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Full text of "Geschichte von Montenegro und Albanien"

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Geschichte 



Montenegro und Albanien 



Spiridion Gopcevic 



Mit fünf Stammtafeln und drei Karten 



Gotha 1914 
Friedridi Andreas Perthes A-G. 







mö 



Copyright 1914 by Friedricfa Andreas Perthes A.-G. Gotha. 



ADe Rechte, einschliefilich des Obersetzon^rechts, vorbdiahen. 






Dem verdienten Geschichtsforscher 



Prof. Dr. Stojan Novakovic, 

Vorsitzendem der Konigl. Serbischen Akademie 
der Wissenschaften, Gesandtem und Minister a. D., 



widmet dieses Werk als Zeichen seiner Hochschätzung 



der Verfasser. 



Vorwort. 



Durch Schaffang des nicht lebenBfahigen Fürstentums Al- 
banien haben die Diplomaten daf&r gesorgt, daß der Balkan 
anch fernerhin eine bestandige Bennrahigong Europas bilden 
wird. (Dies habe ich in meinem kürzlich erschienenen Werke 
„Das Fürstentum Albanien^^usffihrlich begründet; 
und dem Umstand, daß alle meine Yoraussagungen sofort in 
glänzendster Weise eintrafen, dürfte es wohl zuzuschreiben sein, 
daß das Buch binnen sieben Wochen vergriffen war und jetzt 
in zweiter Auflage erscheint) Die unausbleiblichen Wirren in 
Albanien lenken aber das öffentliche Interesse auf dieses ver- 
wahrloste Land, und um sich einen klaren Begriff von seiner 
Bevölkerung bilden zu können, ist es unumgänglich notwendig, 
seine früheren Schicksale, seine Abstammung, kurz seine 
Geschichte zu kennen, um so mehr, als eigentlich eine solche 
zusammenhängende (beschichte noch nicht vorhanden ist 
Nun läßt sich aber die Geschichte von Albanien kaum von jener 
von Montenegro trennen: erstens, weil meistens die Herren 
des einen Landes auch solche des anderen waren (wenigstens 
bis zur Türkenzeit), und zweitens, weil auch bei getrennter 
Verwaltung fast immer Kriege gefOhrt wurden, welche beide 
Länder berührten. Dies ist der Grund, weshalb in diesem 
Werke die Geschichte von Albanien mit jener von Montenegro 
verbunden wurde. 



yiH Vorwort. 

Die von mir unmittelbar daza benatzten Qaellen sind: 

Andri<5, Geschichte des Fürstentums Montenegro Yon der ältesten Zeit 

bis 1852. Wien 1853. 
Bolizza, Belatione et descrittione del sangiacato di Scnttari. Yenezia 

1614. 
Da2i<5, Cma Gora. Biograd 1874. 
GopCeyid, Oberalbanien nnd seine Liga. Leipzig 1881. 
„ Das Fürstentum Albanien. Berlin 1914. 

„ Montenegro und die Montenegriner. Leipzig 1877. 

„ Zur Kriegsgeschichte der BalkanhalbinseL Leipzig 1887. 

„ Der turko-montenegrinische Krieg 1876/78. Wien 1877/79. 

Hecquard, La Haute-Albanie. Paris 1858. 

Hopf, Chroniques gr6co-romanes inödites ou peu connues. Berlin 1873. 

Jireöeki), Geschichte der Serben. L Band (bis 1371). Gotha 1911. 

^ Die Handelsstraßen und Berj^werke Yon Serbien und Bosnien 

während des Mittelalters. Prag 1879. 
„ Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien. Wien 

1912. 
Karadziö, Montenegro und die Montenegriner. Stuttgart 1837. 
Lenormant, Turcs et Mont6n6grins. Paris 1866. 
MandroYiö, IlustroYana istorija srpskog naroda od najstaryeh yremena 

do proglaäei^a nove kra^jevine. Be( 1885. 
Marmont, Mömoires du Duc de Baguse de 1792 ä 1841. Paris 1857. 
Medako'Yiö, PoYijestnica Cmegore od uajstar^eg Yremena do 1830. 

Zemun 1850. 
MilakoYid, Storia del Montenero. Traduzione di Kaznaöid Bagusa 

1877. 
MilutinoYid, Istorija Cmegore. Biograd 1835. 
Paganel, Geschichte Skanderbegs. Leipzig 1865. (Nach Barletius.) 
Basch, Vom Schwarzen Berg. Dresden 1875. 
Beinsberg-Düringsfeld, Montenegro. (In ,,Unsere Zelt^S) Leipzig 

1858. 
Stieglitz, Ein Besuch auf Montenegro. Stuttgart 1841. 
YlahoYid et Frilley, Le Montön^gro contempondn. Paris 1876. 
Triarte, II Montenegro. Milano 1878. 



1) Eni gegen Ende des Dracks bekam ich Jireöeks (eben£dLs aus- 
gezeichnete) Abhandlung „Albanien in der Vergangenheit" („Osterr. Monats- 
Bchiift f. d. Orientes Nr. 1—2, 1914) in die Hand. Die im „Nachtrag" er- 
wähnten Zitate aus Jiredek beziehen sich auf diese Schrift. 



i 

4 



Vorwort. IX 

Viele dieser Quellen sind sehr sorgfältig anf Grund anderer, 
namentlich älterer Quellen bearbeitet, so daß ich mir ersparen 
konnte, auch diese in der ürausgabe zu Bäte zu ziehen. . Immer- 
hin glaube ich, daß so ziemlich alle vorhandenen Quellen in den 
Torerwähnten Werken benutzt wurden, so daß höchstens die Auf- 
findung weiterer Urkunden Neues bringen könnte. 

Von mändlichen Mitteilungen habe ich solche hervorragen- 
der Montenegriner aus der Zeit des Fürsten Danilo (die ich noch 
1875 kennen lernte), sowie meiner Mutter benutzt, welche ja die 
Veranlassung war, daß mein Vater 1851 den montenegrinischen 
Thron ablehnte, und die deshalb aber jene Ereignisse wohl genaue 
Auskunft geben konnte. Übrigens wurden mir ihre Aussagen durch 
Milo und Savo Martinoviö bestätigt. 

Was endlich die Art der Behandlung des Stoffes betrifft, so 
kann ich mit Stolz darauf hinweisen, daß die Kritik meiner frfiheren 
Balkan -Werke mir das Zeugnis ausstellte, daß ich mich niemals 
verleiten ließ, aus mißverstandenem Patriotismus (Chauvinismus 
ist mir direkt verhaßt) Tatsachen zu entstellen oder schönzufärben. 
Meine Kritik hat stets die Eegierungen der mir lieben Länder 
und Völker gleichscharf getroffen. Auch in diesem Werke 
habe ich keine Ausnahme gemacht. Wenn ich das erbärmliche 
Verhalten früherer Regierungen Bußlands und Österreichs gegen 
Montenegro gebührend an den Pranger stellte, so wird dies jeder 
unbefangene Leser angesichts der nicht wegzuleugnenden Tat- 
sachen begreiflich finden. Nur ein beschränkter Kopf oder ver- 
bissener Chauvinist wird daraus folgern wollen, daß ich gegen die 
erwähnten Länder feindselige Gefühle hege. Ich muß dies eigens 
erwähnen, weil mir zu Ohren kam, daß man aus meiner scharfen 
Verurteilung der törichten österreichischen Balkanpolitik in meinem 
„Fürstentum Albanien'^ den Schluß zog, „ich treibe antiöster- 
reichische Politik^ ! Als ob Begierung und Land gleichbedeu- 
tend wären! Und als ob nicht gerade deijenige der beste Vater- 
landsfreund ist, welcher eine Eegierung bekämpft, die nach 
seiner Überzeugung den Untergang des Beiches her- 



X Vorwort. 

bei fähren mafi^)! Jenen Verdächtigem aber möchte ich den 
Ausspruch Bernardin de Saint-Pierres zu Gemute fähren: 
„Ge ne sont pas ceux qui d^couvrent les maux de leor patrie 
qui en sont les ennemis, ce sont ceux qui la flattent!** 

Da ich mich yon jeher bemüht habe, unparteiisch zu 
urteilen, glaube ich auch nicht, dafi man mir vorwerfen könnte, 
irgend etwas Nachteiliges verschwiegen oder vertuscht oder schön- 
gefärbt, oder Getadelten unrecht getan zu haben. 

Schließlich möchte ich noch dem Herrn Hofrat Prof. Dr. Kon- 
stantin Jireöek meinen Dank für die mannigfachen Winke und 
Mitteilungen aussprechen, welche ich ihm verdanke und die für 
das vorliegende Werk von Wert waren. 

Berlin, den 15. März 1914. 

Der Verfasser. 



