 
batten, die Wiederherſtellung der Provinz Valentia, die Erneues 
nung der Städte und Burgen, die Sicherung der Marken und 
Präturen und die Verbefierung der Civilverwaltung verfchafften 
dem britiſchen Dur jenen Ruhm und Einfluß, welche ihn ſelbſt 
zum Magiſter Mititiä und hernach zum Magiſter Equitum erho⸗ 
ben, feinen gluͤcklicheren Sohn aber zum Kaiſer Roms, der noch 
einmal und zuletzt diefen Namen verherrlichte, zu erheben ver: 
mochten. Britannien erhielt einen, wenngleich firengen, doch 
ſehr gerechten Landesverwalter am Civilis, und im Duleitius 
einen durch Kunde des Kriegsweſens auögezeichneten Dur *). 


1) G. Gunn hist. Brit. p. 119. 

2) Vopisci Bonosus c, 14. Probus c. 18. 

5) Hieronym. a. 375. Ammian, Marcell. 1.28. 6. 3. 

9 Ammian. Marcell. 1.8. c. 3, u. 1.27. 0.8. Claudian. 
de cogeulate Hovorii / 


[2 


350. 


381. 


388. 


56 Erfte Abtheilung. 
Doc der Geift der Unabhängigkeit hatte in diefem Lan 


bereits zu tief Wurzeln gefchlagen, als daß Garaufius ni 


ſtets neue Nachfolger hätte finden follen. Marimus aus < 
geſehnem britiichen Gefchlechte ') hatte in ben Kriegen geg 
die Picten und Scoten das größte Anfehn erworben ?). 

wurde wider feinen Willen von dem Heere zum Impera 
ausgerufen ); aber die Nachlommen würden in der Untu 
des Kriegerd nur dad uͤbermaͤchtige Nationalgefühl der eb! 
Briten erkennen wollen, wenn ex nicht dad Infelland verlafi 
und durch die erften Erfolge verlodt, den Sig eines von Th 


doſius anfänglih anerkannten weftrömifchen Kaiſerthums 


Trier hätte begründen wollen. Ex wurde zu Aquileja gefang 
und hingerichtet; fein junger Sohn Bictor, welchen er zi 
Imperator erlärt und in Gallien zurüdgelafien hatte, fa 
bort daffelbe Schickſal“). Wenn wir daher auch Die welfd 


- Stammbäume °), welche von Gonftantin, wie fie den ditef 


Sohn des Kaiferd Marimus (Marim Wledig) benennen, 


- von der angelfächfifchen Herrfchaft unabhängigen Fürften t 


Gwent (Monmouth) und Powys und den mächtigeren t 
Gumberland und Strathelyde ableiten, mit großem Mistraun. 
trachten, fo ift der Eindrud, welchen die Thaten Des Marin 
auf die Briten machten, ald um fo bedeutender anzuerkenn 

Ein Ereigniß welches an die Gefchichte des Marin 
ſich knuͤpft, darf hier nicht ganz mit Stillſchweigen uͤbergan— 
werden, nämlich die Anfiedelung einer aus britifchen Krieg 
beftehbenden roͤmiſchen Militaircolonie (Milites limitan 
Laeti) in Armorica, welche der Bretagne den Namen u 
eine eigenthümliche Bildung und Gefchichte verlieh 9). Som 


1) ©. bie Stellen bei Palgrave T. I. p. 381 u. 383. 

‘2).Prosper Tyro ad a, 382. 

8) Prosper Tyro ada.381. Prosper Aquitan..ad a3 
Sulpic. Sever. vita 8. Martini c. 20. Oros. l. VII. c. 3. ı 
aus ihm Beda 1. I. c. 9. und Paul. Diacon,. 1. XI. Greg 
Turon. 1. I. c. 38. 
4 Prosper Aquit. h.a. Orosius |, VII, c. 25. (und 
ihm Paul. Diacon. l. XIL) Gildas c. 10. 

5) gl. au) Gunn ob. hist. Britan, p. 141. 

6) Gildae hist. c. 10. Nennius c. 38, ‘(Bebal.I. c. 


Britannien vor und unter ben Römern. 57 


ife8 Land. duch Abftammung, Sprache und Druidenthum 
bon früher mit Britannien verwandt war, fo hat dieſe neue 
zevoͤlkerung, welcher noch manche Männer und Trauen ') „nach 
olgten, unleugbar die Verbindung dereretagne mit den Bri- 
tem in Waled und Cornwales enger geknüpft und erhalten, 
und die Heldenpoefie Frankreichs und Deutfchlands würde ohne 
biefelbe fchwerlich den großen Einfluß, den die Sagen vom 
heiligen Gral, von Zriftan und Iſolde, von Arthur und 
Rein auf fi ie ausgelibt haben, Eennen. Britannien wurbe 
aber dadurch feiner tapferften Krieger beraubt und konnte um 
ſo kihter bald die Beute der Ausländer werben. 

Scoten, Peghten und. Sachfen beuntuhigten Britannien 
fortwährend, und felbft die gute Verwaltung bed Vicarius 
Ehryfantus kam zu ſpaͤt um die Zerrüttung zu heben. Sti⸗ 
licho fühlte fich anfänglich Erdftig genug der bedrängten Pro- 
vinz eine Anzahl römifcher Krieger zu Hülfe zu ſchicken, welche 
ihrer Sendung fg gut genügten, daß die Sage ihnen Verſtaͤr⸗ 
tung des Grenzwalles gegen die Peghten durch eine Mauer 
zuſchreibt). Doch der roͤmiſche Feldherr bedurfte bald ſelbſt 


ſchrebt Gil das Worte bier nach.) Es iſt nicht zu erſehen, weshalb 
Gibbon Cap. 38. Note 136, der fonft jenen Hiſtorikern haͤufig folgt, 
fe fir ganz verwirft. ©. aud) Palgrave T. I. p. 382. 


1) Die Sage von ber heil. Urfula und den 11,000 Jungfrauen, 
Bde, als rieſenhaftes Vorbild ber heutigen’ Frauenauswanderungen' j 
ker Colonie jener Krieger nachgefandt wurben, berichtet Tchon Galfrid. 
Monmouth. 1. V. fin., nad) welchem die Ankunft vieler derfelben in 
kn Rheingegenden ihre Richtigkeit hat. S. auch meine Eleine Schrift 
bier Helgoland, Note 17. 


9 Gildae hist. c. 12. Dieſe Sage iſt wegen der vielfachen 
zu bemerken, welche ſie veranlaſſt hat, da ſie, aufgenommen 
it Beda hist. eccl. 1. I. c. 12. und Chronic. ad a. 426, häufig nach⸗ 
vefhrieben if. Nennius Cap. 24. vereinigt diefe Sage nit ben Altern 
ten von ber Dauer durch Kaifer Severus dadurch, daB er hier 
tinen neuen Kaifer Severus Il. einfchaltet, welcher eine neue Mauer 
von Zinemouth bis Rouvenes (l. Bowneß in Gumberland) erbaut, alfo 
bet wo Habrian ben erften Erdwall angelegt hatte. Richard von 
Birencefter (de situ Britanniae c. I.) hielt die Mauer gleichfalls für 
ab Werk des Stilicho und beruft ſich auf bie Verſe Claudians: de 
wdib. Stälichonis: Me (Britanniam) — munivit Stilicho etc. 


5 Erſte Abteilung. 


aller feines vereinten Kräfte um Italien gegen die Schoaren 

u Alarichs zu vertheidigen. Kehrten bie Truppen gleich nach we 
nigen Jahren noch einmal nach Britannien zuruͤck, ſo hatte 
dennoch das Land bereits neue Verheerungen der celtiſchen 
Horden erlitten. 

Die roͤmiſchen Legionen auf der Inſel wurden bald dar⸗ 
auf nach der Beſetzung Galliens durch die Barbaren, Alanen, 
Sueven, Vandalen) vom Kaiſer Honorius abgeſchnitten, 

welcher fie ihrem Schickſale uͤberlaſſen muſſte. Ein Kaiſer von | 
206. Britannien wurde in der Perſon des Marcus erwaͤhlt, der, bald 
ermordet, in dem Gratianus, dem Buͤrger einer britiſchen 
Municipalſtadt, einen Nachfolger ſeiner Wuͤrde und feines Ge 
fhides fand’). Konftantind des Großen Andenken wurde in ' 
feinem wirklichen ober erwählten Vaterlande nach einem Jahr⸗ 
hunderte noch fo. fehr geehrt, daß der Beſitz dieſes erlauchten. 
Namens, den damals ein niedriger Krieger trug, ihm ben er; 
ledigten britifchen Thron werfchaffte ). Die Kräfte jedoch, 
welche ibm auch noch die Herrfchaft von Gallien und Hiſpa⸗ 
nien verfchafften, möchten die durch alte Nachrichten beftätigte 
Vermuthung rechtfertigen, daß Abftammung vom Kaifer Con: 
ftantin und Gefchlechtsbande mit britifchen Fuͤrſten *) Ienen zu 
dieſer Höhe emportrugen. Er Eonnte ſich der Hoffnung bin 
geben feine Würde und Macht erblich zu machen, und fen 
Sohn Eonftans vertaufchte die Kutte mit dem Diabem °), Ho⸗ 
norius ſah ſich gezwungen den Conftantin ald Kaifer anzuer 





1) Palgrave I. 386. laͤſſt tiefe nach England. heräber bringen, 
eine Vermuthung welche fich durch die nur von dem Einfalle in Gal⸗ 
lien redenden Quellen nicht rechtfertigt. Oroaius L VII. c. 40. und 
aus ibm Paul, Diacon, Beda l. I. c. 11. 

2) Orosins I. Zosimua.1.VIL. c. 2%. Galfrid Mon — 
mouth. I. VI. o. 1. 

8) So Drofius, ber hinyufegt: sine merito virtutis. Prospo 
Aquit. ad 407. Constantinus in Britannia tyrannus exoritur. 

4) Procop. de bello vandalico 1. I. c. 8. 


5) Orosius 1. l. Daß er Moͤnch zu Wincheſter geweſen, erzaͤhlt 
Galfrid. Monmouth, |. VI. c. 5., dem ſelbſt Singard, hier wie 

"an andern Stellen folgend, nicht allen Glauben abfprechen kann, oe” 

Im jedoch je angufüpren- —X 


\ 
Britannien vor und unter ben Römern. 59 


kamen; boch ber Verrath, feines Begleiters Gerontius, eines 
Briten, der den Vater bei Arles, den Sohn bei Vienne töbs 
. tete, endete feine glüdliche Laufbahn. Indeß kehrte Britannien 
nie mehr in bie vömifche Botmaͤßigkeit ganz zuruͤck, fondern 
verblieb unter abtrünnigen Tyrannen oder Gegenkaifern ). 
Ein neuer Angriff der Picten und Scoten fcheint einzelne 
Briten, zu einer Geſandtſchaft nach. Rom weranlafft zu haben, 


welche in Zrauergewanden die Ermordung der römifchen Heer⸗ 


« führer in dem letzten Aufflande zu beflagen und Verzeihung 
fowie Schuß zu erfleben hatte. Es kamen noch einmal römis 
fhe Zruppen, um eine Provinz, welche nicht weniges römifches 
Eigenthum und Intereſſe enthielt, zu vertheibigen, vielleicht 
auch um unter dem Vorwande der Beſtrafung ber Rebellen ber 
legten Schäße der Einwohner ſich zu bemächtigen 2); doch nach 


Befiegung der Zremben mufften bie römifchen Cohorten zu 


dehden in entlegene Gegenden megeilen, nachdem fie Die Bes 
feftigungen längs der Grenzmauer und die Wartthürme am 


ere hergeſtellt, auch Mufterwaffen und Unterricht dieſelben 


zu gebrauchen zurüdgelafien hatten 9. 
Dieſe Gabe fruchtete wenig, da die zurucgebliebenen Bri⸗ 


ten nicht verfianden fie zu gebrauchen, noch weniger jeboh 


= Einheit in dem verlaffenen Lande, in welchem jede Stabt und 
z. ber Häuptling volllommene Unabhängigkeit fich anmaßte, zum 
E, gemeinen Beften herzuftellen. Die zuruͤckgelaſſenen roͤmiſchen 

- Beamten wurden aus ber Inſel vertrieben, und ber Kaifer Hos 

norius, feiner Schwäche bewuſſt, verzichtete für jett auf deren 
„7 Biebereinfestmg und trug ben beitifchen Staaten auf, ihre 
—2 betheidigung ſelbſt zu uͤbernehmen *). Doc nuete den Bri⸗ 


D) So ausdruͤcklich Procop a. a. O. 
9) Prosper Tyro ad 409. Hac tempestate prae valitudine 
vires funditus attenuatae Britanniae. Xgl. Chron. saxon, 
Laß, | 
9 Gildas c, 14. Nennius c. 27. Es iſt kein Grund vor⸗ 
| * mit Beda L. I. c. 12, die verſchibenen Einfaͤlle und Geſandt⸗ 
af ka vereinfachen zu wollen. - 





Sesbung Caͤſars 60 Jahre vor Chr. 6. fest, ſagt, daß die Römer ſeit⸗ 


411. 


Yet 4) Zosimus LVI. c 5. gu 409 u. 210. Hiemit flimmt dufe  - 
[ fl) genug überein, daß das Chran. saxon. ad 485, welches -bie 


60 — Erfte Abtheilung. 


fen ihre Freiheit fo wenig, als dem Hofe zu Ravenna die | i 
Schlauheit, mit welcher er zu geſtatten fchien, was zu verhin 
bern ihm unmöglih war. Die Feinde aus dem Norden be}, 
Inſel kehrten bald wieder, und die ſchwachen Einwohner waren 
weder im Stande ihre Burgen zu vertheidigen noch: ſelbſt den 
feindlichen Mordgewehren zu entfliehen. Zu diefer Hülflofigket 1 
gefellten ſich Hungersnoth und bie in @uropa damals verbreis | 


tete Peft. | 
Nur von einem einzigen Stege, welcher bie. ‚feeräubert |, 
ſchen Sachſen und die Picten auf Eurze Zeit zuruͤckdraͤngte, ha | 
ben wir Kunde erhalten, welcher den Namen des Hallelujafie | 
ges führt. Der gallifche Biſchof Germanus von Aurerre, bi { 
feiner Anwefenheit in dieſer Infel im Sahre 429 oder fpdten, 1 
hatte bie vechtgläubigen Briten zu demſelben angeführt und J 
durch die eindringliche Kraft feiner seitlichen Verheiſſunge 
geſtarkt ) \% 


dem Britannien 470 Jahre hindurch beherrſchten. Ebenſo Bedae hist. 
eccles. 1. I. c. 1. u. 1. V. c. 24. ad a, 409. Roma a Gothis fracts, 
ex quo tempore Romani in Britannia regnare cessarunt. 


1) S. Gildas, der aud) Cap. 18. von diefer Sage zu fpreden 
fgeint. Nennius. Beda 1. I. c. 20, wo bie Lesart Saxones gegen 
die beften Handfchriften und des Konftantiuß Leben bed St. German . 
nicht beftritten werden darf. Auch im Chronicon. gedenkt Beda ber | 
Sachſen. Auf diefen Angriff der Sachfen find auch die Nachrichten zu }, 
beziehen, welche die Sachfen zuerft im 3. 428 in England landen laffen; » 
im Appendix II. ad Nennium ed. Gale, wo Felice et Tauro Con- |; 
sulibus daſſelbe Jahr, nicht aber das am Rande beigefügte Jahr 401 |, 
bezeichnet. Auch fpäter findet fich diefe Angabe. Os ber ny Vorſaͤnger Km 
zu Canterbury im elften Jahrhundert, in ber Vita Dunstani, wo er 5 
Cap. I. vom Geburtsjahr Dunftans angibt: Regnante Anglorum rege | & 
“ Eithelstano, anno quidem imperii eius primo, adventus vero Anglo- 
rum in Britanniam quadringentesimo nonagesimo septimo. Die Her; | ar 
ausgeber (Acta Sanctorum ed. Papebrock. Maii 19. T. IV. 859, | 
Wharton Anglia sacra II. 90 et 94.) haben dieſe Zahl emendirm Ne 
wollen und, bad Jahr 449 als dasjenige der Ankunft der Sachſen be 
trachtend, Dunftans Geburtsjahr in das Jahr 928 gefegt, was PEN 
das vierte Regierungsjahr Äthelſtans ift, theils den Dunften fpäter fo N 
jung erſcheinen laͤſſt, daß Wharton a. a. O. 94. ben Osbernus ber * 
Lügen bezuͤchtigt. Dieſer aber dachte nicht an das Jahr 449, ſondern 
an 428, wornach denn Dunſtan im J. 925 geboren warb, womit auch fs 






Britannien por und unter den Römern. 61 


och einmal wurde ber römifche Feldherr Aëtius zur Zeit 
feines dritten Gonfulates im’ Jahre 446 flehentlich beſandt. 
Die Barbaren, fo fagten die Abgeordneten, treiben uns ans 
Meer, dad Meer zu den Barbaren; wir werben erwürgt ober 
müffen ertrinken). Adtius vermochte nicht zu helfen. Groͤ⸗ 
fere Hoffnung, beffern Muth bewährte die Geiftlichkeit. Doch 
find die Schickſale der chriſtlichen Kirche dieſer fruͤheren Jahr⸗ 
hunderte in Britannien zu merkwuͤrdig, um nicht einen kurzen 
Überblid derſelben zu verlangen. | 

Die Einrichtungen der chriftlichen Gemeinden erhielten. fich 
in Britannien, wenngleich manche . Gegenden des der Habe 
ſucht römifcher Beamten preisgegebenen Landes ben befcheibes 
nen Anfprüchen der Geiftlichkeit nicht .zu genügen vermochten. 
Drei Briten waren daher die einzigen Bifchöfe. auf dem: Con⸗ 
clium zu Ariminum im Jahre 359, welche das Anerbieten des 
Kaiſers Conflantius annahmen, auf Koften des Staates ihren 
Unterhalt zu beziehen. Daß nicht nur Römer in jenem Lande, 
fondern auch der Stamm des dortigen Volles dem Chriften« 
ihume ergeben waren, erweifet das Vorhandenſein  britifcher 


, 


Chron. saxon. übereinftimmt- und welches Jahr auch das erfte der Res 
gierung AÄthelftans ift. Auch in der Recenfion von Nennii historia 
Beitann., weldye den Namen des Marcus trägt, werden bie Landungen 
= er Sachſen ums Jahr 428 und 447 verwirrt. Im Anfang S. 46 wird 
. ar das Jahr der Abfaffung des Werkes genau angegeben, das fünfte, 
‚ Regierungsjahe König Cadmunds, nämlih 946 nah) Chr. G., nad) 
7; engliſcher und unferer Zeitrechnung, oder 976 nad Chr. ©. nach Reh: 
kung der Wallifer, wenn wir von Marcus und Nennius auf biefe 
weiter fchlieffen dürfen, welche das Bahr, in welches wir die Geburt 
‚ Weißt ſeten, für das der Paffion halten und daher 80 Jahre mehr als 
Die feit Chrifti Geburt zählen. S. 62 unterfcheidet Marcus genau, 
‚ Jısenes a Gurthargirno suscepti sunt anno 447 post passionem Christi. 
FU tempore quo advenerunt primo ad Brythaniam Saxones (nämlid) 
W) usque ad hunc in quo scribimus (nämlich 976), annos traditione 
Aeiorum 447 didicimus. Cine Zeitrechnung -feit dem Tode Chrifti 
dennt nur ſehr felten vor (vgl. Über diefelbe: Ideler Handbuch der 
ef Eiemmologie II. 411.), doch auch dann nur ohne das gewdhnlich ange⸗ 
v zmommene Geburtsjahr zu verruͤcken. 


j 1) Gildas. Nennius. Beda und aus, deffen Chronologie 
Paul. Diac. 1. XIV. s. Ricard. Corin. Chron. saxon. ad 443. 


= 





62 | Erſte Abtheilung. 


Bibelüberfegungen ). Der Zuſtand des chriftlichen Lebens in 
Britannien gibt ſich durch frühen Widerfland gegen Die Lehre } 
des Arius, hernach aber durch ſtarke Hinneigung zu biefer He 
terodoxie zu erdennen. Die heiligen Stätten in Paldfling, 
welche die Britin Helena und ihr Faiferlicher Sohn ausge I 
Ihmüdt hatten, wurden bald von ihren Landsleuten befucht, 
welchen felbft an der Säule ded Symeon Stylites zu beten I; 
als das würdige Ziel gefahrvoller See⸗ und Land Reifen und 
das. ficherfte Anrecht auf den Lohn des ewigen Lebens erfchien. 
Die Pilger brachten bald die Kunde von den im Orient fid 
bildenden Kiöftern zuruͤckk, und das Klofter zu. Bangor ”) bei hr 
Chefter ift eine fo alte als denkwuͤrdige Anflalt zu einer in | 
dieſem Lande wahrfcheinlicd auf bie Druidenfafte gepfropften 
Vereinigung frommer Betrachtung und trabitionellee Weisheit 1 
fi) weihender Brüder, welche, obgleich den Einzelnen erfprieß | 
Uch, dennoch der Verbreitung und Durchdringung des Chrifien |. 
thums wenig nüste und hier fogar ein Erſterben und Vergeſſen 
befjelben nicht zu binden vermochte. Den Scharffinn und 
die Tuͤchtigkeit britifcher Geifllichen koͤnnen wir aber in ven be | 
rühmten Irrthuͤmern bed Briten Morgan, bekannt unter dem |.- 
Namen Pelagius, fowie des Scoten Caͤleſtius erkennen, welche 
die ganze Chriftenheit lange bewegt haben, und in ihrem Be 
terlande durch den Pelagianer Agricola verbreitet, fo flarken I 
Eingang fanden, daß die Rechtgläubigen durch Vermittlung | 
des nachherigen erften fchottifchen Biſchofs Palladius den Papk | 
Coͤleſtinus vermochten den Gerfnanus, Biſchof von Auxerre, und 
Lupus, Bifchof von Troyes, hinüber zu fenden ’), um in dffents 
licher Diöputation die Gegner (wie die Iutherifche Kirchenrefor⸗ in 
mation ähnliche Schaufpiele ſpaͤteren Jahrhunderten wieder dan Mm 
geboten hat) zu wiberlegen. Schon ber erſte Verſuch biefer w 
Art bewährte, daß die Mehrzahl der neuen Lehre noch nicht 
unerfchütterlich ergeben war. Bibelftellen, Reliquien und die 





1) Chrysostomi Opp. P. VII. p. 111. ed. Saril. 


2) Ban-Gor, magnus circalus iſt eine allgemeine Bezeichnung fir | 
Gongregation, Klofter. ©. Gunn historia Britonum preface p. XXI. }- 


3) Prosper Aquitan. a.429. Vita 8. Germani a Constantino 
presbytero scripta. Vita 8. Lupi. 


/ 





Britannien vor unb unter den Römern. 63 


jefchicflichleit, durch welche Germanus den Briten in einem 
riege mit den Picten und, Sachfen zu Hülfe Fam, fochten zus 
eich gegen Pelagius. Auf einer zweiten Reife im Jahre 446, 
elche der obgebachten Sendung der Briten vielleicht voranges- 
mgen, gewiß aber mit derſelben in engerm Zufammenhange 
eht, begleitete auch Severus, Biſchof von Trier, den Germa⸗ 
28 nach Britannien, wo fie eine ber legten Aufferungen ber 
Imifchen Gewalt in biefem Lande durch die Verbannung der 
jelagianer bewirkten ); eine Maßregel, welche die Schwäche 
re bald ganz vernichteten religiöfen Überzeugung anbeutete 
nd die und ben Verluſt der erften römifchen Provinz an die 
eiden burch diefelbe Krankheit dialektifchen Sectengeiftes ers 
men laͤſſt, durch welche ein Sahrtaufend fpäter die lebte 
fte des ungeheuren Staatenconglomerates gleichfalls die 
eute der Ungläubigen wurde. 

Dos Schaufpiel welches Britannien jest darbot, iſt eines 
er traurigſten, aber zugleich der merkwuͤrdigſten in der Welt⸗ 
eſchichte. Es war erloͤſet von der Habſucht des roͤmiſchen 
rocurators, es war befreiet von dem Übermuthe der Cohor⸗ 
n ber Caͤſariaden; aber dieſe Freiheit dankte die Nation nicht 
rem Muthe und höheren Zrieben. Daher warb Freiheit für 
e Schutzlofigkeit, Unabhängigkeit warb Anarchie. So fehr 
2 Gefchichtöforfcher fich auch bemüht nachzuweifen, daß das 
zerderben jenes Land allmdlig umfpann, baß bie Verwaltung 
ich allmälig änderte und die Vorgänge und Anfichten fpäterer 
zeit ſchon Vorbilder in der früheren fanden, daß manche fefte 
Frundfaͤden fich ſtets erhielten, während nur die Auffere Hülle 
vechfelte: fo können wir doch nicht leugnen, daß nie ein Land 
6 ſchnell eine gebildete Sprache abwarf, welche vielen Gene 
“ienen der Eingebornen, gefchweige den Anſiedlern die Mut: 
erſprache geworden war, daß nie die chriftliche Religion fo 
hnell und ſpurlos gegen. Heidentbum und Unglauben vers 
mfcht ift, daß eine ahnliche politifche und moraliſche Entwürs 
igung, wie fie in dem größten Theile ded romanifirten Briten⸗ 
mdes flattfand, nach fo mancher traurigen Lehre ein uner⸗ 
liches Raͤthſel fcheint. Dieſes war das beflagendwerthe 


1) Bedal. I. Vita S. Germani. 


v 


64 Erſte Abth. Britan. vor u. unter ben Römern. 


Geſchick des Landes, dem die römifche Eroberungsfucht die Nas 
tionalitäb zerflört hatte, nach deren Vernichtung es nicht bie 
Kräfte zum MWiderflande gegen die rohſten Zeinde behielt. Und 
auf diefem Boden follte binnen kurzem ein Volt erfiehen, wels 
ches eines der fefteften Bollwerke des Chriftenthumes zu wer: 
ben beflimmt war, bald die edelften und weifeflen Herrſcher 
hervorbringen ſollte, eine Literatur, wie keine der Zeitgenoſſen 
in jenem Jahrhunderte aufweiſet und eine Macht zu erreichen 
beſtimmt war, welche nicht nur die uͤbrigen Staaten der neuen 
Welt, ſondern auch die des alten Roms weit uͤberflügeln ſollte, 
jedoch auch zu häufig das Beiſpiel feiner Vorfahren vergeffend, 
der Nationalität von Millionen vernichtend entgegen getreten 


iſt und dadurch feiner natürlichen Bundesgenoſſen und Stüßen 


ſich beraubt bat. 





Zweite Abtheilung 
der Ankunft der Angeln und Sachfen bi 


r fefteren Vereinigung. der von benjelben 
geitifteten Staaten, 


anmien war mehrere Jahrzehente nach dem Erfterben - 
miſchen Oberherrfchaft die Beute innerer Zwietracht und 
Irtiger Feinde gewefen, ald ein in Kent und im füblichen 
mien einflußreicher Fuͤrſt, Vortigern, mit feinen Rathgebern, 
jeifte vererbter roͤmiſcher Staatöflugheit, den Beſchluß 
fih der Hülfe germanifcher Krieger, welche feit Jahr⸗ 
ten diefem Lande als furchtbare Feinde befannt waren, 
ienen/ um feine nördlichen Feinde zu befämpfen. Dies 
danke wurde auögeführt, doch benutzten Die beutfchen 
inge die Schwäche des Landes, um mit Hülfe nachfols 
e Stammgenoffen und Verwandter fich deffelben zu bes 
gen; ein Schaufpiel, welches im. folgenden Jahrhundert: 
ſelben Weife im: nördlichen Italien durch die von Narſes 
nen, den Sachen verwandten und verbündeten Longo⸗ 
ı fi) wiederholte. Daß die Anwerbung der jütifchen Herz 
der Seekoͤnige Horſa und Hengift, welche, aus ihrem Va⸗ 
be verbannt, eine neue Heimat fih zu erfämpfen gezwun⸗ 
Jaren '), weder ein fo auffallender Schritt, noch die Zahl 


) Die Verbannung berichtet nicht nur Galfrid, ſondern auch 
ins. Beda gedenkt nur der Einladung, und Wittekind bes 
ausführlich, von einer Geſandtſchaft der Briten an die Sachfen 
bt deren Rebe wieder, wegen des Weitern auf eine historia An- 
axonum fich bezichend. 

penberg’s Geſchichte Englands I. 5 


66 3weite Abtheilung. 


ihrer Gefolgſchaft auf ihren drei Cyulen) bedeutend. war, ers} 
hellt aus dem Dunkel, welches die Geſchichte Englands in den | 
naͤchſten nach und den ihrer Ankunft vorhergehenden Jahrzehen⸗ 
ten umhuͤllt, ſowie aus den fabelhaften Sagen, mit welchen, | 
wenngleich Gildas Cormac fowie der Angelfachfe Beda fie I; 
nicht Fennen, von den fpdtern woalififchen Schriftftellern dieſe 
Jahre auögefüllt. find, fobald die‘ fodter era Michtigkeit M 
der Sachfen auf den britifchen Inſeln die Phanta e erfolgreiche \ 
als das Gedaͤchtniß aufregte. | 
. Hengift, berichtet die britifche Sage, nachdem ſeine Schaar 
die fruchtbare?) und durch ihre.ben Themſeſttrom beberefchende I 
Lage wichtige Infel Ruithina (Ruim), von den Angelfachlen | 
Thanet genannt); nach Weife der Dido mit einer Haut ge 
mefjen oder richtiger nad) römifcher Sitte zum Solde ange 
wiefen erhalten hatte, holte neue Bundesgenoſſen aus feinem 
Baterkande, fowie auch, jenen Sohn Ochta, den Sohn hei 
Horfa, Abifa*), und feine - wegen. ihrer. Schönpeit hedee: 
priefene Schweſter Rowenna. Der Britenfuͤrſt Vonigern, be 
einem Gelage der durch ihre Schlemmerei und Trinkſucht in 
| ben Schilderungen jener Bet berufenen Saar erhielt von 





1). Gildas c. 23. cyulis i. e. nayibus long, der Kiel. iſt kei 
ung nur ein Zheil bes Schiffes 3 doch bedeutete er noch das Ganze, als 
die Stadt Kiel Namen und Wappen von demſelben erhielt. Lange Boͤte 
heiſſen auf der Eibe noch Joͤllen und fübren den alten Nuͤmen gleichfals 
auf den northumbriſchen Fluͤſſen. 

2) Felix Tanet sua fecunditate — Insula arridens bona rerum 
copia, regni flog et thalamüs, amenitate, gratia, in qua tsnguam! 
quodam elysio ete. conf, Jocelinum de vita Milburgae. Eund.devita: | 
s,Augustini apud. Leland,.collectau. Volk II. p. 170. Vol, IV. p. 8. 


3) Der britifhe Name diefer Infel, welcher noch im Jahre 692. 
urkundlich (Thorne p- 2234) vorkoͤmmt, beweiſt, neben andern Ber 
legen, daß in Kent bie britiſche Sprache von der. Tönifchen : nicht 
verdrängt war. Die’Isle of Thanet bezeugt, wie fehr die Geffält der - 
Küfte fi verändert hat, da fie ſchon lange, nur noch durch ten ge⸗ 
ringfügigen Wantfum River vom feften Lande getrennt, bie öftliche 
Spitze beffelben, durch die wage, von Margate und Ramegate bezeich 
net, bildet., - - a 


4) Von einer‘ (oätern Sage über dieſe beiden Namen wird hernach 
bei der Gruͤndung von den Relchen in Rorthumberland die Rede fein. 


> 


Bon Mitte des’ 8. bis Ende bes 8. Jahrh. 67 


he ben gefüllten goldnen Becher mit dem altbeutfchen Gruße 
Naes heil und lernte die Erwieberung Drinc heil'). Vor⸗ 
gern vergaß jebe Beruͤckſichtigung des Ehriſtenthums, zu dem 
e fich Aufferlich bekannte, und von Wein und Liebe entbrannt, 
cklaͤrte er bie fchöne Zütin fir fein Gemahl, welche der Bruder 
dengift ihm gegen Abtretung ‚der bamald von einem Unters . 
Önige bes Bretwalden Bortigern, Gnoirangon?), ſchlecht verwal⸗ 
eten Provinz Kent geftattete. Seine Unterthamen fahen mit Uns 
nuth bie Parteilichkeit, zu welcher ihr König fuͤr die Fremdlinge 
urch diefes Verhältniß veranlafft war, und festen deffen Sohn 
dortimir auf den Thron. Hengifl, der viele Landsleute, 300,000 
igt Galfrid, nach Britannien berufen hatte, unter dem Vorwande, 
ie Peghtenmauer gegen die Scoten zu vertheidigen, und dieſe 
mach ſich verbuͤndete, wurde durch Vortimirs ſiegreiche Waf⸗ 
na, welche auch den Horſa toͤdteten, in drei Schlachten am 
darenchfluſſe, zu Aylesford am Medway?) und Folkftone *) 
wefiegt, wieder auf. einige Jahre vertrieben, doch von ſeinem 
Schwiegervater zurücdgerufen, als biefer, nachdem Rowenna 
veffen Sohn vergiftet, hatte, wieder den britifchen Thron bes 
tig. Da ihm aber die früperen Befigungen von den Briten 
yerweigert wurden, fo warb eine Berathung von 300 Sachfen 
nit einer gleichen Anzahl jener veranftaltet, wo auf das Bes 
ehlwort des Hengiſt, Nimedeure seaxes, die Seinigen die 
umwejenden Gegner mit ihren verfledt gehaltenen langen Meſ⸗ 


1) &. über denſelben von Arx gu Monum. germ. hist U. Schon 
Balfrid von Monmouth leitet von jener Begebenheit die damals 
und noch heute bei den Engländern übliche .Silte des gegenfeitigen Zus 
trinkens zwiſchen zwei Zifchgenoffen her. 

2) Nennius c. 37. Geryngus bei Will. Malmeab. LI. 
e1 Wir würden dergleichen Eleinere und nicht immer durch bie ältes . 
Bea Quellen beglaubigte, doch deshalb nicht verwerflihe, Nachrichten 
Hi übergehen, wenn nicht felbft Zurner, der es am wenigften durfte, 

ſe Überfehen Hätte. | 

‚9 Nennius c. 46. fagt Episforb. Für obige Lesart des Chron. 
saxen, ſpricht die Tradition, welche das in ben Kirchſpielen Aylsford 
beiegene altbritifche Denkmal, jegt Kitfcotyhoufe genannt, für das 
Gh des Catigern erklaͤrt. 

4) Fuͤr lapis tituli super ripam gallici .maris bei Nennius 
ſcheint mit Somner und Stillingfleet zu lefen: lapis populi, 

£ 5% 





68 2::.° Bmeite Abtheitung.:.. 


fen ermordeten). - Das Loͤfegeld für Vortigern war eine 
Dreizahl von Staaten, Suſſer, Eſſer und Middleſſer, welche 
Wbengiſt und nach ihm fein Sohn Ochta beherfchtem ). : 
8m ‚diefer. Erzählung, wie diejenigen Schtiftfteller fie ges 
ben welche die britifchen Sagen verzeichnet haben, koͤnnen wir 
die verfchiedenen Elemente nicht verkennen, aus denen fie ge: 
bildet if. Die Dreizahl der Druidenreligion und der britifchen 
Didtung gibt .die Grundnorm und das Maß, nach weldem 
alle Begebenheiten, ohne auch nur eine chronologifche Andeutung 
hinzuzufügen, zugefchnitten werden. Britifche . Gefchichtötradt: 
tion, römifche Sage werben vermengt und aufgeſtutzt, und bie 
altfächfiiche Sage von ber Liſt und der Tapferkeit, mit welcher 
die Sachſen einft in Hadeln landeten und Thuͤringens fich bes 
maͤchtigt, Land gekauft und Eimvohner ‚mit ihren Meflen er⸗ 
‚ftochen haben follen ?), werden hier wieder in ihr Schuldbuch 
von den Briten gefchrieben. Die wichtigfte Behauptung in 
jeher Erzählung ift jedoch die unmahrfte, diejenige nämlich, 
‚daß -Hengift die obengenannten drei Staaten erhalten: habe, 
welche nie an ihn fondern an. andere germanifche Heerführer 
und zum Theil erft in fpdteren Jahren gefallen find. a 
Bei der auffallenden Unhaltbarkeit jener Traditionen muͤſ⸗ 
fen wir uns um fo eifriger nach den Nachrichten der Einwar 
derer felbft über ihre erfte Eroberung umfehen. Wir finden diefe 
beim Beda, welcher jedoch nur fehr wenige Umftände uͤber die Be 
gebenheit eigenthümlich berichtet, fondern größtentheils dem | 
Gildas Cormac wörtlich nachfchreibend beide ‚Sagen ver | 
mifcht*), und in den angelfächfiihen Chroniken in ihren ver __ 
fchiedenen Zerten, unter denen derjenige beim Kenny von - 
Huntingbon bier durch größere Ausführlichfeit anziehend 


1) Edward Davies Hat in feiner” Mythology and Rites of the 
british Druids in dem Godobin des Aneurin, eines welfchen Barı 
den bes fechsten Jahrhunderts, eine Darftellung dieſer Begebenheit fir 
den wollen. Turners Widerlegung B. III. Cap. 4. ift ſehr gene 
gend, wenngleich feine eigene Deutung nicht viel weniger willfürid 
erſcheint. | 
2) Nennius c, 48, Galfrid. Monmouth. 


8) Bon den fächfifchen Stammfagen fiche weiter unfen. 
9 Bedal, I. c. 15, 16 et 22. aus Gildas c. 23. 5.24 et %. , 





N 


Kenn 


— — — 


Bon Mitteides 3 bis Enbo 536.8. Jahrh. 60 


t.: Da: dieſe Nachrichten. befonders: durch. beflimmmte chronblo⸗ 
iſche Angaben: fi; auszeichnen, ſo follte die erfte Frage ber 
zeſchichtforſchung fein, -- auf welcher: Zeitrechnung : dieſelben 
eruht haben, ehe die chriſtlichen Schriftſteller, durch welche 
iir dieſelben kennen, fie nach dem julianiſchen Kalender und 
er. chriſtlichen Ära berechneten. Britannien kann in der letzten 
Jälfte des fünften Jahrhundertes nicht Iänger nach römifchen 
sonfules :und Kaifern feine Jahre gezählt haben; bie Zeitrech⸗ 


ung nach Chriſti Geburt, von Dionyſius dem Kleinen erſt im 
:chfien Jahrhunderte in Anwendung gebracht, konnte in kei⸗ 


em Falle vor dem Schluſſe deſſelben, nach der erſten Bekeh⸗ 


ing eines angelſaͤchſiſchen Herrſchers und vermuthlich doch erſt 


3 mehrerer Verbreitung der chriſtlichen Religion, in Anwen⸗ 
mg gebracht werden. Über die Beitrechnung welche die 
zachſen nach ‚Britannien gebracht haben, willen wir faum 
ehr, als daß fie nach Mondjahren zählten und daß fie ihr 


jahr, welches wie einft das. roͤmiſche) nur aus zehn Monas . 


en, für welche fie allein Namen hatten, beftand, durch Hin: 
ufligung von zwei neuen Monaten fowie eines. Schaltmonates 


ur Zeit der Annahme des chrifllich=römifchen Kalenderd vers . 


uehrten ). Wir werden daher bei der Würdigung von chrono⸗ 
giſchen Angaben und Allem was von- benfelben abhängt, die 
nere Slaubwürdigkeit diefee Nachrichten um ſo ‚mehr berüd- 


tigen müffen, da wir für einen Zeitraum von beinahe ans 


ertbalb Sahrhunderten Feine zuverläffige Geſchichtzauele der 
ſeidniſchen Angelſachſen anzugeben wiſſen. 

Die angelſaͤchfiſchen Nachrichten werden uns von den 
Shroniften in folgenden Worten gegeben. Im Jahre 449 
surden die Athelinge der Angeln’). oder Sachen von Vorti⸗ 


Henric. Huntend. fchreibt wieder dem Beda nah, mit Einſchal⸗ 
ung der Nachrichten, welche ſich im Weſentlichen auch in Chron. saxon. 
La. finden. Die Stellen welche Heinrich dem Beda nachſchreibt, 


Eſſen ſorgfaͤltig von dem Übrigen ausgeſchieden werden, wenn bie von 


a gegebene Anficht richtig aufgefafft werben fol. 
1) &. Idelers Chronologie und Niebuhrs roͤmiſche Geſchichte. 
2) ©. Beda de temp. ratione, ertrahirt bei Leibnitz script. 
x. brunsvic. T. I. 
9 S. Chron. saxon. a. 443, welches vieleicht einer andern Nach: 


l 





\ 


. 00 nt Zweite Adtheilung..:. 


gen, Könige ber Briten, zu Huͤlfe gegen bie Pieter und 
Scoten gerufen, welche auf drei Cyulen ımter ihren Fuͤhrern 
Hengift und Horfa, den Söhnen bed Wictgilö, eines Urenkels 
des Wodan, der in fechfter Zeugung von Gott abflamımte, zu 


 Yproinesfleet.') in Kent landeten. Die Picten und Scoten 


waren fchon bis Stamford im Süben von Lincolnfhire vorge 
drungen. Die Einen fämpften unerfchütterlich mit Wurffpieffen 


und Lanzen, die Andern mit Streitärten und langen Schwers 


— 


tern; die Picten vermoͤgen ſolcher Kraft nicht zu widerſtehen 
und ſuchen in der Flucht ihr Heil”). Die ſiegreichen Sachſen 
triumphiren uber den Feind wohin fie dringen und bemaͤchti⸗ 
gen fich der Beute. Die Fremden berichten ihren Landsleuten 
in Sachen von der Fruchtbarkeit diefer Infel und der Schlaff: 
beit: der Einwohner, worauf. fogleich eine größere Flotte von 
fechözehn Segeln eine größere Anzahl von Kriegen hinuͤber⸗ 
bringt, weiche die vorangegangene Schaar zu einem unbeſieg⸗ 
baren Heere machte. Es werden ihnen fefle Wohnfige von 
den Briten als Gefchent und: Sold' fire bie fernere Vertheidi⸗ 
gung Britanniens “angewiefen, nach Berfchiedenheit ber brei 
Stämme, der Züten in Kent, dee Sachſen in Wefjer und 
Effer, der Angeln nordwaͤrts. Die Sage von der Rowenns 
wird bier nur als britiſchen Quellen ‚angehörig aufgeführt ?). 
Beda berichtet ferner, daß Horfa in einem Treffen mit ben 
Briten gefallen und fein Denkmal noch im öfllihen Kent zu 
ſehen fei; darauf die Sachen in vermehrter Anzahl nach. Bri⸗ 


tannien gefommen und ein Buͤndniß mit den Picten*) einge 


sicht folgt, wenn es die Einlabung an bie Angeln in das Jahr 443 


ober ein nächfifolgendes fest. - 


-- 1) Chron. saxon., welches im übrigen an biefen Stellen den Beda 
J. 15. nur uͤberſetzt. Ethelweard, p. 834, 


2) Henr. Huntend. 
- 8) Henr. Hunt. dicitur a quibusdam. ®gl. Nennius c. &. 
‚und über bie bei Heinrich folgende Nachricht Denfelben Gap. 51. 
4) Diefe Nachricht Bedas findet fich nicht. bei Gil das und 


Nennius, welche fie zu berichten fchiverlich verfehlt Hätten, ſondern 


u beruht: wahrfcheinlich nur auf einem feiner Misverſtaͤndniſſe des Gil das. 
Diefer fagt: Saxones testantur se cuncta insulae rvpto föedere (se. 


cum Yordigemo inito) depopulaturos. 


Von Mitte des 3. bis Ende des 8. Jahrh. 71 


angen ſeien. Ergibt darauf nur noch einige Worte des Gildas 
ber die Kaͤmpfe des Ambroſiub Aurelianus mit den Sachſen 
nd geht ſogleich zu det, durch einen jener unbegreiflichen, aber 
ei dem würdigen: Wanne nicht ganz Teltenen Misverſtaͤndniſſe, 
das Bahr 492. gefegten Schlacht bei Bath über. Noch 
ennt er bei.einee ſpaͤteren Veranlaffung den Sohn: des Hen⸗ 
ft, Erich, mit dem Beinamen Dife (Aſc), von welchem ber 
migihe Stamm in Kent derjenige ber Aſcingen genannt ward. 
Ne übrigen Sagen, welche wir gleich verzeichnen werben, was 
m ihm alfo unbekannt oder fchienen ihm werthlos. 


In emer Schlacht, worin Ambrofius Aurelianus, ein Dur. | 


mifcher Abſtanimung, mit zwei Söhnen bed Vortigern, Gor: 
ner und @atigern, drei Schaaren anführte, gingen Horfa und 
engiſt, obgleich vicl geringer an Mannfchaft, Jeder mit einer 
haar, jenem mit hoher Kühnheit entgegen. Dieſes Treffen 
an mit dem von den Briten ‚Ohne nähere Umflände ange⸗ 
ihrten bei Dermwent ibentifch fein. : Im fechöten. oder fiebenten 
ahre nach der Ankunft der Sachſen ereignete ſich die Schlacht 
ri Ägelesthrep. Gleich zu Anfange ſchlug Horla die. Schaar 
es Gatigern mit folher Kraft, dab fie wie Staub auseinan> 
erfliegend zerfchmettert wurde, und hieb den Sohn des Kb: . 
98 zu Boden. Deſſen Bruder Sortimer aber, ein fehr tapfe⸗ 
e Mann, brath von der Seite in die Schlachtorbnung des 
orſa und- tödtete den Helden. Die-Überbleibfel von Horfas 
aar fllichteten zu Hengiſt, welcher mit der keilfoͤrmigen Schlacht 
tonung des Ambrofius unbefiegt focht. Da nunmehr bie. 
anze Laft des Kampfes auf Hengift. fiel und auch der tapfere 
dortimer ihm drängte, fo muſſte er nach langem Widerflande, 
nit großem Berlufte der Briten befiegt, er der nie geflohen 
vor, fliehen. Diefes Treffen, des Namens wegen für die zweite 
on Nennius erwähnte Schlacht gehalten, flimmt den Folgen 
ah aber mehr mit der dritten und legten von ihm genannten. 

Im achten Jahre nach der Ankunft der Germanen führ⸗ 
en die Briten vier große Heereshaufen unter vier tapfern An⸗ 
ührern zu Crayford in Kent gegen Hengiſt und ſeinen Sohn 
Ik. Doch als die Briten dad Kriegsſpiel begannen, widerſtan⸗ 
en fie den Sachfen fchlecht, welche durch neuerlich angelangte; _ 
uerwählte Männer verftärkt mit ihren Streitärten und Schwer⸗ 


| 1.0.7 Biesiie Abtheilung .:... 


tern bie. Leiber der Briten furchtber fpalteten und nicht den 
Kampf aufgaben, bis fie.4000 Briten '). jener vier Anführer 
geſchlagen und niedergemegelt exblickten. Die Briten flohen 
vol Sagen nach London und wagten ‚nie wieber Kent. eines 
Kampfes halber zu betzeten, Die Afcingen, Hengiſt und Erich, 
begannen nunmehr in Kent den Koͤnigstitel zu, führen ?). 
Acht Jahre fpäter,, im Jahre 465, verfammelten. Hengifl 
und Aſc ein unbeſiegbares Heer, gegen welches ganz Briten⸗ 
land in zwölf herrlichen Schlachtordnungen aufgeſtelit wurde. 
Man kaͤmpfte lange und lebhaft, bis Hengiſt die zwoͤlf britiſchen 
Heerfuͤhrer erfchlug, ihre „Heerzeihen nahm und die beſtuͤrzten 
Schaaren in die Flucht trieb. Aber auch Hengiſt verlor unter 
vielen angeſehnen Fuͤhrern -und Stammgenoſſen feinen edlen, 
tapfern Degen (Than, thegn) Wypped, von welchem das 
Schlachtfeld, welches wir nach der obigen Nachricht nicht in 
Kent ſuchen duͤrfen, ſeinen Namen Wyppedesfleth erhielt. An 

dieſen Sieg knuͤpften ſich daher ſo viele Thraͤnen und Schmerz, 
daß beide Voͤlker ihre Grenze geraume Zeit hindurch nicht zu 
uͤberſchreiten wagten. 
Wieder nach acht Jahren, im Jahre 473, erkaͤmpften 
Hengiſt und Aſc einen neuen Sieg über die Briten; der Name 
des Schlachtfeldes ’ift vergeſſen; jene machten unzählige Beute, 
und biefe flohen vor ihnen wie vor dem Feuer’). . 

Im vierzigſten Jahre nach feiner. Anfunft ‚ober: zweimal ” 
acht Jahre mach ber legten Schlacht far bengin * und nach 


9» Ethelweard, p. 881. 


‘2) Henr, Huntend, Chron. saxon. ad 455 u. 487. ſtimnt uͤber⸗ 
ein und weicht auch ruͤckſichtlich des Regierungsantrittes nicht ab, da 
es an der erſtern Stelle ſagt: aefter tham Hengest feng to rice and 
. Aesc his sune. Doc ann man, auch wenn Horfa als ber ältere 
Bruber angefehen ‚wird, dies frühere Sahr als das feiner Herrſchaft 
über die Sachſen anfehen. Was Kent betrifft, ſo iſt kein Widerſpruh 
vorhanden. 

3) Chron. saxon. a. 473. 


4) Henr. Hunt. Auffallend wirb unſere Anſicht beſtaͤtigt, öl 
rend das lange Überfehen berfelben ſich cher erflärt daburch, daß der 
hriftliche Ehronolog im Klofter zu Pelerborough, oder wem fonft wir die he 
Zahreszahlen der angelſaͤchſiſchen Chronik verdanken, hier, anflatt den \ 

’ J 


Bon Mitte des 5. ſia Ende has 8. Jahrh. FE 


3 herrſchte ſeine Koͤnigreiche durch bie. Koͤnigreiche der Bri⸗ 

vermebrens der Stammavater der Dynaſtie ber Äſcingen, 
ich genannt Äſc,vier und zwanzig Jahre, bis zu dem Ende 
achten Kreiſes von. acht Jahren nach. der. Ankunft. der 
rmanen in England. Die Geſchichte Kents bietet: bierauf 
chrend der folgenden achtzig Jahre keine chronologiſche An⸗ 


be dar and hat uns überhaupt nur die Namen der erſten 


singen, deren Namen fo auffallend: an. die Götterburgen,, das 
derrheiniſche Afsiburgum (Efchenburg) und das norpiſche 
zart mahnen, nämlih Ocha oder Dchta, Sohn des Erich 
:, und Ermeric, Sohn oder. Bruder des Ocha, erhalten, 
it dem Jahre 568 wird ims- Äthelbert genannt, der darauf 


Sabre, fowie feine Nachfolger Eadbald und Eareonbert 


7 24. Fahre regierte. Ä 

Die große Wichtigkeit, welche die Eroberungen des Hen⸗ 
; in der Geſchichte Englands haben, muß und rechtfertigen, 
an bier der Werth der. vorftehenden Nachrichten :noch näher 
Autert wird. Bunächft das Jahr der Landung, welches ſpaͤ⸗ 
ce angelfähfifche. Chroniten auf dad Jahr 449 fegen. Der 
tere Beda' drüdt ſich zu drei verichievenen Malen nur da⸗ 
n aus, daß die erfte Landung der. Sachen innerhalb der 


benjährigen Regierung des Marcianus und Valentinianus 
ttgefunden habe '), deren Anfang er auf dad Sahr 449. oder’ 


9 ſetzt; das richtige Jahr ift. bekanntlich. 450. Bei diefer 
neuchtenden Ungenauigkeit der englifchen Nachrichten wird 
ie wie es fcheint bisher uͤberſehene Angabe des älteren und 


oft gleichzeitigen. Profper Tyro fehr wichtig, welcher verzeihe 
et bat, daß Britannien beveitd im Jahre 441 in die Herr ., 
haft der Sachſen gerieth * Mit dieſem Jahre koͤnnte viel⸗ 


Ich von Hengiſt in das Jahr 489 zu ſetzen, fuͤr den Unterſchied des 
achſiſchen Mondenjahres und des Sonnenjahres pedantiſch richtig ein 
Jahr abzog und das Jahr 488 niederſchrieb. Andere ſcheinen dieſes Jahr 
am Sohne wieder zugelegt zu haben. 


1) &. in der Histor. 1. I. c. 15. 1. V. c. 24. quorum tempora. _— 


Osenicon ad a. 459. 

2) Britanniae usque ad hoc tempus 'variis cladibus eventibuscue 
aceratas in ditionem Saxonum rediguntur. Prosper Tyro ad a. 
4. ud Canisium lect. antiquae.. T.d.: 


⸗ . 





Mn gelte As theituns:. n284 


leicht ſchon die bei dem: bamals:th Gallien verweilenden Acuus 
Huͤlfe fuchende  Sefandtfchaft der Briten ih Werbindung ge⸗ 
bracht. werden. Doch Beda felbft an andern: Beten feines 
Werkes, wo er die Zeitrechnung mit ‘größter Weflinmiheit an: 
gibt, bezeichnet dafetbft für die Landung der Angeln und. Sa: 
ſen ein anderes Jahr, naͤmlich dasjenige des dritten Conſula⸗ 
tes des Astius, das Jahr 446 '). Beda, deſſen gtellet Mangel 
an hiſtoriſcher Kritik noch nicht gehoͤtig gewindigt iſt, folgte 
bei ter einen Angabe den kenter Nachrichten, in der andern 
nordenglifchen Quellen, welche beide ‘für ihre Gegend richtig 
fein mögen. Auf jene und noch bazu misderſtandene: Angabe 
Bedas haben die fpätern Chroniten ben Anfang ihrer ſaͤchſi⸗ 
ſchen Ara gebaut. a 
Die Vorliebe für die durchaus irrige Zahl deö Jahres 449 
möchte vielleicht amd der Nachricht zu erklären fein, daß, wie 
die erften germanifchen Könige In den Reichen: in Britannien 
vierzig Jahre herrſchten, fo auch) feit dem Abzuge ter Roͤmer 
bis zur Ankunft der Sachen ein Zeitraum von vierzig Jahren 
vorbergegangen fei?). Da jener Zeitpunct in römifchen Chros 
niken geſucht werben muſſte, für welchen diefe ſowie Beda 
das Jahr 409 angeben, fo smäffte für den. andern das Jahr 
449 feſtgeſetzt werden. Die aͤlteſten angelſaͤchfiſchen Chronolo⸗ 
gen berechneten die Jahre nach der Ankunft der Sachſen, und 
wir haben ed aus der wechjelnden Annahme, bald des Jahres 
445 bald 449 zu erklären, weshalb die verfchiedenen' Zeitans 
gaben der dlteften Annalen grade ftetö um vier Jahre abwei: 
chen ). Daß indeſſen auch noch in nicht ſeht fpäten Jahr⸗ 


1) Lib. V. e. 23. Anno adventus Anglorum in Britanniam cir- 

citer 285, Dominicae autem Incarnationis anno 731. Lib. I. c. 33, 
Anno XIV ejusdem principie Mauricii h. e. anno (696) adventus vero | 
Anglorum in Britanniam circiter 150, Vgl. auh LIT. e. 14. Die | 
kurze Chronologie des northumbrifchen Klofters Wearmouth vom Jahre 
737 feße die Ankunft der Angeln vor 292, alfo ins Jahr 445. ©. dies 
ſelbe in Wanleys catalog. Mss. in Hickes thesaur. T. IH. p. 283. ! 
' 2) ©. Nennius c. 38., werin er auch die Genealogie von Hors 
und Hengiſt gibt. > 
5) S. auch die Annales juvavienses maiores, wo Ethelberts von 
Kent Zobesjaht beim Jahre 670 angezeichnet iſt, als welches gewdhnn | 








Bon Mitte bes:5. bis Embe des 8. Jahrh. 75 


nderten «fich die Angabe bed Jahres 428 als besfenigen 
: Landung: ber Sacfen. in England dei Schriftfiellern vor 
bet, ift eben’): ſchon weiter’ ausgeführt worden, und es darf 
ber bier nur mit biefen wenigen. Worten daran erinnert wers 
a. Bir: Jaben m unferer Erzaͤhlung ben bisher ganz. über 
yenen Umflanb bemerklich zu machen um bemüht, wie bie 
egebenheiten in der Gage von den Aſcingen oder den Stife 
m des Königreichd Kent in einem: achtmal wiederholten Kreids 
ufe von acht Jahren ſich bewegen. . Verriethen nicht fo viele 
chteriſche und darſtellende Züge, welcher poetifchen Quelle. bie 
Eenen Chroniften ihre Darftellung entlehnt haben, fo muff⸗ 
a jene Zahlen ſchon den Verdacht: weden, baß bei einem 
olfe, welches Feine ‚älteren Zeitbeſtimmungen feiner Gefchichte 
fbewahrt hat, deſſen in der zehnten : oder zwölften Zeugung . 
on zu bem erften Urheber ver Welt zurüdiführende Stamm⸗ 
ume ein gar kurzes geſchichtliches Gedaͤchtniß Fund geben, 
ie auch. hier in den gegebenen Zahlen nur bie willkuͤrlich von 
m -Scalden gemiachten Abfchnitte feiner auf einigen bigoci. 
hen Sagen beruhenden Dichtung beſitzen. 

So wenig nun auch von altſaͤchſiſchen Sagen durch bie 
iteratur der .chriftlichen Angelfachfen auf und gelangt. iſt, fe 
figen wir dennoch zwei Gedichte, in welchen. Hengift als der 
egenftand derfelben erfcheint: das eine genannt die Schlacht 
i Sinmsbury ?), das andere eine Epifode in dem älteften. vor⸗ 
mdenen Nationalepos des germanifchen Europa, im Beo⸗ 
if’). Wir werben alfo nicht überrafeht fein, wenn wir von 


‚6 angenommen wird; während nach ber entgegengefeäten Rechnung 
qelbſt das Todesjahr des Biſchoſs von Lindesfarne Finnan auf 653 ſtatt 
32 gefist wird. Eine ähnliche Verwirrung findet ſich auch bei dem To⸗ 
Bjahre des Königs Penda von Mercia, welches, gewöhnlich beim Jahre 
# angegeben, von ber. wan leyſchen Chrerit in das Sape 6 658 ge⸗ 
kt wirb. 

)e. ©. 69. Note 8, 


2%) Ein Fragment deffelben f. bet Hickes thes. T. I. p. ff} 
Rit Iateinifcher und englifcher Überfegung in W. Conybeare Illu- 
trations p. 173— 182. Dintfh von Grundtvig in ber Einkeitung 
u feiner Überfegung:.Beomulfs Drape. 


3) In Thorkelins Ausgabe ©, 83 fo. Der Grrantgeer Hat 


276 Me RR Abtheitung. 


Bebichten über fein denkwuͤrdigſte That, von. heibnifchen Yu 
gelfachfen in dem erſten Jahrhunderte. noch Bemfelben gefuingen, 
vernehmen ') imd much: in der .Gefchichte der ſpuͤter gegruͤnde⸗ 
ten -angelfächfifchen ‚Reiche manche. Spur dichteriſcher Auffaffung 
in. den:bei den Chroniken aufbewahrten Fragmenten entdeckemn 
Ob die Zahl acht nur vie Eintheilung. war,: welche durch 
bie ‚oteleicht:- hiftexifchen Bahlen 40 oder. 64 ‚gegeben wurde, 
ober .ob ‚eine ‚andere .aftronomifche Deutung oder etwa ein My | 
thos berfelben gu Grunde liege, ‚vermögen wir nicht: zu ents 
hüllen.. Daß aſtronomiſche Sagen den Sachen: nicht fremd 
waren, erfehen wir aus ihrer Stammfage‘, in. welcher die An: 
zahl der: 354: Schiffe, mit. welchen. ihre Vorfahren aus dem 
. Rande . dei Sonnenaufganges auswanderten, derjenigen. ber 
Tage bes: Mionpjahres entipricht. Die Ashtzahl finden wir m 
der bei: den Angelſachſen und Irlaͤndern gewöhnlichen Einthei⸗ 
lung ber 24 Stunden von einem Morgen: zum andern ); welche 
- acht. Wachen auf. der See noch heute im Gebrauche der Schiffs 
leute. vorhanden. :, Sowie zu Rom der Kreislauf von act 
Tagen erſt durch die jlidifch = chriflliche Woche von fieben To 
gen verdrängt wurde, fo deuten germanifcher . und nordiſcher 
Sprachgebrauch auf eine ähnliche Zeitrechnung. im heidniſchen 
Norden’). Jene Zahl erinnert ung ferner an bie Octoetairis 






jedoch den fünfmaf dort vortommenben Nomen des vengiſt ſtets mis⸗ 
zuverſtehen gewuſſt. 

1) Es iſt hier vielleicht nicht ganz der Ort zu bemerken, daß in 
Buͤſchings Volksliedern ein Kinderlied fich findet, welches auf die 
Einwanderungen ber Sachſen in’ England gedeutet wird. Auffallend if 
darin bie Erwähnung der altfächfifhen Waffe, der großen Meffr. 
2) ©. Thorkelin in den Addendis zum Beowulf. A. BS. Ur 
tas. Isl. Ottor. Die Ucht bedeutet noch im nördlichen Deutfchland di 
Morgen, im Dsnabrüdifchen aber auch bie Abend: Dämmerung. Gi. 
hen und Römer hatten bekanntlich gleichfalls dreiftündige Nachtwa 
Letztere follen eine ähnliche Eintheilung auch für den natürlichen u - 
befeffen haben. S. Idelers Handbuh ber Chronologie. Ingram. 
zum Saxon Chronicle ad 795, wo bie Mondfiaſterniß angegeben wird: iz 
Cetwux hancred and dagunge.. a 

3) Die Engländer fagen: in eight days, wie die Deutſchen, gr 
zoſen u. A. ©. auch Grimms Rechtsalterthuͤmet. G. 215. de 
Römer ſ. Ideler g. a. DH, ©. 136. Eine Varligbe für die ; 











1 





Bon Mit tus 5. URRIERdE 618-8. Jahrh. 7? 


r Griechen, welche in ihren Spieien und: andern Anorbiun: 
a derſelben fo ſehr bervortratz:und wenn. wir in ben Volks⸗ 
auben des Mittelalters ſo häufig den Nachhall alter Ges 
pe und des Glaubens finden und lektern wohl am wenigs 

m in- den "Sagen der Aſtrologen jener Bet vermiffen duͤrfen, 
‚ müffen wir noch an ben :dem großen. Kepler fogar ‚merk 
uͤrdigen Eyclus von achtmal acht Jahrhunderten erinnem, 
on denen 4000 Jahre der alten Welt gehörten und 2400 ber 
mern beftimmt find. Selbft der Name bed Sohnes ober 
Iruders und Enkels von Hengiſt, Ochta, koͤnnte mit jener 
ahl gleichbedeutend erſcheinen. 

Hat die Betrachtung ber abgezirkelten Zeitrechnung. der 
errfchaft ber Aſcingen und daran erinnert, wie mancher Jahr⸗ 
inderte Geſchichte ein ſpaͤteres Werk von Menſchenhaͤnden iſt, 

werben wir auch gegen das Daſein des erſten Stifters jenes 
jefchlechtes in Kent manchen Zweifel nicht ganz unterbrüchent 
Innen. Unter den Gründen, welche gegen die hiſtoriſche 
ireue ben Überlieferungen von Hengiſt und Horſa fprechen, 
tetet fich zundchft der wenngleich nicht: unerhoͤrte, doch auſſer⸗ 
alb aͤhnlicher poetiſcher Volksſagen ſeltene Umſtand dar, daß 
wei Heerführer zugleih an der. Spige einer Gefolgſchaft ſte⸗ 
an. Beda gibt die Nachricht / von den: beiden Bruͤbern nur 
ls eine Sage). Ihre gleichbedeutenden Namen find noch 
uffallender?) und man hat fie ſowohl auf die von den Deuts 


acht in Berichtäinftitutionen war vielleicht bei den Juͤten vorherrfchend, 
wo wir acht Sandemaendb und zuweilen ebenfo viel Geſchworne finden. 
Ein Vorherrſchen der Zahl acht in den angelfächfifchen Gegen laͤſſt fh 
uidt behaupten; doch fehlt fie nit. 3. B. Geſch. Älfreds Gap. 40. 
den Wundenbußen. Vgl. Aethelstani g. IL: 1. Diebſtahl if 

Be Pfennige. Foedus Aethelredi et. Danorum art, 5, Gries 
ch iſt, wenn acht Menſchen erſchlagen werden. Die Zahl vierzig 
aſcheiat vielleicht am wichtigſten, wo vierzig Hyden Landes zum Begriff 
bp hoͤchſten Adels (proceres) gerechnet werden. Histor. Elieon. II. 40, 


. DBedal.l.c. 15. 


2) DOrs ift noch in den beutfchen Gedichten und Geſchichtewerlen 
BB vierzehuten Jahrhunderts, Hors im heutigen Daͤniſchen u. ſ. w. 
Neihbebeutend mit Roß. Ein Pferdemarkt heiſſt in, hamburgiſchen ur⸗ 
Anben des dreizehnten Jehrhunderts: Horſemarket. 


783we nte Abtheilung. 


Shen: für: heilig gehaltenen Roſſe) als auf deren Kriegsze⸗ 

chen?) und_dad Wappen der. Graficheft Kent, weiches ein 
weiſſes Roß darftellt, deuten wollen. Leider find hie Gebichte 
uͤher Die Grimdung des Königreiches Kent bei dem frühen Us 
tergange der Macht deſſelben fchon früh ‚und fir ums hoͤchtt 
wahrſcheinlich unwiederbringlich verfchwunden, und bleibt und ſ 
wenig Hoffnung die Überlieferungen aus hiflerifhen Angaben 
als aus dem Gefüge und ber Darftellung des Heldengefanges 
zu erläutern. Im den Menigen was im Gedichte von Beo⸗ 
wulf und über Hengift erhalten ift, dürfen: wie jedoch nicht 
überfehen, daß er daſelbſt als ein Frieſe erfcheint, wodurch fehr 
unerwartet ein günfliger Lichtſtrahl auf die laͤngſt von Verſte⸗ 

gan?) und fpäteren englifchen Gefchichtsforfchern verworfenn 
Sagen des Deco Scherlenfis *), eines friefifchen Gefchichtfchres 
bers, welcher im zehnten Sahrhundert gelebt haben foll, p 
fallen fcheint. In diefen werden, um Anderes zu übergehen, 
Gengiſt und Horfa ald Eöhne des fiebenten und legten Heros 
ges des Friefen, Udolph Haro, und der Suana, einer Tochter 
des edlen Wetgiffus bei Hamburg und Schwefter ‚zweier früh 
verftorbener Brüder Hengift und Horfa, dargeſtellt. 

Die Unterfuchung über. die Zeitrechnung des Angelſachſen 
bringt die. Frage nach den Mitteln mit ſich, welche dieſes Voll 
befeffen haben möge, um das Gedaͤchtniß des Individuums 
zu ſtaͤrken und das dahinfchwindender. Gefchlechter den Nach⸗ 
lebenden zu erhalten. Daß die Schreibkunft nicht fehr uͤblich 
war, müflen wir aus dem Gebrauche vieler fombolifchen Ge: 

richtshandlungen fchlieffen. Doch fchon die angelfächfifhe und 
- zum Xheil noch englifche Bezeihnung für Schreiben und Buch 
flaben, writan (to write) und staef, und die vielen angel 
fähfifchen aus diefen Wurzeln hergeleiteten Wörter, wie staef- 
eraeft (Buchftabenkunde, Grammatif), staefen, staefraewe, 


| 0) Taciti Germania c. 10, 
2) Ibid. c. 7. Ejusd. histor. 1. IV? c. 22, 
8) Restitution of decayed intelligence in antiquities byR 
V(erstegan). 
4) Sch kenne feine Angaben nur durch ſeinen Nachfolger Suffri⸗ 
dus Petrus in dem Werke: de Frisionum antiquitate et origine. 
Colon. Agripp. 1550. | 





3) plega (Schule) berechtigen ‚und ‚zu folgern, Daß, wenn bie 
| Angelfachfen eigene Namen für die Schreiblunft hatten, ihnen 
m! diefe nicht ganz unbekannt fein konnte. Don dem: Gebraude 
8 ber Rımenfchrift, welche fhon Tacitus bei.den Deutfchen ges 
mi Eat zu haben fcheint 1), finden. fich in dem fpäteren ‚England 
viele. Spuren, und das Wort Rune felbft. bedeutete dort noch 
a ein Gcheimniß, doc) nicht wie diefjeit. der Nordſee den. Buchs 
$. ‚Raben. Daß die Stabſchrift von den Sacfen nach Britans 
f nien heruͤbergebracht wurde, ergibt fich theils daraus, daß die 
Angelſachſen nur das alte Runenalphaber. in ſechegehn Buchs 
Haben kannten, und ihre. Stabzeichen denen der norddeutſchen 
Voͤlker ſehr ähnlich find ?), befonbers jedoch aus der Aufnahme 
einiger jener. altſaͤchſiſchen Stäbe in das durch die chriſtlichen 


Laute nicht alle auszudruͤcken im Stande war. Dieſe find die 
Runen F oder P, weldes jest mit w und > ober p, ‚wel 
ches auch mit einem ben ſpaͤtern Angelſachſen eigenthümlichen 
Zeichen 3, jegt mit th .auögevrüdt wird. Bei ber frühen 


nn: BA WM BIT: MT. 


Bon Mitte des 5. dis Ende des 8. Jahrh. 79° 
asfenroph (das. Alphabet), atanf gewrit, staeflice, Btnnf 


4 


er eingeführte roͤmiſche Alphabet, welches bie angelſaͤchſiſchen 


durch bie Miſſionen erhaltenen Bildung der Angelſachſen iſt die 


uͤbrige Runenſchrift um ſo mehr in den Hintergrund gedraͤngt 
worden, da ſie auch den Altbriten unbekannt war, weiche ſpaͤ⸗ 
tee ſehr auf jene einwirkten. Wenn wir nun auch ben Vers 
ia. aller. Stabfchriften der Angelfachfen aus ber heibnifchen 
geit zu beflagen haben, welche die Stammbaͤume ber Könige, 
Rechteracumente und Gedichte auf gebrechlichem Holze verzeich⸗ 
net hatten, ſo fehlt es doch nicht an dauerhaften, wenngleich 


an 2127 mw 





-. 


1) Germania c. 8. Aram Uhixi (Odyſſeus, Odin) consecratam, 


Germaniae et Rhaetiae. — 


hand ſpqͤteren Monumenten, welche mit denſelben verſehen ſind, 
worauis wir folgern dürfen, daß fie ‚hier, wie im- Norden, 
; di, lie Schrift des ägentlichen Volles noch einige Jahrhun⸗. 


memumentagıs et. tumulos graecis literis inscriptos — in confinio 


5 BE. 3. C. ‚Grimm über deutfche Runen. Göttingen 1821; und. 


: Diiken- Rachtrag zu dieſer Schrift in den wiener Jahrbuͤchern 1828. 


wenngleich nicht im Einzelnen, doch im Reſultate ganz briſtimme. 





84.48, Geijer Svea Rikes Häfder T. I. 134 - 185., dem J 


2 Bweite Aorheilung. - > 
derte ſich erhielt, weshalb wir fie auf Grenzſteinen, Daufftei— 


nen und aͤhnlichen oͤffentlichen Denkmaͤlern finden. 

Die angelſaͤchſiſchen und ſcotiſchen Miſſtonare pflanzten fo: 
gar die Kunde der angelſaͤchſiſchen Runen in Deutſchland und 
im Norden fort, wo viele Denkmaͤler nicht mit der altnordie 
ſchen fondern angelſaͤchſiſchen Stabfchrift bezeichnet find. Der 
Gebrauch der Runen als eigentlicher Schrift koͤnnen wir ir 
England noch bis ind vierzehnte Jahrhundert verfolgen ), und 
irren wir nicht, fo bat auch fpäter diefelbe noch in mancherlet 
Zeichen und Siegeln, bei denen dus Einfchneiden der grablinigen 
Runen leichter war ald das der gewöhnlichen runden Moͤnchs⸗ 
ſchrift, dort ſowie in Deutſchland ſich erhalten. Doch vermiſ⸗ 
ſen wir noch immer die Wiederauffindung der Ziffern in der 
Stabſchrift, durch deren Kunde mancher raͤthſelhaften Mythe 
des Nordens ihre hiſtoriſche Deutung werden koͤnnte. Bei 
dem unleugbaren Zuſammenhang der Runenſchrift mit dem 
phoͤniciſchen und daher altgriechiſchen Alphabete duͤrften wii 
folgen, daß die Ziffern in jener durch die Runen in ihrer al 
ten Reihefolge, welche wir aus einigen Handfchriften Eennen, 


. bezeichnet fein möchten; eine Vermuthung, welche bis zur Zahl 


neunzehn auch in dem nordifchen Runenkalender bei der Angabe 
des 19jährigen Oſtercyclus ihre Beſtaͤtigung findet). Erwaͤ⸗ 
gen wir ferner, wie bie Runenſchrift lange die Schrift de 
Volkes und wahrfcheinlich des Verkehres blieb, fo lieſſe fih 
die den gewöhnlichen Anfichten freilich fehr widerfirechende 
Frage aufwerfen, ob, unbefchadet des Einfluffes des arabifchen 
oder indifehen Zahlſyſtems auf das unfrige, nicht Die jegigen 
ſ. g. arabiſchen erſten acht Ziffern jene acht Runen ſeien, de⸗ 


nen, ſowie fie in alten Handſchriften erſcheinen, fie naͤher kom⸗ 
men als den wirklichen arabiſchen Ziffern? Daß die von mir‘ 


gefuchte Ähnlichkeit nicht fo fehr durch die norbifchen, fondem 
durch die fpäter allgemein ‚verbreiteten angelfächfifchen Runen 
hervortritt, 3. S. in der fechflen, cen genannt, welche, un: 


1) S. Cod. Sangallens. 270 u. 878. It. Cod. Istdor, Paris, 
Bei Grimm tab. II. und daſelbſt tab. II. aus der neuern angelfäg 
ſiſchen H. S. bei Hickes L 135. 136. und III. tab. 


2) Hickes I. 34. 


veiſel, DET NIE vergeſſen Tann, DAB IWon ſo hauſig D 
haft und Kunft fi, ihrer Heimat näher Sefanden, ale 
tzſichtige Hochgelahrtheit wähnt. - . . - -+- 
Bichtiger würde für die Geſichtsforſchung kein, das Zah⸗ 
m ber alten. Sachſen kennen zu lernen. Ich bin ſehr 
—— daß ſie das durch die leichte Theilung 
mpfehlende Achtſyſtem befolgten und hierin der letzte 
der obenerwaͤhnten haͤufigern Benutzung dieſer Zahlen 
n angelſaͤchſiſchen Nachrichten liegt. Aus jenem Acht⸗ 
ſcheint auch zu erklaͤren, daß der Name der achten 
— huun — mit Hundert nahe sufammenhängt, fowie 
ie nordifchen und germanifchen Voͤlker ein Eleined und 
Hundert und Zaufend kannten, mit welchem legtern die 
.120 und 1200 bezeichnet wurden’), fowie auch das 
: Hervortreten der Zahl Zwölf (3X 4). Das. größte 
t im Norden, welches vorzugäweife den Namen vaett 
‚ enthielt achtzig Pfund und ift erft fpäter auf hundert 
ehnt *). Die Angelſachfen feßten dad Wort Hund der 
70 bis 120 vor, woburd wir auf eine Zeit hingewiefen 
1, in welcher jenes Wort ‘noch nicht bie fpätere Zahl, - 


Die zweite Rune uur gleicht in allen Runenalphabeten ganz ber 
zwei, wie fie fi h in den Handſchriften des vierzehnten Jahr⸗ 
s findet. | 
©. Montucla histoire” des math&matiques. I, 375 sq. 








Dr} Ze nn. Bmweite Abeheilung.---- 


fonbern nur eine gewiffe Vervielfältigung bedeutete '), welche 1. 
Bezeichnung vielleicht mit der Zahl der fechözehn alten Runen, | 
wenn deren elfte für 20 und fo. fort die funfzehnte für 60 I 
und letztere für dad Humndertzeichen genommen wurde; fowie J 
foäter, nachdem fech8 neue Runen hinzüugefligt waren, Die vier 
undzwanzigfte- fiir das große, Hundert und die lebte. Rune 
fir die Verzehnfachung des Hundertd angewandt fein. möchte, 
zuſammenhangen koͤnnte. Als eine in der neuen englifchen‘ 
Sprache verfehwundene, aber auf den engern Zufammenhang 
mit der fachfifchen oder norbifchen Sprache hinweifende Eigen: 
thümlichfeit der angelfächfifchen Bahlenbezeichnung erſcheint bie 
Angabe des Halben, welche von der, für vol angenommenen 
Zahl abgezogen wird, während andere Sprachen das Halbe der 
großen Zahl hinzufügen; ein Sprachgebrauch, welcher durch bie J 
Bezeichnung ber Ziffer im Mittelalter, nämlich der vollen Zahl, 
in welcher ein durchgezogener Strich das abzuziehende Halbe 
bedeutet, feine Erläuterung erhält. 
“ Ehe wir jedoch nunmehr die weiteren N iederlaffungen ber 
deutfchen Völker in England verfolgen, ſcheint es bei der bar: 
gelegten Mangelhaftigkeit des Gefchichtögemäldes, welches fid 
ſo wenig ald ein treuer Spiegel bewährt, um fo nothwendige I 
ber die Abflammung derfelben das Nähere zu berichten; eine f 
Aufgabe welche um fo wichtiger wird, da erfolgreicher und 1% 
fcher, als je andere Einwanderer ed bewirkten, dieſe durch 
Sprache, Geſetz und Sitte dad neuerworbene Land zum Ba | 
terlande ihrer Enkel gemacht haben. 
Bei der Einwanderung der germanifchen Stämme in Bri⸗ 
tannien iſt ed nicht am wenigften befremdend, daß Bälle de " 
‚ren Sprache audgebildet genug war um die uralte Mutter . 
fprache fowie die herrfchende Gefchäfts-, Bildungss und Kir 
chen: Sprache zu verdrängen, während in allen andern Pre ! 
vinzen des römifchen Reiches, Grenzdiftricte auögenommen, | 
die Sprache der Barbaren unterlag, bennoh nur büme 
genealogifche Notizen, aber Feine Stammfagen, gefchichtlicht | 
Erinnerungen oder auch nur beflimmte Andeutungen der von u— 


1) Die Verbindung mit — xovræ, — ginta, ceutum bemerkt 
Raſk a. a. S. | 


j 
— 


* 


r 
t 


A s 


Von Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 83 


ihnen zulegt bewohnten Gegenden. aufbewahrt haben. BDiefer 
Mangel an eigenthümlicher Gefchichte erklärt fich aber leicht, 
wenn wir erwägen, wie jene Einwanderung nisht in großen 
Heeredzügen fondern allmälig, häufig in fehr Eleinen Anfiedes 
Iungen, welche fich über den größten Theil Englands und das 
füdliche Schottland zerfiveuten, während des Laufes mehrerer 


Sahrhunderte gefchah. In der englifhen Sprache, befonders 


in den Landeötheilen wo die normannifch= franzöfifche weniger 


eindrang, befigen wir noch bie lebendigen Zeugen über bie 


Spentität der Einwanderer mit den Bewohnern der Ufer ber 
Unterelbe und ber denfelben im Süden und Norden von 
den Muͤndungen ded Rheins bis Juͤtland angrenzenden Küften. 
Die vorhandenen Denkmäler der alten nieberfächfiichen Sprache, 
befonderd die unter dem Namen des Heliand nunmehr herauss 


gegebene Evangelienharmonie aud dem neunten Sahrhundert, - 


Fimmen viel mehr ald die oberdeutfchen Schriften jener Zeit mit 
den angelfähfifchen in Wortbildung, Formenlehre und dem ges 
fommten Sprachfchage überein. So fehr auch die neuenglifche 
Sprache von der neuen beutfchen ſich entfernt hat, fo lebt dens 
noch in den verfchiedenen Dialeften Englands und befonders 
Schottlands ein reicher Schag alterthümlicher fächfifcher Sprache, 
und oft wirb die Rebe und das Lieb bes fchottiichen Ackermannes 
durch Vergleihung mit dem Worte des holfteiner, hadeler oder 
fefifchen Bauern und Schifferd am beften erläutert werben. 
Die Einficht des engften, unmittelbaren Zufammenhanges zwi= 
ſchen der angelfächfifchen und niederdeutſchen Sprache ift nicht 


ohne wichtige Folgen für mehrere Jahrhunderte der Gefchichte - 


Englands, und befonderd wird dadurch ein feſter Stüßpunct 
fir die Erläuterung der bürgerlichen Einrichtungen in beiden 
“naboerwanbten Gegenden gewonnen. Der nordiſche Sprach 
gebrauch ſteht dem angelfächfifchen viel ferner‘), und wir find 


" I) Auch Raſfk in der Einleitung zu feiner Angelsaksisk Sprag- 


Were (neuerlih von B. Thorpe in das Englifche Äbertragen) erklaͤrt | 


% gegen die Identität oder auch nur nähere Verwandtſchaft des Dänts 


Shen und Islaͤndiſchen mit dem Angelfächfifchen. Wie viel ähnlicher - 


wärden aber die für die Identität des Angelfächfifchen mit dem Deutfchen 


von ihm hervorgehobenen Wörter erfcheinen, wenn ex fatt der hoch⸗ 


bestichen die niederdeutſchen Augbrüde hätte verzeichnen wollen, ges 
Ä on 6* 


— 


+‘ 


84 3weite Abtheilung. 


volllommen berechtigt in den Spuren bänifcher und norbifche 
Sprache, welche wir im Englifchen jest finden, den Rachhall 


‚ ‚ber Einwanderumgen ber Jüten und nody mehr ber fpäteren der ' 


Dänen oder Normannen anzuerkennen und mit Zuverficht auf 
die Zeit der Einführung einiger nordifcher Einrichtungen, welde 
als Rechtöalterthümer, zuweilen auch noch. ald lebend fich dar 
bietet, zu fchliefjen. - 

Zu den Beweifen für das Vaterland ber nach England 
gegangenen Sachſen aus der Sprache: gehört noch die Gleich⸗ 
heit der Eigennamen der Angelſachſen ſowie der Ortsnamen 
im weſtlichen England mit den niederſaͤchſiſchen. Bei jenen it 
die Bergleichung durch den Mangel altniederfächfifcher Documents 
von denen nur wenige bis in oder gar über das zwölfte Jahrhun⸗ 
dert reichen, fehr erſchwert und vielleicht bei der früheren Ver 
breitung urſpruͤnglich nationeller Eigennamen durch Wandern 


gen und Heirathen manchem Zweifel auögefegt ). Die Ihr, 


licpfeit der Ortönamen aber ift zu fehr in die Augen fallend, als 


daß fie nicht ſchon längft hätte mit Erfolg hervorgehoben werben 


follen?); doch können die Liften darüber. fehr vermehrt werden 
und duch Berlikfichtigung aͤlterer Urkunden an Werth. gewin 
nen. Die wichtigſten müſſen uns Diejenigen. Namen fein, wit 


ſchweige denn die des älteren Niederbeutfch. offentlich wird kein an⸗ 


gelſaͤchſiſches Woͤrterbuch wieder erſcheinen, welches nicht auf die 


Schweſterſprache unabläffigen Ruͤckblick nimmt; fowie : umgekehrt eine 
Vernachlaͤſſigung des Angelſaͤchſiſchen bei dem norddeutſchen Sprachfor⸗ 
ſcher in der Seltenheit angeilſaͤchſiſcher Werke und nachlaͤſſi iger Bearber 
‚tung ber vorhandenen. nach den neuern und bald gu erwartenden Yibtis 
ten der beiden Conybeare, Prices, Thorpes, Kemblesu A. 
hoffertlich keine Entſchuadigung mehr finden wird. Das niederfähfldy 
bremiſche Woͤrterhuch bietet auch für bie Vergleichung beider Sander 
ſprachen eine nicht verwerfliche Vorarbeit’ dar. 


1) ©. jedoch vorzüglich. bie Urkunden aus der Zeit ber Ottonen. 
Einen lehrreichen Beitrag gibt ein altes Hebungsregiſter des holſtein⸗ 
ſchen Kloſters Neumuͤnſter für mehrere noͤrdlich von der Elbe belegene ; Dörr 
ſer welches im ſtaatsbuͤrgerlichen Magazin Bd. IX. S. 21. abgedruckt if 


2) ©. Ch. U. Grupens Abb. de lingns Hensgiati in Observat, 
rer. et antiquit, gerihanic, et xomanar.,: und in befonderer Beziehung 
auf DOrtfchaften am Elbufer Geh etinds Roten eu deatſchea Ge⸗ 
ſchichtſchreibern. Bd. 1. — 


Bon Mitte des 5. bis: Ende des 8. Jahrh. 85: 


dadurch daß fie: nur in Altfachfen ‚vorkommen, zugleich auf. 

ähnliche politifche. Inftitute fehlieflen laffen; wie denn in dieſer 

Beziehung nicht beachtet iſt, daß der Name bes angelfächfiichen 
Adels in Ethelingftede ') fich findet, und daß der in England 
haufig in der Endigung wich, wick vorkommende Name «iz - 
nee Stadt, Wyk, nebit- den Wykgrafen, Wykvoͤgten, Wykſchef⸗ 
fein Wiſpeh u. a. nicht über ganz Deutſchland, ſondern nur 
in Altſachſen und Friesland verbreitet war. 

Von. größerem und unmittelbarem Intereffe für bie Ge: 
ſqichte Englands. ift die Übereinfiimmung der flaatö= und -prie 
vatrechtlichen Einrichtungen der deutſchen und der engliſchen 
Sachſen, welche ſich theils in den Hauptzuͤgen theils in frag: 
mentariſchen Nachrichten und einzelnen Truͤmmern vielfach er⸗ 
kennen laͤſſt; der jedoch. hier Feine Ausführung verflattet werden 
darf, da fih bald Anlaß darbieten wird fie in Verbindung. 
mit der Geſchichte der angelfächfifchen Verfaſſung ausführlicher 
zu erörtern oder Fürzer anzudeuten 

Wenn aber. bei jeber näheren vergleichenden Betrachtung 
der teichen Sprache, vieler Anfiedelungen und ausgebildeter 
Einrihtungen beider Völker neue Beweiſe der. Identität gefun⸗ 
den werden, fo geftaltet ſich dadurch. ein günfligere und zu- _ 
verläffigeres Bild ded im flnften Sahrhunderte gemeinfamen. 
Culturzuſtandes ‚der Seflland = und der Infels Sachfen, ald die - 
bürftigen älterer Hiftorifer zu geben vermögen. War es auch bie 
muthwillig rohe Jugendkraft, welche zuerft die Heimat verließ 
md vom fremden Lande Befig ergriff, fo trugen boch theilg 
jene Auswanderer fich felbft unbewufft die größten Güter ihres 

Volles in Sprache und Sitten mit fich hinüber, theild ergänzte 
jenen Nationlſchatz die Menge nachfolgender friedlicher und aͤl⸗ 
ter Stammgenoffen. Auch) vergeffe die heutige Welt, die wir. 
das feftefte Beharren und die ſchaͤrfſte Ausbildung in’ den jegigen 
Begriffen des Eigenthumes, der Exblichkeit und der darauf ges 
bauten Inftitutionen wünfchen, vergeſſe fie nicht, daß jene Be⸗ 
fe das muͤh⸗ und Eunftvolle Erzeugniß vieler Jahrhunderte 
Fb, und daß Zuflände mancher Völker dem Erd⸗ und Ge 
ſhichts⸗ Kundigen immer deutlicher entgegentreten, welche eine 


1) Jetzt Zellingftäbt in Dithmarfchen. 





86 Bweite Abtheilung. 


nicht unbedeutenbe geiſtige Entwickelung beſaßen, ohne ſchon 
das Beduͤrfniß jenes Stüepuntts der heutigen bürgerlichen 
Gefenfchaft erkannt zu haben. Das Syſtem eines jaͤhrlich 
wechfelndett oder doch wechſelbaren Landbefiged, die baran fi 
geknuͤpfte Gewohnheit der Wanderungen, nachtheilig wie fie 
den materiellen Intereſſen der Nationen waren, foberten Le⸗ 
bendigfeit und Kraft des Geiſtes; auch durfte. derjenige dem 
die Heimat keinen feſten Befig geflattete, auch den des rem 
den nicht ebren, während der Seeraub, durch Liſt und Muth 
veredelt, nur audgebilbeten - Gefeüßgaftsfnftenen feine Makel 
und feine Strafe verdankt. Noch in ſpaͤten Jahrhunderten trug 
der Finft der Hebriden kein Bedenken den Titel Atchipirat zu 
führen, das Beiſpiel der Barbareſken zeigt uns verhafite aber 
nicht ganz rohe Staaten, welche die Seeräuberei als ein Ges 
werbe anerkennen, und die Taperbriefe der Europder beweiſen 
wie leicht auch und noch jebt die Aufhebung der Hauptgrund 
ſaͤtze unferes ganzen Rechtszuſtandes und bie Ruͤckkehr zu ge 
feglichen Privaträubereien ift. 

Die Stammſagen der Sachſen gehören kaum dem hifle: 
riſchen Boden an. Wenn auch diejenige welche dieſes Volk 
alst einen -Überreft des macedoniſchen Heeres wnter Alexander 
dem Großen darſtellt), auf ben aſiatiſchen Urſprung der Ger⸗ 
manen gedeutet werben mag, fo findet ſich beſſere Beglaubi⸗J 
Hung derſelben in den Reſultaten uͤber die Verwandtſchaft der 
Sahferit und der perfifchen Sprache mit ber deutfchen. Daß 
die Sachfen von den Dänen und Rormannen entſproffen feier, 
it eine Kon von Witlechind begwäifelte Nachricht, welche fe 


I) Wittehind erzihet bieles als eine unſichere Sage und nach ihm 
Erkard und Konrad von Urſperng. Doc als Geſchichte gibt dieſe 
Sraͤbiuns ausfuͤhrlich Eike von Repgow im Sachſenſpiegel B. II. 
Art. 44. 8.2, fowie der aus verſchiedenen Quellen zuſammengeſchmol⸗ 
zene Bericht in des Albert don Stade Chronicis ad a. 917, made 
ſich auch einzeln in verfchiedenen Kandichrfften und im Auszuge in bi 
Presbyteri Bremeiwis Chrönkcon Holsstine findet.: Im. Allgemeinen i 

hier vie Abhandlung Eh. U. Grupens von der Sachſen Übergang ia 
Britannien aus Altſachſen in feinen Observat. xer. germ. et roman, zu 
empfehlen, welche, wie alle Arbeiten biefes wadern Mannes, viel Mas 
terial und richtige Blicke enthält, wenn fie auch von unkritiſchen Mis⸗ 
griffen nicht frei iſt. 





die Sacıfen auf ‚Shiffen i in ihre Gegenden gekommen und, 
E im Lande Hadeln landend, die Thüringer non dort mit 
und Gewalt verbrängt haben. Fand diefeß Ereigniß ſtatt, 
mm es nicht ſpaͤter als zu der angegebnen Zeit, der des 
rs Veſpaſian, geſchehen ſein, da wir bald darauf die Sach: 
it den Franken verbunden finden. Wittechind gibt nicht 
woher die in Hadeln landenden Sachſen kamen; es iſt 
Grund vorhanden zu leugnen, ſondern in Übereinftimmung 
andern Nachrichten und: der gewöhnlichen Voͤlkerſtroͤmung 
Norden nach Süden zu vermuthen, daß «8 norbelbifche 
fen waren, welche die füblichen Ufer der Elbe in Belig 
en umd bald über dieſe erfi viel fpäter urbar gemachten 
nden bin bis an bie Wefer und den Rhein fi) ausdehn⸗ 
, bis fie zu Karls des Großen Zeiten den Umfang ber 


) Confinalis Daniae est patria, quae nominatur Saxomia, quae 
itus et ipsa ex Dania pertinere dicebatur. Geograph. Ravennas 
c.17. Bei fo alten Nachrichten wollen wir denn uch den alten 
en Shroniften es zu Gute halten, wenn fie in Berichten von ben 
a der Dänen über die Deutfchen ſich bisweilen gar gu fehr gefallen. 
) Saxones, gentem Oceani in litoribus et paludibus inviis sitam. 
ius 1. VII. c. 32., deſſen Worte bier wie fonft Paul. Diae, 
st. Romanor. 1. XI. nachfchreibt. Bei geographiſchen Nachrichten 
ie unveränderte Beftätigung des Nachfchreibers zumeilen von eint: 
Bertbe fein. Die Insulae Saxonum des Ptolemäus find wahr: 





88 8weite Abtheilung. 


at von demſelben bei den Sachſen geſtifteten Biſthuͤmer 
x der deutſchen Gaue des ſpaͤteren Ober⸗ und Nieder⸗Sachſens 
Weſtphalens erhielten. Wenn die Sage aber die Sachſen 
Britannien nach Habeln einwandern. läfft '), fo ift eine ſpe 
Umbildung der Sagen bier nicht zu verkennen, welche indı 
in einer ber’ ſpaͤteren Ruͤckwanderungen einzelner Schaaren 
Sachſen aus England ?) ihre Veranlaffung gefunden haben r 
Daß die Mehrzahl der deutfchen Einwanderer in Bri 
nien eigentlihe Sachſen waren’), darf um fo weniger bez 
felt werden, da die zuerft von ihnen angebauten Staaten il 
Namen’ führten, Effer, Suffer, Middlefer, Weller, und ı 
heute, nach Allen Einmwanderungen anderer Volksſtaͤmme, 
benachbarten celtifchen Eingebornen, Bergfchotten, Wal 
Bretond und Irländer, von ben Engländern nur unter | 
Namen der Sachfen reden. Doch’ zogen auch andere Sch 
ren mit ihnen, unter denen die Angeln uns beſonders m 
würdig find. Über der Herkunft. dev Angeln fchwebt -ein 
Dunkel, obgleich fie zahlreich und mächtig genug waren, 
ganzen neugermanifchen Lande bald. ihren Namen zu verle 
und den der Sachſen ald Nationalbenennung ganz auszuſch 
fen ) bis bie Bequemlichkeit der Geſchichtſchreiber den Na 


Bremen J. 3., daß die Sachſen am Rhein ihre Wohnungen zuerf 
‚ habt und von dort aus nad Britannien gezogen ſeien. Den Re 
Altſachſen in Holftein, wie fhon Camden (Britannia) und fei 
viele Andere, zu ſuchen dürfen wir uns nicht erlauben, folange 
Lepteres in den Älteflen Nachrichten ſtets Holtsatia. gefchrieben fin 
Adam, Brem. 1. II. c. 8, Holtzati dicti a sylvis quas occol 
und .gus ihm Annalista Saxo ad a. 983.. Holcetae dicti a sy 
- quas incolunt, Vgl. aud) die Erzählung bei Albert. Stad, a! 
Holtfeten hat audy der Sachſenſpiegel. B. III. Art. 68. $. 3. 

1) Meginhard translatio 8. Alexandri, und Adam. Br 
LI. c. 4. aus Einharb. 

.. 9 Bedae hist. eccl. 1. I. c. 16. Galfrid. Monmoı 
l. VI. c. 13, 

3) Die aͤlteſten Schriftſteller nennen gewoͤhnlich nur die Sa 
als Einwanderer. Prosp. Aquitan. ad a, 449, Geograph. 
vennas l. V. $. 31. Wittechind I. I, 

4) Schon in dem Briefe Gregors I. v. 3. 596 werben die 
wohner ber Saxonia transmarina, wie die‘ Überfchrift befagt, im ! 
. gens Anglorum genannt. Hardt. T. II, p.509. Du Chesne: 


Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8, Jahrh. 89 


der Angelſachſen erfand. Als Stammſitz der Angeln, geben 
Beda ), fowie Aifred mit Beſtimmtheit das Land Angeln an, 
wider Name jetzt auf den Diſtrict zwiſchen der Schley und 
Vensburg beſchraͤnkt wird, Früher aber: ein, groͤßeres angrenzen⸗ 
des Gebiet umfaſſt "haben muß?).. Bedas Zeugniß. wird: hier 
beſonders werthvoll, da er in einem ber Staaten lebte, welche 
von den Angeln’ felbft gegründet: find, und ſogar von der Zeit 
diefee Stiftung Fein Jahrhundert getrennt war. Neuere Reiz 
fende haben‘ ſich von der größten Ähnlichkeit der Angeln wit 
dem Engländern überzeugt. Phyfiognomie, Kleidung, manche 
Gitte iſt den Eingebornen beider Länder. gemein °): Die cher 
malige größere Bedeutung des Volkes der Angeln fpricht fich 
deutlich in der alten daͤniſchen Sage aus, welche Angul und 
Dan ald Stammpäter der Dänen darftelt. Die alte britifche _ 
Sage laͤſſt Hengift und Horfa aus der Infel Angul nach Bri⸗ 

Yarnien arten“ ‚ ob dieſe gleich ſonſt glaubwurdig Sachſen 


p. 897. Ebenſo in aim Beiefen beſtaben Yapfı in Smirpe Dede 
Appendix Nr. VI. 


1) Porro de Anglie, hoc est de illa pelria, quae Angalun. ich, 
tur et ab eo tempore usque hodie manere desertus inter provincias 
Jutarum et Saxonum perhibetur, orientales Angli, mediterranei Angli, 
Merci, tota Northumbrorum progenies i. ei illerum gentium, quae 
ad boream Humbri fluminis inhabitant , 'eeteridue Anglorum populi 
sut ort. Beda 11.1.0. 15. Alfreds Beriht $. 8. Others 
Refericht $. 10. bei Dahlmann Korfhungen Ip. I, ©. 418 fg. 

D) Bel. au Ethelward |, J., welder Sechleswig oder dai⸗ 
thabhy als Hauptſtadt dieſes Landes nennt. 


9) E. D. Clarke travels Vol. TX. p. 64. findet auch die größte 

ichkeit in ber natürlichen Befchaffenheit Sübdenglands und. des Lans 
des Angeln. Die übereinſtimmung ber lebendigen Hecken ber: Grafſchaf⸗ 
tm Kent, Surrey und Suffer mit denen m Angeln möchten wir: ieber 
8 der Übereinftimmung des Landes überhaupt herleiten, wie auch in 
eben Faͤllen dieſe Adkerbefriebigungen felten als Beweiſe der Abftams 
Rung betrachtet werben bärften. Der treffliche Ebel wollte die Her⸗ 
Üapft der Haslithaler aus Schweden burch bie Lattenhecken beäränden, 
Weide ſich dort forwie allgemein in dieſem Lande finden. Er überfah 
debei aur, daß im GSchwarzwalbe und in mancher andern botzesicen 
Gegend biefelbe Vorrichtung ebenfo üblich als paffend war. 

9 Nennius hist.‘ Britanniae  c. :86. - Hengistus — cum süis 
seaioribus, qui secum venerant de insulä Angul, Gervas. Tilbur. 


90 2 Zweite Abtheilung. 


genannt und die. Bevoͤlkerung des von ihnen geftifteten ws 
sche Kent den Juͤten zugeſchrieben wurde‘). | 
Wir befigen zwei merkwärbige Denkmäler des Bolkes der 
angeln, welche jedoch durch beffern Abdrud einer ergiebige |, 
Bearbeitung und entſprechender Anerkennung entgegerfehen 1. 
In ven Heldengedihte vom. Beowulf iſt die altanglifche, de 1 
Dänifchen verwandte Sage durch einen Angelfachien. bed achten 
‚ Sahrhundertö verherrlicht ?). Bedeutender noch find. die Gefee 
der Angeln von Haethaby ober Schlesſswig, weiche -Tange unter 
dem vielleicht: verftümmelten Titel der Leges Angliorum et 
_Werinorum räthfelhaft und verfanut. legen’). Die Angeln 
befeßten in England die nachherigen Königreihe Dftanglien, 
Mercien und Northumberland (in dem alten Sinne dieſes Ber 
tes, wo es zunaͤchſt bie.nörbliche, am Humberfluſſe gelegene 
Graffchaft York begriff, und das jegige Rorthumberland, wenn J 
- 88 unter jener Bezelchnung ſchon mit begriffen word, nur einen 
geringen und entfernteften Zheil deſſelben bildete) oder das 
Zand nördlich von den Grafichaften Suffolk, Northampton und 
Warwick. Diefer felbige nördliche Theil von England unter 
ſcheidet ſi J von dem Suͤden durch zwei iBeyeichnungen, welch 


apnd Leibait, serr. rer. . brunsv. T. L. p. 955, ab illie Saxonibus ab | 
Engla insula venientibus geminarium ortum est Anglerum. 


16. Beda a. a. O. Kuh Procop BTW. in äinex in viele 





Beziehung nicht werthlofen Gtelle fagt, daß Brittia oder Britannics — 


von Angeln, Frieſen und Beiten bewehnt fei, wobei er der Sachſen 
gar nicht gebenft. 


BD) Ehorkelins ücbdruck und lateiniſche Überfegung in feiner Aus: 
gabe dieſes Gebichtes ımter dem feltfamen Titel de ‚Danorum rebus 
gestis, sec. Il, et IV. find gleich ſchlecht. Wir erwarteten beide vers 
“ Geffert von Grundtvig, deſſen dänifche Überfegung fowie manche ki 
tiſche Verbeſſerungen des. Textes duch‘ Price und Conybeare bed 
VDerſtuͤndniß deſſelben bedeuiend erleichtert haben. Die Bearbeitung Di 
von. der Königl. Geſellſchaft der Alterthumsforſcher zu London beabſih⸗ 
Sigten Ausgabe ift in der kundigen Hand des Herrn Kemble  -; 
5) Ich Habe Hier an Dahlmannz feharffinnige Bermuthung a.e 
D. S. 140 fo. gedacht, welcher Anglioram Kitverinorum s. Hetverine- 
rum zu leſen vorſchlaͤgt, was freilich manches Bedenken erregt. - Bei 
überhaupt Krant über die jex x Angliorum et Weriporum in ben Gr 
aien IL. = — 


Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. O9 


r auf die Angeln gurücdzuführen fcheinen. Während bie von 
n Sachſen bewohnten. Staffchaften in Hundreds - eingetheilt 
db, führte die Ähnliche Abthellung in allen von: ben ‚Ans 
In bewohnten Grafſchaften den Ramen Wapentake '), ver 
h auth im ben Shives York und theilweiſe in. Derby und 
acoln noch jegt erhalten hat. Man, wird nicht: entgegnen, 
# diefe Benennung erſt durch die fpdteren Dänen: eingeführt 
i, oder gar den Beitpunct beſtimmen wollen, in welchem ſie 
rade biefen ſaͤmmtlichen Graffchaften biefen neuen Namen häts 
n geben koͤnnen, wozu. für die: Dänen kein Grund vorhanden 
weſen zu fein Tcheint. Auch fpricht. es für die gegebne Erklaͤ⸗ 
ng, bag wir in ben anglifchen Ländern nur im Dflangeln 
efe Bezeichnung nicht nachzumeilen willen, welches Land 
ade dasjenige. iſt das zuerft unter eine geregelte daͤniſche 
errſchaft verfiel... In den fruͤhe und lange daͤniſchen Diſtrie⸗ 


n des jetzigen Northumberland und Durham findet ſich die 


xiſtrictsabtheilung Ward, ſowie auch im Cumberland und Weſt⸗ 
oteland, welche indeſſen vetmuthlich erſt der normanniſchen 
eit angehoͤren. Eine andere nationelle Bezeichnung der Angeln 
ft ganz mit jener uͤberein, nämlich die der ſtaͤdtiſchen Anla⸗ 
ea, der Bye. So haufig fich nördlich . von Warwick Orts⸗ 
amen mit jener Endigung finden, ſo wird man ſie ſuͤdlich 
ægebens ſuchen?). CEbenſo mag. ein alter Unterſchied des 
agtiſchen und Saͤchſiſchen darin liegen, daß nur oberhalb. der 
Batlingſtraße die vielen. Orte vordommen, welche mit kirk, 
Rice, enbigen und beginnen, während aur füblich ſich min- 
ker (Münfter) finden. Doch IE «8 uns vielleicht geftattet diefe 
Bemerkungen über einzelne wichtige Sprachunterfchiebe der Anz 


1) Leg. Edoward. c. 83. Ewerwickshire, Nicolähyr, No- 
Ingkamshyr, Northamptonshire usque ad Watlingstrate et octq milia- 
"a ultra Watlingstrete sub lege Änglorum suat. Et quod Angli vor 
mt kundredum, supradicti comitatus vocant Wapentachium. — ünd 
Beanodı findet ſelbſt Dalgrane. 3.1. ©. 97 bie Wapentake nur noͤrd⸗ 
U vem Trentfluſſe! 

9 Die Richtigkeit dieſer Bemerkung laͤſſt ſich bei dem Verluſte alt 
Wer Documente freilich für bie aͤlteſte Zeit wicht beurkunden. Derby, 
Wein biefe Endigung mir zuerſt vorgefonmen af , Bi in ber bin 
fen Zeit Northweorthig. Ethelward DI. 2. 





92. Bweite Abtheilung. 


geln und Sachſen auszubehnen, indem wir auf .die längft be | 
kannte ‚erhebliche Abweichung: des Dialekte& in: dem von jenen 
bewohnten Mercia und dem Hauptreiche des legten, :Wefler, |. 
hinweiſen. Die Auffindung von. Handſchriften derfelben: Were 1 
in den Dialekten beider Reiche ') aus einer Zeit, wo die Di 
nen kaum ihre erfte friedliche Niederlaffung in England. erbielk 
ten und einen Einfluß auf die Sprache und Cultur ihrer Pro: 
vinz ausüben konnten, fcheint Das Alter beider Dialekte. und 
Dadurch die Verfchiedenheit beider: Stämme auſſer Zweifel zu 
fegen,: und wird‘, nach der einſt zugänglich gewordenen. Unter: 
fuhung, wahrſcheinlich jede Ungewißheit über bie Herkunft der 
Ingeln heben. ° 
Wir dürfen: hier jedoch: nicht ganz eine \ abweidhende An 
fiht übergehen, der zufolge die Angeln entweder die Anglier 
des Zacitus oder auch die "Angrivaren oder Einwohner des 
nachherigen Herzogthumes Engern gewefen find. Ptolemaͤus 
nämlich berichtet,. daß .ein Volk welches ven Namen der An 
geln führte, fübli) von der Eibe wohnte, in. einem- Lande, 
welches wohl am richtigften in dem alten Norbthüringen ge 
fuht wird’). Es fehlt an allen Nachrichten und felbft an 
Andeutungen über die Verbindung dieſer ſuͤdlichen mit den An 
geln in Schleswig; doch irren wir nicht in biefer Meinung, 
daß die Sachſen vom nördlichen Elbufer ſuͤdwaͤrts herunter ge⸗ 
zogen ſind, ſo moͤgen auch Schaaren der ihnen im Norden be 
nachbarten Angeln fie begleitet haben. : . 
Wir duͤrfen "auch nicht wohl die anglifchen Anfiebler mit⸗ 
ten im feſten Lande Deutſchlands ſuchen, wenn die uͤbrigen da⸗ 


1) Für Mercia die cambridger Handfchrift der angelſ. Chronik bi 
zum Jahre 391 und eines Manuſcriptes von Alfreds Bosthius, deſſen 
Rawlinſon in feiner Ausgabe des Letztern fich bedient hat. 


2) B. Werfebe Beſchreibung der Gauen zwifchen Elbe und 
Werra ©. 69. V. Ledebur Land und Volk der Bructerer ©. 7%, 
‚ber jeboch in demjenigen, was er von den Altfachfen fagt, uns nie 
befriedigt und in dem, was er ferner über die Angeln und Weriner > 
gibt, die angeführte Gtelle des Procop B. IV. auf unbegreifliche⸗ 
Weiſe misverſteht, da dieſe die Angeln und Weriner nicht als Bundes 
.. genoffen in England betrachtöt, fondern von den Angeln erzählt, welche 
von Britannien aus die auf der gegenübertiegenben belgiſchen Kuͤſte ges 
lagerten feindlichen Weriner bekriegten. 





Don Mitte des 5. bis Ende. des 8. Jahrh. 93 


für angeführten Gründe auf augenfcheinlichem Misberſtaͤndniſſe 
beruhen '). Schon früh hat die Augendienerei der Genealogen 
Hengift und Horfa für Söhne des Herzogs von Engern er: 
Hart, um den unbelannteften Namen einen Urſprung zu ver 
leihen, welcher den Sachfen wie, ben Engländern willlommen 
fein fonnte’). Ein heraldifcher Grund fallt fehr in die Augen; 
doch dürfen wir wohl gegen alle Gründe welche lediglich der 
Wappenkunde entlehnt find, fehr mistrauifch fein. Das Herz 
zogthum Engern führte,.. wie man fagt, ein weifles Roß im 
Banner und hat daffelbe in das Wappenfchild der Herzoge von . 
Lüneburg und der jegigen Guelphen gebracht ’); ebenfo jest bie 
Graffchaft Kent, wo Hengift und Horfa — felbf vielleicht nur 
allegorifhe Namen — zuerft landeten und herrfchten. Doch 
fehlt es bier an chronologiſchen Angaben, und Kent iſt, wie 
fhon erwähnt, von einem andern Stamme als dem der Anz 
gein, befefien. 


1) Sn Adam. Brem. L. I. c. 4, wo er von ben nad) - Britannien 
gegangenen Sachſen fpricht, fehlen nad) „Saxones circa Rhenum sedes 
habebant“ die Worte „et vocati sunt Angli‘“ in der wiener Handſchrift. 


2) Gobelini Personae Cosmodrom. aetate VI. Duces exerci- 
tus illius, qui de Saxonia in Britanniam profectus est, filii ducis An- 
gariae sive de Enngere fuerunt ..... et inde forte est quod arma du- 
Gs Saxoniae sunt equus albus. ©. auch R. V(erstegan) Bestitu- 
tion ef decayed intelligence p. 131. 


I) Nicht das Wappen ber Sachfen, wie Palgrave meint; das 
Banner der Sachſen enthielt na) Wittefind einen Löwen und Dra⸗ 
Gen mit einem darüber fchwebenden Adler. Der goldne Drache war 
im Königlichen Banner von Weffer- Henr. Huntendon, p. 341, 
welche Stelle Turner I. 208. irrig von Mercia verſteht. Das Roß 
im braunfchweig = luͤneburgiſchen Wappen findet fich erſt feit dem Jahre 
1862 6. Müller. im neuen vaterländifchen Archiv 1832. ©. 176, 
Scheidt vom beutfchen Abel &. 228. Andrerfeits hat man, was in 
Beschung auf unfern Zweck von gleichen Kolgen wäre, das Roß im 
Wayyen des Kurfürften von Cdln auf die Erwerbungen befjelben in 
Wehysalen und Engern durch Zriedrich Barbaroffa beziehen wollen; doch 
ae ſich aus einer Bulle des Papftes Alexander III., daß das Erzbis⸗ 
Sen daſſelbe ſchon lange vorher fuͤhrte. S. Privileg. eccles. metropol. 

‚und Hugo Deduction vom Rechte des Haufes Braunſchweis⸗ 
tanchurg auf das Herzogthum Lauenburg ©. 293. 


' Zweite Abtheilung.. 


Es muß hier noch. einer neuen Hypotheſe) ber bie Anz 
geln gedacht werben, welche erfonnen fheint , um bie Unzuvers 
laͤſſigkeit unſerer gefchichtlichen Kunde in ein grelles Licht zu 
fegen, und die, da fie durch einen etymologifchen Kaiferfchnitt 
alle Bedenklichkeiten aus dem Wege zu räumen fcheint, ihre 
Vertheidiger finden könnte. Sowie. nämlich bie Namen Engern, 
Angern, Angeln manchen Bölkern in Weftphalen, Thüringen, 
Schleswig gegeben feien, welche in der Enge oder Mitte zwis 
fchen Stammverwandten wohnten, fo fei den Sadfen m ber 
Mitte Englands, im Gegenfas von Efier, Weffer, Sufjer und. 
Rorthumberland gleichfalld der Name Angeln geworden. Daß 
die Sachſen ſchon ein Middlefer hatten und ed auch Middle⸗ 
Angles gab, dürfte hier eher überfehen werden; aber ganz ums 
haltbar zeigt fich jener Vermittlungsverſuch, wenn wir erinnern, 
daß die Angeln im Norden der obengenannten ſaͤchſiſchen Reis 
che waren und aljo, wenn fie von ihnen nicht durch Abkunft 
unterfchieden waren, Norbfachfen würden genannt fein. Eine 
Beziehung auf den Namen Northumberland ift bier durchaus 
unftatthaft, da berfelbe, ohnehin Feinen Gegenfag zu den übris 
gen Sachſen andbeutend, nicht nur erft fpdter den vereinten 
Königreichen Bernicia und Deira ?) gegeben wurde, fondern 
auch diefe ohnehin von den beutfchen Stämmen erſt dann exs 
obert wurden, als ber Name ber britifchen Angeln fehon den 
der Sachfen übertönt hatte. 

Leider find Feine Geſetzſammlungen der Angeln vorhan⸗ 
den, und namentlich iſt die des Koͤniges Offa von Oſtanglien 
verloren gegangen, welche uns die wichtigſten Aufſchluͤſſe uͤber 
die Übereinflimmung der Angeln in Britannien mit einem ber 
Stämme auf dem Sefllande hätte liefern müffen. Doch wiffen 
wir aus einzelnen Nachrichten, daß die Rechte der Suͤd⸗ und 
NordsEngländer, oder der Sachfen und Angeln, in jenem 
Lande noch in ihrer ſpaͤtern Ausbildung haufig von einander 


1) Bei von Werſebe über bie Völker und, Voͤlkerbuͤndniſſe des 
alten Deutfchlauds &. 130, | 


2) Die Eingebornen von Deira nannten ſich Angeln, als ber nad 
herige Papft Gregor fie in dem Sabre 589 nad) ihrer Abftammung bee 
fragte. Beda l. Il, c. 1. 


Bon Mitte bes 5, ie Enbe des 8. Jahrh. 96 


abwichen i. Das Recht Mercias wird: aber mit dem von 

Oftanglien gewöhnlich als übereinflimmiend angeführt). Wir 
_ dürfen daher eine Übereinſtimmung bed Rechtes ber Mercier mit 
dem der Anglier nicht überfehen, in welchem Iehteren, umter 
- den beutfchen gefchriebenen Rechten allein, tie Benennung der 
Adelinge nachzuweiſen iſt. Beide feßten. das Wehrgeld der 
Freien auf 200 Schillinge?), wobei das abweichende Verhaͤlt⸗ 
niß des Adels bei den Angliern fich vielleicht Daraus - erklären 
Heffe, daß ein neuer aus ben nach Britannien gegangenen Ge: 
folgfchaften entflanbener Dienftadel, die sixhyndesmen, in 
die Stelle ded alten Adels ruͤckte, während das Anfehn und 
das Wehrgeld des alten Geburteadels verdoppelt: wurde Doch 
befißen wir ein fehr bemerfenswerthes Zeugniß über den Urs 
forung jenes Wehrgelded der Freien aus dem Rechte der An⸗ 
glier und deſſen Gültigkeit in England in dem Forſtgeſetze 
Knuds des Großen, welches fogar die fpätere Anwendung. jener 
in England auffer Zweifel zu fegen fcheint *). 

. Die Übereinflinmung. der Gefege der Anglier aber mit des 
nen der Angelfachfen ift im Allgemeinen und fogar in manchem 
Einzelnen fehr groß, und auffallend. Befonders wichtig erfcheint 
in jenen ber Zitel vom Erbredhte in dem Mannsflamme °) - 
(lancea, womit die angelfächfifche Speerhälfte uͤbereinſtimmt °), 


1) Liber Constitutionum bei Wilkina p. 110 u. 111. 

2) Leg. Canuti II. 72. Bgl. unten den legten Abfchnitt von ben ' 
Gefegen der Angelfachfen. 

3) Leg. Aethelstan.. bei Wilkins p. 64. Daraus. die Jadjcia 
Civitatis London. 

4) Canuti leges foresti c. 33. bei Spelmann glossar. archaeo- 
log. p.240. Schmid angel. Geſ.: emendet secundum pretium medio- 
cris hominis, quod secundum legem Werinorum i. e. Thuringorum 
est ducentorum solidorum. 

5) Lex Anglior. tit. VI. Leges Henrici I. c. 70. wo freilich 
die betreffende Stelle aus der Lex Ripuariorum c. 66. entlchnt fheint, 
doch die Grundfäge denen der Anglier entſprechen und nur aufgenommen 
fein koͤnnen, weil ſie zugleich die der Angelſachſen waren. 

6) ©. Testamentum Alfredi regis. Hieraus iſt auch das angel⸗ | 
ſaͤchſiſche Sprichwort zu erflären: Bige spere of side oththe bear, eme 
lanceam a latere aut fer, welches in Legg. Edwardi Confess. c, 12 
dahin erläufert wird: parentibus occisi fiat emendatio vel guerre 
eorum portetur. \ | \ 


9% , Bweite Abtheilung. 


während die Sachſen nur Schwertmagen Fennen), welchem bis 
ins fünfte Glied der Vorzug vor ben Nachkommen der weiblis 
chen Linie zugeflanden wird, fowie der Zitel von der Freiheit 

letztwilliger Verflgungen '). Die höhere Buße welche auf bie 
Verlegung der Hand des Harfeners, des Goldſchmidts und 
der Stickerinnen gefest iſt und in andern germanifchen Gefegen 
nicht vorlommt, erinnert zugleich an die Harfe des Nordens, 
Daͤnemarks und Englands, fowie, der mannichfaltige weibliche 
Schmuck Städte vorausfest, wie bie oben gegebene Erklärung 
fie in. Häthaby nachweiſet. Ein wichtiger Charafterzug ber 
UAnglier war die Heiligkeit des Hausftiedens, welche aus dem 
hohen auf die Verlegung beffelben gefesten Strafen fpricht; 
was gleihfalld auf eine flädtifche Gultur und Eigenthum hins 
deutet und in der großen Achtung, in welcher das Haus des 
englifchen Buͤrgers gehalten wird, feine fpätere Ausbildung er 
halten hat. Auch in den hierher gehörigen Gefeben findet fi) 
bei den Angliern und Angelfachfen der übereinflimmende Grund⸗ 
fat, daß diejenigen welche zuerfi in das fremde Eigenthum 
einbrechen, höher, die nachfolgenden geringer büßten?). Der 
Dieb durfte bei Beiden getödtet werden, wenn nur Eide bie 
Schuld deſſelben befräftigten ). Ob die Häufigkeit der. Zweis 
kaͤmpfe bei den Angliern, welche fie in allen zwei Schillinge 
und mehr betreffenden Fällen geflatteten, für den Zufammen- 
hang beider Rechte fpricht, wird von denen bezweifelt werben, 
welche jene Art ber gerichtlichen Beweife den Angelfachfen abs 
fprechen, weil fie dem fpdteren, doch gewiß germanifchen Nas 
men Eornest keinen angelfächfifchen Urfprung beimeſſen wols 


1) Daß die Engländer Lestere Tannten, geht aus Leg. Canuti II. 
c. 70. hervor. Vgl. lex Anglior. tit. XIII. 


2) Lex Anglior. tit. X. c. 7. Leges Aethelberti c. 17. 


8) Lex Anglior. tit. VIL c. 4. Leg. Inae c. 16 et 35. vgl. 
Leg. Withraedi c. 25. Es lieſſe fich, wie manches Andere, auch ber 
Diebflahl der Stuten anführen, welchen lex Anglior. tit. VII. fehe 
ſtreng beftraft, welche größere Strenge Älfred (Leg. c. 9.) abfchaffte: 
doch finder fi) auch Ähnliches bei den Ripuariern u. A. Die von Äl⸗ 
fred a. a. D. gleichfalls aufgehobene höhere Strafe für den Diebftahl 
des Geldes kann auf lex Anglior. tit. VII. c. 3. über den Diebftahl des 
Geſchmeides der Frauen gebeutet werben. 


Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8, Zahrh. 9 


len ). Doch ſcheint Wilhelm J. ‚von dem gerichtlichen Zwei⸗ 
kampfe als einer befannten engliichen Gewohnheit zu fprechen. 

Auch den Angliern fcheint eine folche Bezeichnung gefehlt zu 
haben, welche ſich der Ausdruͤcke bedienten, daß das’ Feld oder 
der Kampf urtheile). Aus ber fehlenden Erwähnung ber uns 
leugbar vorhandenen Sitte dürfen wir vielleicht fchlieffen, daß 
jene Weglaffung dadurch zu erklären fei, weil die obenerwähnten: 
oftanglifchen Geſetze jened Zweikampfes ausführlich gedachten. 
‚Unbezweifelt ift jedoch das Vorhandenfein eines andern Beweis: 
mittels im gerichtlichen Verfahren in England in ähnlicher Form 
- umd Anwendung, wie jenes alte germanifche Geſetz daffelbe er⸗ 
wähnt, nämlich jene Art ber Feuer⸗ oder EifensProbe für 
fehuldbelaftete. Frauen, welche m dem Beſchreiten von. neun 
glühenden Pflugfcharen beſtand ). 

So duͤrfte die Behauptung gerechtfertigt erſcheinen, daß 
nicht nur in den allgemeinen, allen germaniſchen Rechten ver⸗ 
wandten Charakterzuͤgen die Rechte der Anglier dem engliſchen 
entſprechen und als eine Hauptquelle des letztren angeſehen 
werden duͤrften, ſondern daß auch keins der erſteren dem letz⸗ 
tern in einzelnen Eigenthuͤmlichkeiten ſo ſehr entſpricht, und 
daß, wenn alle anderen hiſtoriſchen Gruͤnde wegfielen, wir den⸗ 
"noch jene Rechte der Anglier in die geradeſte genetiſche Bezie⸗ 
bung zu den englifchen Rechten fegen müflten *). 


1) Palgrave T. I. p. 223 fg. Jene Haͤufigkeit der Zweikaͤmpfe 
bei ben Angliern mahnt wiederum: an ihre: nördlichen Rachdarn, bef denen 
Arefredi, wie die Sage bei Sarb dem Schulmanne 6. 86) lautet: %e 
qualibet controversia ferro decerni constituit, 

2) Campus iudicat; daher Kampe, champion, campio$ Kamp, nie 
derſaͤchſiſch für Zeld; Kampf. Bol. unten den Ichten Abfchnitt. 

8) Lex Anglior. a. 14. Annal. Winton. apud Du Fresne ».v, 
Vomeres. Wharton Anglia sacra I. Bgl. Theodoric, Monach. 
hist. reg. Norveg. c.34. (ap. Langebeck serr. rer. danic. V. 840.) 
Capit. ad leg. salic. c. 9. Capit. 1. IV. app. 2. c. 8, Leg. 
longob. 1. I. c. 10. $. 3. und fogar Leg. Henrici I. c. 89. Andere 
Gefege Tchreiben bekanntlich zwölf Pflugſcharen vor. 

4) Die gemwöhnlid) - uͤberſchriebene lex Angliorum et Werinorum 
wirb in der corveyer Handſchrift, deren Bekanntmachung duch 
Pertz wir nächftens entgegenfehen, lediglich lex Thuringorum genannt 
und gibt unter diefer auch nur bie elf erften auf das Wehrgeld bezuͤg⸗ 

Lappenberg's Geſchichte Englands I. 7 


96 Zweite Abtheilung.. 


Anzahl, da fie aur Kent, die Infel Wight und einen Theil 
von eſſer, in welchem noch nach Jahrhunderten bas Juͤten⸗ 
volk von den Sachfen unterſchieden wurde, inne hatten 9. 
Kent beſitzt viele eigenthuͤmliche Rechte, unter denen das Erb⸗ 
recht Gavelkynd befaunt iſt, und einen eigenen Dialekt; felbft ein 


fuchungen inbeflen, als über die meiſten Nationalgefchichten 
und namentlich Die englifche augefiellt find, werben Ichren 
muͤſſen, ob das aͤlteſte jütifche Recht den Tentifchen Gewohn- 
. beitöredhten gleich iR, ob ber jutiſche Vorfahr noch aus dem 
Eentifchen Manne ſpricht. Ein Umfand fcheint uns jedoch zu 
auffallend, um nicht auch Anderer Aufmerkfamkeit - darauf zu 
lenken. Während die übrigen. englifhen Shires in Hundreds 
ober Wagentakes zerfallen, ift die Grafihaft Kent allen im 
ſechs Lathes von. regelmäßiger Form und beinahe gleicher Groͤße 
abgetheilt ). Diefe Abtheilmgen, welche fpäter nur Juris⸗ 
dictionsbezirke blieben, dienten früher zunaͤchſt zur Stellung und 
Mufterımg ber Kriegemannihaft und des Aufgebotes. Die Heer 
fahrt heifft aber noch in dem jätifhen Low): Lething; es 


lichen Artikel, während die judicia Wlemari fehlen und die wichtigen - 
folgenden Artikel ſaͤmmtlich der lex Saxonum angehängt find. ©. Ar- 
dio für ältere deutſche Geſchichtskunde B. IV. ©. 346. Doch ſchon 
bie Übereinftimmung in bem breifachen Wehrgelde bes Abalings im Ber: 
bältniffe zu dem ber Freien, die Erwähnung der Adalinge ſelbſt fcheinen 
neben vielen andern Gründen für die richtige Angabe der lindenbrog⸗ 
ſchen und heroldfchen Handfhriften zu: zeugen. 

-" 1) Beda l.L u. L IV. c. 16. Chron. saxon. ad a. 449. Juti 
Vectiani und Cantiani Juti ums Jahr 900 erwähnt Wallingford 
chron. bei Gale I. 538. Leg. Edwardi Confess. bei Wilkens 
206. Guti — suscipi debent et protegi in regno isto sicut conjurati 
fratres, sicut propinqui et proprii cives regni huius. Exierunt enim 
quondam de nobili sanguine Anglorum, scilicet de Engra (Stadt En: 
gern in Weftphalen) civitate, et Anglici de sanguine illorum, et sem- 
per effictuntür populus unus et gens una. Ita constituit Ina rex An- 
 gliorum etc. 

2) Leg. Edwardi Confess, c. 35, 

8) 8. III. Cap. 2. 12. j 


⸗ 


Bon Mitte des 8. bis Ende des 8. Jahrh. 9 


deerfte daher wohl ber Diſtrict, welcher zuſammen zur Heer⸗ 
fahrt entboten wurde, jenen Namen gefuͤhrt haben. Auf aͤhn⸗ 
liche Weiſe iſt Fyrd, der Heerbann ber Angelſachſen, deſſen 
alte Bedeutung in ben deutſchen Sprachdenkmaͤlern nicht er 
halten zu fein ſcheint, m Holſtein verblieben, wo es bie Wer 
fammlung ber urſpruͤnglich zu kriegeriſchen Zwecken vereinten 
Landſtaͤnde zu Bornhoͤvet benennt. Die aͤlteſte uns bekannte 
Darſtellung einiger kentiſcher Gewohnheitsrechte) bezieht ſich 
großentheils auf Verhaͤltniſſe, welche ſich nach der Einwands⸗ 
wung der Juͤten mit dem Lehnsſyſtem gebildet haben, während 
db jütifche Lem König Waldemars IL im dreizehnten Jahrhun⸗ 
wert manche ſaͤchſiſche und andere frembartige Rechtsbegriffe 
in ſich aufgenommen hat. Doc, beide bieten bie übereinfitm- 
werde DBorfchrift dar, tag ber Sohn in Bezug auf Die Güter 
des verſtorbenen Ehegatten mit dem funfzehnten Sabre als mim: . 
dig betrachtet werbe?); eine Beſtimmung melde, wenn fie einer 
ſeits wit daͤniſchen Mechten harmonirt und anberesfeits auch 
ei englifhen Bormannen ?) aufferhalb Kent gältig war, nicht 
aus fächfiichen Rechten ſtammt, fondern am leichtelen aus ver 
juͤtiſchen Einwanderung hergeleitet wird. 

Es ift Taum glaublich, daß im dem Tagen ber Volterwan⸗ 
derung und der Gefolgſchaften eine jo glänzende Eroberung 
als die von Britannien war, nicht aus verwandten germani⸗ 
ſchen Staͤmmen manche Schaaren nach ſich gelockt haben ſollte; 
doch ſind andere auſſer den genannten nicht zahlreich genug ges 
weien um it glaubwürbigen Kunden erwaͤhnt zu voerben *). 


1) Statutes of the Reslm. T. I. p. 223-225. Man wird jedoch 
viele der dort erwähnten Gewohnheiten auch als allgemeines angelſaͤchſi⸗ 
ſches Recht erkennen, darf aber auch vielleigt einen Einfluß her früher 
mächtigen Herrfcher Kents auf das letztere annehmen. 

2) Züt. Low. 8. I. Gap. 7. Eu in R. aiminelreihtliße binfſicht 
B. II. Cap. 50. Dagegen B. I. Gap. 3 | 

3) Glanville 1. VI. c. 9. $. 2. 


4) Eine Stelle Bad a8 8. V. Cap. 10, welche Frieſen, Sunnen, 
Augier, Bructerer u. 4. als deutfche Völker nennt, ift häufig auf bie 
Einwanderer in England bezogen. Diefer Irrthum, ſowie eine ähnliche 
Misdeutung einer Stelle in Chron. saxon. ad a. 885. durch Wiarda, 
hat bereits Dahlmann a. a. D. ©. 215 gerögt. 


7. 





400 Bweite Abtheilung. 


drieſen duͤrfte man wegen ihrer Nähe, ihrer Sciffopetäkune 


— dad Mer zwifchen Britannien und Schottland trug ihren 
Namen ') — der dem Angelfächfifchen naͤchſtverwandten Sprache 


und einzelner oben ſchon angebeuteter Traditionen wegen vor 


‚allen fuchen. Selbſt Zinn Folcwalding, welchen die Stamms 


* 


baͤume unter den Ahnen des Hengiſt und Horſa anfuͤhren, wird 


ein König der Frieſen genannt?). Doch koͤnnte man. leicht aus 
der Sprachverwandtſchaft mehr folgern muͤſſen als man wollte, 
da ſie alle entfernteren germaniſchen Staͤmme ausſchlieſſen wuͤrde. 


Beſonders huͤte man ſich vor Verſuchen, auf Woͤrter, wie Sar, 
das lange Meſſer der Sachſen, dem ſie ihren Namen verdanken, 


und welcher den Sriefen ’) ‚gebräuchlich war und noch jest in 


dortiger Gegend ſich findet, ein zu großes Gewicht zu legen, da 


wir aus denſelben ſprachlichen Gründen ſonſt auch die Islaͤn⸗ 
der fuͤr Sachſen erklaͤren muͤſſten ). Selbſt die große Über⸗ 


einſtimmung des alten frieſiſchen und angelſaͤchſiſchen Öffentlichen 
wie Privat⸗Rechtes, wenn fie gleich das entſcheidendſte Zeugniß 


für die Verwandtſchaft beider Stämme gibt, geſtattet uns nicht 


in Beziehung auf Britannien weiter zu folgern; befonders da 
unfere aͤlteſten Nachrichten über die Frieſen zu mangelhaft find 
um audmitteln zu Tönnen, welche Wirkung die Verbindung mit 
den Angelfachfen und die Auswanderumgen berfelben auf bie 
friefifchen Stämme geübt haben mögen. Die Behauptung 
Prokops °), daß auf der Infel Brittia Angeln und riefen woh- 


nen, erfcheint, bei allen Fabeln ber übrigen Erzählung, dennoch 


durch ihr Alter und andere unten zu eroͤrternde Umflände fehr 
glaubwürdig. Ein alter Irrthum ſchon ift es, welcher. die letz⸗ 
ten Vitas benennt und biefes nirgends aufzufindende Volk für 


1) Mare fresicum. Nennii hist. Brit. c. 37. Ich möchte jedoch- 
nicht behaupten, baß jenes Gewaͤſſer, the frith of Forth, nicht bem 
Nennius allein die Deutung auf Sriesland verdanke. 


2) Angelſaͤchſiſches Lich des Reifenden ®. 53 in Conybeare Illu- 
strations p. 13 et 275. 


8) Afega Buch tit. III. $. 18, tit.-V. 8. 17. 


4) Gegen bie Identitaͤt der frieſiſchen und angelſaͤchſiſchen Sprache 
erklaͤrt ſich auch Raſk in der Einleitung feiner Frisisk Sproglaere 


5) Procop. L IV. 


Don Mitte des 5. bie Ende bes 8. Jahrh. 100 


einen frieſiſchen Stamm erklaͤrt). Spätere. Zeugniſſe erweiſen 
mit mehr Sicherheit die Anweſenheit frieſiſcher Abkoͤmmlinge in 
England, jedoch fuͤr ſpaͤtere Jahrhunderte, und koͤnnen weder 
bie Nachrichten Bedas umſtoßen noch die Griͤndung irgend 
eines Staates oder bedentender Niederlaſſungen von drleſen i in 
England darthun?). 

Über die Theilnahme von Franken finden f ch einige nicht 
hinlaͤnglich deutliche Nachrichten; Ähnliches iſt von den Longo: 
barden zu bemerken. Wir koͤnnen Beides nicht bezweifeln, va 
wir Sachſen mit Franken und Longobarben zu ‚ähnlichen. Zuͤ⸗ 
gen auch fonft vereinigt finden; namentlich die Leßteren.noch, als 
die vollendete Beſetzung der englifchen Suͤd⸗ oder Oft: Küften 
ihnen neuen Raum für Eroberungen wünfchenswerth machte’). 
| Mehr wie eine aligemeine Bezeichnung als wie der Name 

eined germanffchen Stammes wird der Ausdruck Ambrones 
betrachtet, den ditere britifche Schriftfteller den Anſiedlern Bei- 
legten; es wird derſelbe auf die Sqleunmerei derſelben gedeu⸗ 


2 Gobelin. Persona (sec. XIV), Cosmodrom. Aetäte vn. 
Legi in quadam chronica, quae prosequebatur progressum stirpis re- 
gum Franciae, quod gens tertia, quam Beda Vitas (rectius Jutas) 
appellat, sit gens Frisonum. Aus biefer bisher unbeachteten Quelle 
möchten wohl bie gewöhnlich angeführten ähnlichen Angaben fpäterer 
Schriftſteller gefloffen fein. 

2) Vita S. Swiberti: Egbertus sitiens salutem Frisonum et Saxo- 
num, eo. quod Angli ab .eis propagati sunt.: Chron. saxon. a. 897. 
gedenkt ſowohl frieſiſcher Schiffe als vornehmer mit den Angeln in - 
Weſſex erſchlagener Frieſen. Doc gerade der Umfland, daß Legtere 
in diefer Zeit unterfchieden - werden, IAfft uns mehr Hülfsgenoffen als 
Mitbürger erbliden. Vita 8. Liudgeri c. 11. erwähnt gleichfalls fries 
fiihe Kaufleute zu Mork als Fremde. Schon Beda (hist. 1.IV. c. 24.) 
gedenkt eines Frieſen, welcher zu London einen Sklaven kauft. 

8) ©. Paul. Diacon. de gestis Longob. l. II. c. 6. 1. HI. 
6,6. Bon Beziehungen der Angelfahhfen und Longobarden zu einander 
wird Öfters die Nebe fein. Bemerken wir bier, daß Sceafa, einer der 
Gtammväter Wodans in angelfächfiihen Sagen, ein König ber Longo⸗ 
barden genannt wird, und. daß fpäter angelfächfifche Heldenſagen ‚Die 
alten Iongobarbifchen Könige Agelmund, Lethu, Auboin und Alboin 
deſſen Sohn, feierten. S. den Geſang des angelſaͤchſi ſchen Reiſenden in 
Conybeares Illustrations, der dieſe hiſtoriſchen Namen nicht erkannt 
hat, weil er dem Gedichte ein zu hohes Alter beilegt. nn 


| 108 -  Biweite Abeheitung. 


ww) Dieſes iſt jedoch offenbar nicht die Abſicht jener Gchrif 
ſteller, und werm wir. in jenem Name auch nicht die alten: Ger 
fährten der Zeistonen wieber erkennen, fo möchten wir boch die 
Anwohner ber Emmer, in einer in ber ſaͤchſiſchen Stammfage 
fehr wichtigen Gegend, in denfelben muthmaßen. Es duͤrften 
- daher unter jenem Namen nur Altfachfen, deren Sagen den 
Briten bald bekannt wurden, im engern Sinne zu verftehen fein. 
Auf die Nationalverſchiedenheit' der deutfchen Staͤmme, 
welche ſich in Britannien niederlieſſen, hat man bisher gar 
wenig geachtet, und hat ſich durch die ſpaͤtere politiſche Einheit 
und die früh uͤblich gewordene Geſammtbenennung der Angeln 
verleiten laſſen die auſſerordentliche Verſchiedenheit der Ele⸗ 
mente, aus welchen Großbritannien zuſammengeſetzt iſt, zu uͤber⸗ 
ſehen. Und dennoch zeigen ſich noch heute, nach bald andert⸗ 
halb Jahrtaufenden, felbft abgefehen von ben zeitifchen Skims 
men, merkliche Rechts⸗ und Dialekts⸗Verſchiedenheiten, ſowie 
Eigenthuͤmlichkeiten bes Wuchfes, des Haared, ber Augen, um⸗ 

tee den Landfafien, welche die unerlofchene natürliche Ver: 
wandtſchaft mit denen der alten Heimat beurkunden. Müffen 
biefe Charaktere fich wicht fruͤher viel deutlichet ausgefprochen 
haben als jetzt? Gewiß dürfen wir auch darin den Grund der. 
großen Schwäche der angelfächfifchen Oynaſtie finden, indem 
die Söhne das Land, beffen die tapferen Wäter fich bemächtige 
batten, ſchn fobald den eindringenden Normannen zurüdflies 
bend überliefien. Die langfame Wiedereinführung des Chriſten⸗ 
thums, die darauf folgenden Streitigkeiten der Kierifel im 
Norden und Süden Englands, bie Uneinigkeit bei den Angrif⸗ 
fen der aͤuſſern Feinde, vie Verträge mit denfelben, die wichtig⸗ 
ſten Begebenheiten der angelſaͤchſiſchen Herrſchaft finden eine ſo 
weſentliche als ungeſuchte Erlaͤuterung in der aufmerkſameren 
Verfolgung der Stammverfchiedenheiten. | 
| 1) So ift allerdings Gildas c. 13. gu verftehen, doch kann er 
auch mit den Worten geſpielt haben. Deltlicher iſt Nennius c. 64: 
von Paulinus: baptizavit omne genus Ambronum i. e. Aldsaxonam. 
@alfrid. Monmouth. L V. c. 16. 1. VI. c. 6. 1. VIII. c. 14. 28; 
RX. c. 15. braucht es gewoͤhnlich in einem Zufammenhange, worin 
de Sachſen als verächtlich bezeichnet werden. Ambraha, die Emmer in 


Einhardi annal., beren Anwohner Ambrones; vgl. Monon. Pador- 
born. Monum, hist, german, T. II. Index ». v. Ambrones. 


! 


Bon Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 08 


Jene urſpruͤnglich vorhandenen, wenngleich nicht ſtarken 
Gegenſaͤtze unter den: Einwanderern muͤſſen uns aber auch zu 
der einfachen und doch fo ſehr vornachlaͤffigten Bemerkung fühs. 
ven, daß fo Manches was wir als Religion, Recht, Sitte 
und Sprache bet Angellachſen zu bezeichnen pflegen, erſt im: 
Laufe mehrerer Jahrhunderte, durch die Verſchmelzung der ver⸗ 
ſchiedenen Beſtandtheile, entſtand. Da eine ſernere und: aus⸗ 
fuͤhrliche Darſtelling deſſen was bie: Einwanderer aus ihrer 
Heimat brachten hier nicht geſtattet iſt, ſo wird von demjeni⸗ 
gen was wie angelſaͤchſeſch nennen duͤrfen, erſt ſpaͤter, bei ge⸗ 
eigneter Veranlaſſung, die Rede fein, und dann zuweilen, an 


dasjenige was urſpruͤnglich ben Sachſen ober den Angeln und 


- Bien: anzugehören ſcheint, erinnert werden. 

Dies warn die Volksſtaͤmme, welchen es gelang m dem 
Laufe vor anderthalb Jahrhunderten ſich des groͤßeren oͤſtlichen 
Theiles Britanniend zu bemaͤchtigen. Je roͤmiſcher bie einzel⸗ 
nen Gegenden geweſen waren, je früher werden nımmehr bie 
verlaffenen Stäbte und Burgen bie Beute Der Barbara. Von 
dem Widerflande. welchen bie Loegrier oben Briten den Sie⸗ 
gern anfänglich —— Hat ſich wenige Nachrichten 
erhalten. Die Zwietracht der britifchen Fuͤrſten, welche das 
Vordringen der Fremden fo ——— erleichterte, hat ſelbſt eine 
Gleichguͤltigkeit der. britiſchen Geſchichtsſage gegen Die abgefalle⸗ 
nen oder verlornen Staaten erzeugt. Gleichzeitig mit Vorti⸗ 
gern, jedoch unvereinigt, zugleich auch im Kriege mit einem 
britiſchen Fuͤrſten Guitolin ober Wetheling verwickelt, bekaͤmpfte 

Ambroſus Aurelianus, welcher ſelbſt ein roͤmiſcher Woͤmmling, 
vielleicht einer der britiſchen Provinzialkaiſer war, die vordrin⸗ 
genden Sachſen mit roͤmiſcher Kriegäfunde Vielleicht waren 
noch felbft vömifche und romanifiete Krieger in eingeinen feften 
Stellungen, welche jeboch die allgemeine Verwirrung nur noch 
mehr befördert‘). Eine Niederlage welche bie fächfiichen 
Seeräuber erlitten und die fie veranlaffte zu ihrer Heimat zus . 
ruczukehren, um mit neuen en Helfern ſich zu vereinigen, wurde von 


1) Gildas c 26, unb aus ihm Beda 1. I. c. 16; Gortkiger- 
mus — urgebatur — a romanico impetu necnon a timore Ambrosii. 
Mennius c. 38. Id. c. 1. und Gale daſelbſt. 





516. 


108 u Bmweite Abtheituas. 


A. Aurelianus geſchickt benutzt, um bie Loegrier zu. ermuthigen 


und gegen ein ferneres Vordringen der Feinde zu kraͤftigen. In vie⸗ 
len auf einander folgenden Treffen und Scharmuͤtzeln waren die 
Loegrier bald Sieger bald verlierend. Die letzte bedeutende 
Niederlage welche die Briten den Sachſen beibrachten, erfolgte 
bei der Belagerung von: Bath‘); einige einzelne erfolgloſe 


‚Kämpfe find und nur durch bie Geſchichte der Gründung eins 
zelner angelfächfifcher Reiche bekannt. Der Zeitgenofje welcher 


von dieſem in feinem erſten Lebensjahre erfochtenen: Siege be= 


richtet und der deſſen northeilhafte Folgen feit 44 Jahren be 


zeugt ?), Gildas Cormac, der Weife genannt, hält es für 
unnöthig den ‚Namen des viel gefeierten Siegerd nieberzufchreis 
ben. Auch ift feine vielverbreitete Schrift, felbft. in den noch 
weiter verbreiteten Auszuͤgen des Beda, in Feine Gegend gelangt, 
wo der Ruhm bed: Königs Arthur nicht vorangeeilt waͤre. Der 


edle Kämpe, welcher Freiheit, Sitte und Sprache des uralten: 


Vaterlandes vor ber Zerftätung wilder Feinde erhielt, welcher: 
dad Kreuz vor den Heiden ſchuͤtzte und ben burch Alter und 
manche Kunde ausgezeichnetſten Kirchen, aus. denen. einem: 
großen Theile Europas das Chriftenthum und ‚berühmte Kloͤſter 

zukamen, ein fichered: Bollwerk erfocht, er war.zü fo fehr welt⸗ 
geichichtlichen Thaten berufen, daß et der Gefthichtichreiber. 
nicht bedurfte, um glaͤnzender als die Helden der Annalen fort⸗ 
zuleben. Zu den Lestern ift er feit dem Buche des Galfrid von 
Monmouth gerechnet; aber. abgefehen von den Werken welche 
bereitö ums Jahr 720 Eremita Britannicus vom heiligen Gral 
und vom Könige Arthur und feinen Thaten verfaſſt haben fol, 


bezeugt die ſchnelle Verbreiting von, Galfrids Werk in, den 


meiften Ländern Europas, daß der Glaube an den Helden. 
deſſelben tief eingewurzelt war. Im zwoͤlften Jahrhunderte 
ward ein kuͤrzlich wieder aufgefundenes griechiſches Gedicht zur 
Feier Arthurs und der Helden der Tafeltunde geſchrieben * 


1) Gildas c. 26. 

9 Beda hat diefe Stelle misderſtanden und jene Schlacht in das 
44. Jahr nach der Ankunft der Sachſen, alfo ums Jahr 492 geſegt. 
Die Annales Cambriae geben das Jahr 516. Matthäus von Weft- 
minfter das Jahr 520. 


2 Das wieder entdeckte Fragment von 306: Verſen deſſellt har. 


Bon Mitte des 6. bis Ende des 8. Jahrh. 


Noch deutlicher aber zeugen für die uralte. gefchichttiche Sage 
die vielen. Löcalerinnerungen, welche im ganzen damals chriftlis‘ 
den Eusopa, von den ſchottiſchen Gebirgen bis zum Ana her⸗ 
ab, an den Namen Arthurd gefnlipft find ). Andererſeits ift 
bie mehr gemaͤßigte Verehrung walififcher Dichter fer Arthur, 
melche mehr als den. König deffen Heerführer Geranit preifen 
und. fogar berichten, daß jener, nicht immer fiegreich, ben 
Sachſen Hamptonfhire und Sommerfet abgetreten habe, als 
ein nicht verächtliche Zeugniß für das geſchichtliche Daſein 
Arthurs hervorzuheben:”).: Sogar diejenige von. den Sagen 
über Arthur, welthe: auf: den erften Anblick aller :hiftorifchen 
Wahrheit am ſtaͤrkſten Trotz zu bieten fcheint, bie. von. feinem. 
Zuge gegen. Die Römer, auf-deren Auffoderung, ſich zu unters‘ 
werfen, ericheint nicht: ohne ale Glaubwuͤrdigkeit, wenn wir 
wahrnehmen, daß ein ähnlicher Kriegszug in. Gallien ausge⸗ 
führt wurde, und wir. wirklich, aus ben umbeflrittenfien Ge⸗ 
ſchichtsquellen, von dem auf Auffoderung des Anthemius im 
Sahre 468 vollführten Zuge bes. britifchen Anfuͤhrers Riotha⸗ 
mus mi oölftaufend über. den Ocean herbeigefuͤhrten Bri⸗ 


v. d. Hagen in feinen Denkmalen des Mittelalters. Verlin 1588. ‚8 
zuerft herausgegeben. Auch Gottfried von Viterbo beweift, wie 
ſchnell ſich durch Galfrid non Monmouth jene Sage durch Europa 
verbreitete. Pars XVIII. feinee Chronik enthält einige in Hexame⸗ 
tern und Pentametern abgefaffte Erzählungen von Woltiger, Orſus, 
-Engift, Corinna (Rovenna), Uterpendragen, ertin, Hierar iber⸗ 
nia) ꝛc. 

1) Gervas. Tilbur. bei Leibnitz scrr. rer. brunsvie. I. 921. 
Deſſen Xtnafage von Arthur, welcher im Kampfe mit feinem Neffen 
Mordred (Medraud) und dem Sachſenherzoge Childerik fiel, deutet 
jedenfalls auf andere Quellen als die des Galfrid, welche ein ſehr hi⸗ 
ſtoriſches Gewand tragen. Vgl. auch den Fortſetzer bes Nennius 
Cap. 62. U 

2) Turners history of the Anglo-Saxons B. III. c. 3. Er 
Halt den LLywarch Hen und andere Dichter für die Zeitgenoſſen Ar⸗ 
thurs. Ähnliche Nachrichten finden ſich auch bei zwei Zeitgenoſſen des 
Galfrid von Monmouth, naͤmlich in Ricardi- Divisiensis 
historia Angliae ad primordia regis Stephani und in Chron. Radulfi 
Nigri; jene ums Jahr 1138, diefe zuerft 1161 abgefafft. Beide, bis 
jegt nur handſchriftlich vorhanden, werben in der. neuen ' Sammlung ber. 
scır. rer. Britanniae erſcheinen. 





206 Zweite Abtheitung. 


ter gegen bie Mefigothen in Gallien und beffen Gefechte an 
ber Loire vernehmen). Diefe ſchr ſchaͤtzbare Nachricht gibt uns: 
einen ſehr beachtungswerthen Wink über die Berbinbungen mb 
bie Hülfsmittel derjenigen Theile in Britannien, welche. noch 
nicht. von den fächfifchen Seerdubern belaͤſtigt wurden. Arthur 
| 637. fiel in einem Kampfe in Cornwallis gegen Mebraub?), ſein 
Tod wurbe jedoch lange verheimlicht und feine Landsleute harten 
viele Jahre auf. feine Wiederkehr und feinen Schub vor den 
Angelfachſen. Die Wieberauffindung: feines lange verheimlichten 
Grabes bei dem Klofter zu Glaſtonbury ift von fehr glaube 
wuͤrdigen Beitgenoffen berichtet °) und gab damals: zu keinem 
Verdachte religidfen oder politifchen Betruged Anlaß. . Hätten 
ben Kimig von. England, Heinrich II., welcher im Jahre 
4189 die Wieberanfgrabung des Sarges veranlafite, die. Walls 
fee nın von dem Tode ihres Nationalhelden burch eis Blend⸗ 
wert uͤberzeugen wollen, fo würde wohl: ſchwerlich er ſeibſt bei 
bemfelben eine fo hervorſtechende Rolle uͤbernommen haben. 


1) Jornandes de rebus geticis 0.45. Sidon. Apol. W. ep. 
Wenn man jeboch mit des Piftorius Zerte des Sigebert von Gems 
blours den Riothamus für durchaus ibentifch mit Arthur halten wollte, 
ſo würde auch deſſen Chronologie angenommen werben müffen, beren - 
Ungewißheit ihm felbft nicht entging. S. Denfelben bei den Jahren 470, 
472, 473, 482 u. 491. Die merkwuͤrdige Stelle bet Sigebert, worin 
diefer feinen Zweifel über die Glaubwuͤrdigkeit der historica narratio 

nuper de Britannico in Latinum translata ausbrüdt (non omnja pro 
veris affırmamus), bezeugt gleichfalls das Vorhandenfein der Volksſagen 
über Arthur. (cuius mirabiles actus etiam linguae personant populo- 
rum). Diefe Stellen ber figebertidhen Chronik würden, da Sige⸗ 
rbert im 3. 1112 ftarb, noch wichtiger fein, wenn daraus gefolgert 
werben Fönnte, daß diefer ältere Quellen ald der exit etwa 40 Jahre 
ſpaͤter erfchienene Galfrib von Monmouth beſeſſen haben ſollte; 
doch ift zu bemerken, daß in dem Abdrude des Mirdus alle bisfe 
Stellen fehlen, welche Piftorius in der von. Robert de Monte 
ums Jahr 1210 fortgefegten und ohne Zweifel überarbeiteten. Chronik 
©igeberts fand. Die historia Britonum, welcher Alberich folgte, 
fegt Arthurs Regierung in bie Jahre 459-475, 
— D So auch annal. Cambriae a. 537. Rad} Galfsid B. XL. 
Gap. 2. legte Arthur im 3. 542 die Krone nieber. 
5 Guilelm. Malmesb. Girald. Cambrens. de institutione 
‘ princip. bei Bouquet. T. xvm. 


Bon Mitte des 5 bis Ende des 8. Jahrh. 307 


Die Dichtung und die Sage zeugen für ben Geift, wie feine 
Ache und der Grabflein fir das Leben und den Namen Ar⸗ 
thurs; der Glaube an das: Daſein dieſes chriſtlich⸗ celtiſchen 
Hektor kann durch burzfichtige Zweifelſucht nicht erſchuͤttert wer⸗ 
den, wenngleich noch Vieles fuͤr die Geſchichte der Briten wird 
geſchehen muͤſſen, um den hiſtoriſchen Inhalt der Dichtungen 
begeiſterter Barden, welche oft nur in entſeelter Nachbildung 
anf unſere Tage gelangt find, in bes nuchternen Spas kei⸗ 
tiſcher Forſchung wiederzugeben. 

Während britiſches Volksthum gegen die Gewatt der Sache 
ſen fich vertheibigte, wie es gegen bie Roͤmer ſich bemähtt hatte, - 
wurbe ber größere Theil der Inſel allmdlig Beute umd Hei⸗ 
mat der Fremden. Die britiſchen Nachrichten werben hier ſeht 
felten; doch auch die angelfächfiihen Nachrichten‘, befonvers 
ihre Zeitrechnung, erſcheinen ſtets hoͤchſt ſagendaft. 

Hengiſt lebte noch, als im Jahte 477 Alla!) und feine 
brei Söhne Eymen, Wlencing und Ciſſa auf der gleichen Drels 
zahl Chyulen bei Cymenesorn (Keymor auf Selfen int weltlichen 
Suffer) Iandetm. Bei der Landung bee Sachſen erhoben die 
Briten ein lautes Geſchrei, unzählige derſelben flogen aus den 
nabgelegenen Ortſchaften herbei und ſogleich begann der Krieg. 


Die Sachſen, an Körper die größten, am Kraft bie flärkften,. 


empfingen jene wit keckem Muthe, dieſe aber ruͤcten unvorfichs 
tig hervor und wurden, wie fie getrennt und allmälig heranka⸗ 
men, von ben vereintflehenden Sachfen niebergemegelt. Den Nach⸗ 
eilenden kam fchon die unerwartete Schredensbotfchaft entge⸗ 
gen. Die Briten wurden bid in den benachbarten Wald An⸗ 
dredeſsleage getrieben. Die Sachfen lieflen ſich am Meeres⸗ 
ſtrande nieder und dehnten langſam ihre Niederlaffungen aus, 
bis im achten Jahre nach ihrer Landung in Suffer bie Fuͤrſten 
and Herten ber Briten ſich vereinten und ihnen bei Meatcrebeds 
barn eine große Schlacht lieferten, deren Sieg faft zweifelhaft 
blieb. Jedes der Deere, fehr mitgenommen und geſchwaͤcht, 
verwuͤnſchte das Sufammentreffen mit dem andern, und fie kehr⸗ 


1) Beda 1. I. e. 5. kennt nur feinen Namen. Die obige Dars 
ſtellung ift aus der ausführlichen Chronik des Heinrich von Hun⸗ 
tingdon, befien Genauigkeit in ber Ercerpirung feiner uns befannten 
Quellen diefelbe Eigenſchaft füs die uns anbekannten verbürgt. 





108 Zweite Abtheilung. 


ten. zu ihren Wohnungen zurüd. Alla aber fandte zu. feinem 
beutfchen Landsleuten und begehrte Huͤlfsvoͤlker. Diefe langten 
im fechöten. Jahre an und: zogen mit Alla zur Belagerung ber 
feften altrömifchen Stadt Andrebesceafter (Anderida). Doch 
die Briten fammelten fich gleich Bienenfchwärmen um bie Be 
Ingerer und bekaͤmpften fie bei Tage durch Liſten, bei Nacht 
durch Überfälle. Keim Tag, keine Nacht vergingen, in welchen 
neue Ungluͤcksboten die Gemuͤther der Sachen nicht erbitterten. 
eifriger richteten diefe unaufbörliche Angriffe auf die 

Stadt. Doch ſtets zeigten fich den Angreifenden die Briten 
im Rüden mit Bogenfchügen und mannichfaltigem Wurfgeſchoß. 
Sowie die Sachen jedoch Schritte und Waffen gegen fie rich⸗ 
teten, fo eilten die an Schnelligkeit überlegenen Briten in bie 
Waͤlder und waren den zu den Zeflungswerten Heimkehrenden 
fogleich wieder im. Ruͤcken. Die Sachſen wurben hierdurch er⸗ 
muͤdet und. viele derfelben fielen, bis. fie ihr Heer in zwei Ab: 
theilungen trennten, damit, während eine die Stabt angriffe, 
die andere gegen bie Überfälle der beitifchen Krieger gerüftet 
fei. Darauf fanden bie belagerten Bürger, durch langen Hun⸗ 
ger aufgerieben, nicht ferner im Stande die Laſt der Angreifen- 
den zu ertragen, mit Frauen und Kindern durch das Schwert 
ihren Tod, ſo daß nicht einer entkam. Die Stadt wurde von 
den erbitterten Siegern gaͤnzlich zerſtoͤrt; Heinrich von Hun⸗ 
tingdon kannte nur die Staͤtte, auf welcher die herrliche Stadt 
einſt lag; in unſern Tagen iſt ſelbſt dieſe ein Gegenſtand muͤh⸗ 
ſamer, jedoch. erfolgloſer Nachforſchungen geweſen. Alla, weh 
cher die koͤnigliche Wuͤrde von Suffer annahm, wird mm als 
das Oberhaupt von ganz England, ald der erſte Bretwalda 
unter den Angelfachfen angefehen. Freilich hat ſchon Beda 
diefes behauptet; Doch wenn wir den geringen Umfang der da⸗ 
moligen germanifchen Befigungen in England betrachten, wenn 
wir und erinnern, daß in beinahe hundert Jahren Fein. zweiten 
Bretwalda wieder genannt wird, fo Fönnen wir in jener Wuͤr⸗ 
denertheilung nur die freigebige Hand des Sängers erkennen, 
welcher jene früheren Kämpfe fo ausführlid” und dargeftellt 
bat’). Allas Tod wird zwifchen den Jahren 514—519 an- 
1) Palgrave Th. II. 234. macht. die Bemerkung, daß Alla, weil 

es Bretwalda gewefen, auch als Herrſcher von Weiler anzuſehen fer; 


s 


\ 
Don Mitte des 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 109 


gegeben, und es ſcheint alfo ihm wie Hengift eine Periode von 
vierzig Jahren in England befchieben zu fein. Ihm folgte fein 


‚Sohn Eiffa und mit ihm eine Lüde von beinahe anderthalb 


Jahrhunderten, in welchen weder Chroniften noch Dichter für 
uns eine Zeile über das Reich Suffer. erhalten haben, welches, 
zwijchen zwei neuen germanifchen Reichen eingefchloffen, feine 


Grenzen durch Eroberungen in den britifchen Staaten nicht 


ausdehnen Eonnte. Sogar ber Name, den es führte, ehe bie 
Entſtehung anderer fächfifcher Reiche den von Süpfachfen vers 


anlaſſte, ift und nicht aufbehalten. Auch wird ausdruͤcklich bes 


richtet, daß dichter Wald und Zefenwände Suffer, ben letzten 
Sit ded Heibenthumes, gegen die Waffen ber übrigen Staas 
ten fchüsten, fowie daß Ciſſas Nachkommen die Tönigliche 
Bürde in Suffer behaupteten, wenngleich ihr Einfluß bei der 
fleigenden Vergrößerung anderer germanifcher Staaten ſehr fins 
fen muſſte). Die Nachricht eines fpdtern Schriftftellers, daß 
nah Ciſſas Tode Suffer eine Provinz von Wefler wurs 
de ?), erfcheint um fo unglaublicher, da fie mit derjenigen ver 
knuͤpft ift, daß Ciſſa, der feinen Vater im Jahre 477 fchen 
auf feinen Kriegszügen begleitete, erft im Sahre -590 verftorben 
ſei. Des erften deutfchen Bevölkerung ‚gehört wahrfcheinlich' die 
finguläre Eintheilung der Grafſchaft Suffer in ſechs Rapes 
an, deren jedes in eine Anzahl Hunbrebe wieder eingetheilt iſt. 
Vermuthlich waren biefe Diftricte für Waffenvereinigung bes 

flinmt; an die tölänbifchen kleinen Abtheilungen, hreppr ges 

nannt, erinnem fie ı nur Durch den Laut. Ä 


! 


welche, ſowie fe bort deſtelt iſt, nur Mistrauen gegen feine Anfidhfen 
erregen kann, wo fie nicht rein ſtaats⸗ oder privatrechtlich find. — Selt⸗ 
fom, daß grabe des erften Bretwalda Alles Stammbaum uns nicht aufs 
bewahrt ift, ber uns von Teinem ber Übrigen angeblichen Stifter der echt 
angelfächfifchen Reiche fehlt. 
1) Henr. Huntend. Ella, post eum Cissa filius progeniesque 
eorum post eos; at in processu temporum valde minorati sunt.. 


2) &o Zurner ohne Beleg, unb der in feinen Fußtapfen fort⸗ 
ſchlendernde Lingard. Die Quelle ift Matthäus von Weftmins 
fer. Dagegen fagt Bedas Beitgenoffe Ädbi in der Vita S. Wil- 
fridi c. 40. (Southsex) provincia gentilis, quae prae rupium multitu- 
dine et silvarum densitate aliis provinciis inexpugnabilis exstitit. 


- 339 — 3weite Abtheilung. 


Die Stiftung des dritten deutſchen Reiches im fuͤdlichen 
England iſt dur die Bedeutung weiche Weller ſpaͤter er⸗ 
langte, won größerem Intereſſe. In neunter Beugung ſtammte 


| son Wodan Cerdic, welcher in den Kämpfen ber Heimat ben 


494, 


gewaltigen Geift entfaltet hatte und nunmehr, um durch Wafs 
fenglüd feinen Ruhm zu mehren, mit feinem gleichgefinnten 


und wetteifernden Sohne Eynric, im achten Jahre nach Hengiſts 


Zobe, zu Gardicesore, einem Orte deſſen Lage fehr ungewiß 
ift, auf fünf Chyulen landete‘). Er flelte feine Sachſen in 


gedrängter Schlachtordnung vor den Schiffen auf, wo fie ihre 


Stelle ımerfchhitterlich gegen die ſtets bis zum Anbrud der 


Macht emeuertm Bühnen Angriffe der Inſulaner behaupteten. 


501. 


Cerdie und fein Sohn bewährten auch im folgenden Zreffen mit 
den Briten ihre Tapferkeit und behnten ſich am Meeresſtrande 
aus. Die Fortfchritte der Sachen wurden jedoch erſt bebeu- 
tender, als nach fechd Jahren Port mit feinen beiben Söhnen, 
Bieda und Mägla, auf zwei fehr großen Schiffen Ianbete. 
Es erneuerte ſich daſſelbe Schaufpiel und berfelbe Erfolg wie 
bei früheren Landungen der Sachen, wie einft bei Cäfard und 
ſpaͤter Wilhelms von der Normandie. Die Ausſchiffung wurde 
nicht verhindert; mit großem Gefchrei wurde das Land zuſam⸗ 
mengerufen; wereinzelte Angriffe, zahlreich und kuͤhn unternom⸗ 
men, wurden von der Feſtigkeit der Feinde zuruͤckgewieſen; 


die Unbeſonnenen flohen tief beſtuͤrzt, und Port blieb Sieger 


an der Stätte, welche von ihm den Namen Portsmouth bes 


‚ wahrt. Der Tod eines edlen jungen Briten bei biefen Kämpfen 


wurde noch fpät erwähnt, vermuthlich jenes Geraint ab Erbin, 
Däuptlinges von Dyvnaint, deſſen Tod in ber Schlacht bei 


Llongborth die Elegien feines Freundes Llywarch Hen beklagen ?). 


Mit ungemöhnlichem Redeyompe?) wird nunmehr der Krieg des 


. größten Koͤniges der Britannier, Nazaleod oder Natanleod, den 


1) Will. Malmesb. c. 8. 

2) &o Zurner. Er bemerkt jedoch nicht, daß bie etredimung 
ſich hier bis auf 29 Zahre im Widerfpruc findet. Palgrane II. 234. 
Läfft fogar Gergint im 3. 501 und hernach ©. 263 im J. 580 er⸗ 
ſchlagen werden. 

8) Bellum seripturus sum, quod etc. Henr. Huntend. Bol. 
Chron. saxon. ad a. 508 und Beer Gibſon. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 111 


Ardere einen Feldherrn des briuſchen Königes Uther nennen, ange: 
. Eimbigt. Ganz Britanmien vereinte fich gegen die fremden Eins 
bringlinge Gerdic feinerfeit verband fich mit Aſk/ Könige von 
Kent, Ma, dem großen Könige von. Suffer, fowie Port und 
"beiten Söhnen. Gerdic und Eynric führten die beiden Schlacht 
orbnumgen an. Natanleod greift den ſtaͤrkſten, von Gerdic be- 
fehligten rechten Flügel zuerſt an; dies fächfiichen Banner 
werben niebergeworfen, die Reihen durchbrochen; Cerdic flieht 
und feine Schaaren werben augenblidlich niedergemegelt. Der 
Sohn jedoch, an ber Spike des linken Fluͤgels, dringt im den 
Hüllen der Verfolgenden; ein neuer blutiger Kampf beginnt. 
Natanleod Fällt und mit ihm fünftaufend Briten, die übrigen 
vettet num ihre eigenthuͤmliche Behenbigkeit. | 
Es verfloffen nunmehr einige Jahre der Ruhe im gefichere 
ten Befibe; doch bald Famen neue Helfer zu neuen Thaten. 
Im 3. 514 landeten zwei Neffen des Cerdic, Stuff und Wüh- 514. 
gar, zu Cerdicsore. Am erſten Morgen .ordneten bie Heerführer 
der Briten ihre Schaaren nach den Regeln ber Kriegskunſt. 
Wie eine Abtheilung derſelben uͤber das Gebirge, eine andere 
Buch das Thal vorfichtig und befonnen 309, erBob fich bie 
aufgehende Sonne, deren Strahlen die goldenen Schilde trafz 
die Hügel glänzten von ihrem Scheine wider und die nahe 
Luft ſtrahlte heller. Die Sachſen wurden fehr erſchreckt und 
nahten fich nur mit Furcht dem Treffen. Als aber diefe ſtaͤrk⸗ 
ſten Heere zufamımentrafen, wurbe bie Kraft der Briten vers 
nichtet. Stuff und Withgar eroberten nicht wenige Gegenden. 
Durch fie wurde Cerdics Macht furchtbar, welcher jest ſtark 
gerüftet durch das Land zog. Nach zweimal acht Jahren ex 
_fochten fie mit ihrem Oheim einen bedeutenden Sieg auf der 530. 
Inſel Wight, bei einem Orte, der nach angelfächfifcher Weile 
Vithgarsburg (Carisbrooke) benannt wird, welcher Sieg den 
Cerdic in den Beſitz dieſer Inſel ſetzte, der ſie feinen Neffen 
übertrug. 
Cerdic ſelbſt focht unterdeffen einen großen Kampf gegen 
bie Briten bei Cerdicsford (Charford' in Hamptonfhire), in 519. 
welchem dieſe großherzig und tapfer flritten, bis beim Sinten 
der Sonne die Sachfen den Sieg errangen. Die Söhne Als 
bions wären noch mehr vernichtet, wenn nicht das untergehenbe 


112 | 3weite Abtheilung. 


Tagesgeſtirn dem Morden ein Ende gemacht hätte 9. Jetzt, 
nachdem Cerdic und Cynric dreimal acht Jahre in Britannien 


zugebracht und. gefochten hatten, nahmen fie den Eöniglichen 


527. 


534, 


Titel an. Das urfprüngliche Reich der Gewiſſi (Weller) war, 
wie ſich auch aus der Lage des gedachten Schlachtfeldes ergibt, 
ſchwerlich größer als die übrigen zuerft geflifteten fächfifchen 
Staaten in Brithnnien und erftredte fih kaum über die Grenze 
von Southamptonfhire und des Landes der Sumorfäten hinaus, 
Diefe Provinzen foll König Arthur, nachdem er dem weitern 
Bordringen ver Sachſen bei Bath ein Ziel gefledt hatte, den⸗ 
felben abgetreten haben’). Ihr Beſitz fest jedoch, den eines 
Theiles des Landes der Dorfäten. und der Wilfäten voraus. 
Nach acht Jahren erfochten die Gewiſſi wiederum einen, großen 
Sieg über die Briten bei Gerdicdlen. Im fechszehnten Iahre 
feiner Herrfchaft über die Weſtſachfen, und gleich Hengiſt und 
Alla im vierzigſten ſeiner Ankunft in Britannien, wird Cerdics 
Ende verzeichnet 3); eine Zahl welche, wie oben angedeutet, vers 
muthlich nur eine unbeftimmte lange Regierungszeit bezeichnen 


ſoll, wie auch die Perfer diefer Zahl fich für unbeflimmt große 


C 
m 


— 


Zahlen, ſelbſt wenn die wirkliche Zahl groͤßer war, zu bedie⸗ 
nen pflegten. Cynric folgte feinem Vater in Weſſer; die Ins 
ſel Wight war ald ein von Weffer abhängiges Königreich feis 
nen Bettern — Withgar fol ein Sohn der Schweſter Gerdics 
gewefen fein — überlaffen 9. Die Infel Wight iſt von Juͤ⸗ 
ten bevölkert, und wir müffen daher annehmen, daß Cerdics 
Schweiter an einen mächtigen Süten verheirathet war, deſſen 
Söhne aus Juͤtland, wenn nicht. etwa aus dem von Züten bes 
völferten Kent, ihre ſiegreiche Gefolgſchaft herbeiführten. 


1) Chron. saxon. ad a, 519. Henr. Huntend. 

2) Gildas c. 26. Radulphus in R. Higdeni Polychroni-- 
con p. 224. Ricard. Divisiens. Ms. bei Langhorn chronicon 
regum Anglor. p. 70. 

3) So Wild. von Malmesb. Die angelf. Chrorik beim Jahre 
534. laͤſſt ihn im 39. Jahre nach feiner Ankunft ſterben, derſelben Be⸗ 
rechnung der Mondjahre gemaͤß, welche oben bei Hengiſt bemerkt iſt. 

4) Asseri vita Aelfredi init, Will. Malmesb. J J. c.2. Rad 
Helnrih von Huntingdon gefchah diefe Übertragung erſt im 2. 


584, kurz vor Cerdics Tode, 


' . 
- I. 


Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh 


Cynric dehnte die Grenzen des Reiches von Weffer, deſſen 


Hauptftadt bie alte Venta Belgarum (Bintanceftir, Winches 


fir) war, allmälig. aus. Ein fehr großes Heer von Briten 


wurde zufammengezogen um ihn zu überfallen; er eilte ihnen 
jedoch, mit den Heerfchaaren feiner Freunde vereinigt, bei Seas 


vobyrig (Altfarum bei Salisbury) entgegen, ſchlug die großen 


Kriegerhaufen auf allen Seiten und trieb fie in’ die Flucht. Nicht 552. | 


völlig fo gluͤcklich für Cynric und feinen Sohn Ceawlin war, 


einige Jahre fpdter, eine große Schlacht, zu welcher die Bri⸗ 


ten fi) wieder vereint hatten umd im welcher ſie es der nach 


römifcher Kriegsweiſe aufgeftelten Schlachtorbnung ) verdank⸗ 
ten, daß fie von der Niederlage, welche die Kraft und der Muth 
der Sachfen ihnen zu bringen drohten, errettet wurben.. ‚Die 
Chroniften geben feine Negierungsgeit auf ſechsundzwanzig 


Jahre an, laſſen ihn jedoch im fünfundfechzigfien Jahre 
nach feiner Landung in Britannien ſterben; es fcheint aber auch 


eine Berechnung vorhanden gewelen zu fein, nach welcher auch 
er, gleich. dem Sohne ded Hengift, im vierundbfechzigften 
Sahre nach feiner Ankunft und alfo im vierundzwangigften 
nach dem Tode Gerdics, farb). Der Widerſtreit zwiſchen 
hiſtoriſcher Tradition und den Abſchnitten in des Saͤngers 
Liede war ſchwierig auszugleichen und iſt es jetzt noch mehr: 
Uns kann nur daran liegen auf die große Unſicherheit der ein⸗ 
zelnen Angaben hinzuweiſen, wenngleich wir die Thatſachen, 
welche gefeiert werden, in ihren allgemeinen umrifſen gern 
moͤglichſt anerkennen. 

Wenn es uns auch nicht uͤberraſcht, daß die Befignapme 


1) Henr. Huntend, p. 314: novem acies — tribus scilicet in 
fronte locatis et tribus in medio et tribus in fine, ducibusque in ipsis 
aciebus convenienter institutis, 'virisque sagittariis et telorum iacula- 
toribus equitibusque iure Romanorum dispositis —. ine ähnliche 
Stelle findet ſich bafelbft von den noͤrdlichen Briten ©. 315:. Cum 
autem Britones iure Romanorum acies distincte (distinctas N» ad- 
moverent. 

2) Henr. Huntend. p. 813: Regnum Westsexe incipit anno 
ab incarnatione Domini 519. — Cerdic regnavit 17 annis in West- 
sexe. Nach diefer Rechnung war alfo Eynric im 3.536 ober 24 Jahre 


vor feinem Tode feinem Vater gefolgt s doch laͤſſt berfi be Geſchichtſchrei 


ber S. 314 den Cynric 26 Jahre herrſchen. 
ekappenberg's Geſchichte Englands J. 8 


560. 


11% Bweite Abtheilung. 


aameiner Kuͤſtenſtrecken in den Zeiten der allgemeinen Auloſung 
der entzuͤgelten Provinz anfaͤnglich wenig beachtet blieb und erſt 
ſpaͤter den maͤchtig gewordenen neuen Landesherren der Preis 
geſchichtlichen Ruhmes zugetheilt wurde: ſo moͤchten wir doch 


hoffen, daß an die Schickſale des in allen Jahrhunderten durch 


Handelsverkehr und die demſelben unentbehrlichen Kuͤnſte be⸗ 
deutungsvollen London fich auch zur Zeit der Sachſeneinwan⸗ 
derung wichtige und ſichere Rachrichten knuͤpften. Doch der 
Griffel des Handelsgeiſtes ift wie das Netz des Fiſchers nur 
dem erfehnten Erwerbe gewidmet. Kein Land iſt ſo unbemerkt 
in den Beſitz des Feindes gelangt als das noͤrdliche Themſeufer, 
wo das Königreich Oftfachfen die Grafſchaften Eſſer und das 


wahrſcheinlich eimige Zeit ımabhängig beftandene Midblefer ums 


ſchloß. Dad Jahr 527 wird ald der Anfangspımct der Lan⸗ 
dungen der Sachen daſelbſt genannt, und der erfle Herrfcher 


Aſcwin oder Erkewin), der Sohn Dffas, eines Abkoͤmmlings 


des Sarnote, deffen hochgefeierter Goͤtkername mit denen des 


Thor und Wodan von den nach Jahrhunderten befehrten 


Sachſen abgefchworen werben muffted), fol die patriarchali⸗ 
ſche Zeit von fechzig Iahren daſelbſt geherrfcht haben. Waͤh⸗ 
rend und der Name Aſcwin an den Herrfcher der Juͤten am 
ſuͤdlichen Themſeufer, Afc und den Stamm der Aſcingen erin> 


nert, weift der Name feines Vaters auf die. Uffingen, den 


Stamm der englifchen Könige von Mercia, und ber fächftiche 
Goͤtzenname der Ahnen fowie der des Reichs fprechen für bie 
vein ſaͤchſiſche Abkunft. Die geographifche Lage beguͤnſtigt bie 
fich. vordrängende Vermuthung einer Vermiſchung verfchiebener 


J Staͤmme, welcher auch die Angabe des mehr kritiſchen Ge⸗ 


ſchichtſchreibers), welcher den Sleda ſeit dem Jahre 587 als 
erſten König von Eſſex angibt, nicht entgegenzutreten ſcheint. 


1) Florent. Wigorn. p. 99. Henr. Huntend. p. 818. 


| 2) Sowohl die Darftellee der angelfächfifhen Goͤtterlehre als bie 
ber ſaͤchſiſchen haben biefe merkwůrdigen Stammbaͤume nicht gehoͤrig 


gewuͤrdigt. 


3) WilL Malmesb. I. L. c. 6. Er nennt den Vater nicht, ſon⸗ 
Berg gedenkt nur feiner. Abſtammung von Woban in zehnter Zeugung, 


was mit den übrigen Nachrichten nicht im Widerſpruche ſteht. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 116 


Höchft wahrſcheinich reichen die erſten Nieberkaffungen der Sachfen 
en dieſen Ufern fchon in frühe Jahrhunderte hinein und knuͤpfen 
ſich an die Benennung des littus saxonicum. 

Nördlich von ben Oſtſachſen bildete fih dad Reich der 
Dftangeln, bei denen ein nörbliches und füdliched Boll (Nor 
folk und Suffolk) unterſchieden wurden. Wahrſcheinlich waren 
imn dieſem Lande ſchon in den lebten Zeiten der Roͤmer Deuts 
ſche anfäffig; eine Vermuthung welche und durch bie vielen 
oltfächfiichen Sagen, ‚welche nad) Dftanglien und in die Zeit 
vor ber Ankunft des Hengift und Horſa verlegt werben, nicht 
wenig an WBahrfcheinlichkeit gewinnt. Dad Land ber Gyrwa⸗ 
180 Hydes groß, welches gleichfalls in zwei genau abgemeſ⸗ 
ſene, eine ſuͤdliche und noͤrdliche, Hälften getheilt wurde, unn 
faſſte die angrenzenden Marſchdiſtricte bei Ely und Huntingben 
bis gegen Lincoln. 


Das benachbarte Reich Mercia ging von den Marſchlaͤn⸗ 


Dereien bes Lindiswaren aus, ben Herren des alten Eindum 
(Lincoln). Mit ihwen waren bie Mittelangeln ') vereinigt. 
Diefeb durch den Xrentfluß im eine fhbliche und woͤrdliche 
Hälfte getheilte Reich wende allmälig bis gegen bie Grenzen 
von Wales ausgedehnt. Zu den Staaten welche es umſchloß, 
gehoͤrte auch das Reich des Hwiccas (der Umfang des nach⸗ 
herigen Bisthumes Worceſter oder die Grafſchaften Glouceſter, 
Worteſter und ein Theil von Warwick), welches lange Zeit in 
einer lehnsherrlichen Verhindung zu Mercia blieb. Im Bis: 
thume SHereford finden wir auch. noch den Staat deö Hecana, 
welcher mit dem des Hwiccas ben germanifihen Namen des 
Landes der Mageſaͤten trug. 

Der ſagenkundigſte Gefchichtfchreiber, der Eingeborne ober 
Einwohner diefer Gegenden, Heintich von Huntingdon, Tennt 
über die Gruͤndung beider Reiche keine Überlieferungen. Seit 


der Zeit des Sieges bei Cerdicdford imd vermuthlich früher 519, 


ſchifften unzählige Häuptlinge aus Deutfhland in diefe Ges 
genden hinuͤber und bemächtigten fich wetteifernd einzelner 
Diftricte, deren Menge ihre Namen bat vergeffen Yaffen, die 
aber erſt gegen Ende des Jahrhunderts mit den zwei oben ge: 
M) Beda 1. 18. II.21. Will. Malmesb. de antig. glasten. 
eccl, apud Gale I. 295. Ä " 
. 8% 





571. 


116 Bu ‚Zweite Abtheitung. 


"nannten Reichen vereinigt wurben 9, Bei den Dflangeln wird 


Guela ?), gewöhnlicher deſſen Sohn Uffa oder Wuffa, als erfter 
König genannt, durch deſſen Namen fein Gefchlecht. fich ge⸗ 
feiert glaubte); während das Volk ihnen den altanglifchen 
Namen der Wikingen oder Seekönige ließ‘). Mercia fol viers 
zehn Jahre fpäter an Creoda oder Cridda, dem Sohne Kines 
wolds, des zehnten AbFömmlings von Bodan ) den erſten 


Koͤnig erhalten haben. 


Bei den Zweifeln welche gegen bie Abſtammung und ſo⸗ 


‚gar gegen den Namen der Angeln erhoben find, erregen 


die Nachrichten über die Stammbäume ihrer Könige einige 
Aufmerkſamkeit. Und es belohnt fich diefe: denn wir entdeden 
in denen ber Könige von Mercia drei unzweifelhafte auf eins 
ander folgende Namen, welche mit einer dhnlichen ununter= 


brochenen Reihe in den dänifchen Königsfagen uͤbereinſtimmen, 


nämlich die Nachlommen Wodans, Withläg, Wärmund und 
Offa ©), welche bei den dänifchen Chroniften Wichleth, Wer⸗ 
mund und Uffo, ald von Odin abflammend . und Vorfahren 


der Eroberer Britanniend genannt werben”). Selbft die Ähns 


lichkeit in den Namen der Nachkommen des Offa, Angeltheow 


und Eomar, mit den Daͤnen Ingild und Jaomar ſollte nicht 


1) Henr. Huntend. p. 313. Matth. Westmon. ad a. 527. 
Radulphus bei Higden Polychron. 1, V. p. 224 hat das Zahr 492, 
Florenz fagt von Merda nur, daß ed fpäter als das Eentifche Reich 
gegründet fei, aber über bie Gründung von Oftanglien, daß fie nad) ber 
von Kent, aber vor derjenigen von Wefler gefchehen fei, alfo vor 495, 

2) Nennii app. c. 64. 

8) Bedal. Il. c. 15. 

4) Ich glaube fo die Nachricht bes Hisden a. a. O. deuten zu 
dürfen: Uffingas, quos nunc Fikanos seu Fikeys appellamus. 

5) Ich hebe diefe überfehene genealogifche Notiz (aus Chron. saxon, 
ad a. 626 und Radulphus bei Higden I. V. ad a, 626) hervor, 
fowie eine ähnliche oben bei Effer, weil in der Abflammung von Wodan 
ein Kennzeichen des Volksſtammes gefucht worden ift. 

6) Chron. saxon. bei Nennius: Quithleg, Guarbmund und Offa. 

7) ©. chron. Erici in einem ſchleswigſchen Klofter geſchrieben. 
Svens Aggonis histor. reg. Daniae c. 1. hat nur bie beiden Letz⸗ 
teren. Der islaͤndiſche gangfedgatal hat gleichfalls nur Wermund 
und nennt den n uffo, ODlaf. 


= 


U 
‘ 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 117 


unbemerkt bleiben. Daß ‚auch die Vorfahren des Woban in 
den angelfächfifchen wie in den nordifchen Genealogien viele 
übereinflimmende Namen haben und daß unter dieſen Sceaf 
von lesteren als ein König in Schleswig oder dem Lande Ans 
geln angefehen wird, dürfte nach dem Vorermähnten deſto be: 
merkenswerther erfcheinen. Den biftorifchen Gehalt, der dieſen 
Namen beigelegt werben möchte, zu erörtern, darf uns bier 
nicht befchäftigen; wohl aber muß ber wichtige Beweis hervor: 
gehoben werben, welchen dieſe Übereinftimmung der Sagen ba- 
fuͤr darbietet, um die Abftammung der Angeln und Mercier aus 
den Ländern nördlich von der Eider zu erörtern. Zwar haben 
wuͤrdige Gefchichtforfcher behauptet, daß fpätere angelfächfifche 
Priefter ihre Sagen nad Dänemark gebracht hätten; fie hät 
ten diefelben aber auch noch dafür beloben müffen, daß fie 
nicht die Gefchlechtöfagen der mächtigen weftfächfilchen oder doch 
der alten jütifchen Könige in England, fondern grade die für 
‚die Dänen paffendften, in England längft verfchollenen Könige 
von Mercia auögefucht haben. Bedeutender Eönnte der Ein» 
wurf fcheinen, daß die Dänen jene Sage nad) England ges 
Kracht hätten, wenn ed irgend wahrfcheinlich wäre, dag durch 


biefe die Abflammung der von ihnen befiegten Könige verherr · | 


licht fein Tönnte. 

Auf merkwürdige Weiſe erhält die Gefchichte der Angeln 
einiges Licht durch einen byzantinifchen Gefchichtfchreiber, wels 
cher ſchon verftorben war, ehe Uffa in Oftangeln berrfchte. 
Schon Prokop ') (+ 562) gedenkt eines Königed der Angeln - 
in Britia oder Britannien in den Sahren 534—547, deſſen 
Schwefter mit Radiger, König der Warner, verlobt, diefen mit 


Kriegsgewalt durch ein Über dad Meer gefandtes bedeutendes Heer 


zur Erfüllung des gegebenen Verfprechend zwang. Wie fabel- 
haft auch manche der übrigen durch jenen Gefchichtfchreiber von 
einigen Angeln, welche nach Konftantinopel an ben Kaifer 
Juſtinian gefandt waren, mitgetheilte Nachrichten lauten, fo ift 
dies doch fehr wichtig, daß ſchon von ihm Angeln und Zriefen 
ald Bewohner der Inſel mit den Briten angeführt werden, 
ſowie ein König der Angeln in jener Beit, und, wie in den 


1).De bello gothico I, V. c. 20, 


/ 


118 ° Zweite. Abtheilung. 


obengedachten Geſetzen, eine Verbindung der Angeln und War⸗ 
ner. Daß, wie derſelbe Schriftſteller erwaͤhnt, der maͤchtige 
Koͤnig der Franken Theodebert die Auswanderung einiger An⸗ 
geln nach ſeinem Lande und den zerriſſenen Zuſtand des dama⸗ 
ligen Britanniens benutzte, um ſich den Schein einer Ober⸗ 
herrſchaft uͤber daſſelbe anzumaßen, war die nothwendige Folge 
der Anſpruͤche der fraͤnkiſchen Könige auf die Wuͤrde der wefl- 
römifchen Kaifer, welche durch die ehemalige Provinztalverwals 
tung, in welcher Britannien ald ein dem continentalen Gallien 
zugeorbneter Beftandtheil erfchien, neue Gründe finden muſſte. 
Politiſche Verbindungen der Angelfachfen- mit dem Hofe zu 
‚Byzanz, gegen bie Franken gerichtet, wurden von biefen um 
folgenden Jahrhundert beforgt ); ein Verdacht welcher wenige 
fiend andere nahe Verbindungen unter denfelben vorauöfegte. 
Vieleicht mag ed mit biefen Anfprüchen zufammenhängen, daß 
der welfche Barde dieſes fechöten Sahrhunderts, Lawarch Hem, 
befien Glaubwürdigkeit in manchen andern Nachrichten fich auf . 
merkwürdige Weiſe bewaͤhrt hat, den Kriegen von Weller 
den Namen der Franken gibt. Selbft Papft Gregor der Große 
ſcheint in einem Briefe an die fränkifchen Könige Theodorich 
und Zheobebert über feinen Plan, die Angeln zum Chriſtenthum 
bekehren zu laſſen, von Letzteren als Unterthanen derſelben zu 
ſprechen; woraus fich freilich nicht mehr als Anſpruͤche, aber 
doch folche ergeben, welche der genannte päpftliche Brieffteller 
bei den ihm befreundeten chriſtlichen Koͤnigen zu ſchonen und 
zu beguͤnſtigen hatte ?). Noch einen anderen nicht unweſentli⸗ 
chen Gegenſtand glauben wir in der Erzählung des Byzanti⸗ 
ners uͤber jenen Krieg und die Verhältniffe zu den Franken 
Ponigen zu entdecken, den Mamen unter dem bie germanifchen 
Anfiedler der altroͤmiſchen Provinz den Höfen, Kanzeleien und 
Schriftftelern des gebildeten Europa bekannt wurden, den Nas 
men der fo oft die Hemifphären beherrfeht hat, den Namen 


1) Bedal. IV. c. 1. _ Ä W 

8) Gregorii epist. L VI, o. 585. ... magnaın de vobis mate- 
riam praesumendi concepimus, quod subiectes vestros ad eam con- 
verti fidem per omnia cupialis, in qua eorum nempe reges estis et 
domini. Atque ideo pervenit ad nos, Anglorum gentem ad fidem 
» ehristianam velle converti etc. , 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8, Jahrh. 119 
Englands. Noch in bemſelben Jahrhundert bemerkten wor, 


daß Papſt Gregor die Bewohner auch des füblicher Britane 


niens nur unter dem Namen der Angeln kennt und amedet, 
während der Name der mächtiger werbenden Sachfen im Lande 
felbft Länger vorherrſchte und in den Beziehungen zu den celti⸗ 
ſchen Nachbarn nie verfhwunden if. | 

Geſchichte und Gedichte jener fernen, fchriftlargen Jahr⸗ 
‚hunderte ruhen längft verfähnt in berfelben Gruft und wir 
koͤnnen bie Afche der einen nicht wecken, ohne, unb oft unbes 
wuſſt, die anderen dem Zagelichte wieberzugeben. : Wir dürfen 
Daher nicht unterlaffen bier zu erwähnen, daß Oflanglien eine 
reiche, wenig gefannte und noch weniger eräründete Quelle 
alter Sagen enthält. Dahin gehört die Sage vom. Könige 
Attla zu Northfolk, dem Gründer von Attleburg und Roud, 
bem Könige von Zhetforb '), fowie Die noch mehr verbreitete 
vom Könige von Northfolk, Havelot oder Guharant, des Däs 
nen Cthelbert Sohn, welcher bereit vor Hengift und Horſa 
in jenem Lande wohnte); wodurch benn die Sage zu befläs 

tigen fcheint, was die Gefchichte ſchon feit dem Zeiten des Ca⸗ 
raufius wahrſcheinlich macht. 

Das Land noͤrdlich vom Humber hatte am meiſten von 
ben Einfällen der Peghten und Scoten gelitten. Es zerfiel 
fhon früh in zwei britifche Königreiche, deren Namen fich 
mehrere Jahrhunderte erhalten haben: Deifyr, ſpaͤter Deira, 
vom Humber bid zur Tyne, und Bryneich, fpäter Bernicia, 
vom lesteren Fluffe bis zum Clyde. Auch hier fcheinen Die 


Nieberlaffungen ber deutſchen Stämme Älter, al bie gemöhnlie 


sen Angaben über bie erſten dortigen ſaͤchſiſchen Koͤnige in der 


1) Von einem ango- normanniſchen Trouveur Sohn Brame iſt 
eine Bearbeitung dieſer angelſaͤchſiſchen Sage in 12,000 Verſen vorhanden. 


2) Ein anglo=frangdfifches Gedicht über denſelben hat Frederik 
Madden in einer fehr Eleinen Auflage herausgegeben, und es iſt zu 
Paris Fürzlich nachgedrudt. Cine andere ausführliche Erzählung findet 
fih in der britifchen Reimchronit in alffrangöfiiher Sprade von Geof: 
frey Gaimar in beffen estoire des Engles eingelegt. Auch [pätere 
engliſche Chroniften, wie Knyghton (. I. c. 5.), der fih auf eine 

historia de Grimesby peruft, erwähnen derſelben. &. auch die Sin: 
leitung über Robert de Maume. 


120. | Zweite Abtheilung. 


Mitte des fechöten Jahrhunderts lauten. Die, Segen von 
Hengiſt erzählen, daß er bereits feinem Sohn Octa und dem 
Sohne des Horfa, Ebufa '), im nörblihen Northumberland, 
oder, nach den dlteren Nachrichten, jenfeit des Frith of Zorth ſaͤch⸗ 

fifche Niederlaffungen gegründet habe; welche legte Angabe Durch 
die uralte germanifche, oder nach der gewöhnlichen Bezeichnung 
der Engländer gothifche, Bevölkerung der Grafichaft Angus, 

mitten in den galifchen Hochlanden, eine auffallende Beftätis 
gung zu erhalten Tcheint, - fowie andererfeitö fie durch den Um⸗ 
fland, daß Hengift felbft zur Vertreibung der Picten und Sco- 
ten nicht weiter als bis Lincolnfhire vorgedrungen war, wider: 
‚legt fcheint. Einer zu wenig, beachteten Notiz zufolge hat fos 
gar ſchon Soemil, Zegulphs Sohn, Deira von Bernicien ges 
trennt ober erobert, deſſen Enkel Guilglis oder Witgild, der 
Bater von Hengift und Großvater des bald, zu erwähnenden 
Uffi war, wie auch Beide, Hengift und Uffi, nach andern Nach⸗ 
richten von demfelben Sohne Wodand, Wecta oder Waegdang, 
abftammten ?). Wichtig ift diefe Sage durch die in ihr liegende 
Nachricht, daß die Niederlafiungen der Sachen im nördlichen 
Britannien älter find ald diejenigen im Süden. Auch muß 
bier auf ben vorberbemerften Umftand wieder aufmerkfam ges 
macht werben, daß, während bie füdenglifchen Chroniken ven _ 
“ Hengift und Horfa im oder richtiger nach dem Sahre 449 in 
Kent Landen laſſen, die älteften nordenglifchen Quellen bie An⸗ 
kunft der Angeln in das Jahr 445 oder 446 feben, abgefehen 
von den früheren Einfällen derfelben. Nennius läfft. den Hen⸗ 
gift im Sabre: 447 landen, woraus fich, ergeben würde, daß 
bie fächfifchen Häuptlinge des Nordens ſich von der Eentifchen 


1) Nennius. c. 37. Guil, Malm. 1.I. c. 3 et 1., welder 
Ochta den Bruder des Hengift und Ebuſa beffen Sohn nennt. Eine 
Beftätigung diefer Nachrichten läfft fih im Galfrid. Monmouth. 
I. XT. c. 1. finden, wo Modrawd dem Childeric verfpricht das Land 
zwifchen dem Humber und Schottland und was in Kent zu Vortigerns 
Beiten Horfa und Hengift befaßen. 

2) Nennii app. c. 64. Soemil: fehlt in den angelfächftfchen 
Stammbäumen des Uffi und feines Sohnes Alle; do nicht Soemils 
‚Vater und übrige Vorfahren: Saefugl (Seevogel), Saebald, Eigger. 
Swertbing, den bie Angelfachfen den Sohn Goemils nennen, kommt 
auch in ber altbänifchen Königsfage als Kind des Königs Frothi vor. 


Bon Mitte des 5. Bis Ende des 8. Jahrh. 121 


Oberherrſchaft nach einem vollen und runden Jahrhunderte be⸗ 
freiten, anſtatt nach der gewoͤhnlichen Sage im J. 547 ein 


dortiges Reich neu zu gruͤnden. Funfzig Jahre ſpaͤter, ums 


Jahr 500, ſoll die Stadt Eboracum von den Sachſen einge⸗ 
nommen und der Erzbiſchof Sampſon nach Armorica gefluͤchtet 


ſein, wo er den Biſchofſitz zu Dol gruͤndete. Nicht ganz ver⸗ 


werflich iſt die Sage, daß Colgrim und ſein Bruder Bald⸗ 


wulph ſich dortiger Länder bemaͤchtigten, von Arthur aber im 


J. 518 am Zluffe Duglas gefchlagen find‘). 


Ida, der Sohn ded Eoppa, Abkömmlings des Wodan, 


welcher in dieſem Stammbaume noch fünf. Vorfahren zaͤhlt, 
wird, nach der oben angedeuteten angelſaͤchſiſchen Sage, als 


der Stifter des ſaͤchſiſchen oder angliſchen Reiches Bernicia im 
J. 547 betrachtet, oder vielmehr als derjenige welcher das bisher 
von neun Lehnsleuten regierte Land zuerſt von der Oberherrlichkeit 
Der Könige von Kent befreite?). Er landete mit vierzig oder 
ſechzig Schiffen der Anglen’) und fol, nachdem er zwölf Jahre . 


geherrſcht hatte, mit Hinterkaffung einer gleichen Zahl von Soͤh⸗ 


nen, in einem Gefechte gegen Urien von- Cumberland und Reged 
gefallen fein. Bebbanburg (Banborough) verhertlicht den Nas: 
nen feiner Gemahlin Bebba*). Nach) feinem Tode folgten feine : 
Söhne, Adda, Äthelric und Theodric) in der Herrfchaft, und ' 
zugleich bemächtigte ſich Alta, Sohn des Uffi, von gleich glor⸗ 


reicher Abkunft, des groͤßeren Theiles des Reiches Deira. 


1) Palgrave a. a. O. 308. 
2) Scala chronic. nah Gale ad Nennium c. 65. 
3) Chron. Wanley. Florent. Simeon, Wallingford. 


4) Chron, saxon. ad a. 547. App. Nennii.c. 64. ſchreibt bie - 
Gemahlin Bebba dem Enkel des Ida Äthelfrith zu. Die Stelle bei 


Beda III, 6. entfcheidet Nichts über den Namen von Bebbas Gemahl. 


5) Die Neihefolge der Könige von Bernicien vom Jahre 559 bis 
592 ift ſehr verworren, wenngleich in den Namen und den Kegierungs- 
jahren weniger abweichend. Daß Clappa, Theodwulf und Freothwulf 


Edhne Idas gewefen feien, wie Palgrave ll, 308 meint, "berichten die 
unbekannten Quellen eben fo ‘wenig, als fie mit Cartes Angabe über: 
einftimmen, daß Friodwald, ein Sohn des Theodoric, einer der ſechs 


ehelichen Eöhne Idas gewefen ſei. Jene vier waren northumbrifche , 
Däuptlinge, gleih dem Huffa, defien fieben Regierungsjahre (596603) 


Stenntus, Chron. Wanley und Simeon anführen; beffen Sohn Bez. 


ring (Erich) aber durch eine falfche Lesart der .angelf. Chronik zum J. 


603 der Aufmerkfamkeit der Geſchichtsforſcher entgangen iſt. 


J 
0 D 


— 





122 Zweite Abtheilung. 


So fehr geringfügig und noch zweifelhafter find die Bes ° 
richte, welche über die Eroberung eines großen Reiches und bie 
reiche Beute römifcher Bildung, in bürgerlichen Eintichtungen, 
einem zur Dienftbarkeit gewöhnten Volke, Bauten und anderen 
Schaͤtzen, welche fie wenig zu nugen, noch weniger zu erhals 
ten verflanden, durch Barbaren der Nordfee, vorhanden find. 

Die Briten waren, bald auf die weftlichen Länder der Ins 
fel befchränkt und erhielten fich dort in mehreren kleinen Staa⸗ 
ten, von denen bie oſtwaͤrts gelegenen mehr und mehr dem 
beutfchen Einfluffe nachgaben, die übrigen aber, durch ihre 
Berge gefchüst, eine obwohl allmälig befchränktere Unabhängigs 
keit noch geraume Zeit erhielten. Es wird nur felten geftats 
tet fein die Gefchichte der Eleinen britifchen Staaten zu beruͤh⸗ 
ven; doch darf um fo mehr eine Überficht derfelben hier nicht 
fehlen, wenngleich einzelne zuweilen in einem Staate vereinigt 
ſich befanden, andere erft durch etwas fpätere Zerfplitterungen 
entflanden fein Fönnten. 

Im Suͤdweſten finden wir den mächtigften Staat Damno⸗ 
nia, das Reich Arthurs, welchem auch der Name von Weſt⸗ 
wales gegeben-wird. Damnonia wurde fpäter auf Dyvnaint 
(Devonfhire) befchränkt, da Gernau (Cornwales) von demfelben 
-fih trennte. Die Länder welche die Sacfen die der Sumor⸗ 
fäten, Thornſaͤten (Dorfet), Wiltfäten (Wilts) nannten, gingen 
ben Königen von Damnonia ſchon früher verloren; doch erhielt. 
fih noch Jahrhunderte hindurch viele britifche Bevoͤlkerung uns 
ter den dort anfäffigen Sachfen, ſowie nach der fächfiihen Er⸗ 
oberung Dypnaintd unter den Defnfäten, welche den Bewohnern 
jener Shited noch lange den Namen der Welsh kind bewahrte. 

Canbrien, dasjenige Land welches wir noch heute Wales 
nennen, war in mehrere kleine Staaten getheilt, deren größte 
Gwynedd (Nordwales) und Demetia, Deheubarth, Dynefawr 
(Suͤdwales)) waren. Öftlih von Gwynedd und ben walifis 


1) Sowie Cornmwales zumwellen ben Namen Sübwales erhält, fo 
wird Demetia auch Weſtwales genannt, welche ſchwankende Terminolo⸗ 
gie möglichft vermieden werden follte. Über die ältere Geographie von 
Wales fowie beffen Einwohner befigen wir eine fehr reiche Quelle in 
den Schriften eines Waliferd Girald, deffen Itinerariun, Cambriae 
descriptio, de illaudabilibus Walliae fich in Camden scır. rer. an- 
ein und Wharton Anglia sacra finden. 


Bon Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. - 123 


fchen Alpen, deren höchften Punct der Snowdon bildet, lag 
Mathrafal oder Powis, welcher legtere Name in dem eine 
Shire bildenden Hauptbeflandtheile deſſelben erhalten it, In 
Demetig bemerken wir nerfchiedene Staaten, unter denen ber 
füdlichfte am nördlichen Ufer ded Seven lag, Gwent (Mon: 
mouth und Glamorgan) oft unabhängig. erfcheint. Sa ober _ 
neben biefem Neiche lag ein kleines Königreich Gleguifing. Ä 
Der feftefte Beltandtheil Demetiad war Dyfeb, bad jetige 
Pembrokeſhire. Laͤngs des irlaͤndiſchen Canals erſtreckt fich 
Ceretician (Cardigan). Auch erſcheinen die in den heutigen 
Grafſchaften leicht erkennbaren Laͤnder Caermardſyn, Morga⸗ 
noc, Brecheinoc unter beſonderen Herrſcher. 

Die Hauptſtaͤmme dieſer Briten, oder, wie fie ſelbſt 
ſich nannten, Cymru, unterſchieden ſich durch verſchiedene Dia⸗ 
lekte ihrer gemeinſchaftlichen Mutterſprache, unter denen die 
von Gwynedd, oder der venedotiſche, der von Demetia und 
der von Glamorgan fich auszeichnen. Die cymriſche Sprache 
wurde durch außgezeichnete Dichter, audgebildet, Aneurin und 
Zaliefin im fechöten, Lywarch Hen, Merdhin u. a. in den 
naͤchſtfolgenden Sahrhunderten, deren Werke ziemlich umverfaͤlſcht 
auf unfere Zeiten gelangt‘ feheinen und deren Werth für Die 
Sefchichte Britanniens bei näherer Unterfuchung fie fchon uns 
ſchaͤtzbar darſtellen würde, wenn fie auch nicht mit den in 
der verwandten galifchen Sprache gebichteten Gefängen Oſſians | 
als die einzigen bedeutenden Zeugniffe für Die Ausbildung einer 
eeltifchen Sprache der Nachwelt überliefert waͤren ). 

Sitte und Rechtszuſtand der Sambrier waren in allem dies 
fen Reichen im Wefentlihen ‚biefelben. Ein wichtiges Denkmal 
berfelben, wenngleich aus einer Zeit wo Die Walifer den Ans 
gelfachfen fich Längft untergeordnet und viele Einrichtumgen und : 
Anſichten berfelben angenommen hatten, befigen wie in den 
Sefegen des Howel Dha, eines Königes von Demetia im 
der erſten Hälfte des zehnten Jahrhunderts, welche auch in 
den uͤbrigen waliſiſchen Staaten mit einigen oͤrtlichen Abwei⸗ 
chungen als guͤltig anerkannt waren. 


1) ©. S. Turner vindication of the genuigeness of the auciont 
british poems, Hinter dem legten Bande der britteg und ſpaͤtern Zub 
gaben feiner history of the Anglosaxons, 


> 


124 Zweite Abtheilung. 


Die Zerfplitterung von Cambrien in viele Feine Reiche iſt 
nicht, wie man oft gemeint hat, die Folge einer vom Könige 
Rotri Mawr (Roderih dem Großen) vorgenommene Theilung 
zwiſchen feinen Söhnen, durch welche, wenn fie überhaupt ge 
gründet fein follte, nur über die Herrfchaft der viele Jahrhun⸗ 
derte früher einzeln genannten Staaten verfügt wurde. Von 
Dyfed vernehmen wir in den erften Iahrhunderten nach ber 
Ankunft der Angelfachfen fehr wenig, mehr von Gwynedd, 
welches in befländigem Kampfe mit Northumbrien' und Mer- 
. cien war. Auch Gwent, ald die Vormauer von Demetia, tritt 
häufiger auf. Im Ganzen vermiffen wir nicht fo fehr eine 
Maſſe von Nachrichten über die Walifer als vielmehr Ges 
nauigfeit und Beftimmtheit derfelben. Während die Walifer 
gar Feine oder unzuvetläffige Zeitbeflimmungen zu den feltfam 
geordneten und poetifch eingebleideten Gefchichtserzählungen ge: 
ben, wird in den angelfächfifchen Nachrichten von den verſchie⸗ 
denen Staaten und deren Regenten felten anders als unter der 
allgemeinen Bezeichnung der Briten und ihrer Könige gefpro: 
chen; eine Zufammenftellung der beiderfeitigen Nachrichten. ift 
auch häufig unthunlich, da eine jede diefer Nationen gewoͤhn⸗ 
lich nur von ihren Siegen, felten von ihrem Derlufte zu be⸗ 
richten pflegt. 

Ein noch dichteres Dunkel als uͤber Wales ruht uͤber den 
noͤrdlich von demſelben gelegenen britiſchen Laͤndern, welche un⸗ 
ter dem Namen Cumbrien begriffen werden. Dieſes Land, 
zuweilen unter einem Oberhaupte, Pendragon, auch Tyern 
(tyrannus) genannt (welche ſich gleich andern britiſchen Fuͤrſten 
als die Nachfolger nicht nur, ſondern auch als die Enkel des 
roͤmiſchen Conſtantinus oder Maximus betrachteten), vereinigt, 
beſtand aus drei Hauptbeſtandtheilen. Das ſuͤdliche oder eigent⸗ 
liche Cumberland umfaſſte auſſer der heutigen Grafſchaft dieſes 
Namens noch Lancaſter und Weſtmoreland, welches Letztere 
auch als ein kleines Koͤnigreich Weſtmere erſcheint. Es erſtreckte 
ſich mit in das nachherige Northumbrien hinein, und da auch 
das Reich Elmete zu demſelben gehoͤrt zu haben ſcheint, ſo 
muß die Stadt Leeds an der Grenze deſſelben gelegen haben. 
Das altroͤmiſche Lugubalia oder Carlerl war die groͤßte Stadt 
deſſelben, in welcher Arthur, Rhyddrich Hael oder der Freige⸗ 





Von Mitte des .d. bis Ende des 8. Jahr. | 125 


je und andere in ber: Dichtkunſt vetherrlichte Fuͤrſten chre 561. 
ifelrunde oder: ihren Hof hielten. ‚Die beiden nörblichften 
iche ber Altbriten, Reged und Strathelugd, gehören der 
efchichte von Schottland an; doch können fie, da au Eng 
nd fi bi8 Edinburg erſtreckte, nicht ungenannt bleiben. 
egeb, ein Diſtrict im füblichen Schottland in oder. bei An⸗ 
ndale, ift und am bemerkenswertheften durch. den: Schuß, 
lchen der Fuͤrſt deſſelben, der auch von. Llywarch Hen; ber 
bſt ein Fuͤrſt von Argoed in Gumberland war, befungene 
ien dem Sänger Zaliefin angebeihen ließ. Laͤnger hat fich 
e Name des Reiches Strathcluyd erhalten, welches Clydes⸗ 
le ober Dunbarton (Dunbriton), wo die Hauptſtadt Alcluid 
legen war, Renfrew, Dunfried, vielleicht auch Peebles, Sels 
ck, Lanark im Oſten umfhloß.. Die Regenten. von Straths 
md, wenngleich mit Angelfachfen wie mit Picten und Scos 
n ftetd kaͤmpfend, erſtredten ihre Macht uͤber ganz Cumber⸗ 
nd, aus welchem fie erſt in der erſten Haͤlfte des zehnten 
ahrhunderts zurüdgedrängt wurden, da denn Gumberland . 
ater angelfächfiicher Hoheit ein dem ſchottiſchen Erbprinzen er⸗ 
weiltes Lehn wurde. | 

Über die erfien Einrichtungen welche die deutfchen Ynfühe 
r in ben eroberten Landen trafen, wie bie Dienſt⸗ und Zins 
erhältniffe zu den Eingebornen feftgefegt wurden, wie die 
eutſchen ſelbſt ſich allmaͤlig zu groͤßeren Koͤnigreichen vereinig⸗ 
n, wie weit die Überreſte roͤmiſcher Cultur, wo fie nicht 
ıgenfcheinlichen und fofortigen Nutzen gewährten, geehrt wurs 
m, über Alles diefes haben wir wenig mehr als Vermuthuns 
n, wenngleich das Nefultat, die Saronifirung Britanniens 
urch Hengiſts und Horſas Landung, und fo deutlich vor Augen 
egt, wie uns die Romanifirung von Mittel: und Sid = Ames 
ca durch Columbus und Pizarro. Kaum find andere fchrifts 
he Nachrichten über die Zeit jener Reiche bis zu ihrer all 
aligen Belehrung zum Chriftenthume vorhanden, aufjer ber 
teihefolge ihrer Könige, welche in einer vereinzelten Überliefe: 
mg nur ein fehr geringfügiger Beftandtheil der Nationalges 
bichte find, es möge nun „Amurath auf Annurath” oder 
Ibft „Henry auf Henry" folgen. 

Mährend angelſachſiſche 3 Quellen fehlen, die der Briten 


— 


⸗ 


a 


% = 


1216. Zweite Abtheilung. 


entweder gfeichtans, ober bed; biefe gang andere kritiſche Sich⸗ 
tungen beftehen müflen, als ihnen bisher geworben, um auf 
diefelben fügen zu koͤmnen, To find die aͤlteſten angelfächfifchen 
Sefeße zu rien und zw fehr auf den ‚germanifchen Straf⸗ und 
Suͤhn⸗Tarif beſchraͤnkt, um ihnen ein Bild vom Zuſtand des 
Landes gleich nach des ſaͤchſiſchen Eroberung zu eninehunen 
Ihr Stinfhweigen uͤber Manches laͤſſt uns, wenn wir fie mit 

den Geſetzen anderer germaniſchen Eroberer vergleichen, vid 


Teicht mehr erratheni, als ihre kargen Worte andbeuten. 


Die Öffentlichen Anflalten waren durch den Abzug ber 
Römer und das Eindringen der Feinde In die größte Unotd⸗ 
nung gekommen. Das ehemalige roͤmiſche Staats⸗ und Privat 
Eigenthum wat, angekauft ober uftzrpirt, em neuer, unbefeflig 
ter Beſitz in den Händen eines Volkes, welches zu herrſchen 


laͤngſt vergeffen hatte. Die damals vorhandenen Einwohner 


ber Infel waren, wie befonders die Sprache beweifet, Tau 
tomansfirt zu nennen, eher modten britifirte Nachkonnnen che 
maliger Rdmer unter ihnen verweilt haben. Bei diefem aufge⸗ 
loͤſten Zuflande des Landes muſſte es den Eroberern leichter 
ſein als ihren Kampfbruͤdern in den beſſer organiſirten Staa⸗ 
ten ſich in den Beſitz des erfoderlichen Eigenthumes zu ſetzen, 


ohne dad Recht des Staͤrkeren auf eine zu druͤckende MWeife 


empfinden zu laſſen; das ehemalige roͤmiſche Eigenthum, deſſen 
Im Suͤden und an den Kuͤſten vorzüglich viel geweſen fein 
muß, konnte der geririgen Anzahl der Fremden genügen. Daß 
irgend eine Quote, fei es des Landeigenthumes oder ber Ein 
Fünfte oder Srüchte, den Eroberern regelmäßig abgetheilt wurdt, 
wie dergleichen in andern germanifchen Staaten geſchah, if 
durchaus nicht wahrſcheinlich, da wir auch bei den fpdtern 
Croberungen der Angelfachfen im Gebiet der Briten Feine dahin 
zielenden Nachrichten befigen. Die nicht rafchen Fortſchritte der 
in vielen Xheilen Britannien von vereinzelten, von einamber 
unabhängigen Schaaren verfchiebener Stämme unternommen 
Befisnahme laͤſſt diefelbe weniger als eine eigentliye Erobe⸗ 
rung, fondem als eine umaufbörliche Ufurpation britichen Ge 


. bieted betrachten. Der Umfland, daß die Angefachfen auf 


Schiffen nach dem zu befegenden Lande gehen mufiten, beachte 
es mit fich, daß fie auch weniger. Frauen und Kinder mit ſich 


- 


« 





Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 12 


fichrten; und wenn ſchon Vortigem das Connubilum ber 
Schweſter des Hengiſt nicht bezweifelte, fo werben bie Krieger 
des Letztern, obwohl vielleicht mit Ausnahme der wenigen 
adligen Geſchlechter, die Ehe mit den Britinnen nicht ver⸗ 
ſchmaͤht haben. Wenn dadurch die Eingebornen mit den Frem⸗ 
den ſchnell verſchmolzen, fo konnten dieſe, bei ben faſt aus⸗ 
ſchlieſſenden Vorzuͤgen ber Speerſeite im Erbrechte, ſolche Hei⸗ 
rathen ihrer politiſchen Unabhängigkeit nicht gefaͤhrlich finden. 
Viele Briten flohen vor den heidniſchen Germanen; doch die 
Leichtigkeit der Flucht fhwächte die Kraft des Widerſtandes 
umd erleichterte das Vorbringen der Gegner, Diejenigen Bri⸗ 
ten welche, nicht Triegögefangen, friedlich blieben, ſcheinen 
die Rechte welche fie befaßen behalten zu haben, da wit lei 
ner bedeutenden Unterfchied des Wehrgelbes, der. Zeugnißfaͤhig⸗ 
keit und anderer Rechte der Briten von benen ber Sachien 
‚finden ). 

Die wichtigfte Beriehung, ſchon fruͤh bemerkbar, welche 
ale Bewohner Britanniens mit einem gemeinfamen Bande um⸗ 
fchlingen follte, ift vie Würde des Bretwalda, welche einer der 
maͤchtigſten angefächfifchen Fürften fix die Zeit feines Lebens 
führte Das Befireben, die Fortbaues römifcher Verfafjungen 
zu entdeden, bat auch in jener Würde eine Nachahmung des 
weſtroͤmiſchen Kaifers wiederfinden wollen, welche von Sach⸗ 
fen und Briten zugleich anerkannt fi”). Die Anerkennung 
ber Briten, welche noch unter eigenthümlichem Sberbefehle 
vereinigt waren, Darf indefien wohl ganz und gar geleugnet, 
ber Nachahmungseifer der fächfifchen Krieger, welcher einen 
ihrer Genoſſen, ver fi) das Anfehn des gefuͤrchtetſten und 
verhafftefien Beindes hätte anmaßen wollen, darf ſtark bezwei- 
felt werden. Die Anfprüche des mächtigften angelfächfifchen 
Königs erfixedten fi) kaum fiber. die germanifchen Provinzen 
ber Südlichen Hälfte Britanniens; auf andere Theile des roͤmi⸗ 
ſches Reiches find. fie nie ausgedehnt. Die Nachahmung der 
Rohen wie der. Schwachen beginnt mit dem Schmude gehalt: 
loſen Sceined, der Anmaßung des unmwefentlichen Namens; 


1) Leg. Inae. 23. 24, 32, 
2) Palgrar.o I. 563, 


128 . Zwelte Abtheilung. 


von Beidem bietet keine Spur bei den Angelſachſen fuͤr mehrere 
Jahrhunderte ſich dar. Bei der Trage über die Entſtehung 
der Bretwaldawuͤrde, wenngleich bei deren fpdterer Ausbildung 
ömifche Erinnerungen ſich mögen angefchlofien haben, darf in 
Ermangelung näherer Nachrichten über die Pflichten und Rechte, 
welche jener Würde beigelegt waren, wohl nur nach den Bes 
griffen gefragt werben, welche bie Sachſen aus ihrer Heis 
mat brachten, und nach den Veranlaffungen, welche fie in 
Britannien zu der Anordnung jenes Suprematverhaͤltniſſes fin⸗ 
den konnten. 
| Die nordgermanifchen fowie die bänifchen Völker kannten 
keine Koͤnige, welche den ganzen Stamm beherrſchten, ſondern 
jedes war unter mehrere Haͤuptlinge vertheilt ')., Wir wiſſen, 
wie bei diefen die Geburt entfchied, daß jedoch ‚Heerführer für 
den Krieg aus den Tapferſten gewählt wurden. Nichts konnte 
ihnen fremder fein als die Beherrfchung eined ganzen Stam⸗ 
med auf die gemeinfame Sprache oder Verwandtfchaft zu ber 
gründen, ed fei denn gar die Idee des Königthumes über vers 
fehiedene Stämme in einem Lande aus dem Grunde ber Ter⸗ 
ritorialität. Don den Dänen und Tüten namentlich wifjen wir, 
daß fie noch einige Jahrhunderte unter einer großen Anzahl 
. von Königen lebten,. daß fie jedoch Oberkoͤnige zu Leire, wie 
die fchwedifchen Könige bie zu Upfala anerkannten, -aber daß 
die Einherrfchaft (Einvalld) ſich erſt ſpaͤter bildete?). Auch die 
frieſiſchen Herrſcher erkannten einen Oberen an. In Britannien 
war die Verbindung ſuͤdlicher und nördlicher Sachſen, wie oben 
erwähnt, fehon in den erſten Eroberungen des Hengift begrüns 
det. Die Nothwendigkeit eines gemeinfamen Oberhauptes aller 
germanifchen Führer ergab fih nun aber in Britannien theild 
aus der großen Menge einzelner Könige, Üterleute und Dys 
naften, welche erft im Laufe der Zeit zu ben bekannten acht 
Königreichen verſchmolzen, theild durch die Nothmendigkeit, den 
gegen die fremden, zerflreut wohnenden Eindringlinge verbuͤn⸗ 


1) Bgl. auch Dahlmanns Forſchungen I. &. 481 fg. 
2) Snorre Ynglinga Saga c. 45. Jener isländifche Ausdruch, 
„die konnicliche Wolt“ der deutſchen Rechte, beftätigt uns bie oberherr⸗ 
lichen Rechte, weiche dem Walda des Bretlandes zugeflanden wurben. 





Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 129 


ten Briten fowie den Picten und Scoten einen vereinten 
Siderfiand entgegenzufegen. Zu dieſem Zwede, denn von 
inem anderen findet ſich eine Spur und zu feinem anderen 
heint eine Vereinigung erfoberlich oder auch nur ‚denkbar, 
wfiten die Germanen in Britannien ein Voͤlkerbuͤndniß bald 
nentbehrlich finden. Eine gemeinfame Kriegsführung verfchie- 
mer Staaten ohne Dictator fchien undenkbar, und den Beruf 
zzu hatte der Mächtigfte oder auch derjenige, deſſen Land 
indlichen Einfälen am meiften auögefegt war. Letzteres fin⸗ 
m wir am haͤufigſten. Suſſex fol zuerft jenes Imperium er- 
ılten haben, ald ed Kent zu vertheidigen hatte. Kent machte 
nfprüche darauf, als es noch im Norden Herrfcherrechte bes 
6, und erhielt es hernach vielleicht als Entfchädigung für feine 
jerzichtleiftungen; .fpäter bildete Weſſer die Vormauer. Als 
efes fich befeſtigt hatte und die Kämpfe nördlicher geführt 
neben, ging jener Gefammtkriegäbefehl an DOflanglien über, 
legt an Northumberland, deſſen beide anglifche Staaten 
en Bretwalda bisher nicht anerkannt hatten ), bis die Ver⸗ 
ältniffe fich änderten. Daß jene Staaten bie vorübergehende 
zewalt zur Vergrößerung ihres Gebietes benußten, lag in der 
tatur und nicht aufferhalb des Zwedes jener Einrichtung. 
Jer deutfche Wahlkaifer, deſſen Würde nicht an Erbftanten 
och Abſtammung, fondern an die Bedeutfamkeit eines Mannes 
enüpft war, flellt day, was der Bretwalda hätte werben 
Innen, wenn die gemeinfamen Intereſſen in einem höheren 
zeſichtspuncte von den erobemden Barbaren hätten aufges 


ufft werben koͤnnen. Wahrfcheinlich beftimmte auch nicht die ' | 


Baht der übrigen Könige allein, fondern bie bed. gefammten 
ldels und der Alderrhannen die Emennung des Bretwalda; 
a er, nach dem Ausdrude der alten Schriftfteller,; über alle 
ife — die Stände — fchaltete und waltete?), fo muͤſſen 


1) Beda LI. c. 25. Rex Aedilbertus in Cantia potentissimus, 
ui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et 
:ptentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines Imperii tetenderat. 
ib. II. c. 5. Tertius in regibus gentis Anglorum cunctis eorum pro- 


inciis, quae Humbrae fluvio et contiguis ei terminis sequestrantur a _ 


orealibus, imperavit. ©, auch 1. II. c. 3. 
2) Omnia iura regni Anglorum, reges scilicet et proceres et tri- 
Lappenberg’s Geſchichte Gnglande I. _ 9 





130 Zweite  Abtheilung. 


wir im Geiſte der germaniſchen Verfaſſungen die vorhergegan⸗ 
gene freie Zuſtimmung vorausſetzen. Es iſt ſchwer in dieſen 
Wahlen der Staͤnde Englands und den ferneren Zuſammen⸗ 


kuͤnften, welche die Kriegszuͤge und andere an dieſelbe gereihte 


571, 


577. 


Gefammtintereffen erfoderten, wenn nicht den Keim, Doch ein 
fördernded Vorbild des Oberhauſes im Reichöparlamente (impe- 
rial parliament) zu verkennen, deffen ältefte vorhandene Ur: 
kunden auf Friegerifche Zwecke fich beziehen. 

- Der hohe Werth viefer Winde war früher anerkannt, 
wenngleich ſchon Beda nicht zu berichten wuſſte, wer nad 
Ya mit ihr gefhmüdt war, bis Geawlin, Gerdied von Wef: 


fer Enkel, fie befaß. Ein edler Sproß der Xfeingen, der ji- 


gendliche Aihelber von Kent, wolite ihm fie ſtreitig machen 
und uͤberzog Weffer, mit Krieg). Eine Niederlage zu Wib⸗ 


. landun (Wimbleton in Surrey) beugte den kuͤhn auffirebenden 


Juͤngling, deſſen Schmach erfi nach mehr denn zwanzig Jahren 


‚durch die Erreichung feined Strebens getilgt wurde. Seinem 


Bruder Cuthwulf, welchen er jedoch noch in Demfelben Jahre ver: 
lor, verdankte Ceawlin einen folgenreichen Sieg gegen die Bri: 
ten, welcher die Städte Lenbury, Aylesbury, Benfington und 
Eynsham in feine Gewalt brachte. Nicht minder glücklich war 
Ceawlin nach einiger Zeit mit Hülfe ſeines Bruders Cutha oder 
Euthwin ?), welcher nach einem Siege bei Derham in Glocefter, 
wobei drei britifche Könige fielen (Conmail, Sarinmail [ver 


“ mutblich zu Gmwent oder Monmouth] und Candidom [Cynbil- 


blieben ſeinem Reiche jedoch nicht, vielleicht weil er nicht allein 


lom] König von Pengwern ober Shrewsbury), drei Staͤdte 


Bath, Gloceſter und Cirenceſter eroberte. Letztere Staͤdte ver⸗ 


mit ſeinen Weſtſachſen ſondern auch mit den Angeln und für 
fie ald Bretwalda focht, da wir dad Land ber Hwiccas, in 
dem jene Städte lagen, fpäter mit dem von Mercia verbunden 


bunos in ditione sua tenebat, Henr. Huntend. l. IL p. 313. 


Beda unterfcheidet häufig unabhängige, Eriegführende Angelfachfen von 


den Königen durch die Benennungen primates, tribuni. Lib. I. c. 34. 


1) Will, Malmesb. Henr. Huntend. 


D) Palgrave a. a. O. &. 234 irrt, wenn er den Cuthwulf noch 


wieder fechten und erft 584 ſterben laͤſſt. gl. Chren. saxon. 





Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8, Jahrh. 131 


finden. Die Briten blieben aber nunmehr auf ihre Gebirge 
und Wälder befchräntt. Ein großer Sieg. zu Fethanleag 
(Ztühern) am Severn, welcher ihm viele Städte, Schaͤtze 


und unzählige Beute brachte, war dem Ceawlin noch ver. 


gönnt; doch muflte er ihn theuer mit. feined tapferen Brus 
ders Cutha und vermuthlich feines eigenen Sohnes Leben er: 
Faufen, von denen der Eine in einer unglüdtichen Wendung 
bed Anbeginnes bet Schlacht gefallen war‘), der Andere nicht 
wieder handelnd auftritt. Mit jenen Freunden hatte Ceawlin 
viel verloren; fein Stürföftern war gefunfen. Große Schuld 
‚muß auf einem Haupte gelaftet haben?), gegen welched nad 


dreiſſi ig Jahren gluͤcklicher Herrſchaft und ſiegreicher Feldzuͤge 


die in Dienſttreue gebundenen Stammgenoſſen des Bretwalda, 


wenn auch durch Äthelberts von Kent Ehrgeiz angeregt, ſich 


‚bewegen lieſſen das ſchnoͤde Buͤndniß mit Briten und Scoten?) 
einzugehen, um gegen jenen zu kämpfen. Er unterlag in einer 
großen Schlacht, welche. in feinem Gebiete, unfern der Grenze 
von Mercia zu Wodneöbeorg in Berkfhire, gefochten wurbe, 
und muflte darauf dem Throne entfagen‘), welchen Geolric, 


feines Bruders Cutha Sohn, beftieg, während Äthelbert nun⸗ 


mehr ald Bretwalda anerkannt wurde‘). Ceawlin, der maͤch⸗ 
tigfte Monarch ber heidnifchen und für mehre Jahrhunderte 
der chriftlichen Angelfachfen, ſtarb nach zwei Jahren in allem 


1). Palgrave Läfft hier den Cuthwulf ſterben; Langhorn und 


nah ihm Lingarbd halten. den Eutha für den Sohn des Geawlin, im 
Widerſpruche mit Chron. saxon. 568. 597. Will. Malmesb. 


2) In odium sui gran classicum utrobique cecinerat. Will. 
Malmesb. c. 2. 


8) Forduni Scoti chronic. I. II. vol. Langhorn a. a. O. 
4) Zurner, gegen die Quellen, nimmt in demſelben Sabre und 


584 


591 


in derfelben Provinz zwei von Ceawlin verlorne Schlachten an, die erfie 


zu Wanborough im Kingsbridge: Hundredb wider die Briten, bie zweite 
zu Wobnesbury, einem Dorfe zu Wodnesdyke im Calne Hundred. ©- 
Chron. saxon. ad. a. 591, und Will. Malmesb., welder allein ber 
bewaffneten Empdrung der Sachſen gebentt. 

5) Palgrave gibt eine Belege ober Gründe, weshalb er Letzteres 
fruͤher annimmt und dem Ceolric ſchon fruͤher den Beſit eines beſonderen 
Reiches anweiſet. 9Fr 

9 


\ 


4597. 


132 oe Smweite Abtheilung. 


Elende ber Verbannung. Sein Nachfolger Ceolric uͤberlebte 


ihn nur um fuͤnf Jahre. 
Dem Hader und der Zwietracht, welche die Sachſen un⸗ 


ter fich zerfleifchten und aufzulöfen: drohten, follte jedoch bald 


die liebevolifte Wermittelung entgegentreten. Die Enkel bes 
ſaͤchſiſchen Erobererd waren durch friedlichen Befitz und allmaͤ⸗ 
lige Gewoͤhnung an die Kuͤnſte des Friedens ſo weit gemil⸗ 


dert, daß ſie ihr Ohr der Predigt des Chriſtenthums leihen 


konnten. Von den Staͤmmen ungetruͤbter germaniſcher Zunge 
der erſte zum Chriſtenthum bekehrte, war der der ‚Angels 
fachfen berufen . deffen Weihe und alle an daſſelbe gefnüpfte 
böhere Bildung dem übrigen germaniichen und nordifchen Eu: 
ropa zu bringen: Die Erbſchaft römifcher Bildung welche fie 
‘in England vorfanden, hatte den engen Kreis ihrer Gewohn⸗ 
‚heiten und Thätigfeiten, um nicht zu fagen Handgriffe, er: 


weitert, ohne die igenthümlichkeit ihrer Einrichtungen und 
Rechte oder ihre Sprache zu vernichten; ihre geiflige Bil 
‚dung war in dem Verkehre mit den Briten bedeutend gefoͤr⸗ 


dert und hatte felbft die heibnifch= religiöfen Anfichten fehr 
veredelt. Wir fehen daher auch, daß das Chriftenthbum von 


den angelſaͤchſiſchen Staaten zuerſt angenommen wurde, in 


der Reihefolge wie ſie durch das Alter groͤßerer Niederlaſſun⸗ 


gen und verjährten friedlichen Beſitz vor ben übrigen begim⸗ 
ſtigt waren. 

Ein wichtiger Schritt, durch welchen die Angelſachſen be⸗ 
gannen dem chriſtlich⸗ europaͤiſchen Gemeinweſen ſich zu nähern, 
war die Vermaͤhlung des Königs Athelbert mit Bertha, Toch⸗ 


ter bed Frankenkoͤnigs Charibert; eine Verbindung unter den 


Haͤuptern, welche auch einen Verkehr unter den Unterthanen 
vorausſetzen laͤſſt, wie derſelbe ſich unſern Blicken nicht viel ſpaͤ⸗ 


„tee auf den von den Angelſachſen beſuchten großen Handels: 
meſſen zu St. Denys wirklich zeigt"). | 


Die Einrichtungen der hriftlichen Kirche, einfach und bes 


1) Urkunde 8. Dagoberts vom 3. 629 bei Bouquet IV. 627, 
beffer in Marini papiri diplomatici p. 97. wo bie Sachſen, welche, 
jenfeit des Meeres her nach Rouen und Quantawich kamen um Wein, 


Vonig und Waib zu holen, nur für Angelfachfen zu halten ſind. Vgl. 


auch unten vom König Offa von Mercien. 


’ " \ 


Bon Mitte des 5. bis Ente bes 8. Jahth. 133 


heiden duͤrftig wie fie waren, konnten fich demnach in den 
ngelſaͤchſiſchen Reichen, in denen Koͤnigthum und Hoheprieſter⸗ 
haft in enger Verbindung ſtanden, nicht erhalten, Am laͤng⸗ 
en erblicken wir ſie im Norden, wo die Angeln ſich nur lang⸗ 
um: zu unabhängigen Koͤnigreichen befeſtigten. Samſon wird 
8 Bifchof von York, in welcher wohlbefeftigten Stabt alfo 
u eine chriſtlich⸗ roͤmiſche Schule bid zur Einnahme durch 
te. Sachen: fich. erhalten haben mag, gegen dad Jahr 500 
egaunt.. Die Angelfachfen konnten, wie. anderern römifchen In⸗ 
itutionen, welche ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen drob: 
,: fo auch dem Gottesdienfte Roms und ihrer Feinde in 
zritannien nur fehr abgeneigt fein und die Lehrer des Chriſten⸗ 
md fanden bei ihren rohſten celtifchen Nachbarn früher Ein- 
ang als bei ihnen. Der Schüler des Germanus, welder 
mfelben auf feiner Reife nach Britannien begleitet haben fol, 
ex heit: Patricius, Sohn eines Diaconud am füdlichen Ufer 
er Etpve‘) (T 493) fuhr fort in Seland, fowie vor ihm 
Jallabius bei den Schotten (feit dem Jahre 430), mit Erfolg 430. 
en Glauben an Chriftus in den Zeiten zu verbreiten, als bie 
Sachten fi) in Britannien nieberlieffen. Bei den füdlichen 
Yicten fol ſich fogar das Chriftenthum feit ihrer Belehrung 
urch den Briten Nynias (394) erhalten haben, und die fpd- 
zen chriſtlichen Angelfachfen feierten noch in ber von ihm er 
weten fleinernen St. Martins Kirche Whiterne (candida 
asa) in Galloway chriftliche Andacht, als jene Gegend zum 
Reiche Bernicia ‚gefügt war‘). St. Columba ging im 3. 563 
ms Irland zu den nörblichen Picten, unter benen er zwei⸗ 
mbbreifig Sabre, feinem Glauben Eingang verfchaffend,-Tebte 9 


N) Das Borherrfchen aftronomifcher Zahlenlehre, deffen oben ge: 
jacht iſt, findet fich auch in den Sagen von dieſem Heiligen. Er baute 
WE Kirchen, ordinirte ebenfo viele Bifchdfe, ſchrieb ebenfo viele abge- 
wie Die gleichfalls oft wiederkehrende Zahl 40 in feinem Leben bes 
icht ſich hier auf das Vorbild Moſis. S. Nennius c. 58. 60. und 
Ne Excerpte in Sales Rote. 

2) Bedal IH. c. 4. | 

8) Adamnani vita 8. Columbae ap. Canisium lectiones anti- _ 

mas. Jener war einer feiner Nachfolger in der Abtei zu Jona und ift 
7 durch eine Schrift de locis aanctis bekannt. 


134 Zweite Abtheilung. 


und treffliche Schliler bildete, durch welche: eine ſchoͤne Erin⸗ 
nerung frommen Eiferd, grimblicher Gelehrſamkeit und vielfei- 
tiger Bildung an den Namen der fchottifhen Mönche ge⸗ 
knuͤpft if. St. Columba erhielt von dem Pirtenfürflen ber 
Inſel Hi, jest. Iona, oder 3: Colm: Kill (Inſel der Colum⸗ 
bus= Kirche oder Celle), welcde fein Name geweihet hat und 
die zu deſſen Ehre Jahrhunderte hindurch bie wirkliche oder 
fabelhafte Grabftätte vieler noxdifcher Herrfcher,; von Schott- 
Yand, Irland und Norwegen, felbft von Northumberland ee 
blieben iſt ). 

In ben cambriſchen oder waliſiſchen Reichen fowie. in 
Cumbrien fand kein Abfall vom chriſtlichen Glauben ſtatt, 
wenngleich keine Übereinſtimmung mit. der roͤmiſchen Kirche 
fi) bildete und vielmehr die fpäteren Nachrichten, welche be 
obengenannten Miffionarien eine vömifche Abfendung : unterle 
gen, größtentheils fehr unglaubwürdig erſcheinen?). Der Ge 
genſatz und die Kämpfe mit den Heiden muſſten bei ihnen 
den Glauben flärken, welcher feine herrlichſte Krone dem Märs 
tyrer aufbewahrt. Viele Kirchen in Wales leiten ihre Gruͤm⸗ 
dung auf britifche Heilige zurüd, welche zu den Zeiten Ger 
dies und feiner nächflen Nachfolger für den Glauben eine 
Schutzwehr und für ihre Selbftbetrachtung Ruhe hinter den Fel: 
ſenwaͤnden und in ber Waldeinſamkeit jenes Landes fuchten ?). 
Der Zufammenhang in welchen die cheiftliche ‚Kirche: fchon 
mit dem Staate getreten , ſowie der fehr eigenthlimliche, wel⸗ 
cher die Bildung des weltrömifchen Reiches mit- dem Dafein 
der Geiſtlichkeit faſt identificirte, gab ſich auch in dieſem Lande 
kund und erhielt die kirchlichen Einrichtungen. Von letzteren 
erwähnen wir bier die Eintheilung in ſieben Bisthümer ſowie 


1) Buchanan |, I. Die Sage, daß ber tumulus regum Scotiae 
48 Leichen berfelben von Fergus bis Macbeth enthalte; laͤſſt annehmen, 
dag ſchon vor Einführung bes Chriſtenthums dieſe Inſel als heilig bes 
trachtet wurde. Daß auch Egfrid, König von Rorthumbrien, hier beir 
gefegt wurbe, fagt Simeon Dunelm. de eccl. dunelm. c, 9. 


2) In Beziehung auf Patricius vgl. Neander Geſchichte der 
chriſtlichen Religion IL 259 fg. 


5) S. die Genealogies of the Saints in Läayäs Archaeologia 


‘ britannica. 


Von Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 135 


die Klöfter zu Bangor und Avallon oder Glaftonbury. Wir 
ſehen bie Bifchöfe bei den Königäwahlen: Dubritius, anfäng- 
ih Bifchof zu Landaff, hernach zu Carleon, wo zwei geiftliche 
Pflanzſchulen vorhanden waren, kroͤnte im 3. 516 den König 516. 
Arthur. St. David, der den Sig von Garleon nad) dem ehe: - 
maligen Dienevia verlegte, bemühte fi) in einer im S. 519 
gehaltenen britifchen Synode die Spuren pelagianifcher Kegerei 
zu vertilgn. Bon drei Provinzialfypnoden des Bisthumes 
Landaff find wir gleichfalls unterrichtet), welche, ‚wenn fie 
gleich die Einficht vorhandener Gebrechen und das Beſtreben 
ihnen abzuhelfen bezeugen, dennoch dad traurige Bild rechtfer⸗ 
tigen, welches der Moͤnch von Bangor in ſeinen Schriften mit 
ſchwarzen Zügen und ſtrafendem Eifer von feinen Zeitgenoſſen 
in der britifchen Kirche entworfen hat.  Sener Gildas Cormac 
Darf gewiß den auögezeichnetfien Männern feines Zeitalters 
beigezählt werden, da ed feine Schriften unter allen ähnlichen“ 
allein auf die Nachkommen und unfere Tage gebracht bat. 
Denn fein Styl aud gar ſchwulſtreich, feine Auffafjung an 
Caricatur grenzt, feine hiftorifche Darftellung unbeflimmt, ohne 
Zeitrechnung, beinahe molluftenartig erſcheint, ſo iſt er uns doch 
ein ſehr lehrreicher Gewaͤhrsmann fuͤr eine Zeit, deren uͤbrige 
—2— ohne ihn noch viel zweifelhafter und undeutlicher 
daſtehen wuͤrden, als es jetzt der Fall iſt. Wir glauben nicht 
zu irren, wenn wir in ihm das ſprechende Bild der Perſoͤn 
lichkeit der damaligen ernſteren Briten und die Form ihrer 
riftlich = britifch = römifchen Eultur erkennen. Welche fromme 
anſpruchslos tuͤchtige Geſinnung, welche feltene Gelehrſamkeit, 
welched reine Beſtreben in der britiſchen Kirche herrſchte, dar⸗ 
uͤber gibt uns ſogar ein Gegner derſelben das ſchoͤnſte Zeugniß, 
der ehrwuͤrdige Beda, der Feine katholiſch⸗ angelſaͤchſiſchen 
Geiſtlichen ſo ſehr preiſet und erhebt als die jenen als Mu⸗ 
ſterbilder aufgeſtellten Briten und Scoten. Der Kampf beider 
Kirchen in Britannien wird durch das Intereſſe, das wir den 
Vorſtehern der Nationalkirche nicht verſagen duͤrfen, nicht we⸗ 
niger anziehend als durch die unberechenbare politiſche Wich⸗ 


1) Spelman concilia T. I. p. 62 sq. Wilkins ‚conc. I. 17. 
Usser primordia ecclesiae anglic. 





136. Zweite Abtheilung. 


tigkeit der Unterbrüdung berfelben. Die Verfchiedenheit ber 
Fatholifchen und der britifchen Kirche beftand in der abweichen- 
den Anficht über die Anſetzung des Oſterfeſtes, den Schnitt ber 
Zonfur, die priefterliche Einfegnung der Ehe, die Priefterehe; den 
- Mangel bifchöflicher Succeffion oder Die Ordination der britifchen 


 Bifchöfe, deren faft jede Kirche einen befaß, durch Prefbyter, 


aber vor Allem in ber Nichtanerfennung des Supremats des 
römifchen Papfted und der von bemfelben einfeitig ausgegan⸗ 
genen Goncilien. Das eben auögefprochene Wort findet ſich 
nicht bei den Zeitgenofien ausgebrüdt, ift ed aber, was ben 


“unbedeutend foheinenden Kämpfen und duffern Anordnungen fo 


“große Wichtigkeit verlich, und und noch jest: bewegen darf 
bei den Schidfalen und Geſinnungen ber durch ihre Nachgies 
bigfeit untergegangenen Kirche forfchend zu verweilen. 

Diefe Kirche, welche auf die dlteften unmittelbaren Über- 
Vieferungen ats Judaͤa fich fügte, im engften Zufammenhange 
mit den für die Weltgefchichte wichtigften Bekehrungen, fchien 
durch geographifche Lage nicht minder ald durch die erhabenfien 
geiftigen Eigenfchaften berufen ein norbeuropäifches Patriarchat 
zu begründen, welches durch feinen Gegenfas mit Rom und. 
dem übrigen Süden, durch Erhaltung eines durch bie Lehren 
Chriſti gebeiligten celtiichen und germanifchen Volksthumes den 
in ihr vereinigten Völfern in voller Maße hätte geben Eönnen, 
was fowohl tiefjinnige ald ehrgeizige") Männer im Mittelalter 
zuweilen: zu denken wagten, und was in gar fpdten Tagen 
erſt Dr. Martin Luther dem verrömierten Europa wieder zu 
erringen firebte. | 

Die Kämpfe der Briten mit den Angelfachfen wurden 
Sahrhunderte hindurch mit fo großer Erbitterung geführt, daß 
es Teine Verwunderung erregen barf, noch’ weniger ungerechten 
Tadel verdient, daß jene die Bekehrung ihrer rohen Feinde und 
Unterdrüder nicht verfuchten. Nicht minder bewunderndwerth 


1) Zu Legterm gehört Erzbifchof Adalbert von Bremen, deſſen kuͤh⸗ 
nes Streben durch den Zuſtand des ganzen Nordens ausführbarer und 
gerechtfertigter erfcheint, alg die tinfeitige Betrachtung baffelbe bisher er: 
kannt hat. — Über die altbritifche Kirche vgl. die Abhandlung des Bi⸗ 
ſchofs Dr. Münter, welcher freilich noch zu genauerer Prüfung aufs 
fodert, in Ullmanns u. X. theologifchen Studien und Krititen. 1833. 


— 


Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 137 


erfcheint deshalb ber große: Papft Gregor J., welcher zuerſt den 
großen Gedanken faflte, die angelfächfiichen Staaten: für das 
Chriſtenthum and. die. Fatholifche Kirche zu gewinnen und das 
große. Glaubenswerk mit einer Beharrlichkeit.-und :Umficht bes 
gann, welche des großen Erfolges würbig waren. Die Hit: 
dernifjie "unter denen die Einführung des eorftentbunnes: be be 
ben Angelſachſen bewirkt wurde, waren jeßoc; ſehr groß, 

es gehoͤrte faſt ein Jahrhundert zur Vollendung dieſer — 
Die Sprache der roͤmiſchen Miſſionaire erſchwerte zunaͤchſt den 
Eindruck der überzeugenden. Kraft ihrer Rede. War. der Herta 
feher durch Familienbande, Vorftellungen;, Medigt, auch: durch 
päpitliche Briefe, welche: feiner Eitelkeit fchmieichelten, und buch 
Geſchenke, wie fie den Wilden der fremden Welttheite ſpaͤter 
auch zu ähnlichen Zwecken ertheilt find, milde geſtimmte und 
bekannte er fich zum Chriftenthum, fo war fein Gefolge. und fein 
übriges Volt noch nicht befehrt. Starb jener, fo zeugt die 
Geſchichte aller großen angelfächfifchen Staaten, daB der: Nach: 
folger, den alten Anhängern des Heidenthums zugethan, Das 
Danier ded Irrwahns wieder erhob. Im der geiftlichen Erobe⸗ 
zung eined jener vielen kleinen Staaten war jedoch auch noch 
fein großer Erfolg gefichert, da, bei der: geringen Verbindung 
unter benfelben und bem namentlich fich bier ald durchaus 
nichtig erweifenden Einfluffe des Bretwalda, die Belehrung 
des neuen Staates für benachbarte eine: Beranlaffung zu aufs 
merffamerem Widerſtande gegen diefelbe wurde, wobei ſedoch 
als guͤnſtiges Verhältniß nicht zu uͤberſehen tft, daB ungeachtet 
ber häufigen Abfälle das Chriftenthum in einem ber Staaten 
immer noch einen Altar und Zufluchtöort bewahrte. 

Der Wunſch und der Plan die Angelfachfen in. den roͤ⸗ 
milch = Eatholifchen Kiechenverband hineinzuziehen, müflen zu 
Rom feit längerer Zeit gehegt ſein; doch fehlte die aͤuſſere Ans 
regung, welche ben größten Weltbegebenheiten zur Entſtehung 
nothwendig ift und welche auf den erften.Anblid fo willkuͤr⸗ 
lich, fo unbedeutend, fo unglaublich zu erfcheinen pflegt, DaB 
eine nicht oberflächliche Betrachtung der menfchlichen Dinge fie 
für den Zufall zu zufällig und vielmehr für die den Geleiteten 
felbft fichtbar gewordenen leitenden Fäden ber. verborgenen 
Weisheit erkennen möchte. Einige junge Angeln flehen auf 


133. 8vweite Abtheilung. 


dem Foro Romano, um als Sclaven daſelbſt verkauft zu wer⸗ 
ben; wer ſie dahin gebracht haben koͤnnte, iſt und völlig ver⸗ 
borgen, vielleicht die Beute in den Kriegen des Bretwalda mit 
den Rorthumbriern, vom Weltmarkte zu London nach dem rös 
miſchen gebracht. Gregoriug,. der einige Jahre hernach zum 
Päpfte erwaͤhlt wurde; befannt durch feine Aufmerkfamfeit auf 
bie. Erjiehung‘ der Tugend, welche mehr als ein Jahrtauſend 
nach ſeinem Zode:ben feinem Namen gewidmeten Tag zu feiern 
pflegte, Gregorius bemerkte. jene fremden Knaben, welche durch 
em. ſchoͤnes Antlitz, blendende: Haut „und herrliches, auf eine 
vomehme Abftammung deutendes Haupthaar fich auszeichneten. 
As er erfuhr, dab: fie aus Britannien und Heiden feien, beklagte 
er laut, daß fie mit Dem leuchtenden Antlig dem Fürften der Finſter⸗ 
niß preisgegeben feien, daß die Begnabigung mit ſolchen Geſichts⸗ 
zuͤgen nicht mit der Begnadigung inneren Lichtes verknuͤpft ſei. 
Auf die. Nachricht, Daß fie Engelländer (Angeln) genannt wir 
den, rief er aus: und mit Recht, denn ein englifches Geſicht 
tragen fie und follten der Engel Miterben in den himmliſchen 
Reichen fein. Auf fernere Trage wurde ihm der Name ihrer 
Landſchaft, Deiri, genannt. Gut, fagte er, de ira eruti, der 
Verdammniß entriffen und zu der Barmherzigkeit Chrifti beru⸗ 
fen! Und ald man ihm berichtete, ihr König heiſſe Alla; Alle 
lujah, ſprach er, das Lob Gottes, der die Welt erſchaffen, 
ſoll in jenen Landen geſungen werden. Er eilte darauf zum 
Papſte, denſelben um die Abſendung einiger Diener des goͤtt⸗ 
lichen Wortes nach Britannien zu erſuchen, erbot fich ſelbſt ſich 
Denfelben anzufchlieffen und fol fogar bie Reiſe bereits ange 
treten haben. Aber’ die Römer wollten, ihr Biſchof konnte die 
Entfernung Gregord für fo lange Friſt nicht geſtatten; doch 
dieſer bethätigte bald nach feiner Erwählung zur Papſtwuͤrde 
feinen ernften Willen durch die Abfendung von Miffionarien 
nach dem Vaterlande der bemitleideten Sclaven'). Jene hat 
ten fi kaum unter Keitung ihres zum Bifchofe beſtimmten 
Abtes Auguſtinus auf die Reiſe begeben, als ſie ſchon in der 
Provence durch die Schilderung von der Roheit des wilden 
Heibenvolkes und die Unmöglichkeit deſſen Sprache zu erlernen 
fo ſehr ergriffen wurden, daß fie ihren Abt, der > überall als 
2 1) Bedal IH c.1ı 





Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 139 


ein treues Werkzeug allgemeiner Anſicht und höherem Befehle 
ſich unterordnend, nicht aber. als ein vbegeiſterter Apoſtel des 
Leben bringenden Wortes erſcheint, abſandten, um dem Papſt 
anzuempfehlen, daß er bieſe muͤhrelige gefahrvolle und zweifel⸗ 
hafte Sendung ihnen erlaſſe: Gregorgebotttjedoch die KReiſe 
fortzuſetzen, empfahl fie bein: Sthütze der: fraͤnkiſchen Könige 
Theodorich und Theodberk fomwie dem ihfersmtächtigen Groß⸗ 
mutter Brunhildis Imd::benbortigen Biſchoͤfen und ließ ihnen 
fraͤnkiſche Dolmetſcher, : welleick:c aus: jenen. Sachſen und: A 
gels an der :Nörbfüfte Galliens, beigefellen.: Auf der Inſel 
Thanet, der aͤlteſten angetfächfiichen. Erwerbung,“ landete Auch 
Auguſtin mit. einev Anzahl: Moͤnche, weiche Die angelfädfiiche 
Sage: wiederum auf. vienig:angibt. Unter benfelben find. Mel 
litus, Juſtus, Laurentius, Petrus und: Johannes) uns ber 
kannt, Dem Könige von Rent: mielbete Auguſtinus ſeine Ans 
Zunft aus Rom und eine Botſchaft, welche dem Folgfamen 
ewige Freuden im Himmel: und ein Reich ohte. Ende mit dem 
wahren und lebendigen Gotte verheiffe:. Wenn AÄthelbert auch 
nicht auf den. Glauben mancher feiner Unterthanen in ber. uns 
terdruckten britiſchen Vollsclaſſe geachtet haben mochte; fo ‚hatte 

er doch Kunde von dem chriftlichen Glaͤüuben, zu bem-Teide 
Gemahlin Bertha ſich befamnte,. welche einen fräufifchen Bi 
fehof Luidhard ‚mitgebracht hatte. und ihren Gottesdienſt in der 
uns den Beiten gläubiger Römer. erhaltenen: St. Martini⸗ Kirchr 
bei: Santerbury beging. : Der König, beforgt "daß. die fremden 
Priefter ihn durch Zauberkuͤnſte umſtricken möchten, waffnete 
fih auf entfprechende Weife und empfing, von feinen Grafen 
umgeben, die Abgefandten ber römifchen Kirche unter freiem 
Himmel fitzend. Diefe ſchritten heran, ſtatt des Banners ein 
ſilbernes Kreuz tragend, nebſt einem auf eine Tafel gemak 
ten Bilde des Erloͤſers, mit roͤmiſcher Kunſt Litaneien fingend 
fire ihrer felbſt, ihrer Abordner und der Heerde, „welche ſie 
ſuchten, ewiges Heil betend. Die Worte. und Verheiſſungen 
der Predigt, welche vor dem Koͤnige und feiner Gefolgſchaft 
gehalten wurde, duͤnkten dieſem ſchoͤn; doch weil ſie neu und 


ihm ungewiß, wollte er dafuͤr dem Glauben ſeines ganzen | 


1) 2egteren nennt Anastasius de gestin poneihoum Tomanorum. 


12. 3weite Abtheitung.i‘.' 


Ein Verhaͤltniß, ähnlich demjenigen, welches der Religion 
der Franken den Eingang in: Kent verſchafft hatte, erleichterte 
denfelben in Eſſex. Eine Schweſter Äthelberts, Nicola von 
den latiniſirenden Hiftorikern benannt, war die Mutter des 
Saebryt oder Sabercth, des damaligen Königes diefes kleinen, 
aber durch feine Städte wichtigen Reiches: Der König ſchloß 
fi) bald dem neuen Beßenntniffe des Oheims und Breiwalda 
an; fein Reich, durch. den Verkehr vieler Fremden am Themſe⸗ 
markt für den Glauben des romanifchen Feftllanded gewonnen, 
604. folgte der Predigt ded Mellitus. Diefem wurde jest die durch 
Üthelbertd Beſtrebungen dem heil. Paulus geweihte Kirche zu 
London, früher ein:römifcher Dianentempel, in fpäteren Jahr⸗ 
bunderten in gleicher Abhängigkeit von alter Kunft nach dem 
Vorbilde des damals für chriftlichen Dienft noch nicht entfühn- 
ten Pantheond erneuert, als Biſchofsſitz von Auguftinus ertheikt, 
während Juſtus diejenige zu Rocheſter in Kent mit "Linde 
zeien und anderen Beſitzungen dem beil. Andread zu Ehren 
erhielt. 


ı 


Dem Auguftinus war beſchieden, in der fich Erdftigenden 

Stiftung unter Äthelbertd mächtigem Herrſcherſtabe, mit unge: 
truͤbtem Blicke auf feine große Erwerbung für die Kirche, Dem 
höheren Lohne feiner Thaten entgegenzugehn. Eine fehr preis 
würdige Wahl zu feinem Nachfolger hatte er in feinem Ge 
fährten Laurentius. getroffen. Sm Berein mit Suflus erneuete 

er den Berfuch die Briten mit feiner Kirche zu vereinigen; 
machte fogar ähnliche Schritte bei den Scoten in Irland. 
Mellitus war mittlerweile in ben Angelegenheiten der Kirche 
nad Rom gegangen, und fo ereignete es fich, daß Papft Boni- 

610 faz IV. auf dem Concilium zu Rom einen angelſaͤchſiſchen Bi- 
27. Gebr. hof zählte. In Kent zeigte fich der heilfame Einfluß der roͤ⸗ 
mifchen Geiftlichen auch darin, daß Athelbert die unter den 
Angelfachfen, vielleicht unter allen germanifchen Völkern, erfle 
ſchriftliche Sammlung der alten Rechte feines Volles, fowie 

der neubewilligten der. neuen Prieſter, in der Landesfprache 
aufzeichnen ließ. Doc, nicht auf dem gefchriebenen Buchftaben 

folte das Heil der Kirche beruhen. Einundzwanzig Jahre 

616. batte fie bei Äthelberts Tode, welchem der von Sabercth 
bald folgte, unter den Angelfachfen beftanden, als fie ploͤtzlich 


—J 


Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 143 
ihrer Auflöfung nahe gebracht wurbe, da AÄthelberts Sohn Ead⸗ 


bald nicht nur. das Chriftentfum anzunehmen. verweigert hatte, 


fondern fi ganz dem Wahnfinne der leidenfchaftlichften Auf⸗ 
regungen überkieß. und ſich nicht gefcheut hatte die Wittwe fei- 
ned Vaters zu heirathen. Die Söhne des. Sabercth hatten 
gleichfalls fich geweigert die Taufe zu empfangen, gaben den 
Unterthanen, welche an dem Heidenthume ſehr hingen, die 
Erlaubniß zu den altvaͤterlichen Goͤtzen zuruͤckzukehren und ver⸗ 
trieben den Mellitus aus ihrem Reiche, als dieſer ſich gewei— 


gert hatte das heil. Abendmahl zu einem frevelnden Gaſtmahl 


fuͤr die Heiden zu entwuͤrdigen. Mellitus und Juſtus flohen 
nach Gallien, wohin auch Laurentius ihnen zu folgen ſich be⸗ 
reits ruͤſtete, als die ploͤtzliche Sinnesveraͤnderung des Koͤniges 


Eadbald Kent fuͤr immer dem Chriſtenthume wiedergab. Doch 


muſſte noch der Sohn des Eadbald (4 640), Earconbert 
(+ 664), die Zerſtoͤrung der Goͤtzenbilder verordnen und die ſei⸗ 


nem Volke ſo ſehr wenig zuſagenden Faſten unter ſtrengen Stra⸗ 


fen verfügen '). 

Nicht fo bald wurden die Oſtſachſen ihres Irrthums inne, 
obgleich die drei Söhne des. Saebryht in einer Schlacht gefal- 
len waren. Mellitws folgte dem Laurentius in der erzbifchöf: 
lichen Würde von Canterbury, doch feine frühere Diöcefe ſchloß 
fih ihm nicht wieder an. Erſt eine neue Generation folgte 
dem Könige Sigebert dem Guten und dem größeren Theile 
der Angelfachien, welche. :bereit3 im Chriftentbume verharzten. 
Doc ſelbſt dann brachte die Erfcheinung einer ungewöhnlichen 


verheerenden Peft die Oftfachfen dazu, Hülfe in der Wieder⸗ 


berflellung der heidniſchen Tempel zu ſuchen, und ſogar einer 


653. 


ber damaligen zwei Könige, Sighere, war abgefallen. Der Schutz 665. 


des ‚ gläubigen Königs Sebbi, die geiftliche Ihätigkeit des Bi⸗ 
ſchofes Jaruman führten zu endlicher Zerſtoͤrung des alten Na⸗ 


tionalgoͤtzendienſtes und ſeiner Gebaͤude und aus feften Begruͤn⸗ 


dung beö neuen Weltglaubens ?). 
1) Beda 1. III. c. 8. Älfred überfest bier idola burch deo- 


follgyld. Ebenſo leg. Canuti saecul. art. 5., wo. alſo nicht an Teufels: 


güden zu denken ift. 
2) Beda LI. c. "22 et 30, Nach der an. Ieäterem Orte am 
Rande bemerkten Jahreszahl wird ber Anfang der Regierung der Sighere 


143weite Abtheilung. 


In den Zagen Kthelberts hatte auch der König der Dſt⸗ 
angeln, Rebwald, auf einem Beſuche bei jenem. für bie An- 


nahme des Chriftenthbums fich erklärt; ein Schritt der um fo 


603. 


"wichtiger fchien, da nach Äthelbert Zode die Bretwaldawürbe 


auf die Uffingen überging. Doc Schwäche oder ehrgeizige 
Rüdfichten bewogen ihn die neugewonnene Überzeugung wieder 
zu verlaffen und dem Chriftenthume nur einen Altar in ber 
Reihe feiner Gößen anzumeifen. | 
Sein Nachbar jenfeit des Humber, Xoilfrith, welcher mit 
feinem Erblande Bernicia auch feines verflorbenen Schwieger- 
vaters Alla (+ 588) Reich Deira vereinigt: hatte, war ein Feind 
des Chriftentbums. Den Ruhm großer. Tapferkeit bewährte er 
in der fiegreichfien Schlacht gegen Aidan, König der Scoten, 
bei Degfaftan, deren Andenken diefe lange von erneueten Ei 
fällen in Britannien zurüdgefchredt hat). Die Furcht welche 
feine bedeutenden Eroberungen verbreiteten, veranlaffte eine bis⸗ 
ber umerhörte Annäherung britifcher und angelfächfifcher Fuͤrſten 


Kllas dreijähriger Sohn Eadwin war, wie es fcheint, dem Schu 


des Cadvom, Königs von Gwynedh, anvertraut ?), der daſelbſt 
in der Nähe britifcher Geiftlichkeit erzogen, das männliche Alter 


‘ erreichte. Cadvom wagte fogar für feinen Schüßling, dem 


Könige von Powis, Brocmail, dem gefeierten Gönner - des 


Saͤngers Taliefin, fich anfchlieffend, einen Krieg mit Eadwins 


Verfolger Äthelfrid, welcher mit der. Zerflörung der Stadt Cars 
legeon (Legacenfter, Chefter) und. deö berühmten Kloſters zu 
Bangor, dem Site celtifch=chriftlicher Wiffenfchaft, endete ’). 


und Sebbi in das Jahr 665 geſetzt; doch erfcheinen fie fchon in einer 
mercifhen Urkunde über eine geiftlihe Stiftung. im J. 664. als Könige. 
©. diefelbe in chron. saxon. ad a. 656. 

1) Beda 1.1. c. 34. Nah Gibſon ift jener Ort Dalfton bei 
Carlifle, wofür auch die Lesart Deglaftan fpricht. 

2) Vaughan diss. on british chronology. Langhorn chron. 
angl., den Galfrid von Monmouth im Übrigen wiberlegend, er: 
klaͤrt diefes für wahrfcheinlih. Alfred. Beverley 1. VI. p. 90, ven 
Zurner dazu anführt, hat Nichts als einen Auszug des Beba und 


alſo Nichts über Cadvom. 


5) Sm 3.603 nad Florenz; 607 nach chron. saxon., 618 nad 


‚annal. Cambriae und Ziger nad Beda I. 2. - gibt nicht das Jahr 


der Schlacht. 


Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 145 - 


Eadwin floh vor ſeinem grauſamen Schwager nach Mercien 


und, auch dort beunruhigt, zum Koͤnige Redwald von Oſtangeln. 


So heimatlos umherfliehend begründete er, durch den dort ges 
ſuchten und erhaltenen Schutz, eine Verbindung, welche den 
noͤrdlichen Angeln widerſtrebend geweſen zu ſein ſcheint, aber 
von viel wichtigern Folgen war als ſogar die mit den Alt⸗ 


beiten. Der Bretwalda hielt es für richtiger, Die oft wieder 


holten glänzenden Anerbietungen des AÄthelfrid für die Auslie⸗ 
ferung feines Schüglingd zu verwerfen und mit feinem flarken, 


wohlgerüfteten Heere gegen Northumbrien zu ziehn. Er ver 


Ior in ver Schlacht von Idla an der Grenze von Mercien (in 
Nottinghamſhire) feinen tapfern Sohn Raginheri, doch blieb 
ihm die Siegerftätte, welche mit vielen Erfchlagenen-auch Äthels 
frid deckte). Diefer Sieg war für ganz Britannien von den 
wichtigften Folgen. Eadwin ergriff Beſitz vom väterlichen 
Meiche fowie von dem verlaflenen Throne Bernictad. Er ers 


616, 


‚ oberte fogleih das Heine Reich Elmet?), welches unabhängig | 


unter dem Könige Cerdic — ein Name, welcher auf britifche 
“wie auf fähfifhe Abkunft gebeutet werden kann — beftand, 
und. vertrieb den König, welcher den gleich feinem Oheim von 
Athelfrid verfolgten Neffen. Eadwins, Hererih, unter dem 
Schuge der Saftfreundfchaft aufgenommen und vergiftet hatte ). 


1) Beda.l. IL c. 12. 


I 
2) Bedal.U.c. 9. Es lag um Leeds herum, wo noch Barwick 
in Elmet, großentheild wohl füdlih am Zluffe Air, da es unter ben 
cishumbrifchen Ländern aufgeführt wird. Xgl. Smith ad Bedam 
1. I. c. 14. Das Land der Eimetfäten wird nur auf 600 Hyden ans 
gefchlagen in einer Altern. Angabe bei Gale I. 748. 0 


8) Palgrave I. 435. II. 809, hat Thon die Nachricht über bie 
Unterjohung des Königs Eerdic von Elmet durch Eadwin in Nennii 
append. verbunden mit Beda IV. 28. nepos Aedwini — Hereric 
exularet sub rege Britonum Cerdice. Doc Teint er ſich zu uͤbereilen, 
wenn er fagt, daß Gerdic vertrieben fei, weil er den verbannten Vers 
wandten Eabwins aufgenommen habe. Der Zuſatz Bedas, ubi et ve- 
neno perüt, rechtfertigt die von mir verfuchte Deutung, welche auch 
durch die von Eadwin der Tochter Hererichs, Hilda, erwiefene RrRuͤckſicht, 
fie bei feiner Taufe gleichfalls taufen zu laffen, beftätigt wird. Here⸗ 
rich, der Sohn des älteren verftorbenen Sohnes des Alla, war alſo vor 
Äthelfrids Tode geftorben; wodurch es ſich denn auch erklärt, weshalb 

Lappenberg’s Geſchichte Englands 1, 10 


146 Zweite Abtheilung. 


Den Rorbangeln fchloffen fich nımmehr bie ſtarmwerwandten 
Reiche dadurch an, daß ihrem mächtigen und vielbefreunbeten 
Könige das erfle Bretwaldathum über Tämmtliche Angeliachien 
wurde‘). Die britifchen Reiche, felbft die Inſel Man wurde 
ibm unterthan, fowie auch das mächtige Mona, welches von 
den dahin geführten Goloniften den Namen ber Angleö-ey erhielt, 
boch fpäter den celtifchen Charakter ganz wieder annahm. Dem 
Eadwin felbft wurde nad) dem Tode der QDuaenburge, einer Toch⸗ 
ter des mercifchen Königd Georl, die Hand einer chriftlichen 
Prinzeffin aus dem Haufe der Afcingen, der ehemaligen Lehns⸗ 
herren feines Landes, Äthelberge ober Tatan?), einer Tochter 
Üthelbertö von Kent. Diefe Ehe war unter ähnlichen Bebin- 
gungen und mit gleichen Enwartungen geftattet, wie einft die 
der fränkifchen Bertha mit ihrem Vater. Der Biſchof Pau⸗ 
linus war der jungen Koͤnigin gefolgt, um ſie in ihrem 
chriſtlichen Glauben zu ſtaͤrken und den Gottesdienſt wahr⸗ 
zunehmen. Binnen kurzer Friſt langten Sendſchreiben des 
Napſtes Bonifacius’) an Eadwin, König der Angeln, und 
Üthelberge, feine Gemahlin, an, um bie Belehrung bes 
Erfteren zu veranlafien. Koftbarer Schmud für beide Ehegat⸗ 
ten begleitete die Briefe, wohlberechnet williges Gehör ein⸗ 
fehmeichelnd vorzubereiten und dem Heile der Kirche aufge 
opfert, um dereinſt auch den weltlichen Interefjen des papfllichen 
Stuhled unermeßliche Zinfen zu bringen. Eadwin war wahrs 
ſcheinlich weder unvordereitet noch abgeneigt bie heil. Taufe zu 


Cabwin, Alles zweiter Sopn, ohne Widerſpruch dem Äthelfrid folgte. 
Des Cerbic oder Geretic Tod berichten quch annal. Cambriae ad a. 616. 


1) Palgrave ©. 308 fegt die erfte Heirath des Eadwin in das 
Jahr 592 und überficht, daß diefer damals erft das ſiebente Jahr er⸗ 
reicht hatte, da ee nah Beda (l. II. c. 20.) im 3. 633, 48 Sabre 
alt ftarb. 

2) Das Vorkommen bdiefer und anderer Namen in Zütland und 
auf der Infel Fehmarn, fowie die Beachtung ditmarfifcher Namen bie: 
tet noch manchen Bingergeig für die Verwandtſchaft der angelſachſiſchen | 
Stämme dar. 

35) Da Bonifacius V. am 22. October 625 ſtarb, ſo muͤſſen ſeine 
Briefe noch in dieſem Jahre geſchrieben, doch koͤnnen ſie im folgenden 
Fruͤhling angelangt und alſo Bedas Erzaͤhlung zu rechtfertigen ſein. 


Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 147 
empfangen, zu welcher er fchon in früheren Jahren häufig muß 
aufgefobert fein; doch erwog er die Schwierigkeiten ımb bie 
Gefahr folchen Schrittes bei feinen Untertbanen. Die glüds 
liche Errettung Eadwins vom Dolche eines von Euichelm, dem 
Könige der Weſtſachſen, gebungenen Meuchelmörderd, duch 
die beidenmüthige Aufopferung des Lilla, eines: ihm naheſtehen⸗ 
den Hofbeamten, am erften Oflertage, wo er durch die Ge: 
burt einer Tochter erfreuet war, beflimmte ihn dem Paulinus 
Gehör zu geben, diefe Zochter durch die heil. Taufe dem 
Chriftenthume zu weihen und felbft zu demfelben überzugehen, 
wenn Sieg über den verrätherifchen Weftfachfen das Wohl⸗ 
wollen und die Macht des Chriftengottes vor Aller Augen bes - 
währen würde, Diefes wurde ihm in einer fehr glüdlichen 
Schlacht, in welcher fünf weltfächfiiche Könige fielen‘). Der 
König fann jest viel über den gelobten Glaubenswechſel nach, 
als dem Paulinus fich ein Mittel darbot ihn durch denjenigen 
Einfluß zu beftimmen, welchen geiftige Überlegenheit zu großen 
Zweden zu gebrauchen felten als Misbrauch betrachtet hat. 

Eadwin hatte einft auf feiner Flucht zu Redwald, während er 
auf. befien Beſchluß über feine Aufnahme oder Auslieferung 
on Üthelfrid aͤngſtlich harrte, in der Stille der Nacht auf 
einem Steine fißend, eine ihm unbefannte Geftalt gefehen, 
welche ein Zwiegefpräch anfnüpfend ihn beruhigte, tröftete und- 
ihm das Verfprechen abnahm, daß, wenn er die jeßt erfehnte 
Aufnahme. bei Rebwald erhielte und hernach, auf. den Thron. 

Northumbriend gefegt, mächtiger als feine Vorgänger alle wer: 
den würde, er fobann dem Heil und Leben bringenden Rathe 
desjenigen folgen wolle, der ihm jenes Gluͤck vorausgefagt 


babe; die Zeit dazu werbe er einft an dem Zeichen erkennen, . 


wenn fo wie jest die Rechte auf fein Haupt gelegt würde. 
Die fegendreiche Verheiffung war erfüllt; das Zeichen war noch 
nicht gebommen. Paulinus erfuhr das Gefchehene, wie Beda 
berichtet, im Geiſte. Er trat zu dem einfamen, in Betrach⸗ 
tungen über die Religion tief verſunkenen Könige herein und 
legte die Rechte auf fein Haupt. Da dieſer zitternd ihm zu 

1) Chron. saxon. ad a. 626; kuͤrzer Beda 1. II. c. 9. den Pal: 
grade 11. 235 alleim anführt, in einer Arbeit welche bei allen großen 
Berbienften Senanigeeit und Bollftändigkeit noch häufig vermiffen läfft. 

’ 10 + 





\ 


- 


148 Zweite Abtheilung , 


Füßen flürzen wollte, erhob und ermahnte er ihn freundlich, 
dag er, in allen damals drohenden Gefahren durch ben 
Herrn errettet, durch denfelben mit ber erfehnten Krone bes 


gnadigt, nunmehr deſſen Glauben und Vorfchriften annehmen, 


durch Betrachtung feines durch ihn geprebigten Willens von 
ben Qualen ewiger Strafen fich hefteien und ein Xheilnehmer 
bed ewigen Reich& in ben Himmeln werben möge. Der König 
verfprach ihm zu- folgen und berief zur Bewirkung einer ges 
meinfamen Annahme bes Chriſtenthums ſeine Verwandten, 
Ealdormannen und Rathgeber in einem Witena⸗ Gemote. Denn 
bei dieſer Staatsangelegenheit waren 'namentlicy bie adeligen 
Geſchlechter betheiligt, deren Herſtammung auf religioͤſen Tra⸗ 
ditionen beruhte und deren Macht und Reichthum mit dem 
Cultus und gewiſſen Vorrechten in Beziehung auf denſelben 


verknüpft war. Doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß im 
nördlichen England, wo die Angeln ſich langſamer ausgebrei- 


tet und manche Annäherungen zu ben , Briten flattgefunden 
hatten, auch dem britifchen Heidenthume neben Odins Dienfte 
von den Eroberern gehulbigt wurde. Ein auffallender Beweis 


dafuͤr iſt der ohmehin nicht northumbrifche Name ‚des Ober: 


prieſters Coifi, welcher Die britifche Bezeichnung für dieſe 


Würde war’). Hatte aber in der Religion auch die Gefin- 
nung der Mehrzahl eingewirft, fo war bie politiihe Verfaſ⸗ 
fung dody die der Sieger geblieben. * 

Auf Eadwind Frage über die Anficht feiner Weifen von 


dieſer neuen Lehre und Sotteöverehrung, erhob fich fogleich 


ber Oberpriefter Coifi: „Welchen Werth die neue Verfündigung 
hat, beurtheile felbft, o König!: Eines kann ich Dir zufichern, 
daß unfer biöheriger Glaube Feine Kraft, Teinen Nugen hat. — _ 
Denn Feiner der Deinigen bat ängftlicher der Verehrung, der 
Sötter obgelegen, und dennoch haben fo Viele größere Wohl: 
thaten, größere Ehren von Dir erhalten als ich und gedeihen 
befjer in Allem, was fie unternehmen. Wenn aber die Götter 
etwas taugten, fo wuͤrden fie cher mich fördern, ber ich ihnen 
forgfältiger diente. Daher, wenn Du die neue Lehre als bei: 


ſer und nüßlicher erprobſt, ſo laß uns eilen ohne Verzug ſie 


anzunehmen.“ 
1) S. Ja amieson scotch dictionary. Appendir 





. Bon Witte des 5. bis’ Ende bes 8. Jahrh. 149 


Einer der Ealbormannen pflichtete dieſen Worten alfo bei: 
„Die Ungewißheit des menfchlichen Lebens gemahnt mich fo 
wie wenn Du zu Winterözeiten mit ben Calbormannen und 


Thanen beim lodernden Heerbe ſitzeſt, die Halle erwärmt wird, 
mährend drauflen Regen, Schnee und Stürme toben, und 


dann ein Sperling fchnell durch das Haus, durch die eine Thuͤr 


herein und duxrch die entgegengefegte hinauöfliegt. So lange 


er darinnen iſt, wird er von Winterſtuͤrmen nicht berührt; aber 
die kurze Zrift heiterer Ruhe ift augenblidlich vorüber, und vom 


Winter zum Winter. zurüdtehrend, verfchwindet er Deinen Aus 


gen. So erfcheint auch das Eure Leben der Menſchen; was 
aber folgt, was voranging, ift und gänzlich verborgen. Wenn 
Daher diefe neue Lehre und etwas Gewiffered bringt, fo feheint 
mir diefe zu befolgen.” Derfelden Meinung waren bie übrigen 


- Ealdormannen und Weifen, und einem Vortrage des Paulinus 


gelang es vollfommene Überzeugung und Entichluß zu bewir: 
ten. Der König entfagte eiblich dem Gößenbienfle und be⸗ 
Tarmte fi zum Glauben an Chriſtus. Der bisherige Ober: 
priefter glaubte felbft das Beiſpiel zur Zerflörung ber heidni⸗ 
ſchen Altäre und Tempel geben zu müffen, ließ vom Könige 


fi) die ungewohnten Waffen reichen und beftieg das in dem’ 


627., 


alten Dienfte ihm unterfagte Roß. Er fehleuderte den Speer 
gegen den Tempel und gebot feinen erflaunten, ‚aber vwoil 


lig folgenden Gefährten denſelben mit allen feinen. Umzaͤunun⸗ 
gen anzuzimden. Für den neuen Gotteödienft wurde dem 


Apoftel Petrus eine neue von Holz gebaute Kichhe zu Yard 


geweiht, bald jedoch eine größere Kirche von Steinen etrichtet 


und dem Paulinus, welcher vom Papfte Honorius das Pallium 


empfing, dieſe Stadt als Biſchofsſitz angewielen. 
Paulinus predigte auch jenfeit des Humber und bekehrte 


die Einwohner eines Staates, deſſen Name Lindiſſe in dem 


der Stadt Lincoln ſich uns erhalten hat, deren Vorſteher Blecca, 
ein Abkoͤmmling Wodans, zuerſt daſelbſt die heilige Taufe 


empfing '). 


Der Friede und die Ruhe welche bie Macht des Bret⸗ 


walda Eadwin ſeinem Reiche verliehen, muſſten der Verbrei⸗ 


t 


1) Beda l. II. c. 16. Genealog. apud Florentium. 


— 


. 4150 3weite AbtHeitung. 


627. 


tung der neuen Lehre fehr förderlich fen. Solche Sicherheit 
herrſchte auf der Heerſtraße, daß nach dem angelſaͤchſiſchen 


Sprichworte, die Frau mit dem Saͤuglinge von einem Meere 
zum andern ruhig ziehen konnte. Der Koͤnig ließ eherne 


Becher neben den von ihm gegrabenen Brunnen an der Heer⸗ 


ſtraße aufhaͤngen, und keine Hand als die dankbare des lechzen⸗ 
den Wanderers beruͤhrte ſie. Das Chriſtenthum brachte auch 
hier den Begriff eines Heerfuͤhrers der Angeln dem eines roͤ⸗ 
miſchen Herrſchers naͤher, was ſchon bei Eadwin ſich zeigte, 
ber in ungewohnten Pompe, fogar. im Frieden und in feinen 
Städten, Fahnen und andere Feldzeichen (genannt tuuf) vor 
ſich hertragen ließ. 

Eadwin bemühte ſich eifüg die neue Lehre fogleich weiter 


zu pflanzen, und wenn er gleich in feinem eigenen noͤrdlichen 


Reiche Bernicia Teinen Altar errichtet hat '), fo gelang es ihm 

Eorpwald, den König der Oſtangeln, Redwalds Sohn, ganz 
für diefelbe zu gewinnen. Die Ermordung Eorpwalds durch 
einen Heiden verfeste freilich Oſtangeln bald in Zinfterniß und. 


Fehde; doch erlebte Eabwin noch die Ruͤckkehr und Befefligung 


des Chriftenthums in dieſem Bande nach drei Jahren. Sige⸗ 
bert, Eorpwalds Bruder, hatte in Gallen die Lehren der roͤ⸗ 
mifchen Kirche angenommen: und bemächtigte fich mit feinem 
Bruder Egrike feines Landes nur, wie ed fcheint, um jene in 
demfelben neu zu verbreiten. Ihn begleitete der Biſchof Felir 
aus Burgund, unter defien weifer Leitung dad Bekehrungs⸗ 
werk trefflich gedieh, Iateinifche Schulen nach Art derer von 
Kent angelegt wurben?), und die Stiftung des ihm von He 
norius, Erzbifchof zu Canterbury, übertragenen Bisthumes zu 


1) Diefes ergibt fih aus Beda B. IIL Eap. 2. 

2) Beda L II. c. 18. iuxta morem Cantuariorum. — Guil. 
Malmesb. gest. pontif. L II. Scholas opportunis locis instituens 
barbariem gentis sensim comitate latina informabat. Die GteHe bed 
Beda iſt benugt worden, um in bem Streite über das höhere Alter ber 
Univerfität zu Cambridge oder zu Orford für erftere zu entſcheiden. ©. 
auch Smith appendix in XIV. ad Bedam. Es fehlt jedoch ber Be: 
hauptung an ihrer Grundlage, bem Beweile, dag Cambridge, ehemals 
Grantabryege zu Oftanglien und ‚nicht, wie gewöhnlich angenommen 
wird, zu Mercien gehörte. Auch ſpricht Beda 'nur von einer Schule, 
welche wir in bem erzbifchöflichen Sige zu fuchen haben. | 


Bon Mitte des 5. big Ente des 8. Jahrh. 151 
Domuc (Dunwich) gelang. "Kaum war diefes erreicht, als 


wir den König der Dftangeln feine Krone niederlegen und nad) 


altfraͤnkiſcher Weiſe das erſte Beiſpiel eined angelfächfiichen koͤ⸗ 
niglichen Moͤnches geben ſehen; ſein Reich fiel auf Egrike, wel⸗ 
cher ſchon fruͤher einen Theil dieſes kleinen Staates erhalten 
hatte. So ernſt war die Überzeugung, welche den Oſtanglier 
zur Entſagung irdiſcher Herrlichkeit gefuͤhrt hatte, daß ſelbſt 
die Gefahr ſeines vom Koͤnige von Mexcien, Penda, verheerten 
Vaterlandes ihn nicht bewegen konnte, die kloͤſterliche Stille 
zu verlaffen. Als die Seinigen ihn mit Gewalt herauszogen, da⸗ 
mit der Anblid des einſt wegen feiner Tapferkeit verehrten 
Heerführerd die Krieger ermuthige und begeiftere, blieb er ru- 
big im tobenden Heere, einen Stab in der Hand, bis er mit 
feinem Bruder vom Feinde erfchlagen wurde '). Das Chriſten⸗ 
thum warb jedoch‘ nicht wieber aus dieſem Reiche verbrängt, 
da der Nachfolger des getödteten Fürften, Anna, bemfelben 
nicht nur ergeben war, fonbern ‚auch, beſonders auf Antrieb 
eines frommen Mannes von edlem fchottiichen Gefchlechte. aus 


635. 


Irland, Furſeus, deſſen unbezweifelte Vifionen mit denen des 
heil. Patricins das lebende Vorbild der Dichtungen des ber 


rühmten Florentinerd wurden, mehrere Kloſter gruͤndete. 
Fuͤr Northumbrien war unterdeſſen eine ſehr truͤbe Zeit 


genaht. Penda, Wibbas Sohn, hatte Suͤdhumbrien oder 


Mercien, welches vor ihm Ceorl (Kerl, Karl) beherrſchte, von 
Eadwin unabhängig gemacht”) und überzog, in Verbindung 
mit dem mächtigen beitifchen Fürften Caedwalla von Gwynedh, 
jenen mit Krieg, welcher bei Heathfield befiegt und mit feinem 
Sohn Osfrid erfchlagen wurde. Auch fein Sohn Cabbert 
wurde von Penda verrätherifch ermordet. Die Königin Äthel⸗ 
‚berge Und der Erzbiſchof Paulinus flüchteten nad Kent, wo 


1) Palgrave bat irrig 688, |. Beda 1 UL c. 18, Vita Ethel- 
redae.. Die Belehrung Eorpwalds gibt chron. saxon. beim J. 632, 
die Ankunft des Felix beim I. 636. Ich folge dem Beda. 

2) Nach dem chron. saxon. war Penba feit 626 König von Mer: 

cien, welcher Angabe auch Palgrave folgt. Beda 2. II. Cap. 22. 
fagt jedoch ausbrüdtich, er fei von Eöniglichem Gefchlechte geweſen und 
habe 22 Zahre felbft regierts alfo, da er nach allen Angaben 655 ftarb, 
feit 633, dem Jahre des Sieges über Eadwin. 


X 


633 / 
12. Oct. 


634. 


635. 


- 


152 Zweite Abtheilung. 


diefer hernach das Bisthum Rochefter annahm. Vuskfrea, ein 
Sohn Eadwins, und Yfft, ein Sohn Osfrids, wurden von der 


Königin, aud Zurcht vor. dem ſpaͤtern Beherrfcher Northumbriens 


und vor ihrem eigenen Bruder Eabbald von Kent, durch Ver⸗ 
mittelung des Erzbifchofs Paulinus zum Könige der Franken 


Dagobert gefandt. Der Tod beider Kinder, ber naͤchſten Ers 


ben des Gründerd von Edinburg (Eadwinsburg), verhinderte 
ein frühes Beiſpiel des ſo oft geübten fränkifchen Einfluffes 
auf die Schickſale des nörblichen Britanniens; doch eine da⸗ 
mals noch ungewöhnliche Grabſtaͤtte in der "Kirche bezeugte 


noch nach Jahrhunderten das Alter diefer Verbindung und das 


koͤniglich gewährte Aſyl. 
Die Achtung welche die koͤniglichen Geſchlechter bei den 
Angelſachſen genoſſen, bewaͤhrt ſich auffallend darin, daß we⸗ 


der Penda, welcher nur ſeinen Erbſtaat Mercia erhielt, noch 


der Koͤnig der Waliſer ſich des eroberten Reiches bemaͤchtigten, 
ſondern vielmehr der noͤrdliche Theil deſſelben, das Stammland 
Athelfrids, einem Sohn deſſelben, Eanfrid, zufiel, welcher nach 
ſeines Vaters Tode mit vielen edlen Begleitern zu den Schot⸗ 
ten oder Picten ausgewandert war und das Chriſtenthum nach 
dortiger Lehre angenommen hatte. Den ſuͤdlichen Theil, Deira, 
erhielt der naͤchſte Verwandte Eadwins, der einſt von Pauli⸗ 
nus getaufte Oſrik. Daß Eanfrid zum Heidenthume zuruͤck⸗ 
kehrte, darf uns weniger uͤberraſchen, da Bernicien daſſelbe 
noch nicht verlaſſen hatte; aber auch Oſrik waͤhnte in dem al 


ten Volksglauben eine ſichere Stüße feiner Herrfchfucht zu finden. 


Doch ward Beiden nur ein kurzer Gewinn: Oſrik wurde von 
Geadwalla zu York erfchlagen, Eanfrid, als er um Frieden fles 
hen follte, von demſelben hinterliffig ermorbetz ihre Länder 
wurden von den Briten auf das graufamfte verheert. 

Sener Abfall des Fürften und die Leiden des northumbri> 
fchen Volkes bildeten jedoch den MWendepunct nicht nur für bie 
naͤchſten Schickſale der Nordangeln, fondern auch für den fieg: 
reichen Kampf des Chriftenthbums gegen dad Heidenthum. Of: 
wald,. der jüngere Sohn Äthelfrids, gleich feinem Bruber in 
Schottland erzogen und getauft, ftellte ſich an die Spike einer 
kleinen Schaar und zu Hevenfeld, unfern der rämifchen Grenz: 
mauern, bei Denifesburn in der Nähe von Herham, ein Kreuz 


Bon Mitte bes 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 153 


errichtend das erſte Zeichen chriſtlicher Verehrung welches Ber: 


nicien ſah, ſandte er mit. den Seinigen vor demſelben ein Ges 


bet zu dem Herrn der Heerſchaaren und griff die zahlreichen 
Krieger des Ceadwalla an, welche ihren Fuͤhrer verloren und, 
was in jenen Tagen auf ſolchen Verluſt zu folgen pflegte, die 
Slucht ergriffen‘). Im Ceadwalla erloſch der letzte gefeierte 


Held des alten britiſchen Vollsſtammes. Im vierzehn Schlach⸗ 


ten und fechzig Treffen hatte er den Ruhm ber Briten neu ers 
wedt und befefligt und bie Herrfchaft über den größten Theil 
Loegriens erworben. Kein Wunder, wenn auch fein: Leben 
und od, obgleich hiftorifch beffer begründet als Arthurs, bald 
von den Glanzgebilden der Sage umgeben ift?), und wir jetzt 
weber in ber Apotheofe verehrungsvoller Landöleute noch in der 
zacherfüllten Schilderung der Angelfachien die Wahrheit zu fins 
den wiflen. Die Gefchichte lehrt, daß Dfwalds Kreuz das 
Schickſal Britanniend für immer entſchied. Oſwald erhielt die 
Herrſchaft von Bernicien, und durch mütterliche Herkunft bes 
rechtigt, — feine Mutter Acha, Eadwins Schweiter, flammte 
von Alla ab, — auch Deira. Er wurde ald Bretwalda, ber 
fechöte in biefer Wuͤrde, anerkannt und foll über die vier Zun⸗ 
gen Britanniend, die der Angeln, der Briten, der Picten und 
der Scoten, geherrfcht haben ). Dfwald vereinte große Kraft 


mit vieler Milde und religidfer Begeifterung. Das Chriftens - 


thum wurde Durch ihn in feinem Reiche ‚neu eingeführt; doch war 
es das feiner Lehrer, ver Schotten. Diefe fandten ihm den Ai⸗ 
dan von der Columbans⸗Inſel (Hy oder Icolmkill), welchem 
er zum bifchöflichen Site die Infel Lindisfame (jet Holy Is⸗ 


4‘ 


land), den gefeierten Wohnort vieler chriftlicher Glaubenshelden, ' 


verlieh *).. Strenge gegen fich felbft und die Mächtigen, Herz 
ablafiung und Wohlthätigkeit gegen die Niedrigen und Armen, 


1) Annal. Cambr. ad a. 681. Nennii genealog. nennt daß 
Schlachtfeld Catsgaul. P. Langtoft: Huntingfeild. 


2) Galfrid. Monmouth. J. XI. Eiywardh Hen Glegien. 


Bol. Turner J. 866. 

8) Beda L III. c. 6, 

4) S. Bedas metrifche und profaifche vita S. Cuthberti, episcopi 
, lindisfarnieneis. | 


l 


154 Zweite Abtheilung. 
Zhätigkeit für den Glauben,‘ Eifer fir gelehrte Bildung, fo 
viele fchöne Eigenfchaften werden an Aidan gepriefen und 
werfen auf die altbritifche Kirche, welcher er angehörte, ben 
größten Glanz. Gewiß hat der Gefammteindrud, welchen bas 
Leben folcher Männer auf die ded Heidenthumes überbrüffigen 
Völker machte, Die innere Wahrheit des chriftlichen Vorbildes, 
ſtets mehr zu ihrer erſten Belehrung beigetragen, als felbft bie 
überzeugendften, gebiegenften Vorträge e8 vermochten. Wie an 

ders ſollte Die oft vergeblich verfuchte Belehrung der Northum⸗ 
brier dem Aidan gelungen fein, der, einem feindlichen Stamme 
entfproffen, feindlichee Schule entfandt, die Lehre der oft be 
Friegten Scoten und Picten, die der eben erſt vertriebenen 
Unterdrüder der Briten, in einee Sprache zu verbreiten ſtrebte, 
fie welche der König Ofwald felbft erft als Dolmetfcher dienen 
mufite. Oſwald beförberte auf folche und jede andere Weiſe 
den Dienft des von ihm aufgepflanzten Kreuzes nicht nur in 
feinem’ Königreiche, fondern auch in den Übrigen von feinem 
britiſchen Kaifertbume umfchlungenen Staaten‘). Zunaͤchſt 
folgte Oſwald den Eindruͤcken feiner Jugend und der Überzen- 
gung, welche feinen Arm zum Siege geflählt hatte; auch kann 
fi in ihm die Anficht entwidelt haben, daß durch die britifch> 
chriftliche Kirche der Vereinigung aller Zungen Britanniens bie 
ficherfte geiſtige Stuͤtze verliehen wurde. Doch foͤrderte er das 
Chriſtenthum, auch wenn es im roͤmiſchen Glaubensbekenntniß 
auftrat. 

Das Koͤnigreich Weſſex war ſeit den Tagen bed Bret⸗ 
walda Ceawlin im fortwährenden Kriege mit feinen byitifchen 
und fächfifchen Nachbaren begriffen gewefen; war deren Erfolg 
nicht immer unglüdlih, fo blieb dennoch Das in viele Theile 
gefpaltene Reih — im 3. 626 hören wir von wenigftens fie 
ben Königen der Gewiffi”) — im Zuſtande eines großen Feld⸗ 

597. lagers. Auf Ceolric war fein Bruder Ceolwulf gefolgt, wel 
cher gegen Alle kämpfend, gegen Alle den Ruhm des Tapfer⸗ 
fien bewährte). Doch kennen wir nur wenige feiner, The 

1) Oswaldus totius Britanniae imperator.-. Cummini vita Co- 
ı  lumbae c. 26. 
2) Beda 1. II. c. 9. Chron. saxon. ad a. 626. 
3) Guil. Malmesb. I. 2. Henr. Huntend. 816. 


Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 15 
ten. Beda, fuͤr die Geſchichte von Weſſer überhaupt nur eine 


fpärlihe Quelle, erwähnt nicht einmal feinen Namen. Das 
Andenken eines fehr hartnaͤckigen Kampfes mit dem damals 
noch unabhängig erſcheinenden Suffer, in welchem er bie 
Wahlſtatt behauptete, ‚hat firh allein in ben Sahrblichern feines 
Volkes erhalten). - 

Ein dem Sieger eben fo willkommenes Andenken hat ſich 
in ber Erinnerung feiner Feinde, der Altbriten, bewahrt. Der 
tapfere König von Gwent, Theodoric, hatte mit dem Anfange 
des neuen Jahrhunderts der Welt entfagt, die Krone feinem Sohne 
Morig übergeben und ſich zwifchen den Felſen und in ber 
Waldpracht von Zintern, an ben teizenden Gewinben bed Wye⸗ 
fluffes in Monmonth den. Genüffen, einfamer und von irdiſcher 
Entweihung geläuterter Betrachtungen bingegeben. Die Re 
gierung des Sohnes wurde von Ceolwulf benust, um über den 
Swernfluß:, bie nördliche Grenze von Weller, hinaus in 


607. 


Gwent ein’und bis an den Wye vorzubringen. Der Hülfegf 


feiner Getreuen 309 den Heldengreid aus ber zehnjährigen Ein» 


famfeit, und feine Schaaren fiegten wieder, mit neuem Muthe | 


unter dem alten Feldherrn, gegen. Die heidniſchen Sachſen. 


Der Drache von Weſſer blieb auf dad Sübufer der Severn 


gebannt. Theodoric aber erhielt in der Hauptfchlacht eine 
Wunde welche ihm den Schädel fpaltete und wurde am, Eins 
fluffe Des Wye in den Sevem beerdigt ?). Auf feinem Grabe 
wurde zu Ehren des Eöniglichen Märtyrerd, defien Andenken 
feine Feinde noch viele. Jahrhunderte hernach an feinem Todes⸗ 


610 
3, Ian. 


tage begingen, eine Kirche errichtet, jest Mathern genannt 


(aus Marthirn Zeubdric), wo im fechözehnten Sahrhundert Der 
wieder entdecte fleinerne Sarg und der klaffende Schaͤdel fuͤr 
das tapfere Herz des einſt Lebenden ein Zeugniß ablegte. 
Eins der fhönften Denkmäler mittelafterlicher Baukunſt im 
Britannien — Tinten Abbey — verewigte die himmelwaͤrts 


1) Chron. saxon, Florentin. Wigorn, Es ift eine leere 


Bermuthung, wenn Burner und ihm’ nachfchreibend Cingarb Suſſer 
bereits als von Weſſex abhängig betrachtet. 

2) Der Todestag findet ſich im calendario anglo-saxon. Das 
Übrige in dem Werke bes Bifchofs von Lanbaff, Srani Godwin, de 
pracaulibus Angliae ed. 1616, P- 619. 


611. 


156 Zweite Abtheilung. 


ſtrebenden Gedanken des Töniglichen Einfieblers, und noch heute. 
in feinen Truͤmmern erfüllt ed den Schwarm leichtgefinnter 
Reifenden und Touriften mit überwältigendem Staunen und 
ber Andacht bes frommen Pilgers. 

Cynegils, ein Sohn des Ceolric, und jenes Bruder oder 


Sohn Cwichelm waren dem Ceolwulf in der Herrſchaft gefolgt; 


ELetzterer fol einer Schweſter des Koͤniges Oſwald vermaͤhlt 


643. 


geweſen fein’). Dieſer war im Begriff ſich mit der Tochter 
des Cynegils zu vermaͤhlen, als der Biſchof Birinus in Wer 
fer landete, der mit Genehmigung des Papſtes Honorius in 
den entfernteften Befisungen der Angeln, wohin kein Miffie 
nar je gebrungen war, das Chriftenthum zu verkünden ſich 
vorgefeßt hatte. Doc, kaum betrat er Britannien, als ihm 
das finfterfte Heidenthum entgegentrat und er nicht weiter vor⸗ 
zudringen, ſondern in Weffer zu verweilen ſich berufen erkannte. 
Mit feinen Bemühungen vereinten ſich die des Königs Dfwald; 


. Eynegild wurde zw Dorcic (Dorchefter) getauft, ‚wobei fen 


Föniglicher Eidam ald Pathe ihn zu feinem geiftlichen Sohne 
annahm; Cwichelm bekannte ſich gleichfalls im folgenden Jahre 
Furz vor feinem Zode zu der neuen Lehre. Dem Birinus, der 


. auch ben Sohn des Ewichelm, König Cuthred, taufte, wurde 


zu Dorcic ein Bisthum angewiefen, und wenngleich Coimwalch, 
der Sohn des Cynegils, nach feines Vaters Tode in Weſſer 
eine ähnliche Heidenreaction zu bereiten fchien, wie die übrigen 
angelfächfifchen Reiche fie erfahren hatten, fo beweift feine Ver 
treibung, bald erfolgte Bekehrung durch den König der Oſtan⸗ 


geln, Anna, und die nach feiner Wiedereinfegung erwiefene Treue 


642 
5. Aug. 


an dem chriftlichen Glauben, daß dieſer von- feinen Unterthanen 
aufrichtig getheilt wurde, 
Dem thatenreichen, durch feltenen Ernſt chriftlicher Wohl⸗ 


. thätigkeit nicht minder auögezeichneten Leben Oſwalds war 


jedoch Feine lange Dauer befchieden. Der unermüdliche Geg- 
ner feiner Vorgänger, Penda von Mercien, verwidelte ihn in 
eine Fehde, in welcher Oſwald an einem Drte, welchen bie 


1) So Palgrave Th. U. S. 285 ohne anzugeben woher? Flo- 
reatii genealog. unb andere mir zugänglihe Quellen kennen feine 
Tochter Athelfrids auffer der Äbtiffin AÄlla. 





Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 157 


Angeln Maferfield, die Briten Cocboy nannten, erfchlagen 
wurde 9). Seine legten Worte waren ein Gebet für das ewige _ 
Heil der Seinigen. 

Der höhnende Triumph, welchem der entfeelte: Leichnam 
dienen muffte, bezeugt nur die Barbarei der angelfächfifchen 
Sieger und die Zurcht, welche der chriftliche Bretwalda ihnen 
eingeflößt hatte. Oſwald hatte fchon Iebend der feltenen Aus⸗ 
zeichnung eines freundlichen Namens bei den von ihm befiegten 
Voͤlkern genofien; die Briten nannten ihn Llanigwin, bie 
freigebige Hand; feine chriftlichen Verdienfte und fein Märtyrers 
tod machten ihn zum Helden der chriftlichen Welt, welche, wenn 
gleich häufig unbewufit, noch jebt fein Andenken an feinem 
Zodestage alljährlich begeht. Er hatte nur ein Alter von 38 
Sahren erreicht und acht Fahre regiert, wiewohl die angelfächs 
fifchen Chronologen, durch eine Fiction, welche ihren Wahrs 
heitsfinn nicht beleidigte, ihm neun Regierungsjahre zufchrieben, 
um das unglüdliche Jahr ſeiner Vorgaͤnger nicht erwaͤhnen 
zu duͤrfen. 

Penda verließ Northumbrien und deſſen Seekuͤſten wieder 
und zog ſich in ſein binnenlaͤndiſches Reich zuruͤck, nachdem er 
feiner Rache und Zerſtoͤrungsſucht genuͤgt hatte, ohne Zweifel 
aus andern Gruͤnden, als den die wunderglaͤubigen Moͤnche 
jener Zeiten angeben, weil ein frommes Gebet das von ihm 
gegen die Stadt Bebbanburgh gerichtete Feuer ploͤtzlich gegen 
die Seinigen gerichtet habe. Wahrſcheinlich geſtattete der 
angelſaͤchſiſche Staatenbund, ſolange ihm die Macht verblieb, 
wenn er auch den einzelnen Staaten das Fehderecht gegen ein⸗ 
ander nicht. zu nehmen vermochte, Feine willkuͤrliche, nicht auf 
erbliche Rechte begründete Vergrößerung und Einverleibung der 
größeren Staaten, wie, wir auch in ben Zeiten, wo in Deutſch⸗ 


land der Kaifer. waltete, den flantörechtlichen Grundſatz geltend 


gemacht ſehen, daß zwei Herzogthumer nicht in Einer Hand 
vereint ſein ſollten. 
Dlwalds Reich zerfiel nach feinem X Tode wieberum in feine. 


1) Beda III. 9. in loco, qui in lingua Anglorum nuncupatur 
Maserfelth. Der britifche Name findet fi bei Nennius und annal. 
Cambr. ad a. 644, welche bemerken, daß in.ber Schlacht bei Cocboy 
Eowa, der Bruder Pendas, und Bra zugleich fielen. p 





158 3weite Abtheilung. _ 


feüheren Hauptbeftandtheile. Bernicien und dad Bretwalda⸗ 
thum erhielt fein Bruder Oſwiu; Deira mach einigen Jahren - 
der Abkoͤmmling der alten Herrfcherlinie dafelbfi, Dfwin, Oſ⸗ 
riks Sohn’). Oſwin zeichnete ſich durch einnehmende Gaben 
des Körpers umd des Geiſtes aus; dieſes verbunden mit feiner 
Freigebigkeit zog die Edelften aus allen Provinzen in feine 
Nähe und zu feinem Dienfte, fowie chriftliche Demuth und 
MWohithätigkeit ihn der Kirche und dem Volke werth machten. 
Doc fehlte ihm die vorzüglichfte Eigenfchaft eines Herrfchers 
über ein rohes, Friegerifches Voll, der Muth. Im fiebenten 
Sabre feiner Regierung ”) wagte er nicht dem Ofwiu, ber ihm 
feindlich gegenüberfland, ein Zreffen zu bieten; er entließ fein 
Heer und entfloh. Der König, der fich felbft aufgegeben hatte, 
wurde auch bald von den Seinigen verrathen, und Oſwiu 
hatte den auf feinen Befehl an ihm verübten Meuchelmord 
zwar an bie Geiftlichkeit durch Errichtung des Klofters Ingeths 
lingum (Gothlingum, im Wapentake Weſtgilling, VYorkſhire) zu 
buͤßen, ohne jedoch ſeinem eignen Einfluſſe durch dieſe That zu 
ſchaden. Wahrſcheinlich war Oſwin gegen den Bretwalda nicht 
ohne Schuld geweſen. Der ehrwuͤrdige Aidan uͤberlebte den, 
Verluſt ſeines Freundes Oſwin nur wenige Tage. Ein Theil 
von Deira fiel auf Didilwald oder Ethelwald, den Sohn bed 
Königs Ofwald, welcher bie Jahre der Muͤndigleit ſoeben er⸗ 
reicht hatte. 

Die große That Oſwius, welche ihn ſelbſt als Krieger 
ehrte und von größtem Einfluſſe auf die Geſchichte der Angel⸗ 
fachfen war, ift die Beſiegung Pendas. Diefer König von 
Mercien, defien Name duch viele glüdliche Friegerifche Unter: 
nehmungen gegen bie germanifchen Staaten in Britannien 
denfwürdig und dem ber Beiname des Kraftvollen ’) mit Recht 


1) Daß er von Ofwiu willkürlich eingeſetzt ſei, iſt lediglich eine 
Hypotheſe Turners. 

2) Nicht im neunten, wie Palgrave fagt, im Widerfpruch mit 
allen Quellen und feiner eignen Berechnung. Anno nono bei Beda 
1. III. c. 14. bezieht fi auf Ofwius Regierung. 

8) Ich trage kein Bedenken ihm biefen von den neueren Geſchicht⸗ 
föreibern überfehenen Beinamen wieder zu ertheilen. Penda strenuus 
nennt ihn Henr. Huntend. wiederholt, ©, 316 3, 43. 57. ©. 817 


Bon Mitte' des 5, bis Ende bes 8, Jahth. 159 


ertheilt worden ift, bietet eine auffallende, und faft raͤthſelhafte 
Erſcheinung dar. Beherrfcher eines Staates, welcher mehr feind⸗ 
Vichebritifche Bevoͤlkerung ald irgend ein anderes angelfächfifches 
Reich umfchloß, eines Staates, der, wie auch einzelne zweifels 
bafte Angaben zu deuten fein mögen, der jüngfte war, dev aus 
den Anktömmlingen und den Nachkommen, welche die Küften> 
länder fchon vertheilt fanden, in dem Mittelpuncte des Landes, 
durch Sümpfe, Flüffe, Berge gefchüßt, fich bildete; Beherr⸗ 
fcher dieſes Staates oder ‚vielmehr Fürft, der erſte (first) der 
Wodansenkel unter ben in diefem Bezirke weilenden teutoni= 
ſchen Kriegern, funfzigjährig ) zur Herrſchaft gelangt, jugend⸗ 
liche Thatkraͤfte bewaͤhrend, der letzte unerſchuͤtterliche, maͤchtige 
Anhaͤnger des Heidenthums unter den Angelſachſen, hatte er 
im Buͤndniſſe, wenn nicht im Solde eines chriſtlich⸗britiſchen 
Koͤnigs, anfaͤnglich den Bretwalda von Northumberland, her⸗ 
nach die uͤbrigen Staaten ſeiner Landsleute waͤhrend ſeine 
breiffigiähtigen Herrſchaft, wiederholt, ſtets gluͤcklich und 
grauſamer, ohne ſich, ungeachtet der Ermordung von fuͤnf Koͤ⸗ 
nigen, bleibenden Erfolg zu ſichern, mit Kriegen uͤberzogen 
und verheert. Nur Cynegils von Weſſex hatte ihm einſt maͤch⸗ 
tigen Widerſtand geleiſtet in det Schlacht bei Cirenceſter, wo 
beide Heere das Kampffeld behaupteten und mit. gegenfeitiger 
Nachgiebigkeit ein Vertrag zu Stande kam?). Nach den oben» 
erwähnten Sehden, deren Veranlaffung uns nicht bekannt: ifl, 
finden wir ihn auf einem Feldzuge gegen Cenwealh, Cynegild 65. 
Sohn, König von Weffer, um feine Schwefter zu rächen, welche 
diefer geheirathet, aber hernach verfioßen hatte’). Mit feinem 


3.4. 25, 38. 52. ©. 531 3. 47.,©. 352 3. 27. Auch Beda II. 20. 
Penda vir strenuissimus. 

1) S. chron. saxon. ad a. 626. Will, Malmesb. J. a. Beba 
IT. 20. nennt ihn beim 3.633 de genere regio Merciorum und läfft 
feine Regierung erft mit diefem Sabre, nad) Eadwins von Northumbers 
land Zode beginnen. Vielleicht iſt es nicht zufällig, daß auch chron. 
saxon. ihm bei den 3. 628 und 633 den Königstitel noch nicht beilegt. 

2) Chron. saxon. ad a. 628. Henr. Huntend. p. 316. 


8) Coinwalch (rex occidentalium Saxonum) repudiata sorore 
Pendan regis Merciorum, quam duxerat, aliam cepit uxorem. Beda 
LI. c. 7. Lingard BI. Gap. 2. ©. 116 (bei Salis) madt: 


160 Zweite Abtheilung. J 


gewohnten Gluͤcke vernichtete er den Cenwealh und vertrieb ihn 
aus ſeinem Reiche. Der Fluͤchtling fand eine Ruheſtaͤtte und 
Schutz bei Anna, dem Koͤnige der Oſtangeln, und wurde durch 
den Beiſtand ſeines Verwandten, des Koͤnigs Cuthred, nach 
drei Jahren wieder in ſein Reich zuruͤckgefuͤhrt. 

WViielleicht war der dem Cenwealh verſtattete Schuß, wenn 
anders Penda nach ſolchen Gruͤnden ſuchte, die Veranlaſſung 
eines Krieges, mit welchem dieſer den König ber Oſtangeln 
uͤberzog. Anna unterlag und war der dritte Uffinge welcher 


654. im Kampfe mit Penda fein Leben einbüßte. Sein Bruder 


. 
— 


Etheler folgte ihm in der Koͤnigswuͤrde, muſſte jedoch den Sie⸗ 

ger auf einem Feldzuge gegen den Bretwalda Oſwiu begleiten. 
Dieſer hatte ſich bemuͤht in friedlichen und ſelbſt in freundſchaft⸗ 
lichen Verhaͤltniſſen zu dem gefürchteten Penda dem Kraftvollen, 
dem Mörder ſeines Bruders Oſwald, zu ſtehen. Sein Sohn 


Acchfrid hatte eine Tochter des Penda, Cyniburg, geheirathet, 
feine Tochter Alchflede den Sohn Pendas, Peada, Ealdorman 
von Mittelangeln, welcher, vor dieſer Verbindung, mit allen 


ſeinen Grafen und Rittern von dem Nachfolger Aidans, dem 
lindisfarner Biſchofe Finan aus det Schotteninſel Hy, die 
heilige Taufe empfing. Dfwif hatte dem Penda einen feiner 


"Söhne, Ecgfrid, als Geifel gegeben und bei den ſtets 


wiederholten, unleidlichen Einbrüchen der Mercier ihrem. Kb- 
nige unzähligen Schmud und andere Koftbarkeiten verheifien. 
Dennoch überfiel ihn Penda mit feinen Bundeögenoffen Ethe 
ler von Oftangeln und Ethelwald, dem Sohne Oſwalds. Seine 
breiffig wohlgerüfteten Legionen, unter - erprobten Heerführern, 
flanden der Eleinen Schadt Oſwius entgegen, welche ſich durch 
den Glauben des Chriften geftärkt fühlten. „Wenn der Heide,” 
fo rief Oſwiu aus, „unſere Gabe nicht zu ſchaͤtzen weiß, ſo 
wollen wir ſie Dem opfern, der ſie wuͤrdigt, unſerm Herrn 
Gott.“ Zwoͤlf Kloͤſter gelobte er mit dem dazu erfoderlichen 
Landbeſi itze zu ſtiften, dazu dem Herrn ſeine einjaͤhrige Tochter 
Alfleda, im jungfraͤulichen Kloſterleben. Oſwiu und fein Sohn 


Alchfrid begannen die Schlacht am Fluſſe Winwaed (Broad 


ſeine erſte Gemahlin zur Tochter des Penda und gibt ihr den Namen 
Sexburga; ein Irrthum des überſetzers nennt ihn König von Suffer. 


Von Mitte des 5. bis Ende-des 8, Jahrh. 161 


Are bei Leeds) mit: feiner begeifterten Schaar. Für diefe fochten 
. bee ‚Herr, die erfchlagenen fünf Könige, unzählige verrätherifch 
fhmählid) Gemordete; der Verrath, welcher fletd für. Penta 
geftritten hatte, wandte fich heute gegen ihn. ÄAthelwald hatte 
ed nicht gewagt gegen fein Vaterland und feinen Oheim zu 
fechten und zog fi) vor Anfange des Kampfes zurüd, um an 
einem fichern Orte deſſen Ausgang zu gewärtigen. Penba. fiel, 
vor ihm König Etheler und faft alle dreiffig Heerführer; viele 
Krieger tödtete das. Schwert; noch mehrere ertranken in dem 
von Regenguͤſſen angefhwollnen und übergetretnen Strome. 
Die Gelübde wurden erfüllt; der Sieg über den „Heiden 
brachte ber Kirche, fech8 Kiöfter in Deira, ſechs andere in Ber: 
nicin. Doc mehr gewann fie durch die nunmehr ungeſtoͤrte 
Verbreitung des Chriſtenthums. In Mercien zeigte fich daffetbe 
jest ald faft begründet, und wie ed unter einem heidniſchen 
Könige, der wenigſtens in feinen legten Jahren die Chriften 
nicht verfolgte, fondern fich begnügte fie zu verhöhnen, empor⸗ 
gekeimt war, überftand es bald die Gefahren gewaltfamer Regies 
rungswechſel. Peada, dem .Dfwiun Südmercien ') überlaffen 
hatte, wurde. im folgenden Frühlinge von feinem Weibe ers 
ſchlagen; zwei Jahre fpäter warb Oſwiu, welcher damals 
ganz, Mercin und die füdlichen Länder beherrfchte, durch eine 
Empörung dreier Ealdormannen des mercifhen Volkes, Immin, 


1) Nah Palgraves Anführung des Driginaltertes des Beda 
III. 24. entbielt Sübmercien 7000 Bamilien. Nach der daneben geftell- 
ten Überfegung Älfreds hatte Sübmercien 5000 und NRorbmercien 
7000 Familien (folces). Man erftaunt indefien beim Nachſchlagen bes 
Beda zu finden, daß Palgrave eine ganze Zeile weggelaffen bat . 
und die angelfächfifche Überfegung gar keinen Zufag oder Wiberfpruch 
mit dem Driginale darbietet. Gleich darauf fest Palgrave ©. 278 
u. S10 bie Vertreibung der Northbumbrier aus Mercien in das Jahr 
656, obgleih Beda a. a. D. fagt: completis tribus annis post inter- 
fectionem Pendan regis rebellaverunt adversus regem Oswiu duces 
gentis Merciorum etc. Beda gibt ferner an, daß Wulfhere 17 Jahre 
zegiert habe, während fein Zodesjahr 675 unbeftritten if. Palgrape, 
obgleih er Beda citirt, bat fi durch chron. saxon. ad a. 656 ver- 
leiten laſſen, welcher unter diefer Jahreszahl verfchiedene Mercien bes 
treffende Nachrichten zufammenftellt, worunter auch eine Urkunde, 
. welhe Bedas Angabe beftätigt, da fie nach Weihnachten 664, im fies 
benten Regierungsjahre des Königs Wulfhere ausgeſtellt iſt. 

Lappenberg's Geſchichte Englands I. 11 


162 Zweite Xotpeitung. 


Eofa und Eadbert, aus jenem Lande verbrängt. Der einſt ge⸗ 
flüchtete und in tiefer Verborgenheit gehaltene jüngere Sohn 
des Penda, Wulfhere, kehrte auf den Thron feiner Vaͤter 
zuruͤck, den hinfort chriftliche Anfichten fihgten. Diuma, ein 
Schotte, war der erſte Biſchof der Mittelangeln und Mercier. 
Auch Effer, deflen König Sigberet, der, mit Oſwiu befrems 
det, deſſen eindringlichen frommen Vorftellungen auf vernoms> 
menen Rath feiner Weifen nachgegeben hatte, fchwor dem 
Gögendienft ab und kehrte zu dem feit der Vertreibung des 
Mellitus verlaffenen Chriftentbume zuruͤck. Cedd, ein gebomer 
Engländer, wurde von Oſwiu erwählt und von Finan zum 
Bifchofe von London orbinirt. Nicht lange vorher war ber 


. erfte Angelfachfe zu einem bifchöflichen. Site befördert worden, 


644. 


Sthamar, nach bed Paulinus Zode zum Bifchofe von Rocheſter 
ernannt). Bald darauf erhielt Thomas, aud dem Lande des 
Sirwier, das Bisthum der Ofltangeln. Doch felbft die dama⸗ 


. lige einzige erzbifchöfliche Würde erhielt ein Angelfachfe Deuss 


dedit aud Weller. Schon unter feinem Vorgänger Honorius 
hatte der Papft den Erzbifhöfen von Canterbury. und York 


die Nachſuchung des Palliumd in Rom nachgelaflen und dem 
‚ länger lebenden unter. Beiden die Ordination des neuerwählten 


664, 


Erzbiſchofes übertragen, hierdurch die große Unabhängigkeit 


der angeljächfifchen Kirche anerkannt. Da jedoch das Erzbis⸗ 
thum zu York, feitvem Paulinus es verlaffen hatte, nicht wie: 
ber befegt war, fo empfing Deusdedit feine Ordination lediglich 
von dem Eentifchen Bifchofe und feinem Landsmanne Sthamar. 
Dem Sthamar felbft folgte gleichfalls ein Eingebomer, Da 


mian aus Suſſexr. Das Bedürfniß eines der Landesſprache 


Fundigen Biſchofs wurde am unverhohlenften in Wefler auds 


geſprochen. Der dortige König Cenwealh - hatte nach feiner 


Ruͤckkehr einen in Irland gebildeten Gallier Agilberet zum Bis 
fchofe feines Landes (dev Gewiffi) erhoben, doch hernach, der 
ihm fremden Sprache überbrüffig, wider den Willen des er: 
zürnten Agilberct, nachherigen Erzbifchofs von Paris, fir einen 


Angelfachfen Vini ein neues Bisthum zu Winchefter gefchaffen, 


1) Honorius erchiepiscopus ordinavit Ithamar, oriundum qui- 
dem de gente Cantuariorum, sed vita et eruditione anteoessoribus 


suis aequandum, Beda III. 14, 


Don Mitte des 85. bis Ende des 8. Jahrh. 163 


‚ welche Trennung bed Kirchenſprengels die exbitterte Geiſtlich⸗ 
Beit für eine Zeit lang wieder aufzuheben wuſſte). Auch in 

 Mercien Tolgte auf zwei Schotten, bie obengedachten Diuma 
und Geollach, welcher Letztere bald in die Böfterliche Ruhe nach- 
Hy heimkehrte, em Angelfachfe, der jeboch in jener großen 
Planzfchule gebildet war, Zrumberi. Der Mangel an frems 659. 
den, der römifchen Kirche ergebnen Geiftlichen, welcher fogar 
die zwedimäßige Verfleinerung ber dürftig ausgeflatteten Bis: 
thuͤmer verhinderte”), entichuldigte in den Augen ber Zeitgenoſ⸗ 
fen diefe Wahlen; doch wurde grade durch die Zuziehung der 
Eingebormen zu der höheren Geiſtlichkeit es möglich, daß bie 
Kirche der Angelfachfen fo früh eine nationale wurde, daß Lis 
tusgie, Ritual, Gebete und Predigten in der deutſchen Lanz 
deöfprache fo frühe erflangen und zu den Herzen des Volkes 
dringen konnten. Die Beibehaltung der germanifchen Cigen- 
namen, die Eigenthümlichkeit des angelfächfiihen Kalenders 
und der Feſte, der geringe Einfluß des römifchen Kirchenrechts, 
Die Ausbildung der Landeöfprache durch die Geiſtlichen, die ge: 
ſchwaͤchte Einwirkung Roms auf die Landeöherren find die uns 
ter fich enge zufammenhängenden eigenthümlichen Vorzüge der 
durch ihren frühern Mangel wahrhaft bereicherten Kirche. 

Ein wichtiger Schritt für das Beſte der Kirche, fowie zur 
engern Bereinigung der Angelfachfen war dem Könige Oſwiu 
aufbewahrt. Die Angelfachfen hingen, je nachdem fie von 
Auguftinus und deſſen Nachfolgern oder von denen des Cos 
Iumbanus bekehrt waren, der roͤmiſch⸗katholiſchen oder der 
britifchen Kitche an. Die Mehrzahl der Geiftlichen, wenigftens 
der auögezeichnetern, gehörte zu der letztern; fie folgten häufig 
auf jene und brachten dadurch nicht nur unter den einzelnen 
Keichen, fondern felbft in den einzelnen Provinzen Verſchieden⸗ 
heit religiöfer Anficht und des Cultus, welche der neuen Relis 

gion fehr gefährlih zu werden drohte, hervor. Wir fehen 
fogar, daß durch die Heirathen der Töniglichen Gefchlechter dieſe 


1) Beda III. 8. Rex,. qui Saxonum linguam tantum noverat, 
pertaesus barbaricae loquelae, subintroduxit in provincdam alium 
suse linguae epistopum, vocabulo Vini et ipsum in Gallin ordinatum. 

2) Beda III. 21. 
| 11.* 


— 1060 3weite Abtheilung. 


religioͤſe Trennung im Innern der Familien einwurzelte und 
Dſwiu ſelbſt das Oſterfeſt nach ſchottiſcher Sitte an andern 
Tagen feierte als feine Königin Eanfled, eine Tochter des Kös 
nigs von Kent. Auch Alchfrid, der Sohn und Mitregent oder 
Unterkoͤnig Oſwius, war auf Anrathen ſeines Freundes Cen⸗ 


wealh der roͤmiſchen Kirche geneigt '). Trennungen dieſer Art, 


664. 


wenn fie gleich nur Aufferlichkeiten betrafen, bedrohten - bie 
hriftfiche Kirche fehr. bei einem Volle, welches von dem alten 
Gultus feiner Vorfahren kaum entwöhnt war und das Chris 
ſtenthum nur in der engften Verbintung mit dem neuen aͤuſſe⸗ 
sen Gottesdienſte hatte kennen lernen. Der dritte Biſchof von 
Lindisfarne nach Finans Ableben, wiederum ein Schotte, mit 
Namen Colman, verfuchte eifrig die Anfichten feiner Secte 
durchzufegen. - Es wurde eine Synobe berufen, in welcher uns 
ter dem Vorſitze des Königes Oſwiu die angefehnften Geift- 
lichen beider Kirchen, mit Ausnahme derer von Kent, ihre abs 
weichenden Anfichten gegenfeitig vertheidigten. Unter den roͤ⸗ 
miſch Geſinnten befand ſich noc der Biſchof von Weller, Agil⸗ 
beret, und der berühmte nachherige Erzbiſchof von York, der 
damalige Propft Wilfrid. Es wurbe mit gründlicher Gelahrt⸗ 
heit und Scharffinn geftritten, und vielleicht wäre es den Schot⸗ 


ten gelungen den Anfprächen ver Eatholifchen Kirche auf bie 


ganze Erde eine wichtige Einſchraͤnkung auf immer entgegen- 
zufegen, wenn .nicht der König, unter dem Gewichte fo vieler 
widerfprechenden Gründe ſchwankend, bemerkt hätte, daß bie 
Schotten ſich zunaͤchſt auf den heil. Columban, die Katholiken 
aber auf den Apoftel Petrus beriefen. Daß biefer der Feld 
fei, auf welchem der Herr feine Kirche gegründet habe, daß 
biefem die Schluͤſſel des Himmeld anvertraut feien, wurde von 
Wilfrid anzuführen nicht vergeffen, um die römifche Anficht zu 
unterflügen. Hat auch Columban folhe Macht erhalten? fragte 


der König: Colman muffte diefed verneinen. Stimmt ihr 


beide darin überein, daß Petrus den Schlüffel zur Himmels⸗ 
pforte befigt? Beide betheuerten ed.. So will ich denn, ſprach 
der König, dem himmliſchen Pförtner nicht wiberfprechen, fon 
dern allen feinen Geboten und. Vorſchriſten, fo viel ich ver 


1) Eddii vita 8. Wiltridi e. 7. 





Bon Mitte des 8. bis Ende. des 8. Jahrh. ‚165 


mag, gehorchen, damit, wenn ich bereinft an die Himmelöpfotte 
Hopfe, er. der die Schlüffel Halt fi nicht mweigere mir jene . 
auffchlieffen zu laſſen. Beifißende und Umftehende, Adel und 
Gemeine ), von gleichem Eifer für ihr ewiged Heil durchdrun⸗ 
gen, flimmten dieſem WBefchluffe bei, und fo wurde, nach ber 
Weiſe des Volkes und anderer großen Verſammlungen, ohne 
fernere Prüfung der vorgetragenen Gründe, durch dad augens 
blicklich angeregte Gefühl entfchieden, über die Lebendigkeit 
des Wunſches die Erörterung bed Mitteld vergefien und ber 
Meinheit der Empfindimg die Rechtfertigung der willfürlichen - 
Abfindung überlaffen. Die Schotten kehrten entweder zu den 
Ihrigen zuruͤck oder. bequemten fi zu den Anfichten dev Mehr: 
heit und wurden fo ben chriftlichen Angelfachfen durch die Ges 
lehrſamkeit ihrer Schule nüglich; mit jenen Heinen Aufferlichs 
feiten ſchwand aber der große verborgne Einfluß, den ihre 
Kirche im Gegenſatze mit dem damals noch weniger befeſtig⸗ 
ten Papſtthume wahrſcheinlich erreicht hätte. | 
Oſwiu felbft erſcheint durchdrungen von der Nothwendigs 
keit der Einheit der. angelfächfifchen Kirche, und feine Stellung 
als Bretwalda, den. wir häufig auf eine nicht anders erklaͤr⸗ 
liche Weife in die Eirchlichen Angelegenheiten ber einzelnen Staa⸗ 
ten einwirkend finden ?), berechtigte und veranlafite ihn zur 
Ausführung dieſes wichtigen Gebantend. Als der erzbiſchoͤf⸗ 
liche Sitz zu Canterbury nach einigen Jahren, durch das Ab⸗ 
leben des fechöten Erzbiſchoſs Deusdedit, erledigt war, berieth 664. 
er fi) mit dem Könige Egbert von Kent, der in demielben 
Sabre auf die vierundzwanzigjährige‘ Regierung feines Vaters 
Ercombert gefolgt war, über das Intereſſe der Landeskirche 
und vereinte fich mit demfelben dahin, den Wigheard ald Pris 
maten dem Papſte Vitalianus zu empfehlen, um burch jenen 


1) Haec dicente rege, faverunt adsidentes quique sive adstantes, 
majores una cum mediocribus, et abdicata minus perfecta institutione, 
ad ea quae meliora cognoverunt sese transferre festinabant — find 
bie für die Verfaſſungsgeſchichte merkwuͤrdigen Worte Bedas 1. V. 
ce. 25 fg. 

2) So fahen wir Oſwald von Northumbrien das Biſchofthum Dor⸗ 
die für Weſſer ſtiften; der Bretwalda MWulfhere von Mercien vertaufte 
das Bisthum London in Eſſexr. 


| 166 . Bmweite Abtheilung. 
667. 


bewirkte unter der unfcheinbaren Lehre von der rechten An | 


grave ©. 310 bie irrige Zahl 657, welche gerügt werden muß, weil 


- Über die angelfächfifchen Beichtfpiegel nicht berüdfichtigt ift. Vgl. Ra- 


Lotholifche Btfchöfe in ganz Britannien orbiniven zu laſſen 
Die Antwort ded Vitalianud an den: König ber Sachſen Of 
wiu und die ihm und der Königin übermachten Gaben ſprachen 
bie Dankbarkeit des römifchen Biſchofs binlänglich aus '). De 
Tod des Wigheard, welcher kaum in Rom eingetroffen an de 
dort herefchenden Peft flarb, wurde vom. Papfte benutzt, um 


den angelfächfiichen Bifchöfen einen feiner Anficht treuergebnen, % 


durch Alter und Erfahrung ehrwuͤrdigen, durch feltene Kennt 
nifle ausgezeichneten Erzbiſchof vorzuſetzen. Theodor, aus Tar 
ſus?) in Cilicien, folgte auf dem von ben Phoͤniciern einſt ge & 
wiefenen Pfade über Maffilien, zu Arles wie zu Paris beim 
Erzbifchofe Agilbert verweilend, nach Kent. Theodor, ehr Wi 
voll empfangen,  bereifte ſogleich alle angelſaͤchſiſche Staaten, 


feßung des Ofterfeftes die allgemeine Anerkemmung ber roͤmiſch⸗ 

Eatholifchen Kirche, fuchte jede fernexe und ſelbſt jede Spur J 
früherer Einwirkung fchottifcher Geifllichen auf die Wahl un 
Drdination der Bifchöfe feines Sprengeld zu entfernen, ver 
breitete den bisher mur in Kent üblichen vömifchen Kirchenge⸗ 
fang auch im Norden ded Reiches’), ımb währenb er ale 
bie angelfächfifche Kirche zuerft unter ſich wereinte*), ſtaͤckte 

md an die Kirche des Fefllandes anfchloß, bemühte er fich zw 
gleich mit Erfolg bie Geiftlichkeit diefes Landes durch Mitthei⸗ 


1) Beda I. III. c. 29, et. IV. 1. Auch hier findet ſich bei var 


fie durch chron. saxon, ad a. 656 unterftüt foheinen kann. 

2) Die Worte, in denen auch Paul Warnefrid de gestis Lon- 
gobardorum 1. V. c. 80. der Sendung des Theodor ermähnt, find aus 
Bedas chronicon ad a. 671 abgefchrieben und erweifen, wie tiefes 
Werk von jenem benugt wurde. Nicht aus Beda iſt aber bie glei 
folgende Nachricht des Paulus, daß Theodor eine vortrefflihe Buß | 
ordnung abgefafft habe, welche Notiz bei den netieren Unterfuchungen 


dulfi de Diceto abbreviat. chron. ad a. 671, J. Bromten 
chron, p. 741. | 


8) Beda 1. IV. c. 2. Bon einem frügern Verſuche ſ. Denſel⸗ P 
ben II. 20. 


: 4) Isque primus erat in episcopis, ei omno⸗s Anglorum ecchesise | 
manus dare consentirent. Beda IV, 2. 





L 2 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 467 


ung feiner eigenen höheren Bildung ber der übrigen chriſtlichen 
Belt gleichzuftellen. Es wird noch von Beda anerkannt,. daß 
iin Baterland dem Theodor die Kenntniß der Metrik, ber 
iſtronomie und ber geiſtlichen Arithmetik, worunter auch die 
tonpfifche Zeitrechnung zu verſtehen iſt, ſowie jene Männer 
erdanke, welche das Griechiſche) und Lateiniſche — damals 
xeilich keine todten Sprachen — gleich ihrer Mutterfprache 
edeten. 

Den wichtigſten Beiſtand erhielt Theodor durch den der 
Bsnifchen Kitche ergebnen Biſchof von York, Wilfrid, einem 
nzech! chrifllichen Eifer, feltene Bildung und bedeutende Geiz: 
teöfrafte meskwindigen Mann, deſſen ereignißvolles Leben um 
einer felbft willen unfere Aufmerkſamkeit an fich zieht, durch 
eſſen Verknuͤpfung aber mit wichtigen Momenten ber in bie 
a Zeitalter mit ber ber Kirche eng verbundmen Gefchichte 

es Landes gebieterifch fodert ?). | 

Wilftid war. von ebler Geburt und mit allen jenen Gas 
en ber Natur auögeftattet, deren. Einfluß bei rohen Bölkern 
mens abfiracten Begriffen bingegebnen Zeitalter faft fabelhaft 
— Schon im dreizehnten Jahre, da. der angelſaͤchſiſche 

daabe ſchon als muͤndig betrachtet wurde, beſchloß er von ſei⸗ 
en Eltern zu ſcheiden und der Welt zu entſagen. Ritterlich 
usgeruͤſtet wurde er an ben Hof Oſwius geſandt und durch 
ie Begimſtigung der Königin Eanfleda yon dem Kaͤmmerer 
dba, welcher irbifche Freuden und Gorgen gegen die Ein⸗ 
amkeit und die Regel des Klofterd zu Lindiöfarne vertaufcht, 
3 baffelbe aufgenommen. Ex zeigte bier fo viel Demuth als 


- 1) Man findet bei den Angelfachfen bie ſ. g. reuchlinfche Ausſprache 
ber den Stacifmus, welcher auf den Erzbiſchof Theodor zuruͤckgefuͤhrt 
ird. 
2) Eines der aͤlteſten vorhandenen literariſchen Werke eines Angel⸗ 
chſen ift die Inteinifche vita Wilfridi durch Äddi Stephanus, welchem 
Büfrid, um die Angeln ben römifchen Kirchengeſang zu lehren, aus Kent 
ach Rortyumbrien gerufen hatte. Gedruckt bei Gale T. I. Aus biefer, 
3 Beda, einer metrifchen vita durch Fridegod, Eabmer (bi 
fabillon saec. III. p. t) und Wilhelm von Malmesbury (de 
estis pontificam 4. III.) hat Smith, im appendix Nr. XIX. ad 
eodam, eine verdienſtliche chronologiſche Überficht der er Bi 
ids entworfen. 


667. 


166 | . Bweite Abtheitung. 


katholiſche Btfchöfe in ganz Britannien orbiniren zu laffen: 
Die Antwort ded Vitaliamıd an ben: König ber Sachſen Oſ⸗ 
wiu und die ihm und der Königin übermachten Gaben [prachen 
bie Dankbarkeit des römifchen Biſchofs hinlänglich aus ’). Der 
Tod des Wigheard, welcher kaum in Rom eingetroffen an ber 
dort herrfchenden Peft flarb, wurde vom. Papfte benust, um 
ben angelfähfifhen Bifchöfen einen feiner Anſicht treuergebnen, 
durch Alter und Erfahrung ehrwürdigen,. durch feltene Kennt⸗ 
niffe ausgezeichneten Erzbiſchof vorzuſetzen. Theodor, aus Tar⸗ 
ſus?) in Cilicien, folgte auf dem von ben Phönkiern einft ge⸗ 
wiefenen Pfade über Maffilien, zu Arles wie zu Paris beim 
Erzbifchofe Agilbert verweilend, nad) Kent. Theodor, ehren: 
vol empfangen, berelſte fogleich alle angelſaͤchſiſche Staaten, 


bewirkte unter der unfcheinbaren Lehre von der rechten Ans 


ſetzung des Ofterfefles die allgemeine Anerkenmung ber roͤmiſch⸗ 
katholiſchen Kirche, fuchte jede fernexe und felbft jede Spur 
früherer Einwirkung fchottifcher Geiſtlichen auf die Wahl und 
Drdination der Biſchoͤfe feines Sprengeld zu entfernen, ver: 
breitete den biöher nur in Kent uͤblichen römifchen Kivchenges 
fang auch im Norben des Reiches’), und während er alfo 
die angelfächfifche Kirche zuerft unter fich vereinte*), flärkte 
md an die Kirche des Fefllandes anfchloß, bemühte er fich zu 
gleich mit Erfolg bie Geiftlichkeit diefes Landes durch Mittheis 


1) Beda I. III. c. 29, et. IV. 1. Auch hier findet fi bei Pal: 


U grave ©. 310 die irrige Zahl 657, welche geruͤgt werden muß, weil 


fie durch chron. saxon. ad a. 656 unterſtuͤtzt ſcheinen kann. 

2) Die Worte, in denen auch Paul Warnefrib de gestis Lon- 
gobardorum 1, V. c. 80. der Sendung des Theodor erwähnt, find aus 
Bedas chronicon ad a. 671 abgefchrieden und erweifen, wie biefes 
Wert von jenem benugt wurde. Nicht aus Beda iſt aber bie glei 
folgende Nachriht des Paulus, daß Theodor eine vortreffliche Buß: 
ordnung abgefafft habe, welche Notiz bei den neueren Unterfuchungen 


- über die angelſaͤchſiſchen Beichtfpiegel nicht beruͤckſichtigt iſt. Vgl. Ra- 


dulfi de Diceto abbreviat. chron. ad a. 674, J. Bromton 
chron, p. 741. 


8). Beda |. IV. c. 2. Ron einem frühern Verſuche ſ. Denſel⸗ 
ben II. 20. 


4 Isque primus erat in epissopis, cui_ommes Anglorum eccihesise 
manus dare consentirent. Beda IV, 2. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 467 


Jung feiner eigenen höheren Bildung der der übrigen chriſtlichen 
Belt gleichzuftellen. Es wird noch von Beda anerkannt,. daß 
fein Vaterland dem Theodor die Kenntniß der Metrik, der 
Aſtronomie und der geiftlichen Arithmetik, worunter auch die 
Dionpfifche Beitzechnung zu verfiehen ift, ſowie jene Männer 
verdanke, welche das Sriechifche *) und Lateinifche — damals , 
freilich Feine todten. Sprachen — gleich ihrer Mutterſprache 
redeten. 

Den wichtigſten Beiſtand erhielt Theodor durch den der 
rdmiſchen Kirche ergebnen Biſchof von York, Wilfrid, einem 
Durch! chriſtlichen Eifer, feltene Bildung und bedeutende Geis 
ſteskraͤfte merkwuͤrdigen Mann, deſſen ereignißvolles Leben um 
feiner felbft willen unfere Aufmerkſamkeit an fich zieht, durch 
deſſen Verknuͤpfung aber mit wichtigen Momenten ber in bie 
sem Zeitalter mit der ber Kirche eng verbundmen Geſchichte 
des Landes gebieteriſch fodert ?). | 

Wilfrid war von ebler Geburt und mit allen jenen Ga 
ben ber Natur ausgeftattet, deren Einfluß bei rohen Boͤlkern 
einem abſtracten Begriffen hingegebnen Zeitalter faſt fabelhaft 
erfcheint. Schon im dreizehnten Iahre, da. der angelfächfiiche 
Kuabe fchon als muͤndig betrachtet. wurde, beſchloß er von fei- 
nen Eltern zu fcheiben und der Welt zu entfagen. MRitterlich 
ausgerüftet wurbe er an den Hof Oſwius gefandt und durch 
die Begimfligung der Königin Eanfleda yon dem Kämmerer 
Cudda, welcher irbifche Freuden und Sorgen gegen bie Ein- 
ſamkeit und die Regel des Klofterd zu Lindisfarne vertaufcht, 
in baffelbe aufgenommen. Er zeigte bier fo viel Demuth als 


1) Man findet bei den Angelfachfen die ſ. g. reuchlinſche Ausfprache 
ober den SItacifmus, welcher auf den Erzbiſchof Theodor zuruͤkgefuͤhet 
wird. 

2) Eines der aͤlteſten vorhandenen Hterarifchen Werke eines Angel⸗ 
fachfen iſt die lateiniſche vita Wilfridi durch Uddi Stephanus, welchen 
Silfrid, um die Angeln den roͤmiſchen Kirchengeſang zu lehren, aus Kent 
- nach Rorthumbrien gerufen hatte. Gedruckt bei Gale T. I. Aus biefer, 
aus Beda, einer metrifhen vita buch Fridegod, Eadmer (bei 
Mabillon saec. III. p. 1) und Wilhelm von Malmesbury (de 
gestis pontificam 1. III.) hat Smith, im appendix Nr. XIX. ad 
Bedam, eine verbienftliche chronologiſche Überfücht der Seſhihte Bu 
frids entworfen. 


168 Zweite Abtheilung. 


Geiſtesgaben Auſſer andern Büchern konnte er fämmtliche 
Pſalmen, nach der bei den Schotten geltenden Verdolmetſchung 
(emendatio) des Hieronymus, berfagen. Seine Sehnfucht 
vie Kirche des Apofteld Petrus zu fehen und anzuflehen, konnte 
der Königin und ihren roͤmiſch⸗katholiſchen Begleitern um ſo 
willfommener fein, je feltner und ımerhörter diefer Wunſch bei 
feinen Landsleuten bisher geweien war. . Sie fandte ihn daher 
zu ihrem Bruder Erconbert, dem Könige von Kent, wo et 
mit der römifchen Kirchenlehre fich vertraut. machte, wozu auch 


die Erlernung ber Pfalmen nach der fünften roͤmiſchen Ausgabe 


gehörte. Er wurbe als Heifegefährte dem Biſcop, genannt 
Benedict '), mitgegeben, einem auägezeichneten Manne, welcher 
um das Kirchenwefen und die Bildung Northumbriens ſich ſpaͤ⸗ 
ter fehr. verdient machte, und ber. als Abt des von ihm geftif 
teten und durch Künfte und wiſſenſchaftliche Schäge nicht min⸗ 
der ald feinen berühmten Prieſter Beda  verherrlichten Kloſters 
zu Wearmouth flarb ). Als der Herrliche Süngling durch yon 
wanderte, wurde ber bortige Erzbifchof Delfinus von ber ihm 
wunderbaren, milden und geiftoollen Exfcheinung fo ſehr ges 
rührt, daß er den Angelſachſen lange bei fich. behielt, ihm an: 
bot ihn ald Sohn anzunehmen und ihm feines Bruders Zoch: 
ter Hand fowie bie weltliche Herrſchaft über einen Theil 


Galliens zu verſchaffen. 


Wilfrid eilte jedoch nach Rom, lernte die vier Evange: 


dien beſſer ald bei ben Schotten kennen, die roͤmiſche Lehre 


‚ 1) Babucing bei Edrine Gap. II. ift vielleicht ber echte Ge⸗ 


ſchlechtsname, wie die Endung vermuthen Iäfft. 

2) Es ſei geftattet in der Geſchichte der Angelfachien, welche fo 
häufig auf eine höhere Bildung, als denfelben zugetraut wird, hinzudeu⸗ 
ten bat, auf bie in unfern Kunftgefhichten unerwähnten Gemälde auf: 
merkfam zu machen, weiche Benebictus' feit dem 3. 678 aus Rom nad) 
Wearmouth brachte. Wir erfennen daraus, wie viel zu Rom gearbeitet 


‘ober body gefammelt wurbe, und bemerken bei biefen Gemälden diefelben 
Gegenſtaͤnde und dieſelbe Darſtellung, welche ſeit laͤnger als einem Jahr⸗ 
tauſend bei den bildenden Kuͤnſten fi erhulten haben. ©. Bedae vita 


abbat. Wiremuth. bei Smith p. 295 et 297. Ein hier nicht fpeciell 


angefuͤhrtes, doch vielleidye unter ben imagines evangelicae historiae 
‚begriffenes Bild fcheint dem Beda vorgeſchwebt zu haben, - als er bie 


heil. drei Könige beichrieb. 


Bon Mitte des 8. bis Ende bes 8. Jahrh. 169 


von Oſtern, welche er, sole wir oben gefehen haben, hernach 
ſiegreich anwandie, ſowie er auch bie Benebictinerregel, das 
römifche Kirchenrecht und was fonft: den Geiftlichen diefer Kirche 
eigenthuͤmlich war, fich: vertraut machte. :-Auf feiner Ruͤckkehr 
verweilte er drei Jahre bei feinem: Freunde Delfinus und er⸗ 
‚weiterte feine gelehrten: Kenntniſſe durch den Beſuch der be⸗ 
Deutendften Lehrer. Er befannte ſith auch nunmehr als gaͤnz⸗ 
lich der roͤmiſchen Kirche ergeben, indem er die Tonſur des 
heil. Petrus annahm, aus einem die Dornenkrone Chrifti’ nach 
bitdenden Kranze . von’ Haaren beſtehend, während die ber 
Schotten. einem ganz Fahlgefchornen Kopfe nur ein Buͤſchel 
Haare am Hinterkopfe ließ. Er wurde: hier in die Berfok 
‚gung der Königin. Bathilde und bes Majordomus Ebruin ges 
gen ben Erzbifchof verwickelt, jedoch der fchöne Züngling durch 
ein wunderbares Mitleid feiner Verfolger vom‘ Maͤrtyrertode 
befreit. Er eilte jest in fein Vaterland zurlicl, wo er, von dent 
Könige Alchfrid ehrenvoll aufgenommen und zum Abte dei - 
Aloſters Hrypum orbinirt, gleich einem Propheten von Hohen 
und Niederen verehrt wurde. Nach der Diputation mit dem 
Biſchofe Colman zu Streonesheale erwaͤhlten die Könige Dfs 
wiu und fein Sohn mit den Weifen ihres Volkes den Abt 


WBilfrid zum Biſchofe von York, und diefer ging nach Paris 


um ſich daſelbſt von Agelberct ordiniren zu laſſen. Auf. der 
Ruͤckkehr nach Northumbrien warf ihn ein Sturm an die Kuͤ⸗ 
ſten der noch heidniſchen Suͤdſachſen, welche das ſtrengſte 
Strandrecht gegen die gelandeten Fremden ausüben wollten: 
Der Oberpriefter. der Heiden ſtand auf einer Fleinen Erhöhung, 
um durch Fluch und magiſche Künfte die Fremden zu ents 
fräften, deren einer jedoch mit Davids Muth und Glüd .einen 
Stein gegen ihn ſchleuderte. Des Heidenprieſters Fall ent⸗ 
zundete die Wuth der Seinigen gegen bie kleine Schaar der 
Fremden, welcher eö jedoch, nach viermal wiederholten: Ge: 
fechte, mit der wiederkehrenden Fluth gelang ſich einzuſchiffen 
und nach Sandwich zu entkommen. 

So groß war indeß die Willkuͤrlichkeit, welche damals 
in den wichtigſten Verhaͤltniſſen Sitte war, ſo ſehr ſchwankte 
Oſwiu, fo wenig galt. ſelbſt das koͤnigliche Wort, daß der 
- König, während Wilfrids Abweſenheit, vie Wahl eines Irlaͤn⸗ 





172. .. 3Bweite Abeheikung. 


fhere überlebte diefe Niederlage nicht lange. Er war der erſte 
Regent, welcher nach einigen Kämpfen mit Weſſer Mercien 
in einer lange friedlichen und doch bedeutenden Stellung unter 
den angelfächfifchen Staaten erhalten hatte; feine Bemühungen 


um bie Verbreitung bed Chriſtenthums, zu welchem er ben 


König von Buffer Ethilwald einft bekehrt, auch die Inſel 


Bight durch den Prieſter Eoppa zu gewinnen verfucht ), fo: 


wie feine freundlichen Berhältniffe zu Wilfrid und andern 
chriſtlichen Glaubensichrern zeigen, daß er für höhere Beleh⸗ 
zung empfänglih war und bie richtige Politif feiner Zeit be⸗ 
griff. Seine letzte That, welche mehr an feinen Bater Penda 


ben Kraftoollen erinnert, können wir, lediglich auf northum⸗ 


we. 


brifche Nachrichten geftügt, nicht mit Zuverſicht beurtheilen. 


. Mit der zunehmenden Macht Northumbriens wuchs in: gleis 
dem Maße der Einflaß des Bifchofes von York, deſſen 
geiftlicher Sprengel mit Ofwius und feiner Söhne Waffen fi 
auöbreitete. Der Einfluß der Geiftlichkeit auf die Angelfachfen 
nehm fehr zu, und in dem neubelehrten Eräftigen Volke finden 
wir bald diefelben Verirrungen religiöfen Wahned, woran in 
jenen Sahrhunderten das Zeftland fo reich war. Äthelthryd, 
Die Zochter des. Anna, Könige der Oſtangeln, zuerft dem 
Fuͤrſten der Suͤdgyrwier und nach deſſen frühem Tode dem 
Könige Ecgfrid verlobt, hatte dem hohen Vorbilde chrifklicher 
Frauen auch in der Bewahrung ewiger Iungfraufchaft folgen 
wollen, und bad Kloſter und die Hoffnung auf dereinflige 
Kanonifirung gegen haͤusliches Gluͤck und weltlichen Glanz ver: 
teufcht ?). Obgleich weniger durch Athelthryd ald durch Er⸗ 


nmienburga, welche Ecgfrid, von’ jener gefchieben, geheirathet 


batte, begünftigt, beförberte Wilfrid den Ausbruch des mit feinem 


Wulfhere war ſchon 675 geftorben, f. chron. saxon., und fein Rachfols 
ger. Ädilred verwüftete Kent im 3. 676, f. Beda IV. 12. Auch bie 
Reihefolge der Erzählung des Äd di Gap. 20 fg., ber diefen Sieg in 
primis annis Ecgfridi regis vor Wulfheres und mehrere Sabre vor Das 
goberts Tode (678) fegt, deutet die richtige Zeitfolge an. Die Heine 


Ghronik bei Wanley ©. 288 giht uns bie Sahreszahl 674. 


1) Chron. saxon, ad a. 661. 


96. Beda L IV. Will. Malmesb: L w. Vita 8, Ethel- 
fhrydis bei Mabillon saec, I. 


Don Mitte das 5. bis Ende des 8. Jahrh. 173 


fleigenden Anfehn begrünbeten Zwieſpalts der Höheren Geiſtlich⸗ 
Feit unter fi) und der beginnenden Eiferfucht der weltlichen ges 
gen die geiflliche Macht. Hatte gleih Wilfrid feinem Bis⸗ 
thume den alten erzbifchöflichen Zitel nicht wieder beigelegt, fo 
durfte Doch der Erzbifchof von Kanterbury nicht erwarten, daß 
ber nordifche Prälat feiner großen  Didcefe Die alten echte 
nicht wieder verfchaffen würde, und den Königen Ecgfrid und 
Alfwin wurde die Gefahr bargeftellt, welche die Schäge und 
Dad Anfehn des Biſchofs von York ihm ‚bringen koͤnnten. 
Die Könige und der Erzbifchof vereinten fich daher dad Bis⸗ 
thum York an drei neue Bifchöfe zu vertheilen, ben von Deira 
zu York, den von Bernicien zu Herham oder Lindisfarne 
und ben von Lindiffe zu Sidnacefter. Wenn auch nicht die 
Gewaltfamkeit des Verfahrens, fo erfcheint doch die Abficht 
ber Verkleinerung des Bisthums, dadurch gerechtfertigt, daß 
bald darauf durch Wilfrids Mitwirkung auch Mercien, wo 
bisher die Grenzen des Königreihd denen bed Bisthums 
glei waren, unter zwei und fpäter unter brei Bifchöfe vers 
theilt wurde '). Auch Oſtangeln wurde zu der Zeit des Erz⸗ 
biſchofes Theodor in zwei Bisthuͤmer vertheilt. 
Alles perſoͤnliche Anſehn welches Wilfrid genoß, ver⸗ 
mochte keine Änderung jener Entſcheidung zu bewirken. Seine 677. 
Gegner waren vielmehr fo gereizt, daß, ald er mit einem 
Heere von Geiftlihen England verließ ?), der König von Neu⸗ 
fitien und Burgund und fein mächtiger Hausmeier Ebruin vers 
mocht wurden ihm auf der Durchreife nach Rom einen Hin: 
terhalt zu legen; ein Anfinnen welches eine nähere Verbindung 
zwifchen beiden Höfen vorausfegen laͤſſt, ald die Dunkelheit 
jener Zeiten und zu erkennen geftattet. Die Willfährigkeit der 
‚ Neuftrafier den Wilfrid zu verfolgen, fcheint dadurch verans 
laſſt zu fein, daß derfelbe vor einigen Jahren ihren Feind, den 
auftrafifhen König Dagobert IL, welchen nach Iangjähriger 


1) €. Will. Malmesb. de gestis pontif. 1. IV. p. 288. ‚ 
2) Die Flut Wilfrids muß in das Zahr 677 gefegt werben, ba 
er im folgenden Brühjahr noch den im Iahre 678 ermordeten Dago: 
bert U. ſprach. Die Angabe Bedas (I. IV. c. 18.) und ber chron. 
saxon. über da8 Jahr 678 find auf die Drbination feiner Rechtoiger zu 
beziehen. 


- 


174 weite Abtheilung. 


Verbannung feine Freunde in Itland wieder. entdecten, auf des 


zen Bitte, zu feinem Reiche, durch die Waffen der Seinigen 
unterflügt, zurüchzußehren, veranlafit und mit reichen Gaben 
befchenkt hatte. Ein Sturm, welcher das Schiff des Wilfrid 
nach Friesland trieb, rettete diefen, und eine täufchende Na⸗ 
mendähnlichkeit brachte den gleichfalls vertriebnen Bifchof Wul⸗ 


frid von Litchfield in die Haͤnde der Wegelagerer. Die wichtig⸗ 


ſten Folgen aber hatte Wilfrids Landung in Friesland für 
die dortigen Eingebomen und hernach für einen, großen Theil 
des nördlichen Europas. Wilfeid wurde von dem dortigen 
König Aldgiſl freundlich aufgenommen und gegen bie bis das 
bin ihn verfolgende Hinterlift ded Hausmeierd Ebruin gefchüßt. 
Gefördert durch den Wahn des Volkes, welcher feiner bedeutſa⸗ 
men Perfönlichkeit die Ergiebigkeit des Fifchfanges, den Reichs 


thum der ‚Ernte jened Jahres zufchrieb, predigte er den 


Frieſen in der denfelben leicht verſtaͤndlichen angelfächfifchen 


Mundart die. Lehren Chrifli und taufte faft ale Zürften und 
viele Tauſende aus dem Volke. 

So ward dem Wilfsid befchieben ber Erſte auf der Bahn 
der unzähligen angelfächfifchen Miffionare und Geiftlichen zu . 


"fein, welchen die germanifchen Länder an der Nord= und Oft‘ 


See und manche füdlich gelegne Provinzen das Chriftenthum 
und die demfelben enge verknüpften Bildungselemente verdankten. 


Seine nächflen Nachfolger waren feine Schüler Willibrord, 


unter dem Namen Clemend erfter Bifhof von Utrecht; der 
thuͤringiſche Apoſtel MWinfrid oder Bonifaz, Erzbifchof von 
Mainz; Liafwin, glüdlih in der Belehrung der Sachen; 
Willehad aus Northumbrien, Freund Alcuind, der erſte Bifchof 
von Bremen; Willibald, erfter Biſchof von Eichflebt, und def: 
fen Bruder Wunibald. Auch mehrere andachtige und begeifterte 


Ä Angelfächfinnen finden wir in Deutfhland: fo Leobgytha, 


welche von ber Abtiffin Eadburg die Dichtkunft gelernt hatte; 
Thecla, Äbtiſſin des Klofterd zu Kigingen u. A. Durch bie 


. Verbindung der Dänen mit England begünftigt, folgte bis zu 


Ende des elften Jahrhunderts eine große Zahl, bedeutender Maͤn⸗ 
ner, deren Einfluß auf die Cultur des Nordens häufig ganz 
überfehen, gewiß aber zu geringe gejchägt worden if. Die 
Zurüdbleibenden ermuthigte‘ und befefligte im Glauben an bie 


Bon Mitte be3-5. bis Ende des 8. Jahrh. 175 


Kirche der erfle Abt von Malmesbury aldulftburg) und 
nachherige Biſchof von Shireburn, Aldhelm, der zuerſt unter 
den Angelſachſen das ganze damals vorhandene Erbtheil roͤ⸗ 
miſcher Wiſſenſchaft und Kunſt ſich aneignete und den groͤ⸗ 
Fern "Ruhm erwarb, zugleich in der. germaniſchen Sprache 
unter den aͤlteſten ber erſte bedeutende Dichter geweſen zu 
ein 9. 
Wir koͤnnen hier aber die Verdienſte der Angelſachſen nicht 
hervorheben, ohne der aͤhnlichen ihrer Lehrer, der Scoten, wie⸗ 
derum zu gedenken, um ſo mehr, da Beide in dieſer Bezie⸗ 
hung zuweilen gemeinſchaftlich wirkten, und jene unter dem 
Namen der Letzten haͤufig begriffen worden ſind. Bei Beiden 
dürfen wir abet die Bemerkung nicht übergehn, daß ihre Aus⸗ 
wanderungen nicht immer den unmittelbaren Zweck einer Be⸗ 
kehrungsreiſe hatten, ſondern daß bei dem Mangel der ſpaͤteren 
eigenthuͤmlichen Moͤnchsregel mehrere Jahrhunderte hindurch 
die welche ſich einem ſtrengeren, beſchaulichen Leben weihen 
wollten, allein oder mit wenigen Gleichgeſinnten ihre Heimat 
zu verlaſſen und zu einer einſamen oder an einen durch eine 
frühe Weihe ausgezeichneten Ort zu pilgern pflegten, welche 
Sitte die Scoten noch lange beibehielten?). Als die Angels 
ſachſen ein neues Heidenthum in Britannien auszubreiten kaum 
begonnen hatten, hatte bereits Fridolin aus Irland auf einer 
Rheininfel das Kloſter zu Seckingen geſtiftet und eine Kirche 490. 
dem heil. Hilarius geweiht, deſſen Befikungen feinen Namen 
dem Canton Glarus verliehen haben’). Im Anfange bes fies 
benten Jahrhunderts folgte der Freund des heil. Columba von . 


I) ulphilas und einige Andere kennen wir nur als Überfeger. - 
Den Angelſachſen Caedmon aber, der vor Aldhelm flarb (+ 680), ftellt 
König Alfred ſtillſchweigend unter jenen in feinem Ausſpruche bei Will. 
Malmesb. de pontificibus I. V. Aldhelmus nativae linguae non ne- 
gligebat carmina. — Teste libro Alfredi (manuali libro sive handboc) 
nulla aetate par ei fuit quispiam poesin anglicam facere posse. S. 
Gale I. 340 et 342, Der Eönigt. Geſellſchaft der Alterthumsforſcher 
zu London verdanken wir eine neue von Thoope redigirte Ausgabe 
und liberfegung der Fragmente des Caedmon, worüber von mir in ben 
berlin. Jahrb. f. wiffenfchaftl. Kritit, 1833, Bericht erftattet ift. 

2) ©. Osberni vita S. Dunstani 1, I. c. 1. 
3) 3, v. Müllers Geſchichte der. Schweizer 8. I. Gap. 9. 


16... Bweite Abtheilung. 


Sena, Columbanus mit feinem Schüler Salus, in diefe Se 
genden, wo der Name des Lebteren einem der merkwürbigften 
Schweizercantone verblieb und fein Klofter auf beutfchem Bos 
den, die wichtigfle Schatzkammer der Wiffenfchaft und Dichts 
Zunft des Mittelalterd geworben ifl. Ron Columba leiten. das 


0 Kofler zu Luxeuil in den Vogefen, dad Klofter Bobbio u. a. 
680. 


ihre Begründung ab. Später flifteten der Scote Kilian mit feis 
nen Gefährten Coloman und Zottman ein Klofter zu Würz 
burg, deſſen Bibliothek in fhägbaren Denkmaͤlern irländifcher 
Sprache den Beweis feiner Abkunft aufbewahrt, nachdem jene 
ben Franken Gozbert getauft hatten. Ein Zeitgenofje des Bo⸗ 
nifaz war der Scote Virgilius, Bifchof zu Salzburg. Zu ven 
älteflen Stiftungen der Scoten fcheint auch das Klofter zu 
Perronne zu gehören‘). Die Abtiſſin von Nivelle, Gertrube, 
Pipins Zochter, fowie die bed Majordomus Grimmwald 
lieffen viele gelehrte Scoten nach Frankreich heruͤberkom⸗ 
men. Das Klofter des heil. Martin zu Cöln?), bes heil. 


Jakob zu. Regensburg, der heil. Maria zu Wien find nur 


einige der vielen Stiftungen, welchen Deutfchland fowie ans 
bere Länder die Verbreitung und Befeſtigung chriftlicher Leh⸗ 


zen, Erhaltung der Gelehrfamkeit und wohlthätige Verwendung 
irdifcher Güter verdanken‘). Der Beſitz anfehnlicher Pfrüns 


den erregte oft die Nationaleiferfucht gegen die Schotten, 
welche jedoch ſtets bie verloren Anrechte wieder zu behaupten 
wuſſten, und jene uralten Verbindungen der Schottenklöfter 
mit dem Mutterlande, welche nie abgebrochen wurden und oft 
fi) diefem wie jenen wohlthätig in weltlichen und geiftigen 
Gaben erwiefen*), find bis heute in einzelnen Spuren erhalten. 
| 

4) Annales mettenses ad a. 690. Beda I. IV. c. 19, bigue 
Smith. 

2) Perg hat eine CEhronik dieſes Kloſters v. J. 7856 — 1021 zum 
erſten Male abgedruckt in den monument. histor. german. T. II. p. 215. 

8) gl. Murray comment. de Britannia et Hibernia sec, 6—-10, 
literarum doimicilio in Nov. comment. societ. gottingens. T. II. 
Bon Scoten im Norden vgl. vorzüglid Dicuilus de mensura orbis 
und Adam von Bremen. 


4) ©. unten vom König Äthelften 3. 3. 929. 


Bon Mitte des.5. bis Ende des 8. Jahr. 177 


Wenn alfo beſonders Deutſchland den britiſchen Geifilichen 
verwandten ſowie celtiſchen Stammes das Chriſtenthum und 
die erſte wiſſenſchaftliche Ausbildung verdankte, ſo muſſten auch 
viele hiſtoriſche Sagen aus dem alten nach dem neuen Vater⸗ 
lande mit heruͤber wandern. Wir erinnern hier nur an die 
Sage von der Ankunft der Sachſen in Hadeln; die aͤltere daͤ⸗ 
niſche Geſchichte iſt mit engliſchen Sagen durchwirkt. Mit den 
angelſaͤchſiſchen Schriften wanderten ſogar die älteften ſchrift⸗ 
lichen Zeitbuͤcher heruͤber, und wir beſitzen noch in den aͤlteſten 
Annalen deutſcher Kloͤſter einige der britiſchen Geſchichte ange⸗ 
hoͤrige Zeitbeſtimmungen, woruͤber die Niederzeichnungen in Eng⸗ 
land verloren gegangen ſind. Wir moͤgen es wohl dieſen 
Fremden zuzuſchreiben haben, daß in den aͤlteſten kleinen Chro⸗ 
niken, in denen jedes Wort uns willkommene Aufſchluͤſſe uͤber 
die dunkle Vorzeit geben muͤſſte, ſtatt vaterlaͤndiſcher Namen 
und Berichte oft unverſtaͤndliche und gleichguͤltige Namen bri⸗ 
tiſcher Geiſtlichen enthalten ſind; doch verdanken wir denſelben 
auch die fruͤhe Grundlegung des bedaiſchen Zeitbuches bei den 
baldigen Fortſchritten der Wiſſenſchaft)y. 

Wilfrid ſetzte im folgenden Jahre ſeine Reiſe nach Rom 
fort, nachdem er das von ſeinem koͤniglichen Freunde Dago⸗ 
bert angebotene Bisthum. Strasburg ausgeſchlagen hatte. Der 
König der Longobarden, Bertari, den angelfächfifchen Herrfchern 
befreundet und verwandt, nahm den würdigen Geiftlichen 
ehrenvoll auf und wies das Anliegen feiner britifchen Feinde, 
den Flüchtling feflzuhalten, mit Verachtung ab). Der Schuß 
des Papfled war in den angelfächfifchen Angelegenheiten noch 
nicht in Anfpruch genommen worden, und ed kann, wenn wir 
der Berhältniffe zu ber altbritifchen Geiſtlichkeit ſowie der Kürze _ 


1) ©. bie Sintetung. 


2) Der Ausdruck des Äddi, Berchterus rex Campaniae, iſt oft 
misverftanden. Was jener dem Berchterus über feine eigene Flucht zu 
ben Hunnen in den Mund. legt, flimmt ganz mit dem überein, was 
Paul Warnefrid ung über Bertari berichtet. Er ſelbſt hatte in Bris 
tannien Hülfe nachfuchen wollen, und fein Sohn Gunibert war mit einer 
Angelfachfin Hermelinde vermählt. Vgl. unten bei Caͤadwalla von Wels 
fer. Campania ift vielleiht nur die Nachbildung bes Vortes dange⸗ 
Börbe. Paul. Diac. de gestis Longob. 1. V. c. 32. 87. ' 

Lappenberg’s Geſchichte Englandos - - 12 





537 


October. 


178 3weite Abtheilunmg.. : 


der Zeit, feit welcher Rorthumbrien der katholiſchen Kirche an⸗ 
gehörte, gedenken, nur ald ein fehr gewagter Berfuch angeſehen 
werben, wenn Papft Agathon mit der zu Rom verfammelten 
Synode die Wiebereinfehung des Wilfrid in fein ehemaliges 
fächfifches Bisthum ') unter Androhung aller. geiftlihen Stra⸗ 
fen anbefahl.. Auch erwiefen die Bannflrahlen des Vaticans 
fich jegt noch fo kraftlos, als die Machtgebote des Eapitols es 
feit mehrern Jahrhunderten geweien waren. Eegfrid verach⸗ 
tete nicht nur die Befehle des Papſtes, fondern ließ fogar def- 
fen Schuͤtzling neun Monate im Gefängnifje fchmachten, aus 
welchem. nur kecke Lift und Vorftellungen feiner Anhänger ihn 
befreiten.. Er mufite jedoch Ecgfrids Staaten verlaflen, der 
ihn auch aus Mercien, deffen König Üthelred feiner Schwefter 
vermählt war, ſowie aus Wefler, wo des Königs Ermenburga 
Schwefter die Gemahlin des Königd Centwin war, zu vertrei= 
ben wuſſte. Als einzige Zufluchtöflätte bot fi) dem uner⸗ 


ſchrocknen, regſamen Manne das dem Einfluffe Ecgfrids un⸗ 


erreichbare Suffer dar, welches er einft in fo mißlicher Lage 
betreten hatte und defien Einwohner, ungeachtet des früher ges 
machten Bekehrungsverſuches, im Heidenthume verblieben ober 
zu beinfelben zurüdgefallen waren. Der König AWilwalch, fo 
wie feine Gemahlin Eabae, aus dem Gefchlechte der Kleinen 
Könige bed Huiccad, waren getauft; und fo wurde dem hei⸗ 
matlofen Flüchtling, den die weltliche Gewalt nicht ſchuͤtzen 
wollte, die höchfte geiſtliche nicht fehligen konnte, die Aufgabe, 
das Teste heidnifche Volk feines Vaterlandes dem Chriftenthume 
zuzuführen. Wilfrid war auch bier erfolgreich, und die Errich⸗ 


tung eines Bisthums Fonnte bald auch in Suffer befcloffen 


werden. Zu Selſea wurde ihm in einem Töniglichen Hofe ein 
Biſchofsſitz andgemittelt und derfelbe mit angemeflenen Laͤnde⸗ 


1) In feiner Bittſchrift an den Papſt nennt Milfrib ſich opiscopus 
Saxoniae. ©. Eddius bei Gale 1,66. Ebenſo Huaetberctue — 
abbas (zu WVearmouth) 8. Petri in Saxonia Bedae hist. abb, 
Wiremuth. p. 301. Wie gern Rom dieſe Berufung annahm, um 
ſich wenigftens den morgenröthlichen Schein ber Autorität über alle 
britannife Inſeln zu geben, erhellt aus den Icten dieſer Synode. 
Bl. Alberici chron, ad a. 680. | 


⸗ 
N 


Von Mitte des d. bis Ends des 8. Jahrh. 4179 


xeien und Einkuͤnften autgeflate, ſpaͤter in dig Stadt Ghiches 
ſter verlegt. 

—* hier gruppiren ſich wieder die wichtigſten Begeben⸗ 
heiten Britamiens um Wilfrids Perſon herum. Ceadwalla, 
ein Sohn des im J. 661 verſtorbenen Coenbyrht aus dem Ge⸗ 
ſchlechte Ceawlins von Weſſer, lebte verbannt in den Wuͤſte⸗ 
neien von Chiltern und Andredswald; er nahte ſich dem Bi⸗ 
ſchofe, welcher den ausgezeichneten Juͤngling freundlich empfing, 
gleich einem Sohne behandelte und ihm, wenngleid) nach un- 
bekehrt, zur Wiedererlangung feines Reichs fehr foͤrderlich war. 686. 
Bor diefer Kotaftrophe hatte Geabwalle, «6 iſt unbefannt mit 
welchen Anfprüchen und wie Wilfrids Betragen babei zu deu⸗ 
ten iſt, fhon Suffer, bei deſſen Vertheidigung Edilwalch ge- 
fallen war, erobert, doch bereits wieder verloren. Wilfrid er⸗ 
hielt nun das Bisthum in Weffer von dem ungetauften, aber 
die chriftlichen Anftalten freigebig fürbernden Könige. Dieſe 
eroberte Suſſer wieberum, bie Iufel Wight, deren Belehrung Ä 
auch noch Wilfrids Tagewerk wurbe, und zulest Kent, wobet 

er feinen Bruder Mollo verlor, welchen die erbitterten Kenter 
Ä einfam überrafchten und in einer Hütte verhrannten. Diefe 
ſchaudervolle Begebenheit mag Ceadwallas Entfchluß gereift 
‘haben, dem Glauben, ben der größte Xheil feiner Unterthanen 
längft angenommen hatte, zu huldigen; doch nicht zufrieben 
die Taufe von fenem Bifchofe fich ertheilen zu laſſen, gab er 
das in dem ſtets wiederkehrenden Triebrade der Gefchichte zum 
zweiten Male erjchienene Beifpiel eines jugendlichen, kraft⸗ 
vollen Fürften, welcher dem Scepter entfagt, um vom Heiden: 
tbume durch die Taufe in der Kirche St. Petri ſich zu tren⸗ 
nen und in Flöfterlicher Einfamkeit dem beſſern Leben in ernſter 
Beſchaulichkeit entgegenzugehn. 

Wilfrid hatte unterdeſſen mit dem reuerfuͤllten Erzbiſchof 
Theodor kurz vor deſſen Tode (+ 690) ſich ausgeſoͤhnt und 
durch dieſen mit Ethelred von Mercien, welcher ihm einen 
Biſchofsſitz — den vierten welcher dem Wilfrid zufiel — in ſei⸗ 
nem Reiche anwies, und nach Ecgfrids Tode ſeine Verſoͤhnung 
mit deſſen Nachfolger, König Aldfrid, / bewerkſtelligt. Ecg⸗ 
frid war nach einem ungerechten und grauſamen Kriege gegen 
Irland, deſſen Leitung er dem Bearth uͤbertragen hatte, und 

42 L | 





180 Zweite Abtheiluns. 


der Eroberung von Cumberland, wo er Earlifle und das Land 
Gartmel der Kirche zu Lindifarne übertragen hatte, gleich dar⸗ 

'auf bei einem Einfalle in dad Land der Picten (zu Nechtanf: 

685 mere erfchlagen. Aldfrid, ein uneheliher Sohn Oſwius, hatte 
20. Mai. viele Jahre in Irland den Studien obgelegen und war, durch 
feine Kenmtniffe in feinem Jahrhundert fehr hervorragend, von 
feinem koͤniglichen Bruber zum Bifchofe beſtimmt gewefen '). 
Doch noch immer warb dem Wilfrid Feine Ruhe. Hatte er 
gleich auf Die von Theodor ihm angetragene Nachfolge im Erz 
bistpume Canterbury verzichtet und ben Berchtwald zu demſel⸗ 

ben befördern helfen, fo ſtellte fich doch dieſer nach fünf Jah⸗ 


1) Aldfrid, welder im 3. 685 dem CEcgfrid in der Eöniglichen 
Würde folgte, wird von den meiften neuen engliſchen Gefchichtichrsibern, 
mit Ausnahme von Barte und Lingard, für denfelben Sohn Ofwius 
gehalten, ‚welcher Thon 80.Iahre früher zugleich mit dieſem feinen Vater 
geherrfcht hatte. Es Tpricht jedoch gegen diefe Borausfegung der Um⸗ 
ftand, dab Beda jedesmal wenn er von dem äfteften Sohne Dfwius 
fpricht, ihn Alchfrid nennt; in Älfreds überfegung: Ealfrith, auch hier 
nie eine uneheliche Geburt andeutet. &. Histor. eccl. III, 14, 21. 24. 
28. Histor. abbat. Wiremuth. p. 298. Den fpätern König nen- 
nen er und Älfred ftets Aldfrid, Ealdfrith. Beda hist. eccl. IV, 
‘26. V, 19. 21. 24. Histor. abbat. Wiremuth. p. 297. Vita 8. 
Cuthberti. Epist. ad Ecgbertum antistitem p. 309. Ebenſo chron. 
saxon. ad a. 685 u. 705. Alcuinus de pontificibus eccl. eborac. a.' 
848. 1080, Seldſt in dem nachläffig gedruckten Zerte bes Addi bemer: 

‚ ten wir bie Verfhiebenheit der Namen Cap. 8. 56. Nirgends aber wird 
gefagt, daß der friedliche iriſche Student, der unerbittliche Gegner Wils 
frids, der frühere Schüler und Freund beffelben, ber tapfere Befieger 
Pendas, der rebelliihe Sohn Oſwius gewefen fe. Nur durch Wil: 
Yelm von Malmesbury ©. 21 erfahren wir, baß ber Baſtard der 
ältere Bruber fein foll: ein Umſtand ber, wenn er auch gegründet ift, 
dennoch gegen Beda Nichts entfcheidet. Alchfrid war 653. mit einer 
Tochter des Königs Penda vermählt. Beda IH, 21. Aldfrid Hinters 
ließ 705 einen achtjährigen Thronfolger. Die Kontichteit der Namen 
bei zwei Söhnen Tann nicht auffallen. Zu Alchfrid und. Ecgfrid gefellte 
KH Aldfeid ſehr gut für das aufmerkfame angelfächfiiche Ohr, welches 
fogar eine Verwirrung beforgte, wenn Verwandte Cedd, Geabba, 
Penda, Peada zc. genannt wurben. Ebenfo hieß Ofwius ältere Tochter, 
welde im 3. 653 Peada, Pendas von Mercien Sohn, zur Ehe erhielt, 
Alchfride; die im folgenden Jahre geborne wurde Aufiee, Aifride se 
nannt. ©, Bedal, II, o 21. 24, 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 181 


xen, in benen Wilfrid feinen Bifchofsfig in York und bie übri- 
gen Befisungen wiederum innegehabt hatte, mit dem Könige 
Aldfrid an bie Spige einer Synode, bei der die meiften Biſchoͤfe | 
Britanniend gegenwärtig waren, welche, im Gefühle der in 
den legten 22 Jahren bewährten Unabhängigkeit von dem roͤ⸗ 
mifchen Stuhle, von: Wilfried zuvoͤrderſt die Anerkennung der 
ſaͤmmtlichen Statuten und Gebote des Erzbiſchofs Theodor 
verlangte und dem ſolches Verweigernden ſaͤmmtliche Befigun- 
gen, bis auf das von ihm geſtiftete Kloſter zu Hrypum, zu 
entreiſſen befchloß ). Der fiebenzigiährige Wilfrid ertrug feine 
Schmach und die Herabwuͤrdigung der paͤpſtlichen Autoritaͤt 
ſo wenig, daß er die gefahrvolle Reiſe nach Rom wieder an⸗ 
trat, wohin die engliſche Geiſtlichkeit ihm jedoch als Anklaͤger 
zuvorzukommen ſtrebte. Nutzten dieſen ihre Anſtrengungen ge⸗ 
gen Wilfrid nicht, ſo frommte auch dieſem die ehrenvolle frei⸗ 
ſprechende Entſcheidung und die Verwendung des Papſtes Jo⸗ 
hannes VI. wenig, als er in ſein Vaterland zuruͤckkehrte. Der 
Erzbiſchof nahm den Freigeſprochenen mit anſcheinendem Wohl⸗ 
wollen auf; doch Aldfrid, den ſelbſt Wilfrids Freund und 
Biograph den Weiſeſten benennt, war zu ſehr in die Grund⸗ 
ſaͤtze der altbritiſchen Kirche eingeweiht um zu geſtatten, daß 
die von ſeinen Vorgaͤngern und von ihm, mit Zuziehung der 
Weiſen und Geiſtlichen, gefaſſten Befchlüffe durch ein roͤmiſches 
Pergamentblatt des angeblich apoſtoliſchen Stuhles?) umgeſtoßen 
wuͤrden. Der Tod Aldfrids und die von ſeiner Schweſter, 
der Äbtiſſin Älflede, und andern Anhängern Wilfrids gegebene 
Erklaͤrung, daß der Koͤnig in ſeinen letzten Stunden die Her⸗ 
ſtellung des Friedens verlangt habe, noch mehr vermuthlich 
ber Tod des Boſa, Biſchofs von York, bewirkten endlich in 
der Synode am Nithfluſſe eine Vereinbarung, welche, ſofern 
Wilfrids Anſpruͤche beruͤckſichtigt wurden, nicht als Verletzung 
des paͤpſtlichen Anſehns betrachtet werden ſollte. Wilfrid erhielt 
indeſſen durch jene nicht einmal das Bisſsthum York, welches 
vielmehr dem bisherigen Biſchof von Herham, Johannes, einen 
wegen vieler Tugenden geprieſenen Rene, ertheilt wurde, | da⸗ 


1) Bedae vita Cuthberti c. 24. En 
2) Eddius c. 56. nn : 








709. 


182 3weite Abtheilung. 


gegen das durch dieſe Veraͤnderung erledigte Bisthum Herham 

ſowie das Kloſter zu Hrypum. Nach einigen Jahren, welche 
er Almoſen ſpendend und die Kirchendiſciplin verbeſſernd zu⸗ 
brachte, ſtarb er im ſechsundfiebenzigſten Jahre; en Mann, 
deſſen Schickſale umd Thaͤtigkeit in ben europäifchen Verhau⸗ 


niſſen Englands lange Zeit unvergleichbar daſtanden. 


Wilfrid hatte durch eigene Kraft vollendet, was Augufli- 
nus vom Geile Gregord des Großen befeeit begonnen hatte. 
Das ſaͤchfiſche Inſelreich war nicht nur zum Chriſtenthume, 
fondent auch zum Fatholifchen bekehrt. Die Weltlehre ver- 
dankten die Angelfachfen großentheils den Scoten und Briten, 


die Anſchlieſſung an bas europäifche Glaubensſyſtem vorzüglich 


jenen beiden Männern. Die Verbreitung der neuen Lehre war 


freilich Tangfam in dem Laufe eines Jahrhunderts gefchehen; 


nieht die Überzeugung des Einzelnen fo fehr als die der Lan—⸗ 


desgeſammtheit wurde gewöhnlich befragt, die Mehrheit ent 


Tchied; fanden ſich hernach wieber frühere Minderzahlen ver 
ſtaͤrkt, ſo ergriff die Staatsklugheit den gebeiligten Namen 


Wodans, um neue Anfprüche mit dem Wahne uralter Begruͤn⸗ 
dung zu färben. Doc findet fi nirgends ein gewaltfames 


. Aufdeingen der neuen Religion, keine Verfolgung durch bie 


Anhänger des alten Glaubens, wenn diefe obgefiegt- hatten. 
Die Taufe gefihah gewöhnlich in großen Maſſen, dei Zaufen- 
den; denn fie war durch einen Befchluß der dabei Intereſſit⸗ 
ten, des Königs, der Prieſter, des Adels, welche die Gruͤnde 
ihres Verfahrens kamten, wenn fie and) die Worte der gegens 
wärtigen Miſſionaire nicht verſtanden, beſchloſſen; das Indivi⸗ 


duum war nur in ber Familie, in dem Staate vorhanden. 


Die Kirchengeſchichte der Angelfachfen gibt und bier manchen 


Aufſchluß über ähnliche, oft falfch gebeutete Verhandlungen bei 


andern germanifchen Volkerſchaften. 

Sy erfolgreich Auguftinuß in feinen erſten geiſtlichen Er⸗ 
vberungen für Rom erſcheint, fo ergibt der Verfolg der 
angelſaͤchſiſchen Geſchichte bald, daß, wenngleich das rorniſche 
Kirchenſyſtem anerkannt wurde, dennoch der Einfluß Roms 


ein ſehr fchwacher war, und daß die Angelfachfen, nachdem fie 


nicht länger antikatholifch waren, ſtets antipaͤpſtlich verblieben. 
Wilfrids Geſchichte wie wenig ſelbſt dieſer eiftige Ver⸗ 


Bon Mitte bes.5. bis Ende. des 8. Jahrh. 188 


chter der Päpfte bewirken konnte; boch wirb uns beshalb um 
fo wichtiger, die inneren Berhältnife ber Religion in England 
gu betrachten. . - 
Wir erblicken zuvorderft in jedem Königreiche einen Bis 
fchof, welcher mit feinen Gehuͤlfen umherreiſend Lehre und 
Cultus verbreitete. Diefe Art. des Kirchenregimentes ſchloß fich 
dem heibnifchen Prieſterthume noch fehr an. Die Bifchöfe, 
welche von der Geifllichkeit erwählt werben follten, bedurften 
ſtets der Beſtaͤtigung des Landesherrn, wurben aber in ben 
mellten Fällen von ihm ernannt. Unter den fpätern Angelfach- 
fen bemerkt man, daß fletd die Töniglichen Gapelläne die bi⸗ 
ſchoͤflichen Stellen erhielten. UÜber diefe Bifchöfe war einft der, 
weldyer zu Canterbury, ber Hauptfladt des Bretwalda Xthel- 
bert, vefibirte, zum Erzbiſchof gefest, aus demfelben Grunde 
aus welchen ber Biſchof zu Rom. fid, urfprünglih das Su- 
premat. über die Bilchöfe der roͤmiſchen Provinzen angemaßt 
hatte. Das von Gregor dem Großen angeordnete Erzbisthum 
York, welches ein dem Papfle gefährliches Primat des Tenter 
Erzbiſchofs verhindern Tonnte, ging nach der Flucht des Pau⸗ 
linus wieder ein und wurde erſt nach einem Sahrhimdert auf 
- neue ereichtet, ald Eigbert, ber Bruder des Königes Eadbar, 
auf viele Vorſtellungen beim päpftlichen Stuhle das Pallium 735, . 
het"). Ein drittes Erzbisthum wurbe für das Land zwis 
fchen der Themſe und dem Humber von bem mächtigen Koͤ⸗ 
wige Offa von Mercien, der dieſe Warde der Ehre feines Reis 
ches erfoderlich hielt, mit Bewilligung des Papſtes Hadrian, 
ben dieſe Vermehrung feines geringen Einfuffes ef bie an⸗ 


1) Appendix ad Bedae hist. ecc. Beda epist. ad Eegbertem. 
Guil. Malmesb, de gestis’ pontif. 1. II. Es iff ein Irrthum, daß 
Wilfrid den Titel eines Erzbiſchofs von York geführt habe. Beda und 
AÄddi führen Nichts an, was diefe Angabe rechtfertigt; die eben anges- 
führten Stellen entfcheiden für das Gegentheil. Palgrave gibt ihm 
diefen Zitel, durch Abſchriften von Urkunden vevleitet, welche als unecht 
verrufen find, und. wo die fragliche Urkunde in Weller, unter Ceadwalla 
ausgeftellt, ſich auf. eine unter defien Regierung dort getroffene Ein: 
richtung beziehen koͤnnte Eddium c. 41x rex Ceadrvala in omni ragno 
suo exceisum consiliarium mox ilum composuit, sicut Phanzo — Joseph. 
Tune — pontifice | nostro per Dominum elevato eic. - f 


785. 


134 Zweite Abtheilung... 


gelfächfifche Geiftlichkeit willkommen fein durfte, angeorbnetz 
doch wurde bald die alte Eintheilung wieberhergeftellt.. . .. 
Haft gleichzeitig mit den Bisthuͤmern entſtanden buch bie 
Sreigebigkeit der Könige und ihrer Anverwandten einige Kloͤ⸗ 
fler, welche zum Aufenthalte zahlreicher Mönche dienten. 
Manche diefer Klöfter im nördlichen. England find. durch die 
Normannen zerftört, und ed iſt fogar ihre Lage ungewiß. Die 
Aufficht über Geiſtliche und Laien erfoderte in den größeren 
Staaten bald mehr ald den einzigen Landesbiſchof, deſſen Ein- 
fluß ohnehin, wie wir an Wilfrid gefehn haben, die Eiferfucht 
des Königs reizen Tonnte. Bei der Auswahl der Biſchofsſitze 
und Klöftee wurde vorzüglich die Sicherheit der neuen An 
ſtalt berücfichtigt, daher der befeftigte Wohnort des Königs 
oder ein durch feine natürliche Lage befonderd geſchuͤtzter Ort 
— wie die Infel Lindisfame — gewählt. So völlig war das 


Chriſtenthum nach dem Abzuge der Römer. im germanifchen 


Britannien untergegangen oder doch fo wenig von den Angel> 
fachfen anerkannt, daß Feine veligiöfe Stiftung. ber Römerzeit 
ſich erhielt oder wieder auferwedt werben konnte und nur 
einzelne altxömifche Gebäude und Mauern. zu Kirchen benugt 
wurden. ine vermuthlich altbritifche Eleine Kirche wurde in 
wüfter, bornenreicher Gegend entdedt und gab Anlaß yur 
Gründung der Abtei Evesham')., Wenn die Abtei Glaftons 
bury oder Yniövitrain, welche fi ch auf Schenkungsbriefe der 
alten Koͤnige von Damnonia berief, ‚ ‚hiervon eine Ausnahme 


zu bilden fcheint, fo dürfen wir nicht Aberfehn, daß dieſes 


Klofter, wo zu Avallona Arthurs Leiche ruhte, lange in den 
Händen der alten Briten verblieben). Ob Gregord Vorfchrift, 
bie in den Augen ber zu befehrenden Heiden geweihten Orte 
dem chriſtlichen Gottesdienſt gemaͤß einzurichten, befolgt wurde 


vermoͤgen wir nicht länger audzumitteln, da, wenn es anfänglich 


1) Guil. Malmest. de gest. pontif. p. 284. 


2) Guil. Malmesb. de antig. eccles. glastonb,, ‚ apud Gale J. 
p. 308. Der domnoniſche Schenkungsbrief iſt übrigens erſt im J. 601, 
alfo nach ber Ankunft des Auguftinus in. Kent; and. beffen Unterrebung 
mit den altbritifchen Biſchoͤfen ausgeftellt. Diefea: Kloſter war eines ber 
fehr wenigen,. bei welchen die Sqhentungebriefe der aͤltern angelſaͤchſiſchen 


Koͤnige nicht ganz untergegangen fi ſind. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 185 


geſchehn fein mag, fi $ fpäter manche ‚Gefahr. zeigte,. welche | 


die alten Grinnerungen des Gößendienftes dem wahren Gilau⸗ 

ben brachten. .- 

Diie Überfi cht der angelfächfi fchen Bisthümer und. die Ep 
waͤhnung ber bebeutendften Kloͤſter wird das geographifche 

Bild der dortigen Koͤnigreiche anſchaulicher machen, und ihre 
Kenntniß iſt fuͤr die politiſche Geſchichte eines Landes, in wel⸗ 


chem Biſchoͤfe und Praͤlaten die Rechte und Pflichten weitliher | 


Großen theilten‘, unentbehrlich. 

In dem Eleinen Reiche, von Kent v war neben dem Enbi- 
fchofe von Ganterbury ſchon fruͤh das Bisthum zu Rocheſter 
entſtanden. In Eſſex kennen wir nur den Biſchof von Lon⸗ 
don uͤber die jetzige Grafſchaft Efier, Middleſer und das halbe 
Hertford 9. 

In ſtangeln wohnte der Biſchof zu Dommuc Dunwich 
in Suffolk); doch ſchon unter dem Erzbiſchofe Theodor wurde 


der Tod des Biſchofs Biſi benutzt, um ein abgeſondertes Biss 


thum zu Elham für den noͤrdlichen Stamm (Morfolk) zu er⸗ 
richten, welches unter Wilhelm dem Eroberer nach Thetford 
und unter Wilhelm dem Rothen nach Norwich verlegt wurde. 

In Weſſex war der erſte Biſchofsſitz zu Dorcheſter, von 
welchem hernach, wie oben erwaͤhnt iſt, ein neugegruͤndetes 
Bisthum zu Wincheſter getrennt wurde, befien berühmte Kas 
thedrale von dem Alter wie von dem Reichthume dieſes Stif⸗ 
tes zeugt. Jenes behielt Hamptonfhire und Surey. Ein 
dritted zu Schirborm (Seireburn, Septonia), berühmt durch 
feinen erften Inhaber Aldhelmus fowie einen fpätern, - Affer, 
Alfreds Freund, wurde ımter Wilhelm dem Eroberer, in Ges 
maͤßheit der kanoniſchen Verfügung, die  Bifchofsfige aus klei⸗ 
nen Drten in große Städte zu verfeßen, nach Altfarum und 
darauf nach Salisbury verlegt, nachdem jedoch früher von 
demfelben die Bisthumer Wels, hernach Bath (Somerfet), 
Ramesbury (Wilts), fpäter wieder mit Sarum vereint (Berks, 
Dorfet), Cridiantum oder Kirton, hernach zu Ereter (Devon⸗ 


1) Hier ift vorzüglich Guil. Malmesb. de gestis pontif. Anglor. 
benust; fowie Radulphi Higden Polychronicon apud Gale I. 
p. 204 sq. Florent, Wigorn. p. 695 sq. 





18 =. Bmweite Abtheitung: 


£hire) und. das. mit letzterm hernach vereinte St. Patrick (Corn⸗ 
wales) von demſelben genommen waren. 

Sn Suffer blieb das Bisthum Selſea, ſpaͤter nach Ehi⸗ 
cheſter verlegt. 
In Mercia wurden vom alten Bisthume Litchfielb und 
Reicefler ferner abgetrennt: Worceſter (Morcefter, Gloceſter 
und ein Theil von Warwick), Hereford und Lincoln (Ein⸗ 
coln, -Leicefter, Rorthampten, Huntingdon, Bebford, Buding- 
"ham, Drford). Die Kathedra wurde wegen ber Geringfügig- 
Herd des Ortes Litchfield hernach aus diefem Orte nach Chefter 

und im 3. 1114 nach Coventry verfekt ') (Chefler, Stafford, 
Derby und bie andere Hälfte von Warwick, Schrop und Lan⸗ 
caſter zwiſchen den Fluͤſſen Merſey und sen). Die Abtei 
Ely (Cambridge) wurde erſt unter Heinrich I. zum Bisthum 
erhoben. 
| Drira hatte das Bisthum York erhalten, welches fich auch 
über Bernicia und wit demſelben über das übliche Schottland 
erſtreckte. Das Bistyum zu Lindiöfame, durch bie gelehrteften 
Angelfachfen ausgezeichnet, das angelfächfihe Jona, wurde 
nach Sidnaceſter ummeit Gainsborough und nach. einigen 
 BDlenfeyenaitern, noch ımter dem Könige Äthelred, Edgards 

Soeohn, nach Durham verlegt, und der Theil feiner Diöcefe, 
welcher jetzt zu Schottland gehoͤrt, Lothian, fiel dem ſchotti⸗ 

ſchen Biſchoſe von St. Andrews zu; das zu: Hexham ging 
durch die Verwuͤſtungen der Dänen unter. Die Eroberungen 
der Monarthen von Northumbrien dehnten mit demfelben auch 
dar Kirfprengel von York aus. Whittern (candida casa 
in Galloway), wo einſt Nynias ben ſuͤdlichen Picten eine 
Kirche von glängenden weiſſen Stemen erbauet hatte, erhielt in 
Bebas Tagen den eeſten angelſaͤchſiſchen Biſchof Pectheim, 
wenn anders der Früher ſchon aus Morthumbrien zu ben 
Ditn im 3. 681 gefandte, doch nach Ecgfrids Niederinge 
vertriebene Biſchof Trumwini Lediglich anf ven Norben bed 
Victenlandes befchrändt war”). Dieſes Bicchum ſcheint einige 


"De. Schreiben des Papſtes Paſchalis vom 18. April 1144 an 
Robert, Biſchof von Seoventry, in Baluze. miscall. T. VII. p. 132. 


2) Vol. Beda III, LE fin. V, 28. 


Von Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 187 


Zeit aufgelöft geweſen zu fein, worauf beffen Einwohner der 
Obhut der Biſchoͤfe von den Inſeln Man und Sobör.‘) ſich 
auvertrauten; doc machten die Erzbiſchoͤfe von Vork, bei Her⸗ 
ſtellung des Vicchums von Whittern, mit Erfolg ihre Rechte 
geltend. Später gehörte dieſer Diflrict ſowie das ganze 
Strathclyde zu dem Bisthume Glasgow. 
Die Geiſtlichkeit von Wales verweigerte dem Auguſtinus 
ſich zu unterwerfen, und wenn auch einzelne Faͤlle angefuͤhrt 
werden moͤgen, welche die Unterwerfung eines Biſchofs unter 
Den Erzbiſchof von Canterbury bezeugen koͤnnten, fo iſt es doch 
gewiß, daß erſt nachdem Wales von den Englaͤndern unter 
der normanniſchen Dynaſtie erobert war, auch die Anerkennung 
des Primates durch die Walliſer folgte. Von den vier Biſchoͤ⸗ 
fen zu Menevia (St. Davids), Landaff, Bangor und Lan 
Elwy (St. Afaph in Zlintfhire) befaß der erſte den erzbiſchoͤf⸗ 
lichen Zitel, welchen früher die Kirche zu Caerlare gehabt 
batte?). | 
GEumberland als unabhängiges Reich hat wahrfcheinlich 
früh feinen eigenen Biſchof gehabt. Doch hat derfelbe ver- 
muthlich noch micht zu Cardeol (Carlifle) reſidirt, welche Stadt 
König Ecgfrid dem Heil. Euthbert zur Dotation des lindisfar⸗ 
ner Bisthumd vergabte Die Stiftung des Biichoföfiges zu 
Carliſle iſt das Werk des Königs Heinrich L (1109). | 
Die Didcefaneintheilung des heutigen Englands ift mit 
wenigen Abanderungen, naͤmlich den erſt zur Beit ber Kicchen- 
teformation von Heinrich VIII. errichteten Bisthünern Glous 
cefter, Briflol, Orford und Peterborough, noch die eben wer 
geichnete angelfächfiihe. Das Stimmrecht ter Bifchöfe im 
Oberhauſe beruft auf. den Rechten ihrer Vorgänger im Witte: 
nagemote, die große Verfchiebenheit der Einkünfte derſelben iſt 


1) Diefes eine Zeit lang nad) Sona verlegte Bisthum ſtand feit ber 
Herrſchaft der Normannen unter dem Erzbifchofe zu Drontheim. ©. 
Urkunde bei Thorkelin diplomata annaeo-magnaeana. Der bortige 
ift, obgleich englifher Biſchof, Fein Mitglied des Oberhauſes. Die 
Pfruͤnde wird jetzt vom Herzoge von Athol vergeben. 

2) Giraldi Cambrensis itinerarium LI. c. 4. I. I. e. I. Ejusd. 
descriptio Cambriae c. IV. befonders Deſſen Schrift distinelionss vo 
de iure et statu menevensis ecclesiae. 





188 Zweite Abtheilung. 


zunaͤchſt aus dem verſchiedenartigen umfange der Staaten der 
Juͤten, Angeln und Sachſen zu erklaͤren. Selbſt das feinem 
Weſen nach und fo fehr undeutliche Bretwalbathum Athelberts 
von Kent iſt feinem Umfange nah in den zahlreichen Dioͤce⸗ 
fanen des Meotropolitänen und Primaten von ganz England 
zu erkennen; der Primat von England ') mit nur zwei Diöce 
Tanen in fo fehr umfaſſenden Landfchaften, erhält das Gedaͤcht⸗ 
niß der Siege Edwins und Oſwius fowie der deſtigkeit und 
der Thatkraft des heil. Wilfrid. 

Ein Kloſter mit einer Kirche war das erſte Bedurfniß des 
neueingefuͤhrten Chriſtenthums, ein Sammelplatz und Obdach 
für die Miffionare, Lehrer und Schüler und andere der An⸗ 
dacht fich hingebende Zromme Die Zahl derfelben vers 


miehrte ſich fehr ſchnell in den großen- Staaten, und bie reiche 


Begabung derfelben fowie die Anzahl der Geiftlihen aus den 
angefehnften, felbft koͤniglichen Gefchlechtern erflärt und den 
bedeutenden Einfluß, welchen Äbte und Äbiiffinnen bald ge 
warnen. Sigebert von Effer ift früher erwähnt, ſowie bie 
heilige Königin Athelthryda, deren Schweſter Sexburga ihre 
Nachfolgerin in Ely wurde. Abba, eine Schweſter des Könige 
Oſwiu, wurde AÄbtiffin zu Coludesburch (Coldingham an ber 
Seekuͤſte von Berwickſhire); Hilda, eine Enkelin bes Könige 
Adwin, bekleidete diefelbe Würde zu Hereteu (Hartlepool in 
Durham), hernach zu Streanaesfhald (Whitby in York). Im 
Yeßterem folgte ihre Nichte Älfleda, Oſwius Tochter. Dem 
Klofter zu Berking an der Themſe, von der Schwefter des 
Eorconwald, Biſchofs von London, Äthelburge, geftiftet, fand 
ſpaͤter eine Königin von Weller, Inad Gemahlin, vor. Bor 
Errichtung diefer Klöfter hatte ſich das Beduͤrfniß derfelben "bei 
den Angeljachien fo fehr ausgefprochen, daß fie haufig ihre 
Söhne und Töchter in die fränkifchen Klöfter fandten, um fie 
zu erziehen und dem geiftlichen Stande zu weihen. In ber 
großen Anzahl angefehner Nonnenklöfter fowie der weiblichen 
Heiligen bei den neubekehrten Angelfachfen gibt ſich ber rein 
germanifche Geift zu erkennen, welcher den Römern in der Ach 
. DD) Primate of.all England et Metropolitan ift der Zitel bes Lord 
Erzbiſchofs von Ganterbury; primate of Englanl der des Lord Ery 
biſchofs von York. 


N 


Don Mitte des 9. bis Ende des 8, Jahrh. 189 


ing und Verehrumg ber: Frauen aufgefallen war und “ber 
urch ‘den Einfluß der Priefterinnen ſich bewährte. Sowie 
ns der altgermanifche ‚Charakter "jenes Volkes am deutlichflen 
or die Augen tritt, wenn wir ſeine Sprache und Geſetze mit 
en erſten ſchriftlichen Denkmaͤlern ihrer in: Deutſchland zurück⸗ 
ebliebenen Stammverwandten vergleichen, ſo werden Charakter 
nd Sitten nicht minder. dadurch erlaͤutert; wie. denn auch in 
zeziehung auf die Frauen hier der Gegenſatz ſich darbietet, 
aß Letztere ſuͤdlich von der Elbe ſehr wenige, noͤrdlich von 
erſelben vor dem dreizehnten Jahrhunderte gar keine Nonnen⸗ 
loͤſter errichtet hatten, und alſo ſo ſpaͤt, daß wir hier nur das 
Berfchwinden. des alten Nationalcharakters erkennen koͤnnen. 
dleine Kloͤſter entſtanden aus den frommen: Beſtrebungen ein⸗ 
elner Maͤnner, wie in Northumbrien aus einem Oratorium, 
velches Wilpis, der Vater des friſiſchen Apoſtels Willibrord, 
egruͤndet, dem heil. Andreas gewidmet und erweitert hatte, 
n deſſen Gellen Willibrords berühmter Biograph Alcuin ſeine 
Jugend zubrachte). Viele der älteren. Kloͤſter wurden in ben 
Rriegen der heidnifhen Dänen zerſtoͤrt; doch wurden ‚ihre Dos 
ationen : oft forgfältig wieder gefammelt, - prachtvollere Ge⸗ 
yaude erhoben ſich, und der ſchoͤnſte architektoniſche Schmuck, 
nit welchem England als Muͤnſter, als Schloß des proteſtan⸗ 
iſchen Earls, als der Ruinen herrlichſte, prangt, ſteht fuͤr die 
Nachwelt als die derfinnlichte Rede - des begeifterten fächfifchen 
Mönches da. 

Doch fehlte es auch hier nicht an Misbraͤuchen jeder 
rt. Einer der erſten Biſchoͤfe von. London hatte feinen Sitz 
vom Könige Wulphere von. Mercien etkauft.. - Viele Geiftliche 
varen ber Kirchenfprache fo unkundig, daß Beda ihnen das 
Symbolum und das Baterunfer aus dem -Lateinifchen in bie 
andesſprache uͤberſetzte. Ein eigenthuͤmliches Verbrechen ſeiner 
zeit beſtand in der Leichtigkeit, mit welcher angeſehnen Laien, 
ven Aldermannen und andern Beamten des Koͤnigs die Errich⸗ 
ung von Klöftern für ſich und ihre Frauen geftattet wurde, ' 
Dad Land wurde vom Könige als erbliched Eigenthum wohl 
eil gekauft, um hernach auf bemfelben und. in Kloſtergebauden 


1) Alcuini vita Willibrordi L. I. c. 1. 





10 Zmeite. Abtheilung. 


nach Willkin zu lehen; der Laie ergriff den Stab des Abtes, 
um allen weltlichen Neigungen, frei von jeder Herrfchaft. und 
jedem Dienfle, nachzuhängen, und mit Schaaren abteiuniger . 
Mönche oder feinem ehemaligen, nunmehr mit ber Tonſur ver⸗ 
ſehenen Sefolge-ımmgeben, ohne Diſeiplin und Regel zum Sches 
ben des Landes dort zu haufen '); 
Das Entflehen dee zahlreichen Klöfter wurde durch ben 
Mangel der Pfarrkirchen ſehr begünfigt. Die Kunde von ber 
Entftehung derfelben und der damit verknüpften Kirchſpielein⸗ 
richtung gewaͤhrt uns, wo ſie erhalten iſt, eine lehrreiche An⸗ 
ſchauung von der Benölferung und der Wohlhabenheit der Ge 
meinden fowie ihrer Vergrößerung in Zeiten, wo wir nad 
andern Nachrichten diefer Art vergebens fuchen. Doch fehlen 
auch in England die Nachweiſungen über die dlteften Pfarr 
firchen. Sie ſcheinen erſt unter dem Erzbiſchofe Theobor im 
ſuͤdlichen, und ein halbes Jahrhundert ſpaͤter, vor und zu der 
Zeit Erzbiſchofs Ecgbert von Vork, im noͤrdlichen England 
aufgekommen zu ſein. Der heilige Cuthbert, Propſt von Mail⸗ 
208?) (+ 687), wanderte noch von Dorf zu Dorf, wn bie. 
Gläubigen duch das Wort feiner Predigt zu flärken und zu 
begeiftern. Doc wen Beda diefer Erzählung binzufügt, daß 
dieſes die Sitte der Geiftlichen jener Zeit geweſen fei”), fo 
folgt daraus wohl, daß es in feiner. Zeit ſchon in dieſen noͤrd⸗ 
lichen Provinzen bereitd anders geworben, wenngleich es nicht 
zu bezweifeln ift, daß die Sprengel dort, wie in aubern Laͤn⸗ 
dern, anfänglich zu groß waren. Entdecken wir doch in dem 
von dem Angelſachſen Willehad bekehrten Holſtein fehr hald 
die Errichtung von vier Taufkirchen, aus deren Sprengeln die 
foätere Parochialeintheilung ſich bildete ). Ähnliche Taufkirchen 
ſcheinen es auch geweſen zu fein, melche ſchon wor be Ery 
biſchofe Theodor der Biſchof ven Eifer, Cedd, zu Vrpancefler 


9 Bedae: pistola ad Hegbortum ad a. 784 apid Smith 


’ 280 04 


9) Das durch Sir Walter Scott viel gefeieste Melroſe Abbeh 


5) Beda 1. IV. c..27. Deſſen Schreiben vom Erzbiſchofe Eeg⸗ 
bert bei Smith ©. 306. 


4) Remberti vita S, Anscharü:.c. 19. 


Bon Mitte des 5. bie Ende des 8. Jahrh. 191 


und Zilbury gtuͤndete ). : In den ſpaͤtern angelſaͤchſiſchen Ge 
fegen fehlt e8 nicht an Berfügungen „welche das Parochialwer 

ſen regulirten?). Daß: die Gemeinden ſchon fruͤh ihre Rechte 
bei der Verwaltung des Kirchenvermoͤgens wahrnahmen, laͤſſt 
ſich aus der aͤhnlichen Erſcheinung im chriſtlichen Norden und 
ber Gemeinſchaftlichkeit alles angelſaͤchſiſchen Beſitzes ſchlieſſen; 
fehlt uns jedoch ein Beleg fuͤr England aus aͤlteſter Zeit, ſo 
Dürfen wir vieleicht annehmen, daß die. Geiſtlichkeit ſpaͤter ben 
Laien nicht geößere Rechte einäumte, als dieſe früher ber 
faßen °). 

Die angelfächfifche Geiftihtei war im Ganzen keinebwegs 
fo frei und einflußreich als in den meiſten Staaten des Felle 
landes. Wenn auch zuweilen Gelfliche fich einzelner Könige 
bemächtigten, fo blieben diefe Erfeheinungen doch iſolirt unb’nhue 
eingreifende Folgen. Es fehlte die enge Verbindung der Angel⸗ 
ſachſen mit Rom, wodurch diefes feinen Dienern hätte Fräftigen 
Schuß verleihen koͤnnen. Der Erzbifchof von Mainz, Bonifaz, 
felbft ein Angelfachfe, eriiärt in feinem Briefe an den Erzbi⸗ 
fehof von Canterbury, daß Feine Klöfter in ſolcher Sclarere 
befländen als die ber. Angelfachfen. Unbeflreitbarer ſprechen 
die Gabebriefe für die Kloͤſter, welche nicht nur denfelben ſtets 
bie ſ. g. trinoda necessitas oder die brycgbote, burhbote 
und fyrd, d. h. die Beiträge zu dem Brüden- und Strafen 
Bau, die für die Erhaltung ber Feſtungen und den Heerbann, 
fondern auch noch ausdruͤcklich die Steuerpflichtigkeit der Geiſt⸗ 

lichen, bie Verbindlichkeit die jagbliebenden Könige und ihre 
Waidmaͤnner in den Klöftern zu beherbergen u. A. auferlegte ). 

Um fo auffallender ift eine berühmte, vielgebeutete Schen⸗ 

kung, welche der König Athelwulf von Weller nach feiner 


1) Cedd — fecit per loca ecclesias, presbyteros et diaconos: or- 
dinavit, qui se in verbo fidei et ministerio baptizandi adiuvarent. 
c. 655. Beda I, III. c. 22. | 

2) Leges Edgari 1. $.1. Canuil.g.$ re 

8) Für fpätere Seit ſ. concil. exancestrense a. 1287. 

.. 4) ©. Palgrave I, 156. und bie dort angeführten Urkunden. 
Die legtgenannte Werbinblichleit ward, wenngleich die karolingiſche Ge⸗ 
fepgebung bie Kidfter davon befreit, benfelben auf dem Beftlande fig 
aufgelaftet. 


854. 


498 ..:.....3Wweite Abtheilung. 


Ruͤckkehr von Rom ber Geiſtlichkeit Teines Landes mächte. 

Ältere englifche Geſchichtsforſcher, Jagulph, Wilhelm von 
Malmesbury und andere Mönche, und' mit ihnen Selden, has 
ben darin die Emführung des. Zehnten ‚finden: wollen; welche 
unbaltbare Deutung theils durch die Urkunde widerlegt wird, 
theils durch die viel frühere Einfuͤhrung des Kirchenzehnten 


bdurch Übertragung älterer dem Könige. oder andern Grundherren 


gebührenden Abgaben an bie Kirche‘). Die neueſte Anſicht 
iſt, dag Athelwulf für die Geiſtlichen und bie Armen ein Sehn- 
tel feines Reiches in Weffer, fowie Kent und Suffer, frei. von 
allen Laften und Abgaben habe abmeffen laffen”). Hier wer: 
den aber zwei: verfchiedene Schenkungen in einander geworfen. 
Die eine, auch bisweilen Athelmulfs Teſtament genannt, legt 


lediglich je zehn Meyern oder Meyerhoͤfen in feinen Exbglitern ?) 


Die Verpflichtung auf, für einen Armen durch Speife, Trank und 
Kleidung zu forgen und ift ald ein Anfang weltlicher Armens 
polizei bemerkenswerth. Die andere Urkunde, welche bier 
eigentlich gemeint ift, fagt, nach den. Alteften Abfchriften des 


laleiniſchen Textes des wahrfcheinlich angelfächfifchen Originales 


ſowie nach: der Deutung des älteften, faft gleichzeitigen Schrift 
ftellerd, daß König Athelwulf mit Rath feiner Bifchöfe und Fürften 
beichlofien habe, für Mönde, Nonnen und Laien, welche erbs 
liches Land. befißen, je.bden zehnten Manfus ihres Eigenthums 
oder, bei kleinern Befigungen den zehnten Theil derfelben' von den 
obgebachten drei gewöhnlich. als unablöslich betrachteten Pflich⸗ 
ten und allen anderen Leiſtungen zu befreien; wofuͤr denn ge⸗ 
wiſſe Meſſen und Gebete von den Moͤnchen und Nonnen fuͤr 


7 Exverptiones Eegberti 4. 5. 24. Diefe und fpätere Belege f. 
bei  Phitippe angelfächf. Rechtsgeſchichte $. 70., dem jeboch weder 
die Einführung bes Zehnten durch König Offa in Mercien auf Brans 
tomes ſchwache Autorität noch die Sicherung bes’ Zehnten durch Äthel 


wulf zugeſtanden werden Tann. 


2) So Palgravel, 158. 


8) Asser de Aelfredo ad a. 855 unb Deffen annales ad a. 855 
hat per omnem hereditariam terram suam — in decem manentibus. 
Guil, Malmesb, in omnis suae haereditatis decima hida. Sim, 
Dunelm. p. 121 ad a. 855 — bat in X mansis. Matth. Westm. 
ad a. 857 in decem hydis vel mansionibus, 


[4 


Bon Mitte des.5. bis Ende bes 8. Jahrh. 193 


die: Geele des Königs und ber beiſtinmenden Fuͤrſten zu hal⸗ 
ten waren '). 

Die’ eömifchen Kanoned ‚haben bei den germanifchen Volks⸗ 
ſtaͤmmen, welche nicht wie die romaniſchen Voͤlker des Con⸗ 
tinentes mit der Hauptquelle jenes Rechtes, dem roͤmiſchen, 
vertraut waren, nur langſam und zu keiner Zeit ſo kraͤftig als 
bei jenen Wurzel gefaſſt. Maͤn darf ſich hieruͤber nicht durch 
die Briefe Gregors des Großen an Auguſtinus taͤuſchen lafs 
ſen, welche der Siegestaumel des Feldherrn dictirte, welcher 
bei ber erſten eingenommenen Feſtung das ganze Land organi⸗ 
firen zu koͤnnen glaubt. Man erinnere ſich, wie ſelbſt Kent 
in dem neuen Glauben ſchwankte, wie unguͤnſtig fuͤr die paͤpſt⸗ 
liche Autoritaͤt die Umſtaͤnde waren, unter welchen die chriſtliche 
Religion ſich allmaͤlig verbreitete. Der roͤmiſchen Prieſter was 
ren nur wenige nach Britannien gegangen; die meiſten derſel⸗ 


1) Biſchof Aſ er, der Freund von Ithelwulfs Sohn Aifred, gibt 
das aͤlteſte Zeugniß hierüber: rex decimam totius regni sui partem ab. 
omni regali servitio et tributo liberavit. Cbenfo Asseri annal, Flo⸗ 
ren, Ingulphus, Wilhelm v. Malmesbury. Obgleich Legterer 
die Urkunde falſch auslegt, führt er doch die Worte derfelben fo an, 
daß kein Zweifel über ben weſentlichen Inhalt entſtehen kann: Conzen-' 
aimus, ut aliquam portionem terrarum haereditariam antea possidenti-: 
bus, omnibus gradibus, sive famulis et famulabus Dei, Deo servien-. 
bus, sive laicis (miseris, addit Ing.) semper decimam mansionem, ubi 
minimum sit, tamen (tum, Ing.) partem decimam (omnium honorum,’ 
addit :Ing.) in- libertatem perpetuam perdonari (donari sanctae ec- 
diesiae Ing.) deiudicavi, ut sit tota munita ab omnibus sechlaribus- 
servitutibus nec non regalibus tributis etc, — quo eorum servitutem. 
in aliqua parte levigamys etc. Die legten Worte fcheinen meine Aus⸗ 
legung völlig zu beftätigen. Spelman concilia p. 348 hat benfelben 
Zert wie Wilhelm von Malmesbury. Turner Lann fih nicht. 
entf&heiden und hat namentlich das minimum falſch verftanden ; welches 
nicht das „Wenigſte, das Geringſte bedeutet, ſondern „ſehr wenig, nur 
wenig, weniger als 10 mangi.“ Der ganz. abweichende Text der ur⸗ 
kunde, den der um einige Jahrhunderte neuere Matthaͤus von Weſt⸗ 
minſter gibt, wuͤrde keine Beruͤckſichtigung verdienen, wenn er nicht 
die Irrthuͤmer der neueſten Geſchichtſchreiber veranlaſſt hätte. Statt 
portionem — servitiis heiſſt es bei ihm: portionem terrae meae Deo 
et b. Mariae et omnibus sanctis iure perpetuo possidendam conce- 
dam, decimam scilicet partem. terrae meae, ‚ut. sit tuta muneribus et 
libera ab omnibus servitiis etc. | 2 2. 

gappent erg's Geſchichte Englands 1. 13 


U 





14 Bmeite Abtheilung. 


ben waren elfachfen, welche nur Die Banbeäfprache und das 
Landesrecht kannten. Zehlte ihnen auch nicht ein Iebhafte& Sn; 
texeffe für die Kirche, fo waren fie doch weniger als ihre Bruͤ⸗ 
‚ber bed Zefllandes zum Biſchofe von Rom hingezogen, welcher 
früh bemerkte, baß im ber großen Entfernung auch geiftige 
Waffen ihre Kraft verlieren. Dem Bifchofe Wilfrid nugte bei 
den englifchen Synoden meber feine ausgezeichnete Kenntniß 
des roͤmiſch⸗ kanoniſchen Rechtes ') noch daB, fiegreiche Urtheil 
des Papſtes. Der geringen Anerkennung des paͤpſtlichen Ka⸗ 
vons fcheint die große Anzahl angelfächfiisher geiftlicher Geſetze, 
oft von den Königen gegeben, ihr Entfiehn zu verdanken, und 
das. angelfächfifche Kirchenrecht blieb daher mehr wie das ir 
gend eines andern chriſtlichen Stantes Nationalrecht.. Bloß bei 
Verhandlungen. rein. geiftlicher Angelegenheiten. war die. Synobe 
nur auf Mitglieder der Kirche befchränft ”), die Beiſtimmung 
des Königs feheint jeder Anſetzung und: Berufung einer Synode 
vorangegangen zu fein, durch defien Genehmigung und Auf: 
nahme in feine Gefege allein die Befchlüffe derfelben für die Laien 
bindend wurden. Was die Rechte der Laien mit betraf, wurde 
auf bem allgemeinen Witenagemote unter Zuziehung der. Geiſt⸗ 
lichen verhandelt. Ihr eigener Gerichtöftand wurde den Geiſt⸗ 
lichen nur in ben Streitigkeiten unter ſich zugeflanden, jeder. Er: 
weiterung beffelben eifrig gewehrt. Es iſt oben fchon die Zonfur 
und Andered angeführt worden, worin die Angelfachfen erft ſpaͤter 
ber römifchen Sitte folgten. Auch die vömifche lange, engere. 
Kleidung nahmen erſt die zu Rom anweſenden Angelfachfen: 
on, und Papft Iohannes VII. . ergriff diefe Veranlaffung um 
die Geiftlichkeit in der Heimat Talare und Infuln nach dem 
Gebrauche der römifchen Kirche anlegen zu laſſen). Die Ehe: 
loſigkeit der Geiftlihen wurde bei den Angelfachfen fobald nicht, 
Ducchgefegt *), und nur dad. Verbot. der zweiten Ehe. und 
fivenge Rüge von Unfittlichfeiten bei denfelben aufrecht erhalten: 


MM. In omni sapientia ‚et in itdiclis Romanorum ermditissimum. 
Eddius c. 42. 

2) 8Bgl. Palgrave I. 176. ; 

3) S. das Schreiben bes Papſtes in Baluzii miscell. T.V. p: 478. 

H Selbſt ein Sohn des heil. Wilfrid wird. erwähnt. Eddius 

c.57, Sanctus pontifex noster de exilio cum filio suo proprio veniens. 


Bon Mitte dea 5 bis Ende des 8. Jahrh. BU 


Die germanife Abſtammung ben Geiſttichen ſich auch in 
Sem Verbote, welches ihre Neigung: zum e veranlaſſte ) 
Die ehelichen Verhaͤltniſſe der Laien im Simme dev toͤmuſchen 
Kirche zm ordnen ward bei einem Volke, weiches ſich fü ſchwer 
an. Beichräntimgen gewöhnte, ummöglid;, und ber Papfı ſah 
füch ſchon fruͤh veranlafit die Eheverbote für bie Engänder zu 
beſchraͤnken). 

Beſondere Ruͤckſicht verdient bei Betrachtung des angel⸗ 
ſaͤchſiſchen Kirchenrechts auch deſſen Verhaͤltniß zw den Altſchot⸗ 
. ten. Sollten die engliſchen Geiſtlichen, beſonders die der noͤrd⸗ 


lichen ©itanten, welche faſt ſammtlich ir Jrland, auf Jeolmkil 


ober in andern Schottenkloͤſtern gebildet wurden, die Anſi ihten 
ihrer: Jugend, die Diſciplin ihres Anſtalten, die Lehr: md 

Gefet : Bücher: ihrer derehrten Meiſter nicht in ihre Heimat Bits 
uͤbergebracht und in jenem. Zeitalter bes Ttaditien, dem: Buch⸗ 
ſtaben oft noch getveuer als dem Geile, mit: kanoniſcher Autos 
ritaͤt weiter verbrritet haben? Es wird: und daher nie über⸗ 
raſchen, aber einen: neuen Ichvreichen. Biick in: das Verhaͤltniß 
der Volßeftäumme und ihrer: Kirchen auf ben britiſchen · Infeln 
gewaͤhren, wenn wir in bes Kanonenſanmung bes Erzbiſchofs 
von York, Ecgbert, dem Beichtſpiegel, |poenitentiale, nad 
bes engen Bereinigung mit Rom: abgefäfft‘, großentheifs daß 
aͤllero Berk: bed: antirdmifche heil. Colimbanus erkentien·) 
Durch "folche. augenſcheinliche Belege umerſtuͤtt, Jar fi Hie 
Bermuthung nicht unterdrücken, daß no viel: Anderes ih! Hecht. 
und: guter: Gäste, beſſerer Anſqcauuagen und inhaltoſthwerer 
Gage in. die. bei ben. Verheerungen ber: Daͤnen vernichteten 
Werke: übergegangen, und was in den bamallgen! kleinen Bes 
veich ber Schriſt nicht: aufgenommen! war, durch Ben vielfaͤlli⸗ 
gen Verkehr, die gemeinſchaftlichen MWohnfige und: Rker von 
dem Bretwalda, dem Coifi und dem Biſchofe, dem Thane wie 


V Byli. vu foftematifche Darling bes angelſaͤchſ. KLirchenrechts 
bei: Phitipps. 

2) Man ſehe den Brief des Bonifacius bei Will. Malmesb. de 
gestis regum und die Stelle aus demſelben im Decrete pars I. dist. 46. 


c. 10. und Gregorii epist. ad Augustinum ercerpirt im Decrete 


pars II. causa 35. qu. 2..c. 20. 
3) ©. Mone Quellen und Forfchungen Th. I. 
"13* 


\ 


100 Bmeite Abtheilung.. 


dem Georle an ‚ und bem voheren Gefchlechte der 
Sieger der e aber beſte Preis des tapfern Degens 
und ſtarken Speered geworben. war. 

Die Kenntniß des vömifchen Rechts bei einzelnen Angel- 
fachſen war. lebiglich durch bie Nothwendigkeit, das Fanonifche 
Hecht. kennen zu lernen, veranlafit, durch diefe bedingt und 
mit derfelben befchränkt. Einzelne Berufungen an die paͤpft⸗ 
liche Curie beftimmten jeboch verfchiedene Geiflliche zu näherer 
Ergründung und zum. Stubium beffelben in Rom, da England 
ihmen dazu Feine Lehranftalt darbieten konnte. . Was einzelne 
Männer, wie Theodor von Zarfus und andere ausländifche 
ober Eentifche Geiftliche, in dieſer Beziehung gewirkt haben 
Eonnten, iſt für und nicht zu erkennen. Selbſt unter ven be 
deutenden Kenntniſſen eines Beda findet fich Feine Spur einer 
Bekanntſchaft mit jenem, Rechte; deſto merkwuͤrdiger iſt bie 
Kenntniß deffelben, welche einer der bedeutendften und. roma⸗ 
nifch gelehrteften Männer feiner Zeit, der oftgenannte Aldhel⸗ 
mus, nicht nur durch gelegentliche Aufferungen fondern auch 
durch eine beſondre Schrift darlegte). Doch find dieſe Er⸗ 
ſcheinungen iſolirt und verſchwinden mit der Ausbildung des 
angelſaͤchſiſchen Gemeinweſens. 

Die Entfernung von Rom und die geringere Abhaͤngig⸗ 
keit vom roͤmiſchen Stuhle wurde dem angelſaͤchſiſchen Volke 
dadurch vielleicht am wichtigſten, daß die Mutterſprache auch 
Kirchenſprache blieb und nicht von den / Prieſtern ganz aus 
ihrem heiligſten Gebiete verdraͤngt wurde. Die unverkuͤmmerte 
Lebensluſt und das treue Vorurtheil, welche nicht ſo viel La⸗ 
tein erlernen lieſſen um das Paternoſter herzuſagen und die 
das Gebet des Herrn in ihr eigenes Deutſch uͤberſetzt verlang⸗ 
ten ?), fie find. den hoͤchſten Intereſſen, dem eigentlichen Leben 


1) Wir haben die Herausgabe der kuͤrzlich aufgefundenen Frag⸗ 
mente diefer Schrift dur Hrn. ©. 9. Cooper zu erwarten. über 
Aldhelmus ſ. Beda 1. V. c. 18., ferner feine Biographie von. Wilh. 
von Malmesbury, auch Defien üb. V. pontif. anglic. betitelt bei 
. Sale und Wharton. Geine Briefe find in Whartons Anglia sa- 

. era, bie Gedichte aud) in Canisii lect. antig. abgebrudt. | 
2) Concil. cloveshov. a. 747. art, 10. ap.. Wilkins con- 
‘cl I. 96, Ä | 


Von Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 


der Nation oft förberlicher gewefen ald ber Sanimelfleiß und der 
brütende Scharffinn des romanifch gelehrten, nach Autoritäten 
Faubenden Mönche. Selbſt die Meffe wurde nie ganz in 
lateinischer Sprache gelefen. Das Xrauformular war angel 
ſaͤchſiſch, und fein gebiegner Klang und feine finnbole Ab: 
faſſung bat fich in der englifchen Kirche noch heute erhalten '). 
Die zahlreichen Überfegungen und Umfchreibungen des alten 
wie des neuen Teſtaments machten mit bemfelben die Laien bes 
kannt, die Kleriker. vertrauter. Daß jene ſchon zu Bedas Zeis 
ten ziemlich verbreitet. waren, möchte befonberd daraus hervor⸗ 
gehn, daß er derſelben gar nicht gedenkt, obgleich vor ihm 
namentlich eine Überfegung der vier Evangelien durch Aldred 
fchon im 3. 680 vorhanden war”), und der gelehrte und aus⸗ 
gezeichnetfte angelfächfifche Dichter Adhelmus. die Pfalmen, und 
der lindisfarner Bifchof Ecgbert wiederum bie Evangeliften übers 

fest hatte. Beda foll dad alte und neue Teſtament in ‚feine 

Mutterfprache übertragen haben; eine Nachricht: welche, wie bie ' 
ähnliche vom Könige Alfred, dort auf daB Evangelium Johan⸗ 
nis’), bier auf die Pfalmen und einzelne Bruchftüde*) zu 
befchränten iſt. Es fcheint indeffen wohl anzunehmen, daß, 
wenn das Wichtigfte des alten Teſtaments nicht uͤberſetzt ge: 
weſen wäre, biefer verdienflvolle Mann dafür Sorge getragen 
hätte. Eine Überfegung der Bibel durch Alfric im zehnten 
Jahrhundert ift noch vorhanden. Der Schatz angelfächfiicher 
Homilien, welcher in SHandfchriften uns erhalten ft, vers 
mehrte und veredelte einft die Sprache wie bie  chriftliche 
Sefinnung *). Das Ohr welches der Murerſerache taub 


1) Palgrave II, 186, ZZ 

2) Selden praefat. ad scriptor. hist, anglic. ed. Tnysden | 
p. 3. 

8) Guil. Malmesb. J. I. c. 3. 

4) Guil,. Malmesb. 1. II. c. 4. 


5) Dr. 8. 5. ©. Grundtvig zu Kopenhagen hatte In feiner an: 
getündigten bibliotheca anglo-saxonica drei Bände mit Homilien ver: 
heiſſen. Kürzlih hat ein von Hrn. Oberappellationsrath Blume ent- 
decktes Manuſcript mit angelfächf. Homilien, in ber Dombibliothet zu 
Bercelli, die Aufmerkſamkeit der englifchen Alterthumsforſcher erregt und 
es wird bereits eine Abfchrift veranftaltet. 


18 - .  Bweite Abtheitnas. 


bie, wurde in der angelſaͤchſiſchen Kinhe noch finnlicher ergrifs 
fen, mm das Herz zu erſchuͤttern ober fanft zu bewegen. 
Broße Orgeln mit Bälgen werden und im Anfange des ach⸗ 
ten Jahrhunderts beſchrieben und als ben Kirchen geſchenkt 
aufgeführt). Da wir dieſes Inſtrument zu MNalmesbury fin⸗ 
den, fo möchten wir darin einen Grund mehr ſuchen um ans 
zunehmen, daß eB von ben muſikaliſchen Walifern berliberges 
bracht ſei. Der Kirchengefang wurde von den römilchen Geiſt⸗ 
. chen zuerſt in Kent eingeführt und von dort aus in den 
woͤrdlichen Ländern verbeſſert; ‘ein fo wichtiger Gegenfland, daß 
Die Ankunft eines römifchen Sangmeifterd von den Zeitgenoffen 
faft mit gleicher Wichtigkeit wie ein neuer Sieg des katholi⸗ 
fen Blaubend über Heiben und Scoten?) berichtet wird ). 
Bliden wir auf den Glauben des Volkes, fo wird zus 
nachtt eine auffallende Neigung zu Pilgerſchaften ), befonders | 


1) Aldhelmns de daude virginitafis: apud Canisium Ieot. 
antig. T. J. p. 715: 

Maxima millenis auscultare organa flabrig 

Mulceat auditum venteosis follibus iste, 

‘ Quamlibet auratis fulgescamt castera capsis. — 

Guil Maimesb. lib, V, de pontifis: sive vita 8.AAldbelni -apd 
Gala. Organa, ubi per aereas fistulas musicis mensuris elaboratas, 
dudum conceptas follis vomit anxius aures, Auch ven Dunſtan wich 
berichtet, daß er die Orgel gefpielt (modificans organa), Osberni 
vita 8. Dunstani in Wharton Anglia sacra H, 93. 