1) Wfire 68 anders, so müßte in jedem Lande die Opposition einer 
Regiemng verdächtigt werden, daß sie „antjpatriotisch" sei. Und doch 
lehrt ans die Geschichte, daß gerade die größten Yaterlandsfreonde in der 
schärfsten Weise gegen ihre Regierungen Stellung genommen haben. Es 
ist dies auch begreiflich, wenn man sich vor Augen hält, daß es nicht 
immer die Fähigsten sind, die an der Spitze stehen, sondern Leute, die 
aus anderen Gründen sur Macht gelangten. In den Monarchien sind es 
oft nur Günstlinge der Kamarilla, in den Republiken Kormptionisten, wie wir 
Ja in Frankreich und namentlich den Vereinigten Staaten sehen konnten! — 
Man lese nur, was ich in meinem vorletsten großen Werke: „U. S. A. Aus 
dem Dollarlandes* über die Fäulnis nordamerikanischer Politiker sagte, 
die unter dem Einfluß der Trusts und anderer Volksausbeuter stehen. 



iPIJ^.A JPi— T^^^— — PI— I 



Vorbemerkimgeiii 



Zur Schreibang der Eigennamen habe ich die südslavische 
Bechtschreibang angenommen, als die einzige, welche die richtige 
Aussprache versinnlicht. Danach lanten: 

c immer wie tz, 

6 n n tSCh, 

6 wie das schwedische k vor ä and ö, also ein Mittelding 

zwischen tch und tsch, 
gj and ii wie dsch, 
▼ wie w, 

S „ SS, 

z „ sehr weiches s (französisch z), 
i „ „ „ seh (französisch j), 
ä „ hartes seh (französisch ch), 

h am Ende oder vor einem Konsonanten immer wie ch, 
sonst h oder ch. 

Da aber die albanesische Sprache einen Laut besitzt, welcher 
4em englischen th entspricht, so habe ich für diesen das th bei- 
behalten. Za erwähnen ist noch, daß in den albanesischen Wörtern 
^as an mit dem französischen Nasallaut und das en gleich dem 
nasalen französischen in ausgesprochen wird. 

Was die griechischen Wörter betrifft, so habe ich sie so 
geschrieben, wie sie im Deutschen lauten, ausgenommen das 
^, welches ich durch z wiedergab, weil es dem serbischen z ent- 
spricht, und nur dort, wo die Aussprache der Neugriechen so 
verschieden von der auf den deutschen Gymnasien eingefährten 
(größtenteils falschen) Erasmus'schen Aussprache ist, in Klammem 
die Originalschreibung beigesetzt. Z. B. Yerria (Bi^^ia). Denn 



xn Yorbemerkimgen. 

die Neugriechen sprechen ß wie w ans, ai wie e, ctv^ ev wie ay, 
ey, Uy oif v, Vif 12 wie i, ^, d wie das harte nnd weiche englische 
th, ^ wie das französische z, a wie ss, yc, yi^ yv wie je nnd ji, 
fcr wie ft, VT wie d zn Beginn, sonst wie nd, y yor y, ^, % wie n 
nnd haben den Spiritus asper (') stumm. Die türkischen Wörter 
sind mit der südslayischen Rechtschreibung und Akzentzeichen ge- 
schrieben, ö und ä durch diese Buchstaben wiedergegeben. 

Was die russischen Namen betrifft, so schrieb ich sie auch 
der deutschen Aussprache entsprechend mit kroatischen Schrift- 
zeichen, weil, wenn ich die cyrillischen Buchstaben des Bussischen 
mit kroatischen Lettern wiedergegeben hätte, Verwirrung ent- 
standen wäre. Denn die Bussen haben es sonderbarerweise noch 
zu keinem Sprachgelehrten (wie die Serben und Kroaten solche in 
KaradSiö, Daniiid und Gaj besitzen) gebracht, welcher ihre 
yemunftwidrige Bechtschreibung durch lateinische, aber phonetische 
Zeichen ersetzt hätte. Aus diesen Gründen habe ich also z. B. 
Fatjömkin, Arjöl, Arlöy und Gallcin geschrieben, statt 
Fotemkin, Orel, Orloff und Golicin, weil eben jene Namen s o aus- 
gesprochen werden. Und um die Nationalität zu kennzeichnen, 
habe ich alle Taufiiamen in der Form wiedergegeben, wie sich ihr 
Träger in seiner Muttersprache selbst nannte: also z.B. 
einen serbischen Peter mit Petar, einen russischen mit Pjotr, 
einen französischen mit Pierre, einen italienischen mit Pietro, 
einen griechischen mitPetros, einen albanesischen mit Prenk. 

Die Ortsnamen nannte ich stets so, wie sie zu der be- 
treffenden Zeit yon den Einheimischen genannt wurden, 
weshalb dieselbe Stadt z. B. erst Scodra, dann Skadar, 
dannScutari, dann Iskenderijä und zuletzt §kodra genannt 
wird. Oder Epidamnos, Dyrrhachion, Draö, Durazzo, Dürres. 



Inhaltsverzeichnis. 



i 



Seite 

Vorwort vn 

Yorbemerkangen xi 

JBnter Zeltnmm« Alteste Zeit 1 

1. Montenegro und Albanien bis rar Einwanderung der Serben 
(636 n. Cbr.) 1 

Zweiter Zeltranm. Von der serbiscben Einwanderang bis za 

den BalSiden (636— ft56) 8 

2. Bis rar Absebüttlang der byzantinischen Oberhoheit unter 
Vojislav (1039) 8 

3. Bis ra den Nemanjiden (1039—1169) 18 

4. Unter den Nemanjiden bis Ste&n UroS III. VeUki (1169—1243) . 29 

5. Bis zum Auftauchen der BalSiden (1243—1356) ..... 38 

Dritter Zeitnmm« Das montenegrinisch-albanische Reich 

der BalSiden (1356— 1427) 49 

6. Bis zum Untergang des Serbenreiches (1389) 49 

7. Bis zu den Cmojeriöi (1427) 59 

Vierter Zeitraom« Montenegro unter den Crnojeyi6i und Al- 
banien unter Skanderbeg (1427—1499) 68 

8. Montenegro bis zum albanischen Aufstand (1427 — 1443) . • 68 

9. Skanderbegs erstes Auftreten (1443—1446) 76 

10. Skanderbegs weitere Kämpfe 81 

11. Die Kämpfe bis 1455 85 

12. Skanderbegs letzte Kämpfe (1456—1467) 96 

13. Montenegro und Albanien nach Skanderbegs Tod (1467—1482) 104 

14. Montenegro bis zur Thronentsagung der Cmojeyiöi (1483—1499) 113 

Pttnfter Zeitnmm. Montenegro ein theokratischer Staat 

unter verschiedenen Bischöfen (1499—1700). . . 124 

15. Montenegro und Albanien im 16. Jahrhundert (1500—1600) . 124 

16. Die Zustände in Montenegro und Albanien zu Beginn des 

17. Jahrhunderts 135 

17. Ereignisse in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahr- 
hunderts (1600-1613) 145 



XIV Inhaltsyerzeichnisi 

8«iU 

18. Die Pläne des Herzogs Von Keyers (1614—1620) U» 

19. Die Kämpfe der Montenegriner nnd Rlementi Ton 1623 bis 
1680 154 

20. Montenegriner und Albanesen als österreichische Bandes- 
genossen (1684-1697) 158 

Sechster Zeltraam. Montenegro und Albanien bis zum Auf- 
treten Söepan Malis (1697— 1767) 165 

21. Montenegro in den ersten Regiemngsjahren des Vladika Danilo 
Petroviö NjegoS (1697—1710) 165 

22. Montenegro als Bundesgenosse Rußlands (1711—1713) ... 170 

23. Montenegro als Bundesgenosse der Venezianer und Oster- 
reicher (1714—1717) 178 

24. Letzte Begierungsjahre des Vladika Danilo und erste des Vla- 
dika Sava (1718—1750) 189 

25. Montenegro unter dem Vladika Vasilije (1750—1766) ... 194 

Siebenter Zeitraum. Montenegro unter äöepan Mali und Al- 
banien unter den BuSatliia (1767 bzw. 1750—1774) 205 

26. Auftreten des „Lügenkaisers'' Sdepan Mall (1767) .... 205 

27. Der Feldzug von 1768 216 

28. Albanien unter den ersten BuSatlija (1750—1769) 222 

29. Rußland bittet neuerdings um montenegrinische Unterstützung 
(1769) 225 

30. Ende der Regierung des Söepan Mali (1770—1774) .... 232 

Achter Zeitraum. Montenegro unter dem Vladika Petar L 
und Albanien unter Rarä Mahmud Pa8ä (1774 

bis 1796) 239 

31. Montenegro nach Sdepan Malis Tod 239 

32. Rarä Mahmud BuSaÜija PaSäs erste Regierungsjahre (1770 

bis 1787) 245 

33. Montenegro und Albanien Ton Österreich und Rußland als 
Verbündete gesucht (1788) 248 

34. VukasoTiö in Montenegro (1788) 255 

35. Die Ereignisse bis zum Friedensschlüsse (1792) 265 

36. Leute Kämpfe Rarä Mahmud PaStfs (1792—1796) .... 272 

Neimter Zeltraiim. Montenegro bis zum französischen Kriege 

(1796—1806) 280 

37. Vorgänge nach der Schlacht von Kruse 280 

38. Zerwürfiiis zwischen Montenegro und Rußland 292 

Zehnter Zeitraum. Krieg der Montenegriner gegen die Fran- 
zosen 1806 bis 1814 808 