2) Die Gcoten hatten, mit Ausnahme bes Te deum laudamus, feine 
der gewoͤhnlichen ambroſtaniſchen und gregorianifchen Hymnen, wie ſich 
aus dem in das fiebente Jahrhundert gefehten Antiphonarium bes Alo⸗ 
ſters Bangor (aus dem Kiofter Bobbio in die ambroſianiſche Bibliothek 
zu Mailand gebradht, f. Muratori anecdota T. IV.) ergibt. Dieſe 
dem fünften und fechöten Jahrhundert angehörigen Iateinifchen Hymnen 
find längft verfiummt und waren vergeffen, bis gelehrte Sorfcher fie dem 
Tageslichte wiebergaben. Deſto auffallender ift es, daß von bem Gco: 
ten Goelius Gedulius ſich einige Hymnen in beutfcher Überfegung in der 
proteſtantiſchen Kicche erhalten haben. Vol. Rambach Helft. Antholo⸗ 
gie I, 85. 110. 

8) Beda 1 IL 20. 1. IV. 2. ‚Bon Eddi und Vutta hit, abbat, 
Wiremath. ad a, 678. 

4)-Beda I. V. c. 8. ad 725. Peregrinari; quod his temporibus 
plures de gente Anglorum, ignebiles, nobiles, laici, elerid, viri et 
feminae certative consueverunt, | 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jaheh. 199 


wach Rom, ſichtbar, und wir möchten nicht nur den Hang gu 
ven Strahlen ber mildern Sonne, ſondern auch den urvaͤter⸗ 
then Sinn des unſtaͤten Umherſchweifens unter dem Pilger: 
gervande erkennen. Die Zeugniffe über die Wanderer, befon- - 
‚ders die zahllofen Frauen, lauten böchft ungünftig ). Die an⸗ 
gelſaͤchſiſchen Könige Tegten an verfchiebenen Stellen Hofpitien 
fe die Pilger an, dad berähmtefte in Rom, unter dem 
Ramen. der schola Saxonum befannt, hernach 'hospitale 

di S. Spirito in vico de Sassia. Ein nicht durchaus glaubs- 
wuͤrdiger Schriftfieller fchreibt die Stiftung deſſelben - bereits’ 
dem König Ine von Weiter zu?), welcher nach feiner Abdan⸗ 
fung in Rom fein Leben beſchloſſen hatte. Die Beflimmung 728. 
biefer Stiftung, welche zugleich eine Kirche der heil. Maria 
und einen Friedhof für dafelbft verfiorbene Engländer umfaffte, 
war. nicht nur,. für duͤrftige Weſtſachſen und andere Eng» 
Yänder in Rom zu forgen, fondern auch für den Unterricht junger 
Angelfachfen, welche in ihrem Vaterlande der Gefahr fo vieler 
Ketzereien ausgeſetzt waren, in dem Eatholifchen Glaubensſyſtem 
Sorge zu tragen. Ine ſoll zus Unterflügung dieſer Anſtalt 
von jedem Haufe In feinem Reiche einen Pfenning entboten ha: 
ben, welche gefanmmelt zu dieſem Zwecke dem Papfle gefandt . 
wurben (Romefeoh, Romescot). Später wurbe der St. Pe - 
teröpfenning in England ein Segenftand vielfacher Beſchwerden, 
nachdem er den urfprünglichen Bwed verloren hatte. Wilhelm 
von Malmesbury wuffte nichts Gewiſſes über die Stiftung jener 
Anflolt zu Rom und tewähnt nur, daß bie Sage fie bem 


1) Bonifactus in einem Briefe 71 an den König ÜÄthelbert ver- 
gleicht die arnfittlichkeit der Engländer mit der der Saracenen. An ben 
Biſchof Cuthbert ſchreibt er: ‚paucae sunt civitates in Longobardia vel 
in Francia aut in Gallia, in qua non ‚sit adultera vel imeretrix ge- \ 
neris Anglorum, 


2) Matthaeus Westmon. ad, a. 797. Diefe Nachricht wird 
etwas ünglaubwürbig, weil bemfelben zugleich die Auferlegung des Rom: 
feoh, Römerfchages, zugefchrieben wird, ihm, dem abgebankten Könige! 
‚Spelman (coneil. I, 290) fucht aus dem oder zu Chicheſter zu erwei⸗ 
fen, daß die schola Saxonum bereits im 2. 714 angelegt fei, an wels _ 
her Stelle von Offa von Mercien die Rede ift, aus deſſen Todesjahr 
DCCXCKIV das letzte C ausgefallen ſcheint. Vgl. auch J. Ross anti- 
quariü warvicensis histor, reg. Angliae. p- 72. 





200 | | gweite Abtheilung. 


Koͤnige Offa von Mercien zuſchreibe, ohne des Romeſcots zu 
gedenken. Eine Lebensbeſchreibung des Koͤnigs Offa, beren 
biftorifche Treue vielleicht zu fehe in Zweifel gezogen iſt, 
mittelt beide Nachrichten, indem fie. berichtet, daß Offe ums 
Jahr 790 die bereitd zu Rom vorhandene Schule der Sachſen 
reichlich begabt und zu diefem Zwecke für immer den Peters: 
pfenning eingeführt habe). Eine vielleicht gleichzeitige Nach⸗ 
richt kommt uns jedoch fchon bei dem Jahre 816 entgegen, 
dag damald die Schule der Angeln zu Rom verbrannt fei?), 
nachdem fchon im Anfange diefes Jahrhunderts berfelben in 
der Proceffion, welche Papft Leo dem IIL auf feiner Ruͤckkehr 
. von Karl dem Großen entgegenltam, gedacht wird’). Ein neuer 
Brand zerſtoͤrte fie unter Papſt Leo IV. zu Anfange der Res 
gaierung befjelben *), worauf fie einige Jahre in Truͤmmern lies 
855. gen blieb, bis König Äthelwulf bei feiner Anwefenheit in Rom 
fie wieber aufbauen ließ. Diefer Bau hat Veranlaffung ge 
geben, daß biefem Könige die Einführung des Romeſcot ober 
richtiger die Übertragung beffelben an ben päpftlihen Stuhl 
» Sie wird dem Matthäus von Paris zugeſchrieben und findet 
ſich mit den Vitis XXIII St. Albani abbatum in Watts Ausgabe 
berfelben. p. 29: Rex — scholam Anglorum, quae tunc Romae floruit, 
ingressus, dedit ibi ex regali munificentia, ad sustentationem gentis 
regni sui illuc venientis, singulos argenteos de familiis singulis, omni- 
bus in posterum diebus, singulis annis. — Et tunc tali largitate ob- 
tinuit, ut de regno Angliae nullus publice poenitens,; pro executione 
sibi iniunctae poenitentiae, subiret exilium.... p.31: annuum reditum 
coptulit ad sustentationem scholae memoratae, propter Anglorum ru- 
dium et illuc peregrinantium eruditionem. — Dieſe Stelle iſt ercerpirt 
in Matth. Westmon. ad a. 794. — Vitae abbat. 8. Albani c. I: 
 , Offa — Bomae scholam peregrinorum pie constituit, ut ibidem pere- 
grini, qui ad romanam ecclesiam et curiam confluxerant, ex diversis 
mundi partibus barbari, vel votivae orationis gratia vel expediendo- 
rum negotiorum necessitate, linguas,_ quas non noverant, addiscerent. 
Quae schola, propter peregrinorum confluxum ibidem solatia susci- . 
pientium, versa est in xenodochium, quod Sti. Spiritus dicitur. 
2) Chron. saxon. h. a. 
$) Pastorem — simul etiam cunctae. scholae peregrinorum, vide- 
licet Francorum, Frisonum, Saxonum atque Longobardorum — suscer 
perunt. Anastasius apud Muratori script. IIT, 198, 
4) So Anastasius |. I. 283. B. Pontificii sui exordio Saxgq- 
num vicum validus ignis invasit etc. 


| Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 201 


zugefchrieben warb "). Papft Marinus befreite bie Schule ber 884. | 
Angeln von allen Abgaben und Laften, auf Anhalten des Koͤ⸗ 
nigs Afred von Wefler”), ber fih dem Papfle dankbar ers 
wied; welche Privilegium König Kanut durch den Papft Jo⸗ 
bannes, bei feiner Gegenwart zu Rom, neu beftätigt erhielt ?) 

umd dagegen dem Romeſcot mit großer Strenge für.- den J 
Papſt eintreiben ließ *). 

So intereffant nun uns bie schola Saxonum, befonberd 
durch die Beziehung auf den St. Peteröpfenning erſcheint, ſo 
muͤſſen wir doch und ‚Dagegen verwahren derſelben eine uns 
mittelbare Bedeutung in Beziehung auf die vömifche Rechts⸗ 
bildung der angelfächfifchen Geiſtlichen beizulegen. In der fruͤ⸗ 
bern Zeit Tonnte die Schola ſolche vorherrfchende Beſtimmung 
‚nicht befigen, wenn fie auch ‘gelegentlich dazu geführt haben 
konnte; in der fpätern Zeit wurbe fie in das dem Namen nad) 
noch beftehende Hafpital umgefhaffen. Doc, wie intereffant 
muüſſten die dltern Urkunden deſſelben, wenn ein glüdlicher 
Forſcher fie noch wieder auffände, für Englands Pibunges | 
und Kirchen: Gefchichte fein )! 


1) Guil. Malmesb. LII. c. 2: Aethelwulfus Romam abiit — 
ibique tributum, quod Anglia ‚hodieque pensitat, sancto Petro obtu- 
lit... scholam Anglorum, quae, ut fertur ab Offa, rege Merciorum, _ 
primitus instituta, proximo anno conflagraverat, reparavit egregie. 

Heraus hat Albericus a. 847 gefchöpft. 

2) Chron, saxon.'ad a. 885 et 890. Matth. Westmon. ad a. 
889. Simeon Dunelm. ad a. 884 apud Twysden p. 130, 148 
et 355. 

8) Radulf. Dicet. abbrev. ad a. 1081. 

4) Leg. Canuti art. 17 (9) Presb. Northumbr. ©. leg. Aethel- 
redi. Die Strenge des lateinifchen Textes, welcher bem der feinen 
Pfenning nicht bezahlt, zu ben Gelbftrafen noch bie Reiſe na Rom - 
auferlegt, um benfelben dort zu bezahlen, findet ſich in dem angelfächfls 
ſchen nicht. 

5) Die Verwandlung der Schola in ein Hoſpital fol von Innos 
cenz II. vorgenommen fein. Ginige neuere Nachrichten f. in Joh. 
Spelmanni vita Aelfredi magni p. 7. not. a. F'ea description de 
Bome T. II. Ginige Urkunden über Präbenden, welche von dem 
Hoſpitale 8. Spiritus in Saxia de Urbe in Anfprud) genommen werben, 


von ben 3. 1284— 1291 finden fih in Rymer. foedera I, 6, 740 
et 752, 


202 Bmeite Abtheilung. 


Zu den Begenftänden welche die Angelfachfen auf ber 
Pigerfchaft wie in ber Heimat beſonders anzogen, gehöuten bie 
Relkqien. Wenn wir diefen Gultus grabe hier ſehr vorherr⸗ 
hend finden, fo möchten wir wohl darauf geführt werden, 
wie derfelbe nicht aus dem Tatholifchen Glaubensſyſtem hervor 
gegangen. ift, ſondern vielmehr durch den Glauben bes germa⸗ 
nifhen Volles, welches die Gebeine ber Todten feierlich in 
Grabhuͤgel beftattete, ungeheure Hühnengräber aufwarf, mit 
roher Kunſt den Zobten Monumente errichtete), durch bie 
Leichname verſtorbener Heerführer die Schlacht zu gewinnen 
wähnte, wenngleich nicht allein erzeugt, doch fehr gefördert 
wurde. Der Gerichtögebraudy, welchen die Sachſen nach Bri- 
tannien brachten, den des Scheingehens, eine Sitte begrimbet 
auf den Glauben, daß der entſeelte Körper des Ermorbeten 
beim Herannahen des Mörberd zu bluten begimme, erkennt gleich 
falls fchon in dem Leichname übernatürliche Kräfte an”). 

Bei keinem germaniſchen Volke erhielten fi) jo viele Er⸗ 
innerungen des Heidenthums als bei den Angelfachfen. Saͤmmt⸗⸗ 
liche. Zage der Woche haben ihre heidniſchen Namen bewahrtz 
ſelbſt der Wodanstag wird unbedacht heute in beiden Welten 
und von mehr Zungen als in den Zeiten feiner höchften Vers 
ehrung fo benannt. Das germanifche Yulfeft iſt im nördlichen 
England und germanifhen Süpdfchottland durch den Namen 
der Chriftmefje nie verdrängt worden. Daß aber diefe Namen 
Sahrhunderte. hindurch nicht ein gedankenloſer Nachhall altvaͤ⸗ 
terlicher Gewohnheit blieben, dafuͤr zeugen Geſetze aus den 
fpätern Zeiten der Angelfachfen, welche die Verehrung ber 
Gögen, der Sonne, ded Mondes, des Feuers und des Wal: . 
fers, der Bäche, Steine oder Bäume ernſtlich unterfagen ’). 
Bieled von diefem Götenglauben mag durch die Berührung 
mit den heibnifchen Normanmen wieder erwedt fein. Ein Theil 
der alten Götterlehre verlor feine fchädliche Kraft, indem fie 


1) So die Züten ben Horfa. Beda I, 15, 


2) Lib. canon. eoclesiast. apud Wilkens p. 158. Kür Deutſch.· 


land f. auch meine Schrift über ältere Gefhichte und Rechte des Landes 
Hadeln ©. 69. - | 
3) Leges Canuti I, 5. | 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 203 


zur Beſchichte abgedaͤmpft ber Heldenpoefie diente, wie nament⸗ 
lich aus dem Gedichte von Beowulf und ben Stammbinmen 
der angelfächfifchen Könige zu erfehn. Wei vielem Aberglau⸗ 
ben, der fich lange erhielt, Aber die Kraft der Zauberei, Amu⸗ 
lete, magifcher Heilmittel, fowie dem umfchuidigen, der Poeſie 
verwandten Glauben an Elfen und bie Schaaren wohlwollen⸗ 
der oder doch unfchäblicher, unirdiſcher und doch füblunarifcher 
Geiſter ift es oft ſchwierig Denfelben den hiftorifchen Elementen 
zuzumweifen, vor welchen er auögegangen iſt, da grade in ben 
noͤrdlichen Regionen Englands, wo er fich am laͤngſten erhielt, 
bie Vermiſchung der Briten mit den Germanen am engflat 
gewefen if. 

| ‚Die Annahme des Chriſtenthums auſſerte keine raſchen 
und wichtigen Folgen auf die politiſchen Verhaͤltniſſe der An⸗ 
gelſachſen und verdankt dieſem Umſtande großentheils die 
endliche Befeſtigung deſſelben. Doch befoͤrderte es ſehr bald die 
allgemeine und die gelehrte Bildung der Nation, verſchwifterte 
Diefelbe mit dem roͤmiſchen Europa und wirkte dadurch mit 
vermebrter Kraft auf die Anfichten ber germanifchen Infelnz 
und das Königthum durch Grundfäge und gefflige Mittel ſtaͤr⸗ 
Zend, verhinderte es bie drohende Zerfplitterung der Reiche uns 
tee den nach Unabhängigkeit ftrebenden urfprünglichen Gefolgss 
herren. Alle diefe Richtungen veranlafften bald die Ausdehnung 
der Macht der größeren Staaten; und die Gefchihte der Ans 
gelfachten bewegt fich mehrere Jahrhunderte hindurch faſt nur 
in der von Nortbumberland, Mercia und dem zulegt ganz 
England umfafenden Weſſex. Alle drei Staaten waren bie, 

. deren Jugend durch Die Kämpfe mit den walififchen Reichen, 
denen von Strathelyde und Cumbrien, fowie denen der Picten 
md Scoten, in den Waffen gelibt ſich erhielt und deren Ge⸗ 
biet durch manche Siege tiber Diefelben ſich ausbehnte. -Der 
Sieg liber wenige Zeinde zieht gewöhnlich den Triumph tiber 
viele Friedliche nad fih, und fo folgten auch hier die Meinen 
Öftlichen . Reiche ben drei Erlegführenden und zulegt alle dem, 
welches einige kuͤhne Zeinde noch nicht haften vertiigen koͤnnen. 

Get Eegfrids Tode m der Schlucht bei Mechtandmere 685, 

gegen die Picten wurbe der Umfang ber northumbrifchen Gren⸗ 
jen befchränkter. Sein Rachfolger Aldfrid ermarb ſich den 


4 ... Bweite Abtheilung. 
Beinamen des Weifeften oder bed Gelehrteften. Er war: in 


der Theologie und Dialektik der iriſchen Schule :wohl geuͤbt, 


+ 735, 


aus welcher bald ein Johannes Scotus oder Erigena, ber 
Begründer der ſcholaſtiſchen Philofophie, hervorgehen. follte. 


"Doch waren andere geiftige Beſtrebungen ihm nicht minder 


willfommen, wie die freundliche Aufnahme bewährt, welche 
der von. einer Reife durch den Drient-heimkehrende ‚gallifche 
Biſchof Arculf bei ihm fand, deren wir bier nicht: gedenken 
fönnen, ohne den aus Arculfd Munde vom: Adanmanus, dem 
Abte von Jona, niebergefchriebnen Reiſebericht zu erwähnen, 
fowie deffen Auszug durch Beda, welcher eine Grundlage der 
unzähligen, das Mittelalter in Kenntniß und Gefinnung eigen: 
thuͤmlich charakterificenden Wegweifer für das gelobte Land ge- 
worden ifl. j 

Doch ‚Reiner verleiht jenem Zeitalter des weiſeſten Königs 


‚größeren Glanz ald der eben genannte Dann, welchen‘ der 


Name des Ehrwürdigen ſchmuͤckt, welcher encyklopaͤdiſche 
Kenntniffe mit feltner Gruͤndlichkeit umfaſſte. In der Naͤhe 
des Kloſters Wearmouth in Northumbrien geboren, genoß er 
in demſelben der Belehrungen des erſten Abtes deſſelben, des 
ſchon mehr gedachten Benedict, ſowie des durch Eifer fuͤr wiſ⸗ 
ſenſchaftliche Ausbildung gleichfalls ausgezeichneten Nachfolgers 
deffelben, des Geolfrid. Im diefem Klofter brachte er fein gan: 
ze8 Leben in Übungen ber Andacht und vielfeitigen Studien 
zu und belebte und geflaltete faft alles Willen, das fein Jahr⸗ 
hundert ihm bieten konnte. Muß ed uns auch bei Betrachtung 
feiner gelehrten Werke fehr deutlich werden, Daß jene Zeit mehr 
Bildungsmittel, ſowohl in Handfchriften als gelehrten Geiſtli⸗ 
chen, befaß, als wir ihr zuzufchreiben pflegen; müffen wir in 
ihm auch mehr die hohe Bildung der römifchen Kirche als an: 
gelfächfifche Nationalität anerkennen: fo verbürgt die Anerken- 
numg, welche feine Verbienfte noch bei feinem Leben in Rom 
und bald darauf, fo weit gelehrte Kenntniffe vordringen konn⸗ 
ten, fanden, daß wir in Beda mit Recht ein Wunder feiner 
Zeit verehren. Seine vielen theologifchen Schriften, feine Ers 
laͤuterungen zu den Büchern des alten und neuen Teſtaments 
haben viele Sahrhumberte hindurch in jebem Klofter Europas, 
bis zu der gänzlichen Umgeflaltung auch biefer Wiffenfchaft, 


« 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 205 
Lefer und Abfchreiber‘ gefunden; feine Kunde ber griechiſchen 


Sprache, der Medici, der. Aſtronomie, der Metrik diente: ihm 
zur Belehrung feines Zeitalters. Sein Werd. von den ſechs 


Lebendaltern der Welt iſt die, nur zu oft ſchlecht benußte, 


Grundlage der meiften Univerfalchroniten des Mittelalters ges 
worden. Doch das: große. Verdienft: welches feinen Namen 
auf jebes kommende Zeitalter bringen wird, beruht: auf feinen 


hiſtoriſchen Werken, ſoweit ſie ſein Vaterland betreffen. Wenn 


noch ein zweiter aͤhnlicher Mann in ſeinen Tagen vorhanden 


geweſen wäre, welcher mit demſelben klaren, umſichtigen Blicke, 


derſelben treuen und frommen Geſinnung die weltlichen Ange⸗ 
legenheiten ſeiner Vorfahren haͤtte beſchteiben koͤnnen, wie 
Beda vorzugsweiſe von denen der Kirche ſchreibt, ſo haͤtte die 
Geſchichte Englands für die Nachkommen beinahe als: eine 
Offenbarung über das germaniſche Alterthum erſcheinen duͤrfen. 

Unter den gelehrten Leitgenoſſen und Landsleuten Koͤnig 
Aldfrids iſt auch noch der Moͤnch Egbert hervorzuheben, wel⸗ 
cher, gleich ihm durch langen Aufenthalt in Irland gebildet, bie 
Dort erworbene Gemwandtheit und Kenntniß zur Belehrung: der 
Mönche zu Iona verwandte, für die Deutſchen aber: beſonders 


wichtig dadurch erſcheint, daß er ſchon früh deren Belehrung 


in eigner Perſon unternehmen wollte, doch dieſem Plane 
fuͤr ſich entſagend den Willibrord und ſeine Gefaͤhrten zu den 
Friefen ſandte, und dadurch auch die beiden Ewalde, nach 


ihrem Haupthaare der weiſſe und der ſchwarze genannt, zu 


einem durch ihre Ermordung vereitelten Bekehrungsverſuche der 
Altſachſen veranlaſſte). | 


j 


Mit dem Tode Aldfrids begann ber Lichtpunct der Ger 705. 


fhichte Northumbriens zu verbleihen. Eabwulf, über deffen 
rechtliche Anfprüche wir nicht belehrt find, wenngleich die ans 
fänglic) allgemeine Anerkennung und die Bereitwilligkeit das 


Biſchofs Wilfrid ihn freundlich zu begrüffen deren Vorhanden⸗ 
fein voraudfegen laͤſſt/ bemaͤchtigte ſich der Herrſchaft, welche 


er aber nur zwei Monate zu behaupten vermochte 2). Durch 
1) Beda 1. V. c. 10, Zu Merſeburg wurde die Memorie derſel⸗ 


ben am 2. October begangen (Zeitſchrift f. Archivkunde I, 128); Beda: | 
- ab bie Kalender nennen den folgenden als ben Todestag. | 


2) Eddius c. 57. 


RB . 3vweite Abtheikung, 


Berchtfrid ven angefehnſten Ealdorman des Landes, wurde 
deu achtjährige, Sohn Aldfrids, Oſred, auf den Thron exheben 
und im, Innern gegen Aufwiegler, fo won auffen gegen bie 
‚ Dielen. geſchuͤtzt. Während ber Wille des Töniglichen Knaben 
zue Schau, getragen und alle. -Isgitimen Formen beobachtet 
wurden, brach bie größte Bügellofigkeit. unter dem Adel aus, 
welcher der chrißlichen Geiftlichkeit Eeine Immunitaͤten ertheilt 
haben wollte, ohne ſelbſt am denfelben Antheil zu nehmen '). 
Die Regierung waͤhrend ber: langen. Minderjaͤhrigkeit führte 
ſeina Mutter Cuthberge, bie Tochten Ines bed Königs: von 
Ber, bexen Fehler ühen ihrer ſpaͤtern Stiftung bed Kloſters 
Wimburn vergefien werden”). DOfreb: verfolgte nicht die Bahn 
feines Vaters, ſondern in Ausſchweifungen verloren, welche ſo⸗ 
gar. die: Heiligkeit: deu Nonnenkloͤſter nicht ehrten, wurbe er im 
narmzehnten.. Iahre is eimem vom feinen Verwandten am. Dex 
—* Grenze am. Meere gelegten Hinterhalts erſchlagen °). 

| vIhm folgten drei Bruͤden: Eoenred, BDfric-und d Geiundif 


» @.. Beidaeı apiole ad Egbertum, 

DD. 3 uchme: dieſa Vormundſchaft an, wenngleich chwn SErKOn: 
ad a. 718; zu widerſprechen ſcheint, welches: fagt, daß Guthberge: von 
Aldfrid fi getrennt habe, aus dem Fragment Nr. 71 unter. den Brie— 
fen des Bonifacius, wo von einer Vifion die Rede iſt: Aspexit — in 
poenalibus puteis Cutlibergam simulque Wialan quondam reginali po- 
testate fruentes, demersas usque ad ascellas, i. e: Cuthbergam- capite 
tesius, humeroque.praeclaram, caeteris membris ıhaculis. conspersam, 
alteriusque i. e: Wialan supra capnt: flammam extendere: totamıyaa 
animam simul cremari intuebatur. Die Königin. Wiala ift mir unber 
kannt. Dieſes Purgatorium iſt bald nach Bonifacius Tode geſchrieben, 


nicht fruͤher, da in „semfelßen noch Acthilbealdus, quondam regal ty- 


rannus, erwähnt wi 

3) Was Bingar d\ von: ber Entfernung Berchtfrids erzählt, ir nur 
Bermuthung, fowie was er über Oſreds Tod bei Winandermere ſagt 
Spl..Bada l. V, c. 22. Guil. Malmesb; 1,3% Matth. Wost- 
mon, ad a. 717 fogt von ihm: belli infortunio: interemptus est. Bo0- 
nifacius in feinem Briefe an Sthelbald, König von Mercia. (epist, 
XIX.), von dem Guil. Malmesb. 1. I. c. 4. nur einen Auszug gibt: 
Osredum spiritus luxariae fornicantem: et per monasteria. nonnarum 
sacratas. virgines stuprantem. et furentem. agitavit, usque quo ipse 
gloriosum regnum et. inutilem. vitam wylewptibiu et despecta morte: 
perdidit. 


Bon Mitte.des 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 27 


Soͤhne Cuthwins, weicher vom einem füngem Golme Ibas; 
des Stifters ber northumbriſchen Dynaſtie, abflammte Die 
zwei Regierungsjahre bed Erſtern, wie die elf des Bweiten, 
find und unwichtig. Die Ruhe ded Lands in dem erfien Jah 
sen Geolwulfd ward. durch heftige innere Zwiſtigkeiten geſtoͤrt. 
Der König ſelbſt wurde von feinen Gegnern ergriffen, in ein 
Klofter geftedt und hatte bereitö die Jonſur erhalten, als ihm 
feine Freunde wieder auf den Thron zurüdführten.‘). Au 
Ben Grenzen des Reichd wuffte er ben, Zrieben zu erhalten, 
doch nicht im Innern die. Zwietracht der Geinigen zu erſticken, 
&römmigteit und Wiffen liebte er, worüber ihm das chrenuglifie 

durch den ehrwuͤrdigen Beba geworden, weldes ihm 
feine Gefchichte der englifhen Kirche widmete. Unter ihm - 
wurde das Erzbiäthum York wieder hergeſtellt, und fein: Neffe 735. 

Ecgbert erhielt zuerſt das: zulegt an Paulinus. ertheilte Yalkım j 

wieder. Acht Yahre: hatte er regiert, als er freiwillig. ben ihn 
aufreibenden Qualen. ded vermeinten Gluͤcks ber Herrſchaft ent⸗ 
ſagte und fich in dad. Kloſter Lindisfarne begab, in welchem 737. * 
es: noch über breiffig Sabre, von den Strudeln weltlichen 
Sorgen. entfernt, verlebte ?). 

Geolwulf hatte den. Thron nicht. verlaſſen, ohne ihn einem 
dem Regierungsgeſchaͤfte gewachſenen ſehr tuͤchtigen Mame zu 
übertragen, feinem naͤchſten Erben und Neffen Eadbert; Bru⸗ 
der des Erzbifchofs Ergbert, dem Sohne Eatas. CEadbert vers 
ſchaffte feinem Reiche die alte Achtung: wisder, zichtigte den 
König Üthelbald von Mercien, welcher haffelbe uͤberfallen hatte, 740, 
als er gegen Talorgan Mac Fergufa, ben König dev Picten, 
focht, und nahm dem Könige von Strathelybe, Dunnagual, 
oder: deſſen in dieſem Jahre ‚verfiorbenen Water Zheububar, 50, 
dem Sohne des Beli Mac: Alpin (F 722), Cyil im Airfhire 
und die. angrenzenden. Länder. Sechs Jahre fpäter nahm er, 756 
mit dem verhafften Könige ber Picten,. Duengus oder Unnuft, 1. Auguſt. 
bes Nachfolger des im 3. 750 im Kriege gegen die Waliſer 
esfhlagenen Zalorgan Mac⸗Ferguſa, verkündet, die Haupt: 


1) Simeon Dunelm. p. 7 et 99. Beda V, 28. 


2) Chron. saxon. ad-a. 760. Simeon Dunelm, 764. Henr. 
Huntendon, p. 840. \ 


X 


757. 


>. ( Zweite Abtheitung.. 
Habt dieſes Reichs, Alcluyd, ein und unterwarf ſich die dorti⸗ 


gen Briten voͤllig, hatte jedoch das Misgeſchick nach wenigen 


Tagen durch einen uns nicht naͤher bezeichneten Unfall das Le⸗ 
ben zu verlieren '). 


Dee Frankenkoͤnig Pipin fuchte feine Freundſchaft und be 


ſandte ihn mit koſtbaren Gefchenten, worin wir die einem kraft⸗ 


vollen Herrfcher erwiefene Achtung, aber auch. zugleich die alte 
Politik der Franken ertennen möchten, in den Regenten von 
Norbbritannien ſich Freunde und für den Fall des Krieges 
Verbiindete gegen ben benachbarteren Süben jenes Landes zu 
verfchaffen. Doch den Eadbert ermübete die glorreiche, fowie nach 
Andern die weniger glüdliche Regierung, und nach einundzwanzig 
Jahren entfagte auch. er dem Throne und der Welt”). Die 


- Übrigen Könige Britanniens viethen ihm fehr von biefem Schritte, 


759. 


ab und follen ſogar die Abtretung von. Gebietötheilen angebo= 


ten haben, wenn. er den Scepter ferner mit ihnen führen 
wolle. ). : Er hatte in den zehn Jahren welche er noch lebte, 
„genug Anlaß, wenn nicht feinen Entfchluß zu. bereuen, doch zu 


fehn, daß die Beforgniffe der andern Könige gegründet waren. 
Sein Sohn Oſwulf, welchem er feine Würde übertragen hatte, 
wurde ‚fchon im, folgenden Sahre von’ feinen Dienftmannen 
verraͤthexiſch erfchlagen, und Xthelwald mit dem Beinamen 
Moll, von ungewiffer Herkunft, von feinem Anhange auf den 
Thron Idas erhoben‘). Das Ausſterben oder die Vernach⸗ 
Kifigung des Stammes Idas brachte die unfeligiten Folgen 


auf das Land. Ein Ealdorman nach dem andem bemächtigte 


fi) der Regierung und behauptete fie fo lange, biö der vertrie⸗ 


1) App- ad Bedam a. 740. _ Eadbertus campum Cyil cum als 


“ regionibus suo regno adiecit. Ibid. a. 750 wo ich hernach ben bisher 


| unerflärbaren Theneorus, Thendor, Theudor für jenen Gtratheiyben 


halte. gl. annal. Cambr. ad a. 722. 750. 760. Annal. Ulton. ad a. 
721. Simeon ad a. 756.: Figernach ad a. 750. 752. 


2) Heinrichs von Huntingbdon Nachricht daß die angeſtellte 


Vergleichung zwiſchen dem gewaltſamen Tode Athelbalds und Sigeberts 


von Mercien mit dem ruhigen Ende Ceolwulfs ihn ergriffen und für 
das Klofter beftimmt hätte, wiberftreitet ber Chronologie. 


3) Simeon Dunelm. |. |. 


| 4) Appendix ad Bedam ad a. 759. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 209 


bene Vorgänger mit, einer Übermacht zurüdtehrte, oder Volks⸗ 
gunſt und gefchieter Berrath einen neuen Emporköminling em: 
porbrachten. Die, Geſchlechtsverbindungen, welche unter den 
Herrſchern der angelſaͤchſiſchen Reiche durch Heirathen erhalten 
waren, hoͤrten auf, und die Unterthanen der Uſurpatoren ver⸗ 
loren nicht nur die Freundſchaft und den Schuß der früher 
verfchwifterten Reiche, fondern fanden in dem Familienhaſſe, der 
Reftaurationöfucht, dem Rachgefühle derfelben neue und gefähr- 
liche Zeinde. Athelwald erfchlug nach einem breitägigen Tref⸗ 761. 
fen bei Eadwinsklippe, oder nad) Anderer Bezeichnung zu Er 
dune bei Melrofe, den Herzog Ofwinz doch ficherte ihn diefer 
Sieg nur auf Eurze Zeit: Nach wenigen Sahren verlor er 
durch die Schlacht bei Winchenhale fein Königreich, das er 765. 
nicht mit: feinem Leben: vertheidigt zu haben ſcheint . Die. 
Krone wurde dem Alchred (Alhred) zu Theil, einem Sohn 
Eanwins, welcher ſeine, jedoch nicht ersoiefene, Abftammung 
auf König Ida zuruͤckleitete. Vermuthlich ſollte ſeine Heirath 
mit der Oſgearn, einer Tochter des Königs Oſwulf, feinen 
Thron fichern. Alchred fuchte die Verbindung mit dem Reiche 
ber Franken fortzufegen zu ber Zeit, als Karl der Große 
ſchon mit Beflegung der deutſchen Sachſen befchäftigt war. 
Er ſchickte nicht nur Gefandtfchaften an den Kaifer ab, fondern 
verfuchte auch zu jenem Zwecke den Lullus zu benugen, feinen 
Landsmann, welcher, dem Bonifacius in feinem entfagenden 
Berufe treulich folgend, fpäter deſſen Nachfolger auf dem bi: 
fchöflihen Stuhle von Mainz geworden war”). Dieſer Kb: 


‚ 1) Florent. Wigorn. regnum remisit. Simeon Dunelm. 
— regnum amisit in W. Henr. Huntend. p.346: coactus dimisit 
illud (sc. regnum). Erſt Matth. Westmon, ad a. 765. vita deces- 
sit. Daher Zurner I, 411 the tomb received him, während eingard 
I, 129, he resigned in an assembly of the witan at Finchley. 


2) Othloni vita 8. Bonifacii 1. I. c. 24. Zwei Briefe des Als 
chred an Lullus f. magna bibl. patrum XIII, 108 ep. XC. Alchred 
und Ofgearn fchreiben ihm: Nostris quoque, dilectissime frater, le- 
gationibus ad dominum nostrum gloriosissimum regem Carl obsecra- 
mus consulendo subvenias, ut pax et amicitia, quae omnibus conve- 
niunt, facias stabiliter inter nos confirmar. — Guil, Malmesb. 
1. J. c. 4. Lullus, et ipse nafione Anglus etc. 

Eappenberg’s Geſchichte Englands I, 14 


774 


77. 


10 - Smeite Abtheilung. 


sig war es auch am welchen der Northumbrier Vilhead fig 
wandte, um die Erlauhniß nachzufuchen, die heibnifchen riefen 


und Sachſen zum Glauben an Chriſtus zu bekehren. Mit dem 


Ernſte und Eifer, mit welchem in ſpaͤtern Jahrhunderten die 
Entdecker und Eroberer neuer Welttheile ausgeruͤſtet wurden, 


berief Alchred feine Biſchoͤfe und übrigen angeſehnen Geiftlichen, 
um biefes Anliegen zu berathen und nach reiflicher Erwägung 
zu bewiligen. Der Miffionar wurde dem Schuge des Hoͤc⸗ 
fin empfohlen, welcher ihn nicht verlisß und ihn; den Freund 
des trefflichen Alcuins, durch die Begründung des Bisthums 
Bremen, des fpätern hamburgiſchen Erzfliftes, fegnete '). Doch 
nach einigen Jahren von dem Zürften und feinen Verwandten 
verlaften, aus York vertrieben, entfagte er dem Reiche. Ein 
Sohn bes Äthelwald Mol, Äthelred, folgte ihm auf einige 
Jahre, worauf auch er gezwungen wurbe auf bie Krong zu 
verzichten und fein Vaterland zu fliehen. Zwei Ealdormannen, 
thelbald und Herbert, hatten ven erfien Anführer bes koͤnig⸗ 
lichen Heeres, Aldulf, Boſas Sohn, bei Kingsclive und her⸗ 
nach feine Heerführer Kinewulf und Egga bei Hilathimm ers 
ſchlagen ). Athelred fand ein Aſyl bei dem Könige ber Picten, 
während Alfwold, Oſwulfs Sohn und Eadberts Enkel, bie 
Regierung des unruhigen Northumbriend übernahm. Er wird 


als ein frommer und gerechter Koͤnig geprieſen und mit dem | 


Namen bed Königs der Unfchulbigen geſchmuͤckt. Doch fiegte 


die Gewaltthätigkeit der Großen feines Reiches uͤber heffere 


Beftrebungen. Der Patricius Beorn, fein Oberrichter, wurde, 
weil ihm zu große Strenge vorgeworfen ward, von ben auf: 
gebrachten Thanen Dfbald und Athelheard, welche eine Hee⸗ 


J resſchaar um fich verſammelt hatten, zu Silton verbrannt. Er 


1) Vita 8. Willehadi. co. I. Der König der Angeln heiſſt daſelbſt 
in einigen Handſchriften Alachind, in den beffern Alachrat. Im ap- 


| Pendir ad Bedam ad a. 765 wird er Alachredus genannt. Diefe 
er 


einftimmung bes Namens und Stammes bes Koͤnigß, des Geburts⸗ 
landes des Prieſters und ber Zeitrechnung — jener ging im I. 779 von, 


den Briefen zu ben Sachſen — heben. jeden Zweifel gegen meine Er⸗ 


klaͤrung. 
2) Henr. Huptend. Simson Dunelm. Surner mioverſteht 


dieſe Stelle gaͤnzlich. 


Von Mitte dei 5. bis Ende des 8. Jahrh. 211 


ſelbſt hatte gehn Jahre regiert, als er durch eine Verſchwoͤrung, 
an deren Spitze der Patricius Sicga ſtand, einem traurigen 
Tode unterlag. 
Dfred, Alchreds Sohn, erhielt jetzt den von ſeinem Va⸗ 
ter einſt beſeſſenen Thron, den er jedoch ſo ſchlecht behauptete, 


daß er, als Kthelred, Äthelwalds Moll Sohn‘), in das Reich, 


das auch deſſen Vater beherrſcht hatte, zuruͤckkehrte, der Krone 
verluſtig erklaͤrt, mit geſchornem Haupte in ein Kloſter geſteckt 
wurde und zuletzt in der Verbannung Sicherheit fuͤr ſein Le⸗ 
"ben ſuchen muſſte. Äthelred ſuchte durch gewaltſame Mittel 
:fich zu befeſtigen. Der Herzog Eardulf, welcher anfaͤnglich 
<ımter ihm einen. Xheil Northumbriens regierte, wie vorhandene 
Münzen (für die angelfächfifche Geſchichte eine fehr ergiebige 
Huͤlfsquelle) lehren, und ſich ihm entgegenfeßte, wurde gefan- 


‚gen, und, ald er fich in die Kirche zu Nippon flüchten wollte, ' 


vor deren Pforte angegriffen oder auf befonderes Geheiß des 
Koͤnigs meuchlerifch überfallen und. für todt:zurüdgelaffen, Un: 


790, 


-ter gregorianifchen Gefängen brachten die Mönche den Körper - 


:in die Kirche, den nach Mitternacht der Scheintod verließ, ba 


‚Eardulf noch große Wechfelfälle des. Geſchicks zu erfahren bes 


-ftimmt war. Die. Söhne Alfwolds, Alf und Alfwin, aus ber 
Hauptkirche zu York verrätherifch herausgelodt und aus ber 
‚Stadt weggeführt, traf der Dolch Athelreds ficherer. . Die Un: 
zufriednen richteten ihre Blide wiederum auf den vertriebenen, 


auf der Infel Man verweilenden Dfred, dem fie fih treulih 


und eidlih zur Herſtellung feines Koͤnigthums verpflichteten. 
:Doc noch nicht lange war er. gelandet, .ald Treue und Eid 
“gebrochen, er gefangen vor Äthelred geführt und auf deſſen 
Aus ſpruch hingerichtet wurde. Auffallend erſcheinen uns -hier, 
wie bei andern angelſaͤchſiſchen Haͤuptlingen, welche den. Tod 
der Landesverraͤther ſterben muſſten, die dennoch erwieſenen 
Leichenbeſtattungsehren. Noch andere Mittel verſuchte Äthelred 
ſeine Herrſchaft zu befeſtigen. Er verſtieß ſein Weib und hei⸗ 
rathete, wenige Tage nachdem er ſich des gefaͤhrlichen Gegners 
M Florent. Wigorn. ad. a. 790 hat Aethelredus frater Alf- 
woldi, wofür A, filius Aethelwoldi gu. leſen. Vgl. chren. saxon, h. a. 
- Florent. ad a, 77% nennt anftatt Athelred, Athelbert, wodurch der 
zweite Irrthum veranlaſſt ſein meaeg. 
144 


212 | | . Bweite Abtheitung.: 


entlediget hatte, Älflede, bie Tochter bes Könige Offa von 
Mercten. 

| Begebenbeiten wie fie bier verzeichnet werden, mufften 
auf den Zuftand des Volks die traurigften Wirkungen aͤuſſern. 
Wir vernehmen von Feinen auögezeichneten Männern in Nort: 
bumbrien mehr; der Landbau wurde vernachläffigt, Hungers⸗ 
noth und deren DBegleiterin, die Peſt, verbeerten das Land. 
Doch eine fchlimmere Geiffel als die letztern vorübergehenden 
Übel nahte fi) dem nördlichen Britannien unter Äthelberts 
Regierung zuerſt. Im, J. 793 landeten die erfien Normannen 
auf Lindisfarne, plünderten Klofter und Kirche, St. Cuthberts 
Stiftung, und ſchonten fogar nicht der Mönche, welche fie 
theils als Sclaven raubten, theils ins Meer ſtuͤrzten oder durch 


das Schwert toͤdteten. Schon im folgenden Jahre kehrten die 


Seeraͤuber wieder zuruͤck, wo fie Ecgfridsmuͤnſter (Jarrow) 
uͤberfielen. Doch wurde ihr Anfuͤhrer von den Einwohnern 
getoͤdtet, ein Sturm zerſtoͤrte ihre Schiffe und trieb die Über⸗ 
lebenden an das Ufer, wo das Rachefchwert der Northumbrier 
ihrer harrte. Kein Scaldinge — fo finden wir die bänifchen 
Seeräuber benannt, entweder Skjoldinge oder von der Schelde, 
an deren Mündung fie eine Niederlaffung befaßen — keiner 
derſelben entkam). 

So bewahrte nach damaliger Anficht der heil. Cuthbert, 
der Schutzpatron jenes Kloſters, in den naͤchſten Jahren Nort⸗ 
humbrien vor den ferneren Angriffen der Daͤnen, welche ſpaͤter 
nicht nur den Frieden, ſondern fogar die Unabhängigkeit deſ⸗ 
felben völlig zu zerflören beflimmt waren. Doch erregte bie 
Zerftörung jener geheiligten Kirche einen tiefen Eindrud über Eng⸗ 
land hinaus, welcher beweifet, daß die Zerftörungsfucht der 
Normannen noch nicht allgemein bekannt war?). 

1) Historia de Cuthberto apud Simeon, Dunelm. p. 69, wo 
ein Einfall der Gcaldingen nad Ecgfrids Tode und vor König Ceol⸗ 
wulf, alſo vor 729 angenommen wird. Hier kann jedoch nur ein Irr⸗ 
thum fein, der vielleicht auf den Einfall der Picten im 3. 710 ſich be 
‘ zieht. gl. Simeon Dunelm, de rebus gestis reg. Anglor. ad a. 

798 et 794, weldhem Roger von Hoveden nachſchreibt. Pagani — 
princeps eorum ibidem crudeli nece occisus est ab Anglis. 

-2) Alcuini epist, 29. 49, u. A. Will, Malmesb. de pontifi- 
cibus 1. III. de episcopis Lindisfarn. 


Bon Mitte des 5. bis Enbe des 8. Jahrh. 


Nach wenigen. Jahren wurde. .Xthelted durch feine miss 796. - 
vergnügen Magnaten, imter: denen Ealdorman Aldred, als. der. 
Moͤrder, ſomie Ealdorman Wada/ befonderd genannt werben, 
ermorbet ').; Viele vornehme Laien und Biſchoͤfe flohen jetzt 
von dem unglüdlichen Schauplage innerer Zwietracht, welcher 
Spott und Beute der Benachbarten zu werben ſchien“). Dee 
Herzog und: Patriciud Oſbald, welcher fchon in früheren Jah⸗ 
ren. ald ein. Fuͤhrer der Parteien .fi ch. gezeigt und auch dem 
letzten Könige. fehr nahe geflanden,?) hatte, :wurde von feinen 
Anhängern zum Könige auögerufen. Doch der wiederkehrende 
Mond fand ihn ſchon nach Dem Afyle des Kloſters Lindisfame 
flüchtend, von mo aus er zu der gewöhnlichen Schußflätte: der 
verbannten Northumbrier, zu dem Lande ber Picten ſchiffte. 
Er ſtarb nach einigen Jahren, als Abt, wie es ſcheint, in ſei⸗ 
nem Vaterlande*). Die Northumbrier riefen den einſt durch 
die Mönche von Rippon geretteten Herzog Eardulf, bed gleich 
namigen Vaters Sohn, aus jener  northumbrifchen Königs: 
fchule, der"Verbammung, zuruͤck. Mit Eardulf fchien eine et= 
was beſſere Ordnung ber Dinge für. ‚eine Weile zuruͤckgekehrt. 
Eine unter. feinem Schuge von dem Erzbifchofe von York, Ean⸗ 

bald, gehaltene große Synode zu Pincombaeth zeugt von dem 798. 
ernften beſſern Streben. Der unruhige Adel: nerficchte auch ' 
jegt bem Könige drohend entgegenzutteten, und die ſtets zu⸗ ⸗ 


9 Simeon Dunelm. ad a. 796 et 798. Chron. saxon. fegt 
feine Ermordung i in das Jahr 794, dem Zurner und Lingard folgen.. 
Fuͤr 796 ſpricht nicht nur die Wahrſcheinlichkeit, welche die Annalen 
von Durham fuͤr ſich haben, ſondern auch die in beiden Jahrbuͤchern 
mit Eardulfs Thronbeſteigung gleichzeitig angegebne Mondfinſterniß am 
233. März 796. Vgl. Vart de: verifier. les dates in ber Berechnung 
der Eklipſen. 


2) Guil. Malmesb. de rebus gestis regum p. 86, 38, 54. 


3) Alcuin mahnt in einem Schreiben (Epist. 29. Opera p. 1537) 
den König Äthelred, den Patricius Oſbald und den Ofbert de antiqua 
amicitia — de fidei veritate, de pacis concordia, quam habere de- 
betis inter vos, quia amicitia quae deseri potest, nunquam vera fuit. 
Der Brief Tann nicht lange vor Äthelreds Ermordung gefchrieben fein, 
da der Zerftörung der Kirche St. Euthberts durch die Heiden darin ge⸗ 
dacht wird. 


4) Simeon Dunelm. ada 799. 


v7 wu | Bette Abtheitung. 


neh wende nzahi von Nathkonrmen ober Verwandten dectriebe⸗ 


mer Könige muſſte jeder folgenden neuen Regierung größere 
Sefähren in den Weg legen; doch wurbe. der Ealdorman Wada 
zu Billingaheth ) bei Whalley in die Flucht getrieben imb ws 


ſchlagen, Alric, Herbertö, vernuthlich des obengenammten Eal⸗ 


dormans Sohn, und feine Partei vernichtet ). Torthmund, 
ein wegen feiner Treue und Tapferkeit gepriefener Ealdorman, 
rächte die. Ermordung feines ehemaligen Herrn Äthelred an 


‚ dem Thäter. Ealdorman Mol, aus dem Gefchlechte ÄAthelwalbs, 


wurde auf Eardulfs Geheiß getoͤdtet, ſowie auch din Sohn 


Acchredd, Alchmund, welchen nach feiner heimlichen Ruͤckkehr mit 


801. 


andern Verbannten bie Wächter des Königs ergtiffen hatten. 
Doch waren noch immer feine Gegner nicht entmuthigt, welche, 
wem verbannt, bei Cemwulf, dem Könige von Mertim, den 
gaftfreien Heerd und Schug fanden. Earbulf fühlte ſich flar® 
genug die Hauptflüge ber Verſchwornen in den verraͤtheriſchen 
Nachbaren anzugreifen. Eine lange Heerfahrt wurde durch die 
Bermittelung der weltlichen und geiftlichen Fürften "Englands 
endlich mit einem auf bad Evangelium beſchwornen Friedens⸗ 
und Freundſchafts⸗Buͤndniſſe zwiſchen beiden Königen brendigt. 
Nach fünf Jahren muſſte indeſſen auch Carvulf, von feinen 


. Untertharin verbannt, aus feinem Reiche fliehen). Sein 


Entſchluß, den Empoͤtern, welche ihm einft freiwillig gehuldigt 
hatten, nicht zu weichen und den Schuß bed mächtigen Frans 


kenkoͤnigs, Karld des Großen, fowie die Vermittelung des Pap⸗ 
ſtes Leo IH. anzuflehen, bewährt ihn ald energifchen und ums 


fi ichfigen Charakter. Dem großen Karl waren bie Angelegen⸗ 


1) Ich bemerke hier den Kamen des berühmten ſachſiſchen Goe⸗ 
ſchlechts, welcher in England ſonſt ſelten vorkommt. Billings⸗Gate 
(Thor) in London iſt bekannt. 

2) Simeon Dunelm. ad a. 799. Aleuini epistola XVIII. in 
operibus p. 1514. In diefem Briefe werben der Exrzbifhof von Gans 
terbury, Torthmund u, 4. dem Kaifer Karl zur günftigen Aufnahme 
empfohlen. Da Äthelheard im 3. 799 nach Rom reifte, fo dürfen wir 


wohl annehmen, daß Torthmund gleich nad Volführung oben gebachter 


That feine Heimat verlieh. 
8) Leider ift in dem Simeon von Durham, ber Hauptquelle 
für Northumberland ſeit Beda, vom Jahre 803 —8 eine Luͤcke, wo⸗ 


durch wir faft ohne Nachrichten über diefen Staat bleiben. 


‘ 


' 


Don Mitte dei 5. bis Ende bes 8. Jahrh. 215 
beiten: des noͤrblichen Britanniend nie fremd geweſen, durch fels 


x 


9 


nen kuͤrzlich verftorbenen Freund Alewin aus York müuͤſſen fie 


Sm viel vertrauter geworden fen. Earbulf ſuchte den Kaiſer 
zu Nymwegen auf und eilte, nachdem et dort feine Angele⸗ 
genheiten gefoͤrdert hatte, nach Rom zum heil. Vater. Auch 
bier wurde die nachgeſuchte Vermittelung bereitwillig aufgenom⸗ 
men, päpftliche und Faiferliche Gefandte (jener war ein Angels 
fachfe, der Diaconus Aldulf) gingen nach Britannien, und ihrem 
vereinten Anfehn gelang es Earbulf in feiner Königlichen Wuͤrbe 
berzuftelen ). Alfwold, vielleicht ein Bruder des Könige 


Üthelred, hatte in ben während biefer Verhandlungen verfloffes 


1) Es ift Kaum begreiftich, wie Turner biefe Wermittkung des 
Popftes und Kaifers in das Jahr 794 fegt und als bie Veranlafſung 
von Eardulfs Krönung betrachtet. Lingard, Im der Zeitangabe rich⸗ 
tiger, ſpricht von dem Befängniffe, aus weldien der Katſer den Gar: 
dulf erſt befreite, und Läffe diefen jenen gu Royon auffuchen? ©. Ein- 
hardi annales ad a. 808. Enliard. Fuldens. aod.. Wenn Lins 


gard ferner annimmt, daß bie Parteien, ihren Bwift dem Papfte zus 


ſchiebsrichterlichen Entſcheidung vorgelegt, fo vermiſſen wir bie glaub, 
. Wübige Dirt und verweifen deshalb auf Palgräve I, 484. Möhl 
über Hatte ber Papft bereits von den Engkaͤndern (Saxones) Carbutfs 


Beitreibang erfahren und den: Diatonus Aldulf, welcher auch det litch⸗ 


lichen Zwiſtigkeiten des Erzbiſchofs von Dort, Eanbald, des Königs nom 
Mercien, Eenulf, und Wadas wegen nad) Britannien gefanbt war, zur 
Vermittlung beauftragt. Ein Bote des Ganbald war nicht nur, wie 


Lingard fägt, zu Rom, fonbern beim Kaifer Karl angelangt. G. die 


n Briefe Leos IH. an den Kaifer bei Bonquet I, 5. p. 601-4. 
Daß nicht bloß von inneren Unruhen die Rebe war, fordern dermuth⸗ 


lich von des Königs von Mercien Abſicht, die Erzbiſchoͤfe und ben Bis. 


ſchof von Hom nicht anzuerkennen, gebt aus dieſen Briefen deutlich her⸗ 
vor: Praedictus Cenulfus rex nec suum archiepiscopum (sc. car- 
tuariensein) pacificum habet nec istum Kanbaldum item: archiepisco- 
pum eto. p. 602 c. — Valde pertimeschmus, nè ipse populus acyuisi- 
Uonis anilctae romanae eccleiiae per giimlibst occasiohern et certa- 
men praedecessoris mei, domini Gregorii, 'beatissimi papae, quod 
ipsis in partibus posuit, meis temporibus infructuosum existere vi- 


eatur nec mihi in iudicio eveniat etc. p. 604 & Die befondere Gen, 


dung bes Aldulfus (de ipsa Britannia, natione Saxo) erflärt, weshalb 
diefee, als er auf der Überfahrt über den Canal von Seeräubern gefan⸗ 
gen war, von ben Leuten des Könige von Mercia ausgelöft wurde. 
Einhardi dmmal. ad a. 809. 





216 Zweite Abtheilung. 


nen zwei Jahren geherrſcht und wiberfegte ſich dem hergeſtellten 
Frieden nicht lange. Carbulf ſtarb ſchon im folgenden Jahre, 
doch fein Sohn Eanred behauptete, wenngleich unter innern 
Stuͤrmen, den Zhron breisnddreiffig Jahre ), bis Begeben- 
heiten eintraten, welche und geflatten werben bie Geſchichte 
Englands unter einem allgemeinen Überblide zufammenzu- 
im 

en Mercin, auf welches wir jetzt unſere Blicke wenden wol⸗ 


len, bietet aa diefer Periode einen von Northumbrien fehr 


675. 


verfchiebenen Anblid dar. Der lange Widerſtand gegen die 


Einführung des Chriſtenthums beſtraft ſich in dieſem Lande 


auch in dem Mangel wiſſenſchaftlicher Bildung und der dahin 
fuͤhrenden Anſtalten. Mercien hat uns weder ben Namen 
eines Schriftſtellers noch ſchriftliche Geſetze noch ſelbſt eine 
duͤrftige CEhronik hinterlaſſen. Die Zahl der Geiſtlichen war 
nirgends geringer, und waͤhrend in den uͤbrigen Staaten die 
Bisthuͤmer in mehrere Dioͤceſen vertheilt wurden, muſſte hier, 
aus Mangel an Geifllihen, das eigentliche Mercia und Mit: 
telanglien in Ein Bisthum zufammengezogen werben. Dagegen 
hatte Pendas kraftvoller Arm tapfere Krieger gebildet und 
den Nachkommen der alten Seehelden eine Landmacht erfchaf- 


“fen, welche den Briten, wie allen Stammgenoffen, furchtbar 


ward. Im der Mitte des Landes benusten feine Regenten 
ihre Lage, alle Nachbarn zu bebrohen und fich die britifche 
Obermacht oder dad Bretwalda= Amt zu erhalten. Das Glüd 
einiger langen Regierungen beförberte die innere Ruhe und das 
Gedeihen der Plane gegen die in fich zerriffenen Nachbarſtaaten. 
Nach Wulfheres Tode war ihm fein Bruder Äthelbert, 
ber Gemahl Oſthrydes, einer Schwefter König Ecgfrivs von 
Northumbrien ?), gefolgt. Im erfien Jahre feiner Herrfchaft 
Überfiel er?) Lothar, König von Kent, welchen er befiegte und 
in fein Reich verfolgte, wo er Shen und Kirchen, ſeibſt den 


1) Simeon Dunelm, de ecel. dunelm. J. II. c. 5. Matth. 
Westmon. nd a. 810. 


2) Beda LIV. c. 21. ‚Matth. Westmon. ad a. 696 nennt 
fie irrig Egfridi regis filiam,. 


8) Aedilred — adducto maligno exercitu. Bedel wm u 12. 


Bon Mitte. des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 27 


Bifchoffig Rocheſter, zerſtoͤrte. ‚Nach, wenigen Jahren uͤberzog 
er den Koͤnig Eegfrid mit einem Kriege, in welchem ſein ju⸗ 
gendlicher, in beiden Laͤndern geliebter Schwager Alfwin, Eeg⸗ 
frids Bruder, fiel und die durch die Erbitterung geſteigerte 
Rohheit beider Volksſtaͤmme hoͤchſt gefaͤhrlich zu werden drohte. 
Bewundernswerth erfcheint und hier, der. heilfame Einfluß und. 
die Gewandtheit des. Erzbiſchofs von Ganterbury, Theodor von 

. Zarfus, welcher,. feinem Beruf zur Bermittelung der feindlichen: 
Voͤlker folgend, mit jenem Gluͤcke, welches . den Bermittlern bei 
ſehr aufgeregten Leidenſchaften häufiger ‚wird. ald auf‘ früheren 
Stabien des Zwiſtes, die Northumbrier vermochte gegen die 

| Entrichtung des gewoͤhnlichen Wehrgeldes jeder ferneren Rache: | 


wegen bed. Todes ihres Prinzen. zu entfagen und fogar das Fe 


von Ecgfrid geraubte Lindiſſe an Mercien zuruͤckzugeben. Auf. 
feine fernere langjährige Regierung ſcheint Fein Tabel zu fallen, 
Ein großes. Ungluͤck trübte feine ſpaͤtern Jahre, ein Verbrechen, 
in der Geſchichte Europas ſo ſelten, daß wir elfhundert Saba | 
ze ‚vorwärts zu fchauen haben, um eine Parallele zu finden: 
* der. Adel der nördlichen Lande feines Reiche, der Suͤdhumbrier, 697. 
erſchlug die Königin, feine Gemahlin ').. Er uͤberließ ſpaͤter | 
die Regierung der Suͤdhumbrier feinem Neffen Coenred, ‘dem 
Sohne feines .ältern., Bruders Wulfhere, .und ob er ‚gleich 
felbft Söhne, jedoch unmuͤndige, beſaß, hernach ſein ganzes 704. 
Reich, woher es denn ſcheinen moͤchte, daß Merciens Staats⸗ 
recht, verſchieden von: dem. Northumbriens, wo wir einen achte 
jährigen Knaben. ben Thron befleigen  fahn, vom Könige bie 
zur "Führung des - hoben Amts  erfoberlichen Eigenfchaften, 
auffer der Berechtigung durch die Geburt, verlangte. Unter 
ben Mündigen feheint immer der Nächftberechtigte gefolgt und 
der ältern Linie ſtets ihr Recht bewahrt zu fein. Der welcher 
die Regierung angetreten hatte, war jedoch nicht gezwungen ihr 
wieder zu entfagen, wodurch denn. alle Gefahren und. Übel 
flände der Vormundfchaften wegfielen. Es ift daher lediglich 
ein Misverfiändniß eines ſpaͤteren Schriftftellers *), wenn Coen⸗ 
M) Beda V, 24 — a primatibus Merciorum interempta esse, 
Chron. saxon, ad a. 697. Florent, Wigorn. ad a. 696. ;Matth. 


- Westmon. ad a. 696 crudeliter necäverunt, 


” Wallingford, aus dem fo manches Misverftändni. in. die 


4716. 


709. 


218 Zweite Abtheilung. 


a Vormund Für den Sohn Üihelberts betrachtet wird; 


da dieſer geſetzlich die koͤnigſiche Gewalt undebingt für feine 
Lebenögeit erhielt. Der Sohn Pendas aber ging in dad Klo⸗ 
fer Bardeney, nahm die Zonfur und lenkte noch viele Jahre 
ats Abt die friedliche Thätigkeit dev Mönche. So fchnell was 
ren die Zeiten geſchwunden, in welchen der Enkel Odins nur 
Eine Schmach kannte, die, auf dem Bette zu flerbenf Aber beim 
Volke warb die neue, Giberhandnehmende Sehnſucht nach der 
Kutte gefährlicher als die alte Gewöhnung des Hamifches. 
Auch Coenred gab nad) einigen größtentheils in Kämpfen mik 

den Briten zugebrachten Jahren)) die kaum eingeuͤbten Zuͤgel 
der Regierung einem Nachfolger, dem jungen Coelred, und 
ging mit Offe, König von Effer, einem Juͤnglinge mit alleni 
Reize der Jugend und Liebenswuͤrdigkeit gefchmüdt, wie mit - 
allen Herrſchergaben ausgeruͤſtet, nach Rom, um daſelbſt das 
Moͤnchsgeluͤbde in die Hände des Papſtes Conſtantin abzule⸗ 
den und fir ihr Seelenheil und das ihrer verlaſſenen Ehege⸗ 
noſſen, Angehörigen und Voͤlker bis an das Ende ihrer irdi⸗ 


ſchen Tage zu beten und zu faſten. 


Sein Nachfolger, des Athelred md der fieytbe Sohn, 
farb in beinfelben Sabre mit feinem Bater. Wemi auch 


ſpaͤtere Schriftſteller, ob in der Freude am toͤnenden Wortge⸗ 


praͤnge, ob ber Chronik eines von ihm beguͤnſtigten Kloſters 
nachlallend, ihn als den glänzenden Erben großväterlicher und 
väterlicher Tugend 'priefen, fo iſt uns in feinen allgemeinen 
Zuͤgen das ungänftige Zeugniß eines ber außgegeiheien Jeit⸗ 
genoſſen, des Etzbiſchofs Bonifacius, im einem an ben Nach⸗ 


ſolger Ceolreds gerichteten Schreiben glaubwuͤrdiger?). Cr bes 
faß nicht bie Tapferkeit oder das Waffengluͤck Pendas Bes 


Kraftvollen, denn in dem von ihm mit Ine von Weffer ge: 


engliſche Geſchichte hineingetragen iſt, ſagt (Gele I, 527), daß Coemis 
dem Ütheleed ſich verpflichtet Habe feinen muͤndig gewordenen Gohnt 
dereinſt Die Regierung wieder abzutreten. Daß bie Abtretung an Goeks 
red vor dem 18. Jun. 704 geſchah, ergibt die Urkunde bei Hickes III. 


pı 262, n. 77. 


1) Vita 8, Guthlaci ; in actis suhttor. Ap. I. Vol. 2. p. 89. 
2) Bonifacii epist. XIX. Malmesdury bat daſſelbe aufge⸗ 


Kommen. 
/ 


Don Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 219 


Füßen Kriege blieb die Ehre des Sieges bei Wobansdurg 
unentſchieden. Seinen jugendlichen praͤſtimtiven Nachfolger 
Ütpelbald, der ihm entfernt, doch, ſowelt unſere Nachrichten 
reichen, zunaͤchſt verwandt war, ben Clito ) AÄthelbald, Sohn 
Alwius, des Bruders von Penda, verfolgte er unerbittlich. 
Gleich Penda über feindete er die Kirche an und gab fich 
ſinnlichen Genuͤſſen mit einer leidenſchaftlichen Wuth hin, weiche 
ihn waͤhrend des Taumeld eines Feſtmahles zur Beute des 
Todes machte und der Sage, daß der böfe Geift ihn im Zwie⸗ 
sefbril zu ſich genommen, eine gefchichtliche Deutung ge 


De und MNhelbald hatte bisher in den Suͤmpfen bes 
‚naher von ihm geſtifteten Kloſters Croyland nicht nur Schutz 
ſondern auch höhere Belehrung bei dem frommen Einfiedler &t. 
Guthlak, deſſen Herkunft ach aus dem mercifchen Koͤnigs⸗ 
ſtamme von Icel hergeleitet wird, gefunden. Seine Anerken⸗ 
mung als König fand keinen Anſtand. Er wird als kraftvoll, 
ſchoͤner Geſtalt, muthigen Sinnes gefchilvert; Übermuth und 
Genußluſt waren der Vorwurf feiner fruͤhern Jahre ). Waͤh⸗ 
rend er für die innere Ruhe des Landes durch ſtrenges Recht, 
fire die Geiſtlichen und Armen durch reichliche Spenden ſorgte 
und den oͤffentlichen Pflichten zu genuͤgen ſchien, uͤberließ er ſich, 
ſelbſt rechtmaͤßige Ehe nicht ehrend, den Ausſchweifungen mit: 
Ehefrauen und Nonnen, und riß bie Thane von Meridien in 
diefen Strudel von Verworfenheit und allgemeiner Verderbt⸗ 
heit hinein. Die liebevolle Sorge, mit welcher Bonifacius, der 
Erzbifchof von Mainz, ftetS fein Vaterland im Auge behielt, 
ber hohe Ernſt, mit welchem er dem Könige mit merkwuͤrdigem 
Ruͤckblicke auf die Keufchheit feiner Vorfahren und Stammge⸗ 


1) Clito, ein den Mitgliedern des Koͤnigsſtammes von ben Angels 
ſachſen, bei denen wir aud) andere griechiſche Titel finden, gegebner ' 
Ehrenname. Er entipricht, der Anwendung nad), dem ältern, hernaq 
zuweilen ausgedehnten Gebrauche des angelſaͤchſiſchen cild, child, in 


lateiniſchen Urkunden durch puer uͤberſetzt, in der aͤltern engern Bedeu⸗ | 


tung dem fpanifchen Infanten, in der ausgebehntern unferem Junker. 


2) Ingulphi historia monasterii Croyland. init. S. das oben 
angeführte Schreiben des Bonifacius. Vgl. auch Felicis Girwii 
vita 8, Guthlaci in actis sanctor. April. XI. c. 8 et 4. j; 


742, 


138. 


220 Zweite Abtheilung. 


noffen, der Altfachfen-, fein Vergehn vorzuftellen wagen durfte, 
blieben - nicht ohne. Erfolg, welchen der Umfland,: daß dem 
Berächter heiliger Ehe kein Erbe: geboren wurde, vielleicht be= 
guͤnſtigte. Auf einer mit Guthbert, dem Erzbifchofe von Can⸗ 
terbury, gehaltenen Synode zu Cliffsho in Orfordfhire, wurde. 
verfucht zunaͤchſt durch eine Reformation der, Pralaten und 
Moͤnche auf die Laien zu wirken‘). Ä 

: Üthelbalds einundvierzigjaͤhrige Regierung w war vi an gluͤd⸗ 
lichen Kämpfen mit den Briten; ohne Kampf folgten ihm Oſtan⸗ 
glien, Eſſex und Kent, und zuweilen gegen ben gemeinſamen Zend 
auch Wefler. Später verfuchte er, einen Regierungswechfel liſtig 
benußend, Einfälle in Northumbrien, welche-Sönig Eadbert zu: 


ruͤckzuweiſen wuffte. Dennoc, behauptete der folge Athelbald die. 


hoͤchſte Herrfchaft in Britannien?) und wuffte. feinen maͤchtigſten 


Nebenbuhler, Cuthred, den König von Weſſex, bald durch feind⸗ 


liche Überfälle bald durch erregte Aufftände fo fehr zu ſchwaͤ⸗ 
chen, baß diefer die Üübermüthigften Bedruͤckungen des Merciers- 


“ertragen muffte. Doch das Übermaß des ungewohnten Drudes: 
verſammelte bald wieder die abtrünnigen Großen feines Reichs 


752. 


um. den König von Weſſer, ber beſonders, durch die Verbin⸗ 
dung mit dem fruͤher von ihm abgefallenen, wegen ſeiner perſoͤn⸗ 
lichen Tapferkeit viell geprieſenen Ealdorman Athelun?) geſtaͤrkt 
wurde. Die Schlacht bei Burford in Orfordſ hire war fuͤr 
die Weſtſachſen ein Kampf, für Freiheit und Leben, ‚für Mercia 
um die Obergewalt Britanniend. Xthelun, dem das Reichs⸗ 
banner “anvertraut war, Schritt mit dem goldenen Drachen in 
der Hand an der Spige des Heered vor und erfchlug ben 
Bannerherrn der Mercier. Dur. Tal diefes bedeutenden Man⸗ 


1) Guil. Malmesb. de gestis regum. N I. c. 4. Idem de 
gestis pontific. 1. I. c. 1. 

2) In Urkunden vom Jahre 736 nennt er ſich: rex non solum 
Mercensium, sed et omnium provinciarum, quae generali nomine Sut- 
angli dicuntur — Rex Britanniae Smith Beda P- 786. He- 
mingford. T. I, p. 219.: 

3) Ihm wird der Titel-EConful-ertheilt. Henr. A unt: end. p. 321. 
&o Offerus consul Northambymbrorum (Matth. Westmon. ad a. 
708... Cumbra consul. Henr. Huntend, 341.) Vermuthuch ſoll 
der Oberbefehl im Kriege damit bezeichnet werden. 


>, 


Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Jahrh. 221 


ned - erfchredkte die Seinigen und erhob den Muth ber Weſt⸗ 
fachfen. Selten ſcheint unter jenem Volke eine fo bedeutende 
Schlacht mit ſo vieler Tapferkeit und Hartnädigkeit gefochten 
zu fein. Wenngleich Keiner wich, ſo glänzte doch Keiner mehr 


hervor als Üthelun, deſſen Streitart glei dem Blitze traf und 


zermalmte, deſſen Weg ber: Tod zeichnete, und wie König Äthel- 
bald, deffen unbefi iegtes Schwert das Eifen wie Wolle burchhieb, Ä 
die Schädel wie Fleifch fpaltete. Gleich Feuerbränden in ber 
entgegengefeßten Schlachtordnung Vernichtung um fich verbreis 
tend, wirtheten Beide fort, als fie fich ploͤtzlich, die beiden 
tiefenhaften, ſchaudererregenden Geftalten, einander gegenliber 
fanden. Wegenfeitiges Erblicken, gegenfeitiger Angriff waren 
gleichzeitig, doch urplöglich. verließ den König, unbegreiflich, 
doch nicht beiſpiellos, Kraft und Muth, und waͤhrend die Sei⸗ 
nigen noch tapfer fochten, floh er in einem Augenblick, wo ein 
glüdticher Schwertflreich fein Schickſal und feines Reiche Zus 
Zunft hätte entfcheiven koͤnnen. Tür Beide waren von jebt 


an die Zage bed Glanzed untergegangen. Nach einigen Jah⸗ 


ven focht er einen neuen Kampf gegen Wefler bei Sidington, 
und obgleich auch fein Heer fehr gelitten hatte, war er nicht 
zu bewegen das Feld zu räumen. Seine verrätherifche Leib: 
wache ermorbete ihn '); Beormed⸗ ſtellte ſich an die Spitze 
des Heeres und des Staates, doch nach kurzer Friſt muſſte er 

im folgenden Jahre 2) diefen Pas dem Patricius Offe, einem. 


Radtominen des Söniglichen Geſchlechts des Wibba, uͤberlaſſen 


und in eine untergeordnete Stellung zuruͤcktreten. 


1) Simeon Dunelm. Henr. Huntend. p. $41 non sine mi- 
rabili exercituum ruina, fugam dedignans, occisus est — der neuere 
Matth. Westmon. ad a. 755 hat irrig nachgefchrieben: per fugam 
non declinäns ruinam interfectus occubuit. 


- 2) Die fächhfifchen Chroniken baben irrig 755. Simeon Dunelm. ü 
ergäßit. beim Jahre 757, . wie Äthelbald geftorben und Offa bald feinen 
Thron beflieg. Meine genauere Angabe beruht auf. ben Acten ber Sy⸗ 
node zu Galchyth im 3.:789, dem Siften Jahre der Regierung Offas. 
Hickes l.1. 171. Der Sieg ‘über Beornred erfolgte im Spätjahr 757, 
und die Krönung Offas vermuthlich erft im 3. 758. Daß aber, wie in 
neuer. Zeit, obgleich im Wiberfpruc mit dem Sage: the king never 
dies, die Kegierumgsjahre nicht vom Todestage bes Vorgängers, ſondern 





a2 Zweite Abtheilung. 


‚Die führt uns, bie wir laͤngſt ſicheren hiſtoriſchen Boden 
erreicht zu haben glauben, ploͤtzlich auf einen ſehr nebelhaften 
Kreis zuruͤck. Sein eigener Name fol Pinefred, her feines _ 
Vaters, eines Ealdormans, Zuinfred ') gewefen fein. Gelaͤhmt, 
ſtumm und Blind gewann ber Juͤngling raſche Füße, Sprache 
und Geflcht wieber, als ber Uſurpator Beornred feine Altern 
nerfalgte und fein Vaterland brüdte, Ex erhielt deshalb dm 
Nomen bed zweiten Offa, in Erinnerung an Dffa, den Sohn 
Wermunds, welcher blind bis zum fiebenten, ſumm bis zum 
dreiſßigſten Jahre, ergriffen durch bie drohende Gichande dee 
Auoſchlieſſung von der Erbfolge, bei einem Durch einen Uſur⸗ 
pator Riganus oder Aliel drohenden Kriege, plöglich Die Sprache 
wieder erhielt. Diefer ältere Dffe, fein Vater Wermund und 
beffen Vater Wiklaeg find Lediglich mythiſche Verfonen der 

angelſaͤchſiſchen Koͤnigsgenealogie) und finhen ſich als Könige 
ber daͤniſchen Annalen in berfelben Folge wieder. Daß daͤni⸗ 
ſche Seeraͤuber dieſe Sage nach England ober engliſche Pric— 
ſter dieſelbe nach Daͤnemark gehracht haben, iſt nicht wahr⸗ 
ſcheialich, ſondem vielmehr, daß beide Voͤlker aus deyſelben 


von der Kroͤnung gerechnet werden, ergeben mebre Stellen, . B. 8j- ' 
meon Dunelm. ad a, 753 u. 759 

1) Nennius gibt, —— verfehichnen ahweichenden Lesarten, in der 
Lifte der Ahnen Offas, ben Namen Inferth dem Großvater und biefem 
einen Sohn Glum, den Vater Offes. 

2) Obgleich mehrere Angaben über die Btammbäume ber Könige 
von Mercien in andern Namen abweichen, fo ſtimmen fie bach alle im 
diefen dreien überein. S. Nenntus, Alfred von Beverley, saxon 
chronicle ad a, 626. Diefelbe Bemerkung für diefe drei bänifchen Könige 
findet in Beziehung auf die in andern Fällen abweichenden Koͤnigsliſten 
bei Saxo grammaticus und der f. g. Erichs Chronik flatt. Bei 
Sven Aggonis fehlt Wiklaeg; doch bei allen breien aus verfchlebnen 
Quellen ſchoͤpfenden Schriftftellern lieſt man bie oben angegebne Erzählung 
von Uffo. Der daͤniſche Ufo iſt nicht blind, aber der Sohn bad exblins _ 
daten Waermund; daß. er aber bis zum breiffigften. Jahre flumm gene“ 
fen, wird von Sven Aggonis ausbrädtid erwähnt. Es möge bier 
noch ongebeutet werden, daß mehrere ker merciſchen Koͤnigsnamen fich 
in dem Gedichte Beowulf, freilich unter verſchiednen Beziehungen finden. 
So Wiclaf, Sarmund (Wermundb), Angetheow, Higelac (Ich). Eine 
Sage vom alten Offa ift in demfelben ausführlich erzählt. ©. Grundt⸗ 
dig Borrede &. 49. Diele Beziehungen bes Gedichtes zu Mercien find 


‚ 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 223 


Quelle, ber Heldenſage der Juͤten, gelhöpft haben mögen '). 
Diefe Sage exinnert zugleich an bie nom Sohne bed Königs 
Gröfns, welche Herodot und aufbewahrt hat?), und möchte 
neben fo manchen anderen vieleicht auf den Zufammenhang 
der Germanen mit bem Driente zu beziehen fein. | 
Die Übertragung ſolcher älteren, Sagen auf einen ſpaͤteren 
Zürfien wuͤrde nach ben gewöhnlichen Vorgängen und berechs 
tigen anzunehmen, bag eine dunkle Herkunft durch jene bemän- 
telt werben fol. Offas Thron wurde nicht ohne vieles Blut 
vergiefien hefeſtigt“), und wie dürften daher vermuthen, daß 
Offas Tapferkeit und andere Berbienfte über nähere Anfprüche 
der Geburt den ‚Sieg bavongetragen hätten. Doch bemerkt 
man ſchon unter König Athelbald auf ber Synode zu Cliffsho 
und bei andern Anläffen den jungen Patricius Dffa, deffen Rang 
naͤchft dem der Könige allen übrigen Laien voranging. Offa 
ſelbſt nennt in zwei von ihm ausgeſtellten Schenkungäbriefen 
feinen Großvater Eanmulf, welcher im Lande ber Hwiccas 
zu. ben Zeiten König Athelbalds Land erhalten und daſelbſt 


£ 
um fo merkwuͤrdiger, ba. der Sceſinger Sciold und bie Gage Yon 
Sceals Ankunft, mit bem es beginnt, nur in ben Stammbäumen von 
Weffer erwähnt werben. 

1) &. Dahlmanns dorſchungen Th. I. &.283. Üben bie beiden 
angelfächfifchen Offas hat ein Mönd zu St. Albans eine Schrift aufge 
fegt, welche von Watts hinter feiner Ausgabe bes Matthäus von Paris 
abgedruckt Hi. Das Beben des aͤlteſten Offa a. a. 9. flimmt am meiften 
mit Sven Aggonis uͤberein, wicht nur in ben allgemeinen, Umriſſen, 
ſondern auch in deu erſten Rede bes Dffe. Die übereinſtimmung beider 
GBagen in der Umguͤrtung des Juͤnglings mit dem Schwerte durch den 
Bater, ſawie der folgende Kampf am. Fluſſe ſind nicht zu uͤberſehn. 
Bemertenswerth ift jedoch, daß aufler hen angeführten vitis, deren Zeite 
alter und Verfaſſer nicht bekannt find, kein anderen alten anglifcher 

Schröftfteller der Gage von der Jugend der beiden Offas gedenkt, nicht 
einmal der an bergleichen Sagen reiche Brompton. | 

D L. L. 0.35. Aus ihm Cicero de divinat, l. L. 0.59, Gel- 
lius J. V. c. 9., ber auch eine ähnliche Geſchichte von einem ſamiſchen 
Arbleten Aiglaͤs erzaͤhlt, welcher darin dem Offa gleicht, daß er auf 
Agnlas eines Zweilampfes bie Sprache erhält. 

8) Appendix ad. Bedam a. 257, Alcuinus apud Malmeab. 
LI. c. 4: pater suus (sc, Ecferthi sc. in Offa) pro confirmatione re- 
gri eins multum sanguinem effudit. 


769. 


711. 


224 Zweite Abtheilung. 


zu Bredon eine Kirche errichtet hatte”) und der, wenn wir 
‘dem Fingerzeige folgen dürfen, den die Alliteration bei den 
"Angelfachfen häufig gibt, Vater oder Bruder der chriftlichen Un; 


terfönige jenes Landes, Eanfrid und Eanhere, war. Wir müffen 


ihn daher ald den nächflen Verwandten des Könige, wenngleich 


in einer Seitenlinie von dem gemeinfchaftlichen Ahn abflammend ?), 
betrachten, und die blutigen Kriege, welche feine Thronbeſtei⸗ 
gung veranlaffte, dem Widerflande des Empörerd Beornred 
zufchreiben. Lebterem mögen einige rechtliche Anfprüche nicht 


‚gefehlt haben, da wir ihn nach mehreren Sahren noch im Be 


fie einiger Kriegsmacht an der northumbrifchen Grenze fin 
den ?); vielleicht dDurcy Abtretung Northumbriens, welches wir 
wiederholt unter abgefonderter Verwaltung serbliden. 

Offas Herrfchaft fcheint erſt Durch Beornreds Fall gefichert 
zu fein, bis dahin finden wir ihn nicht aufferhalb feines Reichs 
befchäftigt. Sein erfler denkwuͤrdiger Zeldzug war gegen bie 
Heflingen gerichter, einen Volksſtamm, deſſen Sie, gleich 
manchen andern Diftrictöbezeihungen der Angelfachien, unbe 
kannt if. Man fucht fie bei Haflings in Suffer und würde, 
wenn biefe Vermuthung richtig if, diefelbe durch das Handels 
interefje an einem am britifchen Kanale belegenen Hafen viel: 
leicht begründen können‘). Nach einigen Jahren lieferte er 


1) &. Urkunden in Smith Beda ©. 766 u, 767. 

2) Offa quinto genu Pendae abnepos. Guil. Malmesb. Diefes 
ift unrichtig, da er von Eowa, Wibbos Sohne und Pendas Bruder, 
abftammte. Chron. saxon. Florent. Wigorn. ad a.755, wo Als 
fred Beverlae übereinftimmt: cuius (sc. Aedelbaldi) patruelis, 
Enulfi nepos Offa. Eines ähnlichen irrigen Ausdrudes bedient fih Mal⸗ 
mesburn bei dem zweiten Nachfolger Offas, den Cenwuph, f. unten. 
Es fcheint dem Verfaffer nur daran zu liegen, bie rechtmaͤßige Parentel- 
erbfolge ber Regenten im fünften. Grade anzubeuten. ©. lex Anglio- 
rum, Tit. VI. 

8) Matth, Westmon. ad a. 769. Siheon Dunelm., wo 
irrig Earnredus tyrannus’fteht. 

4) Guil. Malmesb, p. 33, contra Cantuaritas ab. Offa inei- 
piens odium. Simeon Dunelm.chron. Mailros. Hoveden h.a, 
über die oben gegebne Erflärung f. Turner. Zur Stadt Haſtings ges 


- hörten noch fpäter 500 Hyden ſ. Gale I, 748. Palgrave I, 289 


vermuthet, daß flatt Hestingiorum zu Iefen.fei Kastanglorum. Dieſes 


Von Mitte des 5, bis Ende des 8. Jahrh. 225 


den ihm verhaſſten, widerfpenftigen Kentern, in ihrem feit einem 
Jahrhunderte der Oberherrlichkeit Merciens untergebenen Reiche, 
eine blutige Schlacht bei Otford am Darentfluſſe, in welcher 
der Sieg auf feiner Seite blieb '). 774. 
Erft jest trat Offa wider einen unabhängigen mächtigen 
Gegner auf. Im folgenden Jahre fchlug er mit leichter 775. 
Mühe den König Cynewulf von Weffer, deffen Tapferkeit ges ' 
priefen ward, bei DBenfington in Orford?). Auch in den 
‚Kriegen gegen die Briten war er glüdlih. Dem Könige von 
Powis nahm er eine bedeutende Strede feines Gebiets und 
ſelbſt feine Refidenz Penywern (Shrewsbum). Die flache Ges. 
gend am Fuße des öftlichen Abhanges der Gebirge von Wales 
bevölkerte er, da Feine Vertheitigung fo zuverläffig ift ald die 
durch freie Eigenthümer, mit Angelfachfen, deren Anlagen durch 
die fächfifchen Namen fich noch heute Tundgeben. Um jeboch 
die Anfiedler vor plöglichen Überfällen und Raubzügen der 
feindlichen Gebirgsbewohner zu ſchuͤtzen, errichtete er, nach dem 
Beiſpiele römifcher Kriegskunſt, von der Mündung des. Dee 
bis zu ber des Wyefluffes einen bedeutenden Wall und Gras | 
ben ). Diefer Wall (Offas dyke, claudh Offa), von 
welchem noch jest Spuren zu fehen find, hat feinen Zweck fo 
wohl erfüllt, daß er die Grenze zwifchen Briten und Mercten, 
hernach zwifchen Wales und England geblieben ifl. Der legte 
angelfächfiiche König Harald gebot, daß dem Briten welcher 
‚bewaffnet fich diesfeit Offas Wal: würde bliden laffen, die rechte 


Land war Miercien näher, und 9. Eönnte für fich anführen, daß in der 
. vita Offae II., welche Wahres und Falfches enthält, Offa vor den 
übrigen Angelfachfen den König der Oftangeln befiegt. Ermägt man 
jedoch die Verhaͤltniſſe des nahgelegenen Kents zu Mercien, ſowie andrer⸗ 
ſeits die übereinſtimmung aller aͤlteren Schriftſteller, ſo moͤchte die Les⸗ 
art nicht bezweifelt werden duͤrfen. 

1) Saxon. chronicle. 'Florent. Wigorn. h. a. Matth, 
, Westmon. ad a. 778. Es ift nicht zu erfehn, wodurch Palgrave 
11, 269 verleitet ift diefe Schlacht in das Jahr 776 zu fegen, er möchte 
denn ‚gleich wie Carte I, 269, welcher den König Lothar diefe Schlacht 
liefern YAfft, fie mit den Begebenheiten vom Jahre 676 (f. oben) vers 
wechfelt haben. 

2) Saxon. chronidle h. a. Guil. Malmesb. p- 29. 

8) Asser. vita Aelfredi p. 3. Giraldus de illaudabilibus. 

Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 15 


‚ I j 


226 3weite Abtheitung. 


Hand abgefchlagen werben ſolle). Wenn ſich dennoch dies⸗ 
feit des Walles britiſche Sprache und Sitten finden”), fo 
Tonnen diefe nur bei völlig umterjochten ober fpäter von oͤden 
Bergeshöhen in bie fruchtbare Ebene herabgezogenen Walliſern 
vorkommen. 

Nichts wuͤrde die Kriege Offas mehr uͤber die Benennung 
von Kaͤmpfen der Kraͤhen unter einander erheben, womit ein 
großer Dichter die Beſchraͤnktheit der hiſtoriſchen Anſichten fei⸗ 
nes Zeitalters unbewuſſt verewigt hat, als wenn es uns ver⸗ 
gönut wäre genau zu erkennen, wie der große Herrſcher ber 
Franken, Karl, auf diefelben einwirkte. Wenn wir den Mönche 
von St. Albans einiged Zutrauen fchenfen, fo hatten fihon vor 
dem Kringe mit Kent befien Könige fih an Karl gewandt, 
um bei ihm Schug und Hülfe nachzufuchen?). Die drohenden 
Briefe defjelben wurben von Dffa nicht beachtet, und das bei⸗ 
derfeitige Gluͤck befreundete im Laufe der Jahre den Heren bei 
‚germanifchen Infellandes mit dem des romaniſchen Fefllanbes. 
Karl fandte an Offa oder, wie diefer ſelbſt fich ausdruͤckte, der 
maͤchtigſte Herrſcher des Oſtens an ben mäctigften des Weſtens 
viele koſtbare Geſchenke, deren Verzeichniß, jedoch nicht das 
uns mehr Belehrung verheiſſende der Gegengeſchenke, aufbehal⸗ 
ten iſt. Indeß wiſſen wir aus noch vorhandenem Brief und 
Siegel, daß Offa, König der Mercier, die von einem feiner Uns 
terthanen dem Klofter St. Denys gemachten Schenkungen an 
Land beim Hafen Lundenwyc beflätigte‘). Daſſelbe hochbe: 
‚ günfligte Klofter erhielt von einem andern Vafallen Offas, dem 
Herzoge Bertwald von Suffer, mit Beſtaͤtigung des Könige 
die Klrche zu Rotherfield und ſeine Haͤfen Haſtings und Pe 


1) Joannis Salisbur, Polycrat, J VI. Gine nähere Befchrei- 
- bung des Offaditch T. in Ran, Higden polychronic. p. 194, 
2) Camden Britannia ed. Gibson p. 587. Schon Ran. Hig-- 
den L. |. fagt: sed hodie hinc inde ultra vitraque fossam illam, po- 
tissimum in provinvia Cestriae, Salapiae, Herfordiae, Mallici cum 
‚Anglicis passim sunt permixti. 

8). Vita Offae secundi. 


4) Diefe merkwürdige Urkunde vom 12. April 790 und Pie von ans 
dern engliſchen Koͤnigen für St. Denys befinden ſich fm tr&ser dee char- 
tres. im Hotel Soubife zu Paris. 


— 


Von Mitte des 5. bis Ende bes: 8, Jahrh. 227 


renſey '). ‚Karl der Große verhieß nicht nur ben Pilgern, 
fondern auch den Kaufleuten aus England feinen unmittelbaren 
Schuß ?), welche leßtere Bewilligung ald eine Ausdehnung bes 
von Dagobest den Angelfachfen ertheilten Privilegii für Die 
Meſſe zu St. Denys, in welchem die nächte Veranlaffung zu 
den eben gebachten geiftlichen Schenkungen liegen mag, anzus 
fehen iſt. Eine gefährliche Spannung zwifchen beiden Monar 
hen batte fich ergeben, ald König Karl für feinen gleichnamis 
gen Sohn die Hand der Zochter Dffad verlangte, biefer aber 
jene mir unter ber Bedingung ertheilen wollte, daß Karls ges 
liebte Tochter Bertha, welche fpäter den gelehrten Abt von 


St. Stiquier, Angübert, heimlich heirathete, von ben Zeitges 


noffen ald des Vaters zartered Ebenbild an Geiſt, Stimme, 
Blick und Haltung verehrt’), dagegen feinem Sohne verlobt 
werde. Der Abt zu St. Vaudrille (Zontannelle), Gerwold, 
aus angefehnem Gefchlechte, früher Kapellan der Königin Ber⸗ 
trade, zum Verwalter bes Fiſcus in den norbfränfifchen Staͤd⸗ 


ten und Häfen, befonders zu Quentawich, beftellt, war ſehr 


häufig in Auftsägen des Kaiferd zum Könige Offa abgeorbnet 
und bemfelben fehr vertraut und befreundet geworden. Doch 
gelang ed ihm nicht den flolzen Sinn bed Enkels des Wos 
dan herabzuftimmen und zum XAufgeben eines Anfinnens zu 
bewegen, welcheö den unbefiegten. Frankenkoͤnig fo fehr ent 
shftete, daß es aller VBorftellungen Gerwolds bedurfte, damit 
Die galliſchen Seehaͤfen nicht alle den engliſchen Kaufleuten ge⸗ 


1) Urkunde vom Jahre 792 bei Duge ſne. 

2) S. das Schreiben Karls an Offa bei Wilkins concil. I, 158, 
Auszüge bei Malmesb. I, 4 Leland. collect. I, 402. Da er in 
demfelben von dem im December 795 erfolgten Tode des Papftes Ha⸗ 
drian I. fpriht und des am folgenden 18. April verftorbenen Königs 
Üthelred von Northumbrien als lebend gedenkt, fo ergibt fi die Zeit . 
der Austellung deffelden. Der Kaifer überfandte dem Könige Offa, jenem _ 
Schreiben : zufolge, auffer andern Gefchenten ein hunniſches Schwert; 
ein Umftand welcher nus fehr zur Beglaubigung biefes Documents 
fpriht, da Karl im Anfange des Jahres 796 mehrere Gefchenke 
aus dem den Dunnen abgenommenen Schatze vertheilte. &. ann. Ein- 


hardi ad a, 796. Chron. moissiac. Simeon Dunelm. ad a. 79. 


8) ©, Helperichs oder Angilberts Carolus Magnus v. 219 q. 
| 15 * 


228 Zweite Abtheilung. 


fchloffen wırden '). Nach andern Nachrichten war das Ver 
bot fchon zur Ausführung gekommen, diefelbe Sperre in den 
engliſchen Häfen durch Dffa angeordnet, und Alcuin, der Freund 
beider Monarchen, wurde beflimmt einem unfeligen Hader 
gereizter Ehrfuht ein Ende zu machen?). Die Herftellung 
des Friedens erkennen wir ſchon früher als Per das vorge: 
dachte Schreiben an Offa, durch ein an Xthelhearb, ben 
Erzbifchof von Canterbury (feit 792), gerichtetes Verwendungs⸗ 
ſchreiben für einige verbannte Mercier ). 

Mehr als durch viele Schlachten mit ſeinen Landsleuten 
wird Offas damaliger Einfluß durch den Verdacht begruͤndet, 
welchen ber’ Papſt Hadrian faſſte, daß der König von Mer 
cien den der Franken habe bewegen wollen ihn vom päpfklichen 
Stuhle zu flürzen‘). Daß eine feindfelige Stimmung zwi: 
fchen Offa und dem Papſte entitanden fein mag, ift bei den 
Anfprüchen, welche diefer in allen Berhältniffen machte, fehr . 
gedenkbar. Während dad Peine, fchon feinen Vorgängern um: 
tergebene Kent den erften Primaten ber angelfächfifchen Kirche 
befaß und in dem ſtets fchwächer werdenden Northumbrien 
der zweite Geiftliche wohnte, hatte Offa in feinem mächtigen 
Staate einen ähnlichen von andern angelfächfifchen Geiftlichen 
unabhängigen Prälaten vermifft. Er hatte daher lange ver- 
geblich verfucht Eanbrecht, den Erzbifchof von Kent, zu bere 
den feinen Sie nach Litchfield zu verlegen, was Diefer ent 
fhieden verweigerte. Lesterer wurde nunmehr bezüichtiget den 
Franken, fuͤr den Fall einer feindlichen Landung in England, 

in ſeinem Erzbiſchofthume Schutz und Huͤlfe verſprochen zu ha⸗ 
ben 5). Diefer Grund wurde mit anderen, wie z. B. daß Offa - 
unfern bed Ortes, an welchem er feine Feinde gebemüthiget 
habe, au Ehren Gottes eine erzbifchöfliche Lathebre errichten 


1) Chronic, Fontanell. in Monum. hist. german. II, 291, wor: 
nach diefe Begebenheit ungefähr in das Iahr 788 faͤllt. 

2) Epist. Alcuini ad Colcum lectorem in Scotia, Bouquet 
V. 607, au bei Malmesb. I, 4. | 


8) Wilkins L 1.1, 15%. Epist. Alcuini ep. 61. 
A4) Epistola Hadriani ap. Bouquet V, 589, 
5) Guil. Malmest. I. 1. Vita Offae secundi p. 21. 


N. 


Bon Mitte des 5. bis ‚Ende des 8 Jahrh. 2 


wolle, geltend gemacht und auf der angelfaͤchſi ſchen girchender⸗ 7185. 


fammlung zu Cealchythe mit dem dahin gereiften Legaten Des 
Papſtes Hadrian für fein Königreih Mercien ein befonderes 
Erzbisthum zu errichten befchloffen, ‚welches auf die biöherigen 
Biſchoͤfe von Litchfield, und. zwar zuerft in der Perfon des 
Aldulf '), übertragen. wurde. Daß, ungeachtet der hier Dem ges 
fürchteten. Offa erwieſenen Nachgiebigkeit, die neuen geiſtlichen 
Verhaͤltniſſe eine Quelle vieler Reibungen bei dem durch fo 
viele andere Urfachen gereizten Zuſtande der Nachbarſtaaten 


werden muſſten, iſt leicht zu erachten und wird durch die bal⸗ 


dige Wiederaufhebung des Erzbisthums Litchfield erwieſen. 
Offa hatte fich größeren Ruhm, feinem: Neiche größere 

Macht verſchafft?), als die angelfächfi fchen: Könige und- Staa⸗ 

ten; bisher befeflen ‚hatten. Sein, Muth, feine Tapferkeit, feine 


Thaͤtigkeit find unbeftritten. Auch feine Freude, am Lefen wird 


yon: Zeitgenofien hervorgehoben ). Fuͤr die beffere Verwaltung 
des Reichs trug er durch Abfaſſung oder Sammlung von mer⸗ 
ciſchen Volksrechten Sorge, deren. Verluſt wir nicht wenig zu 
beklagen haben‘). ‚Doch, werben feine preiswuͤrdigen Eigen⸗ 
fchaften, welche. diefe Herrſchaft begruͤndet hatten, durch Ver⸗ 
brechen: befleckt, welche. in ſeinem Charakter proteusartig mit 
jenen ſchillerten. Keine That hat mehr Abſcheu erregt als die 
ihm beigemeſſene Ermordung des Koͤnigs der Oſtangeln, Äthel⸗ 
byrth. Dieſer war durch die Ausſicht, die Hand der Tochter 
Offas, Ätheldritha, zu erhalten, zu ihm gelockt, gaſtfreundlich 
und glaͤnzend aufgenommen; und darauf ward der argloſe 


702. 


v⸗ 


Gaſtreund heimlich uͤberfallen und ermordet. Sollte auch die 


1) Guil. Malmesb. 1.1. et de gestis pontificum. ]. IV.. Vita 
Offae. Radulf. Dicet. abbrev. chron. ad a. 787, wo auch der Um⸗ 
fang des neuen Erzbisthums. befchrieben wird. Simeon Dunelm. ad 
a. 786. BHigebryht, welchen Lingard als den erften Erzbifchof von 
Licchfield angibt, wurde nah Florent. Wigorn, im 3. 785 zum 
Bifhof von Dordefter ernannt. 


2) Urkunde 730. Offa rex Merciorum simnique: aliarım circum- 


iacentium regionum. Smiths Beda ©. 767. 
‘8) Alcuini opera f. 1554. 
4) Leges Aclfredi in prologo. 


290 Zweite Adtheitung. 


Hrevelthat zimachſt Dffas Gattin Eynebrithe zupufchrelben fein ) 
fo wird in folchen Fällen die Mitwiffenfchaft nicht weniger vers 
brecheriſch erfcheinen als die That ſelbſt; vor Allem, wenn wie 
bei Dffa, der des herrenlofen Oſtangliens fi mit leichter - 
Mühe bemächtigte, der Lohn derfelben dem Mitlundigen an⸗ 
heimfallen muſſte?). Im demſelben Jahre wurde eine andere 
Tochter Dffas, AÄlflede, dem Könige von Northumbrien, Äthelseh, 
vermaͤhlt. Vielleicht iſt es nicht ohne Beziehung auf jene Bege⸗ 
benheit, wenn berichtet wird, daß die Vermaͤhlung in deſſen 
eignen Landen ſtattgefunden habe. 
Zu den nicht ganz begründeten Begebenheiten in Au 
- Xeben gehört eine Reife, welche er in ſpaͤteren Jahren nach 
Kom gemacht haben foll. Seine Verdienfte um bortige Kirchen 
und fromme Anflalten werben gepriefenz boch koͤmen wir uns 
kaum bei Offa andere als ehrgeizige Zwecke und daher fein Bor 
haben denken, welches den Befls feiner Herrſchaft einer ſo 
langen Gefahr ausſetzen muſſte ). Wollten wir mehr auf fen 
Zeitalter als ihn ſelbſt blicken, fo möchte eine Pilgerreife zur 
Buße wegen der Ermordung fe eines Sohnes wahrſcheinlich erh 


1) So nicht nur vita Ofen secundi,. fonbern auch Florent 
Wigorn. ad a. 793. Der Zobestag bes zum Märtyrer erhobenen 
Athelbryht war der 20. Mai und wurde lange in England feierlich. ber 
gangen. ©. Bromton, 752 und ben Kalender bei Cooper on publie 
records II, 489, 

2) Wenn ber unkritiſche Wallingford beachtet werden ſoll, wel⸗ 
cher ſagt: Offa — occidit in campestri indicto bello St, Ethelbrithum, 
fo darf zur Eharakterifirung biefer Nachricht der Irrthum nicht übers 
fehn werden, daß derfelbe dort König von Weffer genannt wirb. 

5) Der Mönd von St. Albans iſt weniger verdächtig, ald er ge: 
woͤhnlich angefehn wird. Der Moͤnch eines von Offa geftifteten Kloſters 
hat manche Begebenheiten des Gtifters in ein anderes Licht geftelltz 
doch mag er auch alte Nachrichten befeffen haben, welche andern Schrift 
ſtellern unzugänglich waren. Viele feiner Nachrichten flimmen mit Wil⸗ 
heim von Malmesbury, Florenz u. X. genau überein; und follte 
er nicht älter fein als diefe, fondern fie benust haben, fo würbe felbft 
diefe Benugung vorzuͤglicher Quellen für feine Glaubwuͤrdigkeit fprechen. 
Er darf alfo keineswegs im Allgemeinen verworfen werben, fondern hier 
nur, wenn ihn befonbere Gründe verbäcktig machten. Diefe aber Fönn- 
ten nur in ben Privilegien liegen, welche Papft Habrian dem Klofter 
©. Albans ertheilt haben ſoll. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 231 


Sollte inbeffen der König auch. nicht perfönlih in Rom gewe⸗ 
fen fein, fo find feine Verdienfte um die Sachfenfchule ') und 
feine Beförberung des Romeſcot deshalb noch nicht zu bes 
zweifeln. 

Dffa hatte über achtunddreiſſi g Jahre an der Vergroͤße⸗ 

rung ſeines Reichs unermuͤdlich gearbeitet, als ihn der Tod 796 
wegraffte), wenige Jahre nach ber Ermordung Äthelberts, 26. Juli. 
welche ihn der Verachtung Europas preisgegeben "hatte. Sel⸗ 
ten erbliden wir bie Hand ber rächenden Nemefis in der Ges 
ſchichte fo. fihtbgr wie in Offas des Zxeulofen Haufe. Cynes. 
brithe, deren Herrſchſucht und Anmaßung fich dem Alterthums⸗ / 
forfcher noch jest dadurch Fund gibt, daß Feine andere angel:: 
fächfifche Königin Muͤnzen mit ihrem Bilde fchlagen ließ, wurbe 
drei Monate nach der That, die fie brandmarkte, von Räubern. 
in ihren eigenen Brunnen geworfen; eine Todesart welche, 
wenn nicht wahr, Doch zeigt, wie ihre Zeit über fie bachte und 
wünfchte; Die Sage wollte fogar fie nicht ald Angelfachfin an⸗ 
erkennen, fondern ftellt fie als eine wegen unerhörter Verbre⸗ 
chen in einem Boote auf dem Meere ausgefebte Franklin dar, 
welche ber jugendliche Offa nerleitet wurde heimzuführen °). 
Waͤhrend das Andenken des heiligen XÄthelbert viele Wunder 
- wirkte, wurden die Gebeine des Mörberd aus der geweihten 
Erde von ben wilden Zluthen der Dufe herauögeriffen. Of: 
fas Sohn Ecgfrid, welchen er ſchon im 3. 785 zum Könige 
von Kent hatte Trönen laſſen), überlebte ihn, von Krankheit 
. egeiffen ‘), nur wenige Monate, wodurch Offas Mannöflamm 
eh. Don feinen Töchtern brachte die ehemalige DVerlobte 


9 Auffer vita Offae II., auch Malmesb. II, 2. 

2) Simeon Dunolm. Die ungenaue angelfächfifhe Chronik flellt 
Offas Tod z. 3. 794 und gibt ihm hier die den Angelſachſen geläufige 
Regierungszeit von 40 Jahren. Auffer der Präfumtion bei allen nord: 
anglifhen Angelegenheiten hat Simeon von Durham hier auch noch 
die richtige Angabe der Mondfinfterniß in den Frühftunden am 38. März 
796° für fi, welche ohron. saxon. falſch zu 3. 795 ſetzt. Bol. au . 
oben über das Schreiben Kaifer Karls an Offa v. J. 796. 

$) Vita Offae. Bromten. ad a, 752. 

%) Malmesh. Chron, saxon. 

6) Ingulphas. 


N 


232 . Bweite Abtheilung... 


Athelberts ihr einfames Leben in dem Klofter zu: Croyland zu, 
Eadburge, die Gemahlin Brithrics, Königs von Weſſer, en 
dete als Bettlerin auf den Gaffen des fernen Pavia, und Abs 
flede verlor Vater, Bruder und Gemahl in demfelben Jahre. 
Die reiche Erbfchaft Offas, Herrfchaft, Anfehn, Schaͤtze 
fielen, nach Ecgfrids, der nicht zu großen Hoffnungen berech⸗ 
tigte )Y, kurzer Regierung, dem Ceonwulf zu, einem Abkoͤmm⸗ 
ling Cenwalchs, eines Sohnes des Wybba und Bruders Pen⸗ 
das. Ihn ſchmuͤckten auch die Regententugenden Offas; doc) 
nicht minder als durch Tapferkeit wurffte er durch Gerechtig⸗ 
Feit und. Milde fein Reich zu erhalten. So wenigftens lautet 
dad Lob, welches über ihn faft einſtimmig aus allen Chro⸗ 
nifen ber mittelalterlichen Geiftlichen, welche die goldnen Pe: 
trusſchluͤſſel irdifcher Unfterblichkeit und ewigen Nachruhms in 
Händen hielten, zu und berüberfchallt. Dad Gluͤck feiner Re⸗ 
gierung, welcher Feine ähnliche mehr für Mercien folgte, iſt 
unverkennbar. Friedenskuͤnſte begannen flätiger und daher er 


- folgreicher ausgebildet zu werden. Die einzige Kunft welche 


unbezweifelte Denkmäler feiner Zeit hinterlaffen. hat, die Muͤnz⸗ 


kunſt beweifet, daß fie wenigſtens unter Offa zuerfi und unter 


Geonwulf zulest die beften Gepräge lieferte, welche Mercien 
gekannt hat. 

Die Difcingen, welche die Krone von Kent, wenngleich | 
unter der Oberherrfchaft Merciend geführt hatten, flarben aus, 
und Ceonwulf faflte den Plan es mit feinem Reiche noch enger zu 
verfnüpfen. Ihm wiberfegte fich Eabbert, mit dem Beinamen 
Draen, welcher drei Jahre die Herrichaft von Kent behauptete. 
Eadbert, der einer Seitenlinie der Diftingen anzugehören fcheint 
und zugleich mit Egbrecht, dem Könige von Wefler, verwandt 
war, hatte fich früher dem geifllichen Leben geweihet, was ihm, 
um ihn von dem früheren Eentifchen Könige Eadbert, Vithreads 
Sohne, zu unterfcheiden?), jenen Beinamen des Predigerd 


)) So ift aus Alcuins Briefe an ihn (Nr. 48.) zu urtheilen. 


2) Lingard, melder bier auf ben confufen Wallingforb 
©. 530 fi ftüst, bemerkt nicht, daß diefer jenen im 8, 748 verflors 


benen Gadbert mit dem fpätern verwechfelt. Auch ift es eine Übereilung 


Gadbert Prän einen Rachlommen Cerdics zu nennen; feine Verwandt: 


4 


Von Mitte des 9. bis Ende bes 8. Jahrh. 233 


verſchaffte y. Ceonwulf bekaͤmpfte feine Gegner durch die Ge⸗ 
walt des Schwertes und ber. Streitaxt, nicht minder wirkſam 
aber auch durch die geiftlichen Waffen. Er erbot;fich zur 
Aufhebung: des von. Offa geflifteten Erzbisthums zu Litchfield; 
ein Act welcher die. höhere Geiſtlichkeit in ganz England :ihm 
geneigt ‚machen muſſte, befonbers aber. geeignet war den Erz 
- bifchof von Canterbury und Alles, was fich unmittelbar an 
die Intereffen feines Stiftes‘ knuͤpfte, dem Könige. von Mer: 
cien zu gewinnen. : Der Papſt Leo IH. erklärte. fich in demſel⸗ 
ben Schreiben bereit das . Erzbiöthum: Litchfield wieder aufzu: 
heben und. über:den. abtrünnigen Geiftlichen, welcher des Thro⸗ 
nes ſich anmaßte, den Bann auszuſprechen. Dieſe gefährliche 
Maßregel mag. vor Allem dem. Eadbert geſchadet haben. Nacyz . 
dem er durch. viele Schlupfwinkel geflüchtet war,. wurde er zu⸗ 
letzt unfern ber erzbiſchoͤflichen Reſidenz von den Bewohnern 
der Romney⸗Marſch (Mersefaras) gefangen und den Händen 796. 
des Siegers uͤberliefert). Ob dieſer feinen Gefangenen: nach 
byzantiniſcher Weife blenden und die Haͤnde ihm abſchlagen 
ließ, wie einige ſpaͤtere Schriftſteller ber romaniſchen Periode 
berichten, eigen | und von weniger Bedeutung, wenngleich 


v ° 


ſchaft mit Ecgbert FIR, vermuthlich auf einer der Muͤtter fener go⸗ 
nige. Palgrave II, 270 macht ſich noch größerer Übereifung ſchuldig⸗ 
wenn er Garte tadelt, welchet Eadbert für einen Geiſtlichen haͤlt; und 
deſſen ſprachkundlichen Beweis verſpottet. Wie. konnte Palgrase uͤber⸗ 
ſehn, daß Carte ſich auf das Schreiben des Papſtes Leo an Ranulph 
beruft? In dieſem (Anglia sacra I, 460) heifft e83 De illa ‚.epistola, 
quam Aethelheardus (sc. Archiepiscapus Cantuariensis) nobis trans- 
misit — reddidimus responsum, quia nos de clerico illo apostata, 
qui ascenderat in regnum, similem illum reputantes 3 aliano > Parabatas, 
anathemizantes objicimus etc. 


1) Die wichtigen Notizen,. denen’ ich folge, hats am. deineich 
von Huntingdon aufbewahrt. ©. vorzuͤglich S. 344: Cenwulf cen- 
tensem - provinciam  transverbefang praedatus est regemque “orum 
Pren viribns sibi imparem comprehendit etc. ©. 345: Populos Can- 
tiae etc. rex Egbricht in dominium suscipit, quos prius cognatus, SUUS 
Pren iniuste amiserat. — Edbriht Pren regnavit tribus annis- etc, 


2) Wir verdanken diefe Nachricht der dvurh Ingram Gericheigten 
£esarten beö saxon chronicle, fowie der richtigen Erläuterung daſeldſt 
S. 440. Seltſam genug iſt feine überſetzung irrig. 





/ 
4 


2 | Zweite Abtheilung. 


nicht unwahrſcheinlich z wichtiger iſt aber und wirft mehr auf 
des Prediger Anfprühe an die Krone ald auf Ceomvulfs 
Charakter ein guͤnſtiges Licht, daß diefer jenem das Leben zu 
nebmen nicht wagte und nad einiger Zeit, ald ex mit feierli- 
em Pompe in der Kirche zu Winchelcomb die anweſenden 
Geiſtlichen und Laien reichlich begabte, jenem: fogar die Frei⸗ 
beit ſchenkte '). 

"Die Verwaltung. von Kent wurde von GCeonwulf feinem 
Bruber Cuthreb (+ 805), welcher den Namen eines Königs 
führte, übertragen. Doc bie Wieberaufbebung bed neuen 
Erzbisthums verzögerte fich noch mehrere Jahre, bis fie auf 
einer großen, zu Glovefho vom Erzbiſchofe von Canterbury ge: 


803. haltenen. Synode der zwölf ihm untergebenen Biſchoͤfe — Stande 


gebracht wurde?). Wir leſen mit einiger. Verwundberung, mit 
welcher Berachtung ber. Befchluß der Synode von den Raͤnken 
des Könige. Offa fpricht, durch welche der Sitz des heil. Aus 
guſtinus in feinen Rechten beeinträchtigt. worben ſei, und ver 
nehmen hernach, daß Erzbifchof Athelhearb ſelbſt nach Rom 
gereift war, um. den Papft zur Wieberaufhebung des neuen 
Erzbiäthfumd und Aufrechthaltung ber Einrichtungen feines 
glorreichen Vorgängers Gregorius bed Großen zu beivegen, 
Es fcheint ein befonderes MWohlwolen für AÄthelheard geweſen 
zu fein, welches den Papft zu biefer auffallenden Nachgiebig⸗ 
keit fuͤr deſſen Intereſſe vermochte 5a die roͤmiſche Curie konnte 
nicht dadurch gewinnen. Der Koͤnig hatte fruͤhere Verpflich⸗ 
tungen um einen Preis zu loͤfen, deſſen Zugeſtehung er ſpaͤter 
noch ſelbſt bereuen muſſte; mehr aber noch fein Reich, denn 
Mercien verlor einen Dereinigungspunck, welcher ſelbſt durch 
- bie Einpeddeibung Kents nicht erfegt wurde. Der Erzbiſchof 
von Canterbury würde wenige Jahre fpdter, als bei Dem 
Berfalle. Merciens ein politiſches Übergewicht des litchfiel⸗ 


N) Zu gram a. a. 2. bezweifeit bie gefchehne Verſtuͤmmelung, obme 
welche die Breilaffung ſchwerlich hätte. gewagt werben dürfen. Pal: 
grade will fie ben eignen Unterthanen Eadberts gufehreiben. Doch 
Eimeon von Durham z. 3. 798, was Ingram überfehn hat, 
flimmt mit ber neuern Bandſchrife der augeljachsſchen Spronit, welche 

ienes berichtet, überein. on 

2) &. den Beſchluß in Smiths Beda p. 287, 


Bon Mitte bes 5. bis Ende des 8. Sahth. 238 


der Prälaten nicht zu beforgen geweſen wäre, mit einer Ent 
fehädigung für einige eingebüßte Einkünfte aufrieben geftellt ges 
weſen fein 
Alhelheard ſtarb nicht lange nachdem er die Wuͤnſche feiner 
Amtsführung erreicht hatte. Bald entfpann fi) en Zwilt zwiſchen 
Ceonwulf und dem neuen Erzbiſchofe, Wulfrid, worin die Leis 
denſchaftlichkeit und Habſucht des Erſtern bitter angeklagt wird: 
Sechs Jahre verhinderte der Koͤnig den Primaten in ber: Aus: 
ibung ſeines geiſtlichen Amtes, und als dieſer von Rom, me 
ihm eine guͤnſtige Entſcheidung ſeines Proceſſes geworden may, 
zuruͤckkehrte, erklaͤrte Jener, daß weder die Decrete des Papſtes 
‚noch bie Verwendung des Kaiſers Karl dem Wulfrid Die Wie⸗ 


derkehr verfchaffen follten, .werm ex ihm nicht gewiſſe Laͤndereien 


und eine beftimmte Summe Geldes zuftelte. Zu Beiden var⸗ 


fand ſich zuletzt der Erzbiſchof, aber: die Dagegen verheifitne , 


Wiederherſtellung ber Privilegien der Kirche von Canterbure 
unterblieb). 

Ceonwulfs Tod ſcheint nicht minder als die übrigen. ger 
naueren Nachrichten dem ihm fo freigebig gewordenen Lobe zu 
” widerfprechen. Er wurbe auf einem Felbzuge ‚gegen die Oſt⸗ 
angeln getödtet, welche ber Druck einer ihr Anfehn ucberſchaeen⸗ 
den Regierung zum Widerſtande gereizt hatte. 

Er hinterließ einen ſiebenjaͤhrigen Erben, Kenelm, welcher 
bald auf Geheiß ſeiner verraͤtheriſchen Schweſter Cynedrithe 
heimlich im Walde ermordet wurde. Ceolwulf, ein. Bruder 


Ceonwulfs, trat jetzt die Regierung an; doch wurde er nach 


zwei Jahren von dem Uſurpator Beornwulf, einem durch -bie 
Geburt voͤllig unberechtigten Mercier, verdeaogt. Dercien: wnbte 
fich immer mehr feinem -Untergange. 

Die Geſchichte der kleinern Staaten, welche die von ſpaͤ⸗ 
tern Gelehrten mit geringer Geſchichtskunde ſobenannte Hept⸗ 
archie bildeten, if faſt verloren gegangen. Selbſt bei dieſen 
Boͤlkern, wo die Genealogie ber Könige bie Grundlage aller 
ihrer Geſchichte bildete, iſt diefe bald nach Einführung des 
Chriſtenthums mangelhaft, und nur die Geſthichte einiger from⸗ 
men Nonnen iſt in dem gewöhnlichen Typus und mit ben hen 


3) Evidentiae eccl, cantuar. ap. T'wysden. p. 3218. 


819. 


236 I Zweite Abtheilung. 


tömmlichen Lobpreifungen abgefaſſt. Was fonft über diefe 
Reiche bekannt tft, befchränkt ſich auf bie Erzählung von den 
Siegen ber mächtigen Nachbarn und Spuren einzelner Aufſtaͤnde 
gegen dieſelben. 

Keiner dieſer Staaten duͤrfte die unbefriedigte Neugierde 
der Geſchichtsforſcher ſo ſehr auf ſich ziehen als Oſtanglien, 
welches von Deutſchen, vielleicht ſchon von Hengiſt und Horſa, 


bewohnt, ganz von deutſchen Nachbarn umringt, in keiner Be⸗ 


ruͤhrung mit den Briten, das treueſte Bild germaniſcher Vor⸗ 
zeit liefern muͤſſte. Kaum verrathen in irgend einem andern 
Zheile Englands nach jetzt ſo viele mwohlerhaltene germanifche 
Drtönamen ihre Begründer. und alten Eigenthümer. Manche 
merkwuͤrdige Sagen, "wenngleich, fuͤr den Gebraud der Ge⸗ 
ſchichte bisher nicht. aufgeklärt, haben fich in diefem Lande er⸗ 
‚ halten. Seine Lage war:für die Verbindung mit den Alt⸗ 
hachſen beſonders geeignet, und wir duͤrfen nicht nur London 
in jener Zeit ſondern auch die oſtangliſchen Häfen Lynn, Yar 


:.? nemuthe (Yarmouth) und Dunwich für das Ziel frififcher, ſaͤch⸗ 


fifcher und gallifcher Seemänner und Faufmännifcher Gildebruͤ⸗ 
der. oder Hanfen halten. Diefe Verbindungen. mit Deutſchland 
forechen: felbft fich in den Legenden aus, welche einem Könige 
des neunten Jahrhunderts, Eadmund, einen König von Sach⸗ 
fen, -Alcmund, zum Bater und den Geburtsort Nürnberg an- 
weifen.. Daß das ſchwache, von Mercien faft ſtets beherrfchte 
Sftanglien, wenn nicht die Mutter, doch der. Pathe Englands 
werden muffte, laͤfft fich nur durch eine gegen das Ausland 
hervortretende Wichtigkeit erflären. Das Land, felbt glich gro⸗ 


pentheils fehr den gegenüberliegenden marfchreichen Küften, und 


die erft im Laufe mancher Jahrhunderte ‚ausgetrodneten Sum 
pfe von Cambridgefhire, namentlich der. f. g. Infel Eiy, be 
gannen durch Wiefen, Fiſchfang und Jagd den Bewohnern der 
bortigen ‚Klöftee den Segen bed Landes Gofen zu bringen. 
Wie Offa gegen die Welfchen, fo hatten‘ die erſten Könige 
von Oſtanglien einen riefenhaften mit einem Graben verfehenen 
Wall gegen Mercien aufgeführt, welcher den Namen des 
Reckendeiches führt, jedoch fpäter vom Volke mit dem Namen 
bald eines Heiligen (St. Edmund), bald des Teufels, aud 
im fpätern Mittelalter Kanutd oder Heinrichs L bezeichnet 


- ’ . " N " 
Von Mitte bes St. bis Ende des 8. Jahrh. 2337 


wurde ). Wir haben: fchon gefehen, Daß er:gegen ben gewalt⸗ 
ſamen Penda nicht ſchuͤtzte, wie gewöhnlich dieſe fünftlichen 
Schutzwehren nur den nüßlichen Verkehr gehemmt und in gro⸗ 
fen Gefahren durch falfche Sicherheit gefchadet haben; doch 


biente er lange um den Verwaltungspiftrict der Scheinkönige, 


und bid. in fpätere Jahrhunderte um die friedlichen Grenzen 
des Krummflabes von Norwich zu bezeichnen. Nachdem bie 
Könige Sigebert und Egrife von Penda erfchlagen. waren, 
wurde dem Anna, Anis Sohne und Neffen des Bretwalda 
Redwald, dafielbe Loos. Sein Bruder Etheler wurde fein 
Radzfolger, um dem furchtbaren Sieger fich unterwerfen zu 
muͤſſen und im folgenden Jahre mit ihm von Oſwiu von Bers 
nicien befiegt und im Kampfe erfchlagen zu werben. Über 
vier Töchter Annas, welche ihr frommes Leben im Klofter en= 
deten, werben wir ziemlich ausführlich berichtet; doch find bie 
Chroniſten uneinig oder fchweigen über den Vater Albulfs, den 
Sohn Annas, oder wahrfcheinlicher | defien Bruders, feines 
Borgängers Etheler?). Ihm folgte nach funfzehnjähriger Re⸗ 
sierung ’) ein Bruder, vielleicht auch ein Sohn, Alfwold. Der 
genealogifche Faden wird verloren für ein ganzes Jahrhundert, 
Selred (+ 747)*), ein anderer Alfwold (+ 749) 9), Hunbe⸗ 
anna, Albert, Beorn, Ädelred find und bedeutungslofe Namen, 
und erft bei dem Sohne des. Lebtern, Äthelbert, dem unfeligen 
Schlachtopfer des Dffa und der Cynedrithe, gewahren wir 
die große Luͤcke, über welche fie uns wegführen follen. 

Die. Gefchichte Feines der angelfächfifchen Staaten - ift fo 
Ieer ald die der Dftfachfen. Früher den Königen von Kent 


655. 


unterworfen, fielen fie fpäter an die von Mercien oder auch 


1) Limes S. Edmundi. Florent. ad a. 905; vgl. chron. saxon. 
h. a. Die Mündung Waſh Foßdyke ine fühlichen Fincolnfhire ſcheint 
nur die Richtung anzugeben. 

2) Für Erſteren Thomae histor. eliens: in Wharton Anglia 
sacra I. Fuͤr Lesteren Malmesb. I, 5.. Alfred Beverlac. und 
das Schweigen Bebas, obwohl biefer bie Mutter Hereswithe ‚nennt. 

3) 668— 713 f. Einleitung Note. 

A4) Chron. Mailros, h. a. 


5) Simeon. Wir befi igen einen Brief von ihm an ben Erzbifchof 


Bonifacius. Epist. 76. in maxim. bibl, patr. T. XIH. 





238 Iweite Abtheilung. 


mit benfelden an Northumbrien. Einige Kaͤmpfe mit Web 
fer, worin ums Jahr 617 ihre Könige Sexred und Sewarb 
fieten,, bezeichnen eine kurze Zwiſchenperiode einer geringeren 
Abhängigkeit. Vermuthlich bat ſchon Penda fie befiegt, doch 
haben die Chroniſten dieſes Ereigniß der Aufzeichnung nicht ges 
windigt; welche dagegen preifend berichten, wie der König 
Sebbi die Tonſur genommen und bid zum Jahre 694 gelebt, 
und hernach der jugendliche Koͤnigsſohn ODffa gleichfalls ber 
Krone entfagt habe und nach Rom gepilgert fei'). Obgleich 
Mercien unterworfen, herrſchte das alte Gefchlecht der Uffingen, 
beren genenlogifche Verbindung, wenn auch nicht ganz deut 
lich, doch die gefepliche Erbfolge beweifl. Wie ein Haudgefek 
wurde während 250 Jahren die Regel beobachtet, daß die Na 
men von beinah zwanzig Königen feit Sleda mit denſelben 
Buchſtaben begannen. Vielleicht gehört zu diefen noch ein Koͤ⸗ 
nig Sigebald, welcher den Bonifacius als geiftlichen Hirten in 
fein Land zu ziehn verfuchte ?).- Auch über London, ben wide 
tigften Theil von Eſſer, vernehmen wir faum andere Nachrich⸗ 
tm als die Namen einiger Geiftlihen. Es ſoll ſchon früh 
mit feinen Umgebungen von ben Königen von Mercien abhän- 
‚gig geweien fein”). | 
Kent, obgleich wahrfcheinlich nicht ber ältefte unter ben 
deutfchen Staaten im Britenlande, hatte durch die Tapferkeit 
- feiner aͤlteſten Könige und Heerflhree fowie durch die frühere 


1) Offa iuvenis amantissimae aetatis et venustatis, Beda V, 19. 
Nah Beda fcheint er die Regierung nicht angetreten zu haben. Pals 
grave II, 305 irrt alfo, wenn er glaubt, daß Offa fchon vor 683 res 
giert haben könnte. Die Urkunde bei Thorne (b. Twysden p. 2219), 
welche Offa, rex Anglorum, im 38ften Jahre feiner Regierung ausftellte, 
ift nicht im 3. 690, fondern ein Tahrhundert fpäter‘ durch Offa von 
Mercien gegeben. 

2) Bonifacii epist. 49. Zür meine‘ Vermuthung ſpricht, daß 
der Name ſich ſchon fruͤher in jenem Koͤnigsgeſchlechte findet, ſowie die 
Erwähnung des Biſchofs von London patris nostri Er(e)enwaldi. Da⸗ 
gegen fcheint die Beziehung von Bifhof Daniel (von Winchefter) einen 
weftfächfifchen König vorauszufegen. Ein Kaiferfchnitt der Kritik würbe 
fein zu Iefen: ÜÄthelbald, König von Mercien, dem London und als 

Bretwalba vermuthlich auch andere Bisthämer wnteegeanbant waren. 

3) Malmesb. I, 6. 


Bon Mitte des 3. bis Ende des 8. Jahrh. 259 


Anfchlieffung an das Frankenreich und bie Continentalkirche eine 
gewiffe Vornehmheit und felbft einen Vorrang vor den Übrigen 
Inſelſtaaten erhalten. Schon bald nad) König Athelberts 
Tode ſank, unter feinem Sohne Eadbald, Kent in ein feiner 
phyſiſchen Kraft angemeſſenes Verhältnig zuruͤck, obgleich feine 
Schweſter dan mächtigen Eabwin von Northumberland, er 
felbft, von widerlichen Verirrungen der Leidenfchaft, welche ihm 

für feine verwittwete Stiefmutter verblendete, zuruͤckgekehrt, der 
Tochter des Koͤnigs ber Franken, Ämma, vermaͤhlt war ). 
Ihm folgte, durch Liſt den aͤltern Ecgfrid verdraͤngend, fein 640. 
zweiter Sohn Ercombert, gleich ſeinem Vater die oben beachtete 
Rundzahl von vierundzwanzig Jahren regierend. Seine kirchlichen 
Anordnungen werden geprieſen; ihm erſt gelang es die Goͤtzen⸗ 
bilder zu zerſtoͤren. Doch eine größere Theilnahme des Volkes 
und der allvengeltenden Kirche erbliden wir in den Gefchiden 
des Altern Bruberd Ermenred, deſſen ſechs Kindern ald Heiligen 
der Erfag der irdifchen Einbuße wurde, Das Märtyrertbum 
feiner beiden Söhne Athelred und Xthelbert wurde Jahr⸗ 
hunderte in den Kirchen am 17. October begangen: als bie 
Legende Dem aus ihr hervorgegangnen Drama Plab machte, 
wurde der Hauptinhalt derfelben ber Stoff von Shakſpeares 
unflerblicher Darſtellung von Arthınd Ermordung. Ercomberts 
Sohn Ecgbert war feinem Vater auf dem Throne gefolgt, 
durfte fich aber auf demfelben nicht gefichert halten. Der 
Than Thunner errieth den Wunſch, deutete den Wink bed 
Herrn und deſſen jugendlicher Vetter wurde ermorbet?). Nach 
ber fchönen Legende, ' welcher die Gefchichte hier einmal em 


1) Die Ehe zwiſchen dem Stieffohne und der Stiefmutter war bei 
‘den für Die englifche Nechtögefchichte nicht unwichtigen Warnern geſtat⸗ 
. tet, ſ. Procop. de bello goth, IV, 20. — Bon feinem Zodestage den 
20. Zun. f. oben Einleitung, welcher Zag, bei ältern englifchen Schrift 
fielen nicht erwähnt, ſich gleichfalld in des W. Thorne chronica 
apud Twysden p. 1769 wieberfindet. AÄmmas Name findet fi in . 
der Urkunde v. 3. 618 in Smiths Beda ©. 694. Daß Theobbert (IT: 
in Auftrafien) ihr Vater geweſen fet, ift die Bermuthung Langhorns 
chron. reg. anglor. p. 155. 


) Kurz cngebeutet zuerſt bei Malmesb. I, 1., ausfuͤhrlich bei 
Simeon p. 86 sg. Thorne apud Twysden p. 1906, 





20 .Bweite ‚Abtheilung. 


Winkelplaͤtzchen einräumen möge, wurben die Exfchlagnen unter 
bes Königs Throne — wo fonnten fie ficherer ruhen? — 


eingeſcharrt; aber ein himmliches Licht umflrahlte die Gebeine 


‚685 


6. Febr. 


ber Unfchuldigen und enthüllte fie den Augen des‘ Volkes, 


Der befchämte König zahlte die Mannbuße einer Schwefter 
des ermordeten Prinzen mit 48 Ackern, dem weltlichen Rechte 
fühnend, wie. hernach dem geiftlichen durch Öffentliche Abbitte 
und Errichtung eines Klofterd auf jenem Lande in der Inſel 
Thanet. Der Lauf einer Hindin hatte die Größe des Lan 
des beflimmt, und den fpottenden Verräther Thunner verfchlang 
die fich fpaltende Erbe. 

Ecgberts (+ 673) Sohn Eadric wurde von deſſen fün 


germ Brüder Hlothere (Lothar). verdrängt, nachdem fie einige 


Zeit gemeinfchaftlich, vielleicht gegen den feindlichen Einfall 
Üthelbertd von Mercia vereinigt, regiert hatten. Durch die 


> Hülfe der Suͤdſachſen (Suffer) befiegte Eadric endlich den 
treulofen Oheim. Doc freuete fi Jener der. Alleinherrfchaft 


nur kurze Friſt; ein gewaltfamer Tod riß ihn weg, und: Kent 


‚blieb da8 Spiel der Empörer, der Schauplatz des Kriegs mit 
Weſſer und inneren Haberd, bis nach neun Jahren mit Ecg⸗ 
berts Söhnen, Eadric (+ 686) und Vithred die gefegliche 


Thronfolge;. dad Recht und der Frieden wieberkehrten. Des 


| Letzteren neununddreiffigiährige Regierung (+ 725) wurde durch 
feine Söhne Eadbert) (+ 748), Athelbert II.) (+ 760), 


1) Die Urkunde des Königs Eadbert Eating v. 3. 741 ‘über eine 


‚Schenkung an die Kirche von Canterbury enthält entweder in den Wor⸗ 


ten cognomento Eating den Zufa& eines unwiſſenden Abſchreibers, ober 
fie ift von dem damals regierenden Könige von Northumbrien, Cadbert, 
dem Sohne des Eata ausgeftellt. An diefen hat Palgrave IT, 269 
nicht gedacht, als er aus dieſer Urkunde den Namen der Mutter des 
Zentifchen Eabbert herleitete. Schenkungen anderer Könige an die Haupt: 
kirche Britanniens, nad) vorhergegangnem Kaufe oder Scheinkaufe, 
waren nicht ungewöhnlich. 


2) Charakteriftiih für fein Zeitalter iſt es, daß Athelbert den be 


jahrten Erzbiſchof Bonifaz erſuchte ihm doch einige Falken zu fenden. 


Bonifacii epist. 40. — Seine Mutter, Vithreds Gemahlin, hieß 
Üchtburga, wie eine Urkunde, vermuthlich v. 3. 697, lehrt, welche in 


Smiths Beda irrig abgedruckt, im Facſimile ſich in Grose anti- 


quarian repertory T. II. findet. 


J 


Bon Mitte des.5. bis Ende des 8. Jahrh. 241 


den fech8 Jahre vor feinem Tode ein unglüdlicher Brand der 
Hauptftadt traf, und Alric) fortgefeßt, mit welchein nach 
vierunddreiſſig Jahren das, Gefchlecht oder doch die dltere Linie 
der Äfcingen ausſtarb. Eadberts Sohn ſcheint Earbulf gewe⸗ 


ſen zu ſein, welcher mit ſeinem Oheim einige Jahre regierte, 
doch vor demſelben farb). Aldric war es ber dem Überge⸗ 


wichte Offas bei Otford erlag. Die legtere und die nächfifol- 
gende Zeit ift.fehr dunkel. Das kleine Land war gewöhnlich 
unter mehrere Könige vertheilt und diente zur Apanage bald 


weftfächfifcher bald mercifcher Zürftenföhne. Bon Eadbert dem 


Driefter haben wir fhon unter Ceonwulf von Mercien gerebet. 
Der Sitz des Erzbisthums zu Canterbury verlieh dem Koͤnig⸗ 
reiche Kent fortwährend größere Selbftänbigkeit, als es fonft 
den mächtigen Herrfchern von Northumbrien, Mercia und 
Meffer gegenüber beſeſſen haben möchte. Den Vortheilen einer 


774. 


796. 


allgemeinern Bildung von Kent haben wir ed vermuthlich zus 


zufchreiben, daß die Alteften vorhandnen angeljächfiihen Ge⸗ 

fege von ihren Koͤnigen erlafjen find, nämlich Athelbert, Hlo⸗ 
there, Eadric und Wihträd. 

ESuſſer, das Reich des erflen. Bretwalda ber angeifäd“ 
fifchen Sage, Ada, ift bald nach deſſen Tode faſt verjchols 
Ien. Bei feinem geringen Umfange, der verhältnißmäßig zu 
ben angrenzenden Provinzen dem Handel und der Schifffahrt 


bis auf den heutigen Tag ungünfligen und für politifchen 


1) Maimesb. J, 1. Beda V, 23. nennt ben legten Sohn: With: 
reds auch Ailricz Heinrih von Huntingbon Egfert. Ein Erg: 
bert kommt unter den derzeitigen Koͤnigen von Kent allerdings auch vor, 
in Urkunden von ben J. 766 u. 7785 durch welchen dieſe Vermwechfelung 
entftanden fein Tann. Der rex Egbert in der Urkunde vom I. 790 bei 
Twysden 2219 ift ver Sohn des Offe von Merrien. 


2) Die Urkunden vom 3. 762 im textus roffensis find nicht, wie 
Palgrave meint, in dem Namen des Erzbiſchofs Cuthbert irrig, da 
auch der daſelbſt gegenwärtig genannte König Äthelbert nur bis 760 
lebte. Doc) Alles ift richtig, wenn flatt X gelefen wird V, alfo ſtatt 
762, 753. Eine Schenkung von Eardulf ohne Jahreszahl findet ſich 


bei Twysden 2220. Ein Brief von ihm an ben Erzbifchof vom 


Mainz, Lullud, ift zwifchen den Sahren 764—775: aufgefegt, da im 


demfelben zugleich mit an ben Eardulf, Biſchof von Rochefter, färie 


‚ben iſt. 
Lappenberg’s Geſchichte Englands 1. 16 





242 Zweite Abtheilung. 


Einſtuß vorm Mittelpuncte des Landes zu entfernten Lage, Ev 
wen. wir die Rolle welche es unter Alla fpielte, nur einer be 


deutenden Perſoͤnlichkeit zufchreiben, ſowie ber auch fpäter bes 


waͤhrten Tapferkeit feines rohen Volkes. Diefer Tugend bes 


Letztern wird faft bei jedem Anlafle gedacht, wo fie in ber Ges 
fehichte auftreten: 610 bei dem mörbertfchen Kampfe gegen Geol⸗ 
wulf von Wefjer, bei den Kriegen mit deffen Nachfolger Ceadwalla 
fowie den hernach zu ermähnenden Begebenheiten. Die ſpaͤ⸗ 


. were Belehrung der Suͤdſachſen, die Uncultur des Landes find 


711. 


oben erwähnt. Jener ımb dem damit verbundenen Mangel 


fchriftfundiger Geiſtlicher iſt es beizumefien, daß wie nicht. eins 
mal eine duͤrre Reihefolge dev Regenten,, gefchweige denn nd 
bere Nachrichten über diefelben befigen. Sie waren bald Weiler 
bald Mercien Iehnspflichtig. Der erſte chriftliche König von 


Suſſer, Kthilwalb, hat von Wulfhere von Mercien die Beleh⸗ 


nung mit der Inſel Wigbt und der Meanwara Maegthe in 
Bampfbire erhalten; doch noch jenen erbliden wir als Unterkoͤ⸗ 
nig (subregulus) bed Koͤnigs von Weffer und feine Rachel 
ger abwechfelnd unter den Titeln Herzoge (duces), Könige; 
Unterlönige. Im die lebten Tage des Äthilwald fällt der bes 
veitö erwähnte Beiftend, welchen &uffer dem König Eabrie 
von Kent leiſtete. Später wird die Befiegung ber Gegend von 
Haſtings durch Offa von Mereien erwähnt, ohne Daß eines 


. Königs von Suffer dabei gedacht wird. Der dux Bertwalb, 


welcher die Einkünfte ver bedeutendften Häfen dieſer Provinz 
vergabte, war Offas Statthalter . Es iſt nur der Nachhall 
von AÄllas Namen, durch welden Suſſer von den Geſchicht⸗ 
(chreibern eine Stelle in der angelfächfiichen Heptarchie ange⸗ 
wieſen erhielt; eine Bezeichnung welche eben fo richtig und fo 
unwichtig iſt wie die meiften ähnlichen Ausdrücke, durch welche 
bifkorifche Zuſtaͤnde haben generalifirt werden follen. Um den 
Ausdrud zu rechtfertigen, lieffe ex fich dahin erklären, daß er 
die Periode begeichne, in welcher dad angelfächfifche Britannien 
gewöhnlich von ben Nachkommen fieben großer Herrfcherfamilten 
regiert wurbe, wobei dann der achte in Bernicia uͤberſehen wird, 


 .. atweber weil dieſes Land dem fpätern Schottland größfentheils 


1) ©. oben. Er erfcheint auch in andern Urkunden Offas vom 3. 
795 bei Hickes 1 171. 


a or 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 243 u 


"angehörte, ober weil es bald mit Deira zu dem Reiche Norte 
humbrien fich vereint. Dad Ausflerben und die Auflöfung 
‚ber. Königegefchlechter ifl e8 befonbers was den Gegenfaß zu ber 
Zeit der fpätern f. g. Monarchie bildet, welche häufig noch mehrere 
Reiche, doch nur noch in Wefler die Ahnen Wodans Fannte. 
Indeß viel wichtiger ald zu zeigen, daß die herkoͤmmlich fo 
benannten’ großen Staaten nicht ſtets unabhängig herrfchten, 
-(wie denn auch fihon Altere Chroniften, von Effer und Suffer 
fchweigend, oft nur von fünf angelfächfifchen Königreichen fpres 
chen), möchte es fein, die große Anzahl der Beinen, der Ges 
fchichte unbemerkt und früh verfchwundenen Staaten der Angels 
fachfen nachzuweifen. Dazu gehören: Mittelfachfen (Middlefer), 
weiches Durch die ‚vorübergehende, hernach auf Merden überge- 
gangene Groberung bed Cuthwulf, Königs des Weftfachfen, der 
kurzen Nachbarfchaft des Weflfachfen fowie der bleibenden von 
Efier dieſen Namen verdankte; Suthrige (Surrey)); das 
Meich der Jinen auf der Inſel Wight; die Hecana (Hereford), 
Mageſetania oder das Land der Hwiccas; die Mittelangeln; 
Elmete ); die Lindiswaren, welche ſpaͤter von Unterkoͤnigen und, 
als dieſer Titel verſchwand, von Herzogen und Ealdormanen oder 
Grafen beherrſcht wurden; und ohne Zweifel noch manche andere, 
deren Geſchichte aufzuklaͤren vieleicht den Geſchichtſchreibern der ein⸗ 
zelnen engliſchen Grafſchaften, durch Benutzung alter Urkunden und 
mancher Localkenntniſſe, moͤglich ſein wird. Bis jetzt duͤrfen wir 
von den meiſten Diſtricten nur mit Unſicherheit ſprechen, wenngleich 
einige andere mit Zuverficht nachzuweiſen find: z. B. dad große 
Land der Pec⸗ſetna, noch jetzt Peakland in Derbyſhire; das kleine 
der Ciltern⸗ſetna (Chilternhills in Oxford); die Oſt⸗ und Weſi⸗ 
Wilſaͤten (Wilts); die Lindiswaren; Spalda (Spalding fuͤdlich 
in Lincommfhire); die Suͤd⸗ und Nord⸗-Gyrwier ). Jedoch er⸗ 

1) Obron. Angliae Ms. hamburg. 

2) Florent. ad a. 823. 

3) &. oben. Beda fpridt nur von ber silva Elmete. 

4) Großes Licht über die älteften Gebietseintheilungen vor dem Auf 
kommen des Shires könnte uns aus den alten Notizen bei Gale I. p. 
748 werben; doch find fie zu fchlecht abgedruckt, um auch nur Conjec⸗ 
turen auf bie meiſten berfelben zu bauen. &o werben auf die Suth- 
saxona, welchen Beda 7000 Hyden gibt, 100,000 hidae berechnet. 

416* 





— 


244 Zweite Abtheilung. 


kennen wir namentlich aus den Nachrichten, welche uns uͤber 


einen der bedeutendſten jener kleinen Staaten erhalten ſind, daß 
ſie gewoͤhnlich bei Verwandten der groͤßeren koͤniglichen Haͤuſer, 
in erblicher Folge und haͤufig im Geſammtbeſitz mehrerer Bruͤ⸗ 
der ſich befanden. Dem Unterkoͤnige der Hwiccas, Oshere, folgten 
feine Söhne AÄdilheard, Ädilweard ') und Ädilric?). Ihnen folgten 


drei Brüder Eanbert, Uhtred und Aldred ?). Unter dieſen 


Heinen Königen flanden wieder befondere Ealdormanen (prin- 
cipes, comites), welche in der Witena Gemote feine Hands 
lungen lenkten und beflätigten oder auch feine Foderungen ver 
warfen. Das von ODffa feinem Sohne Ecgfertb im 3. 785 


verlicehene Reich Mercien war vermuthlic, das Land der Hwiccas, 


in welchem feit diefer Zeit Fein befonderer König mehr erfcheint*). 
Die Angelfachien in jenen Reichen befaßen bisher Feine 


Staatsverfaſſung, fondern nur eine auf Eroberungen gerichtete 


Kriegsverfaſſung. Die fefle Niederlaffung erfchütterte dieſe zu> 
erfl, nicht minder die Annahme des Chriftentbumes; bald darauf 
hörten die Eroberungen ganz aufs denn die Fehden mit den 


Nachbarſtaaten können, da fie ber Kriegerfchaar Feinen Erwerb 


brachten, auch im glüdlichen Zale nicht zu jenen gerechnet 


1) Daß diefe beiden Namen nicht berfelben Perfon gehörten, wie 
Palgrave II, 288 meint, ergeben die Urkunden vom 3. 692 in 
Hickes thesaur. 1. 169 u. 170. In ber erflen nennt Oshere 
den AÄdilheard feinen Sohn. 

2) Schon 706, f. Palgrave a. a. DO. Noch 736 in einer Ur 
kunde des Königs Kehisbard von Mercien in Smith Beda S. 765. 


3) &. Palgrave a. aD. Doch Eommen Uhtreb und Aldreb 
noch im 3. 767 vor; Leterer im 3.775: Offae subregulus Aldredus, 
dux propriae gentis Huicciorum. — Urt. bei Hickes I.p. 170g. 
Die Urk. Offas bei Smith Beda &.767 ift vermuthlich nicht falfch, 
aber in der Jahrzahl flatt V zu Iefen X und alfo flatt 756, 761. Sn 
ihr: subregulus Uhtred aliquid regimen propriae gentis Huicciorum 
tenens. 

4) Wie wir im I. 800 einen dux Merciorum Aethilmund finden, 
fo führte ſchon deſſen Vater Ingeld unter Aldred denfelben Titel. ©. 
Urt. vom 3.767 bei Hickes a. a. O. dux et prefectus regis. Oshere 
ſagt: consentiente comite meo Cuthberto. Der Titel princeps wird 
zuweilen von allen Ealdormanen geführt und barf baher nicht. beim 
Broda Hildagils als eine befondere Auszeichnung betrachtet werden. 
©. urk. bei Hickes a. a. O. 171. 


Bon Mitte des 5. bis Ende bes 8, Jahrh. 245 


werden. Es gab für Sreigebome nur zwei Stände, ben bes 
Kriegs und den der Kirche, woher wir auch die oft fabelhaft 
fcheinende Anzahl der Firchlichen Perfonen glauben müffen. 
Der letztere verließ den Staat; den erfleren hat der Staat, 
wenn wir bie Berbrüberung eroberungdluftiger Genoſſen fo nens 
nen dürfen, verlafien. Die meiften der kleinen Staaten waren 
daher bald wieder aufgelöft, und die meiften größeren fehen wir 
von Anarchie zerrüttet in den Händen ftets fi ch einander ver⸗ 
draͤngender Uſurpatoren. 

Uns bleibt noch Wefler zu betrachten und wahrzuneh⸗ 
men, welche Umflände diefes Land vor den übrigen Staas 
ten begünftigten und für einige Iahrhunderte zum eigentlichen 
England mahten. Das Geheimniß feiner Eriftenz und ber 
Schluͤſſel feiner älteren Gefchichte liegt darin, daß, nachdem auch 
Northumbrien auf fernere Ausdehnung verzichten mufite, Merz 
ciend feindlich gefinnte Nachbaren Offas Deich nicht überfchreis 
ten Tonnten, dad weber Durch natürliche Grenzen noch fruͤh⸗ 
zeitige Erfolge gefchügte- Weffer ſtets einen Waffenplag, aber 

auch Land um die Tapferen durch Lohn und Lehen zu erfreuen, 
an dem Savern fowohl als in dem füdweftlichen in Cormmwales 
endigenden Zande der Fremden, dem Welfchlande, fand. Das 
- Durch blieben Kriegszucht, gefegliche Thronfolge und ein ruhi⸗ 
ger Befisftand dem Lande in dem Maße gefichert, daß ed alls 
mälige Verbefferungen aufnehmen konnte, bis es in einem feis 
‚ner Regenten den einfichtsvollen und Fräftigen Mann fand, 
welcher berufen war die zu Einwohnern und Landeskindern ge⸗ 
- worbenen Enkel der eingedrungenen Horben in nähere Vereini⸗ 
gung und, foweit es neu eintretende Hinderniffe geftatteten, 
“ einer höheren flaatöbürgerlichen Ausbildung entgegenzubringen. 

Die Nachfolger Geolmulfs, Cynegils und fpäter gemeinfchaft- 
lich mit diefem fein Sohn ') Cwichelm, festen die Fehde gegen die 
Briten mit dem ererbten Glüde fort. Die Grenzen des fehr 


1) ©. Florent. ad a. 614. 628. 636. 648., auch Alfred von 
Beverley. Wilhelm von Malmesbury I, 2. fagt freilich filii 
Celrici Cinegislus et Quioelmus; doc} nennt er hernach Cwichelms Sohn 
Cuthred den fratruelis des Coinwalch, Sohnes bes Cynegiſl. Die Vers 
wirrung ift hier vermuthlich dadurch veranlafft, daß der Sohn vor bem 
Bater farb, 


246 Zweite Abtheilung. 


kieinen Reiches wurden allmaͤlig erweitert, welche bisher ner die: 
nachherigen Shired Hampton, Berks, Wilts, Glocefter bid zum 


| Savernfluſſe und einen Theil von Oxford umfaſſten. Jene Ku 


nige bramgen weit in dad Gebiet. der füdlichen Briten vor, 
welche zu Beandune (Bampton in Devonfhire an der Grenze: 
von Somerfet) gefchlagen wurden; von einem panifchen Schrek⸗ 


ken bei dem Anblicke des wohlgeordneten Heeres ihrer Feinde, 
ihrer ſtrahlenden Streitaͤrte, der Groͤße ihrer Speere ergriffen, 


wurden ihrer, was uns zur muthmaßlichen Schaͤtzung damaliger 


Heere dienen mag, 2062 erfchlagen ). Eben fo gluͤcklich waren 


jene gegen Effer, welches drei Könige, die Söhne Sabercts, in 


Leihen und Strömen Blutes Wenige nur entfliehen Tonnten ?). 
Penda der Starke hatte fie angegriffen, doch in der Schlacht 


. bei Cirenceſter nicht befiegt. Nur gegen Eadwin von Northums 


brien hatten fie einen Theil ihrer Befigungen verloren, und ber 


von bem gereizten Cwichelm gegen jenen König unternommene 


638. 


. 642, 
Grundſaͤtzen. Er nahm das Chriftenthbum nicht an, verſtieß 


Mordverfuch führte fie zu einer, von demfelben jedoch nicht 
verfolgten, Niederlage ’). Eynegifl und fein Sohn traten beibe, 
auf Vermittlung des Königs Oswald von Northumbrien, durch 


den Bifhof Livinus getauft zum Speitentpum über; Ewichelm 


ſtarb jedoch im folgenden Jahre. 

Die naͤchſten Jahre verfloſſen ruhig in Ausbildung der 
neuen geiſtlichen Einrichtungen. Des Koͤnigs zweiter Sohn 
Cenwealh war der Schweſter des maͤchtigen Penda verlobt, 
durch welches Verhaͤltniß der gefaͤhrlichſte Feind oder Nachbar — 
beide Ausdruͤcke pflegten in der Politik jener Voͤlker gleichbe⸗ 
deutend zu ſein — beſchwichtigt ſchien. Cenwealh folgte dem 
Vater bei deſſen Tode in der Regierung, doch nicht ſeinen 


feine Gattin und verband fich mit einer andern, vermuthlich der 


‚ihn Überlebenden Searburge. Penda raͤchte feine Schwefter 


1) ©o Henr. Huntend. Dad chron, saxon. und Florent, 
Wigorn. ad a. 614. haben 2046, 


2) An ſolchen Beichreibungen der Schlachten gibt fi flets Hein- 


rich von Huntingdon zu erkennen. 


5) Beda II, 9. Malmesb. I, 2. 


. einem blutigen Kampfe verlor, aus dem von-den Bergen von . 


Von Mitte des 5. bie Ende des 8. Jahrh. 37 


dadurch, daß er den Cenwealh von feinen Throne flieg, wel⸗ 

dyer zum Könige der Oſtangeln Anna flüchtete, bei welchen «x 

Drei Jahre zubringend, deſſen Beilpiel und Anrathen folgend, 

zu ben Lehten bes chriftlichen Kirche fich befannte. Durch die 

Hälfe des Cuthred, des Cwichelm Sohn '), wurde er wieder in 648. 

fein Reith zuruͤckgetufen und belohnte feinen Neffen durch die 

Abtretung des dritten Theils feines Reichs, ober nach Anden 

von 3000 bei Aſcesdowne belegenen Hyden, welcher Diſtrict 

nach Cuthreds Tode wieder an Weffer zurüdfiel.  Diefes Eleine 661. 

Reich ſtieß an Merchen, und mahrfcheinlich war der baffelbe bes 
zeichnende Drt Afhdown im Süden ber Grafſchaft Bes, 

Cenwealhs Regierung war für die Vergrößerung von Weſ⸗ 

fer wichtig.‘ Er flug die Briten von Dyvnaint und &ernau, 

welche füh feinem Vorbringen wiberfegten ?), in mehrern Schlach⸗ 

ten auf dad Haupt, zuerſt zu MWithgeorneöberg, vermuthlich 

bem durch Cerdits Sieg und feined Neffen Withgard Grab bes 

kannten Withgarabyrig ’) (Garisbroof) auf der Inf Wight, 

deren bald. folgende Schicſale es als gewiß erſcheinen laſſen, 

daß ſie in den Haͤnden einer von Weſſer unabhängigen Bevoͤl⸗ 

kerung von heidniſchen Juͤten und, wie ſolches in dem groͤßern 

oͤſtlichen Theile Britanniens der Fall geweſen war, zum Heie 

denthume zuruͤckgefallenen Briten ſich befand. Folgenreicher 

waren Cenwealhs Siege zu Bradford am Avon in Wilts, Der 652 

damaligen Öfttichen Grenze feines Reichs, welches er nach dem 

. Siege am Berge Pen, wo die Kraft der Briten wie Schnee 656. 

vor der Sonne zerfchmolg und unheilbares Berberben den 

Stamm bed Brutus traf, bis an den Parreifluß in dem alt 

britifchen Lande, welches hernach die Sumerfäten beſaßen, 

ausdehnte *). Eine Folge dieſer Erweiterungen war die Errich⸗ 

tung eines zweiten Bisthumes in ſeinem Reiche, welches ſeinen 

Sitz zu Wincheſter erhielt, einem altberühmten Orte, wo Gens 


1) Florent. Wigorn. et chron. saxon. ad a. 628. Vol. | 
oben S. 159. 

5) 3 fehe Feine Gründe mit Palgrave 1,263 anzunehmen, daß 
diefe feit dem Jahre 589 fchon von Ben Sachen unterjocht gewefen find 
und damals einen Befreiungsverfuch gemacht hatten. 

8) Malmesb. I, 2 
4) Florent. Hear. Huntend. 817”. Malmesb. J, 2%. 





661. 


x 


248. Zweite Abtheilung. 


wealh ein. Ktofter nebft einer im ihrer erfien Grimdung pracht⸗ 
vollen Kirche '), welche in fpäten Jahrhunderten zu einer der 
ehrwuͤrdigſten Domlathebralen erweitert wurde, geftiftet hatte. 
Wenn daher fein Vorfahr gegen den Bifchof: Agilbert unge 


recht zu nennen fein mag, fo koͤnnen wir darin nur ben Un- 


geftum des Neubekehrten erkennen und noch weniger das Be 
fireben, einen in der ihm allein verfländlichen Mutterfprache re⸗ 
denden Biſchof zu beſitzen, tadeln ). Andern ausgezeichneten 
Geiſtlichen der angelſaͤchſiſchen Kirche, wie namentlich dem Be⸗ 
nedict Biſhop, dem Stifter des Kloſters Wearmouth, hatte er 
fein Wohlwollen häufig erwieſen ). Jene neue kirchliche Dr: 
ganiſation war um ſo wichtiger, da die uͤbrige meiſtens die 
Kriegsverfaſſung bezweckende Verwaltung der Sachſen nicht 
als ein geiſtiges Bindungsmittel anzuſehen war, wie die Errich⸗ 
tung des Biſchofsſitzes zu Wincheſter es im hohen Grade wer⸗ 
den muſſte. Die altbritiſchen geiſtlichen Anſtalten wurden von 
dem Eroberer nicht zerſtoͤrt, ſondern vielmehr gepflegt, und wir 


kennen noch die Schenkung, durch welche. er die Mönche des 


durch ihm fächfifch geworbnen Glaftonbury bewog felbft am 


Grabe des Königs Arthur für das ewige Heil auch des germa⸗ 
‚nischen Eindringlings zu beten *). | 


Gefährlicher war der Kampf, welchen Genwealh mit bem 
Bruder feiner erften Gemahlin, dem Könige von Mercien, Wulf: 
here, nunmehr begahn. Wenn auch im Anfange bed Feldzu⸗ 
ges diefer in den Befigungen Cethreds bei Äfcesdun, wo er 
alfo als der angreifende Theil erfcheint *), gefchlagen, vielleicht 
felbfi gefangen wurde ©), fo verlor Cenwealh in dieſem Jahre 


‚zwei Sreunde, den König Cuthred und Cenbyrth, einen aͤhnli⸗ 


hen Unterkönig. Bald drangen die Mercier jedoch weiter vor, 


1) Malmesb. 1.1. 
2) Beda III, 7. 
5) Bedae hist. abbat. Wiremuth. | 
4) Guil. Malmesb. de antiquit. glaston. ecclesiae ap. 


Gale I, 308. 


5) Auf Matth. Westmon. rebellavit contra Wulfherus iſt 
daher kein Gewicht zu legen. 


6) Aethelweard. 


Bon Mitte des‘ö. bis Ende des 8. Jahrh. 249 


aber wurden von fühlichen Bundesgenoſſen fiegreich unterſtittt 
um die Übertragung der Inſel Wight und eines Theiles von 


Hampton, die Meanwara Maegthe '), durch Wulfhere an ſei⸗ 


nen Verbündeten Athelwald, den, vermuthlich neuen, König 
von Sufler. 

Nach einer mehr ald dreiffigiährigen Herrſchaft ftarb Een: 
wealh plöglich ?) ohne Kinder und andere nahe Erben. Doc) 


hatte .er für die Fortfegung feiner —— — dadurch geſorgt, 


daß er dieſelbe ſeiner Gemahlin Searburge übertrug. Die Ne 
gententugenden biefer Frau, an der Spitze des Heers und des 


Reichs entfaltet, werden in Ausdruͤcken geprieſen ) welche ver⸗ 


rathen, wie groß der Eindruck war, welchen eine ſo ſeltene Er⸗ 
ſcheinung als die einer regierenden Koͤnigin bei den Angelſach⸗ 
ſen erweckte. Doch unterlag ſie bereits in Jahresfriſt den Sor⸗ 
gen und Anſtrengungen des maͤnnlichen Amtes *), welche durch 
Die Ungeſetzlichkeit ihrer Anſpruͤche auf daſſelbe nicht wenig ver⸗ 


672. 


mehrt wurden. Zwei Unterkoͤnige von Weſſer, Aſcwin, ein 


naher Anverwandter des koͤniglichen Hauſes, Urenkel des Koͤ⸗ 
nigs Ceolwulf, und ein Bruder des letztoerſtorbenen Koͤnigs, 
Gentwin °), welcher als der allein berechtigte Thronfolger und 
deffen Ausfchlieffung durch Searburge unerklärlich und erfcheint, 


beherrſchten das Reich nach einander oder gemeinfchaftlich meh: 


rere Sabre. Die widerfprechenden Nachrichten über diefe dun⸗ 
keln Verhältniffe werben durch diejenige vermehrt, daß zundchft 
auf Searburge Genfus, der Vater Aſcwins, gefolgt ſei * 


1) Maegthe, Provinz, beutet auf die Stammverwandtſchaft He J 


Magenſchaft der Einwohner. 
2) Immatura morte. Bedae hist abbat. Wiremuth. 
3) Malmesb, 


Malmesb. |. L. plusquam animos foemineos anhelantem vita 
‘ destituit, vix annua potestate perfunctam. Rach Matth. West- 
mon. ad a. 672, wurde fie vertrieben. N 


5) Malmesb. fagt freilih: qui fuit Cynegisli ex fratre Cuth- 


gislo abnepos. Ich folge dem Slorenz ad. a. 67% und genealog. 
fo wie saxon. chron. 


6) Diefe Nachricht iſt mehr als ihrer felbft willen ung wichtig 


durch die Autorität, auf welcher fie beruhet. Florent. genealog. 
p. 693. Deinde Kenfus duobus annis secundum dicta regis Aelfredi, 


676, 


2330 Bmweite Abrheilumg: - 


Schon Beda, veſſen Jugrud In biefe Seiten fiel, wuffte wenig 
über die zehnjaͤhrige Anarchie in dieſem Heinen Rriche. Aſcwin 
Koͤnigsname wuͤrde vielleicht wie der ſeines Vaters beſtritten 
fein, wenn nicht eine große Schlacht, welche er dem bis Bed⸗ 
win in Wiltfhire vorgebrungenen Könige Wulfhere von Mes 
cien lieferte, den Ruhm eines Helden ihm erworben hätte. Der 
ſehr blutige Kampf war wichtig genug, um die Nachrichten 
über den Erfolg eigener Luft gemäß einzukleiden: der Chronifl 
von Mittelengland fuchte dem Könige von Mertien die Ehre 
eines ſchwer errumgenen Sieges zu erdeuten; dee von Weſſer, 
fir welchen der Rückzug der Mercier ſpricht, zweifelt nicht an - 
der Niederlage der Letzteren '). Durch Aſcwins bald erfülgten 
Tod erfcheint Centwin ald alleiniger Herrfcher von Weſſer. 
Die Fehden der Angelfachfen erweckten die Hoffnungen bet 
Armorkcaner, die Heimat ihrer Bäter den: Fremdin wieder zu 
entreiſſen. Die Abweſenheit de britiſchen Könige Cadwaladyt, 
welcher nach Rom gepilgert war und feinen Sohn Yoor dem 


. Könige derſelben, Alanus II, anvertramet hatte, beflärkte die 


ehrgeizigen Abfichten des Lebleren und eine unter Voor und deſ⸗ 
fen Vetter Inyr bewerkſtelligte Landung führte zur Eroberamg 
des ihnen günftigen altbritifchen Landes füdlih vom Avonfluffe, 
Gentwin rüdte dem Feinde mit flarker Heeresmacht entgegen, 
doch eine friebliche Vermittlung kam der Schlachf‘ zuvor; Yoot 


wurde von Centwin mit Weſtwales oder Cernau und Dyvnaint 


belehnt und fol fogar die Hand der Ethelburge, einer Nichte 
des Königs von Wefler, und fpäter deſſen Reich erhalten has 
ben. Durch diefe und andere welfche Nachrichten wird Moor 
völig mit dem zweiten Nachfolger Gentwind, Ine, zu bem: 
felben Könige gemacht, fowie Yoord Vater und Ines Vorgaͤn⸗ 
iuxta chronicam anglicam vero filius eius Aescwinus fere tribus annis 
regnavit. In feiner Chronik berüdfihtigt Florenz nur bie legtere 
Angabe, jedoch unter ber fonft bei ihm nicht gewöhnlichen Anführung 


- secundum chronicam anglicam. 


1) Die Neueren folgen alle dem Heinr. 9. Huntingbon &.8318 
und Überfehn Wilhelm von Malmesbury. Es ift doch kein Grund 
vorhanden dem Erfteren unbedenklich mehr Glauben zu ſchenken, went 
andere Verhälmifie den Widerſpruch erklaͤren. Athelweard Läfft hier 
fatt Äfcwins ben von ihm felbft als verftorben bereits awoegerenen Se» 
wealh fechten. 


d 


Von Mitte des 5. bie Ende des 8, Jahth. 261 


ger in ihren Schickſalen uͤbereinſtimmen 1), Die Rolle weiche dem 
Könige von Armorica in dieſem Feldzuge beigemeffen wird, ſtimmt 
auch durchaus nicht zu dem ſchwachen Charakter, den wir nah 
andern Nachrichten bei ihm kennen ). Doc darf unfere Ges 

f&hichtöforfchung, nach dem bereitd früher Beruͤhrten, fich Feiner 
großen Kenntniß der Gefchichte von Weller aus angelfächfifchen 
Quellen rühmen, und ‘wir müflen jene walliſer Sagen, in wels 
chen manche hiſtoriſche Nachricht verborgen fein Tönnte ?), zu ber 
Geſchichte von Weiler, welche fie wegen ber nachbarlichen Lage 
haͤufig erwaͤhnen, zuweilen beruͤckſichtigen. Wemnm in biefer Hinz 
ficht Geoffrey von Monmouth zu wenig beachtet iſt, ſo duͤr⸗ 
fen wir feinen Zeitgenoſſen Caradoc von Llancarven nicht 
überfchäsen, obgleich die Kritit ihre Waffen gegen denfelben 
bisher felten gerichtet hat und die Aufhäufung feiner Notizen 
den Prunk emfiger Gründlichkeit neueren Geſchichtswerken biös 
weilen zu verleihen fcheint. In den meiften Fällen laͤſſt ſich 
aber bei ähnlichen widerfprechenden Nachrichten der altbritifchen 
Gefchichtöfage annehmen, daß die welfchen Hiftorifer die Polis 
tik ergriffen hatten, dem fiegenden Seinde den Zwed und Lohn 
feiner Kämpfe, ven Ruhm und dad Fortleben feiner Individua⸗ 
Yität in der Gefchichte, gefchict zu entwenden und biefelbe auf 
britifche Zeitgenoffen, wenn nicht felbfigefchaffene Nebelgebilbe, 
überzutragen. Der vorliegende Fall führt und noch zu ber 
Bemerkung, daß bei den Weftfachfen und Briten fich eine nur 
durch frühe Heirathen zwifchen beiden Völkern erflärliche Ähn⸗ 
lichkeit der Namen findet, wie felbft der des Cerdic. Bei dem 
des Geadwalla ift es nicht unerheblich für die Achtheit der an⸗ 
gelfächfiichen Gefchichte, zu bemerken, daß dieſer Name fchon 
-bei mehren älteren germanifchen Stämmen bem Cäfar und 
Zacitus bekannt war”). 

1) Caradoc p. 13 sq. 


2) Daru Geſchichte der Bretagne, Bearbeitet von 8. W. Schu⸗ 
bert. J, 54. 

8) Daß ein Krieg wie der vorgedachte gefuͤhrt worden, geht auch 
aus Florenz zum Jahre 681 hervor: Kentwinus, rex Westsaxonum, 
‚occidentales Britones usque ad mare. in ore gladii fugavit. Sn ben 
andern Chroniken fehlt jene nähere geographifche Beſtimmung, wenn fle - 
glei aud der Verfolgung bis an das Meeresufer gedenken. 


4) In naher Beziehung zu den Sachſen fteht diefer bei den Fuͤrſten 


252 Zweite Abtheilung. 


Waͤhrend Gentwin bie Herrfchaft von Wefler im Süben 
feines Reiches erhielt oder neu befeftigte, erweiterte er deſſen Ein- 
fluß über die Briten im Norden deſſelben, dem Reiche Gwent, 
deſſen Einwohner ſich von dem deutſchen Joche zu befreien ges 
fucht hatten ). Mehr als die duffern Feinde beumruhigte den 
Gentwin fein naͤchſter Anverwandter, ein Eräftig anftrebenber, 
dem Heibenthume noch anhängender Juͤngling von Cynrics 
Stamme, Sohn des Unterkönigs Genberth, vieleicht in Suffer ?). 
Geabwalla wurde von ihm geächtet, doch die Blüthe der krie⸗ 
gerifchen Jugend fammelte fi um den Verbannten umd ver: 
weilte in den Wäldern an der Grenze von Suſſex. Mit die 
fer tapfern Schaar eroberte er dad Meich, : welches vermuthlich 
fein Vater verwaltet hatte, und orbnete fich dem bisherigen Koͤ⸗ 
nig deffelben, Äthelmald, unter, der nunmehr unter dem Titel 
des subregulus neben dem Könige Ceadwalla auftrat °). Im 


der Eburonen unter den belgifchen Germanen. Caesar de bello gal- 
lico I, VI. c. 31. Unbezweifelt findet er fich bei einem edlen Geſchlechte 
der Gothonen. Taciti annal. 1. II. c. 62. 

1) Malmesb. de pontificib, 1. V. apud Gale I, 349, Whar- 
ton Anglia sacra II, 14. Wenn bie in ber vorftehenden Note gegebene 
Erläuterung richtig ift, fo dürfen die Nachrichten vom J. 681 nicht mit 
bem Kampfe gegen die Norbwalifer verwechfelt werben. 

2) Diefe Würde des Genbyrth ift angegeben im chron. saxon. ad 
a. 661. Daß fie für Suffer war, wird mir durch die Zufammenftellung 
der Begebenheiten des Jahrs 661 mit den Thaten Geadwallas wahr: 
- fcheinlih. In der Herflammung flimmen die übrigen Nachrichten über 
ein; auffee Malmesb. ]. . Cedwalla, Ceaulini ex fratre Cuda 
pronepos, wo jedoch ſchon der letztere Ausdruck anzeigt, daß fuͤr fratre 
zu leſen iſt: filio. 

3) Eddii vita s. Wilfridi. urk. v. 3. 683 in Dugdale mo- 
nasticon 1. VI, p. 1162; im Auszuge bei Palgrave II. 283. Diefe 
Urkunde widerlegt auch die Nachricht des Beda und Wilhelm von 
Malmesbury, daß Äüthilwalch von Ceadwalla bei beffen Einfalle in 
fein Land erfchlagen fei. Aus ähnlichen Documenten mag bie Bezeich⸗ 
nung König von Suffer für diefen in Thorne chronicon p. 1770 u. a. 
herrühren. Schon in einer Urkunde v. 3. 680 ſchenkt „Ceadwalla rex 
terram iuris mei Pagaham“ (in Suffer) an Bifhof Wilfrid. ©. 
diefelbe in Evidentiae eccles. cantuar. bei Twysden p. 2287, deren 
- Original vermuthlich in ber cottoniſchen Bibliothek if; Hickes the 
säur, III, 262. . 


ı 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 253 


ıTd. erfolgten Kämpfen verlor Äthelmald das Leben, doch Cead⸗ 
alla wurde von Bercthun und Äthilhun, Ealdormanen von 
suffer, welche ihre frühere große Macht dur ihn verloren 
ıtten '), vertrieben, als Gentwin nicht ftarb, fondern abdankte. 685. 
Yaß diefer Frank und alteröfchwach den bisher verfolgten Geab> | 
alla zu feinem Nachfolger ernannt habe”), gehört zu dem vies 
n Unwahrfcheinlichkeiten, mit welchen Geiflliche das Leben des 
‚n ihnen bekehrten Ceadwalla auszufchmüden verfucht haben 
mnten. Diefer war der zur Thronfolge Nächftberechtigte und 
rmuthlich durch den vertriebenen Biſchof von York, Wilfrid, 
m er fih in Sufler angefchloffen batte, bereits zum Ehri⸗ 
mthume bekehrt. 

Des neuen Koͤnigs von Weſſex erſtes Beſtreben war an 
uſſex Rache zu ſuchen; Bercthun wurde im Kampfe erſchla⸗ 


U Qui prius regnaverunt. Henr. Huntend. IL Bei 
eda heiſſt Äthilhun, Anthun, in Älfreds überſezung: Hune. 


2) Malmesb. . V. L. 1. Man huͤte ſich aber mit Lingard die 
ziderſpruͤche dadurch heben zu wollen, daß ſie in Eine Erzaͤhlung zu⸗ 
mmengeworfen werben. Chron. saxon. ad a. 685 ſagt nicht, daß 
mtwin bamals geftorben fei, fondern daß Ceabwalla begonnen habe 
ch dem Reiche zu ſtreben. W. Malmesb. Kentwinus morbo et se- - 
» gravis Ceduallam regii generis iuvenem successorem decreverat, 
felbe Schriftfteller führt bald darauf eine Urkunde vom Auguft 688 
‚ in welcher König Centwin noch erfcheint. Diefer lebte alfo, hatte 
ı Königstitel behalten und war nad) Ceadwallas Abdankung oder aus 
dern Ruͤckſichten aufgefodert feine Beiflimmung zu einer Schenkung 
ertheilen. Daß Eentwin wirklich abgedankt habe und in ein Klofter ges 
ngen fei und dem Ine, als naͤchſtem Erben, das Reich übertragen habe, 
eben wir aus einem unbeachteten Gedichte eines Altern Dichters in 
cuins Werken (edit. Quercetan. f. 1675 sg), wo ich flatt Ents 
3 Gentwin leſe. 

— Entwini filia regis, 

Qui primus imperium Saxonum rite regebat. 

— rexit regnum plures feliciter annos, 

Donec conversus cellam migravit in almam. 

Juste petit superas meritie splendentibus arces. 

Post hunc successit bello famosus et armis 

Rex Cäadwalla potens regni possessor üt haeres — 
. Tertius accepit sceptrum regnator opimum, 

Quem clamant In incerto cognomine gemtes, 

Qui nunc imperium Saxonum iure gubernat. 


254 3weite Abtheilung. 


gen, unb Suffer verblieb, im mehrere. kleine Staaten umter 
Fa Königen verteilt, unter der Hoheit des Koͤnigs von 


Ein hartes Schidfal traf bie Inſel Wight, welche vor we 
nigen Sahren durch den König von Mercien, Wulfhere, mit 


Suſſexr vereint, war, doch von einem eigenen Häuptling, — es 


686. 
21. Aug. 


wiberfirebt dem heutigen Sprachgebrauche faft zu fehr, ale 
ſolche Herrfcher mit dem Königötitel zu belegen — Arwald )), 
vegiert wurde. Die zwölfhundert Familien welche auf der In 
fel wohnten, unferes Wiffens der einzige angelfächfifche Staat 
welcher das Ehriſtenthum nicht angenommen hatte, wurden von 


dem nicht getauften Ceadwalla beinahe gänzlich niebergehauen ?), 


um die Inſel mit feinen Weſtſachſen zu bevoͤlkern und ein 
Chriſto abgelegtes Geluͤbde, den vierten Theil derfelben an den 
Biſchof Wilfrid zu verleihen, zu erfüllen. Zwei junge Brüder 
des Arwald entflohen, wurden aber in Hamptonfhire gefangen 
und hingerichtet; doch geftattete der Sieger einem Abte fie vor 
ber zu befehren und zu taufen. Sie waren dem Tode mit der 
frohen Zuverfücht des. Chriften enfgegengegangen, und ber To⸗ 
deötag her jugenklichen Märtyrer wurde noch in foäten Jahr⸗ 
hunderten von: der Kirche feierlich begangen °). - 

Die raſchen Erfolge mit welchen die unternehmungen des 
Ceadwalla gekroͤnt waren, und die inneren Zwiſtigkeiten welche 
das Koͤnigreich Kent zerriſſen, verleiteten den König von Weſſer 
feinem Bruder Mul zu geſtatten in dieſes feindlich einzufallen, 
das Land mit dem zweilchneidigen Schwerte der Herrſchſucht 
und der Graufamkeit verheerend. Dörfer und Städte waren, 


durch Feine gemeinfame Gegenwehr geſchuͤtzt, gleich vereingelten 


Steden vernichtet, als im Rüden der forglofen Feinde die ticf 
gereizte Bevölkerung fi erhob. Mul, das Vorbild heidniſcher 


1) Sn Äthilwalch, Athühun und Arwald Läfft bie Alkteration Bri⸗ | 


der vermuthen. 


2) Lingard' erzählt, daß Ceadwalla verfchledene Wunden erhal 
ten, ehe er ben Gegner befiegt habe. Dikfer Umſtand mag bie Grau 
ſamkeit des nachherigen Heiligen entfehuldigen. Doc wo iſt die Quell 
diefer bei den Altern Schriftftelleen nicht vorhandenen Nachricht? 

8) Es mag bie Ungenauigkeit des Heinri von Huntingdon 
bezeichnen, daß er die Brüder des Arwald deſſen Söhne nennt. 





Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 255 


Thane und Kürften, furchtbarer Kraft, ſchoͤner Geſtalt, milb, 
geliebt, im hoͤchſten Ruhme ſtrahlend, muſſte nach einem ver⸗ 
lornen Treffen mit zwölf Begleitern in eine Hütte fliehen, 
welche, von den Kentern angezuͤndet, da er durch bie umtingende 
Maſſe fich durchzufchlagen nisht hoffen durfte, ihm ein ſchau⸗ 
berooller Scheiterhaufen wurde ). Ein fürchterliches” Blutbad 
war: die Race. welche Ceadwalla feinem. Bruder in Kent bes 
zeitete, und reiche Beute führte ex aus dem, gedemübigten Lande 
in feine Heimat zuruͤck. | 

‚Das ergreifende Geſchick des Bruders, vielleicht ein Vor⸗ 
gefühl feines nahe bevorſtehendez Endes, ſcheint einen: tiefen 
Eindruck auf den kaum dreiſſigjaͤhrigen König gemacht zu har 
ben und brachte die Eindrüde zum Entjchluffe und zur. Aus⸗ 
führung, welche Biſchof Wilfrid einſt bei dem vertriebenen 
Flüchtling angeregt hatte. Nach zwei Jahren ber Herrſchaft 
entſagte ee ber Krone zu Guuſten feines Bettezs Ine ?) und 
pilgerte nad) Rom, um ſich daſelbſt vom Papſte Sergius tau⸗ 
fen zu laſſen. Der Koͤnig der Longoharden, Chunihert, der 688. 
Gemahl ber angelſaͤchſiſchen Hermelinde, haste ihn in feinem 
Reiche mit größter Pracht empfangen ). Er flarb dafelbft 
fhon im folgenden Jahre, acht Tage nach ber am Oſterfeſte 
ftattgefimdenen Zaufe und wurde im Gt. Petersdome beis 
gelegt ). 

Ines Regierung deutet ſich ſogleich durch die Verwirrung, 
welche in feiner Gefchichte herrſcht, als eine berjenigen an, 
welche die Leidenfchaften der Mit⸗ und Rah Welt vorzüglich 


1) Malmesb. I, 1 et 2. Hear. Huntend. 335., baren j 
Leine Wiberfprücde zu verzeichnen bier nit dee Ost iſt. Chron: saxon, 
ad a. 697. 

23) Am 19. Auguft 688 ftellte ex noch eine Eentungeutune ale - 
König aus. Edr. dei Malmesb. de pontific, L V 


8) Die merkwürdige Verbindung biefes lonbardiſchen Königs fo 

wie feines Vaters Bertast mit ben Infels Sadıfen tft fhon oben ange 
deutet und nachgemwiefen. Der Anfang bed Namens der Dermelinbe laͤſſt 
ihre Ältern unter ben Königen von Kent fuchen. Vgl. Paul, Piscon, 
de gestis Longobard. L VI. c. 15, 

4% Bedal V. c. 7. Die Briten laſſen ihren Ceadwalla an dem⸗ 
felden Tage d. 3. 689. XII. Kal, Mail zu Rom ſterben. Galfrid 
Monmeuth L XIL co. 18, 


\ 


256 Zweite AÄbtheilung. 


ungeregt haben. Daß er von ben Briten mit Yoor -verwechfet 
wurde, ift oben bereitd erwähnt; doch auch die vaterlaͤndiſchen 
Gefchichtfchreiber widerfprechen ſich zunaͤchſt in ben Angaben 
über feine Abſtammung. Indeß fcheint Eein erheblicher Grund 
vorhanden, von dem Bericht der älteften Chroniken abzuwei⸗ 
chen, welche ihn, gleich feinem Vorgänger, ald Abkoͤmmling des 
Cutha, des Sohnes von Cearolin, und ald den Sohn Genredt 
welchem ber Zitel eines Subregulus gegeben wird '), bezeichnen. 
Die erften Regierungsjahre Ines muͤſſen unruhig verſloß 
fen fein, doch iſt uns nicht ‚berichtet, welchen aͤuſſeren oder in | 
neren Zeind er zu bekämpfen hatte. Erſt nach fünf Jahren 
konnte er das Schwert der Rache gegen die Kenter wieder 
fhwingen für die Ermordung des Mul, welcher auch dem Ine 
nahe verwandt, vielleicht Halbbruber war ). : Der König ber 
Kenter zog es vor, dem unglüdlichen Kampfe zu entgehen und 
ihn durch bie Entrichtung deö verzögerten Wergelbes für ben 
Fürften, ber nicht als in offener Fehde erfchlagen, fondern al 
hinterliſtig ermordet angefehen wurde, mit Dreiffigtaufend 
Pfund abzukaufen ; eine Summe in welcher bie Zahl, doch 


1) Dieſer Titel finbet fi in genealog. Florent. gl. Asser. 
yita Aelfredi. Saxon. chron, ad a. 495. Florent. ad a. 688. Die 
abweichende Benealogie des Wilh. von Malmesb. I, 2 Ina, qui 
Cynegisli ex fratre Cuthbaldo pronepos, koͤnnte bei dem neuern Schrift: 
ſteller erft bebenttih werben, wenn man jle auch ähnlich) im chron, 
saxon. ad a. 688 bemerkt, wo fie jedoch nicht in allen Handſchriften 
und im Widerfpruche mit der frühern Angabe ad a. 495 ſteht. Cyne⸗ 
gift, fonft als Sohn des Eeolric bekannt, erhält dadurch einen andern 
Vater, und Ceolwalds oder Cuthbalds Water, Euthwin, wird aus dem 
Enkel ein Sohn Ceawlins. Bei Malmesb. de pontif. 1. II. p. 252 wird 
Ines Bater Ciffa genannt und eben fo lib. V. (bei Wharton II, 12.); 
doch der Abdruck des legten Werkes. bei Gale I, 346 gibt bie Namen 
nad) der dort abgedruckten Urkunde: Cisi, Cenred, pater Inae, 


2) Nach der Angabe von chrop. saxon. und Florent. war er Br 
” ver bes Ine wie der Ceadwallas. Vielleicht hatten Ine und Mul die 
felbe Mutter. . 

8) Chron. saxon. ad a. 674 fagt 30,000 Yfund. Malmesb. 
80,000 Pfund Geld. Florenz fcheint das Geld nach einem andern Müng 
fuß zu berechnen, indem er nur ein Achtel jener. wahrfcheinlih ungenau 
angegebnen Summe angibt: 3750 Pfund. Bon einem ‚ähnlichen für 

einen im Kriege gefallenen Zürften entrichteten Wergelde Beda IV, 21. 


— 


\ 


Von Mitte des 9. bis Ende des 8. Sadıh. 257 


nicht bie Münze und deutlich bezeichnet ift, da nad) dem. Ge- 
feße der flammverwanbten Mercier dad Wergeld des ermorde⸗ 
ten Königs mit dreiffigtaufend Thrymſen oder gar Sceattas 
beftimmt ift ). Vom heftigften ererbten Haffe. fol Ine auch ge 
gen die Oftanglier entbrannt gewefen fein, die Adligen dieſes 
Landes vertrieben und daſſelbe mit Krieg überzogen haben. 
Dieſer Krieg hätte zur See ober ‚unter Zulaſſung und Theil⸗ 
nahme der Nachbarftaaten von Oftanglien geführt werben muͤſ⸗ 


fen; beide8 DVermuthungen, zu welchen wir vielleicht weni⸗ 


ger berechtigt find als. zu der, daB jener Name irrig flatt 
des der Oftfachfen niedergeſchrieben it’). Während der neun⸗ 
unddreiffigiährigen. Regierung Ines Eonnten feindliche Beruͤh⸗ 
rungen mit. den Briten nicht fehlen, unter denen der Krieg 
gegen Geraint, den König von Gernau, von Ine und feinem 
Verwandten Nunna geführt, durch fiegreiche Erfolge fih aus: 
zeichnete. Die nächfte Gewalt nach dem Könige in den füd- 


lichen Gegenden von Weſſer befaß viele Jahre, ſchon feit Cents 
wind Tagen, der Unterfönig oder König Baltdred oder Baldrec, 


deſſen bedeutender Einfluß, durch andere Nachrichten erwiefen, 
auch daraus hervorzugehen fcheint, daß die Walifer einem um 


710. 


diefe Zeit lebenden FZürften von Devenfhire und Gornwales den 


fächfifhen Namen Balderich beilegen ). Die härteflen Kämpfe 


1) Judicia civit. london. ap.: Wilkins p. 72. Nach leg. Aethel- 
stani ibid. p. 64 find 30,000 sceattas nur 120 Pfund. Nach einer 
andern Angabe in judic. civit. lond. ibid. 71. war, nad) dem Volks⸗ 
rechte der Angeln, das Wergeld der Könige 30,000 Thrymſen, was nach 
der freilich nicht unbeftrittenen Meinung, daß acht Thrymſen ein Pfund 
bildeten, dem von Florenz erwähnten Wergelde entfprechen würde. 

2) Malmesb. I: 2. Nec solum Cantuaritae, sed et Orientales 
Angli hereditarium exceperunt odium,.omni nobilitate primo pulsa, 
post etiam bello fusa. Lingard hat: vielleicht:an eine der unſrigen 
ähnliche Erklärung gedacht, als er fchrieb, Essex, by what means is 
unknown, had alceady been annexed to his crown, und ſich babei auf 
den eben angeführten Schriftiteller berief. 

8) Guil. Malmesb; de antiq. Glaston. p. 308. ad: a. 681. 
Baldred rex — Kenwine etiam consentiente dedit — p. 309. Canc- 
toeay — Kenwino etiam et Baldredo consentientibus dedit — Ibid. 
p. 311. Privilegium regis Inae de a. 725. Ina — hortatu Balt- 
dredi et Athelardi subregulorum — Baltdree — Ine fährt fort: a 
predecessoribus meis Kenewalchio, Kenwino, Cedwalla, Baldredo 

Lappenberg’s Gefchichte Englands I. 47 





 %8 Zweite Abtheilung. 


waren jedoch ſtets diejenigen, welche bie Angelfachfen unter eine 
ander um ben Ruhm bee Tapferkeit und Sbergewalt in dem 
loder vereinten Bundesftaate mit Muth und Wuth ihrer Vaͤter 
ſtritten. Mercien und Weſſex lieferten ſich im Jahre 715 eine 
Schlacht, von der ungewiß blieb, auf welcher Seite der Ver⸗ 
luft ſchrecklicher geweſen fei. Der Schauplatz dieſes Kampfes 
war Wodnesbeorh (Wanborough in Wilts), ein Ort welcher 
mit jener oft bewaͤhrten Anziehungskraft der Schlachtfelder, ſei 
es durch natuͤrliche oder durch hier vielleicht zum Schutze eines 
Wodanstempels kuͤnſtlich befeſtigte Lage, ſchon die Leichen 
früherer Schlachten beherbergte. 

Doch nicht: nur bie Kriegägefchichte, welche den größten 
Kaum der Furzen Sahrbücher jened Volks bildet, hat Ines 
Namen uns aufbewahrt. Cine von ihm veranfialtete Samm⸗ 
lung der Geſetze feines Volkes ift, auſſer denen ber Fentifchen 
Könige, die erfle unter den Übrigen Angelfachfen und bekannte 
und erhaltene. Staatörechtlihe Sagen fpäterer Jahrhunderte 
. eitheilen Ine das angenteflenfte Lob eines mächtigen und weis 
fen Regenten; fie erzählen von den utiter- ihm gefafften Naties 
nalbefchlüffen der Angeln, die Gültigkeit der mit Briten ein 

gegangenen Ehen anzuerkennen (eounubium); wie auch feit 
feiner Zeit mit Scoten und Deutſchen ähnliche Berbindungen 
üblic) geworben, und wie fernerer Verkehr (commercium) mit 
den armoricanifchen Briten, giltebrüberliher Schuß (sicut 
eonjurati fratres) für die aus Enghern beroorgegangenen 
Godthlaͤnder feſtgeſetzt fe). 

Die Kirchenverwaltung förderte er, nach dem im J. 703 
erfolgten Tode des Biſchofs von Wincheſter, Hedda, durch Ab: 


confirmatum. — Am Schluß: Zigo Baldtedus rex eonfirmavi: Ego 
Adelard frater reginae cotsensi. Auch König Cuthreb nennt im Zahre 
744 den Baldredb feinen Borgänger, zwiſchen Centwin und Gedwalla. 
In einem ums Jahr 701 geſchriebnen Wrief des Aldhelmus wird e 
genannt: patricius Baldredus. Ibid. 347. — Bon dem Briten Balbrid 
fe Caradoc ed. Wynne p. 17. | 


1) Leges Edwardi conf. Die legte Angabe laͤſſt ſich vielleicht als 
eine misverſtandne, nicht: ganz To alte Rachticht von den Brivilegien, 
welche die aus den weftphälifchen Städten Soeſt u. a. auf Gothland 
angefiebelten deutſchen Kaufleute in England erhielten. beuten. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 29 


fonberung eines von dieſem Bisthume abgettetnen Diffvietes, 
defien Sitz nah Shirebum verlegt wurde‘), "Unter fen 
vielgepriefenen Verbienften um die Errichtung und Unterſtichzung 

der Klöfter it Der Bau des neuen Gebäudes und die etwen⸗ 
terte Dotation des altbritifchen Glaſtonbuty, zum Geelenheite _ 
feines Verwandten Mull, befonders denkwuͤrdig?). Beſonders 
aber fühlen wir uns gedrungen Ined Zhaten und Abfichten 
eine höhere Weihe beizulegen, weil wir als feinen Freund und 
Rathgeber ber trefflichen Bifchof Aldhelm kennen; einen Mann, 
dem die durch die Verehrung von gfüchtige Angelſachſen beige⸗ 
meſſene koͤnigliche Geburt keinen hoͤhern Glanz verleihen Fonitte 
und deſſen Verbienfte wir unbedenklich denen des ehrwurdigen J 
Beda zur Seite fehen’). Blieb er hinter dieſem vielleicht an 709. 
umfaffender Gelehtſamkeit zuruͤck, fo fland er feiner Zeit, werm 

wir und gleich mit den unfaglichen Künfteleien damaliger Mes 

trik nicht befseunden koͤnnen, ald Iateinifcher Dichter höher, er- 
warb ſich ärößere Verdienſte um die Ausbildung unſerer Mut⸗ 
terſprache, ließ ihn in der Kenntniß des kanoniſchen und roͤmi⸗ 
ſchen Rechts hinter fich zuruck und uͤberragte ihm weit an ein⸗ 
flußreicher, praftifcher Thaͤtigkeit. Seine bedeutenden Kennts 
niffe der lateinifchen und griechifchen Sprache verdankte er dee 
Schule zu Canterbury, befonderd einem Afrikaner, dem Abte 
des dortigen St. Auguſtinikloſters, Hadrian ), welcher England 
zuerſt betrat, als Aldhelm beinahe dreiſſig Jahre zaͤhlte. Doch 
verdankte auch er ſeine fruͤhere, beſonders die dialektiſche Bil⸗ 
dung, dem von einem Scoten geſtifteten Kloſter Maildulfes⸗ 


1) Palgrave II, 286 führt b. J. 711 bie iederherſtellung des 
Bisthums Selſea an. Dieſe darf mit der Errichtung des zu Shireburn 
nicht verwechſelt werben, welche gleich nach dem 3. 703 zu Stande kam, 
während Gelfea nad) den uns befannten Nachrichten erft unter bem Gras 
biihofe von Canterbury Rothelm (736— 740) unter Ines Nachfolger 
wieberhergeftellt wurde. © Will. Malmesb. de pontificib. L U. 
p- 257. 

2) &. will, Malmesb. de antiquitat. Glaston. apud Gale I. 


3) Wilhelms von Malmesbury Urtheib f. de regibus I, 2.. 
Das fünfte Buch; ber gesta pontäfie. ift eine Biographie vs Aldhelm. 
Bgl. auch oben ©. 175 u. 192, 

4) Malmesb. |, I. Beda IV, 1. V, W. 


— 


17* 





260 Zweite Abtheitung. 


burg '), fpäter Malmesbury genannt, deffen berühmter Mind 
dem berühmteften Schüler und nachherigen Abte feines Kloſters 
ein ehrenwerthes biographifches Denkmal feßte. In der Auf 
zaͤhlung und Charakteriſtik feiner Werke ift Feine Bemerkung 
für Aldhelm und fein Volt bis zu unfern Tagen bezeichnender 
als die, welche den Prunk als deſſen volfsthümliche Eigen: 
fhaft hervorhebt ). 

Ein Name welchem ein noch groͤßerer Ruhm beſchieden 
war als dem Aldhelmus, darf hier nicht ganz verſchwiegen 
werden, wenngleich ſeine beſſere Thaͤtigkeit nicht ſeinem Vater⸗ 
lande angehoͤrt. Winfrid oder St. Bonifacius wurde, ehe er 
zu Siegen uͤber das Heidenthum nach Deutſchland ging, von 
Ine zu einer Geſandtſchaft an den Erzbiſchof von Kent ge: 
braucht; sin Verhältniß durch welches der fcharfblidende Koͤ⸗ 
nig fowie der nachherige Apoftel nur ehrenwerther erſcheinen ?), 
Die lebten Jahre der Herrfchaft Ines ‚waren weniger 
gluͤcklich als die Mehrzahl der früheren. Es wird berichtet, 
daß er im I. 721 den Ätheling Cynewulf erſchlagen“), wozu 
wir die Veranlaſſung nur in einer von dieſem gewagten Em⸗ 
poͤrung ſuchen duͤrfen. Die einmal angezuͤndete Flamme ſcheint 
jedoch durch Cynewulfs Blut nicht ausgeloͤſcht zu ſein. Die 
Verſchwornen hatten ſich einer von Ine erſt erbaueten Burg 
in Somerſet, Taunton, bemaͤchtigt. Seine rriegeriſche Koͤni— 


1) Beda l. V. c. 18. ibique Smith. 


2) Graeci involute, Romani splendide, Angli pompatice aicere 
solent. Quem (sc. Aldhelmum) ex acumine Graecum putabis, et ex 
nitore Romanum jurabis et ex pompa Anglum intelligs.. Malmesb. 
IL. J. Weiher Schriftfteller ift aber, wenn diefe Charakteriftit beruͤckſich⸗ 
tigt wird, ‚überenglifcher ald grade Wilhelm von Malmesbury, 
ber hier feine größten Sünden zu einer Nationaltugend zu erheben nicht 
uͤbel Luſt bezeigt? 

8) Vita S. Bonifacii. 


4) Chron. saxon. Florent. h. a. Wenn wir dem Wil helm 
von Malmesbury ganz trauen duͤrfen, ſo hatte Ine keine Feinde im 
Innern ſeines Reichs. Domi gratiam, foris reverentiam mercabatur. 
Adeo annis duo de sexaginta potestate functus, sine alto insidiaram 
metu securus incanuit, sanctissimus amoris publici lenocinator. Doch 
hat auch Ine nicht 58, fondern Feine 40 Jahre geherrſcht, kann aber 

bei ſeiner Abdankung 58 Jahre gezaͤhlt haben. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Sahıh. 261 


gin Athelburge entriß fie ihnen und zerflörte diefelbe, während 
Ine mit den Suͤdſachſen gluͤcklich Fämpfte und. vermuthlich zu: 
gleich weniger glücklich gegen die Walifer, welche unter Ivor 
und anderen Führern die unruhige Stimmung in Weſſer zu 
Zeindſeligkeiten benutzten). Ealdbryht, gleichfalls ein Ätheling, 
an der Spitze der Verſchwornen, floh, -nach der Einnahme 
Tauntons, aus Weſſer und inte in allem Elend der Verban⸗ 
nung in Surrey umher, fand jedoch hernach in Suffer neue. 
Unterſtuͤtzung. Erſt nach mehrern Jahren wurde auch er von 
Ine beſiegt und erſchlagen. | ‚725, 
Bald näch diefen Siegen und nach fi fi ebenundbreiffigiäßriger 
Regierung beſchloß Ine der forgensolen Krone und der Welt 
zu entfagen?). Der Wunſch nach dieſem Schritte kann viel⸗ 726. 
faͤltige Veraulaſſung in der Laſt der Koͤnigswuͤrde ſowie be⸗ 
ſonders in den Unruhen derer gefunden haben, denen Ine be⸗ 
reits zu lange geherrſcht hatte; die Weiſe aber, wie der Ent⸗ 
ſchluß durch die Koͤnigin uchelburg⸗ bei ihrem Gemahle zur 
Meife gebracht wurde, ift zu: harakteriftifch, um deren Erwaͤh⸗ 
nung ganz zu übergehn. Ein großes Feſt wurde auf einer koͤ⸗ 
niglichen Hofftätte mit größter Pracht bereitet. Nachdem ed 
mit aller Lebensluft genoffen war, festen die Töniglichen Ehe: 
‚gatten am folgenden Zage die Reife fort. Sogleich wurde, 
auf das. Geheiß der Königin, das Prunfgemad) von den Land⸗ 
leuten mit Dünger und Unrath befudelt, in das königliche Bett 
eine Sau geworfen. Üthelburge veranlaffte den König, nahe 
dem fie kaum eine Meile von jenem Orte fich entfernt hatten, 
wieder zuruͤckzukehren und zeigte ihm dort den Traum des Le⸗ 
bens, in einer jener derben Verſinnlichungen, wie das Mittel⸗ 
alter jenen ſich in Todtentaͤnzen und aͤhnlichen Darſtellungen 
vorzufuͤhren liebte. Des tief ergriffenen Ine Entſchluß wird 
) Annales Cambriae ad a. 722. Brut y Tywysogion ad a. 721. 
2) Chron. saxon. Florent. und die neueften Schriftfteller nehmen 
bier das Jahr 728 an. Doch Beda V, 7. gibt die obige unbezweifelte 
‚Angabe über ein Ereigniß, welches kurz vor der Beendigung feines Ge: 
ſchichtswerkes fich zugetragen. Auch fteht chron. saxon. im Wiberfpru 
mit feinen eignen Angaben, da nach denfelben Ines Nachfolger ÄAthelheard 
14 Sahre regierte und im 3. 740 geftorben fein fol; nad Appendix ad 
Bedam ftarb er 739. 


262 | 3weite Abtheilyng. 


nunmehr bald ausgefüchrt; er übesgibt die Krone dem Bruder 
feine Frau, dem bisherigen Unterfönig Äthelheard, von dem 
königlichen Stamme Gerdich '), und piügert mit jener nach 
Rom, wo es ihm perftattet war noch einige Jahre is irdiſcher 
Dürftigfeit nach bimmlifchen Schaͤtzen zu ringen‘), . 

Ine hatte noch einen ‚andern, durch die männliche Linie 
ibm nähern Verwandten zurufgelaffen, ben AÄtheling Oswald, 
und demfelhen einen Theil. des Reichs beſtimmt). Der Kampf 
ber beiden Thronbewerber währte mehrere Sabre, bis Oswald 
flarb, und feine Partei, wenngleich ſtark, nah dem Verluſte 

ihres tapfern Anführers ), den Athelheard anzuerkennen ſich be: 
auemte. Xuffere Angriffe machten diefe Vereinigung ſehr noth: 
wendig. Die Siege welche die Briten ſich über Adelrad von 
Weſſer, unter dem Ashelhsarh bezeichnet febeint, zufchreiben, 
fallen freilich, den dabei angegebnen Jahren (720 und 721) zus 
folge, ſchon in bie Regierung Ines und erfcheinen Daher mehr⸗ 
fach ungewiß; Doch konnte ein. Negent vom Weffer weder auf 
Anhaͤnger noch auf Ruhm rechnen, wenn ex nicht einmal Siege 
über die ſtets ſich mehr aufloͤſenden Welſchen erfochten batte, 
Es laͤfſt fich aber nicht bezweifeln, daß bie Briten um dieſe 
Zeit, nach Ines Abdankung, von dem Joche der Angeln ſich 
ſehr befreiten ), und ebenſo wenig, das AÄthelheard dieſes feinem 
Volke zu verantworten hatte. Noch haͤrtex war für dieſen das 
* Übergewicht, welches Mersiens König Athelbald über alle an 
gelſaͤchſiſche Staaten bis zum Humberfluſſe gewann. Dieſer 
nahm ihm ſogar Sumurton (Somerton) im Lande der is 


1) Von Athelburge ſagt Malmesbury: regii generis feming de 
Cerdici prosapia regis oriunda. Florent. ad a. 728, 
| 2) Malmesb. a, a. DO. Die alten Schriftfteller fagen nur, daß 

Ine zu Rom, nicht dag er im Bahre feiner Ankunft flarb. Vielleicht 

beruht der eben gedachte Srrthum in den Jahren 725 u. 728 auf einer 
Verwechslung bes Zahres feiner Abdankung mit dem feines Todes. 
Malmesb. autiquit. Glasten. behauptet, Ine fei ſchon fruͤber einmal 
nad Rom gepilgert. 
8) Beda V, 7. ipso relicto regno et juvenioribas commendato. 
- Die fpätern Schriftſteller ſprechen nur von ber. endlichen Nachfolge des 
ÜÄthelheard. 
‘ 4) Vir strenuissimus. Florent. ad 8. 780. 

5) Nach dem Beugniffe des Blorenz b. 3. 731. 


Bon Mitte des 9. bis Ende des 8. Jahrh. 263 


merſaͤten, da die Belagerten Eeinen Widerſtand zu leiften vere 
mochten und Xthefheard Feine Hülfe bringen konnte ). Er flarh 
nach vierzehnjaͤhriger Regierung, worauf ihm für eine ähnliche 
Reibe von. Jahren fein Schwertmage Cuthred folgte ?). 
CLuthred war gezwungen ‚den größten Theil feiner Zeit in 
Kämpfen mit Äthelheard von Mercien zuzubringen, welche zu 
einem für einen beider Theile günftigen Erfolge führten. Die 
Weichen hatten jedoch durch Die Uneinigkeit der Angelfachien 
fo fehr an Kräften gewonnen, ‚daß beide feindlihe Monarchen - 
ſich vereinigten um jene zu unterdräden. Diefes gelang. ihren 
vereinten zahlreichen Schaaren und der wetteifernden Tapferkeit 
»erfelben fo fehr, daß die Ehre des Sieges den Angelfachfen 
nicht fleeitig gemacht werden Fonnte’). Die Briten vereinten 
ſich darauf, bei neuentflandnem Zwiſte zwifchen Cuthred und 
Üthelbald, mit dem Erſtern, welcher mit ihnen bei Hereforb 
Die Mercier gefchlagen haben fol, Doch zulest fie nicht vor der 
Rache derſelben zu beſchuͤtzen vermochte *). In dieſem Kriege 
fiel der Ätheling Cynric, Cuthreds Sohn, der auögezeichnetfle 
Krieger und Säger, ber im Ungeflüme jugendlihen Muthes 
feine Schaaren zu Anftrengungen und Gefahren führte, welchen 
diefe ſich nicht unterziehn wollten. Sie gaben. daB feltene 
Schaufpiel von Truppen, welche fich gegen den tollkuͤhnen Fuͤh⸗ 
zer empörten und nur. durch die Ermordung deſſelben feinen 
fehonungslofen Befehlen zu entgehn wuflten ). Dee Drud 
Der mercifchen Obergewalt wurbe fo Iäftig, daß Guthreb gegen 
Athelbald und ben bemfelben verbuͤndeten König der Picten, 
Duengud oder Unnuſt, in den Kampf 309%). Doch ein gefähr: 


1) Chron. saxon, ad a. 735. Henr.‚Huntend. 

2) Maeg fagt chron. saxon. — Propinquus Florent. chron. 
genealog. — Cognatus Malmesb. Henr. Huntend. Zeugniffe 
genug gegen Lingard, welcher Euthreb den. Bruder feines Vorgaͤn⸗ 
gers nennt. 

8) Chron. saxon. Florent. ad a. 7438. Henr. Huntend. 
p. 340. Bon biefer Schlacht ſcheint auch Caradoc p. 16 zu ſprechen, 
obgleich ex ſtatt des Cuthred Athelheard nennt. 

4) Caradoc p. 17. 

5) Henr, Huntend. p. 341. Chron, saxon. ad a. 748. 

6) Appendix ad Bedam. Simeon Dunelm. ad a. 750. 


752, 


264 Zweite Abtheilung. 


licher Aufftand drohte bald dem Könige felbft. Der wegen ·ſei⸗ 
ner Tapferkeit viel gepriefene Ealdorman Athelhun ') Iehnte fih 


wider ihn auf und, wenngleich nur durch nicht zahlreiche Schaa⸗ 


ren unterftüßt, widerftand ihm lange. Nur die Verwundung 
des Äthelhun verfchaffte der gerechten Sache den Sieg, welder 
vom Könige gegen die Empörer mit kluger Schonung benukt 
wurde. Diefe belohnte fich nad) zwei Jahren fehr, als Athel⸗ 
huns Tapferkeit den Sieg der Weſtſachſen uͤber den anmaßen⸗ 


den Äthelbald von Mercien bei Burford erfocht und Weſſer 


von allem Drude anderer angelfächfifchen Staaten für immer 


befreite. Seit dem glorreichen Tage bei Burforb befeftigte und 


754. 


erweiterte fich dieſer Staat. fortwährend. und fchritt zu einem 
vollfommenen Supremate über die Staaten der Inſel von, 
welches er behauptete, .-bid nach drei Jahrhunderten die rohe 
Kraft überfeeifcher Feinde ihm gänzlich vernichtete. | 
Schon in dem auf die Demüthigung Merciens folgenden 


Sahre wandte fich Cuthred gegen die Briten, welche feinen 


Widerſtand zu leiften vermochten und auf der Flucht den größs 
ten Verluſt erlitten”). Doc bald. nach allen diefen Erfolgen 
ftarb Cuthred, kinderlos und zu früh um ein Zeuge des ſeinem 
Volke aufkeimenden Gluͤckes zu ſein. 

Ihm folgte fein Verwandter Sigebricht, der Sohn eines 
Unterkoͤnigs Sigeric); zwei Namen deren Klang an die Für 


ften von Effer, welche Cynrics Namen nahe verwandt waren, 


bedeutfam erinnert. Das Glüd feines Vorgängers hatte diefen 
fo fehr verblendet, daß er feine Unterthanen fchmählichft behan- 
delte. Die, Vorſtellungen treuer Rathgeber, die Geſetze und 
das Recht aufrecht zu erhalten, veizten den wilden Tyrannen 
nur noch zu neuen Gewaltthätigkeiten. Bei den fleigenden Be 
fhwerden gegen ihn verfammelten fich die Vomehmen und bie 


1) Chron. saxon. ad a. 750. Audacissimus consul. Henr. 
Huntend, \ 


2) Rah Goffrei Saimar 2. 1803 wurde Euthreb von ben 
Walen gefchlagen; eine Nachricht welche ſelbſt Bromton ihm nicht 
nachſchreibt. 


9 Florent. genealog. Bgl. chron. saxon. ad a. 83. 


— Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 


‚Gemeinen ') zu einem Witena-Gemote und nach ausführlicher 
Erwägung forachen fie einflimmig jenem die Krone von Weffer 
ab, welche einem andern Abkönimling: Cerdics, dem Cynewulf, 
tıbertragen wurde. Nur Hamptonfhire-wurde dem Gigebricht 
selaffen. Doch auch hier muſſte er: lichten, als er den Cum⸗ 
bra, den einflußreidien Beamten: feines ‚Vorgängers ?);,. über 
deſſen weife Rathfchläge erboſt, ermordete. Er’ floh, wie einſt 
Ceadwalla, in. den Andredeswald, doch um ihn nicht ‚wieder 
zu verlaffen; ein treuer Sauhirte des ermordeten Cumbra ent» 
deckte ihn und rächte durch feinen: Speer das vergoffene Blut 
fo vieler Edlen. 

Die lange, einunddreiſſi giährige Regierung des Cynewulf 
iſt auffallend arm an Begebenheiten, deren Andenken ſich uns 
erhalten hat. Es iſt dieſes das in der Geſchichte der Angel: 
fachfen und andern Völker, deren Gefchichte durch Tradition 
und Lied fortgepflanzt wird, leicht erflärbare Geſchick aller Fürs . 
ften, welche aufferhalb der firenggefeßlichen Erbfolge den Thron 
beftiegen und Feine Söhne und Enkel auf demfelben zurüdlieffen. - 
Er focht harte, doch fiegreiche Kämpfe mit den Welfchen, von 
welchen nicht einmal die Namen der Wahlftätten und die Jah⸗ 
reszahlen und überliefert find °); doch hat fich in der fchweig- 
famen Kirche. ein Denkmal der Buße König Cynewulfs über 
die den Cornwalifern zugeflgten Bedruͤckungen erhalten‘). Das 
"Schreiben welches er mit feinen Bifchöfen und Satrapen an 
den Erzbifchof von Mainz, Lullus, richtete, beweift den ausge⸗ 
dehnten Verkehr der Angelfachfen mit der beutfchen Kirche °). 
Eine Schlacht gegen Dffa, den gewaltigen .König der Mercier, 

endete unglüdtich für Weller, welches Benſington (Benfon m 


1) Congregati sunt proceres et populus totius regni. Henr. 
Huntend.. 

2) Consul nobilissimus. Henr. Huntend. Sn einer Urkunde 
Euthreds für Glaſtonbury v. 3. 744 heifft ed: praefectus (irrig prae- 
fati). regis. Gale I, 313. 

8) Wahrfcheinlich gehört hieher: annal. Cambr. ad a. 760 von der 
Schlacht zwifchen Briten und Sachſen bei Hereford. 

4) Urkunde. v. J. 766 für das Kloſter zu Wells, in Dugdale 
monastic. I, 186, . .. , 

5) Epistol. Bonifacii 92, 


266 Zweite Abtheilung. 


Srfordfhire) verlor ').. Eynewulfs Ende war, wenngleich (nit, 
doch gevaltiem. Im einunddreiſſigſten Jahre ſeiner Regie⸗ 
zung?) verbannte er Dom juͤngern Bruder feines Verweſers, Ey 
neheard, welcher fi dem. Gebote zu fügen vorgeb, doch mit 
einigen Gefährten heimlich. den zu Merten (Devonfhire) ver 
ſtohlne Liebe pflegenden König Uberrafchte. Als ber König yer⸗ 
nahm, daß die Burg umringt fei, trat. ex vor Die. Pforte und 
angegriffen, ben Atheling Cyneheard erblidend, verwundete er 
Dielen. Der Monarch wurde fogleich von: den Aufwieglem über 
mältigt und erfchlagen. Die Seinigen : flürzten herbei und er: 
hielten das Anerbieten des Lebens und vieler Belohnungen, 
doch Beides verfchmähend fochten fie, bis .alfe, auffer einem 
jedoch auch ſchon verwundeten Briten, ber :alö Geifel dort wm, 
gefallen waren. Am folgenden: Morgen exfuhren des Koͤnigs 
zuruͤckgebliebne Thane was fich ereignet hatte, unb mit bem 

Ealdorman Oſric und dem Than Wigferth an der Spige eb 
ten fie nah Merton zu ber Leiche ihres Deren. Sie fanden 
die Pforten verfchloffen, welche fie gewaltfam zu flürmen vers 
ſuchten; doch Cyneheard verhieß ihnen Geld und Land nad 
eigner Auswahl, wenn fie ihm die Krone geflatten wollten, 
fie zugleich benachrichtigend, daß ihre Verwandten mit ihm 
wären, die ihn nie verlaffen würden. Doch die getreue Schaar 
erflärte einmütbig, daß Fein Verwandter ihnen theurer fein koͤnne 
als ihe Herr und daß fie nie dem Mörder deſſelben folgen 
winden. Gie erfuchten Darauf ihre Verwandten in Cyneheards 
Gefolge, dieſen jeßt gefund und umverfehrt zu verlaſſen. Doch 
auch diefe. erwieberten, baß fie dieſelbe Auffoderung an die 
geſtellt hätten, welche geflern mit dem Könige waren; fie woll⸗ 
ten fich nicht weniger tapfer zeigen als diefe ’). Darauf wurde 


1) Chron. saxon. ad a, 775. Florent. ad a. 778. 

2) Schon früher findet fi hier eine Werwechstung der XXVI. mit 
ver rigtigen XXXI. Leptere Zahl in ohron. saxon. ad a. 755; jene in 
Florent. ad a. 784, Malmesb. Henr. Huntend. Matth. 
Westmon. Daß Cyneheard Thon gleich vor der Mache des neuen Kö: 
nigs geflohen fei, ift ein Irrthum Lingards. 
| 8) Diefe Stelle de saxon. chron. ad a, 755 tft ſchr entſtellt. 
‚ Üthelweard, welcher die ganze Erzaͤhlung jenem am genaueften nad;- 
bildet, hat Hier einen ganz andern Sinn, weldjer der beiberfeitigen Auf: 


’ 











Bon Mitte des 8. bis Ende ds& 8. Jahrh. 267 


den Thoren gefochten, bis des Koͤnigs Getreue eindrangen 
d ben Ätheling und le feine Anhaͤnger, bis auf Einen, 
yoch.auh verwundeten Pathen bes Caldormans, exſchlugen. 
mewulfs Leiche wurde, gleichwie die her: meiſten chriſtlichen 
mige vom Weſſer, zu Wincheſter belgeſest. die des Lyelingẽ 
Arminſter in Devonſhixjee. 

Der Naͤchſtberechtigte zu dem erledigten Throne wer, noch 
x uns erhalten Kunde des Stammes. Cerdics, ein Urenkel 
3 Koͤnig Ines Bender Ingils, Ealmund, welcher durch eine 
18. unbekanme Verkettung der Schickſale der dortigen Krone 
n dieſe Zeit König von Kent wor. Vermuthlich genuͤgte Dies 
r. Grund den weſtſaͤchſiſehen Wittigſten um demſelben nicht 
zweite Krone zu Übertragen; Beorthric, ein andrer Ber: - 
enhter des koͤniglichen Hauſes, deffen Recht nur durch den 
eiten Ausdruf, baß..er dem Stamme Cerdics angehöre, bes 
ichuet wird, wurde. auf dem Gemote non deu Witan wählt 
ad went. Wolke beſtaͤtigt. Beorthric entſprach dem Vertrauen, 
elches ihn gerufen hatte: er ſicherte die innere Ruhe des Lan⸗ 
3 durch Vertreibung des Egbert, eined Sohnes des eben 
achten Königs Alcmudz gegen Angriffe äufferer Feinde, der 

iwiten oder anderer Angelfahfen, wurde fein Reich ficher bes 
abet. Nicht menig wurde der Friede des Landes durch eine 

# dem maͤchtigen Offa von Mercien eingegangene. Verbin⸗ 

ng befefligt, defien Tochter Cabburge er zur Ehe erhielt. 787. 
«gbert, welcher bisher an Dffas „Hofe Schuß gefunden und. 
offnungen auf den Befis der weftfächfifchen Krone genäht 
te, floh jeßt über die Ser gu den Franken. 

Dafielbe Jahr wurde durch den erſten kuhnen Verſuch 
ormaͤnniſcher Seeraͤuber in Weſſer zu landen merkwuͤrdig. 
ei Schiffe derſelben wagten ſich, vermuthlich laͤngs ber öfl- 
chen Kuͤſte Britanniens, bis zu der uralten Haſenſtadt des 
)urotrigen, Dorcheſter. Der boͤnigliche Gerefe daſelbſt — die 


derung ben Zweck beilegt, eine offene Fehde, im Gegenfag zu dem an. 

r Perſon des Königs verübten Morde, zu erklären. Auf die Erzaͤh. 
ıng bes Goffrei Gaimar Vers 1838 — 1920 ift hier nur deshalb 
inzuweifen, um ben geringen hiftorifchen Gehalt dieſes jest zugänglich 
eworbenen Reimchroniſten, den auch hier Bromton ſchon erkannt 

at, anzudeuten. 


*68 3weite Adbtheilung. 


Aufbewahrung ſeines Namens, Beadward "), zeugt von dem 
tiefen Eindrude, weldjen dieſe Begebenbeit hinterließ — keinen 


800. 
ss nig, welcher an den füblichen Grenzen feines Reichs verweilte, 


andern Argwohn hegend, ald daß jene frembe Kaufleute wi- 
ren, welche die Zollſtaͤtte zu umgehn verſuchten, kam mit we⸗ 
nigen Begleitern herangeritten um ſie zu belehren oder hinzuzu⸗ 
fuͤhren. Er und die Seinigen wurden von den Reubern an⸗ 
gegriſter und erſchlagen. 

Der Einfluß der Gemahlin des Beorthric, einer Tochter 
jener durch die. Ermordung ihres Schwiegerſohnes, des Koͤ⸗ 
nigs der Oſtangeln, Äthelbyrth, berüchtigten Königin Cyne⸗ 


dritha, beſtimmte jenen der ſteigenden Macht Merciens in 


Kent ruhig zuzuſehn. Über die heimiſchen Verhaͤltniſſe erſchlich 
fie ſich durch die Neigung ihres Gemahls die ausgedehnteſte 
Herrſchaft; Ealdormanen, Geiſtliche und: Volk mufften- ihrem 
Eigenwillen und ihren ſchaͤdlichen Grillen folgen. Die welch 
ihr zu gehorchen ſaͤumten, wuſſte ſie durch das einer rohen 
Zeit eigenthuͤmliche, bei den ſtammverwandten Longobarden 


vorzuͤglich häufige Verbrechen der Giftmiſcherei zu entfernen. 


Doch ald Enadburge in ihrem Einflufie auf den König duch 
den, durch hohe Geburt und feltene Liebenswürdigkeit audge _ 
zeichneten, jungen Ealdorman Worr ſich befchränft fand, erw 
griff fie wieder die fichere Todesgabe; aber mit. dem Freunde 
genoß auch der König aus dem unfeligen Becher. Der Kö 


wurde zu Werham beftattet; Eadburge aber, ſich reicher Schäße 


‘ bemächtigend, floh zu der gegenhberliegenden Küfte des Fran- 
kenlandes. Karl der Große nahm die flüchtige Königin, bie 


Tochter feines Verbündeten, ded Königs von Mercien, guͤtig 
auf, ald fie Geſchenke darbringend fich ihm zuerſt nahte. 
„Waͤhlt Euch zum: neuen Gemahle,“ ſoll er zu ihr geſprochen 
haben, „zwiſchen uns Beiden, mir oder meinem Sohne dort 
auf dem Soͤller.“ Übereilend erwiederte das Weib: „wird mir 
die Wahl anheimgeſtellt, ſo erkieſe ich mir Deinen Sohn, denn 
er iſt juͤnger.“ Darauf der Koͤnig lachend: „haͤtteſt Du mich 
erwaͤhlt, ſo wuͤrde ich Dich meinem Sohne verlobt haben jetzt 


aber erhaͤltſt Du von und keinen.“ 


1) Aethelweard 1, TIL. prooem, piorent ad a. 787. 


Bon Mitte des 5. bis Ende des 8. Jahrh. 269 


Karl ließ fie als Abtiffin in ein Klofter ziehn; doch als 
ie biefes und fich felbft durch mit einem ihrer Landsleute nie⸗ 
riger Geburt gepflogne Unzucht befledte, ward fie vertrieben. 
zon einem einzigen Sclaven begleitet, wanderte fie duͤrftig 
ach der Lombardei, wo Verwandte von ihr freilich nicht laͤn⸗ 
er berrfchten, doch noch verweilen konnten; aber in Elend 
nd Schande endete fie ihr Leben, auf den Gaſſen von Pavia 
ettelnd ). 


1) AsserP? vita Aelfredi, aus biefem Simeon Dunelm. ad a. 802. 
\ | | ı on re 





SDritte AbtHeilung. . 
Bon der Bereinigung der angelfächlifchen Staa⸗ 


ten unter den Weſtſachſen bid zur Alleinherrfchaft 
ber, Dänen, \ 


Mes Karl der Große den Gedanken für einen Augenblid 
bei fich haben vorübergehn laffen, durch eine Heirath mit ber 

weftfächfifchen Eadburge fein ungeheures Reich noch über dem 
britifchen Canal hin auszubehnen; er verfolgte denfelben nicht. 
Treue Freunde und nicht übermächtige Verbündete, wie er fie 
in feinen Verhältniffen zu Mercien, Northbumberland und Wef: 
fer gefucht hat, Fonnten ihm gegen die britifchen Voͤlkerſchaf⸗ 
ten und normännifchen Seeräuber nüglicher fein als unwillige 
Unterthanen, welche mit jenen fowie mit den Altfachfen gegen 
ihn gemeinfchaftliche Waffen erheben Fonnten. Er. felbft begab 
fi) damals nach Rom, um die erfehnte Cäfarenfrone von des 
Papſtes geweihten Händen zu erhalten. Er ließ es daher ge: 
fhehn, daß Ecgbert, welcher dreizehn Jahre in ſeinem Reiche, 
vermuthlich in feiner Umgebung zugebradht ') und die Waffen 
fertigkeit ſowie die aͤuſſere Liebenswuͤrdigkeit, welche ſein Volk 
ſeit einem Jahrtauſende eigenthuͤmlich bezeichnet ), fi ſi ch angeeig⸗ 


1) Exulavit 3 annis cum rege Francorum, nobiliter tamen et 
egregie. Henr. Huntend. 1. IV. ähnlih Florent. ad a. 886. 
Die Zahl von drei Jahren, welche auch Lingard nadjichreibt, ohne die 
Quelle zu nennen, ift ein Irrthum für dreizehn. Palgrapve überfah 
diefe Stelle, wenn er (II, 238) behauptet, daß nur Wilhelm von 
Malmesbury über bie frühern Iahre Ecgberts berichte. 


2) Est enim gens illa (sc. Francorum) et exescitatione virium 


\ 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 271 


net hatte,: ben Einladungen feiner Sreunde folgend,: des ihm. 


zugefallnen- Thrones fi) bemaͤchtigte. Ein Sieg der Seinigen 


bezeichnete den Tag ſeiner Kroͤnung. Eine merciſche Schaar, 
Hwiccen unter. dem Ealdorman AÄthelmund, waren bei Cyne⸗ 


maͤresfurth über die. Themſe gegangen. Weertan, der Ealdor: 


man der Wilfäten, ritt ihnen entgegen, und fcharf wurde ge: 


fochten. Beider Heere Führer. fielen; doch die Siegesbotſchaft 
wurde dem jungen Koͤnige :zugejsuchzet. 
Die erfte That Ecgberts: fol gewefen fein, in einer Bandes: 


-verfammlung zu Windyefter, mit Beiflimmung des gefammten 


Volkes, der Infel Britannien den Namen England beizule 


- 


gen‘). Schon feit längerer Zeit hatte das. Übergewicht ber 


nördlichen Reiche den Namen des Stammes der Angeln zu dem 


vorherrſchenden Gefammtnamen unter der germanifchen Bevoͤl⸗ 


ferung ‚der Infel felbft gemacht?); und fogar. wenn beide 
Hauptfiänime in dem Namen des Angelfachien zufammenge: 
nannt bezeichnet. werden,. wird jener vorangeftellt?).  Selbft 
wenn von. Einwohnern des. fächfifchen Reichs ausſchließlich vie 


:Rede war, „wurde biefen. fchon der-Name Engliſcmen, ‚wie in 
den Geſetzen des Weſtſachſen Ine), -beigelegt.. . Wenn nım 


auch Gaelen und Briten fortfuhren ihren Nachbarn den Nas 
men der Sachfen zu geben, unter welchem biefe ihnen zuerft bes 


Sannt a wurden, fo konnte doch dem Auslande. diefer Name, 


der ‚zu:: Vermeidölungen mit den  Altfachfen Anlaß gab, 
welche damald durch die Kriege. mit. Karl dem Großen und 
ihre endlich erfolgte Belehrung zum Chriftenthume, der. Kirche, 


dem Staate: und dem allgeminen Verkehre wichtig ‚geworben 


et comitate morum canctarım oceidentalium facile princeps, Guil. 
Malmesb. L II. c. 1. 
1) A..D. DCCC Egbertns rex: totius Britenniae® in parliamento 
apud Wintoniam mutavit nomen regni de consensu populi sui et jus- . 
sit illad de caetero vocari Angliam. Historia fundationis hospit. S. 
Leonardi,: Monasticon Anglican. Vol, VI. p. 608. Zgl. Caradocp.2%6. 
2) Beda hist. Anglor. ecdlesiast. praefatio. Bonifacii epistol, 
$) Der Sefammtname Angli Saxones findet fich zuerſt bei Pau⸗ 
Warnefrid de gestis Longobardor, 1. VI. c. 16. Cedoaldus rex 
Aunglorum Saxonum; alfo vor Set, | 5 u 
» Inae leg. 24. 


— 


22. Dritte Abtheiluns. u 


‚waren, nur unbequem werben, während ber Pame’bet, auf 


dem Feftlande faſt verkhollenen Angeln jenes Inſelvolk deutlich 
‚und nicht ungefchichtlich begeichnete. :&ollte alfo der Intel von 


feiner Hauptbevoͤllerung ein entſprechender Name gegeben. wer - 


P 23 


den, fo war ‘der von den Angeln bergenonmmene gewiß der 
paſſendſte. Nicht fpricht jedoch ‚mehr für die obige Nachricht, 
rals daB ſich der Name Anglia vor Ecgbert micht-nachweilen 


laͤſſt, wohl aber bald nach ſeiner Zeit‘). Doch ift: did Veran: 
laffung dazu um fo dumkler, da Fein damaliger koͤniglicher Zis 
tel das Land, ſondern jeder den Volksſtamm der Untertha⸗ 
nen?) begrichnete. ‚Man pflegt auch gewoͤhnlich dieſe Machricht 
ganz zu verwerfen, weil fie dahin gedeutet wird, als habe Ecg⸗ 
:bert feinem. Koͤnigreiche Weſſer fein der Namen England 
beigelegt, sine:wungh: Ecgbetts und ſpaͤtere Urkunden leicht wi 
derlegte Meinungt Es iſt offenbar bloß ‚von bet gnzen Ins 
ſel die Kede, welche indeffen me durch eine poliniſche Bezie⸗ 


bung vereinigt iur, den Bretwalge.. Die Abſchaffung dieſes 


Titels, der von jetzt an nicht mehr" vorkommt, ſcheint Gegbert 
bewirkt und: 'baflr den des Beherrſchers von Englaud ein⸗ 
geführt ‚zu: haben. Die Veranlaſſing zu dieſen mit. weſentli⸗ 
hen Intereffen. ober Rechten. ber Angeiſachſen keineswegb ver: 
knuͤpften und Daher von ben aͤltern Chroniſten —— 
Beſchluſſe mag duch Karl den: Großen ‚gegeben ſein;, der 

foeben- feine Hertichaft uͤber die Briten im: Frankenlande, auf 


‚welche der Zitel des Bretwalda mit gebrutst werben 


befeftigt hatte, dem Kaiſertitel annahm und eiferfüdhtig Al⸗ 


les zu entfernen ſuchte, was auch nur durch eine: smigefuchte 


N Der Name "Anglia ift mie zuerft vorgekommen in ber in Ecg⸗ 
berts Gegenwart ausgeſtelllen Urkunde bes Königs Wiglaf von Mercia 
vom 3. 833 d. St. Augustini bei Ingulph: coram pohtificibus et 


proceribus maioribus totius Angliae. Bei Savile p. 85%. Bei Schrift: 


ftellern bemerkte ich ihn zuerſt in annal. xänten. ad a. 780, deren aͤlte⸗ 
ſter Theil im J. 852 redigirt iſt. Terra Anglorum bei Beda. L V. 
o. 21. fol nicht den Namen des Landes andeuten, und wird daher auch 
von Älfred überfegt: of Angol theode. - 


2). Rex. Anglorum nennt-fih auch Offa von: geereien in einer Ur⸗ 
kunde regni sui anno 38 (795); in den erident.. eccles. cantuar. bei 
Twysden 2219 zum Sahre 790 > gelegt. 


Bon Anfang des.9.: bis Anfang. des 11. Jahrh. 273 


Zweideutigkeit ſeine Ober: feine Radfolge, echte zu gefaͤhr⸗ 
den fhien. : ‘ 
.. Die erften Degienmgsja Eegberts verfloſſen in gluͤckli⸗ 
cher Ruhe, welche er zur Befeſtigung feiner Herrſchaft trefflich 
nutzte. Selbſt die Briten ſcheinen einen Zeitraum von zwan⸗ 
zig Jahren hindurch vor und im Anfange von Ecgberts Regie: 
zung, durch die Schidfale ihrer Stammgenpffen: jarfeit bes 
. Meered gewarnt, dem Kriegöfpiele mit den Sachſen entfagt. zu 
haben. Nicht ohne Beziehung zu dem Aufftande ber. Armori⸗ 
caner im: J. 809 gegen den: bamald in Sachfen. abweſenden 
Kaiſer Karl ereignete es ſich — mag nun ein allgemeiner Auf: 
fand. ber; Briten diefjeit. nd. jenfeit des Meeres gegen die ger: 
maniſchen unterdruͤcker erregt ſein, oder Ecgbert die Altbriten 
von einer Huͤlfeleiſtung an die Bretons abgelenkt Haben — daß 
ſeit jenem Jahre fich eine: Reihe von Fehden mit Cornwales) 
und den uͤbrigen Waliſern entſpann, welche fin Echbert und 
ſeine Krieger augenblicklicher Ruhm und bie Ichrteichfte Vor⸗ 
ſchule fuͤr groͤßere Kaͤmpfe wurden. Sowie Karl, deſſen neuer⸗ 
baute Flotte zu Boulogne die Verbindung ver gemeinſchaftlichen 
Feinde abſchnitt, fiegte auch Ecgbert. Cormwales wurde mit 


Weſſexr vereint; die übrigen Suͤbbriten erklaͤrten ſich &cgbert zins⸗ 


bar. Mit greßer Strenge wurde das widerſpenſtige: Waliſer⸗ 
land mit Feuer und: Schwert verheert, ſelbſt der Biſchofsfitz zu 
St. Davids in Aſche gelegt”). Doch blieben: die Bande der 
“unterjöchten Provinzen fehr locker; fon Im 9823 fochten 
pie Cormwalen. mit ben Deonfäten eine große. Schlacht ‚bei 
Gavolfordꝰ), und fo wenig verbreiteten ſich die: Angelfachfen 
über den Zamarfluß hinaus, daß dieſer noch viele Jahrhun⸗ 
derte hindurch eine der mertwürbigfien Sprach⸗ und Voͤlker⸗ 
Scheiden Europas geblieben iſt. | 


1) Guil, Malmesb. 1 1. ed Matth, Westnion. nd, 809, 

2) Malmesb. l.1. Florent. Wigorn. Ehron. saxon. ad a. 
818. Matth. Westmon. ad a. 810, 811. Oaradoc p. 21. Über 
die carolingifchen Briten ſ. Säuberts Daru I, 56. Einhardi 
annales ad a. 811. | 

8) Aethelweard. Florent, Caradoc p.'25. Die Dena des 
chren: saxon. ed. Ingram an dieſer Gtelle rm eine faiſche Brot t für 
Defna oder Defena. . en 

Bappenberg‘ 8 Geſchichte AEnglands I, 48 


) 


7 -". ‚Dritte Abtheilung..: BE 


Eccgbert hatte bereits beinahe. das Viertel eines Jahrhun⸗ 
derts auf dem Throne zugebracht; im Weſten war. fein Reich 
‚gegen den: gedemüthigten Erbfeind völlig gefichertz fein mäds 
tiger Freund war irbifcher Giemeinfchaft bereits entrüdt, um, 
im Spiegel der Erinnerung und’ Geſchichte klarer aufgefafl 


- ein unerreichted Vorbild kommenden Herrfchern entgegen 


flrahlen: als ex befonnen und fühn , den Zeitpunct ergrif, 
in welchem die Kräfte des bis dahin vorberrfchenden Merciens 


: von der Anarchie des Emporkoͤmmlings Beornwulf und feinen 


"823, 


Geſippe zereiffen wurden, um: die angemaßte Herrſchaft Diele 
Landes Uber die. fämmtlichen übrigen füdlichen angelfaͤchſiſchen 


- Staaten zu zerflören. Ein König der Oftangeln,. defien No 


me unbefannt ift wie ber feiner: Vorgänger fett dem ermor 
deten Äthelbert, bot den Vorwand zu einem Kriege über bie 


. Herrfchaft Englands dar, ald er mit feinen Wittigften zum 


Könige Ergbert kam, um bei diefem Schutz und Hülfe gegen 
den Übermuth Merciend nachzuſuchen und zu bitten, daß a 


‚binführo fie .befriebe und ihr Mundbord ſei. Der Anfang 
dieſes Kriegs fchien jedoch gegen Ecgbert ſich zu wenden, da 
die Mercher bis zu den Wilfäten vordrangen; aber der bluti 


Tag bei -Ellendune'), wenn er gleich das Leben Hund, de 
Ealdormand der Sumerfäten?) und vidler anderr Zapfen 


foderte, entſchied flie: den fächfifchen Drachen. Der Siege 


verfolgte jetzt raſch lang genährte Pläne. Die ſuͤdlichen Staas 
ten waren durch. die Könige von Mercien der längft begruͤn⸗ 
deten Oberherrichaft von WWefler und den jene Staaten ver 


‚waltenden mediaten Königen aus .dem:weftfächfifchen Fürftenhaufe 
entzogen’). Als folche haben wir in Kent ben Bater. Ecgbertö 


1) Praelium, unde dicitur: Ellendune rivus cruore rubuit, ruina 
restitit, foetore tabuit. Henr. Huntend. L IV. Eiledune i. e. 
mons Kallae, Florent. ad .a. 823, Ein anderes Lied auf bie 
Schlacht bei Ellendune, welches ben Beornwulf ſelbſt dort fallen laͤſſt, 


rn Robert de Brunne an: 


-  Elendoune, Elendoune, , the lond .is fulle rede 
. Of the blode of Bernewolf, ther be toke his dede. 


.. 9 Asthelweard. 1. III, c.-2. 


35) Chron. saxon. Florent. ad a. 823. Malmesb. Henr, 
Huntend. Ingrams Überfegung, welche hier von Balbreds Ber 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 275 


Almamb und Eadbert Prem geſehen. Rhmliche Werbäftniffe 


now Suſſex find noch aͤlter; fi Eſſex haben wir oben einen 


Unterfönig Sigebert aus Cynrick Stamm vielleicht errathen. 


Arsch: das Suthe⸗Rige (Surxen) wird unter ben ehemaligen 


weßkfächfiichen Apanagen jest genannt, Ecgbert ſandte feinen 
Sohn Rihelwulf webit feinem kriegeriſchen Biſchofe von Shire⸗ 


horn, Ealſthan, und dem Ealdorman Wulfheard nach Kent, 
we fie den Koͤnig Boaldred norxdwaͤrts über bie Themſe yertüe⸗ 
bes, Die ſaͤmmtlichen genannten Staaten unterwarfen ſich 
Dem Könige yon Weſſer, welcher den Kentern feinen Sohn 
Atbhelwulf zum Könige ſetzte. Kent fowie Die übrigen Beinen 


Reiche warden von jetzt am nicht entfernten Verwandten von 


Den Seitenlinien, fonhen den aͤlteſten Söhnen des Stamm 
hauptes verliehen. Die Anſoruͤche Merciens auf die Oſtangeln 
ſchienen begründeten aber. leichter. aufrecht zu erhalten, Nach⸗ 


dem bie. Unruhen auf der Synode zu Clovesho beſchwichtigt 


waren, wo zwei Ealdorwanen, Burhelm und Muca, erſchlagen 
wurden, griff Beomwulf die Oſtangeln nach einigen Jahren 
wiedor au, fiel aber in dem Treffen, ſowie auch bald dar⸗ 
auf mis funf ſeiner früheren Gefährten und Ealdormanen 


825. 


Beoommulfs Annerwankter und Nachfolger Lubera’). Die 


Mereier. ziefen. Ist einmüthig. ben Verwandten bes rechtmaͤßi⸗ 
gen Herrſcheihauiſes, ben Herzog hen Hwiceas, Wiglaf?), auf 


wandten ſpricht, iſt unbegreiſlich. Doch ſtimme ih Ingram a. a. 9, 


darin bei, daß bei Florenz a. a. O. ſtatt Orientales Angli zu leſen 
iſt: Orientales Saxones, _ 


1) Veornwulfs Tod wirb im chron. saxon. und Floren z fhon 


b. 3. 823 angegeben, was mit den dortigen undhronologifchen Angaben 
über das Concilium zu Elovesho b. 3. 8223 ftatt 824 zufammenbängt. 
@. Concilia I, 175. 6. Dafelbft wirb au Bynna, ein Bruder des 
Königs, genannt, der biefem nicht auf ben Thron folgte. 


2). Palgrave nennt Wiglaf einen Verwandten Bed Lubera, wo⸗ 
für ich keinen Beleg anführen aın. Aus Ingulphs Darftellung geht 
dagegen ſchon hervor, baß biefer ihn als rechtmaͤßigen König betrachtet. 
Wiglaf felbft in einer Urkunde v. 3. 833, welche Ingulph einfchaltet, 
nennt Edeldritha cognata mes. Auch war fein Sohn Wigmund mit 
einer -Zochter des Königs Ceolwulf, Alfishe, verheirathet. Wlarent. 
geneal. Daſelbſt Heifft feine Gemahlin Kenedrithe, bei Jugulph 

| 18* 


U 
276 Deitte Abtheiluns. 


den bedraͤngten Thron, der aber, von Eegbert in die Flucht 
gefchlagen, denfelben ganz verlaffen muffte und nur durch den 
Schuß, welchen feine Verwandte, bie heil. Edeldrithe, Koͤnig 
Offas Tochter, ihm in ihrem Kloſter verlieh, ſein Leben vor 
den Nachforſchungen der Krieger Ecgberts rettete. Ecgbert 
drang über den Humber vor, wo bie Northumbrier unter dem 
Könige Eanred, zeitige Unterwerfung rathſam erachtend, ihm 
friedlich bei Dore entgegenfamen, die Verheiffungen bed 
Friedens und Zributes durch Geifeln befräftigten und froh und 
friedlich gefinnt von einander ſchieden ). Ecgbert war jetzt 
als Herrſcher von ganz England, welches im Norden ſich wei⸗ 
ter als nach dem jetzigen Begriffe ausdehnte, anerkannt, 
und konnte ſich mit mehr Recht als irgend einer ber ſieben 
Könige, welchen vor ihm der Titel Bretwalda zuerkannt war, 
denfelben geben und ebenfo, da bie Briten der. Vernichtung 
geweiht fehienen, deren Namen dem der Angeln aufopfern. 
Wiglaf erhielt jetzt Mercien unter einem Tribute von Ecgberts 
Gnade wieder, den König der Weſtſachſen als feinen Lehns⸗ 
bern anerkennend ). Der. widerfpenftige Koͤnig von Eſſer, 
Swithräd, wurde befriegt und vertrieben; das Reich der Oſt⸗ 
- fachfen hörte für immer auf zu fein und wurde ein Theil des 
Meiches des weftfächfifhen Kronprinzen. Ecgberts Siegeszug 
richtete fich gegen die Walifer, welche einen erfolgreichen Wi⸗ 
derſtand entgegenfeßen Eonnten. Er verheerte das Land bis 
zu Snowdons Höhen, drang nach Denbighfhire ein, wo die 
Befisnahme der Herrfchaft Rhyvoniac durch die Sachen ) be 


Gelfribas jene Könnte alfo bie herrichfüchtige Tochter Ceonwulfs gewe⸗ 
fen fein. | 

1) Nur Matthäus von Weftminfter, im Wiberfpruch mit 
allen Altern Quellen, fpricht hier von Karten Verhetrungen in Nort⸗ 
humbrien. 

2) Url. v. 3.883 bei Ingulph: per dominum meum Ecgbertum 
regem Westsaxoniae et Athelwulphum filium eius illud obtinui cpn- 
firmari — In praesentia dominorum meorum Kcgberti — «et Athel- 
wulphi. — - 
| .8) Annales Cambriae ad a. 816; | vgl. 818, 822 über die Erobes 

rung von Powis burch die Sachſen und Bruty Tywzeogion ad a, 816, 
818, 822. Sol. chron. saxon. ad a, 823, 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 277 


ſonders bemerkt wird, und drang, da aufferbem bie Eroberung 
von. Wales nie vollendet. war, in dad alte: Mona '), welches 
jest das. Volt erblickte, deſſen Name das heil. Eiland ber. 
Briten jebt trägt (Angles: ey). Nur die Könige von Cumber⸗ 
land und Strathelyde waren nicht in Ecgbertd Reich begriffen, 
welche Unabhängigkeit fie der friedlichen Stellung. verbankten, 
in welcher. fie-zu ihren mächtigen Nachbaren zu verharren ver⸗ 
ſtanden. 

Die neue Herrſchaft Ecgberts trug einen von dem ‚alten . 
Bretwaldathume wefentlich verfchiedenen Charakter, wenn fie 
gleich in ihren Grundſaͤtzen zunaͤchſt auf daſſelbe ſich füßte 
und bie. Veränderung vom Wahlkaifer zum Oberlehnsherrn 
durch frühere Vorgänge vorbereitet war. Jene Eleinen, für den 
Zweck der Eroberung begründeten Staatenconglomerate mufften, 
duch innere Bebürfniffe und Einrichtungen noch nicht ver: 
knuͤpft, aufhören, fowie das Schwert roſtete und. die Ausficht 
auf Beute den Muth des. rohen Kriegerd nicht ſtets neu be⸗ 
lebte; der Einfluß der Kirche Eonnte wohl ein folched Feldla⸗ 
ger allmälig auflöfen, aber nicht in eine Eräftige Schirmherr: 
ſchaft der Religion, des Friedens und der auffeimenden Indus 
ſtrie verwandeln. Auch verloren jene Staaten Nichtd gegen den 
‚Gewinn der Centralifation der Gewalt; felbft die alten Eöniglichen 
Sefchlechter von Wodand Namen waren erlofchen. Adel_und 
Volk blieben im Übrigen in ihren alten Rechten und National 
verfaffungen. Doch forgte hier, wie die Gefchichte ſo haufig 
gelehrt hat, der natürliche Gang der Dinge fo gut für bie 
- Menfchen, als fie bei aller Einficht und Vorausficht der kom⸗ 
menden Begebenheiten es nur hätten lenken koͤnnen. Während 
Fehdeſucht und Anarchie nur dazu. zu dienen fchienen, alle uͤbri⸗ 
gen Staaten dem-Eräftigften und unverborbenften derfelben un: 
terzuordnnen, wurde durch die Vereinigung aller Kräfte zugleich 
die Möglichkeit gegeben, das Reich der Angelfachfen gegen bie 
ſtets gefährlicher und bald unmwiberflehlich werdenden Einfälle der. 
Dänen und Normannen zu fehüsen ober doch die Vertreibung 


1) Caradoc p. 24. Die Chronologie Caradocs iſt gar ver: 
worren; er fest jenen Feldzug ums Jahr 826 und body in. die Zeit bes 
im 3. 819 verftorbenen Geonwulf von Mercia, deſſen Kriege gegen bie 
Demeten die annal. Cambriae ad a. 818 wirklich erweifen. 


832, 


\ 


278 Dritte Abtheilung. 


derſelben moͤglich zu machen und die Grundzuͤge bed Share: 
ters und der Verfaſſung bes engliſchen Volks jo zu befrftigen, 
daß fie nach einem Jahrtauſende ſich nicht nur erhalten, ſon⸗ 
dern alb ein Hauptelement des Charakters und des groͤßten 
Theils der alten und der neuen Welt wiederfinden, 

Wenige Jahre nur hatte Ecgbert feines ausgebehnten Here 
haft fich erfreuet, als ibm Botfchaft wurde, daß bänifche 


Seeräuber auf der Infel Shepey gelandet feien und dert ge 


vauibt hätten. Im folgenden Jahre landete eine. Flotte von 
35 Piratenichiffen zu Yarmouth in Dorfetfhire, wo Erxabiit 


ſelbſt den Raͤubern entgegenrücte, doch mit großem Vetluſte 
von den rauden Söhnen des Nordens aufs Haupt gefchlagen 


wurde. Ecgbert veranflaltete fogleih eine Verſammlung dei 
Praͤlaten und Großen feined Reichs zu London. Wir erbliden 
unter diefen, in einer dort ausgeſtellten Urkunde '), neben dem 


Könige Withlaf auch den Erzbiſchof von York, ſowle die ofls 


835. 


anglifchen Bifchöfe, doch Nicht deren Könige, deren Abgeotb⸗ 
nete fie vielleicht waren. Die Dänen ſaͤumten nit ihre Lan 
dung bald zu wiederholen, vermuthlich durch bie Briten som 
Cornwales veranlafit, welche fich mit ihnen vereinigten und des 
gen Ecgbert ind Feld ruͤckten, welther jest beffer geruͤſtet bie 
Feinde bei Hengeftdune ?) vernichtet. Die Vermeſſenheit ver 
Wealen follte jedoch noch mit härterer Strafe gebuͤßt werden. 
Ecgbert nahm Cheſter, die Haupiſtadt von Gwynedh ( Caer 
Lheon ae Ohyfrdwy). Unter andern Demuͤthigungen, welche 
er den Einwohnern auferlegte, war die Berflörung des ehet⸗ 
nen Standbildes ihres ehemaligen Königs Cadwalhon, mit 
dem Verbote baffelbe je wiederherzuftellen, Allen Wealen nd 
Nachkommen derfelben gebot er feine Reiche innerhalb ſechs 


„Monaten bei Todesſtrafe zu verlaſſen; eine Maßregel ſchwaͤch⸗ 


licher Politik, welche jene furchtbarer erſcheinen laͤſſt, als fie 
es wirklich zu einer Zeit fein Eonnten, mo die Eultur ber Am- 
gelfathfen die walififche Nationalität leichter unſchaͤdlich hätte 
machen. koͤnnen als ihre Waffen fie vernichten. Die Walifer 


4 


1) Som Könige Withlaf für das Kloſter Groyland. 833 am Lage 
St. Auguftini. ©. Insulph. 


2) Mons Hengisti. Florent. ad a. 885. 


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\ 


'. Bon Anfang des 0. bis.Anfang bes 11. Jahrh. 279 


fehrieben- diefen: —— dem alten Haſſe m, weichen Red⸗ 
butge; Eegberts Gemahlin, gegen ihren Stamm trug 9. 
Dieſe That iſt die letzte uns dekannte der gilicklichen Regierung 
ba welcher im fölgenden Jahre fein tahmuiles Leben 836. 
beſchlo 
Eeccgbett hat ein angelfächfifches Reich beelribet, wie > 
“an Umfang und an Kraft früher nie beflanden hatte und wel- 
ches durch Einheit und größere ‚innere Ruhe bie geiſtige Aus⸗ 
bildung und Entwickelung der Landes und Gerichts⸗Verfaſ⸗ 
ſungen weſentlich foͤrberte. Seine Thaten waren die Saat, 
aus der bie goldenen Fruͤchte entſproſſen, welche ſeine Nach⸗ 
folger zeitigten und deren Erinnerung die Nachwelt mit dem 
großen Namen Alfreds zu verknüpfen ſich gewoͤhnt hat. Dcch 
ſelten wird ein hohes Ziel etreicht, ohne daß gleichzeitig ſchon 
der Keim des Verderbens keck an dem überragenden Lebens⸗ 
baum ruͤttelt. Jene Soͤhne des Elends und der Barbarei, die 
Dänen oder Normannen, welche ſeit einem halben Jahrhun⸗ 
dert bie einzelnen angelfächfifihen Staaten wiederholt Hutch ver⸗ 
einzelte Einfälle heimgefucht hatten, begannen jetzt bie ganze 
Aufmerkfomteit und die volle Kraft der Geſammtſtaaten in 
* zu nehmen und endigten in der Vernichtung der an⸗ 
gelfächfifchen Herrſchaft und dem Auftritt des notmanniſchen 
Namens, Die Gefthichte des naͤchſten Nachfolgers Ecgberts iſt 
faft mr ein Kampf mit den Normannen, und ber neue Volks⸗ 
ſtamm welchet England betrat, erheiſcht ſchon jetzt einige naͤ⸗ 
here Betrachtung. 
Das Dunkel welches die Herkunft jener furchtbaren Naͤu⸗ 
berhorden deckt, die Ungewißheit der Veranlaſſung zu ihren 
Auswanderungen und Niederlaſſungen von Island bis Gieilien, 
von Apulien bis Irland, die Anzahl, vielleicht nicht Three 
Schaaren, aber ihrer Thaten auf dem weiten Schauplabe bei: 
nahe unferes ganzen Welttheiled, von welchen jede an det See 
oder großen Strömen belegene Stadt mit ihren Muͤnſtern und 
Kirchen bis zu dem Beinflen Dörfern des Binnenlandes ein 
ſchauervolles Andenken bewahrte, diefe ‘und ähnliche ne 
bafte biftorifche Wohrnehmungen erregen unfere Aufmerkſambkei 


1) Caradoc p. 97. 





280 | Dritte Abtheilung. 


nicht minder als die Herrlichkeit und Schönheit, in welchen 
fpätere Zeiten die Normannen ald die Urbilder heibnifcher Ne 
turkraft, ald die Anorbner fortwirtender Einrichtungen und Se 
ſetzgebungen, als die Schöpfer und Pfleger einer neuen poeti⸗ 
fyen Eultur, als die Vorbilder eines fiegreichen mit Märtyrer 
und mit weltlichen Kronen belohnten Glaubens, kurz als ben 
Prototup jener chriſtlich⸗ europaͤiſchen Bildungsſtufe, welche mit 
dem Namen des Ritterthbumd belegt werben. kann, gepriefen 
; wenngleich dieſes Lob mit eben der Willkuͤr ertheilt ifl, 

mit welcher die Natur auf dem Grabe des Räuberd der Wuͤſte 
‚wie auf dem bed tugendhaften Patriarchen den Schmud ihrer 
Blumen beroorfpriefien fit. 

Der Name der Normannen, welchen zuerſt der Geograph 
von Ravenna uns nennt, deutet urſpruͤnglich nicht auf ein be⸗ 
ſtimmtes Land, ſondern bezeichnet nur bie nördliche Lage Den 
Landes zu den chriftlichen Staaten und. namentlich zu 
Franken. Die Angelfachfen waren gewohnt norbilche —* 
Dänen zu benennen‘). Der Zeitgenoſſe Ecgberts, der Franke 
Eginhard, begriff Dänen und Schweden unter jenem Namen ’); 
Ergberts Enkel, König Alfred, welcher die Anführer der Nor 
mannen felbft gefprochen hatte, fchliefft jedoch fchon Die Schwes 
den von dieſer Bezeichnung aus’). Die Heimat der Norman 
‚nen lediglich auf Norwegen zu befchränten, ift ein Irrthum 
der Sefchichtforfcher, welche überfehn haben, daß ber Landes: 
name Norwegen erfi im elften Sahrhunderte entflanben u 9 


1) So chron. saxon. Doch Asser. vita Aelfredi ſagt (en pa- 
gani; Normanni sive Dani. 

2) Vita Caroli c. 18 et 15. Adam Brem. 1.1. c. 13. u. c. 2%. 
fhreibt dem Eg in hard nach, während er Gap. 238. aus ber Kunde 
feiner 3eit, bes elften Sahrhunderts ‚ fpriät. 

5) Älfreds Germania in Dahlmanns Forſchungen S. 421. 

4) Adam Bremens. c. 238. Nordmannia — a modernis did- 
tur Norwegia. Rad) ihm hat Orderic. Vital. eecles. histor. 1, IV. 
(p. 541. B. bei Duchesne script. rer. normann.) Norregavia, 
doch nicht als ſynonym mit Dacia, wie Depping II, 257 anzunehmen 
ſcheint, deffen Abhandlung von Namen und Baterlande der Rormannen 
das Zeitalter ber oft neuem Gchriftftellee nicht genug fondert. Das 
ganze rühmlichft bekannte Werf: Histoire des expeditions maritimes 


r Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 281 


und im ammittelbare Beziehung. zu den Normannen, berem 
Name durch die Nieberlaffung in, ver franzöfifchen Normandie 
eine: engere Stammbebentung ‚erhalten bat, --gefegt wurde. 
Wohl aber gingen aus  diefem Kuͤſtenlande, ber unerſchoͤpflichen 
Wiege kuͤhner Seeleute, Maͤnner hervor, welche gleich denen 
der daͤniſchen Inſeln und des juͤtiſchen Cherſones die engliſchen 
und ſchottiſchen Inſeln, Orcaden und Hebriden, ſowie Irland 
angriffen. Die Piraten, welche im I. 787 in Weſſexr gelan⸗ 
Det waren, werden Normanmen aus Derethaland ‚genannt, wor⸗ 
“unter wahrſcheinlich das durch feine Seekoͤnige in ben: Sagen 
bekannte . Härdeland. in Norwegen ') zu verflehen iſt, von 
wo fpäter die ungebeugten. Entdeder Jolands hervorgegan⸗ 
gen ſind. | 
Die Deranlaffung zu ben Auswanderungen der Normannen 
darf nicht zunaͤchſt in eigenthuͤmlichen Sitten derſelben geſucht 
werden. Die Armuth jener Nordlaͤnder, wo auch in den 
ſonnenreichen Monaten der Druck der Felſen und ihrer zahl⸗ 
loſen Bruchſtuͤcke, welche jedem Felde den Anſchein des Kampf⸗ 
platzes einer geſtrigen Titanenſchlacht geben, weder Saat noch 
Vieh gedeihen laſſen, und das Misverhältniß der Bevölkerung 
waren dem rohen Zeitgenoffen vor einem SIahrtaufende fo hins 
derlich als dem fcharffichtigen . Grübler über die Überbevoͤlke⸗ 
zung unferd Jahrhunderts ?).: Die Abhülfe war in jenen 
Tagen, wo ed nur Völker, nicht feßhafte Staaten gab, leicht 
gegeben, und wir erbliden, auch. nach den Ende der. vorzugs⸗ 
weife fogenannten Völkerwanderung und. nad) dem Sturze des 
weftrömifchen Reichs, ein‘ fortwährendes Auöftrömen Beute 


des Normans et de leur etablissement en France. 2 T. Paris 1826, - 
enthält auch Manches über die Landungen der Normannen in England. 
Meine Recenfion biefes Werkes in der hallifchen Lit.-Beitung v. J. 1832 
habe ich in diefem Werke an einigen Stellen benugt. ’ 

. 1) Theodoricus de regibus Noryegiae apuıd Langebek 
script. rer. danic. T. V. p. 315. In ber Schlacht am Haferfjork 
(ums Sahr 885) blieb Eirike, König.von Hördaland. Snorro Stur⸗ 
Lefon Haralds Saga ens Harfagra Cap. 19. Ein anderer König diefes 
Landes, Halfe, kommt früher vor. Gibſons Vermuthung, welche 
Ingram in feine Überfegung aufgenommen hat, ift nicht einmal ſprach⸗ 
ich zu rechtfertigen: the Northmen from the land of robbers. 

2) ©. Others Reifebericht und Malthus essay on population. 


282... .-. ' Dritte Übtheilung.' 


und Heltmat. ſuchender Norblaͤnder auf. der Nord⸗ und ODſt⸗See. 
Als Britannien im ſethsten Jahrhundert keine große Schaan 
Einwanderer mehr zuließ, machten in andern Landſtrichen bie 
Longobarben Raum, welches dem’ Vorbringen entfernterer 
Stämme im Norden mittelbar nutzte. Won bem größten Ein- 
fing auf jene Völker waren aber Karld des Großen Erxobenti- 
gen in ODeutſchlanb und die Grenze, welche er durch -biefelbeh 
und die Einfühtung des Chriftenthums Ihrem Vorbringen feste. 
Es kam nicht als zufaͤllig angeſehn werben, daB wenige 
Dahre nachdem Wittekind die heil. Taufe empfangen Hatte, Die 
erſten Normaͤnner in England geſehn wurben, fowie baß fie 
mit der Befefligung der fraͤnkiſchen Herrfchaft in ſtets vermehr⸗ 
ten Schaaren hinüberfchifften. | . 
Die Weiſe in welcher bie Auswanderer, oder nach altem 
Aucbrucke die Elenden), verfuhren, wär dieſelbe in welcher 
die germaniſchen Recken mit ihren Gefährten ihte Gefolgſchaf⸗ 
ten ordneten. Gewöhnlich etblicken wit, wenn ImB die Namen 
bee Heerflihret genannt werben, zwei ober drei berfelben an 
ber Spitze vieler Gefolgſchaften, welche für beſtimmte Zwecke 
auf kurze Zeit ſich vereinten ). So werden wir Inguar und 
Ubba, Oſkytel und Guthrun, Bjorn und Aſten zu ihten Zuͤgen 
bruͤderlich vereint finden. So wenig wie hierin, brachten die 
Normaͤnner überhaupt neue Einrichtungen und einflußteihe 
Richtungen nad England. Wenn fie in bem Herzogthume, . 
welches ihnen in Frankreich zufiel,. in kurzer Beit bie bortige 
Sprache annahmen, bie ihrige zum größten Theile vergaßen, 
wenn ſir dort, wo fie Über ein großes Land frei und unum: 
ſchraͤnkt heirfchten, kein Nechtöinftitut, Teine Sitte, einen 
Brauch, welcher ihnen als eigenthümlich zuzufchreiben wäre, 
einführten: fo iſt diefes in England um fo weniger zu erwars 
ten, welches feit Sahrhunderten von Sachſen nicht nur, fon: 
dern auch den Nachbaren der Nornrannen, ben Angeln und 
; Bhten, bewohnt war. Daß diefe die altvaͤterliche Sprache 
und Sitte keineswegs verlieffen, fondern nur ausbilbeten, 


1) Philipps deutfche Gefchichte Ih. I. 328. | 

2) So Prudent. Trecens. ad a. 850. Horicus — assumptis 
Normannorum exercitu etc. Hincmar. Rhemens. ad a. 851 — 
eorum societate innguntur — se secundum sodalitates suas dividunt. 


N 


27 


Von Anfang des 9; bis Anfang des 11. Jahrh. 283 


mag zu. den Antrieben gehört haben, welche bie Dänen und 
übrigen Normaͤnner veranlaſſten Englands Küften aufzuſuchen, 
wo fie ſich ſpaͤter vorzuͤglich in den von den Angeln bevoͤlkerten 
Ländern niederlieffen. Wenn dieſe Bemerkung einiges Licht auf 
den Erfolg wirft, welchen die Dänen an den Oſtkuͤſten von 
Mittelengland fanden, ſo erfchwert fie dennoch fehr die Aus: 
mittelung deffen, was Neues burch fie dort. gefliftet, was 
Dauerndes von ihnen dort binterlaffen fein mag Während 


vie Gefchichte der Dänen oder Normannen in England noch 


ger Teinen geimblichen Bearbeiter gefunden, hat man ſchon 
ihrer Einwirkung. auf englifche Sprache und Inſtitutionen zu 
Wieles zugefchrieben, Wenn wir auch unbedenklich bei letzteren 

in ben meiften Fällen Verwechslung der Normannen mit den . 
ſpaͤtern aus Frankreich gekommenen Nordmannen, ober viel⸗ 
leicht richtiger den Franzoſen aus der Normandie, erkennen: 
ſo kann hierzu nicht der Einfluß gehoͤren, welchen die Daͤnen 
auf die Sprache der noͤrdlichen Haͤlfte Englands geaͤuſſert ha⸗ 
ben füllen und welcher, wenn er fich begründen lieffe, auch zu 
sinigen fetnern Folgerungen berechtigen. würde, Alle Unterfu 
chung uͤber die. Gefchichte der englifhen Sprache führt uns 
uber biB jest auf den Mangel an Materialien, gefchweige an 
Reſultaten über die unbezwelfelte Werfchiedenheit der Sprache 
in den ſaͤchſiſchen und anglifchen Staaten Britanniens zuruͤck 
Wo die Grammatiker den wichtigen Streit kaum begormmen has 
ben, laͤfſt fich daher fuͤr jest nur nach allgemeinen Wahrneh⸗ 
mungen urtheilen, und dieſe ſprechen gegen die, welche das uns 
vetſtaͤndlich gewordene Heimiſcht den fremden Seeraͤubern has 
ben zuſchreiben wollen. Dieſe Wahrnehmungen find, daß der 
Einfluß der Nordmannen in England tur als ein hemmender 
und als Ruͤckſchritt zu betrachten ift, daß dieſe aber ben vor= 
handenen Einrichtungen des Staats, ' welche ihnen in ben 
Grundzügen vertraut waren, ſowie der ihnen neuen Kirche fich 
anſchloſſen. Berner hat ſtets die Feder Über das Schwert, das 
Dlivengeſtruͤppe fiber den Lorbeer, die geiftige Cultur über bie 
rohe Gewalt geflegt, die Schtiftſprache fiegt ſtets uͤber die un- 
gefchriebene, und felbft die Heimat der Normannen hat feine 
Buchſtabenſchrift erft den Angelfachfen nachgezeichnet. Nehmen 
wir alſo die Infeln und Xheile Britanniend aus, welche nicht 


284 Dritte Abtheilung. 


fruͤher von Angelſachſen bewohnt waren, ſo erkennen wir in 
der Sprache nirgends weſentliche Beſtandtheile, welche nicht 
altſaͤchfiſch oder angliſch find, und glauben in den ſich ſpaͤter 
zeigenden Dialektsabweichungen nur die in den noͤrdlichen Pro⸗ 
vinzen durch die Daͤnen negativ gefoͤrderte Verharrung der al⸗ 
ten Sprache und die geringere Vermiſchung mit dee norman 
nifch=franzöfifchen Sprache zu erkennen. Worzüglich glauben 
wir dieſes von dem nörblichften Theile Northumbriens behaup: - 
ten zu muͤſſen, ben jesigen fchottifchen Flachlanden, wo bie 
Entflebung der dortigen Sprache einigen in. unbeflimmbaren 
Puncten der Vergangenheit entftandenen ſcandinaviſchen — noch 
lieber mit dem umbeftimmteren Namen gothifch belegten — Ein 
flüffen zugefchrieben wird; jener Sprache, welche die: Gaelen 
noch jegt die ber Saffenagh nennen und aus welcher noch jetzt 
aus Allen Ramfays und Robert Burns Liedern dem‘ Deutfchen 
die traulichen Tächfifchen Klänge entgegenlächein. | 

Dieſelbe Schwierigkeit, wie die Ähnlichkeit der angelſaͤch⸗ 
fifchen und dänifhen Sprache, bietet fich ruͤckſichtlich der in 
England aufgenommenen und auögebilbeten Sagenwelt dar. Im 
diefe muß Einzelned durch die neueren Normannen, was den 
anglifchen Anfieblern Englands neu war, gebracht, Vieles aber 
wieder aufgewedt fein, was das Chriftenthum und die uͤbrige 
römifche Bildung aus der Erinnerung der Söhne Wodans ver 
drängt hatten.: Bei diefen Sagen bleibt indeffen den Forfchern 
noch bie fehwierige Aufgabe, näher zu beflimmen, was von dem 
fpäteren Sagenbeflande im Norden, welcher mit dem der An 
gelfachfen Übereinftimmungen barbietet, von ven letzteren aus 
der feandinavifchen Dichtkunft entlehnt if. Wir erinnern bier 
“nur an die befannte Übereinftimmung in den Stammtafeln ber 
Könige fowie an die. Sagen vom Könige. Offe. 

Über einige andere Spuren, wirkliche oder vermeinte, der 
Sitten und Einrichtungen des Daͤnenvolkes wird fpäter gele: 
gentlich die Rede fein. Bemerken wir hier nur noch, was in 

der Gefchichte des Staats, der die Meere dereinft zu beherr⸗ 
ſchen beftimmt war, nicht ganz übergangen werden darf, daß 
England Kunde des Schiffbaues und der Schifffahrt vom Feinde 
gelernt haben mag. Doc dürfen wir diefen Vortheil, falls 
er fich nachweifen lieſſe, nicht überfchägen. Die Gefchichte der 


Bon Anfang-des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 285° 


folgenden Jahrhunderte beweift nicht, daß England früh Schiff⸗ 
fahrt und’ berfeeifchen Handel trieb. Alle Nachrichten über 
Die Schiffe der Normannen und: felbft aufgefundene: Truͤmmer 
derfelben beweifen auch, daß biefe: fehr Elein. waren und auf 
keine überlegene Kunft deuten. . Eine Räuberfchaar -gebrauchte 
“ deren zumellen 300-400; die kleinſten Zlüffe wurden mit 
ihnen befahren, und fand ſich eine ſeichte Furth oder fehlte das 
Waſſer aus den Quellen, fo fprang die Mannfchaft. and Ufer, 
die Schifflein wurden aus dem: Strome herausgenommen und 
auf den: Schultern der Ruderer weiter getragen. Der Umſtand, 
daß die meiſten das Schiffsweſen betreffenden Ausdruͤcke in ber 

englifchen mit: der. nordifchen Sprache übereinflimmen, darf 
bier, wo die Sachfen ſchon als kuͤhne Segler befannt waren, 
nicht angeführt werden, um fo ‚weniger, da dieſelbe Bemerkung 
auch bei füdlichen Sprachen, am überrafchendften ‚bei der ſpa⸗ 
niſchen ſich durchführen laͤſſt, und alfo nur xin allgemeiner 
und dlterer Einfluß des germanifchen Volkes auf. die Schiffs 
fahrtöfumde erſi chtlich itt. 

Je geringer aber der thaͤtige Einfluß war, welchen die 
Normannen auf England ausuͤbten, deſto groͤßer iſt der hem⸗ 
mende geweſen. Ihre nordiſche Eiskruſte umzog die Geſittung 
und Bildung eines Landes, in welchem manche Elemente ver⸗ 
eint und entfaltet waren, um als das eigenthuͤmlichſte und be⸗ 
deutendſte das germaniſche hervorzuheben. 

Der geiſtige Eindruck welchen die Normannen den Eng⸗ 
laͤndern einpraͤgten, war Furcht, Betaͤubung, dumpfer 
Schrecken. Die Grauſamkeit von welcher die Raubzuͤge der 
Heiden in England begleitet waren, überfteigt jede Befchreibung, 
und von allen Unfällen welche das oft heimgefuchte England 
betroffen haben, erklären die Alteren Gefchichtfchreiber die Plage 
der Dänen für den fchredlichften ). Selbft die Siege über die⸗ 

) Henr. Huntend. 1. V. prooem. Plaga per Danos facta 
longe immanior, ionge crudelior ceteris fuit. Dani terram undique 
creberrime, diutissime insilientes et assilientes eam non obtinere, sed 
praedari studebant et omnia destruere, non dominari cupiebant. Qui 
si quandoque vincerentur, nihil proficiebant victores, cum alibi clas- 
sis et exefcitus maior insurgeret ... domos combusserunt, res aspor- 
tabant, pueros sursum jactatos lancearım acumine Io susceperunt, conin- 
ges vi oppresserunt etc. . 


286 0. Deitte Abtheilung. 


ſelben gewährten wenig Freube, da ſchwer erxkfauft fin nur hie 
Gegend des hamaligen Landungsplatzes der Dänen ſicherten, 
während. andere Raͤuber unterdeſſen mit mehr‘ Sicherheit an 
anderen: Ufern- landeten, und ſo die große Kuͤſtenflaͤche, in 
welcher Englanb in nachfeigenden Tagen durch jenes - hölzerne 
Bollwerk feiner Flotte die beſte Schutzwehr unh Die Mög 
lichkeit des vielfeitigften Verkehrs gefunden Bat, demals deſſen 
groͤßte Laſt wurde. 

So dunkel bie Wanderungen und Ahentenn her ner 
manniſchen Wikingen uns find, fo ergibt die Betrachtung ib 
Züge gegen England dach einige die Überſicht derſelben fahr 
erleichternde Reſultate. Zunaͤchſt die Auſicht, fie als Folge der 
Siege Karls des Großen im noͤrdlichen Deutſchland zu ‚hetyashe 
tm; ferner ‚die. Bemerkung, daß :ziele Züge nie in großer 
Schwaͤrmen, : Harichreden ‚gleich, uͤher England heuhrgten, 
ſondern daß ſie allmdlig er bedeutender wurden, - In ber 
von und bereits gefihilberten Zeit. und ſelbſt noch in: der äh 
folgenden bemerken wir große Pauſen, in melden. von bes 
Rormannen nicht die Mebe iſt, unb- einige ber erſtin Überfäle 
geſchahen mit fa geringen Kraͤften und zumelen: mit ſa geuin- 
gem Erfolge, daß nur ber zufällige Verluſt eines Edlen ader 
Baeamten und dad ſpaͤter von jenen bem ganzen, Lande gabrachte 
Unhell jenen Anfängen des Übel. in Geſaͤngen und Chroniker 
Bedeutfamkeit verfchaffte. Die Angriffe der Normannen wer 
ren anfänglich weniger gegen. Englanb gerichtet, ſandern mehr 
auf die dortigen Infeln und die gegenüberliegenden Küflen van 
Flandern und Holland, fowie Irland, ma fie verfchichene fehle 
Niederlafjungen erlangten, qus welchen ihre Maubzüge untee 
nommen wurden. Kleine Infeln an ben Münbungen großer 
Stroͤme wurden vorzugsweiſe non Ihnen geſucht, wo ſie bie 
Kauffahrer leicht erſpaͤhen, ihnen wegelagern und die Beute 
in Sicherheit: bringen konnten. Sn finden wir. fie an den 
Miündungen der Schelde, des Seine, der Loire, der Themſe. 
Die geringe Schifffahrtöfunde jener Zeit, welche nieht durch 
Muth und Kechkheit allein erfegt werben fonnte, geftattete nicht 
daß die meilten jener Seefahrten Direct Yon den norbifchen 
Reichen her gemacht wurden, fondern zwang damals, wie wir 
ed noch von fpätern Jahrhunderten wiffen, vie Beinen Schiffe 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang des.11. Jahrh. 287 


bie Küftenfahrt ſtets vorzuziehn und, wie ed hernach ber Kauf⸗ 
mann nannte, Winterlager und Nieberlaffungen zu: Diefem 
Zwecke zu fuchen, Diefen Gefichtöpunet ind Auge fafiend, daß 
jene Angriffe ‚der Normannen gewoͤhnlich vom nahgelegnen 
Stanbpuncte aus auf England gerichtet wurden, wird e& viel 
leicht möglich fein, wenn bie Gefchichte aller Nordſeeinſeln 
und Küften. fowie der im atlantifchen Meere wefllih von Eng» 
land ergründet wird, bereinft im. den. Raubjagden und. Einfäls 
len der Normannen mehr Bufammenhang und Planmaͤßigkeit | 
zu finden, als bisher gefchehen if. Wir werden auch in Ge⸗ 
maͤßheit diefer Anficht übee die: Angriffe des Normannen auf 
die oͤſtlichen Ufer Englands einiges unverboffte Licht den 
fraͤnkiſchen Annaliſten entlehnen koͤnnen; wie überhaupt es ſich 
zeigt, daß an dieſer Kuͤſte deutlichere Geſtalten und bekannta 
Namen auftreten. Bon der Kuͤſte von Waſſex dagegen ver⸗ 
nehmen wir felten mehr als bie. Jahl der feinklishen Schiffe, 
wenngleich zu erwarten ſteht, daß dieſelben meiſteys aus den 
bekannten Niederlaſſungen der Noxmannen in Dublin. md am 
‚ der Weſtkuͤſte Irlands, hier Oſtmannen gegannt, und ihrem 
Inſelreich auf den ‚Hebriben und Ortaden heruͤberſchifften. 
Wonn wir einigen Legenden und beſanders der älteren 
daͤniſchen Koͤnigsſage trauen duͤrften, ſo ſind die Daͤnen ſchon 
ſehr fruͤh, vor den von uns oben angegebenen Landungen, in 
Dorcheſter im 3. 787 und in Lindisfarneo acht Jahre ſpaͤter 
haͤufig eingefallen. Die glaubwuͤrdigſten engliſchen Quellen ge⸗ 
ben jene Jahre als die an, in welchen England die Daͤnen 
zuerſt ſah, und es if durch alles vorhin Angefuͤhrte fehr glaub⸗ 
wirdig, daß erſt in der letztgedachten Beit die Einfälle der. 
Normannen häufig und fehr gefährlich wurden. Beruͤckſichti⸗ 
gungöwerther find hier einige abweichende Nachrichten, welche 
fi) bei englifchen Chroniften finden). Die auffallenbfle der⸗ 
felben fpricht von dem Angriffe auf das Klofter Lindisfame 
ums Jahr 687, welcher fchon früh den Scaldingen oder Nors 
mannen zugefeprieben iftz doch haben wir jebe Urfache zu glaus 
ben, daß bie damaligen nördlichen Feinde die Picten gewefen 


1) Die Landungen der Dänen unter Offa von Mercin, von benen 
ſein fabelreicher Biograph berichtet, koͤnnen ſowohl uf bie v. 3. 787 
als die v. 3. 795 bezogen werben. | 


288 . Dritte Abtheilung.. - 


find ), welche, wie oben erwähnt, nach König Ecgfrids Tode 
die. Northumbrier wieder demuͤthigten und zuruͤckdraͤngten. 
Diefelben nördlichen Feinde mögen ed geweſen fein, welche 
Durch ihre Verheerungen Northbumbriens den Ticta, welcher im 


J. 754 Abt zu Slaftonbury wär, veranlafft hatten aus je - 


nem ande zu fliehn). Eine Landung in Thanet, welche im 
3. 753 flattgefunden haben foll, hat mehr Aufmerkſamkeit 


erregt, doch möchte ſie auf einer Verwechfelung mit der um 


ein Jahrhundert fpäter auf derfelben Inſel vorgefallenen ber 
ruhn ?), ‘wenngleich früher Heine Landungen ber Seeräuber 
und Beutiruhigung der Meerfahrt erwiefen find, welche: jeboch 

die Aufmerbfamteit der Fuͤrſten noch nicht auf ſich gezogen 


hatten”). Daß nad dem Sahre 795 die Einfälle ber Nor 


mannen fich vermehrten, wenn auch die Chroniken, welche und 
diefelben.. berichteten, verloren gegangen find,: oder auch kein 


Mönch. fie verzeichnete, ift nicht- zu ‚bezweifeln. Die Hart⸗ 


nädigkeit der. Treffen in den Jahren 832 und 833 "geftattet 
fchon nicht länger ‚den damals Iandenden Normannen lediglich 
die Abficht des Seeraubes und ber. Küftenplünderung zuzu⸗ 
fchreiben, fondern Iäfft vielmehr den Plan einer: feften Nieder 
laſſung vorausſeten, um von dort aus zu Waſſer oder u 


9» Bedae vita 8, Cuthberti” c. 40. ſagt bloß: Ecælesiam illan 
tentationis aura percussit. In der metriſchen vita c. 37: 
_ Insistens Aquilo niveis confisus in armis 
Hinc atque hinc adeo Lindisfarnen perosis 
Tecta quatit flabris. | 
Simeon Dunelm. p. 69 erzählt darauf von dem Einfalle. der Ecal: 
dingen, welche aud York zerftörten. 5 
2) Vita 8. Patricii ap. Alford annal, eccl. anglo-saxon. T. I. 


8) Lingard I, 172 erwähnt berfelben und überficht die beffer 
beglaubigte v. 3. 787. Jene Iahrzahl beruht aber nur auf der neueren 
ehronol. eccl. august. cantuar. Aus bdiefer Angabe ift wahrfcheinlich 
die ähnliche in der Legende der Gt. Mildrede in W. Thorns Chronik 
Gap. XXIV. gefloſſen. 

4) Bregowini epist.ad Lullum (in Bonifacii epist. Nr. 103): 
crebris infestationibus improborum hominum in provinciis Anglorum 
seu Galliae regiones. Nunc vero pace ac tuitione nobis a principi- 
bus indubitanter undique promissa —. £ullus flarb 7865 und Bregowin 
kann ber Erzbifchof von Ganterbury v. 3. 759— 768 gewefen fein. 


— 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 289 


Lande, durch Krieges⸗ oder durch Friedens⸗Gewerbe die Noth⸗ 
durft des Lebens zu friſten, oder auch dem Übermuthe roher 
Naturkraͤfte zum Hohne geſelliger Ordnung nachzugeben. 
Dieſe Vorausſetzung wird ſehr beſtaͤrkt, da bald darauf ein 
großes Heer der Daͤnen im Buͤndniß mit den Weſtbriten Koͤ⸗ 
nig Ecgbryht angriff, welcher jedoch die Verbuͤndeten bei Hen⸗ 
giſtdun vernichtete. Eine ſolche Vereinigung zwiſchen zwei der 
Abſtammung und Sprache nach ſo ſehr verſchiednen Nationen 
ſetzt ein ſchon fruͤher beſtandenes Verhaͤltniß voraus und leitet auf 
die Vermuthung daß dieſe Daͤnen zu denjenigen gehoͤrten, welche 
ſich bereits in Irland oder den Hebriden niedergelaſſen hatten. 
Nur durch eine ſolche wenngleich auffallende Vereinigung ſcheint 
es erklaͤrlich, daß fuͤr geraume Zeit, bis zum Ende des neun⸗ 
ten Jahrhunderts, keine feindliche Landungen der Daͤnen an 
den altbritiſchen Kuͤſten berichtet werben, welche gegen die Hor⸗ 
den der Normannen fchwerlich weder durch alte Befeftigung 
noch durch bie Armuth des Gebirgvolks geſchuͤtzt werden konnten. 
Üpnliche Buͤndniſſe gingen auch die Briten in Frankreich ‚mit 
ben Dinen zu Raubzůgen gegen die Franken ein I 


Athelwulf. 


| Unter, Ecgberts Nachfolger, Üthelwulf, feinem Sohne, 
ſetzten bie Normannen ihre Angriffe auf dieſelben Gegenden 


kn gegen die en welche auf der Snfel Portland fich feſt⸗ 
zufegen fuchten, anfänglich mit täufchendem Glüde focht, doch 
zuletzt die Wahlftatt und das Leben verlor”). Die Schaaren des: 
deindes hatten ſo ſehr zugenommen, daß ſie ganz England 
wie mit einem Netze umſpannten. 

Inn Lindeſſe, Oſtanglien, Kent wurden viele Einwohner | 
von jenem .erfchlagen. Im folgenden Jahre drang er bis zu 839. 
den Städten London, Canterbury und Rocheſter vor, welche 


1) Hincmar. Rhemens. annal. ad a. 866, 
2). Chron. saxon.-ad a. 837. Daß Äthelmulf ſelbſt damals gegen 


die Daͤnen kaͤmplte, wie tingard erzählt, beruht nicht auf den aͤltern 
Quellen. 


Lappenberg' 8 oahide Englands 1. 19 


851. 


0 . Dritte Abtheilung. 


Rthelwulfs Sohn oder Bruder, Äthelſtan, dem jener die vom 
ihm ſelbſt bisher vegierten Reiche Übertragen hatte, nicht zu 
vertheidigen wuffte. Athelwulf felbft wurde im nächften Jahre 
bei Charmouth, wie dort früher fein Vater, von ber Heiden, 
welche in 35 Schiffen oder, nach anderm Ausdrucke, mit einem 
Schiffſsheere gelommen waren, befiegt. Eine andere Schaar 
von Dänen überfiel nad emigen Jahren Northumbrien, wel: 
ches feit Ecgbertö Tode wieder vom Thronfolgezwiſten zerriſſen 
wurde. Äthelred, der Sohn von Ecgberis Freunde Eanred, 
war vertrieben und Rebwulf hatte fi) der Regierung bemaͤch⸗ 
tigt. Er ging mit ſeinem Feldherrn Alfred dem Feinde ent 
gegen, welcher Beide bei Alretheslein erfihlug, wodurch Athel⸗ 
red dad Meich wieder erhielt). Glüdlicher waren nach einem 
Jahre Kthelwulfs Eriegerifcher Biſchef Ealchfian und Ealdor⸗ 
man Ofrie mit den Dorſaͤten gegen die Dänen, welche im 
Bande der Sumerfäten, da wo ber Parretfiuß in ben Canal 
von Briſtol fich ergieflt, gelandet waren. Das Blutbad war 
groß, wie ed nur in einer Schlacht gewefen fein Tann, welde 
erft am dritten Tags entfchieden wurbe‘). Nach ſechs Jahren 
wurde bei .Wicganbeorg in Devonfhire von Georl, dem Cal 
dorman von Domnonia, ein ähnlicher Sieg erfochten. König 


Athelſtan von Kent mit dem Ealdorman Ealhere wagte zum 


erften Male fie zur See anzugreifen und nahm bei Sands 
wich neun ihrer Schiffe. Schon hatte eine Schaar Norman 
nen auf der Juſel Shepey, an bee Mündung ber Themſe, 
fefien Fuß gefafit ) und uͤberwinterte dort in England zum 
erfien Mate. Gleich darauf zeigte fich eine viel größere Fotte 
der Normannen ald England bisher geſehn hatte, von zehn⸗ 
mal 35 Segeln *), welche biöher die flärkfle normannifche Flotte 
1) Matth. Westmon. ad a. 844. 
2) Chron. saxon. ad a. 845. Von einer Landung der Rormannen 


bei den Angelfachfen, weiche jene nad) einer breitägigen Schlacht beſieg⸗ 


ten, im 3. 544, f Prudent Trecenes, annel, und daraus chren. 
de gestis Normannor, 

8) Asseri vita Aelfredi. Wenn chron. saxon. ad a. 851 daſſelbe 
von Thanet ſagt, fo muͤſſen wir einem Fehler in einer alten Handſchrift 
vermuthen, da bie befte Iateinifche Redaction der Sachſenchronik, nas 
mentlich Florenz, hier auch Shepey lieſt. Gthelseh hat jedoch Thanet. 

4) Feorth half hund ift angelfächfifcher wie beutſcher Sprachoe⸗ 


R 


/ 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 294 


an Englands Küfen geweſen. Der Feind eroberte Canterbury 
und London, fchlug den König der Mercier Beorthwulf, erlitt 
jedoch endlich durch König Athelwulf und Seinen Sohn Athel⸗ 
ſtan, bei Ockley in Surrey, die größte Niederlage. Diefe 
Fiotte war ein Theil von der des Rorik, Enkels des aͤltern und 
Bruders des jüngern Heriold, welcher Lestere im J. 826 ger 
tauft, vom Frankenkoͤnige Ludwig dem Frommen mit Ruſtrin⸗ 
gien belehnt war, worin nad) feinem im I. 852 erfolgten 
Rode jener Rorik folgte). Diefe Belehnungen bezwedten bie 
Abkaufung einzelner gefürchteter Normannenführer und die Abe 
wehrung der Landäleute derfelben durch jene Politit, welde 
die Mömer einfl gegen die Deutſchen quögelbt zund welcher hie 
Angelfachfen bald folgtenz Doch alle immer mit demſelben un⸗ 
weshofften Erfolge, da der ſtarke Feind weber durch bad ges 
Selig übernommene Lehnsverhältniß, nad weniger durch das 
gemeinſame Band des Chriſtenthums zur Anerkennung bes 
Friedens unter den chriſtlichen Staaten ſich hewogen fuͤhlte. 
Die zehlloſen Schaaren ber nachſtroͤmenden Landsleute fanden 
vielmehr in dieſen dert wohnenden die zuverlaͤſſigſſen und kun⸗ 
digſten Anführer und dieſe ſtets neue Huͤlfe in neuen Ankoͤmm⸗ 
Ungen. Dieſe Unerſchoͤpflichkeit feiner Feinde empfand auch 
England, als im folgenden Jahre nach der ebengedachten Nie⸗ 
derlage dieſe wieder landeten, bie Koͤnige von Kent und Sur: 
u folgen und ein Binterloge ef ber Infe) Bi be 


brauch. Daß dieſe Zahl nur als eine rhetoriſche oder poetiſche anzu⸗ 
ſehn, iſt wohl nicht zu bezweifeln. Alles dieſes findet ſich jedoch auch 
bei Aſſer. 


1) Ich verdanke jene fchäghere Nachricht dem Prudent. Tre- 
sens. ad a, 850. Roric nepos Herioldi — assumptis Normannarum 
erxexcitibus, cum multitudise navium Fresian — devastat — vetero- 
zum vero pars Britanniam insulam Anglosque impetenten, ‚ab eie 
auxilio Demini nostri Jesu Christi superaatur. Den Bruder. bes jüns 
gern Heriold nennt ihn Rudolf. Fuldensis ad a, 850. Es ſcheint 
durchaus irrig, zu dem ewigen Geſpenſte der: norbifsken Meſchicht⸗ 
ſchreiber, das auch Turner bier ſucht, die Zuflucht gu nehmen. Der 
Rormanne Reginperi, welcher um biefe Beit bei der Belagerung von 
Paris und ben fpätern Feldzuͤgen gefucht wird, war im 3. 845 5 geſtor⸗ 
ben. ®@. amnal. zantena. h. a. 


19 * 


292 Dritte Abtheilung: 
haupteten ). In den nächflen Jahren fehweigen bie englifchen 
Jahrbuͤcher von den Dänen, und wir kehren darum hier zu den 
inneren Verhältniffen der Angelfachien zurüd. 

Üthelwulf hatte, beim Antritte feiner Regierung in Weſ⸗ 
fer, fein bisheriges Koͤnigthum im Süͤdoſten Englands wie 
derum feinem aͤlteſten Sohne Äthelſtan?) übertragen. Ey 
bert hatte einft dem weifen Prefbyter der Kirche zu Wincheſter, 
Swithun, bie Erziehung feines Sohnes Athelſtan übertragen, 
einem viel erprobten Manne, der in weltlichen Sefchäften durch 
Rath und That dem Könige gedient hatte; AÄthelmulf war, 


- vielleicht um ihn der Eiferfucht Brithrics zu entziehn, für 


+ 816. 


die Kirche erzogen und hatte bereit den Grad des Subdia⸗ 
conus erhalten; doch die Erhebung feines Vaters zum Throne, 
vieleicht das Abfterben eines aͤltern Sohnes deſſelben, de 
Athelſtan geheiffen haben mag, veranlafite fchon den Papft 
Leo III. den einzigen jungen Sproß aus Cerdics Stamme 


‚von ben geiftlihen Gelübden zu entbinden ). Geine Faͤhigkei⸗ 


ten follen nicht bedeutend, Liebe zum Frieden ımd zur Ruhe 
feine vorherrfchende Neigung geweſen fein, welche die kloͤſter⸗ 
liche Erziehung nur befördert haben Tann. Wenn Ecgbert 
‘mit Karl dem Großen verglichen wird, fo Tann alfo die Ver 
gleichung auf die Söhne beider Monarchen ausgebehnt werben. 
Doc wuflte er fich in dem Regimente Englands und an fer 
‚ner Seite gebiegene und treffliche Rathgeber zu erhalten, unter 
denen Ealchſtan, der Bifchof von Sherburn, bereitd früher mit 


ihm in Kent gefochten hatte. Schon in ven. erften Regie 


1) Chron. saxon, ad a. 854. 

2) &o findet ſich die Verwanbtfchaft bei Aſſer in ber vita Ael- 
fredi und Florent. Wigorn. Kjusd. annal. Malmesb. Ethel- 
‚ward III, 3. IV, 2. Chron. saxon. ad’a. 836. Cotton Ms. ber 


‘chron. saxon. Henr. Huntend, Chron. Mailros,. Matth. West- 


mon. geben Äthelftan für den zweiten Sohn Ecgberts aus. 
8) Diefe Rachricht bes Malmesb. de pontificib. 1. II. Rud- 


borne historia maj. winton. 1. ITI. c. 1. #ft zu fehr von Lingarb 


Hezweifelt. Es verfteht fih, daß Äthelwulf die Dispenfation erhielt ehe 
ee König von Kent wurde, nicht nach Ecgberts ode, zu welcher letz⸗ 
ten Angabe Wilhelm von Malmesbury vielleicht nur durch feine 
Sucht, eine platonifhe Sentenz anzubringen, verleitet if. Nach Hear. 
Huntend. war Athelwulf Biſchof zu Winchefter,. als fein Vater ſtarb. 


\ 


* 


Von Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 293 


rungsjahre trieb ihn feine Froͤmmigkeit zu einer Romfahrt 
und zu andern Verfuchen ‚ durch religioͤſe Ermahnungen, felbft 
an den fraͤnkiſchen König, bem Elende der Welt abzubelfen. 
Kaifer Ludwig erhielt eine Gefandtfchaft von dem Könige ber 839, 
Angeln um Beides zu bewirken '); doch die Damals beabſich⸗ 
tigte koͤnigliche Pilgerſchaft fcheint Durch .die Kriege mit den 
Normannen verhindert zu ſein. Die Geſchichte ſeiner Regie⸗ 
rung beſteht waͤhrend der erſten ſechzehn Jahre nur in den 
ſchon berichteten Kaͤmpfen mit den Daͤnen. Darauf nahm ihn 
die Bedraͤngniß des Koͤnigs von Mercia, Beohred, in Anſpruch, 
welcher, ſeinem Bruder Beortulf in der Regierung folgend, 
gleich dieſem von den Waliſen, damals unter Roderic Mawr 
oder dem Großen, ſehr beunruhigt wurde. Der Feldzug gegen 
die Briten, welcher zwiſchen Mercia und dem Weſtmeere (ſo 
nannten die Angelſachſen die iriſche See und den Canal, wo⸗ 
von noch Weſtmoreland ſeinen Namen traͤgt) wohnten, wurde 
mit gewohntem Gluͤcke, doch nur zum Erfolge augenblicklicher 
Demuͤthigung gefuͤhrt. Beohred erhielt nach deſſen Beendi⸗ 
gung nicht nur die Herrſchaft uͤber die Beſiegten, welche den 
alten Tribut zu zahlen wieder begannen ?), ſondern auch die 
Hand von Äthelwulfs Tochter Athelſwitha, und auf einem 
großen Feſte zu Chippenham wurde der koͤnigliche Bund ein 
gefegnet. - 
- Mit Osburghe, der Tochter ſeines Schenken Dflac, aus 
dem Haufe Gerdich, von Withgar und Stuff, den Eroberern 
ber Infel Wight, abflammend, hatte Athelwulf auffer der 
ebengenamnten Tochter fünf Söhne erzeugt, den mehrgedach⸗ 
ten König Äthelſtan, Üthelbald, Äthelbert, Äthelred und den 
zur Zeit jener Hochgezite fuͤnfjaͤhrigen Alfred, Diefer Knabe 
war beflimmt fchon in jenem zarten Alter die Role zu begin- 
nen, welche fein ereignißvolles Leben zum anziehenpften Ab⸗ 
ſchnitte in ber Geſchichte der Angelſachſen gemacht hat. Zu⸗ 
gleich ſehn wir feinen Vater Äthelwulf mit dem Feſtlande und 


1) Prudent! Trecens. ad a. ‚839. 

2) Caradoc p. 35. Im 3.876 bei Theilung des Neiches unter 
Roderics Söhnen blieb die Entrichtung des Tributs bei Aberfram, dem 
Lande des Alteften Sohnes. Die beiden andern Länder, Powis und 
Dinefowr, wurden jenem untergeordnet. 


855. 


294. Deitte Abtheilung. 


Rom in eine Beihe von Verbindungen treten, in weichen wir 
nicht lediglich die Wirkung einer moͤnchiſchen Erziehung, few 

dern eine großartige, die Stellung Englands zum om 
Europa erhebende Staatsklugheit erfennen müflen. Die He 
ligung, welche Karl der Große feiner Herrfchaft mittels der 
Krönung durch den Papft verliehen hatte, war von ben Zeit⸗ 


genoffen nicht verfannt und andem Regenten ein Gegenfland 


der Nacheiferung und bed Neides geworden, Dem Könige 
von England in feiner jebigen audgebehnten Macht durfte eine 
ähnliche Weihe nicht fehlen, und der Papſt konnte nur willig . 
eine Handlung vollziehen, welche feine und der Kirche Rechte 
üder die Weit unwiderleglich zu beftätigen fchien. Ein: gerin⸗ 
gerer Zweck kann den König ſchwerlich vermocht haben fein 
fehe junges, vor allen übrigen geliebtes Kind den Gefahren 
der Reife über Meer und Gebirge außzufeken, als er Afred 
mit einem großen Gefolge Edler und Dienfimannen nach Rom 
fondte, wo biefer vom Papfte Leo IV. gefalbt und gekrönt 
wurde’). Ob es lediglich Willkuͤr des Vaters war, daß er 
den jimgſten unter feinen Söhnen von dem Papfle zum Kb 
nige weihn ließ, ober welche Abficht zum Grunde gelegen has 
ben mag, ift bei dem Mangel an Nachrichten wicht zu entfähei 
ben, fo wenig ald wre über nähere Umftände diefer feltfamen 
Krönung unterrichtet find, welche eine lange vorbereitende Unter⸗ 
handlung voraudfegt. Ungern vermiffen wir auch bier Macs 
tichten über ÄAlfreds Mutter Osburga, von welcher Athelwulf 
in diefen Sahren fich fcheiden ließ, ob fie gleich noch ſpaͤtet 
für ihrer Kinder Erziehung liebevolle Sorge trug. Da Affred 
vielleicht nur gefalbt, nicht ausdrädlich zum Könige von ganz 
England beſtimmt wurde, auch die Herrſchaft jenes Landes 
erit nach dem Ableben aller feiner Brüder erhielt, To koͤtmtt 
bie Veranlaffung feiner Romfahrt etwas zufälliger gewefen fen, 


als fie es jegt erfcheint, und der Werth jener Salbung erſt 


durch das fpdtere Gluͤck Alfreds in den Augen der Seinigen 

geſtiegen ſein. 
Nach zwei Jahren vollfuͤhtte Äthelwulf einen ſchon in den 
1) Asser. vita Aelfredi a. 853. Leo papa IV., qui praefatum 


infantem Aelfredum oppido ordinans, unxit in regem, in Alm 
adoptionis sibimet accipiens confirmavit, 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 2096 


eigten Jahren feiner Regierung gehegten Plan ') und zog ſelbſt 


fein Sohn Alfred mit ſich führend, nach Rom, wo er ein 
volles Jahr umter dem Pontificate Benedicts III. verweilte. 
Die roͤmiſchen Jahrbuͤcher haben die koſtbaren Geſchenke an 
Gold und Edelſteinen, ſeidnen Gewaͤndern, welche ber fromme 
und reiche Sachſenkoͤnig dem heil. Petrus darbrachte, ſorgfaͤl⸗ 
tig verzeichnet; auch die Biſchoͤfe, die niedere Geiſtlichkeit, die 
Optimaten Roms, alle wurden reich beſpendet?). Die wie 
derum abgebrannte Schola der Sachſen wurde vom Koͤnige 
eu hergeſtellt, und eine Stiftung für fein Seelenheil 
mit der großen Summe von 300 jährlich zu fendenden Mans 
cuſſen von ihm begründet. Aus diefer Stiftung entſtand der 
ſpaͤter oft drüdend gewordene Peteröpfenning, welchen Eng 
land nach Rom fcheffen muffte (Rome Scot, Romefeoh) ?). 
Bon der angeblichen Einführung des Zehnten und andern bef: 
fer erwiefenen Einrichtungen diefes Königs haben wir bereits 
oben zu handeln Beranlaffung gefunden. , 
Ein nicht wenig auffallender Schritt Äthehwulfd muß es aL 
erſcheinen und nur durch den Wunſch die Bande mit dem 
Hbrigen Europe näher zufammenzüuziehn erklärbar, daß er auf 
Der Ruͤckkehr bei dem Könige Karl ben Kahlen, der dem nad 
Rom Reifenden jede Aufmerkſamkeit und Ehre erwiefen hatte, 
Jänger verweilte ımb zu Berberie an ber Dife deſſen zwoͤlfjaͤh⸗ 
rige Tochter Judith, Durch Hincmar, den Bifchof von Rheims, 
‚fh antrauen ließ. Biel Misfallen erregte es bei feinem 


4) Annal. Prudent. Trecens. ad à 839. - 
2) Anastasii vitae pontif. apud Muratori II, 251. Bür 
die Bedeckung des Daches der Kirche St. Pierre be Ferrieres in der 
franzoͤſiſchen Didcefe Sens wurde ber König durch Briefe, welche ihm 
md feinem Geheimfihreiber Felix vom Abte jenes Klofters, Lupus, zuge⸗ 
Fandt warden, angegangen. Die Briefe des Lestern an den Erzbifchof 


“ von York, Wimund, und den bortigen Abt Altifig zeigen den Verl 


zwifchen beiden Ländern und bie bort geſuchten literariſchen Schaͤtze. 
Lupi epist, 13. 14. 43. 61. 62. 

3) &f von Matthäus von Weftminfter wirb bie Einfuͤh⸗ 
rung des Peterspfennings ſchon dem Könige Ine zugeſchrieben. 

4) Prudent. Trecens, annel. ada. 856. Asser. Ingulph. 
Das lateinifche Sormular für diefe Trauung iſt uns erhalten, f. bei 
Bouquet scrr. rer. ' geilic. 1 T. Vo. p. 621. | . 


296: Deitte Abtheilung. 


Volke, daß er feiner Gemahlin ein Diadem auffeßte und ik 
den Namen ber Königin ertheilte, welcher Zitel Durch Ead⸗ 


‚burge, Brithrics Wittwe, bei jenem: fehr verhaflt geworben war. 


Nah fo manchen Handlungen, durch welche die Rechte 


‚feiner 'ältern Kinder und ber Mutter fehr beeinträchtigt worteben, 
darf es nicht überrafchen, wenn Äthelwulf in feiner Heimat 


nicht eine willtommene Aufnahme fand. thelbald, der dk 


teſte unter den jest lebenden Söhnen des Königs, hatte mit 


858. 


dem Bifchofe von Shirborn Ealchſtan, und. Eanwulf, dem 


Ealdorman der Sumerfäten, fi) im Walde Selweod verſchwo⸗ 


ren ben König nicht in England wieder aufzunehmen. Dod 
fand biefer eine zuverläffige Stüge in der Mehrzahl feines 
Adels und Volkes, und ed warb daher al& eine unbegreiflice 


Milde angefehn, daß er dem abtrünnigen Sohne den :weflls 
hen heil feines Reichs abtrat und nur bie Öftlichen Länder 
deffelben,, welche durch den vor kurzer Zeit eingetretenen. Tod 
Äthelftans der Krone von Weſſer heimgefallen waren, ſelbſ 
behielt: Athelmulf ftarb nach wenigen Sahren, ‚Kent und das 
hbrige von ihm zuleßt regierte Reich ') dem Äthelbert hinter 
laſſend, Wefler aber nach Äthelbalds Tode dem Ärhelred, fo 
dann erft dem. Alfred, wobei der erfigenannte der vier Brüder, 
der König von Kent, vom fernern Erbrechte auf jenes Red 
fowie von den Privatbefisungen (Bocland) des verftorbenen 


u Königs durch deffen Verfügung ausgefchloffen wurde ?). 


Üthelbalb. 

Üthelbalds kurze fernere Regierung {ft durch feine mit ber 
jungen Witwe feines Vaters eingegangne Che berlichtigt. 
Die Angelfachfen waren über die Erneuerung eines ihnen fchon 
früher unwillkommenen Verhältniffes entrüftetz die Geiſtlich⸗ 


keit war über die Verachtung der Kirchengefege empört. Äthel⸗ 


bald muſſte, den ernflen Vorftelungen Swithuns, des Bi 
ſchofs von Winchefter, nachgebend, fich zur Scheidung von Ju⸗ 
1) Es ift mir zweifelhaft, ob Efier noch zu biefem Reiche gehörte, 
da Affer b. 3. 860 e8 nicht nennt. 
DD) ©. Älfreds Teſtament; in lateinifcher Überfegung in Camden 


‚serr. rer. angl. p. 22. Spelmani vita Aelfredi; angelſaͤchſiſch in 


Wiſes Ausgabe des Affer. Orford 1788; zulegt bafelbft 1817, 4. 


Bon Anfang .des.Q.; bis Anfang bes 11. Jahrh. 297 


dich entfehlieffen, welche. die ihr zur; Morgengabe angewieſenen 


Guůter verkaufte md: nach Frankreich heimiehrte ). Sie hatte 
England keine Erben gegeben, doch aus ihrer dritten: Ehe::mit 
Balduin, Grafen von. Flandern, entſproß Mathilde, die Ge: 
mahlin⸗ Wühelms: des Eroberers. Athelbald ſtarb fchon im J. 
860: Seine oft :bewährte Tapferkeit wurde bei den nach :feis 


nem Tode erfolgten Unfällen Englands; vernüſſt, und es blieb 


feinen Vaterlande lieb um seinen. Helden zu klagen, der, em 
ex nicht. in der Jugendbluͤthe den Seinigen : enkien. wäre, es 
vom namenloſen Elende hätte erretten Fönnen * J 


tt h el ert. 

Nach feinem. Zode hätte Kthelwulfs dritter Sohn tet 
veb auf dem Throne von Wefier folgen: follen; Doc) ‚der jims 
gere Bruber Äthelbert, -Ränig von. Kent, wuſſte feinen. An⸗ 
fprjichen. auf den Vorxehrig, in Wiberfpruc mit feines Waters 
Verfügung, welche, fofern fie nicht bad:.Bodand fondern die 
Shranfolge.betraf, für. die. Weftfachfen:nicht bindend fein Tonne, 
Anerkennung zu verfchaffen. Er regierte Weſſex mit feſter, nis 
higer ‚Hand bis zu feinem ſchon nach. fünf Jahren erfolgten 
Zode, Beide Reiche. ficken barauf dem bicher gueücgefegten 
Äee y au Ran 


/ 


41 
F Athelred« 2 
ihelrebs inhrie Regierung iſt nur die Gelhihte 
neuer, ſehr ungluͤcklicher Kämpfe :mit den Dänen, welche im 
feinen: Zagen zuerſt feften Fuß in England faflten. Seit dem 


860. 


866. 


Jahre 854 hatten dieſe keine neuen denkwuͤrdigen Anfäle.auf . 


England unternommen, als im J. 860 ihr Anfuͤhrer Weland 
mit einer großen Schaar Daͤnen, welche an den Ufern der 
Somme verweilt hatte, vielleicht durch die Nachricht von 
dem in biefem Jahre erfolgten Zode des tapfern Königs Äthel- 

bald und die Zwiftigfeiten über die Thronfolge ermuthigt, in 

‚, 3) Asser. Ingulph. Prudent. Trecens. ad a. 858. 
Hincmar. Rhemens, ad a. 862. Die Rachricht von der Scheidung 


beruht nur auf Matthäus von Weitminer und des Thomae 
Rubborn. annal. eccl. winton. 


2) Henr. Huntendon. 


— 


Fe 


298 > Dritte Abtpeitung. 


867. 


Sonthampton landete, . biö Bindefter vercicite um Kirk 
Stadt nebft ihren Kirchen mit größter Grauſamkeit pluͤnderte 
Keinemi. Mönche der Kathebrale wide dad Leben geſchenll 
Doch Osrik und Athelwulf, die Caldormanen von Hamptoa 
umd Berks, gewannen. durch den Aufenthalt ber Räuber Seit 
ihnen auf: dem Rinkwege zu ihren Schiffen entgegenzutreten 
Sie ſchlugen die Räuber aufs Haupt, welche, die große Beute 
—— weibiſch flohn und ber Seinemimdung zuſchiff⸗ 

ten ). Weland ſelbſt ließ ſich bald darauf: in Srankreich be⸗ 
wegen die Taufe zu empfangen, wurde aber von einem der 
Seinigen binnen kurzer Friſt erſchlagen. 

Die anlockendſte Station in England fuͤr die Normannen 
muſſte die. Muͤndung der Themſe fein, und wir finden fie auch 
nach einigen Schren: wieder dort, auf der Inſel Thanet. Die 
Kenter verfprachen ihnen eine Summe Geldes, wenn fie. ihnen 
einen Frieden zuſichern und halten wuͤrden. Si gelobten den 
Frieden, doch mar um bei nächtlicher Weile die Arglofen zu 


überfallen und veichere Beute heimzufichren, ws der Preis dei 


Bricdend: geweſen fein wuͤrde. 

Um dieſe Zeit wurde von den Danen ein Angriff auf 
England gemacht, welcher zu erfolgreich war, um nicht be 
Dhantafie der nachfolgenden Gefchlechter mehr als bie duͤrre 
biftorifche Zreue in Anſpruch zu nehmen?) Die dänifchen 
Heerführer, Inguar und Ubba, — die erſten dänifchen Na 
men welche den ungelfächfiichen Annalen bekannt find — wer 
Ben in den worbiichen Sagen bie Söhne Regnar Lodbrogs ge 
wannt. König Regnar Lobbrog war, wie jene Sagen unb be 
fonders dex berühmte ihm beigelegte Tobeögefang angeben, nad 
Vielen Siegen in den Oſtſeelaͤndern nach England gefegelt, wo 


m den Angelſachſen | Baltheoe erſchlagen hatte, werheerte 


I) Den Ramen des Weland entnehme ich aus Prudent. Tre- 
cens. ad a. 860. Hincmar: Rhemens: ad a. 861, für das Übrige 
f. Asser. ad a. 860, 

-9) Simeon de eccl. Dimelm. c. 6. gibt ausbrädtih 867 ober 
das fünfte Jahr der Regierung Alles an. Man darf alfo nkht mit 
Palgrave durch Asser. vita Aelfredĩ a: 867, dee unbeſtimmt ſagt, 
eo tempore maxima inter Northanhymbros discordia, ſich verleiten la 
fen dieſes Jahr für das erſte der Regierung Äas gu neuen. 


RK . 
Bon Anfang bes 9, bis Anfang bes 11. Jahrh. 298: . 


Schottland, Irland und die kleinen Safeln und wurde endlich, 
bei einer Landung in Northumberland durch ben König Aka 
gefangen, im einem Kerker von giftigen. Schlangen verzehrt"). 
Jene Sagen, auf denen unſere Kenntniß der nordiſchen Ge⸗ 
ſchichte großentheils beruht, ſetzen den gefelerten Eroberer Reg: 
nar Lodbtog um ein Iahrbimbert Früher, als der hiſtoriſch bes 
gründete Einfall feiner Söhne auf England ftattfand und als 
Aa, in Fehde mit Osbert, dem Nachfolger AÄthelreds, Nort⸗ 
humbriens feit dem Jahre 862 ſich bemäthtigt hatte. : Die 
aͤltem engliſchen Annalen erwähnen: bagegen weder des Reg⸗ 
nar Lobbrog noch Überhaupt einer befondern Veranlaſſung ber 
Ankunft des Inguar und Ubba in England; der gleichzeitige 
Affer nennt ſelbſt nicht einmal jene:dvei Namen ?). Doch fehlt 
es auffer jenem beruͤhmten altem Tobeßgefange, dem Krafumal, 
nicht an beachtungswerthen Nachrichten, nach welchen bei 
Regnar Lodbrog, den wir, wo nicht allein als hiſtoriſch ans 
erkennen, doch Hier allein zu beruͤckſichtigen haben, ſowohl in 

dere Mitte des neunten Jahrhunderts ledte als in Morthum⸗ 
brien ſtarb und Vater des Inguar amd deſſen Beruders war’). 


- 1). Begen die Anficht, caß ber ſterbende Regnar feinen Schwanen 


eeſang feisft gebiet, mid) zu verweahren, möchte überfiffig fcheinen, 


wenn jene nicht noch in neuefter Zeit ihre Vertheibiger gefunden hätte. 
©. Legis Fundgruben bes alten Norbens I, 160 fg. Engliſche Übers 


ſegzungen beffelben ‚gaben mit dem isländifchen Texte der englifche Ges 


fandtfchaftscaplan zu Kopenhagen, Johnſtone, hernah Zurner;z 
deutſch Bräter in ben norbifchen Blumen. Legis a. a. D. Lorenk 
Geſchichte Älfrebs des Großen. Über die Regnar Lodbrogs Gage 
im Allgemeinen f. 9. E. Müller Sagenbibliothek U, 261 fg. Gei- 
jer Svea Rikes Häfder I, 545 29. 

2) Beide finden ſich in saxon chron. ad a. 870. Henr. Hun- 
tend. Will Malmesb. Dagegen fagen bie fpätern f. g. Asseri 
annales ad a. 878: Dicunt quod tres sorores Hinguarii et Hubbae, 
filiae videlicet Lodebrocki, illud vexillum texerunt etc. Florent, 
ad a. 870 führt nur den Inguar qus ber vita 8. Edmundi an. Auch 
ÜÄthelwearb fpriht nur von tyrannus Ihgwar. — Bimeon de 
Dunelm. eccl. c. VI. nennt Hinguar und Hubba mit andern bäni- 
Then Königen. 

3) Hamsfort ehrenel. prima apud Langtbek « scrt. rer, dan. 
1, 35 fugt ad a. 864: Regnerus, ab Halla Hybemorum tegulo 
eaptuw, gravi suppHote afficitur, noeatus in carcere. Fossiun habet 





ME ..:. "Deitte. Abtpeitung. 


Daß; Bänden. ‚her. oͤltern englifchen und Aberhaupt aller dis, 
ter Nachtichten uͤber Lodbrogs Tod in: Northumbrien.; wieh, 
indeſſen um fo. bedenklicher, wenn wir feine: Söhne, welchen 
die Abſecht zugeſchrieten wird ſeinen Tod zu raͤchen, nicht in 
jenem :Bande_ ſondern in :Oftanglien landen ſehn und bei ben 
ſpaͤtern engliſchen Schriftſtellern ganz abweichende Sagen. über 
ihre Ankunft. in England, vernehmen. 

Die eine erzaͤhlt), Daß ein Din: aus koniglichem Ge 
äßchte, Lothebrok genannt, -alkin.: mit einen. Sperber. auf 
einem Boote von Daͤnernark durch Sturm: verfchlagen, nad, 
England: zum. Könige: von Oſtanglien, Eadmund, gelangt: und 
von deſſen Jaͤger Biom erſchlagen ſei. Dieſer Biorn ſei wie⸗ 
dexum zur Strafe auf einem Boote allein auf das Meer aus: 
geſetzt, nach Dänemark: verſchlagen und habe die Soͤhne Lothe⸗ 
broks zur Rache. :gegen. ſeinen eignen Koͤnig aufgereizt. Eine 
andere Sage von wenigſtens gleichem Alter lautet, wie Bjoͤrn 
Butfekarl (bei Andern Bruern Bocard), welcher mit ſeiner 
Frau vom Koͤnige Osbert, dem Vorgaͤnger Ällas, ſchwer ver 
Vest war, und deſſen Verwandte ſchon Osbert zu ſtuͤrzen, da⸗ 
gegen Alla auf den Thron zu erheben fi bemüht hatten, zu 
dem ihm verwandten bänifchen Könige Codrinus flüchtete, um 
dieſen zur Eroberung Northumbriens beffen Thron unterbeffen 
Alla eingenommen hatte, aufzufodern ”). Die letztere, von den 


annum. 865, Es wuͤrde wichtig ſein zu erfahren, woher dieſe Schrift⸗ 
ſteller ihre ziemlich richtigen Angaben genommen haben. Wichtiger iſt uns 
die historia S. Edmundi (acta Sanctor. sub Nov..20), welche ſchon 
von Are Frodi, dem Islaͤnder, benust wurde, als er Edmunds Tod 
duch Jvar, Regnar Lobbrogs Cohn, im J. 870 erzählte. Adam 
von Bremen (l. L c. 33.) fagt ferner, nach Anführungen aus ber 
historia Francorum (annales fuldenses ad a, 873): Scriptum est in 
gestis Francorum: Crudelissimus omnium fuit Inguar filius Lodparchi, 
qui Christianos ubique per supplicia necavit. Diefe von Adam be, 
nugten gesta Francorum find leider unbekannt. Auf Lobbrogs Tod in 
England laͤſſt fiy in ben englijchen Quellen nur deuten Simeon 
Dunelm. ad a. 794. 


1) So Matthäus von Weftminfter 6. 3 870. 
:  9,Geffroi Gaimar V, 2590 sp. ‚Douglas von Slafton: 
bury in einer Pergamenthandfchrift zu: Hambhurg. Bromton p; 80% 
und wiederum 809. Hector. Boöthii hist. sopt.: Gine ähnliche Be⸗ 


"Bon Anfang. des 9: bis Anfang des 11. Jahrh. 301 


neuern Geſchichtſchreibern uͤberſehne Sage erfcheint als "bie 
vonwurfäfreiefte, da. fie gegen die Chronologie ‚nicht verſtoͤßt, 
den Angriff auf Northumberland erklaͤrt, keine rein poetiſchen 
Züge an ſich traͤgt und in dem Koͤnige Codrinus den hiſtoriſch 
bekannten Dänen Guthrun, welcher bald’ darauf das Königreich 
Oſtanglien eroberte, erkennen laͤſſt. Auch koͤnnte fie immerhin 
nur die wirkliche Beranlaffung zu Guthruns Zuge nach Eng- 
land enthalten, verfchieden von ber, welche die mit ihm ver: 
bimbeten Inguar und Hubba dahin rief. Unleugbar ift «8, 
daß größere Schaaren als die, in welchen dieſe Seerduber 
gewöhnlich zufammengerottet waren, nunmehr das nördliche 
England überfielen, daß fie planmaͤßiger und. noch graufamer 
verfuhren als ihre Vorgänger und: auch das Land in einem 
fremder Egoberung nur zu guͤnſtigen anarchiſchen Zuſtande fan⸗ 
den. Mitt erkennen auch in den jetzt Imbenden Dänen, mit 
mehr Beftimmtheit wie früher, Einwohner ber. Dänifchen Inſel⸗ 
weiche flatt jener: zahls und .namenlofen nordiſchen Seeraͤu⸗ 
ber, welche auf den. nahgelegnen Küften und. Infeln feſte Nies 
derlaſſungen erobert: hatten und felbff von fihwachen Landes 
herren mit größern Diſtricten und Schlupfwinkeln foͤrmlich be⸗ 
lehnt waren. 

Im J. 866 landete eine bedeutende Flotte der Daͤnen in 
Dſtanglien, welche, mit. dem dortigen Volke einen Friedensver⸗ 
trag abſchlieſſend, dafelbſt auf dem feſten Lande Englands, 
welches nur fchwache. Vertheidigungsmittel in einigen ſchlecht 
verfchanzten Städten befaß, zum: erſten Male uͤberwinterten. 
Dem größten. Theile des fremden Heeres wurden Roſſe ver⸗ 
ſchafft und im folgenden Jahre ein Zug nach Northumbrien 
unternommen, wo. die Stadt York in feine Gewalt fiel). 867 
‚König Osbert, durch ‚einen Aufruhr vertrieben, wurbe vom 1. Nov. ' 
Bolke zurücdgerufen, vereinigte ſich mi Ale, und Beide rüuͤck⸗ 
ten im Frühlinge des folgenden Jahres gegen York. Die Ihri⸗ 
‚ gebenheit vom Könige Alla und einem reichen Kaufmanne zu York, Ar: 
nulf mit Beinamen Seefahrer, und: befien ſchoͤner Gattin Becwithe, als 
‚Beranlaffung der Ankunft bes Ivar und Ubba, berichtet eine Handfchrift 
vom Ende bes zwölften Sahrhunderts, aus welcher ber Seraußgeber. bes 


G. Saimar ©. 795— 798 einen Auszüg liefert, 
1) Chron, saxon. Annal, Cambr. h. a. 


302 Dritte Abtheilung. 


gen nahmen bie Stadt und tiſſen deren Mauern wieder, bie 
heiden Herrſcher fielen jeboch bei einem Überfalle ber zur Ver 
sweiflung getriebenen Dänen. So zerrhttet war Northumbrien, 
to ſehr aufgelöft die. gefellige Drbnung des Reichs und fo gan 
gerſtoͤrt die Nationalität des Volks durch bie feit Länger denn 
einem Jahrhunderte dort herrſchende Anarchie, daß die Rert 
humbrier es ſich gefallen lieffen ein Buͤndniß mit den Heiden 
einzugehn und von ihnen einen König in Bernicin, Namens 
Ergbert, anzunehmen, während bie übrigen im füblichen Nort⸗ 
bumbrien blieben ’). Nach einer engliſchen Sage wear Alle 
nicht mit bei der Exflürmung von York, fondern erfreute ſich 
damals auf ber Jagd feines. wohlgezieten Sperre und fiel ber 
nach im vereinzelten Treffen mit vielen der. Seinigen ). Die 
daniſchen Sagen wicberholen dagegen, wie r mit de 
alien DibosLift ein Land fo groß wie eine vom I 
erbeten habe, flıgen uber hernach mit. ber ihmen eigenthuͤmlichen 
Henkersluſt hinzu, wie jener dem Nortbumbrier, dem Moͤrder 
des Vaters, die Mibben  geöffuet, bie Wunden mit Salz; be 
ſtreuet und bie ‚Zungen herausgeriſſen habe). 

Die Dänen rüdten. im folgenden Jahre in das Königreih 
Mercia und bemächtigten ſich der feften Stadt Rottinghau, 
wo fie mit dem Könige bed Landes, Burchred, nachdem er 
mit Eadmund, Koͤrig der Oflangeln, Äthelce& von Weffer uud 
‚beffen Bruder Ülfred, dem. Exzbiſchofe von Ganterbury umb 
den. angeſehnſten Geiſtlichen Englands, weiche — fo groß 
war bie Landesnoth — auf ihr Vorrecht ber Befreiung von 
‚ der Heereöfolge verzichteten *), bie Feinde vergeblich belagert 
1) Simeon Dunelm, p. 1%, 142, .145. Chronic. Mailros. 
Richt ganz zu überfehn find annal. Roskild. bei Langebek scrr. rer. 
danic. I, 874. Reges Nordumbroram Belle: atque Oshertus eeciderunt, 
ac Denwolf et Berrwolf de..prelio fagerunt. Letztere ſind fonft nie 
gends bemerkt, doch deutet bie Erwaͤhnung des wenigen Shreniſten be⸗ 
kannten Osbert auf eine gute Quelle. 

9)G. Gaimar V,2%. Bromton cool. 808, 

3) Saxo Grammat. p 177. 

4) &. Beorcheds Urkunde v. 3. 860 im kater vor mRectiagba⸗ 
ausgefiellt (bei Ingulph), wo am Schluſſe ber König den Präfaten 
für die freiwillig geleiftete Kriegsfolge dankt, von welcher. fein ' Oo 
gervater Eeter) Athelwulf fie einſt befreit habe. 


\ 


- Bon Anfang des 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 303 


hatte,- einen Friedensvertrag abichlefien"), in. deſſen Zolge fie 
aus jener Burg mit großer Beute abzogen. Sie ritten dar⸗ 
auf nach York zuruͤck, wo. fie ein volles Jahr verweilten, id 
ten fodann durch Mercien zu den Oflangeln und brachten in 
Thetford, an ber Grenze Suffolks und Norfolks, den Winter 
zu. Bei den jetzt folgenden Vorfaͤllen werden zuerſt in ben 
angelſaͤchſiſchen Jahrbuͤchern Namen der Anführer ber Dänen 
und. Friefen, welche das Gluͤck des fiegreichen Stammgenoffen 
oder Freunde herbeirief, genamt. Doch find die Angaben 
über Deren „wihere Berhaͤltniſſe fich fehr wiberfprechend. Ivar 
wird von Inguar smterichieden, und Letzterer, ſoll forte Uffa, 
ein natuͤrlicher Sohn Regnar Lodbrogs geweien fein?). Healf⸗ 
den und-Eowild oder Cowulf werben ziemlich einſtimmig Ins 
guars Brüder genamnt ’). Als begleitende Könige werben von 
. ben Engländern, doch der. dänischen Sage umbelannt *),. aufs 

geführt auffer den obengenannten: Guthrun, Bagfeg, Hoſte⸗ 
nius (vieleicht Haeſten oder Haſting), Döfyiel Anwynd ober 


1) Heinrich von Huntingdon, welcher allein von den alten 
Geſchichtſchreibern Inguar und Ubba ſchon bei der Landung in Oft: 
anglien nennt, ſagt: cum suos obsessos et viribus impares Hinguarus 
videret, vulpeculari astutia verbisque delinitis inducias ab Anglis im. 
peszavit. Vorher fagt er: Hinguar ingentis erat ingenii, Ubha vere 
fortitudinis admirandae. 

2) Lodbrogs Sage bei Rafn Nordiſke —* Giſtories 2 L 
Heft 3. ©. 147. Saxo Grammat. 172, 
| 8) Thomae Eliensis vita 8. Eildrithae apud Mabillon 
acta 8. 8. Bened. T. II. Chron. saxon. ad a. 878, Alfred. Be- 
verlac annal. ad a, 866. Nach ben gewöhnlichen Gefchlechtstiften find 
die Soͤhe Regnars: Erih, Agnar, Ivar Beenlos, Huitſerk, Sigurd 
und Biorn Eifenribbe und von einer Befhläferin Inguar und Ubba. 
Der alte, ſchon von Ingulph aufgenommene Bericht, über die Zer⸗ 
flörung des Kloſters Medeshamſtede, nennt bie beiden Lettern nicht uns 
ter ben Königen, fandern unter den Jarlen. Ubba wird bei Simeon 
von Durham vom Cuthbert dux Frisiarum genannt. 

4) Die annal. Roskild, fagen, daß Inguar cum novem aquilonis 
regibun gezogen ſei; biefe nennen als Jvars Brüder: Inquar, et Ubi. 
(dubba) et Bjorn (Gifenribbe) et Ulf (Howulf?). 

5) Oskytel Tann, wie Suhm II, 409 vermuthet, jener Aſeatil 
ſein, welcher, ein Anfuͤhrer der Normannen, bei der Belagerung von 


| 304 — Dritte Abthettuas⸗ 


Hamund; ferner die Grafen Sidroc der aͤltere (vielleicht der⸗ 
felbe welcher in fruͤhern Jahren dureh ſeine Pluͤnderungen 
laͤngs der Seine bekannt geworden war) I und ber Füngen, 
Osbert, Feene, Harald, Döbeam. - 

Aus ſchmerzlich anziehenden Berichten konnen -wir: exfehn, 
daß die Gegenwehr der Einwohner von Lincolafhire mit jener 
Zapferfeit, welche den Marfchleuten eigenthuͤmlich ift, geleitet 
‚wurde. Am St. Mauritiustage war in Keſteven vom. Grafen 
Algar dem Iüngern ein Sieg über ein Heer der Dänen, das 
von York nach Lindfey gefchifft war und von dem von ihnen, 
zerſtoͤren Klofter. Bardeney zuruͤckkam,  erfochten, welche drei 
ihrer: Könige (Hoflenius, Eomwulf?) und zahlreiche Mannſchaft 
verloren und nur durch die zeitige Ankunft ihrer. Verbündeten 
von gänzlicher Vernichtung. gerettet: wurden. Erſt in biefer 
Nacht follen Guthrun, mit ben Übrigen obengenannten Königen 
und Grafen, fowie auch Inguar mit einer großen. Schaar. 
von Kriegen, Frauen und Kindern aus thier Heimat in Eng: 
and angelangt fein. Die Nachricht von biefen neuen Feinden 
° verbreitete fo: großen Schreden, daß von 8000 Männern, welche 
Algar unter feinem Befehle gefammelt. hatte, nur 2000 blieben. 
Der Ealdorman Algar verteilte die treugebliebene Schaut, 
‚ nachdem fie die Meſſe gehört und den geiftlichen Segen empfan⸗ 
gen hatten. Unter dem tapfern Laienbruber des Klofters Croy⸗ 
land, dem ehemaligen Ritter Zoli, und dem erlauchten Mar 
quarb von Brune ftand der rechte Flügel, unter dem Vicedomi⸗ 
nus von Lincoln Osgot, mit Harbnig von Reihale und den 
Kriegen von Stamford der linke Flügel. Wie groß bie Muth 
der erbitterten Heiden auch war, fo wuflten die Chriften ihr 
doch unerfchüttert zu wiberfiehen, in keilfoͤrmiger Schlacht: 
orbnung zufammengedrängt, mit einem Schilddache die Pfeile, 
mit dicht aneinandergereihten Speeren die Weiter abhaltend. 
Der Abend nahte, als die Dänen, deren Pfeile verfchoffen, 
deren Roſſe ermüdet waren, zu fliehn vorgaben. Der Ungeſtuͤm 
ber Angelſachſen ließ ſich durch den Rath der Fuhrer nicht von 


Paris im J. 889. war und hernach vom⸗ Grafen Oba verraͤtheriſch er⸗ 
ſchlagen wurde, als er die Tauft empfangen wollte. Trithem. chron, ' 
hirsaug. T. I. p. 40, | 

. 4). Chron. fontanell. ad a. 842, 845. 


Bon Anfang-bes 9. bis Anfang des 11. Zahrh. 305 


ungeorbneter Verfolgung ber Feinde abhalten. Sobald dieſe 
die Chriſten, nach aufgeloͤſter Schlachtordnung, auf den Fel⸗ 
dern vereinzelt erblickten, kehrten ſie ſchaarenweiſe zuruͤck und 
metzelten die durch ihren unbeſonnenen Muth verrathenen Kaͤm⸗ 
pfer nieder; Algar, Toli und andere ausgezeichnete Ritter ver⸗ 
ſuchten noch eine Weile auf einer Anhoͤhe den andringenden 
Feinden zu widerſtehn, fielen aber bald, von unzaͤhligen Wun⸗ 
den bedeckt, auf den Haufen der uͤbrigen Chriſtenleichen. 

Die Daͤnen zogen jetzt zu dem Kloſter Croyland. Sie 
fanden hier keinen Widerſtand, aber auch keine Schaͤtze, da der 
Abt Theodor dieſe in einem Brunnen verborgen und ſeine 
Moͤnche weggeſandt hatte. Der Koͤnig Oſkytyl erſchlug den 
das Hochamt haltenden Abt am Altare, und feine getaͤuſchte 
Horde zuͤndete das Kloſter an. Doch ſelbſt bei dieſer Barba⸗ 
rei verleugnete fich die beffere Natur des Menſchen nicht. Der 
jüngere Jarl Sidroc fand in einer Gelle einen zehnjaͤhrigen 
Knaben, Zurgar,. deffen Schönheit md Anhänglichkeit an feis 
nen ermordeten Lehrer ihn ergriff er hieß jenen die Kutfe abs 
legen, gab ihm ein kurzes dänifches Gewand und muffte ihn 
der Wuth feiner Begleiter zu entziehen. Zurgar entfloh nad) 
einigen Tagen, und ihm verdanken. wir zum Theil die jetzt ge⸗ 
gebenen Nachrichten. 

Die Daͤnen ſetzten ihren Raubzug fort, nach) dem Kloſter 
Medeshamſtede (Peterborough). Der hier verſuchte Widerſtand 
wurde bald beſiegt, das Kloſter erſtuͤrmt, und kein Moͤnch und 
Einwohner deſſelben entging den durch den Verluſt des Lubba, 
der ein Bruder des Jarl Hubba genannt wird, gereizten Hei⸗ 
den; die Altaͤre und Grabmaͤler wurden zerſtoͤrt, die Mauer 
zerbrochen; eine große Sammlung geiſtlicher Schriften ver⸗ 
brannte mit dem ganzen Kloſter, und die Daͤnen zogen, mit 
vielen Wagen, mit der ihnen brauchbaren Beute davon gen 


Huntingbon '), welches, fowie gleich darauf das reiche Nonnen ' 


kloſter zu Ely, von ihnen geplündert. und zerflört wurde. Im 
m verlor das Land zugleich feine großen, zur Sicherheit die⸗ 
ſem Aſyle anvertrauten Schaͤtze. 

1) S. die ſehr ausfuͤhrliche Erzaͤhlung bei Ingulph und die Vasta- 
tio monasterii Medeshamstede im Monastico anglicano T. L und | 
bei Langebek serr. rer. danic. T. UI. p. 52 sq. 

Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 20 





870, 


306 Dritte Abtheilung. 


Im folgenden Sommer kam es zu einer Schlacht mit 
Eabımumb, dem Könige der Dflangeln, welchen, da er fich vom 
den übrigen angelfächfifchen Zürften nicht unterflügt fah, wohl 
mr das Bewuſſtſein der Schwäche feiner Krieger abgehal⸗ 
ten hatte den verberblichen Feinden früher entgegenzutreten. 


Eadmund, aud dem Gefchlechte der Altfachfen ), war feit fer 


nem vierzehnten Jahre, dem Jahre 855, König der DR 
angeln. Sein Bater, der König Alcmund, Gemahl be 
Siwara, war, fagt man, vom Könige Offa von Merian 
nach Ecgfrids kinderloſem Abflerben zu feinem Nachfolge 
beſtimmt gewefen?). In Oflanglim war den Dänen, welde 
zu Thetford ihr Winterquartier gehalten haften, der Ealdor 
man Ulffetul enfgegengegangen, doch nah hartem Kampfe 
mit feiner Schaar erſchlagen. Im Anfange des Winters ſiel 
Eadmund ſelbſt in die Hände Inguars, und da er deſſen Bor 
ſchlaͤge, der chrifllichen Religion abtrünnig zu werden und un 
ter feinem Oberbefehle zu regieren, verwarf, voll liebevoller 
Sorge für feine Unterthanen und im reinfen Pflichtgefühl des 
Leben preißgebend, warb er auf bie graufamftie Weiſe hinge 
richtet. Inguar ließ den unglüdlihen König an einen Baum 
binden, ihn fehlagen, dann mit Pfeilgefchoffen nach ihm zielen 
und zulest, ob feiner unerfchütterlihen Standhaftigkeit er 
mirdet, ihm das Haupt abfehlagen. Die Feſtigkeit und Ruhe 
Eadmunds bei fo vielen Qualen, im Angefichte feiner ruchlo⸗ 
fen Feinde, erinnert an das Betragen der nordamerikaniſchen 
Stämme in aͤhnlichen Fällen; feine Beweggruͤnde und Aufle 
rungen, wie fie.aus dem Munde eined gegenwärtigen Kriegers 
anf. und gekommen find ’), flellen den würbigfien Glaubenshel⸗ 
den ihn gleich, der als Schlachtopfer zeigte, wie fehr er ver 
diente der Hobepriefter und Fuͤrſt des Volks zu fen. Auch 
wurde er bald deſſen Heiliger, und in ber langen Reihe Fönig- 
licher Heiligen ift kaum einer, der fo lange eine über Europa 
verbreitete Verehrung genofien hat. 


1) Asser. ad a. 855. Florent. Wigorn. 
2) Legende von Gt. Eabmunds Leben bei Gapsrave legenda an- 
glica. Bom Limes S. Eadmundi f. oben ©. 236. 


8) Abbo Floriac. de vita 8, Eadmundi in actis Sanctor. Co- 
lon. V. v1. | | 


\ 


!ı te. 


Von Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 307 


Oſtanglien wurde jetzt ganz von den Dänen in Beſitz ges 
nommen und die Tönigliche Würde diefes Landes einem ihrer 
Könige, Guthrun genannt, zu Theil. Wenn das füdliche Nort- 
humbrien auch vielleicht ſchon früher von Hubba beherrfcht 
wurde '), und Bernicia längere Zeit unter dänifchem  Einfluffe 
ftand ?), fo blieb Oftanglien doch allein während ‚einiger Zeit‘ - 
ein eigentlich bänifches Reich, welches zugleich den Mittelpunct 
für die Übrigen Niederlaffungen der Dänen in England bil- 
dete, welcher erft fpdter, da Oſtanglien wieder englifch gewor⸗ 
den war, gegen Northumberland vertaufcht wurde. _ —— 

Inguar, welchen die engliſchen Annalen unter keiner an⸗ 
dern Bezeichnung als der des grauſamſten und heidniſchen Ty⸗ 
rannen kennen, verfchwindet jetzt für einige Zeit unfern Bliden; 
wahrfcheinlich hatte er fich zu den Franken gewandt, welche 
ihn mit demfelben Abfcheu betrachteten). Während Guthrun 
fein neues Reich zu befeftigen fuchte, wandten fich die See⸗ 
Pönige Baſeg und Healfben gegen "Weffer, deſſen tapferer 
König Athelred in einem Sabre gegen die Dänen unzählige: 
Male und oft ald Sieger gefochten hat. Die Dänen überfielen 
vor Ende des Winterd und ehe nach damaliger Kriegfüährung 
ein feindliche8 Heer erwartet wurde, im Anfange des März 
ober ſchon früher, die Burg zu Reading, am fühlichen Ufer 


1) Rah Bromton ©. 807 war Hubba in Rorthumbrien geblie 
ben, doch haben wir ihn oben bei ber Zerſtoͤrung von Medeshamſtede 
geſehn. | 
2) Selbſt Strathelyde wurde nicht verfchont,, wo bie Stabt Alcluyd 
von ben „ſchwarzen Heiden’ zerftört wurde. Annal. Cambr. Annal. 
Ulton. ad a. 870, 

3) ©. Adam. Bremens. l.l, Aethelweard ad a, 870, welder 
ihn Spar nennt, fagt, er fei bald geftorben; vielleicht eine Verwechslung 
mit dem, welcher nad) der Lobbrogs Sage (bei Rafn Nordiske konnge 


‚histories I, 147) deſſen Bruder war, im 3. 872 verftorbenen Dänen- 
kdnig Spar. Inguar erfchien im 3. 877 wieber in England. ©. unten. 


Nach dem nicht fehr Fritifchen Wablingforb bei Gale I, 535 wurde 
Inguar von ben Northumbriern ermordet und von Hubba überlebt. 
Auffallend genug hat Hermann Corner in feiner Chronik b. I. 868 
in einer übrigens aus befannter Quelle gezognen Stelle die Nachricht 
eingefcyaltet: Inguar — non diu regnavit, quia propter suaın impro- 


‘ bitatem a suis interfectus fuit, non relinquens post se semen. 


20 * 





\ 


308 . Deitte Abtheilung. 


der Themfe in Berkſhire; und während von dort aus Einige 
ind Land reitend baffelbe brandfchagten, warfen Andere einen 
Wal zwifchen der Themſe und dem Kennetfluffe zur Be 
fefligung jenes Orts auf. Die Umherſtreifenden fuchte AÄthel⸗ 
wulf, der Ealdorman des Gaues, mit den Männern, welde 
der Beftellung der Felder fchnell entriffen werden Tonnten, be 
Englefield auf, erfchlug einen ihrer Iarle Sidrac und den 
größten Theil jener Bande. Nach wenigen Tagen trafen Kb: 
nig Äthelred und fein Bruder Alfred mit einem Heere ein und 
griffen die Heiden in der Burg zu Reading an, jeboch erfolg: 
108 und mit Verluſt des braven Äthelwulf. Die Weftfachfen 
verfannten die Gefahr nicht, in welcher ihre Unabhängigkeit 
fland, und erneuerten den Kampf nach wenigen Tagen zu X: 
cesdun (Mons fraxini).. Die Heiden theilten ſich in zwei 
Sclachtordnungen, die eine unter den beiden Königen, die 
andere unter den Jarlen; worauf auch die Chriften ſich gleich⸗ 
- mäßig unter AÄthelred und Alfred vertheilten. Athelreds An- 
hänglichkeit an den duffern Gottesdienſt hätte vielleicht auch 
bier den Heiden neue Siege gebracht; doch während er ben 
Ermahnungen der Seinigen erwiderte, daß er, bevor die Mefle 
geendigt fei, den Drt nicht lebendig verlaffen würde, flürzte 
ber jüngere Bruder mit dem Muthe eines Ebers auf bie 
Feinde, welche noch nicht alle auf ihrem günflig gelegenen An: 
grifföplage verfammelt waren. Die Weſtſachſen, welche für ihr 
Leben, ihre Lieben und ihr Vaterland kämpften, fiegten endlich 
nad) ‚einer blutigen Schlacht gegen die Dänen, welche hungri⸗ 
gen Wölfen gleich gefochten hatten. Bon Legtern blieben auf 
dem Felde König Bacſeg, die Iarle Sidrac), Osbern, Frene 
und Harold. Die Überlebenden fuchten in fchleunigfter Flucht 
Reading zu erreihen. Ein Gefecht nach vierzehn Tagen bei 
Bafing endete unglücklich für die Weſtſachſen; ebenfo nach zwei 
Monaten ein anderes bei Merton, wo Heahmund, der Bis 
fhof von Sherbom, und mancher andere gute’ Degen fiel. 
871 Auch Äthelred wurde in dem lebtern Treffen verwundet und 
23. Mai. ftarb bald darauf. Die Dänen kehrten nach Reading zurid. 


1) Entweder iſt Sibrac von den Sidrocs zu unterſcheiden, oder es 
iſt hier ein Irrthum des Chroniſten, da jener bei Englefield gefallen war. 





Von Anfang bes 9. bis Anfang bes. 11. Jahrh. 309 


| m lfred. | 
Nach Athelreds Tode riefen die Bünfihe des gefammten 
Volks deffen jüngften, jetzt zweiundzwanzigjaͤhrigen Bruder Al 
fred auf. den Thron von Weller. Obgleich von den Ältern 


fhon früh zur Herrfchaft beftimmt und in dieſer Abficht in 


feiner Kindheit nach Rom gefandt, um die Salbung bed Pap⸗ 
ſtes zu empfangen, muffte feine Sugend bei dem frühen Tode 
des Vaters, abgefehn von den Verwirrungen der lebten Regies 
rungsjahre deffelben, bisher die Ausführung von Plänen ver: 
hindern, welche ohnehin Kloftergelübde ober fonft die Abfin⸗ 
dung und freiwillige Entfagung feiner aͤltern Brüder vorauss 

feste. Unter der Herrſchaft feiner Brüder wird er ald der 
zweite Regent bezeichnet; ein Ausdruck welcher wahrfcheinlicher 

auf eine befchränkte Mitherefchaft des ganzen Reichs als auf 
die Regierung. Kentd ‘und der angrenzenden 2änder zu deuten 
ſcheint ). Auch hatte er durch geiftige Gaben und ausgezeich⸗ 
nete Tapferkeit, welche am Tage zu Aſcesdun das Vaterland 
gerettet hatten, die ganze Zuneigung des Volks gewonnen, fos 
daß es nur von feinem Willen abgehangen hätte den Bruber 
vom Throne zu entfeßen. Doc, war er fo fern von dem Ehr⸗ 
geize der Alleinherrfchaft, daß er auch jest das ihm angetra= 
gene Reich, deſſen Beſchuͤtzung gegen die Heiden fchon den 
vereinten Kräften der Brüder zu ſchwer gewefen war, allein zu 
übernehmen fich weigerte und erft nach Monatsfriſt zu dieſem 
Entfchluffe bewogen werden konnte. Er begann mit dieſem 
eine Laufbahn, welche ihn zu einem felten erreichten, nie übers 
ſtrahlten Ruhme geführt hat. Ihm warb das’ feltene Gluͤck, 
fein unterdrücdtes Volt von dem Joche verhaffter heibnifcher \ 
Fremden zu befreien und es feinem Glauben wie dem Genufle 
altoäterlicher Sitten und wohlbewährter Gewohnheit wieberzus 
geben, zugleich aber es dem neuen Morgenlichte einer ſtaats 


1) Athelred nennt ſich in Urkunden v. d. J. 866 u. 867: rex occi- 


dentalium Saxonum et Cantuariorum. Älfreb dagegen wird wiederholt " 


von Affer Secundarius genannt. A. 868 Aelfred rex, Secundarii 
tamen tunc ordine fretus. A. 871 Aelfred tunc Secundarius — Ael- 
fred, qui usque ad id temporis, viventibus fratribus suis, Secunda- 
rius fuerat. 


310 | Deitte Abtheilung. .: ...: 


bürgerlichen Entwidelung und nationalen Bildung entgegenzis 
führen, deren Strahlen, wenngleich oft feltfam gebrochen, jetzt 
über den größten Theil des Erdballs leuchten. Das große 
Unglüd, die tiefe Erniedrigung, welche ifn und fein Volk tra 
fen, baben nur: zur Folie feines Ruhms gedient, oder was 
beſſer ift, zur tiefen Begründung der Dankbarkeit feines Volks 
für den, der Freiheit wiedergab und neues Leben ſpendete. 
Mag nun auch bie überfehwellende Verehrung: früherer und bie 
Wortfeligkeit fpäterer Zeiten. manches Lob. auf Alfred gehäuft 
haben, welches die Kritik wieder vernichten muß, inbem fie 
die Keime mancher ihm zugefchriebenen Einzichtung fchon früher 
bei feinem Volke und deſſen Stammgenofjen nachweilt: fo er⸗ 
bit Dagegen das klare Auge. unbefangener Kritil, den unge 
trübten Quellen gleichzeitiger und glaubwürdigfier Berichte fol 
gend,. bei allem ferneren Zorfchen nur ſtets neuen Grund in 
Alfred den Spiegel der Könige und ben ‚Helden der eutopäi- 
ſchen Geſi ittung zu erkennen. 
| Die. Kindheit und Jugend Ülfeede bieten ein wunderba⸗ 
res Dorfpiel dar zu dem ernfien Drama feiner männlichen 
Bahre. Dem Herricher Britannieng, welchen bereits drei Erafts 
"Yolle Söhne umgeben, ‚wird im I. 848 von der treuen * 
burge ein Knaͤblein geboren, welches durch Schoͤnheit und 
Lieblichkeit, wie ſpaͤter durch Geiſt und Kräfte, alle Neigung 
der Altern auf ſich bannet. In. Tagen als das Reich auf allen 
Selten von ben ſtets neu anwachſenden gefährlichften Feinden an- 
gegriffen. wirh und jene Söhne, zum Theil fehon im Mannes 
alter, eine unſchaͤtzbare Gewaͤhr für bie Erhaltung des Neiches 
ſcheinen, wird non ben Alten der Plan erfonnen und gepflegt, 
mit Verletzung der Reichögefege, mit Gefährdung des Dafeins 
ihrer Staaten, dem tbeuren, Letztgebornen bie. Herrlichkeit und 
bie Macht der Krone zu übertragen. Für die. Erreichung fols 
ches Wunfches ift Fein Mittel bedenklich, Fein Pfad gefahrvoll. 
Das fimfjährige Königsfind wird auf dem gebrechlichen fächfis 
ſchen Kiele den Meereswogen anvertraut, durch bie Länder un⸗ 
zuderläffiger Freunde gebracht, über die Firften und Eisfelder 
der Alpen getragen, hin gen Roma. Der heilige Vater wird 
angegangen dem fremden Kinde den Segen der Salbung an 
gedeihn zu kaſſen; biefer, unbefümmert des Erfolges, ſpendet 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahıh. 311 


ihm die größte Gabe der Chriſtenheit. Der .gefalbee Knabe 
kehrt ins Heimatland zuruͤck und wiederholt nach. wenigen 
Jahren biefelbe Fahrt mit derfelben Sitherheit. Er entwidelte 
fi herrlich, zum Staunen und zur Freude vieler Zeugen zwi⸗ 


ſchen der Pictenmauer und dem Ziberfirome; des Körper entk ' 


faltete fich kraftvoll und ‚gefhmeidig; ;. fein Waidmann und fein 
Ritter zeigte fich ihm gleich. Doch für feine höhere Bildung 
forgte die Liebe jener von Äthelwulf verfloßenen Mutter. Sie 
lehrte ihn viele fächfifche Lieder und ihn, obgleich ſchon zwölf: 
jährig, dennoch vor mehreren der ‚ditern Brüder, Yefen. In 
etwas fortgerhcttem Juͤnglingsalter uͤberfiel ihn eine ſehr ſchmerz⸗ 
hafte, den Rizten er Zeit ımbefannte Krankheit, welche ihn 
jedem weltiichen jerkehr unbrauchbar zu ‚machen ı drohte: Er 
fchien nach einem Gebete, welches er in einer Kirche‘ in Corn: 
wales, dem Aufenthalte bes heil. Neot, dargebracht hatte, von 
derſelben befreit Im zwanzigften Lebensjahre vermählte er 
fich der Alſwithe, der Tochter des AÄthelred, Ealdormans bet 
Gainen (Gainsborough in Lincolnſhire) und der wuͤrdigen Ead⸗ 
burge aus dem Geſchlechte der Koͤnige von Mercia. Doch 
mitten“ in “dem mehrtaͤgigen Hochzeitsgelage ergriff ihn das 
ſchmerzliche Übel wieder, zum Schreden der vielen Gäfte und 
Umffehenden, und kaum während eines Tages feines; thätigen 
Lebens war: Aifred von demfelben befreit. Aber durch bie 


- Macht des Gemüths, die Kraft des Willens wuffte Alfred die _ 


ungeſtuͤme Reizbarkeit des Körpers zu befiegen, und bie vers 
mehrte Gewalt koͤrperlicher Schwäche fcheint die geiſtige Se: 
genwirkung nur geſtaͤhlt zu haben. Dieſer Koͤrperleiden un⸗ 
geachtet konnte er in den juͤngern Jahren bereits ſo Vieles, 
wie ſchon erwaͤhnt, leiſten; und nachdem ſein Vater die Krone 
won Weffer niedergelegt. und feine Pläne für Alfred aufgege⸗ 


ben ‚hatte, nachdem deſſen drei Brüder den Thron von Wels 


fer. nach einander befliegen hatten und natürlichen Todes, zwei 


berfelben kinderlos, ber dritie zwei unmündige Söhne zurüde 
Yafiend, geftorben waren, wurde jener dem Saum zweiundzwan: 


zigiaͤhrigen Ülfeed aufgedrungen. Wahrlich, wäre alles dieſes 
durch eine andere Hand uns berichtet als die hoͤchſtglaubwir⸗ 
dige des Biſchofs Aſſer, des Zeitgenoſſen und Freundes Al⸗ 


freds, der noch währegb des Letztern Leben ſchrieb, duͤtfte etwa 





. 


32 Dritte Abtheilung. 


eine poetifche Einkleivung, eine etwas fpätere Abfaſſung irgend 
“einen. Zweifel begründen, hätte: ein Waliſe Ähnliches von einem 
welfchen Sürften erzählt, wir würden alles eben Ermähnte 
benen überlafien müffen, welhe Don Quixotes Lanze ererbt 
haben mögen, um fie für. König Arthur. und die Tafelrunde 
zu brechen. 

Die erſten Begebenheiten in Alfreds Regierung geben zu 
erkennen, wie ſchwierig die Umſtaͤnde waren, unter welchen er 
fe angetreten hatte. Gleich nad dem Tage von Merton war 
zu Reading ein uͤberſeeiſches Heer von Normannen, welche 
ihre Sommerfahrt *) hierher gerichtet, ‚gelandet und hatte ſich 
mit den dortigen Dänen vereinigt. Während. Alfred die Leiche 
ſeines Bruders nach Winburn geleitete ?), drangen die Dänen 
mit ihrem ganzen Heere bis Wilton vor. König Alfred wagte 
eö mit wenigen Tapfern bie ‚überlegene Schaar anzugreifen. 
Der Muth der Seinigen hatte über die Wuth. ber Feinde ge 
fi iegt ; diefe flohn; doch da die fühnen Derfolger fi ſich hinreiſſen 
lieſſen jene zu weit zu verfolgen, wandten ſi ie ſich um, bildeten 
eine neue Schlachtordnung und behaupteten das Feld. Di 
Sachſen hatten durch die acht großen Xreffen?) und die um 
zähligen Scharmuͤtzel dieſes Jahres ſehr viele Mannſchaft, * 
auch die Heiden einen ihrer Könige und neun Jarle) verlo⸗ 
zen. Beiden Theilen war des Kampfes genug geworden, und 
die Dänen vertrugen fich mit den Sachfen über die Bedingun⸗ 
gen, unter welchen fie das Land räumten. In biefem Ver 
trage, war Mercien nicht eingefchloffen. Healfden mit feinen 
Borden zog nach London, wo er uͤberwinterte. Nachdem er 


1) Chron, saxon. ad a. 871 ſagt: micel sumorlida, Sibſon 
überfegt: magna aestiva quies. Vgl. Ingram: a vast army. Aigen 
weard fpricht hier von aestivas exercitu. Henr. Huntend.: 
nit in aestate magna exercitus. Ich glaube, daß chron. saxon. baf 
ſelbe ausdrüden wollte, was Affer fagt: de ultramarinis .partibus 
alius paganorum exercitus, und leſe sumor lida, i. e. aestiva classis, 

9 Aetkelweard. 

:8) So fagt Aſſer; ebenfo Athelweard: tria certamina exceptis 


sopra memoratis bellis (näml. zu Engleficlb, Reading, Üfcesbun, Merton 
und Wilton). Dagegen haben neun alle Handfehriften des chron, saxon. 


„u. Asser. Chron, saxon, undecim. Aethelweard, _ 


Bon Anfang des 9, bis Anfang bes 11. Jahrh. 313 


einen Frieden unter Feſtſetzung eines Tributes mit Burhed, 

- dem Könige von Mercien, abgefchlöffen ), verließ er London, 
rücdte nach. Northumbrien bin und. feßte daſelbſt den von den 
Eingebornen vertriebnen Koͤnig Ecgbert wieder ein, uͤberwinterte 
aber in der merciſchen Provinz Lindſey, wo König Burhed die 873. - 
zeichen Ländereien des von den Dänen zerflörten Klofters Bars 
beney, fowie. ähnlicher unglüdlicher Stiftungen, theils ſich ſelbſt 
zugeeignet theils unter feine Krieger vertheilt hatte). . Burhed 
bequemte ſich zu einem neuen Vertrage, welcher nur immer 
mehr. den Barbaren feine Schwäche offenbarte. Diefe benutzend 
zogen jene, allen. gegebnen Verheiffungen zum Hohne, im naͤch⸗ 
fien Jahre in Has ſuͤdliche Mercken und überwinterten bei. dem 
beruͤhmten Kloſter KHreopandun (Repton) in Derbyfhire und. 
zerſtoͤrten dieſe geheiligte Grabſtaͤtte der Herrſcher von Mercien. 
Dem Burbed, Alfreds Schwager, wurde bie Krone entriſſen, 
und feinem: Vaterlande wie feiner Wuͤrde entſagend, zog er 
mit feiner Gemahlin Üthelfwitha: Aber Meer nach Rom, wo 

er. bald ftarb: und in der Kirche. St. Marid, bei der Schola 
der. Sachen, beigelegt. wurbe; feine vertriebene Königen folgte 
ihm bald zu Zicino. Dem Dänenheere behagte es indeſſen 888, 
nicht in feinem Lande zu herrfchen, ſondern fie zogen. es vor 
Taibute aus demſelben zu: ziehn und zu biefem Zwecke, fowie 

in Rorthumberland. den Ecgbert,. fo. auch hier einen Eingebors 
nen, den Ceolwulf, einen Dienſtmann bes frühern Königs, zum 
Erheber dieſer Schagungen, unter dem Titel eines Königs in ... 
Mercien, doch ausdruͤcklich nur für die ihnen beliebige Zeit an⸗ 
zufegen. Die Erpreſſungen dieſes Verräthers, welcher die Mitz 

tel feine Landsleute auszufaugen .beffer ald die Barbaren kannte, 
gegen die wenigen noch vorhandnen Landleute, die Kaufleute, 

die fchuglofen Wittwen und Waifen, haben feinen Namen mit 
Fluch belaflet. Die Mönche wurden aufs finnreichfte ‚gefoltert, 
wegen der vermeinten Mitwiffenfchaft um bie Schäge ihrer 
Klöfter. Das zu Croyland, welches erft vor wenig Jahren fo ' 
viel. von den Dänen gelitten hatte , wurde mit ber ungeheuren 


1) Myrcii foederis pactum et, stipendia statuunt, Aethelweard 
ad a. 872, 


2) Ingulph, ad a. 871. — — 


314°. Dritte Abtheilung. 


Brandfſchatzung von 1000 Pfund belegt und dadurch faſt ver⸗ 

nichtet. Doch entdeckten die Daͤnen nach einigen Jahren, daß 

Ceolwulf ſo wenig ihnen treu war als ſeinem fruͤhern Herrn 

und Freunden; ſie ſetzten ihn ab, entriſſen ihm ſeine zuſam⸗ 

877— mengeſcharrte Beute und lieſſen ihn im. größten Elend, ver 

880. letzten Kleidungsſtuͤcke beraubt, erbärmlich verfontmen. Ein 

Theil des Landes war ihm von den. Dänen: fehon früher ge 

‚nommen, beren einige die. größten Städte an fich riffen und 

fefte .Wohnfige in denfelben nahmen. : Diefe Städte blieben 

noch lange unter dem Namen der daͤniſchen Burgen befannt 

und. wurden auch, fofern ſie urfprünglic aus. Lincoln, Not: 

tingham, Derby (fo.von den Dänen, von den Merciern North⸗ 

weorthig genannt) ), Leicefler und Stamford. beflanden, bie 

fünf Städte, ober: wenn York und Chefler mitgerechnet wur⸗ 

den, die fieben Stäbte genannt. Die Fimfbürger hatten, einen 

Gerichtshof und andre Einrichtungen gemeinſchaftlich und theil 

ten munche gleiche: Schickſale; doch ‚möchten. dieſe keinen aͤhn⸗ 

lichen Urſachen, wie die bekannten Staͤdtebineniſſe des Conti⸗ 

nents, ſondern vorzuͤglich nur der Stamm⸗ imd Bluts⸗ Ver⸗ 

wandtſchaft der bis auf Wilhelm den Eroberer: herrſchende 
Seſchlechter zuzuſchreiben fein ?). 

. Die. Normannen ſchweiften unterdeſſen, wie e-Eotfaren r 

der. See, umſtaͤt im Lande umher. Healfden zog mit einem 

Heere von Repton nad) Northumbrien, wo er am Tynefluß 

875. uvͤberwinterte. In dieſem Lande war Ecgbert geſtorben und ein 

ähnliches Werkzeug der Dänen, Namens Kicfig, ihm gefolgt. 

Auch ee flarb nach drei Jahren, und. ein zweiter Ecgben 

trat in ‚feine Stelle ). Ganz Northumbrien war jegt unter 

ber er Deusicaft der Diner, und häufige Einfälle wurden bereits 


..... 9» Streams alch, ‚ St. Bildes: galoſter, erhielt den Namen Whitby 
von den Daͤnen, wie denn alle von ihnen bewohnte Gegenden ſich durch 
Ortsnamen mit der Endigung bye, welches Wort im Daͤniſchen eine 
Wohnftaͤtte bedeutet, auszeichnen. Es iſt jedoch, wie oben ſchon .an- 
gedeutet, ſehr ſchwierig das Daͤniſche von dem aͤltern Angelfaͤchſt ſchen 
zu unterſcheiden. 

8) Asser. vita Aelfredi ad a. 874—877. Palgrave II, 29. 
Aethelredi leg. toncil, wanetung. $. 2. 

3) Simeon Dunelm. ad a. 872—.876. 


Bon Anfang bes d. bis Anfang des 11. Jahrh. 315 


von bier aus in das. Pictenland und Stratheiyde . gemacht. 
Doch auch bier brachte bie Nothwendigkeit der Beſtellung der 
veröbeten Felder. und die überwältigende. Freude bei Beſitzes 
viele. Dänen zu feſten Anſiedlungen, und die Haͤnde welche 
Ruder und Speer geſchickt zu handhaben wuſſten, erlernten all⸗ 
maͤlig den Gebrauch des Pfluges und der Egge. 
Waͤhrend Healfden die Seinigen in Kriegs⸗ wie in Stier 
dens⸗ Künfien übte, waren: bie Könige Gothrun, Oſtytel und 
Anwynd, ald fie:von Repten aufbrachen,. nach Cambrivge ges 
jogen, um bort zu überwintern. Im folgenden Jahre muffte 
abes auch diefe Gegend, welche der Nothdurft ihres. Lebens 
nicht ‚genügen konnte, wieber verlaſſen werden, und raſch auf: 
brechend eilten ſie in das Land ‚der Dorfäten und bemächtig 
ten ſich des. Schloſſes Warham, welches, am britiſchen Mittel⸗ 
meere — wie der Canal damals genannt wurde — gelegen, 
ihnen für Raubzuͤge in Meffer ſowohl als fuͤr Seeraub und 
—— ber. fraͤnkiſchen Kuͤſten gleich guͤnſtig war. Alfred, 
obgleich im vorigen Jahre zur See ſiegreich gegen ſieben 
Schiffe ) der Normannen, hielt:es doch für vathfamer: das 
Her in Warham abzulaufen und erhielt von bemfelben: das 
Berfprechen ſchleunigen Abzuges; unter: Stellung: von angefehs 
nen. Geiſeln und eidlicher Bekraͤftigung auf Reliquien?) und, 
was die Diden als vorzuͤglich heilig: bisher. nicht hatten thun 
wollen, auf dem Armbande. Doch, die nie dad Wort gebun- 
den hatte, feffelte auch jeßt nicht Geifel und Eid. Bel Nacht 
uͤberfielen fie die Reiterei des Koͤnigs, metzelten bie Krieger 
nieder, und waͤhrend eine Schaar in Warham blieb, ritt die 
andre auf den erbeuteten Roſſen nad) dem für ihre Beduͤrf⸗ 
niſſe nicht weniger vortheilhaft belegnen Exeter „ſetzte ſich im 
deſſen Beſitz und uͤberwinterte daſelbſt. Eyeter und Warham 
bildeten jetzt fuͤr die von allen Seiten hinſtroͤmenden Norman⸗ 


nen Anziehungspuncte, welche die Unabhaͤngigkeit des übrigen 


Weſſer gefaͤhrlichſt bedrohten. Alfred belagerte im Sommer 
15) So chron, saxon. und Athelw eard. —Asseri annal. Henr. 
Huntend. ‚Die Zahl ichs bei Affers AÄlfred und Floreng 


: 23 3 möchte hier nicht. über: Älfreds Leichtglaͤnbigkeit ſpotten, 
fondern vielmehr Hierin einen Beweis fon daß eine aholte Verehruns 
der Gebeine bei jenem Volke ſtattfand. 


316 Dritte Abteheilung. 


die erften Städte, ohne jeboch fich derſelben bemächtigen zu 
koͤnnen. Er ließ nımmehr, um ferneren Landungen fichrer vor 
zubeugen, an allen Küften größere ald die bisher gefannten 
Schiffe erbauen, um mit denfelben bie Mündungen ber Ströme 
zu .bewachen '). Seinen Sciffern verbot er den Feinden auf 
dee See Proviant zu überlaflen. Die neue Flotte bewährte 
fih bald. Hundertundzwanzig (in der Sprache jener Zeit ein 
großes Hundert) Schiffe mit neuen dänifchen Kriegern waren 
feit emem Monate auf der See zuruͤckgehalten, ohne ihre Ziel, 
die neuen Nieberlaffungen in Weſſex, erreichen zu koͤnnen. Bei 
Swanawyk begegneten ihnen Xlfreds Seeleute, welche fie mu⸗ 
thig angriffen und auseinandertrieben. Herumirrend, vom Ufer 
ſich weiter entfernend, geriethen die dänifchen Schiffer in Stru⸗ 
del und Untiefen, in welchen fie beim Nebelwetter Alle ver 
ſanken?). Diefer Unfall der Dänen erleichterte den Weſtſach⸗ 
fen bie Abſchlieſſung eines Vertrages mit den Seekoͤnigen zu 
Exeter, welche in demſelben Jahre dieſe Stadt wirklich verlieſſen 
und nach Gloceſter in dem merciſchen Lande der Hwiccas ?) zogen. 
Andre Schwärme. der Dänen hatten ſich mittlerweile auch Lon⸗ 
dons wieder bemächtigt ſowie der weftfächfifchen Lande *), und 
zur Weſſex war jest nicht unter der Herrfchaft der Dänen. 
In Suͤdwales überwinterte damals der berühmte Rollo oder 
ein Bruder bed Inguar und Healfden, vielleicht Hubba.°), und 


1) Impositis piratis. ber biefen Sprachgebrauch f. oben S. 86. 


2) In Affers Leben Älfreds z. 3. 877 find zwei verfchiebene Be 
richte über die Vorfälle diefes Jahres. Der Teste ſtimmt wörtlich mit 
Affers Annalen, chron. saxon., Florent. Wigorn. 

8) Äthelweard ift hier genauer als bie übrigen Quellen, welche 
nur von Mercia ſprechen. 

4) Henr. Huntendon. 

5) Asseri vita Aelfredi ad a. 878 fagt nur: frater Hynguari 
et Healfdenae. Ebenſo chron. saxon. und Florent. Henr. Hun- 
tend.: frater Halfdenne. Sur Äthelweard, der gegen Affer 
nicht entfcheibet, hat: Advectus est Healfdene Inguuaris tyranni fra- 
ter, welchem Palgrave II, 264, ben Florenz irrig citicend, folgt. 
Simeon Dunelm. Chron. Mailros. Hoveden u. 2%. Iaffen In 
guar und ‚Healfden Beide felbft landen. Spelmann Acdfredi vita 
nennt hier mit größter Suverficht den Hubba, und nach ihm ohne Recht: 
fertigung Turner. — Bromton u. %, welche des Hubba bei b. 9. 





Von Anfang des 9. bis Anfang des 11. Zabel. 317 


. \ 
wahrfcheinlich war es in Folge einer Übereinkunft der zu Glos 
cefter weilenden MWilingen mit Hubba, daß im: Anfange des 
folgenden Jahres ein Angriff auf Weffer von verfchtednen Sei⸗ 
ten ber gemacht wurde. Gothruns Heer fiel in den Wilfäten- 
gau ein und nahm die Eönigliche Villa Chippenham, von wel: 
chem’ Standquartier auöftrömend fie dad Land befegten. Hubba 
Yandete im nördlichen Devonfhire mit 23 Schiffen und um: 
zingelte das ſchwach ummauerte, doch durch feine. Lage ficher 
geſchuͤtzte Schloß Cynwith, wohin viele treue Dienftimannen 
freds fich geflüchtet hatten). Die Belagerer hofften die Feſtung | 
durch Waffermangel und Hunger zur Übergabe zu zwingen; 
doch die Vertkeidiger, ehe fie in folche Schmad, einwilligten, 
wagten bei Tagesanbruch einen unerwarteten Ausfall, durch 
den fie den Dänen den Weg zu ihren Schiffen abfchnitten und 
fowohl Hubba ald ein großes Zaufend feiner Begleiter?) nie 
dermetzelten. Eine wichtige Siegestrophaͤe waren die Fahnen, 
in welche Inguars und Hubbas drei Schweſtern an einem 
Tage den Vogel Odins, einen Raben, gewebt hatten, welcher 
durch das Flattern oder Herabhaͤngen der Fluͤgel des Vogels, 
welchen der Volksglaube fuͤr lebend anſah, Sieg oder Nieder⸗ 


gedenken, ſagen, daß er ſchon bei Chippenham gefallen ſei, wo ein 
Grabhuͤgel, Ubbelowe genannt, ſein Andenken erhalte. — Nach chron. 
turon. war Rollo im erſten Jahre der Regierung Karls des Dicken, alſo 
877— 878 nach England gegangen. ©. bei Duchesne scrr. norman. 
p. 26. Die Angabe Guidos, bei Albericus 3. 3. 880, daß Lob- 
brogs Sohn Bjorn mit feinem Lehrer Haſting um biefe Zeit nach Eng- 
land gekommen fei und gegen Älfred geſochten habe, iſt nicht als genau 

chronologifch anzufehn. 


1) Zurner, Lingard und Palgrave nennen unter biefen ben 
Ealdorman Ddun ober Odda von Devonfhire. Die dort angeführte 
chron. saxon. und Florent. Wigorn. rechtfertigen diefe Angabe nicht, 
wohl aber Äthelweard, dem man glauben barf, wenn er nicht ältern 
Quellen widerſpricht. Diefer fagt jedoch hier: rex ruit, octoginta 
quippe cum eo decades: postremo victoriae obtinent locum Dani. 
Odun fheint nur von Spelman a. a. D. zu flammen. 

2) &0 Asser; chron. saxon. und Henr. Huntendon haben bie 
Zahl 840, worin 24 hloth. (24 >< 85) enthalten find. Diefelbe Bol! Mans 
nen tft es welche Arthur erfchlägt.- 


313 | Dritte Abtheilung. 


lage dem fuͤr ſolchen Trug nicht unglaͤubigen Heere andeutete '). 
Unerachtet dieſes einzelnen Erfolges war die Lage von Wefler 
eine hoͤchſt bedrängte. Die Dänen waren norbwärts fo weit 
vorgebrungen und verheerten das. Land mit folcher Gewalt, 
daß: nur noch der Sau der tapfern Sumorfäten ihnen nicht 
preiögegeben war. Auf viele feiner Unterthanen, . namentlid 
die aus altbritiichem Stamme, durfte Alfred in dieſen Zeiten 
der Gaͤhrung nicht zählen. Viele Eingeborne, von Mangel und 
Zurcht getrieben, entflohn übers Meer. Andre zogen es vor 
fi) den grimmen Heiden: zu unterwerfen und verlieffen, ja 
empörten fich wider den allein flandhaften König”). Hätte 
ihn damald ein: feindlicher Speer getroffen, haͤtte ſein hohes 
Herz verzagen, ihn zu einer ſchwaͤchlich verzweifelnden Aufopfe⸗ 
rung reizen oder ihm Rettung bei uͤberſeeiſchen Stammgenoß 
ſen geſtatten koͤnnen, ſo waͤre der Koͤnigsſtamm wie die Frei⸗ 
heit in England erloſchen; dieſes Land wäre die Beute, wäre 
die Wüfte der Seeräuber geworden. Mit wenigen XÄthelingen, 
Dienftmannen und Kriegern ®), unter denen wir Äthelnoth, ben 
Ealdorman der Sumorfäten kennen, brachte der König, von 
feinem Volke verlaffen und getrennt, in den Wäldern und 
Marfchen Somerfetd mehrere Wintermonate gleich einem Fluͤcht⸗ 
linge zu. Der Unterhalt der Seinigen muffte mit Lift ober 
Gewalt den Heiden oder den denſelben untergebnen Chriften 
entwandt werben. Er felbft erzählte in fpätern Tagen gerne 
von jener Verdunklung feines Gefchides. Eine fihere Schuß 


1) Von biefen Fahnen ſ. Asser. ad a. ‚878. Encom. Emmae 
apud Langebek scrr. rer. danic. V, 485. 


2) Die Meuterei der Feigen, fo fehr fie aus, den gegebnen Ber: 
haͤltniſſen folgen muffte, wird nur von Äthelwearb- fpäter b. 3. 886 
angebeutet: Aelfredo — quem non ingenio, quem occursu non supe- 
raverat civilis discordia saevo. 


8) Affers Worte: cum paucis suis nobilibus et etiam cum qui- 
busdam militibus et vasallis — in magna tribulatione inquietaın vi- 
tam ducebat — haben Zurner und Diejenigen überfehn, welche Al⸗ 
fred in den duͤrftigſten Bettlerhuͤtten herumirren laſſen. Jener Ütheb 
noth wird hier nur von Äthelmeard genannt, body ift er ohne Zweifel 
derfelbe Galborman diefes Ramens, welcher im I. 894 in biefer Gegend 
-focht. ©. chron. saxon. Aethelweard. KRlorent, h.a - 


. 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Sahıh. 319 


ſtaͤtte hatte er bei einem feiner Kuhhirten gefunden. - Eines 
Tages faß er heim Herde, für fich Pfeile und Bogen fchnigend, 
als die emfige Hausfrau, ihres hohen Gaſtes unkundig, mit 
Brotbaden befhäftiget war. Das Brot, zu nahe dem Feuer, 
begann zu brennen, als jene den Danebenfigenden anfuhr: 
Sichft nicht brennen das Brot, du Menfch, und fäumft es zu drehen, 
Der das Heiffe zu gern nur oft ſchon Haft uns verfchlungen *)} | 
Eine andre Erzählung, wie. Älfred allein in. feinem Haufe 
die heil. Bücher oder vaterländifche Annalen leſend faß, waͤh⸗ 
rend fein Gefinde auf den Fifchfang ausgegangen war und er 
einem anflopfenden Bettler die Hälfte des lebten Brotes gege⸗ 
ben, darauf ihm im Traum der heil. Guthbert erfchienen und 
die Wiederherſtellung in fein Reich ihm verheiffen, bezeichnet 
wenigftend den Charakter, welchen die Angelfachfen liebten und 
der deöhalb von ihnen ihrem Älfred zugefchrieben wurde ?). Wir 
erfahren aus diefer Sage noch, daß Älfreds treue Mutter Os⸗ 
burge, welcher er das bedeutfame Zraumgeficht fogleich mit⸗ 
theilte, nicht. den Sopn und dieſer die Mutter nicht verlaffen 
hatte. Rad) wenigen Monaten, um "Offen, ‚gelang ed dem 
König mit dem treuen Adel der Sumorfäten in einem durch 
Moraft und Wald geſchuͤtzten Drte eine Burg aufzumerfen, 
welche den Namen der Äthelings:Ey (Infel), hernach Äthelney 
lange getragen hat. Sie lag näher bei Somerton ald Taun⸗ 
ton, öftlich am Parretfluffe und ift der ſpaͤten Nachwelt nicht 
nur durch Sagen, fondern felbft durch einen dort gefundnen, 
wit Alfreds Namen bezeichneten goldnen Halsſchmuck nachge⸗ 
wiefen ’). Von bier aus wurden unermüdlich Streifzüge gegen 


1) Ich ſtehe nicht an, dem würdigen Affer hier auch in feinen Ver: 
fen zu folgen. Es kann nicht genug darauf aufmerkfam gemacht wer⸗ 
den, wie die Poefle in Form und Inhalt den dürren Iahresregiftern 
des Mittelalters ſich anzufchmiegen nur wenige Zahre ſich enthalten Eann. 

2) Historia de S. Cuthberto apud Twysden 71. Ingulph. 
Will. Malmesb. j 

8) ©. vie Zeichnungen in Hickes thesaur. I, 142, Ich möchte 
nicht zweifeln, daß jenes Kunſtwerk in England verfertigt fein koͤnne, 
wofür die angelfächfifche umfchrift ſpricht. Aſſer fagt ausdruͤcklich, daß 
Alfred „aurifices* fehr gefördert Habe. gl. Camden Britannia ed. 
Gough.- Die Nähe von Gumerton: ergibt ſich übrigens ſchon durch 


320 Dritte Abtheilung. 


die Feinde unternommen: und neue Verbindungen mit den 
Freunden angefnüpft. Afreds eigne Wirkſamkeit, Muth und 
‚Schlauheit find uns in der Erzählung bezeichnet, wie ex, feine 
Kunde heimatlichen Geſanges benugend, als Harfner im das 
Lager der Dänen ging und während dieſe ſich des freigebi: 
gen Liederſpenders erfreuten, das Lager, bie Zahl ber Feinde 
und die Zuruͤſtungen derſelben erfpähte‘). Nach fieben Bo 
‚en gelang ed ihm mit feinen Getreuen ber drei Gauen Su 
morfet, Wilts und Hampton auf beflimmter Zagfahrt zufam 
menzulommen, beim Xgbrythöfteine, gelegen am öftlichen Ende 
des vom Öftlichen Sumorfet nad Devonfhire fi) hinanſtrecken⸗ 
den Selmood (Weidenwaldes), ber bedeutend genug war um 
einer befondern Shire ben Namen zu geben, jest aber, gleich 
fo vielen der ungeheuern Waldungen, welche England noch bis 
in das bdreizehnte Jahrhundert hinab bedeckten, kaum den Als 
terthumsforſchern befannt if. In dem Schatten biefes Wal 
des wurben bie Gelübde der Treue erneuert; am folgenden 
Tage ruͤckte das Heer bis Acglea (Ilay) ?) zunächft Ethandım ’) 
-(Heddington), wo ed die bereitd von feiner Ankunft unterrid: 
tete Hauptmacht der Dänen antraf. Diefe zauderten nicht 
einen blutigen Kampf mit den für Vaterland. und Freiheit fech⸗ 
tenden Sachſen zu wagen; nach heftigem Widerſtande unterlie 
gend, ergriffen fie die Flucht, um ſich in ihre Feſte zuruͤckzuzie⸗ 
ben. Alfred folgte ihnen auf dem Fuße und belagerte biejenis 
gen, welche dem Rachefchwert entronnen waren. Nach vierzehn 
Tagen erboten fich die Belagerten das Land zu. verlaffen, wenn 
ihnen der freie Abzug geflattet würde; fie erflärten fich bereit 
jeglichen unter ihnen ald Geifel zu ftellen, während Feine von 
Üfred verlangt wurden. Der König nahm dieſe Bedingung 
an, welche auch bald erfüllt wurde. Eine nicht minder wid 
tige Folge diefed Sieges war, daß der Dänenfürft Gothrum, 


Affer, welcher diefen Ort dreimal b. 3. 878 ftatt Sommerfet nennt, 
fowie aus histor. 8. Cuthberti bie des nahgelegnen Glaftonbury. 


1) Ingulph. Will. Malmesb. Auch Guido bei Albericus 
b. 3. 880. | | 


2) ©. die Specialfarte in Ingram saxon chron. z. 3. 878. 
3) Diefen Namen haben Affer, chron. saxon, und Äthelwearb. 


» Bon Anfang des 9. bis Anfang-des 11. Jahrh. 32 


auch Gormub genannt’), den Entſchluß faſſte zum Chriſten⸗ 
thum überzutveten und baburch die Aufhebung des feindfeligen 
Gegenfages zwiſchen ben: diteren Bewohnern und den neuen 
nordifchen Anfiedlern ‚der Infel zu vermitteln: Die heil. Taufe 
wurde unfem von Äthellingburg an ihm: und dreiſſig feiner 
‚vomehmften Mannen vollzogen; Guthrun erhielt Den Namen 
Athelſtan; AÄlfred nahm ihn ald Sohn an, aus dem Taufwaſ⸗ 
ſer ihn emporhebend, worauf der Ealdorman der Sumerſaͤten, 
Athelnoth, ihn feierlich abtrocknete. Die beiden Könige blieben 
zwölf Tage bei einander, und Alfted überhäufte bie Dänen 
mit reihen Gaben ?). 

Die daͤniſchen Krieger: verlieffen nunmehr Weffer und zur 
gen nach Giruncefter, im Lande der Hwiccas. Cine nette, von 
jenfeit des Meeres herübergefommme feindliche Flotte landete, 
doch ging ſie die Themſe nicht weiter als Fulham hinauf und 
ſchiffte im folgenden Jahre, Britannien verlaſſend, nach Gent. 
Der Fuͤhrer derſelben war Haeſten oder Haſting Ns ein Name 


-1) Ingulpk. will, Malmesb; 
‘ 2%) mid micelum fe. Chron. saxon. — Multa et .optima aedifi- 


cin. Asser. Florent. Wigorn. Sollte für aedikeia nicht bne- 


ficia geſchrieben ſein? 


8) Affer 879 — 881. Wilhelm von Malmesbury. Elis 
nand bei Albericus 3. 3. 880 beinahe mit denfelben Worten wie 
Wilhelm von Malmesbury. Annal. vedastini et Hincmar. 
Rhemens. ad a. 882. Die Zeitrechnung ber frühern Thaten Haſtings 
beruht vorzüglih auf dem von neuen Schriftftellern kaum genannten 
chron. turon, bei Duchesne scrr. rer. normann., wornach er bereits im 
3. 841 (nit 851 wie Guil. Gemmetic.) mit Bjorn nach Frank⸗ 
veih Lam. Die Jahre 856 und 858. dafelbft find zu vergleiden mit 
Prudent. Trecens. ad a, 857 et 858, wo der Vertrag, den noch 
jener Haſting mit Karl dem Kahlen fchloß, hier von dem Pringen Bjorn 
erzählt wirds. Der Zug nad) una im chron. turon. wird viel wahr: 
ſcheinlicher durch Prudent. Trecens, ad a. 859, welcher fagt, daß 
die Dänen. ſchon die Inſel la Camargue und bie Mündung ber Rhone 
befegten, von wo ber Zug nach dem Golfo di Spezzia fehr leicht war. 
Die Stelle: in Hincmar. Rhemens. ad a. 866 (woraus chron. nor- 
mann. ad a. 869), wo pagus- Italiae durch Perg in pagus Imalise 
(Affel) ſchoͤn verbeffert wird, darf nicht auf Haflings mit Turner ge 
sogen werben. Später vgl. Rhegino ad a. 867. 874. Gesta domin. 
Ambazian. ad a. 877 bei Duchesne |. |. p. 24 und den Verfolg Une 

Lappenbergs Geſchichte Englands I. 4 | 


8 


322 Dritte Abtheilung. 


welcher dem noͤrdlichen wie dem ſuͤdlichen Europa furchtbar 
wurde, und durch welchen die Fahrten der Normannen der Ge⸗ 
ſchichte Europas in jenem Jahrhunderte ein grauſenvolles Band 
und eine traurige Einheit ertheilt haben. Das gemeinſame In⸗ 
tereſſe an dieſen Raubzuͤgen ſpricht ſich ſelbſt in den kurzen ber 
zeitigen engliſchen Jahrbuͤchern aus, welche bie wichtigſten Wan⸗ 
derungen der Normannen in Belgien und im noͤrdlichen Frankreich 
verzeichnen, ſogar wenn ſie Nichts uͤber das eigne Vaterland 
berichten. Es wird erzählt, wie nach einem Zteffen mit den 
Franken im 3. 881, worin wir das bei Vimeu erkennen, bie 
Normannen Roffe erbeuteten. Die Züge nah der Maas und 
Aiſne werden berichtet, wie der laͤngs der Schelde und die 
iiberwinterung im Kloſter Condé); auch die Schlacht bei 
Haslo wird nicht vergeffen?),. bis dann die Irrzüge jene 
ruhe⸗ und frieblofen Bolfes fie wieder nad) Britannien zurid— 
Bringen. 

Guthrun war im J. 880 mit ſeinem Heere ve von Girencefler 
aufgebrochen und in das ſchon feit vierzehn Jahren von den 
Dänen befeste Oſtanglien eingerüdt: Vermuthlich war es eine 
Folge der früher getroffnen Abkunft mit Alfred, daß er diefes 
Land nunmehr ganz unter die Seinigen: vertheilte und als Kbs 
nig dieſes Landes, eines vom Könige von Weffer verlichnen 
Lehns, herrſchte). Der vorhandene Vertrag, welchen König 


ferer Erzählung. Nach diefer Zufanimenftellung bedarf es wohl Taum 
der Erwähnung, daß ich den Haeften für eine einzige hiſtoriſche Perſon 
nehme und diefe Anſicht für befier begründet halte, ald Suhms ver 
worrne Citatenmaſſe und bie unbeſtimmten Angaben Anderer es ſollten 
vermuthen laſſen. 

1) Aſſer. Chron. saxon. ad a. 880—888. 


2) Escelun bei Aethelweard ad a, 882. Diefe Jahreszahl if 
in Übereinftimmung mit ben annales vedastini und anbern fränkifchen 
Angaben. Die Überwinterung in Gent und Condé, nad ben eriglifchen 
Quellen in den Jahren 880 u. 883, fegen die annales vedastini ein Safe 
früher, womit Hincmar. Rhemens, ad a. 880. (Normannos in 
Ganto residentes) und annal. fuldens. ad a. 880 (Nordmannos, qui in 
Scalta fiuvio longo tempore residebant) übereinftimmen. 

8) Malmesb. II, 4 Gorm, der Engländer, welcher um biefe 
Zeit Guthruns bei Saxo grammaticus und in der Erich s-Chronik 
‚unter ben daͤniſchen Koͤnigen genannt wird, möchte biefefbe Perſon fein; 


\ EAU 


Bon. Anfang.ded 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 323 - | 


Alfred. und. alle. Witan englifchen Geſchlechts mit Guthrun und 
allem. Volke das in Oſtanglien wohnte abichloß, beſtimmt 
zunächfi die. Landesgrenzen; aufwärts der Themfe, fodann auf: 
waͤrts des Leafluffes, diefem entlang bis zu feinem Urfprunge, 
dann rechts nach Bedford, und fodann die Dufe hinauf bis zu 
der Watlingftraße. Die übrigen: Verfügungen, welche gemein- 
fchaftlich zwifchen ‚beiden Voͤlkern beliebt wurden, feßen, vor⸗ 
zuͤglich durch Feſtſtellung defjelben Wergeldes, vollflommene 
Nechtögleichheit zwiſchen denfelben feſt und regeln den Handels⸗ 
verkehr: ſowie das: gerichtliche Verfahren in den zwifchen beiden 
Bölkern entſtandnen Streitigkeiten. Auffallend find die Be⸗ 
flimmungen, welche durch ihre desfallfi igen Verbote und bezeu- 
gen, daß freie wie hoͤrige Engländer zu dem Heere der Dis 
nen uͤberzugehn pflegten. Don folchen chriftlichen Fluͤchtlin⸗ 
gen, welche bei den Normannen ſogar Huͤlfe gegen die eignen 
Landsleute ſuchten, finden ſich manche Beiſpiele und ein ſehr 
auffallendes begegnet und hier. Iſembard, Here von la Ferté 
in Ponthieu, war mit König Ludwig, dem Sohne Ludwigs des 
Stammlers, in einen Zwift gerathen und zu Guthrun, ſchon 
ehe diefer Chrift geworden, geflüchtet und demfelben willfom= 
men gewefen. Er begleitete diefen auf feinen Zügen durch 
England und führte ihn, dem die ‚abgefchloffenen Verträge 
Muße, aber Feine Ruhe gaben, nach feinem Vaterlande, wo 
fie, nach vielen -Verheerungen und der Verbrennung der reichert 
Abtei St. NRiquier an der Somme, vom Könige Ludwig II. 
bei Vimeun '), mit Anftrengimg feiner legten: Lebenskraͤfte, zu⸗ 

ruͤctgetrieben wurden ?). = 


doch iſt nicht mit Turner zu uͤberſehn, daß Gorm in England gebo⸗ 
ren, aber bereits ſein Vater Frothi England beſiegt haben und daſelbſt 
getauft ſein ſoll. 

1) Dieſe Schlacht iſt den Deutſchen beſonders durch das auf die⸗ 
ſelbe gedichtete deutſche Siegeslied bekannt. Daß in Neuſtrien damals 
die deutſche Sprache nicht verdraͤngt war und wie ſich ſpaͤter die Sprach⸗ 
grenze der Deutſchen und Franzoſen bildete, habe ich in der obenerwaͤhn⸗ 
ten Recenſion Deppings kurz ausgefuͤhrt. 


2) Die Hauptſtelle gibt der Cantor Guido de Bazache, welche 


wir nur aus den von Alberich gegebnen Auszügen kennen. ©. Al-. 


berici chron, ad a, 881. Guthrun wird hier Gnorrmund genannt, 
| 21* 


RT Dritte Abtheitung. 


| Auffer dieſen findet fich noch in einer Beflätigung von Eos 
ten ber Nachfolger beider Könige eine andre Satzung ber Könige 
Afred und Guthrun, welche und zeigt, daß das Chriftenthum 
bereitö als die Staatöreligion des dänischen Volkes in England 
angefehen wurde, wie auch das Fortbeſtehen der geiftlichen 
Würden in ben dänifchen Landen beweifl. Jene Satzung ent: 
bält eine Reihe von Strafgefehen, zus Erhaltung der wefent 
lichften Borfchriften ber Kirche wie des Staates, woeldye fi 
bier bei beiden Völkern die Hand reichten, um Orbnung und 
Sitte zu erhalten und fogar, zur Foͤrderung ber gemeinfchaftlis 
hen Aufficht, die weltlichen Bußen unter ſich theilten. De 
Gedanke, die Fremden, welche aus dem Lande ganz wegzuwei⸗ 
fen durch die Schuld des legtvergangnen Sahrhunderts nicht 
mehr möglich war, jebt durch Eine Kirche und Ein Geſetz 
mit feinem Volke zu vereinigen, bewährt und die großartige 
Sefinnung Xlfeedö, zu großartig freilich um auf ein bereitwill⸗ 
ges Entgegenfommen ber Menge und zumal jener dem Raub 
ſchwer entwöhnten Seeräuberhorben rechnen zu. fönnen. 
England erfreuete fich in dieſem Jahre des langentbehrten 
Friedens und winde nur m einzelnen Gegenden durch bie 
Normannen beunruhigt. Alfred wirkte eifrig für die Kuͤſtenbe⸗ 
wachung durch Schiffe und wies dadurch manchen Raubzug 
von feinem Lande ab. Im Jahre 882 hatte der König von 
Frankreich, Ludwig III., kurz vor feinem Tode, mit Hafling, 
welcher mit feinen Schiffen die Loire befegt hielt, eine Abfim 
dung gefchlofien ‘). Die Rormannen verlieffen die dortige Ge 


wie in ber kurz vorher bafelbft ercerpirten Stelle aus Malmesbury. 
Auch chron, 8. Rioharii bei Bouquet VIII, 273 nennt ihn Guar® 
mund und laͤſſt ihn bei Bimen fallen, eine Nachricht welche Eeine wei 
tere Beglaubigung finde. Wenn Guthrun Frankreich wieder verließ, 
ſo war dieſes dem Kloſterchroniſten jener Zeit Grund genug ihn als 
erſchlagen zu betrachten. 


1) Annal, vedastini ad a. 882. Hiudowicus vero rex Ligerim 
petiit, Nordmannos volens e regno suo eiicere atque Alstingum in 
amicitiam recipere; quod et fecit. Hincmar. Rhemens. h. a. 
 Bastingus et complices illius Nerdmanni ex Ligeri egressi, mari- 

timas partes petierunt. Depping hat jene Verhanblang — 
fowie Turn er deren hoͤchſt wahrſcheinliche Beziehung zu England, Mir 


/ 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 3% 


gend und beabfichtigten eine Landung in Weller. Doc Alfred 
kam ihnen auf dem Meere mit feiner Flotte zuvor und errang 
den vollfiändigften Sieg. Zwei Schiffe der Feinde wurden 
genommen, nachdem die ganze Beſatzung derſelben getöbfet 
war; die Anführer auf zwei andern, durch den Kampf und 
Wunden ermattet, nach abgelegten Waffen mit gebeugtem Knie ı 
um Gnade flehend, überlieferten fi) mit ihrer Mannfchaft den 
Siegern. Haſting ſelbſt focht noch in demfelben Sahre in der 
berühmten Schlacht bei Haslo gegen den Kaifer Karl. Eng⸗ 
land blieb auch noch einige Zeit von ben gefährlichen Gäften 
befreiet, welche längs der Schelde und des Rheins fich ver: 
breiteten, doch bei Norden und Vimeu ſtarke Niederlagen eve 
ütten. Schon im 3. 884 wurde es für diefe rathſam jene 
- außgeplünderten Gegenden für einige Friſt zu verlaffen und 
andre aufzufuchen, in welchen das Feld der Beute einige Jahre 
brach gelegen hatte. Das Heer theilte fih und eine Abtheis 
lung ging nach Löwen, eine andre fegte mit vielen Pferden bei 
Boulogne über die Hovede (fo nannten unfre Vorfahren dem 
englifhen Canal) und landeten in Kent‘). Die Dänen bela- 
gerten Rocheſter und legten eine Feſte dieſer Stadt gegenüber 
an. „Doch vertheidigten fich die Einwohner berfelben muthvoll 
und gluͤcklich, bis Alfred ein Heer zufammenziehen und den Bes . 
lagerten zum Entfage kommen konnte. Die Seinde flohen, mit 
Zurüdlaffung. ihrer Roffe und Gefangnen, zu den Schiffen und 
größtentheild, in uͤberſeeiſche Länder. Ein Xheil derfelben ging, 
wenn wir bem verworren ſchwuͤlſtigen Berichte des Xtheling 
Üthelweard vertramen bürfen, an das nördliche Ufer der Themſe, 
wo ſie fi zu. Benfleet in Effer nieberlieffen ımdb, von ben | 
Landleuten in Oſtanglien, welche auch in der Erfeßung ver 
florbener oder entlaffener Geifeln fäumten, unterftügt, Raubzüge 


dürfen, da wir Alfting oder Hafting auf diefer Wanderung wiflen, ihn 
um fo cher auch in dem normannifchen Königenamen Bald, ber in die⸗ 
fem Iahre bei Haslo gegenwärtig war, fuchen. ©. annal. fuldens. 


1) Affer b. 3.884. Henr. Huntend, Äthelweard 6.9.9. 
gebenkt auch des Zuges nach Löwen. Annal. wedastini ad a, 884. Dani 
Bononiam veriunt; pars illorum transit mare, atque pars Luva- 





3% Deitte Abtheilung. - 


veranflalteten ). Alfred fandte daher feine Schiffe, mit Krie⸗ 
gern ſtark bemannt, zum Lande ber treufofen Herrſcher Of: 
angliens, an deſſen Küfte zu Stourmouth feine Seeleute zehn 
Schiffe der Widingen mit allen ihren Schägen nahmen. Dod 
als Alfreds Schiffe fid) nach Haufe wenden wollten und, ſchon 
aus dem Hafen herauögefegelt, auf offenem Meere bei Nacht 
wenig aufmerffam waren, wurden fie von den Feinden, welde 
fehnel von allen Seiten mehr Schiffe herbeigezogen - hatten, 
überfalfen und befiegt. Ungeachtet dieſes letzten Unfalles flelte 
Alfred bald die Altern Lehndverhälmiffe der Dänen in Oft 
anglien wieder ber, und es fcheint felbft daß. er Guthrum-Ätyek 
flan gänzlich vertrieben haben würde, wenn dieſet nicht durd 
Den berühmten Rollo, den nachherigen erflen Herzog der Nor 
mandie, zeitige Hülfe erhalten hätte. Diefer, ber aud feinem 
Baterlande verbannte Sohn Rogewalds, Herm von Mör, 
war im 3. 875, gleich nach der großen. Schlacht von He 
fersfjörd, welche den König Harald Schönhaar zum Herm der 
Eleinen Könige des feit jener Zeit ald Norwegen benannten 
Landed gemacht hatte, nach England gelommen, hatte freund: 
fchaftliche Verbindungen: mit Guthrun angeknüpft und war, 
wie die Sage erzählt, durch einen bedentungsvollen Traum be 
wogen, nad der Normandie gegangen ?).: Der Belagerung 
von Paris dur, feine Landöleute entzog er fich in jenem Jahre, 


15) So viel ſcheint mir in einer dunkeln Stelle Athelweardsb. J. 
885 zu liegen, welche alle engliſche Geſchichtſchreiber ganz unbeachtet 
laſſen. Sie, erklaͤrt uns den folgenden Feldzug gegen bie. Oſtangeln, zu 
bem wir in den übrigen Quellen gar Feine Veranlafjung wahrnehmen; 
es fei denn daß wir Affers Worte praedandi causa. für eine folde 
halten, was Üfred zum Seeraͤuber ftenipeln würbe, ober richtiger die 
am Schluſſe diefes Jahres bei Affer und chron. saxon.: gegebne Notiz, 
daß das Heer in Oſtangeln den Zrieden gebrochen, für die von Äthel: 
weard erweiterte, bei jenen nur irrig zu fpät eingeſchaltete Nachricht 
erkennen wollten. 


2) Asser. vita Aelfredi hat hier eine ausführliche Nachricht, welde 
ein neuer Zufag aus ben f. g. Asserii annales if. Florent. Wi- 
gorn. und fpätere Handfchriften des: chron. saxan. erwähnen nur ber 
Ankunft Rollos in der Nosmandie. Die Nachricht von dem Zraume 
berubt auf normannifchen Sagen bei Dudo von St. Quentin, 
nicht aber, wie ein englifcder Kritiker meint, auf Albert Grang. 





Bon Anfang bes 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 827 


als Älfred den. Guthrun angriff, um Letzterem zu Hülſe zu eilen, 
was ihm. fo vollfommen gelang, daß: diefer ihm die Hälfte: fei- 
nes Reiches ‘anbot, welches. Exrbieten jedoch Rollo, ſowie die 
Aufforderung. das Chriftentkum anzunehmen, ablehnte. 

In der eben angegebnen Weife deuten wir. die: wunder: 
liche Nachricht der neuern Hiftorifer, daß Rollo mit dem Kö: 
nige Alfred befreundet gewefen und um ihn zu retten von den 
Thoren der Stabt Paris weggeeilt. fei. Der ältefte Gefchicht- 
fehreiber der Normandie, Dudo, der Mönd von St. Quentin, 
erzählt nämlich, daß alles dieſes fich zwifchen Rollo und Alfte- 
nius ober Athelften, König der Angeln, begeben habe ). Un 
ter diefem Legtern ift von Dudos Nachfolgern, vermuthlich fchon 
von ihm felbft, der Enkel Alfreds, welcher jenen Namen fuͤhrte, 
verſtanden und darauf von einem halbkritiſchen Geſchichtſchrei⸗ 
ber, John von Wallingford, welcher die Bemerkung gemacht, 
daß, da dieſer Äthelſtan fpäter als Rollo gelebt habe, er mit 
Alfred verwechfelt fein müffe ?), "welche Nachricht dann freilich 
die gegründetften ‚Bedenklichkeiten verurfacht hat. Erinnern wir 
und aber,. vaß Guthrun bei der Taufe den Namen Üthelftan 
angenommen hatte und unter diefem den normannifchen Geift: 
lichen befannt fein mufite, fo iſt das Raͤthſel fo einfach als 
genügend ‚gelöft, und wir fehen wieder, wie felbft ein Unge⸗ 
thuͤm von Sage einen fchägbaren biftorifchen Kern enthal⸗ 


ten kann. 
Eine Reihe von Jahren blieb England jetzt unbefeindet 


1) ©. Dudo. Wilhelm. von Zumieges, Robert Wace 
roman du Rou ed, Plougquet T.L Bei Dudo ©. 78 iſt es auffal⸗ 
lend, daß er die Feinde des Alſtan, Königs der Angli, auch Anglos nennt. 
Auch Guil. Malmesb. de gest. pontif. 1. V. bei Gale I, 368. 

2) Diefe von Zurner I, 572 und Depping I, 214 überfehne 
Stelle bes Joh. Wallingford (bei Gale.I, 537) findet fi ſich bei der 
Regierung des englifchen Königs Äthelftan: Reservavit ad istum regem, 
quod superius dixi de Kalfredo et Rollone, scriptorum historiae Nor- 
mannorum (nämlich Wilhelm von Sumieges 3. II. Cap. 4. nad) 
Dudo von St. Quentin), quod nequaguam:stare potest, cum Rollo 
asque ad Kalstäni regnum ex ipso eius volumine et chronicorum sup- 
putatione. convinci possit non pervenisse. Sed et ınulti alii historici 
ob auctoritatem Ealstani ad eum referunt, quae ad eum constat non 


pertinere. 


328 Dritte Abtheilung. 


"son ben Mosmaunen. Guthrun⸗Athelſtan ſtarb im J. 890, und 
ihm folgte nachher ein Sohn oder Neffe gleiches Namens, weis 
her fpäter mit Alfreds Nachfolger dad alte Bünbniß ber ber 
Derfeitigen Vorgänger erneuerte. Der nächte Nachfolger dei 
alten Guthrun fcheint Eohric geweſen zu fein ). 

Bernicia wurbe bamald von Ecgbert für die Dänen ver 
waltet, und das übrige Northumbrien, nach Healfbens Tode, von 
Guthred beherrſcht?). Diefer fol ein Sohn des dänifchen Ks 
nigs Hardikanut gewefen fein, welcher von feinen Landsleuten 
eines englifhen Wittwe zu Wittingham als Sclave verkauft, 
doch durch Vermittlung ſpaͤter wohlbelohnter Geiftlicher. losge⸗ 
kauft und zum Koͤnige der Northumbrier erhoben wurde. Durch 
ihn wurde das Bisthum Durham durch das eingegangne Bis⸗ 
thum Hexham ſehr erweitert und wurden der Kirche des heil. Cuth⸗ 
bert große Privilegien ertheilt, worunter Unverletzbarkeit der zu ihr 
Gefllichteten auf 37 Tage und Gleichſtellung bed Friedensbru⸗ 
ches derfelben mit dem des Friedens des Föniglichen Palaſtes 
oder der Strafe von 96 Pfund Silber. Auf dieſem von ben 
weſtſaͤchſiſchen Königen beflätigten, von ben Biihöfen wohl m | 
haltenen und noch beſſer erweiterten Vorrechte beruhen die Rechte 
ber ſpaͤter fogenannten PM alzgraffchaft (county palatine) und 
der ausgedehnten Juriödiction, welche ber Bifchof von Durham 


1) Guil. Malmesb. II, 8. Florent. Wigorn. Chronic. 
Mailros. ad a, 891. Chron, saxon, ad a. 890. Friedensſchluß der Koͤ⸗ 
nige Edward und Guthrun. Turner I, 579 führt aus einer Hands 
fhriftlichen Biographie des Gt. Neot an, daß Guthrun in Dänemarf 
geftorben zu fein fcheine, wohin fih au Guil. Malmesb. 1. 1. deu 
ten lieffe: posteris perfidiae successionem transmittens, 

2) Diefer wird nur bei feinem Zobesjahre 905 erwähnt. Die Rad 
richt welhe Palgrave bei Wild. v. Malmesbury finden will, daß 
jener vierzehn Jahre in Oſtanglien geherrfcht habe, finde ich bei dem⸗ 
feiden nicht; doch ift die Sache felbft durch den Mangel widerfprechen⸗ 
der Angaben wahrfcheinlih. Der Aelstanus rex Saxonum, deffen Todes⸗ 
jahr in den annal. Cambr. ad a. 898 angeführt wird, könnte Guthrun⸗ 
Äthelſtan II. fein; doch kann ich es nur wahrfcheinlich nennen, daß jener 
den legteren Namen gleichfalls geführt habe. 

8) Simeon Dunelm. ad a. 883, Diefer Iäfft jeboch den Healß 
den fterben, wo nad) ben obenerwähnten ältern Quellen fein Bruder 
gefallen war. Nah Florenz flarben Healfben und Eowild, Inguars 
Brüder, erft im 3. 911. S. auch chron. saxon, h. a, 


I, 


Bon Anfang. des q.bis Anfang des 11. Jahrh. 329 


noch heute, wenngleich mit einiger zur Zeit der Rirchensefor: 
mation eingeführten Beſchraͤnkung, außübt, während ‚Die andern 
mit ähnlichen Rechten verfehenen Marken an der Grenze gegen 


Schottland und Wales, Cheſter, Lancafter,. Pembroke und Her 


ham, eingegangen und ber Krone längfl anhenmgefallen ſind. 


Eine neue Zerftörung ber Kirche zu Lindisfarne in jenen Zeiten 
burch die Scoten erinnert und, wie auch von biefer Geite her 
bie Sräuel barbariſcher Kriegfuͤhrung ſtets fertgefeht wurden. 
Zuverlaͤſſiger als ben Anfang feiner Regierung erfahren wir 
beren Ende durch feinen Tod, welcher am St. Bartholomäus 


tage zu York erfolgte‘), Er hinterließ .brei Söhne, Analaf, 


(Niel, Nigel), Sihtric und Reginald?), welcher fpäter die vaͤ⸗ 
kerlichen Rechte in Northumbrien wieber geltend machte, wenn 
es gleich Alfred gelang nach Oluthreb Tode ber Oberheres 
[haft dieſer Länder fich wieber zu bemäctign. 

Der oben gedachte Bertrag AÄlfreds mit Guthrun beſtimmte 
bie Grenze nicht nur zwifchen WBeffer und Dftanglien, foglern 
auch zwiſchen ben fammtlichen angelfächfitch verblitbuen und 
ven von Dänen bewohnten Laͤndern; letztre auch durch die Bes 
nennung Dauslage bezeichnet, wie jene buch bie von Wels 
ferenalage und Mercenalage; Ausbrüde welche zundchit auf 
das Volksrecht, fobann auf das bemfelben unterworfene Land 
füch beziehen. Ein großer Theil des chemaligen Loͤnigreichs 


1) Simeon Dunelm. de eccl. I, 14, Gesta al 1. 894. 
Todestag und Srabftätte gibt Äthelmesarb. an, welcher ihn Gothfrid 
sex Northambriorum nennt, worin Tu raer I, 59% einen Sohn Zur 
guars ſucht. 


894. 


— 


2) Dieſe wichtige Notiz findet ſich in dem Excerpte der uns uͤbri⸗ 


gens leider unbekannten gesta Anglorum bei Adam von Bremen TI, 
35. (MNordmanni) in Angliam quoque müserunt unum ex sociis Hal- 


dani, qui dum ab Anglis occideretur, Dani in locum ipsias Gundre- 


dum constituerunt. Ipse autem Northunabriam expugnavit atque ex 
llo tempore Fresia et Anglia in ditione Danorum esse feruntur. 
Seriptum est in gestis Angloram. — Eäb. II. c. 15: Anglia autem, 
at supra diximus, et in gestia Anglorum scribitur, post mortem Gun- 
dredi (al. Gudredi) a filiis eius Analaph, Sigtrich et Reginold per 
ınaas fero centmm permansit in dition» Danorum. Die gewähnliche 
Anficht, welche Sigtrik unb feine Brüder zu Sbhnen wars wait 
beruht auf einer Deutung bez Annalen von uiſter. 





330 Dritte Abtheilung. .: 


Mercien war dadurch den Daͤnen abgetreten, doch der weſtliche 
Theil deſſelben, namentlich das Land der Hwiccas, , verblich 
dem Könige Alfred. : Diefer englifche . Theil Mexciend wurde . 
für Iängre Zeit fortan als eine befondre Ealdormanſchaft ver: 
waltet ), zuerft von Äthelred, der durch. die Heirath mit Äther 
fleda AÄAlfreds Schwiegerfohn geworden war und. von. dem Kb 
nige auch bald die.Verwaltung Londons erhielt. Äthelred er 
fcheint .mit der Gewalt und auch zuweilen mit dem Zitel eines 
Unterfönigs; unter. Genehmigung bed Königs rief er das Wi⸗ 
tena-Gemote zu. Gloceſter zufammen, auf welchem mehrere Bi 
fchöfe, Ealdormanen, fünf wenigftend, und bie übrigen tüchti: 
gen Mannen?) des: Landes : erfchienen. : Wahrſcheinlich hatte 
Athelred erbliche Anfprüche auf Mercia, welche er, wie mehrere 
ſeiner Vorgaͤnger, durch die Verbindung mit einer ſaͤchſiſchen 
Fuͤrſtentochter befeſtigte. Die uͤbrigen Verhaͤltniſſe im Innem 
Merciens wurden durch dieſes Lehnverband zu Weſſex wenig 
geaͤndert; und ſo finden wir, daß, waͤhrend in Weſſex die Koͤni⸗ 
gin den Thron nicht beſteigen durfte, nach Angabe der Ge 
ſchichtſchreiber, in Folge der Beſtimmungen welche die Verbre⸗ 
chen der Eadburge veranlaſſt hatten, wahrſcheinlich aber, gleich 
dem ſogenannten ſaliſchen Geſetze, in der eigentlichen Weſenheit 
des ſaͤchſiſchen Koͤnigthums beruhen, — die weſtſaͤchfiſche Koͤ 
nigstochter nach AÄthelreds Tode, als Hlaefdige (Lady) der 
Mercier herrſchte, das Zutrauen des Geſetzes und der Witan 
nicht taͤuſchend. 

So vielſeitig Aifreds ghaͤtigkeit, fo . umfaſſend fein Bid 
auch zu jeder Zeit ſeines Lebens war, fo erfeheint-doch Die Pes 
riode nach den letterwaͤhnten Siegen uͤber die Daͤnen als das 


* Es iſt mir kein Grund bekannt, mit Wanley und Smith die 
Üchtheit der Urkunde vom J. 884 (Smith Bebg ©. 771) zu bezwei⸗ 
feln, worin Äthelred ſich nennt: principatu et dominio gentis Mercio- 
rum subfultus — gentis Merciorum ducatum gubernans. — Was A: 
fer b. 3. 886 erzählt, ift nur, daß der comes Merciorum damals Lon: 
bon erhielt. Florenz b. 3. 794 nennt ihn ubregulus;. Athel⸗ 
weard rex. 
| . 2) Das. angelfächfifee duguth bebeutet bie Tugend. und die Edel: 

leute,. wie auch virtus für .bie mrannfäaft 0 ober ben- niedern Landadel 
haͤufig bei Delmolb u. U. gebraucht wird. . 


y 


Bon Anfang bes 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 331 | | 


wahre. Feft feiner Regierung, die höchfte Feier ſeines Lebens. 
War Alfred unerſchuͤtterlich und umermüblih in den Kaͤmpfen 
‚gegen die Seinde geweſen, fo war er jest fo einſichtsvoll be⸗ 
fonnen als raſtlos in ber Wiederherſtellung und Verbefferung 
des Miedererrungnen und Erhaltnen. Die zerflörten Burgen 
wurden neu und feſter erbauet, verfallne Städte und Lands 
ſtraßen hergeftellt und viele neue angelegt. Während andre 
angelfächfifche Könige die Zerſtoͤrung der. Klöfter durch, die Daͤ⸗ 
nen benußt hatten um bie Befitungen berfelben an fish und 
ihre Dienflmannen zu reiffen, war er befchäftigf die erworbnen 
Rechte der Geiftlichkeit zu ſchuͤtzen und ihre Verhaͤltniſſe beffer 
zu ordnen. Unter. neuen geiftlichen Stiftungen welche er er- 
richtete, werden: und Klöfter :bei Shaftsbury und Wincheſter 
genannt-und ein. andres zu Äthelingey, dem Orte welcher ihn 
feinem Vaterlande erhalten hatte. Die Stadt London, welche 
Durch die Gefechte der Rormannen innerhalb ihrer Mauern und 
den häufigen Brand ein unbewohnbarer Schutthaufen‘ gewor⸗ 
den war, ließ ex wieber aufräumen und.wohnlich und glänzend 
herftellen‘‘). In feinen eignen Königsburgen. und Landfigen 
gab er felbft das Mufter vauerhafterer und fchönerer Bauten, 
ald die Angelfachfen felbft bisher errichtet hatten, wobei die 
jugendlichen Eindrüde, welche er auf feinen Reifen .jenfeit ‚der 
Alpen aufgefaſſt hatte, ihn in ſpaͤtern Jahren noch leiteten. 

Daß ein Mann von ſeinem Geiſte und ſeiner Regſamkeit auch 
im Techniſchen bier gediegne Kenntniſſe beſaß und feinen Un- 
-tertbanen auch hierin Lehrer wurde, wird nicht ald wunderbar 
erfcheinen, wenngleich feine Zeitgenoſſen, wenig vertraut mit 
der burch fo viele feltfame und ſchaͤdliche Myſterien verhüllten 
Kunſt, einer fofjlihen Berichtöerftattung fich nicht gewachſen 

‚gezeigt haben ). 

1) Id. ad a. 884. p. 13: aedificia supra omnem antecessorum 
suorum consuetudinem venerabiliora et pretiosiora nova sua machina- 
tione facere. Id. ad a. 886: Quid loquar de civitatibus et urbibus 
renovandis et aliis, ubi nunquam ante fuerant, construendis aedificiis 
aureis et argenteis incomparabiliter illo edocente fabricatis, de aulig 
et cambris regalibüs lapideis et ligneis suo iussu mirabiliter constru- 
ctis, de villis regalibus lapideis antiqua positione mutatis et in. recen- 
sioribus locis regali imperio decentissime constructis. | 

2) Spelmann in. ber vita Aelfredi 1. IH. S. 8. behauptet. aus 





= 


82 - Dritte Abtheilung. 


Wichtiger noch als. AÄlfreds Verdienſte um die Baukunſt 
auf. dem feſten Lande erſcheint, was er, wie oben erwähnt, für 
den. Schifföbau leiſtete. Bebeutender als jene wird diefen nennen, 
wer theils die nur bee Wichtigkeit defielben vergleichbare Lang: 
ſamkeit erwägt, mit welcher das ganze Sees und Schiffs⸗Weſen 
fi) von jeher auögehildet hat; theild ben erſten, wennglid 
mehrere folgende Jahrhunderte hindurch wenig entwickelten Keim 
der Größe Britanniens erkennt. Der Bau feiner Schiffe war 
auch durch Feine Nachahmung fremder Schiffe veranlafit, for 
dern ganz Alfreds Schöpfung. Diefe neuen Schiffe hatten 
fechözig Ruder und mehrere und werben ald noch einmal fo 
ang, höher, fchneller und weniger ſchwankend ald die frühem 
beſchrieben. Seiner Lanböleute fiheint er zur Handhabung 
derfelben fich nicht haben bebienen zu koͤnnen, fondern riefen, 
die erfahrenften Seeleute des Mittelalters, von denen noch ber 
nordifche Alfred, Peter der Große, lernte, zu dieſem Zwede 
herbeigezogen zu haben’). . 

Sehr fihwierig iſt e8 genau auszumitteln, worin AÄlfreds 


Verdienſte um bie Verwaltung feines Staates beflanden. Dan 


hat früher ihm die Stiftung fehr vieler Einrichtungen beige 
meffen, welche allen germanifchen Voͤlkern laͤngſt eigenthuͤmlich 
und bei den Angelſachſen vorzuͤglich ausgebildet Haren. Dem 
Helden welchem die Nation ſo Vieles ſchuldig war, verdankte 
fie gern Alles, und Alfreds Name ward mit dem Ruhm bei 
Cyrus, Theſeus, Numa und Karl geſchmuͤckt?). Unbefangne 
Forſchung bat laͤngſt das fchöne Bild des Erretters mad Wie 


- berherflellerd von dem Werthe des golbnen Schmudes, womit 


der Stelle Affers b. 3. 886, daß Älfred zuerft Gebäude von Quader⸗ 
feinen errichtet habe, was dort nicht gefagt if, wo vielmehr der Ältern 
villae regales lapideae gebacht wird. Vgl. auch Bedae histor, abbat. 
Wiremuth. ad a. 676, 

1) Über die Schiffe f. Affer ad a. 877. Chron. saxen. und 
Florent. gebenken biefer erft b. 3. 897. Über die friefiiche Bemar⸗ 
nung befonbers chron, saxon. 1.1, wohin audy Affers Ausdruͤcke a. a. O. 
impositis piratis. und b. 3. 884 Frisones — sponte se suo dominio 
-webdiderunt zu beuten fein mögen. 

2) In historia Ramesien. bei Gale I, 338 c. IV. finde ich. zuerk 


eine ſolche Anſicht: Aeclfredi regis, anglicarum legum conditoris. 


Bon Anfang.bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 333 


es fodter.umgeben wurde, zu trennen gewuſſt umd ed If jebt 
nur dahin zu ſehen, daß nicht jene bimkelnbe Kritik, weiche, 
mit Der unfeligen Staatenftlrmerei Hand in Hand,‘ die Wils 
ferien wie bad materielle Wohl Europas zu vernichten droht, 

die Erinnerung. an die geößten Wohlthäter dieſes Welttheiles 
in ihrer befchränkten Unwiffenheit vernichte. 

Alfreds eifriged Beſtreben war, fein Volk zu einem rechts 
lichen Zuſtande zuruͤckzufuͤhren und folchen gegen Willkin 
und Neuerungen zu ſchuͤtzen. Zu biefem Zwecke veranſtaltete 
er eine Sammlung der Gefeke der drei vorzüglichfien ihm uns 
terworfnen Stämme, der Kenter, Mercier und Weſtſachſen, 
welche deren Koͤnige Ethelbert, Offa und Ine einſt hatten nie⸗ 
derſchreiben laſſen, und aͤnderte einige derfelben mit dem Rathe 
ſeiner Witan ab. Doch wagte er es nicht, wie er ſelbſt ſagt, 
eigner Satzungen viele niederſchreiben zu laſſen, da er nicht vor⸗ 
ausſehen koͤnne, wie dieſe denen welche nach ihm kommen 
wuͤrden gefallen moͤchten. Unermuͤdlich war er in der Hand⸗ 
habung der Gefetze. Die Armen, ſagt fein Biograph Aſſer, 
hatten kaum einen andern Freund als ihn. Die Macht und 
Willkuͤr des Adels war in den unruhigen Kriegsjahren ſehr ge⸗ 
ſteigert, und die Gerichte wurden durch deren Einfluß unter⸗ 
druͤckt. Unter den Richtern und Geſchwornen herrſchte bei ih⸗ 
rer großen Unwiſſenheit ſtets Zwieſpalt, und die meiſten Strei⸗ 
tigkeiten muſſten zur endlichen Entſcheidung vor die Bank des 
Koͤnigs ſelbſt gebracht werden. Selbſt bei Angelegenheiten 
welche in ven untern Gerichtshoͤfen entſchieden wurden, war er 
unablaͤſſig bemuͤht die Gruͤnde der gefaͤllten Urtheile zu ver⸗ 
nehmen und zu unterſuchen, wodurch er haͤufig Anlaß fand 
die Richter beſſer zu belehren und ſie auf die Nothwendigkeit 
des Erlernens der in fruͤhern Jahren verſaͤumten Rechtskunde 
und andrer Kenntniſſe hinzuweiſen, ſowie auch zuweilen die 
ſtrengſte Ahndung ſelbſt, in nicht weniger als 44 auf uns ge⸗ 
kommnen Faͤllen, Todesſtrafe dem imgerechten und uͤbereilten 
Spruche folgte). 

1) ©. Asser. vita Aelfredi in fine. Andrew Horne miroir 
de justice. Londen 1642 et 1646. Ausführliche Auszüge finden fi. 


in Spelmanns. AÄlfred &. 88, Fürzere bei Turner und Lingard. 
In Houard coutume⸗ englo-normandes ou im. Abdrucke des 


334 J Dritte Abtheilung. 


Beſonders wirkſame Mittel zur Verhinderung der einge⸗ 
einen Raͤubereien und. Gewaltthätigkeiten ergriff Alfred durch 
eine beffere Eintheilung der Provinzialdiftriete und ihrer Unter: 
abtheilungen, fowie zur Befeftigung "der Gefammtbürgfchaft ber 
Einwohner der Fleinen Difttiete, Hundreden und Thrithingen 
genannt, zur Stellung ber in benfelben überfuͤhrten Verbre⸗ 
her ). Zugleich theilte er auch bie Gefchäfte der früher an 
die Spitze einer Provinz oder Graffchaft geftellten Ealdorma⸗ 
nen: unter dieſelben und neu angeordnete Richter). Das fiefe 
Dunkel welches die Verwaltung der angelfähfifchen Reiche 

deckt, verhindert und auch hier ſo deutlich zu ſehen, wie wir es 
wimfchen; doch wenn wir und erinnern, wie Alfreds Staaten 
feit feines Großvaterd Ecgbert Tagen vereint und duch den 
Vertrag mit Guthrun naͤher beſtimmt waren, und wie manche 
Veraͤnderung in dem auf die Kriegsverfaſſung und die Dienſt⸗ 
barkeit der Unterjochten begruͤndeten Staatenbunde fremder Er⸗ 
oberer, bei deren Umwandlung in einen auf eine gemeinſame 
Gerichtsverfaffung zunaͤchſt geſtuͤtzten Staat freier Eingeborner, 
erfoderlich wurde: ſo moͤgen wir die Nothwendigkeit der von 
alten, wenn auch nicht gleichzeitigen Geſchichtſchreibern ihm bei⸗ 
gemeſſenen verbeſſerten Provinzial: Eintheilung nicht bezweifeln; 
ſowie auch nicht geleugnet werden kann, daß der weite Begrif 
der ‚germanifchen Gefammtbürgfchaft viele Anwendungen und 
Modificationen “Durch ihn erlitten hat. Durch dergleichen Ver 
befferungen in ber Gerichtöverfaffung, von welcher fpdter au& 
führlicher die Rede fein wird, brachte Alfred -feinem Reiche 
folhe Sicherheit, daß erzählt wird, daß der Reifende welcher 
feine Börfe auf der Landftraße verlor, ohne Zweifel: dieſe nah 
Monatöfrift unberührt wieberfinben konnte, goldne Armbänder, 


-Horne das hier fragliche Gap. V. deſſelben, weil es fuͤr ganz un⸗ 
authentiſch gehalten wurde. Vgl. au) Cooper public records 


I, | 
1) Ingulphus. W. Malmesb. 


Ä 2) Eine Betätigung diefer Nachricht der eben genannten Schrift: 
ſteller möchte fich darin finden, daß. die Urkunden aus Älfreds Beit zu: 

- exft duces, indigesve et praesides unteefiheiben; ſo Urkunde ı v. 880 
in Smiehe Beba S. 771. | 


Bon Anfang.des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 335 


am Scheldewege aufgehaͤngt, kein Vorůberziehender wegguneb: 
men wagte‘). : i 

Bu: den. Silke ‚qugefäjriebnen: Einrichtungen geht. bie 
Aufnahme eines Kataſters oder einer fchriftlichen -Batiftifchen 
Überficht „feines Reiches, nach den oben angegebenen. Diſtricts⸗ 
abtheilungen, welche auf einer Rolle. verzeichnet zu Wincheſter, 
der Hauptſtadt feines. Meiches, auſbewahrt wurde?). Auch Diefe 
Nachricht hat man bezweifeln wollen doc; fehlt es nicht air 
ältern Beifpielen in der fränkischen Geſchichte, und andrerfeits 
ift uns -Älfeeds' Orbnungsfinn, die Grundlage jeter guten Ad⸗ 
iniftration; fo vortheilhaft bekannt, daß das alte Seugniß, den 
jungen Zweifel bald befchwichtigt. | 

Wenn die Verbienfte des. braven Kriegers, des einfichte: 
vollen, thätigen. Staatömannes, To ausgezeichnet fie waren, fo 
ſehr fie den Königenamen verherrlichten, an dem ſtets fich aus⸗ 
dehnenden Horizonte der Sefchichte nach’ einigen Sahrhunderten 
ober Jahrtauſenden doch zulest in der: Maffe bedeutungslofer 
werben und vor anderm bellern Lichte exbleichen: ſo wird doch 
Alfreds Stern nur mit Britanniens Namen imtergehen Fönnen, 
da feine Berbienfte um die Förderung der Sprache und geifliger 
Bildung nur mit: den germanifchen Sprachen felbft vergeffen 
werben koͤnnten. Das Chriftentbum hatte’ bereis einen bedeu⸗ 
tenden Einfluß auf die wiffenfchaftliche Ausbildung dieſes Lan⸗ 
des geduffert, und die. feotifche wie. die roͤmiſche Geiſtlichkeit 
wuͤrdige Genoſſen unter den Angelfachfen gefumden. Doch blieb 
die Bildung in England auf bie Geiſtlichen befchräntt, und als 
nach fo vielen innern Kriegen. die Dänen das Land verheer⸗ 
ten, ſo viele Kloͤſter mit ihren Bibliotheken und Schaͤtzen nie⸗ 
berbrannten, da verfehwand die Zahl älterer gelehrter Geiftlichen 
und jüngere konnten nicht herangeogen werden. So begab es 


2 Jenes Ingulph, dieſes win. von Malmesburpy. Xhn: 
liche Sagen vom: König Eadwin von Northumbrien f. oben. Im eng: 
ften Zuſammenhange mit denen von Älfred, fiehn die ganz ähnlichen von 
Forthi, dem Könige von Dänemarf (Saxo I. V, 95 f. g. chronicon 
Erici Nr. 35.), bie ‘von Rollo von der Normandie (Dudo 6; 64.) 
Depping expeditions maritimes etc. Normanda.T. I; p. 131 erwoͤhnt 
bie von Brian, dem iriſchen Könige von Munſter. un 


2) Sngulph bei Fell ©. 81. 





36 - - Deitte Abtheilung.:. 


fich Bat, daß in Bedas mb: Alcuins Vaterlande, zur Beit als 


Alfred ſeine Regierung antrat, ſehr Wenige ſuͤdlich vom Hum⸗ 
ber, ſuͤbdlich von der. Themſe aber Niemand gefunden wurde, 
welcher ein lateiniſches Werl uberſetzen konnte“). Jene weni⸗ 
gen Merecier förderte er befiend und zog fie aux ſich: Plegnnmd 
wurbe Erzbifchoß won. Canterbury, ein Mann dem vie Entfie 
hung der angelſaͤchfiſchen Chronik vielfach zugeſchrieben ii; 
Kehelſtan und Werwulf wurden feine Capelane. Werfrich 
zum Biſchof von: Worceſter einaunt, Oberſetzte auf des Koͤnige 
Geheiß die Dialogen bed heil. Gregor. und feines Schülers 
Petrus aus dem -Lateinfichen in bie Landesſprache. Alfred 
felbft bemühte fi) dem Mangel gebehrter Männer durch Hew 


beiziehung von Ausländern abzubelfen, unter denen Grunbald, 


Propft von St. Dmer, welchen er auf feinen Reifen in Franb 
reich hatte kennen lernen, Johannes aus Corvey in Altſachſen 
ein fehr gelehrter vnd kunftreicher Geiſtlicher, durch deſſen im 
gang Klfreds Kenntniſſe ſehr bereichert warden, welchen er dem 
neugeftifteten Kloſter zu Athelingey vorfehte, und Aſſer aus War 
les, ſpaͤter Biſchof won Sherburn, befonberd: zu: nennen ſin 


Letztern fuchte er jährlich ſechs Monate am ſich zu feſſeln und 


Kberließ in der Übrigen Zeit ihn feinem Amte. Wir verdanken 
dieſem Marme, welcher mit bem Könige lange enge vertrant 
kebte, eine durch Einfachheit und Reichhaltigkeit der gefammel 
ten Züge hoͤchſt anziehende Bebensbefchreibung feines erkabenn 
Freundes. Zu deu Gelehrten feiner Zeit, mi melden Xlfee 
gleichfalls freumbfchaftlich verkehrte, gehört der Scote Johannes 
(Erigena), der beruͤhmteſte Dialektiker feiner Zeit’. Eine w 
gelegentliche Sorge und eine liche Beichäftigung war: es ihm, 
feitdem ev bie lateiniſche Sprache in feinen fechsunddreiſſigſten 


Lebensjahre. erlernt hatte, aus biefer Sprache Werke im fein 


Mutterfprache zu überfegen und dadurch zum Gemeingute fer 
ned Volkes zu machen, welches er auöbildete und bereicherte. 
Dos wichtigfte derfelben iſt uns das Buch des Vosthius von 
ben. Troͤſtungen ber Philoſophie, da er ber Überfegimg an vie 
len Stellen. feine eignen gebiegnen und glüdlic ausgedruͤckten 
1) Ütfrebs Borrede zur Überfegung des Paſtorale bes heil. Bregon 
2) Er wird von Turner u. X. mit dem Altfachfen Sohannes 
verwechfelt, ein Irrthum ben bereits Ingulpd verſchuldet bat. 


Von Anfang, bes; 9. His Anfang des 11. Jahrh. 387 


Gedanken und poetiſche Ausfchmüdungen eingeſchaltet hat"). 
Seine Überfegung des großen Geſchichtswerkes Bebas war ſei⸗ 
nem Valle eine unfchägbare-Gabe, und verlich diefem trefflichen 
Buche den einzigen ihm noch fehlenden Werth um ein Natio⸗ 
nalwerk zu werden, wie es von den uͤbrigen Voͤlkern Europas | 
nur wenige, felbft nach Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, er 
halten haben. Das Buch des Papfied Gregorius von ber Seel 
forge war durch bie Verehrung, welcher jener in England vorzüge 
lich genoß,: eine gluͤcliche Wahl zu einer Verdolmetſchung fir ben 
König. —* er in der Vorrede zu dieſem Werke ſeine Lehrer 
in der lateiniſchen Sprache und: unter dieſen ben Erzbiſchof 
Vlegmund nennt, welcher im Jahre 890-den Sitz in Canter 
hury erhielt, ſo finden wir hier: ein ausdruͤckliches Zeugniß, daß 
dieſe Uberſetung erſt nach dieſem Jahre von Alfred verfaſſt 
wurde. ¶ Seine überſetzung ber Geſchichte des Orofius, welche 
ſchon⸗ eins Hauytquelle des Beda für aͤltre Geſchichtskunde 
war, beweiſt den fuͤr ſeine Tage und unter ſeinen Zeitgenoſſen 
unsfaffenben. gefchichtlichen Sinn Afreds, iſt uns aber beſenders 
durch bie eingelegten Schilderungen Deutſchlands und der nor⸗ 
bißchen: Laͤnder, ‚aus ben Reiſeberichten des Wallfiſchfaͤnger 
Ohtheyes und. Wulfſtans gefchöpft, merkwürdig). Es werben 
ihm noch mehrere Überfegungen, mit mehr oder weniger Grund, 
zuasichrieben, von ben Palmen, welche ex kurz vor feinem Tode 
begonnen. haben ſoll.“), von der Bibel, Auszüge aus ben Bes 

trachtumgen des heil. Augaſtinus, den Fabeln des Aſop, ſawie 
ein Bu über die. Falkenzucht; doch möchte, wenngleich hin⸗ 
Länglich erhellt, daß die Muße feiner fpätern Jahre mehr Ar- 
beiten: ſchuf als das Leben der thätigflen Schriftſteller ſeiner 
Zeit, zuweilen der Rame des verehrten Koͤnigs als Empfeh⸗ 


9 8. viele Auszüge bei Zurner 8. V. Gap. 2. Doc möchten. | 
einige, dieſer Erweiterungen von Aſſer herruͤhren, welcher in Guil. 
Malwmesb. de gestis pontific, 1. IV. fagt; libros Boäthii planioribus 
verbis elycidavit, illis diebus labore necessario, nostris ridiculo. Sed 
enim jusgn Regis factum est,. ut levius ab eodem in anglicum tra- 
feratur germopem, | | 

2) Ge bie. Grtäutenmgen Beer Beihe in Dabimenes dor⸗ 
ſchungen Th. J. ae 
8) Guil, Malmesb, 1. 1. c. 4. 
Lappenberg's Geſchichte Englands J. 22 


338 - Dritte Abtheilung. 