39. Beginn des Krieges 308 

40. Marmont geht angrifiweise vor 314 

41. Die Schlacht in der Sutorina 322 



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i 



Inhaltsyerzeiclmis. XV 

Seite 

42. Blarmonts Rückzug. (Schlacht im Ronavlje) 329 

43. Die EreigniBfie des Jahres 1807 337 

44. Die EreigDisse des Jahres 1808 345 

45. Die EreigDisse der Jahre 1809 bis 1812 350 

46. Erobemog der Bocche di Cattaro (1813—1814) 355 

Elfter Zeltnmm. Bis zum Tod Petars I. und zur Absetzung 

des letzten BuSatlija (1814 — 1832) 368 

47. Letzte Regierungsjahre des groSen Vladika Petar I. (1814 

bis 1830) 368 

48. Albanien nach Karä Mahmdd PaSäs Tod (1796-1832) ... 376 

Zwölfter Zeitraum. Montenegro unter dem Vladika Petar II. 

(1830—1851) und Albanien bis 1914 380 

49. Petars des II. erste Regierungsjahre 880 

50. Innere Umgestaltung unter Petar II 385 

61. Urteile über Petar II 390 

52. Zwistigkeiten mit Österreich (1838) 395 

53. Zwistigkeiten mit den Türken 401 

54. Albanien von 1832 bis 1914 416 

Dreizehnter Zeitraum. Montenegro ein weltliches Fürsten- 
tum unter dem Fürsten Danilo (1851— 1860). . . 423 

55. Wie Danilo weltlicher Fürst wurde 423 

56. Der Krieg gegen die Türken Ton 1852 bis 1853 427 

57. Montenegro zur Zeit des Krimkrieges (1853—1856) .... 434 

58. Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859 ....... 441 

59. Tod des Fürsten Danilo (1860) 450 

Tlerzehnter Zeitraum. Neueste Zeit (1860—1914) 454 

60. Montenegro unter dem Fürsten bzw. König Nikola (1860 bis 
1914) 454 

Kachträge und Berichtigungen 459 

Stammbaum der BalSidi. 

„ „ Crnojeyiöi. 

Kastriota. 



Beilage 


\ I 


n 


n 


n 


III 


n 


IV 


n 


V 



„ „ BuSatlija. 

„ „ Mireditenfürsten. 

EUtfte Yon Montenegro und Albanien im Altertum. 

EUtfte von Montenegro und Albanien im Mittelalter (Baliiden-Reich). 

Karte des Anwachsens Montenegros. Seine Grenzen zwischen 1500 
und 1913. 



Druckfehler. 



Seite 61 FuBDOte, Zeile 2 y. u. lies wahrscheinlicher statt weniger 

wahrscheinlich. 

73 Zeile 7 v. o. lies Jelisaveta statt Jelisavet. 

80 „ 5 y. u. lies Despot statt König. 

88 „ 4 y. 0. streiche sich. 
116 FuBnote, Zeile 6 y. u. lies in den Armen einer Vila und 

werde. 
145 Zeile 15 y. o. lies Dra6eyica statt Draöenica 



158 
184 
337 
351 
436 



w 
»» 
n 
n 



4 y. 0. lies sindzir statt sindzir. 
2 y. o. lies den statt der. 

18 y. 0. lies Im statt Am. 

19 y. o. lies Sjenica statt Sjenicas. 
6 y. u. lies den statt der. 



Erster Zeitraum, 



1. Montenegro und Albanien bis zur Einwanderung 

der Serben. (636 n. Chr.) 

Jene Landstriche, welche das heutige Montenegro und Albanien 
bilden, waren in den ältesten Zeiten von den Illyriern bewohnt, 
die vermutlich in eine Menge Stämme zerfielen, deren jeder viel- 
leicht auch eine andere Mundart sprach, so wie dies heute noch 
bei den Deutschen und Slawen der Fall ist. Bei den alten Ge- 
fichichtschreibern findet man über die Sprachen fast nie eine An- 
deutung und ebensowenig gaben sie sich Mühe, die ethno- 
graphischen Verschiedenheiten der „ Barbaren '^ auseinander- 
zusetzen oder auch nur zu untersuchen. Was nicht Hellene oder 
Körner war, gehörte eben zu den „ Barbaren '', filr die man sich nur 
dann interessierte, wenn sie die Grenzen bedrohten. So kommt 
es, daß wir von der Nationalität der lUyrier eigentlich fast nichts 
wissen. Man dürfte jedoch nicht fehlgehen, wenn man annimmt, 
daß sie jene Sprache redeten, von der das heutige Toskische 
herstammt. Denn dieses ist offenbar eine so uralte Sprache, wie 
das Keltische, Baskische oder Gälische. 

Appianus behauptet, daß die Illyrier ihren Namen von einem 
sagenhaften Illyrius herleiten, welcher der Sohn des Eyklopen 
Poljphemos und der Nymphe Galathia gewesen sei. Apollodoros 
und nach ihm der byzantinische Schriftsteller Stöphanos bezeichnen 
lUyrius als Sohn des Eadmos und der (H)Armonia. Apollonios, 
Palephatis und Syllax erzählen, daß (H)Yllo3, Sohn des (H)Iräklis 
und der Melita, Stammvater der Illyrier sei. Rafail Levakovid 
(Erzbischof von Ohrid) schließt sich dieser Auffassung an und 
leitet den Namen „Illyrici" von „Hylleni" mit der Übergangs- 
lesart „Illinici" ab. (Da würde ich aber eher „Hylleni" als Ur- 

Gop6evl6, Montenegro und Albanien. 1 



9 Enter SSeitraom. 

form von (H)Ellim [Griechen] ableiten!) Farlati nimmt die Er- 
zäMong des Apollonios an und betrachtet (H)YiloB als den ersten 
König von UlTrien, welcher 1225 v. Chr. in einer Schlacht gegen 
die Mentorider gefallen sei 

Was an diesen unsicheren Sagen und Überlieferungen Wahres- 
ist^ läßt sich heute nicht mehr feststellen. Was die einzelnen 
Stämme betrifft , welche die uns interessierenden Landstriche im 
grauen Altertum bewohnten , so sei erwähnt^ daß im Süden de& 
heutigen Fürstentums Albanien (den Ipiros lasse ich ganz außer 
Betracht) an den Ufern des Aöos (heute Vojusa) die Argyriner 
wohnten (von denen jedenfalls das heutige Aijirökastro [^^QyvQÖ- 
yuxaTQw] seinen Namen führt)^ an die sich nördlich^ gegen Berat 
zu, die Euch ele er und gegen die Semeni>Mündung zu die Vul- 
lionen anschlössen, während der Oberlauf des Apsos (Semeni) 
von den Dassaretern, sein rechtes Ufer von denTavlantern 
bewohnt war, welch letztere sich bis zum Drim erstreckt haben 
sollen. Um den §kodra-See herum wohnten die Labeaten und 
in Montenegro die Dokleaten. Miredita scheint der Wohnsitz^ 
der Pirusten gewesen zu sein, und die von Ptolemäos genannten 
AI van er (^AXßavol) saßen um Kruja herum. Aber alle diese 
Stämme dürften ethnographisch gerade so ein einziges Volk 
(die Illjrier) gebildet haben, wie die Franken, Sachsen, Bayern,. 
Schwaben usw. demselben Volk angehörten, trotz der verschie- 
denen Namen. Über die Sitten der lUyrier finden wir bei den 
alten Schriftstellern nicht viel — das meiste noch aus der Zeit 
des Cicero, wo Varro namentlich die kräftigen, arbeitsamen Weiber 
der Uljrier rühmt, die unverdrossen arbeiten, kochen, Vieh weiden 
(ganz wie die heutigen Montenegrinerinnen) und sich ebenso großer 
Achtung als Freiheit erfreuen, namentlich die Jungfrauen, denen 
es gestattet war, Kinder zu bekommen. 