Iung eines Buches welches er lediglich veranlafit ober veran 
flaltet haben Könnte, gebraucht worden fein’). Der Verluſ 
eines von ihm felbft gefchriebnen Buches, welches er fein Hand⸗ 
buch nannte, ift fehr befiagt worden, doch nad) den von Ale 
gegeben Erläuterungen enthielt ed nur Auszüge aus andern, 
vorzüglich theologifchen Werken. 

Alfreds damals ungewöhnliche Vertrautheit mit der übre 
gen Welt und unlöfchbare Wißbegierde erklaͤrt und die nick 
ganz richtig fo benannte Geſandtſchaft zu den Kirchen des heil. 


Thomas und Bartholomäus in Indien. Sowie er haͤufig Ge 


ben nach Rom bringen ließ und mit entfernten Geiftlichen, 
unter denen nur Abel, ‚der Biſchof -von Jeruſalem genannt 
wird, im Verkehr ſtand?): fo ließ er auch einſt, in Folge eine 
zur Zeit als die Dänen London beſetzt hielten abgelegten Ge 
lübdes °), durch zwei Geiftliche, den nachherigen Bifchof Sige⸗ 
heim und Äthelftan, Weihgeſchenke nach Indien bringen. Wenn 
felbft das Aufferordentliche eines folchen Schritte bei Alfreds 
Charakter nicht fehr auffallen. dürfte, -fo wird doch auch jenes 
durch bie längft üblichen Pilgerfchaften zum Simeon Stwlites 
und vielen heiligen Örtern verringert und jedem Zweifel durch 
bie noch nad) einigen Jahrhunderten vorhandnen, von Alfreds 
geiſtlichen Sendeboten mitgebrachten orientalifchen Edelſteine 
begegnet‘). Die glänzende Ausruͤſtung, welche ſpaͤtere Ge 
ſchichtſchreiber Diefer Pilgerfchaft verliehen haben, indem: fie St 
gehelm den Biſchof von Sherborn und Äthelftan einen Ealdor⸗ 
man nennen, hat gleichfalls beigetragen britiſche Zweifel· zu er⸗ 


1) Schon Kthelwearb nennt von den Überfegumgen. 008 de es 
Boethius und ſpricht von andern: numero iguoto. | 

2) Affer ©. 17. " 

8) Chron, saxon, ad a. 883. Florent. Es ſcheint mir nidt, 
wie die Überfeger der chron. saxon. und Turner meinen, ah eine Be 
lagerung von Eondon im I. 883 zu denken zu fein, fondern die vom 
3. 872. Geit bem I. 883 aber fochten die Dänen zuerft nicht mit 
England, und es ergibt ſich dadurch der Zeitpunct oder doch, bie Möglich 
keit ber Erfüllung diefes Gelübdes, ſowie der gleichzeitigen Abfendung 

der Gefchenke nad) Rom. Die richtige Auffaffung des ‚angelfächfifchen 
Textes Haben Henr. Huntendon. md Alfred Beverlac. 


4) Guil. Malmesb. de regibus 1. II. c. 4. Id. de geatis pon- 
af, l. I. 





Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 339 


regen. Jener, vermuthlich der bereits erwähnte Capellan Als 
freds, erhielt das gedachte Bisthum erft fiebenundzwanzig Jahre 
fpäter ') und wurde in den Altern Quellen, welche die Erwaͤh⸗ 
nung ſolcher Würden nicht vergeffen, fogar zu früh als folder 
bezeichnet. © 

Bon keinem der Vorgänger Alfreds if uns bekannt, daß 
er eine ſo regelmaͤßige Verbindung mit Rom unterhielt. Vom 
Dapfte Marinus erwirkte er die Befreiung der Schola der Sach⸗ 
fen von Abgaben und Zöllenz an defien Nachfolger Stephanus 
gingen jährlich Boten. mit Briefen und Gefchenten ab’). Es 
Kaffe fich wohl annehmen, daß Alfred die Gelegenheit, welche 
dieſer Verkehr zu ber wiflenfchaftlichen Ausbildung feines Vol⸗ 
kes darbot, auf jede Weife benutzte. Sowie er felbft, hierin 
dem Solon glei, nur mit dem Leben aufhörte zu lernen, 
forgte er auch mit. großer Umficht für die Erziehung feiner 
eignen Kinder unb derer feiner Unterthanen. Die des Adels 
erhielten Unterricht i in der angelfächfifchen und lateiniſchen Sprache 
ſowie im Schreiben, und lernten Bücher und befonders Ges 
dichte in der Mütterfprache auswendig, ehe fie durch Jagd⸗ 
und Kriegd=Übungen höherer Bildung entzogen wurden. 

Auch die Univerfität zu Oxford fol fich befondrer. Beruͤck⸗ 
fichtigung :durch Alfred erfreut haben. Grimbald, den er zu 
deren beſſerer Anordnung dahin geſetzt hatte, foll mit ben: dor⸗ 
tigen Scholaftitern in einen Zwiſt gerathen fein, welche bie al⸗ 
ten Einrichtungen, ans ben Zeiten des Gildas, Melkinus, Nennius, 
Kedtigern, ia ſelbſt des heil. Germanus verfochten. Nach drei⸗ 
jährigen Streitigkeiten joll Alfred felbft dahin gegangen ’fein, um 
ben Frieden herzuftellen. Doc findet fich diefe Nachricht nur 
in Camdens Abdrude von Affers Leben Alfreds, deſſen Hand⸗ 
fchrift umbelannt iſt. Die Alte Ausgabe Parkerd, deren 
Handſchrift aber. auch bei dem Brande von Cottons Biblios 
the verloren ging, enthält die fragliche Stelle nit. Da ins 


1) &. chron. saxon. ad a. 910, Ein Irrtum oder irriger Aus: 
drud des Florenz b. 3. 883 hat Matthäus von Weftminfter 
zu ber Angabe verleitet, „daß af re er Thon damals geftorden und Sige⸗ 
helm ihm gefolgt ſei. 

2) Aaser. ad a. 884. Chron. saxon. ad a. 887— 890, Flo- 
rent. ad a. 888; on on 
22” 


340 Dritte Abtheilung. 


deß beide Ausgaben erſt erſchienen ſind, nachdem unter der 
Regierung. der Königin Eliſabeth ein —— ber bat 
höhere Alter‘ der Univerfitäten Oxford ımb Cambridge entflans 
den war, fo iſt es —— ob der eine Herausgeber 
die fragliche Stelle wegließ oder der andre eine Verfälfchung 
äinfchaltete. - Der Umftand, daß Feiner der Schriftfieller, welche 
Affer fo genau nachzufchreiben pflegten, von diefer Rachricht nur 
eine Spur enthält, ſowie manche innere Grimde fprechen für 
die letztre Anfiht. . 
E83 darf wohl unfere Aufmerkſamkeit erregen, wie unte 
fo vielen unglinfligen Umſtaͤnden Alfred die Zeit und die Mit 
tel erhielt, um fo Vieles und fo Großes durchzufeken. Bir 
erhalten durch die Darftellung von AÄlfreds Eginhard. eine aͤhn 
liche Antwort, wie Karl der Große oder Benjamin Franklm 
fie ertheilt haben wiürbe. Die größte Sparfamkeit und Ord⸗ 
nung im Gebrauche der Zeit wie der Einkünfte bringen be 
irgend zwedimäßigen Plänen Unglaubliches hervor. Aſſer theitt 
und das Budget der jährlichen Ausgaben bed Königs mit. 
. Eine Hälfte feiner Einmahmen war für weltliche, die andre für 
geiftliche Zwede beſtimmt. Die erflre zerfiel wiederum in brei 
Abtheilungen, deren erfle er jährlich an feine Krieger auötheilte, 
fowie an edle Dienfimannen, welche er abwechfelnd einen Mo: 
nat im Vierteljahre den Dienft verrichten und dann auf zwei 
Monate den eignen Gefchäften nachgeben ließ. Das zweite 
Sechstel war für die unzähligen Bauleute und Kuͤnſtler be 
fiimmt, welche er aus vielen Völkern um ſich her verſammelt 
hatte und zur Verſchoͤnerung ſeiner eignen Befitzungen wie 
ſeines Reiches gebrauchte. Das dritte Sechstel gehoͤrte der Gaſt⸗ 
freundſchaft und Unterſtuͤtzung der Fremden, welche aus der 
Naͤhe und der Ferne, mit und ohne Anliegen ihn aufſuchten. 
Die andre Hälfte feiner Geſammteinnahme hatte er feinen Saͤckel⸗ 
meiſtern geboten vierfach zu vertheilen. Ein Viertel berfelben 
war für. bie Armen jeglicher Nation beflimmt, das zweite für 
bie beiden Klöfter welche er ſelbſt geſtiftet, das dritte fuͤr die 
Schule welche er fuͤr den jungen Adel ſeines Volkes muͤh⸗ 
ſam begruͤndet hatte, das letzte endlich fuͤr alle benachbarten 
Kloͤſter, Kirchen und deren Diener in ſeinen ſaͤchſiſchen Landen 
oder Mercien, und auch zuweilen abwechſelnd fuͤr die bei den 


Von Anfang des 9.bis. Anfang: des. 11. Jahrh. 3 


Altbriten und in Cornwales, Galllen, Armorica, "Northumbrien, 
am ſeltenſten in Irland. Ebenfo gewilienhaft wie feine Ein: 
Einfte oertheilte er den Dienft feines Koͤrpers und Geifles: zwis 
fhen der Erde und dem Himmel. . Zur befiem Bermbung ber 
Nacht und fletß..genauen Kunde der flächtigen Stunden. erfand 
er fich einen Beitmefler, aus ſechs Lichten, von denen jedes 
in einer durch durchſichtige Häute gegen Luftzug gefchüsten 
Kapfel vier Stunden brannte). Und gewiß iſt es auch felten 
einem Sterblihen gelungen, wie Alfred, bie beffere Hälfte feis 
ned irdiſchen Lebend dem Hoͤchſten was der Menich- erſtreben 
kann zu weihen, in dem großen Umfange, wie es faſt nur in 
Zeiten moͤglich ſcheint, in welchen die Perſoͤnlichkeit des beguͤn⸗ 
ſtigten Individuums dem Mechaniſmus des nachruͤckenden Zeit⸗ 
alters die anſtrebende Bahn bricht. 
Die fegensreichen Arbeiten und friedlichen Studien ıfrebe 
- follten wiederum‘ auf längere Zeit ımterbrochen werben und ber 
Ruhm des Kriegshelden fich noch eimmal bewähren. Die Nor⸗ 
mannen : waren. in ben fraͤnkiſchen und deutſchen Reichen wie⸗ 
derholt geſchlagen und auf einige Flußmuͤndungen zuruͤckgetrie⸗ 
ben, an denen ſie amphibienartig den weitern Angriffen aus⸗ 
zuweichen und kleine Vortheile zu erfechten wuſſten. Am 1. 
September des Jahres 891°) hatte ber deutſche König Arnulf 
ihnen, in ber Schlacht an der Dyle bei Löwen, einen Todes: 
ſtreich beigebracht. Haeſten (Alſting) hatte mit ſeinen Daͤnen 
im vorhergehenden Jahre ſich zu Argowe an der Somme nie⸗ 
dergelaſſen, und im folgenden Jahre, nachdem er das Kloſter 
zu St. Vaaſt wortbruͤchig uͤberfallen hatte, befeſtigte er EZ zu 


1) Asser. 


2) Am 26. Juni war die miederlage b ber Deutſchen am Fiuſe Set, 
nicht der Sieg derſelben. Vgl. Depping exped. marit. des Normands 
T. II. 85. In den annal, fuldens. h. a. tft hie Luͤcke hinter Kalendis 
ohne Zweifel durch Septembris zu ergänzen, da diefer der noch lange 
hernach zum Andenken der Niederlage der Rormannen zu Löwen gefeierte 
Tag war. Rad) den annal, vedastini h. a. muͤſſte die Schlacht erft im 
Anfange des December vorgefallen fein. In ben annal. fuldens. iſt 
vermuthlich die Nachricht von dem Tode ber dänifchen Könige Sigfrid 
und Gottfrib eine irrige, da annal. vedastini und Rhegino ihrer 
nicht gebenten, bagegen des früher erfolgten Todes beiber Könige bei d. 
3. 885 u. 887. 





ML ...:, Dritte Abtheilung. 


893. 


Kriens. Eine Schaar feiner Truppen geiff die Stadt Gt. 
Der. any deren Befefligungen noch nicht vollendet waren; doch 
Die tapfern Bürger. toͤdteten mehr als die Hälfte. derfelben und 
ſchlugen mit gleihem Glide einen erneuerten Angriff: zusüd. 
Hacfien ſcheint nicht ‚mit feinen Landöleuten an der Dyle ge 
fochten zu haben, glüdlicher als diefe ſchlug er den König Odo 


vor. Amiens zurüd und überfiel ihn bernach in Vermandois. 


Das folgende Jahr brachte eine große Hungersnoth ins nörd: 
liche Frankreich, und die Daͤnen gingen von Löwen, welches fie 
ungeachtet jenes vielgefeierten Sieges nicht verlaffen hatten, 
nach. .Boulogne ') und .fchifften dort auf 250: Schiffen unter 
einem: Könige, welcher Haeftens Zögling und Waffengefährte, 
der alte Bin Eifenribbe gewefen zu fein ſcheint?), zu ber 
Mündung des Lymnefluffes im Öftlichen Kent, am öftlichen 


- Ende des Andredwaldes. Sie zogen ihre Schiffe dieſen 





Heinen Zluß einige Meilen. aufwärts, wo: fie: eine von ben 


Landleuten eiligft errichtete Schanze bald zerflörten, und befe 


fligten ſi fi darauf zu Appledorn. Bald nach ihnen, vermuth⸗ 


lich im naͤchſten Fruͤhjahr, ſchiffte Haeſten mit 80 Schiffen ‘) 


9 Annal. vedastini ad a. 892 aeben die Zeit. genauer an als chron. 
saxon. ad a. 898. Auch Äthelweard fegt die Abfahrt von Boulogne 


nach Kent in das Jahr nach dem Siege Arnulfs, ſowie auch Asserii 
annal. ad a. 892, 


2) Die englifchen Schriftſteller nennen Bjoͤrn hier nicht, ſondern 
fprechen nur von einem Könige. Meine Andeutung gründet fi auf, 


folgende Stelle Guidos bei. Albericus zum 9. 895: Bier(n) totius 
excidii signifer et exercituum rex, iterum Geallias infestans ad extre- 
mum ab Arnulfo imperatore et Francis multis preliis victus, in An- 
gliam, oportunum suae tyrannidis suffugium, est expulsus, sed (ab) 
Anglis iterum victus indeque Frisiam petens mortuus est ibidem. Das 
bei ift jedoch nicht zu überfepn Guil. Gemmet. LI. c. 11. Bier to- 
tius excidiĩ signifer exercituumque rex, dum nativum solum repeteret, 
naufragium passus, vix àapud Anylos portum .obtinuit, quam pluribus 
de suis navibus submersis. Indeque Frisiam repetens, ibidem obiit 
mortem. Dudo erwähnt des Björn nicht. Gleichzeitige Nachrichten 


über ihn f. bei Prudent. Trecens, ad a. 858. Fragment. chron, 


fontanell. ad a. 855 — 859, 


8) Depping I, 39 fagt, daß biefe 80 Schiffe von ber Muͤndung 


ber Geine abgefegelt feien, wo fie ſich der Stadt Evreux bemächtigt 
hätten. Diefe irrige Nachricht Scheint durch Asserii annal. ad a. 895 


— 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 343 
zu: Mündung der Themſe und auf der Swale in das Innere 


des Landes: bis Milton (Sexay Lathe), wo er ſich verſchanzte. 
In dieſer ginſtigen Stellung, wo beide daͤniſche Heere, 


jedes durch Wald, Waſſer und Werke geſchuͤtzt, ſich einander 


leicht. unterſtuͤtzen konnten, verharrten fie ein volles Jahr, ohne 
von ben Eingebornen angegriffen zu werden. Haeſten ver: 
ſprach das ‚Land. bald wieder zu verlaſſen und gab ſogar / zwei 


894, 


Söhne als Geiſel an Alfred, welcher mit feinem Schwiegers 
ſohne Athelred die Stelle. des Pathen bei ihnen verfehend ') ih⸗ 


nen :hie Taufe ertheilen und fie zum Water zuruͤckkehren ließ. 
Doch Alfred, der die Größe der Gefahr, welche Haeftens 


Name und Macht: ihm brachten, nicht miskennen konnte, er⸗ 


neuerte die durch des Altern Guthruns und Guthreds eben er - - - 
‚folgten. Tod aufgelöften Bündniffe mit den Dänen in Oftanglin 


und Northumbrien. Diefe legten Gelübde ab, jene ftellten 
ſechs Geiſeln. Northumbrien, welches dem Könige Heoric 
(Erich) anbeimfiel, blieb auch jest in einem friedlichen Vers 


hältnifje, wenn nicht in einem lockern Lehnöverbande zu Weſſex. 


Doc) zeigte ſich bald, daß auf dieſe Eide nicht zu bauen war, 
denn man fah auch jene Dänen bald mit den Schaaren Hae⸗ 
ſtens im Lande, befonderd in Hampton und Berffhire, umher⸗ 
ſchweifen und plünden. Xifred nahm darauf eine vortheil: 
bafte Stellung in Kent, zwifchen den beiden großen Heeren ber 
Normannen, von. welcher aus er jedes von beiden leicht an⸗ 


. 


greifen Eonnte. Die einzelnen Schaaren der Feinde, welche 
feit ihree Landung fich, zerftreut und im Lande und Walde - 


umbergeftreift hatten, wurden jest von Xlfreds Faͤhnlein und 
einzelnen Ybtheilungen bewaffneter Bürger verfolgt. Die Feinde 


zogen es daher vor, mit der aufgehäuften Beute über bie. 


Themſe nach Effer zu eilen; doch Eadward, Üfreds tapfrer Sohn, 


war mit. feinen Mannen -ihnen ſchon bei Farnham in Surrey 
zuvorgelommen, wo die. Dänen, gefchlagen, ihre Beute und bie, 
vom Zefllande mitgebrachten Pferde zurudlieffen und, mit ihs 


veranlafft zu fein, welcher hier die Einnahme von Eoreur und die Flucht 


des Bifchofs Sebar einfchaltet, : die dem Dudo 1. II. p: 77. nachge⸗ 


ſchrieben find. Iſt meine oben gegebne Erläuterung richtig, fo möchte 


jene Begebenheit in das Jahr 885 fallen. 
1) Aethelweard. 0 | 





' oo. 
A — Dritte Abtheftlang. —————— 


rem verwundeten Anführer über die Theule mit großem Ver 
luſte fliehend, auf der Infel Thorney am :Coluefluß. in Eſſex ſich 
fammelten. Alfreds Plan fie dort ſchnell zu umgingela-umd: zu ver- 
nichten, Tonnte nicht auögeführt werden, da es theils an Schiffen 
fehlte, theils die Hälfte ſenies Heeres, nach der beſtehenden Cinrich⸗ 
tung, zur Ruͤckkehr in die Heimat beſtimmt war und es an Proviau 
mangelte. Prinz Eadward ſcheint mit Hiufe ſeines Dheims Athel⸗ 


red, welcher von London her zu feiner Unterfiägung Fam, bie bet 


verfammelten Dänen zulegt zur Übergabe gezwungen zus haben; 


fie ſtellten Geifel und verlieffen die dortige Gegend ’). Alfted 


war unterdefien in feine Erbſtaaten gerufen, welche von zwei 
Flotten treulofer Ofltanglier und Rorthumbrier angegriffen was 
ren. Die eine war füdlich gefegelt und hatte bereits die Stabt 
Ereter belagert, die andre, durch das Norbmeer fchiffend, bes 
logerte eine Burg in Devonfhire. Diefe Zlotten kehrten uns 
verrichteter Sache zuruͤck, boch erſt im folgenden Jahre, ımb 
griffen auf dem Ruͤckwege die Stadt Chicheſter in Suffer an, 
wurden jedoch von den Bürgern, mit Verluſt einiger Hundert 
Mann, zu ihren Schiffen zurüdgetrieben. Das lebhaftere Kriegs: 
ſchauſpiel blieb im Often, wo Alfreds Heer die Burg belagerte, 
welche Haeften fchon in frühern Sahren zu Banafleet befeflen?) 
und Fürzlich wiederhergeſtellt hatte, um fein Hauptlager umb 
bie Truppen von Applevorn und Milton dahin zu ziehen. Er 


felbft war auf einem Raubzug tiefer in das Land hineingegan⸗ 


gen, als Bamfleet von den Weftfachfen und Londonern genoms 


men, viele Schäge, zahlreiche Schiffe, Weiber und Kinder, 
ſelbſt Haeſtens, erbeutet wurben.. Der edelmüthige König fandte 


dem Rormannen die Frau und feine Kinder zuruͤck, welche ges 
fangen warten, während jener AÄlfreds Länder verheerte. Die 
Daͤnen fommelten fi von allen Seiten in Effer, wo fie zu 


Shobury (Shobery) ein Teiles Lager errichteten und wo aud 


aus Dftanglien und Northumbrien viele. Kriegsgeſellen ſich zu 
ihnen ſammelten, worauf dieſe alle vereint Die Themſe auf⸗ 


waͤrts und bis an den Savernfluß zogen. Hier aber ver 
einten ſich mit Äthelred die Ealdormanen Xthelm und Äthel⸗ 


1) ©. Äthelweard, wenn wir anders dem tmverftändtichften 
Schriftſteller i in dem fehlerhafteſten Abdrucke einen Sinn unterlegen bürfen. 
27 Äthelwearb b. 3. 885.. | | 





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Fo - u — „St 7 .. — 


Bon Anfang de4:9.:5i6: Anfang. des 11. Jahrh. 6 


noth und alle Thane und. Koͤnige, weiche, damals vom Berti 
dienſte befreiet, Land und Haus. beftellen wollten; fie sanzine 
gelten die Feinde zu Buttingkon ein Gavern; wo fie. fi) durch 
befefligte: Werke ſchuͤtzten. Ätfred: wer noch mit. Dex Flotte 
in. Devonfhire Hefchäftigt.. Auf :beiven Seiten war man gegen 
vie Heiden gluͤcklich, wolche zuletzt von Hunger gedrückt, nach⸗ 
dem ſie ihre Nferde: verzehrt hatten, nach mehreren erfolgten 
Ausfällen und großen; Niebertägen.. nblich heimlich entflohen. 
In Eifer: fand: Harſten wiederum vᷣrdeutende Verſtaͤrkungen aus 
den anglodaͤnifchen. Laͤndern ſandte Frauen und Schaͤtze auf 
Schiffen nach Oſtanglien und zog in Eilmaͤrſchen nordweſtlich 
vor Cheſter. Der Überfall gelang nicht ſo ſehr, daß die Ein⸗ 
wohner ſich nicht innerhalb der Waͤlle zuruͤckziehen konnten; doch 
trieben jene. viel Vieh zuſammen, toͤdteten die Menſchen und 
verzehrten das Getreide oder zündeten an 'jebem Abend eim 
Luſtfeuer damit an. Als ihnen hier die Lebensmittel zu fehlen 
begannen, zogen fle im folgenden Jahre in. die flidwaltfifchen 895. 
Sander Gwent, Brecknal und die angrenzenden Diftricte ”) und 
von bort.nach Efier und ber Inſel Merſey. Vor Einbruch 
des Winters aber liefen fie in.die Themſe und in ven Leafluß 896. 
ein und errichteten ‚ein Lager, vier beutfche Meilen diesfeit 
London. Von hier aus flreiften ‚fie. im Lande umher, bis nach 
Stamford am Welland (Nortbampton)?). Einen Angriff der 
Buͤrger von London trieben fie zuruͤck und erſchlugen vier von 
des Königs Thanen; doch der König ruckte zur Erntezeit her⸗ 
bei, um die Einbringung bed Getreide. zu beſchuͤtzen. Wie 
bier Alfred eines Tages laͤngs dem Lea hinaufritt, erſpaͤhte er 
eine Stelle, wo er durch Anlegung zmeier Werke von beiden 
Seiten des Uferd die Rückkehr der feindlichen Schiffe verhin⸗ 
derte. Die Dänen fahen fi) dadurch veranlafit ihre Stellung 
aufzugeben und. nach Quatbridge am Savern Gridgenorth, 


1) Ansalı Cambriae he, Nordmanni venerant et: vastaverunt 
Loyor (England) et Bricheniam et Guent et Guinliguiam (Marſch⸗ 
diſtrict zwifchen den Fluͤſſen Savern, Dee und Tow). Morganwy und, 
Buallt werden noch hinzugefegt in Brut y Tywysogion. | 

2) Ätpelweard. Turner bezieht diefe Stelle auf ben vorjägek 
gen Zug Haeſtens. ‚Die fehr dunkle Stelle laͤſſt wandern Deutung zu, 
doch keinen Zweifel über ben Zritpuact. 


36 .: Detese Abepeilumg. ":°:. 


Schropfhire) zu ziehn, wo fie fi andy ben: Winter hindurch 
zu halten ;wuflten. - Ihre. Feſte am Lea wurde von. ben. Lois 
donern ‚niebergerifien,. .und ihre Schiffe und was ih Werth⸗ 
volles vorfand nad) dem Hafen Londons geführt. : I -Diefem 
Yahıe hatte auch ein Anführer bie daͤniſchen Geeräuber, ver 
muthlidy der Bruder Guthreds von Northumberland, Siegfred, 
bie Kite Englands‘ wiederholt geplimdert. Dody hatte Al⸗ 
freds Geſchicklichkeit und Muth Lie Dänen befiegt; im folgen 
den: Sommer kehtten mande zu ihren Wohnſitzen zuruͤck und 
die Befiglofen fchifften unter: Haeften fih ein. und fuhren zur 
Geinemündung '), während Heinere Schaaren die fübliche Kuͤſte 
Englands viel durch Angriffe. und Plünderungen .beldfligten, 
doch von Alfreds neuerbauten Schiffen ımd den tapfern Weit 
fachfen und friefifhen Seeleuten mit großem Derlufte zurüd: 
getrieben wurden. 

Die frühere Verbindung der Walifer mit: den Dänen hatte 
noch nicht ganz aufgehört, wenngleich einzelne Gegenden jene 
von biefen wiederholt angegriffen und außsgeplimdert. wurden. 
Erſt durch. Alfred ward ein friedliches Verhaͤltniß der Weſt 
ſachſen und Briten begründet. Hemeid, König von: Demetia, 
fowie Helifed, König von Brehon, ‚welche die Tyrannei be 
Söhne Noderichd des. Großen (Rotri Mawr) nicht. langer er: 
tragen Eonnten, zogen mit ihrem Volke e& vor, fich dem König 
Alfred zu ‚unterwerfen. Howel, König von Gleguiſing, ſowie 
die Könige von Gwent, Brocmail und Fernail, übertrugen 
ihre Reiche ihm gleichfalld zum Lehn?), um fich gegen den 
Druck des Eäldormand Äthered und der Mercer zu fichern. 
Zulegt entfchloß fich auch Anaraut, Roderichs Sohn, bie nuß 

1) Saxon chronicle. Asser. annal. ad a. 895. Deppings 
Verdacht (a.a. ©. II. 75) „Hasting revint avec ıme flotte de P’Angle- 
terre; peut-e&tre Alfred, pour susciter quelques troubles parmi les 
Francs (!), avoit il fait monter cette flott& par des Anglo-Saxons“ (T), 
dürfen wir "wohl unwiberlegt Taffen, Tolange wir nicht mehr. über A⸗ 
frebs Feindſchaft gegen bie Franken und Saeftens Bund mit den An⸗ 


gelſachſen erfahren. 


. 9) IIlo enim tempore et, molto ante omnes regiones dexteralis 
Britanniae partes (bie Länder ber Althriten) ad Aelfred regem perti- 
mebant et adhuc pertinent — expetivere regem, ut dominium et de- 
fensionem ab eo pro inimicis suis haberent ete. Asser. ad a. 885, 


j 


mn 





Bon Anfang des 9. Bis: Anfang. des 11. Jahrh. 37 


loſe und fchädliche Verbindung mit: den Daͤnen in Nortkumbrien 
abzubrechen. Ex: kam zu Alfred, welcher: ihn ehrenvoll empfing 
umd aus den Händen des Bifchofd als Sohn annahm, worauf 
- jener ihm: fein ganzes Land zum Eigenthum: auftrug, um e8 uns . 
ter .denfelben Berhältniffen, unter welchen der Ealdorman Abe 
red Mercien..befaß, wieder zu erhalten. Diefe Berhälmiffe wur⸗ 
den in Afveds Tagen nicht aufs. neue gefkört, welcher: auch in 
. den lebten Lebensjahren von den Dänen in und auſſerhalb 
England nicht wieder beunruhigt wurdhe. 

Die letzten Jahre Alfreds verfloſſen in Frieden, laſſen uns 
aber ohne weitere Berichte über feine Thaͤtigkeit. Jedoch ein 
ber Geſchichte merkwuͤrdiges Document von ihm iſt auf unſere 
Tage gekommen, ſein Teſtament, welches uns ſchon gedient 
bat um über die’ Verfügungen ſeines Vaters Athelwulf belehrt 
zu werben. und und genauen Nachweis: über die Unbedeuten⸗ 
heit des Privatbefiged der damaligen Könige von England er⸗ 
theil. Nach dem mit feinem letztverſtorbnen Bruder Äthereb 
zu Swinburn eingegangnen Erbvertrage folten beide Kinder 
die Stammgüter ihres Haufe erhalten, in Folge welches Vers 
trages nach Äthereds Ableben AÄlfred von dem zu Langdon vers 
fammelten Witena-Gemote gerichtlich als Erbe. anerfannt wors 
ben war und demnach fpäter, in der im neuen Münfter zu 
Wincheſter gemachten Erklärung, weiter verfügte. Er vertheilte 
feine Ländereien ‚zwifchen feine Söhne Eadward und Athels 
weard, fowie Äthereds Söhne Athelm und Athelwold. Seine 
Drei öchter Athelfleda von Mercien, Äthelgiva, die Xbtiffin des 
neuen Kloſters zu Shaftsbury, und Älfthryde, dem Grafen 
von Flandern, Balduin, Sohne der zweiten Gemahlin Athel⸗ 
wulfs aus ihrer fpätern Ehe, vermählt '), erhielten, ſowie Als 
freds Gattin Alfwitha und ein Anverwandter Döferth, mehrere 
Dörfer zu lebenslänglicher Nubnieffung,. um hernach an bie 
Speerfeite feines Stamms zuruchufallen. Freunde, Seiftige, 


1). wrifthryde beſaß das Dorf kewesham (Kent) mit feinen ſpater 
beruͤhmt gewordnen Zubehoͤrigen, Greenwich und Woolwich, welche ſie 
im J. 916 dem Kloſter St. Petri zu Blandin bei Gent ſchenkte. Die 
Urkunden und verſchiednen Beſtaͤtigungen dieſer Schenkungen ſind noch 
handſchriftlich vorhanden und vom Herrn Profeſſor Warnkoͤnig wie 
der aufgefunden. Vgl. auch Danesday. Kent fol. 12b. | 


8 .:..: . Dritte Abtheilung. m: 


901. 


bie. krirgeriſche Dienſimannſchaft feines Haufe, Arme waren 
nach. dem Zuſchnitte ſeines Vermoͤgens reichlich bedacht, den 
von ihm Preigelaffenen dev Fortbeſtand ihrer Freiheit gefichert 
Alfted ſtarb um:28.: October: des J. 901), nachdem er 
neummdzwanzig Jahre und ſechs Monate regiert, nut dreiund⸗ 
funfzig Sahre gelebt hatte. Keinen beſſer verdienten Ruhm 
hat irgend ein Herrſcher hinterlaſſen. Welche Etfcheinung 
wenn wir ihn mit der Mehrzahl der froͤmmelnden, feigen und 
ungeſetzlichen Koͤnige vergleichen, unter denen die Unabhaͤngig⸗ 
beit, Wohlfahrt und Bildung der Angelſachſen zerſtoͤrt worden 


„waren! Doch ſelbſt wenn wir. ihn mit allen bedeutenden 


Fuͤrſten zufammtenftellen, welche durch dAuffere Schickſale und 
den Umfang des Geleiſteten ihm vergleichbar find, dem kraͤfti⸗ 
gen und welfen Ecgbert, dem Beherrſcher der: halben, dem 
Wunder der ganzen Welt und Macwelt, dem Franken Karl, 


dem großen Baar Peter ober Friedrich dem Einzigen: fo moͤch⸗ 


ten wir Peinem diefer bemunderungswürbigen Männer den Vor 
zang vor dem großen Sachſenkoͤnige zuerkennen, deſſen Leben 
an alle großen Regenten zugleich erinnert, ohne durch verkehr⸗ 
ten Ehrgeiz und Eroberungsfucht befledt zu fein. Ohne bie 


Macht der genannten Könige zu befigen, wirkte er für Europa 


nicht weniger durch Kampf und Sieg gegen die Feinde dei 
ganzen Europas und die geflicchtetften Anführer derſelben, ſowie 


wenn das Schwert zu wirken aufgehört: hatte, burch den ge 


raͤuſchloſen, aber ſichern Sieg "der Bekehrung zum Chriften 
thume. Doc, winde ed ein Wahn fein, den König vom Men 


ſchen trennen zu wollen und den größten Ruhm Alfreds oder 


andrer großen Herrſcher in ambrer als der hervotragendſten 


Perſoͤnlichkeit zu ſuchen, unter Berüdfichtigung der Umſtaͤnde, 


inter welchen diefe gebildet war und durch welche ſie ſo ſehr 
hat hervortreten koͤnnen. Ohne daher in einigen die fruͤhen 


D Florent. Wigorn. Chron. saxon. ad a. 0, Der anſchei⸗ 
nende Widerſpruch des Simeon b. J. 899 und chron. saxon. verdie⸗ 
nen keine Beruͤckfichtigung. Jener gibt felbft die Indiction IV. an, 
weiche bekanntlich: in das Jahr 901 fällt; auch ſtimmt deſſen Angabe 
Über den Antritt und bie Dauer ber Regierung mit der Angabe ber 
weſtſaͤchſtſchen Shroniften überein. Depositio Alfredi R, wird auch im 


angelfächfifchen Kalender am 28. October begangen. 





Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 349 


Jahre Ülfeeds treffenden Auſſerungen des heil. Neot und Aſ⸗ 
ford mehr zu erkennen als: bie Ermahnungen des Tiebevoll 
ſtrengen Beichtvaters, dinfen wir glauben, daß die Lehren der 
Vorwelt und dltrer Freunde, daß die fchmerzhafte, aber eine 
Natur wie: die feinige zum Nachfinnen fördernde Kraͤnklichkeit, 


daß die Tage des Ungluͤcks ſeinem Charakter eine nie ober felten 


otreichte Bereinigung ded Helden und des Weifen gegeben haben 1), 


So haben bald taufend Jahre geustheilt, und wenn Beobachtung 


und Kunde menfchlicher Empfindung die Gabe bev Prophezeiung 
verleihen, werben alfo noch viele Weltälter urtheilen. Nie Eonnte 
der Held von Äthelingseye vergeſſen werben, ber echte Koͤnigsſproß, 
dee verlaffene Fluͤchtling, in mweldem' das Wohl des ganzen 


chriſtlichen Britanniend verborgen war; der gluͤcklicher als jener 


Sebaſtian von Portugal, als der verkoͤrperte Arthur von Avallona 
der Altern Dichtkunft, wiederkehrte und die reiche Ernte dem 
Furzen Winter folgen ſah. Selbft die’ normannifchen Unter: 
drüder haben Alfred. nicht feinblich betrachtet und den Ruhm 
eines ſolchen Königs als ihred Vorfahren ſich gern angeeignet. 
Doc wie. mafite eine felche Erinnerung, ein fo ſchoͤner Troſt 


. fpäter bei ‚dem angelſachſiſchen Stamme fortwirken Kein Slanz 


H Den Namen des Weileſten. geben ihm auch manche enghiſche 


Annalen mittler Zeit. Auch die Bezeichnung veridieus, die Turner mwuns 


berlich the ‚truthteller überfegend zum Lobe ber Wahrheitsliche und 
Aufrichtigkeit des großen Koͤnigs benutzt, bedeutet entweder daſſelbe oder 
iſt gar nicht als beſonderer Beiname gemeint. Turner II, 140 über: 
fleht, daß Schon Affer den Älſted veridicus nennt und zwar 6. 3. 855, 
wo er. ihn nur als Berichterftatter über bie angelfächfifche. Ihronfolge 
anführt: a domino meo Aelfredo Anglo-Sazonum rege veridico etiam, 
saepe mihi referente audivi, quod et ille etiam a veridicis multis re-. 
ferentibus. Die Stelle daſelbſt b. 3. 900 ift nicht von Affer, ber 
fein Werk im 3. 893 ſchrieb, und: dürfte cher als Beweis für. jenen 
Beinamen angeführt werben. In jedem Falle darf nicht überfehn. wer⸗ 
den, daß in veridicus nur ein Anglofaronifmus oder Germaniſmus ſteckt, 
da sothbora (vates, astrologus, rhetoricus) und „Wahrfager‘‘, sooth- 

sayer, zunächft den bezeichnen, welcher des Wahren wiſſend iſt. In die⸗ 
ſem Sinne wird auch Beada veridicus genannt. Simeon Dunelm. 
Durch eine. andere Deutung lieffe fich jener Beiname mit Xlfreds gefege. 
geberifchem Ruhm in Verbindung bringen, da veridicus, wie der daͤnie 
ſche sandmand, für Urtheiler, Richter gebraucht wird, womit das ver— 
dict der Jury zufammenpängt. | — 





350 Dritte Abtheilung. 


ift ſo groß als der aus der Krippe und dem Bettlermantel 
herausſtrahlt, und Fein Andenken fo wohl bewahrt ald bei den 
Unterdrüdten. Die gegenwärtige ‚Zeit aber wird am liebften 
ven Weifen ehren, den Gefeßerhalter und Bildner feines Bol 
kes; fie ehrt ihn um fo mehr, da die Erinnerung an ihn mit 
feinem jemer fpdtern Auswichfe und Misbraͤuche der. Verfaſ⸗ 
fung und Bildung verknüpft ift, welche die Streitart nur 
noch im Richtbeil, dad Recht in den Gebühren, die Kirche in 
den Zehnten erkennen. Wenn aber Männer wie Alfred jedem 
Bolke und jeder Zeit in dem Kreißlaufe des menfchlichen Bei 
fie angehören, fo darf dennoch, den britiſchen Rachkommen 
zunaͤchſt, der Deutfche, deſſen Sprache und Bildung noch viele 
goldene Früchte, Die Alfred fäete, durch fernere Forfchungen 
gewinnen werben, mit frohem Stolze jagen: der Mann gehört 
und an’). — ⸗ 


Eadward der. Ältere. 

Nach Alfreds Tode vereinigten fich: die Stimmen ber Bit 
tigften für deſſen dlteflen Sohn Eadward, welcher durch einen 
‘ berrlihen Sieg über Haeſtens Heer am Tage zu: Farnham 
einft fich bewährt hatte. Es gab einige welche durch dieſe 
Übertragung bed ganzen Reichs an den Sohn des juͤngem 
Bruders die Rechte der Söhne des Altern Bruders Athelreb‘) 
beeinträchtigt glaubten; ob fie für Clito ÄAthelwold, den ditern 
Enkel Äthelwulfs, das Reich oder nur. einen, Theil deffelben 
anfprachen, erfcheint zweifelhaft. Athelwold felbft fcheint an 
fängli nur die Erweiterung feined durch Alfreds Verfügungen 
angeblich gefchmälerten Privatbefiged beabfichtigt zu haben, da 
. er ohne Verlaub ded Königs und feiner Witena einiger koͤnig⸗ 


1) Buch Ruth II, 205: des wackern Grafen Friedrich Leopold, 
‚von: Stolberg Motto zu feiner gemüthvollen beutfchen Darftellung 
aus Turners Arbeiten über Älfred. en Ä 

2) Diefer ältere Bruder (worin die:beffern Quellen übereinftimmen 
gegen Heinrich von Duntingbon, welder ven Prätendenten ben 
jüngern Sohn Alfreds nennt) wird 'von- den-&hroniffen nicht genannt; 
doch ergibt Xlfreds Zeftament bie, Verwandtſchaft unwiderleglich. Ic: 
kann daher Turners Stiliſchweigen fo wenig als Palgraves um 
motivirte Entfceidung für. AÄthelbald billigen; ſchon Lingard hat hier 
das Richtige gefunden. ' Ä | 


\ 





Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 351 


lichen Weiler oder Städtchen, Winburn und Twineham fich 
bemächtigte.. Der König rüdte mit feinen Kriegern bis Bad⸗ 
bury gegen’ ihn vor, und Athelwold, die Thore der Stadt ver⸗ 
rammelnd, ſchwur: dort ein Herr zu leben oder eine Leiche 
zu liegen. Doch bald War er bier durch nächtliche Flucht vers 
fhwunden, und König Eadward “fand dort nur die Nonne, 
welche jener ohne feine, bes Familienhauptes, Genehmigung 
und wider dad Gebot der Biſchoͤfe geehlicht hatte. Die ges 
luͤbdbruͤchige Nonne wurde dem Klofter wiedergegeben. Der 
Neffe AÄlfreds aber war nach Northumbrien geflohen, wo bie 
Dänen ed angemeffen fanden, ihn, ber Schug und Genofjens 
ſchaft fuchend gekommen war, ald den rechtmäßigen Herrn und 
Oberkönig') anzuerkennen. Nach. den Ruͤſtungen einiger Jahre, 
fuhr der Dänenfürft Äthelwold, an der Spige einer großen 904. 
. Slotte der Dänen, von Nortbumbrien und Oftanglien nach 
Efier, von wo er mit erprefiten Schiffen nach. Oftanglien zus 

. ruͤckkehrte 2). Um dieſe Zeit oder fruͤher waren daͤniſche See⸗ 
raͤuber in Kent gelandet, welche unter Äthelwolds Befehl ge⸗ 
ftanden haben koͤnnen, wenn wir gleich Feine Nachricht darüber. \ 
beſitzen; doch waren bie Kenter foweit fiegreich, daß die Daͤ⸗ | 
nen nicht bei. ihnen fich nieberlieffen?). Im folgenden Jahre 905. 
bewog Athelwold die Oſtangeln und deren König Erich ’ 


1) Constituerunt eum regem et principem super reges et duces 
suos. Henr. Huntend. Rex et princeps regum eorum factus est.. 
Chron. Mailros. | . 

2) Chron. saxon. Florent. ad a.904. Malmesb. L II. c.5. 
Daß Äthelwold Hülfstruppen aus Frankreich ‚geholt, Tcheint mir durchs 
aus ein Irrthum der neuern. Gefchichtfchreiber, mie ſolches aus. dem Zus 
fammenmwerfen einzelner Brocken verſchiedner Schriftfteller. zu entſtehn 
pflegt. Wilhelms von Malmesbury piratae koͤnnen nur die Daͤ⸗ 
nen in England fein, und die transmarinae partes bei Florenz ergeben 
fi durch Vergleichung mit Chron. saxon. u. a. als Sir, wohin und 
woher er mit der dänifchen Flotte gefchifft war. - 

8) Die fiegreihe Schlacht bei Holme Tegen Florenz, Simeon, 
chron. Mailros. und Athelweard in das Jahr 904, chron. saxon. in 
902, Heinrich von Huntingdon in die Jahre 912 oder 913, als 
unentſchiednen Erfolges: Äthelmweard vermechfelt fie mit ber etwaß: 
fpäter erfolgten Schlacht. Turner 'überfah die. meiften: dieſer Stellen, 
welche auch Lingard ganz und gar nicht ber en 

4) Florent. ad a. 90%. 





352 ‚Dritte Abtheilung. 


zu einem Kriegszug gegen Mercien, in welchem noch des Koͤ⸗ 
nigs Schweſtermann, der Patricius Athelred, herrſchte. Sie 
drangen bis Cricklade in Berkſhire vor, gingen uͤber die 
Themſe und verwuͤſteten die Gegenden, wo aber Furcht ſo 
wenig als Liebe dem Äthelmold Anhänger award. Eadward 
folgte ihm mit feinem Heere und zerförte den Diſtrict, welcher 
zwifhen St. Edmunds Mark und der Dufe liegt. Aus biefer 
zwifchen. dem dänifchen Reichen gelegenen Gegend wurde, nad: 
dem der Zweck ber Verheerung erfüllt war, ein Ruͤckzug erfos 
derlich, doch ‚gelang es dem ‚Könige durch fiebenmal wieder 
holte Botfchaft nicht die Tampfentbrannten Kenter zum Rüds 
marſche zu bewegen. Die Feinde. benusten bald die dadurch 
eutflandene Trennung des Heeres: und fielen über die Kenter 
ber, von denen fie vide treffliche Ealbormanen, einen Abt’) 
und andere Steeiter erfchlugenz; aber diefe Braven verkauften 
ihr Leben nur um den Preid des vollſtaͤndigſten Sieges, die 
Könige Äthelwold und Eorich, die Anführer (Holdas) Beorth 
figt, Brithnoths Sohn, Oſkytel, Yop, unyäblige Krieger blies 
ben mit ihnen auf der Wahlſtatt. 

Eadward hatte durch diefen Sieg nicht nur ben gefaͤhr⸗ 


FR lichſten ſeiner Feinde vernichtet, ſondern fand auch die Daͤnen 





bereit den. Frieden zu Yingaford abzuſchlieſſen?), deſſen Folge 
das noch vorhandene Buͤndniß Eadwards mit Eorichs Nach⸗ 
folger Guthrun wurde, eine Erneuerung der von Alfred und 
dem aͤltern Guthrun = Äthelften einſt vereinbarten Sagungen. 
Eadward erfcheint während feiner ganzen Regierung ald ein 


| angelfächfifcher König in. feiner urfprünglichen kraͤftigen Ge 
flatt, das Erworbene befefligend und, foweit die Verhaͤltniſſe 
irgend geflatteten, ausbehnend und fo England, wie einſt Ecg 


1) Eadwoldus, regis minister, "Kenulfus, abbas, Flo rent, 
Chron, sgxon. Der große Verwirrer ber englifchen Gefchichte, Mat: 
thbäus von Weftminfter, ſchreibt: Radwoldus et Kewulfus abbates, 
und -biefem folgend Lingard: two abbots, 

2) Simeon Dunelm. p. 133 ad a. 906. Bex R Beopasitate 
 ecompulsus pacem: firmsyit cum orientalibus. Anglis et Nertbanhym-. 
brensibus. Dagegen Dexfelbe p. 162 ad a. 906: Paganprum exereitus 
de, Kastanglis: et Northymbria, invietum esse Kadwardum zoientes, 
pacem cum eo faeiunt eto. Florent. ad a. 9067 Chron. saxon. 
ad a. 907, 0 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 353 


bert, nit der Krone Weſſer under: Einer: Landedhobeit ver⸗ 
einigend. .-:-- 

Die guten auf der Inſel Wight, durch ihre vage ges 
ſchuͤtzt, hatten bisher: noch anter eigenen Königen fich unab⸗ 
haͤngig von Weller erhalten. : Unter AÄlfreds Regierung war 
mit Eilbert, Aiſtolphs Sohne, der dortige Koͤnigsſtamm aus⸗ 
geftorben, und die Inſeljuten unterwarfen fich regt: dent: Könige 
Eadwark. : Denfelben Entſchluß faſſten die Juͤten in Kent, : welche 
im: einer. mit jenen Inſulanern gemeinſamen Volksthuͤmlichkeit 
ungeſtoͤrt ſeit König Baldreds Tode als ‚freier Staat beſtan⸗ 
den!). Nach dieſem tritt der altjuͤtiſche Stamm in England 
richt wieber in deffen Geſchichte herbor, es ſei denn daß man. 
einige kleine Dialekts⸗ und Sitten⸗Eigenthuͤmlichkeiten, welche 
Inſelbewohnern ſelten fehlen, oder: etwa bie unter König Hein⸗ 
rich VI. geſchehene Krönung des Henry de Beauchamp, Grafen 
don Warwick, als Koͤnigs von Wight, alſo anſehen wollte. 

Nicht. viele Jahre währte cd; ſo hatten die unrubigen 
Dänen in Rorthumbrien ven: beſchwornen Frieden. verlegt, und m 
Eadwarden war e3 vielleicht nicht: unwillkommen, an:der Spike " -" 
ber Weftfachfen und Mercier im jenes Land "einzurliden. Er 910. 
durchzog da& Land. fünf Machen: hindurch und verließ 23 mit 
Beute und ‚Gefangenen beladen, nachdem Cuthreds Söhne, die 
Könige und: die übrigen Anführer der. Dönen das Buͤndniß er⸗ 
neuert hatten?). 

Im folgenden Jahre verweilte Ewa: in Kent um 914. 
eine e Flotte von himdert, Schiffen zu erwarten, welche von den 
ſudoͤſtlichen Küften her ſich dort‘ verfammelte. Da England in 
diefen Augenbliden ruhig fchien, fo Tann die Beflimmung biefer 
großen Flotte wohl nur gegen dad Ausland gerichtet gemefen- 
fein, und. felbft ohne Ruͤckblick auf die.um biefe Zeit oder 
einige Jahre: fpäter gefchloffene -Ehe der Zochter Eadwards, 
Eadgive, mit dem Könige von Frankreich, Karl dem Ginfälz 
tigen, oder auf die gleichzeitig gefchehene Aufnahme des von 
ben. Normannen vertriebenen Regenten Armoricas, bes Grafen 
Mathuedri. und ſeines jungen Sohnes Alain, melden Eadward 


1) Joh. Wallingford apud Gale I, 538, 
2) Florent. Chron. saxon. ad a. 910, 
Eappenberg’s Geſchichte Englands I. 23 





\ 


354... Dritte Abtheilung. 


noch faufen ımb mit feinem eigenen aͤlteſten Sohne erziehen 
ließ‘), dürfen wir wohl muthmaßen, baß der König von Eng: 


land beabfichtigte dem von Frankreich gegen Rollo, der in die 


fem Jahre dem Lebtern durch den Vertrag zu St. Clair an 


der Epte die Normandie abzwang, in. der drohenden Gefahr 


911 


5. Aug. 


zu Huͤtfe zu eilen. Die Northumbrier indeſſen, entweder in 
Übereinſtimmung mit ihren Stammverwandten in Frankreich 


‚ober nur‘ ihrer ſelbſt "willen, den vortheilhaften Augenblid ers 


greifend, in welchem der ‚größte Theil des englifhen Heer 
fich auf der Flotte befand, drangen, das Buͤndniß wiederum 
brechend, in Mercien ein. und bi Stratford am. Avon vor. 


Auf dem Avon: fchifften fie in den Seven und pluͤnderten 


an den Kuͤſten. Darauf 309 das Raubheer mit feiner Beute 
beladen längs dem weltlichen. Ufer. :Ded Severn, welchen Fluß 
fie bei Quatbridge (Quatford oder Bridgenorth in. Sbropſ hire) 
uͤberſchritten um ſich heimwaͤrts zu wenden ?).. Doch das 
merciſche Heer, von Eadwards Sehweſter, Der. ‚topfern Athel⸗ 
flede, geführt; traf mit den Daͤnen bei: Zeotanheale, ( Tetten⸗ 
ball in Staffordſhire) zuſammen und trieb ſie ſiegreich zus 
ruͤck. Bald auch eilte Eadward mit dem ausgeſchifften Heere 
zum Schutze Merciens herbei. und die ſich zuruͤckziehenden 
Feinde bei Wodansfield erteichend, erfocht er den glaͤnzendſten 
Sieg’). Es ſollen dort. bie Könige :Eowils - mb Healfden 

1) Chron. namnet. bei Bouquet VII, %76 fügt: freilich, daß 
das Kind Alain zum König Äthelftan gebracht kei, und es findet fich dort 
am Rande nach der Zahl 912 gleich darauf 951; da ber Zert aber hin 
zufügt, daß Alain und ÜÄthelitan zufammen erzogen und. jener im ge 
teiften Alter nach Bretagne zuruͤckgekehrt ſei, ſo kann das Jahr 931 


nicht richtig fein, und iſt entweder 913 zu leſen ober jene Zahl gehört 


zu der erften Rückkehr des im 3. 937 anerkannten Bretägnerfürften in 
fein Vaterland. Daru Geſchichte ber Bretagne. (Schubert I, 79) 
fheint auch eine ſolche frühere Zeit anzunehmen, body umgeht er die er⸗ 
foderliche Beweisführung durch Weglaffung bed Namens Äthelftan und 
der Sahreszahl in feinem Gitate aus der Chronik von Nantes. 

2) Üthelweard. Simeon ©. 133 b. 3. 910, Florenz 9. 

8) Athelweard. Florenz, Simeon ©. 151 b. 2. 910. 
Wobangfield ift Feine zwei englifche Meilen von Zettenhall weſtlich ges 
legen, und es würbe nicht unrichtig erfcheinen hier nur ein und daſ⸗ 
felhe Treffen unter zwei Namen, zu: ſuchen, wenn nicht Florenz ſie 


Don Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 355 


Inguars Brüber 1), deren die englifchen Kriegsannalen einige - 
dreiffig Jahre früher gedacht haben, die Jarle Ohter und 
Scurf, neun Holden und- viele Taufende von Kriegern gefal- 
len fein. Jene Koͤnigsnamen erfcheinen an diefer Stelle etwas 
verbächtig, und der Zweifel über das Schlachtfeld fcheint um 
fo mehr zu der Vermuthung zu berechtigen, daß dieſe Chro= 
niften das gefeierte Andenken einer frühen Schlacht mit der . 
gegenmoärtigen verfchmolzen haben. 

Der Erfolg des Siegs war jedoch unzweifelhaft; England 
war von dem Angriffe der Dänen errettet, dieſe waren be 
firaft. Doch mittlerweile war der Vertrag zu St. Clair an 
der Epte abgefchloffen und die Dänen erhielten in Frankreich 
eine Provinz, welche für England gefährlicher warb als für 
jenes Land, ja mehr noch ald die Abtretungen, welche den 
Dänen fchon in England felbft geworden waren. 

Bald nach der im Reiche hergeftellten Ruhe wurde Ead⸗ 
wards Macht durch eine friedliche Eroberung bereichert, durch 
den Heimfall von London und Drford mit den angrenzenden 
Ländereien, mit welchen Alfred feinen Schwager Äthelred, den 
Heren des englifchen Mercia, belehnt hatte. Äthelved war nach - 
längerer Kraͤnklichkeit, welche feine früher erwiefene Thatkraft 
gehemmt hatte”), geſtorben und Mercien auf feine Wittwe 
Üthelfleda übergegangen, welche das Land ſchon lange regiert 
und felbft dad Heer befehligt hatte. Die Tochter Alfreds bes 
"währte fi) als die wuͤrdige Herrin Merciad und fland auch 
als Wittwe dem Regimente ihres Landes fo preiöwürdig vor, 
daß ohne die Iungfrau= Königin fie in der Gefchichte Englands 
unuͤbertroffen, felbft unvergleichbar geblieben wäre. Den feflen, 
der Herrſchaft würdigen Sinn hatte Athelfleda auch dadurch 
erwieſen, daß ſie nach der Geburt einer Tochter, um in Zukunft 


I 


auedruͤcklich von einander trennte. Tthelw eard nennt nur den erſten 
Ort; die uͤbrigen Chroniken in allen bekannten Handſchriften, ſo ab⸗ 
weichend dieſe in der Chronologie ſind, nur den zweiten. 


3) Nach Äthelweard ſtarb hier auch Inguar ſelbſt. 

2) Eximiae vir probitatis (prowess, Tapferkeit), dux et patri- 
cius, dominus et subregulus Merciorum Aethelredus, post nonnulla 
quae egerat bona, decessit. Florent, ad a. 912. 


23* 


356 Dritte Abtheilung. 


zu vermeiden was dem Berufe der Regentin hinderlich fein 
Eönnte, in Eeufchefter Enthaltfamteit lebte ?). 

Eadwards Hauptbeſtreben ging nunmehr dahin, mit 
Üthelfleda feinem Lande eine Anzahl feſter Plaͤtze zu verſchaf— 
fen, welche daffelbe gegen die Überfälle der Dänen zu ſichern 
und deren Vorrüden zu hemmen vermöchten. Die befeftigten 
Drte an der däanifchsenglifchen Grenze waren faft alle den 
Dänen zugefallen, welche von dort aus das benachbarte Land 
in fleter Aufregung der Furcht und Ruͤſtung erhielten. Chefter 
wurde von Eadward wieder erbaut, fowie Witham (Effer), 
Towcaſter und Hertford; feine Schwefter errichtete,‘ hier wie 
dort nicht ohne Firchliche Feierlichkeiten, da die moͤnchiſchen 
Chroniften den Zag der Gründung fletd genau anzugeben wil: 
fen, gegen Walifer wie Dänen die Burgen zu Branusbury 
(Herford) ), Stafford, Tamworth, Scergeate (Sarrat, Hert⸗ 

ford) Wardborough ’), auch die in ſpaͤtern Jahrhunderten viel⸗ 
‘fach verherrlichte zu Waͤringavic (Warwid) und zahlreiche an 
dere 9. Auffallend genug mag es denen erſcheinen, welche noch 
immer jedem Staate und jeder Provinz deſſelben im Mittel⸗ 
alter eine iſolirte Ausbildung zuſchreiben und nicht die Gleich⸗ 
| zeitigkeit der geiſtigen Anregung und Gruͤndung vieler Inſtitu⸗ 
tionen in den ſtammverwandten Laͤndern auch in jener Zeit be⸗ 
merkt haben, wenn wir einige Jahre ſpaͤter eine ganz aͤhnliche 
planmaͤßige Anlage von Staͤdten oder Burgen in Deutſch⸗ 
land durch Kaiſer Heinrich J. finden, der, wie bald weiter 
zu erwaͤhnen, mit Eadward in naher verwandtſchaftlicher 
Verbindung ſtand. Eine neuentdeckte beſſere Bauart der Be⸗ 
feſtigungen mit Mauern von Feld: und Bad-Steinen °) mag dieſe 


1) Ingulph. Malmesb. 

2) Nichts offenbart fo fehr den Mangel an aritik in den bisherigen 
Erlaͤuterungen der saxon chronicle, als daß die Anlage der Koͤnigin 
von Mercia Mm Lincoln, dem Lande der Dänen, geſucht werden kann. 

8) Ingram in feiner Überfegung: Warburtons richtiger im 

Inder. 
) S. saxon chron. Florent. ad a. 907 - 918. Jenes fagt ſtets: 
tha burh getimbrede; Diefer: arcem munitam exstruxit; ober urbs 
conditur etc. Fa Ä 

5) Touecestra muro lapideo cingitur — Coleceaster — murum 


Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 357 


zahlreichen Anlagen zunaͤchſt veranlaſſt haben; doch haben beide 
Monarchien gleichfalls aͤhnliche Geſetze gegeben, durch welche 


aus jenen Burgen ſpaͤter bedeutende Städte entflanden: Ead⸗ 


ward, indem er alle Kaufhandlungen nur innerhalb der Burg: 
thore vorzunehmen gebot ); ber deutſche Koͤnig dadurch, daß 


er, wie die unbeſtimmten Worte der Annaliſten berichten, die 
Abſchlieſſung der gedachten Handlungen und die Haltung an⸗ 


derer feierlichen oder geſelligen Zuſammenkuͤnfte in den Staͤdten 
zu begehn gebot ?). 


Der Beſitz von London fuͤhrte den Koͤnig Eadward zu 


dem des ſuͤdlichen Theils von Eſſer, wo er Maldon beſetzte 915. 
und die benachbarten Sachſen ſich der Herrſchaft der Daͤnen 


entzogen um ſich ihm zu unterwerfen. 

Waͤhrend die ſaͤchſiſche Herrſchaft im Oſten durch den Koͤ⸗ 
nig wieder befeſtigt wurde, fuͤhrte ſeine heldenmuͤthige Schwe⸗ 
ſter einen Krieg zur Sicherung derſelben im Weſten. Hugan 


917. 


(Swen, Eugenius), König von Gwent, hatte ſeines Lehns⸗ 


herrn Abweſenheit benutzt um in deſſen Staaten einzufallen. 
Athelflede trieb Owen nach Briccenamere (Brecknock) zuruͤck 


und machte ſeine Frau und mehrere ſeiner Begleiter zu Gefan⸗ 


genen. Der Brite kehrte jedoch nicht zur Lehnstreue zuruͤck, 
ſondern floh zu den Daͤnen in Doraby, welche mit ihrem 


Volke die Loofung zum Kriege ſtets willkommen hieſſen. Am 


letzten Juli des folgenden Sommers gelang es der Herrin von 
Mercien Doraby zu nehmen. Einer ihrer erſten Beamten, den 
die Waliſer Gwyan, aus dem Geſchlechte des Herrn des Lan⸗ 
des Ely (Iſle of Ely, in dem damals daͤniſchen Cambridge⸗ 
ſhire) nennen, wuſſte die Thore der Stadt in Brand zu ſtecken; 


dennoch wehrten ſich die Dänen mit moͤrderiſcher Wuth, vier 


von Äthelfledes beſten Thanen wurden erſchlagen, und Owen 


redintegravi.. Florent. ad a. 918. Mid stan wealle, Chron, 
saxon. ad a. 921. 0 | 
1) Leges Kduardi I, 2. 


2) Concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit 
celebrari,. — Wittekind Corvey. 1. I. ber das Verſtaͤndniß biefer 


| 


Worte f. G. E. Wilda de libertate romana urbium germänic. Ha- 


lis (1831). 


918. ' 


358 |  Deitte Abtheilung. 


ſelbſt, ber keine Gnade begehrte noch erwarten durfte, ſtuͤrzte 
ſich in fen Schwert ’). + 

Die Dänen der übrigen fünf Städte waren gleichfalls 
aufgeftanden, und zunaͤchſt gegen die neuerrichteten Burgen ges 
richtet zerftörten fie Towcaſter; wurben jedoch, als fie aud 
Budinghamfhire Überfielen, gefchlagen. Ein Heer der Dänen, 
welches aus Oftanglien und Huntingbon zur Eroberung Beb- 
fordd ausgezogen war, wurde dort gänzlich beſiegt. Eimer 
Schaar von Heiden aus dänifh Mercin, Chir und Of: 
anglien, welche bis ‚Herefordfhire vorgebrungen war, leiftete 
die neu errichtete Burg zu Wigmore feftlen Widerfland, und die 
Beſatzung zwang jene zum Rüdzuge. Eabwarbs Heer brang 
jest mit gefleigertem Muthe bis Zemöford (Bedforbfhire) vor, 
wo der König der Dänen, — wir erfahren nicht, ob Guthrum 
gemeint ift — fein Herzog Toglos?) nebft deſſen Sohne, dem 
Jarl Mannan, und andern Heerführern eingefchloffen und bei 
Einnahme der Burg erfchlagen wurden. Die Kenter und 
Sachen in Efjer und Surrey, durch dieſes Beilpiel aufgeregt, 


‚zogen fich zufammen, griffen die Dänen in Colchefter an und 


nahmen biefe Burg ein. Die Oftangeln dagegen, in Vereins 
gung mit Seeräubern ihres Stammes, umzingelten Die neue 


Feſte zu Maldon, zogen ſich jeboch vor den zum Entfage hen 


1) Caradoc, Florent. Simeon. Chron. Mailros. ad a. 917. 
Chron, saxon. ad a. 916. Daß Omen ſich nicht ermordet habe und 
derfelbe fei weldyer einundzwanzig Iahre Tpäter vorkommt, iſt eine 
durchaus unerwiefene Behauptung Palgraves, fowie noch mehr bie, 
baß jener Owen König von Cornwales gewefen ſei. Der Feldzug gegen 


dieſes Land würde den Weftfachfen, nicht aber den entfernten Merciern 


obgelegen haben. Für Gwent entfcheibet bie Lage von Brecknock, neben 
dem Vorkommen ded Namens Omen unter ben bortigen Fürften (f. chron. 
saxon. ad a. 926); fonft hätte legterer Grund auf Gumbrien hingewie⸗ 
fen, wie es auch bei dem Owen im 3. 938 gefchehen muß. 


2) Slorenz b. 3. 918. Chron. saxon. ad a. 921. Ich ftche 


. nit an in biefem Zoglos, normannifirt Douglas, ben älteften uns bes 


Tannten Stammpater dieſes glorreichen Gefchlechts anzunehmen, wenn: 
glei) die Senealogen biefes Haufes, David Hume von Godscroft 


und die Familienarchive darüber ſchweigen. Er ift alfo daͤniſchen ober 


germanifcyen, nicht, wie der Nachbarhaß wollte, celtifchen ober gallifchen 
Urfprungs. Dieſer iſt auch der Comes Toli in der hist. eliens, 1. I. c. 85. 


Bon Anfang des 9. big Anfang des 11. Jahrh. 359 


beieilenden Englänbern zurüd und wurben, von biefen verfolgt, 
bald niebergemeßelt und ausdeinandergetrieben. Der König 
ließ jest die Mauern von Huntingdon, welches ihm gleichfalls | 
anheimgefallen mar, ſowie von Zoweafter und Colchefter wies 
dverherftellen. Die Dänen ber angrenzenden Landſchaften aber, 
Jarl Thorketyl, die Landesherren (holdas) ') von Bedford und 
Northampton, die zu Cambridge feßhafte Ritterfchaft (here), 
nahmen Eadward zu ihrem Schushern und Vertreter (to 
hlaforde and to mund-boran) an, ſowie Leicefter fich der 
Athelfleda unterwarf. Die Dänen imd Oſtangeln befräftigten 
ben, alten Frieden mit neuen Eiden; fie fchwuren: „zu wollen 
was König Eadward wolle, zu befeinden was ex befeinde, 

- auf der See wie auf dem Lande.” Bei diefen veränderten 
Berhältnifien der Fremden konnten aud viele Sachfen in die⸗ 
fer Provinz, gleich den noch übrigen. Oftfachfen der breiffig- 
jährigen Zwingherrſchaft der Fremden überdrüffig, froh dem 
Könige ihrer Abkunft und ihres Rechts fich wieder unterwer⸗ 
fen. Diefe rafchen Erfolge find größtentheils der Achtung zu: 
zufchreiben, welche Eadward fich und feinen Waffen zu ver- 
fchaffen wufite, doch auc der Klugheit, mit welcher er bie 
Auswanderung mächtiger Dänen nach dem neubegrünbeten nor: 
mannifchen Staate in Frankreich beförderte, worin wir in feis 
nem bem Jarl Zhorketyl, deſſen Entfernung er dem neuen 
Lehnöbunde gern vorzog, erwielenen Entgegenfonmen ein Bei: 
fpiel haben. 

Waͤhrend dieſer vielen Kämpfe im Oſten ſeines Reiche 95. 
hatte Eadward noch die Vertheidigung gegen einen Angriff zu 
fuͤhren, welcher im Weſten durch die in der Bretagne anſaͤſſigen 
Daͤnen, die Lidwiken von den Angelſachſen genannt ?), verſucht 

1) Die holdas werden haͤufig in Northumbrien genannt und in la⸗ 
teiniſchen Urkunden überfegt: duces. Ihre Stellung ergibt ſich daraus, 
Daß der-Holda die Hälfte des für den Ealdorman gezahlten Wergeldes - 
werth war. Judicia civit. london. Anhang bei Wilkins ©. 71. — 
Statt Thorketyl nennt Florenz: Thurferth. 

2) Diefer Rame wird von Ingram zur Sachſenchronik S. 181 
von lid, Schiff, und wicciam, wachen oder wohnen, abgeleitet. Ich möchte 
diefen Namen, befien Auslegung übrigens aus Asser. vita Aelfredi ad 
a. 885, verglichen mit ber Sachſenchronik, unbeftritten hervorgeht, lie⸗ 


912. 


! 


300 Dritte Abtheilung. 


wurde. Diefe Dänen follen biefelben gewefen fein welche 
England vor achtzehn Jahren verlieffen, fie waren nach dem 
Bertrage zu St. Clair an der Epte von den unzufriebenen Bre 
tond oder vielleicht von dem Herzoge Rollo vertrieben. Zuerfl 


griffen fie, unter dem mit dem northumbrifchen Könige Rege⸗ 


wald verbindeten Jarl Dther und dem nachherigen Jarl von 
Northbumberland, Oswulf Gracaba (Clackmannan) und: Dim: 
blain jenfeit des Firth of Forth an und zerflörten letztere 
Stadt. Später waren fie unter den Sarlen Other und 
Hroald zur Mündung ded Severn geſchifft, hatten in Wales 
geplündert, den Biſchof von Llandaff, Cameleac, ſoung oen 
welchen Eadward hernach mit 40 Pfund Silber ausloͤſte, und 

wuͤrden von dieſer Seite her bis ins Innere von Mercien ge⸗ 
drungen fein, wenn die Männer von Hereford und Gloceſter 
ihnen nicht entgegengerücdt wären und ben Hroald und Geol⸗ 
cil, einen Bruder des Other, mit andern ihrer Anführer er 
fhlagen hätten. Das Heer felbft wurde in einer Hölzung 


umzingelt und muffte Geifeln geben ‘für die Zufiherung, Ead⸗ 


wards Reich zu verlaffen. Eadward, wohl kundig der Pir« 


tengelübde, ftelte feine Wachpoften an der füdlihen Muͤndung 


des Severn, an der des Avon in Devonfhire und an ber übris 


gen Küfte dafelbft auf; dennoch landeten die Dänen wieder 
holt, wurden aber niebergemegelt, und wenige nur der Gelan- 
deten ſchwammen zu ihren Schiffen zurüd. Zange verweilten 
ſie auf der Inſel Reoric (Flatholm, mitten im Briſtol Chan⸗ 
nel), doch ſtarben deren daſelbſt viele den Hungertod des fei⸗ 
gen Raͤubers, die uͤbrigen ſchifften nach Irland '). 


ber aus dem alten Namen Armoricas, Laetica, terra Laetuvia (f. Daru 
a a. O. I, 25) herleiten, wofür auch die Lesart Liothwicum hier 
ſpricht, ſowie die bekannte Herleitung der „Leute“ aus ben Laetis der 
römifchen Provinzen. 

1) Simeon ad a.912, wo Cracaba(m) gewöhnlich 4 B. in Chal- 
mers Caledonia. T. I. p. 385) für einen Beinamen des Oswulf und 
Dunbline für Dublin genommen wird, welde Stadt ganz aufferhalb 
bes Gefichtskreifes des Mönches von Durham liegt. Annal. Cambriae 
ad a. 918. Florent. ad a. 915. Saxon. chron. ad a. 910, 918. 


Henr. Huntend. ad a. 918, welche, in den Begebenheiten überein: 
ſtimmend, in ber Zeitrechnung ſehr abweichen. Innere Gründe, ber 


offenbare Irrthum des chron. saxon,, welches den Tod der Äthelflede b. 





um Ss m FI Zr un en Zn Te ee, 


m 7 #7 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 361 


Eadward ſetzte im: folgenden Sabre die Unterwerfung ber 
Dänen fort. Er nahm Stamford ein, errichtete eine: fefte 
Burg füdli am Welundfluffe und .unterjochte. fodann. die 
nördliche Umgegend. Der wichtigfte Sieg wurde der AÄthel⸗ 
flede durch ihr Anfehn und ihre Unterhandlungen, welchen die 
Dänen zu York nachgaben, das Verfprechen des treuen Gehor⸗ 
ſams eidlich bekräftigend. Doc bald darauf ftarb diefe mer: 919 
würdige Frau !), nur eine Tochter, Älfwine, binterlafjend, um 12. Iuni, 
deren Hand NReginald, Guthreds von Northumbrien Sohn, 
fi) bewarb 2). Sollte die junge Prinzeffin auch diefen Ans 
trägen nicht abgeneigt gewefen fein, fo wird Eadwards Poli» 
tie nicht getadelt werden, der die mercifchen Staaten mit fer 
nem Reiche nunmehr verband und dadurch alle germanifche 
Einwohner der britifchen Infel enger vereinigte. Sie entfagte 
jedoch unwillig der Ausficht auf die Herrfchaft, und Eadward 
muffte fie gewaltfam nach Wefler führen laffen. Die Sach⸗ 
fen indeß fowohl als die Dänen in Mercien unterwarfen: fich 
Eadwarden immer mehr, und biefer fuhr fort durch neue Be⸗ 
feftigungen zu Nottingham, Bakewell im Peaklande (Derby: 
Thire) ?), Manchefter an ber Grenze Northumbriend u. a. die 
erweiterte‘ Serrfchaft zu fihern. 0 

Üthelfledes Tod hatte auf einer andern Seite dahin ge 
wirft, Hoffnungen zue Eroberung des von ihrem männlichen 
Geiſte nicht länger vertheidigten Landes zu erweden. Sithrit, 
‚welcher, nachdem er feinen dltern Bruder Analav (Nieh) im J. 
914 ermordet hatte‘), mit Reginald Northumbrien beherrfchte, 


J. 918 und wiederum 920 berichtet, und die ziemlich genaue Angabe 
des Florenz uͤber auswaͤrtige Vorfaͤlle, fuͤr welche wir einen andern 
Maßſtab haben, entſcheiden meiſtens fuͤr Letztern. 

1) Florent. ad a. 919, Henr. Huntend, ad a. 919. Chron, 
saxon, et annal, Cambriae ad a. 918, 

2) Caradoc.p. 47. 

8) Lingard, fucht, im Widerſpruch mit allen Handſchriften des 
saxon. chron. ad a. 924, daſſelbe im Pictenlande und daher zu Bath⸗ 
gate in Lothian. ob biefes damals Pictenland hieß, ob Eabward irgend 
eine Zeftung in einem ihm nicht eigenthuͤmlich gehörigen Lande anlegte, 
find Fragen welche vor einer fo fehr willkürlichen Hypotheſe hätten ber. 
rhdfichtigt werben müffen. 

4) Simeon p. 133. Henr. Huntend, ad a. 921. 


- 


von Banborough genannt, Sohn Eanwulfd, eines Fr 










R.. ‚7 Zu Dritte Abteheilung. 


verſuchte einen Einfall bei Darenport in Chefhire, weihe j P, 
doch zu feinen für ihn günfligen Zolgen führte. Bald bang 
fchiffte Leofred, ein Däne, und Griffith ap Madoc, d 
Schwager Owens, de’ Zürften von Befhwales, verbündet ı 
einem Heere von Irland nach Wales, um fich des Luk 
und der angrenzenden Marken zu bemächtigen. Cs gela 
ihnen die Stabt Chefler und das benachbarte Lanb zu befegg 
und Eabwardd eigene Gegenwart wurde erfodert um jene Si. 
wieder zu gewinnen‘). Der König, bie Zeinde im Dei 
von Walewood (Sherwood) erreichend, theilte fein Hech 
zwei Treffen, deren eins er feinem Sohne AÄthelftan, dad 4 
dere befien Brüdern Eadmud und Eadred anvertraute 3 
ftan, durch Leofred perfönlich bedrängt, verwundete fe be q 
fen mit dem Speere und zwang ihn fich zu ergeben; Mei: 
jüngern Brüber erfehlugen den Griffith, und beider feinhähem 
Heerführer Häupter prangten als Siegeszeichen auf den Myp 
en von Chefter?). Die Könige von Wales, Howe DEE 
Glitauc und Eodwal, leifteten dem Könige Eabward En iäß 
Treue. Der König von Rorthumbrien, Sithrik, Uthred Mag 
Reginald und alle übrige Dänen in jenem Lande, weR 

York anheimgefallen waren ?), felbft die von Schottland ui 
Strathelyde mit ihren Königen, nahmen Eadward zum He 
und Vater an und fchloffen feſte Buͤndniſſe mit ihm‘). I 
ter denen welche jebt Eadwarden huldigten, wird a“ Me 


Alfreds, vermuthlich ber Stammater der in ben ni n 
IJe 

1) Ich habe Caradocs Erzaͤhlung hier um fo bereitwilllger acſ 
genommen, ba auch Wilhelm von Malmesbury II, 6 ſagt: Bei 
Eduardus, paucis ante obitum diebus, urbem Legionum fiducia Be 
num zebellantem a contumacia compescuit. Bon ber Oberhe 
Eadwards über Wales ſ. Palgrave II, 244. 4 

2) Chron. saxon. ad a. 922. Wenn jedoch bie Zeitrediuung W 
annal. Cambriae richtig wäre, fo mäffte Glitauc ſchon im I. 919 
morbet fein. 

8) Chron. saxon. ad a. 923. Simeon p. 183 ad a, 919, of 
Rex Ingwald zu Iefen Reginwald. 

4) Chron. saxon. ad a. 924. Florent. Ingulph, ad 
Chron. Mailros, ad a. 921. — hominium fecerunt, Ä 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 303 | 


Jahrhunderten ausgezeichneten Grafen von Northumbrien ‘) 


und einer jener kleinen Fuͤrſten und Herren, welche gleich je 


nem Ealdormane der Seinen, AÄlfreds Schwiegervater, und 


Dem oben gedachten Heren von Ely die alte Freiheit und Vers _ 


bindung mit Mercien und dem übrigen England mitten unter 


den Dänen zu erhalten wuſſten. Eadward erſcheint jest maͤch⸗ 


tiger, ald irgend ein früherer Bretwalda ed je gewefen war, 
und wir fehen Ecgbertd und Alfreds Beftrebungen durch den un⸗ 


ermüblih thätigen, einſichtsvollen Mann ausgeführt, Doc) \ 


uͤberraſchte ihn auf dem Gipfel ſeines Gluͤcks bald der Tod 
im vierundzwanzigſten Jahre feiner Herrſchaft?) zu Farndon in 
Mercien. 

Die fortwaͤhrende Vorbereitung oder Fuͤhrung von Krie⸗ 
gen konnte Eadward⸗ wenig Muße für Beſchaͤftigungen mit 
den Wiſſenſchaften und Kuͤnſten laſſen, in der Maße wie ſein 
Vater ſie geliebt und geuͤbt hatte. Wahrſcheinlich fehlte ihm 


hierzu auch die hingebende Neigung und der ernſte Wille, 


welche Alfred ausgezeichnet hatten. Wir finden in Eadwards 
Regierung keinen neuen Namen, welcher anderd ald im Kriege 
bedeutend: gewefen wäre. Doch forgte er für die würdigen 
Freunde feines Vaters. Um Grimbald, welcher nad) St. 
Omer gehen wollte, bei ſich zu behalten, ließ ex zu Wincheſter 
den neuen Muͤnſter errichten und mit geraͤumiger Kirche und 


924. 


vielen Gebaͤuden verſehen. Die Wanderungen der Englaͤnder nach 


Nom dauerten unter ihm fort. Vorzüuͤgliches Verdienſt um die 
Geiſtlichkeit erwarb er fih, auf Anhalten des Papftes Formo⸗ 
fus, durch Errichtung drei neuer, von den im 3. 910 durch 


\ . 

1) Daß Eadwulf der Stammvater der im folgenden Sahrhunbert 
bebeutfam auftretenden englifchen Grafen von Northumbrien ift, bewei⸗ 
fen auſſer andern Zeugniffen bie ſtets wiederkehrenden Namen Gabulf, 
Uthred und Aldred. Vgl. über die oben genannten Altern Aldred und 
Uthred chron. saxon. ad a. 924 et 926. Florent. ad a. 926, 8Si- 


meon Dunelm. Historia S. Cuthberti p. 74. Die duces ähnlihen 


Namen bei Simeon (vgl. oben ©. 244 Note 8) ad a. 774, 799) mögen 


Vorfahren jenes Eadulfs geweſen fein. Cine andere Abflammung gibt . 


Palgrave II, 823. nach einer Handfchrift des vierzehnten Jahrhunderts. 


2) Florent. Simeon, wo bie indietio XV. irrig flatt XII. 
Hernach ad a. 940. indict. XIV. ftatt XIII. Chron, saxon. ad a. 925. 





364 Dritte Abtheilung. 


Todesfaͤlle erlebigten großen Bisthämern zu Winchefter und 
Sherborn abgefonderter, zu Walls in Sommerfet, Grediton 
oder Kirton in Devonfhire und zu St. Petrok m Com: 
waled. Seine Bemühungen um die Rechtöpflege beftätigen 
mehrere erhaltene Gefege, unter denen Feines  einflußreice 
wurde als das obenerwähnte, welches die Burg des Krieger 
zue Förderung des Verkehrs und des Rechtes fowie zu 
Wiege des germanifchen Bürgerflandes, auf Waffenehre und 
Induſtrie begründet, benutzte. 

Eadward war dreimal verheirathet und Vater von drei⸗ 
zehn uns bekannten Kindern, in deren ſorgfaͤltiger Erziehung 
er feinem Vater Alfred nachahmte. Seine erſte Gemahlin war 
Egmina, wenn nicht eines Schaͤfers Tochter, doch gewiß nict 
von auögezeichneter Geburt '), welche ihm einen Sohn, Athel⸗ 


ſtan, und eine Tochter gebar; ſpaͤter heirathete er Alfleda, Tod | 


ter des Ealdormans Athelm; die letzte welche die koͤnigliche 
Ehre mit ihm theilte, war Eadgive. Drei Söhne haben. wi 
bereitö genannt; ein vierter, Alfward, farb gleich nach ihm; 
fpater Edwin; drei derfelben beftiegen feinen Zhron. Don den 
Zöchtern wurden mehrere nad) des Vaters Tode den erfin 
Fuͤrſten Europas vermaͤhlt; er ſelbſt ertheilte noch die Hand 


Eadgives, einer Tochter zweiter Ehe, dem Könige von Frank | 


reich, Karl dem Einfältigen. Es würde wegen ber oben ange 


deuteten politifchen Beziehungen zwifchen England und Frank | 


reich Iehrreich fein zu erfahren, wann diefe Verbindung flatt 
gefunden hat; doch laſſen die Jahrbücher beider Voͤlker übe 
eine Verbindung, welche und zugleich die erfte befannte Ber 
mählung einer englifhen Königötochter mit einem Könige von 
Frankreich ift, ohne glaubwürdige Nachricht”). Nach der Ge 


1) Guil. Malmesb. LII. c. 5. nennt fie illustris foemina. L.IL 
c. 6. ut ferunt, concubina, wo hernady auch die Sage von der GE 
ferstodhter. Florent, ex muliere nobilissima. Annal. ramesiens. c. IV. 


alto quidem patris profusus sanguine, sed, ut fertur, non aeque neb; ' 


lis exceptus gremioe concubinae, 

2) Die Angabe einiger wegen ihrer irrigen Chronologie verrufenes 
franzöfifcyen Shronifen (Bouquet VIIL et IX.) geben freilich dieſt 
Beirat b. 3.898; doch hoͤchſtwahrſcheinlich nur weil fie Karls des Gir 
fälligen dem Rollo verchelichte natürliche Tochter Gifela aus ent 


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Von Anfang bee. 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 365. 


fangennehmung biefes Königs durch Herbert, Grafen. von 
Bermandois, im 3. 923, floh Eadgive mit ihrem dreijährigen 
Söhne, Loutd, von feinem langen Aufenthalte in England 
Dutremer benannt, zu ihrem. Vater, : nicht lange vor beffen 


Zode, ‚welcher fie mit väterlicher Liebe aufnahm : und: beher: . 


bergte. 
Es wird noch ein Sohn Eadwards genannt, als der 
Bruder Äthelſtans, Gregorius, welchen die Sehnfucht nach 
himmliſchen Guͤtern vom Hofe weg zu den Graͤbern der Apo⸗ 


ſtel und aus St. Peters Stadt in bie Wildniſſe der Alpen 


trieb. Auf. feine Veranlaffung verwandelte fein Schwager, 
Kaifer Otto der Große, eine dortige vom heil. Meinrad..ger 
- fliftete Kapelle in em Kloſter; es ift diefes U. 8. Frauen 
Stift. zu Einfieveln ‘). Ältere und..wie es ſcheint auch die 
neuen Gefchichtfchreiber Englands haben diefe Beziehung ihres 
Königshaufed zu jenem: vielgefeierten Klofter überfehn,. welche 
zu, bezweifeln nicht gar viel Grund vorhanden und welche, 
wenn unbegründet, auch als. bloße alte Sage Äthelſtans weit 
verbreiteten. Ruhm Sicherer ald der Panegyricus der von ihm. 
begabten Klöfter beweifen würbe. u 


Athelſtan. 

Alle Frůchte der Tapferkeit feiner. Vorfahren vereint zu 
genieffen in einer nicht langjährigen, aber der ruhmvollſten 
Regierung, in welcher jedes Jahr zu einer neuen Verherrli⸗ 
chung des angelſaͤchſiſchen Namens beſtimmt ſchien, war das 
ſchoͤne Loos Äthelſtans, des durch tapfere Thaten ſchon bes 


kannten aͤlteſten Sohnes Eadwards. Es iſt das Wahrzeichen, 


946. 


zuverlaͤſſiger als das vollkommenſte Lob der Moͤnchschroniſten, an 
welchem der Geſchichtforſcher die bedeutendſten Maͤnner in der 


rechtmaͤßigen Ehe herleiteten. In dem gedachten Jahre hatte Eadward 
hoͤchſtens das neunundzwanzigſte Jahr erreicht; Eadgive war feine dritte, 
wenn nit eine Tpätere Enkelin. Cadgives Sohn, Ludwig, warb erft 
ums Jahr 920 geboren, und die Verheirathungen ihrer leiblichen Schwer 
ftern laffen annehmen, daß fie nicht viele Jahre vor dieſer Zeit ver⸗ 
heirathet iſt. 

1) J. v. Müller. Schite der Schweiz B. J. Cap. 12. und 
Note 295. 


‘ 


36860 Druͤtte Abtheilung. 


Mebelwelt der Vergangenheit erkennt, daß dieſe, von ber dank⸗ 
erfühten Begeifterung ihrer Zeitgenoffen in dichterifche Geftalten 
umgewandelt, durch dad Kortleben in tiefempfundenen Sagen ber 
umverhüllten Gefchichte auf Jahrhunderte, oft‘ auf immer ent: 
zogen worden find. Für das Ziefempfundene mangelt das ver⸗ 
gegenwärtigende und fortlebende Wort, und in der vermitteln 
den Dichtung erhält die Nachwelt das ehrwuͤrdige Zeugniß der 
Gefühle und Stimmungen, in welcher die Borwelt ihrer Helden 
gedachte. So ift ed auch dem Äthelſtan geworben, daß feine 
Geburt in ein undurchdringliches Dunkel früh eingehuͤllt wurde. 
Das Hirtenmäbchen, die fchönfte Blume: des Thales, ſieht in 
einem Traumgefichte aus ihrem unbefledten Schooße einen Mond 
emporfleigen, beffen Strahlen ganz England erleuchten. : Eine 
Landfrau, die Amme bes koͤniglichen Kindes, findet dadurch 
fich hingezogen bie wunderfame Maid im ihre Hütte aufzuneh⸗ 
meh. Der Königsfohn, auf der Jagd verirrt, gelangt durch 
diefen Zufall zu feiner Amme und dem reizenden Gefchöpfe in 
ihrer Umgebung. Sugenbkraft und SJugendfchöne feiern den 
Bund, welcher in ber, überirdifchen Welt befchloffen war; 
Äthelftan wird geboren, und auf fein Vaterland ftrahlen bie 
herrlichen Himmelözeichen mit ungekanntem Glanze. Nicht 
unwichtig ift und biefe Sage, oder die Anwendung Diefer 
Sage auf Äthelftan, auſſer der zunächfkliegenden eben ange- 
deuteten Beziehung auf feine Regierung, durch die Blicke, 
welche fie uns auf die Gefchichte feines Volks und feiner Zeit 
eröffnet. Wir erkennen bier zum erſten Male, daß Walhalla 
mit feinen Göttern aus dem Glauben der Angelfachfen völlig 
verfchwunden war, fogar ald altes Heldengefchlecht wurden 
diefelben kaum mehr geehrt; Wodan war ein erbärmlicher Gau 
ler, Freya eine verächtliche Buhlerin geworden. Dadurch war 
der alten Staatöverfaffung ihre wefentlichfte, Die religiöfe _ 


| Stuͤtze geraubt; die Föniglichen Gefchlechter hatten mit ihren 


- Ahnen Wodan und Sarnote ihre Heiligkeit verloren, und bie 
Bedeutſamkeit des Adels ſchwand in gleihem Maße. Das 
Volk hatte die Religion, den Vollöglauben der Wahn verjährs 


. tee Staatöklugheit, dieſe fich felbft überlebt, und auch die 


Könige von Weffer, die laͤngſtlebenden Exben Wodans, ver- 
fhmähten das heilig und vomehm thuende, verachteten daß 


Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 367 


ſtaatskluge Beſtreben, ihr Geſchlecht nur mit ebenbuͤrtigen 
Frauen, Wodans Enkelinnen, fortzupflanzen. Vielleicht hat 
das Beiſpiel der normanniſchen Fuͤrſten, welche in den unregels 
mäßigften ehelichen Verbindungen, wie nur bie unflätefle Pine 
tenhorde fie kennt, zu leben pflegten, verderblich auf die nene 
Anficht eingewirkt, wie viele damals fich bildende Anfichten 
erſt aus dem Leben in die Romantik des Mittelalterd überges 
gangen find. Doch wie die Anarchie der Wilingen endete md . 
das Königthum fich wiederum und flärker als früher böfeftigte, 
bewährte es fich auch hier, daß die Mevolution nur zu ‚einer 
Umkehrung der Anwendung geführt, nicht einen wefentlicken 
Grundſatz ſelbſt erfchüttert hatte. Die Ebenbürtigkeit der 
Wodansgeſchlechter war zu der der Koͤnigshaͤuſer umgeſtaltet, 

und wir kennen keinen Regenten jener Zeit, welcher wie Äthel⸗ 
flan, der Hirtin Sohn, viele Schweſtern ausſchließlich an 
europaͤiſche Fuͤrſten vermaͤhlte. 

Athelſtan war als ſchoͤner und zierlicher Knabe ſchon der 
Liebling Alfreds geweſen, und das Volk hat lange nicht ver⸗ 
geſſen, wie dieſer ihn fruͤh mit einem Purpurmantel, geſchmei⸗ 
dereichem Gürtel und dem Sachſenſchwerte in goldner Scheide 
in der feligen Freude der Großälten, halb tändelnd halb 
ernft, vitterlich bekleidete‘). Eadwards letzter Wille ernannte ' 
diefen aͤlteſten Sohn zu feinem Zihronfolger, und bie Wittigften, 
zunähft auf einem Landtage in Mercien, da Eabward zu 
Farndon geflorben war, fodann in Weſſer, befräftigten biefen 
Befchluß um fo eher, da faft gleich nadı Eadwards Tode auch . 
fein nächftfolgender Sohn Alfward, aus uhbeftritten: gefehlis . 
cher Ehe, geftorben war, die übrigen Söhne das männliche 
Alter nicht erreicht, hatten und auch Eadwards jüngerer Bru⸗ 
ber, welchem in ſolchem Falle die Krone haͤtte verliehen werden 
müffen, vor etwa zwei Jahren geſtorben war?). Die Kroͤ⸗ 
nung gefchah zu Kingſton, durch bie Hand des Erzbifchofs 
von Canterbury, Athelm ?), den wir für einen Vetter des Koͤ⸗ 
nigs, den Sohn Äthelreds und den dlteren Bruder des Üthels 
wold, halten möchten *). i ü 

y Malmesb. 2) Florent.e. 5) Idem. 

4) Zu biefer Vermuthung berechtigt der Name, das Alter des bald 


! 


68 . Dritte Abtheilung. 


Es fehlte jedoch nicht an Widerſtand gegen bie. Thron⸗ 
folge Äthelſtans und dieſes in Weffer ſelbſt. Zu Wincheſter, 
vermuthlich als dort uͤber fernere Thronbeſteigung berathſchlagt 
wurde, hatte ein gewiſſer Alfred den Plan geſchmiedet jenen 
zu ergreifen, zu blenden und vom Throne zu floßen. Alfred, 
deſſen Name auf eine Verwandtfchaft mit dem großen Könige 
zu folgern berechtigt, wurde ergriffen, doch nicht wegen Hoch⸗ 
verraths gerichtet, fondern zu Ablegung. eines Reinigungdeides 
an ben Papft Johannes X. gefchidtz ein rüdfi chtsvolles Ver⸗ 
fahren, welches nur erklaͤrbar erſcheint, wenn wir Alfred fuͤr 
eine der Kirche verwandte Perſon halten; welchen Umſtand je⸗ 
doch die Kloſterchroniſten, wie haͤufig in aͤhnlichen Faͤllen, zu 
Ehren ihres Standes zu verſchweigen ſich geſtatten). Er 
legte zu Rom in der St. Peterskirche den Eid ab, ſank aber 
unmittelbar nach dieſem Acte zuſammen und ſtarb in der drit⸗ 
ten Nacht darauf in der Schola der Englaͤnder. Dieſes Er⸗ 
eigniß diente zur vollſten Beſtaͤtigung des Frevels; in jedem 
Falle erloſchen mit dem Tode ſeine Rechte zur Herrſchaft, 
und ſeine großen Beſitzungen in der Naͤhe von Malmesbury 
wurden, durch das richterliche Erkenntniß der Witan, in allem 
Umfange dem ſchwer verlegten Athelſtan zugeſprochen. Deſſen 
Gnade wurde gepriefen, als er dem von Gott gezeichneten 
Hochverräther ein Begräbniß unter Chriftenleichen zugeftand ?), 
und die Schenkung der ehemaligen Lande Alfreds an daB Klo⸗ 
ſter zu Malmesbury verſchaffte dem freigebigen Sieger durch 
einen Moͤnch dieſer Stiftung, den bekannten Wilhelm, das 
groͤßte Lob unter den angelfächfifchen Herrſchern noch nach 


nach dieſer Kroͤnung verſtorbnen Erzbiſchof, das Schweigen über jene 
älteren Söhne des ältern Bruders Älfreds, welche zum Throne vor Äthels 
wold berechtigt geweſen wären, fein früheres Bisthum im weftfächfifchen 
Bath, die Gewohnheit der Apanagirung ber Verwandten des Königs 
durch geiftlihe Pfründen, endlich feine durch feine. Verwandtſchaft zu 
Dunftan erwiefene Herkunft und Angefeffenheit bei Glaftonbury in Weffer. 

1) Quidam Aelfredus magnae insolentiae homo. Malmesb. 
Ein Ätheling wird er nur von Lingard genannt; aber obgleich ver- 
muthlich fo durch Geburt, hatte er diefen Titel durch den Übertritt Zur 
Kirche verloren. 


2) Malmesb. II, 6. Id.’de pontificibus 1. V. 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang. bes 11. Jahrh. 3 | 


mehren Jahrhunderten, ald thelſtans ‚Stamm laͤngſt vertrie⸗ 
ben und feine Anfprüche. erloſchen waren, und ſelbſt ein Reich 
Mefler unter den Königreichen nicht. mehr vorhanden war. 


‚ Eine. ber erſten Thaten der Regierung Athelſtans wo, 


#:%6e 


gelangt. if, der Politit zum Opfer. brachte, indem ‚er, ihre 


Band jenem northumbrifchen Fuͤrſten Sithrik verlieh, deſſen 


kuͤrzlich verſtorbenen Bruders Reginald ) Bewerbung einſt den 


Vorwand dargeboten ‚hatte, um der Tochter Äthelfledes ihr 


ererbtes Reich zu nehmen ?). Sithrik nahm Northumbrien — 
ober vielmehr das alte Bernicia, — vom’ Bluffe Tees bis zur 
Grenze altfaͤchſiſcher Herrſchaft und, Cultur, Edinburg, von 
Athelftan zum; Lehne, und als er in Jahresfriſt ſtarb, benutzte 
dieſer den willkommenen Anlaß dieſes Land, nach Vertreibung 
der. Söhne Sithriks aus erſter Ehe, Guthfred und Analap, 
- feinem Reiche wieder einzuverleiben. ‚Anlav floh nach Irland, 
wo -feinem Haufe nah verwandte daͤniſche Fuͤrſten berifchten 
welche ihn willig aufnahmen. Der aͤltere Guthfred ſuchte bei 
Tonſtantin, dem Könige von Schottland, und Eugen, dem 
Herrſcher von Cumbrien, Schutz. Doch bereiteten diefe fi 
bald Xthelftans Auffoderung zu folgen, den Flüchtling ihm 
auszuliefern, welcher inbefjen vorher mit einem feiner Beglei⸗ 


1) Gegen Palgrave IH, 817, welcher diefen noch fpäter regierend 
anführt, fpricht nicht nur alle Wahrfcheinitchkeit, fondern auch das 
Beugniß ber historia S. Cuthberti apud Twysden p. 74, welcher 
ſagt, daß er gleichzeitig mit König Cadward geſtorben. 

2) Malmesb. II, 5. fagt ausdruͤcklich, daß er ihren Namen nicht 

kenne; das Ms, Tib. fol. IV. bei Turner II, 177, weiches den Hochs 
zeitstag den 30. Januar 925 angibt, nennt den Namen ebenfo wenig. 
Der Name Eadgytha oder Editha, welchen Matthäus von Welt: 
minfter b. 3. 925 ihr gibt, gehört einer jüngern, hernach zu erwaͤh⸗ 


nenden Schweſter. Da Sithriks Eadgytha am, 15. Juli geftorben fein - 


fol, an welchem Zage der altenglifche Kalender Kadgitha Reg, ner 
zeichnet, fo ergeben die englifchen Martyrologien vielleicht ein Mehreres. 
Wallingforb ©. 539 verwechfelt fie mit Orgina (Eadgiva), ber 
fräntifhen Königin. Fuͤr bie Erklärung ber daͤniſchen Sagen von ber 
Thyra, ber Tochter des englifchen Königs (Edelred), Schweſter bes 
Ütheiftan, weiche der König Gorm heirathete, iſt dieſe hiſtoriſche Rad 
richt nicht ohne Beziehung. 

" Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 24 


Pr 


396 Dritte Abtheilung. 


tee Durfrith entfloh. Guthfred verſuchte jetzt durch Bitten unit 
durch Drohungen die Stadt York zu gewimen; doch die Wins 
ger verliehen Beiden kein Gehör, und von dort ſich wegwen⸗ 
dend warb er in einer benachbarten Burg wiederum von 
einer Schaar Weſtſachſen eingeſchloſſen. Aber auch dieſer Ant 
zog ſich der verſchmitzte Daͤne durch die Flucht. Er verweilte 
jetzt lange auf dem Meere, dem heimatlichen Elemente feines 
Volkes, bis er feinen Freund Turfrith durch Schiffbruch vers 
lor und felbft durdy Sturm und die Bedrängnüffe der Gedch: 
teten getrieben, dem Könige Äthelſtan mit: gebeugtem, unter 
wöürfigem &inne fi) ergab. Der König nahm: den "Sohn 
feines Schwagerd guͤtig auf und bewirthete ihn mit altfächft 
ſcher Gaftfreiheit. Doch fehon nach vier: Tagen — mistraute 
biefee den Abfichten AÄthelſtans, oder war es die Unflätigteit 
feines Stammgenoffen, welthe ihn vertrieb? — war Güth⸗ 
fred verfchwunden und griff, wie ein Fiſch nuur im Wuſſer 
froh, zum Seeräuberleben '). Athelſtan ließ nunmehr die Feſte, 
welche die Dänen zu York erbauet hatten, nieberräffen, um 
ihnen für die Zukunft ſolchen Zufluchfsort abzufchneiden. Die 
dort gefundene Beute ward unter bie englifche Mannfchäft 
vertheilt, weshalb Athelftans Großmuth geprieſen iſt, in wel⸗ 
chem Verfahren wir aber wohl nur den alten germaniſchen 
Kriegsgebrauch erkennen dürfen, welcher felbft dem Könige kei⸗ 
nen groͤßern Antheil an der Beute geflastete, als fein Loos - 
ihm zumied?). Die Verwaltung des Landes wurde dur) Va⸗ 
fallen Ächelſtans geführt, unter denen auch daͤniſche, dort’ ein⸗ 
heimiſch gewordene Geſchlechter ſich befanden. 
Der Zuftand des nördlichen Europa begann aus der 
großen Gaͤhrung und Regelloſi igkeit, welche in allen ſeinen Laͤn⸗ 
dern geherrſcht hatte, in einen friedlichern und geordnetern Zu⸗ 
ſtand uͤberzugehen. Die kleinen Koͤnigreiche oder Herrſchaften, 
in welche Daͤnemark, Norwegen und Schweden vertheilt wa⸗ 
sen und wodurch fie ein dem angelſaͤchſiſchen ſogenannten Sies 


4 1) ubeln von Maimesburn, weheſheinni nach —2 
lichen Lie 

2) * Gregor. Turon. II, 27, von der Bafe zu Soiſſons. Einen 
Beleg aus dem elften Iahrhundert gibt Arnold von Luͤbeck I, 27. 


Bon Anfang des 9; bis Anfang bes 11. Jahrh. 371 


benreich voͤllig ähnliches Bild darboten'), begannen auch dort 


allmälig durch Gorm den Alten, Harald Schönhaar und Grich 
zu großen Reichen vereint zu werben. _ Jene Eleineren. Fürften 


hatten, bei der Geringfügigkeit ihrer Macht, auch eine Anfprüche 
anf die. von ihren Unterthbanen oder vielmehr Stammgenofjen 
im Auslande eroberten Länder machen können, und wir bürfen 


die. bei einigen ſpaͤtern mittelalterlichen daͤniſchen Geſchicht⸗ 
fehreibern vorhandnen entgegengefegten Andeutungen den fpäter 
. entftandnen, flaatörechtlichen Anfichten und andern Dichtungen 


zufchreiben. Die normegifchen Auswanbrer unter Harald Schöns 


haar begnügten fich mit der friedlichen Eroberung Islands umd 
haben durch die dort entwidelte Bildung fpäteren Gefchlehten 


zum Xheil erfeßt, was ihre Vorfahren auf den Raubzügen in 


bie füdwärtd gelegnen Länder zerftört hatten. Harald, wenns 
gleich als Nachkomme Inguard gefeiert?), fcheint Feine Ans 
fprüche auf Nordengland gemacht zu haben. Äthelſtan ſelbſt 

fol fein Land befucht und jener, im friedlichften Bunde mit 


dieſem, ihm feinen Sohn Haquin zur Erziehung in englifcher 


Sitte und Kunft gefandt haben. Als fein Pflegefohn ſpaͤter, 


nach der Vertreibung von Erich Blutart, den Thron von Nors 


wegen zu befteigen von den Eingebornen berufen wurbe, unters 


flügte ihn ÄAthelſtan mit feinen Waffen. 


Wenn num gleich die allgemeine Richtung des Zeitalters | 


| eine Annäherung eines norwegifchen Herrfchers zu dem Könige 


des Stammlanded germanifcher und norbifcher Bildung unter 
den vorhanden Verhältnifien, wo ſchon ein Ehebündniß der 


Fuͤrſten die feit Sahrzehnten friedlich neben einander wohnenden 
Nationen enger hatte vereinigen follen, . nicht unmöglich ers 
feinen laͤſſt, fo trägt doch dieſe Zuſendung eines Sohnes an 


einen Monarchen, welcher einen ſo ſehr zweideutigen Charakter 


bewährte wie Äthelſtan, und der, wie es auch geſchah, aus dem 
Freunde der Normannen fo leicht deren Zeind werben konnte, 
den Stempel nicht: geringer Unwahrfcheinlichleit. Kein englis 
ſcher Geſchichtſchreiber gedenkt des Aufenthaltes Haquins an 


1) Anonym. Roskild. Adam. Bremens, JI, 15. 


2) Bon feinem Sohne fagt Adam JI, 15. Haquinus ex genere 


Jaguar et giganteo semine descendens. 
24 * 


- 


II "Dritte Abtheilung. 


Arhelftans Hofe. Von einer Verbindung Koͤnig Haralds von 
Norwegen mit diefem gibt und. ein fpdteser  normannifcher 
> Mönch") einige Nachricht, wenn er erzählt, wie jener durch 
Helgrim und Döftid dem Könige von England ein Schiff mit 
goldnen Schiffsfchnäbeln, purpumem Segel und im Innem 
mit vergoldeten Schilden zum Geſchenke gefandt, auch jene 
Sendeboten zu York Eöniglicy gaſtirt und. befchenkt fein. Die 
Ausfhmüdung diefer Erzählung charakteriſirt mit größter Treue 
die Ballade, welcher jener Schriftfteller, ber es fich. fo eifrig 
angelegen fein ließ. poetifche Wahrheit zu hiftorifcher Unwahr⸗ 
heit umzufchaffen,' gefolgt ifl, wenn er fie gar nicht wörtlich 
überfegte. Hätte der Chronift, welcher der vorzüglichfte Vers 
breiter, oft vielleicht Erfinder von Athelſtans Ruhme gemwefen 
ift, aus demfelben Liebe oder aus anderer Quelle noch jene 
Sage von Haquin gebannt, wie konnte et fie hier verfchweis " 
gen? Und dennoch hat Lingard, der befonnene Gefchicht: 
ſchreiber, der Feiner fremden Hypotheſe zu folgen: vermeint, von 
dem Glanze, welches jened Nordlicht über die Geſchichte Eng⸗ 
lands zu: verbreiten fcheint, fich dermaßen hinreiffen laſſen, daß 
er im ungewohnten Combinationseifer, nicht etwa jened goldne 
Schiff von Seekraken und Meermädeln, — denn die wären 
zur ‚Herftellung der Romanze in der Ordnung gewefen, ba fie. 

in dem Mönchslatein nur ihren Platz nicht erhalten hatten, — 
fondern von dem Königsfindlein Haco ſelbſt ‚begleiten laͤſſt So. 
werden — man zürne nicht über das verrathene Geheimnig 
der. Kunft — Notizen an Notizen, Sagen an Sagen ges 
fhichtet, und felbiges nennen wir Geſchichte. Die eigentlichen 
Zeugen für jene Nachricht find alfo nur einige nordifche Ges 
fchichtfchreiber*), deren poetifhe Quellen bekannt, doch aller: 


1) Wilhelm von Malmesbury. 
1) Theodericus Monach. de regib. Norwegiae apud. Lan- 


: gebek V, 814. Snorro Haraldsfage Gap. 41—43. Cs ift von ben: 


englifchen Gefchichtfehreibern überfehn, daß auch Saxo Grammaticus 
lib. X. die obige Nachricht von Haquins Erziehung bei Athelſtan gibt 
und zwar mit recht pragmatifchen Zufägen, wie diefer von dem Nor: 
weger ſich Hülfe gegen Harald Blatand erwerben wollte. So anneh: 
menswerth nun biefes erfcheint, fo fehr wird uns diefe Angabe bier . 
durch ihre Übrige Umgebung verleidet. Harald Harfagr und Harald 


% 


Von Anfang des 9. big Anfang des 11. FJahrh. 373 | 


dings nicht ohne Grund und fernere Erläuterung als verwerf⸗ 
lich anzufehen find. Sollte indefien bier unfer Miötrauen und 
zu der richtigen Erflärung führen, wenn, wie wir ſchon früher 
in Äthelſtan nicht den König der Engländer (Anglorum) fons 
dern den der Oſtangeln, Guthrun Äthelftan I. oder IL, erken⸗ 
nen, welchem Harald, fchon feit dem Jahre 863 König, feinen 
Sohn in defjen Kindheit anvertraute? Diefe Erklärung kann 
wohl nur an Wahrfcheinlichfeit gewinnen, wenn die Nachricht 
von Äthelſtans Beſuch in Dänemark näher ind Auge gefafft 
und bier beachtet wird, daß er in feines. Vaters Eadward 
Zagen dort von Guthrun aufgenommen wird '), mo..mir. alfo 
wieber durch den Guthrun Athelftan in bem Dänenlande Eng⸗ 
lands geneckt werden. 

Jene Sage uͤber Hacos Erziehung bei Athelſtan, welche 
bekanntuch jenem den Namen Hagen Adelſtansfoſtre (Pflege⸗ 
fohn) in dee Gefchichte Norwegens verfchafft hat, gewinnt noch 
an Bebeutung durch bie ihr gegebene Beziehung, daß Haralds 
Altefter Sohn, Erich Blutart, welcher nach bed Vaters Tode 
einige Jahre -in Norwegen herrſchte, nach Guthfreds Vertrei⸗ 
bung als Vaſall Äthelſtans in England regiert habe. Die 
glaubwuͤrdigſte Nachricht?) gibt aber nur an, daß er, im Jd. 
936 aus Norwegen vertrieben, nach England; geflohen und dort, 
von dem unbekannten Könige ehrenvoll. aufgenommen, geſtax⸗ 
ben fei. 

Deutlicher als Äthelſtans Verhältniffe mit dem Norden 
find die mit Frankreich. Da fich keine Änderung der bedrängten 
Verhaͤltniſſe ſeines Schwagers, des Koͤnigs der Franken, darbot, 
ſo gab er ein Vorbild der ſpaͤter oft befolgten Politik, indem er, 
mit dem maͤchtigſten Feinde Karls und dem wirklichen Herrn 
Frankreichs ſich verſoͤhnend, Hugo dem Großen, Roberts Sahne, 


Blatand waren bekanntlich nicht. gleichzeitig, herrſchend. Athelſtan wird 
Athelreds Sohn genannt; der daͤniſche Harald erſcheint als Sohn der 
beliebten Thyra, Äthelreds Lochter und als teſtamentariſcher Erbe 
Englands ! , | 
1) Wallingford p. 540, 


2) Theodoricus-l l. Ron dem bänifchen Erich, mit weichem 
bee Norweger von Torfäus IV, 7. Palgrave II, 817. u. A. 
verwechſelt iſt, kann erſt unter kbrige Eadred die Rede Fin. 


1 | Dritte Abtheilung. 
Herzoge von Neufivien, Burgund und Francien, bie Hanb 


| feiner Schweſter Eadhild überließ‘). Die geflohen Anhaͤn⸗ 


— 


ger des ungluͤcklichen Karl ſcheinen nach Irland gewichen zu 


fein, vielleicht auch er ſelbſt). Der Brautwerber war ein 
Vetter Athelſtans, der Graf von Boulogne, Adalolf, Sohn 
Balduins von Flandern und ber Ülfthryde, Schweſter König 
Eabwards ?), weiche in -Hugos Namen bie zahllofen, reichen 
und feltenen Brautgefchenke in der zu Abingbon angeſetzten Ver⸗ 
ſammlung der Stoßen des Reichs uͤberbrachte. Aufſer unſchaͤtz⸗ 
basen Reliquien, dem Schwerte Gonftantins des Großen, bee 


ſiegreichen Lanze Karls des Großen und dem Banner des Maͤr⸗ 


tyters Mauricius und ber thebaͤiſchen Legion, welche dieſem 
Monarchen auf feinen Feldzuͤgen in Spanien ven Sieg vers 
Heden: hatte, wurden aus Fraukreich nach England gebracht: 
herrliche Roſſe, orientalifche Gewuͤrze, weiche‘ diefes Land nie 
gefehn hatte, : prachtuolle - Geſchmeide, herrliche Smaragden, 
eine wundervoll geatbeitete Onyrvafe, auf welcher Saaten, Wein⸗ 
öde, Menfchen der. Natur gleich und lebend fich zu bewegen 
fbienen, vermuthlich ein. Kunſtwerk des Alterihumes, deſſen 
Beichreibung lebhaft an die berühmte, im fechezehnten. Jahr⸗ 
hundert aufgefundene Barberinis ober Portland-Bafe und aͤhn⸗ 
liche Kunſtſchaͤze erinnert, gegen deren Werth Fein Beitalter 
gleichgültig gewefen iſt. Die fo fefllich eingeleitete Ehe fcheint 


4) Äthelweard im Prodmium. Malmesb;, der Hugo mit feinem 
ohne verwechſelt. Frodaard. Hugo Bloriac. bei Bouquet VILLE, 
134, 289. Daß in diefem Jahre ber jugendliche Fluͤchtling Ludwig aus 
England nach Frankreich gefandt fei, um einen Verſuch zur Rettung feines 
Vaters durch feine Gegenwart zu unterflügen, iſt eine Nachricht Lin⸗ 
gards, deren Quelle wir beinahe in einer Verwechslung mit der zehn 
Jahre fpäter erfolgten Ruͤckkehr jenes Prinzen fuchen möchten.“ Sige⸗ 
bert von Gemblours, Guido bei Alberich fegen Ludwigs Rüde 
kehr itrig ins Jahr 928, was gleichfalls zu einer Misdeutung für das 


Sapt 926 Anlaß gegeben zu haben ſcheint. 


2) Annal. Saxo ad a, 927. 
8) So tft Malmesbury gu berichtigen: filius — ex filia regis 


 Eadwardi Ethelswitha. Vgl. chron. sithiense bei Bouquet IX, 74. 
©omes Bononiae fest Brevissima regum Angliae hist: (Ms. Hamburg) 
richtig hinzu, was in feiher gewdhulichen Quelle, wilbelm von 


Malmesbury, fehlt. 


Don Anfang. des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 3876 


Bein SU gebraght zu haben. Nach mehrern Jahren finden, 


wir Hugo ‚und Ithelſtan feindlich fich. gegenüberftehend. ads 
bild: wer anbeerbt ‚geflorben oder geichieden; Hugo Capet war 
bes Sohn einer zweiten, im 3. 938 geichloffenen Ehe Hugos 
bes Großen mit. Hedwig, ber Tochter ded deutſchen Heinrich I. 

‚England genoß in dem gegenwärtigen Zeitpunct eine Macht, 
welche es fruͤher nie beſeſſen hatte. Oſtanglien ward ganz mit 
England wieder vereinigt und deſſen Verwaltung einem Vers 
wandten bes koͤniglichen Hauſes uͤbertragen, welcher den Na⸗ 
men Athelſtan fuͤhrte und wegen feines bedeutenden Einfluſſes, 
auch vielleicht in ſcherzhafter Bezeichnung des Unterſchiedes von 
ſeinem koͤniglichen Ramensgenoſſen, den Beinamen des Halb⸗ 
koͤnigs erhielt ). Huwal Dda, König von Demeod, der be: 
ruͤhmte Geſetzgeber der Waliſer, Sohn des Cadel (+ d09) und 
Enkel Rodri des Großen 2), feit dem Tode feines Oheims Anas 
vaut (+ 915) der erſte Fürft unter den Walifern, Owen (Wuer), 
ber König. von Gwent, Conſtantin, König, der Scoten, Ealdred 
von Banborough hatten. ſich gegen ihm vereinigt, als ſie ihn 
burch die Vertreibung Guthferth& mächtig werden fahen. Seine 
Waffen waren ſiegreich und jene Fuͤrſten erneuerten ihm, auf 
einem zu Eamote (Emmet in Northumberland) gehaltnen Hof— 
tage, bie feinem Vater Eadward früher geleiſteten Huldigungs⸗ 
eide ?), wobei fie, vermauthlich die Schotten, allem Goͤtzendienſte 
(deofolgeld) feierlichſt entſagten. Die noͤrdlichen Waliſer ver⸗ 
ſuchten der Unterthaͤnigkeit, welcher ſie ſich gegen Mercia ſchon 
wiederholt gefügt hatten, bei dem Übergang der Herrſchaft dies 
ſes Landes an Weffer ſich wieder zu entziehen; Doch zwang 
Athelſtan ſie zu Hereford ihm einen jaͤhrlichen nicht geringen 


TIribut zu entrichten namlich, 20 > Pfund Gold, 300 Pfund 


9» Annal. xamesiens, c. II. u 
. 2) Diefe Berichtigung der gewöhnlichen Angaben verdanke ich den 
annal. Cambr. ad a. 909, 915 und Brut y Tywysogion ad a. 926, 
948. Bon den Söhnen des Himeid von Demetia, der einft AÄlfreds 


926 
12, Zul. 


Schutz erhalten hatte, waren Louwarch 903 geitorben, Roſtri 904 ents 


hauptet,. und fo biefes Reich an die Söhne. des Rodri Mawr gefällen- 
©. annal, Cambr. . 

3) Florent Simeon. Chron, saxon, ad 936, u Mal- 
'mesb. Il, 6. ’ | 


376 = Dritee Abtheltung. 


Silber, 2500 Stuͤck Hornvieh; ein Tribut welcher größer alb 
der bisher entrichtete war, welchem noch Kalten und Jagd⸗ 
bunde beigefügt wurden und ein ſtets druͤckendes Lehnsverhaͤlt⸗ 
niß der britifchen Unterfönige zu dem britifchen Baſileus folgte. 
Bir fehen jene bald beträchtliche Summen für die Belehnung 
entrichten, im Heere des engliſchen Koͤnigs gegen ihre eignen 
Stammgenoſſen dienen und dem Hofgerichte jenes ſich fügen ). 
Den Fluß Wye ſetzte Athelftan den Waliſern zur Grenze, ſowie 
den Tamar den Weſtbriten, welche er bewog die Stadt Exe⸗ 
ter, von welcher bisher die Sachſen einen Theil beſeſſen hat⸗ 
ten, ganz zu verlaſſen ?), Wahrſcheinlich hatten Walen und 
Sachſen, dieſe in geringerer Anzahl und in einem abgefünders 
ten Theile dieſer zu den Zeiten der Römer, vermuthlich fchon 
vor denfelben, bekannten Handelsſtadt (Isca Damnoniorum, 
Caer IE), dort nebeneinander, durch ein Sicherheits⸗ und- Ders 
kehrs⸗ Buͤndniß vereint gelebt, wie ein aͤhnliches Nebeneinan⸗ 
derleben ſich in Irland und Wales zwiſchen Sachſen und Celten 
zuweilen findet, und in der Geſchichte nicht nur germaniſcher 
Sieger und romaniſcher Beſiegter und andrer durch Sprache 
und Recht ‚getrennter Völker vorkommt, ſondern auch in den 


von den Sachſen beſiegten Slavenlaͤndern eine ſehr häufige 


Erſcheinung war. thelften, hierin dem Beiſpiele ſeines Vaters 
folgend, befeftigte die Stadt mit Thuͤrmen und einer Mauer 
von Quaberfteinen, und die Weflfachfen übten unter deren 
Schuge die Friedenskuͤnſte fo eifrig, daß Ereter, obgleich nicht 
durch den Boden des benachbarten Landes begünftigt, zu ben 
beſuchteſten und reichſten Marktplägen des europäifchen Handels 
im fruͤhern Mittelalter gehörte. Es wurden zu Ereter und in 
der benachbarten Gegend Bildfäulen Äthelſtans errichtet, welche 

noch nach Sahrhunderten gefehn find ); ein und merkwürbis 
ges Verfahren, wenn wir nur die Nachahmung einer fraͤnki⸗ 
ſchen Einrichtung darin ſuchen; mehr noch, wenn wir die Ros 


1) Vgl. Palgrave I, 460 fo. 
. 2) Cornwallenses — ab Excestra, quam ad id temporis aequo 
cum Anglis iure inhabitabant, cedere compulit. Malmesb. II, 6. — 
Hanc urbem primus rex Aethelstanus in potestatem Anglorum, .effu- 
gatis Britanibus redactam etc. Id. de e⸗ pontiſic. U. 

$) Malmesb. 1I, 6. 


Von Anfang des 9, bis Anfang bes. 11, ‚Sahrh 877 j 
landsſaͤulen nur auf ben‘ Dingftäten in. Sachen bemerkend, 
eine ;altfächfiiche, dem Heidenthume entflammende Sitte der 
Befriedung des Gerichtsplatzes glauben erkannt zu haben, aus 
welcher noch jetzt die Aufſtellung eines Gemaͤldes des jedesma⸗ 
ligen Koͤnigs in den engliſchen und andern Gerichtshoͤfen her⸗ 
ſtammen moͤchte. 

Ein Buͤndniß mit eben dieſem alten Stammlande Saqh⸗ 
ſen iſt das Ereigniß in Athelſtans Regierung, welches uns 
hiernächft anzieht. Heinrich, der König der Deutfchen, hielt 
für feinen noch nicht achtzehnjährigen Sohn Otto, den nach⸗ 
berigen großen. Kaifer, um. bie Hand einer der Schweflern 
Athelſtans an). Diefer fandte zwei berfelben, Eadithe und 
Adive, nach Coͤln, begleitet von feinem Kanzler Zhurketul, dem 
‚Vetter des Königs, Sohn AÄthelweards, einem Manne welcher 
weltlichen Freuden und dem Genuffe großer Erbgüter nicht. 
vergeblich entfagte, um auf feinem hohen Poften durch Gedan⸗ 
ken der Weisheit und Froͤmmigkeit den Rath von vier Koͤni⸗ 
gen zu leiten, Edwards und ſeiner thronfolgenden Söhne ). 
Eadithe wurde dem Otto zu Theil, Adive erhielt ein Fuͤrſt und 930. 
angeſehner Beamter des koͤniglichen Hofes, welcher uns durch 
die Lage feines Landes neben ben Alpen bezeichnet wird ’): 
Bu Eadithes Morgengabe gehoͤrte die Stadt Ragdeburg. Sie 


1) Contin. Rheginon. ad a. 930, Wittekind 1.I ver leid 
Ditmar, Sigebert von Gekublours u. %. fie irrig die Tochter 
Eadmunds nennt. Das richtige Jahr hat auch Annal. Saxo. Alſo 
weber 932 wie Turner, noch nad 936 wie Eingard buch Ins 
gulph ©. 87 irregeleitet worden. Edithas Sohn, Lubolph, war bei 
ihrem am 26. Januar 947 erfolgten Tode ſechzehn Jahre alt. Witte- 
kind 1. III. Luitprand, de reb. gestis imper. et reg. 1. IV. c. 7. 
‚der jedoch fie irrig Digit, bie Tochter eines Bruders bes Könige ütheh 
ſtan nennt. 

2) Sngulph hat über ihn, da er hernach Abt bes Kloflers Eroys 
land wurde, wo er auch im 3. 975 flarb, viele Nachrichten. | 

8) Ingulph. 38, Malmesb. II, 5. 6. Gollte kein Geſchicht. 
fchreiber, eine Urkunde mehr uns ben Schwager Dttos nennen? Dies 
fer kann Fürft zu Burgund, Lenzburg, Kyburg gewefen fein. Wiek 
leicht koͤnnten Urkunden ober Nekrologien bes Kloſters Einſiedeln barüber 
eine Nachweiſung enthalten. Roſwitha gebenkt such ber Adive als ber 
jüngeren Schweſter namentlich. 


— 


378... Dritte Abtheilung.. 


Iabta über. fechbychn Jahre sihüch an den ie det bene 
beutiche Könige, und: hinterließ ihm ringe. Sohn, Zuhalf, (al: 
Ger jedoch, dem Mater Dash deſſen zweite Che entfremdetn ung 
den ſelben ſtarb) ſowie win: ſegensreiches Andenken ihres Tu⸗ 
genden, welches auch aus dem weiblichen Munde in Ryſwichat 
Verſen vollguͤltig und wohltoͤnend auf die Nachwelt gelangt: iſt. 
Die iimaſte und ſchoͤnſte von. Arhelſtansz Schweſtern, EI: 
gie, - vecheirathete der Bruder an einen Fuͤrſten, welches von 
Dein englifchen Chroniften Ludwig von Aquitanien genannt"); 
von Neuen für den gleichbenannten König von Nieberburgund 
oder Provence gehalten ift?). Letzterer lebte jedoch zu früh 
um für den Gemahl der Elgive gehalten zu werben, - und un⸗ 
fere Unkunde der damaligen Gefchichte Guiemes gibt Leinen 
Grund um das Vorhandenfein jenes Prinzen. zu bezweifeln, 
wenn wir gleich ſehr die erfoderliche Aufklärung buch fran⸗ 
zoͤſiſche Hiſtoriker wünfchten, um bie, zweifelhafte Treue der 
Berichte über Äthelftan befier zu wärbigen.. | 
WBaͤhrend des Königs Macht und Anſehn dureh, feine fie ieg⸗ 
eeichen Waffen und durch die glaͤnzendſten ‚Verbindungen; in 
Europa ſich taͤglich vermehrten, unterließ er nicht durch freige⸗ 
bige Spendung der eroberten Beute und der ihm zugewandten 
Schaͤtze an die Kloͤſter, nicht nur ſeines Landes ſondern ſelbſt 
in fernen Gegenden, fuͤr den irdiſchen Ruhm wie fuͤr das ewige 
Heil unermuͤdlich zu ſorgen. Kynewold, Biſchof von Worce⸗ 
ſter, wurde von ihm mit reichen Gaben an jene angelſaͤchſiſche 
Kirche Helvetiens, oder das Scotenkloſter zu St. Gallen und 
an benachbarte Kloͤſter abgeſandt und Äthelſtan in die geiſtliche 
Brůuͤderſchaft jenes Kloſters dankbar aufgenommen ). 
Doch keine Verdienſte und Feine Anſtrengungen vermochten 
den gefahrbringenden Mafel zu vertilgen, welcher feiner Geburt 


1) Guil. Malmesb, und nach ihm Ingulpp, 

2) & auch Schmidt (f. orig.‘ guelfic. IV, 891 sq.), etcher 
Abive md Elgive für dieſelbe Tochter Eadwards hält und auſſerdem 
die chronologiſchen Bedenklichkeiten nicht beſeitigt. 

8) ©. J. v. Müller Geſch. der Schwein BL Gap. 1, ber in 
Note 269 eine bandfihriftiiche Urkunde Athelftans v. 3. 929 anfuͤhrt. 
Den ‚Gig des Bischofs Ceonwald habe ih aus Flo rent. ad a, 929 m. 
957 und Guil. Malmesb. de gestis pomtific. beftimmt. 


Bon Anfang bee 9. bis Anfang des 11. Jahrh. ss 


in den Augen feinen altglaͤubigen vandeleute anklebte, malt 
welcher. durch die Benruͤhungen ihn auszumerzen nur noch 
groͤßer wurde. Des AMteſte Sohn. 3: ſeines Vaters zweiter, 
unbeſtritten aͤchter Ehe, CEadwin, hatte die Jahre dei. Maͤnn⸗ 
lichkeit erreicht, und jugendliche. Umbefonnetihelt; bie Liebe des 
treuen Bolkes oder zus die raſtloſe Furcht des Uſurpatots 
veranlafften den Verdacht, daß er Gedanken der Herrſchaft 
naͤhre. Er reinigte ſich von den Anſchuldigungen durch einen 
Eid welcher aber dem, ber. felbft mit Worten und Begriffen 
ſpielt, nicht. mehr heilig iſt. Athelſtan ließ” den gefuͤrchteten 
Bruder ergreifen und mit ‚einem einzigen Gefährten auf : einem 
zerbrechlichen Kahn zur See ausſetzen. Dieſer, den ſtirmenden 
Wellen und ber Verzweiflung preiſgegeben, fluͤrzte ſich ns 
Meer; ver. beſonnene treue Begleiter konnte ibn. nicht reiten, 
brachte aber bie Leiche auf jenem Schifflein, mit. ben Füßen 
fortrudernd, nach Whitſand an der franzoͤſiſchen Käfte '). ‚Wie 
ſeltſam auch diefe Aodesart erſcheinen mag, welche ben Richter 
ver Gefabr der Rache des Geretteten bloßſtellt, ſo liegt ſie 
doch im Geiſte einer Zeit, welche den Gottesurtheilen ſo Vieles 
anheimſtellte, die, zur Milderung roher Sitte beſtimmt, zugleich 
- auch Den Moͤrder unter dem Mantel der Gerechtigkeit und Ve⸗ 
ligion -erhalten konnten). Athelſtan empfand. oder heuchelte 
viele Scham über ben Frevel leidenfchaftlicher Herrſchſutht; fies 
benjaͤhrige Reue ſollte den Wurm ertoͤdten, welcher an feinem 
Herzen nagte, und der uͤbereilte Scherz feines Mundſchenken, 
welcher ihn an die gem vergeſſene That mahnte, koſtete dieſem 
das Leben’) 
—X fuhlte um r mehr das Beblruiß, bie Rube im 


| 9 Chron. saxon. Chr. Mailros. ad a. . 983, Hear. Huntend. 
berichtet nur Eadwins Tod dur See. Simson Dunelm. den Mord. 
a Malmesb. die weniger zuverläffigen naͤhern Umſtaͤnde. 


So in der Erzaͤhlung von Atheldrythe, Offas Königin, vita Of 
el pP. 12 von Biden dem Mörder kothbroks. Bromton. ad a, 808, 


5) As der König mit einem Fuße flolperte, fügte er ſich ſchnell 
auf den atldern, der Schenk rief ihre zus fo Hilft ein Bruder beim ans 
dern! — Daß berfelbe Vorfall in Cadwards des Bekenners Leben wieder 
erfcheint, beweifet wenigſtens nicht, das er fich auf gar Nichte gründe. 


\ 


3 . . Diitte Abtheilung. 


Imern ſeines Reiches zu ſichern, da er ben Sturm ſich zu⸗ 
ſammenziehn ſah, welcher ihn vom Norden her bedrohte. Im 
Herbſte des Jahres 934 war Conſtantin, ber König oder, wie 
er in feinem Verhaͤltniſſe zu feinem englifchen Lehnoherrn ges 
nannt wurde, der Unterfönig von Schottland, noch auf einem 
Gemote der englifchen Wittigften zu Buckingham; nach feiner 
Rückkehr brach die Empörung aus. Eocha Owen, Eugenius) 
war damals König von Cumberland, in, Folge. einer Verfuͤ⸗ 
gung Gonftantind, welche dem präfumtiven Erben. oder Tanai⸗ 
ften der fchottifchen Krone bis zu deren Erlangung Cunlber⸗ 
land übertragen hatte. Er vereinte fich mit diefem, um für 
fein gegenwaͤrtiges und fein künftiges Reich zu fechten. Doch 
Athelſtan drang mit feinem Heere ſiegreich in das innere Land 
vor; feine Flotte trieb die feindlichen Schiffe bi zum Borges 


u birge Gaithneß und verheerte die dortige Gegend. Konftantin 


unterwarf fi aufs neue dem Könige von England, dem ex 
feinen Sohn als Geifel mit großen Geſchenken fandte, worauf 
der Friede hergeftelt wurde und Äthelſtan nach Weſſer zu: 
ruͤckkehrte. 

Athelſtans Aufmerkſamkeit wurde jetzt maͤchtig auf Frank⸗ 
reich hingezogen. Die Bretons hatten ſeit mehrern Jahren 
fſich beſtrebt das Joch der Normannen abzuſchuͤtteln, und Ead⸗ 
wards Pflegling Alanus kehrte, mit Äthelſtans Genehmigung, 

in feine Heimat zuruͤck). Die erſten Verſuche die Unabhaͤn⸗ 
gigkeit ſeines Vaterlandes herzuſtellen erſchienen weniger guͤn⸗ 
ſtig. Doch der im J. 936 erfolgte Tod des Uſurpators der 
franzoͤſiſchen Krone, Rudolfs, gab den Angelegenheiten Frank⸗ 
reichs eine andre Richtung. ÄAthelſtans Neffe, der Sohn des 
fhon feit dem Jahre 929 verftorbnen Karl des. Einfältigen, 
Ludwig ber Überfeeifche, wurbe von ben vereinten Großen Frank: 
reichs durch eine Gefandtfchaft, an deren Spige der Erzbifchof 
von Send fland, zurücdgerufen. Äthelſtan felbft hatte biefen 
entfcheidenden Schritt veranlafft, durch feiie an den mächtigen 
Herzog der Normandie, Wilhelm I., entbotnen Gefandten und 


1) Chron. namnet. 'apıd- Bouquet VII, 876. Britones a 
transmarinis regionibus Alstani regis praesidio revertentee. Pro- 
doard. ad a. 996. Ibid. 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11, Jahth. 3 


übermachten Geſchenke). In Äthelſtans und Eadgives Hände 
wurde der Eid ber Franzoſen abgelegt; Ludwig ſchiffte mit 
ſtattlicher Begleitung nach Boulogne und wurde dald zum Ko⸗ 
nige gekroͤnt?). Äthelſtan verließ feinen Neffen nicht und trug 
durch kraͤftige Unterflügung dazu bei, ihn auf dem ſchwankenden 
Throne zu befeſtigen, welchen. fein Schwager, ber. deutſche Otto; 
welcher. in demſelben Jahre mit Ludwig den. Thron beftiegen 


hatte, und Hugo, welcher nach: dem: Tode ber; Ethilde ‚eine 


Schweſter Dttos, Hebmig, geheirathet hatte; ‚mit: vereinten Waf⸗ 


fen: angriffen ’). Wahrſcheinlich waren englifhe,Krieger gegen⸗ 


waͤrtig als Montrenül erobert: wurbe;. bie. Dort. gefangne. (Bes 
mahlin ded Grafen Herluin wurke dent: Könige Äthelſtan -ges 
fandt. Seine Flotte. unterſtuͤtzte auch im folgenden Jahre die 
Anhaͤnger Ludwigs an den noͤrdlichen Kuͤſten Frankreichs, bock 
mit geringem Erfolge. "Bald indeß ſah AÄthelſtan feinen Neffen 


durch die Heirath mit. einer andern Schweſter Ottos, Gerberge, 


938. 


der Wittwe des eben verſtorbnen Giſelbert, Herzogs von Loth⸗ 


ringen, auf dem Throne Frankreichs geſichert und: ber Ausſicht 
auf den⸗ Beſitz Lothringens bingegeben, diesiäle <ausch: Alanuß: in 
- feinem Herzogthum ſich bifefligte ). : Die Koͤnigin Mutter 
Eadgive wird fpäter, wegen einer unbefonnenen Heirath mit 
Heribert, dem Grafen von Vermandois, genamt. 


‚Die Theilnahme Äthelftans an den emäpdtichen: Welttir⸗ 


deln wurde von den beſiegten, aber nie gedemuͤthigten Feinden 
im Norden der Inſel fuͤr ihre Zwecke nicht ungenutzt gelaſſen. 
Ein Sohn des zu Anfange von Äthelſtans Regierung aus 
Northumbrien vertriebnen Sithrik , Analav, welcher damals 
bei den Oſtmannen oder Daͤnen in Irland Aufnahme und Un⸗ 


terſtuͤtzung gefuden, hatte die Hand der Tochter ng | 


1) Bouguet un, 304. Hugo Floriae.. ma 810. Guil, 
Gemetic. II. c. 


2) Chron, — Chron. verdun. wia. 237. 290. Fro- 
doard. IV. c. 26. Ä .. 


5) Frodoard. ad a. 938. 9. 
4) Id. ad a. 951. 
5) So Malmesbury. Ingulph, p. 37. Nicht Buthferths 
Sohn, wie Palgrave II, 817 meint. 


382 I Deitte Abtheilung. 


von Schoitland) erhalten. Durch dieſe Verbindung muffte 
dee Plan: eines daͤniſch⸗ northumbriſchen Reiches, welches fir 

Schottland wie Tür: Cumbrien eine, treffliche Schutzmauer Ihrer 
Unabhaͤngigkeit gewähren konnte, ſich faft nothwendig geflalten. 
Es bildete fi eine: umfaſſende Bereinigung der Dänen in Eng 
land und’ Idand mit den Schotten und ben ihnen: verwandten 
Meichen gegen Äthelſtan. Mit 625Schiffen langte Analav aus 
Irland auf dem Humber anz et —— ſich der Stabt 
York wie einer väterlichen Erbſchaft und vereinigte ſich mit 
feinem Schwiegervater Conſtantin, Owen von Cumberland, und 


vielen anbern Sixften ber verbaͤndeten Stämme: Doch Athel⸗ 


ſtan, welcher durch. Unterhandlungen den Gegner zu täufähen 
verſtand, benugte‘ bie: dabusch genmunnene: Seit, um bemfeiben 
bald mit einer wohlgeruͤſteten Macht gegenhberzuftcht. Analavb 
Muth umd Sthlauheit mufften von feinen Gegnern anerkannt 
werden. Gr Fri: ſich in dad. Lager Üthelftans als: Harfuet 
verkleidet: und erkundſchaftete deffen Stärke und Vertheflung, 
während er von den buch : fein Spiel erfreueten Angelfuchfen 
Lob; :Speife und· Gold aͤrndtete. Gold ter. Gunſt feine obs 
feinde zu Danken, Widerte den Wilingen fo. ſehr ‘er; daß et 
A Im deren: Augeſicht es indie. Erde verfcharste. Hier er⸗ 
kannte ihn ein Daͤne, ber emfl:ıinter-ihm gefochten; jetzt abi 
Dein Koͤnige der Angelfachlen: den Ed der: Treue geleiſtelhatte. 
Bein Gewiffen entſchied dahin, daß er jenen entfllehen laſſen, Athel⸗ 
ſtan aber son. der drohenden Gefahr. unterrichten ſolle. Diefer 
folgte der MBärnimg, verließ mit den Benigen fogleich bad 
Lager, in welchem eine in der. Nacht, unter Anfuͤhrung des 
Biſchofs von Shireburn, zufällig arigelangte Schaar von Ans 
gelſachſen von: den. Rormannen erſchlagen am folgenden Mor⸗ 
gen gefunden wurde. 

Zwei Tage darauf ereignete fich die Sqlacht bei Brunan⸗ 
burg in Nothumberland, eine der gefeiertſten des Mittelalters, 
in welcher die ganze Kraft des Haſſes zwilchen den entgegen 
ftehenden Nationen fich entlud, und die Überlegenheit der Kriegs⸗ 
kunde und Kriegszucht bei Angelfachfen den Sieg davontrug. 


1) Alſo deſſen Schwiegerſohn, nicht Schwager, mie Balgravı | 
0.0.0. | 





> 


Bon Anfang des 0. bis Anfang des 11. Jahrh. 388 


Die engliſchen CEhroniſten vermögen nicht ſich zur einfachen 
ꝓroſciſchen Erzaͤhlung herabzuſtimmen, wenn fic von bem. Waß⸗ 
fenruhme dieſes? Tages reden, und haben uns merkwürdige 
Leder von den Heldene Rthelftan und Cadmund, ſeinem Bru⸗ 
von; eehalten ). Fünf Könige, unter denen: Eligenius, ein Use 
turtönig: von Deira,; genannt wird, ſieben Jarle der Daͤnen und 
Ihrer Verbuͤnbeten fielen, auſſer unzähligen Kiegsvolle; unter 
Yrin war ein Sohn Gonſtantins, welcher‘ den tapfern Kanzler. 
Daurketul, der din Bingen: won Bonbon anführte, esfchlug-. - Gons 
fenem:ferbft anib.:Andian-flohen zu den Schiffen ). Ahelſten 
verlor unten den Sefalinen feine: "beiden: Wettern Äkwin und 
Daorketuls Bruͤder. Keinr groͤßeres Schlachten fiel 
auf: at: Inſel ahri,; ſagt der. angelfichfiiche: Dichter, Mn 
jend glänzenden: Wilegasfihmiede, die Angeln und Sachfen, uͤber 
Bid breite. Gerd Zkumen um Beitannien aufzufuchen.. Dürfen 
‚wir, was jedoch noch enigen MDedonklichkeiten unterlirgt ſcan⸗ 


diciaviſche Sagen auf vie Schlacht bei Brananburg beffchen, 


ſo waren einige: nordiſchr Condottieri Eigil und. * in 
Rthelſtans Soldrgetreten und hatten, dubch Vernichtung er 
Slander au helcauig ves Slegrs bedeutend beigetragen * | 
2 55 IT 

* 44) Chran. naxop.,ad! 8.388, Sugsam' hat die Bitgetsbe: PR 
dem Veremaße ahdfucken laſſen, Erlaͤuterte und ſehr berichtigt find, Text 
Hab. Überfegung. Bon Price: in, feiner Ausgabe von Wharton. history 
of’english poetry. 1834. T. I. p’LXXXVI-CH. 

2) ©. atödrüdiih Florenz. Vgl. saxon. chron. Dis Konftanz 
tin und zwölf Jarle fielen, iſt eine Nachricht ber fpätern Wilhelm 
von Malmesbuty und Ingulph. Vgl. auch Fordun IV. c. 22 - 
et 23, Der Name des Rormannen Froda iſt ein ſchon von Hei nrich 
von Puntingdon verſchuudeter Überfegungsfehler des dem Konftantfn 
gegebnen Epitheton: se froda, der Weife. Auch aus hilderine, Krieg, 
bat der Eine einen Eigennamen gefhaffen, der Andere eine neue angel 
ſaͤchſi ſche Kriegsgottin Hilda gedeutet. Auch gegen den alten Inwodd 
bei Ingram iſt zu warnen; der Betrüger — denn Nichts anders iſt 
inwidda, inwittä — hat duletzt den Überfeger betrogen. Vgl. Prite 
a. a. O. 

—5)7 ohnstone antig. celto - seandicae. Die Ausgabe ber 
Eigils Saga (Ausgabe der arna=magnatfhen Commiſſion. 1809. 4.) 
P. E. Müller GSagabibliothel. I, 109 fg. Die obige Angabe über 
Brlutaxt hat auch Shorre in ber Gage von’ Hakon dem Guten Cap. 8 

u. %, fowie zorfär us (hist, Norweg. 1. IV. c. 7.) &ufgenoimmen. 





36 0. Dritte Abtheilung. 


Duͤrften wir derfelben Egilsfage unbedingten Glauben fehenten, 

ſo waͤre einige Zeit vor jener Schlacht. der aus feinem: Reiche 
vertriebene König von Norwegen, Erich Blutart. ober. der Bru⸗ 
bermörber, Haralds mit ber:fchönen Hewa Sohn ,: von. Achel⸗ 
fan mit. Northumberland : belehnt, um es gegen die Schotten 
a vertheidigen. Doc theils ſchweigen hier alle engliſchen 
Nachrichten, theils ſcheint ein um ein Jahrzehnt juͤngeres, bald 

zu erwaͤhnendes Ereigniß unter. Kthelftans:. zweiten Nachfolger 

bie Übertragung auf feine Regierung veranlafft: zu:haben. Wenn 

jedoch der längfiverflarbene Rollo, Herzog von-her Normandie, 
unter den Verbündeten Äthelftand bei dieſer Schlacht angeführt 
wird"), fo erkennen wir. wieber, wie die. Geſchichte noch immer 
von der Sage: beherrſcht wird. Der⸗ Erfolg bed Sieges war 
unzweifelhaft, und Athelſtan gendoß der Ruhe, feines. Reiches 
und der Verbreitung feines Ruhmes noch: mehrere Jahre KR 
an bad Ende feiner. nicht. langen Hereikhaft.:. .. ur mc 
Er ſtarb ſchon im 3. 940 27. October ). Wir zrfahnte 
über ſein Aufferes, daß er nicht fehr groß war und die blon 
den Locken der. Sachen mit Goldfaͤden zuſammenhielt. Muth 
und Sreigebigfeit ‚zeichneten ihn ſehr aus; Eigenſchaften welche 
nie. verfehlt haben die Liebe bes Volles und der Kleriſei zu 
gewinnen. Beine unechte Geburt fowie bie. feiner Herefchaft 
gemachten Befchulbigungen wurden vergeffenz jene um fo eher; 
da er Feine Söhne hinterließ auf weiche er fine. Krone hätte 
vererben Fönnen. | | 


940, . 


Theodorich (de regib. Norw.) fagt nur, Bub. er. nad) feiner. Ver 
treibung ad Angliam navigavit et, arege honorifice susceptus, ibidem 
diem obiit. Nach dem auf feinen Tod, auf Befehl der Königin Guns - 
bild, verfafften Ehrengebichte (drape), fiel er auf einem Wilungszug 
gegen England. ©. Torfaeus L IV. c. 10, Müller a. a. O. I, 
875. Langes Helbenfage 866. 

1) &o noch Turner. Rollo flach Im J. 917. ©. Flarent. 
Wigorn. Orderic. Vital. Robert. Wace Roman de Rou. 
2) So Florenz, Malmesb., Simeon, Mailros., nicht 94 
wie chron. saxon., dem Palgrave folgt; eine Jahrzahl welde nicht 
einmal mit der gleich folgenden Angabe über die Regierungszeit Äthelftang, 

14 Sabre und 10 Wochen, übereinftimmt. Der Todestag findet ſich 
auch im calendarium der merfeburger Kicche, woraus auf eine abnuche 

Berbiadung wie mit St. Gallen zu üſchueſſen iſt. | " 





Bon Anfang-bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 385 


Xhelftan hatte nicht verfäumt während feiner Kriege und 
ausgedehnten Verbindungen für die innere Verwaltung bes 
Landes zu forgen und gewiß nicht verfannt, daß auf dieſer 
die vorzüglichfte Kraft des Reiches beruhe. Wir müffen feiner 
Geſetze bier um fo mehr gedenken, da fie nicht, gleich denen 
der meiften feiner Vorgänger, Niederzeichnungen alter Gewohn⸗ 
heitörechte enthalten, fondern neue Verfügungen, welche zur Auf: 
rechthaltung der alten Ordnung gefchaffen wurden und daher 
ein ſehr anfchauliches Bild vom damaligen Zuflande des Lanz 
des geben. Die vielen Kriege und die Vermifchung mehrerer 


wenig befreundeter Stämme hatten Ungefeglichleit und Unorb> 


nung hervorgerufen, in welcher Verweigerung der Steuern, Ar⸗ 
muth, Raub und PVerwahrlofung der Rechtöpflege übers 


_ handnahmen. Die Entrichtung des Zehnten, des Seelen⸗ 


ſchatzes fowie des Pflugalmofend muſſte dringend eingefchärft 


werden, und der König gebot fie „bei feiner Freundſchaft“. Die 
Unterlaffung derfelben follte wie ein Vergehen gegen ihn felbft 


‚geahndet werben. Xthelftan verfügte die Verpflegung verarm⸗ 


ter Engländer auf feinen Domainen und betrieb die Auslöfung 


derer, welche wegen Schulden und Vergehungen der Hörigkeit 


heimgefallen waren. Den Bann (die Bannmtile), wodurch 


ſein Vater den Handelsverkehr in die Staͤdte gezogen hatte, 


— 


ſchaͤrfte er neu ein und ſorgte durch Verfuͤgungen uͤber das 
Muͤnzweſen und den gerichtlichen Beweis im Handel zunaͤchſt 


für das ſtaͤdtiſche Gewerbe. Die Wiederherſtellung und Erhals 


tung der Befefligung, die Züchtigkeit der Waffen, die Sorge 
für Kriegsroffe wird durch mehrere feiner Geſetze bezwedt. 
Doch die meiften Bemühungen erfoderte die große Zahl von 
herumtreibenden Leuten, welche weder Eigenthum beſaßen noch 

einen Herm und Schuß hatten, denen alfo die beiden Bedin⸗ 
gungen, unter denen ein Laie allein dem Staate angehörte, 
fehlten. Diefe gebot er ihrer Magenſchaft, den ſie verbuͤrgen⸗ 


den Verwandten, im Volksrechte einem beſtimmten Schutzherrn 


und Vertreter zu unterwerfen, durch welchen der Staat die 
Gewaͤhr erhielt, daß jene den Geſetzen und Gerichten ſich ſtellen 
konnten. Hiemit nahe zuſammenhaͤngend wurde das Verfahren 
gegen die des Diebſtahls, welchem das Vagabondiren faſt 
gleichbedeutend erſcheint, Beſchuldigten geordnet; 3 zugleich 

gappenberg’ 8 Geſchichte Englands 1. 2 


f ’ 


386 | Dritte Abtheilung. 


auch ben Misbraͤuchen oder dem Unverſtande der Sqchubherren 
vorgebeugt. 

Eine Folge dieſer geſetzlichen Anordnungen waren die en⸗ 
gern, auf der alten Geſammtbuͤrgſchaft beruhenden Vereinigun⸗ 
gen, welche von den Einwohnern bed Landes zum Schutze des 

Eigenthums und zur Wiedererlangung des Entwandten unter 
einander eingegangen wurden. Wir beſitzen das Statut der 
Friedgilden ) zu London, welches unter Beziehung auf aͤltere 
Vereinigungen und mit willfommner Audführlichkeit belehrt, mit 
welcher Strenge die kleinſten Diebftähle, wenn auch von Kna⸗ 
ben von nicht mehr ald zwölf Jahren begangen, fireng beſtraft 
wurden, wie, um und nach heutiger Weife auszudruͤcken, eine 
Verficherungscäafle unter den Zriebgildegenoffen beftand, um ben 
Schaden der Beflohlnen zu erfegen. Der freien Lanbbefiger 
waren je zehn Männer. näher vereinigt, denen von den Hins 

terſaſſen derſelben einer beigefügt wurbe, um in. Deren Namen 
zum Vortheile Aller mit jenen zu berathen. Die Gildegenoflen 
vereinten fich, die hohen Beamten und Freien monatlich, wenn 
fie wollten, die Hinterfaffen und. ihre Witan oder Deputicten 
jährlich im Herbite zu gemeinfchaftlichen Gaftmahlen, Deren 
liberzefte den Armen gereicht wurben. Alle waren zu jährlichen 
‚Beiträgen fowie zu gewiffen Spenden für bie Seelenmeſſen 
der verftorbenen Gildebrüber verbunden. In Zällen entwand- 

ten Eigenthums foderten fie den Gerefen ihrer Shire zur 


Aufſtellung ber etwa noch erfoberlichen Mannfhaft auf, ver- 


folgten mit dieſer auf ihren, Hoffen den flüchtigen Dieb, und wenn 
dieſer fh in die angrenzende Shire flüchtete, fuchten fie da⸗ 
felbft ähnliche Rechtsverfolgung bei den dortigen Gerefen nach. 
Die Hälfte des Vermögens des überführten Diebes fiel, nad 
Abzug des Erfaged für das geftohlne Gut, zur einen Hälfte 
an den König, zur andern an die Gilde. Der Zweck der 
Gilde wor faft in denfelben Worten ausgedruͤckt wie der ber 
geſammten Rechtögenoffenfchaft des Reiches, an beren Spike 

König Eadward fland?), „in einer und berfelben Freundſchaft 


1) Judie. civitatis london. wo fie ſich im Prodmium und Art. VIIE 
$. 10. diefen Ram geben. 
2) Leg, Eadwardi. Concil, exon. $. 2. 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 39% 


und Zeinbfehaft zu leben,“ und bewaͤhrt ſich fo al eine nm 


anders angewandte Darſtellung ber gegenfeitigen Rechtsduͤrg⸗ 
ſchaft, welche bei fortichreitender Cultur weniger auf den alt 
väterlichen Familienbanden ald den zw deren Grfag in den 
‚Städten erfhaffenen neuen Vereinen, Gilden oder Hanſen bea 
ruhten. Bei allem Dunkel, dad in einigen Stellen jener zus 
nächft auf den Schuß der Heerben berechneten Statuten herrſcht, 
verdienen fie unfere Aufmerkſamkeit als eines der älteften Gilbe⸗ 
Katuten, auf denen bie ariſtokratiſche Stäbteverfaffung fih fpds 
ter weiter ausbilbete, und daher ald einer der wichtigften und 
älteften. Belege der Autonomie ber amgeljächftfchen Staͤdte 
(bye-laws) '). Das Jutereſſanteſte im jenem Inſtitute winde 
jedoch ſcheinen, wenn miſere in dem umſichern Texte gewagte 
Erklaͤrung fich bewähren ſollie, das Verhaͤltniß der Hinterſaffen 
und ihre Repraͤſentation im Rathe deu flimmfähigen Adligen 
und Freien. Dieſe Erlaͤuterung widerſpricht andern bei Erde 
terung der aͤlteſten Laͤnderverfaſſung zu erwaͤhnenden Nachtich⸗ 
ten nicht, wuͤrde dagegen auf auffallende Weiſe nicht zur 
Nechtfestigumg, aber zur Erlaͤuterung einer vielbeſprochnen Gage 
dienen, nach weicher die englifchen Burgen Bud Recht, Depu⸗ 
thrte in das Unterhaus zu ſenden, auf Hreibriefe des Koͤnigs 
Kipelfian, namentlid auf einen der Stadt Beverley nach der 
Scchlacht von Brunanburg erteilten, Kinaufleiten. Und fo bes 
währte es fich auch: hier, daß die wirkliche volPsthämliche Sage 
nur der richtigen Deutung bedarf, um nieht zu lehren, als fie 
auf der Gtirme trägt; gleihwie des aufrichtigen Dienfchen 
Einfiht und Wille ſtets beffer find, als bie unvollkommene, 
ben Begriff irreführende Sprache bem bloßen Gehöre ihn 
darſtellt. 


| Eadmund. | 

Bei Kthelſtans Tode hatte König Eadwards lebender ds . 
teffee Sohn, aus feiner Teßten echten Ehe, das männliche Al 
ter, ber Atheling Eadmund, deſſen Mannheit ſchon vor drei 
Jahren in der: Schlacht von Brunanbarg?) vos ben Augen 


1) Bgl. Wilda Gildeweſen S. 246, Palgrave I, 197. 
2) Man darf es wohl nicht zu gem ahnen, wenn earon. saxon. 
233% 


388 Dritte Abtheilung. 


feines Volles bewährt war. Die Angelfachfen leifteten ihm 

. willig die Eide der Treue, gelobten zu lieben was er liebe, zu 
haſſen was er haffe. Den Erbfeinden des Reiches aber, den 
Schotten und Dänen, welche nur Äthelftand gefürchtetes Schwert 
zurücdgehalten hatte, bot der Übergang der Krone auf ein 
jugendlihe® Haupt eine willlommene Gelegenheit zum: Auf 
flande, in. der Anftcht der in Northumbrien anfäffigen Dänen 
vielleicht zur Zuruͤckrufung des rechtmäßigen Herm. Analav 
ward aus Irland von bdiefen zuruͤck und ald König ber 
Northumbrier ausgerufen‘). Die Dänen in Mercien und vers 
muthlich auch die in Oftanglien —* ſich gleich dem Herr⸗ 
ſcher ihres Stammes an, und es gelang dem Koͤnige Ead⸗ 
mund ſehr langſam auch nur in einem Theile der abgefallnen 
Laͤnder anerkannt zu werben. Hatte doch fogar der Erzbiſchof 
von York, Wulfftan, in der eigennüßigfien Politif, welche die 
Anhänger feiner Kirche gern verfchwiegen haben, dem heibni- 
ſchen Könige ſich angeſchloſſen?). Bei Zamworth in Mercien 
943. erlitt. Eadmund eine ſchwere Niederlage. Doch gelang es ihm 
endlich mit der altwäterlichen Zapferkeit ſich Merciens und der 
wohlbefeſtigten dänifchen Fünfftädte (Derby, Lincoln, Notting: 
ham, Stamforb und Leicefler) zu bemächtigen. In letzterer 
Stadt /hatte er fchon Analav und den treulofen Erzbifchof ein: . 
x gefchloffen, welchen es jedoch gelang nächtlicher Weile zu entfliehn. 
Unter Vermittlung der Erzbiftöfe von Canterbury und York 
(jener Ddo genannt, war der Sohn eines Dänen, welcher- zu - 
Alfreds Zeiten gegen England gefochten hatte) ’), Fam ein Ver: 
trag zu Stande, vermöge deſſen Eadmund dem dänifchen Fürs 


und andere Chroniften ad a. 941 ihn als circiter XVIIL. annorum bei 
feiner Thronbeſteigung angeben. | - 


1) Florent. ad a. 941. 


” 2) ©. saxon. chron. ad a. 948 in der cottonifchen Handſchrift 
bei Ingram. Die übrigen Handfchriften, fowie andere Ehroniften, und 
neuerlich der Katholit Lingard, verfchweigen was ſich nicht bemän- 
teln laͤſſt. gl. Guil. Malmesb. de gestis pontific. 1. HI., welcher 
von Wulfftans Beftrafung durch Eadmund erzählt, welche rbec erſt von 
deſſen Nachfolger unternommen iſt. 


. 8) Guil. Malmesb. de gestis pontific. lI. J. 


x 


® - . \ | . | . 
Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 889 


ſten das Land oͤſtlich von der Watlingſtraße abtrat ). Analav 
nahm das Chriſtenthum an, worin ihm auch Reginald, ein 
Bruder Analavs, Sohn des Sithrik, und der jüngere Analav, 
Gutferths Sohn, folgten. Der Altere Analav erfcheint um dieſe 
Zeit nicht Yänger ald Gonftantind Schwiegerfohn und fol Als 
bitha, die Zochter feines treuen Rathgebers, des Jarls Orm, 
fi vermählt haben?). Doch bald nach dem Vertrage mit 
Eadmund ftarb jener, und mit dem Schreden feined Schwers 
tes verfchwand die ganze Macht, welche feit Athelflans Tode 
den Engländern wiederum fo unbeilbringend gewefen war. 
Reginald und der jlingere Analav wurden nunmehr von Ead⸗ 
imund vertrieben, welcher nach zwei Jahren wieder ber Her 
der abgetretenen Länder ward. | 
Noch glüdliher wurde Cadmund im folgenden Jahre, als 
er, von dem Heere des benachbarten Königs Llewelyen von Des 
metia unterflügt, den Sohn, des langiährigen Feindes feines 
Haufes, Owen (Eocha), Königs von Cumberland, Dunwalloen 
(Dondeall, Donald), König von Stratheiyde, angeif. Er be: 
fiegte ihn, gab jedoch Eumberland dem frühern Lehnöheren deſ⸗ 
feiben, damald Malcolm I, dem Sohn des nach der Schladht 
von Brunanburg in ein Klofter zurüdgezognen Conftantin IIL 
von Schottland, unter der Verpflichtung des von England zu 
Waſſer und zu Lande im Kriege zu leitenden Beiftandes, zus 
ruͤck; wodurch fowie durch’ den.obenerwähnten Umftand der 
Auflöfung der Familienverhältniffe Malcolms mit feinem Schwas 
ger Analav ed wahrfcheinlich wird, daß Malcolm, erkennend, daß 
ein mächtiger Dänenfürft ihn freilich von England trenne ‚fi 
nem eignen Lande aber nicht minder gefährlich werden koͤnne, 
an ben legten Kriegen gegen Eadmund Teinen Antheil genom⸗ 


1) Simeon Dunelm. ad a. 939. Chron. saxon. ad a. 942. 
- Henr. Huntend. Es ift mir unbegreiflih, wie Turner und Pal: 
grave dem Matthäus von Weftminfter in feiner Angabe ohne 
Bedenken folgen, daß Eabmund und Analav ſich auch dahin vereinigt 
hätten, daß dem Überlebenden das ganze Reich zufallen ſolle. Der Chros 
nift des vierzehnten Iahrhunderts übertrug auf den Altern Eabmund, 
was wir fpäter von bem Vertrage des jüngern Eadmund mit einem an⸗ 
dern Daͤnenkoͤnig vernehmen werben. 


2) Matth. Westmon, ad a, 940, 





300 Dritte Abtheilung. 


men hatte. Malcolm verlieh wiederum Gumbrien on feinen 
Zanaiften Indulf, welcher dem Eadmund, wie feinen Rachfols 
gern, den Eid ber Treue leiſtete und hielt, wie denn in dieſem 
ganzen Jahrhunderte das jest erneuerte Verhältniß nicht wies 
der unterbrochen wurde‘). Dunwallon, welcher nody breiffig 
Sabre lebte, bis er auf einer Pilgerfchaft nach Rom dad Leben 
einbüßte, fcheint im Beſitze des nördlichen ober fchettifchen 
Strathclyde, das noch mehrere Jahrhunderte ſelbſtaͤndig ſich 


erhielt, geblieben und ihm ein Sohn, Anderach, darauf ein 


zweiter, welcher ben Namen feines Großvaters mug, gefolgt 
zu fein ?), 
Eadmunds Leben endete fchon früh durch eine bei dem 


Zuſtande des Landes auffallend feltene Gewaltthat. Ein von 
ihm verbannter Mann, Leaf, hatte die Vermeſſenheit fich an ber 


26. Mai. 


gaſtlichen Tafel des Königs einzuſchleichen; aus Zorn bei deſ⸗ 
ſen Anblick oder auch durch einen Angriff deſſelben auf ſeine 


Truchſeſſen gereizt, zudte Eadmund den Dolch auf Leof; die | 


fer kam bem König zupor, ber entfeelt hinſank. Eadmund 
batte nur fiebenthalb Jahre regiert. Ex war zuerſt verheirathet 
mit Elfgive, ber Mutter feiner Söhne und fpätern. Thronfol⸗ 
ger, Eadwy und Eadgar, einer Frau welder wegen ausge⸗ 


zeichneter Zugenden der Beiname der Heiligen ertheilt ift °). 


'1) Chron. saxon, ad a. 945. Annal. Cambr. ad a. 946. Henr. 
Huntend. Malmesb. Forduni Scoti chron. IV, 26, 


2) ©. wnten b. 3. 973. Innes ecritical essay p. 802, Annal, 
Cambr, ad a. 974, 999, 1015. Simeon Dunelm. ad a. 1018, wo 


Eugenius rex (C)Luthensium ein Enkel des Dunwallon fein möchte. 


Halgrave (II, 443), der bie Abftammung Anderachs überficht, die 


annal. Cambr. nicht Fannte und dem Matthäus von WBeftminfter, 


der erzählt, "daß Dunwallons Söhne vom Sieger geblendet wurden, zu 
viel Blauben ſchenkt, hat die Trennung jener beiden Reiche unter Eabmund 
überfehn. Es bleibt mir felbft noch einiger Zweifel, ob biefer überall 
gegen Dunwallon kämpfte, und nicht vielmehr gegen beffen bisher übers 
fehnen Bruder Catguocaum, befien Ermordung durch die Sachſen annal. 
Cambr. und Brut y Tywysogion b. 3, 950 berichten. 

8) Florent. ad a. 955 sanctae Alfgivae reginae fillus. Doch 
tft unter einer Urkunde Eadmunds verzeichnet Elfgiva, concubina Regis. 


©. Text. Roffens. p. 108. Ihe Zobestag iſt im angelſaͤchſiſchen Kar 


tender unter dem 5. Mai verzeichnet. Vgl. Aethelweard IV, 6 


— 


\ 


, 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 391 


Zur Zeit ſeines Todes war er mit Athelflede von Donerham, 
Tochter des Ealdormanes der Wiltſaͤten, Älgar, vermaͤhlt ). 

Es haben ſich mehrere geſetzliche Beſchluͤſſe aus ſeiner Zeit 
erhalten, welche jedoch hier keine beſondere Aufmerkſamkeit auf 
fich lenken koͤnnen. Neue und wohlerwogene Geſetze koͤnnen 
nicht das Werk eines ſtets geruͤſteten, jungen Kriegers fein, 
und nur als ſolcher iſt Eadmund uͤber die Buͤhne der Welt⸗ 
geſchichte geſchritten. — 


Eadred. 

Wegen der großen Jugend ſeiner Soͤhne folgte dem Ead⸗ 
mund, durch die Wahl der Optimaten, ſein jüngerer Bruder 
Eadieb. Maren es Zweifel über feine Wahl oder erfoderten: 
bie Vorbereitungen der Krönungsfeierlichkeiten fo viele Zeit, was 
wegen der nöthigen Gegenwart entfernter Lehnsleute nicht un: 
woahrfcheinlich ift, die Krönung erfolgte erft nach beinahe brei 
Monaten zu Kingſton. Auffer den Engländern leifleten die 
Fürften von Wales, der von Cumbrien, und Malcolm, der Koͤ⸗ 
'nig von Schottland, die Eide des Lehnbündniffes. Auch 
nortbumbrifche Große erbliden wir um König Eabred m den 
erften Jahren feiner Herrfchaft verfammelt. Einige derfelben 
fcheinen einen Aufftand unter dem jüngem Analav, Sithriks 
Sohne, begonnen zu haben”), welcher indefien fchnell von 


Das Räthfel ihrer Geſchichte wird durch eine freilich angefochtene Ur⸗ 
kunde ihres Sohnes Eadgar, in welcher ſie unter den Zeugen erſcheint, 
noch vermehrt. ©. dieſelbe in Monast. Angl, I, 27. 


1) Chron. saxon. ad a. 946, 961, welche Stelle bieher uͤberſehn 
iſt, ſogar von Palgrave II, 262. 


2) Urkunde v. 3. 946 bei Hickes IH. p. 802 nr. 11. Chron, 
Mailros. ad a. 947 et 948. Wallingford 541. Chron. saxen., wels 
ches hier fehr unchronologiſch iſt, erwähnt der KRuͤckkehr Analavs b. J. 
949, zwei Jahre nach der Huldigung bei Taddenscliff und ſetzt feine 
Vertreibung ins Jahr 952; Heinrich von Huntingdon lettere in 
das vierte Regierungsijahr Eadreds, nachdem er ſchon einmal in Ead⸗ 
munds viertem Regierungsjahre vertrieben war. Auſſer dieſen Wider⸗ 
ſpruͤchen und Unwahrſcheinlichkeiten macht das Stillſchweigen der beſten 
Ehroniſten, des Florenz, des durhamer Simeon u. A. die Ruͤckkehr 
des juͤngern Analavs verdaͤchtig doch iſt ſie an ſich nicht unwahrſcheinlich 


392 Dritte Abtheilung. u 


| Eadred gedämpft wurbe, und bald darauf ſchwuren ihm alle | 
919 
\ 


N 


Northumbrier, mit dem Erzbifchofe Wulfitan, ‚zu Taddenscliff 
den Eid der Treue!). Bald jedoch verfuchten: diefe fich von 
berfelben loszureiſſen, was ihnen nicht mislang. ' Harald Blaus 
zahn, der König von Dänemark, faflte den Plan feinen Sohn 
Hiring (Hirc, Erich) nad Northbumbrien zu fchiden, um für 
diefen dafelbft dad Dänenreih zu gewinnen’). Wir fehen 
bier, wie fo häufig, daß die Chroniken der Zeinde nur die Ks 
nige nennen, unter denen die Krieger die Einfälle verfuchten, 


während die Einheimifchen hoͤchſtens die Namen der Führer 


kennen, welche an der Spige der Feinde flanden; demnach aber 
jene ebenfo wahr als diefe berichten. Der Sohn des maͤchti⸗ 
gen Harald wurde von den Northumbriern freudig aufgenom⸗ 


men; auch der treulofe Bifchof Wulfftan fiel ihm zu, mit dem⸗ 


felben auch die übrige Geiftlichkeit des Landes. Eadred, nicht 
geneigt die bereitd anerkannten Rechte aufzugeben, ruͤckte mit 
einem ftarken ‚Heere in Northumbrien ein und verheerte und 
brandfchagte es, nach dem Gebrauche damaliger Kriegsführung; 
felbft das Klofter zu Rippon, die berühmte Stiftung Wilfrids, 
wurde zerftört. Im zweiten Jahre dieſes erfolglofen Zerflös 
rungskrieges wollte Eadred fuͤr die Winterzeit heimkehren, als 
eine Niederlage, welche die Bürger von York dem. Nachtrab 
feines Heeres beibrachten, ihn fehr reiste und ex das ganze 
dortige Land wüfle zu legen verfündigte. Diefer Befchluß 
fehredte die Einwohner, welche zur Unterwerfung zuruͤckkehrten. 


Erich flüchtete in’ eine Wuͤſte, Stänmoor genannt, doch durch 


und berechtigt Zurner und Pal grade, nicht zum völligen Isnoriren 


der obigen Nachrichten. 


1) Chron. saxon. Florent. ad a. 949, 

..2) Adam. Bremens. II, 15. Haraldus — in Anglos susm di- 
latavit potentiam etc. — Anglia autem etc. Haroldus, Hiring filium 
suum misit in Angliam, Qui subacta insula a Northumbris tandem 
proditus et occisus est. Xgl. f. g. chron. Erici. Die englifhen Ges 


ſchichtforſcher müffen dieſen aͤlteſten Zeugen überfehn haben, wenn fie 


einftimmig biefen Erid für den ſchon früher erwähnten Sohn des Ha⸗ 
zald Daarfagr von Norwegen halten. Das islaͤndiſche Fragment wel- 


ches Turner für feine Anfi ht deutet, iſt, wie es fich auch felbft ans 


tündet, und namentlich in ber betveffenben Stelle, ein Excerpt aus 
Adam a. a. O. 


Bon Anfang des 9. bis. Anfang des 11. Jahrh. 398 


den DVerrath des fächfifchen Höchgrafen Ofulph ') wurden Erich 
und feine beiden Söhne Heinrich und Reginald von einem daͤ⸗ 
niſchen Begleiter Maccus, Olavs Sohne, getoͤdtet?). Der Kö: 
nig wurbe durch neue Eide und viele Gefchenke verföhnt, der 
treulofe Erzbifchof entfeßt und in das Gefängniß. zu Whitby 

oder zu Jedborough geworfen, erhielt jedoch ſpaͤter das ſuͤdlich 
gelegene, von den Dänen entfernte Bisthum Dorchefter. Viele 
ber dänifchen Holdas und Adligen wurden in die Gefangen 
ſchaft geführt, und die beiden ehemaligen Königreiche Bernicien 
und Deira werden, unter Aufhebung der Benennungen ‘und 
unter dem Zitel einer Graffchaft (Earldom) Northumberland, 
zur Belohnung dem Dfulf‘ verliehen, in deſſen Gefchlechte das 
eigentliche Northumberland, fpäter von dem füblichen. York und 
dem nördlichen Lothian getsennt, bis nach der normannifchen 
Eroberung verblieben ift’). Eine große Anzahl von Dänen 
mwurzelte in diefem Lande ein, wie es uns bie Verfchiedenheit 
der Ortsnamen und mancher Bezeichnungen politifcher Inftitus 
tionen *), erhaltene Sagen und ein Nachklang der Sprache 


1) Osulf heahgerefa in einer Urkunde v. 93. 946. Bon andern 
northumbrifchen Namen f. Smith Beda appendix 772. 


2) Adam L|. Simeon Dunelm. p.204. Florent. Matth, 
Westmon. ad a, 950. Lesterer allein nennt die Söhne Erichs. Schon 
Turner bemerkt mit Recht, daß unter Heinrih (Crih) und Reginald _ 
vermuthlih die von Snorro in ber Hakonaſage angeführten Harekr 
und Roggnalldr gemeint find, zwei der Könige, welche mit Erich Bloͤdun 
in der Schlacht mit Eabmund fielen. &o bemerken wir aud) bier, wie ges _ 
wöhnlih wo Matthäus andere Nachrichten hat als die übrigen Chro⸗ 
niften, bei ihm nur ſchlecht angewandte Kenntniß der dänifchen Sagen. 
Chron, saxon. fegt Erichs Tod ins Jahr 95%. Auf den Namen Dlav 
"oder Analav geftüst, deutet Lingard, mit bei ihm ungewöhnlicher, aber 
fodann defto Fühnerer Combination, die oben S. 392: Note 1. nachge⸗ 
wiefenen Notizen als einen gleichzeitigen Einfall von zwei verſchiedenen 
daͤniſchen Heeren, welche ſich einander aufrieben. 

8) Bon feinen Vorfahren ſ. oben ©. 363 Note 1. 

4) Daß, wie Lingarb fagt, erſt durch Eadred die ben angelſaͤch⸗ 
fifchen Hundreds entfprechenden. „„Wapentake’' in jenem Lande eingeführt 
wurden, ift um fo unmwahrjceinlicher, da in biefem Falle der angelſaͤch⸗ 
fiihe Name auch wohl mit eingeführt worben wäre. Beine Quelle 


(Wallingford 541) fagt nur: duo regna in baronias et comitatus 
divisa sunt. a ‚ 


t 


— 


394 Dritt« Abtheilung. 


leicht bemerklich machen. Die Befeſtigung des wieder eroberten 
Gebietes f cheint die ganze Thätigkeit Eadrebs waͤhrend ſeiner 
uͤbrigen, im Ganzen nur neunjaͤhrigen, Regierung in Anſpruch 
genommen zu haben. Er litt an bösartiger Kraͤnklichkeit, wos 
bei eine Schwäche in ben Füßen beſonders bezeichnet wird '). 
Einen trefflihen Rathgeber verlor er an feinem Better, Dem 
mehrgebachten Kanzler Turketul, welcher ‚gleich nad) Befiegung 
Northumbriens der Welt entfagte und in dem in den dänifchen 
Kriegen zerftörten, von ihm aber und durch Eadreds Freigebig⸗ 
keit wiederhergeſtellten Kloſter Croyland in Gottesfurcht und 
Werken der Milde, thaͤtig noch als Abt, dem Ende ſeiner Tage 
entgegenging (+ 973)%). Ein uns denkwuͤrdiger Zug angel: 
fächfifcher Staatskunſt erfcheint bei Erneuerung der Privilegien 
biefes Kloſters, wo ber König alles Gefoderte, nur nicht die 
Wiederherſtellung des Aſyls des Kloſters bewilligte. | 

Eadred farb im 3. 955 am 26. November, vielleicht uns 
vermählt, gewiß aber ohne Exben. | 


Eadwi. 

Einſtimmig wurde von den Wittigſten des geſammten 
Englands in Weffer, ſowie Mercien, Eadreds Neffe, ſeines dl: 
teften Bruders Eadmund Sohn, Eadwi, ein. Iüngling von 
‚ ausgezeichneter Schönheit, zum Könige erforen?). Die Eurze 
Regierung biefes unbedeutenden , jungen Fürften iſt durch ein 
großes Misgeſchick, welches feine Unbefonnenheiten veranlafften, 
audgezeichnetz; Doch noch mehr feſſelt fie unfere Aufmerkfamfeit 
faft wider unfern Willen, weil fie einer jener Zummelpläge der - 
Geſchichte geworden ift, auf welchem entgegengefeßte Anfichten 
über Kirche und Staat. und deren Verhaͤltniſſe ihre Streitroffe, 
mit und ohne verfchloffenem Viſir, gegen einander geführt haben. 
Während in unfern Tagen die Gebanken der Menfchen 

in unfläter Aufregung gern nah mehr Enden ald bie Wind: 


1) ©. Turner. Er 

2) Ausführlich handelt über ipn Ingulph in der Sefchichte jenes 
Klofters. 

3) In utraque plebe regum numeros nominaque suppleret electus. 
— Cum ab universis Anglorum principibus communi electione unge- 
retur et consecraretur in regem. Britferth. I, |, c. IV. 


J 
‘ 


Bon Anfang des 9, bis Anfang des 11. Jahrh. 395 


zofe zählt zugleich hinſchweifen, und Fein Gedanke einen Beth 
hat welcher nicht durch einer neuen Jacobskittel glänzt oder | 
täufcht: fo mar dagegen das Mittelalter-in einer großen Geis 
ſtesgilde feft verbunden, um einige wenige, in langjähriger Übers 
lieferung gar wunderbar nicht minder verberrlichte als verbuns 
Zelte Anfichten zu befeftigen und auszubilden. Daher ergibt 
ſich dann die auffallendfte Ähntichkeit, felbft in den großartigs 
fien, im Gegenfab zu ihren nähern Umgebungen eigenthuͤmlichſt 
erfcheinenden Individuen auf jener Bühne, wo der mächtige, 
aber verweichlichte Nachkomme Lleiner nordiſcher Häuptlinge 
aus Wodans Gefchlechte/ mit dem oft an Weisheit, ſtets an 
Klugheit überlegnen Nachfolger des Bifhermannes und Auffes 
hers über die Chriftengemeinde zu Rom ſich plößlic in der 
rieſenhaften Geftalt jenes optifchen Zruged einander gegenüber- 
flanden, und In dem Wechfelglüde ihrer Kämpfe der damals 
enger verbundnen und leichter erfchütterten Welt größeres Irr⸗ 
fal und Ungemad) brachten, als felbft die fchlimmflen der alten 
Tage gekannt hatten, in denen König Egel über dem Haupte 
_ ber Eaiferlichen Roma den Stab der Vergeltung gebrochen hat. 
Beruhet nun diefer Kampf in allen Ländern auf denfelben wis 
berfireitenden Grundfägen und Leidenfchaften und ehren bie 
verfchiebnen Kämpfe beinahe in einer ſtehenden Maſke wieder, 
fo find bie für einzelne Länder fich ergebenden Verſchiedenhei⸗ 
ten um fo forgfältiger von ber allgemeinen Ericheinung zu 
ſondern. | 
Weoenn bie Ahnlichkeit jenes Schaufpiees auch darin ſich 
aͤuſſerte, daß es im Anbeginn gewoͤhnlich wie ein Kampf zwi⸗ 
ſchen Landes⸗ und Geiſtes⸗ Hoheit erſchien, ſo konnte dennoch 
in einem Lande, welches wie Britannien in ſeiner alten Lan⸗ 
deskirche und derjenigen der Scoten einen eigenthuͤmlichen Gei⸗ 
ſtesreichthum beſaß, die roͤmiſche Überlegenheit nicht ſogleich mif 
der Einfuͤhrung der katholiſchen Anſichten, ſondern erſt nach 
der Aufloͤſung jener Kirchen hervortreten. Durch die groͤßere 
Entfernung weltlicher und aller perſoͤnlichen Beziehungen des 
Kirchen⸗Oberhauptes zu ben nordiſchen Koͤnigen muſſten fich 
hier die Verhaͤltniſſe weniger raſch geſtalten, als bei den Voͤl⸗ 
kern, deren Sprache und Recht der Weltſtadt zu dienen nie 
aufgehoͤrt hatten und die ſtets, wie fruͤher im Triumphe auf 


> 


396 . Dritte Abtheilung. 


Y 


dem Capitole, fo jegt in den Gewölben des St. Petershaufes 
die größte irdifche Herrlichkeit verehrten und fuchten. So war 
denn in England feit völliger Einflhrung des Chriftenthumes 
fein erheblicher Widerftreit zwifchen Kirche und Staat laut ges 
worden, und noch weniger waren bereitd ein König und «ein 
Geiftlicher als Vertreter zweier entgegengefeßten Syſteme auf: 
getreten, welche deren Schickſal durch ihre Fehde wie durch 
einen gerichtlichen Zweikampf zu entfcheiden vermeinten. Auch 
tönnen felbft wir in König Eadwis Kampfe mit dem Erzbi- 
fchofe Dunflan einen in feiner ganzen Bedeutung von- beiden 
Parteien wohlbegriffnen Kampf noch nicht erkennen, ſondern 
vielmehr nur groͤßtentheils ein Schaufpiel für die müßige 
Menge und deren unruhige Leidenfchaften. | 
England hatte, fern von dem Mittelpuncte des geiftlichen 
Haders, zugleich der nähern Oberaufficht über feine Geiftlichen 
und des. Einfluffed wohlberechneter, im Schooße der Kirche ges 
gründeter Anflalten entbehren müfjen. Die Misbräuche der 
Seiftlichen, welche ſchon in frühern Jahrhunderten erwähnt find, 
waren im nördlichen England durch den Krieg, noch mehr 
durch den Frieden mit den Normannen heu belebt. Man er 
innert ſich des Verfahrens des Erzbifchofs von York und ſei⸗ 
ner Seiftlichen und zieht vermutblich ben reinen Wobandverehs 
rer dem heuchlerifchen Verbündeten des Gößenbienerö vor. Die 
Prieſterehe zeigte ſich damals nicht nur der Kirche, fondern 
auch. dem Staate gefährlich, da die verheiratheten Prälaten 
Durch die Anhänglichkeit an Frau und Kind verleitet wurden 
ſelbſt den Abfall vom Glauben zur Erhaltung weltlicher Schäge 
zu beſchoͤnigen. Im füdlihen Europa hatte die allmdlig aus⸗ 
gebildete und verbreitete Negel der Mönche vom Berge Caffino 
der größten Veriockung zur Abtrünnigkeit einen Damm entges 
sengefegt, und langfam war die Berehrung „es Benedict von 
Nurſia und feiner auf dem Gälibate der Geiftlichen und ben 
andern Kloftergelübden, der. Armuth und des Gehorfams, beruhen- 
den Borfchriften bis zu den nördlichen Provinzen Galliend vor: 
gedrungen; doch Wilfrids frühere Verfuche den Klerus auf je 
nem Moͤnchsſtande zu begründen, und manches Dahinzielende 
was von englifchen Goncilien und frommen Königen verfügt 
worden, war theild erfolglos geblieben theils vergeffen. 


Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 397 


Im erſten Jahre ber Regierung Athelſtans war, aus einem 
edlen weftfächfifchen Gefchlechte, der Sohn des Heorſtan und 
ber Chnedrithba geboren, Dunſtan genannt’). : Der talentvolle 
Knabe wurde in der Klofterfchule zu Glaſtonbury, wo viele 
dorthin ausgewanderte Scoten ihren. Unterhalt durch die: Erzies 
bung der Söhne angefehner Sachfen ficy erwarben, zu höherer 


1) Bon Dunftans Geburtsjahr f. oben &. 60. Note 1. Xuffer 


denjenigen Nachrichten über Dunftan, welche fich bei den bekannten Altern 
Geſchichtſchreibern zerftreut finden, befigen wir mehrere Biographien 
über benfelben. 

.a) Adalardi, monachi blandiniensig, eulogiuin. Dünstani, etwa. zwan⸗ 
zig Jahre nach deſſen Tode abgefaſſt und einem ſeiner Nachfolger, 
dem Erzbiſchofe Elpheg, dedicirt. Sie erzaͤhlt faſt nur Wunderge⸗ 
ſchichten und iſt, da ſie wenig enthaͤlt was nicht in andere, bereits 
gedruckte Werke uͤbergegangen iſt, ungedruckt geblieben. Eine Hand⸗ 


ſchrift des Kloſters Bec wird erwähnt von Papebrod in actis \ 


Sanct. Maii 19. T. IV, p. 344. . 

- b) Britferthi vita 8. Dunstani ift gleichfalls bald nad beffen. Tode 
gefchrieben und dem dritten Nachfolger Dunftans zu Canterbury, 
Erzbiſchofe Ätfric, gewidmet. Diefe Biographie ift fehr lehrreich. 
Gedruckt aus einer Handfhrift des Kloſters St. Vedaſti zu Arras 


in actis Sanctor. a. a. D. Zurner citirt ſie gewöhnlich als das 


Ms. Cleopatra B. 18 in Cottons Bibliothel. 

ec) Vita S. Dunstani, auctore Osberto, gebrudt von Surius.de 
probatis Sanctorum vitis. Sit wird in bad Jahr 1020 gefegt. Gie 
ſtimmt wörtlich mit dem gleich anzuführenden Eadmer überein, und es 
Eönnte der Name Osbert vielleicht auf einem Srrthum beruhen. | 
d) Osberni vita 8. Dunstani 1. II, ums Sahr 1070 von einem 
Freunde des Erzbifchofes Lanfrant gefchrieben. Sie ift mit der vor: 

hergehenden fehr übereinflimmend, doch enthält fie manche lehrreiche 
Notizen. Gedrudt in actis Sanctor. a; a. D. und im Auszuge in 
Wharton Anglia sacra II, 83. DOsbernus beklagte den Unter: 
gang mehrerer Schriften durch ben Brand der Bibliothek zu Can: 
terbury im J. 1070, doch benugte er angelfächfifche Überfegungen 
berfelben, welche er auffand. > 

e) Vita S. Dunstani, auctore Eadmero. Diefer war ein Schüler 


des Erzbifchofs Anfelm. Bebrudt im Auszuge bei Wharton a. 


0. D. ©. 211 fg. — Man erkennt, welcher Grab von Unparteilid: 
keit fi) von ben angeführten Schriftftellern etwa erwarten läfft. 
J) Ein Ms. Guilielm. Malmesburiensis de vita S, Dunstasi 
‚ arshiepiscopi libri II wird nächflens gebrudt.; S. Cooper 
public records II, 164, \ 


. 


3 Dritte Abteilung. 


Bildung angeleitet. Eine Kränklichleit, weldhe ber Entwide fi 
lung großer Zalente- oft fehr günftig ifk, indem fie bie Abge⸗ 
zogenhelt von dem abſtumpfenden Geraͤuſche und Zerſplitterung 
der aͤuſſern Welt erleichtert und vielleicht das Neroenfoften: zu 
höherer Empfaͤnglichkeit anregt, fcheint auf Dunſtan, wie früher 
auf König Alfred, günftig eingewirkt zu haben. Durch ange 
fehne Verwandte, worunter vermuthlich der Erzbifhof Wulf: 
helm, von Ganterbum ’), wurde er fehr früh an den Hof 
VLtheiſtans gebracht, doch durch die Verfolgungen des Neides 
juͤngerer, durch Dunſtans Hochmuth vielleicht gereizter Ver⸗ 
wandten, welche ſeine Liebe fuͤr Nationallieder und altvaͤterliche 
Geſchichte als Hinneigung zum Goͤtzendienſte und zur Zaube⸗ 
rei verdaͤchtig zu machen wuſſten?), vom Hofe wieder entfernt 
und von feinen rohen Gegnern noch felbft auf ſeinem Heims 
wege gemishandelt und in einen Sumpf geworfen. Der Rath 
feines Anverwandten, bed. Bifchofs won ‚Winchefter, und eine 
neue ihm zugeftoßene Krankheit bewogen ihn fh um Moͤnche 
zu beflimmen. Im ber Geſellſchaft einer reichen Matrone aus 
koͤniglichem Geſchkechte, ÄAthekflede, brachte er kange Zeit zu, 
in welcher er auch die Kuͤnſte der Muſi k und der Malerei 
ausbildete, ſelbſt in Metallarbeiten, wie Cruciſixen, Glocken, 
Weihrauchfaͤſſern ſich auszeichnete?). Zahlloſe Wunder werden 
von ihm berichtet, deren Werth daran zu erkemen iſt, daß als 
das erſte derfelben, ſchwerlich ohne den uͤblichen Hinblic® auf 
das große Vorbild der Chriſtenheit und das erſte Wunderwerk 
des Erloͤſers auf der Hochzeit zu Cana, erzaͤhlt wird, wie. bei 
einem Beſuthe Bed Königs und feined Hofes bei Atheiflede und 
Dunſtan, die koͤniglichen Mundſchenken das Faß mit Meth, ſo 
oft ſee es geleert zu haben meinten, ſtets neu gefuͤllt fanden. 


1) Osbern ſagt: patruus suus Athelmus. Diefer Vorgänger des 
Wulfhelm ſcheint indeß fchon vor dem Jahre 928 geftorben zu fein. 

2) Ex. libris salıtaribus et viris peritis non saluti animazum 
" profutura, sed avitae gentilitatis vanissima didicisse carmina et histo- - 
riesum. frivelas colere incantationum naenias, Britferth c. 1. 

Sy Bel. Britferth, Dobern u. A. Wharten kistory of 
english poets (ed. Price. 1824) T. I. on the introduction of lear- 
ning into England, p. 139. In Hides Th. J. befindet fi in Kupfer 
ftich eine Zeichnung Dunftans, den Erloͤſer darſtellend. | 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 399 


König Eadmund feßte ihn dem Kloſter Glaftonbury vor, wo 
er als erfter Abt in England die Benedictiner⸗Regel einführte, 
welche gleichzeitig mit ihm der Erzbifchof von Canterbury, Odo, 
in dem franzöfifchen Klofter Kleury, das von dem vor etwa 
breiffig Jahren geftifteten burgundiſchen Kloſter Clugny aus⸗ 
gegangen, angenommen hatte); fo auch Äthelwald, ſpaͤter Bi⸗ 
ſchof von Wincheſter und Odos Neffe Oswald, der nachherige 
Erzbiſchof von Vork und andre angeſehne Geiſtliche, durch 
welche die Benedictiner⸗Regel durch alle Kloͤſter Englands all⸗ 
maͤlig verbreitet wurde. Dunſtan ſelbſt widmete fich ganz dem 
Berufe des firengen Klofterlebens, und wir befigen noch- von 
. ihm eine Erläuterung ber neu eingeführten Regel» Das ihm 
vom Könige Eadred und deffen- Mutter angetragne kleine Biör 
thum Kirton (Devonfhire) lehnte er ab und begnüigte fich, - 
einflußreicherer Stellung entgegenfehend, baflelbe dem Afwold - 
zuzumwenden ?). Der König vertraute, was in Zeiten, wo Kir⸗ 
chenraub feltmer war ald die Erſtirmung der fefteften Burg, 
häufig geſchah, dem Schutze der geheiligeen Mauern feines 
Kloſters die koͤniglichen Schäge und die Erwerbungäbriefe mans 
cher Ländereien an, während Dunftan, fomwie früher die Schaͤtze 
ber Äthelflede, fo jetzt die größern Eadreds mit deſſen Zuſtim⸗ 
mung zur Begründung von Kloftergebäuden verwandte. 
Vieleicht hätte Dunflan im Eifer fir Kloſterdiſciplin und 
beren Verbreitung fein Leben befchloffen, wenn nicht ein Vor⸗ 
fol bei Eadwis Krönung ihn in den Strudel politifchen Ge 
triebes bineingeriffen hätte. Der junge König war von den 
Reizen feiner wie es fcheint ihm wegen zu naher Verwandt: 
Schaft ungültig vermählten ÜÄthelgive, der Algive Zochter *), fo 


1) Daß er nad) Fleury ging, fagt ausbrüdiig Ingulph 29... . 

2) Osbern u, X. erzählen indeffen, daß dem Dunftan das durch 
Elfrys Tod (+ 951) erledigte Bisthum Winchefter angeboten fei. Ich 
folge den ältern und Hauptquellen, dem Britferth, dem Klorenz 
$. 3. 93, fowie meiner Anfiht von Dunftans Charakter. 

8) Die Biographen Dunftans behaupten alle, Äthelgiva fei nicht 
des Könige Gemahlin gewefen, fonbern belegen fie und ihre Mutter mit 
den entehrenbften Ausbrüden. Doc felbft Britferth fagt von biefer: 
natione praecelsa. Wir folgen dem Malmesb. II, 7. Histor. Ram- 
sey c. 7. Wallingford p. 548, befonders aber ber von Turner 


t 


400 Dritte Abtheilung. 


» fehr befangen, daß er gleich nach der feierlichen Krönung die 
Geſellſchaft feiner Thane verließ, um zu den Frauen feines 
Haufed zu eilen. Die Thane waren über dieſe ihrem Feſtge⸗ 
lage angethane Schmach erbittert; die Geiſtlichen um fo mehr, 
da fie die Gemahlin des Königs nicht als folche anerkannten, | 
fondern mit Birchenrechtlicher Gonfequenz fein Kebsweib ſchmaͤh⸗ 
ten. Auf des Erzbifchofs Ddo Antrag wurden Bifhof Kinfey 
von Kithfield und Dunftan zum König. Abgefandt und fanden 
dieſen mit abgelegter Krone mit feinem Weibe taͤndelnd, nicht 
gewillet zu den Trinkhoͤrnern zuruͤckzukehren, denen er ſoeben 
entflohen war. Da ergriff ber leidenſchaftliche junge Abt den 
König bei der Hand, fehte die Krone dem gefalbten Haupte 
wieder auf und führte ihn, die Drohungen der Frauen verach⸗ 
tend zu dem: Krönungöfefte zurüd. 

Dieſes rafche Verfahren Dunftans erwies ſich bald als 
hoͤchſt unbeſonnen und nachtheilig. Schon unter dem letzten 
Koͤnige hatten ſich die Praͤlaten und uͤbrigen Geiſtlichen, welche 
durch die ſtrengere Difeiplin in ihren Rechten und Genuͤſſen 
beſchraͤnkt wurden, um Eadwi geſammelt und ſich ſeiner Zu⸗ 
neigung bemaͤchtigt. Die tiefgekraͤnkte Koͤnigin wurde willig 
das Organ der groͤßern Maſſe der alten Landesgeiſtlichkeit, und 
der Plan wurde ‚bald ausgeführt, den Roͤmling Dunſtan zu 
ftürzen und alle feine Anhänger, die neuen Benedictiner, zu 
vertreiben. Die Veranlaffung fand ſich in dem Verlangen bes 
Königs, ſaͤmmtliche dem Klofter zu Glaftonbury anvertraute 
koͤnigliche Schaͤtze zurüdgeliefert zu erhalten. Die Formen des 
Rechtöganged wurden beobachtet '); doch Dunftan fand es rath: 
famer dem Abfchluffe derfelben ſich durch die Flucht zu ent 
ziehen und glüdtich erreichte er die Küfte von Flandern. Er 
wurde bier vom Grafen Eamulf gütig aufgenommen und ver: 
weilte einige Zeit im Klofler St. Petri: oder Blandinium bei 
Gent. 

Eadwis gefaͤhrlichſte Feinde waren in ſeiner Naͤhe geblie⸗ 
ben. Von boͤſen Rathgebern hingeriſſen, beraubte er ſeine im 


angefuͤhrten Urkunde in ber historia Abbendon., worin Adlfgiva regis 
uxor et Aethelgifa mater eius. 

„. Dunstanus a rege pro iustitia proscriptus. Flo rent. Si- 
meonh, a. | 


Von Anfang bes 9. bis Anfany des 11. Jahrh. 401 


ganzen Lande, beſonders in: den Kloͤſtern hochverehrte Groß⸗ 
mutter, die Koͤnigin Eadgive, ihrer Reichthuͤmer. Die neube⸗ 
gruͤndeten Benedictinerkloͤſter wurden von ihm eingezogen, un⸗ 
bekuͤmmert, daß die Regel jener Moͤnche der Erhaltung ſeines 
Reiches guͤnſtig war, und daß eine auf Entſagung irdiſcher Guͤ⸗ 
ter gegruͤndete Partei gar bald uͤber ſtarres Recht und Gewinn⸗ 
ſucht den Sieg davontragen würde. Durch dergleichen. Ges 
waltthaten der Habfucht, befonderd gegen alte und erfahrne 
Männer, und feine nachfichtige Schwäche gegen übermüthige 
Günftlinge erbitterte er nur zu. bald einen. großen Theil feines 
Volkes. Mercien und bie öftlihen Staaten, fowie fpäter auch 
Northumbrien, fielen von ihm ab und .erwählten, nach einer 
traurigen Epifobe ber allgemeinen Anarchie, feinen juͤngern, da⸗ 
mals vierzehnjährigen Bruder, den Ätheling Eadgar, welcher in 
dem erflern Lande die Statthalterfchaft bereitö verwaltet: hatte”), 
zu ihrem. Könige. Die Themſe trennte das neue Reich von 987. 
ben mit Weffer vereint gebliebnen Staaten, und es erſtreckte fich 
bis Lothian und zu. der Jungfrauenburg (Castrum.puellarum, | 
Edinburg) am Firth of Zorth?). Daß biefe Revolution nicht 
ohne Mitwirkung der ‚verfolgten Benebictiner ausgefuͤhrt wurde, 
ift im höchften Grade wahrfcheinlih und wird es noch mehr 
Durch deren baldige Berufung nad Mercien. Dunſtan verließ 
die Klofterzelle zu Blandin ?), wurde von den zu Bradford vers 
fammelten Witena Merciens zum Bifchofe beftimmt, um ſtets 
dem Könige mit feinem Rathe zur Seite zu fiehen, und er 
hielt vom Könige Eadgar die erledigten Didcefen zu Worcefter 
und zu London, wobei die Verlegung der Kanones, welche zwei 


1) Wie Palgrave II, 285 angibt, auf das chron. saxon, geftügt, 
welches aber ihn ſchon 955 als König nennt und in biefer Periode fehr 
incorrect erſcheint. Doch iſt die Urkunde v. J. 866 entſcheidender, 
worin Eadgar regulus. über bie mehr als jährige Anarchie nach der 
Vertreibung Eadwis f. auch Knighton, welcher fi hier auf bie alten 
Chroniken der in Mercien gelegnen Abtei zu Leiceſter beruft. _ 

2) S. Wallingford 542, welcher unter Eabwis Staaten auch 
Cornwales und bie alten Namen ber Juti Cantiani et Juti Vectiani nennt. 


8) Seine Dankbarkeit gegen biefes Klofler erweift er burch eine 
vom Könige Eadgar im 3. 964 auögeftellte Beftätigung der oben e. 947 
Note 1 erwähnten Schenkung. | 

gappenberg’s Geſchichte Englands I. 26 


Bistälimer in Einer Hand zu halten unterfagten, mit nicht ge 
Johannes, der fieben Kirchen, ober bed Paulus, der allen Kir 


- graufam , verftümmelt durch Zerfchneidung der Muſkeln mb 


‘then ald ſchuldbelafteten Opfer fiel, welche die Einfuͤht 


















402 Dritte Abtheilung. | 


singerm Beiſpiele ald bem des geliebten Juͤngers des Her, 


chen zugleich vorgeftanden, mit wunberfamer Keckheit entſchu⸗ 
digt wurde ). 

Dem tief gebemüthigten Eobwi waren noch empfindlicher 
Kraͤnkungen vorbehalten. Die ihm treu geblichnen Geiſtlichen 
Erzbiſchof Odo an deren Spitze, drangen in ihn, ſich von da 
ibm zu nahe verwandten Äthelfgive zu trennen ?). Er nie 
nachgeben, und wir. ſehen fie durch ferne eignen Bewaffneten ad 
dem Töniglichen Palaſt geichleppt und nach Irland verbaut I 
Ihr ſchoͤnes Antlitz wurbe mit glühenden Eiſen fhmadud E 
entftellt. Als fie, nach geheilten Wunden, Irland verlieh wi i 
nach England zurüdkchrte, wurde fie zu Glocefter ergreifen I 











Sehnen der Beine, und farb nach wenigen Tagen bes dad 
fin Todes. Eadwi ſelbſt ftarb bald darauf an bemjcdke 
Ortz ob Durch den Haß oder durch das Eifen feiner Feic 
gemorbet, iſt ungewiß ’)., Mit mehr Sicherheit duͤrfen wir.is 
Algemeinen über ihn urtheilen, daß moͤnchiſche Schriftieie Bi 
fein Andenken unbillig und ungebührlich verunftaltet haben, mi & 
daß ber gefrönte Juͤngling als eined jener mehr beilugatuw J 


N 
\ 
k 
n 





großer Ummwälzungen im Staate und in der Kirche mung! 
häufig verlangt hat‘). Will aber die Nachwelt über 1} 
chen Charaktere ein gerechtes Urtheil fällen, fo barf 7° 
vergeffen, daß die Schriftfieller, welchen wir bie Kenntniß di 
Periode verbanfen, gewöhnlich, einer © Partei angehören und wi x 


1) Chron. saxon. ad a. 958. Florent. unb Bimeon 0 


2) Osbernus de vita Odonis apud Wharton 1. L 8%. Sk 
mesb. de pontificib. p. 201. | 


8) Novissimum flatum misera [morte expiravit. Brit ferth. Ki 
Edwyo misera morte damnato. Osbernus de vita Odonis p& 
Fatali sorte sublato, Historia Ramsey. c. 14. Zurner füpt Wi 
einer handſthriftlichen Chronit (Cotton Kbrary. nr. A. b.) an: Mi‘ 
Westsaxeaum Edwinus in pago gloucestrensk interfectus fait. | 


4) Über das Detail mögen bie beſondern Abhandlungen —XR 
werben, welche Eingarb, Turner u. A. demſelben geisibzmet Hal’ 


Don Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 403 


Intereſſe ihrer Sache oft großartig und richtig auffaſſen, aber 
n ben Gegnern nicht dad entgegengefetzte, gleichfalls großartige 
Intereſſe erkennen, und in dieſen nur rebelliſche, verſtockte 
Drenfchen ſehen, woher dann zuweilen, je größer die Sache, 
efto kleinlicher bie Angriffe auf deren Feinde find. 


Eadgar. 

Dem unglũclichen Bruder folgte der gluclichſt Koͤnig; 
enn dieſer Beiname gebuͤhrt keinem angelſaͤchfiſchen Fuͤrſten 
nehr als dem Eadgar, welcher alle Fruͤchte der Arbeiten ſeiner 
— erntete md durch die in den nordiſchen Reichen, 

ch Abſtroͤnung ber überzäßligen Voͤlkermaſſen und Nieder 
affumng derſelben in den Prodinzen, beren fall jedes größere 
Reich Europas ihnen eine gezollt hatte, entſtandene Ruhe vors 
ugsweiſe beguͤnſtigt war. Doc zeicdmete zugleich Cabgars 
Sharalter eine feltte Nachgiebigkeit gegen femme erfahrnen Rath: 
yeber nicht nur, Sondern auch gegen bie Eigenthänlichkeiten 
ber verſchiednen vun ihm beherrfchten Nationen aus, burch 
velche Eigenfchaft wie viele ber Vorzuͤge wie der Vorwürfe 
einer Regierung zu erflären haben. Auf bie Bildung dieſer 
Enfichten hat vermuthlich feine erfte Erziehung entfcheibend eins 
jewirkt, da er als Kind, wit wiffen nicht aus welchen Gruͤn⸗ 
en, denn feine Mutter lebte vieleicht noch. als er bereits zu 
Bännlichen Jahren heramgereift war, ber Alfwena, ber ihm 
Banden Wittwe bes obgedachten Xthelftan, des Halbkoͤnigs 
Bon Oſtanglien, zur Erziehung anvertraut) war und dadurch 
Ritt) mit ben Dinen und deren Sitten befannt wurde. Wahr: 
ſcheinlich waren bie hieburch entflandenen Verbindungen nidyt 
one Einfluß auf bie Erwaͤhlung Cadgars zum Könige von 
Mercien geblieben. 

Die Seele der Regierung Eadgard blieb Dunſtan, wel⸗ 
ber. einen mit großer Herrſchſucht erftrebten Einfluß, foweit . 
wir ed zu erkennen vermögen, zum Beſten bes Reiches vers 
mandte, indem ex fich und der Kirche diente. Der Erzbiſchof 
Doo, welchen ungeachtet ber anſcheinenden Haͤrte ſeinet Vor⸗ 

1) Historia Ramsey. c. 8. Athelwin, der Sohn der Alfwena, 
wird auf feinem Leichenſtein genannt cognatus Edgari. G. Gough 
bepulcral. monument. Vol. I. 


26 * 


402 u Dritte Abtheilung. | 


| Bistälimer im Einer Hand zu halten unterfagten, mit nicht ges 
singerm Beiſpiele ald bem be geliebten Juͤngers bed ‚Her, 
Johannes, der fieben Kirchen, ober bed Paulus, der alen Kits 
hen zugleich voygeflanden, mit wunderſamer Keckheit entſchul⸗ 
digt wurde”). 

Dem tief gebemüthigten Eadwi waren noch einpfinblichere 
Kraͤnkungen vorbehalten. Die ihm treu gebliebnen Geiftlichen, 
Erzbiſchof Odo an deren Spike, drangen in ihn, ſich von der 
ihm zu nabe verwandten Xthelfgive zu trennen). Er muſſte 
nachgeben, und wir. fehen fie Durch feine eignen Bewaffneten aus 
dem Töniglichen. Palaſt gefchleppt und nach Irland verbanmt ˖ 
She Schönes Antlitz wurde mit glühenden Eifen ſchmachvoll 
entftellt. Als fie, nach geheilten Wunden, Irland verließ und 
nach England zuruͤckehrte, wurde fie zu Gloceſter ergriffen, 
grauſam , verflümmelt durch Berfehneidung der Muſkeln und 
Sehnen der Beine, und ſtarb nach wenigen Tagen des elende⸗ 
ſten Todes. Eadwi ſelbſt ſtarb bald darauf an demſelhen 
Ortz ob durch den Haß oder durch das Eiſen feiner Feinde 
gemorbet, iſt ungewiß ’), Mit mehr Sicherheit bürfen wir im 
Algemeinen über ihn urtheilen, daß moͤnchiſche Schriftfteller 
fein Andenten unbilig und ungebührlich verunftaltet haben, und 
daß ber gefrönte Juͤngling als eined jener mehr beklagenswer⸗ 
‘then als. fchuldbelafleten Opfer fiel, weldhe bie Einführung 
großer Ummälzungen im Staate und in ber Kirche nur zu 
häufig verlangt hat‘). Will aber bie Nachwelt über bergleis 
chen Charaktere ein gerechted Urtheil fällen, fo darf fie nie 
vergeffen, baß bie Schriftfieller, welchen wir die Kenntniß einer 
Periode verdanken, gewöhnlich einer Partei angehören und das 


1) Chron. saxon. nd a. 958. Florent. und Simeon. 


9) Osbernus de vita Odonis apud Wharton 1. 1, 84. Mal- 
mesb. de pontificib. p. 201. 


8) Novissimum flatum misera !morte expiravi. Britferth. IL 
KEdwyo misera morte damnato. Osbernus de vita Odonis, p. 84, 
Fatali sorte sublato, Historia Ramsey. c. 14. Turner führt aus 
einer handſtchriftlichen Chronit (Cotton library. nr. A.b.) an: Rex 
Westsaxoaum Edwinus in pago gloucestrens interfoctus fuit. 


4) über das Detail mögen die befondern Abhandlungen nachgefehn 
werben, welche Lingard, Zurner u %. demſelben gewidmet haben. 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 403 


Intereſſe ihrer Sache oft großartig und richtig auffaffen, aber 

. in den Gegnern nicht dad entgegengefetzte, gleichfalls großattige 
Intereſſe erkennen, und in dieſen nur en verſtockte 
Menſchen ſehen, woher dann zuweilen, je groͤßer die Gache, 
deſto kleinlicher die Angriffe auf deren Feinde ſind. 


Eadgar. 

Dem ungluicichen Bruder folgte ber sttticfte König; 
denn dieſer Beiname gebührt keinem angelfächfifhen Fuͤrſten 
mehr ald dem Eadgar, welcher alle Früchte der Arbeiten ſeiner 
Vorgänger erntete md durch die in den nordiſchen Keichen, 
nach. Abſtroͤnung ber überzäpligen Voͤlkermaſſen und Nieder 
laffımg berjelden in den Provinzen, beren fall jedes größere 
Reich Europas ihnen eine gezollt hatte, entſtandene Ruhe vor⸗ 
zugsweiſe beguͤnſtigt war. Doc, zeichnete zugleich Eadgars 
Charakter eine ſeltne Nachgiebigkeit gegen ſeine etfahrnen Rath: 
geber nicht nur, ſondern auch gegen die Eigenthuͤnnichkelten 
ber verſchiednen vun ihm beherrſchten Nationen aus, durch 
welche Eigenfchaft wir viele ber Vorzuͤge wie der Vorwuͤrfe 
feiner Regierung: zu erflären haben. Auf die Bildung dieſer 
Anfichten hat vermuthlic feine erſte Erziehung entfcheidend ein⸗ 
gewirkt, da er als Kind, wit wiſſen nicht aus welchen Gruͤn⸗ 
den, benn feine Mutter Iebte vieleicht noch. als er bereits zu 
männlichen Jahren heramgereift war, der Alfwena, ber ihm 
verwandten Wittwe bes obgedachten Athelftan, des Halbkoͤnigs 
von Oſtanglien, zur Erziehung anvertraut!) war und dadurch 
fruͤh mit den Dänen und deren Sitten befannt wurde. Wahr: 
ſcheinlich waren die hiedurch entflandenen Verbindungen nidyt 
ohne Einfluß auf bie Erwaͤhlung Eadgars zum Könige von 
Mercien geblieben. 

Die Seele der Regierung Eadgard blieb Dunftan, wels 
her. einen mit großer Herrfchfucht erftrebten Einfluß, foweit . 
wir e8 zu erkennen vermögen, zum Beſten bed Reiches ver 
wandte, indem ex fich und ber Kirche diente. Der Erzbiſchof 
Ddo, welchem ungeadjtet ber anſcheinenden Härte feiner Vor⸗ 


1) Historia Ramsey. c. 8. Athelwin, ber Sohn ber Alfwena, 
wird auf feinem Leichenftein genannt cognatus Edgari. ©, Goush 
sepulcral. momument. Vol. I. | 


26 * 


404 Dritte Abtheilung. 


‚fahren der Beiname des Guten geworben war, in dem letzt⸗ 


vergangnen Jahre geflorben, und deffen Nachfolger, Atffie, 


- früher Bifchof von Winchefler, war auf dem Wege nah Rom 


zur Nachſuchung des Palliums unter den Gletſchern Helvetiens 
ſchmaͤhlich erfroren. Der bisherige Biſchof von Sherburn war 
bereitö für den erzbifchöflichen Stuhl von Ganterbury wieder 
erwählt, ald Eadgar diefen Mann, ald folchem Poften nicht 


‚gewachfen, ober mit andern Worten, der weber Benedictiner⸗ 


\ 


moͤnch war noch dem Einfluffe dieſes Ordens zu widerfteben 
wuffte '), zu feinem eben verlaffenen Sige zurudfandte. Brau⸗ 


chen wir hinzuzufügen, daß Fein Andter als Dunflan das Erz 


bisthum und Primat von England erhielt, und der Papft Io 


hannes XII. die Erwählung feines rüfligften Vorkaͤmpfers dur 


Erxtheilung bes Palliums willig gewährte! Dunftans eifrigfies 


Beftreben war zunaͤchſt dahin gerichtet die Bisthuͤmer in die 


Hände von Benedictinern zu bringen. Das von ihn abge 


‚gebene Bisthum Worceſter erhielt ein Brudersfohn Odos, Ds 


wald; London wurbe dem Affen zu Theil. Äthelwold, ein 


Schüler Dunftans, der Abt des zunächft nach Glaſtonbury der 
Benedictinerregel unterworfnen Kloſters Abingbon, erhielt das 


nach einigen Iahren erledigte reiche Bisthum Winchefter. Der 
Einfegung der. neuen Bifchöfe folgte alsbald bie oft gemalt: 
fame Vertreibung der alten Geiftlichen, welche nicht der Welt 

im Sinne der Klofterregel entfagen und die. Einführung der 
Benebittiner, welche bald der herrfchende Orden in England 
wurden, beförbern wollten. Vierzig Klöfter follen demfelben von 
Eadgar gefliftet fein). Oswald, fpdter zum Erzbifchofe von 
York erhoben, wegen deſſen Strenge in Entfernung der ver 
heiratheten Geiftlichen den deöfallfigen Gefegen fein Name bei 


gelegt wurde (Oswalds-law) °), fowie Athelwold, waren mit 


1) Vir mitis et modestus et humilis et benignus in tantum, us 


' tumidos quosque vel rebelles sub correctionis verbere non ut debuis- 


set cohiberet. Britferth. 1. 1. p. 254. Homo mansuetior quam 
industrior et qui suae magis quam alienae vitae posset consulere. 
Osbern. de vita Dunstani. Nimiae pietatis et simplicitatis. Idem 
de vita Odonis. 

2) Florent. Wigorn. ad a. 959, 


. 5) Bir befigen von Cadmer eine Biographie des Erzbiſchofs Os⸗ 


Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 405 


ihrem Lehrer Dunſtan die hauptſaͤchlichſten Rathgeber des Koͤ⸗ 
nigs. Bei Beiden iſt nicht zu verſchweigen, daß ſie theils 


ſelbſt der Unterweiſung des geiſtlichen Standes ſich mit Gifer 


widmeten theils viele Moͤnche aus Frankreich nach England 

zogen. "Zu Letztern gehört auch der durch feine Lebensbeſchrei⸗ 
bung des heil. Eabmund bekannte Abbo von Fleury, welcher 
die verfallene Klofterfchule zu Ramſey wieberherftellte. 5 
UÜlber Eadgar ſelbſt während feiner erfien fünf Regierungs- 
jahre vernehmen wir Feine: Nachrichten, aufjer etwa von feiner. 
‚ Rinfchweigenden Mitwirkung zu den die Mönche betreffenden‘ 
Anftalten. Die Derirrungen des jugendlichen, wenig beſchraͤnk⸗ 
ten Fuͤrſten fcheinen jene Sahre großentheils ausgefuͤllt zu ha⸗ 
ben, ohne ihm aͤhnliche Gefahren wie ſeinem Bruder zu brin⸗ 
gen. Ugelfieda, die weiſſe, auch genannt Äned (die Ente), die 
. Tochter des Ealdormanes Drdmear,. feine erfte Gemahlin, hat 
ihm ben Eadward, der: bereinft- fein Nachfolger auf dem Throne. 
wurde, geboren. Mit Wulfrithe, einer aus dem Kloſter ge⸗ 
raubten Novize, erzeugte er eine Tochter Eadgithe, welche 
jungfraͤulich ſich der Kirche weihte und. Äbtiſſin zu Wilton 
wurde). Baͤnkelſaͤnger beluſtigten noch nach Jahrhunderten 
die Umſtehenden mit der Sage, wie Koͤnig Eadgar auch einſt 
die Tochter eines edlen Daͤnen ſich zur Bettgenoſſin beſchieden, 
die darob entſetzte Mutter aber ſtatt des geliebten Kindes dem 
Wuͤſtling in dem Dunkel der Nacht ein Sclavenweib unterge⸗ 
ſchoben, und, nach Entdeckung des Truges, der Koͤnig das elende 
Spielwerk ſeiner Luſt in den Stand der Freien und uͤber ihre 
ehemaligen Herrinnen als Gebieterin erhoben habe. Manches 
Andre wuſſte man von der Grauſamkeit und den Ausſchwei⸗ 
fungen von Dunſtans koͤniglichem Guͤnſtling zu erzaͤhlen, was, 
fo ſehr dergleichen auch durch Die Feinde feiner erſten Regie⸗ 
rungsjahre, die weltlich geſinnten Geiſtlichen, verbreitet wurde 
und von den ſpaͤtern Normannen zur Herabwuͤrdigung der 


wald — gedruckt bei Wharton Anglia sacra. T. II. Urkunde v. 3. 
964 bei Wilkins concil. I, 239. i 

1) Der Wulfrithe gebenkt auch Floren z b. 3. 964, ſowie, ohne 
fie zu nennen, Osbern ©. VII. Bei Malmesbury fehlen der 
gleichen romantifche Abenteuer nie, und in mancherlei Geſtalt vn fie bei 
Bromton zu lefen. 





406 ,  Deitte Abtheilung. 
alten angelſaͤchſiſchen Herrſches ausgeſchmuͤckt fein mag, doch 


im Allgemeinen den Eindruck, den feine früher Jahre zurüd: 
lieſſcn, wiebergibt, Endlich) vermaͤhlte er ſich mit Alfthrythe, 


ber Tochter bed Drbgar, Ealdormans von Devonſhire, des 


.Grimders des Kloſters Taviſtok, welche ihm noch zum Vater 


vyon zwei Prinzen, dem fruͤhverſtorbnen Atheling Eabmund und 


dem nachherigen König Äthelred, machte. Die naͤhern Um⸗ 
ſtaͤnde dieſer Heirath ſind uns vielleicht nicht ganz unwahr be⸗ 
richtet und ſind eine Perle in jenem angelſaͤchſiſchen Novellen: 
ſchatze, weicher und bie Verderbtheit bes raſch feinem Unten 
gange entgegeneilenben Herrſcherſtammes bezeugt. Eadgar ver 
nahm Lob und Preis der ſchoͤnen Tochter des Ealboymanıd 
won Devanfhire und ſandte feinen Jugendfreund Athelwold, 
bed Halbkoͤnigs Athelſtan Sohn, um ihm üben die Wahrheit 
immer Rede Bericht zu erflatten oder gar. für. ihn ben Braut 
werber zu machen. Des jugendlichen Abgefandten Herz ent 
brennt, fir die reizende Alſthrythe, er freiet felbft um ihre Hand, 
führt die ſchoͤnſte Btlüthe Englands beim. Dem Könige ſchil⸗ 
dert der unbefonnenie Frebler jene nun als unſchoͤn, migsgeſtal⸗ 
tet, koͤniglicher Ehren durchaus unwuͤrdig. Doch wie bliebe 


ſolche Schänbeit unbelauſcht? Bald wird dem Lehnherrn ber 


Verrath des Vaſallen Fund. Freundlich meldet fich dieſem der 
Herr zum Beſuche an, wo bald Alfthrythe, welche dem Gatten 
nicht verzeihen kann ihe die Ausficht auf Die Krone geraubt zu 


haben, ienem ſich in die Arme wirft. Der König geflattete es 


fih an Xthelwold felbft Rache zu nehmen, indem er ihn im 
Walde mit einem Speere hinterruͤks ermaorbete, und bie Wittwe 
ward des Mörderd Sattin ?). _ 

In grellem Gontrafte zu dem wilden Leben bes Hofes 
fand das vielfache Unglüd, welches England damals heims 


. fuchts, Seuchen, fowie Feueröbrünfte, welche. London verheer- 


1) Schon in einer Urkunde v. 3. 964: Elfrith regina, Concil, L, 
2399. Go auch Florenz. Chrom. saxon. irrig erſt 2. 3. 965. Im 
einer Urkunde Eadgars v. 3. 970 (Gale I, 317) heiſſt fie AÄlfthryth, 


ſowie in einer andern ihres Sohnes Äthelveb =. a. bei Hickes dissert. 


p- & und v. 3. 999 (bei Palgrave II, 224). 


2) WilL Malmesb, Ansfäprliher G. Gaimer. vs. 8601 4q. 
Bromton. | u 





Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahth. 407 


ten ımb St. Pauls Münfter in biefer Stadt in Afche legten, 


werben von jest an häufiger bemerkt umd find als ein Anzeichen 
der zunehmenden Bevölkerung beſonders beachtenswerth, 


Doch muͤſſen andre Begebenheiten fid, ereignet haben, 


welche dem jungen Könige die Liebe ‚feines Volkes, die Achtung 
feiner Zeinde verfchafften. Zur völligen Sicherung Englanbe 
gegen die dort anſaͤſſigen Oſtmannen oder Dänen war es er= 
foderlich, auch ihren auf. ben umhergelegnen Infeln, beſonders 
zu Dublin und andern feflen P lägen ber irlaͤndiſchen Küiften 
verweilenden Landöleuten zu gebieten. Eadgar feste zu dieſem 
Zwecke die Bemuͤhungen ſeiner Vorgaͤnger fort, in einer zahl⸗ 
reichen Flotte die Schutzwehr und Macht ſeines Volkes zu be⸗ 
gründen. Die Zahl feine Schiffe fol am ber weftlichen, 


nördlichen und oͤſtlichen Kuͤſte an jeder. ein großes Tauſend, 
alfo, wenn jener Ausdrud wörtlich zu verſtehn waͤre, nicht we⸗ 


niger als 3600 betragen haben; worin wir allerdings hyper⸗ 
boliſche Angaben erkennen, aber auch nicht vergeſſen duͤrfen, 
wie klein jene zunaͤchſt nur fuͤr Kuͤſtenfahrten und Fiſchfang 
beſtimmten Schiffe waren. Die Schiffsſchau (scip-fyrdunge) 


‚wurde aljährig nach Oſtern von dem Könige, welchen eine 


Flotte zu der andern. im Kreife um Britannien herumführte, ges 
Balten. Diefe wohleingerichteten Ruͤſtungen verfchafften der 
Regierung Eadgars daB größte Anfehn und hielten während 
berfelben alle Kriege von ben Grenzen. bed eigentlichen Eng: 


Lands fo fern, daß ber König den Beinamen bed Friedſamen er= 


bielt. Doch fehlte es nicht an ruhmvoll ausgeführten Kriegen 
und Streifzuͤgen gegen die Nachbarſtaaten. Auf: einem der 
erften von Eadgar unternommmen Seezüge bewirkte er die Uns 
terwerfing ber Dänen in Irland und nahm Dublin ein, die 
erſte Eroberung der Angelſachſen uͤber ihre Inſel hinaus; Koͤ⸗ 
nig Sigeferth, welcher ſich zu Wimborn das Leben nahm und 


deſſen Name den daͤniſchen Urſprung andeutet, ſcheint ein Kriegs⸗ 


gefangner geweſen zu fein ). 


1) Chron. saxon. ad a. 962. Beſtaͤtigte ſich meine Vermuthung, 
fo würde doch ein Ehronift den Zug nach Irland angedeutet haben, 
weichen wir nur aus den pomphaften Phrafen einer von Eadgar für 
das Klofter zu Morcefter im J. 964 gegebnen Urkunde kennen. ©. 
Wilkins condl. I, 239. 


! 


40. Dritte Abtheilung. 


973 


bemerken. wir in dieſer Zeit In England nicht. Die Intereſſen 
des Papfied wurden von: ben Benebictinem. nicht verfäumt. 
Kaiſer Otto L, fein Oheim, Tanbte auch an Eadgar Foftbare 
Geſchenke und befefligte den Sriedensbund mit ihm ), vielleicht 
auch einen Vertrag, um gemeinichaftlich bem Vorbringen ber 
Dänen in England wie in Deutfchland .enfgegenzuwirten. 

- Eine. väthfelhafte: Begebenheit in Eadgard Regierung if, 
daß er im fechzehnten Jahre berfelben, im. breiffigften feines 
Alters, am Pfingfitage des Jahres 973 zu Alemansceaftre 
(Bath) von Dunſtan ſich Frönen und falben ließ. Weshalb 
diefes nicht früher gefchehn und zu welchem Swede damals, 
wird nicht berichtet. :AlS König von Weſſer und Mercien muß 
Eadgar ſchon feliher gekrönt fein; es koͤnnte alfo im einem 


geitalter, wo Eadgars Verwandte, Otto I. und Dito IE., bie 


römifche, die italienifche Koͤnigs⸗ und die Kaifer: Krone in drei 
verſchiednen Hochfeften erhielten, auch ein König bes fächfifchen 
Englands ein befonberes Kroͤnungsfeſt für die durch Huld und 
Treue untergebenen .celtifchen Staaten erfpriedlich geachtet ha⸗ 
ben. Man hat fchon früh diefe Krönung mit einer Sage in 
Verbindumg gebracht, welcher zufolge Eadgar, nach ber Ent 


führung .einer Nonne, auf Dunftans Gebot die Krone wäh 


end der Buße in fieben Jahren nicht auf das Haupt fehte 9; 


doch fehlt diefer Erklaͤrung zunaͤchſt chronologifche Übereinftim- 


mung. Wahrſcheinlich vereinte fich die Prachtliebe bes Koͤ⸗ 


. D Florent. ad a. 959. Imperator etiam. primus Otto, qui 
weam (Föadgari) amitam in coniugem habebat, mira illi munera di- 
xaxit.et cum eo paotum firmissimae pacis firmayit. Doch fagt Flo⸗ 
zenz richt ausdruͤcklich, daß diefes im 3. 955 gefchehen fei, fondern 
nur amı Schluffe der dort gegebnen allgemeinen Charakteriftif. Indeß 
mag hiermit immerhin die verworrene Nacdjricht des Edlehard (ca- 
sus 8. Galli c. 9.) in Verbindung gefest werben, daß im 3. 958 ober 
959, ma. Cadgar König von Norbdenglanb ober ſchon bes ganzen Reiches 
war, Keaiſer Otto einige Zeit bei feinem Schwager, Abalbag (!), König 
ber Engländer, verweitt habe (aliquamdiu apud — agente), um ein 
Bündnis gegen Kanut (!), König der Dänen, abzufchlieffen. -Auch der 
im 3. 947 verſtorbenen Edithe wird hier von Ehroniften noch gedacht. 
Ein Buͤndniß Ottos gegen die Dänen hatten wir mit feinem Schwas 
gen Cadreb im 3. 946 (vgl. Adam von Bremen II, 2) gefucht. 
2) Osbern l. 1. | 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 411 


nigs mit dem Wunſche Dunſtans, durch Einführung der Sal⸗ 
bung das Koͤnigthum der Kirche untergebener zu machen; das 
dreiſſigſte Jahr wurde als durch Die bibliſche Geſchichte gehei⸗ 
ligt gewaͤhlt. Daß die Ceremonie in einer alt⸗ roͤmiſchen, durch 
ſeine Heilquellen, ſowie das fraͤnkiſche Aachen, beruͤhmten 
Stadt vorgenommen wurde, mag nicht bedeutungslos geſchehen 
fein. Em glorreicher Tag folgte bald. Als er die diesjährige 
Seefahrt um fein Reich begann, fand er zu Cheſter ſaͤmmt⸗ 
liche Zürften, welche Lehne von ihm trugen, bereit ben Eid 
der Huldigung zu erneuern. Er ſetzte ſich in ein Boot, befien 
Steuer er ergriff, und acht ihm untergebene Könige, Kenneth, 
der König der Schotten, Malcolm, der König der Cumbrer, 
Maccus ber Archipirate, König von Man und der ‚Hebridier, 

Dunhewall, König von Strathelgde, Siferth, Jacob und Ho» 
wel, Könige von Wales, Jukill, König von Welhmoreland ') 
— alle diefe Eadgard Lehnsleute, ruderten ben flolgen Herrn 
Ckein angelfächfiicher Monarch pflegte fih fo pomphafte Zitel 

in feinen Diplomen zu ertheilen7) — auf ben Deeſtrome 
. zu dem Kloſter St. Sohannie. Hier wenden dem Apoflel 
. Gebete dargebracht, und der nie gefehne Triumphzug bemegte 


fih nad Chefter zuruͤck. Der König verhehlte feine Freude 


nicht, und wir werbem hier wieder, wie fihon häufig in Ead⸗ 


gard Gefchichte, daran erinnert, daß es manche, Parallele für u 


Ludwig XIV. gibt. 

Doc waren ihm nicht wie dieſem trübe Tage beſchieden. 
Er ſtarb ſchon zwei. Jahre nach jenem Feſte, ober, wie der 
Dichter in der angelſaͤchſiſchen Chronik fagt, er endete feine 
Erdentraͤume, ſuchte ein andere® Licht, heiterer und reiner. Dies 


975 


fe ruhmvolle König fol von Körperbau ſehr klein und ſchwaͤche 


1) Florent. ad a. 978. Matthaeus ade. gm. Maqena 


archipirata. Urkunde v. J. 971 bei Gull Malmesb, antig. glaston, 
Die Angabe des Matthäus, Dufnal, rex Demetiae, ſcheint irrig, 
da ein folder nicht bekannt iſt; meine Erklärung des Namens ftügt ſich 
auf Brut y Tywysogion ad, a. 974 und annal. Ulton. 


2) 3. B. totius Albionis Imperator Augustus; Rex et basileng 


totius Britanniae — Anglorum basileus, omniumqgue regum insularum 
oceani quae Britanniam circumiacent, cunctarumque nationum quae 
infra eam includuntur Imperator et Dominus ete. 


/ 





412 Drtitte Abtheilung. 


lich gewefen fein; doch in dem fteten Bewufftfein dieſes Man- 
geld, in Tagen wo rohe Körperkraft: Alles entſchied, durch 
vorfirebenden Muth fich ausgezeichnet haben. Es iſt oft ge 
priefen worden, wie er den ruhmrebigen König Kenneth, wel: 
cher über feine Statue zu ſpotten wagte, in: den Wald hin 
ausnahm, um im Zweikampfe Beider Kräfte und Muth zu erw 
proben ').. Die vermeſſene Kritif der ruͤckſichtsloſen Nachwelt 
bat fogar in der ruhmvollen Majeflät den ber jedesmaligen 

jüngften Generation am beflen befannten Helden Tom dei 
Daͤumling wiedererkennen wollen, welchen. Andere jeboch nur 
als deffen Zwerg anfehn. Unter ben Zugenden welche den 
Regenten jener Zeit zierten,. wird an ihm gerühmt der Eifer, 
mit welthem er felbft, feine Provinzen im Sommer und Wins 
ter dürchreifend, die Mechtöpflege feinee Ealdormanen prüfte 
und deren Vergehen ftrafte. Ein Beilpiel großer Strenge übte 

er gegen die vermuthlich dänifchen Einwohner der Infel Tha⸗ 
net, welche Handelöfchiffe, die von York kamen, geplündert 
hatten; die ganze Infel muſſte für den Frevel ihrer Seeraͤu⸗ 
ber büßen?). Seine geiftlihen Sagungen :fchärften die Ab⸗ 
gabe an bie Kirche. mit einer Härte ein, welche die fabelhaf⸗ 
teften NRutfcherzinfen des deutſchen Rechtes übertrifft. Wer den 
Heerbpfenning ober den Romefcot an dem beflimmten St. Pe 
tritage nicht‘ entrichtet hatte, muflte..ifn nach Rom bringen. 
nebft einer Buße dort und einer noch größern an ben König 
nach feiner Heimkehr. : Beim dritten Nichtzahlungsfalle war 
er aller Habe und Guͤter verluſtig. Wer den Kirchenzehnten 
nicht entrichten wollte, verlor den ganzen zehntpflichtigen Be⸗ 
Re; zwei Zehntel. deffelben erhielt die berechtigte Pfarrkirche, 
vier der Bifchof und die. übrigen dee König oder ber mittels 
‚bare Lehnsherr des widerſetzlichen Thanes. Eadgars Geiſtliche 
entwarfen unter ſeinem Namen eine neue Beicht⸗ und Buß⸗ 
Ordnung, welche, auf der alten des Columban und der ſpaͤtern 


1) Florent. ad a. 975. Malmesb. Eine ähnliche Geſchichte 
erzählt Athelred von Rievaux (vita Kadwardi regis p. 867) 
vom König Malcolm von Schottland. 


2) Chron. saxon. ad a. 969. Henr. Huntend. 





. 


Bon Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 413 


des Erzbiſchofs Ecgbert von York beruhend, fehr geſchaͤrfte 


Strafbeſtimmungen enthält)... . | 

In den weltlichen Gefegen wurben bie Pflichten der Rich 
ter eingefchärft, die Haltung des Burggerichtd zu brei Malen 
im Jahre verfügt, wie unfere altdeutichen Städteftatute AÄhns 


liches beflimmen, dad Shiregericht zweimal jährlich, die Grund» 


fäge der Gefammtburgfchaft näher beflimmt und Verfügungen 
getroffen, um gefchehene Kaufcontracte durch gefeglich angeord> - 


‚nete beeidigte Zeugen zu beglaubigen, deren in jeber größeren 


Stadt 33, in Beinen Burgen und jeber Hundrebe zwölf vors 


handen fein follten; ein Element ältefter Städteverfaffung, 
"welches ſich über England hinaus verfolgen laͤſſt. Eadgars 
‚Sorge für gleihen Mimzfuß, allgemeine Anerbennung ber 
Maße von Winchefter ?) und ähnliche Gegenflände bezeugen 
ims, wie fehr Handel und Verkehr im Lande ſich verbreiteten 
und gewirdigt wurden; und beflätigen auffallender Weife, 


durch die genaue Übereinflimmung der wichtigflen jener Eins 
richtungen mit denen des übrigen Europa, daß die willlürliche _ 
Verwirrung in denfelben, welche zu befiegen den angeflrengtes 


ſten Bemühungen der Wiffenfchaft nimmer gelingen will, ber 


ungedeihlichen Zerfplitterung und anmaßlicher Eedezmachtvolls 
kommenheit fpdterer Tage entſproſſen if. 


Eadward der Maͤrtyrer. | 
Eadgar hinterließ zwei fehr junge Söhne, den dreizehn: 


jährigen Eadwarb und ben fiebenjäprigen Äthelted. Obgleich 


bie verwitwete Königin Alfthrythe dahin geſtrebt hatte ihrem 


1) Vol. Mone Quellen und Forſchungen Bb. I. 

2) Es ift bekannt, daß Gewicht und Maß fih.nirgends reiner ers 
halten haben als in England, wo die Normalmafe von Winchefter 
ſtets den Standard bilden. Weniger bekannt .mag es fein, daß die Unze 
des angelfähfiichen ‚Pfundes Silbergewicht 450 Gran Troyes⸗Gewicht 
enthielt, während die cölner Unze noch 451,38 berfelben hat (f. Mac- 
pherson history of commerce I, 292), und wir bier nit nur ges 
meinfchaftliche Normalgewichte, vermuthlich der altrömifchen libra ents 


- -flammend, fondern baffelbe viel übereinftimmenber finden, als die f. g. 


cölner Gewichte in Deutſchland untereinander find. Bemerkenswerth ift 
es auch, daß, während die angelfächfiichen Münzen beutfche Namen tras 
gen, das Pfund, pound, auch dem Namen nach römifch iſt. 


414 Dritte Abtheilung. 


Sohne bie Krone zu verſchaffen, fo. hatten doch ber Vater forte 
deſſen Räthe fich für den Altern, durchaus legitimen Sohn «: 
klaͤrt. Einige Große des Reichs wollten das Wahlrecht be 
baupten und aus ſehr ungenügenden Gründen für their 
ſtinmmen, da weder der Water noch bie Mutter Eadwards bei 
feines Erzeugung gekrönt gewefen fein '), welcher Grund nk 
weber unwahr ift oder zugleich auch den jlngerh Prinzen. 
trifft. Doch der Primas beendigte den Wahlſtreit, da er bie 
Kreuzeöfahne ergriff und, in ber Mitte der Verſammlung bie 
‚Gründe ber entgegengefegten Partei widerlegen, Eadward bie 
Krone überteug. 

Diefer heftige Streit hatte der Perſonlichkeit ber koͤnigll⸗ 
chen Knaben nicht gelten koͤnnen, ımb es zeigte ſich gleich, Daß 
die Parteien welche das Land theilten, bie Freunde und bie 
Gegner der BDenedictiner waren, deren Vertreibung vergebllch 
verſucht wurde. Alfhere, ber mächtige Caldorman von Mer 
den, vertrieb bie Minche aus den Kloͤſtern feines Landes und 
Sfnete diefelben wieder den verheiratheten Seiftlichen. Jene 
wurben von dem goftbefreundeten Äthelwin, dem Ealdormane 
von Oſtanglien?), und befien Bruder Alfwold, fowie Sem 
vielgefdlerten, tapfern umb frommen alborman von &ffe, 
Brithnoth ?), deſſen Verbienften die benachbarten Grafen, ähm 
fih unterordnend, geme huldigten, Träftig vertheidigt. Es ifl 
jedoch durchaus unklar, in welchem Zuſammenhange die Vers 
bannung des mächtigen, wegen feiner Weisheit, Beredſambkeit 
und trefflichen zehnjährigen Verwaltung von Deira geprie ſenen 
Earles Oslac mit dieſen Begebenheiten ſtand“). Die Freunde 


1) Eadmerl,Lp. 220. 

2) Florent. ad a. 975. Hist, Ramsey. e. 89. Über bie alte 
Bildfäule des Alwin im Kloſter Ramſey, welche noch vorhanden iſt, 
vgl. Palgrave II, 301. Geine Grabſchrift, worin er totius Angliae 
(sc. orientalis) Aldermannus genannt wird, f. auch bei Gale I, 462. 

8) Über die Thaten diefes Brithnoth befigen wir ein angeljächfifches 
Gedicht, gebrudt von Hearne hinter Joh. Glaston. chronic., von 
dem Conybeare illustration of anglo-saxon poetry eine Ülberfegung 
geliefert hat. Vgl. über ihn historia eliehsis L II. c. 6. bei Gale I, 


498. Histor. Ramsey. c. 71. Er iſt ſchon in den Urkunden Eadgars 


v. 3. 964 u. 970 gu bemerken. 
4) Florent. ad a. 976 fagt inkuste expellitur. Chron. saxon, 


Von Anfang bes 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 415 


der zuruͤckgekehrten Mönche beklagen feine Verbannung uͤber 
die vollenden Wogen, dad Bad der Seemöve, die Wohnung 
des Wallfifches hinaus: aber. wad, wenn nicht Dunſtan, vers 
mochte ihn damals. zu verbannen? Und hatte biefer den Wils 
Ien und die Macht folche Männer zu bannen und zu Achten, 
ſollte er dann nicht eher den Xfhere verbannt haben? | 
Die Partei der alten Geiſtlichen fuchte den neuerworbes 
nen Vortheil nach Kräften zu benugen. Es zeugt für ben 
fleten Zuſammenhang der biöherigen britifchen Kirche mit ben 
Scoten und den fortwährenden Gegenfab gegen Rom, daß die 
vertriebenen Geiftlichen nach Schottland geflüchtet waren und 
nunmehr aus biefem Lande den an Geift und Redekunſt un⸗ 
übertrefflichen Biſchof Beornhelm zuruͤckbrachten, um auf ben 
jegt häufig gehaltenen Synoden ihre Sache gegen Dunftan zu 
vertreten ’). Auf der Synode zu Galne hatte der Erzbiſchof 
am Schluſſe feiner eindringlichen Rede foeben erflärt, „daß 
er, ber alte, dem Stillfchweigen bereitd geweihte Mann, dar⸗ 
auf verzichte die Gegner zu bekaͤmpfen; Chriſtus der Herr 
wuͤrde ſie beſiegen;“ als ploͤtzlich die Gallerie des Hauſes oder 
der Chor der Kirche einbrach und einige Anweſende ſehr ver⸗ 
legte, anbere tödtete. Der Primas und die Seinigen flanben 
‚auf einem durch den Einbruch nicht gefährbeten Plot, und bie 
Rettung der Einen möchte fo wenig wunderbar erfcheineh als 
die Verlegung der Andern. Der König war wegen feiner Ju⸗ 
gend bei dem Goncilium nicht zugegen. Es lieſſen fich fo 
manche Beipiele von eingefallmen, mit Menfchen überlafteten 
Gebäuden zu allen Zeiten, befonders aber im Mittelalter, wo 
es auch baufällige Gebdube gab, anführen, bei benen weber 
Katholik noch Antikatholit den heil. Dunſtan m Anſpruch 
nehmen wird’). Die Getoͤdteten und Verletzten waren auch 


in dem Gedichte b. J. 975. Oslac dux erſcheint unter andern in ben 
Urkunden Eadgars v. I. 970 bei Gale I, 517, 521. In deſſen 
weltlichen Geſetzen $. 17. In diebus Eadgari regis — Thord, Oslaci 
comitis filius, Hist. eliens. I, 42, 


1) Osbernusll. l. 

2) Auf einem Hoftage Kaifer Friedrichs I. zu Erfurt flürgte der 
Berfammiungsfaal eins acht Fuͤrſten, über Hundert Ritter wurden vers 
legt, kein Kleriker befchädigt. Albert von Stade b. 3. 1188, 


46... 1 Deitte Abtheilung. 


nicht die feinbfeligen Geiftlichen, fondern bie würbigften Ealbor- 
manen ). Doch koͤnnen wenige Schriftfteler feit der Kirchen 
reformation ſich entfchlieffen den verbächtigen Prälaten von 
ber unmahrfcheinlichfien Anklage frei zu fprechen, daß er hier 
die gefährliche, gar nicht zu verheimlichenbe, nußlofe Rolle de 
graufamften Machiniften gefpielt habe. | 

Verftändigen wir uns bier über unſere Anfiht von Dun: 
ſtan. Sein Chriftentbum war nicht die. Religion ber Liebe, 
ber feligen Freude an ber Schöpfung, der mit zarten Faden 
an bie Blumen der Erde gefefielten Geiſtigkeit; es war. eben 
fo wenig die ernfle Lehre von dem gegenfeitig anzuerkennenden, 
aber durch Liebe auszugleichenden Rechte aller Menfchen, oder 


gar von ber Gleichheit in irbifchen Verhältniffen. Der reinfte, | 


Harheiterfte Begriff, ſobald er ind Leben tritt, wird nothwens 
big durch die gegebenen, befländigen Gegenfäge bedingt, vers 


wirt, verdunkelt. Alfo waren ed die BZügellofigkeit, Roheit 


- amd Sinnlichheit der Barbaren, welche ald ber zu ‚bezwingende 

‚und zu läuternde Stoff aus der Lehre Chrifti die Einheit des 
Papſtthums, die Scholaftit der Klerifer, die Strenge der Or⸗ 
denöregel foberten und erfchufen. Durch diefe wollte Dunftan 
das Größte und Beſte was feiner Zeit befchieden fein Eonnte, 
und wenn auch alle Berichte über fein Leben gegen ihn zeugen 
follten, fo beweift doch der Einfluß, welchen die durch ihn 


neubegründete Geiftlichkeit über fein Land auf fo manche 


Jahrhunderte bewährte, in Zeiten felbft als nur das Gloͤck⸗ 
lein des Meßknaben den Priefter an den Namen des verfcholle: 
nen Heiligen erinnerte, Daß, wer fo Eräftig in der Zeit allges 
meiner Auflöfung. die ernſter Gefinnten zu erweden und zu 
binden vermochte, das Beſſere und Beſte was feiner Zeit 
Einficht und Verhältniffe darboten, begriff und wirkte. Wir 
werben bald Dunftand zahlreiche, trefflihe Sänger und Juͤn⸗ 
gersjuͤnger kennen lernen, welche, um nicht von dem Dielen 
zu reden, was fie für die Kirche, Bildung und Sprache der 
Angelfachfen thaten, den Sturm, welchen der Norden auf 
England brachte, zum Segen für England und den Norden 


1) Florent. ad a. 977: totius Angliae maiores natu. — Chro. 
saxon.: ealle tha yldestan Angelcynnes witan, 





EA m 3 2 ma m em La — 2 


— 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. M7 


zu verwandeln wuſſten und zuletzt, ald bie Normannen Engs 
land befiegten, ihrem Waterlande fo viele Anhänglichfeit bes 
wahrten, daß fie ſaͤmmtlich vertilgt werden muſſten, ehe ber 
Eroberer im feften Tower tubig fchlafen konnte. | 
Freilich verwechfelte Dunftan mit feinen Gleichgefinnten 
dad Weſen mit der Form, wie bis auf biefen Zag noch alle 
und jede Reformatoren und Sectenmacher, bis auf den Einen 
‚welcher feine Juͤnger Feine Form lehrte, weil ex wufite, daß 
feiner ewigen Lehre jedes Zeitalter, mit oder ohne Anerkennung 
bes Stifterd, feine jedesmal nothwendige Geftaltung, Zorm, 
ja, warum follten wir nicht fagn — Mafle geben würbe. 
Aber der Geift lebt fort, troß der ſelbſtmoͤrderiſchen Luͤge und 
der ſich einander verdraͤngenden Metamorphoſen, und Dunſtans 
Geiſt und Werke haben die angelfächfifche Sprache und Dys 
naſtie, felbft den Katholiciſmus in England überlebt, und es 
darf ihre Einwirfung noch heute von der anglisrömifchen Kirche 
und felbft vom Qudfer und Diffenter, der gleich Dunſtan das 
Beſte kraͤftig will, nicht verleugnet werden. 
Eadward begann kaum dem maͤnnlichen Alter ſich zu 
naͤhern und die Erwartung zu erwecken, daß er durch eine 
nach Sitte ſeines Hauſes fruͤhzeitige Heirath ſein Geſchlecht 
fortſetzen moͤchte, als die Beſorgniſſe ſeiner Stiefmutter, welche 
er durch Ertheilung der Grafſchaft Dorſet zu beſchwichtigen 
vergeblich verſucht hatte‘), neu erwachten. Am. Abend des 
18. März 978 wurde er auf der Jagd, vor dem Haufe feiner 978, 
fohmeichelnd ihn einlabenden Stiefmutter zu Corfegate, auf 
dem Pferde ſitzend einen Trunk ſchluͤrfend, von einem von der 
Elfride gedungenen Moͤrder mit dem Dolche in den Leib ge⸗ 
ſtoßen; er ſpornte augenblicklich ſein Roß, ſank aber ſogleich er⸗ 
mattet mit dem hervorquellenden Eingeweide vom Sattel und 
wurde in dem Steigbuͤgel haͤngend zu Tode geſchleift). Der . 
Körper des Königs wurde dürftig eingefchartt, und ed war ber 
Ealdorman von Mercien, Alfhere, ein Vetter Eadgars ?), 


1) Wallingford p. 545, 


2) Passio S. Eadwardi. Malm esb. und von Beiden abweichend 
G. Gaimar. vs. 8989 sq. 
$) Florent. Chron. Mailros. ad a. 983 propinquus. 
gappenberg’s Beſqhichte Enslands I. 277 


} 


48 . Dritte Abtheilung. 


Dunftans Gegner, welcher im folgenden: Iahre die Leiche. wies 
der auffuchte und die koͤnigliche Beflattung veranlafite '). 
Auf Alfhere, fowie auf des jungen Königs zehnjährigen Bru⸗ 
der und Nachfolger, Athelred, ift die Anfchuldigung. des Mor 
bed gerichtet worden; auf jenen”) vermuthlich von den Bene 
Hictinern, deren Gegner er begünftigte, auf dieſen burch ſpaͤtere 
Sage’), welche den unbeliebten König m mit ber Anklage jedes 
Verbrechens gern verfolgte. 


Athelred IL, der Unberatbene. 

Der Berfuch die ältere natürliche Tochter Eadgars, Cab 
githe, auf den Thron zu erheben, fand. wenig Unterflügung ‘), 
und am Ofterfefle wurde zu Kingſton der Knabe Äthelreb ge 
kroͤnt, welcher den Krönungseid °) fchwur, den zu halten er zu 
ſchwach war, und die Huldigungseide empfing, die. feire Man | 
nen fo haufig brechen ſollten. Dunftan fol fchon bei ber 
Zaufe fowie bei der Krönung die ıumfelige Regierung: Xtbeb | 
reds vorausgefagt haben; gewiſſer iſt, daß er feinen Einfluß 
nicht geltend machte, um durch eine zwedmäßge Erziehung 


1) Malmesb. G. Gaimar. Florent. ad a, 978 et 979. 
She murdered him with her own hands, fagt Burke, ber ftets bie 
Berfchwendung der Farben für ein gutes Gemälde unerläfflih hält. Nur 
der Gefchichtsverwirreer Wallingford, welcher der Stiefmutter ben 
Namen Gunhilda gibt, erzählt: percussit eum cutello quem absconderat 


eb occidit. (Beinrih von Huntingdon hatte dieſes Gerücht beis 


Kufig, neben der gefhichtlichen Nachricht, als folches erwähnt.) Cor- 
pus illa plumbo involvens in Stura Aumine (nämlich dem Heinen Fluß 
diefes Ramens in Hampf hire), ut dieitur, diu abscondit. Doch nach 
einer ums Jahr 1014 von Lupus verfafften Predigt (in Hickes dis- 
sert. epist. thes. III, 102) ift der Körper verbrannt. 


2) Malmesb. 1 II. c. 10. — Elferii, qui priorem regem oc- 


. ciderat. 


3) &o nicht nur etwa Adam von Bremen II, 87. Adelrad 
parricidium expiavit — fondern auh Wilhelm von Malmesbury 
II, 10: parricidio J cui conniventiam adhibuerat, immanis. 


4) Daß ein älterer Bruder ÜÄthelreds, genannt Cabmund, ber 
Tochter eines walififgen Zürften vermaͤhlt, verfucht habe den Thron zu 
befteigen, fcheint ein Irrthum des G. Gaimar oder feiner Quelle. 

5) S. Denſelben in Hickes thesaur. 





/ 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 419 


die Kraft und die Faͤhigkeiten feiner Vorfahren in dem jungen 
Bürften zu wecken. Sein leivenfchaftlicher Schmerz bei feines 


Bruders Tode zeigt, daß er tieferer Eindruͤcke fähig war; feine 


Schönheit ſowie feine Freundlichkeit werben gepriefen; doch 


wurden in ihm nur bie Anlagen des Kloſterbruders entwidelt, 


ſo fehr, daß Moͤnche felbft ihm diefen Vorwurf machen '). 


So lange Dunftan lebte, blieb die Regierung kraͤftig ge: 
nug, dufferen Angriffen zu widerftehn und innerer Zerrüttung 


4988, 


vorzubeugen. Nach feinem im zehnten Negierungsjahre Äthel- 


reds erfolgten Tode bemerkte man bald den Verluft des Mans 
ned, befien ftarfe Hand die fremdartigen, wiberftrebenben Voͤl⸗ 
kermaffen zuſammengehalten hatte. Schon in den erſten Jah⸗ 


ren Äthelrebs zeigte es fi, daß aus dem nörblichen Europa, _ 


welches durch einige große Herrſcher beſchwichtigt geſchienen, in⸗ 
dem es ſich in einige groͤßere Staaten vereint hatte, durch das 


Alter und die Schwaͤche ſeiner damaligen Fuͤrſten, mehr viel⸗ 


leicht durch den dort entſtandenen Kampf zwiſchen dem neuen 


Chriftenthunie und dem alten Gögendienfte, der Seeräuberei 
fletö neue Schaaren erwuchſen. Eadgars Nachgiebigkeit gegen 
einzelne normannifche Auswanderer war getabelt worden; das 
entgegengefeßte Syitem erfodert aber mehr Mittel, ald Wohls 
habenheit und Lebensluft gegen Hunger und Tobeöverachtung 


zu bewähren pflegen. In demfelben Jahre wurden im Welten 980, 


Cheſter, im Oſten die Themfemündung, im Süden Southamps 
ton von Piraten angegriffen, welche viele. Eingebome erſchlu⸗ 
gen, andere zu dem Sclavenmarkte fortführten. Das Reich 
Dyved und in ibm St. Davids wurbe von dem Könige der 
Hebriden, Harald, und feinem Sohne Gottfried geplündert ?), 


weiche auf ihren Inſeln den flammverwandten Seeräubern ſtets 


einen gefährlichen Sammelplat darboten. Das Unglüd mahnte 
an ben Frevel, als defien Strafe jened betrachtet wurde, und 
ber Leichnam des heil. Eadward ward nunmehr feierlich zu 
Shaftsbury beigefegt. Aber die Suͤdkuͤſten Englands wurden 


⸗ 


1) Osbernus in vita 8. Elphegi (f. unten): imbellis quis im- 
becillis monachum potius quam militem actione praetendebat.. 
2) Annal, Cambriae ad a. 982, 987. Annal, Ulton. Brut y 
Tywysogion ad a. 979, 981. wyanee Garador ©. 61. | 
27* 


420 Dritte Abtheilang. 


in den beiden nächfifolgenden Jahren nicht minder von ben 

feindlichen Schiffen verheert, und es erneuert fih das ermuͤ⸗ 
dende Schaufpiel unaufhörlicher Landungen und Scharmükel, 
wie England ed vor. zwei Jahrhunderten kannte. Duͤrfen wir 
den daͤniſchen Sagen trauen, welche in dieſer Zeit ſchon mehr 
Geſchichtsmetall zu enthalten beginnen, ſo machte der junge 
Wiking Suend, der nachherige König Daͤnemarks und de 
groͤßern Theils von England, hier feine Seekriegsſchule. Toki, 


der Sohn Palnes, der Geſchichte und Dichtung gleich bekannt 


unter dem Namen Palnatofe, der Hauptmann von Iomöbun '), 
hatte auf feinen jugendlichen Seefahrten die Hand der Dlofa, 
Tochter eines walififchen Fürften ‚Stephan, und die Hälfte der 
Herrichaft erhalten. Palnatofe ward der Lehrer und Freund 
des Suend, eines unehelichen Sohnes des Königs Harald 


Blatand von Dänemark, und führte diefen an die ihm wohls 


983. 


bekannten weiffen Küften des britifchen Canals. Seit 983, 


wo wir Suend in Dänemark befchäftigt wiffen, entflahb eine 
Pauſe in dem Küftenkriege, doch nur um innern Fehden Raum 
zu geben. Alfhere war im 3. 083 nach einem Feldzuge, wel 
chen er gegen Brednod und andere walifiiche Staaten führte, 
geftorben, angeblich von Ungeziefer zerfreffen, eine vermuthlich 
finnbildlih auf feine Reue zu deutende Zodesart, mit welcher 
der Volkshaß des Mittelalters feine Opfer oft zu verunglim⸗ 
pfen beliebte; und ſein zweiter Sohn Alfric ) erhielt, da 
der alte Odda das Kloſter vorgezogen hatte, die Grafſchaft 
Mercien. Er warb nach wenigen Jahren verbannt, doch, wie 
es fcheint, bald wieder zurüdgerufen. Ein Streit, dem der 


Biſchof von Rochefter nicht fremd war, führte den König zur 


Belagerung ber Stadt Rochefter, welche. hartnädigen Wibers 


1) Bol. Vedel Simonfens geſchichtliche unterſuchung über 
Jomsbury im Wendenlande. Dänifch 1813, verbeutfht von 8. Gieſe⸗ 
brecht. 1827. — Palnatofe überließ fpäter fein Eigentbum in Brets 
land an Björn den Briten und feinen Enkel Wager, Akes Sohn. ©. 


Jomsvikingr Gaga. 


2) Annal. Cambriae h. a. Malmesb. II, 9. 

3) Waprfcheinlich der Junker Alvric (Cyld), weldher mit dem Cals 
borman Alfhere (feinem Water) und mit dem Ätheling, nachherigem Ks 
nige, Äthelred zu Ely genannt wird. Hist. eliens. L c. 5, 12, 57. 


/ 


"Bon Knfang bes 9. dis Anfang bes 11. Jahrh. 424 


ſtand entgegenſetzte. Dunſtan, durch. die daraus entflandenen 
Verheerungen des Gutes ded heil. Andreas, des Schuspatrones 
der Kirche zu Rocheſter, bewogen, vermittelte ben Frieden 


durch Zahlung von hundert Pfund Silbers, nicht ohne heftige 


Vorwürfe von dem Könige wegen feiner » für uns keineswegs 
erwiefenen, Habſucht '). 
Die Zeinde auf der See ſcheinen von dieſen innern 


| Streitigkeiten. nicht unterrichtet gewefen zu fein. Schon im 


nächften. Jahre plünberten ſie die. Hafenftadt zu Watchet 


(Somerfet), im folgenden: Iahre wurden Goba, der Thegn 


von: Devonfhire, und Strenwold von jenen. erfchlagen, doch 
warb ber frevelhafte Angriff zuruͤckgewieſen und geraͤcht. Laͤfſt 
die füböftliche Lage ber angegriffenen Küften hier Leine Krieger 


der dänifchen Inſeln vermuthen, welchen die Weftlüften Engs _ 
- Yands zur Beute näher lagen, fo .mag.dad Miötrauen wider 


die gegenüberwohnenden Altdänen in ber Normandie, welche 


fi früherer Gewohnheiten, ihres alten Lebenöberufs, ſchwer⸗ 


lich mit der Taufe fletd entfchlugen, fehs gegründet evfcheinen; 


— 


Wir ſehn bereits in dieſem Lande, welches Rolf der Gaͤnger 
und ſeine Nachkommen bald achtzig Jahre beſaßen, das Ge⸗ 
ſchlecht der Eroberer oder des Adels ſehr zunehmen und deren 


UÜberzahl nach einigen Jahrzehnten die berühmten Eroberungen 


im ſuͤdlichen Italien beginnen. Wohl moͤgen daher jene Angriffe 
auf die engliſchen Haͤfen einem Kriege, dem erſten groͤßeren 
zwiſchen England und Frankreich, vorhergegangen ſein, und 
dem darauf unter Vermittlung des heil. Vaters ſelbſt abge⸗ 
ſchloſſenen Frieden, woruͤber Schriftſteller beider kriegfuͤhrender 


Länder uns genaue, wenngleich in Nebenumſtanden näherer Auf: 
klaͤrung bebürfende Nachrichten überliefert haben. Eine eng⸗ 


liſche Flotte landete zu Barfleur, und die Krieger folgten dem 
Befehle Äthelreds nur zu willig, Alles zu verbrennen und zu 


morben. So fehr erbittert war diefer, daß er geboten hatte, 


Nichtd in der Normandie auf feiner Stelle zu laffen als jenen 

Felfen St. Michael und den Markgrafen Richarb I. (sans 

peur) ?) mit auf den Rüden gebundenen Händen zu ihm zu 
1) Osberni vita Dunstani. Chron. saxon. ad a. 986. 


2) Richt Richard: II. oder ber Gute, ber 99% (chron, saxon.) ober 
996 (Guil, Gemet.) zur Regierung gelangte. 





422 Dritte Abtheilung. 


führen. Der Ungeflüm der Engländer fchabete anfänglich den 


Normannen, bald ihnen felbft noch. mehr. Neel (Nigellus) 
von St. Sauveur ſammelte die verzweiflungsvollen Mannen 
des Cotentin, ſelbſt die Frauen ſchloſſen ſich im Gefecht an 
dieſe, und von den zu weit vorgedrungenen Englaͤndern blieb 
nur der Bote der fehredlichen Nachricht, . um. die Flotte mit 
den Schiffern zu retten und dem Könige Athelred die Nieder 
lage zu verkünden. Der Papſt Iohannes XVE, ergriffen 


durch die Nachricht von der’ blutigen Fehde: zwifchen zwei be 


nachbarten chriftlichen Fürften, deren Kräfte zur Bekämpfung 


der heidnifchen Räuber beffer vereint. gemwefen ‚wären, ſandte 


ſeinen Apocriſiarius, den Vicebiſchof von Trier; Leo, zum Kb 


991. 


nige von Weſſer und mit deſſen Genehmigung zu Richard, 
worauf zu Rouen, am 1. März 091, em durch‘ fein Alters 


thum und bie theilnehmenden Mächte uns fehr merkwürbiger 


noch vorhandener Friedensfchluß durch die Sacramente, in 
Gegenwart des Biſchofs von Sherkorn, deffen Bisthum im 


Kriege mit den Normannen - befonders gefährdet war, befiegelt 


wurde ). | 


9 Die Urkunde it von With. von Malmesbury II, 10 uns 
aufbewahrt. Über die darin aufgeführten Namen, Leo, ſowie die Zeugen 


. berrfcht einiges Dunkel. Malmesbury nennt den. Papft Sohannes XV. 


Der Bifchof von Sherburn Edelfinus ift vermuthlid der Edelsius in 
Malmesb. de gestis pontificum p. 248. Doch iſt W. v. Malmesb. 
bier ganz unzuverläffig. So tft unter andern Alfıwold nah Florenz 


. Thon im 3. 978 geftorben, und Wulffey, welchen Wilhelm als deſſen 


Vorgänger nennt, wird in Urkunden. v. 3. 99& u. 999 genannt. Die 
Nachricht des Matthäus von Weftminfter 3. 3. 990, dem unbes 
greiflicher Weife Lingard u. A. nachſchreiben, iſt wie gewöhnlich nur 


aus feinen wiberfinnigen Combinationen entftanden, da fie bie Heirath 


Üthelreds mit Emma von der Normandie, welche erft im J. 1002 voll: 
zogen wurde, ſchon vorausfegt. Auffallend iſt, daß Feine andere engli⸗ 
fe Quelle von jenem ober gar einem andern berzeifigen Kriege Engs 


lands mit der Normandie fpridht. Denn die Stelle in chron. saxon. ad 


a. 1000 welche darauf bezogen ift, ſpricht nach richtiger Erklärung, 
beftätigt durch Klorenz b. 3. 1000 u. 1001, von ben: Dänen und 
Heiden. Dagegen fehweigen die normännifchen Schriftftellee von biefer 
Fehde unter Richard I., berichten aber bie oben erwähnte unter Ri: 
hard II. nach der Bermählung Äthelrebs mit Emma. ©. Guil. Ge- 
met. V, 4 den Walsingham Ypodigma.Neustziae. wörtlich aus 


| 


Bon Anfang des 9. 668; Anfang bes 11. Sahrh. 423 


Achelred muffte durch jene Zriebensnachricht um ſo mehr 
erfreut werden, da ihm ſchon Botſchaft von einem neuen Ans 
griffe der Normannen auf Ipswich verkündet war. Juſtin 
and Guthmund, Stegetand Sohn, vermuthlich unter. Analav . 
Trygges Sohn, der König ‚von: Norwegen, welcher mit ihnen 

oder bald hernach Fam, verheerten bie dortige Gegend um fo 
graufgmer,. da fie fich wegen einer vor einigen Sahren erlitte- 
nen Niederlage rächen wollten. Der tapfere Ealdorman Briths 
noth, von den Dänen hoͤhnend hexausgefodert, ſetzte mit feiner 
heldenmuͤthigen kleinen: Schaar ihnen feſten Widerftand entge⸗ 
‚gen, ſtarb aber bei Malden den traurigen Tod des Beſieg⸗ 
ten’): Dieſer Verluſt verbreitete fo großen Schrecken unter 
ben Umgebungen des Königs, daß diefer, dem Rathe des Erz: 
biſchofs won Canterbury, Siric, welcher zunaͤchſt die Erhal⸗ 
tung der Laͤnderien ſeiner Kirche in jener Gegend im Auge 
hatte, ſowie bed Ealdormans Äthelwerd und des Älfric, des 
and der Verbannung zuruͤckberufenen Ealdormans von Mercien, 
folgend, beſchloß, was, im Großen wenigſtens, bisher nie ges 
ſchehen war, dem norwegiſchen ‚Deere eine Summe von zehn⸗ 
lauſend Pfund zu ‚gen, gegen dad Verfprechen, fernen Pin 


’ A 


ſhrebt, und Roman de Rou vs. 6216 sg. Saite das" encomium En- 
mas biefe Begebenheit verſchwiegen haben? Plouquet hat babes):üns 
ter Beziehung auf bie misverftandne Stelle des chron. saxon;, fie in das 
Jahr 1000 fegen wollen. Auch ift in. ber Zeit ums Sehr 1008, - wie 
ein Blick auf Englands damalige Bebrängniffe kehren wird, ein. Ans 
. griff beffelben. auf die Normandie unglaublih. Doch ſieht man bie 
Nothvendigkeit ein, die bekanntlich unchronologiſchen Angaben der aͤl⸗ 
tern normannifchen Gefchichte zu ordnen; weshalb dann die Urkunde ver: 
laffen, welche wohl Zeichen eines falſchen Abdruckes, aber keia Merkmal 
einer Verfaͤlſchung in ſich traͤgt? 


1) S. oben S. 414 Note 3. Chron. saxon. berichtet feinen Tod 
b. 3. 991 und wiederum 993. Er Hatte kurz vor feinem Tode alle 
feine Ländereien den Kirchen geſchenkt. ©. Urkunde bei Palgrave II, 
223. Daß er dux Northunimbroram genannt wird, ſcheint ein Itr⸗ 
thum des Chroniſten in der hist. eiens. II, 6. Doch wäre es möglich, 
daß er nad) Oklacs Verbannung Deira erhalten, wie nad) feinem Tode 
biefelbe dem Ätfbelm zu Theil geworben zu fein ſcheint. Letterer heifft 
994 dux transhümbranse gentis. Urfunbe:in monast. Angl. VI, 1446, 
100%.dux. Gale I, 522, nn BR 


424 . . Dritte. Adtäeilung 


derungen und Verheerungen in den Landestheilen ber benann⸗ 
ten Herren zu entſagen. Doch verpflichteten ſich dieſe, dem 
Heere, ſolange es noch bei ihnen bleiben wuͤrde, Lebensmit⸗ 
tel zu verſchaffen; und andere nähere Beſtimmungen des Frie⸗ 
benövertrages, über die Erhaltung und die. Ausbehnung ber 

Friedensgenoſſenſchaft, die rechtliche Feſtſetzung und Beftrafung 
des Friedensbruched und die Größe der Bußen beweilen, baß 
ein baldiger Abzug des Heered.. gar nicht erwartet wurde‘). 
Durch diefen, nach einigen Jahren vermuthlich erneuerten umd 


ausgedehnten, Vertrag wurden alfo Dänen in -einigen Provin⸗ 


zen Englands ald Gäfte (hospites), im Sinne der altgerma 
nifchen Krieger, zugelaffen, wo biefelben bisher nicht gekannt 
waren, und hier wurde bald, wie früher in ähnlichen Fällen, 


aus dem ald vorübergehend gedachten Verhaͤltniſſe eine nicht fried⸗ 


lich abzuſchuͤttelnde Laſt. : Zugleich gab bie Vertheilung jener 
Summe unter den Unterthanen zu emer Abgabe: Veramlafjung, 
welche unter dem Namen des Dänengelded noch viele Jahr⸗ 


- hunderte für die Laien — benn die. Geiftlichleit war: von bes 


felben vermuthlich fchon durch ihren erften Urheber, den Erz 
bifchof von.Ganterbury, befreiet — beftand, als längft der Zwed 


‚ berfelben verfchollen war, und die gerechteften Befchwerden laut 


993. 


werben ließ). Da im folgenden Jahre die Fremden die von 
ipnen befegten Provinzen nicht verlieffen, fo verfammelte ÄAthel⸗ 


‚sed eine Landmacht, deren Oberbefehl er feinem Schwiegervater 


ZThored, dem. Ealdorman Alfric, fowie den Bifchöfen von 
Winchefter und Docchefter.,. Alfſtan und Aſcwig, anvertraufe, 


fowie eine Flotte von größeren Kriegöfchiffen zu London, um 


1) Diefer Vertrag ift in den Gefegen Äthelrebs enthalten CWil- 


kins p. 104; von Schmid ©. 113 gehörig abgefonbert). Die Erwaͤh⸗ 
nung ber Abfindungsfumme von 22,000 Pfund fowie Analavs machen | 
- 48 unwahrfcheinlich, daß biefer Vertrag in das 3. 991 gehöre, für wel 
ches die übrigen in bemfelben aufgegählten Namen entfcheiden. Vielleicht 
beſitzen wir den Vertrag in einer. mit Analav im 3. 994 nach Girics 


Tode (7 994 vor Oſtern) erneuerten Geftalt. Kein neuerer Geſchicht⸗ 
ſchreiber hat dieſen merkwürdigen Vertrag beachtet, fo wenig wie ben 
innern Zuſammenhang ber zunaͤchſt folgenden. Begebenheiten. — 
2) Leg. Eadwardi confess. art. XI. geben fie auf 12 Pfenninge 
für die Hide: Landes an; doch iſt fie ſchwerlich ſtets gleich und jene 
Summe vermuthlih nur der einfache Steueranfas, die Simple, gewefen. 





Bon Anfang des 9. bis Anfangedes 11. Jahrh. 425 


die entfliehenden Feinde auf der See aufzufangen. Doch Als 
fric verrieth. den. Feinden. den zum Angriffe beflimmten Tag; 
fie entflohen und er mit ihnen; die Schiffe der Londoner und 

Oſtanglier erreichten aber die Feinde, erſchlugen viele derſelben 
und führten das eigene Schiff Alfrics, indeß ohne den ent⸗ 
flohenen Verraͤther, im Triumphe zum Hafen‘). Die zu Cl⸗ 
sencefter verfammelte Gemote der Biſchoͤfe, Ealdormanen und 
angefehnen Mannen Englands aͤchtete den Verraͤther und ſprach 

ſeine ſaͤmmtlichen ererbten Guͤter dem Koͤnige zu. Alfgar, Al⸗ 


frics Sohn, vielleicht Mitſchuldiger ſeines Vaters, wurde auf 2 


des Königs Befehl geblendet. Das. aus. den füblichen Provin⸗ 
zen vertriebene Daͤnenheer wandte ſich jetzt nach den .nördlis 
chen, wo. feine dort angeſiedelten Stammgenoſſen ihnen an⸗ 
faͤnglich ernſten Widerſtand entgegenſetzten. Doc, eroberte je⸗ 
nes die Stadt Banborough und zerſtoͤrte ſie beinahe durch 
Plünderung. Mit. feiner Beute beladen ſchiffte es zur Muͤn⸗ 
dung des Humber und „richtete im Northumbrien und Lindfey 
große Verwüflungen an. Bemaffnete vereinigten. fich gegen dafs 
felbe, doch drei ihrer Anführer, Zrena, Gobwin und Frithe⸗ 
gift), ‚deren Väter dort angefiebelte daͤniſche Krieger waren, 
verriethen jene a an die e.neuangefommenen. Dänn. 


1) Chron. saxon. ad a. 992. Bei Florenz ſheint ber verwot ⸗ 


renen Darſtellung ein Misverſtaͤndniß zum Grunde zu liegen. Ich beziehe 
die Urkunde. v. 3. 999, worin Äthelred den. Comes Aelfrie — contra 
meum regale imperium multa inaudita miserabiliter committens pia- 
cula — erwähnt, auf den oben erwähnten Älfric. Er kann alfo nicht 
derfelbe fein mit dem dux Aelfric, beffen Name unter diefer Urkunde 
fteht und ſchon 994 (Urkunde monast. Angl. VI, 1446) und 1004 
(Urkunde bei Gale I, 522) ebenfo wieder vorfommt. Zlftic Tann aud) 
wenigſtens ſeit dem J. 1006 nicht dux Merciorum gewefen fein, da 
damals Eadric diefe Würde erhielt. Legterer erfcheint als ber welcher 
im 3. 1016 gegen die Dänen fiel. Der legte Bruder Eadwin fiel bei 
Ringmer im 3. 1010. (So Blorenzs doch eine andere Lesart ſ. in 
chron. saxon.) Der ältere Älfric fol einen Bruder Eadwin ober Odda 
gehabt haben, welcher erſt 1056 als Moͤnch ftarb. Go viel nur, um 
auf die Verwirrung aufmerkſam zu machen, wenn wir fie gleich jegt 
nicht völlig loͤſen koͤnnen. \ 


2) Brena und $rithegift finden fich unter manchen andern Miniſte⸗ 
rialen Eadgars, welche daͤniſche Namen tragen, 3. B. Enut, Turkotel, 


226 Dritte Abtheiluas. 


An demſelben Jahre 993 ſoll Analav oder Olav Zrygbe⸗ 
fon mit 93 Schiffen auf der Themſe über London hinaus ges 
fegelt und an der Grenze der Grafſchaft Middleſex Staines 
verheert haben, darauf nach Sandwich (Kent) geſchifft fein ’). 

RNach der andern Seite hin wurde, .unter Anführung be 
Üchelfy, ber beruht ch wer Sohn des ehemaligen Halbkoͤnigs 
von Dftanglien, Atbelftans, war, in Verbindung mit Guin, dem 
Könige von Gwent, gegen Meredith, den: König. von. Demetia 


994 und Cardigan, ſiegreich geftiitten®).. Im J. 994, am Tage 


8, Sept. 


der Geburt Mariä, erfchien jemer König der Norweger : mit 
Suen, dem Könige. der Dänen, welcher. die ihm früher angeb⸗ 
lich widerfahrne Zuruͤckweiſung durch Äthelred, als er deſſen 
Gaſtfteiheit in Anfpruch nahm, zu rächen vorgab ’), vor Bil⸗ 
lings Thoxe zu London mit einer Anzahl Schiffe, welche ver⸗ 
muthlich ebenſo willkuͤrlich wie die Anzahl der feindlichen Schiffe 
des vorigen Jahres und: aus chronologiſcher Spielerei auf 4 
angegeben wirb *). Die wackern Bürger fehlugen aber den grins 
men Feind zurüd und: bankten der heil. Jungfrau für: die Begeifte 
rung, welche ihren Arm’fo kräftig geſtaͤrkt hatte. Die feindliche 
Ziotte landete darauf :an den Küften von Effer, Kent, Suffe 
und Hampfhire, fengte, brannte, morbete mit: Barbarenluſt 
und Fertigkeit. Nachdem die Kuͤſten ausgeplünbert waren, 
verfchafften bie Dänen unb Norweger fih ‚Pferde, fchweiften 
im Lande umber und fthwelgten in zahlloſen, umfaglichen Fre⸗ 
veln. Üthelred, vor treulofen, hadernden Vaſallen umgeben, 
felbft großer Gedanken und Thaten unfaͤhig, ergriff den Aus⸗ 
weg der Schwäche: er verhieß ein Daͤnengeld von 16,000 
Pfund, zu weldhem ganz England beifteuerte, und ließ das 
daͤniſche Heer auf Koften feiner Unterthanen von Weffer zu 
Southampton beköfligen. König Dlav wurbe darauf, nach ges 
Kelten Geifeln für feine Sicherheit, durch Eifeg, den. wuͤrdigen 


Thurgod, in einer Urkunde v. J. 970 bei Gale I, 519. In Urkunden 
des Kloſters zu Groyland bei Ingulph z. I. 966, 970. 


oo 1) Chron. saxon. 


2) Annal, Cambrise ad a. 998. 
8) Adam. Bremens. II, 235. Saxo Grammaticus X, 188. 
: &) Ibid. Flerent. 





Von Anfang .des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 427 
Biſchof von Wincheſter, und Kthelweard, welcher ſchon vor drei 


Jahren mit den Daͤnen in Eſſer unterhandelt hatte und deſſen 


Name Fabius Quaͤſtor Patricius Äthelmeard durch ein von 
ihm verfaſſtes Geſchichtswerk nicht unbekannt iſt, zum Koͤnige 
von England nach deſſen Stadt Andover (Hants) gefuͤhrt. 
Olav, der in ſeiner Jugend auf einer der Scilly⸗Inſeln ge⸗ 
tauft war‘) und unter dem Namen Ole (Olaf) mehrere Jahre 
in England. unerkannt gelebt hatte, wurde vom Biſchofe Eifeg 
neu eingefegnet?), von Athelred als Sohn angenommen ımb 
mit. Tiniglichen Gaben überhäuft. Er verſprach, ald er im 
folgenden Sommer heimfihiffte, nicht wieder ald Feind: nad 
England zuruͤckzukehren und tft, so ſehr bie leichte Beute ihn 


Ioden mufite, dieſem Verſprechen treu geblieben. . Später hei⸗ 


rathete er eine Schweſter ſeines Waffengefährten, Königs Suen, 


und wurde hernach von dieſem bei Svaͤld vernichtet und dem 1 


Leben, wenn er:nicht. dieſes auf‘ wunderbare Weiſe rettete, ges 
wiß aber der Gefchichte entriffen.. Bon Suen, ober. von feinem 
Eaiferlichen Pathen Suenotto. genannt, der bier einen leichtern 
und gluͤcklichern Kampf beſtand als mit: den Slaven, von bes 
nen er ſich zu. zweien Mulen gefangen nehmen ließ und loskaufen 
mufite, ‚gefchieht beim Abfchluffe diefer Verhandlungen Feine Er⸗ 


wähnung; ‚vielleicht begleitete er ohne eignes "Kriegsgefolge Das 


mals Dia während einer ber ihm wiederholt gewordnen Thron⸗ 
entſetzungen. Sein Angriff auf die Inſel Man wird in dieſen 


Jahren ermähnt’). Mit feinen. und Olavs Abzuge von Hanp⸗ | 


Thire. fällt der erſte Angeiff jener nordiſchen Widingen, welche 
in .Deutfehland auch Afcomannen genannt wurden, auf bie 


noͤrdlichen Küßen dieſes Landes; beſonders die Grafſchaft Stade, 


1) Theoderie. de Tegib. Norveg. c. ‚vo. Snorce in Olav 
Trygveſons Saga. 
. 2) ‚Confirmari ab episcopo fecit, Florent. ad a. 994. 

8) Annal. Cambr. Was Caradoc p. 68 von Svens Angriff 
auf Notdwales fagt, wo König Idwal erſchlagen fei, beruht auf. wills 
Eürlicher Ausfhmüdung jenee ältern Quelle, welche nur angibt, daß 
jener Idwal zwei Iahre fpäter getödtet fi. Osbernus de vita EI- 
phegi bei Wharton H, 181. erzählt, Sven ſei geftorben und ein 
anderer Kührer, Thurkill, ihm gefolgt. Doh Blorenz nennt jenen 
Sven ausdruͤcklich König der Dänen. M Ä 


! 


48 ° " ODritte Abtheilung..: nt 
zufammen 2) umd zeigt und, wenn jener auch nicht in Der un: 


mittelbarften Verbindung mit dem lebten Zuge berfelben nad 
England ſtehen follte, wie fehr das nördliche Europa aus der 


ihm einige Jahrzehnte hindurch geworben Ruhe gemeinſchaftlich 


aufgeruͤttelt war. 


Oer groͤßere Theil des Heeres der Normannen war ſeinen 
Koͤnigen nicht in die Helmat gefolgt und wurde vielmehr ver⸗ 
muthlich durch neue Ankoͤmmlinge verſtaͤrkt. Nach einigen Jah⸗ 
ren. tonnten die Mittel des Unterhaltes. für. die Fremden aus - 
der Nachbarfchaft von den ſchwer gebrüdten Einwohnern nicht 
länger herbeigeſchafft werben, und das Dänenheer befchloß feine 
Flotte zu ruͤſten und auf. einem: fröhlichen Raubzuge andre feit 
einigen Sahren nicht abgeerntete Beutefelder aufzufuchen, Um 
Weſſer herumfchiffenb landeten die Seeräuber an. der Mündung 


der. Sewern,.. durchzogen die felbft vom Danegeld Bisher 


verfchonten walififchen Reiche, wandten fich dann nach Devon: 
fhire und :Cormwaled, deren nördliche Kuͤſten fie brandſchatzten 
und. verheerten, hernach um. Penwithfteort (Lands End) her 


unmſegelnd und den Zamorfluß -binauffchiffend-nach den ſuͤdlichen 


"997. 


Küften und den innern Gegenden derfelben. In: der erfige 
nannten fchönen. Landſchaft überwinterten fie, verbrannten das 
Kloſter Taviftot?) und ſetzten, mit ſchwerer Beute beladen, | 
im: folgenden  Iahre ihre Fahrt nach Dorfetfhire, Wight und 
Southampton fort. Bon den Engländern wurden oft Ber 


ſuche zum Kampfe gewünfcht,. dach: die Ungefchiclichkeit oder 
. ber. Berrath ihrer mit den Dänen oft durch Verwandtſchaft, 


998. 


oͤfterer durch Eigennug verbundnen Heerführer, - zuweilen auch 


manche jener unerklärlichen kleinen Unfälle, welche, von dem 
Muthvollen überfehn, den Entmuthigten wie Himmelöftrafen | 
zu feinem gänzlichen Verderben verfolgen, vernichteten die Ent: 
würfe der Gutgefinnten. Dad nächte Frühjahr erblickte die⸗ 
felben Dänen auf dem Mebwayfluffe und die Stadt Rochefter 
belagernd. Die Mannfchaft von Kent eilte bald zum Entfage 
herbei, doch auch dieſe wurde von den Seerdubern nieberge: 


1) Adam. Bremens,. 1. II. c. 22. et 218. et Ditmar, Mer- 
seburg. . 


2) Florent. Chron. saxon, ad a. 997. 


+ 


Von Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 229 


metzelt, welche fich jeßt ‘der Roſſe bemaͤchtigten und Kent bis 
an die weſtlichſte Grenze bin verheerten. König Äthelred mit 
feinen Reichöräthen befchloß nunmehr ‚bie Ausrüflung einer 
Flotte und eined Landheeres. | 
Zene war, da Alfreds und Gabgars trefftiche Einrichtuns 
gen, wenngleich vernachlaͤſſigt, doch ſelbſt den Traͤgen und 
Schwaͤchlingen ſich noch nachwirkend erwieſen, zu London bald 
beſchafft; aber dieſes, welches die Feinde erſt aus dem Lande 
heraus und auf die See hinaustreiben ſollte, konnte, bei dem 
Mangel gemeinſamer und durchgreifender Maßregeln, in jenem 
Gemenge kleiner gleichberechtigter oder anſpruchsvoller Staaten, 
welche das angelſaͤchſiſche Reich bildeten, nicht raſch zuſammen⸗ 
gebracht werden. Koͤnig und Witan hatten nach jahrelanger 
Berathung beſchloſſen, der Ealdorman kuͤndigte den Befchluß 
der Gemote der Grafſchaft an, zablloſe Verſammlungen der 
Thane und ihrer Hinterſaſſen wurden bald einzeln bald ge⸗ 
meinſchaftlich gehalten; endlich ſtellten ſich die Waffenfaͤhigen 
auf dem Hundred oder Wagentake der Shire. Schon waren 
viel Geld und Muͤhe verſchwendet, die bereitwilligen Landſaſſen 
gedruͤckt, Herzoge und Grafen zankten oder zauderten; das 
letzte, erbaͤrmlichſte Privatintereſſe war geltend gemacht und Al⸗ 
les gewiſſenhaft erörtert; endlich ruͤckkte das Reichsheer, nach 
beſchaffter Ernte, gehoͤrten Meſſen, abgehaltenen Familienfe⸗ 
ſten aus allen Gauen zuſammen. Unterdeſſen hatten die Daͤ⸗ 
nen das Land ausgeſogen, jeder Leidenſchaft gefroͤhnt und zo⸗ 
gen, da die letzte Nachleſe Nichts mehr gebracht hatte, mit den 
beutebeladnen Wagen ſicher und der durch die unbeholfen 
ſchwerfaͤlligen Ruͤſtungen noch mehr geſchwaͤchten Gegner ſpot⸗ 
tend, Odin und Thor, Regnar Lodbrog und Haſting in Jubel⸗ 
liedern feiernd, ihren wohlbewahrten Schiffen an der Kuͤſte zu. 
Die in England zu Stande gebrachten Kriegsruͤſtungen 
waren vielleicht von einigem Gewicht, als im naͤchſten Fruͤh⸗ 
jahre die Dänen beriethen, welcher Kuͤſte ſie ihr Steuer zus 1000. 
lenken follten, und der Normandie den Vorzug gaben '), aus 
welcher Herzog Richard II. die frechen Räuber bald zuruͤck⸗ 
drängte. Athelreb benugte den Augenblid der Ruhe im Suͤ⸗ 


1) Florent. Chron, saxon, ad a. 1000. 


} 


0 Dritte Abtheilung. 


den und die zufammengebrachten Streitkräfte, um feine ent 
fentern großen Lehnsleute, welche die Entrichtung —— unge⸗ 
wohnten, zur Zeit ihrer urſpruͤnglichen nur auf Kriegsdienſte 
lautenden Lehnsverpflichtung, felbft ihrer -Huldigung an den 
gegenwärtigen König nicht vorhandnen Zributes, des Dänen 
geldes, verweigerten, mit einem Executionskriege zu uͤberziehn 
Das angelfächfifche Landheer durchzog Malcolms III., Königs 
von Cumberland, Eleine Bundesſtaaten und erging ſich hier in 
der Zerſtoͤrungsluſt und Rache, welche den Daͤnen follte gegol⸗ 
ten haben. Die Flotte wurde zum Mitgenuſſe in Cheſter er 
wartet, aber welcher Wind hätte fo günftig geblafen, um jene 
zur wechten Zeit in den Beflimmungshafen zu bringen? Zulekt 
erreichten fie die Eleine Inſel Maenige :(Angelfey) und fanden 
hier Gelegenheit, darin die Ehre und das Anfehn ded Banner 
Athelreds des Faulen zu verfechten ). 

Doch ſollten die Engländer ſich dieſes Triumphs nict 
Lange erfreuen. Die Dänen kehrten zu den englifchen Küften 
zurück, an benen ſi fie ungeftraft frevelten. Diele wadere Mär 
ner in Hampfhire wurden von ihnen erfchlagen, die Tapferkeit 
vereinzelter Angelfachfen vermochte dem Vorbringen der Feinde 
Teinen Damm entgegenzufegen. In Devonfhire Fam ihnen fe | 
gar der Ealdorman Paley (Palling) entgegen, Gemahl ver | 
Gunhilde, einer Schwefter des dänifchen Königs Suen, wel 
cher, obgleich von dänifcher Herkunft, von Äthelred mit Hi 
fern und Gelbe reich begabt worden war. Gelang den Di 
nen auch nicht die Eroberung der durch ſtarke Mauern und 
tapfere fächfifh Bürger vertheidigten Stadt Exeter, fo befieg 
ten fie doch die Devnfäten und Sumorfäten zu Penho und 
zogen hernach nach Dorfet und zurl zur Infel Wight. Ki 
nig und Räthe befchloffen nun, ehe ein neuer Raubzug begin 
nen Tonnte, durch eine neue Spende den Frieden fich zu er 
Faufen, und Earldorman Leoffy, ein Mann welchen des Königs 
Gunſt erhoben hatte), wurde zu den Dänen geſandt, um ih⸗ 


1) Florent. Chron. saxon. Fordun, IV, 35. 

2) Urkunde v. 3.99. Leofsige dux. Palgrave Il, 224. ur 
kunde v. 3. 1012. Leofsinum, quem de satrapio nomine tuli ad 
celsioris apicem dignitatis, dignum duxi promovere ducem constituendo 
eum etc. Urkunde bei Suhm a. a. ©. III, 793. 


Von Anfang .bes:9. bis Anfang des 11. Sahrh, 434 


nen bie ungeheure Summe von 24,006. Pfund, auſſer fernerm 
Unterhalte, zu verfprechen. Der. Preis wurde bezahlt, doch 
Leofſy erfreute. fich feines: Foftbaren Friedenswerkes nicht. Er 
erſchlug Afic, des Könige Hochgrafen, heimlich in deſſen eigs 
nem Haufe und mufite mit feinen. Mitfchuldigen die Strafe 
der Verbannung dulden; eine bei den Angelfachfen befonders 
häufig erwähnte und bei ihrer Anhanglichkeit am Vaterland 
und alter Gewoͤhnung fchwer empfundne Strafe), in welcher 
fi uns das, allmalige Aufhören ‚des Fehderechts zu erlennen 
gibt. Ein allgemeiner. Beichluß der Witena unterfagte dem 
Frevler irgend eine Unterflügung oder Gabe zu reichen, und 
felbft feine Schwefter Athelflede wurde, als fie diefem Gebote 
‚entgegenhandelte, aller ihrer Habe. entiegt. 

Athelreds Entſchluß zu der Ablaufung der Dänen mag 
vorzüglich durch feine vor Oſtern dieſes Jahres angeſetzte neue 
Vermaͤhlung bewirkt fein. - Äthelred- hatte in feinem ſiebzehnten 
Jahre Aiflede, die Tochter des durch den von Eadgar und 
feinem Schwiegerfohne ihm übertragnen Kriegäbefehl bekannten 
Ealdormanes Thored, Gunnord Sohnes, geheirathet ?). Diefe 


batte ihm mehrere Söhne, feinen Nachfolger Eadınund, Eadwi 
und Atkelftan, denen noch Ecgbert, Eadred, Badgar hinzugefügt 


werden, fowie, der Sage nad), vier Zöchter geboren. Nach 
dem Tode feiner erfien Gemahlin veranlaſſte bie. feltene Schöns 


1) Man ſehe das ſchoͤne angelſaͤchſiſche Gedicht. des Verbannten 
Lich, in Congbeare illustrations und Turner III, 382, 

3) Malmesb. 71. Eennt ihren Ramen nicht; er fagt von ihrem 
Cohn Eadward: non ex Emma natus, sed ex guadam alia, quam 
fama obscura recondit. — Schol, 83 ad Adam. Bremens. II, 87. 


hat unter der Lesart Affıcud (al. affiluit) wohl nur den Namen Aifiebe 


verſteckt. Den Namen des Schwiegervaters des Koͤnigs, Thored, hat 
Ailred abbas rievall. apud Twysden p. 862 et 372. Dagegen 
fagt die Genealogie Hinter Florenz p. 694: Hic ex Alfgiva comitis 
. Agilberti filia tres filios habuit, Eadmundum, Eadwium et Aethelsta- 
— num, et unam filiam Eadgitham. äühnlich Bromton ad a. 981. R. 
Higden I, 269, nur daß fie jene Edgiva und deren Vater Ecgbert 
nennen. Die hier genannten Kinder ſind auch anderweitig bekannt; 
body (Howell) medulla historiae anglicanae führt noch als ſolche 
an: Egbert, Eadred, Eadgar, bdiefe vermuthlih aus einer Urkunde in 
monast. Angl. I, 216 und drei unbelannte Töchter. Arch eingard 
ſpricht von zehn Kindern aus biefer erflen Che, 


J 





432  . . Deitte Abtheilung. 


heit Emmas, der Tochter Richarbs J. und der Schweſter beö 
zweiten diefed Namens, bamaligen Herzogd der Normandie, - 
eine Heirath Athelreds mit einer auf dem Throne der Angel 
fachfen längft nicht gefehenen auswärtigen Prinzeffin ), welche 
im Allgemeinen zur Bermeidung der unfaglichen Verwirrungen 
durch die einheimifchen Verwandten des Königshaufes und zur 
Stuͤtze des Reiches felbft gegen aͤuſſere Feinde wünfchenswerth 
erfchien. Selbft die Verbindung mit dem Zürflen. der Nor 
mandie konnte zur Ertödtung mancher feindlihen Elemente 
als wichtig gedacht, wenngleich unter den manchen denkbaren 
Wechſelfaͤllen alö zu gewagt betrachtet werben. Äthelreds ge: 
ringfuͤgige Perfönlichkeit machte jeboch jene zu feinem und fer 
nes Landes Glüde beftinnmte Verbindung nur zum Keim bes 
gaͤnzlichen Verderbend Beider. Emma, ald der Juwel der Nor: 
mannen gepriefen?), nahm, da ihre Name dem dad Fremde 
haſſenden Ohre der Angelfachfen ungewohnt war, ben von 
Alfgive an. Ihre Schönheit und verzüglichen. Geiftesgaben, 
felbft mehrere Kinder, welche fie ihm gab, Alfred, Eadward, 
der ſpaͤter, unter dem Beinamen des Bekenners befannt, des 
Baters Thron beftieg, und Goda Eonnten Äthelred nicht fefleln, 
der in ben Armen feiner Buhldirnen die Noth des Landes, 
die Ehre ſeines Hauſes gering acdhtete?). Doch. mag hier die 
Bemerkung am paffendflen gemacht werden, daß, wenngleid 
‘ Englands Unglüd gegen Üthelreds Regierung nur zu vernehm: 
Tich zeugt, dennoch in der Darſtellung -der jet beginnenden 
neuen Berhältniffe Englands zu der Normandie und biefer 
ganzen legten Periode der angelfächfifchen Gefchichte, die mei⸗ 
fen der Hiftorifer, welche erft nach der Eroberung Englands 
durch die Normannen fchrieben und welche, wenn fie auch nicht 
abfichtlih das Andenken der Gegner der Vorfahren Wilhelms 
des Erobererd Eränkten, doch die: feindlichen Anfichten, Deutun: _ 
gen und Sagen ber Normannen über die Angelfachfen in ihre | 


1) Daß AÄthelred ſelbſt in der Normandie beim Grafen Richard an 


“hielt, fagt zuerſt Goffrei Gaimar V. 4134. 


2) Gemma Normannorum. Henr. Huntend, 1 VL Ran 
Higden 271. | 


8) Malmesb, 64. 





I. 


Ä | | I 
Bon Anfang des:9. his. Anfang des 11. Jahrh. 433 


Geſchichte hineinitrugen, daß diefe Schriftfieller, welchen wir 
foft allein unfere Kenntniß der Gefchichte Englands verdanken, 
mit großem Mistrauen, felbft wenn auch nur von einem —* 
red die Rede iſt, zu benutzen ſind. 

Die in England ſtets behaglich verweilenden daniſchen 
Heere muſſten auf dieſe Verbindung mit Scheelſucht und Be⸗ 
ſorgniß hinblicken. Vor dem legten Vertrage mit Athelred, im 
Anfange dieſes Jahres, konnten ſie ſich als die Gebieter Eng⸗ 
lands betrachten; nicht durch voͤlkerrechtlich ſtets anerkannte 
Eroberung, ſondern durch die Furcht vor der Brandfackel und ur 
dem Dolche des daͤmoniſchen Raubgefindeld. Iener dritte Ver⸗ \ 
trag mit Äthelred war nicht mit der Abficht gefchloffen, bfir 
als die frühen gehalten zu werben. Doc war, da fie Eng: 
land nicht zu verlaffen gefiunt waren, zum femem Brude . , 
Zeine Zeit zu verlieren. Üthelred und Richard, Angelfachfen 
und Normannen Eonnten unterbeffen fich näher befreunden; ein 
beiden Nationen verwandter Sprößling Tonnte enge Verbin _ 
dungen und neue Intereflen zum Nachtheile des Seeräubers 
volkes wecken; der Plan, den König und die Erften feines Reis 
ches zu erfchlagen und durch diefen Verrat) die Banbiten in 
. den alleinigen Beſitz ded Landes zu feßen, warb fchnell ent⸗ 
worfen, konnte fehr bald audgeführt fein‘), Dad Complot 1002. 
gelangte zu den Ohren des Königs, welcher mit feinen Räthen 
Fein andres Mittel wuflte*), der unduldbaren, treulofen Gaͤſte 
ſich zu entledigen, als die leßte Zuflucht der Schwachen, den 
Mord. An alle Städte Englands wurden Schreiben bed Koͤ⸗ 
nigs heimlich gefanbt ?), im welchen biefer dad den Dänen 
gezwungen. bewilligte, von dieſen frevelhaft misbrauchte fichere 


1) Florent. und Simeon Dunelm. ad a, 1002, deren fo gar 
nicht beachtete Worte lauten: Aethelredus — omnes Danos — oceidi 
 jussit, quia illum suosque primates vita regnoque privare et totius 
Angliae dominium suae ditioni conati sunt subdere. gl. chron, saxon, 

2) Matth. Westmon. ad a, 1012 nennt ald den, älteren Quel⸗ 
len unbekannten, Rathgeber des Koͤnigs: Auna quidam, militiae prin- 
ceps, vir strenuus et bellicosus,, qui. sub rege regni negotia dispo- 
nenda susciperet. 

8) Aethelredi abbatis genenl, reg: Anglı 368. Hear. „Hun- 
tend. Ban. Higden, 


Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 28 


⁊ 


[N Drittar Abthieilung. 


Geleite aufhob und die dort verweilenden Raͤuber am Et. 


1002 
18. Nov. 


Britciuſstage, unter dem Schutze Gottes und feiner Heiligen, 
zu toͤdten gebot. Der Befehl. wurbe. ohne. Schrecken vernon⸗ 
men, nicht den Daͤnen verrathen und / unbedenklich ausgefuͤhrt. 


Große Grauſamkeiten ſollen bei dieſem Gemetzel ſelbſt gegen 


den Dänen geneigte engliſche Weiber und Kinder der Daͤnen 
von dem in Rache ſchwelgenden Volke veruͤbt worden ſein)). 
Hoͤchſt unklug war es, bei einer Graͤuelthat, welche nur Gruͤnde 
der Stantöfiugheit zu entſchuldigen verſuchen durften, dem 
Privathaſſe ſo viel Raum zu laſſen, daß auf eines koͤniglichen 
Sinftlings, Eadrics, Geheiß fogar Sunhilde, Die Gemahlin des 
treulofen. Dinen Palling, aber Schweſter des Koͤnigs Sven, 
gleichfalls hingerichtet wurde’) Über bie Ausdehnung biefer 
Maßregeln find wir nicht genügend belehrt, da fie.in Eeinem 
Salle die von Altern daͤniſchen Gefchlechtern. bewohnten Pro⸗ 
vinzen Rorthumberland und Oſtanglien, fowie bie ſieben Städte 
Merciend, welche wir auch nach wie vor in ben Haͤnden alts 
däntfcher Gefchlechter finden, begriffen haben Tann. Wahr: 
fcheinlich waren die dem Morde Geweihten nur jene gebornen 
Dänen und Norweger, welche von dem Heere Svens, Dlavs 
und ihrer: Genoſſen in England zuruͤckgeblieben hei So 


groß bad Verbrechen uns ſtets erſcheinen muß, fo duͤrfen doch 


die vielen in obiger Darſtellung enthaltenen Gruͤnde fuͤr eine 


weniger ſtrenge Anſicht nicht überfehn werben, wobei wir aud 
noch beſonders erwägen, daß weder allein Äthelred und feine 
Rathgeber nach einzelne. Individuen hier fehuldig find, fondern 
daß" das ganze, feit Jahren gereizte Volk der Landeseingeſeſſe⸗ 
nen, foweit fie durch jene frechen Fremden gemishanbelt umb 


bedrängt wurden, zur Ausführung‘ diefer That, welche allen 


"Ständen und namentld auch den Geiftlichen vorher bekannt 
fein muffte, in der Begeiſterung des Nationalhaffes ſich ver 
eint hatte. - Nichts iſt unbefonnener und ungerechter als den 


5 E) he nicht zu uͤberſehn, daß bas Ärgfte von den eingegrabnen 
Weibern, zermalmten Kindlein u. .dergl. nur in ber historia Norman- 
nerum- Guik Gemet. erzählt. wird,. wenn man nicht‘ auch den jenem 
mit den bei ihm befannten Ausſchmuͤckungen nachfchreibenden Balli n9: 
ford noch ſtets als Geſchichttauelle will gelten laſſs. 1° 

9» Malmesb. 4. 


" * Po Pr) 





- ! 


Bon Anfang.des 9. bie Aufans bes 11. Jahrh. 435 


St. Briciudtog mit der St. Barthalemaͤusnacht zuſammen⸗ 
zuftelen; näher liegt die Vergleichung mit dem Kampfe der 
Briten unter der Boudicea oder mit der ſieilianiſchen Veſper. 
Doch wer moͤchte die roͤmiſchen Legionen oder die franzoͤſi⸗ 
ſchen Krieger mit. jenen Barbareſken der Nordſee vergleichen? 

‚ Gewiß: wäre auch über. dieſe That laͤngſt anders geur⸗ 
theilt worben, als gewöhnlich geſchieht, wenn ihr Erfolg gluͤck⸗ 
licher. geweſen waͤre. Kaum vernahm jedoch Koͤnig Spen, 
welchem die neuerliche Beflegung Olavs von Norwegen Ruhe. 
und Sicherheit. in feinen Reiche verfchaffte, die Botſchaft von 
der Ermordung feiner Angehoͤrigen in England, als eine Fahrt 
‚nach: diefem Lande für die nächfte goͤnſtige Jahreszeit ſeinen 
Seemannen angeſagt wurde. Bei einem kuͤrzlich auf Veran⸗ 
laſſung des. Todes des Harald, feines Jarls von Schonen, 
mit deffen Söhnen, Sigwald, dem Nachfolger Balnatokes In 
‚der Hauptmannfchaft zu Somsburg, und Thorkill, ſowie andern 
Jomswikingen gefeierten Zodtenmahle hatte der König gelobt 
bed: flüchtigen oder getöbteten Äthelreds Reich in drei Jahren 


zu erobern‘). GSpen landete-.mit feiner Zlotte, nachdem a 


an Deheubarths Kuͤſte geplündert hatte”), in Devonſhire, was 
wegen ber Entlegenheit dieſer Provinz für den vom Weſten 
her Sciffenden auffallen: darf. Es iſt unbefannt, ob. der 
Daͤnenkoͤnig zunächft die Befibergreifung des Eigenthums fei- 
ned in jener Graffchaft und bekannt gewordnen Schwagers 
Palling beabfichtigte, oder ob der Verrath bereits: eingeleitet 
war, burch den der normannifche Graf Hugo, welchen die Koͤ⸗ 
nigin Emma der ihr vermuthli zur Morgengabe ertheilten 
Stadt Ereter vorgefegt hatte, dieſe Stadt ihm überlieferte und 


die Plünderung derfelben ſowie die Niederreiſſung der dortigen 


feewärts errichteten Mauer geftattete. Als Suend darauf nad) 
Wiltfhire vordrang, fammelte ſich bald die Mannfchaft aus die⸗ 
fer Provinz, fowie aus .Hampfhire, um muthig und Träftig Die 
Angreifenden zu vertreiben... Doch ihr Heer führte jener- Earl- 
dorman Alfric, der ſchun fruͤher ſein Vaterland ben Feinden 
| verrathen ’), ‘den aber AÄthelred, er durch "bie Verwandt⸗ 


1): Jomswikinga Saga. 

2) Gentiles vastaverunt Demetiome.. Annal. Canbr. . 2.4008. 

3) Für die Identität mit dem früheren Verräther ſprechen chrom. 
28* . 


j 6. Dritte Abeheilung.. 5: 


fehaft ihrer Wäter veranlaſſt, ſtets wieder in ſein Reich und zu 


> allen Ehren aufgenommen hatte. Wie der Zag.ber Schlacht 


1004, 


erſchien, fpielte Alfric feine alten Verraͤtherkimſte und ſtellte ſich 
ſo krank, daß er an ein Treffen nicht denken koͤnne. Dem 
elenden Führer mufften die Angelfachfen, wenngleich nieberges 
fehlagen und zormentbrannt, folgen, und. Suend zog unge: 


Hört zu feinen Schiffen zuruͤck, nachdem er Wilton und Sarum 


geplündert und verbrannt. hatte. Diefer neue Verrath fcheint 
jedoch dem Üfric nicht wieder verziehen zu fein, deſſen Perfon 
wir nicht weiter bezeichnet, dagegen bald darauf‘ die Ealdor⸗ 
manfchaft von Mercia in andern, wenngleich nicht beſſern Haͤn⸗ 
ven finden, des gefährlichiien der Guͤnſtlinge des ſchwachen 
Athelred, des fchon oben beim St. Brieciustage genannten Ead⸗ 
ric, mit dem Beinamen Streona (der Erwerber), Sohnes von 
einem gewiffen Kgelric, aus nieberm Gefchlechte, welchem ber 
König felbft die Hand feiner Tochter Eadgitha ertheilte *). 
‚Eine der wenigen erfreulichen Erfchenungen jener Tage 


bietet ſich und in einem andern Schwiegerſohne des Königs 


dar, dem oftanglifchen Ealdormane Ulffytel, genannt Snilling, 
von daͤniſcher Abkunft, der jenes Tochter Wlfhildis zur Ge 
mahlin erhalten hatte”). Sven, im folgenden Sommer wie 
berum einen neuen Verheerungszug gegen England unterneh: 
mend, überfiel Oſtanglien und verbrannte Norwich. Ulfky⸗ 


tel, uͤberraſcht, ſah fich gendthigt, auf‘ den Rath der Mit: 


‚ tigften feiner Provinz, von Sven einen Frieden zu. erkau⸗ 


fen. Sven aber, den Bertrag nad drei Wochen brechend, 


saxon. Florent. Doc bleibt einiger Zweifel, ob er berfelbe Älfric 
geweſen welcher früher verbannt war. gl. oben ©. 425 Note 1. Gin 


- Aelfric dux kommt noch in einer Urkunde Äthelreds v. 3. 1012 


‚wieder vor. Suhm aa O. Auch gehoͤren Wilts und Hampſſhire 


| nicht zu Mercien. 


1) Bol. Florenz 1007, 1009. Der Rame des Vaters wird etwas 
verbächtig, da er. derfelbe iſt als Ailric, der Name des Vorgängers 
Eadrics in feiner fpäter erhaltnen Galdormanfdaft. ' se 

2) Suhm Hiflorie af: Danmark III, 431. In urkunden v. J. 
970 u. 1004 findet ſich nur ein Minifteriale dieſes Namens bei Gale I, 
‚517, 522. Ebenſo 1012 bei Suhm III, 795.” Chron. saxon. gibt ihm 
nicht den Zitel eines Galbormans; ert Slorenz nennt a dux East- 
änglorum., — 





Ei 
— 


Don Anfang des 9. bis Anfang bes 11. Jahrh. 437 


überfiel und: jerftörte : Thedford. Ulfkytel verſammelte dar⸗ 
auf ſeine Schaaren, eilte ben Daͤnen, als fie zu ihren Schif⸗ 
fen zuruͤckkehrten, entgegen und lieferte ihnen ein Treffen, 
kuͤhn und ſtandhaft, wie die Daͤnen kein aͤhnliches in England. 
hatten fechten muͤſſen. Die edelſten Oſtanglier fielen, doch ent: 
famen nur wenige Dänen und diefe nur durch die Nichtvolls 
firedung des ‘von Ulfkytel gegebnen Befehles, die. Schiffe der . 
Dänen zu verbrennen '). Der Dänenkönig wurde durch dieſes 
Verfehn gerettet und konnte fogar fein Winterlager. in Eng: 
land halten, doch "das frifche Andenken an Zhurketild gutes _ 
Schwert, welthes jenen erinnerte, wie unglüdlich feine. Kämpfe 
mit tapfern Männern, wenn nicht durch Verraͤtherei unterflügt, 
zu fein pflegten, fowie eine in England, welches durch die Sok 
gen des unfeligen nordifchen Raubfyflems durch jede Art von 
Landplagen vielfältig heimgefucht wurde, audgebrochene Hungerds 
noth, bewogen ihn mit feinem Heere in feine Heimat: zuruͤckzu⸗ 
fehren, ohne das Exroberungdgelübde für jebt volführt zu haben. 

Um Mitfommer landete Sven wiederum mit einer zahl⸗ 1006. 
lofen Flotte zu Sandwich, dem jebt ganz verfallnen, einft beis 
nahe wichtigften Hafen Englands, nach alter Gewohnheit plüns 
dernd und durch Feuer. und Schwert zerftörend. Äthelred vers 
fammelte feine Krieger aus Weller und Mercien, denen «3 
nicht an Kampfluft fehlte; aber die Dänen wufften einem offe: 
nen Kampfe auszuweichen und zogen fi) nach St. Martins 
Meſſe in die milde und fchöne Inſel Wight zuruͤck, welche 
fchon fo oft zu dem Winterlager ihrer Landsleute gedient hatte. 
‚Doch ſchon mitten im Winter eilten fie nach Hampfhire, 
Städte und Dörfer wurden als ihre Signal⸗ und Wacht⸗Feuer 
angezimdet; Berkfhire „wurde zerftört; die Bürger von Win- 
chefter fahen zerfmirfcht, wie der fchonungslofe, uͤbermuͤthige 
Zeind durch ihre Thore die Beute zur Proviantirung der ent: 
fernten Seeufer fchleppte. Jede Landfchaft in Wefler wurde 
mit der Brandfadel und Blute gezeichnet. Äthelred verweilte 
unterdeffen in Shropfhire. Seine Rathgeber, welche die Waf⸗ 
fen der Angelfachfen in Anwendung zu bringen nicht verſtan⸗ 
den, wuflten Teinen Ausweg, als dem treulofen Freunde eine 


. 2) Slorenz 1004. J | 
) \ 


438 ....... Dritte Abtchheilung. 


noch größere. Summe zu bieten, als dieſer fruͤher ſchon erhal⸗ 
ten hatte, und fuͤr 36,000 Pfund Silber), bie. hoͤchſte Summe 
vermuthlids. welche die bamalige Finanzkunde aufzubringen 
wußte, auſſer der Bekoͤſtigung und: Verpflegaug dei Daͤnen in 
ganz Englund, verſtand ſich Koͤnig Som ss einem neuen 
eugfriebenöfchluffe, mo. 

Das :größte Übel für: England in jener Alt, welches ob 
fein das endloſe Elend. der Fremdherrſchaft: und das Hexabſit⸗ 
ten des: alten angelſaͤchſiſchen Namens erklaͤrt, war Die Anar⸗ 
hie des hohen Adels und der .angefehnen. Hofbeamten;.:. Gegen 
jenen. ſuchte Äthelred eine Stübe: in. den Guͤmſtlingen, welde 
feiner. Schwäche fchmeicheltenz. doch dieſes Mittel: war, wie 
haufig, fchlimmer noch. als das UÜbel dem es entgegengeſtellt 
wurde. Es ſind oben ſchon mehrere Beiſpiele exwaͤhnt; doc) 
Eadrit, welcher nur der Frechheit und gelenker Zunge Reich⸗ 
thum und Wuͤrden verdankte, übertraf im. ſchamloſen Verrath 

pflichwergeſſener Selbſtfucht, Stolz und Grauſamkeit Alles, 
Wh Angelfarhfen. gefannt hatten... Der bisherige erſte Guͤnſt⸗ 
ling des Könige, Wulfgeat ?), wurde wegen: ungenechter Ge 

richtspflege und vieler: ungebuͤhrlicher Anmaßung aller.. feiner 
Guͤter und Ehren beraubt. Den mächtigen Ealdorman Alf 
heim von Deira ?) lockte er zu: einem großen Hochgezite und 
ließ. ihn am vierten Tag bes. Feſtes, durch: einen dazu gedungs 
hen Bleifcher von. Shrewsbury, im Walde tüdifch erfchlagen. 
Alfhelms Soͤhne, Wlfheah und Ufegeat, wurden bald darauf 
in des Könige ‚Namen geblendet 9. Mit ihm waren auch 


9 Einige, Hendſchriften des aax. chron. Hear. Hunt end. 
Ran. Higden fagen 30,000 Pfund, Die obige Summe. wird au 
durch andere Handfchriften des sax. chron. .. Stavenz, chron. Mail- 
ros., Simeon u. A. beſtaͤtigt. 

2) Als Miniſteriale in Urkunden Üthelreds v. 8. 994, 999, bei 
Dugäale VI, 1446, Palgrave II, 224. 100%, bei Gale 1, 522. 

359) Deira. S. oben ©. 423 Rote 1. 

4) Florent. ad a. 1006. Wlfheah als iniſteriale Athelreds 
in Urkunde 994. Dugdale.a. a. O. Wir verfagen uns zuweilen das 
Vergnügen nicht, durch urkundliche Nachweifungen die Eriftenz ber in 
den Gefchichtsannalen, genannten Perfonen zu conflatiren. Diefe Nadhs 
welfungen bürfen das Interefie in Anſpruch nehmen, welches dem Lefer 
eines hiftorifchen Gebichtes oder Romans durch hiſtoriſche Rachweifung 





Bon Anfang des 9. bis Anfang des 11. Jahrh. 489 


feine Brüder alle große Herren geworden, Brithric Aifric Goder 
AÄthelwin, Athelweard, AÄthelmer, „welche aber ſchon vm bieſe 
Zeit, in. dem. Jahre nach. Eadrics Erhebung zu der wichtigſten 
Ealdormanſchaft, der von ganz Mercien), unter ſich in bluti⸗ 
gen Fehden raſeten. Brithric, dem keines der Laſter feines gluͤck⸗ 
lichſten Bruders fehlte, hatte den Sohn: feines Bruders AÄthelm, 
Wulfnoth, den Junker. von Suſſer?), Vater des in der ſpaͤtern 
Geſchichte beruͤhmten Godwin, verleumdet. Wulfnoth, auf Grhoͤr 
und Recht: nicht hoffend, floh, bemaͤchtigte ſich einer Anzahl 
von zwanzig Schiffen, mit welchen er nach Wilirger- Sitte 
das Meer befuhr und bie, Küften, auch feines Vaterlandes, 
plünderte.. Sein Oheim Brithric verfolgte ihn mit achtzig Se⸗ 
deln Ein heftiger Sturm erhob fi ch, und warf bie. Flotte an 
die: Felſenufer; ‚niele der Schiffe wurden von Wulfnoth hernach 

verbrannt und die Übrigen Fehrten nach London zuruͤck. Der . 
Berluft dieſer Schiffe wurde um fo mehr beklagt, ba: fie zur 
Abhaltung der auswärtigen Feinde beftimmt waren und die 
Angelſachſen auf deren Errichtung foeben die größte Kraft⸗ 
| anfirengungen verwandt hatten. .. Nach einem Rrichsbeſchluſſe 
hatten je 310 Hiden ) e ein Fig, neun berfelben ie ‚einen | 


‚ber: ‚Helden gewährt wird; denn viel größer, wir dürfen es ut verheh⸗ 
len, als zu dergleichen gedichteter Hiſtorie, darf unſer Zutrauen zu den 
meiſten Moͤnchschroniken im Allgemeinen vor naͤherer Pruͤfung nicht ſein 
Iſt unſere Chronik aber an ſich glaubwürdig, fo lehren uns jene ur⸗ 
kundlichen Notizen, daß ſie uns nicht lediglich die hiſtoriſchen Merkwuͤr⸗ 
digkeiten ihrer Provinz, ſondern wirklich die Schickſale des dem Reiche 
wichtigen Mannes vortraͤgt. | 

1) Eadric fteht an der Spige aller Laien in der Urkunde v. 3.1012 
(bei Subm Geld. III, 795), wo auch die Namen der meiſten feiner 
Brüder, und Godwine, miles. Der bortige Aelfric dux ‚Thunte fein 
Bruder diefed Namens fein. ©. oben ©. 435 Note 3. Die meiſten 
Namen. diefes Gefchlechts find in einer Urkunde v. 3.970 unter ben 
Minifterialen Eadgars (bei Gale I, 518). Goda kann der. im 3 988 
gefallene Miniſteriale (satrapa) dieſes Namms fein. | 

2) „Cild.“ Chron. saxon. „puer nobilis,‘ Huntend.. ani- 
. nister‘“ Florent. Chron. saxon. und Huntend. fegen diefe Bege⸗ 
benheit ins 3. 1008, die meiften übrigen Chroniflen ums J. 1009. 

5) Hida vocatur terra uwnius aratri culturae suffisiens‘per annım. 
Henr. Huntend. ad a. 1008, Ron den fihmanfenden Angaben über 


40. a Dritte Abtheilung. 


Panzer und: Helm geliefert. Eine größere Flotte war nie in 
Britannien zu irgend einer. Zeit vereint‘). In Sandwich, wo 

- fie ſich verfammelte, follen nach neuen Berechnungen: gegen 
1000 Schiffe gelegen haben, während der Ruͤſtungen 40,000 
zufammengebraht worden. Doch find diefe Vermuthungen 
hoͤchſt unficher, da die Angabe ven 243,600 Hiden in Eng: 
land füdlich vom Humber auf ſehr umverfländlichen Notizen be 
ruht ), und ſelbſt nicht erwiefen ift, daß dieſelben Hiden 
welche zu Einem Schiffe fteuerten, auch für Eine Rüflung bei 
zutragen hatten. Wären fo fehr viele Schiffe wirklich ausge 
rüftet worden, fo hätte ber Verluſt eined Theiles jener achtzig 
nicht als fo fehr unheilvoll betrachtet werben Fönnen. . 

‚Diefe Einrichtung war vermuthlich nur in ber Vertheilung 
der Laſt eine neue, da wir aͤhnliche Gemeinſchaft zur Erbauung 
eines Schiffes im ganzen Norden ſchon frühe finden. Alfreds 
Schiffsbauten find wahrfcheinlich auf diefelbe Weife befchafft. 
Doch erkennen wir jedenfalls in Äthelrens Regierung, wie bie 
Noth eine treffliche Lehrerin der Staatskunft werden Tann. 
Sowie das Danegeld, fo hat fi) auch das Schiffsgeld lange 
im Gebrauch erhalten; in beiden ift, wenn man ben "geifs 
lichen Schoß nicht. hieher rechnet, der Anfang der directen 
Beſteuerung Englands zu fuchen. Zugleid) aber darf es nichi 
unbemerkt bleiben, daß die erfte Einführung oder Abänderung 
folcher gemeinfamen Abgaben in den Zeiten der Schwäche einen 
. binlänglichen Beweis für das Vorhandenfein von Verfammlun: 
gen zu Tiefern fcheint, an welchen bie Eigenthümer der Hiden 


die Größe der Hide (die altſaͤchſiſche Huthe, welche noch in vielen Dorfes: 
namen zu erkennen ift), welche in einigen alten Nachrichten auf ein 
großes Hundert ober 120 Acres (Morgen) angegeben ift, f. dissert, ad 
Doomes daybook p. XLVI. neu abgebrudt in Ellis introduction to 
Doomes daybook. Der auffallende Widerſpruch in jener Angabe Iäfft 
vermuthen, daß hide, wie mansus, Hufe, Pflug, kein genau beftimmtes 
Landmaß, fondern vielmehr eine Kriegsbienft » oder Steuer: Quote bes 


7 zeichnete. 


1) Henr. Huntendon. 


2) ©. das Verzeichniß der Hiden bei Gale scrr. Brit. ], 7468, 
befiev in Camden Britannia (ed. Gibson CLXVIL) und Spel: 
manns glossar. . 


Bon Anfang des 9: bis Anfang des 11. Jahrh. 44 
ſelbſt oder durch. ihr Vertreter, mitfißend oder umherſtehend, - 


Antheil nahmen, Noch fihherer nehmen wir aber eine früber 


unbekannte Wohlhabenheit in dem fo dft ausgeſogenen Lande 


wahr und den Anfang einer Geldcirculation, Durch welche .jes 
der Eleinfte freie Eigenthümer befähigt war Abgaben diefer Art 
zu: bezahlen. Wichtiger noch als die Nachrichten über. die fir 


jene Zeit ungeheuer fcheinenden Summen, welche von einzelnen 


Kidftern im Kriege und bei andern Borfällen, :wo ihre Immunität 
Seine Anerfennung fand, gezahlt wurden, iſt es uns zu bemers 
ken, wie unter. allen. Unfällen des Landes der freie Georl auch 


in der allgemeinen -Reichögenoffenfchafe fich als freies Mitglied 


behauptete, wie er ed früher in den Eleinen Staaten, Gilden 


und Bereinen geweſen. Zu lehrreich für den Zufland der klei⸗ 


nen freien. Landlente dieſer Gegenden in dieſer Zeit, um nicht 


kurz angedeutet zu werden, iſt die Verſchwoͤrung der Ceorle 
der Normandie gegen, Äthelreds Schwager, Herzog Richard I, 
die, um mannidhfaltige Zreiheiten und Rechte zu erringen, ein 
großes Parlament hielten, zu welchem: bie verſchiednen Commu⸗ 


nen je. zwei Mitglieber ſandten). Wie. wichtig das. Mohls - 


wollen der. angelfächfiichen Georle felbft. tem Herrſcher werden 
konnte, wenn. ed weiſe benußt worden wäre, hatte ſchon Athel⸗ 
tebö Sohn Gelegenheit zu erfahren. 


Doch wiederum müflen wir und von. ben anziehenbem 


und wichtigſten Lehren der angelſaͤchſiſchen Gefchichte ab und 
zu. dem ’ermübenden,; aber unerläfflichen ‘Berichte von. den 
Schlachten und Schannügeln. wenden, ‚weldhe, während. bie 
weſentlichſten Schielfale der Nätion, die Keime ihrer flillen Ent⸗ 
widlung. oder. unvermeidlicher Verwilderung ‚ die Entftehung 'der 
einflußreichften Einrichtungen, mit faſt undurchdringlichem Schleier 
bedeckt bleiben, dad beinahe einzige. und erhaltene Fragment der 


Geſchichte jenes Staates bilden und daher ald das Ganze berz - 


felben angefehn zu. werben pflegen. Sigmwald, der bereits ges 
nannte ehemalige Hauptmann der Jomsburg, war in ben legs 
ten Jahren auf einem nach England unternommenen Streif⸗ 


* 


5975 sq. . 


1) Guil, Gemet. v, 2. ui, im Roman de Ron ve. 


en. 


42 Dritte Abtheilung. 


t 

zuge erſchlagen). ‚Sein tapferer Bruber Thorkill?), genannt 

- bin: Have, der Lange, um beffen Blut zu rächen, landete mit 
40 Schiffen in England, worauf nach einigen Monaten feine jüns 
gexen Brüder Hemming und Eiglaf oder Eglif, Thorgils Söhne, 

in Thanet landeten und mit jenem vereint nad) Sandwich ſchiff⸗ 

ten. Sie rückten raſch auf Canterbury vor, welches fie einge 
nommen haben würden, wenn deſſen Bürger fih nicht durch 
Sahlung von 3000 Pfund Silber den Frieden erfauft hätten. 
Athelred ſchickte eine Gefandtfchaft an den Hof von Rouen, 
zu feinem Schwager, um befien Rath und Hülfe zu erbitten; | 
doch vernehmen wir von keinem glüdlichen. Erfolge’). Die 
kriegserfahrnen Jomswikingen fchifften, gleich ihren Vorgängen, 
dem Eiland Wight zu und begannen gleich jenen die Raub 
züge in bie kaum von ben lebten Verheerungen wieder aufle⸗ 
benden Landfchaften Suffer, Hampfhire und Berffhire. Äthel⸗ 
red fiellte fi) an die Spitze feines Heered und war im Be 
griffe die guͤnſtige Stimmung beffelben und die Furcht des fih 
zurlchziehenden Zeinded zu benugen: doch Eabric ertheilte ihm 
wiederum verrätherifche Rathichläge, welchen folgend der König 

die Feinde fich, ruhig zuruͤckziehen ließ. Trotz der empfangnen 
großen Abkaufungsſumme gingen die Daͤnen jetzt nach Kent 
zuruͤck und beraubten beide Ufer der Themſe. Nur die Ar 
griffe auf London gelangen ihnen nicht; die tapfern Ritter und 
Bürger, welche dieſe wohlbefeſtigte und reihe Stadt ehten 
voll vertheidigten, haben ſelbſt die benachbarten Provinzen, 
welche die Daͤnen in dem milden Winter die Themſe hinauf⸗ 
ſegelnd durchſtreiften, von denſelben oft befreit. Im folgenden 
Jahre zogen fie nach Ofltanglien, wo Ulfkytel an ber Spike 
eined aus mehren Graffchaften: zufammengezogenen Heeres 
„010 fland und ihnen zu Ringmere bei Ipswich begegnete‘). Doc 

e Ale - ' 


: ° 3) Entom. Emmas. Daß Sigwald ber dort erwähnte Bruder 
Thorkille war, feheint nicht zu bezweifeln, da jener einige. Jahre nad 
dem 3. 1000 geftorben iſt. Vol. Vedel Simonſon über Iomsburz. 
2) Über Thorkill oder Thurketill ſ. Langebek acır. rer. danic. Il. 
458—463. 
8) Henr. Huntendon. Bromton. 
9). Florenz und Simeon geben ben: Ort genau an, dielleitht 
das jetzige Rushmere heath bei Ipswih. Snorro hatte auch von ulf 





bie. Oſtanglier flohan, nur die Maͤnner von Cambridge ſtanden. 
Viele Tapfere fielen, unter denen auch Kthelſtan, cin Eidanr 
des Königs, genannt wird ); der Than Thurkytel, mit: dem 
Beinamen Ameiſenhaupt, begann die ſchimpfliche Flucht. Das 
Daͤnenheer behauptete: die Wahlſtaͤtte, verſchaffte ſich bald Roffo 


und. pluͤnderte rings: umher. Thetford amb: Cambridge wurden 


in Aſche gelegt. Der Lauf der Themſe und der Nebenſtroͤme 
derſelben hezeichnet die fernern Zuͤge der Daͤnen, : weiche‘ im 
Einzelnen weiter. zu. verfolgen: ermuͤdend und unnuͤtz iſt. Durch 
ihre Geſchicklichkeit, noch mehr durch das Ungeſchick der angelſaͤch⸗ 
fiſchen Heerfuͤhrer trafen die feindlichen Bose nie gegeneinander, 
Die Plane .des:-fähfifchen Lagers Tamen nie zur Reife; die 
größte Uneinigkeit brach aus, jeder Ealdorman wollte nur fick 
bergen, Feine. Landſchaft neben der andern fechten. Nachdem 
das halbe England bereitd von Thurkytel und feinen Genoffen ' 
verheert. war, befchloffen, König und Witena mit dem fiegrei- 
chen Feinde einen Friedensvertrag ‚unter den gewöhnlichen Bes 
dingungen zu fchlieflen, wobei, wie früher ſtets Daß letzte Abkaufs⸗ 
geld beträchtlich gefleigert war,. fo auch) jest 48,000 Pfund 


Bon Anfang des 9. bis: Aufang des 11. Jahrh. 43 


1011. 


Silbers bedungen wurden. ‚Doch troß der eingeganguen Vers 
pflichtung und mihrend mit :der.. größten Strenge gegen das 
tiefgebeugte Land das umgeheure Danegeld eingefammelt, Was 


led fogar, um eine Beifleuer zu erpreffen, mit Krieg überzogen 
und St. Davids in bemfelben zerflört warb ), wurde Ganter- 
bury von den Dänen angegriffen: und burch den Verrath des 
Abtes Amar denfelben überliefert Nebſt andern angeſehnen 


kills Schlacht bei Ringmara Haide in uiftius Lande gehört, doch laͤfſt 
er ſie von demſelben nach Koͤnig Svens Tode gegen Äthelred und ſeinen 
Verbuͤndeten, Koͤnig Olof von Norwegen, liefern. S. Olof Haralds⸗ 


ſons Sagen Cap. 13. Wenn wir Snorro als Geſchichtsquelle be⸗ 


nutzen wollen, ſo iſt es unerlaͤſſlich auch deſſen Irrthuͤmer gleichzeitig zu 
ſichten und zu berichtigen. 

1) Chron. saxon. cynges athum. ‚Florent. gener regis find 
glaubwürbiger als Henr. Huntend. äorerius regis. Der Name ber 
an Äthelftan: verheirateten Tochter Äthelreds ift unbekannt. 

2) Diefe Deutung fcheint mir die Nachricht ber annal. Cambr. (und 


ann. eccl. Meneviae) ad .a. 1011 gu geben, daß die Bachfen Edrich 


(Eadric) und Ubls (Ubrich, Umbrich, ‚vielleicht Uthred) Menevia zers 
ftört hätten. 








\ 


4 .: Dritte ‚Absheilung. 


1012. 


Männern wurbe der ehrwuͤrdige Erzbifchof Alfeah gefangen 
und auf die Schiffe ber Dänen gefchleppt. . Bürger und Möndıe 
von Canterbury mufften über die Klinge fpringen; von den in 
ben Chriſtkirchen eingefchloffenen Weibern und. Kindern ward 
anne: das zehnte am Leben erhalten: Obgleich am nächften 
Oſterfeſte die verheiſſere Summe gezahlt war, ſo wurde den⸗ 


noch Alfeah nicht befreit, ſondern ein beſondres Loͤſegeld von 


demſelben verlangt. Dieſer, ob er gleich ſchon acht Monate 
in der harten Gefangenſchaft geſchmachtet hatte, unterſagte den 
Seinigen durchaus für ihn Etwas zu zahlen. Die Daͤnen, 
welche mit. ihren Schaͤtzen davonzuziehen und auch jenen jebt 
108 zu werden wünfchten, . rebeten ihm ſtark zu, feine Freiheit 
mit 3000 Pfund Golded zu erfaufen. Er foll in einem Au: 
genblid der Schwäche früher ein Löfegeld verheiffen haben und 


erbitterte daher die Feinde durch Verweigerung defjelben jegt um 


fo mehr.'). Viele der Dänen. waren von den ungewohnten 
franzöfifchen Weinen, welche ihnen hierher gebracht wurden, 
trunfen. Er warb vor.den Rath der. Dänen geführt und, da 
Überredungen nicht fruchteten ,  fehredlich gemishandelt , mit 
Steinen, Knochen und. Dchfenhörnern geworfen. Streitärte 
flogen an feinen Kopf, da fan? er blutig und ferbend zu Be 
den. Ein Däne, Thrum, den er kurz zuvor getauft hatte, gab 
wicleidig ihm den Todesſtoß ). 


U Der Zeitgenoſſe Ditmar, Biſchof von Merſeburg (B. VII. 
gibt uns, auf einen ihm gewordenen Bericht fich berufend, die Altefte 
ausführliche Nachricht über dieſe Begebenheit. Iener zufolge bemühte fih 
Thurkill den Alfeah vor der Wuth der Dänen zu retten. Ditmar 


gibt jeboh dem Alfeah irrig Dunftans Namen. 


ı 2) Über Älfeahs Leben befist man eine bem Dsbern ums 2. 
1070 zugefchriebene Schrift, gebrucdt in Wharton Anglia sacra T. II. 
Mabillon acta Sanctor. 21. April. Kürger, doch im Übrigen wörtlich 
uͤbereinſtimmend bei Surius de prob. Sanct. vit. T. II. April, 
p- 188 sq. Der legte Theil diefes Werkes, foweit er zugleich die Di: 
nen betrifft, ift mit einigen Grläuterungen auch bei Langebek scrr. 
rer. danic. II, 489 sq. Florenz hat Ciniges wörtlich aus demſelben 
entlehnt, 3. 8. beim 3. 1007 die Schilderung Eadrics; auch 1011 über 
bie Gräuel hei der Einnahme Canterburys, wenn nicht eine gemein || 
Ihaftlihe Quelle benutzt fein follte, ba in Anderem Beide wenig über: 
einſtimmen. 


x 








Bon Anfang. des. 9. bis Anfang ded 11. Jahrh. 445 


Es iſt nicht: unwahrfcheinlich,, "daß irgend eine beſondre 
Veranlaſſung die Dänen gegen ben unglüdlichen Erzbifchof "ers 
bittert: hatte; doc liegen hinlängliche Gründe in feinem Eifer 
füe den Frieden und bie zuweilen⸗ gelungne Bekehrung ihrer 
Landsleute zum Chriſtenthume. Alfeahs Biograph berichtet 
noch die den uͤbrigen engliſchen Geſchichtſchreibern unbekannte 
‚oder nicht glaubwuͤrdige Nachricht), daß Eadric Streona ſelbſt 


die Daͤnen zu dieſer letzten Belagerung Canterburys angefuͤhrt 


habe. Einer ſeiner Bruͤder naͤmlich ſei von dem kentiſchen 
Adel, welchen er als deren koͤniglicher Beamter ungerecht be⸗ 
hanbelte, erfchlagen ?). Eadric konnte von feinem. Könige, wel⸗ 
cher die in feinen Augen verzeihliche Selbfthülfe des Eentifchen - 

Adels nicht beftrafen wollte, die begehrte Rache nicht erlangen 
und uͤberfiel Kent mit 10,000 Mann, welche ihm wider des 
Königs Willen folgten. Da er hier indeffen tapfern Wiber- 
ftand fand, fo, fährt der Biograph in der bis hieher nicht ver⸗ 
dächtigen Erzählung fort, foderte er die bei Sandwich liegen⸗ 
den Dänen auf, mit ihm den Tod feines Bruders an Canter⸗ 
bury zu rächen, wobei im Verfolge bei Einnahme diefer Stadt 
des verrätherifchen Abtes Alfmar nicht gedacht wird. Osbern 
oder welcher fpätere Mönch feinen Namen’ tragen mag, fcheint 
fi bier geirrt zu haben, wie denn auch andre Irrthuͤmer von 
ihm berichtet werden, daß König Sven damald bereits. vers _ 
ftorben geweſen. Ein folcher Irrthum konnte bei dem vielfäl- 
tigen Verrathe Eadricd für den oberflächlichen Lefer oder Hoͤ⸗ 
rer leicht entſtehn. Thurkills Rache für feinen Bruder Sig- 
wald Zonnte mit der Eadrics für feinen Bruder verwech⸗ 
felt fein, während und dagegen ein Blick auf die bald fols 
genden Begebenheiten und Eadrics Verrätherrolle in benfelben 
zugleich zeigt, daß er damals noch nicht alles Vertrauen feines 


1) Bromton hatte Osberns Werk vor fih. Auf diefe Beiden 
ftügt fi vermuthlich die zweifelsfreie Erzaͤhlung Palsraves (history 
of England I, 297.). . 

2) Dsbern bezeichnet diefen unbenannten’ Bruder Eabdrics mit den⸗ 
feiben Worten, lubricus. et. superbus, wie Florenz ad a. 1008 den 
Brithrik. Die Nobilitas Cantuariorum macht diefe Erzählung nicht wee 
niger verbächtig als hernach bie große Anzahl ber Krieger Gabricd. Der 
. fechsundvierzigjährige Äthelred wird senio contabescens genannt ıc. 


1013. 


2 2 \ ‚Deitte‘ Abtheilung.- 


Königs: und Volt⸗ verſcherzt hatte, aber Thaten beging, welche 
die Verwirrung des beſchraͤnkten Biographen erklaͤren. 

Der Friede mit Thurkill hatte auch die Folge gehabt, daß 
derfelbe mit 45 Schiffen, wahrſcheinlich gegen Belehnung mit 
einem. Zheile von DOftanglien, fi) dem. Könige von England 
unterworfen hatte... Unterbefien . hatte. aber König Spen ben 
Beſchluß gefafit, die Siege feiner Unterthanen’in England zu 
benugen: und diefe guͤnſtige Gelegenheit jest fo. weit zu verfol 
gen, um das alte, den Jomswikingen abgelegte Geluͤbde zu 
vollfuͤhren ). Es bedurfte daher für ihn. Feiner Einladung 


Thurkills, wenn, anders .eine folche unter deſſen neueingegangner 


Verpflichtung und Stellung denkbar und: zuträglich geweſen 
wäre?). Der alte König Sven Doppekbart, welcher die Ans 
gelegenheiten Dänemarks feinem jlmgern. Sohne Harald über 


tragen hatte, erfchien mit: den ältern Söhnen Cnut und Ola, # 


dem nachherigen Heiligen und Könige von Norwegen ?), im 
Fruͤhjahr im Hafen von Sandwich und fegelte zur Muͤmdung 
des Humberfluffed, und von dort in den rent ſchiffend fchlug 
er fein Lager bei Gainsborough auf. Hier,unterwarf fich ihm 
Uhtred, der mächtige Graf von Northumberland, welchem auf 
bie dänifchen feflen fünf Städte in Mercien, welhe Eadmund 


ber Ältere einft ſich unterworfen hatte, folgten und zufegt das | 
‚ganze Volk nörbli von. der Watlingſtraße. Vielleicht machte 


Spen m Northumbrien Anſpruͤche geltend, welche von feinem 
vor vielen Fahren in biefem. Lande erfchlagnen Bruder her 
sübrten, wodurch die ruhige unterwerfung der Northumbriet 


1) Annal. Cambr. ad a. 1011. erwaͤhnen, daß Sweyn drei Jahre 


fruͤher ehe er nach England gelangte, Schiffbruch gelitten habe, wahr | 


ſcheinlich alfo auf einer dadurch gehinderten Reife nad) jenem Lande. - 

2) Was Malmesbury ©. 69 erzählt von einer ſolchen, welde 
umns 3. 1013 gefegt wird. Doc find alle feine Angaben von den uͤbri⸗ 
gen Chroniken abweichend; den legten Zribut gibt er nur auf 8000 


Pfund an, die Zahl ber dänifchen Schiffe welche Kthelred folgten, auf 


funfzig. _ —— | 
8) Adam. l. l. 'Theodoric. de regib; Norweg..c. 15. gebentt 


feines Aufenthaltes in England, wenngteich mit Zabeln - untermifct. | 


©norro König £ Olav ve veiligen Sase. Car. 21-26. Leg. Edusr 
di’c. 16, 





79 2 o 22 m 0 300 HA Ver a u ER SE 4 FE En fm mn. 


Bon Anfang des 9. bis Anfang des. 11. Zahth. 447 5 


- tät würde). Er ruͤckte nunmehr jenſeit der Batlingftraße 
nach Drford und Winchefter, welche ihm Geifeln ſtellten. Die 
Verheerungen und Graufamleiten welche Sven feinem Heere 
geftattete, fcheinen alle frühern zu übertreffen. Es ift eine 
merkwuͤrdige Darftelung derfelben in einer Predigt des Möns 
ches Wulf (Lupus) in angelfächfifher Sprache in biefem Jahre 

niedergefchrieben und noch vorhanden?). Schrecklich wie Das 
Bild ift, welches ber Prediger von dem Zuſtande Englands 
entwirft, fo lehren dennoch die unter Äthelred gegebenen. weltlis - 
chen wie geifilichen Geſetze, daß er nicht zu viel über bie Her⸗ 
abwuͤrdigung der englifhen Nation felbft fagt. Der Mens 
fchenhandel war ein Haupterwerb geworden. Wie wir es bei 
den verworfenften Negervölkern kaum gefehn. haben, verkaufte 
der Bruder den Bruder, der Vater den. Sohn, der Sohn die 
Mutter. Die Zurcht vor den norbifhen Schredbildern hatte 
jede Kraft gelähmt. - In den Zreffen pflegte ein Däne zehn 
und mehr Angelfachfen zuruͤckzutreiben; ja man hatte vor zwei oder 
drei Seeräubern ganze Schaaren von Chriften von einer Küfte 
zur andern fliehen fehn. Die Gefchichte befigt feit der großen 
Völkerwanderung, als deren Nachihwingung dieſe -Dänenzüge 
freilich angefehn werden müffen, bein fo anfchaulihes Bild der 
Entwürbigung, welche rohe Horben der höherfichenden, aber vers 
weichlichten Cultur zu bringen vermögen. Waren aber die Angels 
fachfen nicht fo gefunten wie die Römer in der angedeuteten Zeit, 
fo war dad befeindende Element um fo viel fehlimmer, da 
Feine germanifche Nation je fo tief gefunken war, ald die lang⸗ 
jährige Gewohnheit ded widernatürlichften Erwerbes jened Sees 
säubervolf heruntergebracht hatte. Doch hatte das Übel durch 
die Höhe, zu welcher es gelangt war, auch feinen Endpunct 
erreicht, und die Anerkennung Soens zu Bath durch Xıheimere, 
den Ealdorman von Devonfhire, die Thane von Weffer und 
bie Herren und Bürger von London, welche eine kurze Zeit 
den König Athelred in ihrer Mitte und feinen neuen Vaſallen 


1) Adam. Bremens. II, 86. Svein — veteres iniurias tam 
occisi fratris (conf. ibid. c. 15.) quam suae repulsionis (sont, ibid. 
c 25.) ulturus etc. 

2) Gedruckt in Hickes thesaur. II, Dissert. epistol. p. 99 * 
£ateiniih in Langebek acrr. rer. danic. II, 3 


N / 


448 | Dritte Abtheilung. 


Thurkill an ber Spige; gegen die Krieger und Schiffe Cab | 
ſich vertheidigt hatten, bereitete den Übergang zum XAufkies i' 
jener Gräuel, indem fie die Einführung des fi ttenmildend 
Chriſtenthumes im Norden befeſtigte und die Vereinigung “ 
fodann friedliche Unabhängigkeit jener Reiche bewirkte. 1 
Durch die feinem. Gegner fo raſch geleiſteten Huldigun 
in allen Theilen des Reiches ſtand Xthelreb bald — wit a 
fen nicht den flaatsrechtlichen Anachronifmus begehen, zu I 
ohne Land, denn der germanifche Fürft befaß noch nich 
für feine Enkel erfundene Zerritorialrecht, — aber er fun 
Mannen und Diener, feines Konigsrechtes ‚wie feiner $i 
rechte beraubt da. Seine Königinn Imme flüchtete zu MM 
Bruder Richard, deſſen ‚Gefinnung wegen eined mit Omi 
geſchloſſenen Freundſchafts vertrages, welcher ſogar ben 8 Drag 
der aus England geraubten Güter in der Normanbie a 
lich. geflattete, zweifeihaft erfcheinen konnte; auch in 6 - in | 
Eadward und Alfred, fandte.Xthelred mit dem Bildek# a 
London Alfen, ihrem Erzieher, nach. der Normandie? 
Dänen muſſte er England uͤberlaſſen und ftdue und 
felbft, mit einigen bisher zu Winchefter. vergrabenen MAR 
auf die von jenen lange befeffene, jet verlaffene ar 
von da aber nach Weihnachten zu feinem Schwage MM 
des Ganald, welcher den unglüdlihen König ehremel 
nahm?) und ihm jene -Öaftfreiheit erwies, durch welde IM 
ſten Englandd und Frankreichs nicht felten im ähnlichen 
Veranlaffung gefunden haben ſich und das Königtpum, MM 
Vertreter der edeiften Gefinnungeh, zu bewähren. Fi 

: Dem Könige Üthelred dem Unberathnen wurde iu 
unerwartete ald gefährliche Gunft des Schickſales. 
sen Monat nach ſeiner Ankunft zu Rouen fuchten in 
































in 
4 
—1— 


N 


) Guil. Genet. V, 7. welcher jeboch wit Kanon € 
men bie Züge Svens v. J. 1003 u.:1012 zuſammenwirſt. a u | 

2) Florent, Saxon. chron. ad a. 1013. Guil, 54 v 
inan de Rou,' welcher jedoch gewöhnlich nur den Wilhei Ao 
mieges vor ſich hat, wie einendurchgaͤngige Vergleichung mid WM 
darthun würde, Der Herausgeber Pluquet hält ſeltſamer W 
Kamen bes. Königs Alred oder Äthelred ſtets für Auf, 
Roman de Rou ſelbſt .vs..65444 Alvereb nennt, ' 


"IE 
8 





"T 


Bon Anfang bes 9. bis Anfang des-il, Jahrh. 449 


aus England, verkimberd: Sven ſei am Lichtmeßſonntage 1014 
ploͤtzlich auf einer zu Gainnsborough gehaltenen Verfammlung 2. Bebr. 
geftorben; der heil. Eadmund felbft, meine man, habe den To⸗ 
deöfpeer auf ihm gefchleudert, ‚weil ex fein Vaterland zerſtoͤrte; 
die Flotte ober das Schiffsheer: der Dänen habe den jungen 
Prinzen Cnut zum Könige ausgerufen; aber die Wittigſten 
‚Englands, Gefttiche und Laien, hätten einmüthig befchloffen ihren 
König Üiheteed zu befchidden und ihm zu fagen, baß kein Kö⸗ 
nig Ihnen lieber fei als ihr angeborner Herr, wollte ex fie nur 
beffer' als er ehe gethan halten. Wie hätte Ätheireh fich ges 
ſtehen ſollen, daß die goldne Laft, welche das Ungluͤck feines 
Lebens geweſen, hinfort nicht leichter zu tragen ſein wuͤrde? 
Sie wieder zu ergreifen war er in ſeinem Leben einmal nicht 
traͤge. Er ſandte ſeinen Prinzen Eadweard und Abgeordnete 
um zu verkunden, — wir befißen wahrſcheinlich bie "eignen 
orte der Proclamation — „er heiffe allen feinen Leuten feis 
nen Gruß entbieten. und verſpreche allen ein huldreicher Here 
zu fein; daB er verbefiern wolle, was fie alle misbilligten, daß 
Alles und Jedes was gegen ihn’ gefagt oder gehandelt; verge⸗ 
ben fein folte, falls fie alle einflimmig und ohne Gefaͤhrde zu 
ihm: fig kehrten.“ So warb dann Freundſchaft in’ Wort und 
That und durch Vertrag auf beiden Seiten hergeftelt "). Je⸗ 
der daͤniſche Krieger wurde für immer von England verbannt 
und dafelbft geächtet erklaͤrt. Darauf Eehrte RAthelred fchon um 
Faftenzeit heim und ward von feinem ganzen Wolke. fröhlichen, 
als ſeit feinem Krönumgstage es geſchehen war, begrüßt. Cnut 
verweilte noch in Gainsborough umd ließ im Lande Lindſey 
Pferde für fein Heer zuſammentreiben. Hierher ruͤckte auch 
Athelred, mit größter Grauſamkeit ‘gegen biefe feine abgefallnen 
Provinzen; doch auch mit ungewohnten Erfolgen — er war von . 
Thurchill unterſtuͤtzt — gegen feine Feinde. Eifrig ließ ex ber 
Leiche Svens nachforfhen, um an diefer noch feine-NRache zu _ 
uͤben; fie wurde jedoch von einer Matrone verborgen gehalten, 
dann nach York und fpdter zu Roeskilds Gräbern von jener 
und andern englifchen rauen geleitet”). Cnuts Dänen begas 
1) Merkwuͤrdige Worte des chron. saxon. u. Florent. ad a. 1014. 
2) Ditmar. Merseb. mit dem Simeon Dunelm. ad a, 1014. - 
und encom. Emmae übereinftimmend. G. Gaimar vs. 4162. '‘ 
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 29 


40. Deitte Abtheilung. 


ben ſich auf ihre Schiffe und landeten zu Sandwich, wo ja 
die feinem Vater gegebnen Geiſeln, die vornehmſten Iünglg 
Englands‘, mit abgefchnittenen Händen, Ohren und Nafm4 
das Land feßte und neuen Tribut von 30,000 Pfund & 
ber ) für fein zu Greenwich flehendes. Heer erprefite; WW 
fchten England - für ihn verloren, da Thurchill fich ihm nit 
terwerfen wollte, Er fchiffte hierauf mit nur 60 ihm geil 
nen Schiffen nach Daͤnemark, wo er einen ee 
firch: machte. feinen Bruder Haralb zu bewegen. jetzt Di 
marks: Herrfchaft. mit ihm. zu. theilen, darauf ‚aber, da 
tere der Zukunft anheimflellend, einen gemeinfehaftign I 
dug nach dem Wendenlande mit demſelben unternahm. | 
Ein. Sonnenblid des Friedens und der Sicherheit fr 
auf. England; doch follte es nur ein fehr kurzer fein. . 
waren die Engländer ſich felbft überlaffen, als bereit-m 
genden Jahre die innern Fehden wieder ausbrachen GE 
Streone. hatte auf der Reichöverfammlung zu Oxfoid 9 
den aͤlteſten Thane der ſogenannten ſieben Burgen ie 
cien, Sigeferth- und Morcaer, in feine Wohnung gi 
‚meuchlingd gemordet. Äthelred, diefer Unthat 
‚nicht: fremd, gebot deren Befigungen in feinem Namen * ei 2 
auch Aldgithe, die Wittwe Sigeferthd, nach Malmitl 
fangen zu führen. Des Königs aͤlteſter Sohn erfter Cd 
mund, mit dem Beinamen Eifenfeite, erblidte fie. Ir Wi 
nahm. fie, wider Willen feines Vaters, zur Frau und ME 
tigte fih darauf mit Gewalt des Gebietes der beiden EEE 
nen Thane?). Unterbeffen war auch Thurchill wieder va 
eb abgefallen, da er feine ehrgeizigen Abfichten allein 
fegen fich nicht getrauete, und ‘war mit neun Schiffen nu 
land- gefahren, dreiffig Schiffe mit treuen, ſtarken Krug 
waffnet in England zurüdiaffenn, um Cnut ae 
biefes Landes wieder zu bemächtigen. Gnut folgte * 
the willig, ſicherte ſich die Unterſtuͤtzung feines - Stier 
des ſchwediſchen Herrſchers Dev, genannt der Speöffl 
' u. 
1) So Florent. Simeon. Dagegen haben ehren. 
Henr. Huntend., Bromton 21,000 Pfund. 
2) Florent. ad a. 1015 zwiſchen d dem 15. Auguſt und 8. PR | 


- 
















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4 


Von Anfang des 9% bis Anfang.des 11. Jahrt. 451 
ſegelte mit 200 Schiffen aus?), auf denen auch Erik Jarl von 


Norwegen:?),welcher Gyda, eine natuͤrliche Tochter Koͤnig 


Svens, geheirathet und mit ſeinem Bruder Hacon jenes Land 


erhalten. hatte”); der Jarl Ulf, Sohn’ des Thurchill Sprakalaeg 

und Enkel Styrbioͤrns und einer Tochter Haralds Blaͤtand, 

ſich befanden. 
Auf die Nachricht von Cnuts Landung in Sandwich zo⸗ 1016. 


gen ſich die angelſaͤchſiſchen Heere, unter Eabmund und Ead⸗ 
ric, zuſammen. Doch dieſer Verraͤther, ganz in dem Gewirre 
feiner eigennuͤtzigen Plane ‚verloren, ſtrebte nur dahin den’ 
Prinzen ums ‚Leben zu bringen, welcher Plan entdeckt 


» So encom. Emmae. Florenz ad a. 1015 magna classis, 
Ehron. saxon. ad a. 1016 ſpricht nur von 160 Schiffen, ohne zu ſagen, 
daß es die ganze Flotte geweſen. Ditmar hat 340 Schiffe, jedes mit 


-80 Mann. Olav Trygweſons Sage 800 Schiffe. Adam. l. I. mille navi- 
bdas Caut armatus. So zuverlaͤſſig pflegen numeriſche Angaben zu fein! 
Daß auch Harald, Cnuts älterer Bruder, denfelben begleitete, fagt Dit⸗ 


mar B. VII. 

O5 Adam. I; 86. Cnut pactum imit cum fratre, filio Herici, 
ui regnavit in’ Suedia, eiusque fultus auxilio deliberavit — Angliam 
subiugare. Daher die Sage (Guil. Gemet. V, 8. Wallingford 
548, auch in leg. Eadwardi confess. nat, 15), daß Gnut den Lacmann, 


König der Schweden (Laghman bezeichnet vielleicht nur bie Würde), und . 


Olav, König der. Norweger (welcher damals von Sven vertrieben "gegen 
Cnut focht), zu Hülfe gerufen habe. 

8) Erich war ſchon aus Norwegen vertrieben, in welches Reich 
Dlav der Deilige nach Svens Tode zurüdkchrte. Adam a. a. D. fegt 
Olavs Ruͤckkehr nach Norwegen vor. Enuts im Sommer bed J. 1015 
erfolgter Rüdkehr nad England. Damit. ſtimmt auh Theodorich 


‘(de regib. Norveg. c. XV.), welcher Olavs Ruͤckkehr aus England nad 


Norwegen zur Zeit von Äthelreds Flucht nach der Normandie angibt. 
Snorro erfheint alfo als durchaus unhiftorifh, wenn er ben Olav 
dem Könige Äthelred nach feiner Rückkehr London von den Dänen, in 


deren Befis es (nad) den englifchen Nachrichten) während Äthelrebs 
Leben nie.war,. erobern helfen unb denfelben hernach zu andern Kämpfen 


begleiten laͤſſt. Vgl. oben S. 442 Note 4. Der junge Dlav perweilte 
ohne Kriegsgefolge am Hofe des Feindes feines Gegnerd, des Soen, 
und mag an Gefechten gegen benfelben Theil genommen haben; das Weir 
tere verdankt Olavs Ruhm ben Scalden, denen für Geld und Wein 
jedes Lied feil war. Man fehbe unter andern die Gunnlaugs Sage, 
worin felbft Athelred als ein Ergel der wohithatigen Gottheie beſen⸗ 


gen wird! 


20* 


' 


42° Deitee Abtheituns. 


N 


wurde und zur Fotge hatte, daß beide Heere ſich wieder 


trennten und dem Feinde den Ruͤcken kehrten. Eadric 


verlockte darauf vierzig Schiffe, welche groͤßtentheils mit den 
von Äthelred beſoldeten Daͤnen beſetzt waren, denſelben zu ver⸗ 
laſſen und ging mit ihnen zum Koͤnig Cnut uͤber. Der Feld⸗ 
zug wurde von den Daͤnen, welche, den ſpaͤtern ſtehenden Hee⸗ 
ren ſehr ähnlich, gleichfalls dadurch ein großes Ubergewicht über 
den durch Haus, Feld oder Markt haͤufig in Anſpruch genom⸗ 
menen angelſaͤchſiſchen Heerbann beſaßen, auch im Winter fort 
geführt, und Cnut, den Eadric an feiner Seite, ſchiffte mit dem 
Anfange des folgenden Jahres die Themſe ganz hinauf bis 
nach Gridlade (im Norden von Wiltfhire) und zog von da 


. fengend und brennend nad) Warwickſhire. Der Ätheling Ead⸗ 


mund brachte ein Heer zufammen, doch ba ber zu London 
verweilende König Äthelred mit den tapfern Bürgern biefer 
Stadt bei demfelden nicht erfchien, fo fah man plößlich das 
ganze Heer aufgelöft und die Krieger zu ihren Städten und 
Dörfern eilen. Es erging ein neues allgemeines Aufgebot zur 


 Heerfahrt unter Androhung flrenger Strafen, -und der König | 


ließ fich durch die Vorſtellungen der an ihn abgeorbneten Ge 
fandten bewegen fich feinen Kriegern zu zeigen. Aber kaum 
war, er bei denfelben angelangt, als ihm das Gerücht einer 
gegen ihn angezettelten Verfchwörung ind Ohr geraunt wurde 
‚und der unfelige Schwädling bad Heer entließ, um fich in 


den feſten Thuͤrmen Londons zu verſchlieſſen. Eadmund eilte 


jegt zu feinem Schwager Uthred, dem Grafen von Northum⸗ 
berland, wie das Volk hoffte, um Mannfchaft gegen die D&s I 


nen zufammenzuziehen. Doch befchränkte jener fich darauf | 
einige von Eadrics Landfchaften, Stafford, Salop und Cheſter, 


pluͤndernd zu durchziehen. Cnut, welcher mit den Seinigen 
im noͤrdlichen Weſſex hauſete, ging, auf die Botſchaft von |. 


Uthreds Zuge, nach Lincoln und fiel in Northumbrien em, wor: 
‘auf der Graf zurüdkehrend fich mit feinen Leuten dem Daͤnen⸗ 
fürften, wie früher dem. Vater deſſelben, unterwarf und für 


feine Unterwürfigkeit Geifeln ſtellte. Cnut eilte jegt den Kb 
nig Üthelred in London felbft anzugreifen, wohin zur Verthei⸗ 
digung der Stadt auh Eadmund gezogen war. Ehe jener 
mit feiner Slotte anlangte, war unterdeffen Athelred, welcher 





Bon Anfang des 9. His Anfang des 11. Jahrh. 453: 


fett längerer Seit. oft fiech barniebergelegen hatte, am St. 1016 
Georgstage verftorben. Seine Keiche wurde in St. Pauls: 23. April. 
Kirche beigefegt. Die Gefchichte kemt . wenige fo lange und 
ſtets unglüdliche Regierungen als die feinige, und wie verſchul⸗ 
det auch fein Elend war, hat daher bie Kirche ihm doch die 
Ehre des Märtyrertbums zuerkannt. | | 


Eadmund Eifenfeite. 

Zerriſſen wie England durch den Haß und bie Zehben 
des höhern "Adeß gegeneinander ımd die daher entflandene 
Treulofigkeit deffelben gegen ben König war, trennten fich bie 
Herzen des Volkes doch nicht ganz von dem alten Herrſcher 
flamme, und befonders der aufleimende Bürgerfland vergaß 
nicht, daß er diefemi feine neuen Vorrechte verdankte und von 
den Dänen Feine Befldtigung oder gar Erweiterung berfelben 
zu erwarten hatte. Die dem verflorbenen Könige treugebliebe- 
nen, zu London verfammelten Wittigften, fowie die Bürger 
diefer Stadt, deren Xheilnahme hier. ausdruͤcklich gedacht wird, 

erkoren Eadmund, Äthelteds aͤlteſten Sohn, defien Tapferkeit 
ihm den bezeichnenden Beinamen Eifenfeite verfchafft hatte, 
zum Könige Englands, Der. bei weiten größere Theil der 
engliſchen Geiftlichkeit und des Adels jedoch hatte fich einmüs 
thig verbunden den Dänen Enut zum Herm und Könige zu 
erwählen; Bifhöfe, Abte, Ealdormanen und andere Vornehme 
vom Abel firömten nad Southampton, wo Cnut verweilte, um 
vor ihm von dem Gefchlechte Äthelxeds für immer eidlich ſich 
loszuſagen, den Frieden mit Cnut feflzufegen und ihm Treue zu 
fhwören, wogegen diefer auch ihnen, nach göttlichen und welt: 
lichen Rechten, ein treuer. Herr zu fein durch feinen Eid be> 
Träftigte '). Eadmund verließ mit feinem Bruder Äthelſtan 
London, wo die verwittwete Königin Emma zurüdblieb ’), und 


1) Florent. Simeon ada. 1016 geben obige im saxon. chron. 
fehlende Nachricht. | m 
u 2) Ditmar a. a. D., deffen Nachrichten jedoch mit Vorſicht zu 
benugen find. Unter Anderm iſt zu bemerken, daß, nach bem englifchen 
Ehroniften, Eabmund London verließ vor der dänifchen Belagerung und 
daher nicht, wie jener erzähle, heimlich bei Nacht in einem Boote 
berfelben entfloh; daß Eadmund nicht von Thurgul (Thurchill), der 





MR Dritte Abtbeilung. : . 


verſchaffte fh, von treuen Kriegen umringt, bie Anerkennung 
des Volkes in Weſtſachſen. Die daͤniſche Flotte "hatte unter 


zu liefern, als Beider Heere im Lande der Hwiccas zu Sceor⸗ 


N 


‚bie Stabt verfuchtz doch die Bürger von London, gelegentlih 


4 


deſſen vor London geankert, welche fie zur Übergabe auffoderte. 
Die übermüthige Auffoderung der. Dänen an die Königin fol 
an die Bedingungen geknüpft geweſen fein, daß fie ihre Söhne 
ihnen außliefern, fi) mit 15,000, zwei bortige Bifchöfe mit 
12,000 Pfund fowie den dortigen Waffen Iosfaufen und für 
die Erfüllung dieſer Bedingungen 300 Geiſeln fiellen folk. 
Die Königin fol nad) langem Schwanken dieſe Vorſchlaͤge 
angenommen und Geifeln geftellt haben). Body wurben jene 
nicht erfült. Don den Dänen wurden daher Gräben um 
bie Stadt gezogen, Belagerungdwerke aufgerichtet; viele Ar 
griffe wurden von dem Waffer wie von bem Lande her auf f 


von ihrem Könige unterftügt, ſchlugen den mächtigen Feind 
unerfhroden ſtets zurüd. Eabmund unterdeſſen kaͤmpfte un 
verdroffen. den ganzen Sommer hindurch zahlreiche Gefechte 
und Schlachten mit dem Feinde. Zu Pen, bei Gillingham in | 
Dorfet, hatte er ed gewagt mit feiner Eleinen Schaar ein D& 

nenheer anzugreifen, wo fein Muth und feine Geſchicklichkei 
den Sieg über die rohe Menge davontrugen. Ald er in dm 
naͤchſten Monaten die Zahl: feiner Krieger verflärft hatte, wagte 
er dem Cnut felbfl, am Tage nad) St. Iohannid, eine Schladt 


ihn angriff (f- unten), erſchlagen wurde. Dit mars Nachrichten im B. VII. 
nehmen in der Zeit zwiſchen Eadmunds Tode und vor der übergabe ein 

Ende. Das encom. Emmae ſtimmt dagegen mit Ditmar darin über 
ein, daß London fi wirklich an nut ergab, und erzählt, daß Cat: 
mund bie Nacht vor Cnuts Einzug entfloh. AÄhnlid) auch Roman de 
Rou vs. 6518 sq. Doch können wir ben Verfaffer jenes encomium kei⸗ 
neswegs als durchaus mwohlunterrichtet anfehn, welcher den Eabmund 
noch ben folgenden Winter in London zubringen und im Frühjahr bar 





‚ auf fechten !äfft, da dieſer doch ſchon vor Anfang des Winters gefton 


ben war, 


1) Nur ber merfeburger Biſchof verburgt dieſe Nachrichten. 
dieſe Belagerung Londons möchte ſich auch Snorro a. a. O. Cap. 
beziehen, und unzweifelhafter Flatobogen bei Torfaeus T.IIL.c.19. 
Der im ketztern genannte Thord, Thurth, ein Neffe Spurdills, ı wird noch 
in engliſchen Urkunden ſpaͤter genannt. Palgrave H, 226, | 


Bon Anfang des 9. bie Anfang des 11. Jahrh. 4. 


flan (Wilts) zufammenträfen. Durch Eadmundstreffliche An⸗ 
orbnung feines: Heeres, die Begeiſterung welche feine Reden 
und fein Beiſpiel demfelben mittheilten, wären die Dänen: bes 
fiegt gewefen, wenn nicht: der. treulofe Eadric Streone, Amar, 
welcher. den Beinamen: des Lieblings (Deorling), vermuthlich. des 
verftorbenen - Königs, :teug, und Algar, Meaws Sohn, mit 
ihnen zahlreiche ſuͤdangliſche Krieger '), auf ihrer Seite, gefoch⸗ 
ten hätten. Beim: Einbruche der Nacht war der Kampf un⸗ 
entſchieden, und Eadmund begann denſelben wiederum am fol⸗ 
genden Tage. Nach einem heftigen Gefechte drangen ſchon 
die Engländer ſiegreich vor,. und Eadmund hatte ſich den Weg bis. 
zu Enut gebahnt, deffen Schild er.mit einem kraftvollen Streiche 
theilte, ohne ihn ſelbſt jedoch gefaͤhrlich zu verletzen. Thurchill 
rettete Cnut, indem er Eadmunds Roß in zwei Stuͤcke zer⸗ 
bieb 2). Die Dänen wären: an dieſen Tagen aufgerigben, doch 
der Landesverraͤther Eadric Streone rettete fie durch eine Kriegs⸗ 
lift. Er ſchlug einem Manne Osmear, deffen Haupt und Haar. 
dem bed Königs Eadmund ſehr glichen, den Kopf ab, hob dies 
fen empor umb rief den ihnen entgegenftehenden Kriegerm zu: 
Ihe Männer von Dorfet, Devon, Wilts, fliehet, denn euer 
Sührer iſt gefallen; hier feht in meiner Hand das Haupt eures 
Herrn, des Bafileus Eadmund! Zlieht oder ergebt euch, fo , 
fchnell ihr koͤnnt! Ohne Eadmunds Geißeögegentwart, welcher 
ſich auf einen Hügel ftellte, auf welchem die Seinigen ihn ers 
bliden konnten, wären die. beſtuͤrzten Engländer zur Flucht 
verleitet geweſen; dennoch hatte die dadurch veranlaſſte Unord⸗ 
nung die Wirkung, daß der Sieg uͤber die Daͤnen nicht ver⸗ 


1) Edricus — cum Suthantontensibus et Wiltoniensibus etc, (nicht 
aber die von Somerfet, wie Turner und Lingard fchreiben) in parte 
Danorum fuerant: Florent. Simeon ad a. 1016. Lingard 
irrt alfo, wenn er behauptet, Eadric ‘habe gegen die Dänen gefochten. 
Algar oder Älmar muß ıder Ealdorman von Southampton gewefen fein, 
da Wilts zu Eadrics Mercien gehörte, welches nur aus dem Iheile bes 
- alten Königreiches. Mercia befand, das nicht an bänffche Herren und 
Lehnsleute (Danelaghe) gefallen war. . 

2) Knytlinga Saga. Auf diefen Kampf beziehe ich auch bie von 
Ingram richtig überfegte, aber irrig auf ben fpÄter vorgefhlagenen 
Zweikampf beiber Könige bezogne Gtelle ber sax. chron, p. 197; vgl. 
Flatobogen bei Torfaeus hist. Norveg. P. III. c. 19. 


1. Bee Dritte Abthellung 


folgt‘ wurde und dieſe in ber Nacht unbemerkt nach dem Lager 
von London fich zuruͤckziehen konnten). Die Dänen ſchrieben 
fih den Sieg zu; bie Tapferleit der Engländer. anerfennend, 
behaupteten. fie. jenen dem Eifer und. dem Muthe Thurchills zu 
verdanken, welcher feine. Treue dem Könige: Enut hier. bewäh- 
ren wollte”). Wahrfcheinlih war es eine mit nut verabre⸗ 
dete Li, daß Eadric ſich jetzt feinem firgerfreuten Schwager 
Eadmund nabte um Gnabe zu fuchen und den Eid der Zreue 
zu leiſten. Eadmund gab der wohlgefpielten Reue Gehör und 
ſchenkte ihm, der jetzt die Dänen ihm zu wersnthen fchien, alles 
Zutrauen. Ein dritter Kampf mit den Dänen, bei Brentfor 
an der Themfe, war ihm: durchaus flegreich, ebenfo mit ver 
ftärktem Heere ein folgender bei Ottford in Kent. Schon 
flohen die Dänen nach ber Inſel Shepey, und Eadmund 
hätte fie leicht ganz aufreiben Fönnen, wenn er nicht durch 
den trügerifchen Rath Eadrics, der ſtets wie der böfe Geiſt 
Englands wieder erfcheint, ſich hätte bereben laffen von der 
Verfolgung derfelben zu Eagelsford abzuftehen und. nach Weſſer 
heimzukehren. Cnut war bald durch neue Ankoͤmmlinge verſtaͤrkt, 
und fo Fam es nod) zu ber großen Schlacht bei Affandun (Aſhdown 
in Effer), der erften, aber auc) der letzten Schlacht welche König 
Eadmund verlor. Der rafche Angriff Eadmunds brachte die DE 
nen zum Weichen und nach dem biutigften Kampfe fchien der 
Sieg der Angelfachfen nicht zweifelhaft. Vergebens ermahnte 
der tapfere Thurchill die Krieger Enuts und zeigte ihnen den 
ſtolz flatternden Raben auf der Töniglichen Standarte. Trotz 
aller preiswuͤrdigſten Anflrengungen Eabmunds jedoch wurde 
ſeine Schlachtordnung und der Muth der Seinigen durch jenen 
‚alten Berräther, den Ealdorman von Mercien, erfchüttert, web 
her mit feinen Magefäten (Hwiccas, ‚Hereford) im entfcheiden | 
den Augenblide das Banner ſenkend entfloh ). Diefer Ums | 
fland entfchiedb über ben Ausgang ber Schlacht. und Uber das 
Schickſal Englands. Beſonders zahlreich war der Verluft des | 
angelfächfifdyen Adels, welcher bei ben Eroberern, als denſelben 


1) Florent. Malmeab. 
2) Eocom. Emmae. Thurchills Gegenwart bei dieſer Schlacht ge⸗ 
denkt auch G. Gaimar V. 4229, welcher die Zeit genau angibt, 
3),Florent. Encom. Emmae. 





Bon Anfang 5469. bis Kafang:des 11. Jahrh. 457 


durch ſeinen Einfluß im Lande laͤſtig und großentheils ven 
Dänen durch: fein. gleichfalls gebrochnes Wort verfallen, keine 
Gnade finden durfte... Unter: den großen Ramen welche unter 
denen der Gefallnen verzeichnet find, bemerken wir auch: die 
Ealdormanen Wfkittte ') und Äthelweard von Dflanglien, Sohn 
des früher berühmten Ealdormanes von Dflanglien, Athelwine 
des Gottbefreundeten”), Godwine von Lindfey ?); auch ben 
mehr erwähnten Ailfric; ferner einen Biſchof von Dorchefter, 
Eadnoth und andre Geiftliche,. welche nach alter Sitte ihres’ 
Volkes fich im Lager eingefunden hatten, nicht um zu kämpfen, - 
fondern durch ihre Gebete die Streiter zu ermuthigen und: zu 
ſtaͤrken ). Cnut und Thurchill errichteten, nach einigen Jahren, 
zum Andenken dieſer entfcheidender Schlacht, welche für Die 
Dänen damald wurde was fpäter für die Normannen bie be: 
rühmtere Schlacht bei Haflings, eine Kirche auf dem Hügel 
von Afybomn ‘); vielleicht das erſte Mal, daß die neubekehr⸗ 
ten Dänen in einem chriftlihen Denkmale ihren Ruhm ımb 
ihren Frieden fuchten. Cnut begnügte ſich nicht mit dem fiegs 
reichen Auögange biefer Schlacht, . fondern verfolgte feinen Geg⸗ 
ner bis in Gloceſterſhire hinein, Eadmund wollte ein neues 
Kriegöfpiel wagen, doch beide Könige wurden von Eabric zu ’ 
einem Sriedenövergleiche bewogen. Eadmund fol felbft den 
Cnut aufgefodert haben das Blut ihrer Völker zu fchonen. und 
ihren Kampf über die Herrſcherkrone Englands durch einen 
Zweikampf zu erledigen. : Die Nachrichten über die Art wie 


1) Irrig alfo Snorro ober feine Quelle Thord Kolbains Sohn, 
welche in Olav des Heiligen Sage Cap. 23. erzählt, daß uufketill vom 
Jarl Erich bei London erfchlagen fe. - . 

2) Ingram folgt ber. falfchen Lesart Ethelſey, welcher gleich 
‚Üthelwine ein Sohn des Halbkoͤnigs Äthelften war. Florenz und Si⸗ 
meon haben Äthelwin, und bezeichnen durch den Zufag dei amicus 
als den, deſſen Tod b. 3. 992 erwähnt war. . 

8) Zn ihm laͤſſt fi der Godwine Tuchen, welcher im J. 998. in 
Eindfey mit feinem Heere floh. Florent, Godwine minister.. Urkunde 
1004, 1012. Gale I, 622. Suhm-1ll, 795. . 

4) Histor. Ramsey. c. 72. — ur “ 

5) Chron. saxon, Florent. ad a. 1020, Histor. eliens. ıL 2. 
Daß Enut auch an andern Kampfplägen Kirchen errichtet babe, et ver: 
muthlich nur ein Zuſatz des Matth. Westmeh.' 


466.. Dritte Abtheilung.. - - 
Cnut dieſen Antrag aufnahm, weichen von einander ab; gewiß 
iſt, daß. Eadmund keinen Vortheil aus demſelben gewann ). 
Das Gefecht oder die Herausfoderung endigte auf der Inſel 
Olney im Severnfluſſe mit. Friedenskuſſen, Bundesſchwuͤren, 
Bruͤderſchaft und einem Theilungsvertrage, welchem zufolge 


Eadmund Weſſer, Eſſer, Oſtanglien und London und was 
ſuͤdweſtlich liegt behielt, das uͤbrige England aber oder, mit 


andern. Worten, was nörblid von Foßway und: der Watlings: 


ſtraße lag,. an. Enut fielz der Titel und ‚die Krone Englands, 
deren. Cnut fich fchon : angemaßt hatte, verblieb dem Eadmund 2). 
Die jungen Könige beſchenkten ſich gegenſeitig mit ritterlihen - 
Waffen und. Foftbaren Gewändern und ſchieden von einander, 
nachdem noch für die daͤniſche Flotte ein Tribut feftgefegt war, 
welchen auch Eadmunds Staaten entrichten follten.: London 
hatte'nach der Schlacht von Aſhdown einen befondern Vertrag . 


mit dem Jarl Erik, welcher die Belagerung geleitet. hatte, abs 


geſchloſſen und geflattete jegt dem bänifchen Heere den Aufent⸗ 
halt für den. Winter in feinen Hafen und Mauen’). Die 
tapfern. Bürger hatten ſich kaum des Friedensabfchluffes und 
ber Ruͤckkehr des Königs in ‚ihrer Stadt erfreuet, als dieſer 
dafelbft *) plöglih am St. Andreastage, kaum ſechs Monate 


- feinen Vater überlebend, flarb, wahrfcheinlich. durch eine .meus 


helmörderifche Hand getoͤdtet. Eadric felbft und fein Sohn 
wurden dieſes Verbrechens angeklagt, den König meuchlings 


in. einem unbeachteten  Augenblide mit einem Dolce‘) oder 


1) Aethelred Rieval. 363. erzählt ausführlihd von dem Zwei⸗ 
kampfe, aus ihm wörtlid Matth. Westmon,, aud zum Theil 


Bromton. Knyghton. Ähnliyd Huntend. Nah Malmesb. 


II, 10. und encom. Emmae lehnte nut die Einladung vorfichtig ab. 
Nah G. Gaimar wurden alle Vorbereitungen zum Kampfe getroffen, 


do von Enut, als er dem Feinde gegenüber fland, ber Friede beſpro⸗ 


chen. Auch Joh. Petriburg: bei Sparke 36. Johannis ehreni- 


con in Ludewig reliq. Mss. glauben an den Zweikampf. 


2) Corona regni tamen Eadmundo xemansit. Rex: Londoniam et 


‘ "'sceptra cepit regalia.. Huntend, 


8) Encom. Emmae. Henr. Huntend. laſſen ondon vor ‚dem 


allgemeinen Frieden in Cnuts Haͤnde fallen; nach demſelben chron. 
saxon. FIorent. 


4) Florent. Mietor. eliens, I, 21. 
2 Aethelred Bieval. 865. Malmcosb. Huntend, welcher 


- 


Bon Anfang des .9; bis Anfang des 11. Jahrh. 459. 


durch Gt") oder auch durch. eine einen Bogenfchügen dar⸗ 
ſtellende - Mafchine?) um& Leben gebracht zu. haben. Daß 
Eadric dem Könige Cnut einen Dienſt hierdurch zu erweiſen 
glaubte, iſt nicht zu bezweifeln, eher, ob dieſer um die That: 
wuſſte, weſſen er von den englifchen Schriftſtellern wentgffens 
nicht befchuldigt warb’), welche vielmehr erzählen‘), — was 
fih jedoch als Misverfland erweilt, — daß Cnut den Eabdric 
für diefe That fogteih habe auffnüpfen laſſen. Am meiften 
möchte gegen Enut eine Schenkung Verdacht erregen, welche er 
in feinen ſpaͤtern Lebensjahren am Grabe Eadmunds zu Glaſton⸗ 
buy machte „zur Vergebung feiner (Cnuts) Sünde und für 
die Seele feines Bruderd Könige Eadmund”‘). Ä 

Eadric der Verräther, fowie fein Vorgänger in Künften 
und Wuͤrden, Ailric, ſind ſchwer zu faſſen, ſelbſt bei aller Ver⸗ 
txautheit der neuern Geſchichte mit vielfachen Verraͤthern unſe⸗ 
rer Tage, welche unter zwoͤlf Fahnen gefochten, fuͤr zwoͤlf Re⸗ 
gierungen Tractate unterzeichnet haben, mit der Ruhe des Kun⸗ 
digen, der die Fahne nur für ein beliebiges Stuͤck Leinewand an⸗ 
fieht, und alle mögliche Worte für Hauche der längft befchwich- 
tigten Luft, Alle aber welche an Heiligkeit der Fahnen. und Worte 
glauben, als ſchwache und ungebildete Thoren verachtet. Waren 
Üthelred und Eadmund fo fehr verblendet, daß fie fich ſtets 
von verſchmitzten Intriganten täufchen lieffen und. den fchlimm: 
fien aller ihrer Feinde immer wieder zu Gnade aufnahmen? Al- 
lerdingd war Täufhung in folchen Zeiten leichter, als fie neuer 
und feltener war, wie der gemeine Marktichreier unferer Tage 
damals für einen Zauberer gegolten hätte. Aber muflten nicht, 
da die Wittigften an allen irgend bedeutenden Beſchluͤſſen 
Theilnehmer waren, dieſe ebenſo ſchwach wie Wr, Köntge oder 


fügt, daß ber König zu Orford ſtarb. Auch Snorro (Olav Haralds⸗ 
fon Saga Gap. 24.) nennt Eadric Streona als den Moͤrder. Ebenſo 
histor. eliens. 1. . Den Worb beflätigt auch hist. rom⸗eeiens. c. 74. 

1) Adam. Bremena. |. |, 

2) G. Gaimar. vs. 4399. Bromton p. 906, 

3) Nur in der Knytlinga Saro Srammaticus gibt 
diefe Nachricht nur als Geruͤcht. 

4) Aethelred Rieval. 

5) urkunde v. 3. 1032 dei Guil. Malmesb. de "antiquitatib: 
glaston. ecclesiae. gl. Matth. Westmon, ad a. 1026. 





"460 Dritte Abtheilung. 


verrätherifch wie Eadrie und: feine Genoffen fen? Oder ſollte 
nicht vielmehr, wie bebeutend Eadrics Perfönlichkeit, wie groß 
fein dämonifcher Einfluß gemefen fein mag, Manches ihm von 
Zeitgenoffien und Nachkommen  angedichtet fein, ‘ wie: einige 
Materien alle böfe und giftige Dünfle an fich ziehn? und 
war er nicht zugleich, wie feine Vorgänger in der Ealdorman- 
ſchaft von Mercien, hauptſaͤchlich nur ein Organ Merciens, 
deſſen Adel großentheild dänifchen Urfprungs, deſſen Volk daͤ⸗ 
nifch senglifcher Zunge, Beide der weftfächfiihen Herrfcherfamilie 
fih nie befonderd ergeben zeigten? Diefe Löfung des Räthfels 
erfcheint um fo glaubwürdiger, da Eadric das Zutrauen feiner 
Provinz nie verlor, welche ihm zu den Dänen wie zu den Well: 
fachfen folgte. Hatten doch felbft die Ealdormanen von Wefts 
fachfen ſich ſchon zuweilen für den dänifchen Raben erklärt. Der 
Glaube an Wodans Enkel war längft. verfchwunden; mit je 
nem hatten die hohen Gefchlechter fich ſelbſt aufgegeben, erft 
in Sinnenluft, dann in Feigheit, und die politiſche Bedeutſam⸗ 
keit der Eöniglichen wie der adeligen Gefchledhter war an den 
Wurzeln tief erfchüttert. Der Emportömmling (Streona) 
wurde freilich noch mit dem befferer alter Gefinnung und neuer 
Schwäche entflammten Haffe bemäfelt und verfolgt, hätte aber 
nur durch einen andern verfchmigteren Emporkoͤmmling verdrängt 
werden fünnen. Der Etaat befland nicht länger in dem vers 
einten Intereſſe des Königthums, des Adeld und der Kirche, 
in welchem die Würbdigften des Volks fich vereinten, fondern 
‘in einigen Leuten, welche jene zu repräfentiren vorgaben; einis 
ges zufällig durch die Laune des Königd zufammengetroffene, 
verfchwägerte "ind vervetterte Hofgefinde bildete eine Gefellfchaft, 
welche. ſich fürden Staat hielt, dem Einfluffe nach für den 
Augenblid es wirklih war. Schon jest haben wir genug von 
der angelfächfiichen Hofgefchichte vernommen, von der hoh⸗ 
len Eitelkeit, wie den Ausfchweifungen der Fürften, der Herrſch⸗ 
fucht der Prälaten, tüdifchen Morden ımd böfeflem Verrath 
felbft' unter nächften Verwandten, um biefen Hof für fo by⸗ 
zantinifch zu halten ald jener am Bosporus es je war, und 
den Zufammenfturz einer. auf denfelben geflügten Staatsma- 
ſchine zu verfiehen. EIN. | 


. 


Vierte Kotheilung 


Die daten der Alleinherrſchaft der Däich in | 


‚England. . 


— 22—424 





aut. 


Sir ı nad) Eedmunds Ermordung berief deſen m mächtgfe | 


Vaſall, nut, der König des noͤrdlichen Englands, - die : Bis 
fchöfe, Ealdormanen und faͤmmtliche Thane, Exrbgefeffene und 
Biedermannen *) zu einer großen Gemote nad) London. : Hier 
trat berfelbe hervor und foberte, als ob er feiner eigenen Er⸗ 


innerung nicht vertrauen bikfe, die "welche Zeugen: feinee Uns: :: 


terredungen mit. Cabmund wegen ber Wrüber und Söhne befs 
felben gewefen, auf zu erklaͤren, ob damals, falls er Ead⸗ 
mund überleben follte, ihm oder jenen ber Thron. beftimmt 
wosden fei.. Feige und eigennüßige Stimmen betheuerten ſo⸗ 


gleih mit Eidſchwuͤren , daß Eadmund weder bei geſunden 
Tagen noch in den letzten Stunden ſeinen Bruͤdern das Reich 


habe übertragen wollen; Cnut ſolle, nach Eadmunds ihnen be⸗ 
kanntem Willen, deſſen Kinder unterſtuͤtzen und ſchuͤtzen, bis 
dieſe das regierungsfaͤhige Alter: erreichten. Dieſe Erklaͤrung 
über die Ausſchlieſſung der Bruͤder war damals, wo die Anz 
fprüche der Minderjahrigen auf den Thron feten dei ich⸗ 


1) Onmnes episcopos, duces et principes eunctosiue: nptimetes 


gentis Anglise: Fiarent. Ich habe Fein Bedenken getragen im Jexte 


jene altnieberfächfifchen Ausdrüde anzuwenden, weil ich fie der angel⸗ 


fächfifchen Verfaffung entfprehend halte. Biedermann ift ein Optimat, 


zugleich im moralifchen und ftaatsrechtlichen Begriff, von bedarntt d. 
der welcher Wohnung und Erblund befiet. 


1017. . 


462 u Vierte Abtheitung. 


! 


tigt wurden, Alles was Enut bedurfte um als König des gans 
zen Englands anerkannt zu werden. Mit wenigen Ausnah⸗ 
men fchwur bie verfammelte Menge dem Cnut, ihn zum Koͤ⸗ 
nige von Weftfachfen und den mit demfelben vereinten Staaten 
zu erwählen, ihm Gehorfam zu leiten und feinem Heere die 
gewohnten Tribute zu entrichten. Cnut felbft mit entblößter 


“Hand, fowie bie ihn verbürgenden angefehnften, Dänen, les 


ftete darauf den Weſtſachſen und übrigen: Engländern bie 
Eide, welche durch die üblichen Zuficherungen der Unterthanen 
erwiebert wurden. Eadmunds Brüder und Soͤhne wurden 
jest durch einen Gefammtbefchluß der Wittigften von allen An 
rechten auf die Thronfolge in England für immer, als Unwuͤr⸗ 
dige, auögefchloffen '), und der trefflichfte, mit Eadmund be: 
freundetfte unter den überlebenden Brüdern, der theling 


| Eadwig, aus dem Lande verbannt. nut, welcher diefen Geg⸗ 
ner vor Allen fürchtete, verfuchte ihn Durch Eabric zu toͤdli⸗ 


chen -Gefahren verloden zu laffen, und nur der Muth, eines 
angefehnen Mannes, Äthelweard, welcher den gefährlichen. Auf: 
trag auf fih nahm den - fremden Zyrannen. zu befchwichtigen, 
vettete jenen für jeßt. . . 

Nach kurzer Friſt, im Anfange des folgenden Jahrs, fand 
die Krönung des ‚Königs Cnut zu London flatt. Auch die 
entfernter wohnenden - Lehnömannen waren. hierher, berufen. 
Uthred von Northumberland, :der- Schwager Eabmunds, er⸗ 
ſchien gleichfalls auf erfolgte Einladung, unter gegebenem „Se 
leite, um mit dem neuen. Hersfcher feinen Frieden abzufchlief 
fen. : Doch. auch ihn hielt Enut für zu gefährlich; und als 
Uthred mit vierzig feiner: Lehnsleute in des Königs Halle ein 
trat, brach plöglich der Daͤne Thorbrand Hold mit Geharniſch⸗ 
ten hervor und metzelte jene nieder. Nachdem die Kroͤnungs⸗, 


Lehns⸗ und Unterthanen = Eide jegt- feierlich) gegen einander 


ausgetaufcht, die Verträge „mit--den Großen des Reichs ges 
macht und die Vergeffenheit alten Haders und feſte Freund: 
fchaft ne :befchweren waren, ordnete Cnut eine neue Ber 


; Heilung der Nteichöoerwaltung an. Schon in den letzten Jah⸗ 


1 Omnino despexerunt, fagt Florenz, der uͤber dieſe Verhand⸗ 


tungen die ausführlichfte Nachricht gibt. Vgl. Aethelred. Rieval, 


— 


—8 


Die Zeit & Alleinhertſchaft d. Dänen In Engl. 468 


ren ſeiner Vorgaͤnger mag die Vertheilung des Landes in eine 

große Zahl kleiner Provinzen als nachtheilig  erfannt - worben 
‘fein, wie aus der geringen Zahl: der. namhaft ‚gemachten 
“ &aldormanen (duces) hervorzugehen ſcheint. Cnut, weiter 
- gehend, theilte. England in ‚vier Theile. Von diefen. behielt er 
Weſſer feiner eigenen unmittelbaren Verwaltung vor; Mercien 
‚erhielt Eadric; Oſtanglien, des erfchlagerien: Ealdormans Ulfs 
Fittle Wittwe, Eadgithe, ‚heirathend.'), der Jarl Thurchill, deſſen 
Waffen Cnut mehr noch als Egbrics Derrätherei zu danken 
:hatte; und Northumbrien der ehemalige, Jarl von Norwegen, 
Eric. Es erfolgte jetzt eine Reihe von Maßregeln, durch 
welche Cnut gegen die Nachkommen und Verwandten der legi⸗ 


timen Familie ſich ſicherte. Der Atheling Eadwig, welcher 


‚dem Verbannungsgebote der Witan zu London nicht gehorcht 
hatte, wurde von -Enut--in die Reichsacht erklaͤrt; ebenſo ein 
anderer Eadwig, vermuthlich ein Verwandter des koͤniglichen 
Hauſes, welchem, um ihn von dem gleichbenannten Athelinge 
zu unterſcheiden?), der Beiname des Bauernkoͤnigs (Ceorla 
Cyng) gegeben wurde. Die kaum zweijährigen Söhne: des 
Koͤnigs Eadmund, Eadward und Eadmund, ſandte Cnut, da 
er dem Rathe, den Eadric gegeben haben fon, fie fogleich zu 
tödten, nicht folgen wollte, zu feinem Halbbruder, Olav dem Heis 
ligen, König von Schweden. Diefer wollte ſich der Gäfte, welche 
dereinft in fo fehr. misliche Berhältniffe ihn verwideln Eonnten, 
nicht annehmen, _ ebenfo werig Cnuts Wünfchen und, wie 
man erzählte, gegebenen Winken, fie erfchlagen zu laffen, wach: 
fommen. Die Kinder wurden daher weiter gefandt und blie⸗ 
ben zulegt an dem Hofe des Königs von Ungarn, Stephan 
des. Heiligen L welcher durch ſeine Semahiin Giſela des deut⸗ 
1) Sum I, | 
-2) Chron. saxon.: ad a. 1017 u. 1020, Florent, ad a. 1017. 
Henr. Hun tend. p. 363 unterfcheiden beide Eadwigs. Bei Simeon, 
der bier fonft buchftäbli mit Flor enz übereinftimme, fcheinen S. 177 
3. 47 die Worte et Eadwin. ausgefallen zu fein, woher er wie einige 
fpätere und bie neueften Schriftftellee nur Einen Gadwig annehmen... Es 
ift überfehen, daß der Ätheling im 3. 1017 eefätagen wurde, der Ans 
bere noch mehrere Jahre lebte. Ä 


8) Florenz nennt ihn Salomon, vo. vom J. 997 bis 1038 





a... Bierte Abtheilung. - 


fchen: Königs und. römifchen Kaiferd Heinrichs IL, gleichfalls 
: mit .dem Beinamen des Heiligen geſchmuͤckt), Schwager 
war; Ohne Zweifel find bei dieſem Fuͤrſten durch jene engli⸗ 
ſchen Prinzen manche: Hoffnungen gemedt und genährt wor- 
. den. Dem. älten .berfelben, Eadmund, gab König Stephan 
feine zweite Tochter zur Ehe, welche jedoch ihren Gemahl 
durch fruͤhzeitigen Tod und ohne Kinder: zu hinterlaſſen verlor, 
‚worauf fie dem Grafen Eppo von  Rellenburg- ihre Hand 
reichte und durch ihn Mütter des Heil. Eberhard wurde”). 
Der jimgere Prinz wurde mit Agatha, einer Angehörigen des 
deutſchen Kaiſerhauſes 2), vermaͤhlt und erzeugte mehrere Kin⸗ 
der, welche wir auf britifchem Boden fpäter wiederſehn werben. 

‚Die gefaͤhrlichſten Feinde hatte Cnut aus England ent- 
fernt. DOlav von. Borwegen, wenn anders vie Bichterifchen 
Sagen Snorros*) einigen hiftorifhen Boden haben, welder 
nach Eadmunds Tode deſſen Brüder unterflügte, warb zu⸗ 
virdgeföhlagen; den übrigen Norden beherrſchte Enut durch 


herrſchto in ungarn König. Stephan. Adam. Bremens, 1 1. Fili 
XKadınundi) in Ruzziam exilig sunt damaali. Be Suym a. a. O. 
III, 533, ” 

1) Diefe hier wichtige Verwandiſchaft wird von, dem engiiſchen Si 
ſtorikern uͤberſehen; ſie wirft Licht auf Enuts ſpaͤtere Politik. 

2) Aethelred Rieval, . Eadmundo filiam suam (sc: rex Hunga- 
riorum) dedit uxerem. G. Gaimar. va. 8506. und nad ifin Brom- 
ton p. 907 nennen den Dänen, welcher die Knaben begleitete, Walgar. 
Johannis chron, apnd Lydewig. über‘ bie‘ ‚zweite Che ber Wittwe 
Eadmunds f. acta Sanctor. 10. Jun. T. III. .et April. T. I. 

5) Thes Casares mage. Chron. saxon. ad a. -1057, filia germani 
Henrici imperatoris. Florent. ad a. 1017 filia germani sui (! leg. 
. sancti) Henrici imiperatoris. Aethelred Rieval. 'Germanus i. e. 
frater ift hier von fpätern Chroniken oft für, ber Deutiche, misverftan: 
den. Reginae (Hungariae) sororem. Malmesh. Suhm III, 72%. 
erklaͤrt Agatha für die Tochter des Bruno, nachherigen Viſchofs von 
Augsburg (+ 1029), ber ein Bruder Kaifer Heinrichs IH: und der Könis 
gin -Gifela war. Bol. über Bruno orig. Buelfice. T. IV. Daß unter 
dem Kaifer Heinrich dieſer Zweite und nicht etwa der Dritte gemeint it, 
ergeben fpätere Ereigniſſe. Ä 
4) A. a. O. Cap. 25 fg. Hierauf find auch wohl die BO Geeräu: 
berſchiffe zu deuten, welche Enut im 3. 1018 an ben engliſchen Küſten 
beſtegte. Ditmar. 1, VII. 





Die Beit d. Alleinherrſchaft d. Dänen in Enge: 465 


eigene Macht ober die feiner Anverwandten. Die größte ‚Gefahr 
drohte ihm aber von der Normandie, von der Wittwe Äthel⸗ 
reds, Ymme oder Alfgifu, die mit zwei Söhnen bei ihrem 
Bruder Herzog Richard II. oder dem Guten verweilte. Nach 
fo vielen Gewaltthaͤtigkeiten des nordiſchen Eroberers ſetzt uns 
die Staatsklugheit in Erſtaunen, mit welcher er ſich entſchloß 
der Wittwe des angelſaͤchſiſchen Koͤnigs ſeine Hand zu reichen 
und, ohne Beruͤckſichtigung ihrer und feiner aͤltern Kinder, bie 
Thronfolge ihren zu erwartenden gemeinfchaftlihen Kindern zu 
verheiffen ). Schon zu Ende des Julimonates wurde biefe 
Dermählung vollzogen. - Eine Zolge berfelben fcheinen einige 
mildere Maßregeln gewefen zu fein, da wir den Atheling Eads 
wy wieder zurüdgerufen finden ?), fowie auch ben fogenanns 
ten Bauernkoͤnig. Doc Cnut konnte ſich nicht für ficher hal 
ten, wenn fo viele mächtige Angelſachſen ihn umgaben. Den 
Atheling Eadwy ließ er noch in demſelben Jahre bei Tovi⸗ 
ſtock verraͤtheriſch ermorden 9 den Eadric von Mexien, wel⸗ 
cher feine Zhronbefteigung in England fo fehr erleichtert hatte, 
aber von Dänen wie -Angelfachfen gleich gehaſſt wurbe, am 
Weihnachtstage in feinem Eöniglichen Palafte zu London durch 
den Jarl Erich erſchlagen und den Koͤrper unbeerdigt uͤber 
die Mauer in die Themſe werfen). An demſelben Tage ließ 
er auch,. auf unerwiefenen Verdacht, bie angefehnen Männer, 
den Ealdorman von Chefter und Coventry, Normann, den 
vornehmften unter Eadrics Minifterialen, den Äthelweard, 
Sohn Athelmard des Großen (von Devonfhire), und Brithric, 
Alfeags Sohn, ermorden). Normannd Befigungen erhielt 
deifen Bruder Leofric, welcher fich der Gunſt Cnuts noch 
lange :erfreuete. Ein Beweggrund zur Niedermetzelung anderer 
Angelfahfen mag in der. Nothwendigkeit gelegen haben, die 
daͤniſchen Krieger durch Landbefig zu belohnen und an Eng» 
land zu felleln‘). Dagegen wurden alle Angelfachfen, deren 


1) Encom. Emmae. Florent. etc. 
2) Cum rege pacificatus est. Florent. 
83) Florent. Malmesb, 
4) Florent. Encom. Emmae. Malmgb. Ingulph. 
5) Florent, ' 
6) Histor. Ramsey. c. 84. init. 

ka ppenberg’s Geſchichte Englands I. 30 


466 | Vierte Abtheilung. 


Verrath oder Schwäche bie alte Dymaftie geſtuͤrzt hatten, von 
Cnut als gefährlich oder unbrauchbar mit großer Strenge und 
Härte aus feiner Nähe und fogar oft aus feinem Reiche ent 
fernt. Ein großes Dänengeld von 72,000 Pfund, welches ben 
Engländern auferlegt wurde, auffer 10,500. Pfund, welde 
die Bürger von London allein bezahlten, befchloß bie feindlis 
hen Maßregeln des neuen Herrſchers gegen England, in wel⸗ 
chem wir waͤhrend ſeiner ganzen ſpaͤtern Regierung nur eine 
Spur von Unruhen, durch Angelſachſen erregt, finden. Nachdem 
jene druͤckende Abgabe entrichtet war, ſandte Cnuͤt feine Flotte, 

bis auf vierzig Schiffe, nach. Dänemark zuruͤck. 

| In Cnuts Regierung nehmen wir jet eine fehr merkwürs 
dige Veränderung wahr: wir finden in ihm, wem auch nicht 
einen Karin dem Großen gleichzuftellenden Regenten, doch einen 
Eroberer der nicht gehaſſt wurde, unter ihm ein Volk wel 
ches glücklicher erfcheint, ald es unter feinen eingebormen Res 
genten zuletzt geweſen war. Der tapfere Krieger zeigte won 
diefer Zeit am fich als einen befonnenen und weifen Regenten, 
welcher alle Segnungen des Friedend anzuerkennen, zu för 
dern und zu benugen verſtand. Der gefegliche Zuſtand des 
- Landes wurde auf einem großen Neichötage zu DOrford gere 
gelt, und die Gefeggebung, wie fie zu König Eadgars bes 
Siegreihen Tagen beftand '), als die Norm angenommen. 
Eadgars Gefeßgebung hatte auch die in England wohnenden 
Dänen befonders berüdfichtigt; die Gefege Äthelreds, in denen, 
‚ fo weit wir fie Eennen, ähnliche Rüdfichten fich nicht finden, 
mögen felbft Manches enthalten haben, wodurch die Gewohns 
heitörechte derfelben verlegt waren, nut widmete der Ges 
- vechtigkeitöpflege die größte Aufmerkfamkeit,. und häufig ſah 
man ihn feine englifchen Staaten, von einer Mark zur andern, 
- von feinen Rathgebern und Schreibern begleitet, zu Diefem 
Zwecke durchreifen ?). Als das Ergebniß dieſer richterlichen 


1) Chron. saxon. Florent. ad a. 1018, woraus Matthäus 
von Weftminfter 5. 3. 1022 leges Eadwardi primi macht, und 
von beren Überfegung in das Lateinifche und Ginführung in Dänes 
mark (!) fpricht. | 

2) Cum rex Cnutus more assueto regni fines peragraret. Histor. 
Ramsey. c. 85. 





+ 


Die Zeit d. Alleinherrſchaft d. Dänen in Engl. 467 


Bemühungen bürfen wir Cnuts eigene den Angelfachfen ge⸗ 
gebene zahlreiche Geſetze betrachten, ſowohl geiftlihe als 
weltliche, zu deren leßteren noch eine befontere Sammlung pon 
Wald: und Jagd⸗-Rechten zu zählen if. Beſonders fällt in 
‚jenen die Sorgfalt auf, mit welcher den Angelfachfen und des . 
ren einzelnen Provinzen, wie den Dänen, ihre eigenthuͤmlichen 
Rechte erhalten wurden, den Letzteren Feine gefeßliche Begünfti- 
* gung zu Theil wurde, und wie Alles dort geſchah um den 
Anfprüchen der Geiftlichfeit zu genügen. In welchem der 
achtzehn Iahre, in denen Cnut über England herrſchte, dieſe 
Gefege zu Winchefter gegeben find, iſt nach Sitte jener Zeit 
. nicht naͤher angegeben und ift fpäter auszumitteln wenig ver⸗ 
ſucht warden. Doch fcheint dieſes Werk nicht in die erſten Res 
gierungsjahre fallen zu können und iſt daher namentlich nicht, 
wie. wohl gefchehn, mit der eben erwähnten Beſtaͤtigung der 
Sefeggebung Eadgars zu verwechſeln; wie denn auch andere 
Umftände für ein ſpaͤteres Jahr fprechen, ald Cnut ‚Normen 
gen wieber erobert, hen Peteräpfenning neu eingeführt hatte, 
und ähnliche‘). Bu 

Unbezweifelter möchte zu den früheren Arbeiten König 
Enutd die Entwerfung bed Witherlagsrechtes, einss für fein 


fiebendes Heer ſowie die Leihwachen feiner Jarle abgefafltes 


Hofrecht oder vielleicht richtigen mit denſelben entworfenes Gil⸗ 
derecht gehoͤren. Da der groͤßte Theil dieſes Heeres in Eng⸗ 
land verweilte, das Witherlagsrecht dort entftand ?) und die 
Einfuͤhrung ſtrenger Diſciplin bei jener Kriegsgenoſſenſchaft die 
erſte Bedingung aller übrigen Verbeſſerungen des Zuſtandes 
dieſes Landes werden muſſte, fo darf die Erwaͤhnung dieſes 
Geſetzes in der Geſchichte dieſes Landes nicht uͤbergangen wer⸗ 
ben, Die unmittelbare kriegeriſche Umgebung eines Eroberers 
uͤbt ſtets großen Einfluß, und dieſe urſpruͤnglich daͤniſchen Krie⸗ 
ger, von den Angelſachſen husceorlas, auch tinglith, tingman- 


1) Matth. Wostmon. ad a, 1023: „bonas leges omnibus pro- 
misit“ Tann bier nicht entfcheiden., Wilkins fegt das Goncilium zu 
Winchefter in das 3. 1021, dem Suhm IN, 556. beiftimmt. 
2) Suenonis Aggonis histor, legum castrensium regia Canuti 
Magni c. IV. apud Langebek scrr. rer. danic. T. III. p. 146, 
“ 30* M 


* 


468 Blerte Abtheilung. 


nalith genannt"), haben auch fpäter, fowohl als Leibwache 
der Koͤnige als der maͤchtigen Vaſallen derſelben, eine nicht 
unwichtige Rolle in England geſpielt. Sie waren mit Äxten, 
Hellebarden und Schwertern, welche mit Gold auögelegt glänz- 
ten, verfehn und entfprachen in Zweck, Abkunft und Aus- 
ruͤſtung den Wäringern, in denen der byzantinifche Thron feine 
Sicherheit fuchte. Die Anzahl diefer Krieger war zu Cnuts 
- Zeiten nicht nur fehr groß — fie wird auf 3000, von Andern 
auf 6000 gefchägt — fondern fie war auch aus den verfchie: 
denften Völkern unter Cnuts Banner zufammengeflrömt und 
bedurfte um fo mehr fixengfter Kriegszucht. Sogar ein tapfes 
rer wendiſcher Fürft, Gottſchalk, Udos Sohn, verweilte lange 
bei Enut in England und erwarb die Hand einer Tochter des 
Föniglichen Haufes?). nut felbft betrachtete fich mehr als 
Vorſteher diefer Kriegergilde denn ald Gebteter derfelben und 
ſoll felbft, als er in England einen biefer Gildebrüber im - 
Zome erfchlagen hatte, ſich der Entfcheidung derfelben in ihrer 
‚Gteffne oder Zufammenkunft unterworfen und fchwere neun⸗ 
- fache Buße entrichtet haben). Die befchimpfende Benennung 
des aus dieſer Gilde gefloßenen Kriegers, Nithing, iſt en ans 
gelſaͤchſiſches Wort und wird noch fpdter in Beziehungen ge 
braucht, welche es fehr wahrfcheinlich machen, daß jenes Gil⸗ 
derecht ber Eöniglichen Hauskerle fich auch nach der normanis 
ſchen Eroberung erhalten hat *). 

Mit derſelben Klugheit und demfelben Erfolge mit denen 
Cnut die Intereffen' der Übrigen Stände beruͤckſichtigte, nahm 
er auch die der Geiftlichkeit wahr. Das Heidenthum, welches 
manchen Schlupfwinfel in dem Vollöglauben der Angelfachfen 
fi erhalten und durch die neuangefiedelten Dänen wieder 
Eingang gefunden hatte, wurde ernfllich unterfagt. Die Geiſt⸗ 


1) Xgl. Langebek scrr. rer. danic. II, 454. not. d. Pal- 
grave II, 381. Huscarli fommen häufig im Doomsdaybook vor. Bgl. 
Ellis introduction zu bemfelben II, 151 sq. I, 91. 

2) Adam. II, 48, 59. IN, 21. Saxo p. 196. ' 

8) Sven Aggol.l.c. X. 

4) ©. chron, saxon. ad a. 1049. Guil. Malmesb. de Wil- 
helmo II. ad a. 1088, wo ber Abdruck irrig Nithering, und uns ihm 
Matth. Paris, 





Die Zeit b. Alleinherrfchaft d. Danen in Engl. 469 


lichen wurden von ihm geehrt, viele Kirchen neu erbauet, je⸗ 
des Kloſter in England reich begabt), und auch die in den 
benachbarten Ländern, unter andern St. Omer ), Chartres®),. 

wurden durch reiche Geſchenke freudig überrafcht; durch ähnliche 

war das Domcapitel zu Bremen beftimmt für ihn, unter dem 
chriftlihen Namen Lambert, und die Königin Emma fowie 
‚ feinen Sohn Harthacnut in ihrer Brüderfihaft zu beten; auch 
Coͤln erhielt von ihm prachtvolle Pfalter und Chorbücher *). 
Er beflimmte die Zage zur Feier des Andenkens des heil. Koͤ⸗ 
nigs Eadward ſowie Dunftans; die Gebeine des von den 
Dänen fo ſchmachvoll gemorbeten Erzbifchofs Ülfeng ließ er 
im feierlichften Gepränge nach Canterbury geleiten. Den heil. 
König und Märtyrer Cadmund zu ehren erbauete er ein Bes 
nebictinerflofter, ein Unternehmen durch welches, fowie durch 
“mehrere der fchon erwähnten Einrichtungen, das Wohlwollen 
des angelfächfifchen Volks zu gewinnen er ficher rechnen konnte. 

Die Wiederherſtellung des St. Peterspfennings war ein Unter⸗ 
nehmen, welches ihm in der Gunſt der hohen Geiſtlichkeit ſehr 
erhob, ohne ihm bei dem Volle zu fchaben, welches ben 
König, der in ihrer Mitte vorzugöweife weilte und ihre 
Mechte, ihre Heiligen, ihre Sprache, in welcher er felbft einige 
Verſe dichtete, die ſich erhalten haben‘), ehrte, nicht laͤn⸗ 


1) Histor. Ramsey. c. 80 sq. 

2) Encom. Emmae. | 

8) Will. Malmesb. Fulberti Carnot. epist. 97, worin der 
Biſchof dem regi Danomarchiae Cnuto, homini longo a nobis terrae 
marisque intervallo diviso, quem paganorum principem audieramus — 
für fein Gefchent dankt. Der Brief enthält Keine Spur von Enuts Ans 
wefenheit in Chartres, wie Suhm annimmt, um ihn mit beffen Reife 


nah Rom in Verbindung zu bringen. Er ſcheint ihm vielmehr in die 


erften Regierungsjahre zu fegen, wo Zulbert noch Nichts von feinen - 
chriſtlichen Werken vernommen hatte. 

4) Diefe gelangten ſchon im J. 1055 als Geſchenke, welche dem 
Biſchofe Aldred von Worceſter gemacht wurden, nach England zuruͤck. 


©. Guil. Malmesb. Vita Wulstani in Wharton Anglia sacra. 


T.1I. Die angelfähfifche Handfchrift erſchwerte vermuthlich das Eefen, 
die Sprache das Verftändniß derſelben. Adam. Bremens. |. II. 
e. 87 schol, | \ 


5) Histor, eliens. c, 27. | 


! 





470 Vierte Abtheilung. — 


ger als einen auslaͤndiſchen Feind haſſte. Er ertheilte ſogar 
bie daͤniſchen Bisthlimer an engliſche Geiſtliche, unter andern 
Schonen an Bernhard, FZühnen an Reinher, Seeland oder 
Roskyld an Gerbrand; ein Verfahren welched weniger auffals 
fen durfte, da Olav der Heilige von Norwegen, fowie Olav 
von Schweden viele treffliche Priefter aus England, worunter 
Sigafrid, Grimkil, Rodulf, Bernhard, Wolfred (einige dieſer 
Namen deuten vielleicht auf bänifche Abflammung zurüd), zur 
Belehrung ihrer Unterthanen entboten hatten‘). Die Ordina⸗ 
tion dieſer dänifchen Bifchöfe wurde von dem Erzbifchofe von 
Canterbury, AÄthelnoth, vollzogen, wodurch diefer der englifchen 
Kirche einen Supremat über die nordifche Kirche zu erwerben 
trachtete, welches, zwar nicht durch hohes Alter, aber durch 
paͤpſtliche Verleihungen und vielfache Verdienfte um das. Chris 
ftenthbum im Norden, die hamburgifhe Kirche damals noch . 
befaß *). Diefer ſtand feit einigen Iahren der Erzbifhof Un: 
wan vor, ‚aus dem erlauchten Gefchlechte der Immedingen, 
veich begütert, mächtig duch die Gunſt des Kaiſers, einfluß- 
reich durch die Gunſt der Benebictiner, deren Regel ex in fer 
ner Diöcefe zuerft einführte, verehrungdwürdig durch die Froͤm⸗ 
migfeit, mit welcher er alle ihm verliehene Güter und Vor⸗ 
züge Dazu verwandte, das Heidenthum bis auf die Wurzeln 
feiner Haine auszurotten und von deutfchen, wendifchen und 
fcandinavifchen Zungen nur Chriſtum preiſen zu laſſen. Dieſer 
Kirchenfuͤrſt hatte ſeine Macht in weltlichen Kaͤmpfen nicht 
minder als in ſiegreichen Miſſionen erprobt und ſtand nicht 
an, den Biſchof Gerbrand, welcher nad) dort empfangener 


Weihe von England heimkehrte, gefangen zu nehmen und fefl 


zu halten, bi8 er den ber hamburgifchen Metropolis fchuldigen 
Gehorſam verſprach. Gerbrand ging ſo ſehr in die Anſ icht 


1) Adam. Bremens, II, 89, 44. etc. Al. 
2) Es mag hier bemerkt werben, daß ſich Deutfche unter den Geift: 


lichen in England fehr felten finden. Als Ausnahme bemerfe ich einen 


y 


Abt von Ramfey, nachherigen Einftedler, welcher den in Slandern und 
Sachſen berühmten Namen Widmann trägt, zur Zeit ald das Geflecht 
der bdeutfchen Grafen dieſes Namens ausftarb. Histor. Ramsey. c. 75. 


“ Qui cum esset bonae vitae et prudentiae laudabilis, genuina tanı 


animi feritate, utpote Teutonicus natione etc, coll. c. 76—79 et 106. 


— 


N 
’ 


Die Bett d. Kulsinperefgaft d. Dänen in Engl. 4714 


dieſer Kirche und Unwans ein, daß dieſer ihn mit Briefen und 
Geſchenken an den Koͤnig Enut zuruͤckſandte, um dieſen theilß - 
durch Vorwürfe zu ſtrafen, theild ihm zu dem Gebeihen feiner _ 
"Regierung Heil zu wünfchen So großartig ber Zweck der 
Sendung war, zwifchen den beiden. mächtigften Fuͤrſten des 
nördlichen Europa Verföhnung und Freundfchaft zu fliften, fo 
ward die Ausrichtung derfelben bei dem ſtaatsklugen Cnut nicht 
ſchwierig, dem keine Herrſchervorurtheile den Blick in die Zu⸗ 
kunft, in welcher die Verbindung mit dem maͤchtigen Primaten 
viele Vortheile verhieß, trüͤbten). | 
Wenngleich die meiſten der gebachten Unternehmungen 
nicht alle in den erfien Jahren der Regierung Cnuts ausge: 
- führt werben Fonnten, fo handelte der König doch fchon gleich 
in dem angegebenen Sinne und fah die Früchte diefer Gefn 
nung fo weit reifen, daß er im 3. 1019 nach Dänemark mit 1019, 
neun Schiffen zuruͤckkehren konnte, Er fol von dort im Wins 
ter einen Feldzug gegen bie Wenden unternommen haben, 
welcher in Beziehung auf England dadurch wichtig erfcheint, . 
daß der hernach fo berühmte Godwine, Wulfnoths Sohn”), 
jene Feinde des Königs heimlich in der Nacht überfallen und 
niebergemegelt und dadurch dem Könige die größte Freude, 
“der englifchen Tapferkeit willige Anerfennung und fich bie 
Jarlswuͤrde verfchafft haben fol’). Doch wedte Cnuts Ab: 


1) Adam. 1. II, c. 33 sq,, woraus fich auch, da dieſer Geſchicht⸗ 
ſchreiber gewöhnlich dem chronologifchen Verlaufe der Begebenheiten folgt, 
bie Zeitbeſtimmung obiger Vorfälle ergibt, welche duch den Umftand, 
daß Äthelnoth im 3. 1020 zum Erzbiſchofe erwählt wurde, beftätigt 
. wird Noch genauere Beflimmung gewährt dem Gefchichtforfcher die 
angenehm überrafchende Urkunde Enuts für das Klofter Ely vom 30. ' 
- Zunt 1022 — welche Gerbrandum Roscylde parrochie (de) Danorum 
gente unter den Gegenwärtigen anführt- 0 - 

2) über feine Abftammung f. oben. Eine Gage über feine Here 
kunft gibt die Knytlinga: Sage, weldher Zurner, folgt. 

3) Heinrih von Huntingdon ift der Ältefte Buͤrge für diefe 
Nachricht, weiche Radulph be Diceto, Bromton, Kuyghton ıc. 
nacdhfihreiben. Matth. Westmon. ad a. 1024 zieht dieſe Nadhriht 
über Godwine mit einer fpätern Heerfahrt zufammen, doch ift ein Krieg: 
Enuts gegen die Wenden nicht unwahrſcheinlich, und Godwine findet ſich 
als dux in. Urkunden vom‘ 3. 1021— 1023 bei Suhm III, 799., als 
comes 1022 bei Gale I, 523, _ | 


4 


1020, 


1021. 


472 Vierte Abthellung. 


weienheit in England noch immer einige Gefahr. Er Tehrte 
im folgenden Fruͤhjahr nach dieſem Lande zurüd und be 
rief zu Cirenceſter ein Gemote der Wittigften, in welchem 
Eadwy und der Ealdorman Äthelweard geächtet wurden '). 
Es genügte dem Dänenkönige bereits feine Gegner aus dem 
Lande zu entfernen, er bedurfte Eabrics. Dolch gegen die An- 
gelfachfen nicht länger und konnte in den fpätern Jahren es 
wagen bie meiften größeren Verwaltungsbezirke den Händen 
von Angelfachfen, großentheils aus älteren Gefchlechtern anzus 
vertrauen. Gefährlicher drohten ihm einige feiner bänifchen 
Breunde und Magnaten zu werden, bei welchen dad neu einge⸗ 
fuͤhrte ſtrenge Regiment, die Umwandlung des Lagers in einen 


Gerichtshof, ſowie die Gleichſtellung und vermeinte Bevorzu⸗ 


gung der Englaͤnder heftigen Unwillen erregen konnten. Die 
enge Verbindung der Großen beider Nationen durch Heirathen, 
worin Cnut ſelbſt mit dem Beiſpiele vorangegangen war, konnte 


nicht raſch nachgeahmt werden und in einzelnen Faͤllen den 


Dänen zu ſehr mit angelſaͤchſiſchen Intereſſen verfnüpfen. So 
erging es dem Thurchill, dem wichtigſten unter Cnuts Waffen⸗ 
bruͤdern, welcher mit ſeiner angelſaͤchſiſchen Gemahlin Eadgy⸗ 
the aus England verbannt wurde. Nach Jahresfriſt wurden 
die Geaͤchteten vom Reichsbanne entbunden, und Thurchill er⸗ 
hielt Cnuts Vertrauen wieder, doch nicht in England, ſondern 


in Daͤnemark wurde ihm die Statthalterſchaft übertragen ?), 


und fein Sohn ald Geifel für Cnut nad) England gebracht. 
Bald darauf wurde auch der Jarl Erich vertrieben. Defien 
Provinz Northumberland war, unter feinem Oberbefehle, in ben 
Händen eined Bruderd des erfchlagenen Uthred geblieben, bes 
Eadulf Cudel, eined trägen und feigen Manned. Der König 


‚von Schottland, Malcolm II, Kennetbs Sohn, benußte die 


Verwirrung, welche bie Umgeflaltung Englands begleiten muſſte, 
und die Schwaͤche ſeines Nachbarn, um ſeine Rechte in der 


‚ 1) Chron. saxon. gedenkt Beider, Florenz nur bes gestern. Si⸗ 
meon und andere Chroniker ſchweigen hier gaͤnzlich. | 

2) Sax. chron. ad a. 1021 et 1028, Klorent. ad a. 1021. 
Dagegen haben Wilhelm von Malmesbury und Matthäus 
von Weftminfter ad a. 1021 die Sage, daß er bei feiner Landung 
in Dänemark: von den dortigen Iarlen erfchlagen fei. 





Die Zeit db. Alleinherrſchaft d. Dänen in Engt. 473 


Provinz Lothene, welche fein Vater von Eabgar erhalten hatte, 
zu vergrößern und übertrug biefe dem Fürften Owen (Euge⸗ 
nius) dem Kahlen').. Doch ſchadete diefer Verluft dem Jarl 1018. 
Erich nicht, welchen wir noch mehrere Jahre in. England an 
dem. Hofe des Königs erbliden. Die Urfache feiner Verbans 
nung iſt unbelannt, und wir erfahren von ihm nur noch, daß 
er bald darauf ‚ im Begriffe eine Pilgerfchaft nach Rom anzu⸗ 
treten, an einem Blutſturʒe ſtarb?). 
Cnut hatte in ſeiner Gefolgſchaft vorzuͤglich den Jari— ur 
(Wolf) audgezeichnet, den Sohn Thorgils Sprafalege, Soh⸗ 
ned des Styr Bjorn’). UF Iarl erhielt die Hand der Aſt⸗ 
rith, Cnuts Schwefter, und wurde durch feinen mit berfelben 
erzeugten Sohn Spen der Stammvater der nachfolgenden Ki 
nige Dänemarks. Die Schwefter feines Schwager Ulf ver 
mählte Enut dem gedachten Earl Godwine, deſſen Tochter wir 
ald Königin von England erbliden werden. England vr 
dankte diefem friedlichen Syſteme fchöne Jahre der Ruhe, a | 
welchen es fich von dem langwaͤhrenden Drude erholte. 
dem Lande „wo Cnut anfaͤnglich gleich dem Bafiliſk in a 
den libyfchen Wüften faß" *), wurben bie verlaffenen Selder 
neu bebauet, Burgen, Brüden und Wege bergeflelt, Kir 
chen und Kapellen errichtet. Weber Uber den König noch feine 


1) Simeon Dunelm. Chron. Mailros. Jener nennt b. J. 1018 
ſtatt Sadulfs noch deſſen Bruder, doch erzählt er felbft richtiger p. 81. 
Auf diefe Vorfälle und fpätere Verföhnung mit Cnut mag fich beziehn, 
was Snorro a. a. D. Cap. 140. von der Sendung ber Krieger von 
‚Schottland und Fife an Enut erzählt. 

2) Yric fugere compulit.e Huntend. 363. Malmesb, 78. 
Lesteren fchreibt Matthäus von Weftminfter b. 9. 1021 aus. 
Doc finden wir Yric dux oder comes noch in den Urkunden v. Juni 
1022 bei Gale I, 923. und die beinah gleichzeitigen bei Suhm III, 
79. Yalgrave II, 226. Nah Snorro a. a. DO. Cap. 23. müflte 
Erich Thon im 3. 1018 geflorben fein. Vgl. auh Theodoric. de 
regib. Norveg. c. 14. 

8) Adam. Bremens.II,48. Snorro.a.a.D. Cap.144. Saxo 
Grammat. 197. ulfs Vater und Großvater, Spraclingus und Urfug, 
kennt ſchon Florenz b. 3.1049. uilf Jarl findet fich felten in angel: 
fächfiihen Urkunden, wie in ber bei Palgrave a. a O. \ 

4) Ditmar.l. |. | 


- 


1025. 


N 


MA. vBierte Abtheilung. 


Beamten iſt eine Klage der Angelfachfen auf und gelangt, und 
feine Vorliebe für den Aufenthalt im ‚England beweift,- daß er 
die Vortheile der phyſiſchen Lage wie der polltifchen Verhält 
niffe dieſes Landes würdigte und werth hielt. 

Enut ımterließ jedoch nicht feine Blicke aufmerkſam nach 
allen Theilen feines Reiches zu richten und baffelbe auf allen 
Seiten zu befefligen und zu vergrößern. Durch die Vermitt 
lung feines Freundes, des Erzbifchofs Unwan, welcher ihn nach 
dem wiederertbauten Hamburg eingelaben hatte, ſchloß er mit 
dem neuen Kaifer Konrad II. einen Frieden, in welchem dieſer 
ihm die Stadt Schlefwig mit der bortigen Mark abtrat und 


die Eider die deutſche eichsgrenze wurde). Cnuts junge 


Zochter Gunbilde wurde dem Sohne Konrads, Heinrich, dem 
nachherigen Kaifer dieſes Namens, verlobt; ein’ glorreiches Er- 
eigniß, weiches , wenn wir die Macht beider Herrſcher betrach⸗ 
ten, in der Vermaͤhlung von Athelſtans Tochter mit Otto dem 
Großen ein nur ſchwaches Vorbild fand. 

Die Kämpfe, welche Gnut, durch ungezähmten Ehrgeiz 
verlodt, fortwährend mit den ſcandinaviſchen Reichen beftand, 
entfernten ihn zuweilen von England. Selbit Ulf Iarl, ver 
leitet durch bie Königin Ymme, hatte den Verſuch gemacht 
ben ihm anvertrauten jungen Sohn des Könige und ber 
Ymme, Cnut den Harten (Harthacnut) , zum Koͤnige von 
Dänemark ausrufen zu laſſen; ein Vergehn welches der König 
zu verzeihn vermuthlich durch feine Plane gegen Schweden und 
Norwegen bewogen ward”). Im SI. 1025 fchiffte er zur Oft 
fee, wo Olav, König von Norwegen, und Anund Jacob, Kb 
nig von Schweden, gegen ihn gerüftet waren, und er in Schos 
nen am Fluffe Helga, am Fuße des Berges Stanga, gegen 
Wf und Eylaf, die Söhne des Ragnwald, Jarls von Weſt⸗ 
gothland, und ber Ingeborg, König Olofs Trygweſon Zochter, 


eine ihm und vielen englifchen Kriegern unglüdlihe Schlacht 


1) Adam, LI. c. 38., welcher dieſen Vertrag gleich nach Kon⸗ 
rads Regierungsantritt, im 3. 1024, ſetzt und von den fpäter erfolgten - 
Beziehungen beider Herrfcher zu einander trennt. Über die Auelegung 
jenes Vertrages f. Bald ſchleſwig⸗ holftein. Rechtsgeſchichte IH. U 
©. 15. 

2) Snorro a. a. D. Cap. 158. 


\ 


‚Die Zeit d. Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 475 " 


focht), in welcher UF Jarl feinem Böniglichen Schwager das 
Leben rettete. Unmuthig kehrte der Koͤnig nach Seeland zu⸗ 
ruͤck, wo Ulf Jarl durch ein zu Roeskild veranſtaltetes Feſt⸗ 
mahl ihn am St. Michaelisabende zu erheitern ſuchte. Der 
einſylbige Koͤnig, dem Becher ſich entziehend, ſpielte Schach 
mit dem Gaſtgeber, dem während des Spieles ein haſtiges 
Wort über die Schlacht von Helga entfuhr. Die geboppelte 
Schmach vermochte Enut nicht zu ertragen, und Ulf fiel durch 
bie Hand eines in St. Luciens Kirche ihm nachgefondten 
, Kämmerlings, des Norwegerd Ivar Huida?). 
Das Nähere über die Kriege Cnuts in diefen Reichen fos 
wie mit den Sinnen und die mit deren Zürften geführten Vers 
handlungen gehören der angelfächfifchen Sefchichte nicht an, wenn 
überhaupt die Mehrzahl der über jene zu und gelangten Nachs 
richten irgend einer Gefchichte und nicht größtentheild der Sa⸗ 
genmwelt der Ecalden anheimfallen fol. Doc müffen wir 
dad aus benfelben hervorheben, was die Angelfachfen felbft mit 
betraf, und mas deren Schriftfteller der Aufzeichnung werth 
hielten; viel zu fparfam leider für uns, welche durch folche 
Stüspuncte allein die molluffenartigen Sagen des Nordens 
zur Gefchichte zu befeftigen und zu erheben vermögen. 

Ein ruhiger Zeitpunct war eingetreten, in welchem Gnut 


.- 1) Chron. saxon, ad a. 1025, jeboch nur in Mss. Laud und Domi- 
tian, woburh Saxo Grammat. p. 195 und Snorro a. aD. 
Cap. 160. eine bis auf den, von den Überfegern der Chronik nicht vers 
flandnen, Namen des Zluffes fiy ausdehnende, fo merkwürdige als 
feltne Beftätigung erhalten. Snorro a. a.D. Gap. 95., welcher Ulfs 
und Eylafs Abflammung auf bie oben angegebne Weife bezeichnet, 
hält jenen für den Schwager Cnuts; Eylaf nennt er nicht, ober ver: 
wechfelt ihn mit Dlav. Bol. au Huntend. Bromton. Snorro 
a. a. DO. Gap. 139 fg. Annal. Island. ad a. 1027 apud Langebek 
III. ift hiernach gleichfalls zu berichtigen. Es ijt übrigens auch in ben 
erften Sahren Cnuts ein Jarl Eylaf in feiner Umgebung, welcher im 
3. 1022 Demetia verheerte und Menevia (St. Davibs) zerftörte, nach 
Enut3 Zode aber nad) Deutſchland floh. Annal. Cambr. ad a. 1022, 
Brut y Tywysogion ad a. 1020, 1036. Bermuthlich iſt es diefer, wels 
chem Suhm die Graffhaft Glocefter zufchreibt. 

2) Snorro a. a. O. Cap. 162 fg. nifs Ermordung fäut alfo 
in ab J. 1025, nicht, wie gewoͤhnlich angenommen wird, zwei Jahre 
ſpaͤter | 


1026. 


476 Vierte Abtheilung. 


einen lingſt gehegten, oft auf efehobenen Wunſch ohne Be 
forgniß für feine Staaten austühren konnte. In der lebten 
Hälfte des Jahres 1026 verließ er Dänemark und trat als 
Pilger, durch Flandern, Frankreich und Burgund nad) Rom, 
in die Zußtapfen ehrwuͤrdiger angelfächfiicher Vorgänger und 
ward der erfie König Dänemarks, welcher dem Nachfolger des 
heil. Petrus feine Huldigungen felbft darbrachte. Die Pilger 
zeife eined Monarchen wie König- Cnut es war, konnte nicht 
ausfchliefflich feiner Andacht geweiht. fein. Er brachte dem 
Papft Johannes XIX. große Gaben, welchen er dadurch be 


wog die Schola der Sachen zu Rom von Abgaben und Zoͤl⸗ 


len zu befreien, auch die druͤckenden Abgaben für das Pallium 


feinem Erzbifhofe zu erleichtern. Nachdem der König alle 


heil. Kirchen und Kapellen in Mittelitalten befucht hatte, vers 
weilte er noch bi8 zum Oſterfeſte des folgenden Jahres in 
Rom, um bei ber Kaiferfrönung feines Freundes und Verbuͤn⸗ 
beten, Konrads II., dort gegenwärtig zu fein. Vom Kaifer 
wurde Cnut mit vielen und Eoflbaren Gaben, golbnen und 


ſilbernen Vafen und prachtvollen Gewändern befchenft. Viel⸗ 


leicht wurde hier die obengebachte Vermählung der Kinder bei⸗ 
der Fürften befchloffen. Der Kaifer fowie Rudolf von Bur- 
gund ficherten bier den Unterthanen Cnuts, welche ald Kauf: 
leute oder Pilger ihre Staaten burchwanderten, Schuß und 
Befreiung von den miöbräuchlichen Abgaben, zu deren Erhe⸗ 
bung die Engpäffe der Gebirgslande häufige Veranlaffung ga⸗ 
ben '), Cnut Eehrte fodann auf demjelben Wege auf welchen 


1) iiber den Zeitpunct Befer Reife herrſcht eine auffallende unge⸗ 


wißheit, und wir find hier in dem ſeltnen Falle, zwiſchen widerſprechen⸗ 


den Angaben von Beitgenoffen entfcheiden zu müffen. Kür das 3. 1031 
fprechen chron, saxon. (in der Handfchrift von Worcefter) und alle englifche 
Quellen, von denen Radulphus de Diceto, ber b. 3. 1027 und 
1031 diefer Pilgerfchaft gedenkt, nur ald Ausnahme zu bemerken fein 
möchte, um zu unterfuchen, ob er bei der erſten Stelle eine andere 
Quelle ale Heinrih von Huntingbon vor fih hatte. Auh Adam 
von Bremen erzählt von Cnuts Romfahrt erft unter dem Erzbifchofe 
Libentius 1029— 1033. Dagegen berichtet ein Zeitgenoffe, welcher nut 
felbſt zu Rom geſehen haben muß, Wippo, Kaiſer Konrads Geheim⸗ 
ſchreiber, daß Cnut und Rudolf bei Konrads Kroͤnung zugegen waren 
(vita Conradi Salici apud Pistorius). Cnut ſelbſt erzähl in einem 


Die Zeit.b. Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 477 


er nach Rom gegangen, nach Daͤnemark zuruͤck, um Frieden 
und feſte Vertraͤge mit den weſtlichen Staaten zu ſchlieſſen, 
welche ſeiner Macht ſo gefaͤhrlich zu werden drohten, und eilte 
darauf nach England, dem er ſich durch feine Fuͤrſorge für Die 
Kirche und bie Erhebung der ihr gebuͤhrenden Abgaben bereits 
angekuͤndigt hatte. 