Eigentlich gab es nie ein geeinigtes iliyrisches Beich (so wio^ 
es ja auch nie ein geeinigtes Slawenreich gab), weshalb der von» 
Apollonios genannte „König von Illyrien" (H)YIlos wohl nur ein 
Stammesftirst war, vermutlich der Tavlanter, weil sein Nachfolger 
Klinikos 72 Schiffe zum griechischen Zug gegen Troja stellte. 
Vielleicht war er aber auch König eines Dalmatien bewohnenden« 
Stammes, denn es wird weiter erzählt, daß sein Nachfolger Da v- 



Montenegro und Albanien bis zur Einwanderung der Serben. 8 

nios von den einbrechenden Libumiem besiegt wurde und sich 
deshalb 1183 v. Chr. nach Italien zurückzog. Die Libumier be- 
wohnten nämlich Istrien und Norddalmatien. Angeblich sollen sie 
nach dem Trojanischen Krieg aus Elleinasien gekommen sein, 
,,ganz'' (?) IllTrien erobert und die Griechen (?) verjagt haben, 
worauf sie sich an der Ostseite der Adria festsetzten. Auch diese 
Libumier sollen Feministen gewesen sein, so wie die heutigen 
Yankees (Belege dafür findet man in meinem Werke „ü. S. A. 
Aus dem Dollarlande'', Leipzig 1913, Ed. H. Majer), denn 
der Periplus des sog. Skylax von Earyanda und Nikol&os von 
Damaskos erzählen von einer mit Vielmännerei verbundenen Weiber- 
herrschaft im Lande der Libumier. Tatsache ist allerdings , daß 
an der Osiküste der Adria wiederholt Königinnen regierten. 

Weiter heißt es, daß 604 v. Chr. die Gallier unter Bello- 
veses UlTrien überschwemmten, worauf sich die Libumier auf 
die Inseln flüchteten, während sich die dann zurückgebliebenen 
Gallier mit den zurückgebliebenen Libumiem zu einem Volke 
verschmolzen hätten, dessen Hauptstadt Scodra war und das 
sich bald durch seine Seeräubereien zum Schrecken der Seefahrer 
machte. Schon früher (im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr.) waren 
an der Küste griechische Kolonien angelegt worden: Epidamnos 
(später Dyrrhachion, heute Dürres oder Durazzo) 630 v. Chr. von 
Korkyräem, ebenso Apollonia (des heutige Dorf Bolena nahe 
der Mündung der Vojusa), Lissos (heute Ljeä oder Alessio) 
eine Kolonie der Syrakuser, Avlon (Avlona) und Kolchinion, 
später Olchinium (Ulcin oder Dulcigno). 

Das Hauptreich der Illyrier hatte seinen Mittelpunkt in 
Montenegro, die Hauptstadt, wie erwähnt, war Scodra (Skodra 
oder Skutari), die Hauptfestung Rhison (Risanj oder Risano), 
eine andere starke Festung Medeon (Medun). Als ältester König 
dieses Reiches erscheint Bardyles^), der 359 v. Chr. von Phi- 
lippos dem Makedonier, geschlagen wurde, nachdem er vorher 
den Ipiros und Makedonien teilweise erobert hatte. 356 versuchte 



1) Dieser Name scheint meine Ansicht zu hestätigen, daß das heutige 
Albanesische vom ülyrischen abstammt, denn im Alhanesischen bedeutet 
„bardh" (das dh wie das griechische <f ausgesprochen) „weiB^^ 

1* 



4 Erster Zeitraum. 

Bardyles noch einen Angriff, der jedoch ehenüetUs mißlang und 
einige Jahre später zu makedonischen Einfällen führte. 

BardjW Sohn Klitos und dessen Vetter GlavkoB teilten 
unter sich das Reich: den Teil nördlich des Drin hekam ersterer 
als ,; König der Tri valier'', die südliche H&lfte Glavkos als ,, König 
der Tavlanter''. Sie führten gegen Alexander d. Gr. unglück- 
liche Kriege und mußten zu seinem persischen Heereszug Hilfs- 
truppen stellen. 

Nach dem Tode des großen Königs erneuerten die lUyrier 
den Krieg, siegten in drei Land- und zwei Seeschlachten und 
setzten Pjrrhos auf den Thron von Ipiros. Nach Glavkos kam 
dessen Sohn Plevrat zur Regierung, der sie indos dem Agron 
übertrug. Dieser vereinigte alle Teile lUyriens, unterjochte den 
Ipiros und bemächtigte sich Korkyras (Korfä). Infolge der Nach- 
richt von einem neuen Siege über die Atoler trank sich der 
König jedoch einen solchen Rausch an, daß er an den Folgen seiner 
Unmäßigkeit starb. Seine Witwe Tevta^) übernahm im Namen 
des mindeijährigen Pinnes (oder Pineas) die Regentschaft (232 
V. Chr.). Diese kriegerische Königin machte sich an die Be- 
lagerung der Insel Issa (Lissa), deren Bewohner die Römer um 
Schutz anriefen. Tevta empfing indes die römischen Gesandten 
sehr übel und ließ ihr Fahrzeug während der Rückkehr durch ihre 
Seeräuber nehmen und sie selbst töten. Der Konsul Posthumius 
Albinus brach hierauf mit 22000 Mann gegen lUjrien auf, während 
sein Genosse Fulvius Centumalus mit 200 Schiffen Korkyra w^- 
nahm. In die Enge getrieben, flüchtete sich Tevta nach Rhizon und 
bat die Römer um Frieden, welcher- ihr gegen Abtretung eines ge- 
wissen Gebietes und Tributzahlung gewährt wurde (229 v. Chr.). 

Nach dem einige Jahre später erfolgten Tode der Königin 
Tevta übernahm Dimitrios, der Ghitte Tritevtas (Mutter des Pinnee 
und erste Gattin Agrons), Vormund- und Regentschaft. Er suchte 
sich des römischen Einflusses zu entledigen und unterstützte Phi- 
lipp von Makedonien, weshalb ihn die Römer bekriegten, absetzten 
und Pinnes zum Schattenkönig machten. 



1"^ Die Boooheseu behaupten, der dortige Ort Tivat (Teodo) habe 
•oluen Namen von der Tevta^ welche im nahen Rhiion residiert habe. 



Montenegro und Albanien bis zur £inwanderang der Serben. 5 

Als Rom von Hannibal bedrängt wurde^ erhob sich ein großer 
Teil der lÜTrier; bloß Serdillet, der Beherrscher Mittelalbaniens 
bis Aylona hinab , blieb den Römern treu, welche hierdurch ihr 
Übergewicht behaupten konnten. 

Der letzte König von Illyrien war Gent ios^ Sohn des Plevrat 
und der Evrydiki. Bei seiner Thronbesteigung ließ er seine Brüder 
Piator und Earaventevs umbringen und regierte dann so herrisch, 
daß er sich die Liebe des Volkes verscherzte. Zudem betrieb er 
die Seeräuberei mit verstärkter Kraft und verband sich mit Persevs 
von Makedonien. Im Jahre 168 v. Chr. sammelte er bei Lissos 
(LjeS) ein Heer von 15000 Mann, womit er Bassania (Elbasan) 
belagerte. Roms Geduld hatte aber inzwischen ihr Ende erreicht. 
Der Prätor Aniciu» landete in Dalmatien, zwang dadurch Gentios 
zum Rückzug auf Scodra und belagerte ihn daselbst Nach einem 
unglücklichen Ausfall ergab sich Gentios auf Gnade und Ungnade 
und schmückte mit seiner vom Legaten Perpema bei Medeon ge- 
fangengenommenen Gattin Etleva und seinen Söhnen den Triumph- 
zug des Siegers. lUjrien wurde römisch und zwar bildete Süd- 
montenegro mit der Hauptstadt Scodra die Tribus Labeatis 
und Nordmontenegro mit der Hauptstadt Rbizon die Tribus 
Rhizoniatis. Scheinbar blieb allerdings Illyrien noch selbständig, 
denn erst Augustus verwandelte das Land in eine römische Pro- 
vinz Illyricum (später Dalmatia), während Albanien zur Pro- 
vinz Macedonia gehörte. 

Unter Diokletian (von dem man annimmt, daß er aus der 
Stadt Doclea [Duklje in Montenegro] stammte), also 284 — 305 
n. Chr., fand eine Neuteilung des Reiches statt, wobei zur Pro- 
vinz Dalmatia die Tribus Rhizoniatis und zur Provinz Prä- 
valis die Tribus Labeatis kam. Zu letzterer gehörte auch 
Doclea. Mittelalbanien kam zur Provinz Epirus nova, Unter- 
albanien zu Epirus vetus. Die Illyrier scheinen gute Soldaten 
gewesen zu sein, weil die Römer sie sehr gern zum Heeresdienst 
heranzogen. Doch verlegte man sie in möglichst ferne Gegenden. 
Nur in den großen Städten gab es römische Kolonien und in 
den Hafenstädten auch griechische. Die große Militärstraße Via 
Egnatia nahm von Dyrrhachion (Durazzo) ihren Ausgang. 