Was die Waffen im Nordweſten nicht vermocht Hatten, 
verfuchte Cnut jest durch Beflechungen zu erreichen. Nach 
England zuruͤckgekehrt, ſandte er von hier Gold, Silber und 
andere Eoftbare Gefchenke an die Jarle Norwegens, welche 
Dlav hafften, der ihren und ihrer Frauen unfitflichen Wandel 
ſtrafte und wegen feiner eifrigen Verfolgung des Heidenthums 
bei einem großen Xheile feines Volks verhaflt war”). Die 
Rechte welche Hakon, der Sohn feines früher aus feiriem 
Theile Norwegens vertriebenen Schwagers Erich, geltend mas 
chen wollte, gaben Enut, obgleih er den Pater vertrieben 
hatte, Anlaß im Namen ded Sohnes, welchen er bie Graf⸗ 
ſchaft Worceſter verliehen?) und bie Hand feiner Schweſter⸗ 
tochter Gunhilde ?) verheiſſen hatte, Norwegen wieder zu fos 
dem. Gleich Hakon waren auch viele andere angefehne Nor⸗ 
weger, unter denen Oslac und Skialg, Erlings Soͤhne, ge⸗ 
nannt werben, welchen Cnut bedeutende Lehne in England 


an die engliſchen Praͤlaten gerichteten Sendſchreiben (s. a. et d.), daß 
ee den Kaifer Konrad und König Rubolf am. Ofterfefte zu Rom ges 
ſprochen habe. ©. Florenz. Malmesb. Ingulph. Das richtige 
Jahr findet ſich auch in chron. turonens., vieleicht aus der Aufzeichnung 
eines Moͤnchs, welcher den König auf feiner Reife in jenem Klofter fah. 
©. bei Bouquet X, 284, Dgl. auch encom. Emmae. Wil, Godet bei 
Bouquet 1.1. 262. Es ift denkbar, daß die ältefte englifche Chronik 
durch ein X anftatt des V in 1026 zu einem Irrthum verleitet ift. Der 
> Zitel welchen fih nut in dem gebachten Senbfchreiben beilegt, rex 
Norveganorum et partis Sueyorum, mag fpäter eingefchaltet fein. Die 
Lesart Robertus flott Rodulphus bei Ingulph ift erfichtlich falſch. 

1) Florent. ad a. 1020, vgl. mit Snorro a. a. O. Cap. 139 fg. 
Gap. 195. Theodoric. de regib. Norveg. c. 16. 


2) Palgrave Il, 289. 


5) Ihr Vater wirb Wirtgeorn, rex Winidorum genannt von ko 


renz b. 3. 1029, welchem fpätere Shroniften den Ihnen betannten Na⸗ 
men Vortigerů untergefchoben haben. . 


1023, 


478 Vierte Abtheilung. 


übertrug‘). Im 3. 1028 bemannte Gnut 50 Schiffe mit | 


englifchen Thanen und nachdem er dieſe Flotte in Daͤnemark 
fehr verftärft hatte — ein großes Zaufend Schiffe, berichte 
der Moͤnch von Nidarös, Zheodorich — fuhr er gen Norwegen, 
wo ed ihm leicht gelang Dlay, der mehr die Zugenden befaß 
welche ihn im Srieden bei cioilifirten Völkern geſchmuͤckt haben 
würden, als bie eined Feldherrn und des Veherrfchers roher 
Maſſen, bald zu vertreiben. nut ließ fich zum Oberkoͤnige 
von Norwegen von den zu Nidaros verfammelten Häuptlingen 
und Geiftlichen erwählen”) und Eehrte mit den von den Nors 


wegern ihm gegebenen Geifeln nach England heim, nachdem 


\ 


1023 
29. Zul. 


ee Hakon Jarl zu feinem Stellvertreter in dieſem Reiche bes 
ſtellt hatte. Auch dieſer begab ſich nach England, um bie 
Vorbereitungen zu feiner Vermählung zu treffen, kam aber auf 
ber: Rückehe um, vermuthlih im Schiffhsuche, oder wie Aus 


dere berichten, auf ben Ortaden erſchlagen ). Dlae wollte 


die durch das -Auöbleiben des Statthalters entitonbene Ders 
wirrung benugen. und machte einen Verſuch fein Meich wieder 
zu erwerben; boch wurde er. von feinen durch bad engliſche 
Silber verlockten Lehnsmannen ermordet. Sein Andenken er⸗ 


hielt ſich lange im Norden, wo biefer Frevel bald als folder 


erkannt wurde, als das eines Märtyrerd für feinen Glauben, 
und fein Todestag warb lange in ber Kirche feierlich began- 
gen *), Norwegen wurde nunmehr. von Enut feinem natürlis 
hen Sohne Sven übertragen. Ä 

Während nut ſtets mehr Kronen auf fein Haupt 


heute, waren bie rechtmäßigen Erben des englifchen Thrones, 


= 1) Snorro a. a. O. Cap. 140. o⸗laeus miles. urkunde Wauts 
bei Palgrave II, 290, in welcher auch Hacon dux, 

:2) ©nosro a. a. D. Cap. 180. 

“ 8) Chron. saxon. Florent. ad a. 1080. Theödorie. L l. 
Snorro L 1. c. 195. 
3) Chron. saxon. ad’ a, 1080. Theoborid gibt 1029 als das 


i Todesjahr an, womit auh Adam von Bremen übereinzuftinimen 
Scheint, der Dlavs Tod unter des Erzbiſchofs Unwan Regkerung berich⸗ 


tet3 doch erzählt Theodorich ſelbſt, daß Diaw länger als zwei. Jahre 
in Rußland und Schweden verweilte, und Adam berichtet bier Qlavs 
Zob, weil er von feiner Vertreibung hatte. farechen muͤſſen. 


zZ zo = 


YMTETRLZ 


Die Zeit d. Alteinberefhaft d. Dünen in Enge. 479 


die Söhne Äthelred& und der Ymme, zu männlichen Jahren 
berangereift. Ihr Oheim Richard IT. von der Normandie 
hatte ihnen: ein Aſyl am feinem Hofe zu Rouen gefichert, doch 
zu Gunften. der von Ymme mit feinem zweiten. Schwager 
Cnut erzeugten Söhne die Anfprüche jener auf England nicht 


geltend gemacht... Richard II. ſtarb nach dreiffigiähriger Regie⸗ 


ring‘), worauf ihm fein älteren. Sohn, gleiches Namens ber 
dritte, und als diefer nach kurzer Friſt flarb, deſſen jüngerer 
Bruder folgte, Robert I., feinen Beitgenoffen unter den Bei⸗ 
namen bed Sreigebigen ſowie auch des Zeufeld, der Nachwelt 
vorzüglich als der Vater Wilhelms bed Eroberers bekennt: 
Herzog Robert fcheint es gewefen zu fein den: Cnut, in bei 
Abficht, durch ſolche Verbindung die. von ber Normandie ber 


ihn drohenden Stürme zu beichwichtigen, feiner .Schwefler 


Eftrith, oder Margaretha, Ulfs Wittwe, verlobte?). Doch. Ro« 


bert fand. kein Behagen an, dieſer Ehegenoffin und wies fin 


nach. kurzer Friſt ſchnoͤde zurüd. In ber. nachftfelgenden. Zeit 


pflog ber Herzog. trauten Umgang mit Arkot, einer Vuͤrgers⸗ 
“ tochter von Falaife, weldpe ihm ben. Sohn gab, welchen fünfz 


iährig bie Großen ber Normandie und im. fechäunbdzeiffigieh: " 


Jahre das Witenagemote zu London ald Gebieter anerkann⸗ 
ten. ‚Robert, im Zwifte mit der. verfioßenen Eſtritha Bruber, 
dachte jest daran feiner Schweſter Söhne, die angelfäcfifchen 
Äthelinge, auf den Thron ihres Paters zurüdzuführen. Cine 


1) Nach Florenz ſtarben Richard II. und IH: im 3. 1026. Die 
neuen lateinifhen Einſchaltungen des sax. chron. fegen Beider Todes⸗ 
fälle in das 3. 1024; Wilhelm von Iumieges ben des Erxftern in 
das 3.1026, den des Zweiten in das 3. 1028. So auch chron. turon, 
bei Bouquet X | | 


2) Adam von Bremen II, 37 und Saro 193 u. 200 erzählen, 


daß Eftrith vor ihrer Heirath mit Ulf dem Richard von ber Normanbie 
vermählt gewefen. Diefer muͤſſte Richard I. geweien fein, her, wenn 
er auch in fpätern Jahren geheirathet, doch nicht fo leicht ſich geſchie⸗ 
den haͤtte. Da aber Eſtriths Gemahl derſelbe normanniſche Fuͤrſt war 
welcher nach Jeruſalem zog, ſo kann nur Robert gemeint ſein. Dieſes 
berichtet denn auch ein naͤherer Zeitgenoſſe als Adam, der als Zeuge 
feiner Zeit nicht zu verachtende Radulphus Glaber: Robertus 
Normannorum dux — sororem Anglorum regis Canut manifestum est 
duxisse uxorem, quum odiendo divortium faceret, ©, Bouqust X, 52. 


480 WViecekte Abtheilung. 


Geſandtſchaft, welche er deshalb an Cnut abordnete, fand keine 
willkommene Aufnahme; er verſuchte daher mit Gewalt der 
Waffen die Rechte ſeiner Neffen zu unterſtuͤtzen. — Eine be⸗ 
traͤchtliche Flotte wurde bei Fecamp ausgeruͤſtet und mit ta 
pfern Kriegern bemannt. Doch ein heftiger Sturm trieb die 
normannifchen Schiffe nach der Inſel Jerſey zuruͤck, wo eine 
langwierige Winbflille den ungebuldigen Herzog zu verzweif- 
lungsvoller Wuth brachte, bis er zuletzt ſich gluͤcklich preiſen 
muſſte, einen Theil ſeiner Schiffe gerettet zu haben und ſie 
gegen den Herzog Alain von Bretagne, mit welchem Lande 
die nachbarliche Fehde felten- ruhte, gebrauchen zu koͤnnen. 
Die Druͤmmer mancher: hier zerftörten Schiffe zeigte man noch 
nad) einem Jahrhunderte qu "Rouen ). Cnut, der jedoch den 
gefährtichen Beind, dent: ein: guͤnſtiger Wind fich einft verbins 
bon konnte, fürchtete, ’ fuchte: ihn durch falſche Verheiſſungen, 
wenn nicht durch wirkliche Nachgiebigkeit, zu beruhigen. Man 
glaubte in der Normandie,- ‚daß Sendeboten des Königs Enut 
in feinem Namen gelebt hätten, daß die beiden Athelinge die 
Hälfte des Reichs, alſo Alles was ihr Bruder König Cads 
mund bei: feinem Tode beſaß , nach Enuts ‚Ableben erhalten 
foliten ). 

‚Die letzte Befriedigung feines Ehrgeizes erhielt Cnut durd 
Ä pie Unterwerfung der norbbritifchen Reiche Schottland und 
Eumberland. Bisher hatten nur bie Fuͤrſten des fübdlichen 
Schottlands ihm gehulbigt, während Duncan, König von Cum⸗ 
berland und Malcolm II. den dänifchen Oberherrn anzuerken⸗ 
nen fich geweigert hatten. Ein glüdlicher Feldzug gegen Dun 
can, welchem fen Oheim Malcolm vergeblich zu Hülfe herbeis 
eilte, endete in ber Vereinigung auch biefer Staaten, fowie 
der untergeordneten Könige Maelbätha (der durch Shakſpeares 


1) Guil. Genmet. 1. VI. c. 10—12. Weallingford 549, 
Roman de Rou 7896. Daru Gefch. der Bretagne I, 98. Auch Guil. 
Malmesb,, welcher allein_unter ben ältern englifchen Chroniſten dieſer 
Expedition gebentt, Treibt fie Robert zu. Nur Wallingforb 550, 
welcher mit feltnem_ Misgeſchicke ſtets irrig verbeſſert, miſſt ſie dem 
Richard II. bei. 


2) Guil. Gemet, VI, 13. 


‘ 


u 


Die Beit d. Atleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 481 


Dichtung verewigte Macbeth) und Jehmarc mit: ‚ber wordi⸗ 
ſchen Herrſcherkrone '). 

Cnut genoß dieſer vereinten Ehren nicht lange mehn. 

wurde von unheilbarem Siechthum ergriffen und ſtarb im * 

1035 am 11. November zu Shaftesbury. Seine Aſche ver⸗ 

blieb dem Lande, welchem er. von feinen uͤbrigen Staaten am 


liebften angehörte, und wirb von ber weftfächfifchen Koͤnigsgruft 


im alten Münfter zu Winchefter umfchloffen ). Die Gefchichte, 
- fowie fie ihn als den mächtigften Herrfcher des nördlichen Eus 


1035. 


ropas kennt, würbe ihn ald einen ber größten Regenten ehren, 


. wenn grenzenlofe Herrfchfucht und ungezähmte Reidenfchaft ihn 


nicht zu manchem Frevel hingerifjen hätten. Dagegen berichtet 


manche Sage von ihm achtungswuͤrdige und felbft ‚liebenswer: 
the Züge. Wohlbekannt ift, wie er feinen Zuß von ber her 
anruͤckenden Zluth befpülen ließ, als die Höflinge vor ihm den 
- Weihrauch, welcher im Norden in den Händen der Scalden 
gebiehen ift, wie nur je in den Dben des Orients, vergeudes 
ten und fofortigen Eintritt der Ebbe von feinem Befehle zu 
erwarten .vorgaben ’). Wir fehn ihn den ruhigen Strom im 
Schifflein herabgleiten und, an dem fernen Gefange der Mönde 
zu Ey ſich erfreuend, die behaglich finnige Stimmung in 
wohltoͤnenden Verſen ausfprechen. Indeffen erfcheinen ſolche 
Züge gleich den Blümlein, welche auch an dem ſtarren Felſen 
einzeln bervorfpriefien. Freunde und Verehrer, welche ein ums 
faffendes, treues Bild ihres Königs der Nachwelt zu überlies 
fern ſich gedrungen fanden, hat er in ber zahlreichen, von ihm 
beſchuͤtzten Geiftlichkeit nicht erweckt, und Zeitgenoffen glaubten 
ihm, für viele Regententugenden binlänglicy gedankt zu haben, 
wenn fie von fo vielen Herrfchervergehen ſchwiegen. Sein gro: 
ed Reich war bald nach feinem Tode wieder zerfpalten, und 
England, nachdem es Jahrhunderte hindurch in einzelnen Pro: 
vinzen dad och der Dänen getragen hatte, zulest ganz eine 


Provinz bed daͤniſchen Königs geworden war, bat wenige 


1) Chron.. saxon. ad a. 1081. Henr. Huntend. Fordun. 
IV, 41, | 


2) Sax. chron. Florent. 
8) Henr. Huntendon. G. Gaimar. vs. 46% 2q. 
Lappenberg's Geſchichte Englands I. 31 


482 | ‚Bierts Abrpeitung. 


Sabre nach Enuts Tode Beine ſiegreichen bänifhen Krieger 
wiebergefehn. Doch war Cnuts Regierung für ‚Englands fer 
nere Schickfale dadurch entfcheidend, daß fie die angelfächfis 
fchen Gefchlechter immer mehr auflöfte und vermichtete, und 
daburch. ber: bevorſtehenden normannifchen Eroberung und de 
ren bedeutenden Folgen den Weg ebnete. 

ECrinmt' hatte mit der Königin Alfgifu⸗Ymme wwei Kinder 
erzeugt, Cnut den Harten, welchem er, bie Laſt der Regie⸗ 
rung theilend und nach der haͤufigen Sitte jener Zeit, ſchon 
den Prinzen ein Koͤnigreich auszuſondern, Daͤnemark bereits 
‚übertragen hatte, und Gunhilde, Atheldrude genannt, dem 
deutſchen Koͤnige Heinrich III. verlobt und im folgenden Jahre 
1036, von Thiadmar, nachherigem Biſchof von Hildesheim, 
nach Deutfchland geleitet, demfelben vermählt. Sie ftarb fchon 
nach zwei Sahren, „wie der herrliche Morgenſtern in. der Frühe 
untergeht,“ in Stalien und ihr Leichnam wurbe nach. Speier 
gebracht. Ste hinterließ. ihrem Gemahl eine Tochter Beatrix, 
nachherige Abdtiffin von Quedlinburg '). Doch waren noch 
zwei Männer, welche Cnut ald feine Söhne. behandelte und 
mit Alfwen oder Älfgiva, einer Tochter des von Eadric Streone 
einft erichlagenen Ealvormand von Hamptonfhire, Alfhelm 
und der edlen Frau Wulfrune, erzeugt zu: haben glaubte. 
Doh England war überzeugt, daß der ältere derfelben, Sven, 
eines Prieſters, ber jüngere, Harald, eines Schufters Kind, 
von ber unfeuchtboren Älfwen dem Könige als ihre gemein: 


' 9 Wippo de vita Chunradi Salici, Adam. If, 44, Herm. 
Contr. Marian. Scot. Otto Frising. Rormanniſche Sagen über 
Gunhilde aus Balladen gefchöpft f. bei Guil. Malmesk 1. Ir. e. 12. 
Bromton col. 983. Nach diefen war fie des Ehebruchs angeklagt, 
aber durch einen gerichtlichen Zweikampf, worin ein Heiner Neffe, 
Maͤnnike genannt, für fie gegen den großen Köking focht, befreit. 
Die Angabe, daß fie zu Brügge am 21. Auguft 1042 verftorben fei, if, 
obgleich durch ein Denkmal ih. ciner dortigen Kirche unterſtuͤtzt (abge 
drudt in Miraeus |]. II. donat. Belgic. c. 23, und neuerlih Ellis 
introduction to Doomsdaybook II, 137), nur der Eitelkeit ober dem 
Eigennug ber dortigen Mönche zuzuſchreiben. Vgl. Suhm IV, 3. 
Orig. guelf. IV, 815. on einer andern Gunhild, Cnuts Schweſter⸗ 
tochter, f. oben und auch unten 3. 9. 1015, j auch Koeler diss. de 
geneal. famil. August. Francon. 


Die Beit d. At-iaherw hatt d Daͤnen in Engt. 483 


ſchaftlichen Kinder untergeſchoben fen’). Wir müſſen unſern 
Zweifel zuruͤckhalten, ob ein ſolcher zweifacher Betmg bem 
„Enut unentdeckt bleiben konnte, und erinnern nur an bie vies 
len Intereſſen, welche fich verfchwören .mufiten, um jeden Ans 
ſpruch auf Enuts Erbſchaft Zweifeln zu unterwerfen. Diefer 
batte dem Sven die norwegifche Krone verliehen, wohin Letz⸗ 
tern feine angebliche Mutter begleitete”). Zu Gunften Haralds 
hatte jedoch der König Feine uns bekannten Verfügungen getrof: 
fen und ihm ganz England fchwerlich zutheilen wollen). 


Harold der Hafenfüßige. 
Wahrſcheinlich hatte Cnut die englifche Krone bem Har⸗ 
thacnut beſtimmt, wie es bei feiner Vermaͤhlung mit Ymme in 
dem Ehevertrage audgefprochen war. Doc iſt es keineswegs 
unmöglich, daß er fpäter, als er der Oberherr von ſechs Reis 
chen geworden war, den Söhnen Äthelreds das fübliche Eng: 


laand übertragen wollte. Aber jener war zur Zeit ded Todes 


feines Baters in Dänemark abwefend und befaß nicht die Gunft 
‚ber dänifchen Bevölkerung Englands, Die Häupter des gan- 
zen nördlich von der Themſe belegnen Landes erklärten fich für 
‚jenen Harold, den angeblichen Sohn Enutd, vorzüglich der von 
Lesterem einft fehr begünftigte Leofric, Earl der Mercier, und 
bie mit andern Dänen zu London faſt eingebürgerten koͤnigli⸗ 
chen Seeleute und Krieger 9. Den Harold erwaͤhlten dieſe in 


‚ 1) Chron. saxon. Florent. Encom. Emmae. Histor. Ram- 
sey. c. 94. | 
2) Snorro aa. O. Gap. 252 fg. 
.8) Sax. chron. und befonderd Florent. ad a. 1035. — Pal- 
grave I. l. II, 256. und History of England I, 321: behauptet das 
Gegentheil, wie es fcheint, ohne zuverläffige Autorität. Denn für ſolche 
kann Simeon b. 3. 1035, welcher bier den Florenz nur miss 
verftand, nicht gegeben werden. Die Angabe des encom. Emmae, Har- 
decnuto quicquid suae parebat ditioni tradidit, beweift zu viel und ift 
bei den Berhältniffen des normannifhen Encomiaften nicht. als glaub: 
würbig zu betrachten. Eher lieffe fich auf die unzweideutige Nachricht 
des Adam von Bremen 3. II. Cap. 54, bauen, doch mochte dieſer 
wohl nur nach dem Erfolge geurtheilt haben. 
4) The lithsmen on Lunden. Sax. chron. ad a. 1035; vgl. ad a. 
10847. . Londonienses, qui iam pene in barbarorum mores propter 


31 * 


N 


44... °. Bierte Abtheilung. . 


einem zu. Orford gehaltrien Gentote zum Könige bed merci 
fhen und northbumbrifchen Reiches und wollten ihm die füblis 
chen Länder ald Lehn oder Statthalterfhaft von dem noch un: 
mündigen Harthacnut übertragen wiffen. Die angelfächfifche 
Bevölkerung war für Eadward, Äthelreds Sohn, oder Harthas 
enut geneigt. Als die dänifchen Gewalthaber ihnen den Has 
rold aufdrangen, flüchteten viele, eined Hauptes ermangelnd 
das fie zum Kriege vereinte, in die Wälder und Marfchen von 
Ely und Dftanglien und fuchten in leidenfchaftlicher Werzweif- 
lung Hülfe, Rath, Zröftung bei den folchen Begebenheiten 
nicht gewachfenen, durch das heftige Andringen eingefchüchters 

nchen '). Die Königin Ymme bemühte fich indeß kraͤf⸗ 
tiger mit Huͤlfe des mächtigen Earls von Weffer, Gobwine, 
biefem Beſchluſſe entgegenzuwirken und verfuchte die Vormund⸗ 
[haft über Harthacnut ?) oder doch die Regentfhaft im Na 
men der Söhne Äthelreds an fich zu reiffen. Doch Harold 
ſandte ſogleich ſeine Soͤldner nach Wincheſter, um ſich in den 
Beſitz des koͤniglichen Hortes zu ſetzen, deſſen die Koͤnigin ſich 
angemaßt hatte. Dieſer ward Wincheſter zum Aufenthalte an⸗ 
gewieſen, in der Umgebung der dem Harthacnut anhaͤngenden 
Husceorle. Dennoch erreichten die Weſtſachſen, daß ein Be⸗ 
ſchluß des Witenagemotes dem Koͤnig Harthacnut das ſuͤdlich 
von der Themſe liegende Reich zuſprach. Äthelnoth, der ehr⸗ 
wuͤrdige Erzbiſchof von Canterbury, weigerte ſich Harold zu 
kroͤnen, ſolange Äthelreds Kinder lebten). Aber für Hartha⸗ 
enut war umſonſt gearbeitet und die Wuͤnſche der Seinigen rie⸗ 
fen ihn vergeblich nad) England, da die Sorge für fein daͤni⸗ 


frequentem convictum transierant, Malmesb. II, 12. Die lithamen 
find urfprünglid wohl nur bie tinglith auf den feften Thürmen Londons, 
welche mit englifchen. Bormepmen ein londoner Patriciat fpäter gebildet 
haben mögen. 

1) Ingulphus. 

2) Godwinus tutorem pupillorum se adserens. Malme sb. LI. 
Als Pupillen konnten aber body, die Söhne Ymmes und Äthelreds nicht 
gelten; es muß alfo diefer Ausdrud auf Harthacnut beſchraͤnkt wer 
den. Doch Eönnte es aus einer falfchen üÜberfegung entftanden fein. 
Chron. sax. nennt Gobwine: heoro healdest man, sc. der Älgifu und 
ihrer Husceorle. . | 

5) Encom. Emmae. 





Die Zeit d.- Alleinherrſchaft d. Daͤnen in Engl. 485 


ſches Reich ihn damals unabweislich an dieſes feſſelte. Sven 
und feine Mutter, jene. Alfgifu von Northampton, hatte ſich 
Durch: ihre Tyrannei bei‘ den -Norwegern ſehr verhafit gemacht 
und dieſe beriefen Magnus, den zehniaͤhrigen Sohn des Heil. 
Olav, vom..Hofe des Königs Jareſlav, in das Reich feines 
Vaters zuruͤck. Die Nachricht vom Tode Cnuts ermuthigte 
die Norweger einen Angriff auf Dänemark, wohin Sven 
zuruͤckgekehrt war, zu verfuchen,. und. ber Streit wurde, da auch 
diefer mittlerweile geflorben war, von den mächtigen Lehnsleu⸗ 
ten: bes jugendlichen. Herrfcherd durch ein von Leichtgläubigen 
damald oft unternommenes, doch felten in Erfüllung gegange- . 
. ned Glüdöfpiel ‚eines Erbvertrages dahin. gefchlichtet, daß, wenn 
einee von. Beiden ohne Söhne zu. hinterlaffen flürbe, deſſen 
Krone auf den liberlebenden fallen ſolle). Während dieſer 
Begebenheiten und Verhandlungen muffte e8 für Harthacnut 
rathſamer erfcheinen, die. dänische Krone auch durch feine Ges 
genwart in Dänemark fi zu fichern, ald den zweibeutigen 
Auffoderungen feiner herrfchfüchtigen Mutter und Godwines zu 
folgen. . Kränklichkeit und bie nordifche Luft an den Bechern 
feheinen ihn auch fchon damald an ber Fusführung ausgedehn⸗ 
ter Plane gehindert zu haben. 

Das Ausbleiben Harthacnuts muſſte die Hoffnung der 
Kronpraͤtendenten am Hofe von Rouen neu beleben und ihre 
Freunde veranlaſſen einen Verſuch zur Herſtellung der angel⸗ 
ſaͤchfiſchen Dynaſtie zu wagen. Eadward hatte die Hoffnung 
den Thron ſeines Vaters zu beſteigen nie ganz aufgegeben, und 
in dieſer Beziehung weltliche und geiſtliche Verbindungen i in Flan⸗ 
bern und in den ſaͤchſiſchen Landen angeknuͤpft; wir ſfinden 
ſelbſt Schenkungen von ihm für den Fall feiner Dereinfligen 

Zhronbefteigung ausgeſtellt?). Ymme foderte jene ihre beiden 
Söhne auf, daß einer von ihnen fich zu ihe nach Winchefter 
begeben möge, um fich mit ihr über die Mittel, ihr vorenthalte- 
nes Erbtheil wieder zu erhalten, zu berathen. Was auch Ym⸗ 
“mes Abficht bei diefem Schreiben gewefen fein mag, folite fo- 

1) Theodoric. I. I. c. 21. 22. 
2) Für das St. Peters: Kiofter zu Gent eine Urkunde v. 3. 1016 
dafelbf 


..; 


686 . :: : Bieite Abtheilung. 


gar daſſelbe nicht von ihrer. ſondern bes Verraͤthers Ha⸗ 
rolds Hand geſchrieben fein‘), fo erkennen wir ſtets in demſel⸗ 
ben, wie eine ben Äthelingen Eadward und Alfred ergebene 
Partei fich bildete, welche bier Hoffnungen nährte, dort Be 


ſorgniſſe erweckte, doch beide noch fern von der, Erfüllung. 


Miötrauen oder Übereilung geftattete vielleicht dem Athelingen 
nicht : den -in der Einladung ‚gegebenen Winken zu folgen; fie 
fammelten viel wohlgeruͤſtetes normannifches Gefolge und fchiffs 
ten fi) mit demfelben zu Barfleur ein, um den unter Herzog 


Robert mißlungenen Verſuch zu erneuern.: , Der ditere Prinz 


1036. 


landete zu Southampton mit vierzig Schiffen. . Eadward felbft 


eilte nach Winchefter, wo er feine Mutter fand, aber fich vom 


Bolke Ealt aufgenommen ſah. Die ihn begleitenden, .den An: 
gelſachſen ſtets verhafften Normannen, melche nad) Feindes- 
brauch. zu plündern begannen, wurden von jenen angegriffen 
und die Zahl der gegen dieſelben herbeiftrümenben Landbewoh⸗ 
ner wuchs fo flark, daß Eabward, ald er gleichzeitig Unfälle 
feines Bruders vernahm, ed aufgab ein Reich, auf: welches er 


ſelbſt in der Stille feiner Verbannung fchon oft Verzicht geleis 


ſtet, durch die Hülfe fremder Pfeile und Schwerter wieder zu 
gewinnen und in das Afyl bei feines Vetters Sohne zuruͤckkehrte?). 

ttheling Älfred war unterbeffen nad) Brügge gegangen, 
wo feine Nichte Eleonore, Richards II. von der Normandie 
Zochter, und deren Gemahl Balduin, der Graf von Flandern, 


vielleicht noch lebte und deſſen Sohn Balduin V. herrfchte ?), 


in. welchem ſchon damald im. reichen Handelöverlehre aufbluͤ⸗ 
henden Lande eine durch jene VBerwandtfchaftsverhältniffe ange 
regte feindliche Stellung gegen England fich bildete. Balduin 
bot feinem Vetter Triegerifche Hülfe an, die Alfred aber nicht 
zu bebürfen glaubte; diefer begnügte fich einige Ritter des Gra- 


1) Wie unwahrfheinlich auch diefe Behauptung des Encomiaften der 
Emma ift, fo findet fie boch eine Beftätigung in den Worten des Flo⸗ 
renz: Aelfredüim, cum versus Lundoniam ad regis Haroldi colloguium, 
ut mandarat, properaret etc. | 


2) Florent. ad a. 1036. Encom. Emmae. Roman de Rou II, 
vs. 9770 sg. Guil. Pictav. apud Duchesne scrr. rer. normann, 


‚p: 178, dem Guil. Gemet. 1. VII. c. 8. nachſchreibt. 


8) Guil. Gemet. |. V. c. 13. Roman de Rou I. p. 852, 


N 


Die Beit d. Alteinhesifhnft d. Dänen in Engl. 487 J 


fen Euſtaz von: Boulogne, ſeines Schwagers — er heirathete 
in zweiter Che Alfreds Schweſter Goda, früher mit Walter, 


Erafen von Mantes, vermählt ) — mit den Seinigen zu vers 


einen. . Zu, Witfand eingefchifft. kandete er, nad einem vers 
geblichen Verſuche, in einem von Harolds Truppen befehten 
Hafen zu Dover und wurde. von den Kentern, welche. die Ges 
finnungen ihres Erzbifchofed theilten, freudig aufgenommen. 
Godwin empfing Alfred mit: gleifender Freundlichkeit und. erbor 
fih ihn unter ficherm Geleite nach London. zum Könige Has 
rold zu bringen. Doc kaum gaben Alfred und feine Schaar 
auf diefe Berheiffungen fich forglofer Ruhe hin, als jener bei 
Nacht ergriffen und gebunden, diefe zu Guilford in Surrey in 
den Haͤuſern vereinzelt überfallen und 600 derſelben niederge⸗ 
mebelt, andre verftümmelt, geblendet oder als Selaven verkauft 
wurden. AÄlfred wurde am folgenden Morgen zu Harold wei⸗ 
ter geſchleppt, welcher den Ätheling tiefer in. fein Reich hinein, 
in bürftiger Kleidung, die Füße unter dem Sattel zufammen: 
gebunden, bringen ließ. Im Kloſter zu Ely angelangt, warb 
er auf Befehl des Königs vor ein aus rohen Kriegern gebil- 
deted Gericht geftellt und. es wurden ihm bie Augen geblendet, 
wobet aber, man darf wohl annehmen abfichtlich,, das Gehirn 
verlegt und ein baldiger Eläglicher Tod herbeigeführt wurde. 
Keim größer Unheil gefhah im Lande, ſeitdem die Dänen nad) 
England kamen, fagt ber Elagendbe Dichter jener Zeit’), Has 


rold und noch mehr Godwin, der fich feinem Oheim Eadric 


Streone hier nur zu ähnlich zeigte, Tuben ſchweren Haß auf 
ſich, und keine Berufung auf die vom Koͤnige erhaltenen Befehle 
und andre Entſchuldigungen haben den Letztern je in den Au⸗ 
gen. der angelfächfifchen und normamiſchen Zeitgenoſſen oder 
der Nachwelt entfühnen Fünnen. Keine Überzeugung von ber 
Untauglichkeit des angelſaͤchſiſchen Königehaufes für den .Zhron, 
nicht der gleißnerifche. Wunſch die Gefahren eines Burgerkrie⸗ 


1) Malmesb. I. II. c. 13. Ä 

2) Chron. saxon. ad a. 1086. Histor. eliens.- a n. c. 82., deren 
Worte ſich bei Florent., Simeon wiederfinden. Roman de Rou. 
Guil. Pictav. Encom. Emmae. Henr. Huntend. fimmt mit 
- Roman de Rou auffallend überein, fegt bie Vegebenheit aber irris einige 
Jahre ſpaͤter. 


— 


488WVierte Abeheilung.: : 


ges den Unterthanen zu erfparen, haben je politiiche Verbrechen 
und Verlegungen ded Voͤlkerrechtes von dieſer frevelhaften 
Größe vechtfertigen Tonnen, und ed darf eine Genugthuung 
fuͤr die erfcheinen, welche. m die Ewigkeit der fo oft verlegten 
fittlichen Principien unerfchütterlich- glauben, daß ebenfo nad 
acht Jahrhunderten über den Zrevel des größten Zeldherm 
burch .ein eimflimmiges Schuldig beider Hemifphären geurtheilt 
if. Ymme felbft wurde nach diefen Vorfällen, welche Harolds 
Sicherheit bedrohten, aus England, mitten im Winter, mit 
großer, Härte vertrieben. Sie floh nach Brügge, wo- der jün- 
gere Balduin und Athala, feine Gemahlin, des franzöfifchen 
Königs Robert Tochter, fie gaftfreundlich beherbergten. 

Harold erreichte jebt, daß Harthacnut aller Anfprüche auf 
England .verluftig erflärt und er felbft ald alleiniger König bes 
Reiches von dem Adel und bem ganzen Volke anerkannt 
wurde ').. Wir vernehmen Feine wichtigen Nachrichten über 
feine Regierung. Einige Klöfter fuchte er fich durch Gefchenke 
geneigt zu machen, wie unter andern das Klofter Croyland few 
nen Krönungdsmantel erhielt, und er hat die Nachrede der 
Moͤnchschroniſten dadurch für. und gedämpft. Die Schäge 
Enuts und Ymmes geftatteten ihm freigebig zu fein, ohne fein 
Volk zu. drüden, wofür Ymmes Freunde die Ruchlofigkeit des 
Königs, welcher flatt die Mefje zu hören dem edlen Waid⸗ 
werke oblag, bitter tabelten?). Daß die Walifer unter ihrem 
tapfern Zürften Griffith, Llewellynd Sohn, glüdlich gegen bie 
Engländer fochten und fehr bedeutende Männer der Legten im 
Kampfe fielen, Eadwy, des mercifchen Grafen Leofric Brus 
der u. A.), verräth eine Schwäche, der England laͤngſt ent: 
wacfen ſchien. Während durch Vorfälle diefer Art die Stels 
lung Harolds fich nicht befefligte, war ed Harthacnut und feis 
nen Rathgebern gelungen das daͤniſche Reich gegen innere und 
Auffere Feinde zu fichern. Der jugendliche Fürft konnte den 
von Brügge ihm zulommenden Auffoderungen. jebt ohne Ge 
fahr für feine Krone nachgeben und fuhr mit zehn Schiffen 
nach Brügge. Er verweilte den Winter bier; doch kaum war 

1) Floreat. ad a. 1038. 

2) Encom. Emmae. 

8) Sax. chron. ad a. 1039. 





Die Zeit d. Alleinherrſchaft b: Dänen in Engl. 489 


die Jahredzeit günftig um fi) wieder zur See zu begeben, 
als die. Nachricht erfcholl, daß König Harold am 17. Maͤrz 1039. 
zu Orford plhelich verſtorben fi). 


6 artha« n ut. | 

In England war beinahe nur Eine Stimme über. bie-neue 
Rönigswahl. Nur die Perfon Harthacnuts konnte die vers 
ſchiednen Anfichten der entgegengefesten Nationen, Sachſen und 
Dänen, vereinigen. Die Weſtſachſen hatten fich fchon vor vier 
Jahren für ihn erklärt, den Dänen war: er der Nächfiberechs- 
tigte. Noch einmal folten für kurze Friſt auf Einem Haupte 
zwei nordifche Kronen’ vereinigt werben, welche hernach für im» 
mer getrennt in parallelen Bahnen, doch in verfchiebenartigftem 
Geſchicke, nur in auffallend feltenen Ausnahmen durch ähnliche: 
Intereſſen verbündet oder entzweiet find. Harthacnut - hatte 
größere Erwartungen erwedt, wie fihon der ihm gegebne Bei: 
name bezeugt, als es erfüllte. ine Gefandtfchaft von Geift: 
lichen und Laien, unter jenen wird und der: Bifchof von Lon⸗ 
don, Alfward, genannt ?), war von dem Witenagemote nach 
Brügge gefandt um: Harthacnut, nebft feiner Mutter Alfgifu, 
einzuladen nad England zu kommen, damit er. ben bortigen 
Zhron des mächtigen alten Enutd ?) beſteige. Der junge Fürft 
folgte der verfrauensvollen Einladung und fuhr mit 60 Schif: 
fen, welche er im Swens Hafen. (het Zwin) bereits zum _ 
Kriege gegen Harold gefammelt hatte‘), zur Themſe, wo jus 
beinder Empfang, fodann der Pomp der Krönungöfeier feiner 
barıten. Ad Ymme jegt die Wuͤnſche erfuͤllt fah welche fie 
ſchon vor der Geburt ihres Sohnes für ihn gehegt hatte, 
wandten fich ihre Gedanken alle (und fie waren eö welche den. 
König vorzüglich beherrſchten) auf Rache an denen, welche 
feine Ihronbefteigung in ‚England bisher verhindert und ihre 
Berbannung veranlafft hatten. Eadulf, der Jarl von Norts 
humberland, ein Verwandter Harthacnuts und von biefem mit 


1) Florent. ad a. 1039, 1040. Encom, Emmae. 
) Hist. Ramsey. c. 9. | Bu 
8) Den store, rike, ‚gamle Knut, die gewöhnlichen Beinamen 
deſſelben. 
4) Adam. Bremens. II, 54. 


490 J Bierte, Abtheiluns. 


geheuchelter Freundſchaft aufgenommen, wurde auf fein Scheiß 
von Siward ermordet und. diefem- feine. große Grafſchaft er: 
theilt *). Alfric, der Erzbifchof von Vork, Godwine, Styr der 
Haudmeier, Eadric der Ausgeber, Thrond der Schlachter de 
Eöniglichen Haufes, die. verfchiedenartigften, doch alle einfluß⸗ 
reiche Männer, wurden in eine Unterfuchung ‚wegen der Er 
mordung Alfreds und der damit zufammenhängenden Vorfälle 
gezogen. Der Leichnam feiries Vorgängers warb ber geweih⸗ 
ten Erde wieber enteifien und in eine Grube, hernach in die 
Themſe geworfen... Die dänischen Einwohner zu Londen wa 
ren uͤber diefed Verfahren empört, und ba es einem Fifcher ge 
lang die gemißhanbelte Leiche wiederzufinden, fo wurbe fie vom 
jenen’ auf dem dem heil. Clemens gewibmeten Kirchhofe der 
Dänen. ehrenvoll beigefett.. Die gegenfeitigen Vorwürfe über 
die Ermordung Alfreds, mit welchen der Erzbifchof Alfric (wel: 


. cher. den Living, den Bifchof von Worcefter, dieſes Verbrechens 


ſiegreich befchuldigte und: dadurch ſich vieles Bisthum für einige 
Zeit verfchaffte) und Godwine fich überhauften, endeten jedoch 
nah wmancen Miöhelligkeiten zulegt durch eine Verſoͤhnung 
Beider mit dem Könige; von Seiten Godwines durch Hülfe 
eines Eoftbaren demfelben gemachten Gefchenfes, eines Schiffes mit . 
vergoldetem Kiele nebfl achtzig Kriegern, welche fchwere golbne 
Armbänder, vergoldete Helme, Schilder und. Schwerter, Streit: 
ärte mit Gold und Silber eingelegt und eine Lanze, Atagar 
genannt, trugen 9; ein Luxus deſſen Anwendung und zeigt, 
wie fehr die wandelnden Häufer des Meeres und das Geräth 
des Krieged dem Dänen theurer waren als der ſtaͤdtiſche Palaſt 
und die Kuͤnſte des Friedens. 

Eine der erſten Sorgen Hatthaenuts muſſte jetzt ſein, die 
Mannfchaft der Flotte, welche ihn geleitet hatte, würdig zu be 
lohnen. . Die Engländer, welche von den harten Danegeldem 


1) Chron. saxon. ad a, 1041. Simeon p. 204. über Siwards 
Abftammung vgl. auch den fabelhaften Autor de comitibus Huntendon. 
et Northampton. bei Langebek III, 287 sq. 

2) Diefe Befchreibung des glaubwürbigen Florenz mag bazu bie: 
ten, die Befchreibungen des encom. Emmae, bed Snorro und an: 
derer norbifcher und normannifcher Schriftftellee von ber Pracht man: 
‚her Schiffe und des Seewelens jener Zeit im Allgemeinen zu beglaubigen. 





Die Zeit d. Alteinherefhaft d. Dänen in Engl. 491 


unter dem ‘alten Cnut längft entbunden waren, da. Diefer nım 
416 Schiffe aus benfelben erhielt, fühlten fich verlegt, als. ih⸗ 
nen im tiefen Frieden dieſe fehr druͤckende Kriegsſteuer mit 
32,000 Pfund ‚Silber abgefodert wurde. in jeder Ruberer 
‚ erhielt 8'), der Steuermann 12 Marken Silberd; Summen, 
welche gleichfalls zeigen, wie ſich unter jenen norbifchen See⸗ 
leuten .ein vornehmes Ritterthum gebildet hatte, welches auch) 
an Aufferm Glanze dem des feſten Landes nicht nachfland.: In 
entfernten Theilen des Reiches fehlte es nicht an Leuten, 
. welche fi dem Beginn eines: folchen goldnen Zeitalters mit 
Gewalt widerfegten. An manchen Orten mag gefchehen fein, 
"was wir. von Worcefler durch den dort weilenden Chroniften 
wifjen. ‚Einige Fönigliche Beamte. wurden von dem erzuͤrnten 
Volke daſelbſt erfchlagen. Der Vorgang wurbe fpät, aber 
firenge beſtraft. Sechs Monate nad) der Unthat erfchienen bie 
Ealdormanen Leofric, Godwine, Siward, der neue Jarl von 
Northumberland, Thor, Jarl der Mittelangeln ?), und Roni?), 
der Mogefäten Ealdorman, mit den Husceorlen und einem gros 
Ben Heere in der. flroffälligen Provinz, verwuͤſteten fie und. verz 
brannten die. Stadt. Die Einwohner verbankten ihre Leben 
größtentheild nur der Flucht, einige ihrer durch. eirie guͤnſtige 
Stellung auf einer Infel des Savemfluffes begünftigten Ta⸗ 
pferkeit. Die bitterften Beſchwerden über den Übermuth der 
Dänen find bis auf unfere Zeit gebrungen. Wenn Hundert Ans 
gelfachfen einem einzigen Dänen begegneten, fo mufiten fie flille 
fiehn und. denſelben demüthig begrüßen; fahen ſie ihn über 
eine Brüde kommen, fo muflten fie vor derfelben. halten, wenn 
fie nicht den fchimpflichften Mishandlungen preiögegeben wer: 
den wollten. In jedem angelfähfifhen Haufe Iagerte ein 
Däne, welcher als Gebieter beffelben fchaltete und Frau und 


1) Florent. Nah Malmesb. 20 oder 30. 


2) Mediterraneorum comes nennt ihn Slorenz.. Er ift derfelbe 
welder in einer Urkunde Harthacnut® Turr comes de Huntindon gt: | 
nannt wird. Histor. Ramsey. c. 9. 

5) Da Florenz und Simeon ben Namen Roni geben, fo fcheint 
es mir zu Eühn diefen in Rou oder Raou yerändern zu wollen und gar 
Rom, den Magefäten, für Radulf von Hereford zu erklären, von dem 
gleich die Rede fein wird. 





| ehrte ’). 


9... Vierte Abtheilung. 
Toͤchter des. Haudhern als Dienerinnen feiner - kiſte ent⸗ 


Neben der Befriedigung der dänifcpen Krieger vergaßen 
Ymme und ihr Sohn die Klöfter nicht. Seelenmeffen für den 
verftordnen Enut wurden geftiftet ?) und trugen während feiner 
furzen-Regierung noch dazu bei, den fehr bedeutend geworbnen 
Landbefig der Geifllichkeit zu vermehren. Bedeutſamer war 


der Entſchluß, den Atheling Eadward aus der Normandie 
herüuͤberzurufen und ihn mit der feinen Verhaͤltniſſen gebühren: 


104. 


den Auszeichnung am angelfächfichen Hofe aufzunehmen. Sein 


Charakter. durfte Peine Beſorgniß erregen, daß er feinem Halb: 


bruder auf dem Throne gefährlich werden koͤnne ). Mit: Eab: 
ward Fam, aufier ‚einigen normannifehen Seiftlichen, auch Ead⸗ 
wards Neffe Radulf, ein Sohn. der Gytha, der Tochter AÄthel⸗ 
reds und ihres erften Gemahles Walter von Mantes *). 
Harthacnut hatte früher nicht ohne Grund gezögert Di 
nernark zu verlaffen, welches von feinen erbitterten Feinden, den 


: Norwegen, ſtets bedroht war. Seine Abwefenheit wurde von - 


Diefen bald zu einem neuen Kriege gegen jenes Rand benuft. 
Der König war jest nicht geneigt fein neues Reich zu verlaf: 
fen, in welchem er fich in einer bisher unbekannten Schwelge⸗ 
rei wohlbehagte*), und er übertrug den Befehl der gegen Ma 
gnus von Norwegen gefandten Flotte dem Svend⸗Eſtrithſon. 


Dieſer, fein Vetter, Sohn des Schwagerds König Cnuts, de 


N 


von dieſem erfchlagnen Ulf, war nach feines Vaters Tode 


nach Schweden geflüchtet und hatte unter dem dortigen Kb 


nige Sacob eine zwölfiährige Kriegsſchule gemacht. Als fein 
Vetter. den englifchen Thron beftieg, reiſte er, der fehr nahe 
Nechte auf die Thronfolge in Dänemark hatte, zu dieſem, wo⸗ 


1) Gaimar vs. 4764. Bromton 934. Knighton 2325. 

2) Histor. Ramsey. c. 96. 

“— HZNoH Lingard folgt der Erzählung bes Malmesb. (au 
histor. Ramsey. c. 102. u. %.), daß Harthacnut damals feine Schwefter 
Gunhilde an Kaifer Heinrich vermählt habe. Dieſer war, wie oben er: 
wähnt, ſchon verftorben, als Darthacnut nad) England zurückkehrte. 

4) Histor. Ramsey. c. 116. | 

5) Henr. Huntend. 





Die Zeit d. Alleinhertſchaft d. Daͤnen in Engl. 493 


bei es ihm begegnete, als er, durch Sturm an das Land Ha⸗ 
deln getrieben, ſich ſeeraͤuberiſcher Gewohnheit nicht enthalten 
konnte, von den zu Ritzebuͤttel oder andern nahgelegnen Schloͤſ⸗ 
fern weilenden Rittern des Erzbiſchofs zu Bremen gefangen zu ˖ 
wexrden. Dem Erzbiſchofe Bezelin Alebrand fehlte die Klug: 
heit nicht, die Gewaltthaͤtigkeit des erkannten Thronerben als 
Übereilung oder Schwank zu behandeln. Er nahm feinen 
vornehmen Gefangnen nach Bremen und fuchte durch ehren: 
volle Bewirthung und koͤnigliche Saftgefchente das Verſehen 
feiner tapfern, aber Turzfichtigen Ritter zum Beften zu wenden. 
In England angelangt, folgte Svend der Auffoderung des Koͤ⸗ 
nigs, zu beren Erreichung fein eignes Intereſſe ihn dringend 
antrieb. Doc von den Norwegern auf das Haupt gefchlas 
gen, floh er nach England‘). ALS er hier landete, war Hars 
thacnut bereitö nicht mehr. Bei der Hochzeit, welche der koͤ⸗ 
nigliche Stalbruder, Marjchall Osgod Clapa, feiner Zochter 
Gytha bei ihrer Vermählung mit dem reichen Dänen Towi, 
genannt Prut oder der Stolze, zu Lambeth veranftaltet hatte, 
war auch.der König gefund und heiter erfchienen. Bei dem 
frohen Gelage zur Verlobten ſich wendend, ihr Heil zutrinkend, 
ſank er, mitten unter den Zügen aus dem Pocale, vom Schlag 1042 
fluffe getroffen zur Erde nieder und farb bald darauf. 8. Suni. 


1) Adam. Bremens. II, 55 — 57, Theodoric. c. 24. 


/ 


Fünfte Abtheilung. 
ie und Untergang der angelſaͤchſiſchen 
| Dynaſtie. 





N 


Eadward der Bekenner. 


Das Harthaenutd ımermarteten Tod, ber kinderlos, von 
näheren Verwandten nicht umgeben und in den legten Tagen 
ſprachlos verfchied,. waren die Angelfachfen ihrem alten Herr 
fcherhaufe zurüdigegeben, welches noch in den Nachkommen 
Eadmunds Eifenfeite in Ungarn fowie in beffen Bruder Ead- 
ward fortiebte. Auf biefen waren fogleich Aller Gedanken ge 
richtet, und noch ehe Harthacnuts Leiche in der Königsgruft 
des alten Miünfterd zu Winchefter beigefeßt werden konnte, war 
Eadward ald König der Engländer zu London feierlich ver: 
kuͤndet. Eadward hatte in früheren Jahren die Krone oft be 
gehrt und felbft mit Waffengewalt erſtreben wollen, Doch ſich 
an ben Gedanken längft gewöhnt auf diefelbe zu verzichten; 
die Elöfterlichen Befchäftigungen mander Jahre hatten feine 
Neigungen befangen und die Energie ertödtet, welche die 
ſchwierige Stelle des Herrfcherö in einem Lande, das wieder: 
holt und noch vor wenigen. Sahren' ihn zurüdgewiefen hatte, 
erfoderte, und fein Aufenthalt am englifchzdänifchen Hofe hatte 
ihm die Stärke der entgegengefeßten innern Parteien, die Ge 
fahr, welche vom Norden ber drohte, die Unzuverläffigkeit und 
Schwäche feiner Freunde kennen gelehrt. So fehr war er fih 
bewufit, daß andere Kräfte als die feinigen erfoderlich wären 
alle jene Gegner und nicht minder gefährlichen Freunde zu len: 
ten und zu beherrfchen, daß er die verhängnißvolle Gabe ab: 





Ruͤckkehr und Untergang der angelf.. Dynaftie. 495 


zulehnen ‚geneigt war und verzagt dem mächtigen Gobwine zu 
Fuͤßen ſtuͤrzte, ihn um Huͤlfe zur Ruͤckkehr in die Stille eines 
normanniſchen Kloſters anzuflehn '). Nur die kraͤftigſte Uberre⸗ 
dungsgabe Godwines und des Living, dem Älfric das Bid 
thum Worceſter wiedergeben muſſte, hatten ihn zur Annahme 
vermocht?). Der ſchlaue Earl erkannte leicht, daß er ſelbſt 
für jetzt Feine Ausficht hätte ‚die Übrigen: Thronbewerber : zır 
verdrängen, daß. Eabwarb aber, flarf in der durch fo. viele 
Leiden geftählten Liebe feines. Volks, ſowie durch die Verbin 
dungen des Föniglichen Haufes ‚mit vielen Fürften des. Feſtlan⸗ 
des, ſchwach durch Charakter und Erziehung, Mangel an Eries 


- gerifhen Gaben und. feine frühe Entfrembung tom vaterländi- 


fchen Boden; in den Händen des geſchickten Lenkers, gleich 
feinem Vater Äthelred, das gefügigfle Herrſcherwerkzeug wer: 
den muͤſſe. Daß er felbft und feine kraftvollen Söhne bie 
Zügel der Regierung ergreifen und fich erhalten würden, bavan 
durfte Gobwine wenig zweifeln; doch unterließ er Nicht fich 
den Erfolg feiner Plane. zu ſichern. Seine Söhne erhielten 
vergrößerte ober neue Provinzen und. Würden. Godwines eigs 
ned Earlthum .umfafite auffee Suffer, wo fein Vater den 
Ehrentitel eined Cyld geführt hatte, Kent und den größten 
füdlichen Theil von Weller. Von feinen Söhnen befaß Ha⸗ 
rold Oflanglien und Efjer’), Swegen (Saen) erhielt das 
nördliche Weffer*), weiche Provinzen nebeneinander gelegen - 
die reichfle und größte Hälfte England& bildeten. Won den 
jüngern, Zoflig, . Gurth, Leofwine und Wulfnoth, werden 


y Daß Eabward damals in der Normandie war, ſagt Wilhelm 
von Poitiers, ber jedoch als Normanne den Einfluß des jungen Her⸗ 
zogs Wilhelm zu hoch anſchlaͤgt. Lingard behauptet, daß jener da⸗ 
mals in England war, und will dieſes aus dem encom. Emmae, welches 
vor Harthacntts Tode gefchrieben war, und aus den Nichts entfcheiden- 
den Worten bes Wilhelm von Sumteges (I. VII. c. 9.) bewei⸗ 
fen. Er überficht dagegen bie einzige Stelle, welche für feine Meinung 
fpriht, bei Malmesb. orantem in Normanniam reditus auxilium. 

2) Florent. ad a. 1042. Malmesb. 


8) Harold erfcheint ſchon unter Harthacnut als dux. Urkunde in 
Smiths Ausgabe des Beda p. 780. 


4) Florent. ad a, 1051. 


6 ..Zünfte Abtheilung. ' 


“wir: fodter vernehmen. Doc nicht minber: ald durch feine 
Söhne wollte Godwine auch durch feme Tochter Eadgythe 
bersfchen, welche der König zu feiner Gemahlin. zu erheben 
verfprah. Eadgythe befaß nicht gewöhnliche Geiftesgaben, 
“wahre Zrömmigfeit und viel Liebreiz, welche ihr, der Schwe 
. fler der Godwinsſoͤhne, das Lob der Rofe unter den Dornen, 
und ſogar ihr, der Tinderlofen Königin, die Huldigung und 
dankbare Erinnerung ihrer Völker erworben haben. ‚Doch ge 
wann fie nie ihres Gemahls Zutrauen und Liebe, welcher ents 
weder aus Abneigung gegen ihre Angehörigen, ober wahrfchein- 
licher in Beobachtung alter flrenger Gelübde, in moͤnchiſcher 
Enthaltſamkeit von feiner Gemahlin fich abfchied ). 

Für dieſe feinen Abfichten ſo fehr günftigen Verhaͤltniſſe 
hatte Godwine die übrigen Kronprätendenten aufgeopfert. Un⸗ 
ter diefen war zunaͤchſt feines eignen Schwagerd Ulf mit 
Enuts Schwefter und König Svens Tochter erzeugter Sohn, 
Spend Eſtrithſon, Harthacnuts naͤchſter Anverwandter. Svend 
landete in England in dem unguͤnſtigen Zeitpuncte nach der 
obengedachten, gegen Koͤnig Magnus verlornen Seeſchlacht 
und fand keine Unterſtuͤtzung, um damals ſeine Anſpruͤche in 
England auszufuͤhren; doch Eadward erkannte und fuͤrchtete 
den kraͤftigen Mann. Er verſprach ihm, — ſo hat wenigſtens 
Svend Eſtrithſon, der nachherige Koͤnig von Daͤnemark, ſeinen 
Freunden. oft erzählt”) — ſogar wenn er ſelbſt Söhne hinter: 
laffen folte, ihn für den Erben ber englifhen Krone zu er 
Haren; und Spend, durch diefe Zuficherung, welche ohne Be 
flätigung der Wittigften ſehr locker war, befchwichtigt, verließ 
England, um neuer Kämpfe Spiel mit König Magnus zu wa 
gen. Auch dieſer König machte Anfprüche auf Englands 
Krone, wie auf Dänemarks, welche auf dem mit Harthacnut 
einft vollzogenen, gegenfeitigen Erbvertrage berubten, welcher, 
abgefehn von der flantörechtlichen Ungültigkeit eines folchen 
Vertrags, den Angelfachfen um fo anmaßlicher erfcheinen 


i) Malmesb. Das vollſte Lob der Königin findet fih bei In: 


gulph, welcher ſchon ald Knabe fie Fannte und banfbar verehrte. 
2) Adam, Bremens, |. II. c. 57. 1, IIL'e. 12. 





Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 


muſſte, ba Harthacnut zur Zeit der Abſchlieſſung deſſelben KON 
England noch nicht Beſitz ergriffen Hatte ). 

‚  Dergleichen. Verhandlungen, erfi um einen König zu finden, 
fodann die unbegehrten Bewerber zuruͤckzumeiſen, verzögerten 
die Krönung, welche‘ durch den hinzugetretenen, ſolchen Zeften 
unzuträglichen Winter bis zum nächftfolgenden Ofterfefte aus⸗ 
gefegt blieb. Sie wurde in dem Münfter der alten weſtſaͤch⸗ 
ſiſchen Hauptſtadt Wincheſter, mit dem den Angelſachſen eigen⸗ 
thuͤmlichen aͤuſſern und, Redepompe, durch den, Erzbiſchof Eadſoy 
in beinahe aller Biſchoͤfe Gegenwart vollzogen. | 

Der erſte Gegner, . mit welchem. ‚König Eadward zu 
kampfen gezwungen wurde, war ſeine eigene Mutter. Dieſe 
hatte oft bewieſen, wie wenig fie die Kinder aus ihrer erſten 
Ehe liebte, fo fehr, daß ihr die freilich unerwiefene Nachrede 
folgte, daß ihres Sohnes Alfreds Ermordung ihr: nicht fremb 
gewefen ſei. Eadwards Zhronbefteigung hatte fie nur deshalb 
nicht gehindert, weil fie auf feine Schwäche und Rachgiebig: 
Leit vechnete. Der Priefler Stigand, ihr. Freund und Rath⸗ 
geber, welchen jener kuͤrzlich zum Biſchofe von Oſtanglien 
ernannt hatte, beſtaͤrkte fie in ihren eigennittzigen Planen, zu 
denen die Zuruͤckhaltung der großen koͤniglichen Schaͤtze zu 
Wincheſter gehörte. Eadward Eonnte die Rechtmäßigkeit diefes 
Beſitzes um fo weniger anerkennen, da Ymmes Anfprüche ſich 


1043. 


auf die Schentungen Cnuts, den er nur ald den Räuber dr 
ohne Zweifel großentheild altväterlihen Schaͤtze betrachten 


konnte, ſich flügten. Die drei, angefehnften Männer des Reichs, 
Godwine, Leofric und Siward, wurden vom Könige beauf⸗ 
tragt von Gloceſter heimlich nach Winchefter zu. reiten, um der 
überrafchten Königin Mutter die beftrittenen Gegenflände, 


Gold, Silber, Geſchmeide mit Gewalt zu entreiffen: Doch 


wurde ihre alles Nothwendige gelaffen, fowie der fernere 


Aufenthalt in Winchefter geftattet. Auch Stigand muſſte für 


feine Rathichläge büßen, fein Bisthum und Alles was er 
vom Könige als Lehn erhalten hatte, wurde ihm genom⸗ 


1) Man ſehe, wenn es beliebt, den Streit ritterlich ebler Gefin⸗ 


nung beider Koͤnige in dem angeblichen Schrelben bei Snorro Al 


Magnusi Goda c. 38 u. 89. 
Lappenberg’s Gefhichte Englands I. 32 





498 Fünfte Abtheilung. 


‚men '), doch ſchon im folgenden Sabre adielt er ſein Bis⸗ 


thum wieder. 

Mit dieſen Hofintriguen haͤngt wahrſcheinlich auch die 
Verbannung der. edlen Frau Gunhilde, einer Schweſtertochter 
Koͤnig Cnuts, ſowie ihrer Soͤhne Hemming und Thurkill zu⸗ 
ſammen. Sie war fruͤher dem Jarl Haquin, ſodann dem 


Jarl Harold, Thurkills Sohn, vermaͤhlt, welcher auf - ber 


Ruͤckkehr von Rom auf der Elbe vom Herzoge Drbulf von 
Sachfen, der einen Gegner feines Schwiegervaterd, des Ki: 


nigs Magnus von Norwegen, in feinen Kämpfen für das di 


” 


nifche Reich aus dem Wege rdumen wollte, erfchlagen war?). 
Gunhilde ging nach Brügge, fpäter, nah Magnus Tode 
(+ 1047), nach Dänemark und hinterließ durch ihre Schen⸗ 
Zungen an bie Klöfter jener Stadt ein ruhmvolles Andenken, 
welches die fpätere Zeit auf Enutd Tochter, die Kailerin Gun 
bilde, übertragen hat’). Auch der Fremd Harthacnuts, der 
Stallere uud Shiregereve von Middlefer, Osgod Clapa, wurde 
verbannt *), und Ähnliches gefchah gleichfalls Allen, welche fih 
der Königswahl Eabmards. anfänglich entgegengefeßt hatten’). 
Doc auch gegen auswärtige Feinde hatte Eadward ſich 
zu ruͤſten. König Magnus focht glüdlich gegen Svend von 
Daͤnemark, und es war zu beforgen, daß jener ſich auch gegen 
England wenden würde. Mit 35 Schiffen‘) erwartete Ead⸗ 


1) Chron. saxon. ed. Ingram ad a. 1043. Florent. Da 


- Ymmes Heirathögut, ihre Heerden und Getreide geraubt wurden, ift 


eine von Lingard, im Widerfpruh mit allen zuverläffigen Quellen, 
gegebene Nachricht. Die Sage von dem von Ymme beftandnen Gottes⸗ 
urtheil hat Thon Carte I, 348 widerlegt. Es muß bier auch vor 
Ingrams Ausgabe ber angelfähfifchen Chronik gewarnt werden, welche 
bei diefen und den folgenden Jahren verſchiedne Darftellungen als vers 


ſchiedne Begebenheiten an einander reiht. 


2) Adam. II, 58. Der Mord geſchah am 18. November 1042; 
dgl. Wedekinds Noten Th. IL 

3) ©. oben &. 482. Florent. ad a. 1045. Chron. aaxon. 
ad a. 1044. | 

4) Florent. ad a. 1046, Urkunde bei Hickes grammat, Anglo- 
sax. p. 158. 

5) Malmesb. 

6) Classis praevalida. Florent. ad a. 1085. über bie Zahl 85 
f. oben. 


J 





Ruͤckkehr und Untergang der angel. Dynaftie. 499 


} 
ward zu Sandwich die Nachricht von feiner Ankunft. Doch 
wurde jener durch Svends neufräftigen Wiberfland in ber Ofts 
fee zurüdigehalten. Svend befandte König Eadward um Hülfe. 
Richtiger erfcheint Godwines Rath ihm funfzig Schiffe zu 
ſchicken, um den beiden Reichen drohenden Magnus zu vernich⸗ 
ten‘). Doc Leofricd Anfiht drang im Witenagemote durch, 
jene Hülfe nicht zu bewilligen; unter dem wenig bewährten 
Führer konnte eine fchmerzlich zu entbehrende Flotte vernichtet 
und fodann der Widerfland gegen einen Angriff des Magnus 
auf England zu fehr erfchwert werden; dagegen Svends Glüd - 
den Engländern nicht minder gefährlich zu werden drohte. Da, 
die gehoffte Unterflügung auöblieb, fo war die neue Niederlage 
Spende entfcheidend und Magnus im ungeftörten Befige beider 
Reiche, Norwegen und Dänemart. Godwines Rath wurde 
bald als der richtige erkannt. Fuͤnfundzwanzig normegifche 
Schiffe, unter Anführung des Lothen und Erling, erfchienen, 
gleich nach Beendigung des Krieges, vor Sandwich, pluͤnder⸗ 
ten die reihe Hafenflabt und verheerten, nachdem fie von der 
Inſel Thanet durch das tapfere Landvolk zurüdgefchlagen was 
ren, die Provinz Efier. Die Norweger wanbten fi von bier 
nach Flandern, wo eine vielleicht durch Ymme. genährte feind⸗ 
felige Stimmung gegen König Eadwarb an bed Grafen Bal⸗ 
duin Hofe herrfchte, um dafelbft ihre Loftbare Beute in Sitz _ 
cherheit zu bringen und fie in dem bald ganz zu erobernden 
England zu benugen, während fie felbft zu dem neu enthüllten 
Banner ihres Königs zogen”). Spend hatte fi) zu dem Koͤ⸗ 
nige Jacob von Schweden gewandt und, die befchwornen 
Zriedensgelübde brechend, mit deffen Hülfe Dänemark wieder 
um angegriffen. Der plögliche Tod des Königs Magnus 
machte Spend Eftrithfon zum König von Dänemark und den 
Oheim ded Magnus, Harold, genannt Hardrada, der Strenge, 
zum alleinigen Herrn Norwegens; fowie England von der Bes 
forgniß erneuerter normwegifcher Angriffe glücklich befreiet wurde. 


1) Chron. saxon. Florent. ad a; 1047. 

2) Chron, saxon. ad a. 1047. Henr. Huntend. nennt fie prio- 
cipes Danorum; boch ergibt der Zufammenhang ber Begebenheiten, was 
auch. die Ramen fchon wahrſcheinlich machen, daß darunter Rorweger 
zu verſtehen find. 

32 * 


\ 





500 . Sünfte Abtheilung. 2 


Harold fowie Spend ſchickten Gefandte an Eadward um Frie: 
dend= und Freundſchafts⸗Buͤndniſſe abzufchlieffen, welche beide, 
ohne einen jener fich oft feindlich gegenüberfichenden Könige 
durch Hülfeleiftungen offenkundig zu begünftigen, willig ange 
nommen wurden. Svend fol jedoch eine jährliche Zahlung 
an Geld, vielleicht einen Theil des Danegeldes, von Eadward 
erhalten haben, nachdem er mit einem Heereszuge gegen Eng: 
land gedroht hatte ). | 
Das Misverhältniß mit dem Grafen Balduin. von $lan: 
dern trat jest immer mehr hervor. Brügge war der Sammel: 
plag der angelfächfifchen Verbannten, und Ruͤſtungen gegen ihr 
Vaterland wurden von denfelben bort offen betrieben. Hieher 
war Osgod Clapa gegangen und bemannte feine Kiele auf 
bem in der deutfchen Heldenfage gefeierten Sande von Wulpe?). 
Hier erichten auch Earl Sweyn, Godwines Sohn. Diefer kam 
aus Weftwales, wohin Griffin, der König von Nordwales, 
ihn begleitet hatte, fiegreich und von Geifeln umgeben. In 
der übermüthigen Freude des jugendlichen Sieger heimkeh—⸗ 
rend, erblickte er Eadgiven, die Äbtiffin von Leominfter (Here 
ford), deren Anblid ihn hinriß rohem Gelüfte nachzugeben, 
worauf er gefättigt fie zurücfandte ’). Ob er fie gleich ſpaͤter 
zu ſeinem ehelichen Weibe machen wollte, ſo konnte ein ſolcher 
Frevel nicht ungeahndet bleiben. Der misvergnuͤgte Earl ver: 
ließ feine Graffchaft, welche der König dem Harold, Sweyns 
Bruder, und Earl Beorn, einem Bruder König Spende, zus 
theilte, mit einer nicht geringen Anzahl Schiffe und ging zw 
erft zu feinem Vetter, König Svend, aber bald mit den Dänen 
entzweit, zu ſeinen Landsleuten in Flandern. Vermuthlich 


1) Adam. Bremens, III, 12. Die perföntiche Bekoäntichaft 
diefes Schriftftellees mit König Send zwingt uns jedes feiner Worte 
Über dieſe Angelegenheiten zu berüdfichtigen. 

2) Die Lage von Ulpe oder Wulpe, einem Dorfe an der flanbris 
Then Küfte, nordweſtlich von Sluys, in den Gebichten Gubrun und Lam: 
precht erwähnt (f. Grimms Helbenfage), ift nacdhgewiefen von Mone 
(Quellen und Forſchungen I, 13). Die Bebeutfamkeit diefer Gegend 
für die Schifffahrt wird uns auch durch bie bortige aͤlteſte hamburger 
Hanſe zu Oſtkerken bewaͤhrt. 


9) Chron, saxon. ad a. 1046. Florent. ad a. 1047. 





Ruͤckkehr und Untergang der ängelſ. Dynaſtie. 501 


fochten dieſe ritterlichen Gaͤſte mit Balduins Faͤhnlein in dem 
Kriege, in welchen dieſer mit dem Herzoge von Lothringen und 


andern benachbarten Fuͤrſten gemeinſchaftlich gegen den Kaiſer 


Heinrich III. verwickelt war, und durch die Zerſtoͤrung der 
herrlichen kaiſerlichen Pfalz zu Nymwegen und andern Kriegs⸗ 
frevel den Unwillen deſſelben ſehr gereizt hatte. Der Kaiſer 
entbot Koͤnig Svend von Daͤnemark mit einer Flotte dorthin, 
welcher auch der Auffoderung gehorchte und dem Kaiſer das 


Geluͤbde der Treue und Huld ablegte. Eadward wurde vom 


Kaiſer angegangen, durch eine Flotte das Meer bewahren zu 
laſſen, damit Graf Balduin nicht entfliehen moͤge, und kam 
dieſem Wunſche unter den obwaltenden Verhältniffen bereit⸗ 
willig nach. Er ſelbſt verweilte mit einem betraͤchtlichen Schiffs⸗ 
heere zu Sandwich, bis der Kaiſer die Demuͤthigung Balduins 
erreicht hatte '). 

Sweyn war ber Irrfahrt der heimatlofen Seeraͤuber 
mübe geworben?) unb wandte fich jest an feinen Vetter 
Biden, welcher mit Godwine und einer Flotte von 42 Segeln 
zu Perenfey lag, um durch feine Vermittlung feinen Frieden 
mit dem Könige herzuftellen, zugleich aber auch von jenem 
und Harold die Abtretung feiner kürzlich ihnen verliehenen 
Befisungen zu erlangen. Zu Erſterem erklärte Biden fich be⸗ 
reitwillig, das Andere verweigerte er fowie Harold. Als nım 
Bidm forglos, von wenigen Gefährten begleitet, nach Boshan 
ritt, wo Sweyns Schiffe lagen, ließ diefer ihn ergreifen, bin 


den und zu Schiffe nach Dartmouth führen, daſelbſt erfchlagen 


und begraben’). Daß dieſer Frevelthat zunächft Privatrache 
zum Grunde lag, ift wohl Baum zu bezweifeln, doc) wurde 
fie durch die tief gemurzelte Abneigung der Angelfachfen gegen 
‚ die Dänen beförbert, welche letztere auch bald fich darin Aufferte, 
daß auch König Svends und Bidrnd Bruder Osbjoͤrn (Esbern) 
mit allen ‚feinen Anhängern aus England verbannt und da⸗ 


1) Chron. saxon. ad a. 1049. Florent, Lambert, Schat- 


naburg. ad a, 1046 sq. 

2) Pirata factus, praedis mar virtutes maiorum polluit, 
Malmesb. 
9% Florent. ad a, 1049 und bie doppelte Erzaͤhlung aus” chron. 
saxon. h.a. | 


502 Sünfte Abtheilung. 
durch der daͤniſche Einfluß in die eiche angelegenheiten völlig 


vernichtet wurbe i). Jener Meuchelmord wurde Durch gerichts 
| lichen Spruch beftraft und Sweyn geächtet, worauf er mit 


zwei Schiffen nach Brügge ging und dort den Winter zus 
brachte. Spraͤche nicht die ganze Geſchichte jener Zeit von 
dem mächtigen Einfluffe des Hauſes Godwine in England, fo 
fanden wie ſchon einen auffallenden Beleg für denfelben in ber 
ſchon im naͤchſten Jahre, angeblich auf Aldreds, des Biſchofs 
von Worceſter, Zürfprache erfolgten Zuruͤckberuſung beffelben 


in fein Vaterland’). 


Das Gehäffige jener That wurde in den Augen der Zelt 
genoften fehr Durch bie erfreulichen Folgen derſelben geſchwaͤcht. 
Dur die Entfemung aller mächtigen Dänen ward es bem 
Könige möglich, das feit beinahe vierzig Jahren fo ſchwer ba 


and, drüdende, vor allen andern Abgaben, ‚fo viel ihrer auch 


waren, zu entrichtende Danegeld, welches fein Water Äthelred 
begonnen hatte ben bänifchen Soͤldnern zu zahlen, gänzlich 


‚ aufzuheben. Eine ſolche Maßregel konnte nur allmälig ausge 
1049. 


führt werben, und es gefchahen die letzten Schritte dazu im 9. 
4049, als ber König neun jener Schiffe aus feinem Dienfle 
entlieh und Die noch übrigen fünf mit ihren Lithsmannen mır 
für die nachflen zwölf Monate in feinem Solde behielt. Im 
folgenden Sommer blidte der Angelfachfe mit frobem Selbſt⸗ 


gefuͤhle auf feine Höfen, in welchen Feines bänifchen Krieges 


ſchiffes Flagge mehr wehte, fowie auf die Thuͤrme Londons 
welche Feine als folche privilegirte und befoldete Schaar daͤni⸗ 
ſcher Husceorle mehr bewachte. 

Aber die kaum geheilte Wunde gerechter Nationaleiferſucht 
wurde durch Koͤnig Eadward auf andere Weiſe und nicht 
minder empfindlich und gefahrvoll erneuert. Eadward hatte 


nicht nur die Juͤnglingsjahre, welche den Neigungen und Dem 


GCharakter ihre fee Richtung zu geben pflegen, fondern auch 
die folgenden, wo unzerſtoͤrbare Bande der Liebe und Gewohn⸗ 
beit ihn bis zum Tode fefleln, in einem durch Clima, Sitte, 


1) Adam. Bremens. Ill, 14. Eo tempore separabant se 
Angli a regno Danorum etc, - 
2) Chron, saxon. ad a. 1050. Florent, ad a. 1049. 


X 


Ruͤckehr und Untergang dee angelſ. Dynaſtie. 503 


ESbdrache von feinem Vaterlande nicht wenig. verfchiebenen 
Lande sugebracht. Je höher die geiftigen Genüffe ihn erhoben, 
welchen er in feiner friedlichen, mußevollen Stellung fich hin: 
geben durfte (und eine hingebende erleuchtete Frömmigkeit 
. war ed, welde ihm nach feinem Tode den Beinamen bes Be: 
kenners verdiente), deſto verzeihlicher, ſowie ſtaͤrker muſſte ‚bei 

ihm die Überzeugung ſich geſtalten, daß die Theilnehmer der 
ihn beſeligenden Stimmungen auf ſein ganzes Zutrauen und 
auf die Unterſtuͤtzung ber von dem Herrn ihm verliehenen 
Macht ein Anrecht haͤtten. Als er nun die Heimat ſeiner Bil⸗ 
dung und ſeiner Freuden verließ, war ber treuherzige ˖ Gruß 
des weſtfaͤchſiſchen Landmannes ſeinem Ohre fremd geworden 
und ſprach nicht zu feinem Herzen; bie rohen Sitten der ar 
glodänifhen Magnaten, von deren Verkehre ihm nicht länger 
verſtattet war in dad ſtille Kloſtergewoͤlbe zu fliehn, wiberten 
ihn an; der unabhängige Sinn ber. angelfächfifchen Geiftlichkeit, 
welche durch Sprache und alte Traditionen von der römifchen 
Kirche ſtets getrennt blieb, erfchien dem rechtgläubigen Katho⸗ 
liken nicht viel beſſer als tobfündliche Keberei. Vor Allem 
bemühte fich daher Eadward normännifche Seiftliche in fein 
Reich zu ziefn und daffelbe dadurch dem römifchen Stuhle 
näher zu bringen. Bald nach feiner Thronbeſteigung wurbe das 
durch des Freundes von Cnuts, Alfwards, Tod erledigte Bisthum 
zu London einem Moͤnche von Jumieges, Robert dem Franken, 
weicher früher den Beduͤrfniſſen des Verbannten oft huͤlfreich 
entgegengefommen fein fol, ertheilt. Nach einigen Jahren 
wurbe dieſer an Eadſys Stelle zum Erzbiſchofe von Canter⸗ 
bury und Primaten von ganz England erhoben. Andere fraͤn⸗ 
kiſche Geiſtliche wurden Capellane des Koͤnigs, welche hier wie 
an ben meiſten Höfen als bie Pflanzſchule der kimftigen Bi 
fehöfe betrachtet werben Eonnten. Einem derfelben, Wilhelm, 
wurde auf Robertd Betrieb und des Papſtes Scheiß der Sit 
zu London gegeben, obgleich berfelbe fchon an Sparhafoc, def: 
fen reiche Abtei Abingdon (Berks) ein Verwandter des Könige, 
Bifhof Rodulf, bereits erhalten hatte, von Eadward mit 
Brief und Siegel ertheilt war und jener mit Gewalt vertries 
ben werben muffte. Ein anderer Normann, Ulf, erhielt das 
Bisthum Dorchefier, und fo fielen die. beften erledigten Pfruͤn⸗ 


504 Fuͤnfte Abtheilunsg. 


den in die Hände von Ausländern, was. die englifche Geiſtlich⸗ 

keit bisher nicht hatte ertragen lernen. Ausländifche, heſonders 
normannifche Klöfter und Kirchen wurden: vom Könige, de 
Königin und den Großen des Reichs reich begabt ). Auffal 
lend Fönnte das Misfallen erfcheinen, welches bie von Eadwarh 
ernannten Biſchoͤfe der paͤpſtlichen Curie erregten; doch duͤrfen 
wir, ſpaͤrlich wie die daruͤber und zugekommenen Nachtichten 
find, dennoch wohl: annehmen, daß jenes ſich nicht wirklich 
auf die. ernannten. Sefftlichen bezog, fondern, daß daſſelbe auf | 
denfelben Snveftiturftreitigkeiten und paͤpſtlichen Anfprächen be 
zuhte, welche in jenen Jahrhunderten ganz Europa erfuͤllten. 
Eadward felbft hatte feine Verehrung für. Rom auch Durch eime | 
‚ Pilgerfchaft nad der Wohnung ded Statthalterd Gottes an 

den Zag legen wollen;. doch verfannte er bie Regentenpflichten 
und den Rath der Seinigen nicht, welche langroierige Entfer 
‚nung von feinem Reiche nicht geflatten wollten. Er fanbte 
Abgeoronete, Hermann, feinen ehemaligen Gapellan, zum Bi 
fhofe von Sherborn befördert, und Aldred, den Biſchof von 
Worceſter, nach Rom zu dem nach. dem Ofterfefte gehaltenen 
Goncilium, welche vom .Papfte Leo IX. ihm die nachgefuchte 
Loͤſung von feinem Gelübbe brachten, unter der auferlegten 
Bedingung dem heil. Petrus und Paulus ein Münfter zu er 
bauen. Dem frommen Manne war. ed Fein zu großes Opfer 
ein Zehntel feiner Einkünfte für diefen Zweck jährlich zu ver 
wenden; das flattlichfte Gebäu erhob fich auf der weftlich von 
London belegenen Infel Thorrey, an der Stelle der früher von 
Seberet, Könige von Eifer, errichteten, laͤngſt verfallenen 
Kirche. Eadward hatte in feinem legten Lebensjahre bie 
Freude diefe Kirche : geweiht zu fehn 2). Und diefes Weſt⸗ 
münfter war das letzte Vermächtniß der. angelfächfifchen Herr: 
ſcher an die Nachwelt, welches in feinen bald erfolgten Erwei⸗ 
terungen ber Abtei und der Hallen: Die Wahlflätte und de 
Tempel der guten Geſetze Eadwards des Bekenners, angelſaͤch⸗ 
ſiſcher Verfaſſung u und deuiſcher Beige geworben it; Mauern, 


u DEIllisa. a. 2. h, ‚324. 


2) Chron. sax, ad a. 1049 et 1066. Albericus ad a. 1098, 
Ailredus de vita Eadwardi confess. apud Twysden p. 879 sg. 





"Rüdtehe and Untergang ber. angelf. Dynaſtie. 505 


“welchen, wie vielleicht keinen ſpaͤtern ober felihern, da in ihnen 


die zarteſten Elemente der buͤrgerlichen Geſellſchaft erhalten 
und entwickelt wurden und ſie von den inhaltſchwerſten Ent⸗ 
ſcheidungen fuͤr alle Welttheile wiederhallten, ewig unvergeſſ⸗ 
liche Weihe geworden iſt. D 

Eine fernere Huldigung Eadwards fir den paͤpſtlichen 
Stuhl lag unſtreitig in der Abſendung von geiſtlichen Abgeord⸗ 
neten zu dem von Papſte Leo zu St. Remy gehaltenen Con⸗ 
cilium '), welche. die unabhängige angelſaͤchſiſche Kirche nicht 
ohne Mistraisen.  befrächtete.‘ Selbft: auf’ weltliche: Geſchaͤfte 
und Verhaͤltniſſe begann. die Vorliebe Eadwards für die Ans 


ſichten und Sitten‘ des Fatholifchen Feſtlandes ihren Einfluß 


' 


zu ben. Es war nicht fo unbedeutend als es und jetzt er⸗ 
foheinen mag, baß er. flatt des aufgebrüdten ein’ angehängtes 
Siegel, wie es dort :gefchah, bei koͤniglichen Briefen. einführte, 
Daß er die angelſaͤchſiſche Handſchrift durch bie leichtere franzoͤ⸗ 
fifche der ihn: umgebenden Klerifer zu verdrängen ſuchte; der - 
Kanzler des Königs felbft war: ein Normanne, Hugolinus?). 
Die Geiftlichen aus franzöfifcher Schule fliegen ſchneller empor, 


„Ieiteten die Sprüche. des NRichterd, und mit dem Gemanbe 


wurde auch ber Geiſt normanniſcher Verfaſſung leichter ein⸗ 
gefuͤhrt. 

Doch haͤtte die Nation viele dieſer Neuerungen taum be⸗ 
merkt und die allmaͤlige Einſetzung fremder Praͤlaten vielleicht 
ertragen, wenn nicht auch die maͤchtigen weltlichen Herren des 
Landes durch die fremden Guͤnſtlinge des Hofes beſchraͤnkt wor⸗ 
den wären. Schon hatte ein Neffe des Königs, Radulf, wel⸗ 


cher ihm aus’ feiner Verbannung nach England gefolgt war; 


die Graffchaft Hereford, jene Mark gegen Wales, vielleicht erſt 
feit „der. Verbannung Sweyns, verliehen ?) erhalten. Zu Ra: 


1) Chron. saxon..ad a. 1049. Histor. Ramsey. c. 114. wo für - 


Aedwino zu leſen ift Kadwardo. - 

2) ©. die Lifte bei Duchesne scrr. normann. 1023, 

$) Palgrave II, 290. fpriht auch von einer Verbannung Ras 
dulfs zwifchen ben Jahren 1041 — 1051; doch ift die Stelle auf welche 
er ſich deshalb bezieht, misverftanden. Histor. Ramsey. c. 116.. Comes 
quidam Radulphus nomine, Normannus natione, quem rex Kadwardus, 
de taediosi exilii latibulis revertens (sc. Kadwardus & 1041) secum 


- in Angliam reduxerat. 


- 


506 Fünfte Abtheilung. 


bulf hatten fi) aber auch ſchon viele franzöfifche Ritter ge 
ſellt, welche auf feinen Burgen verweilten.. Ginige berfelben 
hatten eigne Burgen erhalten, wie Däbern, Pentetoſt und Hugo'). 
' Die. Burg eined andern fränkifchen Ritters, Robert, Sohnes ber 
. Mimarca, wird und als noͤrdlich von London belegen bezeid; 
net). Radulf galt für allmaͤchtig an Eadwards Hofe; bie 
Schwachen bublten um feine Gunft und wagten Feine feine 
Anmafungen zu verweigern, unb felbft der einflußreiche Abt 
des Kloſters Ramfey fand fich durch ſolche Rüdfichten bewo I 
gen ihm Ländereien, nady denen er gelüflete, abzutxeten; bie | 
Mächtigen erblidten ihn nur mit ſchlecht verhaltnem Grolle. 
Des Erzbiſchofs Robert Weigemg den ernannten Sparhaf 
zum Biſchofe von London zu weihen, regte foeben die Gemir 
ther gegen die Franken wieder auf, und mit Scheelfucht blickten 
bie Angelfachfen auf die kuͤrzlich erfolgte zweite Vermählung 
ihree Königstochter Goda, Radulfs Mutter, mit Euflaz, Gm 
fen von Bonlogne, non fenem Schnurrbarte aux grenons 
benannt (dereinft durch fpdtere Ehe der Vater der Könige von 
Serufalent, des berühmten Gottfried von Bouillon und Bel 
byin-1.)?), als die Rachricht von bevorftchenden neuen Ber 


1) Pentecostes castele.. Sax. chron. ad a. 1052. Daß biefer nidt 
mit Ingram in ber Normandie zu Juchen ift, ergibt fich aus Sloren 
b. 3. 1053. Osbernus vero cognomento Pentecost et socius eins 
Hugo sua reddiderunt castella. 

2) Rodbertus, fil. Guimarcae, nobilis mulieris, wirb von Wil: 
heim von Poitiers (p. 19 C) ats ein fehr reicher, im ſuͤdlichen 
Gnglanh angefeffener Normanne und Blutsverwandter bes Herzogs ge 
nannt. Im Doomsdaybook werben ex und fein Sohn Sweyn häufg B 
mit zeichen Befisungen aufgeführt. Der Sohn erbaute bie Burg Ro 
leigh in. Efier, ober vielleicht ftellte er fie nur in biefer Gegend, wo wir 
die Burg feines Vaters fuchen dürfen, wieder ber. Jener Robert, def: 
fen Bater von den Neuern isrig Wimark genannt wirb, komme im eine 
Urkunde Eduard ald ber Thane von Kent und als stallere vor. 

8) Chron. Lanereost. Me. (citat. Ellis introduction to Doome- 
day I, 8384) fest biefe Heirath in den September 1051, vermuthlich 
aus einer Verwechslung mit bem obengebadhten in eben biefe Zeit fal⸗ 
lenden Beſuch des. Euſtaz. Eine ſolche Veranlaffung diefes Vorfalles hätte 
der angelfächfifchen Ehroniften u. A. nicht unbekannt‘ fein tönnen. Mal- 
mesb. fagt von Euſtaz ausdruͤcklich: Eduardum, nescio qua de czuss, 
adiit. 





J 


Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 507 


chen fränkifcher Fuͤrſten bei Eadward erſcholl und mit Mis⸗ 
trauen und Unmuth vernommen wurde. Des Koͤnigs Schwa⸗ 
ger Euſtaz erſchien mit ſtattlichem Gefolge beim Koͤnige von 
England. Als er heimlehrte ), bemerkte man, daß er in Roberts 1051. 
des Franken erzbiſchoͤflicher Reſidenz ein Mahl einnahm, viel⸗ 
leicht alſo mit dieſem einen Anſchlag ſchmiedete, und daß er 
auf feiner fernern Reiſe nahe vor Dover, einer von Godwines | 
Burgen, mit feinen. Mannen den Harniſch anlegt. Stolz: ı 
fprengten fie.in die Stadt und erflärten, daß fie fih ihre Qua ⸗ 
tiere nach Gutduͤnken in den Bürgerhäufem ausfuchen wuͤrden. 
Selbſt gegen bie Misbraͤuche der Beherbergung des Königs 
und feines Gefolged wuſſten bie Bürger fich zu fichern; den 
fraͤnkiſchen Herren aber, die als Landplage und offenbare Feinde 
erfchienen, wollte Niemand zum Wirthe dienen. Als nun einer 
derfelben in verbienbetem Ungeſtim einen Hausbonden, wels 
cher ihn zuruͤkwies, verwundete, marb jener fogleich von ben 
ergrimmten Mitbuͤrgern erfchlagen. Enflaz und feine Gefähr- 
ten fchwangen ſich ſchnell auf dad Roß, erfihlugen den Hause 
‚bonden auf feinem eignen Herde und noch zwanzig andre. 
Bon den Händen der Bürger fielen aber nicht weniger Frans 
Zen, viel mehr wurden verwundet, und nur mit Mühe retteten 
fi Euſtaz und wenige feine Mannen. Den König ergriff 
größter Unwille gegen die Bürger, und er gebot dem Earl Gods 
wine nach Kent zu gehen um Doverd Einwohner zu beftrafen. 
Doch was hätte ben flolzen und mächtigen Godwine veranlaf- 

. fen follen feinem fchwachen Schwiegerfohne zu folgen, um feine 
braven Bürger zu kraͤnken wegen einer That, deren Lob an 
allen Enden Englands wieberhaltte, und fich vor jenem verhafſ⸗ 
ten Franken fo fehr herabzumürbigen? Alle Weſtſachſen theils 
ten feine Sefinnungen in dem Haſſe; denn rüdfichtslofe Ans 
maßung und unbefonnene. Gewaltthaten bezeichneten bie Fuß⸗ 
tapfen jedes Welfhen in England. In ber Nähe einer von 
ihnen in Hereford neuerbauten Burg, vielleicht Pentecofl, was 
ren felbft des Könige Mamen jeder Beleidigung ımd Ber 


1) 34 folge "Hier den Erzählungen ber angelſaͤchſiſchen Chronik, 
Malmesb. u. A. Florenz, welcher in ber normannifcgen Zeit fchrieb, 
ift viel weniger genau und erzählt, der folgende Vorfall habe fich fchon 
bei ber im September erfolgten Landung des Euſtaz gugetragen. 


A 


N 


508 Fuͤnfte Abtheilung. 


























letzungen ausgeſetzt geweſen. Godwine und feine Söhne, Stene 
und Harold, befchloffen baher ihre und. der ‚Nation Kluge 
vor den König zu bringen, welcher einen Reichstag wegen Wi 
fer Händel nach der Stadt Gloceſter vor dem legten heil Wi 
“ rientag ') auögefchrieben hatte. Doch verfammelten fie in MM 
Grafſchaft diefes Namens, zu Byrerſtone und Langtre, Mi 
ftarkes, wohlgerlftetes Gefolge um fich ber, welches bie O 
währung einer Bitte vielleicht hätte erzwingen Eönnen. Leeſ 
Siward, Raulf und die Übrigen Anhänger des Königs, Mi 
melten gleichfalls ihre Krieger, und es erfoberte viele Dal 
nenheit wmeifer Qermittler, die entgegenftehenden Parteien WE 
einem Kampfe abzuhalten, welcher bie angefehnften Maͤnner & 
lands aufzureiben drohte. Gobwine vermochte nicht vor 
Könige ſich zu rechtfertigen, defien Ohr jene Welſchen bl 
vergiftet hatten; noch weniger wurde feinem Anfinnen mie 
geben, Euſtaz und fein Gefolge fowie die Zranzofen auf MM 
Burg in Hereford *) in feine Hände. ausgeliefert zu hilf 
Doch ſtellte Eadward die Ruhe für den Augenbiid z 
Geifeln geben und darauf eine neue Verfammlung feine MW ER 
nach London entbieten. Als Godwine und feine Emm ie 
ihren Thanen ?) zu: Southwark erfchienen, fanden fie da * * 


1) Neh thaere aeftre Sta. Maria maessan — aer thae ME 

Sta. Marian maessan. - Der Tag ber Geburt Mariä (8. Gap): Wi 
Lateran Marid Meffentag, ift unter dem verflümmelten Namen bi} 
teinentages bekannt. = 
2) &o fcheint mir chrop. saxon.: „Eustatius and his mei WW‘ 
eac tha Francyscan the on tham castelle waeron“ zu deuten 
renz hat biefes überfegt: Hustatium et socios eius, insuper et New 

nos et Bonoisienses, qui castellum in Dorverniae clivo tem 
Diefer hatte entiveder nur eine mangelhafte,. ihm unverftänblide Pi! 
fhrift vor fih, oder Eadward muͤſſte fchon früher die Burg zu 2M 
Franzoſen anvertraut haben, was uns den Übermuth bes Guftaz AM 
Hoher machte, doch hoͤchſt unwahrſcheinlich ift. Die gewoͤhnliche 
nung, daß Wilhelm ber Eroberer die Burg zu Dover zuerſ ci 
‚ feheint mir, obgleih Ellis a. a. DO. I, 228. fie noch wicberheik‘ 
noch irrig. gl. auch Hasted history of Kent T. IX, 480. MM 
Pictar. beſchreibt das castrum Dovera, als er die Übergabe WE 
duch die Burgmannen an Herzog Wilhelm berichtet. S. 191 CM 

5) Ingram hat bier 5. I. 1051 wieder zwei abweichende 


lungen berfelben Begebenheis als verſchiedne Vorfaͤlle Hinter eines H . 





. . “ “ | | 
Ruͤckkehr und Untergang der. angelf. Dynaftie 509 


nig von dem flattlichften, fü» und norbwärtd der Themſe her: 
beigezognen Heere umgeben, auch wurde Harold von. einer gro> 
Ben Anzahl eingefchlichterter Begleiter plöglich- verlaflen, welche 
zu: dee Hofpartei übergingen und dem Könige ſich neu ver 
bürgten.. Earl Sweyn wurbe von dem Witenagemote fofort 
aufferhalb des Geſetzes erklärt, Godwine mit Harold zur 
Rechtfertigung vor das Gemote geladen. Diefe verlangten deö 
Königs Geleit und Geiſeln für ihre Sicherheit, entlieffen jedoch 
zu des Königs Händen alle ihre Thane, wie er es verlangte. 
Eadward geftattete ihnen mit zwölf Mannen vor feinem Rathe 
zu ericheinen, um bie einzelnen Beſchwerden unterfuchen zu 
laffen, und ficherte ihnen feinen Frieden und Geleit zu; da fie 
‚aber auf die, wenngleich unter den gegebnen Verhältniffen un⸗ 
erlafjlich erfcheinende, doch das Pänigliche Anfehn verlegende 
Stellung von Geifeln beflanden, fo wurde dem Godwine und 
feinen Söhnen auferlegt innerhalb fünf Tagen England zu ver: 
laſſen. Diefer ging daher mit feiner Frau Gytha, Toſtig und 
defien Frau Judith, einer Tochter ober Nichte‘) des Grafen 
Balduin von Flandern, Smweyn und. Gurth nach feinem Gute 
Bosham und Zhorney Island?) im heimatlichen Suffer, von 
wo ein Schiff, mit fo viel Gold, Silber und andern Koftbars 
keiten, als es tragen konnte, eiligſt beladen, ſie nach Flandern 


ſtellt. Die zweite, welche vortheilhafter fur Godwine ſpricht als die 
erſte, beginnt S. 229: Tha heafdon the Welisge menn etc., welche 
er irrig für Walifer hält. Schon With. von Malmeaburn verſiel | 
in dieſen Irrthum. 3 | 


1) Sax. chron. fagt -nur mage; beſtimmter filia, Florenz h. a. 
Historia de eccl. dunelm. I. III. c. 11. Albericus ad a. 1060, 

2) Diefes am Kanal gelegene Thorney, nicht Weftminfter, wie 
Ingram ©. 228, ift gemeint. Sax. chron. felbft fagt: he wende 
suth to Thornege, und biefelbe wird in der folgenden Erzählung ber» 
felben Begebenheit, welche Ingram für eine andere hält, durch bie 
Lage von Bofenham bezeichnet, Zu Bofham finden wir. auch Sweyn 
und Harold, Godwines Söhne, welches auh Malmesbury nennt 
praedium sui (sc. Haroldi) iuris. Der Ort befaß danlals eine fehr 
fhöne Kirche, deren Patronat viele. Streitigkeiten erregte. Die Provins 
zialgefchichte von Suſſex Eönnte noch mandye Notiz über Wulfndths 
Vorfahren und Enkel aufbewahren. Doomesdag bemerkt noch bei mans 
chen Plägen in Suffer, daf fie Godwine, Harold oder Goda gehörten. 


⸗ 





bortigen Königs ben Winter zubrachten ‘). Eadwards 

fche Rathgeber unterdeffen, nicht zuftieden die mächtigen 
geſtuͤrzt und den König feiner Lieblinge beraubt zu hab 
- wogen ihn felbfi von feiner Gemahlin Eadgithe fich ; 
nen, welche er aller Ehren beraubt mit einer Dim 
das Klofter Wherwell zu feiner Schwefter fandte 3 
Triumph welchen die frankifch paͤpſtliche Partei noch 
iſt auch anzufehen, daß jetzt Sphrhafoe aus London ver 
wurde und der Normanne Wilhelm dad dortige ride 
thum befam. Ein andrer Sranzofe, Odda, erhielt die 
fchaft über die Devnfäten, Sumerfäten, Dorfäten mb | 
walen?). Harolds Grafichaft im Oſten Englands vor 
gar, dem Sohne Leofric, zu Theil 


1) Palgrave history of England I, 842, folgert aus de 
richt des sax. chron,, daß Harold in Irland unter des König, 
verweilte, daß diefer Eadward geweſen und daher die oͤſtliche K 
lands ihm gehört haben müffe. Diefe Behauptung bedarf ein 
Beweiſes als einer Stelle, welcher die obige Auslegung ange 
fcheint, und es ift ohnehin wiberfprechend, daß der in England | 
und verfolgte Harold von biefem in einem andern Staate, von 
aus biefer einen Krieg gegen- Gabward anzettelte, deſſen Schut 
haben follte. 


2) Das Odda ober Ötho ein Normann aemelen. wirb ve 


Ruͤckkehr und Untergang ber angelf. Dynaftie. 51L 


Noch vor dem Schluffe des Jahres erhielt Eadward den 
Beſuch Wilhelmd des Baſtardes von der. Normandie und feis 
ned zahlreichen Gefolges. Freigebig bewirthet Fehrten fie mit 
großen Gefchenken des englifchen Könige heim. Diefer Bes 
fuch ift um fo bedeutungövoller, da er ben Gedanken bei 
Wilhelm erwedt haben kann, fich diefes fchönen und von fei= 
nen Landsleuten fchon mitbeherrfchten Reiches feines Finder 
loſen guten Vetters dereinft zu bemächtigen. Zwar leugnet _ 
diefed ') fein Geheimfchreiber und nachheriger Abt und Ges 
fchichtfchreiber Ingulf, welcher dem Fürften auf diefer Reife bes 
kannt wurde; doch kann er ſchwerlich mehr wifjen, ald daß da⸗ 
mals nicht ſchon über eine Erbfolge zu Gunften Wilhelms 
zwifchen den beiden verwandten Herrfchern verhandelt worden 
if. Normännifhe Schriftfteller behaupten dagegen, wenngleich 
wenig glaubwürbig, daß Eadward durch den Erzbifchof Robert 
die Thronfolge Englands jenem angeboten und fogar Godwi⸗ 
nes Sohn und Enkel ihm als Geifel zugeftellt habe). 

Die Verbannung der Godwines hatte zu viele Intereffen 
verlegt um lange währen zu dürfen, und jene verfäumten Fein _ 
Mittel ſich eine triumphirende Ruͤckkehr zu fichern. Irlaͤndiſche 
Seeräuber hatten fchon früher fich mit Griffin, dem Könige von 
. Norbwales, vereinigt, um dad weftliche England zu plündern 
und zu verheeren; buch war ed dem tapfern Bifchofe von Wor⸗ 
cefter, Ealdred, gelungen fie zurüdzutreiben ’). _E8 wurde Has 
old leicht die Walifer zu überreden fich mit ihm zur gemeins 
fchaftlihen Rache gegen England zu vereinigen. Harold und 1052. 
fein Bruder Leofwine hatten ſich neue Schiffe auszurüften ges 
wuſſt, geiffen die Provinz des Grafen Odda an und erfchlus 
gen mehr ald dreiffig tapfere Degen und viele ihrer Leute; bie - 
Waliſer rücdten in Hereford ein, wo fie die Sranzofen auf ih⸗ 
ser Burg belagerten und nachdem viele. derfelben fowie der 


nannte Graf von Hereford, nicht, wie jene Lifte jagt, ein fpäter ges 
Tchaffener Graf von Oftanglien. 
1) Ingulph. p. 65 et 78. | 

2) Guil Pictav. p. 181. Sowie diefer, ber Gapellan des Her⸗ 
zogs, fo erzählt auch Ingulph 1065 von biefer argeblichen Sendung 
des Erzbiſchofs Robert. 

8) Chron, saxon, ad a. 1049, | \ 


512. Fünfte Abtheilung. 


Eingebornen - getödtet waren, mit Beute fchwer belaben davon: 
zogen. Auch Godwines Angriffmuflte jest befürchtet werben, 
und um dieſem entgegenzulommen, wurde ben "größten Geg- 
nern beffelben, Raulf und Odda, ber Oberbefehl über 40 bei 
Sandwich, flationirte Schiffe anvertrauet. Vor Mitfommer war 
Sodwine von Brügge zu. feinen unterhalb Nieuport, an de 
Muͤndung der Yfer ') gefammelten Schiffen gegangen und mit 
diefen gegen Albiond weile Kuͤſten gefegelt. Hier fand er 
feine Kenter ihm noch getreu: bie Schifföleute von Haſtings, 
alle Mannen von Suffer, Surrey und Eſſer erklaͤrten nur für 
ihn leben und fterben zu wollen. Die koͤnigliche Flotte fuchte 
ihm zu begegnen, ward aber dur Stürme fo fehr von der 
erſtrebten Richtung Entfernt, daß fie nah Sandwich zuruͤckkeh⸗ 
ren muſſte. Der König befchloß geſchicktere Anführer und 
Steuerleute anzuordnen, doch während diefe lange vergeblih 
gefucht wurden, ging das Schiffsheer audeinander. Dieſe 
wohlbefannten, ſtets fich erneuenden Verlegenheiten feiner Land& 
Jeute blieben Godwine nicht unbekannt. Er fchiffte nach ber frudt: 
"baren Infel Wight, wo es leicht .war feiner Flotte Proviant 
zu verfchaffen, und von ba nach der Infel Portland. Hieher 
Fam Harold ihm entgegen, und Beide fuhren jest längs der 
Küfte oſtwaͤrts, fi) da wo fie Feinen feindlichen Widerſtand 
fanden, auf die Requifition der für ihre Heer erfoberlichen Le 
bensmittel befchräntend, Landvolk fowie befonderd Seeleute E 
zu ſich ziehend und. Geifel und Schiffe einfodernd ’). Diele 
Maͤßigung vermehrte die Zahl ihrer Anhänger fehr in einem 
ihnen ſtets geneigten Lande, und mit ſehr yerſtaͤrkter Flotte 
fuhren fie die Themſe hinauf nach London,’ wo der König | 
mit 50 Schiffen und feinen Earlen lag. Gobwine und feine 
Söhne fandten jest die Bitte zum Könige; daß er fie in 
die ihnen widerrechtlich entriffenen Befigungen wiederum eiw 
fegen möge. Diefer, zur Willfährigkeit nicht geneigt, da 
in Godwine ſtets das Bild des Mörders feines Bruders ihm 
entgegentrat, zauderte und fandte umher um mehr Eriegerifce Ei 


15) Nicht Yſendyk in Norbholland, wie Ingram meint. 
+. 2) Bon ben zwei verfchiebenen Berichten, welche Ingram burd 
. einanderwirft, flimmt ber oben befolgte allein zu ben folgenden Bege⸗ 
benheitn. 





Ruͤckkehr und Untergang der angelf. Dynaſtie. 513 


Hilfe herbeizuziehn. Godwine konnte nur mit Muͤhe ſein 
uͤber den Verzug entruͤſtetes Heer von einem Angriffe zuruͤck⸗ 
halten. Endlich am 14. September, beinahe ein Jahr nach 
feiner Verbannung, ſtellte er feine Schiffe vor London 
auf, indeß feine Landtruppen am Strande heranruͤckten. Die 
Buͤrger von London beguͤnſtigten ihn gleichfalls, waͤhrend das 
Heer des Koͤnigs, ſo zahlreich es auch war, ſich abgeneigt 
zeigte gegen Landsleute und Anverwandte zum Vortheile der 
Ausländer zu fechten. Stigand, der Biſchof von Wincheſter, 
durch feine Stellung dem alten Earl von Weſſex eng vertraut, 
war es vorzüglich welcher, unter Beiſtimmung und Beiſtand 
. wohlgefinnter Männer, - den Kampf verhinderte und den König 
bewog zur Sicherung bed Friedens gegenfeitig Geiſeln flellen 
zu laffen. Die normannifche Partei erfannte hierin fofort das 
Signal zu ihrem Sale. Erzbiſchof Robert und die übrigen 
fränkischen Geiftlichen warfen fi auf ihre Roſſe und flürzten 
eiligft aus dem Öfllichen Thore Londons heraus. Palium und 
Schaͤtze, Amt und Würde verlaffend, begab fi) Robert mit 
ben Seinigen auf ein gebrechliches Boot, uͤbergluͤcklich das 
normanniſche Geſtade zu erreichen, wohlbehaltnen Leibe den 
ketzeriſchen Säuften der derben Sachfen entronnen. . Doch blieb 
Robert ein gefährlicher Feind der Angelfachfen. Ex eilte nad) 
Rom, um über feine Entfegung und befonderd feinen Nachfols 
ger Stigand lebhafte Befchwerbe zu führen, und dee Schein 

bed Rechtes auf feiner Seite ift nicht ohne ſchaͤdlichen Einfluß. 
auf fpätere, Verhandlungen geblieben; doch am fchädlichften 
wirkte ex gegen bie Angelfachfen dadurch, daß er bei Wilhelm 
von der Normandie den Gedanken nährte, wenn nicht erweckte, 
fi die englifche Erbfolge anzueignen.. Bon den fränkifchen 
Rittern flohen manche weſtlich nach Hereford in die Burgen 
Dentecofis und Hugo, andre nördlih zu Roberts Schloffe. 
Das Witenagemote, welches Damals vor ben Thoren gehalten 
wurbe, konnte bei der jekigen Stimmung feinen Zwed nicht - 
verfehlen ). Earl Godwine vechtfertigte fih und feine Söhne 
volfommen gegen bie ihnen: gemachten Anſchuldigungen, und 


1) Den bortigen Verhandlungen ſcheinen die Nachrichten aitichat, 
welche Gaimar V. 4870. mit fruͤhern Begebenheiten verwirrt. | 
Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 33 





N 


5444 Füͤnfte Abtheilung. 


. Anfrid genannt Ceocesfoot (Hahnenfuß), Alfred, de = 


leges Guillelin.. Conquest, art, 54, 


























Alle wurben in ihren fruͤhern Befiß eingefeßt, auch bie$ 
wieder zu ihrem Gemahle zuruͤckgefuͤhrt. Sweyn war je 
unterdeſſen, auf dem Ruͤckwege von einer. Pilgerreife, w 
zur Suͤhne der Ermordung feines Vetterd Biden nad * 
lem angeſtellt hatte, geftorben '). Die Franzoſen, Se 
Laien, wurden, weil fie verderbliche Eimrichtungen einge 
unrecht gerichtet, Unraͤthliches gerathen hatten, geächtet, mit 
gen Ausnahmen, betreffend die Verwandten bed Könige, mit 
Rabulf, Robert, der Wimarca Sohn, oder einige unbebeuigg 
dem Könige in dienſtbarer Nähe ſtehende Perfonen, ai 
Diaconus Robert, deffen Schwiegerfphn Richard, Scrobs & 


Reitknecht?). Die vollkommenſte Verſoͤhnung war in W 
Weiſe zu Stande gebracht, und die allgemeine Bu 
des ganzen Volkes muß auch den König Überzeugt br 
feine tändelnde Vorliebe für normannifche —58 
nem Reiche das groͤßte Verderben bringen konnte. N J 
Unleugbar ſah hier das kraͤftige Naturgefühl te 
richtiger ald das fchwache Auge des zu einem trügeriihr 
mopolitifchen Standpuncte entrüdten Monarchen. Beh 
auch dad Joch der Dänen und Norweger den Angelfi 
weſen, fo waren boch diefe Völker ihnen in Sprache wi 
ten nah verwandt, und die Verfchiedenheit der Hecke | 
nicht fo groß, daß fie in der Gemeinfamfeit anrer # * 
niſſe und der, bei der ſteten Unterordnung der rohen F 
unter das gebildetere, auf bie dortigen Dänen Übergegm 
Gultur der Angelfachfen nicht bald vergeffen werben WM 
Anders war eö- mit den Normannen. Diefe, wennglet h 
bifchen Urfprungs, waren ihren Stammgenoffen Tngf 
bet und hatten bie Cultur der Unterjochten und ſuͤdlich a he 


1) Chron. saxon, ad a. 1052 iſt ſehr beſtimmt uͤber Im 
Lingard irrt daher, weng € er von ber unerbittlichkeit Gabi 
Sweyn fpridt. on 

.2) Florent. ad a. 1052. Die Zahl ker in England & | 
btiebnen Franzoſen kann jedoch nicht ganz fo gering een ca 
bie Ehroniften angeben, da Wilhelm der Eroberer es fr a —* 
hielt fie ruͤckſichtlich der Abgaben den Englaͤndern gleichzu 


| Ruͤckehr und Untergang der angetf.. Dynaſtie. 515 


baren arigeriottrinen. Statt: der Normannen in Frankreich ließ 
fen fie‘ fich jegt beffer als die Franzoſen in der Norntandie bes 
zeichnen. "&ie hatten die romaniſche Sprache, nur in einem 
von dem des ſuͤdlichen Frankenreiches verſchiednen Dinelte, 
angenommen: und“ alögebilvetz Sitten. und Einrichtungen waren 
franzoͤſiſch, nur:die Wander: und Eroberungs: Luft war. ihren 
eigenthümtgh:. verblieben, : hatte den Ruhm. ihrer Waffen über 
ganz Europa’ verbreitet: und bie rohſten Steräuber: ;u.. Herren 
und Färften der ſchoͤnſten "Länder; des romaniſchen? Europa; 
umgefchaffen.:..: Für den Angelfachfen. war die. Normandie; aber 
nicht. allein..die indchfte Berührung mit. dem romanifhen Mes 
fen, ſondern auch bie. Grenze des. ſtets mächtiger ſich geftals 
tenden @influffes des. Papſtthumes. .: Mit gerechtem Mis⸗ 
trauen durften die fraͤnkiſchen Freüunde des. Koͤnigs: als Vie 
Vorzuͤgler und Kundſchafter des gewaltigen Neurom betrachtet 
werden; Eadwards des Bekenners Pietaͤt wurde Britannien 
richt minder gefährlich als Caͤſars kriegeriſche und Oregort 
geiftliche "Eroberung, und. ſetzte beide gewiffermaßen fort. Da 
die weltlichen Intereffen zu Rom die. Oberhand. hewonnen hafe 
ten, ſo war das geringfte ÜBel Welches der Angelfachſe zu 
fuͤrchten hatte, daß England dem romaniſchen Syſtem eine 
geiſtige, der golderpreſſenden Curie zu: Rom: eine. voelitiche Er⸗ 
oberung werben möge; das größere Übel, eine Unterjochung 
unter die Herzoge der Normandie, : muſſte die letztere zugleich 
mit fi führen. So dürfen wir: wohl den Buͤrgerkrieg des 
Godwine, wenn auch nur fehr wenig. Blut id ihm vergoffen 
ift,. doch als fehr wichtig durch die in bemfelben auögelprochz 
nen Anfichten betrachten. Wie Eadward dad erfte Beiſpiel 
bed dem fpatern Europa fo verberblic) gewordnen krankhaften 

Mohlgefallens an fränkifcher Hoffitte und Sprache. gab: fo ers 
bliden wir :in dem Miderftreben: der Angelfachfen : und dem 
Anfchlieffen an Godwine eine noch nicht. wider: feindliche Deere, 
wohl aber wider entgegengefeßte Geifteörichtungen, vielleicht zum - 
erften. Male in dieſer Weife im Mittelalter, fich Träftig hervor⸗ 
draͤngende Nationalität. Möchte es ihr ſtets gelungen fein den 
britifchen Canal ald ihre Grenjfcheide zu ſchuͤtzen; viel heimi⸗ 
ſches Elend wäre erfpart,. die. wichtigſte Nationalliteratur jener 
Zeit nicht unterbrüdt, und eine ununterbrochne Verwandt: 

\ eo. 33 % 


1053. 


— 


516 Aisı.n:T. Fuͤnfte Abtbeilunge:: ni 


ſchaft wuͤrde den Geiſt, die Sprache und bie Kunden der Vorwelt 
mit ber Gegenwart zu unſrer grofien Bereicherung ° verknuͤpfen. 
Als ein großer Unfall. für England war as zu betrachten, 
daß die Angelſachſen nach: eben hergeſtellter Ruhe. ihren Fuͤhrer 
Godwine verloren. "Er: hatte lange und viel gewirkt und fühlte 
ſich am Abende ſeiner Tage. Seine Kraͤnklichkeit war im vor⸗ 
hergehenden Jahre, gleich nach den: Verhandlungen zu London, 
bemerkbar geworden ). Et hatte ſich in ſeine Grafſechaft be⸗ 
geben und: wohnte am Dfterfefle einem vom Könige zu Win⸗ 
cheſter veranſtalteten Mahle bei, wo ein Schlagfluß Ihre, wie. 
einft den Eöniglichen Zecher Harthacnzt ; an der :Tafel uͤber⸗ 
raſchte. Seine Soͤhne trugen den Beftnnungslofen.. heraus, 
doch ſtarb in:erfl unter vielen Schmerzen am fünften Tage. 


Das Geruͤcht liber: dieſe Begehenheit, welches nach Rouen ge⸗ 


langt und vonuden Deut Daufe Godwine feindſeligen normanni⸗ 
ſchen Schüftſtellern verbreitet iſt, erzählte, daß einer. der koͤnigli⸗ 
chen Schenken mit. einem Fuße Jehltnat, Doch ſchnel mit dem 
abern fich aufrichtete. „So hilft in Bruder dem andern,“ 
rief. Godwine lachend dud.: „Ja,“ exwiederte der König, ihn 
ſtrenge anblickend/c, und lebte Afred noch, fo könnte er mir fo 
helfen !* Godwine fühlte ſich hiedurch aufgefobert feine Unſchuld 
an Älfreds Ermordung zu betheuern; märe er ſchuldig, fo möge, 
forach er, der Biffen welchen ex zum Munde führte, ihm in 
der: Kehle: ſtecken bleiben. Und, o Wunder und Schreden! fo 
gefchah ed; die Vorſehung hatte ben VBerräther. bezeichnet und 


geſtraft. Die Erzählung fcheint nur der letzte Verfuch der nor: 


mannifchen. Partei, fih an der Loͤwenhaut ihre hartnaͤckigen 
Gegners zu :rächen?). : Zuverläffige nähere Nachrichten über 
Godwines PerfönlichPeit fehlen und leider gänzlich. : Die Schrift: 
fteller welche. "einige Jahrzehente nach feinem Tode ſchrieben, 
waren alle im Solde der normanniſchen Dynaſtie oder von 


| deren Anſichten befangen. Diefe bafften ihn fo fon daß fie 


1) Chron,, saxon. ad a. 1052 fin, 

2) Der erſte Theil der Erzaͤhlung erinnert ſehr an bie vom Könige 
Üthelftan.. Der Iegte findet fich zuerft bei Ingulph, welcher damals 
beim Herzog Wilhelm lebte, ſowie bei Ülfred von Beverleyz beide 
in Älreds von Riveaur vita Eadwardi p. 895 — Beide fehr um 
glaubwürdige Sqhriftſteller. | 


\ 


Rückkehr und Untergang der angelf. Dynaftie. 517 


Beine feiner Verdienſte mehr. anertennen konnten; bie fpdtern 
von ben Normannen „gebrüdten Angelfachfen dagegen hätten 
die größten Fehler ertragen und vergeffen, wenn ein folcher 
Führer fie wieder zum fiegreichen Kampfe geführt hätte. Seine 
Kargheit gegen die durch andre Machthaber verwöhnten Kir: 
chen bat ihm manches Lob entzogen’); Redefertigkeit in ben 
Öffentlichen VBerfammlungen und Gewandtheit waren Verdienſte 
welche anerkannt wurden und ihn fehr gefördert haben; doch 
waren ed die eifernen. Waffen welche ben Ruf des- Sohnes 
bes Junkers von Suffer zuerfl unter Enut in Schweden be= 


% 


gründet hatten. Sein größter Ruhm ift, Daß feine Intereffen - 


gewoͤhnlich mit ben beſten Intereſſen ſeines Volkes enge ver⸗ 
eint waren. 

Weſſex wurde, nach Godwines Tode, vom Könige deffen 
älteftem Sohne Harold ertheiltz des Legtern Graffchaft erhielt 
Äfgar, der Sohn des Earl Leofric. Eadward war jetzt von 
einem ernſten Beflreben erfüllt, den englifchen Thron feinen 


natürlichen Erben zu. fihern. Er fandte deshalb den Biſchof 


von Worcefter, Ealdred, nach Coͤln zum Kaifer Heinrich HE, 


je 


054: . 


welcher am Unterrhein damals verweilte um feinen jungen Sohn 
zum Könige von Deutfchland zu Aachen weihen zu laſſen. 


Ealdred, vom: Kaifer wie von dem Erzbiichofe Hermann fehr 
ehrenvoll aufgenommen, benutzte das Vertrauen des Erſtern 
um Eabwards Plan zur Ausführung zu bringen, den Sohn 
Eadniunds Ironſide, Eadward, welcher einer Nichte des Kai⸗ 
ſers vermählt war, nad) England aus Ungarn zurüdzubringen. 
Wahrfcheinlich verzögerte die zwifchen dem Kaifer und dem König 
Andread von Ungarn damals ausgebrochene Fehde, fowie ber 
Zod des Leptern und bald darauf der. des Kaiferd, die Aus⸗ 


führung dieſes Planed. Zum großen Jubel des Volkes Yangte . 


Eadward AÄtheling endlich in England an, von feiner Gemah: 
lin Agathe und feinen Kindern, Eadgar AÄtheling, Margaretha 
und Chriftine begleitet. Doch ehe er noch feinen Eöniglichen 
Dheim erblidte, von deſſen Augen eine ihm ungünftige Partei, 
vermuthlih Earl Harolds, des nachherigen Königs, Freunde, 
ihn fern zu halten wuſſte, flarb er plöglich zu London. Hätte 


1) Chren. saxon. ad a. 1052 fin, 


1057. 


- 1055. 


518 Fuͤnfte Abtheilung. 


ſein Tod, der ſo viel Verdacht erregen kann, dem Earl Harold, 
welcher viel dadurch zu gewinnen fchten,  zugefchrieben werben 
Tönen, fo würde dieſer Umfland von den Gegnern beffelben 


“wohl nicht mit Stillfehweigen übergangen fein, und wir müf 


fen in demfelben einen jener nicht fo gar feltnen Unglüdsfälle 
erbliden, welche die "Nationen lehren follten die Laſt ihrer 
Geſchicke und die Hoffnung ihres Gluͤcks nicht zu leichtfinnig 
an einen einzelnen, fchwachen Lebendfaden zu Fnüpfen, - 
Die Herftellung der Ordnung im Innern zeigte auch bald 


. glüdliche Folgen in den nachbarlichen Verhältniffen. Macbeth, 


welcher. den milden König Duncan im J. 1039 bei Elgin 


hatte ermorden laffen, war, vermuthlich wegen verweigerter 


Huldigung, in ein feindfeliged. Verhältniß zu England gerathen. 
Bei ihm hatten die geflüchteten Normannen Osbern und 
Hugo mit ihrem Gefolge willlommne Aufnahme und Schuß 
gefunden. Schotten und Normannen fochten vereint, wie jene 
mit den Franzofen fpäter fo häufig gegen England ihre Rei: 
ben aneinanderfchloffen, gegen Siward, den Earl von Nort 
humbrien, welcher, durch riefenhaften Körperbau und Kraft der 
Sefinnung die Helden der Vorzeit vergegenwärtigend, auf bes 
Königs Eadward Geheiß mit beträchtlichen Neiterfchaaren und 
einer Flotte den Ufurpator in feinem Reiche angriff. Viele 
Zaufende von Schotten, alle normanniſche Truppen fielen. 
Doch auch viele von Siwards und des Königs Haustruppen, 


. Dsbern, Siwards Sohn, und fein Neffe Siward, waren tapfer 


kaͤmpfend auf der Wahlftatt geblieben. Auf die Nachricht. von 
des Sohnes Tode fragte ee nur, wo biefer die Zodeswunde 
erhalten, und als diefe in deſſen Bruft erkannt wurde, verans 
flaltete er mit frohem Stolze das Leichengepränge. Duncand 
Sohn, Malcolm Ceanmore, der bisher nur die Krone von 
Gumberland getragen hatte, empfing Schottland zu Lehen vom 


König Eadward. 


Siwarb. überlebte die Freude dieſes glorreichen Sieges 
nicht lange. Er erkrankte nach hergeſtelltem Frieden, und der 
in ſeinen Augen ſo ſchmaͤhliche Augenblick nahte, in dem der 
alte Held auf ſeinem Lager den Tod zu gewaͤrtigen hatte. 
Dieſes nannte er nach Art der Kuͤhe ſterben und ließ ſich wie 
zur Schlacht vollſtaͤndigſt rüſten und waffnen. Nachdem die⸗ 


Ruͤckkeht und Untergang der angelſ, Dynaſtie. 519 


ſes gefchehen,. gab er, :im Todeslampfe bie golbne Gtreitart 
nicht miflend, zufrieden den Geiſt auf). Siwards überleben: 
der Sohn, Waltheof, hatte die Jahre der Muͤndigkeit noch nicht 
erreicht, und bie erledigte Grafichaft wurde vom önige dem 
Bruder Harolds, Toſtig, ertheilt. 


Harolds Anſehn wuchs ſehr durch ſeine jetige Stellung, —. 


das Talent ſowie das Wohlwollen, welche er in ſeinem hohen 
Amte vor den Augen der Nation entwickelte, beſonders aber 
durch die geſchickte Kriegsführung” gegen die Feinde an den 
weßlichen Grenzen des Reiches. Es war nothmwendig. gewor: 
ben die Walifer, welche von ihren Bergen in die angelſaͤch⸗ 


ſiſchen Ebenen: herabflürzten, kraͤftig wieber zuruͤckzudraͤngen. 


Harold überwältigte ihre Schaaren, welche bis nahe: vor.:Slo> 
cefter vorgedrungen waren, und ließ das Haupt ihres Anfuͤh⸗ 
rers Hris, eines Bruders des Königs: Griffin, abichlagen und 
über den Thoren jener Stadt aufſtecken 2. ‚Die Walifer nah⸗ 
men noch in demfelben Zahre blutige Mache in der Grafichaft 


Leofrics, wo fie die Mannen auf den Wartthuͤrmen zu We: 


bury (Salop) überfielen und niedermekelten. . | 
Doch bald entfpann fich zwifchen den berefependen Ge: 


ſchlechtern Englands, Godwines und. Leofricd Söhnen, ein Zwiſt, 
‚ durch welchen: nur die feindlichen Nachbarn gewannen. Harold . . 


wuſſte den Earl Alfgar bei dem Könige des Verrathes gegen feine 
Derfon und das Land verdächtig zu;machen, und. dad zu London ver: 


fammelte Witenagemote verbannte dieſen, wenngleich das vorgewr · 


fene Vergehn lediglich in einer entſchuldbaren Übereilung beſtand >). 
Alfgar, wider ſeinen Willen zum abtruͤnnigen Vaſallen gemacht, 
ging jetzt, wie fruͤher Harold, in ſeine Verbannung nach Wa⸗ 
les und Irland, wo er zu feinen eignen Schiffen noch achtzehn 
andre fammelte. Mit diefer nicht unbebeutenden Heereömacht 
ſchloß er ſich an Griffith an, deſſen Krieger, mit ſeinen iriſchen 


1) Ich erwoͤhne dieſe northumbriſche Sage aus Huntend. l. VL, 
Radulfi de Diceto abbreviat. chronic. 477., Auctor de comitibus 
Huntendon. et Northampton., nur um. auf ihre Quellen in der altbänis 
fchen Sagengefchichte von König Habbinger u. A. hinzuweiſen. 


2) Chron, saxon. ad a. 1058. 
3) Chron. saxon, ad a. 1055. 


1055 


520 Günfie Abtheiluus. 


und nordiſchen Bundesgeneſſen, in Hereford einftelen ) Hier 
hatte Earl Ralph den Verfuch gemacht die Englaͤnder, welche 
gewohnt waren zu Fuße zu kaͤmpfen, ſeinen weggeſandten 


Normannen glg, beritten zu machen; , body midlang bie 


ſes fo fehr, daß in der Schlacht die Roſſe / nur dazu bienten 


24. Oct. Ralph und feinen Truppen die fofort ergriffene Flucht zu er 


1056. 


leichten. Viele berfelben, * — 500 an der Zahl, wilden er 


ſchlagen. Die Sieger ‚drangen in die Stadt Hereford, welche 


fie, ohne felbft des neuerbauten Münflers zu ſchonen, vers 
brannten. . Ein allgemeines Aufgebot erging. durch das ganze 
Reich, und Harold warb an die Spige eines beträchtlichen, zu 

Gloceſter verſammelten Heeres geſtellt. Er drang in Bat 
ein und trieb die Feinde in bie füdlichen Gegenden diefes Lam 


des zuruͤck. Hier entließ er den groͤßern Theil feines Heeres 


da er die fliehenden Feinde in ihre Bergſchluchten zu verfolgen 
nicht rathſam hielt, und zog ſich nach Hereford zuruͤck, welches 
er herſtellen und neu befeſtigen ließ. Unterdeſſen erſchienen Bo⸗ 
ten von Griffith und Alfgar, welche um Frieden nachſuchten 
der von biefen und. Harold - abgefchloffen wurde und ba 
diente, daß Alfgar, in alle feine Befigungen wieder eingefekt, 
feine Flotte zu Chefter, nach gezahltem Kriegsſolde, entlieg. 
Doc fchon im folgenden Jahre wurden von. den rafllofen 
Waliſern neue Angriffe auf. England verfucht: der kuͤrzlich er⸗ 
nannte Bifchof von Hereford, Leofgar, einer jener Triegerifchen 
Drälaten des frühern Mittelalters, in deren Neigungen wir ben 
erfien Keim der fpätern- Ritterorden erkennen möchten, verließ 
Altar und Bifchoföfleb, um Schwert, Speer und Schild zu 
ergreifen und mit dem. Muthe bes freiwiligen. Krieger zu 
kaͤmpfen. Doch er fiel bei Glaſtonbury, ein Opfer ſeines Un⸗ 


1) Ingulph.' ad a. 1056 ſpricht von auxilio noricae elassis, 
quae ex insperato advenerat. Hier fcheint eine Verwechslung mit 
demjenigen zu fein, was chron. saxon., Florent. u. %. ad a. 1058 
und zwar Letzterer mit beinahe denfelben Worten (norveganicae clasais 
adminiculo, quae ad illum venergt ex improviso) berichten. Doch er⸗ 
zählen auch annal. Cambr. ad a. 1056: Magnus (hernady König von 
Norwegen) filius Haraldi (IV. Hardrabe) vastavit regionem Anglorum 
auxiliante Griffino rege Britonum. S. auch Brut y Tywysogion h. a. 
Sn Wynnes Saraboc wird flatt des Magnus, Roderich, Sohn bes 


bänifchen Königs Harold, genannt. 





Ruͤckehr und Untergang ber angelſ. Dynaſtie. 621 


gefllmes, mit feinen Prieflern und vielen andern tapfern Man⸗ 
nen. Es war Mitfommer und bie englifden Truppen, ie 


ſich fammelten, litten viel durch die ungewöhnliche Hitze; Men - 


ſchen und Pferde ſanken erfchöpft von: den langen Tagreifen 
flerbend dahin. Harold umd Leofric, unter Beiftand des fieten 
Vermittlers, Biſchofs Ealdred, brachten daher einen Bergleich Ä 
mit. Griffith zu Stande, in welchem biefer gegen andre. ers 
reichte Bebingungen, die Hoheit des Königs der Engländer aner⸗ 
kannte und ihm als Unterkönig treu und hold zu bleiben ſchwur. 
Enpland fchien jest ganz beruhigt, als, bald nach des 
Athelings Eadward Tode, ber mächtige Eall von Coventry 
(Mercien), Leofric, ſtarb. Tapferkeit, Reichthum, die fteigebige 
Anwendung, welche er und feine Gemahlin Godiva zum Bes 
fien der geiftlichen Stiftungen, ſowie der Bürger und übrigen 
Einwohner feined Landes Don demfelber machten, haben Beide 
zum reichen Gegenſtande der englifchen Volksſage gemacht '), 
welche jest oft in ungebührlicdyen Zweifel gezogen wird. In 
jener Zeit der bizarıflen Widerfprüche, wo nur Geſchenke ben 
rofffien Abfans zwifchen Reichthum und Dürftigkeit fchienen 
vermitteln zu können und daher. Freigebigfeit eine Tugend von 
eigenthümtichem Werthe war, wo himmelanſtrebende Poefie ver 
an die Scholle gebimbnen Profa, die Anftrengung noch nicht 
gefchwächter Naturkräfte, durch Begeifterung erhöht, Wunden 
ber Traͤgheit und Beſchraͤnktheit gegenüberflanden: damals ers 
fehien der mächtige, freigebige, geiftvolle und tapfere Fürft den 
andern Sterblihen in einem fo herrlichen als wohlverdienten 
Blanze. Bon allen erweislich alten Sagen möchten daher 
wohl die welche glorveiche Herrfchergefchlechter umflrahlen, nur 
mit größter Vorſicht und bei augenfcheinlicher Entſtellung ber 
Lobfängerei oder des Unverftanded zu verwerfen fein. Sollte 
ſelbſt, — um nicht zu wiederholen, was häufig von ähnlichen 
Männern gefchehen und berichtet if, — follte ſelbſt die Erzaͤh⸗ 
Iung ohne allen hiftorifchen Grund fein und unglaublicher er⸗ 
fiheinen als fo manche wohlerwiefene, feltfame Gelübde und 
langt beflandene, fo voſſenhafte Dienfipflühten aus jener Bei, 


1) Chron. saxon, Florent. Matth. Westmon. ad a. 1057. 
‚Bromton. p. 99. 


‚922 . | Sünfte Abtheilung. 


jene Sage, an welche. die Ertheilung der buͤrgerlichen und 


" Bolls$reiheiten der Stadt Coventry fich. knuͤpfet? Wie die ehr: 


würdige Godive ihren Gemahl dringend bat, zu Ehren be 
Mütter Gottes, die unter dem Schutze derfelben weilenben Bir: 
ger diefer Stadt von. manchen Laften zu befreien und Diefe, 


um ber Gewährung der Bitte auszuweichen, fie nur unte 


einer unehrbar umd daher unmöglich erfcheinenden Bedingung 
zugeiland; worauf die eble Frau, um den guten Zweck zu es 
reichen, das üppige, auf die Ferſe herabwallende Haupthaar 
als ein undurchdringliches Gewand um ſich herlegte, von dem 
allein bedeckt ſie in aller Ehrbarkeit und Zucht zum Muͤnſter 
ritt und ſo den erſehnten Zreibrief für bie dankbaren Buͤrger 
erwarb. 
In die Grafſchaft feine Vaters‘ flgte Kırgar, deffen 
Grafſchaft Dftanglien jegt jüngern Söhnen der großen Käufer 
ertheilt wurde; Suffolk erhielt Godwines Sohn Gurth. Die 


Abtretung dieſer Länder ſowohl als bie Erledigung der von 


1058. 


Alfgars und Harolde "Gebieten begrenzten Staff haft :Hereford 
mag zu ben Streitigkeiten Anlaß gegeben haben, in bexen Folge 
Alfgar ſchon im folgenden :Iahre vom König Eadward zum 
zweiten Male verbannt wurde. Er floh wieder zu den Wali⸗ 
fern und bemächtigte fi ch mit Griffiths Huͤlfe ſeiner Grafſchaft 
wieder, worin ihn eine in den dortigen Gewaͤſſern zufaͤllig ge⸗ 


genwaͤrtige Flotte der gegen den Koͤnig Eadward, wegen feiner 


dem daͤniſchen Koͤnige Sven erwieſenen Huͤlfeleiſtungen, erbit⸗ 
terten Norweger unterſtuͤtzte )y. Der ſchwache König muſſte 
dieſe Handlungen des Aufruhrs genehmigen, und die Parteien, 
fowie England, brachten mehrere Jahre in tiefer Ruhe: zu. 


Eadward ſammelte einige Franken um ſich herum: Giſelbert 


1061. 


Hasbain, ein Lothringer, erhielt das Bisthum zu Wales. Der 
Freund des Godwine dagegen, Ealdred, bekam das Erzbisthum 
zu York. Earl Toſtig mit ſeiner Gemahlin durfte, da er 
die ſteten Feinde an der ſchottiſchen Grenze hinlaͤnglich gede⸗ 


muͤthigt hätte, ſich unbekuͤmmert mit jenem, der fein Pal 


lium zu Rom audzulöfen hatte, auf eine Wallfahrt nach biefer 


Stabt begeben. Toftig wurde vom Pop Nicolaus mit gehß⸗ 


9 Florent. Chron, Saxon. 





\ 


Ruͤckehtr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 523 


ter Auszeichnung aufgenommen, aber dem Ealdred welchem 


der bei der angelſaͤchſiſchen Geiſtlichkeit haͤufige Vorwurf man⸗ 


gelnder Gelehrſamkeit gemacht wurde, die paͤpſtliche Beſtaͤti⸗ 
gung verweigert. Aber Toſtigs Drohung, dem Papſt, deſſen 
Schwaͤchen er in Rom und durch die Raͤuber auf der Heer⸗ 


ſtraße daſelbſt erkannte, den Peteröpfennig zu entziehen, vers. 


fchaffte dem Ealdred das Pallium. Toſtigs  Graffchaft. wurde 


jedoch unterbefien. vom Könige Makolm von Schottland ans 
gegriffen und vermüflet ). 

Alfgars Tod, an beffen Stelle wir feinen Sohn Eadwin 
finden, und eine neue Fehde Harolds mit Griffith von Wales, 
welcher Alfgars Schwiegerſohn geworden war ?), ſcheinen nicht 
ohne Beziehung zu einander zu ſtehen. Der König verweilte 
zu Anfang des Jahres‘ 1063 zu Glocefter,. ald die Keckheit der 
Waliſer wiederum die Landesgrenzen tberfchritt. Harold. hatte 


1083. 


ſich überzeugt, daß dieſe Feinde über die ‚Grenze zuruͤckzutrei⸗ | 
ben nie den Frieden ficherte, daß feine bisherigen Mittel der 


Kriegsführung ihm aber Leine größern. Erfolge gegen - diefes 
Veicht bewegliche, zähe und in feinen Bergfchluchten und Waͤl⸗ 
dern unverfolgbare Volk geftattete. Er hatte: daher einen Theil 
feiner Truppen an die dürftige Nahrung der Waliſer gewöhnt, 


fie mit leichten Spieffen und lebernen Panzern und Helmen bes 


waffnet, und felbft mit diefen zu Fuße. vorrücdend, den größern 
Theil der Berittenen zurldlaffend, verfolgte ex unermüdlich bie 
Balifer, welche dem Fräftigen Ernfte und der Ausdauer aͤhn⸗ 
lihe Zugenden entgegenzufegen nicht . gewohnt waren. Die 
Malifer flüchteten nach allen Seiten und wurden bis in bie 
Schluchten und Höhlen vom Snowbon verfolgt; Griffith ent⸗ 
fchlüpfte Taum den Händen feiner Gegner und entfloh auf 
einem Schiffe. Harold ließ feinen Palaft zu Rudhlan (Flint) 
und die Schiffe des walififchen Fürften in Feuer aufgehen, bes 
gab fich auf feine Flotte zu Briſtol und umfchiffte den größten 
Theil von Wales, während Zoflig vom Norden her ‚mit feinen 
Reiterfchaaren die Öftliche Grenze des Landes durchzog. Wo 


1) Guil. Malmesb. de vitis ponific. l. UI. c. 1. Simson 
Dunelm. ad a. 1061. Gaimar. va. 5099 sq. 


2) Guil. Gemet, L VII. c. 31. | ) 





heilſam entgegengewirft hätte, jebt aber nur eimige- 


1064, 


Bofallen wurden mit feiner Herrfchaft von Eadward Mi 


G 


524 | Fünfte Abtheilung. 


Harold im Lande gefiegt hatte, wurden große Denkyfale mh) 
der Inſchrift: „Hier fiegte Harold" errichtet. Doc uhe 
die prahlerifchen Denkmäler bezeugen bie Erfolge ben gutc 
Ernft diefes Krieges. Die Waliſer entfegten und v 
ihren Unterkönig, fanbten dem Könige Eadward * 
gelobten alle fruͤher auferlegten Tribute zu entrichten. 7 

aur die welche Waffen trugen, fondern felbft Suchen 
in folchen Mafien niedergemeßelt, daß fich bald ein 2 
Männern in Wales zeigte und Heirathen ber alien 
Englänbern, biöher nur feltene Ausnahmen, vom — 
ſtattet wurden; eine Maßregel welche, früher allgemein un 
genfeitig genehmigt ‚ ber verberblichen Trennung beiber 5 
Sprache und Kirchenferte geſchiednen Volksſtaͤmm 































Brauen nach England brachte, während das —— 

vorzuͤglichſten Eigenthuͤmlichkeiten Bis. zum heutigen 2 
wahrt hat. Dem bewaffneten Waliſer welcher ie 
Offas⸗Walles fich bliden. he, wurde nach Harolds Bi 
zechte Hand abgehaum. So fehr geichwächt woaren. Mi ” 
fer, daß-fie ſelbſt fpäter den Angelfachlen gegen mi 
ſchaftlichen Feinde feine erhebliche Hulfe zu leiſten 
und unter bie Herrſchaft jener ſich lange beugten. Im ig 

Jahre wurbe der unglüdliche Griffith von feinen oil 
Unterthanen ermordet . und fein Haupt nebft dem SAME 
feines Schiffes dem flolzen Sieger gefandt, der fie ml 
Königs Füßen legte‘). Zwei Stiefbrüder des abi 


welchem fowie auch dem Earl Harold fie ide ber: A 
ſchworen, duch welchen letztern wir erkennen, daß HM 
Herzogthum, wie das deutſche Staatsrecht gefprochen WM 
würde, Norowales umfaflte, ſowie Othos das FÜ 
Cornwaless. Doch blieb in Suͤdwales noch immer I 
daͤmpfter Muth und Haß gegen die Engländer, weihe F 
bald wieder zeigte, als Harold für den König ein J 


1) Ingulph. ada. 1063, Florent, äd a. 1063 et 1066 4 
saxon, Giraldus Cambrensis de illandibalib. Walliad WA 
apud Wharton Anglia sacra. Joh. Sarisber. de mo m 
ium , VI. c. 6. 





Rüdtehr und Untergang ber angelf. Dynaſtie. 525 


zu Portaschth (Monmonth) errichten ließ, welches Garaboc, ber 1065. - 
Sohn eines. von jenem norbwalififchen Griffith . erfchlagnen 
gleichbenannten Fuͤrſten von Suͤdwales, zerftörte und Arbeiter 
und Gefinde niedermepelte. 

Harold befand ſich verrmithlich damals in der Normanbie; 
eine Tpatfarhe ‚welche, ba nicht mehr deutlich zu erkennen ifl, 
was in fpätern Zeiten ihr zugebichtet fein mag, zu ben bes 
ſtrittenſten der engliſchen Geſchichte gehoͤrt. Daß dieſes der 
Zeitpunct war, iſt nur wahrſcheinlich); doch darf dieſer Um⸗ 
ſtand hier als gleichguͤltig betrachtet werden. Harold verließ 
ſeinen Familienſitz zu Bosham, um den Herzog Wilhelm, ſei⸗ 
nem Bruder Toſtig verſchwaͤgert (Beider Gemahlinnen, Judith 
und die Herzogin Mathilde, waren Toͤchter des Grafen Balduin 
von Flandern), aufzuſuchen) und ihn zu veranlaſſen, feinem 
Bruder Wulfnoth und feinem Enkel Haco, Sweyns Sohn, 
welche Godwine zu Geifeln für fein und der’ Geinigen Betras 
gen dem Könige Eadward geftellt hatte. und welche biefer zu 
größerer Sicherheit unb als Sewährleiftung für feine Erben 
jenem anvertraut hatte), die Freiheit wieberzugeben. abs u 
ward foll ihm zugleich den Auftrag ertheilt haben, dem He 
zoge Wilhelm die DVerfiherung zu bringen, daß er ihn zum 
Erben der englifchen Krone beſtimmt habe. Solche ‚Botfchaft 
bebaupteten die Rormannen*) von’ Harold, ber dem Herzoge 


1) Nach Wace fand diefe Keife glei nah) Godwines Tode ſtatt; 
Die eigentlichen angelfähfifhen Quellen mit Florenz u. A. ſchweigen 
ganz über biefelbe und das angeblich von Eadward dem Wilhelm vers. 
riehene Erbrecht. 

2) Rach Andern wurde er nach Flandern ſchiffend, ober gar zufällig 
auf der See verirrt, an die normanniſche Kuͤſte verſchlagen. S. Hun⸗ 
tingbon, welder auch diefen Vorfall in das 3.1054 fest. Malmesb. 
Snorro af Haraldi Hardrada c. 78. | 

5) Ingulph. Guil. Pictav. Eadmer. histor. novorum 1. I. 
Roman de Rou II, 101. 107. Florent. ad a. 1087. Auffallend ift, 
daß Wilhelm von Jumieges fowie auh Orbericus Bitalis 
dieſer Geiſeln nicht gebenken. 

4) Guil. Pictav. Wace 14, 108. Guil. Gemet. VIL «3 
Nicht aber bei Eabmer, bei welchem vielmehr, was Wace auch auf 
nimmt, ber König den Harold warnt nicht zu Wilhelm zu gehn. 


536 Fünfte Abthetlung. 


von Eadward Schwert und Ring brachte‘), vernommen zu | 
haben, als er, von England herüberfchiffend. und zu Ponthien 
durch Sturm an das Land 'getrieben, vor dem dortigen Grafen 
Guy von Abbeville nach der Sitte des barbarifchen Strandrechtes 
gefangen und im den Thurm zu Beaurain geworfen, durch | 
‚Herzog Wühelms Fräftige Verwendung befreiet oder Tosgekauft 

und von bemielben ehrenvoll aufgenommen war. Hätte Cab: | 
warb jene Geifeln dem Herzoge wirklich, wie biefer es be | 
bauptete, als Gewährleiftung für die ihm beflimmte Thronfolge 
erhalten, fo wäre folcher Auftrag denkbar. Doch waren Bil 
helms Anrechte an den englifchen Thron fehr entfernt und | 
lediglich von Ymme, der Mutter Eadwards, ald Schwefter dei | 
Großvaterd des Herzogs, hergeleitet, eine Verwandtſchaft welche, 
auch abgefehen von der unchelichen Geburt Wilhelms, vielem 
kein Erbrecht auf England verleihen konnte. Harold hatte ebenfo J 
wenig Ynfprüche auf einen Zhron, für den die Wahl ber Bit: 
tigften auf die nächfiberechtigten würdigen Verwandten befchräntt F 
war; der Nächfiberechtigte war aber unbezweifelt der junge Äthe 
ling Eadgar, Eadmunds Ironſide Enkel. Es erfcheint daher 
höchft unwahrfcheinlich, daß der König, welcher den rechten 
Erben ‘und feinen Sohn aus Ungarn in ihre Heimat hatte 
zuruͤckfuͤhren laffen, fih in den fpätern Jahren feines Lebens 
gegen Wilhelm rüdfichtlih der” Thronfolge verpflichtet haben 
folte. Wohl aber mag Eadward, als er noch in ber Nor 
mandie am Hofe Wilhelms Iebte, Aufferungen haben fallen 
Yaffen, welche der Herzog jest gegen Harold, den er in fein 
Intereſſen auf jede Weile zu ziehen verfuchte, liſtig benugte?). 
Er verlangte von. Harold, daß diefer ihm feine Hülfe zur Beſtei⸗ 
gung bed dereinſt exledigten Zhroned zufagte, und daß er fowie dit | 


1) So das carmen de bello hastingensi, welches dem berühmten 
Lanfrank wohl ohne Grund zugefchrieben iſt, von Perg in einer brüffe 
ler Handfchrift entdeckt, abgedrudt in Petries Sammlung Sh.L De 
Verfaffer gibt ſich durch die Darftellung mit Galliciimen als Normannen | 
zu erkennen; zu legteren gehört: ter quinque dies für, einige Woche. 


2) So Eadmers Bericht, welcher überhaupt bie meiften Spum | 


innerer Wahrheit in fih trägt. Er ift bei Simeon 3. 3. 1066 auf: 
genommen. Ähnlichen Nachrichten folgt P. Langhoft (Robert de | 
Brunnes) chronicle. 


Rückkehr und Untergang ber angelf. Dynaſtie. 627 


Burg Dover mit einem Brummen für ihn einzurichten, ſelbſt noch) 
andere Burgen in feinem Gebiete ihm ſchon jetzt einzuräumen, 
feine Schwefter einem normannifchen Edelmanne, ſich ſelbſt 
bereinft mit des Herzogs Tochter Adeliza zu vermählen geloben 
folte; wogegen Wilhelm demfelben den Neffen Haco fogleich, den 
Bruder Wulfnoth aber bei feiner Zhronbefleigung freizulaffen, 
auch, einer Nachricht zufolge '), mit der Zochter ihm bie Hälfte 
Englands zu überlaffen fich erbot. Harold, überrafcht, in ber 
Gewalt des gefährlichften Gegnerd, welcher. kuͤrzlich des an 
Aain, dem Herzoge von Bretagne, begangnen Meuchelmorbes 
angeklagt war, verfprach was ihm abgebrungen wurde. Doch 
Wilhelm, durch dieſe Zuficherung nicht beruhigt, berief eine 
feierliche Verfammlung feiner Stände nad Bonneville?), ließ 
die heiligftien Reliquien in einem Schrein vereinigen und dieſen 
- bebeden. Harold wurde fodann von ihm aufgefodert eidlich 
feine gegebnen Verfprechungen zu betheuern -und, als dieſer auf 
ben bededten Schrein, deſſen große Heiligkeit er nicht ahnte, 
gefchworen hatte, mit derfelben, zu feinem. Entfegen über die 
fhweren Verpflichtungen, bekannt gemacht. Bor diefer Vers 
handlung hatte Harold als Gaſtfreund oder nach derſelben als 
Lehnsmann den Herzog auf einem Feldzuge gegen den Herzog 
der Bretagne, Conan, begleitet und durch Tapferkeit, Geiſt und 


gewandte Hofſitte die Bewunderung der Normannen ſich ers ⸗ 


worben. Mit kriegeriſchen Ehren und Geſchenken uͤberhaͤuft 
kehrte er nach England zuruͤck, wo der König mit Beſorg⸗ 
niß von ihm das Vorgefallne vernahm ). 


1) Guil, Gemet. 
2) Guil., Pictav. Nah Bajeur Wace. 


8) Die Reife Harolds nach der Normandie, nebft den fernern Vor - 


fällen zwifchen Harold und Wilhelm bilden den Gegenftand ber Darftels 
- Tungen auf einem merkwürdigen, von Mathilde, der Gemahlin Wilhelms 
des Eroberers, oder wahrfheinlicher von Mathilde, der Gemahlin Hein⸗ 
richs I. von England, oder audy beffen Tochter gleichen Namens, geftickten 
großen Teppich, la toilette du duc Guillaume genannt, 210 Fuß lang, 
welcher in der Kathedrale von Bajeur jährlid ausgehängt wird. Er 
tft ausführlich befchrieben und erörtert von Eancelot in ben mémoires 
de l’academie des inscriptions et belles lettres. T. IX. p. 535 (ab 
gedrudt in A. Thierry histoire de la conqueste de l’Angleterre I, 
36% sq.) T. XII, 369 sg. Ducarel Anglo-Norman antiquities. 


lich eingefallen war '). ‚Beides hatte bie größte Unzufriebe 


1065. 





nen Unterthanen einen Zribut zur Unterhaltung feiner Hitman Ei 


‚tric, ein northumbrifcher Edler am koͤniglichen Hofe, di 


528 Zänfte Abtheilung. 


Die Gefahren der Zukunft erſchienen noch greller up! 
ein neueingetretenes unglüdichwangeres Ereigniß. Zofig meh! 
wenngleich Sohn einer dänifchen Frau, doch als BWeffacdk if! 
feiner Provinz ungern gefehn. Er erhob wiberrechtlic von W 



























nen oder Hußceorle, und zur Beflreitung der durch de WER 
behnung feiner Herrfchaft und die, fürftlichen Verbindungen, bt 
welchen er lebte, gewachfenen Ausgaben; während er nicht ang 
fie die Sicherheit des Landes gehörige Sorge trug, wie! Ja 
während feiner Reife nach Rom König Malcolm von * 4 | 
bes ihm geleifteten Brudereides nicht achtend, in fein Land fi 


gegen feine Verwaltung erwedt. Um fich im Beſitze dr 
zu erhalten, Ichritt ex, fehr auffahrenden Sinnes, zu ten gl 
ten Gewaltthätigkeiten: auf fein Anftiften und die Der 
feiner Schweiter, ber Königin, waren in biefem —* 


terliſt, ſowie Gamel, Orms Sohn?), und Ulf, der S * I 

fins, in Toſtigs Gemaͤchern ermordet. Bald nach & — 

Michaelisfeſte, als Toſtig bei dem Könige zu Breit — 
weilte, uͤberfielen zweihundert northumbriſche —** 
fuͤhrung des Gamelbeorn ’) Durſtan, des Agelnoth * 
nicorn *), der Söhne des Heardulf, die Haustruppen DE 
welche vor ben Angreifenden flohen, aber am —* 
zuerſt Amund und Rawenfwart auſſerhalb der Stabt E 
fie über den Humber festen komten, zweihundert be 


De la Rue r&cherches sur l’histoire de la Normandie. I W { 
lichen ſtimmt diefer Teppich mit dem Roman de Rou des Sanınli 
von Bajeur überein und Möchte nicht ohne Einfluß —* 
ben Andern geblieben fein. Turner und Thierry bemupen er 
der zu fehr und vergeffen, daß hiftorifche Erläuterung eines Kunf 
bafjelbe noch nicht durchweg zu einer Geſchichtsquelle ſtempelt. 
1) Simeon. ad a. 1059, 1061. 3 
2) Vermuthlich der ſehr beguͤterte Dann, beffen das E er. 
book fo oft gedenkt. * 
38) Gamelbur oft im Doomesbapbaok in Vorkſhire ni 
T(empore) R(egis) K(adwardi). a 
4) Vielleicht daſelbſt Glunier T. R. E, 





a 


Rüuckkehr und Untsrgang:der angelf Dynaftie s20 


Daͤnen ſowie Englaͤnder ‚‚mieberinegelten. Toſtigs Schaͤtze und 
Waffen zu York wurden von den Aufruͤhrern erbeutet, und 
in einem Witenagemote der ſaͤmmtlichen Thane des Landes :zu_ 


VYork wurde Toſtig mit allen feinen verderblichen Rathgebern 


verbannt, und. Morcar, AÄlfgars Sohn, durch eine. Geſandtſchaft 
aufgefodert die Herrſchaft über ihr Land. zu übernehmen. Mor⸗ 


car trug Fein Bedenken diefem. Antrag zu entſprechen und rüdte : - De 


mit der verfammelten Mannfchaft. nach Lincoln, Derby, Nots 
tingham: bis Northampton herunter. Hier ſtieſſen fein Bruder 
Eadwin und die gewöhnlichen Verbündeten des. Haufed Leo⸗ 
frics, viele Walifer, zu ihm. : Sie geftatteten ſich mit ihrer 
überlegenen. Macht viele Plünderungen und Verwuͤſtungen, 
an deren Folgen die dortigen Gegenden noch viele Jahre litten. 


Harold. Fam ihnen zu Drford entgegen, Doch vermogte er 1065 
Nichts. ald der an ihn ergangenen Auffoderung zu genügen, die 3. Det. 


Sache feines Bruders aufzugeben und zum Bellen der allge 
meinen Ruhe den König zu bewegen die Wahl. des_Orafen 
Morcar zu beftätigen. Vielleicht fpielte Harold eine wenig 
brüderliche Rolle bei dieſen Verhandlungen, und feine Gegner 
behaupteten, daß er es eigentlich geweſen welcher Toſtig ver 
trieben. habe.'); dieſer felbft fcheint feine Anficht getheilt zu ha⸗ 
ben. Doch wie follte Harold gewinfcht haben. dem Haufe 
Leofrich die Macht von halb England zu ertheilen? Dom Kö: 
nige wurden hernach die Gefehe feines Vorgängers, Königs 
Enut, emeuert”). Toſtig ſcheint noch verfucht zu haben - fich 
mit Gewalt der Waffen zu halten; doch wurde er nach weni- 
gen Tagen zurüdgefchlagen und floh, mit. feinee Gemahlin 
Judith, zum Grafen Balduin von Flandern, fpäter nad St. 
Dmer, wo er den Winter: vermweilte und Plane. zur Wieder: 


1) Heraldus ipsum exulare compulit. Orderic. Vitalis, Bon 


der Feindfchaft zwifchen Harold und feinem Bruder in den früheflen Jah⸗ 


ren f. Ailredi vita Eadwardi p. 394, welche Erzählung Heinrich 
von Huntingdon auf fpätere Jahre überträgt: Der normannifch 
gefinnte Wilhelm von Malmesbury ſpricht ſehr hart uͤber Harolds 
Verfahren gegen Toſtig. 

2) Chron. saxon. ‚Florent. Wir müffen e8 bier. xahingeſtellt 
fein laſſen, ob dieſer Act zu Hurtiſhavet geſchah, oder ob die Nachricht 
im tractatus de legibus anglicanis prooem. bei Cooper public re- 
cords II, 421, auf eine frühere Beflätigung jener. Gefege deutet. 

Lappenberg’s Geſchichte Englands I. 


‚ 


\ 


worden, was srfprünglich na Bünbe‘ war — entwarf: amd 
zur · Ausfuͤhruag vorbereitete. 


1066 
5. Jan. 


Vermaͤhlung: mit Alfgars Tochter Ädgitha, der Wittwe be | 
Griffith, Das Intereſſe dieſes Earls mit den beiden anden J 


welche Englands Macht auf ber Inſel mehr wie je ausbehr | 
gibt ein. frühes Beiſpiel von dem aufs den, 2. Merz geſetten Jahen 


| Histor. eliensis 1. I. c. 43. Guil. Pictav. Roman de Rou vw. 


als einen. Beträger bar, welcher die Umftependen durch die nur von ih⸗ 


30 Gimſa e Abthritung.: 2.02: 
erlangung ſeines Landes an betr Cigenhum war ſchon ‚gb 







.:. Waͤhrend dieſes Winters, nachbemn..e er am . Beihnachtfeh | 
das neue Wünfter bei Condon hatte . errichten. laffen,. .im.. Au: 
fange bed: folgenden. Jahres ſtarb Eadward ')... 

Auf feinem Sterbebette:emannte er, auf Anfuchen Feine 
Barone, ber. Königin Bruder: Harold zu feinem Nachfolger‘); 
eine Wahl welche er für die feinem Lande zuträglichfte hal⸗ 
ten. durfte, da auch durch Toſtigs Entfemung und Harold | 


maͤchtigſten Maͤnnern des Reichs enge verknuͤpft war. 
Der ſchwache Charakter Eadwards hatte ſich in feine 
ganzen Regierung ſo deutlich an den Tag gelegt, daß alı | 
Froͤmmigkeit und Güte, weiche ihn ſchmuͤckten, ihn nicht in 
den Augen der Völker ald achtungswerthen Regenten erfcheinn F 
Laffen konnten. Wie ſollte die Maſſe je einen Mann "acht, | 
welcher dem gegen ihn frevelnden Landmann erklärte, er würk 
ihn beftrafen, wenn es feinem Gefühle möglih wäre? Geh 
der Heilige fol Kräfte zeigen, wenn auch nur im ertragen 
Leiden oder übernatürlihen Wundern. Doc. fcheinen nich 
alle Fehler feiner Regierung ‚den Zeitgenoffen fich fo fehr grel 
dargeftellt zu haben. Auch die übrigen Staaten. Exrope 
pflegten damals, mehr von einigen Herzogen und Grafen di 
den Koͤnigen felbft regiert: zu werden; ein nachtheiliger. Einfluf 
herrſchſuͤchtiger Geiſtlichkeil pflegte wichtiger zu fein, als er be 
Eadward dem Belenner hervortrit. Wenn ex felbft:auch nick 
kämpfte, fo erfochten in feinem Namen tapfere Feldherren Siegt, 


1) Das sax. chron., welches feinen Tod noch in das J. 1065 feßt, 


anfange. 
2) ©. die Ode im chron. saxon. .h. a. Florent; Eadmar. 


10880 sq. ‘Orderic. Vital. Nur Snorro a. a. D: 'ftellt Harel 


angeblich bernommene Grbeseinfegung kaͤuſchte. 


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Rldtehr und Untergang. der ange. Dynaftie. 531 


Bei biefem Waffenglüͤck gegen auffen Fonnten, ohne 
he Beſorgniß für die Unabhängigkeit des Reichs, die gäbe 
renden Hefen austoben, welche die daͤniſche Unterdruͤckung dem 
Lande zuruͤckgelaſſen hatte, und bie alten ſcheinbar gebroche⸗ 
nen Kraͤfte des nationalen Theiles der Bevoͤlkerung ſtaͤrkten 
und erprobten ſich. Dabei wollte. Gadward. nur das Gute und 
Befte feines Volks; ihm ward das feltene Glüd, alte druͤckende 
Abgaben aufheben zu Finnen, Bein Vorwurf befledte feine 
Rechtspflege. So iſt es alfo wohl: erflärlich, wie. des from: 


volles wurde, befonderd wenn bie ber. feinigen porangehenden 
und nachfolgenden Regierungen in. Betracht gezogen wyrben. 
Der blonde blaudugige Eadward war ber legte angelfächfifche 
Hersfcher. aus Gerdicd und Wodand Stamme; fein Name, die 
Geſetze Eadward des Belennerd wurden daher Symbol der 
geſammten angelſaͤchſiſchen Verfaſſung. Mit feinem Todes⸗ 
jahre: endete. die. Jugend Englands, gleich der des Präftigen, 
begabten Juͤnglings, welchen bann einige Unbehülflichkeit und 
Misgeſchick ſchwer drüdten. Die theuern Jugenderinnerun⸗ 


gen, dad Beflreben ihnen treu zu bleiben, find die Freude 


nd Mi de 


und der. Stüßpunct fpäterer Jahre, endlich werden die fremd⸗ 


artigen, feindfeligen Einflüffe befiegt, und in der Fülle der 
männlichen Kraft zeigt ſich vollendet was der Juͤngling er- 
firebte. So haben die Seefahrten der Angeln und Sachſen 
ihr Biel gefunden in Canada und zu Galcutta, wie Caedmons 
Lied durch Milton herrlicher ſtrahlte; fo find Eadward des 
Bekenners Gefege die Grundlage, auf welcher die altdeutfche 


bisher ein Volk hinfälliger Sterblicher umſchlungen hat. 


Harold II. | 
Der Bufland des Reichs bei Eadwards Tode war , durch 
Die von mehrern Selten zu erwartenden Anfprüche auf bie 
Krone, fo fehr gefährbet, daß die Sicherung beffelben die größte 
Eile erfoderte. Da Eadwards Ende feit einiger Zeit‘ erwartet 
war, fo hatten die Großen des Reichs dringende Veranlaffung 
gefunden, zu der Feier des Weihnachtöfeftes und der Einweihung 
des neuen Münfter fich in der Nahe des Koͤnigs einzufinden. 
34* 


\ 


— 


‚men Eadwards Andenken bei den Angelſachſen ein fehr liebes | 


Berfaffung fi zu dem herrlichften Bunde geftaltete, welcher _ 





TTS ETF 
vechtmäßige Anfprüche auf die Krone, wegen des im ang 
fiichen Staatörechte anerkannten Grundes feiner Jugend 


.  berüdfichtigt werden konnten, erhielt die Graffcaft 9 





Harold begann mit größter Umficht und Thaͤtigkeit fir 
ganze Reich zu forgen, wie er "bisher in feiner Provin M 


‚ währt hatte: firenge Gerechtigkeitspflege, Einführung % 
. Einrichtungen und Gefeße, Sicherheit der Landſtraßen, d 
Sorge für die Herftellung des Kriegsweſens, Schut m) 
guͤnſtigung der Geiftlichkeit, alles dieſes wurde von I 


1) A totius regni primatibus electus, Florent. Han. d 
1. II c. 48., wo fich alles das über Harold, was Floren ih 
der angelfächft ifchen Chronik überfegt, mit ben Worten bi I" 
findet. Daß Harold die Krone nicht wider den Willen der Dogud 
bielt, wie Wilh. von Malmesbury und einige normannift 
fteller (nicht Wace) behaupten, welche von ‚Harold nur fpredien 4 
gen über ihn vorzubringen, zeigt bie Unterftägung, welde er * 

2) Hear. Huntend. 

8) Daß er von Gtigand gekrönt fei, verbreiteten bie nörmel 
Sntriguen, um feine Krönung ald ungeweiht barzuftelln, } 
Ordericus Vitalis ©. 492, der, ob er gleich beffer untere 
weſen fein muß, es ſich auch erlaubte Zoftig als den ältern Seh 
wines, von dem jüngern Sohne Harold ans dem väterlichen Er 
fer vertrieben, barzuftellen. So auch Goil. Pictav. Behr | 


| 


N 


Rädteht und Untergang des. angelf. Dynaſtie. 533 


fein hohes Amt lange ſchon vorbereiteten Koͤnige arwartet, ver⸗ 
heiſſen und wirklich eingeleitet. Uber ſeine Fähigkeiten zu ber 
Regierung, die Kraft mit welcher. er feine Talente entwidelte, 
ift felbft unter feinen Gegnern, welche ihm ſo viel Ungänftiges 
"anzubichten fich bemühn, dennoch nur eine günftige Stimme '). 
Im Norden des Reichs zeigte ſich anfänglich. eine durch 
Toſtigs Anhaͤnger heryorgebrachte unguͤnſtige Stimmung; doch 
die Anweſenheit Harolds, welcher nur von Wulfſtan, dem Bi⸗ 
ſchofe von Worceſter, begleitet. nach York eilte, bewirkte, die 
befriedigendſte Anderung”). Toſtig hatte ſich vielleicht mit 
Herzog Wilhelm, ſeinem Schwager, und dem Grafen Balduin 
von Flandern, feinem Schwiegervater, verbindet um des Erſte⸗ 
ren Anſpruͤche zu unterſtuͤtzen, da er fuͤr jetzt die Unmoͤglichkeit 
einſah, ſeine eigenen Hoffnungen auf die Thronfolge zu ver⸗ 


wirklichen. So laſſen uns wenigſtens die normannifchen Be⸗ 


richte fchlieffen; die englifchen und nordiſchen jedoch erzaͤhlen 
von. Handlungen, welche die Vermuthung erweden, daß To⸗ 
flig, ald er Kunde.von Wilhelms feſtem Entfchluffe, ſich Eng⸗ 
lands felbft’zu bemächtigen, erhielt, ſelbſt diefes Land ober einen 
Theil defjelben zu erwerben befchloß 9. Noch im Aprilmonate 
erfchien Toſtig mit einer beträchtlichen Flotte und vielen 
Flamländern bei der Infel Wight, wo er Geld und Proviartt 
raubte, und ging von dort nach Sandwich, um bafelbfl ebenfo 
zu verfahren und Matrofen zu preffen. Harold vernahm um: 
terbefien, daß auch Herzog Wilhelm eine Landung in England 


beabfichtige, und brachte ein größeres Heer aus Fußvolk und 


Schiffen zufammen, ald England je gefehn hatte. Als er auf 
Sandwich zurüdte, verließ fein Bruder diefen Ort, wo er 
felbft dann verweilte um feine Flotte fi) dort verfammeln zu 
fehn, ging dann nach Wight um daſelbſt die Rüfltungen in den 


1) Orderic. Vital. p. 492 B. Erat enim magnitudine et 
elegantia viribusque corporis animique audacia : linguae facundia 


'multisque facetiis et probitatibus admirabilis. ©. auch Roman de 


Raou II. vs. 10710 sg. 


wm ©" 


2) Guil. Malmesb. de vita S. Walfstani ed Wharton 
Anglia sacra II, 253. —— 

3) Auch Adam von Bremmiv, 14. Tosä — cum —R 
sibi ereptum audiret. . oo 


1066 
8. Sept. 


4 


534 - Shnfas: Asrheitungsti: cn © 


make. Häfen zu deodadten und Vyttheitte ſeine Trup⸗ 
pen am ben Kuſten des Landes. Den ganzen Sommer erwar⸗ 
‚tete er dort feine Feinde, wohlgeruͤſtet, doch als die Lebens⸗ 


mittel fehlten‘), ſah ex: ſich guzwungen einen großen Theil des 
Heeres nach Landesgebrauch zu entlaſſen, und ging darauf ſelbſt 
nah London, wohin ’er' auch die Flotte ſchiffen ep, von der 


. jedoch :ein großer Theil durch Stürme unterzing. 


Toſtig, nachdem er eine Niederlage durch "feinen: ehemaligen 
Statthalter Northumbriens, Copſi, bei oder auf dee Inſel Tha⸗ 


net erlitten. Hatte?), war mit ſechszig Schiffen zur Mündung 


des Humber gefegelt: und hatte von dort aus das Land Lind: 
fey verwuͤſtet, ward aber: bald von den Grafen. Eadwin ımb 
Morcar aus dem Lande getrieben und von feinen Seeleuten 
verlaſſen. Er ging jetzt mit zwolf Beinen Schiffen zum Rs 
nige Malcolm Canmore welcher ihn und die Seinigen freund 
lich aufnahm und den Sommer hindurch bewirthete. Toſtig 
hatte den Koͤnig der Daͤnen, Sbend, vergeblich aufgefodert mit 
ihm ſich zu einem Kriegszuge gegen England, jene alte Pro 
vinz der Dänen’), zu. vereinen‘). "Do beſſer gelang ihm 
dieſer Wunsch: bei dem im 'vlelfachen, wunderbaren Abenteuem 
in Europa und Aſien verfuchten Könige Harald Hardrada 
Sigurds von Norwegen Sehne‘). Toſtig feheint ſich hie 
für ben naͤchſten Thronberechtigten und den NAlteſten Sohn 


y Chron, saxon. tha Waes manna metsunge agan; von Ingram 
falſch überfegt: when the provisioning of the ‚men began. Schon 
Florenz hat richtig: victu deficiente. 
2) Gaimar vs. 5160 sg; vgl. Simeon Dunelm, hist, eccles. 
c. 14. 
\ 3) Anglia Danis ex antiquo subiecta est. Adam. Bremens, IV, 14. 
4) Snorro a. a. ©. Eap. 81. Snorro ift in den folgenden 
Eapiteln dieſer Sage eine fehr werthvolle Gefchichtäquelle, welche, bis 


“auf einige Abweichungen in den angelſaͤchſiſchen Namen, mit den engli⸗ 


fhen Quellen genau übereinftimmt, doch viele ‚Intereffante Umftände 
allein mittheilt. 

5) Es ift auffallend, daß alle englifche Geſchichtsquellen dieſem 
König den Beinamen Harfagar geben, ihn mit dem älteren "Könige bie 
fes Namens verwechfelnd. Doc hätte Palgrave (history I. c. XV.) 
dieſen Irrthum, der ſchon von Andern bemerkt war, nicht wieder⸗ 
holen ſollen. 





Ruͤckkeht und Untergang Ber-angelf, Dynaſtie. 585, 


Godwines Nusgegehen zu: haben. . Dem: nerwegſſchen Bönige 
verhieß: er Die: Hälfte, von’ Erigland ). Während. des Sons 
mess imytnbe: eime: norwegifiche: Flotte "non : einigen: ¶ hunder Se⸗ 
geln xausgeruͤſtetz an der Kite. Schottlands traf dieſe mit 
Toſtig zuſammen imd den gleichfrills verbuͤndeten: Jarlen der 
Srcaden, Pad imd Edcling, Thorfiuns Soͤhnen, fowie.auch 
ſchottiſchen bdaͤniſch⸗ iriſchen Schiffen). Sie lanbeten im An⸗ 
fange des Septembers bei Scarborough, welche. Stadt. fie nach 
einem harinädigen Kahl mit den Bürgern verbrannten“) 
Der. König: von England‘ hatte, wie er. bie norwegiſcheLan⸗ 
dung vornahm,  fieben: Heerſchaaren) gufammiengezogen, um 
nach Zum Norden zu marſchiren, doch langte er nicht fruͤh 
genug an um die Grafen Eadwin und Morcar, welche von 
den Norwegern und Flaͤmingetn⸗ zu. York überfallen zugeben); 1 
zu.:uinterfiligen: In einim ſehr blutigen Gefechte, deſſen 20. 
Wahlſtaͤtte bei Fulfors noch.'nach Jahrhunderten im, Süden 

der Stadt gezeigt iſt), wurden bie: Grafen ‚gefchlagen.. Nicht 
nur ımzählige Laien, guch viele: Geiftliche, deren Gefinnung 
mit ihrem :Erzbifchofe fürr Harold war, fanden. ihren :2od ?). 
Wenige Tage nach diefem Unftille erreichte das: Heer des enge 
liſchen Harold Tadcaſter, wo er :auch - feine Flottesveriamntelte, 
Hardrada und Toſtig lieſſen Ni: Seifen geben und verſprachen 


9 Theodorieus c. 28 Snprröl, } c. 77: Saxo. Gram- 
maticus. Ordericus Vital, 'p. 493.D. Chron: saxon., jagt. gar: 
Tostig him to beah et his man- wearth. Die andere Hälfte wäre dann 
für Wilhelm beftimmt geweſen. Tosti subditus est ei, ‚Hunteni. 
Haraldus vehit in Angliaın regnaturus, Marian. Scot. Zu I 

Gnorro ſagt 200° norwegifche Kriegsſchiffe. Cbron. '8axon. 
nimmt bie vereinte Flotte auf mehr als 300. an. Die Angabe. dep. Si: 
meon über mehr als 500 narmwegifche große Schiffe iſt daher wohl fehr 
übertrieben. 

u 3) Die Schottifche Hülfe iſt nicht nur wahrſcheinlich, ſondern wird 
auch gleich der iriſchen von Adam von Bremen IV, 14. erwähnt. 

. 4)» &norro Gap. 86.. Die Zeitbeſtimmung f. b. Marian. Scot 
:-. 9 Marian. Scot, aus weihen Sigebert u. Ur 

6) Chron. saxon. und Snorro Cap. 88, een Vene: üüge 
einfinmend an. — En Eee Ze 

- T)ı Bimpon. Huntend. el J ee 

8) Marian, Scot. 


536. 0,9 7 Fünfte Abtheilung. 


dem Lande Frieden und Schutz, wenn deſſen ‚Krieger ſie ſuͤd⸗ 

waͤrts begleiten wollten um das Reich zu erobern. Mit die 

fen PManen befchäftigt hatten fie bie Stedt York verlaffen und 
waren, ohne felbft die ihnen ‚geftellten Geifeln mitzunchnien '), 

nach dem nur etwa eine Meile. entfernten Stamforbbridge am 
Derwent gegangen. Das englifche: ‚Heer mit dem Könige in 
York, dem Sige des Erzbifchofs Ealdred, fehr guͤnſtig aufge 

1066 nommen ,: uͤberraſchte am Montag, den 26. September 2), das 

25. Sept. feindliche an jenem Orte, als die Fuͤrſten deſſelben im Begriff | 
waren. nach York zurüdzutehren um neue Beamte: einzufegen, | 

Lehne zu vertheilen. und bie neue Eroberung nach unbefchränfte 
Herrfcher Weiſe fich ganz. zuzueignen. Die Grafen Paul mb | 
Erling waren :.bei den Schiffen zuriidigelaflen, .ald Hardrada 
und Toſtig auf ihrem Marſche vor ſich Staubwolfen empor 
—wirbeln ſahn, welche Letzterer für:.:dte Anzeichen neuer, ihnen 
ſich anſchlieſſender Freunde hielt. Als aber die engliſchen 
Truppen erkannt wurden, rieth Toſtig vorſichtiger mit dem Ks 

nige, welcher für den Kampf nicht geruͤſtet war), zu den 
Schiffen ſchnell zuruͤckzueilen und mit den daſelbſt zurüdgeblie 

benen Schaaren ſich zu vereinen; doch Hardrades kuͤhner Rath 
wurde befolgt, drei raſche Streiter abzufenden um die Zuruͤd 
gebliebenen herbeizuholen. Hardrada ließ alſo fein Kriegsban 

. ner, Landeyda (Berddung des Landes) genannt, aufrichten. 
Neben biefem blieb et mit feinem ganzen Kriegögefolges; das 
Fußvolt wurde in eine, große kreisfoͤrmige Linie geſtellt, Schild 

an Schild, die Speere vor ſich in die Erde und dem Feinde 
entgegengeſteckt, um den Angriff der feindlichen Reiter abzu⸗ 
halten; die leichten Bogenſchuͤtzen wurden dahin geſandt, wo 


1) Die Lesart des Florenz fagt, daß fie alle 150, bie des Si: 
meon, baß fie von 500 Geifeln 150 in York gurüdtieffen. | 

2) Rach dem chron. saxon. fünf Tage nad St. Matthäi Abend 
oder nad; Florenz VII. Kal. Octobr. Daher der Irrthum der nor 
mannifchen arififelkr, VII. Octubr., den Palgrave erneuert. Auch 
Snorro Gap. 90. gibt genau an: Montag nad St. Matthät und 
‘Cap. 100. neungebn Zage vor ber Schlacht bei Haſtings, welche auf 
den 14. October fiel. 

$) Araldum imparatum absque loricis invenit. Marian. Scot. 
Ähnlich Saxo Srammaticus p. 207 neglectis corporum muni- 
mentis, 


' 





Ruͤckehr und Untergang der angelſ Dynaſtie. 537 


feinblicher : Angriff beſonders drohte, Harold, mit den flarfen 
Schaaren engliſcher Fußvoͤller und: Reiter. vorruͤckend, erblickte 
ſchon einen norwegiſchen Fuͤhrer im hellblauen Mäntel und 
mit glaͤnzendem Helme auf ſchwarzem Roſſe bie: feindliche 
Schlachtlinie muſternd. Das flürzende Roß warf den Reiter zu 
Boben.: „Wer iſt,“ fragte Harold, „jene Rieſengeſtalt, welche 
vom Pferde niedergeworfen iſt Und vernehmend, Daß‘ ed ſein 
koͤniglicher Gegner war, rief er ſeinen Schaaren zum. Beginn 
der Schlacht, wo ein: gluͤckliches Wort oft fe tiefen Eindruck 
macht, zu: „Ein ſtattlicher Mann, aber wahrlich, ihr ſeht, daß 
fein Gluͤck ihn ſchon verlaffen: bat“ ne LOREE re 1 1 . 

Toſtig hatte: feine Banner in: einer Anbern Gegend. des 
Felded aufgeſtellt. Ein Fähnlein: von zwanzig engliſchen 
Thingemannen oder Husceorlen, ſelbſt ſowie ihre Roſſe ganz 
mit. eiſerner Ruͤſtung umſchloſſen, ritt auf ſein Heer zu und 
fragte nach Toſtig, ihm eine Botſchaft von: feinem Bruder zu 
verkünden. „Wiſſet, daß er hier weilt“, entgegnete der Earl 
ſelbſt. „Harald der: König", erwiederte der Neiter einer, 
„jendet die Gruß und dieſe Botfchaftr Frieden und ganz 
Northumbrien bietet er dir an: ja,:um-dic als feinen Buns 
-deögenoffen und Freund zu fichern, iſt ein Drittel von ganz 
England ihm Fein zu hoher Preis.“ Zoflig bePlagte,. daß 
biefer Vorſchlag ihm. nicht fruͤher, che: fo vieles Blut vergoflen, 
gemacht feiz doch. erfundigte er ſich, welchen Erfag. dem Has 
rold Sigurds Sohn fuͤr ſeine angewandte Muͤhe werden ſolle. 

— „Bon Englands Erde. ſieben Fuß, oder fo viel mehr als feine 
"Länge die anderer Menfchen überragt," war bed Geharnifchten - 
Antwort. Darauf‘ der Earl: „So reitet denn zu eurem Herrn 
zuruͤck und laſſt ihn zum Kampfe fich ruͤſten: denn nimmer 
fol e8 glaubwürbige ‚Sage ber Rormannen werden, daß Earl 
Toſtig ihren König in. Zeindes Landen verlaſſen habe. Mit . 
einander wollen wir England erobern ober ehrenwerth fterben.” 
Hardrada tadelte Zoflig, als er vernahm, jener Wortführer, 
ber nicht große Dam, beffen feften Sit auf dem Pferde er, 


9 Snorro Cap.93. Dieſer erzoͤhlt auch, daß der Fürft von 
Norwegen, die -Befinnung nicht verlierend, ſogleich ausrkef: ein. Fall 
weiſſagt den Reiſenden Heil! Theodor ich erzaͤhlt entgegengeſetzt, daß 
er geaͤuſſert habe: daß der Fall eine boͤſe Vorbedeutung ſei. 


Englänber ſich gegen ihre Feinde ermannten und Kellafir 
griffen. Des normegifchen Koͤnigs Tupferkuit, weihe 
Berſerkerwuth ſeine Feinde um ſich herum vernichtete, hatt 
Seinigen vielleicht zwieder begeiſtert, doch traf ihn ein vech 
nißvoller Pfeil am Halſe, welcher ihm ſogleich toͤrtete 
Joſtig ſtellte ſich jetzt zum Landeyda, einen: ziveiten, fi 
allen: Norwegern ‚gemachten Friedens antrag auf deren Del 
abweiſend. Auch. ex. ‘fiel mit" Loͤwenmuth kaͤmpfend. 
Schlacht fchien fir England. gewonnen, als Eyſtein Im,d 
Liebling Hardradas, dem sr feine Tochter: Maria verlt ba 
mit den Kriegern : von den Schiffen eintraf und ar MM 
WDreffen begann. "Der unerſchuͤtterliche Muth, eined Tunf 
welther an dem. Bruͤckenkopfe ftand, hielt die nbring 
Engländer lange auf und er toͤdtete 40: derſelben mit ſi 
Streitart; Fein. Speer traf den gewandten Käufer, DE 
lich ein Engländer, in einem: Boote unter die Bridch 
end, ſchlau ihm von dort her. eine toͤdtliche Wunde ki 
gen wufſſte). Keine Tapferkeit der Verbuͤndeten konte 
den Mangel an Ordnung und Kriegszucht erſetzen. De? 
fand. die. Englaͤnder als Sieger, die: bedeutenden Art 
welche zum Zreffen: gekommin waren: <:alle erſchlagen 
Dee? König von Irlande wird unter’ den: Getöbteten: genai 


min. aahblairhteen Mal Ana IASAI "Stine mann nad nad 


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Ru ckkehr und Untet gang Bersangeif, Dynaſtie. 539 


fange ımter -bem-: Namen bee’ Schlachtenbruͤcke (pons "belli) 
bekantit'tgengefen.: Olav, den Bohn: des norwegiſchen Ko⸗ 


nigs yy den ihn beglritenden Biſchof, fowiei'den Grafen der 
Oreaden, Paul, verſchonte der. Sieger. und: ließ.fie; nach :geges 
benen Geiſeln und abgelegten Eiben;: miteden Überreſten ihres 
Heeresauf:eimmdzwanzig :Schiffen heimkehren. Die Beute 
welche den Siegern in: die Haͤndefiel,“ war [ehrt bodeutend; 
unterderſelben fol eine große Maſſe Goldes geweſen ſein, 
welche der norwegiſche König von ſeinen Kriegszuͤgen in Oſten 
heimbrachte und welche jetzt dem Könige von England, ſpaͤter 
ſeinem Nachfolger zufiel?). Harolds unzeitige Sparſamkelt 
machte: viele feiner Anhaͤnger ungehalten ?) und wändte ſie von 
ihm ab, zu einer Zeit als er treuer und fefter : Geſinnungen 
ſehr bedurfte. 


Toſtigs ‚Schäge \ ‚waren nicht i in’ das Feldlager gebracht, 


ſondern ſeinet Gemahlin Judith, welche bei ihrem Vater zu 
Bruͤgge verweilte, anvertraut. Ihre Hand und ihre Reich⸗ 
thuͤmer erhielt ſpaͤter (1071) Welf IV., der. Sohn Azos und der 
Kımigunde, der Stifter der juͤngern welfifchen Linie, deſſen 
Söhne Welf V. und Heinrih der Schwarze nad) einander 


das Herzogthum Baiern befaßen, von welchem: erlauchten: 


Stamme das: Haus bes jetzigen Königs von England. feine 
Abkunft herleitet ). 


Haroldukonnte ſich feines Sieges nicht erfreuen; ihn bes | 


untuhigte die Ungewißheit über das was im Suͤden bes 
Reichs ‚vorgefallen fein mogte. Herzog Wilhelm hatte, feit 
dem er die Nachricht vom Tode des Königs Eadward erhals 
ten, nur auf die Eroberung bed nach ber von ihm verbreite: 


i) Chron. saxon. nennt noch einen anbern Sohn des Rönigt Het: 


muhd, was wahrfcheinlich nur. ein Irrthum iſt. 

2) Schol, ad Adam. IV, 14. Annal. Saxo ad a. 1066, wo 
jedoch Judith für die Gcmahlin des Harold gehalten wird, und fich au 
die Sage findet, daß jenes Gold durch fie an Welf gelangt fei. .: 

8) Marian, apud Higden. 

4) Anonym. de Guelphis nennt Judith regina, wodurch Gib- 
bon (miscellanesüs works II.) verleitet fein mag dem Toſtig ben 
Töniglihen Titel zu ertheilen. ber’ Zubithe Stiftungen, Begrabriß zu 
Weingarten u. A. f. orig. guelphic, Ir, 268 sg. Ä 


\ 





tel auf, bald knirpfte er ihn wieder zu. Schucicu 
auf der Seine nach feinem Palaſte zu Rouen zurk, wi 
ſtaunenden Hofleute den: Zürften zu befragen nicht ww 
Nur der ſpaͤter ankommende Seneſchall, der einfſluſreiche 
helm von Breteuil?), Sohn des früheren Seneſchalb DE 
wuſſte fein Stillſchweigen zu brechen, inbem er von be 
errathenen Urfache befjelben zu ‘fprechen begann. * 
Wuͤnſche reiften durch Fitz⸗ Osberns Vorſtellungen je | 

fhlüffen, deren Ausführung ‚mit der größten Befomahe 
bereitet wurde. Gefandte wurben an Harold entbotm; m 

an bie dem Herzoge gegebenen Berfprechungen zu ent 
zu: deren Erfüllung aufzufodern. Eine derfelben, die der 
lung mit Adeliza, des Herzogs Tochter, hatte dem IM 
ger Tod unmöglich gemacht. Als Harold jene Aueh 
ablehnte und, auf die Drobang eines Kriegs, nımmle 
bie legten: in England zuruͤckgebliebenen Normannm m 
nem Reiche jagte I fo erklärte Wilbelm feinen Bridemn. 








N über das Zunäcftfolgende iſt der Roman de Rou Dei 
ziehende Quelle. La chronique de Normandie (bei Bouquet 
iſt nur die etwas verbreiterte Nachbildung von jenem. Thier: 
misgegriffen, daß er die Letztere zur Grundlage feiner Gryählum 
und diefe wiederum mit manchen unverblirgten Zügen ausſchni⸗ 


UN met. ah Ale 2. nn... an un 


. Rüdtehe und-Unterghmg"seo wngelf. Dynaftie. 541 


dem Bifhofe von Bajeur,. und Robert von Moretatrie (fpäter 
-Earl von Cornwales), fowie. feinen: Ibrigen ‚mächtigern Bafal: 
len, Robert, Grafen von Eu, : Richard, Grafen von Evreur, 
Roger - von Montgomery (ſpaͤter Earl von Atundel und 
Shrewsbury), dem Senefchal Wilhelm, Sire von Breteuil 
(fpäter Earl. von Hereford), Gautier Gifford, Grafen von Lon⸗ 
guemar (fpäter Earl von Budingham), Roger von Vieilles, 
- Site von Beaumont, Yvo, Schwager des Herzogs und Her⸗ 
luins Sohn, welche alle er in einer Capelle verfammelt hatte, 
den Plan feine Rechte auf England zu. erfechten, auch die ihm 
durch die Ermordung Alfreds einft widerfahrne Beleidigung 
ſowie die Verfchmähung feiner Tochter zu rächen, falls fie zu 
der Heerfahrt übers Meer ihre Zuſtimmung ertheilten. Die 
Paits, denn fo dürfen wir die hier Verhandelnden wohl bez 
nennen, waren willig ben ‚großen Gedanken bes Fürften aufs 
zufaffen, Doch ‚erfuchten fie diefen feine fämmtlichen Barone 
wegen biefer wichtigen Angelegenheit zuſammenzuberufen. Diefe 
Verſammlung, auf welcher mehrere Hunderte von Theilneh⸗ 
mern waren, fand auf einem Hoftage zu Lillebonne ſtatt. 
Der Herzog hielt hier fein Parlement). Die ſchon gedachte 
"Mittheilung wurde ruhig angehört; doch als diefer die Barone 
zur Berathung allein gelaffen hatte, erhoben fie viele Einwens 
Dungen, fo fehr auch Fitz⸗Osbern fie zur Nachgiebigkeit mit 
teiftigen Gründen und ſchoͤnen Worten zu bereden fuchte. Sie 
ſeien arm und durch viele fruͤhere Huͤlfen und Steuern ge⸗ 
druͤckt; uͤbers Meer zu ziehn koͤnne dem normanniſchen Ritter 
oder Buͤrger kein Herzog gebieten; Harold dagegen beſitze 
große Schaͤtze, mit denen er Freunde, Heerfuͤhrer und Koͤnige 
in ſeinen Sold nehmen koͤnne; ſein ſei die groͤßte Flotte, ihm 
dienten zahlreiche und die erfahrenſten Seeleute, deren Geſchick⸗ 
lichkeit und Muth in vielen Stuͤrmen und Kaͤmpfen bewaͤhrt 
ſei; auch fein Landheer ſei viel zahlreicher als das der Nor⸗ 
mannen, welche in Jahresfriſt nicht die erfoderlichen Schiffe 
und Ruderer zuſammenbringen koͤnnten; ein ſolches Unterneh⸗ 
men uͤberſteige ſelbſt die Macht des roͤmiſchen Kaiſers ; die 


1) Der Ausdruck kommt ſchon bei dem Aufſtande der normendiſthen 
Communen vor. Roman de Rou vs, 5984. 


4 





die normannifche Ritterſchaft war dieſes Mal ih 
‚gefangen und ungeſtuͤm widerſetzte fie ſich jetzt, doch 
der angemutheten Verdopplung -der Lehnspflicht, welche 
kommen und Recht werden koͤnne, als der Leiſtung der Kr 
huͤlfe nach einfachem Maßſtabe. Während ber Landtag, | 
das Streiten felbft ſchon nachgiebiger geworden, durche 
dertobte, ließ der Herzog bie. Barone einzeln zu fig 4 
und vertrug fich, unter Verwahrung der ‚alten Reste de 
ben, mit ihnen über die Zahl der ihm zu liefernden md A 
mannenden Schiffe. Die Geſammtzahl derſelben bit: 
beinahe auf 700, wie der Vater des poetilcen 
Robert Ware, ald Augenzeuge berichtete. Meit did % 
ben flimmen auch Liften, welche über die Beitraͤge de MR 
nen großen Barone vorhanden find, ziemlich übereh, 
wirde die. von Andern angegebene Zahl von 3000 
auch wenn die Heinften Boote mirgerechnet werden, (GM 
zu rechtfertigen fein ?).. Als der Herzog die Bewiligen 
ner Stände fich gefichert hatte, ließ er in ben 


1) Guil. Pictav. 


2) Wace fagt 6965 bie von Taylor (on Gavelkind), 
in Littleton history of Henry II, book I. appendix, belar 


under OA. VOL WELLE “hau nad an WA len 


Rückkehr und Untergang ber angelſ, Dynaſtie. DEI 


Staaten Ritter und Soͤldner auffodern die Eroberung‘ Eng 
lands mit ihm gegen“ reichen Sold; ſtaktliche Geſchenke und 
engliſche Laͤndereien zu unternehmen. Mit groͤßter Auſtrengung 
wurden die Schiffe gezimmert, Waffen und Vorräthe eitigft 
herbeigefchafft.. Die. Streifigkeitei mit der: Bretagne wurben 
fiegreic; beendet. "Viele .angefehne:. Bretoung; Atlan, der. Graf 
von Ponthieore '), und fein Bruder, der: Graf’ von Leon (Beibe 
Söhne des Herzogs::Eudo ‚von der Bretagne), .:die Sires Yon 
Dinan, Vitry, Raoul von Gael?) und: manche Andere aus 
Diefem Lande, . fowie: aus Maine, Anjou, Ponthieu ?), .Boie 
logne, Letztere unter ihrem Grafen Enftag, folgten dem Kiieg& 
rufe. „Sehr ‚baute Wilhelm auf .die Unterflügung, welche er 
zu feinem Zuge Bei Dem Könige von Frankreich, Philipp I, zu 
finden hoffte; doch ber .jugendlihe König, auf dringendes 
Anrathen feiner Barone, welche die Übermacht des Mitvafallen 
eiferſuͤchtig fürchteten, fchlug dieſes Anliegen gaͤnzlich ab, ohme 
jeboch die Folgen der Siege Wilhelms fcharf genug ing: Auge 
zu faffen, um. durch eine zeitige Verbindung mit...Hurold.den 
franzöfifchen . Landen Jahrhunderte von Kriegen zu erfparen. 
Selbſt des ‚Herzogs Schwiegervater, Graf Balduin V. von 
Flandern, da: ihm kein beftimmter Antheil an dem zu erobert 
den Lande zugefichert werben follte, enthielt fich einer unmit- 
telbaren Zheilnahme an jenem. Zuge, wenngleich er felbft Has 
rold durch falſche Nachrichten täufchte, um . Wilhelm. zu beguͤn⸗ 
fligen, und. ‘die ſtets beweglichen, . zu allen Gewerben des 
Kriegs wie des Friedens gleich berufenen Flaͤminger hier ſo we⸗ 
nig als bei irgend . einer merkwuͤrdigen aha | des Mittelalters 
fehlten 9. 


1) Bol. Daru Geſch. der VBretane I, 106; Fr Hab 
2) Später Graf von Norfold und Euffolk, unter bem Namen 


Ralph Waher oder Guader befannt. ©. Plouquet zum. Roman de 
Rou JI, 247. Ellis.I, 471. 


3) Burgunder und andere Gisalpiner führt auch Orderie. Vital. 
494. an, der. gern feine Vorgänger in, Nachtichten uͤberbietet. Spieren 
ſpricht gar von Piemonggfern. 

4) Doomesdaybook nennt bes Grafen Neffen, den veidsbegüterten 
Gifelbert von Gent, Drogo von Bevreire, bie Slaminger drgo, Die 
Walter, Winemar u u. A. . 





KRuͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 545 


Endlich im Monate Auguft war ‘die Zlotte zu St. Valery 
verfammelt; doch widrige Winde hielten fie dort vier Wo⸗ 
chen auf. Der. unerwartet günftige Zeitpunct zu einer Lan⸗ 
dung, welchen ‚die Entfernung Harold und der englifchen Flotte 
aus den fühlichen Häfen darbot, fchien zu verſchwinden; ber 
Unterhalt des großen Heeres von mehr als 50,000 Kriegern 
wurde fehr fhwierig, und die biöher gehanbhabte Strenge der 
Difeiplin war kaum länger zu behaupten’). Schon begannen 
die Krieger ungebuldig zu werben, den Zweck dieſes Zuges zu 
verdammen, deſſen Gefahr fich darzuftellen. Da ließ der Her 
zog die Reliquien des Schußpatrones jener Stadt, bed heil. 
Valerius, in einer Proceffion herumtragen, um die unruhige 


Maffe zu zerfireuen und zu ermuthigen. Der nächfle Sonnens - 


untergang brachte den günftigften Wind, und der ungeflüme 
Herzog ließ jest durch Die Herolde alle Krieger am Ufer und 
auf. den Schiffen, fogar ohne Herbeifchaffung. ihrer Habe und 
Diener, ſich eiligft. ſammeln. Ad der Morgen fernhin zu 
daͤmmern ‚begann, gab eine auf dem Mafte des Admiralſchiffes 
angezündete Lampe das Zeichen, die Trompeten fchmetterten, 
umd bie auffteigende Sonne fah vor dem frifchen Hauche des 
anbrechenden 27. Septemberd dad Gewimmel unzähliger Schiffe 
fi) auf der Rhede entfalten und auf das hohe Meer hinbes 
wegen. Das Schiff, die Mora genannt, welches den Herzog 
und die geweihte Standarte trug,. war. ein Gefchen? der Her: 
zogin, feiner Gemahlin; am Kiele war von Kupfer ein Knabe, 
welcher mit gefpanntem Bogen zielte. In der folgenden Nacht 
war das fchnellfegelnde Schiff des ungebuldigen Herzogs rafch 
über die gewaltigen Meeredwogen fortgeeilt, und. am folgenden 
Morgen. meldete der Matrofe vom Maftorbe herab, daß ex 
ringsum nur das Meer und die Luft erblide. Der Tod des 
Abenteuerd iſt die Furcht; die Anker muſſten ausgeworfen | 


anlaffung dar, welche ber übefenbe der aricoeſahne ſchwerich unge: 
nutt ließ. 

1) Guil. Pictav. P. 197 B. Stipendio ipsius millia militum 
quinquaginta alebantur — Militibus et hospitibus abunde sumptus 
administrabantur. Später p. 199 D. werden Wilhelms Krieger auf 
60,000 angegeben. Ord eric. Vital, p. 500 B. vergrößert bie Zahl 
wohl ohne Grund; quinquaginta millia militum cum copia peditum. 

£Eappenberg’s Geſchichte Englands I. 3 


MVVV D ⏑ —⏑ — Ba 


29. Sept. uͤber 1100 Jahre nachdem C. Julius Caͤſar die — — 
ebenſo weit über 600 Jahre nachdem Hengiſt dic 
dieſes Land, um es zu beherrſchen, geführt hatte. 
von 60,000 Mann wurde jetzt and Land gefekt, 
gewohnt, nach Beute begierig, unter einem Führer, a 
und Geifteßgegenwart unerfchütterlih war. Als = 
fig das englifche Ufer betrat, flolperte er, und die =e3 
erſchraken uͤber das Vorzeichen, doch. jener beruhigt I 
„Bei Gottes Glanze“ — fo pflegte er zu fchwören ⸗— 
mit den Händen von dem Lande Befig ergriffen, 
nicht wieder geraubt werben; ganz iſt es unfer" i) — 
manne lief fogleich zu der nächften Hütte, brachte⸗ 
aus dem Dache geriffene Stüde und vollendete de = 
tete Schaufpiel der feierlichen Befisnahme. Der 4% 
reich begüterte Normanne Robert, der Wimarca EIFM, 
ihm die Nachricht von Harolds Siege bei Stainforbönk 
und warnte ihn, nicht ohne Hohn, vor deffen drohender 
macht ?); aber der Herzog lehnte diefe Weiſung ruhig eb, 
ihm 10,000 Dann von feinem Heere zur Eroberung de | 
des genügen würden. Die Schiffe ließ er fofort auf beit 
ziehen, abtafeln und unter fichere Obhut flellen, damit = 
‚Beige fie zur Flucht miöbrauchen, noch: die englifche Flak 





Nüdtehe und Untergang der angelf. Dynaftie. 547 


Harold feierte zu York den Steg Über bie Norweger und 
Zoftig, als ein Ritter, welcher Tag und Nacht von Haflings 
bergeritten war, ihm die Nachricht von ber Ankunft und bev 
Groͤße des feindlichen Heeres brachte. Schleumigft eilte er, die 


errungene Beute bem Exzbifchofe von York, Aldred, anvertrauend, ' "| 


nach London, die Söldner mit fih führend und gab die Bes 
fehle zur Zufammenziehung der Landwehr. Doch: war biefe 
nie fchnell gerüftet, Nortbumbrien konnte nicht ganz von Trup⸗ 
pen entblößt werden, welche er dem Vicegrafen Merleswain 
anvertraut). Seine Schwäger, die Earle Eadwin und Mora 
car, blieben zuruͤck und mögen mit Andern fich abfichtlich einem 
Kampfe ferngehalten haben, deſſen Beranlafjung fie misbiligs 
ten, wie Harolds eigne Schwefter, König Eabwarbs Wittwe ?), 
es that, deſſen Erfolge fie miötrauten und deſſen günfligftes 
Refultat für Harold fie vielleicht nicht wünfchten ). Es ſchei⸗ 
‚nen ihm daher viele von ben 100,000 Mann ‚gefehlt zu haben, | 
welche die Normannen erwarteten, und um fo würbiger ers 
fcheint die Zeftigkeit, mit welcher er den durch den Mönch von 
Becamp, Don Hugo Margot, nad) vielen vorangegangnen. Ders 
handlungen ihm gemachten Antrag abwies, dem Herzoge bie 
Krone abzutreten, felbit aber dad Land jenfeit des Humbers 
zu behalten, während fein Bruder Gurth alles von Gobwine 
beberrfchte Land erhalten folle *); ebenfo den Vorfchlag, ſich zum 
Zweikampfe mit Wilhelm zu ſtellen, oder dem Papſte die Ent⸗ 
ſcheidung des Streites zu überlaffen, erſteren vielleicht in dem 


klaͤren, daß Wilhelm gleich nad) der Landung bie Flotte zerftört habe. 
Wilhelm: von Pottiers gedenkt ausdruͤcklich der custodia navium, 
Diefer läfft aber auch den Herzog fagen: ad effugium nullam viam pa- 
tere; illinc pontus (alſo feine Schiffe?) et arma. P- 201, Anliches hat 
carmen de bello hastäng. | 

1) Gaimar vw. 5355. 

%9 Wilhelm von Poitiers ©. 19, 


9» Florent. h. a Morcarus et Edwinus cum suis se huic 
certamini ‚subtraxerunt. Roman de Rou vs. 12877. D’ultre li Hum- 
bre n’i vint gaires, Quer cil orent altres affaires; Daneiz (d. h. Nor: 
wegen) les orent damagiez E Tosti les ont empiriez. 


4) Roman de Rou vs. 12856 24. | 
35 * 


548 u Bünfte Abtheilung. 


nicht eingeflandnen ) Bewuſſtſein des unbefonnenen ober tri- 
geriſch gegebnen und gebrochnen Wortes als Gottesurtheil 
fuͤrchtend. Selbſt Gurth war von folcher Beforgniß betroffen 
und bat den Bruder den Kampf benen zu überlaffen, welde 
den Normannen gegenüber ohne Schuld und Berpflichtung 
fländen; er mit den braven Landöleuten. wollte für ihn fiegen, 
fiele er aber, fo fei Harold dann ja noch übrig, um ihn zu 
rächen und bad Gluͤck beö Kampfes zu verfuchen ?). 

Auch Harold hatte einen Geifllihen an Wilhelm abge: 
orbnet, um feine Anficht ihres Streites ihm darzulegen. Der 
liftige Herzog hatte. dieſen Mönd vor dem Lager getroffen 
und, fich für einen Vertrauten des Herzogs ausgebend, ihm den 
Inhalt feiner Botfchaft abgeforfcht. Auch darin von Harold 
verfchieden, ‚welcher Wilhelms Sendeboten zomig und ſchnoͤde 
aufnahm und felbft gemishandelt haben foll, empfing er, nad: 
‚dem ex fich auf eine Antwort vorbereitet, feierlich die Botſchaft, 
durch welche Harold dem Herzoge jebed Recht auf England, 
welches biefer aus der frühern Schenkung Eadwarbs herleiten 
wollte, ableugnete und fich dagegen wegen feined eignen u 
tes auf des verfiorbnen Königs letzten Willen ſtuͤtzte. 
mächtniffe der Sterbenden anzuerkennen und aufrecht ‚zu el 
ten, fei, feitbem Auguflin die Lehren ber vömifch = chriftlichn 
Kirche nach England gebracht habe, allgemeines Gewohnheit 
recht dieſes Landes geworden. Wilhelm wuſſte dieſe Behbau | 
tung nicht zu ‚widerlegen, berief fi aber auf die früher 
Schenkung, welche von den Magnaten des Königs, dem Erzbi: 
fchof Stigand ſowie den Earlen Godwine, Leofric und Siward, 
eidlich bekraͤftigt worden ſei; eine Angabe welche, da drei 
der hier ge enannten Männer längft, Siward fogar fchon vor 
Eadgar Athelings Heimkehr verftorben, ſchwer zu widerlegen 

war, boch ſtets fehr verdächtig bleibt. Mehr möchte für Wil⸗ 
beim zu fprechen fcheinen, daß er ben gZwift der Entfcheidung, 
nad normannifchem oder engliſchem Rechte, beiden Völkern 


1) Selbſt Wilhelm von Poitiers S. 201 Hält Harold für 
unbefangen und in ber Verblendung der Herrſchſucht keiner Schuld ſich 
bewuſſt. 

2) Malmesb. p. 100. Die normanniſche Entfietung diefes Bor: 
res ſ ſ. im Roman de Rou vs. 12150 s2q. 


‘ 





Ruͤckkehr und Untergang der angelf. Dynaftie. 549 


anheimzugeben und fich dem Ausfpruche derfelben zu unterwer- 
fen erbot; ein Anerbieten worin, bei der unbeftreitbaren Unfäs 
higfeit des Königs fein Reich zu vergeben, wohl nur die Zus 


'verficht Wilhelms auf bie Abneigung mancher engliſcher Macht⸗ 


haber gegen Harold fi ich erblicken laͤſſt '). 


Die Normannen hatten fich unterbeffen bei Haftings feſt 


verſchanzt und verheerten von dort aus die umliegende Gegend 


ſo ſehr, daß dieſelbe nach zwanzig Jahren noch wuͤſte und oͤde 


log’). Die Nachricht von dieſen Freveln gab Harolds Schrit⸗ 


ten Slügel, und ſchon am 13. Dctober traf er bei feinem in 
Eilmaͤrſchen herbeigerudten und durch von König Spend ges 


fandte daͤniſche Hülfsteuppen ?) vermehrten Heere ein, welches 


auf den Hügeln unweit Haflings fich gelagert hatte. Dennoch 
war kaum die Hälfte des von allen Seiten Englands gegen 
die verhafften Fremden aufgebrochnen Heeres vereinigt, "und 
die Dänen wurden unbrauchbar, da fie nicht gegen Herzog 
Wilhelm felbft fechten zu wollen erklärten. Eine Flotte von 
700 Schiffen hatte Harold nach den ſuͤdlichen Häfen gefandt, 
um die Schiffe des Herzogs zu bewachen und bereinft den Bes 


fi iegten den Rüdzug abzufchneiden. Er hoffte die Feinde durch 


einen Angriff in der folgenden Nacht oder doch beim folgenden 
Tagesanbruch zu uͤberraſchen. Seine Angelſachſen und die 
Soͤldner ſtaͤrkten ſich durch Speiſe und Trank, und man vers 
nahm ſie die ganze Nacht hindurch jubeln und die hergebrach⸗ 
ten Trinkſpruche ausbringen. Die Normannen hatten Has 


rold8 Ankunft nicht erwartet, und eine beträchtliche Schaar 


derſelben war an dem Tage audgezogen, um Lebenömittel zu 


1) Des Wilhelm von Poiti ers Bericht uͤber die verſchiedenen 
Botſchafter lautet ganz verſchieden von dem des Roman de Rou. Will. 
Malmesb. hat Beide vereinigt. Wiederum anders bichtet carmen de 
bello hasting. 

2) ©. die Beweife im Doomesdaybook. Ellis I, 314 sg. Auch 
Harolds Truppen fcheinen viel Land oͤde gelegt zu haben, und die auf 
Wilhelm jedenfalls irrig übergetragene Antwort (Matth. Paris), daß 
er das ihm gehörige Land nicht zerftören wolle, gebührt dem Harold, 
wenngleich von feinem Gegner (Roman de Rou vs. 12065 sg.) nicht in 
der ſchoͤnſten Auslegung erzählt. 

3) Guil, Pictav. 201 D. Copiosa auxilia miserat eius cognata 
terra ‚Danorum. 


— 


550- Füänfte Abtheilung. 


fuchen. Doch bald war Wilhelm von berfelben benachrichtigt 
und traf Anorbnungen gegen einen Überfall und auf ben am 
naͤchſten Tage zu erwartenden Kampf, fowie ex durch geiftliche 
Übungen, unter dem Beiſtande der Bilchöfe von Bajeur und 
Coutance und zahlreicher nonnannifcher Geifllichen, ſich und bie 
Seinigen vorbereitete‘). Der Herzog ſelbſt empfing daS heilige 
Abendmahl. Beim Anbruch des Tages hielt er eine Anrede 
an fein Heer, bis Wilhelm Fitz Osbern ihn, -zum Kampfe 
mahnend, unterbrach). Er warf dann fo eilig den Panzer um, 
daß er ihn anfänglich verkehrt anlegte, welcher Misgriff in dem 
ſchickſalsſchwangern Augenblide Schreden zu verbreiten drohte, 
aber von ihm fogleich als Gegenſtand des Scherzed aufgefafit 
wurde ?). Doch huldigte er dem frommen Wahne ber Seins 
‚gen barin, daß er die theuren Reliquien, gegen welche Harold 
Eidbrüchigkeit gefrevelt hatte, um feinen Hals hing, als die 
. zuoverläffigen und ımbefiegbaren Bundesgenofien feiner Sadı. 
Eine wichtige Sorge des Herzogs war für die geheiligte Fahn—, 
doch Raoul von Condes und Walte: Giffard weigerten fih 
das ehrenvolle Amt anzunehmen, um auf dad Kämpfen nidt 
verzichten zu dürfen; dem Zouftain dem Weißen, Rous Sobe 
aus dem Ländchen Caur, wurde dad geweihte Banner amw 
traut, befjen flandhafte Erhaltung ihm und feinen Geſchlecht 
bad rühmlichfle Wappen und reiche Beſitzungen brachte‘). 
Diefe Fahne blieb bei der dritten Heeredabtheilung, den Nov 
mannen, von Wilhelm felbft befehligt; die erfie Schaar, unter 
Roger von Montgomery und Wilhelm Fit Osbern, enthidt | 
bie Krieger von Boulogne, einige Picarden und die Miethötrups 
pen; die zweite aber die von Poitou, Bretagne und Maine 
unter Main Tergant und Aimery, Vicomte von Ihouars. Das 


1) Guil. Pictav. Roman de Rou. Will. Malmesb. 

2) Von einer Anrede an fein Heer haben wir drei angebliche Be 
richte, welche durchaus verſchieden von einander lauten: bei Wilhelm 
‚von Poitiers, der fie felbft nicht für authentifch gibt (etsi notis 
non ex tota dignitate sua relatam), bei Wace und bei Heinrid | 

von Huntingdon. 
3) Guil, Pictav. Wace vs. 12635. Malmesb. 

4) Roman de Rou vs. 12770. Ellis I, 497. s. v. Turstinus 
fl. Rolf, 





' 


Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 551 


Heer der Normannen unterſchied ſich von dem der Englaͤnder 5 


befonder8 durch befjere Reiterei, in welcher Letztere fehr zurüds 
geblieben waren, während jene fogar eine große Anzahl guter 
Roffe über dad Meer mitgebracht, ferner auch durch wohlge⸗ 
übte Bogenfchügen. Das englifche Heer war größtentheild mit 
Streitärten bewaffnet, in deren Gebrauche es ſich auszeichnete; 
doch entbehrten viele in demfelben eigentlicher Kriegswaffen und 


waren nur. mit Kolben, eifernen Furken, Schleudern und Knuͤp⸗ 


peln geruͤſtet. Sie umgaben ſich, auf einer vortheilhaft gelegnen 
Hoͤhe enge in keilfoͤrmiger Schlachtordnung zuſammengedraͤngt, 
mit Palliſaden und ihren Schilden gleichſam wie in einer Burg, 
die Standarte und der Schutz des Koͤnigs und ſeiner Bruͤder 
wurden den Baronen und Buͤrgern von London anvertraut; 
die Kenter, nach altem Heldenvorrechte, ſtanden vor der uͤbri⸗ 
gen Schlachtordnung, um den erſten Streich zu fuͤhren. Die 
Normannen ruͤckten heran, Harold erwartete ſie kuͤhn und ru⸗ 
hig, doch als ihre großen Maſſen, beſonders die Reitereiſchaa⸗ 
ren ſich entfalteten, haͤtte ihn bald ſeine Faſſung verlaſſen, da 
er Eeine fo große Anzahl der Feinde beforgte und, durch einen 
Brief des Grafen Balduin von Flandern getäufcht, die ‚der 
Berittenen am wenigften erwartet hatte. Man hörte die An- 
gelfachfen Gott und ‚Chriflum anrufen: Halig rode, halig 
eruce, maehtig God! Sogleich entbrannte der Kampf auf 


drei Stellen, die Trompeten, Zinken und Hömer hallten von 


den Hügeln wider, und die Normannen begannen den An⸗ 
griff. Der erſte Schlag war durch einen edeln, kunſt⸗ und 
fangreihen Ritter, den das Gefchmeide bed Waffenſchmids wie 
das des Dichters zierte, gefallen; Taillefer war der Name, 
unter dem dad Heer ihn kannte‘). Er hatte vom Herzoge 


ſich diefe Sunft erbeten und ritt vor demfelben her, mehrere. 


in der Morgenfonne ftrahlende Schwerter fpielend in die Höhe 
werfend und auffangend, und mit laut binfchallender Stimme 
das Heldenlied von Roland und dem großen Karl, Oliver und 


1) Carmen de bello hasting.: Histrio cor audax nimium quem 
nobilitet — nimium Iacisor fer. Henr. Huntend. Wace vs. 
18149 sg. Gaimar. vs. 5278 u. Nichts Anderes als Taillefer iſt 
der Name bes Meifters Hans Tallhoͤfer, von deſſen Kampfrecht f. 
Dreyers vermilchte Abhandl. Th. I. \ 


552 Suͤnfte Abtheilung.. 


den Zapfern, welche zu Ronceval gefallen, fingend '). Er 
ned der Schwerter war nicht in feine Hand zuruͤckgefallen, doch 
war es geſchickt geworfen, ein engliſcher Bannertraͤger von 
demſelben getroffen ſank zu Boden. Mit dem zweiten Schwert 
hatte er nicht fchlechter gezielt. Der Schreden welchen diee 
kuͤhne That perbreitete, war dem erften Angriffe der Norman 
nen günftig, doch währte es nicht lahge bis fie von Dem flar 
ken Arme der Angelfachfen zurhdigedrängt wurden; Das heran 
ruͤckende Fußvolk der Feinde ward zerftört, ‚viele normannifde 
Reiter flürzten in einen verbedten Graben. So .groß bie | 
Tapferkeit einzelner Normannen war, fo unermüdlich Herzog | 
Wilhelm, Bifhof Ddo und andre hochgeftelte Männer in be 
geiſternden Reden und im hartnädigften Kampfe fich bewähe | 
ten, fo fiegte dennoch die größere Einheit und Ord nung be 
Angelſachſen. Der ganze linke Fluͤgel der Feinde, welchen die 
erſte Heeresſchaar oder die der Bretons mit den Soͤldnem 
bildete, floh; ſodann auch die dritte, der Kern des. Head, 
welchen Wilhelm angeführt hatte. Er felbft wurde nicht ge 
ſehen; das herrliche fpanifche Roß, welches eine von St. Jap 
di Compoftela heimgekehrte Pilgerin ihm. aus Galicien mi 
gebracht hatte, hernach zwei andre Roſſe?) wurden dem ik 
nen Kämpfer an jenem Zage verwundet; man hielt ihn fü # 
erſchlagen. Graf Euflaz- von Boulogne rettete ihn aus de 
feindlichen Schaaren ’). Hier bewährte ſich die vereinte Kalt | 
blütigkeit, Energie und der Schnellblick des Feldheren, der Reiche 
zu erobern verfuchen durfte. Er eilte mit zuruͤckgeworfnem 
Helme zu den Fliehenden, gab ſich zu erkennen als lebend und 
zuverſichtlich ſiegend; ihrer Ehre, ihrem Antheile des Sieges 
bat ex fie nicht zu entſagen und unvermeidlichem Verderben ſich 
ſchmaͤhlich zu überliefern. Kaum hatte er dieſe zum Stillſtand 
gebracht und gegen die Engländer gewendet, fo fanden fich viel 


1) Roman de Rou vs. 13151 sg. Malmesb. 1. III. c. 1. Die 
Etelle bei Wace widerlegt den Turner history ‘of England T, IV. | 
p. 319, welcher unter dem Rolandsliede eins vom normannifchen Rollo 
‚Verflanden wiffen will... 

2) Das zweite wurbe getroffen durch filius Bellois, vir celer et 
facilis. Carmen hasting. 


3) Carmen hasting. 





l 


Ruͤckkehr und Untergang der. angelf, Dynaftie. 553 


Tauſende derſelben zwifchen jenen und bem zweiten normannis 
fchen Corps eingefchloffen, welches der Herzog, den wilden Uns 
geftüm der Verfolger wahrnehmend, mitten zwifchen die vers 
folgenden Engländer und. deren alte Schlachtorbnung hatte 
vordringen laſſen. Die in unbehülflichfter Enge eingefchloffe: 
nen englifchen Truppen ‚wurden jest erbarmungslos von. der 
überlegnen Anzahl der Feinde mit:Pfeilen, Speeren, Schwer: 
tern niedergemegelt. Der Angriff wandte fich fofort gegen 


das Hauptheer der Engländer. Die Pfeile der Normannen, 


in grader Richtung abgefchoffen, verfehlten die höherfichenden 


; Engländer; Wilhelm gebot höher zu zielen, viele Pfeile brach⸗ | 


ten tödliche Kopfwunden, und Harold ſelbſt wurde an einem 
Auge getroffen. Doc war die fefle Stellung der Engländer 
nicht zu erſchuͤttern: wenn auch franzoͤſiſche Reiter die Schlacht⸗ 
linie an einer Stelle glaubten durchbrochen zu haben, ſo war 
die Luͤcke ſogleich wieder durch die im Hintergrunde aufgeſtell⸗ 
ten Krieger ergaͤnzt. Schon war die dritte Nachmittagsſtunde 
gekommen, als Wilhelm, erkennend, daß es ihm unmoͤglich ſein 
wuͤrde die feſten Mauern der angelfächfifchen Schlachtordnung 
umzuwerfen, ſich der fruͤhern guͤnſtigen Wendung der Schlacht 
erinnernd, ſein Heer den Ruͤcken wenden und ſcheinbar fliehen 
hieß. Mit ungebändigtem Siegesjubel verliefen jegt die Anz , 
gelfachfen ihre Reihen und flürzten, in viele kleine Schaaren 
ſich vereinzelnd, von ihrem höhern Stanbpuncte in die Ebene 
herab, hinter den nach allen Seiten eilenden Feinden voll Hoh⸗ 
nes ber. Da erfcholl der Ruf der normanniſchen Hörer, die 
Feinde. wandten fih um, die Reiter derfelben fielen in den 
Rüden der zerfireuten Engländer, deren Tod und Niederlage 
entfchieden war. Von der Zapferkeit.. einzelner Angelfachfen 
wird Manches berichtet, doch find die Namen derfelben uns - 
von ben normannifchen Zeitgenoffen nicht aufbewahrt, welche 
nur der zum Theil fehon früher gedachten und andrer erlauch- 
ter Namen ihres eignen Volkes hier gedenfen. Wilhelm felbft 
fuchte Harold auf dem Schlachtfelde, um mit ihm zu fechten; 
ſtatt ſeiner begegnete er einem durch Tapferkeit ausgezeichneten 
Englaͤnder, den er ſiegreich darniederlegte. Doch noch immer 
flatterte ſtolz wogend die engliſche Standarte, um weiche her⸗ 


um ein Kern des Heeres unbeſiegt focht. In jedem Augenblicke 





»y — WETTE 07 7 — mw. wy yo. .. ww... v 


gelang und das Reich der Enkel Cerdics war nidt | 
Harold, Gurth und Leofwine waren neben derfelben af 
und Suffer, die Wiege der Größe des Godwineſchen $ 
war deſſen Grab geworden. Das neurömifche Banner m 
vor den Normannen an die Stelle des englifchen aufgpf 
und dad Banner bed legten angelfächfifchen Königs db 
ſchenk nah Rom gefandt. Die Normannen weh | 
mit unerbittlicher Verfolgung der Engländer befhäfff | 
ven, Üibernachteten auf dem Schlachtfelbe; Wilhelm de 61 

ver felbft in einem Zelte, welches ex dem geweihten beiſen 
sundehft hatte errichten laſſen. Der längft erfgelee I 
biefed Ortes vor der Schlacht war Senlac '); Wihan! 
wie in England ſchon König Cnut feine Schlachtfelder ga 
hatte, eine reich begabte Abtei daſelbſt errichten, mit 
Namen la Bataigle, Battle Abbey führte. Der Geh 
bezeichnete die Stelle, wo König Harolds und hemah 
Dapftes Fahnen aufgepflanzt waren. Die Pergamentrole 
zu St. Valery aufgenommenen Liften der Krieger, we 
Herzog nach England begleiteten?), wurden bafelif & 


1) Daher richtig bei Orderic. Vital. von biefer Schlaf: 
lacium bellum. Dog ſchon Wilh. von Malmesbury nmtf 


m Nu. S.ı .. 


Rudkehr und Untergang ber angelf. Dynaftie. 555 


hängt, und reiche Stiftungen aufeinander gehäuft, damit bie 
Lampe nie erlöfchte, die Gebete nie verſtummten, welche das 
Seelenheil der tapfern gefallenen Normannen fördern und die 
Dankbarkeit und Demuth der glüdlichen Sieger preifen folls 
ten. Alle diefe aͤuſſern Denkmäler, welche die Schlacht zu’ 
Senlac und die Eroberung Englands, die lebte That der Voͤl⸗ 
ferwanderung — denn das tft ihre Bedeutung in der Weltges 
ſchichte — verberrlichen folten, find nicht mehr. Zerbrödelt 
laͤngſt find die Hohen Mauern in Battle Abbey, und kaum find 
einige Grunbfleine in einem Sumpfe zu erkennen; noch früher 
war ber. Eultus, fir welchen die reiche Stiftung begründet 
war, ‚einem reinern Gottesdienfte gewichen; die Nachlommen 
ber glorreichften Gefchlechter, welche die Sahrhunderte des Lehn- 
weſens verberrlicht haben, find in blutigen Kriegen oder in ber 
Verweichlichung des Friedens ausgeflorben; die hohe Bedeu: - 
‚tung felbft, welche Herzog Wilhelms ebenbürtige Kampfgenofs 
fen in dem erneuerten Reiche und feiner Verfaffung fich er 
tämpft und ihre wirklichen und angepfropften Enkel viele Jahr⸗ 
hunderte hindurch erhalten, auögebildet und den verfchiedenartis 
‚gen Bedürfniffen der Zeiten angebildet haben, ift bereits durch 
eine politifche Reformation tief erſchuͤttert. 

Noch einen Blick haben wir auf das Schlachtfeld von 
Senlac zurüdzuwerfen. Die erflen Leichen - welche man gr: 
kannte zeigten, wie fehr die Mehrzahl Englands begriffen 
hatte, daß die ganze Geſtalt feines bisherigen Dafeins in jenent 
Kampfe zur Entfcheldung ftand. In den Eriegerifchen Rüftuns 
gen erfannte man den Abt von Hyde und zwölf feiner Mönche. 
Eine Leiche aber wurde vergeblich gefucht, ed war bie bes 
nach glaubwürbigen Ausfagen gefallnen Königs. Zwei Möndye 


die Entſtehung dieſer Liften würde für bie Sefchichte diefes welthiftoris 
ſchen Adeld von großem Intereſſe Jein und tft duch das Verzeichniß 
ber Tenants in capite zum Doomsdaybook zwar fehr erleichtert, doch 
um fo weniger äberflüffig geworden, ba auch viele jener Namen ficy 
unter den Afterlehnsieuten der wmmittelbar vom Könige Belchnten 
befinden. Doomsday Tann übrigens in der Regel nur die Namen Derer 
enthalten, welche die Schlacht bei Daftings gegen 20 Jahre überlebten. 
Sehr viele Namen find im Roman de Rou verzeichnet und von Plous 
quet erläutert, welche Stowe a. a. D. gleichfalls ertrahirt. 





De Rn 3 rn 


die Reiche dem Wilhelm Malet, damit fie das Ufer fern 
welches Harold lebend mit fo großem Eifer bewachte?), 
andern fpätern Nachrichten haben die Mönche von 8 
ben Körper des Königs in ihre von Harold geftiftete A 
tragen und bafelbft beflattet ). Kine dunkle Sage erhi 
bei dem Volfe, daß ihr König noch nicht geftorben, f 
vom Schlachtfelde gerettet ſei), in einer Eremitenje 


%) Über biefelbef. Waltham Ms. Cotton. Jul. 6. Mt Hı 
nr. 8776. Turner history of England T. I. p. 64, uf 
die fehr begüterte Eddeva pulchra des Doomesbay hätt. Ellisl 
koͤnnte Recht haben, wenn er biefe Identitaͤt verwirft, aber et 
zeugt uns nicht, wenn er biefe Eddeva für Aldgithe, Harolds Gen 
erflären will. Sollte aber Aldgithe nicht dafelbft (Warwick 
als uxor Griffin vorfommen, da bie Normannen nur ben Graf 
sold, aber keine feiner fpätern Verhältniffe anerkennen? 

2) Guil. Pictav. carmen de bello hasting. Gpäter € 
fleller, wie Wild. von Malmesbury, laffen den Herzog dit 
Harolds feiner Mutter, ohne ihr Geld anzunehmen, zuſtellen. C 
‚ hasting., anftatt Malet zu nennen, fagt: quidam, partim Norn 
et Anglus — compater Heraldi — 

8) Malmesb. u 

4) Zuerft finde ich diefe Sage angebeutet bei Aethelred B 
p. 39%: ‚Aut misere occubuit, aut, ut quidam putant, pecit 


Ruͤckkehr und Untergang der angelſ. Dynaſtie. 557 


Cheſter lange gelebt habe und in der dortigen St. Johannis⸗ 
Firche begraben fei. Es ift und fchwer hierin mehr als bie 
Sehnfuht des unterdrüdten Volks, den König ihrer Nation / 
wieder zu finden, zu erkennen; eine Sehnfucht welche oft in 
ähnlichen Lagen die auffallendften Zäufchungen und ben feſte⸗ 
ften Volksglauben hervorgebracht hat, wobei wir an Sebaftian 
von Portugal, den deutſchen Kaiſer Friedrich u. 2. faum zu 
erinnern brauchen. 

Harold Hiriterließ aus einer frühen, wie es ſcheint, recht⸗ 
maͤßigen Ehe, obgleich der Name ſeiner erſten Gemahlin uns 
nicht aufbehalten iſt, die Soͤhne Godwine, Eadmund und 
Magnus‘), ſowie zwei Toͤchter, Gythe und Gunhilde?). Ein 
vierter Sohn, Ulf, koͤnnte das Kind der Aldgithe geweſen fein >). 
Die Söhne flohen nad) Irland, Gythe zu ihres Waters Vetter 
Spend von Dänemark und. wurde mit Waldemar, Czar .von 
Rußland, des MWfewold Sohn, vermaͤhlt 9, dem fie den Sohn 
Miftiflav- Harold und durch dieſen eine fernere erlauchte Nach⸗ 
ommenſchaft gab. | 


1) Florent. ad a. 1068. 

- 2) Capgrave legenda Ang, 
3) Florent. ad a. 1037. on 
4) Snorro U, 178. Saxo. Wedekinds Noten II Heft 1. 


‘ 


Schöte Abtheilung | 
Bon den innen Zufländen der Angelſahſa 


4 





















E⸗ iſt mit gutem Rechte hergebracht die Geſchichte ber Oil 
‚ ten an die ihrer Regenten zu knuͤpfen. Wir find zu n 
Auffafiungsweife nicht nur durch die Beſchraͤnktheit we 
Vertbeilung des überlieferten Gefchichtöftoffs getrieben, Mu) 
auch durch den unverkennbaren Einfluß, welchen * 
keit des maͤchtigſten Individuums und erſten Reken 
der Monarchie auf deren Schickſale zu allen Zeiten * 
bat, ſowie durch die Wahrſcheinlichkeit, mittels richüg w 
dener Beachtumg ber Zeitgenoffen und Spiegelbilber dr M 
weniger einfeitig zu fein, als wenn bie Gefchichte Kdlg & 
andere, obwohl an fich wichtigere, doch umfern Augat 
wöhnlich ferner flehende Geſtirne der Gefammtentwidiug 
geknüpft würde. Jene Methode zwingt freilich, Det 
wenn Kürze der Darftelung in deren Plane liegt, 2 
fondertee Ergänzung mancher wefentlichen, die Intereſca M 
den Bildungszuftand des Volks betreffenden Gegenfläntt, % 
xen Auswahl biöweilen willkürlich erſcheint, weil fie bel 
oft zufällig erhaltenen und verfiandenen Überlieferungen be 
ift, oder auch durch den jebesmaligen Zuftand der Geſchih 
ſchung veranlafft wird. f 
Die Einficht der Verfaffungen, der Sitten und DEM 
turzuftandes des vornormannifchen Englands muß um 1 WM 
reicher fein, da in dieſem Lande alle Nationalitäten bei MM 
ligen Europas, die Slaven ausgenommen, zufammeit 


ae 


J 


Bon den innern Zuftänden der Angelſachſen. 559 - 


Das celtiſche Volksthum iſt nirgends fo lange lebendig geblies 
ben als in Großbritannien; das germanifche war nur auf bie 
fer Infel vom befiegten Rom nicht geiftig überwältigt und um⸗ 
zebildet worden, hat nirgends fo früh und felbfiändig Früchte 
jetragen und daher fo herrlich fich erhalten; das norbifche iſt 
raftvoll aufgetreten und, wenngleich mit bem fächfifchen ver⸗ 
chmolzen, nicht verloren. Diefen Elementen der Bevölkerung 
md Bildung fieht man zu verfchiebenen Zeiten die des Mittel- 
neerd durch Römer, chriftlichen Klerus und Normannen in 
Itroͤmiſcher, roͤmiſch⸗ Fatholifcher und romaniſcher Form enge 
mgefchloffen, während. im abgefchloffenen woalififchen Gebirge. 
as britifche Geltentbum, auf den Heineren Inſeln ein ſuͤdli⸗ 
yes Island nie ausſtirbt. Und dieſes Wolf, laͤngſt Fein Ur: 
ol? mehr, vermengt mit den Stämmen von ganz Europa, 
um Theil fogar gepfropft auf fchlechtes Pictenthum; und in 
tefer gemifchten Bölfervereinigung Feine herrfchende Urfprache, 
ondern ein Gemengfel, welches erfi feit der Mitte des vier- 
ehnten Jahrhundert eine feftere, aber höchft abgeflachte Form 
annahm: dieſes Volk und diefe Sprache beſaßen nach nur 
wei Jahrhunderten ben größten Dichter welchen das Men: 
chengeſchlecht erkannt hat, bald darauf auch die größte Macht 
velche die Welt fah, und die durch vereinte Stätigkeit und 
Beweglichkeit vollendetfie Verfaffung, deren Grundgedanken 
hren Einfluß auf die Nationen beider Erdhälften vielfach aus⸗ 
geübt haben und für manches, kommende Sahrhundert noch bes 
aupten werben. 

Die wichtigften Elemente ber Sprache wie des übrigen 
Rechtö= und Eultur= Zuflandes Englands find aber unleugbar 
ei den Angelfachien zu fuchen, und auf diefe wird daher, bie 
reite Baſis bes. germanifchen Volksthums ſowie die wefentli- 
ben Einflüffe anderer Beftandtheile und Eigenthümlichkeiten 
urz anbeutend, unfer Burger Umriß fich beſchraͤnken müffen. 

Über eine Werfchiebenheit des anglifchen und fdchfifchen 
Dialeftö ift, bei dem Mangel erweislich alter Handfchriften, - 
iel feftfegen zu wollen, fehr mislich. Die von ben Angeln 


1) Bgl. oben Cap. II. S. 77. Ein altes Zeugniß für: ben Unter⸗ 
hied findet ſich bei dem Angeln Beda (1. II. e. 5.): Caelin rex occi- 


[4 


500 Sechs te Abtheilung. 


zuerſt bewohnten Provinzen waren vor Hengiſt und 
Ankunft vielleicht fhon von einem deutſchen Volksſtamm 
- bewohnt, unfere Handfchriften dagegen flammen aus: einer 
wo Dänen und Norweger jene Landftriche befaßen; am m 
zeigt aber, obgleich riefen von den alten Nachrichten ih 
Anfiedlung ber Germanen in England nicht genannt wm 
deren Sprache: fih ber angelfächfifchen verwandt Die | 
fche Zunge hat weder buch den in Britannien zurüdge 
nen Gebrauch noch durch die Kirchen: und Buͤcher⸗GSp 
bedeutenden Einfluß auf die angelfächfifche gehabt; wohl 
finden fich viele germanifche Wörter im Walifiichen m 
welche großentheild. angelfächfifcher Nachbarfchaft, Bildung 
Herrfchaft ihe Bürgerrecht verdanken, wenngleich Ein 
auf eine aͤltere, doch nur unbeutlich erfennbare Berm 
ſchaft der germanifchen und celtifchen Stämme hinweiſen 
Bon dem angelfächfifchen Sprachfchage ift etwa nur end 
tel als dem heutigen Englifch veraltet zu betrachten; db 
manifche- Element ift großentheild fo entbehrlich, daß ak 
danterei des vorigen Jahrhunderts unter vier Bora Ü 
eines von lateinifchem Urfprung einfchwärzen konnte). 
Dieſe kurzen Andeutungen über die Sprache geheim‘ 
einen durch vielfache Analogie bewährten Schluß. auf de 
dehnung und die Erhaltung. der: angelfächfifchen Rechtiuh 
Erfcheint es gleich folgerecht und geftatfet. glei 
Wahrnehmung. derfelben Inftitute.bei allen germanifcen 
ſtaͤmmen auf ein hohes Alter derfelben in der heidniſche 
und ehe wir den Namen verfelben Eennen Lernen, zu M 
fo möchten wir und boch hier nicht erlauben an be 
Baſis der Sprache unmittelbar die nicht minder al 
bed Privatrecht zu reihen. Es -fcheint unſerm Zwede 
meſſener zuvoͤrderſt die Schilderung einiger weia 
ſtaatsrechtlichen Verhältniffe an. einander zu Inüpfen, % 
in den größern hiftorifchen Erfcheinungen oder. der beh 
angelfächfifchen Eigenthümlichfeit und entgegengetreten 


dentalium Saxonum, qui lingua eorum Ceawlin vocabater. I 
freds des Weſtſachſen Überfegung : Ceawlin, i 
1) Turner U, 440 sg. Macintosh history of Eagiet 


“ * 


Von den innern Zuſtaͤnden ber Angelſachſen. 561. 


Hierauf wird von den ben Privatmann näher angehenden 
Berhältniffen leichter und verſtandlicher geſprochen werden 
koͤnnen. 

Staatsrechtliche Verhaͤltniſſe. 

Es ſcheint kein germaniſcher Koͤnig unter den Staͤmmen 
fich befunden zu haben, welche in Britannien ſich niederlieſſen. 
Bei den Sachfen und Ftriefen auf dem Zeftlande finden wir 
felbft in fpätern Jahrhunderten noch einen König‘), in den 
alten, feften Sigen der Hadeler, Wurften, Dithmarfchen, Oſt⸗ 
und Nord: Friefen, Stormarn, Holften wurde Fein Koͤnigthum 
auf den Freiftant gepfropft. Das Heer neuer Eindringlinge 
aber bedurfte des gemeinfamen Oberbefehls, welcher die ver - 
einzelten Kräfte gegen die Eingebomen zuſammenhielt. Die 
Anführer derfelben werden ſtets Herzoge (heretogas) oder 
Ealdormanen genannt, und felbft Alla von Suſſer, welcer 
einem Königthume vermuthlich auch die Bretwaldafchaft über 
Bie übrigen verbundenen und unterworfenen Eleinen Staaten 
werbankte, verwandelte erſt auf dem Boden des eroberten ans 
bes bie Heeresleitung über feine Gefährten ober fein Gefinde 
in die feiner germanifchen Heimat entlehnte, ' hochdeheiligte 
Benennung des Sohnes ded Volks, in bortiger Landesfprache 
wyning, (king, Koͤnig)). Der vom Volke durch die Kür 


1) Beda 1. V. c. 11. Non enim habent regem antiqui Saxpnes, 
med satrapas plurimos suae genti praepositos, qui ingruente belli ar- 
=iculo mittunt aequaliter sortes, et quemcungue sors estenderit, hunc 
tempore belli ducem! omnes seguuntur, huic obtemperant; peracto 
zutem bello rursum aequalis potentiae omnes fiunt satrapae. Pals 
grapes (I, 111.) Erzählung von den zwölf Ealdormanen ber Eachfen, 
Deren einer zum Heerkoͤnige gewählt fei, beruht auf dem Miöverftande 
eines überfhägten Chroniften, des Botho. (chron. picturatum apud 
Leibnitz scrr. rer. brunsvic, III, 292.) 

2) J. Allen inquiry into the rise et growth of the royal pre- | 
rogative in-England. 1830. 8. Rote H. Ein anderer Name ber nors 
mannifchen Könige findet fh bei den Burgundern: hendinos (Amm. 
Marcell, XXVIII, 5.), welchen fhon 3. Grimm mit dem kindins _ 
des Ulfilas zufammenftellt. Vielleicht findet jener feine"Erklärung in ber 
angelfähfiihen hyndene, .einer freiwilligen Vereinigung zum Schutze 
gegen Gewalt und vor Gericht, welche bem byndeneman oder dem Be: 
Hagten fich hinterſtellt. , 

Lappenberg’3 Geſchichte Englands I. | 36 





Bon den innern Zuſtaͤnden ber Angelſachſen. 563 


lichkeit befeſtigt; die Titel Baſileus, Primicerius, Flavius N), 
Auguſtus u. a. bezeugen die frühe Übertragung fremder, we 
nig verftandener Begriffe; der Geift Karlö des Großen wirkte 
im Angelfachfen Ecgbert und deſſen Nachkommen fort, und der 
Friegerifche Geift durch welchen’ Weſſex erobert wurde, brachte den 
Gehorfam ded Kriegerd in die Berathungen friedlicher Tage. 
Die Ernennung der Ealdormanen, der erften Diſtrictsbeam⸗ 
'ten, war dem Könige bereits anheimgefallen, und wir ers 
bliden ihn bier, wie in. vielen unfergeorbneten Angelegenheiten, 
als den Bevollmächtigten des Volks. _ 
Die Stellung des angelfähhfiichen Königs wird befonders 
Deutlich dadurch bezeichnet, daß für denfelben ein eigenthuͤmli⸗ 
ches Wergeld feftgefegt ift, deffen die vorhandenen Geſetze an⸗ 
Derer germaniſcher Stämme nicht mehr gedenken. Von dieſem 
Wergelde erhielten die eine Haͤlfte „die Werẽe“, die Magen: oder 
Sippſchaft, die andre „die Cynebote“, dad Volk, urſpruͤnglich 
wohl nur die Gefolgefchaft des Königs. In Mercien war die 
einfache Were des Königs. 30,000 Sceatten, gleich 7200 Schils 
lingen oder 120 Pfunden, oder gleich der von ſechs Thanen 
„der 36 Ceorlen?); ein Verhältniß welches auch dem gericht 
lichen Werthe der Eide diefer Stände entfpriht. Das ganze 
Wergeld betrug alfo 240 Pfund. Die Were des mercifchen. 
AÄthelings ift und nicht berichtet. Im nördlichen England war 
aber die einfache Were des Königs Diefelbe als die des Äthe⸗ 
lings und des Erzbiſchoſs, nämlich 15,000 Thrymſen ?), wobei 
fih ein andres DVerhältniß zu: den Wergelvern des Thanes 
(2000) und des Ceorles (266 Thrymfen) ergibt. Das ganze 
Wergeld für Verwandte und Volf betrug bier alfo 375 Pfund 
Silber. Bei den Weſtſachſen wird des Wergeldes des Könige 
gleichfalls gedacht, doch fcheint Diefes nur die für die Verwandten 
befielben beftimmte Were zu bedeuten; in König Alfreds Zeis 


1) Diefee Titel findet fich bei vielen andern germanifchen Sürften; 
f. Philipps deutſche Geſchichte I, 479. 
2) Leg. Aethelst. bei Wilkins p. 64. Das angelfächfifche Hund 
" enthiele wie noch heute 28,800, der Schilling aber nur vier Pfenninge. 
Leg. Guillelmi I. $..13. solt Engleis, co est quer deners, 
8) Tremissis, zu drei Pfenningen, ba 266 thrymaas -—— 200 scill. 
Bom Wergelde bei Wilkins S. 71. Schmid 212. 
36* 





KV BAT EG u. vis JsAylei QBUYWYUEIELLE VIE Ay 
angefehnen Gefchlechtern des Landes oder des Ausland 
gehören. Des Könige Gemahlin wurde mit ihm, ode‘ 
der König fpäter fich” verehelichte, befonders ?) gemeiht un 
kroͤnt. Gin Vergehn gegen die ihren Gerichtshöfen gebih 
Achtung (overseunesse) wurde ebenfo ſchwer beftraft « 
den Königlichen Gerichten, während die Buße in den Gm 
des Bifchofs oder Grafen um die Hälfte geringer war‘). 
feierlichen Berfammlungen faß fie auf einem Xhrm ı 
dem Könige, und erlangte durch ihre Gegenwart hie N 
bei den Feſten einen bedeutenden Einfluß, auffer dem, wi 
fhon die Verwaltung des eignen und des durch die Fe 
gabe feftgefesten Vermögens, ſowie der abgefonderte wi 
und geiftliche Hofftaat, welcher dem des Königs Ahnlid, } 
Heiner war, ihr verliehen. Die wichtige Rolle welche 
ginnen in der angelfächfifchen Gefchichte fpielen, tritt Ihe 
dem Überblide der wichtigften Begebenheiten in derſelhen 
vor; fie erfchiene um Vieles bedeutender, wenn es vergömt 
in mande Provinzialgefchichte und die der angefehnen | 
chen Stiftungen einzugehn ). Eine noch zu Charles L} 


1) Sofcheint ung Aelfred. leg. 4. zu erflären. Vgl. letz 
rior. tit. 69. c. 1. Leg. Alamann. tit. 26. 


Bon ben innern Zufländen der Angelſachſen. 565 


Anſpruch genommene Landesabgabe an die Königin (aurum 
. reginae, gersuma'), donum) fcheint, ſoweit ed mir vers 
gönnt ift deren Spur zu verfolgen, nur in den Königreichen 
Mercien und Oftanglien erhoben. Zu Weller .war bie Autos 
ritaͤt der Königin, in Folge ber Verbrechen der Eadburge, 
Brithrics Gemahlin, längere Zeit nicht ‚ganz in dem alten Um⸗ 
fange anerkannt; doch war nach einigen Menfchenaltern bie 
frühere Anficht wieberfergefielt. 

Den König umgab' im Frieden feine -Dienftmannfchaft, in 
welcher ſich bei den Angelfachfen das germanifche Gefolge noch 
lange zu erkennen gibt (geferaednesse, gefere-scipe, fol- 
goth), wie auf dem Eroberungszuge den ‚Herzog fein Gefolge 
umtingt hatte. Den Rang derfelben zu einander zu beſtim⸗ 
men, hing vom Entfchluffe, des Fürften ab?). Die großen 
Hofämter reichen bis zu den Alteflen Zeiten der chriftlich = ger: 
manifchen Königreiche hinauf. Der Kammerer (bur-thegn’’), 
cubicularius) wurde auch Hortbewahrer oder Schagmeilter 
des Koͤnigs (hordera) genannt. Fuͤr die Kleider des Königs 
Üthelved finden wir einen befondern Beamten, hraegel-thegn. 
Den Truchſeß (disc-thegn) *) erblidt man häufig in der Nähe 
des Könige. Der Schenke (pincerna) wird früh angeführt °),; 
doch kennen wir feinen angelfächfifhen Namen nicht, fowie 


I) Diefes Wort bezeichnet eine Buße, welche neben ber orbentlichen 
noch bezahlt ward, zur völligen Erledigung aller Anfprüce, 3. B. was 
für den Mord einer Frau mehr gebüßt warb, wenn fie ſchwanger war, 
©. die Stellen bei Ducange. Im bdänifchen Recht heifft fie görsum. 
Auffallend erfcheint, daß in dem älteften Stadtrechte von Schleſwig 
Cap. 3. fie auch in einer Mark Golbes befteht. J 

2) Gradus quin etiam ipse comitatus habet, iudicio eius, quem 
sectantur; magnaque et comitum aemulatio, quibus primus apud prin- 
cipem suum locus, Tacit. German. c, 13. 

3) Ion bur, jest bower, Laube, Kammer. Schon in ber Tugend: ' 
zeit des Biſchofs Wilfrid wird genannt: Cudda senator et cubicula- 
r̃us regis Oswin. Malmesb. de gestis pontificum 1. III. Doch ift. 
diefes wohl nur fpätere Ausfhmädung, da Wilhelms Quelle, Ed: 
dius (vita Wilfridi co. 2.) von Cudda nur fagt: unus ex sodali- 
bus regis. 

4) Unter König Äthelred. Wilkins concil. I, 284. 


5) Zuerſt ums 3.741 bei Äthelbert II. von Kent. Monast. I, 458. 


566 Sechste Abtheilung. 


uͤberhaupt die große Verſchiedenheit der Benennungen dieſer 
Amter bei den germaniſchen Staͤmmen der Vermuthung, daß 
ſie aus der heidniſchen Zeit herſtammen und damals religioſe 
Bedeutung gehabt, keineswegs guͤnſtig iſt. Wenn wir irgendwo 
in den germaniſchen Staatseinrichtungen eine Nachbildung ri 
mifcher Sitten vermuthen bürfen, fo ift diefes gewiß noch mehr 
in dem Hofleben der Kal, und wir wiffen, wie viele aͤhnliche 
Beamten für den Kaifer und Alles was feine geheiligte Nähe 
berührte, die Barbaren zur beliebigen Auswahl und Nachah 
mung vorfanden. Bei dem Marſchall führt felbft Der gewoͤhn⸗ 
liche angelfächfifche Name, stallere, auf römifchen Urfprung; 
felten wird er cyninges horsthegn genannt. Der Staller 
kommen oft mehrere zugleich vor, welche zugleich in verfchiebnen 
Diftricten ald Bannerherren (vexilliferi) erfcheinen ). De 
erfte derfelben nahm den erflen Rang in dem Witenagemote E 
wie auf dem Felde ein, und ed. möchte Daher noch zweifelhaft 
bleiben, ob der ſehr auögezeichnete Stallere nur ein Hofamt 
oder nicht vielmehr zugleih ein älteres Heeres- oder Neid 
Amt des Bannerherrn bekleidete. Solche bedeutende Männe 
waren in Weffer AÄdelhun (752), Thored, Osgod Clappe 
Ein Referendarius findet fih fihon in den. Urkunden König. 
Athelberts von Kent genannt; vermuthlic dieſelbe Würde 
weldhe feit Eadward dem Altern die des Kanzlers war”). 
Doc findet fih) auch fchon eine Anzahl weniger bedeutender 
Anmter in dem Dienfte des Königs, wie das des Hausmeiets, 
des Haushofmeifterd (dispensator), des Koches (carnifex) 
und andre’). 

Ein andrer Geburt3adel ald der welcher unmittelbar von 
bem Heer= oder See= Könige abftammt, ift in den angelfäh: 
ſchen Staaten nicht bemerkbar. Doch geftaltete fich gleich 
‚nah der fächfifhen Eroberung, ſowie in andern germanifchen 
Staaten, ein Dienfts und Lehn= Adel, welcher anfänglich duch 
Teine ununterbrochene Erbfolge gefichert war, aber den Kindern 


) Der Name findet ſich auch bei den Norbfriefen. 
| 2) Bon ben Hofämtern f. Philipps angelſaͤchſ. Rechtsgeſch. 6.23. 
Deffen deutſche Gefchichte I, 441. Palgrave Il, 345. 
3) Florent ad a. 1040. Rex — Maiorem domus, dispensato- 
rem, suum carnificem et alios magnae dignitatis viros. 





y 


Bon den intern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 567 


bes Miniſterialen, gleich den Athelingen, einen ber. Stellung 

des Vaters entfprechenden hoͤhern Rang verlieh‘). Die pas 
triarchalifche Verfaſſung, in welcher die Älteften die Angelegens 
heiten des Stammes einft in friedlicher Zeit gelenft hatten, iſt 
bei den Angelfachfen noch in ber Übertragung der Amtönamen 
zu erfennen. - Der Xtefte war gleichbedeutend mit dem Vor⸗ 
nehmften?), und Ealdorman (senior, senator, dux, princeps, 
satrapa, Doc comes faum vor dem eilften Jahrhunderte) 
war daher die Benennung der verfchiebenften Vorgefegten, vors 
zugsweiſe jedoch des der größern Landespiftricte. Der Rang 
bes ealdor (zufammengezogen eorl, earl) blieb nächft 
dem Könige der höchfte, doch erbliden wir ihn anfänglich nur 
auf des Ealdormanes Frau und die jenem gleichgeftellten geift- 
- lichen Würden ausgedehnt ). Der Ritel eorl findet fi in 
früherer Zeit nur in den Geſetzen des Könige von Kent*), 
allgemeiner erſt zur Zeit der Dänen, und mag daher altjüti: 
ſchen Urfprunges in England und zur Unterfcheidung von den 

-fpäter entflandenen Ältermannen der neuen Städte und andrer 
Gilden beibehalten fein. Dad Amt ded mit dem Schwerte 
feierlich umgürteten Ealdormanes war, den ihm untergebnen 
Diſtrict im Kriege zu vertheidigen und anzuführen, im Frieden 
dafelbft zu richten und zu ſchlichten und die Gefammtintereffen 
des Volks wie die des Königs wahrzunehmen. Sowie ber - 
Atheling dem Erzbifchofe, fo fleht der Ealdorman in allen 
Rangverhältniffen gemwöhnlih dem Bifchofe gleih “). Zu Als 
freds Zeiten waren die Ämter der Ealdormanen nicht lebens» 
laͤnglich, geichweige erblich, da er die Seinigen erinnerte, daß 
fie Sott und ihm ihr Amt und ihre Würde verdankten °). 
Doc konnte dad Amt nicht ohne Entfcheidung der Wittigften 
gervonnen werben, wie befonderö aus den Verhandlungen uns 


1) Insignis nobilitas aut magna patrum merita principis dignatio- 
nem etism adolescentulis adsignat. Tacit. German. c. 13. 

2) Eorla ealdor wird von bem jugendlichen Könige Eabwarb ges 
fagt. Chron. saxon. ad a. 975, 

8) Leg. Aethelberti art. 74. Leg. Hlotharti art. 1. 

4) Leg. Aethelberti art. 13. 14. 

5) Vgl. Heywooda. a. D. | 

6) Asser. de rebus gestis Aelfredi. 





Sechste Abtheiluns. 


ter Eadward dem Bekenner hervorgeht. Selbſt in Godwini 
Familie laͤſſt ſich eine erbliche Würde nicht erkennen, fo wenig 
wie in Northumberland bei Siwards Nachkommen. Diq 
wurde das Amt des Vaters dem befaͤhigten, durch die Erſch 


ung feiner juͤngern Jahre ſchon gebildeten Sohne in da 


ſpaͤtern Jahrhunderten der angelſaͤchſiſchen Dynaſtie haͤufig ver 
liehen, und die Grafſchaft Cheſter bietet, falls ein derzeii⸗ 
ger Stammbaum ausnahmsweiſe aͤcht fein Tann, die Ausnahm 


einer während dreier Sahrhunderte vor der Eroberung, band | 


die fchwierigen Verhältniffe der bortigen Mark vielleicht ke 
gründeten, erblich erfcheinenden Grafihaft dar. Den gehäufe 


und frembartigen Titeln ihrer Könige nachbildend, Tiebten auf 


die Ealdormanen bdiefen leeren Prunk nicht weniger, wie bay 


ber Gefchichtfchreiber Äthelweard fich nennt: Patricius Consd 


- Fabius Quaestor Aethelwardus, 


Die Stellung des Ealdormanes hatte fich im ra i 


des Grafen auf dem Feſtlande in Pflichten und Rechten 


gleichgeſtellt; ſelbſt die Einkünfte deſſelben beſtanden hier ge 
dort, auſſer den hoͤhern Wergeldern und Bußen, in den Bde ' 
reien bed Grafenamtes und dem Drittel der von Bere 

. ten, Märkten und andern Einkünften des Königs ala 


Gelder ‘). 


Nach ältefter beutfcher Sitte fiel in England bie pen | 


Könige dem Ealdormane fowie andern Kriegsgefährten ver 
bene Rüftung?), Heergewand oder Heergemebde (hererack 
heregeata, fpäter’heriot) ?), nach defien Tode an jenen ge 


ruͤck)), oder ed wurde fpäter eine genau beftimmte Abgift de | 
1) Textus Roffensis p.-45. Heywood 1l.1.100. Ellis LL e; 


2) Exigunt principis sui liberalitate illum bellatorem equum (# 
terroß), illaın cruentam vietricemque frameam. Taciti German, c 


8) über bie Etymologie f. Grimms Redtsalterthämer Y-) 
und 567. 


4) Den Beweis für die von Philipps (angelfäcf. Rehtägk - 


9.316 a.) vermuthete Rüdgabe bes Heergewandes finde ich in der ſte 
bie Angelfachfen bebeutungsvollen lex Anglior. tit. VI. art. 5. M 
quemcunque hereditas terrae pervenerit, ad illum vestis. beilie, u 
est lorica et ultio proximi et solutio leudis debet pertinert. Mies 
erficht naͤmlich, daß hier, wie in leg. Canuti art, 70, 71., nicht Ws 
ben Rechten bes Erben, fondern von ben Pflichten und Zahlungen, wor 





Fe u Fa : Bus — a od — vu 


% 


. Bon den innern Zuftänden ber Angelfachfen. 569 


für aus dem Nachlaffe oder von den Erben geleiftet, welche für dem 
Ealdornian dur) den König Cnut auf vier gefattelte und ebenfo viel 
ungefattelte Rofje, vier Helme und Panzer, acht Speere und Schilde, 
nebft 200: Mancus Goldes beftimmt war. Bei andern germa= 
nifhen Stämmen war dagegen das Heergewebde: fchon früher 
der Antheil deffen geworden, welcher das Land, den Kriegd> 
lohn des. Vorfahren, erbte; und auch in England wurbe fpäter 
die Abfindung beim Tode des leuten Beſi itzers mit voͤlliger 
Verwirrung der urſpruͤnglichen Begriffe, in eine Abgabe bei 


. dem Antritte des Nachfolgerd in eim Eigentbum, deſſen Bes 


geiff fogar jünger ift alö der ded Heergeweddes verwandelt. . 
Die übrige -Gefölgefchaft (comites) der angelfächfifchen 
Heerführer finden wir in dem gesith') oder Gefinde, häufis 
ger unter dem allgemeinen Namen der Thegen?) (than, thai- 
nus), Dienfimannen (ministeriales, servientes), welcher auch 
die Eoldörmanen umfaffte, wieder. Man darf diefe Claſſe nicht 
zum urfprünglichen Geburtdabel rechnen, da fie freilich durch 
höheres. Wergeld und andere mit diefem. nach germanifchen b 
Rechtöbegriffen genau verknüpfte Vorrechte vor den ſchlechthin 
Freien ausgezeichnet waren, .aber erſt allmälig als erblich bes 
trachtet find. In diefem Dienftadel, welcher die Freiheit des 
Geſchlechtes nicht. nur nicht .beeinträchtigte fondern voraugfehte, 
waren. die unmittelbaren Thane des Königs die ausgezeichnetz 
flen, deren Vertrautheit mit demfelben oft. ald Verwandtfchaft 
bezeichnet wird‘). In Weffer wie in Mercien war das Wers 


dieſer, felbft wenn fein Erbgut ſchon als Allodium betrachtet wurde, 
übernehmen muffte, bie Rede ift. Kein Allodium aber tft mehr als ver: 
erbbares und verkäuftiches Eigenthum und fo frei, daß es nicht zum 
Heerdienſte und zu Landesabgaben verpflichtet wäre, woher wir naments 
lich in Kent den Allodiarius zum Heergewedde verpflichtet finden. Vgl. 
Kelham doomesday p. 25% Ellis a. a. O. 54. 

1) Leg. Inae, 28. - 

2) Bon-thegian, bienen, von welcher Erklärung ich um fo weniger 
abweichen möchte, da daſſelbe Wort fi auch im Islaͤndiſchen fuͤr Un⸗ 
terthan findet. S. Gragas. 

3) Vgl. leg. Canuti 69. ÄAhnlich ſagen auch wir noch (Raths-⸗) 
Verwandte fuͤr Genoſſen, und aͤhnlich ſind das Inſtitut der Vetterſchaften, 
der Ausdruck Kinder für Dienende (Schiffskinder) u. a. aus der übertras 
gung dei Begriffes der Samitie auf bürgerliche Verhältniffe zu erklaͤren. 


\ 


570 | Sechste Abtheilung. 


gelb eines fotchen, welcher auch twelfhyndumman genamt f 
wurde, fo groß als das von ſechs freien Kerlen (twyhindu- | 
man)'), nämlich) 1200 Scilinge. Die untergeordneten und | 


häufig mittelbaren Thane?) (laessa, medema, mediocres) ge 
börten in eine untere Glaffe und waren dem Koͤnigsthane nicht 
gleichberechtiget. Zu einem Reinigungseide bedurfte jener zwölf 


feiner Standeögenoffen, eine Anzahl welche auf micht gering | 


Verbreitung derfelben fchlieffen läfft, der anbre elf der Seine 


gen und einen Königöthan. Das Heergewebde beider Claſſu 


von Thanen war verfchieben, und felbft da8 der Fleinen Than 
war in Wefler abwetrchend von dem ber Dänen nicht nım, 
fondern auch von denen in Mercien und Oſtanglien; welde 
Umftand allein fchon gegen bie hergebrachte Meinung Zweifd 
hätte erregen müffen, daß das Heergewedde in England durch 
König Enut. erft eingeführt fei. Die Würbe des Thanes war mit 
einem beflimmten Landbefige verknüpft. Der Eleine Than de 


faß fünf Hyden Landes’); ber Ealborman, deſſen Heergewedde 


achtmal größer war, vierzig Hyden*). Stammt auch bie 
Grundſatz fehon aus dem alten Krieger und Wander⸗Leben da 

Germanen, wo die Friegerifche Gefolgeordnung den Antheila 
der Beute und dem eroberten Lande beflimmte‘), To ift as 
gleichfalls, welcher nach geficherten Niederlaſſungen durch die 
mit dem Frieden erwecte Cultur, fowie bie mit der vermehrt 
angelfächfifchen Volkszahl erfoberlich geworbene und von m 


1) Die Wörter twy- six - twelf - hyndum (nit hyndes) man 
find noch nicht genügend erklärt. Sollten biefe Ausdrücke, welde 


ſich bei andern germanifchen Stämmen nicht finden, fich nicht auf bie 


Beit der Niederlaffung der Angelfachfen in Britannien beziehen? Ich 
möchte fie erklaͤren: Männer, welche je nad) ihrem Range 2, 6, 12 bri⸗ 
tiſche Einwohner zu Hinterfaffen erhalten haben. Price zu Inc Ge 
fegen 54. leitet hynde fowie hynden fehr ungenuͤgend von hund ab, weis 
ches urfprünglich zehn bedeute. | 
2) Gradus quin etiam et ipse comitatus habet. Tacit. Ger- 
man. c. 13. | 
3) Von der zweifelhaften Größe der hyd, byde (womit ‚Haut, Hütte 
und bie ſaͤchſiſche Hude zufammenhangen) f. Ellis a. a. O. I, 145. 
4) Histor, eliens. c, 40, 


5) Agris, quos inter se secundum dignationem partiuntur. Ta- | 


cit, l. l. 26, Y 


‘ 





1 


Fr PP 3 en u u AA A u a. 


a Due 4A eu A A A BD 4 


Bon den innern Zuftänden ber Angelfahfen. 574 


chriftlichen Klerus begünftigte Erblichkeit des Landbefiged den 
Dienftadel allmälig zu einem Geburtsadel umfchuf, auf welchen 
die nicht verzichten wollten, welde in den geifllichen Stand 
eingetreten waren‘). So fehr war des neuen Inſtitutes 
Herkunft bald midverflanden, daß nicht die Friegerifche Ehre, 
fondern deren äufferer Lohn für die Grundlage deffelben anges 
fehn wurde und der Befiß von fünf Hyden, welche zur Lands 
wehr (utfare) ihren Mann ftellten (jedoch im nördlichen Eng⸗ 
land nur wenn er drei Generationen hindurch ‚erhalten war), den 
Freien aus ber niedern Claſſe der Ceorle zum Thanen erhob. 
Selbſt der Waliſer konnte in Meer durch jenen Srundbefiß 
den Rang ded Sirhyndummannes erwerben?). Doch wurde 
jener Grundgedanfe noch ald Ausnahme zugelaffen; der Ceorl 
welcher Helm, Panzer und ein mit Gold auögelegted Schwert 
befaß, erhielt auch ohne das fonft erfoderliche Landeigenthum. 
den Rang des Sithcundmannes. Der Kaufmann welcher zu 
Dreien Malen mit eignen Mitteln über Meer gefahren war, 
ward zur Thanfchaft berechtigt gehalten; der wohlhabende, von ' 
feinem Lehnsherrn empfohlene, dem Könige bekannte mittlere 
Than rüdte zu des Königs unmittelbarem Thane hinauf, fowie . 
aud ein um den König verdienter Than zum Eorle erhoben 
werben konnte. | 

Der Than blieb ſtets zum Kriegsdienſte verpflichtet und 
muſſte, wie auch das Heergewedde folgern laͤſſt, wenigſtens 
ſelbſt zu Pferde erſcheinen. Beſondre Abgaben an den Koͤnig 
ſcheinen erſt ſpaͤter eingetreten zu ſein. Es iſt kein Grund 
vorhanden um zu bezweifeln ’), daß jeder Than das Recht 
Hatte, in dem Witenagemote, nicht nur feiner Graffchaft, ſon⸗ 
Dern auch dem des ganzen Reiches,“ fobald ‘von allgemein. 
wichtigen Gegenfländen gehandelt wurde, zu erfcheinen und zu 
flimmen, ohne jedoch zur perfönlichen Erfcheinung verpflichtet 
zu fein, da der Ausbleibende ſich dem Befchluffe der Anweſen⸗ 


1) Leg. Henrici I, 68. 
2) Leg. Inae 24, 


8) Wenn Heymwood a. a. D. ©. 191 es chut, ſo iſt er durch 
die eben angefuͤhrte und von ihm falſch erklaͤrte histor. eliens. c. 40. 
irre geleitet. 








barkeit *), während bie untern Glaffen durch wechfelfeitige 
ſchaften und auf biefelben begründete Nechtöpflege ab 
wurden. Die angelfächfijhen Iihane waren alfo volkı 
die Vorgänger der normannifchen Barone. 

Der Titel des Thanes fcheint den nur in ben älter 
gelfächfifchen Gefegen vorfommenden des Gefith verdrin 
haben ?), (diefer Name mag die urſpruͤnglichen Gi 
‚oder Genoſſen .[gefera, geneat] des Königs bejeihh 
welche dad. dreifache Wergeld der Freien werth waren um 
ber auffer dem Namen sithcundmen auch den ber wnl 
. dummen führten. Diefes Berhältniß des Wergelda 8. 
welche wir in andern, den angelfächfifchen ndcfme 
altgermaniſchen Geſetzen zwifchen ben Adeligen und bm- 
finden, und wir erkennen hier, wie ſchon früh, bei den 
auffehrauben des Dienftadels, die Rangordnung der & 
bürger fich änderte, jener an die Stelle der eigentlichen 
linge trat und aus dem Dienftadel felbft noch eine md 
günftigte Claſſe über dem alten Gefinde hervortrat. Rit 
Gefithes befaßen Land; fie waren -alfo auch dadurd in’ 
bung auf ihre Rechte unter fich verfchieden °). Auf 
Titel, holda, welcher häufig in den nordenglifchen Ur 
vorkommt, erfcheint nicht langer zur Zeit ber normant 


Deurleauecma M"TL. »1.1 PIE PTR POP AR 4 mut. So... 2. PR | 


Bon den innern Zuftänden der Angelſachſen. 673 


Ses bebeuten, und entfpricht vermuthlich dem puer regis der 
35 galfranten '). 
> Zu den niedern Thanen pflegt man noch die rachenistri, 
Sadenights (Reitknechte) zu zählen, welche in den an Wales 
Angrenenben Marken anfäffig waren ?). | 
3 te Jahl der Thane war in ben meiften Grafſchaften 
ehr — Da ihre Wuͤrde an die Groͤße des Grundeigen⸗ 
shumes unzertrennlich gebunden war, fo konnte nur Ein Erbe 
Beides erhalten, und die übrigen Verwandten blieben in dem 
Stande der unbevorrechteten Freien, bis Kriegöglüd, Hofdienft 
Byder andres günfliges Gefchid fie emporhob. Wenn wir die 
wzhane noch nicht ‘von den Freien ausſchlieſſen dürfen, fo muͤſ⸗ 
en mir andrerſeits in der untergeordneten Mehrzahl der 
Detztern fo wenig weder ſtets freies Eigenthum noch unbedingte 
perſoͤnliche Freiheit erwarten. Der Freie ſteht hier dem adeli⸗ 
gen oder Krieger Gefchlechte, dort den Unfreien oder Sclaven 
; gegenüber; Reichthum und Armuth, die Befchäftigung mit dem 
Schotte, dem Pfluge, der Wagfchaale bilden zwifchen ihnen 
wfelbft fehr weite, unzählige Verfchiebenheiten. Die meiften 
Leute welche Freie genannt werben, hatten ſich unter ben 
>&Scuß (commendatio) eines angefehnen, geiftlichen oder welt: 
Tihen „Hlafords” ’) oder Lords geſtellt. Ohne Mitwiſſen des 
Ealdormanes der Shire durfte der Lehnsmann dem Dienſte 
ſeines Hlaford nicht entfagen, aus deſſen Bold-Getaele *) 
ſcheiden und Schutz in einer andern Shire ſuchen. Der allge⸗ 
meine Name, unter welchem die aͤltern angelſächſi iſchen Geſetze die 


1) Lex salica tit. XIV, 6. 1. VI, 2. 
2) Heywood p. 266. Ellis I, 72. 

3) Gewöhnlich erklärt von hlaf Brot und ord Urfprung, daher 
Brothere — biefem entfpriht hlaf-eata (leg. Aethelberti 25.) und 
erinnert an alle Brotetenbe, bie ganze Gemeine der Wurfifriefen (Urkunde 
v. 3. 1399 hei Schuback de iure litoris). Doch möchte ich es eher 
wie das ſchwediſche lavard, gleich ewart, durch custos legum erflären. 

4) Leg. Aelfred. 87. Vermuthlich vom nordifchen bel, boel Grund: 
ftüd, mansus, und getaele, Zahl, Lifte (wie im Tien manne taele, 
Leg. Eadwardi c. 20.); alfo Rolle ber Sutshinterfaffen. Die Erklärung 
von bold findet ihre Beftätigung in ber vom Weichbilde, dänifch wich- 
bolde, wichbelde, das Grundeigentum der Wyfs oder der Stadt. 





viduen, welche größtentheild in den verfchiedenartigften Ba 
niffen zu den Privatperfonen, denen fie ſich ‚untergeordnet 
ten, fanden. Dem Gegenfage und Reime mit eorl | 
wir vielleicht vorzüglich das häufige Vorkommen dieſes ® 
in den Geſetzen und Rechtsfragmenten zuzufchreiben. € 
unter Cnut hatte diefer Ausdrud im Leben die verächtlcht 
benbedeutung befommen, welche fi noch in dem km 
churl erhalten bat, wie der Beiname Eadwigs Geo | 
zeigt. Gewöhnlich wird dieſer Name durch villanus, vi 
wiedergegeben und finden wir unter demfelben mehr #1 
Fünftel der gegen 275,000 betragenden (Eigenthume, | 
nach der normannifchen Eroberung im Doomesday teil 
Eine andre, der Zahl nach derfelben zunddhftlommert 
zeichnung ift die der borderers '), der geburi, der ee 
umd andrer mehr auf beflimmte ländliche Beſchaͤftigunge 
gewiefener Leute, welche zu dem vielfachften Dienften md 
giften verpflichtet waren), Dem Heergewedde ber h 
Claſſe entiprechend warb bei ihrem Tode von den Erhn 
Beſthaupt oder, wenn fie auf jährliche Rente (gafol) g 
hatten, eines Jahres Zins entrichtet. Die bunte Mami 
tigkeit der Verhältnifje dieſer Leute erklärt fich theils am 
Stammverfchiebenheit unter den Angeljachfen, theild abe 


Von den innern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 575 


Hören auch noch die Bürger, von denen bald mehr zu ſagen 
fein wird. u | | 
Auch die eingebormen Briten, welche der Übermuth. ver 
Sieger mit dem Namen der Fremden oder Waelen geftempelt 
hatte, Eonnten ald Freie betrachtet und für fie ein Wergelb 


beftimmt werden. Beſaß der Waele kein Land, fo betrug dies 


ſes nur. 60 Schillinge, befaß er eine halbe Hyde, 80 Schillinge, 
befaß er eine ganze oder zahlte er Gabelle.an den König, 120 
Schillinge. Im nördlichen England war dad Wergeld des 


freien, bufelofen Waelen etwas größer '). Dieſes Verhaͤltniß 


bed „gafolgelda Wiliscman“ laͤſſt ſich alfo fehr wohl mit 
dem des romanus tributarius und possessor bei den Saals 
franken zufammenftellen?). Seit der dänifchen Herrſchaft ver- 
ſchwand der Unterfchied zwifchen Angelfachfen und den zwifchen 
“ ihnen wohnenden Briten immer mehr, und ift nur noch an den 
Grenzen ber freigebliebnen walififchen Provinzen erkennbar, 
Eine nicht fehr große Claſſe - der’ angelfächfifchen Bevoͤlke⸗ 


‚ rung befland aus Unfreien (theow, esne), welche nach den 


® Berechnungen, die auf Doomesday begründet find,. zur Zeit 


F per normannifchen Eroberung etwas über 25,000 betrug. Die - 


” oroße Mehrzahl berfelben war in dem Zuftande der Hörigkeit 
durch Geburt, deren Vorfahren fchon römifche Sclaven, kriegs⸗ 
U oefangne, Briten und fonflige Feinde gewefen waren. Andre, 
welche weiffe Theowas hieffen, waren Freigeborne, die wegen 
Schulden. oder Verbrechen in. dieſen Zuftand durch dad Geſetz 
' verfallen waren. Der Herr hatte dag Recht, fie im Lande an 
“feine Stammgenofjen zu verkaufen; jenfeit der See durfte der 

Hörige, felbft wenn er Verbrechen begangen hatte, nicht ver 

Zauft werden). In den übrigen Verhaͤltniſſen fcheint ihr Zus 


fland von dem der unbegüterten Zreien wenig verfchieden ge⸗ 


weſen zu fein. Sie hatten ein eigned Wergeld, von wels 
chem bie eine Hälfte der Herr, die andere ihre Verwandten 
erhielten. | | 

Sehr auffallend iſt die Verfchledenheit der Anzahl der 


1) Leg. Inae art. 32, Wergelder 87, 8. 
2) Lex salica tit. 43. $. 7. 8. 
-8) Leg. Inae art. 11. 


⸗ 





-v „ v. ya 


} 


Bon den innern Zuſtaͤnden ber Angelfahfen. 577 
Die chriftliche Geiſtlichkeit hatte: unter den Angelfachfen 


‚eine bedeutende Stellung gewongen, wobei, unter fo mandem 


von: berfelben erlebten Misgefchide und ben Streitigkeiten 


- mit den Scoten, der Sieg. der Conſequenz des Syſtems fehr 


in die Augen fält. Doc ift vor Allem zur Erklärung dieſer 
bei barbarifchen Kriegerhorben auffallenden Erfcheinung zu ers 
innern, daß ſchon Zacitus von dem großen Einfluffe der Pries 


ſter auf weltliche Angelegenheiten berichtet, . und fie. fogar das 


ausfchlieffliche Recht über Leben und Tod hatten.” Ein folcher 
früherer Zuftand erleichterte ſehr die Herrſchaft der. romiſch⸗ 
paͤpſtlichen Kirche, und ein Theil ihrer Gerichtsbarkeit, die Got⸗ 
tesurtheile namentlich, moͤchte ſeinen Urſprung in den Rechtsge⸗ 
wohnheiten des heidniſchen Prieſterthumes gefunden haben. 
Die Religion blieb eine Nationalangelegenheit, und Prieſter 
ſpielten eine Hauptrolle unter den angelſaͤchſiſchen Wittigſten. 
Der Rang des Erzbiſchofs war dem des Äiheling, der des 
Biſchofs dem des Ealdormanes gleich. Die Bifchöfe ſtanden 


. zugleich mit den Ealdormanen den VBerfammlungen der Shire, 


deren Bezirk häufig mit dem der Bisthuͤmer zufammenfiel, vor. 

Die Entſcheidung wichtiger Angelegenheiten war nie in 
bie Hand einzelner Individuen gelegt. Der Ealdorman ents 
ſchied in ſolchen Fällen nur mit Zuflimmung der Witena der 
Grafſchaft; der König war in allen fein Volk betreffenden Ges 
genftänden an bie der Wittigfien (tha witan, tha eadigan) 


des Reiches gebunden. Diefe befanden aus angefehnen Geifls 


lichen und Laien, welche duch ihre Amt zum Exfchenen in 
bem großen Gemote (Micelgemote, auch mycel getheaht, 
das große Gedachte, der große Rath) verpflichtet waren. Doch 
fcheinen auffer den oben erwähnten Thanen andre Freie gleich- 
falls berechtigt gewefen zu fein durch Gegenwart und Stimme 
auf den fie angehenden Beſchluß einzuwirken '). Daß zu einer 
jährlichen Volköverfammlung, wie ed bei den Sachſen ver Ball 
gewefen fein foll, erwählte Deputirte aus jedem der drei Stände 
zufammentdmen 2), möchte in Beziehung auf: die Angelfachfen 


4) Concil. calchut, a. 785: in concilio publico coram rega etc. 
ducibus et omni populo. 
2) Vita S. Lebuini a Hucbaldo conscripta in Monument hist, _ 
_German. li, 361. I 
Lappenderg' s velchihtt Englande J. 37 





Pe Dh Kahn e⏑ ⏑—— ⏑ —⏑ 1 An en 
"Spnoden. | | 
Das von ben: germanifchen Stämmen eroberte dar 
"hörte dent Siegervolfe gemeinfchaftlih. Bei ben Angel 
erhielt 8 den Namen Folcland (ager publicus) und W 
deren "Sefammtbefige, fofern es nicht auf dem Volle 
Einzelnen für einige Zeit oder für immer übertragen w 
Bei der erfien Übertragungsart blieb das Land old 
‘die jedesmaligen Benuger waren zu vielen Dienften, pu 
flen der Gemeinde ſowie des Königs, verpflichtet, fir die 
haltung der Löniglichen Villen, den Unterhalt des Sigi’ 
feines Gefolges (festigman), uhren, Jagdhunde &% 
forgen. Die angefehniten Ealdormanen, Thane, SM 
ſelbſt Kirchen befaßen unter diefen Verpflichtungen viel rk 
lebenslaͤnglich oder für befchränkte Zeit ). Dieſes Ze 
. Scheint urfprünglich den Begleitern des Königs, je nad 1 
Range verliehen gewefen zu fein. Das für immer im 


1) Daß ſtaͤdtiſche Deputirte auf dem großen Witenagen 
ſchienen befagen leg. Henrici I. -art. 7. keineswegs, wehde | 
nur die Zungreven und vielleicht andere koͤnigliche Beamte und 8 
‚nennt, und bie quatnor meliores villae, welche den praepomk 
„ben Priefter begleiteten, nur auf ben Hundreden erwähnt. 

2) Agri pro numero cultorum ab universis in vices occup® 


! 


\ 


- Bon ben Innern Buftänden der Angelſachſen. 579 


Individuen durch Volksbefchlüffe erblich bewilligte Land wurde, 
wenn auch früher ſymboliſch, doch ſchon bald fchriftlich 
uͤberwieſen und erhielt: von dem Übertragungsdocumente oder 
Buche den Namen Borland '). Dieſes dem Begriffe des Al⸗ 
lodium ·entſprechende Land war von jenen: gedachten beſondern 
Baften befreiet und unterlag lediglich der von den Juriſten 
jogenaunten trinoda  neeessitas, d. h. der Verpflichtung zum ' 
Heerdienfte, zur Erhaltung. der Burgen. fowie der Brüden 
(fyrd, burhbote. et brycgbote). Doch konnten bei der erften 
Übertragung Verpflichtungen, Zehnten?), Renten und andere 
Beiftungen dem erften Eigenthümer oder von diefem dem das 
nit von. ihm Belehnten auferlegt werden. Dieſes Bocland 
ionnfe der Georl, fowie Der Gefithe, der Than oder der König 
xhalten. Das gebuchte Land des Königs gehörte nicht zu 
ven Domainen der Krone, und wir fehen aus manchen Era 
ahlungen und Belegen, unter andern aus dem Teftamente des 
doͤnigs Alfred, daß fein Großvater Eegbert nach Willkuͤr dar⸗ 
ber zu verfuͤgen berechtigt. geweſen, wie. auch fein Enkel es 
var. Das an Dritte, unter Bedingung des Ruͤckfalles, übers, 
ragne Bocland hieß Laenland ?) und erjcheint unter den mans 
ichfaltigften  Seftalten. Sehr viel Folcland wurde, nachdem 
ad Privateigenthum ſich vor dem Gemeindebefige geltend ges 
acht: hatte, in Bocland Übertragen, und wir finden es unter 
en DVorrechten des Königs verzeichnet, daß er bie Urkunden- 
arüber auöftellte, wenn er glei dabei an die Zuſtimmung 
siner Wittigften gebunden war, und diefe felten verfehlten 
elbſt in den. Unterfchriften der Documente zu erkennen zu ges. 
en, daß fie nicht ald Zeugen fondern ald Stimmführende ge: 
enwärtig waren. Biel: Folcland wurde zu beſondern Zweden. 
bgefondert, zur Befoldung der Thane (thegnland), des Shes. 


1) Ähnlich ift auch dem Namen nach das Verhaͤltniß der libellario 
omine possidentes und libellarii der Longobarden und Franken. | 

2) Enutd Sefege I, 11. Über den Zehnten vom Grunbeigens 
yume im roͤmiſchen und fränkifhen Reihe hat Birnbaum (Bonn 
831) gelehrt und f&harffinnig gehandelt, fcheint jedoch felbft zuzugeben, 
aß, wenn der Zufammenhang bes älteften englifchen Zehntrehts mit, 
em römifchen unverkennbar, diefer bennoch nur fehr zart und locker fei. 

8) Heming chartalar. worcester. p. 158; vgl. 20% fg. . 

37 * 





u Ahiedeetdeiek + ne er sc Beth . 
Deſto wichtiger wurde dagegen, mit der Ausbildur 
Minifterialität, der Begriff des geliehenen Landes, wora 
Mechtöverhältniffe der Beudalität ich - entwickelten. Die 
fänge des Kehnrechts wie des Ritterthums find bei den 2 
fachfen fchon fehr früh zu erkennen. Selbſt der Row 
Vafallen und Ritter (milites) wird ſchon zu König 
Zeiten vernommen '), ‘und wir finden, anftatt der german 
Wehrhaftmachung des Juͤnglings durch Befchlu der Bl 
meinde, die Bekleidung mit dem ritterlichen Gürtel Id‘ 
angelſaͤchſiſchen König?) oder die Weihe des Schweil MM 
Geiſtliche). Ahnliche Geremonien fanden bei de 
mit Ealdormanfchaften, mitteld Umglrtung mit dem 
durch den König, flatt. Die Lehnöpflicht wurde in fm 
Huldigungdeide (hyld-ath) ausgedruͤckt: „Bei dem H 
welchem dieſes Heiligthum heilig ift, will ich dem AR 
und getreu (hold and getriwe) fein, und Alles Ihm 
- er liebet und Alles fcheuen (ascunian) was er fe) 
Gottes Recht und der Welt Gefegen und nie durh 
ober Gewalt, Wort oder Werk etwas thun, was ihm 
iſt, dawider er mich halte wie ich ed ernten will, und t 
les leifte, wie es unſer Vorwort (formael) war, ald 
mich beugte und feinen Willen erkiefete” *) 





- "nu! — Gm mm um ,— ⏑⏑ 


\ ' . 
Bon den innern Aufänden der Angelfahfen. 581 


manifche Verwaltung und Rechtöpflege im Allgemeinen erkenn⸗ 


bar, wenngleich im Einzelnen dem Forſcher große Schwierig⸗ 


keiten ſich darbieten. Vor Allem wird man ſich huͤten muͤſ⸗ 
ſen allen Einrichtungen ein und daſſelbe kuͤnſtlich verarbeitete 
Princip unterzulegen, vielmehr anerkennen, daß theils meh⸗ 
rere Jahrhunderte vor uns liegen, in welchen viele der uns 
bekannten Einrichtungen erſt ihre Ausbildung und zuweilen ihre 


Entſtehung erhalten haben, theils die urſpruͤnglichen Einrichtun⸗ 


gen der erobernden Angeln und Sachſen ſowohl auf dem B:s 
dürfnifje der Kriegsführung ald auf den patriarchalifchen 
Mechtöverhältniffen, welche im Frieden wieder hervortraten, 
beruhen. 

Die Enifiehung der größern Landesabtheilungen, der Shi⸗ 


res ), aus den kleinen Koͤnigreichen wie Kent, Suſſer, Eſſex, 


Surrey und deren oft noch früher erfennbaren ‚Abtheilungen, 
wie des Sid: und Nord⸗Volks in Oflanglien, oder den allmäs 
lig eroberten walififchen und andern fremden Diftricten, wie dem 
Zand der Devonfäten, der Cumbrier u. a., fällt in die Augen. 
Das Miöverhältniß bes Umfanges der Shires gegen einander 


ift in Mefler nicht fo groß als in’ Mercien und im Norden, 


und ift dort, wo es fich gefaltet hatte, zuweilen auögeglichen, 
wie dieſes von Alfred gefchehen zu fein ſcheint, und ſpaͤter un⸗ 
ter der Verwaltung des Eadric Streone, der die ehemalige 


Winchcombleſ hire zu Gloceſter zog, bewerkſtelligt iſt. Auch ein 


gegenſeitiger Einfluß der Shire- und der Dioͤceſan⸗Eintheilun⸗ 
gen ift nicht zu verfennen, namentlich in den Shires, welche 


‚ben Namen der bifchöflichen Hauptfladt tragen, wie am auf: 


fallendften in dem Lande der Hwiccas, welches mit der Shire 
und dem Biöthume Worceſter genau zufammenfällt, In der 
ausgebildeten angelfächfiihen Verfaffung wirde, an der Stelle 
der frühen Nationalverfammlung, in jeder Shire halbjährlich 
ein Gemote der Shire-Wittigften?) gehalten, an deſſen Spike 
der Bilchof, der Ealdorman (der nachherige Earl) flanden und wo 
Der Gerefa, hernach Reeve (daher Shire⸗Reeve, Sheriff⸗, ‚ein 


| » Bon sciran abſcheeren woher Scheere, Scheerwand. 


2) Eadgars Geſetze II, 5. Ätheiren II. (concil. waneting.) 


8. 2 Die Berhandlungen eines Shiregemote Vvereford zu Koͤnig 
Enuts Zeiten ſ in Hickos dissert. epistol, p. 2 . 





Er 5 


nen richtenden Gemeinde ausführte, Pfändungen vom 
Brüche eintrieb, Abgaben, Geldbeiträge, Zehnten einfoderte 
die Gefangnen verwahrte '). Einen Serefen finden wir 
nur in dem Gau, fondern auch in jeder Heinen Juri 
(tun-gerefa, der tunginus der Franken, wic-, port-,| 
gerefa) ?) und in den verfciedenartigfien Vereinigi 
wo Strafgelver oder Beiträge einzufodern waren (H 
Deich, Spiel: Greven). Er entfpriht der urſpruͤng 
Bedeutung der Bruchvoigte fowie aud) der Bedeutung 
Benennung des Schultheiffen ’). Wenn der Shire-Gerefa 
in England fein Amt fehr erweiterte und in die Stk 
Ealdormaned trat, fo iſt er hier doch nie mit Demfelbe 
wechfelt; es ift nie auf ihn der Titel comes, wohl ob 
beö vicecomes übertragen). Auch in andern germa 
Ländern können wir noch die Ealdormanen des Gaues unt 
Mamen ber duces, satrapae, seniores, comites °) erf 


1) Schr wahrſcheinlich erfcheint daher die alte Erklärung von 
barb: von reafan, refan, alfo spoliator, exactor. Noch Gug 
administr. c. 23.) überfegt: „exactores regii, quos dicunt graff 
Bei den Kranken erhielt fi) das Wort Graf im greffier. 

2) Sin foldher war auch der Graf von Bogen, beffen Paul 


Bon den Innern Zuftänden ber Angelfachfen. 583 


fie werden häufig mit den Gerefen oder Grafen zufammen und 
fletö vor ihnen genannt), Als jedoch diefe Länder von ben 
Franken befegt wurben, trat die Würde des Caldormanes 
zurüd, deren Stelle theils durch Herzoge theils durch Kams- 
merboten verfehen wurde, welche Legtere mit dem ‚umentbehrlis 
chen Gau:Gerefen ſich iventificirten, und wi; finden diefen uns 
ter der Bezeichnung des fränkifchen Dialekts, Graf, bald in 
einer fehr erweiterten Stellung. Caldormanen von der Ges 
noffenfchaft oder Gemeinde gemahlt, finden wir indeß noch 
fpäter in flädtifchen und vielfachen untergeordneten Verhältnife 
fen, im Gegenſatze der und neben den Föniglihen Beamten. 
Da die Winde der Grafen auf dem Zeftlande früher vorzüg- 


lich bei den Franken erwähnt ift, fo ift vermuthet worden, daß 
Sachſen und Angelfachfen den Grafen von den. Franken er: 
halten baben?). Doch trifft die Übereinftimmung jener Bes 


" 


zeichnung. bet beiden Völkern zu fehr zufammen, um nicht auf 
ältern gemeinfchaftlihen Urfprung zurücdzuweifen. Wenn nur 


: der Name von den Franken entlehnt fein follte, fo fragt fich, 


—-—— m — We TE —⏑Â 3 


— — 


wie der Gerefa bei den Angelfachfen früher geheiffen. Sollte 
aber die ganze Einrichtung, wie wir fie bei den Angelfachfen 


finden, von den Franken entlehnt fein, fo muͤſſte dort auch das 


Vorhandenſein der hoͤhergeſtellten Ealdormanen zugegeben wer⸗ 
den. Der Gerefa der Angelſachſen erhielt fuͤr ſeine Amtsfuͤh⸗ 
rung die Benutzung von Land, welches den Namen gereve- 
(jegt reve) land führt, wie wir auch in Deutſchland bei 
Wyfgereven ?) und Burgereven diefelbe Einrichtung finden. 

Bu den älteften Diftrictöbenennungen, welche ber Shire 
vorangingen, gehörte noch die „Maegthe“, ein Land, welches 


die Genoffen eined Gefchlechtes oder Stammes, eine Magens 


fchaft, wie fie im Kriege zufammen gefochten und erobert 


- hatten, fo im Frieden zufammen erhielten *). Wir finden dieſe 


Bezeihnung gewöhnlich fehon auf die größern fächfifchen, nicht 


1) Dan ogl. bie in Savigny Geſch. d. rom. Rechts Th.I. Gap. 4, 
freilich zu anderm Zwecke, gefammelten Stellen. Auch lex Ripuar. 88. 
2) Grimm Rechtsalterthuͤmer 753. 
8) Mindener Urkunde vom 3. 1296 in Falke tradit. Corvey. 
p- 853: Censum trium mansorum pertinentium ad officium Wicgravü. 
4) Tacit. Ll.c.7. Caesar. de bello gallico. 





584 Sechste Abtheilung. 


aber auf die von den Angeln beſetzten Provinzen angenak, 
Doch zuweilen noch im Altern Sinne, vote bei der Naegthe da 
Meanwaren. Daß fich eine wirkliche, bei den Anziichke 
jedoch nur in feltenen Spuren noch nachzumeilende Vennn 
fchaft unter diefen neben einander fiedelnden Gefclechtern bu 
Erbrecht, Wergela, politiſche Bürgfchaften, Naͤherrechte m 
andere mit jenen verknüpfte Einrichtungen lange erhale 
konnten, zeigen uns viele Beifpiele, felbft mod; dei fi 
Mittelalterd, in den Kluften, Vetterfchaften und ähnlichen $i 
milienverbindungen germanifcher Stämme '), um nicht af 
ferntereö hinzuweifen; woraus wir gleichfalls wahrnehmen, u 
zulegt, bei größerer Beweglichkeit der Habe und fh 3 
Landeigenthumes, die Verwandtfchaft nur ald Bezeichnung c 
politifhen Verbindung übrigblieb. | 
Die Eintheilung ded Landes in Hundreden berakt, gb 
der entfprechenden nordifchen in Herräde, auf der ala 6 
reöverfaffung ). Beide Namen würden einem Dilnk 
theilt, welcher hundert Mannen zum Schuge und Rufe ! 
Ealdormaned erwählte. Doch hat fchon Tacitus beat, & 
die wirkliche Anzahl nicht immer dem Namen da 
mannen entfprach. Die ſchwankenden Verhältnife da 
rung, fowie die Zoderungen der bei bauerndem 
und Frieden fich entwidelnden Verfaffung, haben in dm 
Zahlenverhältniffe mitbegründeten Ämtern ftets häufige A 
derungen hervorgebracht. Die Stellung der hundert 
Tann oft mit der Verbindung von ebenfo vielen frei s 
lien oder auch Hyden (mansis), welche, wie es pin! 
bie Thane gefchah, jegliche einen Mann ftellten, zufamm 
gen; doc) laͤſſt fich Lesteres nur in wenigen Fällen nad 
Überhaupt ift der dltere Umfang derſelben fehr fchwer 
Tennen, da feit dee normannifchen Eroberung ihre Nam 
häufig verändert find. Zu dieſen gehören die Hund 
Northampton, deren jede zur Zeit Eadwards des Bekenn 


1) Lex salica tit. 63. 


2) Am deutlichften erkennen wir biefe noch bei ben Wi 
Leg. Visigoth. 1. IX. tit. 2. c. 1.8.5. Bgi. J. M. Velse 
Danorum institätis militaribus. Havniae’ 1831.: 


; u ' 
f N 


Bon den inneren Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 585 | 


hundert. Hyden beitanden haben fol); Auch. die ſechs Sheb> 
dings: oder Hundreden ber Infel Dan. Die: Bemerkung, dag 
manche der Fleinen Shires die meiſten Hundreden zählen, hat 
unloͤsbare Schwierigkeiten erregt ?); doch. führt biefelbe uns 
gielleicht auf die richtigfte Erklärung der Entflehung der Hund⸗ 
reden, wenn wir zugleich wahrnehmen, -daß- jene Eleine Grafs 
haften, Kent mit 61, Suſſex mit 65, Dorfet mit 34 Hunda 
eben bie zuerft und alfo von den fich anfiedelnden Eroberer _ 
m ſtaͤrkſten bevölkerten Landfchaften find, während in den ſpaͤ⸗ 
er eroberten, wie Lancafter mit nur ſechs Hundreden, die bris 
ifche Bevölkerung flärker blieb, und die Hundrede alfp auf - 
ine. Eintheilung der angelfächfifchen Herren, ohne Ruͤckſicht auf 
yie untergebenen Briten, fich beziehen möchten Die Verſamm⸗ 
ungen der Hundreden erhielten ſich zu Zweden freiwilliger ſo⸗ 
vie contentisfer Gerichtöbarkeit, monatlich nach uralter Sitte’). 
Der. Vorſteher derſelben führte den Namen des AÄlteſten (Eal- 
dor); ein Gerefe erfcheint nicht, und es ift der Shire- ober 
aächfle Bur⸗Gereve vermuthlich der. Vollſtrecker der öindungen 
des Hundrede gewefen *). 

Gine den Hundreden entſprechende Eintheilung des noro⸗ 
ichen Englands in den von den Angeln bewohnten Provinzen 
wurde dort Wapentake genannt °), wahrſcheinlich von der dort 
gehaltenen Waffenſchau oder Vyrde) (fyrd, weorod), In 
Kent finden fich mehrere Hundreden unter dem Namen Lathed _ 
bereinigt, welche bie Gerichtöbarkeit der Hundreden ausuͤbten, 
und worin wir bie, nordiſche Lething ’) oder Heerfahrt wieder⸗ 


1) S. das ſachſi ſche Manuſcript bei Ellis 1. I, 184. 187. 

2) ©. unter Andern Hallam Buropa during the middle ages. 
Vol. 11. p. 391. . 

3) Tacit. German. 11. Coeunt — certis diebus, cum aut in- 
choatur luna aut impletur, 

4) Ein hundred gerefe f&heint vor ben unzuverläffigen leges Kad- 
wardi c. 85. nidt vorzukommen. 

5) Leg. Kadwardi c. 33. 

6) d. h. Würdigung, Mufterung. Die älteren Erklaͤrungen hat 
sefammelt Ellis I, 180sq. - Die Grläuterung von Tacitus German. 
c. 11. Considunt armati — sententia — si placuit, frameas concu- 
Lent, fcheint auf den norbifchen Ramen nit paffend. 

7) Juͤt. Low III, 2. Im Islaͤndiſchen: leid, conventus, 





des Adeld waren im größern oder geringern Umfange von 
Jurisdiction der Hundreden erimirt und übten biefe fe ı 
Dieſes Privilegum hieß Saca, der germanifche Austne 
die Immunität, und entfpricht, nach meiner Anficht, ganz | 
Rechte der Sagibarone der Saalfranten. Den Dihid ı 
welchen dad Recht der Saca auögelibt wurde, nat 
Son, Eoca (Afyl), auch Kithesocn ?), worin bie Dep 
auf dad Gefith, dem diefed Privilegium zuerft verlichen mer 
ausgeſprochen iſt, und die Eingeſeſſenen Socmannm Di 
Gerichte wurden in der Halle des- berechtigten Thancd ga 
und erhielten daher den Namen von Hallmotes; fie fh mm 
unter bem der courts-baron In Givil:, ſowie dem da ut 
leet in Criminal: Sachen vorhanden, 

Eine fehr wichtige, doch fir uns in mander Hu 
- erfcheinende und oft falfch gedeutete Seite der Kechtäpfege ? 
Angelfachfen ift die Ausbildung, welche bei ihnen bie 
gung erhielt, bie jeder Volksgenoſſe für fein Berge - 
leiften hatte, fofern er nicht bereitd in einer. ausgedeheh 
Rechtsbürgfchaft durch Familienverhäftniffe ſtand >). Da hu 


1) In Island bedeutet hreppr einen Diftrict, in welchem 10 
Gragas 20 oder mehr Bonden einen Armen unterhielten. 
2) Von saca Sache, engl. sake,. im gerichtlichen Ginne, c 


Don ben Innern Buflänben der Angelfachfen. 587. 


vater haftete nämlich allgemein für die Vergehen der Frau, ber 
unmünbdigen Kinder, des Haußgefinded und der Sclaven, ſelbſt 
i für den durch fein Vieh angerichteten Schaden, für Alle die in 
= feiner Mundfchaft oder feinem Eigenthume waren und deren 
Erwerb und Wergeld ihm dagegen. gehörte. Weniger ausge⸗ 
e dehnt war bie gegenfeitige Rechtöbürgfchaft der Sippe ober 
w Magen (maegburg) !) unter einander, welche vorzüglidy bie 
m Verpflichtung zur Blutrache erfchlagner, zum Schutze unmüns 
ia Diger, fomwie auch des Eigenthumes der für deffen Verwaltung 
m vorübergehend unfähigen Verwandten, zur Zahlung des durch 
ei biefelben verwirften halben Wergeldes?), und ‚dagegen das 
EReht zum Empfange ded Wergeldes für den ermordeten Vers 
£, wandten, die Schmertfeite zu 3, die Spillmagen zu 4 deſſel⸗ 
Siben, begriff. Wir haben bier nur die Verhältniffe bezeichnet, 
mmelche das Recht in den uns näher bekannten Zeiten vorfchrieb; 
»!doch verlangte die Sitte, von dem Geſetze nicht. zu unterfcheis 
eben, früher mehr, und ber Beiltand der Verwandten durfte in 
„ den Fällen ſchwerlich verfagt werden, in welchen eine Fehde ges 
ſetzlich geflattet war‘). Der Verpflichtung zur Fehde entſprach 
in gerichtlichen: Verhandlungen die zur Eideshülfe, wenn die 
Glaubwuͤrdigkeit der eidlihen Anklage oder DVertheidigung bes 
ſtaͤrkt werben ſollte. 
1 Bei der Entwickelung der angelſaͤchſiſchen Staaten und 
deren Vermiſchung mit Briten und Daͤnen verloren jedoch dieſe 
auf die Familie begruͤndeten Rechtsbuͤrgſchaften einen großen 
Theil ihres Einfluſſes, und kuͤnſtliche Verbindungen ſollten das 
dahinſchwindende patriarchaliſche Gefühl erſetzen. Der begü⸗ 
terte Eigenthuͤmer, der Lehnsherr nahm alle ſeine Hoͤrigen 
(hyrede) in den Schutz, welchen bie Sippſchaft früher ges 
währte, und übernahm die Verpflichtung diefelben bei Vergehun⸗ 
gen zu gerechter Strafe und Buße zu ftellen, für den flüchtigen 
Mörder aber das Wergeld zu entrichten, worauf jedoch die . 
Bürgichaft, welche die Sippfchaften feiner Leute mit einander 
bildeten jegt ihm, dem Hlaford, der fie gegen den: Staat wie 


1) Leg. Aclfred. 41. 
2) Leg. Acthelb. 23, 2 
3) Aelfredi leg. 42. Leg, Henrici I, 88, - 


— 





verknüpften Beſitz telbjigenugende Buͤrgſchaft darboten, MM 
wie es fcheint, alte, urfprünglich Eriegerifche Abteilung ag 
wandt. Se zehn Freie bildeten eine Zeothung'), von dam 
einer dad Haupt (tien heofod): derfelben hieß, dem con 
bernium und deſſen caput der fpdtern römifchen Kri 

entfprechend ?), deren Priegerifcher Urfprung unter der fol 
Umgeflaltung ald Wache (ward and watch) auf der fak 
firaße noch lange erfenntlich blieb, bis zuletzt ſelbſt dr Aurih 
zer der Mannfchaft der Hundrede, der comes stabgli, mm 
noch ald ein - untergeorbneter Polizeibeamter (mastahle 
diente’). Sehr wahrfcheinlih war ſchon dieſe Zehaheſ I 
öltefter Zeit für das Wergeld ihrer Genoffen verplihie u 
zu demfelben berechtigt, da wir auch in altgermariſta de 
fegen fehr ſtrenge Vorfchriften über die Entrichtung von 

geldern und Bußen vor neun Genoffen des Mörder, IL 
brechers in ein Haus, des Entführer eines Zraumymmt 
finden‘). War die Zehntfchaft vorhanden, fo mup dirk ai 


1) &o und nit teothing ſchrieben die Angelſachſen; tyiing‘ 
bie fpätere Beit, wodurch ſchon der in allem Gefchichtlicen unml 
fige Verfaſſer der leges Eadwardi Confessoris in ben Zrrihum 
fein mag im c. 32., ber Zehntſchaft den. Begriff eines Dingd 
Berichtes unterzulegen. Durch ihn iſt auch die irrige Anficht a 
gelangt, daß ein Zeothung aus zehn Friborgen und biefe au 





Y 
\ 0) 


Bon den innern Buftänden ber Angelfachfen. 589 


enged Band unter ihren Mitgliedern gefchloffen haͤben, und 
Niemand war mehr bei dem. Erfolge und zur Unterſtuͤtzung 
eined lebensgefaͤhrlichen Unternehmens oder zur Verhinderung 
deſſelben aufgefodert als die neun uͤbrigen Mitglieder derſel⸗ 
ben, und das Geſetz durfte: daher dieſe ſtets als. Mitſchul⸗ 
dige muthmaßen. Die aͤltern Geſetze ber Angelſachſen fprechen 
nicht von Teothungen, Doch wohl von Gildegenoſſen (gegylä 
dan), welche bei Leuten, die. keine Speermagen beſaßen, gleich: 
mden Spillmagen fuͤr ein Drittel, und wenn auch Letztere fehlz 
® ten, in bie Rechte ſaͤmmtlicher Verwandten tretend, für die 
u Haͤlfte des Wergeldes hafteten). Wahrſcheinlich waren jene 
a die Genoſſen derſelben Friedensgilden, ‚welche zu Athelſtans 


e Beiten zu London ?) und vermuthlich in andern großen. Staͤd⸗ 


B ten vorhanden waren. Doch koͤnnen nicht alle Freie. in Gil⸗ 


u ben geweſen fein, welche ſolche Verpflichtungen übernahmen, 
die nur denen aufgebürdet werden Tonnten, welche, wie etwa 


u ftäbtifche Gilden, eigne Zwangsmittel gegen ihre Mitglieder bes 


d faßen. Seit der Regierung des Königs Äthelſtan finden wir 
5 baher vielfache Verfügungen, um jeden nicht eximirten $reien 


» anzubalten eine Bürgichaft zu ftellen *), welche in dee füdlichen . 


—8* von England in den Teothungs, in dieſer Bezichung 
i Freoborhs 9, Verbürgung der Stden, von den, Normannen 


I | 
dieſen Fällen nicht von einer Buͤrgfchaft, ſondern von einer Mitſchuld 


bie Rede iſt. Die Ausdruͤcke: collecto contubernio, collecta manu ſchei⸗ 
nen nicht auf eine beſtehende Verbindung zu deuten. Lex salica tit. 
16. c. 1. et 3. befchränkt die Strafe beim Eindrude in ein Haus aus: 
drüdiih auf die, welche überführt waren in dem contubergium des 


Hauptfrevdlers geweſen zu ſein, und hat ebenſo wenig wie die Geſetze 


Ber Ripuarier und. Anglier. bie in den uͤbrigen Fällen allerdings ſehr 


auffallende Beſchraͤnkung der nach verſchiedenem Maasftabe zu Beſtra⸗ 


Finden auf die Zuhl Zehn. 

1) Leg. Aelfredi 26, 27. 

2) Judicia civit. London. 

8) Leg. Eadgar. I. B, 6. 

4) Palgrave.a. a. D. 196 u. 202. 

5) Homines decimales oder decimarum, in Aethelstant consti- 
%utio de hundredis. Teothung’in Judic. Lond. und leg. Canuti 11, 20. 
zuerfi genannt. Der angelfähfifhe Ausdruck freoborh koͤmmt jedoch 
in keiner vornormanniſchen Schrift vor, was von denen zu brachten iſt, 





entfliehen, fo. verfielen fie in gewiſſe Strafen und bei Di 
ftählen in die bes Erſatzes). Diefer Erſatz war ki ga 
nem Dich fo. bedeutend, ‚daß er, wie in .neuen Jet 
Brandgilden, die Eigenthümer zur Nachlaͤſſigkeit, wem MM 
zu gröbern Misbraͤuchen veranlaffte. Die Haft der Zeomm 
wurde fogar auf die ganze Dorfgemeinde ausgedehat und Ki 
auf die Fälle bezogen, wo der Thaͤter unbekannt war ud 
ungewiß. ſchien, ob berfelbe ein Rechtögenofje war. 
meinde welde den Mörder - eines innerhalb ihrer Gm® 4 
fundnen: Todten nicht in einem Monate ausfindy ac 
muſſte das Wergeld an den Berechtigten und ein Di 4 
den König entrichten. Doch Eennen wir. diefe, größe RAM 
ber Freoborh, wie felbft diefen Namen, erft in der MM 
ſchen Epoche, und es erfcheint hoͤchſt wahrſcheinlich, —1— 
Friedgilden und Teothungen der Angelſachſen von DM 
mannen benußt find, um zugleich die Verbindungen der de 
wandtſchaft unter den Beſiegten zu ſchwaͤchen und Frege 9 
lizei zu ‚üben. Hieraus möchte ſich auch wohl erklärt, m 
halb. nur die-von den. Normannen zuerft voliftändig MIT 
ten Provinzen die Freoborh am vollſtaͤndigſten ang 
hatten. * | . \ u 


⸗ ! f] 











\ 


- 20 


— 


Von den innern Zuſtaͤnden der Enselfanfen. 691 


1* 


Privat— und ſtrafrechtliche! Sagungen: 

Unſere Kenntniß des angelſaͤchſiſchen Rechtes iſt beſchraͤnk⸗ 
ter, als im Verhaͤltniß zu unſerer Kenntniß ihrer Geſchichte zu 
erwarten ſtuͤnde. Es iſt bet ihnen nicht, wie beiandern ger: 
manifchen Stämmen geichah, zur Sicherung ihrer Rechte eine 
Aufzeichnung des Wefentlichften veranſtaltet, ſondern die und 
erhaltenen Gefege bezwecken gewöhnlich” nur die Anordnung 
neuer Einrichtungen oder die Feftftellung ungerwiffer Rechts: 
grundfäge, welche häufig erft durch die Verbindung mit den 
Dänen erfoderlich geworden ft. Erft unter den Normannen 
und den burch jene eindringenden fremden Rechtsanfichten 
wurden ausführliche Darftelungen des» angelfächfiichen Rechtes 
yeranlafft, welche jedoch ſchon des Neuern, Misverftandenen und 
Kremdartigen Manches mit aufgenommen haben. Bei aller 
daraus entftehenden Mangelhaftigkeit unferer Kunde des angel: 
fächfifhen Rechtes, welche durch den Berluft aller mercifchen 
fowie der: meiften nortbumbrifchen Gefegrollen noch empfindl⸗ 
cher wird, find wir hinlänglih im Stande die Übereinſtimmung 
beffelben mit_dem anderer germmifchen Völker zu erkennen und 
bürfen ed, befonderd bei dem Umſtande, daß die Aufzeichnun: 
gen der Gefetze ſowohl als Nechtöbelehrungen ımd Formulare 
in angelſaͤchſiſcher Sprache ſich groͤßtentheils erhalten haben, 
als eine der wichtigſten germaniſchen Rechtsquellen betrachten. 
Ein beſonderes Intereſſe fuͤr die engliſche Geſchichte gewaͤhrt 
bie des angelſaͤchſiſchen Rechtes dadurch, daß im letzteren auf 
die glaubwuͤrdigſte Weiſe die Grundlage der ſpaͤtern Verhaͤlt⸗ 
niſſe der Normannen und Angelſachſen ſich zu erkennen gibt. 
Einige Bemerkungen, welche die weſentlichſte Ubereinſtimmung 
erläutern und einzelne Eigenthümlichkeiten hervorheben, wenn 
beren, als dem Hiftorifchen fowie dem Staatsrechtlichen näher 
angehörig, nicht dereitd an andern Stellen diefes Buches Er⸗ 
wähnung geſchah, find, hier zu verzeichnen, wenngleich eine 
foftematifche Überfiht des angelfähfifchen Rechts um fo mehr 
aufler dem Plane dieſer Darftellung liegen- dürfte, ba die an⸗ 
gelſaͤchſiſche Nechtögefchichte den Deutfchen durh wackerer 
Landsleute Bemühungen ') vertrauter und zugänglicher gewor⸗ 

1) 3u Philipps Werken über das angelfächfifche und das englis 





s022 Syrechs t e Abtheilung. 


den iſt, als den Engländer ſelbſt bis jetzt noch Mi 
den wurde. — 
Der Freie ſtand im Staate zunaͤchſt als Mitglied ä 
Geſchlechtes da, deſſen Angehörige zu gegenſeitiger Heike 
entflandenen, Angriffen verpflichtet. waren. Diefe Verpfich 
bezog ſich jedoch nur auf unrechtmäßige Angriffe und g 
durch die Geſetze welche die häufigen Fehden zu vemak 
bezweckten, mehr und mehr befchränkt und den Gerichten ff 
Witan) zugleich ein Verfahren beſtimmt, wodurch ber Lodiſci 
burd) . feine Dorfprecher Frieden und die verlegte Def 
fchaft das fchuldige Wergeld erlangen ſollten). Di $ 
‚wandten des .Erfchlagnen erhielten für denfelben das gan 
Mitgliedern feines Standes beftimmte Wergeld, wart, % 
leod, Beides urſpruͤnglich den Mann, vir, ſodann die geſch 
Strafe fuͤr deſſen Ermordung bedeutend. Dagegen Ip of 
Verwandten ded ZTodtfchlägers ob, denfelben vor Geil 
fielen, damit ex fein Wergeld entrichte; entfloh Dh. b; J 
zahlten feine Verwandten die Hälfte des Wergeldes; de A 
bannung und der Verluft: des werhaften Zamilienglieed 1 
ber andern Hälfte des Wergeldes gleich gerechnet’); @ * 
haͤltniß welches, im Falle keine Verwandten von Mt ME 
feite vorhanden waren, fondern nur Gildegenoſſen m 
magen, numerifch, doch nicht dem Grundfage nad "1 | 
derte ?). Entfloh der Zodtfchläger nicht, fo ftand cd WW 
| genſchaft nach ſpaͤtern Geſetzen frei, zur Entrichtung jmd 3 
geldes ihm Aufihub zu geben, ober auch fid von WE 
Manne ganz und gar loszufagen. Nur in Fällen a‘ 
giftungen und ehrlofen, heimlichen Morten (mord — iM 


















mit befonderer Beziehung auf Religion, Recht und Staats 
Berlin 1832, hinzuzufügen. Schmids Abhandlungen im Herme 
u. 32. fowie feine Ausgabe ber angelſaͤchſiſchen Geſetze und a 
Rechtsalterthuͤmer ergänzen jene häufig. 

1) Leg. Eadmund. II, 1u.7. . 

2) Leg. Aethelberti 23, 

8) Leg. Aclfred. 27. Eadmund. II, 1. 

4) Diefe dem Meuchelmord entfprechende Bedeutung bes a 
welche Grimm echtaalterthumrr 625) unter andern auch in} 


ſche Recht unter den Normannen iſt auch jetzt deſſen * 


Bon ben innern Zuſtaͤnden der Angelfahfen. 593 


hatten die Verwandten, auffer andern Bußen, das ganze Wer⸗ 
geld zu zahlen. 
Vor der Entrichtung des Wergeldes wurde, nach bem 
Scheine der Halöfang entrichtet '), ein von ben naͤchſten zur 
Blutrache berechtigten Verwandten bed Erſchlagnen zu zahlen⸗ 
des Loͤſegeld des Halſes oder Lebens, welches einem Zehntel 
des Wergeldes entſprach. Das Wergeld muſſte vierzig Tage 
darauf ganz entrichtet werden; ſpaͤter wurden breimöchentliche 
Friſten eingeführt ?). | 

Der König oder Herr. des Erſchlagnen erhielt ferner eine 


Mannbuße, welche für den Ceorl 30, den Sirhyndumman 80° 


und den Twelfhyndumman 120 Schillinge betrug ?). Auffers 
Dem wurde für den Zriedensbruc dem Richter noch ein Fechts 
gewette (fyhtewite) entrichtet, welches, gleich der Mannbuße, 
mie erlafien werden konnte. | 

Recht und Pflicht des Hausvaters. war der Schuß derer, 
welche in feiner Hand — denn dieſe bedeutet Mund urfprüngs 
Lich — oder. feiner Bevormundung (mund, mundbyrd). als 
Unfreie oder als feine, Kinder und Frau flanden. Die Zus 
rechnungsfaͤhigkeit des Knaben, feine Waffenfähigkeit, und 


aͤlteſten Rechte, ſogleich bei offnem Grabe oder blinkendem 


— 
x 


Die freie Verwaltung feines Vermögens begannen . bei den 


aͤltern Angelfachfen fchon mit dem zehnten, nach den Geſetzen 


König Athelftans jedoch erft mit dem zwölften Jahre. Doch 


wurde auch dann noch die Zurechnungsfaͤhigkeit der Kinder, im 
Zalle ded vom Vater begangnen Diebftahles, ſelbſt auf das in 


Der Wiege liegende Kinb auögebehnt, wodurch biefes gleich 


den mundigen hreienn der Sclaverei verfiel; ein Misbrauch 


saxon. II, 6, hervorhebt, ſcheint ebenſo im angelfäcfigen Rechte ſich 


zu finden: Leg. Aethelstan. II, 6. 


1) Leg. Aethelbert. 22. nad) - ber cichtigen Interpunction von 
Schmid. Ich nehme dort die 20 Schillinge für den Halsfang des 
Georle, da 120 Schillinge fuͤr den Salsfang bed Zwelſhondimman ge⸗ 
zahlt werben. 


2) Leg. Eadmundi II, 7. Eadwardi et Gudruni foedus $ 4 


Bei Schmid abgefondert gedruckt e. 211. u | . 


S) Leg. Inne 70. — 
Eappenderg”e Gräiäe eageme . 38 














‘ 
— 


haben. 


kentiſchen Rechts auch nur von den Freien zu ver 
welche bee Zod des Vaterd ihres natlrlichen Vornes 
saubt hatte. Der Anfang bed dreizehnten Schr mw 
erſter Zeitpunct der Muͤndigkeit laͤſſt ſich als allgemn 


niſch betrachten ). 


Nach dem Tode des Vaters blieb das Kind kin 
tee; doch erhielten die Magen der Speerhälfte gem a 
die Verwaltung des Vermoͤgens oder Hauptfluhlee ® 
und mufften genügende Bürgfchaft für daffelbe vor — 
regemot fellen, bis zu ber erfien Muͤndigkeit des y 
nen’). Die Gemeinſchaftlichkeit der Bormuͤnder e 
weshalb für den Bormund fich. keine ausfchlieffliche S 
findet, da mundbyrd, anweald, forspaece, we⸗⸗ 
gebraucht ‚werben, ſaͤmmtlich noch allgemeinere — 
Die Ehe wurbe eingegangen, nachdem: in vorhex 
nen Beredungen der Bräutigam (brydguma) mit ve? 
wanbten der Braut ein Kaufgeld, welches Lebtere —M 
Aufbewahrung deren naͤchſter Verwandter erhielt, und AH 
fhon für die künftige Ehefrau die Morgengabe (morgespl 
dos), welche zugleich ein haufig in Grundſtuͤcken .befieah 
Witthum für den Fall des früheren Ablebens des Maul‘ 


[>43. FLVI.L EN Lu °._ı EL _ı1. en _...n -. PP Wi ee... 





Bon beninnern Zuſtaͤnden der Angelfachfen. 505 


Verwandten der Braut die Bevormundung ihrer Angehörigen hin⸗ 
fort dem Ehemanne übertrugen, fcheint auch mund, wie beiden 
tongobarden, und mundr im Norden genamt zu fein‘). Je 
mehr die Familienverbindung noch galt, und je eher bei dem 
kriegeriſchen Wanderleben die verbeirathete Tochter verlaffen 
oder verwittwet den väterlichen Verwandten wieder anheim⸗ 
fallen konnte, deſto wichtiger war ber. Kaufpreis, welcher we 
nigſtens zum Xheile eine ähnliche Beſtimmung ald die Mors 
zengabe erhielt. Bei: den ficher begründeten Verhaͤltniſſen fried⸗ 
licher Staaten wurde biefe bedeutender, der Kaufpreis dber 
zlieb als Symbol, oder wurde lediglich dem guten Willen des 
Braͤutigams überlaffen ). Das Mund der zur anderen Ehe 
hreitenden Wittwe war in Bezug auf den Rang ihres frühes 
sen Mannes gefeßlich abgemefjen’),. Fuͤr die Erfüllung die⸗ 

ſer Bedingungen wurden Bingen und Pfänder gegeben. Ging 
ber Verlobte die Ehe in beftimmter Friſt nicht ein, fo hatte 


er, auffer einer beflimmten Strafe, den feflgefebten Kaufpreis . 


ber Braut zu zahlen‘). Die Habe welche dieſe vom Bater 
als Ditgabe erhielt °) (fioh, gleich dem lombardiſchen phader- 
fio im Gegenfag des inetlio oder Kaufpreifes), kehrte nach 
bem Tode der kinderloſen Wittwe an ihre Verwandten zuruͤck. 
Dieſelben erhielten auch ihre. Morgengabe nath abuse 
Rechte, wie wir 85 bei den Dflfalen und Angern finden ®). 


p. 75. Schmid 208) ſcheint mir. jedoch $. 8. Beides zu trennen. 
Die Stelle beweift für bie Angelfachlen, was Grimm (Mechtsalten 
thuͤmer 427) von andern germanifhen Völkern annimmt, daß die Braut 
ben Kaufpreis, welcher daher auch zuweilen bie dos genannt wurde, 
und die Morgengabe zufammen erhielt. 

1) Aethelb. dom. 74. und bafeldft Price. 

2) Cnut. I, 72. So möchte es ſich ſchon bei ben benachbar⸗ 
sen weniger Eriegerifchen Stämmen der Germanen verhalten haben, von 
benen Zacitus feine Beobachtungen entlehnte, der des Kaufpreiſes nicht 
zedenkt, aber die gleich jenem mit den Verwandten vor ber Hochzeit bes. 
redete Morgengabe kennt. Cap.18.: dotem uxorimaritus offert— paren- 
‚es et propinqui munera probant, Inter hasc munera uxor accipiter. 

8) Äthelbert 74. ' ' 

4) ne 81. . 

5)-Das armorum liquid fr Taeit. ‚German. ‘17. 

6) Spaten 0. Lex Saxontim tik. VIIHI. art, 2. 

38* 


—* 


600 Sechste Abtheiluns. 


Eheverbote wegen zu naher Verwandtſchaft und Schwoͤ 
geyſchaft wurden durch die chriſtliche Geiſtlichkeit eingeführt, 
doch fanden ſich Gründe die Ausdehnung derſelben zu beſchraͤr 
Sen‘). Freiwillige Trennungen bee Ehe waren fiatthaft, bei de 
‚nen die Ehefrau, wenn die Kinder bei ihr blieben, die Hälfte 

des Geſammtvermoͤgens, verweilten biefe bei. deu Manne, de I 
Anteil eines Kindes erhielt ?). _ 

Der Gehorfam gegen den Ehemann, welchen das Geſeh 
von der Frau verlangte, war fo ſtreng, daß bie: Frau nicht 
serpflichtet war Diebflähle ihres Mannes anyuzeigen ?’). Doch 
finden fi bei den Angelfachfen Teine Nachrichten, daß bem 
Manne es geſtattet geweſen ſei feine ihm angetrauete Fra 
zu verkaufen, wie eine vermuthlich auf Misverſtand altın 


Rechtes beruhende Anſicht dieſes noch heute geſtatten will. 


Das angelſaͤchſiſche Verlobungsformular iſt nicht aufge 
Funden; doch die Übereinflimmung verfchiebener fehr alter alk 
texirender amd rhythmiſcher Formulare in verfchiebenen engle 
"Schen Provinzen, welche yor der Kirchenreformation gebraucht 
wurden, ‚berechtigt uns wohl anzunehmen, daß fie alle dem 
angelfächfifchen nachgebildet find. Sehr auffallend erinnert dr 
Ernſt und die-Würde derfelben. an, die Betrachtungen, wei 
Tacitus über die Eingehung der Che der. Germanen mail 
und. welche vielleicht feine Kenntniß des Berlöbnißformuln 
berfelben bezeugen *). 

Über das Sachenrecht bleibt hier wenig zu bemerken, da 
von den Schiefalen des Landeigenthums bei den ſtaatsrechtli⸗ 
en DVerhälmiffen die Rede war. Die Übertragungen des 
Eigenthumö, beſonders bes Landbeſitzes, waren, theils ſym⸗ 


1) Bedae hist. eccl. I, 7. 
2) Äthelbert 78. 79. 2 


‚ 3) Ine 57. 
er Jene iauten: I take thee — to be my 7 wedded hasband (wife) 
to have and hold — for better, for worse, — for richer, for 


poorer — in-sycknesse, in hele — for fairer, for fouler etc. (die Zrau 

gelobt auch to be bonere and buxom) till death) us depart. Tacit. 

German. c. 18: Mulier ipsis incipientis matrimonii auspiciis admo- 

netur, venire ae laborum perichlorumque sociam, idem in pace, idem 
in proelio passuram ausuramgue, Sic vivendum ‚ sic-pereundum. 





m m Herr - 
3 


- 


Bon den innern Buftdnden der Angelfahfen. 597... 
| bolifch *) mit Helm, Schwert, Bogen, Pfeil, oder was fonft 


als Denkzeichen aufbewahrt werden konnte, theils an Formu⸗ 
lare geknuͤpft, deren Rhythmus wir noch haufig in den angel: 
fächfiichen Urkunden wiederfinden ?). ' 

Die Übertragung durch Scheifttiche Documente war fehr 
gebräuchlich, und wir befigen daher noch manche Urkunde. aus 


. der angelfächfifchen Zeit in der Kandes= wie in der lateinifchen 


Sprache, welche bis auf die erften Zeiten der Glaubensboten 


‚des Papſtes Gregor I. zurüdgehen. Das, Intereffe der angel⸗ 
fächfifch gefchriebenen Urkunden für unfere Tage ift um fo 


größer, da beutfche Urkunden vor dem’ breizehnten Jahrhun⸗ 


derte nicht vorhanden find; doch muß bemerkt werden, baß 


auch von jenen die Driginale felten vorgezeigt werden koͤnnen 


und daß manche, namentlich alle mit großer Farbenpracht und 


goldenen Buchftaben, erft nach der normannifchen Eroberung 
gefchrieben find, um die damaligen Landesherren zu täufchen. 
Der Verkauf des Landeigentbumd war durch die Einwil⸗ 
Ugung der nächften Erben bedingt... Manchen Gefammtbefig 
und mancherlei Näherrechte muß eine fo fehr auf gemeinfame 
Vereinigung jeder Art begründete Verfaſſung erzeugt, haben, 
welche wir befier kennen würden, wenn wir. in den Urkunden 


die felten willkuͤrlich aufgeführten Zeugen ſtets zu beuten vers 


möchten. 

Der ‚Verkäufer leiſtete dem Kaͤufer Gewähr (waere) und 
verpflichtete fich zur Vertheidigung des verkauften Grundſtuͤcks 
gegen widerrechtliche Anſpruͤche und zu beträchtlichen Bußen. 


Der Verkäufer beweglicher Güter, welche angefprochen wur: 


den, ward, wenn er Teine fernere Gewähre (geteama) hers 


beiführen oder fich fon vechtfertigen Fonnte, ald Dieb be 


trachtet ®). 


Das Pfandrecht tft fehon in ſehr urſpruͤnglichen Zuſtaͤnden 
der Geſellſchaft von bedeutendem Einfluſſe, da theils der Man⸗ 


gel an Zahlungsmitteln Verpfaͤndungen haͤufig veranlaſſt, theils 


1) Ingulph. | 

2) Hearnes textus roffensis 51. enthält ſolche Sormeln zuſam⸗ 
mengeſtelltz vgl. Palgrave II, 1%. | 

3) Äthelreb IT, 10. 


— 





DB won den innen Zufänden ber Angelfahfen. PN 


‚nr ff Das vom Wolfe bei der Crobermg serlichene 
„ @oleland), an befiem Stelle ſpaͤter bie koͤniglichen Lehen 

— konnte mit den auf demſelben haftenden Verpflichtun⸗ 

auf. den Naͤchſten im Dannöftamme vererben oder 
in den Geſammtbeſitz der Söhne "gelangen. Ähnliche 
wmirngen finden ſich bei der. terra salica der Saalfran⸗ 
r terra aviatioa der Ripuarier, in welchem dem Allo⸗ 

°  entgegengefegten Pande nur der Mannöflomm oder bie 
@rfeite') forterben Sonate). Bei biefem  Zolclande war 
Weit der Niederzeichnung der fchriftlihen Gefege ber Fall 
ot möglich, daß der Water es vom Sohne erben konnte, 
ches bei dem we als gewöhnlich bemerkt wird, fowie 
berdanpt der maͤnniglich bekannten Exbfolge im. Boifslande 
icht anders ald gelegentlich. bei den Alledien gedacht 
ird. Dieſe aber, die Aflodien, beflanden zunaͤchſt ans Waf⸗ 
u, Schmuck, Sclaven, Hausthieren und anderer fahrender 
abe, aber auch aus unbeweglichem Eigenthume, weldhes er: 
t ober ſelbſt erworben und ‘errungen war. Solche Grund⸗ 
be find es welche bei den Angelfachien gewöhnlich den Nas 
73 „Bocland“ führen. Erbrecht. an den Altobien befaßen 
nntlihe, in gleichen Grade dem Erblafter naheftehende 
wwanbte, unter gewifien näheren Verfügungen für Waf⸗ 
ı und Frauen: Gerade. - Borland konnte felbft au Frauen 
nacht werben ); doch bildeten fich bald im einem noch krie⸗ 
rifchen Zeitalter auch Grundſaͤtze für die Vererbung des Als _ 
xiallandes, welche denen, die Volksland ımb Lehne beiras 
ı, äbnelten. Das den Frauen vermachte Borland wurde 
x ald zum Nießbrauch gegeben betrachtet. und kehrte an den 


1) Es iſt ſchon oben bemerkt, daß ber Ausdruck Speer⸗ für 
west : Geite ich in keinem der aͤlteren Geſetze als der ax Angliorem 


bet, Diefer ſcheinen audy die franzäfifchen Juriſten ihr „tomber de _ 


sce en quenouille“ entlehnt zu haben. S 

2) Leg. Henrici J, 70. $. 14 - 24. Bei ber Abfaffung des $. 19. 
5 lex Ripuarior. tit. 56. vor, aber bach wohl nur weil das Recht 
ſſelbe war. Beide Stellen erläutern fü dahin, daß ber Vorzug des 
tannsftammes nicht bei jedem Grundſtuͤcke, fonkern unbedingt aur bei 
rra aviatica (si terra exinde, sc. a virili sexu, sit) flattfindet. 


8) ©. Kifreds Teftament in Wiles Affır. 








win YAM DIV AUUUREERRNZEND guy 3 HU u .5 
das gefammte Vermögen, es fei denn daß fie vor Aid 
Trauerjahres zu einer andern Ehe fich entichloß). 
: Bei ben Foderungen aus Verträgen find die viden Mb 
lichen Befiimmungen zu beren Beglaubigung ſchon 
Die Rüdgabe gekauften Viehes, welches ſich ald ungund w 
wies, blieb dreiffig Tage hindurch geftattet, wenn der Belle 
fer nicht eiblich feine Unkunde des Fehlers bemähtn Inte‘) 
, Der Mangel an größerer baarer Münze machte Mi 

bung anderer Zahlungsmittel häufig Tünftliche und bu a 
fehriftliche Verträge erfoderlich. | 
| Bürgfchaften waren fehr häufig, fowohl aus Ih 
Stunde, ald aus der eigenthümlichen altgermanifcen Brülb 
pflege hervorgehend. Doch in Fällen einzelner Berhirgag I 
ben. wir diefe, wenn nicht vom Erſatze von Gelb tn MM 
‚Sachen die Rebe ift, fowie auch die allgemeinen | 
gewöhnlich nur von der Stellung des Verbrechers vor % 
zu verfteben. J WB 

Die Begehung unerlaubter Handlungen - war mit 

facher Geld» aber auch Freiheits⸗ und Eörperlicher Stra 
droht. Die Zobeöftrafe fand, wie bei den alten Gem 
nur bei ehrlofen Handlungen, wie thdifchem Morde, | 
brande und Diebflahle, flatt‘). Doch war aub bi 














/ 


Bon ben intern Bußänden der Angelſachſen. 801 


Strafe dem Willen und der Ausführung des Verlebten anheim⸗ 
jeftellt, welcher zu feinem Wergelde in ſolchem Falle verpflich- 
et war. Die gewöhnliche Strafe bei fchweren Verbrechen war 
ie Achtserflärung, wodurd der Geächtete (utlage) für vogel⸗ 
rei erklaͤtt wurde, oder, nach dem Ausdrucke jener Zeit, ein 
Volfshaupt erhielt. Keiner durfte diefen Mann verbergen, ihn 
u tödten war geftattet, wenn er fih zur Wehre febte"). 
Das Abfchlagen ber Hände und Fuͤße ward gleichfalls gegen 
Diebe geſtattet. Befängniffe werden mit dem römifchen Na⸗ 
nen Kerfer genannt. Straftarife von Bußen für Börperliche 
Beriegumgen fehlen bei den Angelfachfen nicht und find bei⸗ 
abe fo ausführlich wie die friefifchen. Jeder Theil und jebes 
Eheilchen des Körpers, felbft die einzelnen Zähne. und Nägel, 
varen beſonders gefchäßt. Die Sthngelder find von denen 
nderer Völker verfchieden ?), doch deren Segenftände find dies 
elben. Die Verwundung des Antliges, unter dem technifchen 
fuödrude  „WVlitivam, finden wir bier, wie bei Islaͤndern, 
Angeln, Sacfen und Frieſen. Es laͤſſt ſich übrigens hier 
vie bei der ganzen ſchriftlichen Geſetzgebung der Angelſachſen 
emerken, daß fie des Symboliſchen und Alterthuͤmlichſten 
ticht viel enthaͤlt; allenthalben findet ſich in den Aufzeichnun⸗ 
jen Streben nach genauer Begriffsbeſtimmung und daher Aus⸗ 
wu in Zahlen und Gelde. Altertbümliche Bußen und ans 
‚ered Ähnliche finden wir daher häufig erft in fpdteren Geſetzen 
einerkt oder gar nur durch die Sitte erhalten. Zu folchen ges 
hoͤrt auch die Buße für dem getödteten Schwan, welcher beim 
Schnabel aufgehangen mit Kom zu befchütten war. An aͤhn⸗ 
iche Bußen für Menfchen -und deren Abwägung in edlem 
Metall erinnert noch das Anerbieten der Mutter des’ legten ans 
‚elfächfifchen Königs, für den Leichnam ihres Sohnes ein glei⸗ 
hes Gewicht in Golde abumichen. 
1) Eadward der Bekenner $. 7. 


2) Auch diefe nicht immer, z. B. das Abhauen ber Ohren; deren 
Zerftümmelung. wird nach. leg. Aethelberti 89—42, wie in leg. Alemap. 
it. 60. mit zwölf und fechs Schillingen beſtraft, hoͤher aber der Ver⸗ 
uſt des Gehoͤrs. S. Price a. aD. 





gelten oder verbreifachten Anzahl von Urtheilern beichal' 
Dieſer Ausſchuß war vorzüglih für die Emtbedung ode I 
terfuchung ber in feinem Bezirke begangenen Berbrehen I 
ſtimmt; mit der Feſtſtellung des Verbrechens war aber über M 
Beklagten entſchieden. Die Thane ſchwuren: feine (dull 
Männer beftagen, Feine Schuld verhehlen zu mol. Di 
Ausſchuß fcheimt anfänglich feine Findung dem Gene F 
Beftätigung oder zur Abhaltung ber Gottesurtheile un 2 
führung feierlicher Gerichtögebräuche vorgelegt ju ham Er 





hbeſonderer Name für die Mitglieder dieſes Auscuid, 3 





worbifchen Nefnd, Nemede entſprechend, war nicht borhanbe 
und wurbe ihnen vieleicht erſt in Bezichung auf cn ih 
malige Beeidigung: Wo ſich biefer Ausſchuß aber FALL 
Stand findet, in welchem feine Mitglieder mehr de Cun 
ſchaft von Urtheilern erhielten, wird ihnen der None ml 
gegeben”). Zwei Drittel der vichterlichen Stimme WM 
einen gültigen Ausſpruch; die Überflimmten hatten * 
buße zu entrichten ?). 

Der Proceß zeichnet ſich durch die dem Bag Wi 
laͤſſge Stellung von Bürgen aber Rieberlegung von PM 
für fein Erſcheinen am Gerichtötage aus. Zu dem RM 
verfahren war das Inſtitut der Cideshelfer, der Werpiil 











- Bon ben inneren Zuſtaͤnden der Angelfahfen. 603: 


ee Magenfchaft ihren Verwandten mit den Waffen beizuſtehn 
ntfproffen und zur gerichtlichen Fehde gemildert, beſonders 
znısögebildet. Wenn ber Ginzelne einen Andern eined Verbre⸗ 
mens bezüchtigte (tyht), fo muſſte jener felbft vorher ſchwoͤren 
»forath), daß er dieſen nicht aus Haß, noch verhohlenen 
runden, noch untechtlicher Gier zeihe; ſieben Eideshelfer 
znuſſten ihren Glauben an die Wahrheit diefer Erklärung 
wleichfalld eidlich ‚erhärten. War der Beklagte. einem Herrn 
n'örig, fo Eonnte der Hlaford felbft oder deſſen Gerefe. auftre⸗ 
„en und ſchwoͤren, daß jener feit dem legten Volksgerichte fein 
mes Verbrechens überführt oder beftvaft fei, worauf der he⸗ 
Aagte Georl oder Sitheundman ‚durch ‚feinen von ‚einer gewiſ⸗ 
‚zu Zahl Eiveshelfer unterflügten Reinigungseid (lade ges 
Jannt, wenn es fih ‚von Wergeld handelte, werelade) 
„per das einfache Gotteßurtheil von der Anklage fich befreien 
printe. Der Werth bes Eides hing von dem Stande bei 
Beklagten ab, welcher ihn ablegte, und war bem Wergelde 
„jetielben gleich, fo daß alfo der Eid des gewöhnlichen Freien 
00 Schillinge wertb war!). Daher mar der hoͤchſte Eid, 
ser welchen ein. Twelſhyndumman leiftete, 1200 Schilinge 
Perth. Hatte der beklagte Lehnemann nicht das Zeugniß fei« 
_.jed Hlaford für ſich, fo mufite er die dreifache Eideshllfe flel« 
u oder das dreimal firengere Gottedurtheil beftehn. In allen 
allen hatte der Beklagte eine größere Anzahl von Perfonen. 
18 der Kläger zufammenzubringen, welche bereit waren ben, 
jerlangten Glaubenseid zu leiſten (rimath, ungecorenne ath), 
Bus welchen in verfchiebenen Fällen bald der Beklagte, bald der 
Ph bald das Loos die erfoderliche Zahl ausfchied (cyreath). 
ie Zahl der Eibeöhelfer ift in allen germanifchen Geſetzen 
Each der Größe der zu: leiftenden Brüche ober dem Werthe 
es ſtreitigen Gegenſtandes verſchieden?) und, wie es ſcheint, 
Soft ziemlich willkuͤrlich feſtgeſetzt. Das angelfächfifche Recht 
‚finden wir auch bier genauer beflimmt. ' Der Eideöhelfer 
n 1) Leg. Aethelredi I, 1. | 
w 9 In Beziehung auf die Stammverwandtſchaft möge hier bemerkt 
werden, baß der bei den Angelfachfen gewöhnliche 36 Manneneid ſich 
noch im 3.1472 bei den Hadelern findet. &. meine Schrift über aͤlteſte 
Gefchichte und Rechte des Bandes Hadeln &. 60. nt 


EZ 01, ]1i 2 2 0 2 2 ud * Da + De 1 ti ni ee + ee Sie VE 


trug, nur für 60 Hyden oder ebenfo viele Schillinge den Glan 


benseid ſchwoͤren. Gleichmaͤßig konnte der Ceorl oder Amy 





hyndumman, deſſen Wergeld 200 Schillinge betrug, fir ca 
Hyden, deren Äquivalent er im Wergeld hatte, deren will 
cher Befig aber ihn zum Twelfhyndumman gemacht hätte ei 
zehn Schillinge, deren Werth er in einer halben Hyde Mi 
‚ wirklich befaß, Eideshelfer fein. Nach diefer Rechnung pl 
es. fich denn auch. leicht, wie der Eid des Twel 

durch den von fech8 Georlen erfeßt werden konnte. 

Zu den gerichtlichen Beweismitteln der Angehſahſa ge 
hörten die Gotteöurtheile, und unter biefen auch mmhlh 
der Zweilampf. Da fchon bei den alten Germanen de IP 
kampf eines Landesgenoffen mit einem gefangenen finr M 
Vorbedeutung und göttliche Entfcheivung angeſehen —RX 
fo war der Schritt nicht mehr fern, die Entſcheidung ei 
ſchwierigen Beweisverfahrend in gerichtlichen Zweikaͤnpfen m 
andern erweislich aus bem „Heidenthume auf die Cm 
vererbten Gottesurtheilen zu fuchen. Die Erzählmgm % 

Eadmunds Eifenfeite Zweikampfe mit nut, von be 2 
derung Wilhelms durch ‚Harald beweifen, daß biefe Ei 
lerdings, wenngleich felten, flattfand *). Das Nichtvorleen 


ar ar 0m 8 u es „a W — . - - - .. -. — 








Bon ben innern-Buftänden. ber Ängelfachfen. 606 


Des gerichtlichen Zweikampfes in unfern angelfächfifchen Rechts⸗ 
‚quellen, obgleich fich eine eigenthumliche Benennung baflır fins 
wet, Orneste.‘), fcheint, bei einer ſehr allgemeinen, auch unter 
Men nächflverwandten germanifchen fowie norbifchen Völkern 
wınd fpäter in England nachzumeifenden Sitte, keinen Beweis 
gegen deſſen frühere Eriftenz bei den Angelfachfen zu bilden, 
wenngleich. fpäter die Priefterfchaft derſelben erfolgreich entges 
gengewirft bat. Die übrigen vorzugsweiſe ſobenannten Got⸗ 
Tesurtheile wurden ſelten und nur in Faͤllen angewandt, wo 
Der leugnende Beklagte den Glauben. bei feinen Rechtögenofjen: 
Durch frühere Verbrechen verwirkt hatte oder als Unfreier Feine 
Eideshelfer aufftellen konnte. Sie fcheinen vorzüglich" das Ge⸗ 
ſtaͤndniß des Verbrechers bezweckt zu haben, wie ſelbſt einige 
werfelben, namentlich die Probe des geweihten Biſſens (cor- 
ssnaed) und. die Kreuzeöprobe, vorzüglich auf. die Phantafie zu 
wwirken beſtimmt waren. Der Übergang von ben Gottesurthei— 
Mer zu der Zortur möchte näher liegen, ald wir anzunehmen 
zoflegen, wenn nur bie gröbften Misbraͤuche beider Beweismit- 
el. ins Auge: gefafjt werben. 
Man: bat den. Urfprung des Gerichtes der Geſchwornen 
trial by Jury) oft. ſchon in den aͤlteſten Zeiten der Angels 
Ku finden, bald aus ihren Gerichtöinflitutionen bald. von 
wen Eideöhelfern herleiten wollen. . Es findet fich jedoch bei 
Den Zngelfachfen Fein Gericht von Gefchwornen, welche die 
«Slaubwürbigkeit ber Anklage und ben Werth ber. Beweife 


Ben und Dänen, Sachſen und Shäringern hinzufügen. Aud in ber lex 
Saxonum, welde feltfamer Weife allgemein überfehn iſt, findet fich der 
Sweikampf, tit. 16. de terra aliena invasa — campo diiudiceturz 
win ähnlicher Ausdruck wie in ber lex Angliorum viermäl- vorfommt. 
SDer Ball der Anwendung ift -berfelbe welcher aus den leges 
2Baiuvariorum und denen der Alemannen bekannt ift und ber in Weſt⸗ 
mninfter felbft noch in den Zeiten der Königin Elifabeth ftattfand. Auch 
“Capitul. I. IV. c. 34. beweift, daß ber gerichtliche Zweikampf bei den 
Sachſen Sitte war: si aliquis Saxo — contendere voluerit in‘ Sampo, 
Micentiam habeat. 

1) Daß auch in Deutſchland fich der Ausdruck Ernft für Zweikampf 
Winbet, ſpricht für diefelbe Bedeutung bei ben aͤltern Angelfachfen. ©. 
MH altaus glossar. Erneſtkreiz für Kampfplag gebrauit Sottfried 
Von Straßburg. Triſtan und Iſolde V. 6764. 


J 








del + Die FE ARE Darin + Dass * Dr ee > Bd Fr Ad * Kae 
theilee zugleich, zu ihrem WBefchluffe wurde Einfinmigl 
nicht verlangt. Zwei Urfachen vorzüglich haben dife wi @ 
dere alte Gerichtöverfaffungen fo ſehr umgeftaltet, daß ſa 
Vergleichung große Umficht erfodert, naͤmlich: das gang W 
änderte Beweisverfahren nach der Aufhebung der Gorteiueb 
und ber Eideshuͤlfe, ſowie noch mehr die Entflehung id P 
fehriebenen und wiffenfchaftlich ausgebildeten, anfatt W 
als Zhatfache vorhandenen, von Urtheilern nur bezeugt Sp 
tes. Die Zeit und Art dieſer Umgeftaltung ergit 
die Gefchichte der erften normannifchen Könige. 
Die oberfte Gerechtigfeitöpflege hat urſpruͤngith on ® 
dem Könige und dem Witenagemote gernerfchafil F 
gen. Doch trennte fie ſich von Letzterm; jemeht de 
bietion. des Erſtern durch befondere desfallſige Viduſ— 
vermehrt wurde. Der Koͤnig war oberſter Richter bei va 
gehungen feiner Krieger, bei ben Lehnftreitigkeiten fen 
bei gewiffen ihm vorbehaltenen Fällen, in welden je % 
Buße zufam'), da wo fein Friebe auf Lanbfraßen u 


ſeinen Gebaͤuden verletzt war, bei andern Faͤllen ih, © 















feine Unterthanen wegen Beſchwerden wider ihre geue 
Gerichte an ihn fich: zu wenden veranlafit warm?) # 
Könige Alfreds und Eadgars Daͤtigkeit im geregelten GM 





Bon den Innern Auftänden ber Angelſachſen. 60% 


In, und das Recht der Ermäßigung der Eöniglichen Brüche 
der Begnadigung der Leib⸗ und Lebens = Strafen auszuüben. 
Bo der König weilte, konnte er Gericht halten, und der Ans 
eklagte genoß feinen Schug und Frieden nicht nur in dem. 
[file der Löniglichen Wohnung, fondern auch in einem Ums ” 
reife von feinem jedesmaligen Aufenthalte, welchen die alte 
techtöfprache mit mehr poetifcher als mäthematifcher Anfchaus 
chkeit bezeichnet: von dem Burgthore, vor welchem ex fist, 
ach vier Seiten hin drei Meilen, drei Viertel GFurlongs), drei 
ſckerbreiten und neun Fuß, neun Speergriffe und neuh Gers 
enlömer '). Die Anfegung reifender Oberrichter fand burdj 
ie angelfächfi fchen Könige nicht ftatt, da'die Königliche Juris⸗ 
iction auſſerhalb Weſſer, aus mehrfacher Rüdficht, ſeltener 
sgerufen wurde und den großen Fürfterr und mächtigen Geiſt⸗ 
hen der legten angelfächfifchen Regierungen die Verwaltung 
teler königlichen Rechte übertragen war. Das Amt bed Kanzlers 
zurde durch jenen wandernden koͤniglichen Oberhof (curia re- 
„is) mehr und mehr bedeutend, befonders da er noch nicht 
‘on eingefesten Richtern umgeben war, fondern die angefehn 
em Männer der Provinz und der Begleitung des Königs 
"uch ihren Rath die Entfcheidung des Königs lenkten. Die 
‚roße Mannichfaltigkeit der Rechte und Gewohnheiten in ven 
serfchiebenen Beftandtheilen des angelfächfifchen Reichs muſſte 
„ie Veranlaffungen, das gemeinfame Oberhaupt um Entfchels 
"ungen anzugeßn, vermehren, während zugleich die geftelgerten 
Infprüche der Kirche den Ausſpruch des Königs "gegen die 
Inien häufig zu erlangen wuſſten. 

Es iſt hier nicht der Ort eine fernere Überficht des ame 
erfächfifchen Rechtes zu geben. Nur. die der Gefchichte ange⸗ 
Örige Bemerkung ſei noch verſtattet, daß nicht nur in den 
voßen Zügen jened mit dem. germanifchen übereinftimmt, ſon⸗ 
ern auc in Fleinen Zügen und in der Rechtsſprache felbft, 
veiche die Eroberer nach Britannien gebracht haben. Das .. 
ngelfächfifche ift oft durch die Verbrehungen der Normannen 


1) Wilkins leges p. 63. Schmid S. 2:0. Schon das Haus, 
der die Hufe des Mannes, bei welchem der König einen Trunk genoß, 
‚ar mit boppelter Buße befrichet. Wgl. leg. Aethelberti «. 2—5. 
Ba ©: 6. . Bu . 








L 


Bon ben Innern Zuſtaͤnden ber Angelfachfen. 609 


Die Anfänge des fächfiichen Staͤdteweſens ſind auf die 
Silden zu heidniſchen Opfern zuruͤckzufuͤhren ’). Diele Feſte 


varen mit den Gerichts⸗ und Markt: Tagen verfnüpft und - 


onnten auf der dem Feſte folgenden .Morgenfprache (morgen- 
paece) durch den den Prieftern zuſtehenden Blutbann häufig 
inen fehr ernſten Charakter annehmen. Das gemeinſchaftliche 


Mahl, welches einen gar wichtigen Anfangspunct vieler politi⸗ 


chen Einrichtungen gebildet bat, erhielt die Weihe des religiös 
en Cultus, welcher in ben fpäter erhaltenen Zuinkfprüchen ?) 
er Angelfachfen noch wiebererfannt werden möchte. Sene 
Eeufelögilden, wie Die chriftliche Geſetzgebung fie nannte, ganz 
u unterdrüden, war in den germanifchen Ländern fehr ſchwer ?), 
ad es muffte nicht nur für den Cultus ſelbſt, ſondern auch 
uͤr die mit demſelben mit groͤßerer oder geringerer Willkuͤrlich⸗ 
eit verknuͤpften Einrichtungen ein Erſatz dargeboten werden. 
Die feſtlichen Vereinigungen blieben unter den Standesgenoſſen, 
md während für die Feſte und Gerichtsverſammilung der rei⸗ 
bern Thane die eigene Halle diente, wurde allmaͤlig fuͤr we⸗ 
riger beguͤterte Freie ein gemeinſames Gebäude aufgerichtet, 
»eſſen Name (domus convivii) zeigt, wie jebe Berathung 
nit einem Mahle verknüpft war. Dem Mahle blieb der 
Sriede des alten Glaubens. Alle Genoffen deffe (ben, falls ihre 


Zahl nicht fieben überftieg, hatten Daher das Wergeld für den. 


n ihrer Mitte Erfchlagenen, wenn fie den Thaͤter nicht auslie⸗ 
erten zu geichen Theilen u eimrichten 9. Je enger die Ge⸗ 


Fr Taciti Germania G. 2. Bol. überhaupt daß freie Bet 
on W. E. Wilda über das. Gildewefen im Mittelalter. 


2) Roman de Rou vs. 12473.— 77. 


8) Leg. Withredi 12. 13, Canuti leges eccl. 5. Capitulare de 


‚art. Saxon. c. 2t. Si quis in honorem daemonum comederit etc. 
4) Lex salica tit. 46, 1. 2. weldje Stellen irrig dahin interprefirt 
ind, baß fieben ein convivium bilden. Der Grundſatz, daß fieben Zu: 
ammenbetroffene gleich ſchuldig find, Tcheint auch in der angelfächfifchen 
Rechtspardmie zu liegen, „fieben heiffen Diebe‘ (leg. Iuae 13.), welche 
nit gefangen mit gehangen werben, und koͤnnte daher wohl bie Sieben 
ven böfen Ruf erhalten haben, welchen fie fchon bei Jul. Capitolinus 
im’ Verus) und Aufonius (KEphemeris) trägt, wo ‚mehr als ſechs 
Bäfte, alfo fieben ein convicium genannt werden. 
gappenberg’e Geſchichte Englands J. 39 


N 











610 Sehste Abtheilung. 


E 


noſſen zuſammenlebten, deſto mehr Beranlaffungen zu mm 
Vereinigung boten ſich dar, und auffer dem religiöfen Zweit 
erbliden wir fchon früh Vereine (gildoniae) zu gm 
feitigen Hülfe, “wenn nicht auch zum Schabenderfahe I 
Schiffbrühen, Brand und andern den Einzelnen erdricais 
Unfällen ). Befonderd in den an der See gelegenen Habih 
ſchen und benachbarten Städten bildeten fi die Snumga 
der Hörigen, aud welchen der Keim der ſtaͤdtiſchen Vecaſcn 
fi) entwickelte ). Da jedoch dieſe Bünde im 
Reiche der Einheit des Staates oft bedrohlich ehe, 
wurden fie häufig verboten und vor Allem der Ger 
Eides bei ihrer Eingehung unterfagt. Bei den Angıllal 
finden wir feine ähnliche Verbote der Gilden, vieleiät mr 
ihren veligiöfen Charakter nicht verloren und daher unfet | 
wirkung ber Geiftlichkeit flanden. Die eigenthümlid gig 
Gilden waren zahlreich und früh, ſchon ſehr ausgik; 

Die Verpflichtung der Gilden, den Frieden zu erhalten, & en 
fo weit auögedehnt, daß in den Gefegen König A ⸗ 
felben ein. Theil des Wergeldes, wie oben erwaͤhnt, £ 
wird. In London waren mehrere Friedgilden n 
Staͤnde vorhanden, welche in König Äthelſtans Ze iR | 
merkwürdige Vereinigung zum beſſeren Schuge ihre 
thums ſchloſſen“), Die gleih den fränkifchen * 
ner Art nicht durch Eide, ſondern durch Austauſch 
Unterpfaͤndern geſichert wurde. Auſſer den londour GA 
gilden kennt man in der angelſaͤchſiſchen Zeit die 
zu Dover, welche eine Friedgilde vorausfegen ft IWW. 
drei Gilden der Bürger (gefersira®) zu Ganterburh;‘\ E 
barf ı man annehmen, Daß viele andere ſchon damals eie 


as 
am 


TSEHFNE 



















— — 


— —am_ 


1) Capitul. Caroli Magni de 779. art. 13. 
2) Capitul. LIV. c. 7. aus ber Zeit Ludwigs bes —* | 
. Se. Hickes dissert. epist, und nach - ihm Zurner * | 
83. VI. Gap. 10. und Wilda a. ä. O. age 
4) S. oben ©. 386 u. 589 frithgilda: : Jadic. Londin, —* 

5) In ben .alfen angelfächfifchen Stoffen, welche Ducaniſs | 
Guildhalla anführt, wird fogar dieſes Wort durch frithgildum ah, 
Selbft die Städte werden frithbyrig genannt, Geſ. Ktheiftund ut 


* Bon den innern Bufländen det Angelfachfen. 611 


ielche erft etwas Tpdter, jedoch häufig als aͤngft vorhanden; 
r Befkättgungsurkunden erwähnt werben... In ben. handeltrei⸗ 
unden Städten erhielten dieſe Friedgilden, ober: doch eine 
wefefben, : welche die uͤber See fahrenden angefehaen Kaufe 
zaute enthielt, Veicht die Beſtimmung und ben Namen einer 
ranbelögilde oder: Hanfe, unter denm die zu York, weiche 
11? Hanſehaus beſaß, als bedeutend hervortritt ). J 
; An der Spige der Gilden, wie der Staͤdte, finden wir 
woͤhnlich Altermannen, welche biefelben verwalteten, ſoweit 
‚zen Autonomie reichte und nicht durch’ die. Rechte der koͤnig⸗ 
Een ‚Gerefen, Wyc⸗, Port⸗ oder Buts Gereven ?), welche vie 
Schte der’ Vogtei durch Amt oder Erbrecht aubuͤbten, be⸗ 
raͤnkt wat?).: Ein ſolcher Wycgereve iſt uns zu London 
fiebenten*), zu Winchefter “fon im neunten Jahrhunderte 
Sannt und bald darauf ‚zu: Bath’). - Der Einfluß der 
Andbeſi ger, auf und neben vderen Gebiet die Staͤdte erbaut 
mmren und bie dadurch einen eigentlichen Ariſtokratenſtand bil⸗ 
Sen, blieb lange zu erkennen. Am den König wurde ein oft 
Seutender · Koͤnigszins entrichtet), wenn nicht derſelbe an 
zen mi v dem oben, der Star belehnten Than era be the 


y) Auſſer den Hanſen zu Beverley und Dunwich koͤnnen wi deren 
we zu Montgomery und zu Hereford ſchon im Anfange der Regierung 
gg Königs Johann als beftehend nadjtoeifen.: ©: Magnus Rotulus 
KDae de anno fegni’ regis ‚Johanna. kerio p. 108. ©... 

2) Den -Wykgieven, ſpaͤter Wycvdgt, kennen wir -in’ manden 
wähfifchen. Stuͤdten: State, Winden, wie denn aud nur in ſaͤchſiſchen 
undern der Ausdruck Weichbild vorzulommen fcheint. Der alte: Burs 
eng ſcheint ‚heit mmlich mit dem ſpaͤtern Burggrafen verwechfelt zu 
wurden. 

3 Thierry (histoire de la conquete, de l’Angleterre T. II.) 
104 in dem tapfern Ansgard den erſten Vorſteher der londoner Danfe 
der Buͤrgerglide erkennen. Doch kennt man weder eine Hanſe der or: 
ner noch irgendwo einen ‚Hanfewarben. 


J 4) Leg. Hlothör, art. 16. „Bon dem im J. sot verſtorbenen 
eornwulf f chrõn. Saxon, ha | | 
5) ‚Chron.: saxon, ad, a. 897 u. 907. 


6) Gleich dem Königszinfe zu Bremen, dem Wort: und Erb⸗ Binfe, 
nsæus Arcarum anderer deutfchen. Stähte, 
39* 


612 ur Schstı Abtbeilung 
manor) abgetreten war y. Vermuthlich iſt es dieſe Abgabe, I 


welche gewoͤhnlich mit dem auch in deutſchen Staͤdten uͤblichen J 


Schoß. (scot) zuſammengeſtellt und hlot. genannt wird ?). 
Die Altermannfchaften zu Canterbury waren mit_einem dorti⸗ 
‚gen veräufferlichen. Gutöbefige -(soca) verknüpft ?).: In den 
von ben Dänen bewohnten. Städten fand fich die Municinab | 
verwaltung in ben Händen von zwölf „Laghamannen”, deren 
Amt gleichfalls mit einer ‚Soca verbunden war, von welche 
in Cambridge ein vitterliches, doch nicht großes " Heergewette | 
dem Königögereven entrichtet wurde, . Diefe. Grundbefiger find 
es alfo, welche wir mit andern .in ber alten Gilde der Than⸗ 
jener Stadt vereinigt finden, welche. nicht nur zu Leichenbe⸗ 
gaͤngniſſen und Schmäufen, ſondern auch zur Erhaltung de J 
Zriebend und der Rechte eines jeglichen Mitgliedes vereinigt N 
waren, :Der Gildebruder weldyer ohne grobe Schuld einm | 
Kodtſchlag begangen hatte, wutde in Zahlung des Wergeldes 
unterſtuͤtzt; der erſchlagene Genoſſe von. allen Gegilden geraͤcht. 
Ein; Gildebruder welcher. deu andern, erſchlug, wurde aus ber 
Gefaͤhrtenſchaft (gefere) und Sreundfchaft geſtoßen. Auch fir 
die. Senofienfchaft der vereinten Thane - verbürgte: Die Gilde 
entſprechenden Schuß. Die untergeorbnete Stellung dbife | 
Thane geht aus der Erwähnung ihres Hlafords neben vum 
Gildegereven hervor. In andern‘ Stäbten befaß. die Sefammt 
heit der. Bürger diefe Privilegien der Sacq und Soca, woflt 
dem Körige befondere Heer; Schiffs: auch Jagd⸗Dienſte, ober 
Abgaben. entrichtet wurden. Die Bürger von Dover ſtellten 
dafuͤr ‚jährlich. zwanzig Schiffe, jedes mit einundzwanzig Mann, 
auf funfzehn Tage. In Cheſter wurden die zwoͤlf Laghaman⸗ 
nen aus ben Lehnsleuten bes Königs, des Biſchofs und des 


J 9 Ellis a. a. ©. I,.192 fg. Doomesday iſt bet dem Mangel 
Älterer Urkunden unfere Hauptquelle für die Rechte der angelſaͤchſiſchen 
Staͤdte. 

2) Mlot, lot bedeutet vermuthlich eine sors, ein Grundftůck (. 
Grimm Richtealterihaner 584) und daher den Bins für daſſelbe. 
Die Abgabe kommt mit den angelſaͤchſiſchen Namen vor in leg. Ead- 
wardi Conf. c. 5%. und feüper- in einer: urkunde Dichelns des Erotereri 
in Rymer. foedera I, 1.- u 


3) Somners Canterbury p p- 9: 





6 


Bon den inneen Zuſtaͤnden der Angelfahfen: 613 


Earls erwaͤhlt. Kleinbuͤrger, im Gegenſatz zu den eigentlichen 
Großbuͤrgern, werben zu Derby, Norwich, Tateshall erwähnt 
(meinburgenses, minores, minuti), Cambridge war is 
zehn Wards abgetheilt, wie auch in London eine aͤhnliche Ein: 
theilung ftattfand, welche anfänglich den Zeothungen oder Tien 
Manna Zale der freien Landleute entfprochen hat’). 

Sehr anfchaulich ſtellt ſich die Entſtehung des ſtaatsrecht⸗ 
lichen Begriffs der angelſaͤchſiſchen Stadt in ihrer Verpflichtung 
zu Heerbann und Abgaben dar. Dieſe wurde gewoͤhnlich nach 
je fuͤnf Hyden gerechnet, und war alſo der von einer entſpre⸗ 
chenden Anzahl der geringeren Thane gleich, deren Recht auf 
dem Beſitze von fuͤnf heerbannsfaͤhigen Hyden beruhte. Brid⸗ 
port bezahlte gleich 5, Extter leiſtete die Kriegsdienſte von 5, 
Dorcheſter und Hertford zahlten gleich 10, Worcheſter zahlte 
gleich 15, Bath gleich 20 Hyden, Orford diente fo im Kriege, 
Chefter zahlte gleih 50, Shrewsbury gleich 100 Hyden. 

Auf dem Rechte an dieſen einzelnen Soken, aus denen 
die Stadt zuſammengeſetzt war, ober Übertragung ber Soca 
der ganzen Stadt (carta allodii ad aeternam hereditatem), 
beruht, nach angelfächfifchen Rechtöbegriffen, das Recht. der fläbs 
tifchen Jurisdiction?), wobei jedoch häufig eine aus roͤmiſcher 
Zeit vorhandene flädtifche Gemeinde dieſes Recht in unvordenk⸗ 
licher Verjährung ſich erhalten haben mag. 

Doch eine ununterbrochene Vererbung weſentlicher romi⸗ 
ſcher Staͤdteverfaſſungen moͤchte nirgend erweislich gemacht 
werden. Vertheidiger dieſer Anſi cht haben ſogar den Defenſor 
ber roͤmiſchen Municipalverfaſſung in dem praeco oder, ser- 
gandus der Städte des nörblichen Englands und Schottlands 
wiederfinden wollen’). Doch alle Verhaͤltniſſe und, Pfligten 


| 1).ÄHntich erfcheint bie Abtheilung des alten Eoeft in „Ty“ vi- 
‚euli, denen in andern Stäbten bie Kicchfpielseintheilung (Par. richtere, 
deputati ad parochias, domus parochiales) entſpricht. 


2) Deren Umfang wird angegeben in dem Tateinifchen Anhange zu 
den Geſetzen Enuts 8. 129 | 


EC athcart in der Borrebe zur englifchen Überfegung von 
Savignys Rechtsgefhichte, Th. J., geftüst auf die leges Burgorum 
bei Houard trait6 sur les coutumes Anglo-Normandes T. II. GEr 
iſt durch c. 75. irre geführt, worin es heifft: Si praece vel serjandus 


54 : Sechste Abtheilung. 


deffelben find nur Die des germanifchen Gerichtsſchetgen de 
Frohnboten, welcher, in ähnlicher Weife von den Binm e 
wählt, das größte Zutrauen ber Glaubwürdigkeit von ſche 
Zeugen. geniefft, Gefangene in fein Haus aufnehmen mai u) 
bei. Auflaffungen von Grundftüden gegenwärtig iſt. \ 
Keine ftäptifche Verfaffung in England ift fo wich ah 
die von: London. Das dortige Stadtgericht führte den Yuma 
hus-thing, noch) in den Huſtings, einem Gerichte gem 
tig erhalten, deffen Namen und Entflehung man nicht dd be 
Dänen zuzufchreiben braucht. Der Name der Wittigſten (heit 
auf die angelfächfiiche Stabtverfaffung nicht übertragen, ſo w 
nmig wie fie den der Schöffen’ kannte. Wir finden früher cam 
“ im Eadwards letztem Jahre zwei Tönigliche Portgerin $' 
London. Der ariftokratifche Einfluß der - angrenzenden & 
befiger iſt in London noch unverkennbar; welchen ad k 
Cnightenegilde angehörte, die innerhalb und auſerhab be 
Stadt Land und Gerichtsbarkeit eigenthlimlich beſß) WM 
diefer mag auch bie außgebehnte Jagdgerechtigkeit, ER 
Bürger von London in Chiltern, Middleſer und Ey I 
“saßen, beruht haben. | m 
Von einiger Regſamkeit im Handelsverkehre puhha Ib 
in den verſchiedenen Staaten Britanniens find manhe 
ven vorhanden. Dee Einwohner welcher einen franbe 
mann länger als drei Mächte beherbergte, muffte bein P I 
gen den Staat verbürgen, ihn vor Gericht ftellen oder PEN: 
büßen?). Der fremde Kaufmann welcher mit vielen 
reifte, hatte dem Königögerefen auf dem Kolcgemete SU 
über deren Zahl zu machen und biefelben erfoberihm 






























falsitati consentiat — causa constitutionis villae pessundan | 
minorandae — wo nur von einem Befchluffe der Bürger, weile v 
Frohn verkünden fol, die Rebe ift. Vgl. auch das von Catie 
nit angeführte c. 82. Über den germanifchen Gchergen vgl. odriss 
a. a. Q 766 fg., ferner die Statuten von Soeſt, Magdeburg & b 
iſt der sajo der Weſtgothen. 


1) Urkunde bei Rymer I, 11. bezeugt, daß fie vor der mi} 
ſchen Eroberung — tempore regis Eadwardi — vorhanden mE: | 
2) Leges Hiothar. 15. Caut II, 28. 


Ü ne Fun 


Bon den innern Buftänden der Angelfahfen. 615 


zu Rechte zu fielen). Kaufverträge über ‚Vieh muflten zu 
London von mehreren biderben Georlen oder dem Füniglichen 
Wicgerefen abgefchloffen werden). Später wurde verfügt, 
daß kein Kauf aufferhalb der Thoxe und ohne Zeugniß bes 
Portgerefen oder anderer glaubwürbiger Männer gefchehe °). 
König AÄthelſtans Geſetze find an feine Gerefen in allen Burgen 
gerichtet, deren Friedensbruch (burhbrice) aͤltere Geſetze 
ſtreng unterſagt hatten ). Der Buͤrgerſchaft (burhwara) 
ſelbſt war die Beſtrafung des Friedensbruches geftattet ), wo⸗ 
von, wie wir geſehn haben, die Buͤrger zu Dover gegen den 
Strafen Euſtaz Gebrauch machten. Dreimal im Jahre fanden 
bie Berfammlungen der Bürger (burhgemote) ſchon unter 
Eadgar 6) flatt, wie einft drei jährliche Opfer „und. wir 
‚die drei ungebotenen Dinge in der DVerfaffung der älteften 
beutfchen Städte wieberfinden. Zu ben eigenthümlichen Anz 
orbnungen für angelfächfifhe Städte gehörte die Eadgars, daß 
in jeber größeren Burg 33 Männer erforen wurden, beren 
Zeugniß bei Abſchlieſſung der Vertraͤge gelten ſollte, waͤhrend 
in der ganzen uͤbrigen Hundrede oder kleinern Burgen nur 
zwoͤlf dieſer Zeugen (gewitnesse) erwählt wurden”). In 
ſpaͤtern flädtifchen Verfaffungen finden wir dieſe befondere 
Glaubwürdigkeit den Kirchfpielbeamten fowie den Genoffen 
bes Rathes zuerkannt, und es wäre wohl möglich, daß bie 
ohnehin gewöhnlih aus der Marktpolizei hervorgegangene ſtaͤd⸗ 
tifche Rathöverfaffung zuweilen an diefes Inſtitut erkotner Zeu⸗ 
gen ſich angereihet haben mag. 


1) Leges Aelfredi 3%, 
2) Leges Hlothar. 16. Inae 25. 


8) Leges Eadwardi 1. Athelstan, 14. 7. Indie london. 10. 
‚ Eadmund. III, 5. Aethelred. I, 6. 


4) Leges Inae 45. Eadawndi 2. Aetheired. 

5) Foedus Aethelredi art. 7. 

6) Leges Eadgar. I, 5. Canuti I, 16. 

7) Leges Eadgar. II, 2. Nach Enuts Geſetzen 24. erſcheint dieſe 
Ginrihtung nicht wehr vorhanden. 





Von den Innern Zuſtaͤnden der Angelſachſen. 617 


tet. Das Vließ (flis), welches vor Mitſommer nicht gefchoren 
werben durfte ), lieferte die winterliche Kleidung, den Seffel 
bes Thanes, die Ausfuhrwaare, welche der Tunfifertige Ries 
ber= und Rhein= Länder in Tuͤchern wieber zuruͤckbrachte. Das 
Leder wurde nicht nur zu Fuß⸗ und Bein⸗-Kleidungen benugt, 
fondern felbft ber Iegte Hörige war an ben Gebrauch von 
Handſchuhen gewöhnt ?). 

Kein Theil der Viehzucht wurde aber mehr betrieben als 
die Schweinezucht, welche in allen Laͤndern, denen ihre alten 
Eichenwaldungen noch nicht abgeſtorben ſind, dem Sauhirten 
ein geachtetes Gewerbe gewaͤhrt. Auſſer dem Hirten, welcher 
bie Heerde des Haupthofs hütete (aehtheswan), gab es eine 
andere Clafie (gafolswan), welche einen jährlichen Zins von 
sehn Schweinen und fünf Ferkeln (stiferh) entrichtete und 
ben Überfchuß des Extrages für fich behielt, Dagegen noch mit 
einem Roffe zum Dienfte des Herrn bereit fein muflte. Vers - 
muthlich beftand bie letztere aus Nachkommen der alten Briten, 
wie auffer der Gafol die vermuthlich altbritifchen Ausprüde, 
welche fich hier wie in andern Zweigen der Viehzucht und des 
Aderbaues und zwar viel häufiger ald römifche finden, ver= 
muthen laſſen ). Auch die Bienenzucht wurbe viel betrieben; 
ber Bienenwärter lebte in aͤhnlichen Verhältniffen wie der 
Saubirte und befaß gleich Diefem zumeilen freies Eigenthum, 
was eine Folge des zunehmenden Bedarfes ber Wachskerzen 
heim kirchlichen Cultus geweſen ſein mag. 

Pferde wurden viel gezogen. Selbſt Kaͤthner Kotjeten) 


1) Legen Inae 69. 


2) Folgarius debet habere calceamenta et chjrothecas. Tractat. 
je dignitate hominum Anglosaxonum im rheinifchen Mufeum für Juris: 
prudenz Bd. V. ©. 145 fg. 


8) Hog ift dem wälfchen hwch, kornwaͤlſch hoch zu nahe verwandt, 
um es nicht zunächft für britifch zu halten. Die vielen übrigen Namen 
find germanifch: swin, sugu, fear (Ferkel), pic (engl. piq, holländ. 
big). Viele Materialien zur Bortfegung dieſer Unterfuchung finden ſich 
in J. G. Radlofs Grundzügen einer Bildungsgefchichte der Germanen, 
welche jedoch für hiftorifche Ergebniffe vor Allem einiger Sonderung der 
verglichenen Sprachſtaͤmme bedarf, um nicht mehr oder etwas Anderes 
ju beweiſen, ala beabſichtigt wird. 





618 Sechſste Abtheilung. 


hatten Pferde vor den Pflug zu ſpannen, und es iſt nicht zu f 
vperwundern, wenn nur zu ſchnell die landenden Seeraͤuber au 
den engliſchen Kuͤſten beritten waren. Auch wurde bie Aus 
fuhr derſelben begehrt, und König Äthelſtan fand ſich veranlaſſt 
den. uͤberſeeiſchen Verkauf derſelben zu unterfagen ). Auffallend 
iſt es daher, den Gebrauch der Roſſe im Kriege nicht haͤufr 
ger wahrzunehmen. 

Der Ackerbau genuͤgte dem Beduͤrfniſſe. Wir vernehmen 
nicht von Ausfuhr des Getreides, Hoch auch nicht von Ein 
fuhr, und von Hungerönöthen und daraus entflehenden Krank 
beiten bei ben Angelfachfen feltener als bei andern Zeitgenoffen. 
Wilhelm von Poitierd nennt England eine. Kornkammer be 
Ceres, wegen feines, Überfluffes an Getreide zu den Zeiten de 
letzten Eadward?). Das Geſetz gebot den größten Theil gr W 
ßerer Befigungen fletö zu. bebauen * Die verſchiedenen Getreide 
gattungen: Roggen (xyge), Gerfte (angelſaͤchſiſch bere, dem 
gothiſchen gleich), Waizen (hweat), Hafer (augelſaͤchſiſch ata, J 
engliſch oats auch haver) wurden ſaͤmmtlich angebaut. Die ſtarke 
Lultur des letztern laͤſſt vermuthen, daß derſelbe wohl, wie noch 
im ſuͤdlichen Schottland geſchieht, als Kuchen geroͤſtet zun 
Eſſen (woher der Name) benutzt fein koͤnnte. Sehr viel Get 
wurde verbrauet zu Bier, beor, ealath, auch eala genamt; 
ein Name welcher vielleicht von den Walifern berftammt‘) 
und fich nur bei nördlichen Völkern wiederfindet, welche deſſen 
Genuß den Angelfachfen verbanft haben koͤnnen. Die Oorg- 
falt für die Güte des vermuthlich dort zur Ausfuhr beftimm: 
ten Biered zeigt fi) zu Chefler, wo der welcher fchlechtes 
Bier braute, nur durch Erlegung von vier Schillingen von de 
: Strafe des Schandftuhles (cathedra stercoris) ſich loskaufen 
konnte. Wie vertraut auch die römifchen Briten mit bem Ader: 
bau geworben waren, fo müffen wir doch auch bei jenen be 
merken, daß alles Adergeräth germanifche Namen trägt, wit 
Egge (egtha), Pflug (plou, ploge, gewöhnlih sul), Sichel 





1) Leges Aethelstan I, $. 21. 
"2 Guil. Pictav. 210. 
... 8) Leges Inae 64 sq. 

9 Wilisc ealath. Leges Inae 70, 


1 


Von den innern Zuſtaͤnden der Angelfachſen. 649 


(sicol), Drefchflegel (fail) u. a,, uud daß Einzeines nur des⸗ 
halb ſchwieriger erkannt wird, weil manche germanifche Wörter 
‚bei uns veraltet find, ſowie 3. 8. Rechen, angelfächfifch. raos, in | 
| altdeuffchen Urkunden Rakyſen. 2 

Hier tft auch der Lanbmaße zu gedenken, welche gleich⸗ 
falls germaniſchen Urſprung verrathen, wie Acker, Ruthe, Daeg⸗ 
mete oder Demath, welches in Chefhire einem halben Acer 
gleich ift, wie ed in Oſtfriesland und Nordftiedland.’) vor⸗ 


kommt; Rep (rope), Ferling und Ferding?), Suling oder 


Swuling, von Sul oder Pflug. 
| ‚Unter ben Provinzen in welchen Aderbau und Biebzudt 
getrieben- wurde, möchten Ely, Norfolk und Suffolf auszuzeich⸗ 
‚nen fein, welche erſt durch die Bemühungen der dortigen Geift: 
lichen und andrer Einwohner ausgetroduet und: zu urbaven 
und ergiebigen Marfchlänbereien umgefchaffen wurden. 
Gärten werben bei den Angelfachfen am Schluſſe dieſer 
Periode häufig ‚genannt, weortgard, wovon bad englifche 
orchard , das ditere deutfche Wortgarten. Mit diefen Gärten 
find nicht zu verwechfen, fo fehr deren Erfcheinung und über . 
räfchen mag, die oft genannten Weinberge. In Gloceflerfhire 
und in andern füblich. gelegenen Sraffchaften finden fie fich bei 
jedem Klofter; ein Theil des Bodens bed jebigen Umfanges 
der Stadt London, Smithfield, war mit Weingarten bedeckt. 


Die Trauben der in dieſen gepflanzten Neben, welche durch | 


den Kaifer Probus zuerft gepflanzt fein mögen ?), wurden nicht 
nur verzehrt, fondern auch, und vorzüglich in ber gefegneten 
Shire Slocefter, ein Wein aus benfelben gekeltert, welcher den 
Zeitgenoffen nicht zu herbe duͤnkte). Sn Effer kennen wir 
Das Maß des Weines, welches aljährlih von Winzern dem 
Grundherrn zu entrichten war. Vielleicht iſt ed unnoͤthig zur 
Erklärung biefer Erfcheinung an ein früher milberes Klima 


1) Was am Tage gemacht witd, ſ. auch Falk nehttheſh Th. H. 
D In Hampfſhire und Somerſet, Doomesday. 
3) Vopisci vita Probi. 


4) Guil. Malmesb, gest. pontific. 1. IV. edit. Erancofurt. 


p. 283. Ellis 1.1.1, 116 eg. Über Smithfield ſ. Urkunde ki Ry- 
mer T. I. p. 17. 


60 Sechste Abtheilung. I 


zu glauben, ober eine Veraͤnderung des Bodens durch bie ſeit⸗ 
herige Benutzung anzunehmen; es genuͤgt vermuthlich hier, ſo⸗ 
wie bei den Berichten von dem Weine, welcher in andem 
noͤrdlichen Gegenden wie in der Mark Brandenburg wuchs 
ſich zu erinnern, daß unlaͤngſt von unſern Vorfahren weniger 
milde und ſuͤße Weine als jetzt genoſſen, und dieſelben mit 
ſuͤßen Ingredienzien vermengt und in mancherlei Zubereitungen 
genoſſen wurden. | | 
England war reich an Wäldern, welde in manden Ges 

genden durch den Schug, welchen fie Räubern darboten, bie 
Sicherheit der angrenzenden Einwohner und der Reiſenden ge 
fährbeten. Nach des leuten Cadwards Regierung überließ der 
Abt von St. Alband einen Manſus dem Thurmoth unter der E 
Verpflichtung, daß er ben dortigen Wald von wilden Xhieren 
und Raͤubern reinige und etwanigen Raub erfeße; auch Jieß 
er den Wald, wo er an bie Watlingſtraße fließ, zu mehrere 
Sicherheit ganz niederhauen ). Frevel und Diebftahl an 
Bäumen wurden jedoch fchon früh fireng beftraft). Ein be 
beutender Werth der Waldungen befland in. der Eichel: und 
Buchen: Maft, nach welcher der Eigenthümer gefchägt wurde‘). 
Der Werth des Baumes warb nach der Zahl der Schweine 
berechnet, welche unter feinem Schatten ſtehen Fonnten. Em 
andere wichtige Beziehung ber Wälder bot das. in Denfelben 
verweilende Wild dar. Das edle Waidwerk war die vorüg 
Uichſte Beluftigung der angefehnen weltlichen wie ‚geifllichen An: 

“ gelfachfen. Alfred war durch feine Gefchicktichkeit in Demfelben 
fhon in feiner Jugend auögezeichnet, manch Abentener, Hin 
terlift, Verſaͤumniß, durch die Jagdleidenſchaft anderer Zürften 
entftanden, ift berichtet; felbft Eadward der Belenner fchien 
oft feine Zeit nur zwilchen Meffen und Jagden zu theilen. | 
Schon die Augelſachſen Eannten eine Trennung ber niebern von | 
“ ber hohen Jagd; diefe fland nur dem Könige oder dem auß 
druͤcklich mit derfelben Belehnten zu, jene ben Grundeigenthuͤ⸗ 
mern. Vom Könige Cnut ift ein ausführliches Forſtgeſetz in 


‘ 1) Historia abbatum S, Albani, 


2) Leges Inae 43. 44, Aelfredi 12. | u 
8) Leges Inae 49, u oo 





Von ben innern Buftänden der Angelſachſen. 621 


einer fpätern lateiniſchen Überfegung vorhanden, welches er zum 
Beſten der Kirchen Englands, wie bie Einleitung befagt, ents 
worfen hatte‘). In jeder Provinz wurden vier Thane erſten 
Ranges für die Aufficht über die Wälder und bie Beurthei⸗ 
lung der Wald» und Jagd⸗Frevel angeftellt, unter denen vier 
Thane zweiter Claffe und einige Freie für die Wahrnehmung 
der. nähern Aufficht flanden. Diefe Männer wurden vom Koͤ⸗ 
nige jährlich mit Pferden und Waffen auögerüftet und erhiels 
ten ein Gehalt im Silbergelde, welches für, die Mannen ber 
verfchiedenen Glaffen je 200, 60 oder 15 Schillinge betrug. 
Die Vergehungen der Untergeorbneten wurben nicht in ben 
" allgemeinen Hundrebögerichten, fondern von den Forfibeamten 
der erſten Claſſe beurtheilt, welche leßtere wieder unmittelbar 
unter dem Könige fanden. Der Todtſchlag eined mittlern 
Forſtthanes wurde dem Könige gleich. dem eines Königswildes 
gefühnt. Auffer dem Hirfche wurben haͤufig auch Büffel, Has 

fen, Kanirichen u. a. gehegt, welche Hegung (deorhege) fos 
wie dad Bufammentreiben. bes Wildes ‘(stabilitio, stabilitas) 
‚zu ben laͤſtigen Pflichten der Hörigen und der Bürger gerech- 


net wırde?). Nur Wölfe und: Fuͤchſe zu: ſchieſſen wenn man 


fie aufferhalb eines Geheges antraf, ſtand einem Jeglichen frei, 
und wohl mögen wir und verwundern, wie letztere Thiere noch 

bis auf den heutigen Tag der unerſchoͤpfliche Gegenſtand der 
Verfolgung und der Jagdluſt des engliſchen Landjunkers haben 
bleiben koͤnnen. Die britifchen Doggen, welche fchon die Auf⸗ 
merkſamkeit der Römer auf fich gewandt hatten, wurden auch 
. von ben Angelfachfen. gezogen, und je zwei Geburen hatten die 

Obliegenheit eine derſelben zu füttern, 
| Der Fiſchfang war im ganzen Mittelalter durch die einge⸗ 
führten Daftenfpeifen eine noch wichtigere Beſchaͤftigung, als er 


1) Gedruckt inSpelman glossarium archaeologicum und Schmid 
angelſaͤchſ. Gefegen S. 171— 1745 mit denen über Wälder und Jagden 
zu vergleichen de dignitate hominum Anglosaxonum und Ellis 1, 103, 
Die Erwähnung ber lex Angliorum tit. I. art. 2. in dem Gefege 
Enuts ift um fo merkwürdiger, da jenes Geſetz gleichfalls fchon den 
in Park gehegter virſche und andere orſtrecheuiche Beſtimmun⸗ 
gen t 


2) De dignit; homin. 


4 


Bon den innern Zuffänden der Angelfachfen. 623 


lande, welche Salzquellen benusten. Doch waren bie vor 
Worceſter und befonderd die „Wiches“ (Salzbrunnen) ‚von - 
Shefhire fehr bedeutend. Letztere, uͤber welche Doomedbay aus⸗ 
fuͤhrliche Nachrichten ertheilt), ſcheinen groͤßtentheils zur Aus⸗ 
fuhr nach waliſiſchen Staaten gedient zu haben. 
Staͤdtiſche Gewerbe ſcheinen im Allgemeinen’ noch nicht zu 
einer großen Auszeichnung gebracht und nur- für den Bedarf | 
ber Umgegend berechnet gewefen zu fein. Zuchmacher werben, 
wie es fcheint, zu Stamford erwähnt 2), einer Gegend, deren 
Tücher, mit Lincolngruͤn gefaͤrbt, durch altengliſche Balladen 
wohl erinnerlich ſind. Der Krapp oder die Faͤrberroͤthe (ga- 
rantia), welche von St. Denys geholt wurde, muß geeichfaus 
zur Faͤrberei rother Tuͤcher gedient haben. 

Die Stickereien und andere Arbeiten in Gold der angel⸗ 
aͤchſiſchen Frauen und Männer, welche auch hierin ihre Vers 
wandtſchaft mit den fchmudliebenden Angliem des Feſtlandes 
auffallend beftätigen ®), erregten die Bewunderung von ganz 
Europa, felbft der Griechen und Saracenen. Aus Alfred⸗ 
Zeiten hat fi noch ſehr zierliche Arbeit erhalten. Der Uns 
tereicht. im Goldwirken (aurifrisium) watd durch Übertragung 
tiner halben Hyde Landes belohnt, und. für den Bedarf des 
Königs und. der Königin findet fich eine befondere Goldſticke⸗ 
rei eingerichtet. Die in dieſen Kuͤnſten ſehr erfahrnen Deut⸗ 
ſchen kamen zu den Angelſachſen um von ihnen zu lernen, 
und fremde Kaufleute brachten die koſtbarſten Arbeiten dieſer 
Art nach England, welche dort Anerkennung und Abnahme 
fanden iy. 

Von eignem Handelsverkehre der angetan find Spu⸗ 


2 Doomesday I. fol. 268. 


9 Panifici fast Döomesday I, 886 b. in einer bisher nicht beach⸗ 
keten Stelle. Parinifiel wäre richtiger, denn panifiei konnen ſchwerlich 
bie ſonſt daſelbſt pistores genannten Bäder ſein. 

9) Leges Anglior. tit. IV. art. 20. tit. VI. art. 6. _ 


4) Guil, Pictav. p. 211. Anglicae nationis foeminae multum 
cu et auri. textura, egregie viri in omni valent artificio. Ad hoc 
ncolere apud eos Germani solebant talium artium scientissimi etc. 
Leo Marsicanus chron. casinens, 1, II. c. 38. bemeifet ung, daß 
ienes opus anglicum felbft in Italien berühmt war. 


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die englifchen Sachſen und Daͤnen nach Island, wo von 
Stammverwandten das Erbrecht an den Guͤtern dort vol 
ner Angelfachfen ihnen zugefichert war, wenn Pater, € 
oder Bruder bafelbft ‚früher gewefen und bekannt wam 
Wohin der Fühne Fuß eines begeifterten Miffionaird vorſchit, 
Geiftlihe ihre Verbindungen angelnüpft hatten, dahin fd 
jeder Zeit Handelöleute zu gegenfeitigem Gewinne bald get 
Der Handelövertrag Offas mit Frankreich, Cnuts Fürorge, 
die nach Stalien. reifenden Kaufleute möge bier gleichſalbt 
in Erinnerung gebracht werden. Ein Seehandel de L. 
ſachſen nach Rom iſt behauptet, ſcheint jedoch nicht bewichn 

Das Schiff der Kauffahrer, felbft wenn es field 
fremd war, erhielt, auffer wenn es duch ben Etum d 
Strandrechte verwirkt war, im angelfächfifchen Hafen m 
Srieden®). London war zu allen Zeiten ein bebeutrahed € 


1) Deffen Sohn, Biſchof Andegar, flarb im 3.790. Ausal. Fe 

2) Epist. Caroli ad Offam apud Wilkins condil, I, 199. 

8) Vita 8. Wulstani in Wharton Angl. sacra II. 

4) Gragas Arfathattr tit. 6 et 18. 

5) Man ſucht den Beweis nur in Bedas historia abet. 9 
muth. ad a. 667 (ap. Smith p, 294), wo von .einem Geifttiden 4 


Bon ben innern Zuftänden ber Ingelfahfen. 625 


vorium, in welchem viele Fremde fich fammelten, und .auffer 
Normannen, Franzoſen, Zlämingern, welche wir vor Bilyngs⸗ 
gate in dem londoner Hafen zu Üthelreds II. Zeit Handel 
treiben fehen, erfennen wir zugleich in den Kaufleuten. des Kais 
ferd die thieler ‘), cölner?), bremer und andere Hanfen, 
welche fchon damals in London die Grundlage. zu ihren ſpaͤter 
flr den Handel Englands wie. Deutfchlands gleich wichtigen 
Niederlaffungen gelegt Hatten. Handelsleute von la Hogue, 
Lüttich, Nivelle durchzogen England, nachdem fie ihre Waaren 
verzolt hatten. Die Deutfchen, wenngleich fonft . begünftigt, 
und Andere mufiten die Weine und übrigen Waaren auf ihren 
Schiffen feilbieten, wogegen fie Wolle, von jeher die größte 
Stapelwaare Englands, heimführten. Die Entrichtung der 
üblichen Handeldabgabe von Pfeffer, Handfchuhen und Tuͤchen 
- an beflimmten Tagen zu einer der Schifffahrt ungünftigen Zeit, 
zu Weihnachten und Oftern *), läfft vermuthen, daß diefe Schiffe - 
eine fefte Stätte am Ufer inne hatten, welche die Stelle einer 
Niederlage vertrat, bis fie zu der Erwerbung eines eignen Lan⸗ 
dungds, Waaren⸗ und Verkaufs⸗Platzes am Strande gelangten °). 
Zu London wie in York finden wir ſchon im achten Sahrhuns 
dert friefifche Kaufleute‘). Auch fpäter war York durch Hans 
del, befonderd mit den dorthin fchiffenden Deutfchen audges 


\ 


1) Engländer zu Thiel an der Waal, und Thieler in England um 
Handel zu treiben, werden erwähnt in der Fehde über bie freie Rhein⸗ 
thifffahrt bis ins Meer im 3. 1018 bei Alpertus de diversit. temp. 
1. U. c. 21. apud Eccard script. med. aevi. 


2) Die Coͤlner nenne ich nur aus Wahrſcheinlichkeitsgruͤnden; der 
Beweis fehlt fuͤr das zehnte, ſelbſt fuͤr das elfte Jahrhundert. Eine 
dafuͤr zuweilen angeführte Stelle des magni chron. belgici ad a. 1048 
ſpricht nur von coͤlner und Lütticher Kaufleuten in Holland. 

3) Für die Mitte des elften Zahrhunderts zeugt hier vita 8. Bern- 
hardi apud Leibnitz scrr. rer. brunsvic. T. I. 466. 

4) ©. das Iondoner Statut (bei Bromton p. 897, Schmid 
206) in ber beffern hamburger vandſchrift im rheiniſchen Muſeum für 
Zurisprubenz Bd. V. Heft 3. 

5) Bol. urkundliche Geſchichte der beutfchen Hanſe Th. L 

6) Beda l. IV, 22. Altfridi vita 8. Ludger. c. 11. in mo-, 
num. hist. German, I. 

Lappenberg’s Gedichte Englands I. 40 








vo iiggiibiht TRUYER Ay ME vitien vereuiltnoen NER 
des Neichd, im welchen wir die Zahl ber berechtigten Pin 
durch ‚die Altern Sandesgefege genau befchränkt fehen‘). 3 
Heine Stadt oder Burg hatte einen Münzer, was fih.m 
nur dadurch. erklären läfjt, daß, da hefondere Wechsler bi 
ältern Angelfachfen nicht vorkommen, fremde Münze vom ®u 
nicht in Zahlung genommen, fondern von den Muͤnzem ii 
Landesmuͤnze umgefhmolzen wurbe, bis fich ber einfachere ie 
tauſch auf den Banken von Geldwechölern (penig- mongen 
bildete). Daß dieſe Münzer nicht kunſtlos arbeiteten, It 
gen und die häufig aufbewahrten Münzen jener Jet, dem 
Gepräge die Bilder der aͤlteſten Könige von Kent, Dec m 
andern Reichen der. Angeln unb Sachfen auf une in 
bringen. Doch trieben viele Falſchmuͤnzer in den Bälben € 

beimliches, ſtrenge beftraftes Gewerbe, und es mag dam e 
Grund gelegen ‚haben, die Zahl der Münzfidtten fo ſeht za" 
mehren, wie dieſes zu Eadwards des Bekenners Zeit geie 


1) Guil. Malmesb. de pontifie. Angl. 1. III. prooen, Da 
cum urbs ampla — a daabus partibus Husae flumiais- iadelk 
medio simns sui naves a Germania et Hybernia venientes. 

‚ 2), Gragas Vigelodi tit. 101. Arfathattr. tit. 19. 

8) Dooiesday. 


Lv”) - — 22 - m ——— — a b⸗ 


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Von den Innern. Bufänben ber Anseifahfen:, 627 


N. Weiler md in Mercien finden wir verſchiedene Berechnum 
gen herkoͤnmlich, dort den fächfifchen Schilling von vier‘), hier 
: die Thrymſe oder ein Stu von drei Pfenningen. Der englis 
ſche Schilling war im ganzen Norden fehr verbreitet und bat. 
Tlange ..ald bie vorzuͤglichſte Silbermuͤnze gegelten. Denn daß - 
ser: je nur. ideeller Werth geweſen, verträgt die -Entftehung des 
ı Wortes von Schild oder Gepräge nicht; er wurde jedoch damals; 
; wie ed foheint, nie ganz, fonbem in feinen Theilen oder Pfens 
ningen ausgeprägt. Der Name Sterling⸗Geld ift bei den Ans 
gelfachfen noch nicht nachgewiefen, doch erfcheint er fo fehr 
bald nad der normannijchen Eroberung ?), daß wir der Wahr: 
fcheinlichkeit, welche das germanifche Wort darbietet, wohl fols 
gen dürfen, den Urfprung deffelben in ältere Zeit zu ſetzen, da 
auch die Zeit in welcher diefe Benennung zuerft vorkommt, 
erklaͤrt, wie fie im Gegenſatze zu. dem leichtern normannifchen 
KBelbe:entflanden fein mag. Daß die Sacıfen die Benennun⸗ 
gen de Schillings ſowie, der Scaet (einer kleinen Münze 
Deren zwanzig dem Schillinge entſprechen) und auch des Pfen⸗ 
mings (penig), wenn letzterer auch vom Pfunde (pondus), 
Deſſen Theil er bildet, abzuleiten iſt, aus ihrem dem Handels⸗ 
verkehre nicht durchaus fremden Lande brachten, muͤſſen wir 
annehmen; fo lange nicht die fpätere Übertragung biefer Nas 
nen aus einem Lande in das andere wahrfcheinlic gemacht 
werden Farin. Der merciihe Schilling oder die Thrymſe vers 
raͤth gleichfalls deutfche Abftammung ’), und auch ber fremdars 
tig lautende Mancus möchte nur das Zaufchmittel des fächfls 


: 4) Dte gemöhntiche Angabe von Billing (leges Anglosaxonum 

-p. 415) u. A., daß der Schilling fünf Pfenninge enthalte, gilt erſt für 

Die nermannifde Zeit und if aus ber Vergleichung der Geſetze Aifreds 
45 fg. mit denen Heinrichs I. 93. geſchoͤpft. 


2) Schenkungsurkunde Wilhelm bes Eroberers an das Kloſter ©. 
GEoroul (monasterium uticense in der Didcefe Liſieur in der Norman 
die) v. 3. 1081 eingerüdt bei Ordericus Vitalis p. 602. Mo- 
nasticon anglic. Vol. VI. P. 2. p. 1078. Orderich Biralis 
war ein Moͤnch dieſes Kloſters. Er erwähnt noch lIbras sterilensium 
und libras. eterilensis monetae b. J. 1082 p. 580. a 


- 8) Auch bei den Sachſen auf dem Feſtlande findet ſich ein Schilling 
von zwei und ein beſſerer von drei Ztemiſſen Lex Saxonum tit. 19. 
40 * 

































0238 Sechste Abtheilung. 


fchen „Manghere” (von manghian, tauſchen) bedeuten kai; 
tere Bezeichnung, welche fich auch für eine Golbminy fe: 
bedeutet gewöhnlich eine filberne von breiffig Pfenningen. Age 
der Markt wurde Gold fowie Süber berechnet. Die Dr h 
fechözehn, hernach zwanzig Pfenningen find auch dem init 
Norden bekannt; Ferdinge gleichfalls (Veerdinge) in Kb 
fachfen; eine Kupfermünze im nördlichen England fühl Mer 
Namen Stüde (sticce). Auch bie nieberfächfiichen | 
penninge finden fi in den denariis albis, candids We 
angelfächfifchen Urkunden wieder. | 


Die vorftehenden dürren Umriſſe fcheinen und das 
fentlichfte zu umfaffen, was mit hiftorifcher Treue übe MP L 
feligen Zuftände der Angelfachfen zu berichten if. Br WE 
nen in biefen ſtets das germanifche Urvolk und bemertea Mille; 
jest mit deſto ‘größerer Theilnahme, daß Fein gemalt uhr 
Stamm aufferhalb Deutfchlands fich Länger in feine Aid im: 
lität und Unabhängigkeit erhalten hat. Die meifn bi 
ſchen Reiche waren, nad) Annahme der chriftlichen Nam: bin 
vor dem durch diefen Schritt emporgehobenen Übergewiſc 
mifcher Bildung zerfchellt. Weftgothen und Franken MM 
nur eine unvolfländige, wenn nicht fcheinbare Ausna’' 
wir fie ſchon früh gänzlich romanifirt finden. Diklw 
bängliche Ausdauer im Erhalten und Werbreiten mi 
Sitte, wohlverftandener Lehre und einer dem Maße vun 
bener Thätigkeit enifprechenden Freiheit haben die Schla-W 
ter bewährt, als fie die wendifchen Länder coloniftmt 
welchen fie, foweit fie vordrangen, die Nationalität da WW 
den vernichteten, wie ihre Vorfahren es mit beriil:i 
Briten gethan. Doch müflen bie Sachſen nach VE 
einen größern Sprachfchag, mehr Reichthum an Ya. 
"und gerichtlichen Einrichtungen und Rechtöbegriffen, eih 
ter vorgefchrittene geiflige und bürgerliche "Entwidtungg N 
die gewöhnliche, Anficht anzunehmen geftattet, e 
haben. Die ber gründlichen Befeftigung ber ſaͤchfiſhen N 


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Bon den inneren Zuftänden ber Angelfachfen. 629. 


und Sitte fpät nachfolgende Annahme des Chriftenthumes, 
welche ‚nicht durch dringende politifche Rüdfichten bewirkt wurde, 
fondern meiftens aus dem veligiöfen. Beblirfniffe der höher ges 
fielten und beffern Beitgenoffen hervorging, hat daher bem 
Deutfchthbume der neubekehrten Sachfeninfel nicht unmittelbar 
nachtheilig fein koͤnnen. Selbſt die verſunkene Kirche ber 
Briten tauchte nur wieder auf, um durh Warnung und hartz 
nädige Vertheidigung einiger abgefchwächten, auf dem Mift: 

beete der Schrift kuͤmmerlich fortgepflanzten Zrabitionn — 

benn viel mehr war ihr Wiffen nicht, wenn anderd man nicht 

alle hiſtoriſche Gelahrtheit höher zu fielen geneigt fein 
follte — und mit Allem was fie an Gefinnung und geiftiger 

Habe bringen konnte, nicht die britifche, fondern bie ſaͤchſiſche 
Nationalität vor der romaniſchen zu ſchuͤtzen. Doch ward jene af 
gefährlichere Proben geftelt. Es iſt oben off angedeutet, wie - 
mit der alten Religion die Königsgefchlechter ihr Anfehn vers 
loren und die dadurch erleichterte Sufammenziehung des Ober⸗ 
befehls wohl aͤuſſere Einheit, aber nicht innere Feſtigkeit ge⸗ 
waͤhrte. Doch auch die uͤbrigen aͤltern oder neuern angeſeh⸗ 
nen Geſchlechter der Angelſachſen theilten daſſelbe Loos. Die 
Standesverhaͤltniſſe der alten Heerfuͤhrer ſowohl als des neuen 
Dienſt⸗ und Lehn⸗Adels wurden, den Grundſaͤtzen des aͤltern 
heimatlichen Geburtsadels der Sachſen gemaͤß, kunſtreich ent⸗ 
wickelt, und die ſtaatsrechtliche Rechnerei, welche die Gerichts⸗ 
verfaſſung der Angelſachſen ſo ſehr ausgebildet hat, trat mit 
peinlicher Sorgfalt in den kleinſten Lebensverhaͤltniſſen wieder 
hervor. Die Maͤnner welche den alten Geſammtbeſitz tapfer 
vertheidigt und den neuen kuͤhn und geſchickt erfochten hatten, | 
verloren ihre Kraft, als dem Privatbefige ihre "Sorge ange: 
bannt wurde und bebaglicher Genuß bed Friedens und ber ' 
vermeinte Schutz der Standeörechte fie in Unthätigkeit und 
Schwelgerei verfinten ließen. Briten und Scoten waren befiegt; 
aber der treulofefte Nachbar eines Landes in dem. damaligen 
Gulturzuftande war das Meer, welches, für friedliche Verbins 
dungen zu ungeflüm, nur dem Feinde fich gimflig zeigte, um 
ihm flets neue, unbewachte Landungdpläge darzubieten, waͤh⸗ 
rend der Friegerifche Geift der der, See und den Waffen ent 
wöhnten, behaglichen, Heerdes und Mahles frohen Sachen im⸗ 





. 630. Sechste Abtheilung. 


mer mehr entwich. "Aus den Landen im welchen ber Koͤnig 
feine alten weftfächfiichen Domainen befaß, wurbe das Daͤnen⸗ 
heer Lange leidlich entfernt gehalten; in anderen Ländern fand 
der anglifche und fächfiiche Adel Dienft und Zehn auch oft am 
dänifchen Königöfeffel. Die Anfiedelung der dänifchen Than | 
fprengte die Iodler gewordenen Bande der angelſaͤchſiſchen Gro⸗ 
Ben immer mehr, und der größere Zheil derfelben war zufris 
den, als ihnen Befiß, Wergeld unb andere Hergebrachte ge 
“fichert wurde, ihre Huldigungseide einem Könige fremder Zunge | 
Darbringen zu dürfen. 

Nur ein fremdgeborner Herrfcher vermochte die geſunkenen 
Großen wieder zu beleben oder auch fie zu verdrängen, die den 
Zapfern ımd Starken flärkenden, den Schwachen aber ſchwoͤ 
enden Bande ber Verwandtſchaft und künfllichen Verbruͤde 
rungen unſchaͤdlich zu machen, welche ber Sammlung’ de 
Kräfte der Angelfachfen fich entgegenftellten. Doch felbft Cnuts 
glorreiche Regierung und die glüdtichen Ereigniſſe, welche der 
Nation ihre Selbftändigkfeit wiebergaben, hatten bie Großen de} 
Reiches nicht erheben können; der Schattenkönig Eadward und 
fein Majordomus Godwine bieten ein Schaufpiel dar, welde 
von der traurigen Seite eine Wiederholung der den fraͤnkiſchen 
Geſchichtsbuͤchern wohlbefannten Scenen war, ohne jeboch einen 
Karl den Großen zu erweden. Nach den demüthigen Miſſio⸗ 
narien, denen wuͤrdige Prälaten und Meſſe⸗Thanen folgten, war 
beim Verfall des kriegeriſchen Adels eine raͤnkevolle Kleriſei auf⸗ 
getreten, welche zur Vernichtung ihrer Gegner einem romani⸗ 

ſchen Heren die Länder Eonftantins zuzuwenden nicht für pflichts 
widrig hielt. Und fo möchte dad Deutfchthum in Britannien 
vernichtet fcheinen, als der Leichnam bed legten angelfächfifchen 
Königs zu ehrenkarger Beflattung von der Wahlſtatt hinwegge⸗ 
tragen wurde. Daß dem aber nicht fo war, zeigt fich fchon 
bei der oberflächlichften Kenntniß ded heutigen Englands, und 
wird näher zu erörtern zu den anziehenbften Aufgaben ber fers 
nern Gefchichtöbarftellung gehören. Es muß aber noch bier | 
als Refjultat der früher gegebenen vereinzelten Nachrichten ans 





” - erfammt werben, daß der Kern des Sachſenthums in Britans 


nien nicht die Verderbtheit bes Dienftadeld getheikt hatte. Frei⸗ 
lid) fland ber ehemalige. freie Germane nicht mehr in nälliger 


Bon den Innern  Bufänden ber Angelfachfen. 631 


nnabhaͤngigkeit daz er hatte für Verhaͤltniſſe die fein Eigen⸗ 
thum ſchuͤtzten, einen Theil ſeiner perſoͤnlichen Freiheit aufge⸗ 
opfert; doch waren dieſe Bande ſo leicht, daß ſelbſt der Name 
des Freien ihm verbleiben konnte). Briten fowie Dänen wa⸗ 
sen freilich mit. den Deutfchen verſchmolzen, hatten aber bie 
ingelfächfifche. Nationalität fi) angeeignet. Aus jenem Stande 
3er alten Georld war die Bevölkerung hervorgegangen, welche 
:inem großen Xheile Englands eine veränderte und fchönere 
Seftalt gegeben, bie Viehzucht trefflih gehöhen, unzählige 
Dörfer erbauet, darauf Städte bevölkert, den Grund. eines - 
thaͤtigen Verkehrs gelegt und. eine Sprache und Literatur er⸗ 
ihaffen hat, deren Werth und Reichtum wir, nach dem was 
ınd geblieben, ſehr hoch fehägen muͤſſen. Die anhänglichfte 
Sefinnung an ihr Volksthum erhielt ſich ſtets bei diefer zahl: 
seichen Slaffe, und fie war ed welche, fogar in der normanni- 
ihen Eroberung, der deutſchen Nationalität einen neuen Sieg . 
sorbereitet hat. . 


1) Die liberi homines des Doomesday find größtentheils Hörige. 





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Zufaͤte und Druefehler 


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4200. N Cantiopolis, Ganterbury 
16 durch L und durch 

2 wenn ua wenn 

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5 ob. I. ad Nennii 
8 1. jenen Jahrhunderten 
2 v. u. L. nimed eure - 
15 werben L wird 
2 3. 4 sunc I, sune 
2 s 8 |, betwux 
den früheften Erwähnungen bes Hengift gehört bie Stelle 
in der Geographia Revennatis Anonymi 1. V. $. 81: 
gens Saxonum veniens ab antiqua Saxonia cum 
principe suo, nomine Anschis, | 
.1 1 Bejledning — 3.3u.4 I. Doomesday book 
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Ejusdem gehört gu Aſſer 

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Äthelreb 1. ſtets: ÄAthered — R. 1 Robhorn I. Rudborne 
13 1. ſelbſt nur Inguars Namen 

-11. Eithildrithae — 8. 9 I. Frisiorum 
Seene I. Frene — 3.9 v. u. I. Harding 

I. Streanesſcalch. St. Hildas | 

l. Gormund — 3. 13 I. Girencefter 

3.9 u 10 I. nad jenem 

l. Bazoche — Guormund 

I. Rognwalds 

3:4 LI Frothi — 3. om L des 
l. Grimbald. i 
3.2 welder in I. von weldjem 


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v. u. 1. Gceobyrig (Shobury) 

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2 ı 899 mit legterem verdient Feine 


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2 1L Monarchen — 3.9 u. 


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2. 6 1. Reginwald 


1% Davenport — 3.12 1. Cadmund — 3. 2 d. u. 


l. Cadwulfs 


2 L Wells in Somerſet 
feines l. feiner, 
ihn 1. König Üthelftan 
388 1. IE N. 2 1. 


hilderine, Krieger | 


I. Domerhbam (Damerham, Wiltfhire) 


3. 5,1. Rognvalldr — welche ſchon mit Erich Blutart 
Elfrys 1. Elfaͤ 


S. 404 3. 1 ſeiner Zorfahren I. feines Verfahrens 


3. 8 I. Eckehard — 3.3 v. u. L von dem — 3.2 


hätten 


98 


8 
1 
1 
2 und I. vielleicht auch 
2 
u. 


1 deſſen I. deren 
18. aus I. anftatt 
6 1. anglicanifchen 


ou’ NR. 1 1. SIomsburg - 
8 U nidt ununterrichtet 


5 I. Svoͤld 
8 I. Wapentafe 


, 


1 1. und daß daher — 3. 13 doch L daher 
2 L der Gheiticche 
3. B. daß 


d. l. werden 
u 


koͤnig 


Il. hatten 
Kom I. Roni 


l. fowie der Jarl 

3.5 1 bebarve 

"U nahm um den 
.7 v. u. I. Olav, König - —_ R. 21. et Eadwium 
1028 1. 1030 . 


I. England ul 
l 


Il. Pentecoſts 
1. Byverſtone —N. 13.3 L Tateren 


v. u. i. Thoren Londons 
4 Bet der Ungewißheit über den Namen ber hier ges 
dachten Tochter Wilhelms . (vgl. Roman de Rou 
vs. 9652 u. 10821 und dafelbft Pluquet) ift die 
Nachricht des Guernes del Pont de 8. Maxence 
in defjen Vie de S. Thomas de Cantorbire (Mole 
fenbüttler Handfchrift) zu beachten, daß diefe Zoch: 
ter Rainils geheiffen und die Verlobung mit Harold 
auf dem Schloffe zu Bures (bei Bajeur) vollzos 


ſoiche — 


gen ſei. 
9 v. u. feine l. 


18 l. bier, hapım —L 3 L genannt der Schoß« 


N. 2 1. Hurtishovet 


6 v. u. l. Deoraby 


3. 7 ſchottiſchen und Hänifc) »irtfehen 

⸗838B. u. treiter l. Reiter 

Daß die normanniſchen Barone auf dem Schloſſe zu Bures 
zu dieſem Zuge gegen England ſich eidlich verpfüch 
teten, fagt Guernes a. a. O. 

N. 31 Norweger 

3. 19 u.% I. ein — heimgekehrter Pilgrim 

s 9 ver Beitgenoffen : I. der großen Zeitmeſſer 

N. eorum Ceanlin [. eorum Ceawlin 

3.5 hat L hatte — N. II. Rechtsgeſchichte 

s 8 L ſogar die nicht 

« & 1. radcnights . | 





über die Karte des angelſaͤchſiſchen Britanniens. 


Die Karte uͤber Britannien unter den Angelſachſen, welche der | 


geehrte Hr. Verleger diefem Bande beifügen zu laſſen kein Beden⸗ 
ten getragen hat, ift von mir unter dem gefchicdten und treuen 
technifchen Beiftande des Hrn. 3. C. Köfter neu entworfen, da eine 
ſolche, obgleich zum Studium der älteren Gefchichte jenes Landes 


unentbehrlich, ſich in beutfchen oder fonjt bei uns nicht zu feltes. 


nen Werken nicht findet. Unter den gebrauchten Huͤlfsmitteln 
habe ih Ingrams Karte in feiner Ausgabe bed saxon chronicle, 
fowie die befjer angelegte, nur gar zu Eleine, in Palgraves 


in Duodez erfchienener Geſchichte von England zu nennen, Beide 


bat gleich mir der Verfaſſer eines Beinen Werkes *) benußt, wel⸗ 
ches mir vor Abſendung meines Entwurfs zukam und aus welchem 
ich die auch aus aͤlteren Werken bekannten Wappen der Koͤnigreiche 
habe zeichnen laſſen. Hr. Collen hat ſeine Zeichnungen dieſer 
und anderer weniger bekannten angelſaͤchſiſchen Wappen aus 
Speeds theatre of Great Britain. Ms. im Heralds college, 
bezeichnet L. 14. divi britannici entnommen. Die Authenticität 
berfelben vermöct ich jedoch, nicht immer zu rechtfertigen. | 


*) Britannia saxonica, a map - .of Britain during the saxon 
'octarchy ete. by G. W. Collen. London 1853. 4. 


— 


Im Wappenſchilde Kents iſt das Roß; in :dem bee Saͤd⸗ 
fachfen find ſechs Schwalben; in dem ber Oſtſachſen drei Schme | 
terz in dem ber Oſtangeln drei Kronen; Northumbrien hat das 
Kreuz mit vier Loͤwen; Mercien ein St. Andreas-Kreuz; Welle | 
ein Kreuz mit vier Schwalben. 

Der Tod bed trefflichen Kartenſtechers Grimm zu Bela 
hat einigen Aufenthalt veranlafft; doch vertraue ich, daß aud in | 
der jegigen Ausführung bie von mir vorzuͤglich beabfichtigte An | 
gabe der verfchiebenen Staͤmm⸗ und Auen Staaten nicht über 
Laden erfcheine. 





Angelſachſiſche Königeftämme. 





Dompnena *6), 

h. Merewalb, 

oͤnig ber Weſt⸗ 
angeln. 


N. N. 

—— 

be) 

40 24); h. 1)feine 


2) Emma, Tochter 
Königs?’ 1°), 


AÄrconbriht* ®), Eanfithe?). 


14. Zul. 6645 5. Scarbuch, Tochter 


Annas, Königs der Oſtangeln. 


ormenberge?), Euͤrcongote °), Eormenilde, Hlothere = 

m franzöfifhen h. Wulfhere, König reg. 673, 12 Fehr. 

Hofter Brie. der Mercier. 

hraed "), Richard, 

it 725 42); 5. 1) Cyne⸗ + als Mind zu 
2) Üchtburh 19), Lucca. 

— — 7— 

byrht IL! — Alric“ 

. 748, + 760 reg. 76079. 


> — I, 1. Urkunde v. J. 618 


3 


den. > 
qui fuit 





Thorne . 1. 1769. 
* 


Cantaar. apud Tuysden p. 2231. 
Vgl. oben ©. 
ee ji 2. 8. 4. u. 5., wenn 
nigin genannt wird, ba 691 Eyneghthe noch 
ir noch in einer fpäteren Urkunde v. 3. 700 
a ©. 782; richtiger in Grose antiquarian 
v. 3. 697 ober 712. 
weiche Äthelbyrht Thon im Dr 121 X. 
. 6. vgl. S. 7. 3. J. 748. 





i 


: Eormenric)). 


von Kent?). 
| Searbad”®), 


— — —— — 
ebryht (der Gute) *® Spithhelm * 
| en —— + 660. I reg. 660, + 65,7 


 Gelred”°), 
reg. 709 — 746). 


) Bromton ©. 703. 

) Beda III, 22. | 

) Dafelbft. c. 30. 

) Derfelbe IV, 11, 

) Derfelbe V, 19. 

) Urkunde in Smiths Beba ©. 749, 

) Radulphi de Diceto abbreviat. ad a. 641. 





| —— — — 
| Tochter. 


Stuffe „it are 
| | 51 fi ’ A , 
| ’ Oslac 9). 


Cuichelm), h. ae Ya 
wulfums 3.835. 


Ceolwulf 

7 | (Ceolf) " 9), 
Cynebalde reg. 597, + 611; h. 
I Ä eine Tochter thel: 
thelbald fride Königs von 


| — Bernie 13), 


swald ine’), Tochter, ©. Egel- 
EG + 78855 5 h. 5..Dewald, ine”). Guthgits N, 
efterdee König von 


rge, Ge: Northum⸗ Genferth '). 
seafribe brien *). 

thums Cenfu 

15). | reg. —8 8), 
29), Äfcvine”*9, 


reg. 674, + 676 


fi | 
Äthelſtan. 
König des reg 
ſuͤdoͤſtlichen 
Englands 
887, Pa um 










thrpd **), AÄthelweard, 
lduin, Grafen von + 16. Oct. 922. 
| Slandern. ——— NN 
Thurtetut. Kae. Brise. 
geb. 907, 


ı Quer aA 


| liflede 204), | . 
). | 


2. 8. . 8. 3. 
give 2°), Cadmund, Eadred, Eadburh, Ealgyfu, 
inen Für: geb. um 920, reg. 940, + reg. 946, Nonne zu h. Louis 
neben den 25. Mai 946; h. 1) Ar: + 955. Winche- von Aquis 
Alpen. give?”);2) Üthelfiebe von fter. tanien. 
Domerhbam, Tochter bes | 
Caldorman Elgar. 


Eadwi, Eadgar, 

g. 955, + 1. geb. 948, reg. 055. +8. Qul. 9755 

Oct. 959. h.1) Aiflebe 3°); 2) Rifthehbe 3); 
3) Wulfrithe, Concubine ??). 


2. 2. 
| ach, Ead⸗ o., Kepsiveb, 5, x Sata, 
Te und (? gr reg pril Abtiſſin zu 
* mun ) ”. sh 1) 985 Älflede, Tochter — 2* 
378. —R 2) &theigife, Tochter 
| Egberts *° 29); 3) 1002 Emma 
' oder Alfgive, Tochter Richards J., 
Herzogs der Normandie; + im 
März 105 


= 


„?: Ä 2. 2, 2. 
ilde, Ealcbbe, Alfred, Eabweard, Goda, Tochter 
kytel H.Äthels iX 1036. reg. 1042, +5.1) Walter N. Ä., 
„Eal⸗ ſtan *5). 5. San. 1066; von Mantes; Apkiffin von 
ı von h. Edithe, 2) Euſtach Wherwel 
en? 9). Tochter God: von Boulogne. 1051. 

- wines, + im 
Dec, 1074. 1. 
Radulf, 
+21. Dec. 


1057 25), 





1) gı 


2) Ant v. 3. 901 Edweards Gattin genannt. She 


den angefünglos. dietion. Eadgive lebte noch unter 
3) Be Unter Eadmund f. textüs Roffensis p. 109. 
4) Ap- J. 99 bei Hickes II, 261. 
. 5) Vo pProoem. 1. I. 
halt ihn füpswithe.. Malmesbury II, 5. verwech⸗ 
j > Gibt diefer den Namen Elfgive. 
Merd flard Eifgive im I. 955. Nach einer 


Letztere Bean anglican. fol damals Elgife, Cab- 


Nachrichten aben. 

8) Al Note 2. Ihre ſechs Söhne ſ. in der Ur— 
Königs Sn in annal. Burton. bei Feli I, 246, 
ſchaftliche 2981. R. Higden I, 269. 


9) FIRote 4. 


Chronik 3. r regis (Aethelredi). Urkunde v. 8. 999 bei 


4 3. 688 dllingford ©. 545 nennt fie Gunhild. 
des Eramlit regis, f. Urkunde v. J. 999 a. a. O. Bol. 
mit andern 
10) &im. p. 205, Wallingford P- 546, 
11) X: 1009, 
red. Die Note 1. Rapin de Thoyras I, 375, 
auch oben u. 464. b 
12) M a. 1106. Malmesbury ©. 103 gedenkt 
13) Sm ums 3. 1126 gefchriebenen Werke. 
14) M 
zic und Bi 
im Widerſhreren Stammbäumen, doch niit bei Affer, 
als den fraonik 3. 3. 854, Florenz z. 3. 849). - Da- 
15) E.alten Shroniften gewöhnlich ift, den Ceawlin 
16) ad Cerdics Enkel zu halten. Hiernach iſt die 
ein Kloſter richtigen. 
17) Me Chronit nennt Cutha ben Bruder und. 
18) Sis. Letzteres auch Aſſer. Malmesbury. 
19) & ihre verfchiedenen Nachkommen conftatirt. 
thanleag erwähnt die angelfächfifche Chronik 
20) tha, welchen Florenz hier als Sohn des 
Eadgythe: hdenn Hunting don veranlaſſt fein mag 
21) 8 Futhvine zu nennen. Malmesbury fagt 
22) Udung in einem Zreffen gefallen. 


+ 








, Eowa?6), Cenwalh ꝰ), 
‚, + 653; +5. Aug. 6482. 
he. nn, - Euthbert”"), 

_ Alweo*). Demod‘), Genwalhs urenkel. 
— N Offuf .. A 
ilburh⸗ Os⸗ | Ceon- Cuth⸗ Cesl: 

Cal, 1) ward. Eanwuf , wulf, red?), wulf), 

tel Frib⸗ reg. 796, König reg. 819 
IN Shin nhferth * 819; v. Kent, —2. 

= gulum , Äthe I: Heard⸗ 19. A h.1 ) Cy⸗ + 805. | 

rrey. bald ), bet”). atcelt negpthe —— NN 

MR; reg. 716, d. Darcellina, 25); 2)  Xuflede®), 
bins’), x 757. Offa?o), Afbrys 9 Wigmund, 

had veg. 757, +10. 7) Sohn Wigiafe, 

Aug. 7955 $. | Königs von Mer: 
Cwenedrythe. cien 828. 


INT 

Cynedri⸗ Ceo- Baur: 

the ”°), nelm ?), genilde 

825 Ab X17.Zul. #9), 
tiffin. 81929), 


TEE — — —— — 
Eadburhge*), Älflede »), Äüthelfrede?), Ecgferth?), 
7873 h. Brithric, h. Athelred Kd⸗ verlobt mit Äthel- + 79. 
König, von nig von Nort: bert, König ber 
Weiler. humbrien, 29.  Dftangeln. 
Sept. 792. E 


Urkunde b. Smith . a. O. 786. Hemming I, 219. 
Hefunte K. Offas bei Smith a. a. ©. 766 und v. 3. 780 


Vita Offae secundi nennt ihn Tuinfred. Bei Kennius 
Inferth, Vater des Clum, defjen Sohn Offa. 
Angelfähfifhe Chronik 793. Nah Simeon flarb Offa 796 


. Augusti. Drithe war ein fränkifches Mädchen, welche fich 


ronilla nannte, xegi Franciae Carolo consanguinea ſ. vita 


Florent, genealog. 
Ethelburge bei Malmesbury a. a. O. 
Angelſaͤchſi iſche Chronik. Simeon z. J. 792. 
Alflede in vita Offae; Etheldrithe bei Ingulph. \ 
Urkunde v. 3. 799 bei Hickes thesaur. III, 262 not. 91. 
Urkunde v. 3. 811, f. textus roffensis 96. Urkunde v. 3. 
ickes a. a. O. L, 174 
Urkunde im text. Roffensis 94. 
Urkunde v. 3. 825 b. Hides a. a. O. III, 262. Note 73. 
"‘alend. Anglo-Saxon, 
"mton. p. 776. 
Iph b. 3. 855. Chron. Mailtos. 


— — —e — 
Sige Äüdilwold?), Edric !9), 
reg. 61 reg. 655, + 664. | 







reg. 663, + 718. reg. 713, 
+ 749 13), 





Edburge °) 
Übtiffin zu Diepanbun. 


18. historia eliensis apud Wharton Anglia 


dix. Die einzige mir bekannte Autorität für 
Aldulf ald Sohn des Erſteren und Water bes 


Vgl. oben ©. 237 und Einleitung ©. xıvı 


del” Saxon. 
me lm. ad h. a. 
iſt b. I, 5. Sigebertus, frater eius (Eorpwaldi) 


( | Aldulf“ 4. 9 Alfwold“*), Jurwine ꝰ). 


eo 


a. 


Occa ?). Arie ?). 
| Ealdhennn 27. 2). Bleocman ?). 
Ecgwald 7 ?7), Bern, 
)*). Leodwald ?7- °”), | Bernhom 2). 
9. Gutheine 737), ” Ealbine 2). 


of | 
a Gupalti).  Adeenkm) 
eon⸗ l .ochter Kon g Ds⸗ 
89 G EN j wulfs 7685 vers 
reg. 116 reg. 79 trieben 774. 
18. \ 37, ui 


| | reg.789, x x 800. 
14. Sept. 
792. 


PA — 
Osxed 2. Alchmund 


(„v3 


(„uusg ? 


(„oo 





19 
* 
ad 
a | 
» 


(, gr 


- nenrine hist. 
2) Flore nonik bei den Sahren 729 und 738. 
8) Beda geführten Jahren. 
4) Beda — 
5) Beda it. J 
6) Beda B. 526 hat bie weißen Namen fehr verftüm- 
7) Beda 
8) Beda Ralmesbury I, 8. 
9) Beda Annal. Lauresham. ad a. 713. 
10) Beda Lac. l. VL 
0) Ann, Uh, de gestis regum. 
3 Iefügrten Jahre. 
eüa 
14) Vita a meon von Durham bei Empaten, wo 


15) Beda 768. Degearns Vater ſcheint ſich nur 
16) Beda | Sohn Dsric nepos Alfwoldi genannt wird. 
17) Beda I 


ji | 

18) Beda } nennt Florenz beim Sabre 847 und in 

19) Eddiuc, kennt dagegen ben Eadric nit. Si— 

‚ mesb. p. 19. 1. für das nördliche England beſſere Gewaͤhrs⸗ 

20) Beda ]. 
21) Eddiunmeth), filin Royth, fiti Rum, Nennius, 
22) Vita 8. ahre 738 nennt Eadbert den patruelis ſei⸗ 
23) Beda ſſt dieſer Ausdruc nicht für Vetter im weis 

24) Beda möchte vielleicht die Heitath einer Schweitez 
25) Beda 1a jenen Ausdruck rechtfertigen. 


* 


| A ÜÄftie”. 
— —————— — 
—— Osricꝰ), 
Dct 6335 h. a reg.633, X 634. 
8, Königs der 
ae), Zadter 
Kenter. 


2. 2. Oswiu 10), 
un”),  Übditehend ), " Bufefren”), reg. 634, x 20. 
York. + zu York.  +mad 63% jung Aug. 651. 
in Srantreich. I 


| 
Ethelwald ''). 


10) Beda II, 14. | 

11) Derfelbe III, 14, 23, 24. Ä | 

12) Herericus, nepos Aedwini regis. Beda IV, 23. Ein En 
Eadwins und Sohn des Eadfrid, wie Florenz z. 3. 664 meint, . 
ı Hererich nicht geweſen fein, da fonft Iener bei feinem Tode fehr 
je Kinder und eine 17jährige Urenkelin gehabt haben muͤſſte. Nepos 
utet bei Beda häufig den Neffen. ©. 111, 6. i 

13) Beda IV, 28. Calendar. Anglo-Sax. XVIII. Cäl. Januar. 
ıwenz b. 3. 680 fegt den Todestag auf XV. Cal. Decembr. | 


1 





Sigrid Storrat r N. N., 
feit 995 Witthrn 7), Sohn 
Erichs des GilKönigs von 
zeichen, Königs Ymeden. 
ee 
Spraka⸗ 
Diav SGchoolg * 
koͤnig, | 
König von Shmelart en, 
+? HR 1025. 


2 
anllag: | | \ 
LER; 

. wu - 


N 


Spend Efrithfon, 
Koͤnig von Daͤnemark, 
— — reg. 1047 + 1076. 
Hemming | | 
104. 


1) ©. oben 
2) ©. 430, 
. 8).@. 477 
94 Mi. 
5) 6, 477.. 
6) &. 473 u. oth. cod. dipl. —X p. 68, 


is vita Conradi Imp. ua anni con- 














.. Fre APR 
Tag 1067. 






Toſti, Leofivine*), Sur 5),  Wulfnorh 
x 3. Sept. 10665 X 14. Oct. x 44, Ar 1087, * 
5. Judith, Tochter 1066. 1066. 
Balduins, Grafen von J 

Slandern?). 


So un | Gunhilde 9). 

10873 h. 

mar, Per — 

Sohn, Czar von 
Rußland. | 


n 


ne. 523. 
8) ©. 557. — — 
9) S. 509. 
10) Son ihrem Grabe in ber St. Denati⸗ Krde gu Brügge f. 
lis \introduction to Doomesdaybook T. IL. p. 136; und Message 
seienoon et den arte de In Beigigue T. I. pı FB. 


I 





—— —— — — — 
- . 


— — — 


— —— 75 * 


— — — — 


——— nn ©