In kirchlicher Beziehung sei erwähnt, daß des heiligen Paulus 



6 Erster Zeitraum. 

Schüler TituB in Albanien und Montenegro das Christentum ver- 
breitete. Die römische Elirche besaß noch im 6. Jahrhundert dort 
große Patrimonia, doch entzog Kaiser Leo der Isaurier 731 Illj- 
ricum dem Papst und stellte es unter den Patriarchen von Eon- 
stantinüpolis. In Duklje (Doclea in Montenegro) findet man noch 
altchristliche Eirchenruinen. 

Nachdem niyrien schon im 3. Jahrhundert durch Einfalle 
der Goten gelitten hatte, kam es 395 zur Teilung des römischen 
Reiches, wobei Dalmatia zum weströmischen, Praevalitana zum 
oströmischen geschlagen wurde. Die Qrenze ging von den heu- 
tigen Bocche di Cattaro aus nordwärts. Schon im nächsten Jahr 
erschien Alarich mit den Westgoten, drang bis in den Peloponnes 
und verließ Illyrien erst 408 ^). 441 drangen Hunnen, 480 neue 



1) Die doch eher slawiBch als germanisch klingenden Namen der Goten: 
Alarich ^), Ostrojla, Videmir, Selimir, Valamir, Odovakar, Vitica, Baduila-Totila, 
Vitigec, Teja, Gripac (Krpac?), Vamba, Valja, Vinicar (Vinitharias) usw. 
verleiten manche serbische Schriftsteller, wie z. B. Milojeviö, dazu, die Goten 
nicht für Germanen, sondern für Slawen zu halten — eine Ansicht, die, 
wenn man die Namen betrachtet, allerdings viel für sich hat. Die Heruler 
und Rngier waren sicher Slawen, wahrscheinlich auch die Gepiden, und es 
ist bekannte Tatsache, daB ursprünglich die Slawen die ganze Osthälfte des 
heutigen Deutschlands bewohnten, wie man noch an den Ortsnamen erkennen 
kann (z. B. Leipzig von „lipica" = „ Linde ^^), und es steht fest, daß z. B. 
Fulda (ebenso wie Bamberg, Bayreuth und Würzburg) eine slawische Grün- 
dung ist. Danach wäre also nicht zu wundem, wenn die von der Ostsee 
herabgekommenen Goten, ebenso wie die Vandalen, Slawen gewesen wären. 
Die Germanisierang der ostelbischen und thüringischen Völker kam ja erst 
viel später als Folge der größeren kriegerischen Tüchtigkeit der Germanen. 
In dem Gemisch der Völkerwanderung machte man keinen Unterschied zwi- 
schen den einbrechenden „ Barbaren *'. Wurden doch auch die Hunnen und 
Awaren von slawischen Völkern begleitet, sei es freiwillig oder weil sie dazu 
gezwungen worden waren. Wie oberflächlich die alten Schriftsteller es mit 
der Sprache nahmen, kann nicht wundem, wenn man noch heute sieht, wie 
modeme Schriftsteller in dieser Beziehung Unsinn schreiben. Da behauptete 
z. B. der französische Oberst Vialla, der mit den Montenegrinern persön- 
lich durch Jahre verkehrt hatte, sie sprächen eine Mundart des — 
Griechischen; in anderen Werken £emd ich erwähnt, daß die bosnischen 

*) WeU weder Römer noch Griechen ein i oder 6 kannten, vermute Ich, daß 
sie die auf ö oder 6 endenden slawischen Namen mit ch wiedergaben, wie dies 
noch heute die österreichischen Italiener tun; so daß man vielleicht 
Alarid, Teodorlö, Hennanri6, Ardarl6, Roderid auszusprechen hätte. 



Montenegro nnd Albanien bis zur Einwanderang der Serben. 7 

Oatgotenscharen ins Land und eroberten Dyrrhachion. Damals 
wohnte Kaiser Nepos in Dalmatia, wo er jedoch vor seiner Haupt- 
stadt Salona ermordet wurde. Odovakar, der vier Jahre zuvor 
dem weströmischen Beiche eine Ende gemacht hatte, eroberte jetzt 
auch Dahnatia, dann folgte der Gotenkönig Ostrojla, der sich 
493 zum König von Praevalitana ausrufen ließ und vermutlich in 
Scodra wohnte. Sein Neffe Selimir erlangte nach der Vertreibung 
der Goten von Justinian den Titel eines ,, Grafen von Zenta'^ 
(Zeta = Montenegro.) Kaiser Justinian (ein gebomer Slawe namens 
Upravda) ließ durch Mundus diesem Gotenreiche ein Ende machen 
(535), doch nach des letzteren Tod bei Salona gewann der Goten- 
feldherr Gripac wieder die Oberhand, räumte jedoch die Stadt 
schon 536 ^). Justinian vereinigte darauf niyrien mit seinem 
Reiche. Unteralbanien soll aber 517 von Magyaren (?) und Bul- 
garen (?), 527 von Bulgaren (?), Gepiden und Herulem, 539 von 
Magyaren (?) und Langobarden, 548 von Slawen und Awaren 
verheert worden sein. So behauptet wenigstens Hahn. 



Mohammedaner und die Pomaken türkisch reden, die Magyaren und 
Albanesen Slawen seien usw. Wenn derlei heutzutage noch möglich ist, 
darf man sich doch nicht über die Unwissenheit imd fabchen Überlieferungen 
der alten Schriftsteller wnndem, bei denen man vergebens Nachrichten über 
die Sprachen der „ Barbaren '* sucht! — Ich möchte übrigens bemerken, 
daß Jireöek in einem Privatbrief an mich die Namen für täuschend er- 
klärt und das Grotische mehr für eine germanische Sprache hält, aber dem 
Isländischen näher verwandt als dem Deutschen. 

1) Jireöek in seiner trefflichen „Geschichte der Serben'* hält den 
Goten Anagast für einen Germanen und will davon Engstingen in Württem- 
berg ableiten. Dies scheint mir etwas weit hergeholt. Viel wahrschein- 
licher ist es, daß Anagast nur die griechisch-lateinische Form des slawischen 
Namens Onogost ist, erstens weil es damals viele slawische Namen gab, die 
auf „gost** endigten, und zweitens, weil auch das heutige NikSi6 in Monte- 
negro, welches früher Onogoät hieß, in lateinischen Urkunden Anagastum 
genannt wird. Die Bömer haben nämlich, gleich den Griechen, alle fremden 
Namen ihrer Sprache angepaßt und so z. B. Hermann in „Arminius** ver- 
wan^lelt, wie ja auch aus Chufu „Cheops", aus Sammuramit „Semiramis**, 
aus Sethi „Sesostris**, aus Nabu KudurUssur „Nabuchodonosor" und „Nebu- 
kadnezar*', und gar aus NuSirvan — „ChosroSs** wurde. 



Zweiter Zeitraum. 

Ton der serbischen Einwanderung bis zu den 

Baliiden. (636—1356.) 



2. Bis zur Abschflttlung^ der bysantliiischeii Oberhoheit 

unter Vojislav. (1039.) 

Ea ist wahncheinlichi daß die Balkanhalbinael schon in den 
ersten Jahrhunderten n. Chr. von einzelnen Slawenstämmen über- 
schwemmt wurde. In meinem ^,Makedonien und Alt- 
serbien '^ habe ich S. 265 ff. ausführlich über die ältesten Nach- 
richten gesprochen, welche die Slawen betreffen, und möchte, um 
Wiederholung zu vermeiden, auf jenes Kapitel verweisen. Hier 
nur soviel in Kürze, daß Plinius schon im 1. Jahrhundert n. Chr. 
von „Serbi^' erzählt, die um das Azövsche Meer wohnen. Im 
2. Jahrhundert nennt Ptolemäos „Servi^^ (JSiqßoi) und „Stävani'^ 
{ItaiavoC)^ was wohl verschrieben für „Slavani^^ ist. Und durch 
die Germanen erfuhr man damals von den „Venedig weil die 
Germanen die Slawen „Wenden '' nannten. Nebenher werden die 
„Anten'' Cuirtai) von Jordanes 550 als die tapfersten Slawen- 
stämme bezeichnet Wenn Prokopios (550) erzählt, daß die Sla- 
vini imd Anti früher den gemeinsamen Namen „Spori'* geführt 
hätten, so dürfte dies auf Verhunzung aus „Sorbi'' oder „Serbi'' 
zurückzuführen sein. Daß diese Ansicht die richtige ist, wird 
durch die sogenannte „Münchner Handschrift'' aus dem 9. Jahr-^ 
hundert erhärtet, in welcher es heißt, daß die Serben ein 
großes und zahlreiches Volk waren, sowie daß die Slawen „nach 
ihrer eigenen Behauptung" von den Serben abstammen und sich 
alle früher schlechtweg „Serben" nannten. (Was dann auch 
erklären würde, wieso es kommt, daß die Lausitzer Slawen 



Bis zur Abschfittlimg der byzaDtinischen Oberhoheit unter Vojislay. 9 

sich heute noch ^^ Serben '' nennen^ wo sie doch örtlich so weit 
von Serbien getrennt sind und mit diesem niemals in Beziehung 
standen.) 

Im 3. Jahrhundert begannen die slawischen Einfälle in die 
Balkanhalbinsel immer häufiger zu werden, und um Ruhe zu 
haben, siedelte Kaiser Galerius 298 sämtliche sich ,,Hryati'' (Kro- 
aten) nennenden Slawen in Bulgarien an. In der Folge kamen 
immer mehr nach, die 548 lUjrien überschwemmten, bis Dyr- 
rhachion kamen und 552 wiederkehrten, ja 575 und 582 durch 
Illyrien bis Griechenland vordrangen — angeblich 100000 Mann 
stark; und so war schon im 6. Jahrhundert der Balkan mit 
Slawen stärk besetzt. Damals gab es dort die slawischen (oder 
wenn man will serbischen) Städte Labuca, Mala Rijeka, Brsanja, 
Klejätevica, Vratiäte usw., und auf dem byzantinischen Thron 
saßen geborene Slawen wie Justinos und Justinianös (Upravda), 
während das Heer von slawischen Feldherren, wie Dobrogost, 
Pirogost, Onogost, Radogost, Ostmj, T'atimir, Svegrd, Svarun, 
Velisar angeführt wurde. Ja gegen Ende des 6. Jahrhunderts 
herrschte in Praevalitana der Slawe Rutomir wie ein unabhän- 
giger König. Er machte sich durch Christenverfolgungen bekannt, 
während man die Namen seiner vier Nachfolger nicht kennt. 
Marcellus Marulus bezeichnet sie nur als „die Tyrannen'' — wahr- 
scheinlich weil auch sie Christen verfolgten. Der Einfall der 
Awaren und der mit diesen verbündeten Slawen machte 619 ihrer 
Herrschaft ein Ende. Jedenfalls blieben bei diesen Einfällen immer 
zahlreiche slawische Familien zurück und so darf man sich nicht 
wundem, wenn allmählich die serbische Sprache (nicht das heutige 
Serbische, sondern die ursorbische Sprache, welche damals ver- 
mutlich allen Slawen gemein war und vom Neuserbischen so 
verschieden ist, wie das Deutsch aus der Zeit Karls des Großen 
vom heutigen Schriftdeutsch) auf dem ganzen Balkan mindestens 
ebenso stark gesprochen wurde wie das Griechische. Denn noch 
im 15. Jahrhundert sprach man im Peloponnes vielfach serbisch 
und eine große Zahl griechischer Ortsnamen ist unverkennbar 
serbisch. Wurde doch sogar Hellas in Livadia („Wiesenland'') 
umgetauft und der Peloponnes in Pomorje (,, Küstenland ''), woraus 
dann die Venezianer Morea machten. 



-^ -«^i 



10 Zweiter Zeitraam. 

In den Städten natürlich hielt sich das Römer- bzw. Griechen- 
tum länger. In Dociea z. B. fthrte man ein Wohlleben und regte 
sich mehr darüber anf, daß der rechtmäßig abgesetzte Bischof 
Paolos seinen Nachfolger Neemesion verjagte ond sich wieder des 
Bistoms bemächtigte, als daß man sich am die SIawenge£ahr ge- 
kümmert hatte. Unbekannt ist jedoch, wann und warom Dociea 
verödete oder zerstört worde — ein Schicksal, das es mit Rhi- 
sinom (Risanj) teilte, während sich Butoa (Bodva), Scodra, Lissos 
(Ljes) und die Bargen in Praevalitana hielten. Statt Rhisinam 
worde DekAtera (Kotor oder Cattaro) gegründet, Olehinion bzw. 
Uldniom (Ulcin oder Dolcigno) verlegt und Antivaris (Bar) neu 
angelegt. 

Als Kaiser (EQIriklios den Thron bestieg (610), fand er 
das Reich von Awaren verwüstet und größtenteils in den Händen 
der Slawen, welche in der Folge (611 — 619) sich auch ganz 
Griechenlands bemächtigten. Weil aber die Awaren die größere 
Gefahr bildeten, glaubte Iraklios gut zu ton, wenn er aus Fan- 
nonien weitere Slawen über die Donau rief, denen er Ländereien 
anwies, damit sie Thrakien gegen die Awarenein^e schützen 
sollten. So kamen denn zunächst 634 die Weiß-Kroaten und 636 
die Weiß-Serben ins Land, besetzten Kroatien, Bosnien und Dal- 
matien bzw. Makedonien, wo die Serben 636 die Stadt Srbica 
(heute Servija in Neugriechenland) gründeten. Nach Porfiro- 
j^nnitos {noQq>vQoyivvr[vog) wären diese Serben, „weil es ihnen in 
Makedonien nicht gefiel'', nach dem heutigen Serbien zurück- 
gekehrt, doch ist dies nicht nur unwahrscheinlich, sondern schon 
deshalb unmöglich, weil es heißt , daß Kaiser Konstans II. noch 
657 gegen die Serben in Makedonien einen Feldzug unter- 
nahm. Die Serben des heutigen Serbien sollen um die Mitte des 
7. Jahrhunderts unter einem König Satimir (oder vielleicht rich- 
tiger Z von i mir, denn die Griechen schreiben ZovavifAidtjg) ge- 
standen haben, dessen Sohn Budimir oder Svetoplek 670 den 
Thron bestieg und sich mit dem größten Teil des Volkes taufen 
ließ. Vorausgesetzt, daß keine Änderung in der Dynastie eintrat, 
würde dann dieser Satimir oder Zvonimir der Ahnherr des Ver- 
fassers dieser Zeilen sein, wie aus dem nächsten Kapitel zu er- 
sehen ist. 



Bis zur Abschüttlong der byzantinischen Oberhoheit unter Vojislay. 11 

Aber za jener Zeit waren die Serben in lauter kleine 
Fürstentümer zerrissen ^ welche wohl dem Namen nach von Bj- 
zanz abhängig waren , in Wirklichkeit aber wohl ziemlich un- 
abhängig gewesen sein dürften. Etwa so wie bis in die jüngste 
Zeit die Bergalbanesen in ihren Beziehungen zur türkischen 
Herrschaft. 

Von diesen kleinen serbischen Fürstentümern verdienen 
Zahlum, Travunija, Konavlje und Dioklitija besondere 
Erwähnung. Das bedeutendste darunter war das letztgenannte, 
welches von den Byzantinern JioyJieia (Dioklia) genannt wurde 
und seinen Namen von der einst berühmten, aber schon zu Kaiser 
Konstantin Porfirojennitos' Zeit in Ruinen lag. (Wahrscheinlich 
wurde die Stadt von den einge&llenen Serben zerstört, obgleich 
darüber nichts Näheres bekannt ist) Es umfaßte vermutlich das 
Land zwischen Drim und Nikäid, also den größten Teil des Monte- 
negro vor 1876 und das Maljisorengebiet mit Skadar (Skodra oder 
Scutari). Der Küstenstrich jedoch mit den südlichen Bocche di 
Cattaro scheint als ,, Maritima'' bzw. ,,Primorje'' unmittelbar unter 
griechischer Herrschaft gestanden zu haben, weil er vom Thema 
Dyrrhachion abhing. Die Nordhälfie der Bocche mit Trebinje, 
Bilek und Banjani bildete die 2upanija (Herzogtum) Trav&nija 
(TeQßowia = Tervunia, lateinisch Tribunia), wonach die Stadt 
Trebinje ihren Namen bekam. Der Küstenstrich zwischen der 
Sutorina und Ragusa hatte den Namen Konavlje (Kavali^ = Kanali, 
lateinisch Canale)^ wahrscheinlich nach der langen Wasserleitung, 
welche Epidaurus (Cavtat oder Ragusa vecchia) mit Wasser ver- 
sorgte. An Konavlje und Travunija (vielleicht auch an Dioklitija) 
grenzte die 2upanija Zahl um oder Zahlmije, auch Hlm, später 
Hum genannt {Za%loviJiwv xwqa = Sachltimon chora, lateinisch 
Chelmania, Chulmia oder Cheimo), mit der Hauptstadt Blagaj bei 
Mostar. Sie umfaßte den größten Teil der Hercegovina, die Halb- 
insel Sabbioncello (Stonski Rat, so genannt nach der Stadt Ston 
oder Stagno an der Landenge Prevlaka) und wahrscheinlich auch 
die Mündung der Neretva (Narenta). Die Nordhercegovina wurde 
von den Byzantinern auch Pagania genannt. 

Obgleich nun Porfirojennitos ausdrücklich sagt, daß die Tra- 
vunier, Konavljer, Zahlumier und Paganier Serben waren, ge- 



12 Zweiter Zeitraum. 

hörten aie doch nicht zum serbischen Reich, das unter Oroßherzogen 
(Velji 2upani) stand, welche die Nachfolger der oben erwähnten 
Könige (oder Großherzoge) Zvonimir und Budimir Svetoplek waren. 
Als solche werden genannt: Rijeäimir, Radoslav, Prelimiri 
Vojislav (oder Viäeslav) (780—810), Radoslav (810—830), 
Prosegoje (830—860), Vlastimir (850—870) und Mutimir 
(870—890) ^). (Alle Jahreszahlen nur annähernd.) Unter der 
Regierung Prosegojes, nämlich zwischen 836 und 843 erklärte sich 
Erajan (Erajnas) als 2upan von Travunija unabhängig und 
so blieben auch seine Nachfolger Hvalimir und üucimir. 
Großherzog Vlastimir gab diesem Erajan seine Tochter zur Frau 
und erkannte ihn als „Archen^' von Travunija an ^). Dadurch 
wurde er eine Art Lehnsfürst des serbischen Herrschers. Man- 
drovid fiihrt einen um 970 regierenden 2upan Prelimir von 
Travimija an, der dann vielleicht Cucimirs Sohn gewesen sein 
mag. Seinen Sohn Petrislav nennt Mandrovid „Eönig von Dal- 
matien^'; nachdem es jedoch damals kein Eönigreich dieses Namens 
gab, dürfte das wohl für „Dioklitija'^ verschrieben sein In diesem 
Falle würde es stimmen, daß Petrislav zwei Söhne hatte, deren 
einer, Vladimir, bis 990 Eönig von Dioklitija, später Eönig von 
Serbien, der andere, Dragomir, 2upan von Travunija war und 
zwar vermählt mit einer Tochter des 980 — 1019 regierenden Groß- 
herzogs Ljutomir von Ras (das heutige Sand2ak Novipazar). 
Petrislav selbst könnte vielleicht ein Sohn oder Enkel jenes Petar 
gewesen sein, dessen Bleisiegel man gefunden hat, nach dem er 
„Archen von Dioklia'', also 2upan von Dioklitija gewesen war. 
Denn die Inschrift besagt: Ilhqov äqxovtog JiOxUlag (= Peters, 
des Archonten von Dioklia). Nachdem aber dieses Bleisiegel aus 
der Zeit um das Jahr 900 herum stammt und damals ein Petar 
(von 891 — 917) Großherzog von Serbien war, so ist es auch nicht 
ausgeschlossen, daß diese beiden Peter identisch sind. Denn in 



1) Reinsberg-Düringsfeld erzählt von einem König Budimir 
▼on Prävalis (Dioklitija), der 874 einen Landtag in die Ebene von Duvno 
einberufen und auf diesem sein sich von Istrien bis Biakedonien erstrecken- 
des Reich in 2upanije, pravije und banovine geteilt habe. 

2) Daneben wird von den Byzantinern auch noch ein „Archen von 
Konavlje" genannt. 



Bis zur Abschüttlang der byiantiiiischen Oberhoheit unter Vojislav. IS 

damaliger Zeit nahmen es die Regenten mit ihren Titehi nicht so 
genau, wie der Fall zeigte daß sich der letzte Serbenkaiaer Lazar 
manchmal auch nur ;,Eönig^' oder „Fürst'' nannte. 

Über die Schicksale der Brüder Vladimir und Dragomir 
werden wir gleich Näheres hören. Hier will ich nur noch be- 
merkeU; daß auch Zahl um ein selbständiges Reich bildete, dessen 
Fürst Mihail Viäeslavid (912—950) ziemlich bedeutende Macht 
besessen haben muß (sogar eine Seemacht!), weil er es 926 wagen 
konnte, nach Italien hinüberzufahren und das byzantinische Sipon- 
tum (Manfiredonia) zu plündern. Er war Verbündeter des bulga- 
rischen Elaisers Simeon, dem er einmal eine Gefälligkeit erwies, 
indem er Pietro, Sohn des Dogen Orso U. Particiaco (der später 
als Pietro Bado^r von 939 — 942 selbst Doge war) und Schützling 
der Byzantiner, hinterlistig gefangen nahm und nach Bulgarien 
schickte. Ebenso unschön benahm er sich gegen den Serben- 
großherzog Petar. Als nämlich 917 nach der fürchterlichen Nieder- 
lage der Byzantiner durch Simeon zwischen Misimvria und An- 
chialoB der byzantinische Statthalter von Dyrrhachion, Leon Rhav- 
duchos, nach Dalmatien segelte, um Petar im Bündnis mit den 
Magyaren zum Kriege gegen Bulgarien aufzustacheln, wurde dies 
von Mihail dem Simeon verraten, der nun Petar durch Verrat 
{jEmgen und einkerkern ließ. Dadurch wurde Mihail Nachbar der 
Bulgaren. Aber nach Simeons Tod söhnte er sich mit den Byzan- 
tinern aus) die ihm den Titel eines dv&ij7taTog (Prokonsuls) und 
Patriziers verliehen. Er scheint sich übrigens sehr viel mit See- 
raub abgegeben zu haben (bzw. die unter seiner Oberhoheit 
stehenden Neretvaner), weil er noch 948 vom Dogen Pietro Can- 
diano III. durch zwei Seeschlachten zum Abschluß eines Vertrages 
gezwungen wurde. 

Was das Verhältnis dieser kleinen serbischen Reiche zum 
byzantinischen Reich betrifffc^ so war es ein eigentümliches. 
Die byzantinischen Kaiser betrachteten jene Reiche als Vasallen- 
Staaten, etwa so wie die Türkei heute noch Ägypten als solchen 
betrachtet, obgleich sie dort seit einem Jahrhundert gar nichts zu 
sagen hat. Die serbischen Stämme in Albanien, Thessalien und 
Griechenland zahlten allerdings Tribut, mußten Hilfstruppen stellen 
und ihre „Archonten^^ erhielten ihre Ernennung vom Kaiser. Die 



14 Zweiter Zeitraum. 

oben angeführten serbiBcben Reiche in Montenegro , Hercegovina 
und Dalmatien jedoch bekamen im Gegenteil Jahrgelder 
von Byzanz. So z. B. mußte auch Ragusa den Herrschern von 
Zahlum und Travunija jährlich je 36 Gbldstücke zahlen. Dagegen 
waren die Serben verpflichtet; SilÜBtruppen zu stellen , z. B. der 
Oroßherzog von Serbien in Europa 2000 Mann, bei Feldzügen in 
Asien 300, später 500 Mann. 

In Albanien beschränkte sich die byzantinische Herrschaft 
auf die Küste und zwar gehörte die ipirotische Küste vom akro- 
keravnischen Vorgebirge südwärts zum Thema Niköpolis, die 
eigentliche albanische von Avlona nordwärts bis einschließlich 
Dekitera (Cattaro) und Rosa (Porto Rose), jedoch nur die Ebenen 
umfassend, zum Thema Dyrrhachion, dessen gleichnamige 
Hauptstadt damals eine der wichtigsten der Adria war. Sie war 
auch Flottenstation, denn im Jahre 949 wird erwähnt, daß dort 
sieben Schiffe der kaiserlichen Flotte lagen. Aber ihr Schutz war 
oft ein sehr schwacher, sonst hätten nicht die Araber 867 Butova 
(Budva), Rosa und Dekitera plündern und Ragusium (Dubrovnik 
oder Ragusa) belagern können. Als der Bulgarenkaiser Simeon 
893 Byzanz bekriegte, fielen Bulgarenheere auch in Albanien ein, 
wo sie 30 feste Plätze besetzten, aber im Frieden wieder zurück- 
gaben. Nach seinem obenerwähnten großen Siege von 917 streckte 
Simeon der Große seine Herrschaft über das ganze byzantinische 
Reich aus, ausgenommen Südthrakien, Griechenland und die Küsten- 
gebiete von Makedonien und Albanien. 

Aber die Herrlichkeit währte nicht lange. Dem Bulgaren- 
reich fehlte nämlich die Hauptsache: Bulgaren. Als die tata- 
rischen Bulgaren 679 einfielen, waren sie so wenig zahlreich, daß 
sie sich nur zwischen Donau und Balkan einerseits, zwischen dem 
Vid und dem Pontus anderseits behaupten konnten. Diesen Teil 
des Landes bulgarisierten sie, d. h. sie gaben ihm ihren Namen, 
nahmen jedoch dafür die Sprache der unterworfenen Slawen an, 
die keine andere war, als jene urserbische Sprache, die von allen 
Slawen der Balkanhalbinsel und Kroatiens gesprochen wurde. Da 
sich die Bulgaren, welche viel kriegerischer als die Slawen waren, 
den Byzantinern bald lästig machten, faßten diese schließlich alle 
ihre slawischen Gegner imter dem Namen „Vulgari^' zusammen. 



Bis zur AbschüttluDg der byzantinischen Oberhoheit unter Vojislav. 15 

So kommt eS; daß ihre Schriftsteller von einem „westbulgarischen'' 
Reiche reden, wenn vom makedonischen die Rede ist, das von 
936 — 1019 bestand. Siäman, Fürst der serbischen Brsjaken, 
des mächtigsten altserbischen Stammes, gegen den die Bulgaren 
schon 300 Jahre zuvor einen erfolglosen Zug unternommen hatten, 
rief nämlich die in Makedonien, Altserbien, Albanien und Brani- 
fievo (das heutige Sopenland oder Westbulgarien, westlich des Vid) 
wohnhaften Landsleute zur Abschüttlung des byzantinischen Jochs 
auf und gründete ein eigenes Kaiserreich, welches man das make- 
donische nennen könnte, weil die Hauptstadt Ohrid war. £r 
errichtete daselbst auch ein eigenes Patriarchat, das vom 
bulgarischen wie griechischen vollständig unabhängig 
war und allein schon den Beweis liefert, daß sein Reich kein 
bulgarisches gewesen sein kann, weil doch Bulgarien nicht zwei 
Patriarchate nebeneinander gehabt haben kann! Das bulgarische 
Patriarchat endete 971 mit der Eroberung des bulgarischen Reiches, 
während jenes von Ohrid bestehen blieb und zwar mit 30 Bischofs- 
sitzen, von denen sich keiner in Donaubulgarien oder Ost- 
rumelien befand. Alle diese Dinge habe ich schon in meinem 
„Makedonien und Altserbien^^ S. 280 — 286 ausführlich erörtert, 
so daß ich mir hier Wiederholung ersparen kann. Albanien befand 
sich also (die Küste ausgenommen) im Besitze des makedonischen 
Kaiserreiches, als inDioklitija der Sohn Petrislavs, Jovan Vla- 
dimir, als König herrschte. Er besaß auch Travunija und mög- 
licherweise Zahlum. Seine Residenz war bei einer Marienkirche am 
Fuße des Berges Kodrokol, zwischen Bar und Skadar. Denn er 
war so fromm, daß ihn sein Volk später unter die Heiligen versetzte 
und behauptete, er hätte die früher dem Menschen gefährlichen 
„Feuerschlangen'' des §kodra-Sees, welche den „Mons Obliquus'' 
(heute das Dorf Oblika bei Skadar oder Scutari) bewohnten, durch 
ein Wunder «unschädlich gemacht. Nun hatte der makedonische 
Kaiser Samuil mittlerweile seine Herrschaft auch auf Dyrrha- 
chion ausgedehnt, indem er erst Agathe, die Tochter des dortigen 
Bürgermeisters (nQwreöwv) Joannis Chryselios, heiratete und 990 
die Stadt besetzte. Hierauf brach er über die Bojana in Dio- 
klitija ein, belagerte Helcinium (Ulcin oder Dulcigno), ohne es 
erobern zu können, und schloß dann den König Vladimir bei 



16 Zweiter Zeitraum. 

Oblika ein. (Nach Mandrovid auf der Rosa Gora, d. h. ,, Haar- 
berg '' oder ,y Sensenberg'', wie vielleicht der „Mona obliquus'' 
[= ,9 Schief berg^'] bei den Serben hieß.) Aber einer der 2apani 
Vladimirs erbot sich gegen Belohnung zum Verrat, und als der 
König davon hörte, sagte er zu den Seinigen: „Ein guter Hirt 
opfert sich für seine Herde! Besser ich allein gehe zugrunde, 
als ihr alle!'' (Ansichten, welche von den heutigen Monarchen 
beherzigt werden könnten.) Dann begab er sich allein zu Samuil^ 
der ihn in dem Turm des Schlosses (heute Grad, d. h. Burg oder 
Festung genannt) auf der Insel im Prespa-See einschloß (992). 
Aber seine Gefangenschaft dort währte kein Jahr, denn des 
Kaisers Samuil Tochter Kösara, die in sein GeflUignis kam, um 
die Mägde zu überwachen, wenn sie dem Ge£EiDgenen die Füße 
wuschen, verliebte sich auf den ersten Blick in den schönen und 
so tugendhaften Gefangenen, weshalb sie zum Vater eilte und 
ihn sich zum Gatten erbat Samuil, der mittlerweile Dekitera 
und Ragusium niedergebrannt und Dalmatien bis nach Jitera 
(Zadar oder Zara) verheert hatte, willfahrte ihren Bitten, gab 
Vladimir nicht nur sein ganzes Reich zurück, sondern obendrein 
Dyrrhachion, und seinem Bruder Dragomir Travunija. Auch 
erkannte er ihn als „König von Serbien^' an. 

Nachdem Samuil 1014 gestorben war, wurde sein Sohn Gavril 
Radomir von seinem Vetter Jovan Vladislav ermordet, der 
sich des Reiches bemächtigte und aus Blutrache alle Verwandten 
Samuils, also auch dessen Schwiegersohn König Vladimir, auszu- 
rotten beschloß. Zu diesem Zwecke lud er ihn freundschaftlichst 
ein, nach Prespa zu kommen. Kosara roch Lunte und ging selbst 
nach Prespa, wo aber Jovan Vladislav sie so glänzend empfing 
und ihren Argwohn so einzuschläfern wußte, daß sie ihrem Gatten 
erlaubte, nach Prespa nachzukommen, falls der Kaiser ein Pfand 
seiner guten Absichten gebe. Als solches sandte Vladislav ein 
goldenes Kreuz. Aber Vladimir meinte, der Erlöser sei nicht auf 
einem goldenen, sondern auf einem hölzernen Kreuze gestorben, 
er müßte also ein solches sehen. Auf ein solches Kreuz kam es 
natürlich einem Scheusal wie Vladislav nicht an, und zur Verstär- 
kung übersandte er es noch durch seinen Erzbischof, einen anderen 
Geistlichen und einen Einsiedler. Jetzt sicher gemacht, kam Via- 



Bis zar Abschüttlong der byzantinischen Oberhoheit anter Vojislav. 17 

dimir nach Prespa und ging sofort in die Kirche beten. Als dies 
der Kaiser erfuhr ^ welcher eben beim Speisen eaß; geriet er in 
Wuty weil er den Geistlichen aufgetragen hatte, den serbischen 
König unterwegs zu ermorden. Sie entschuldigten sich jedoch 
damit| daß sie dies nicht vermocht hätten , weil „Engel ihn stets 
schützend umschwebten '^ Der Kaiser hielt nicht viel von diesen 
Engeln, denn er gab Auftrag, die Kirche zu umstellen und den 
König bei seinem Herauskommen umzubringen. Abermals mußten 
die drei würdigen Geistlichen in die Kirche gehen , um Vladimir 
zum Herauskommen zu verleiten. Dieser aber sah die Soldaten 
draußen und ahnte sein Los. Er hielt den Geistlichen ihre Schänd- 
lichkeit vor, das Kreuz so zu mißbrauchen, küßte letzteres und — 
legte den Verbrechern dann Beichte ab, sie um Lossprechung 
von seinen Sünden anflehend! (Vl^as allerdings auf seine 
geistigen Eigenschaften ein trauriges Licht wirft I) Dann verließ 
er, das Eüreuz in der Hand, die Kirche und ließ sich draußen vor 
der Tür ruhig festnehmen und den Kopf abschneiden (22. Mai 
1015). Seine Untertanen versetzten ihn unter *die Heiligen, be- 
hauptend, daß er noch nach seinem Tode Wunder wirke. Man 
gewahrte nämlich auf seinem Grabhügel des Nachts ein Licht, 
welches wohl der Phosphoreszierung infolge Verwesung seinen Ur- 
sprung verdankte, aber damals natürlich ftir ein Wunder erklärt 
wurde. Immerhin machte es auf den verbrecherischen Kaiser 
solchen Eindruck, daß er Kosara erlaubte, die Leiche nach der 
Marienkirche bei Kodrokol bringen zu lassen, wo sie bis zu ihrem 
Tode als Nonne lebte und sich dann zu des geliebten Gatten 
Füßen bestatten ließ — eine heiße Liebe, die uns Kosara als eine 
der verehrenswürdigsten Personen des Mittelalters erscheinen läßt. 
Zwei Jahrhunderte lang wallte dort das Volk an Vladimirs Todes- 
tag zu seinem Grab, dann überführte man die Leiche in das 
Kloster §in Dzon bei Elbasan, wo sie noch ruht, während er 
eelbst besonders für den Schutzheiligen von Dürres gilt. Das höl- 
zerne Kreuz, welches er bei seinem Tode nicht aus den Händen 
gelassen und das man mit ihm bestattet gehabt hatte, wurde dann 
mit vergoldetem Metall überzogen und im Dorfe Velji Mikulidi 
verwahrt. Noch heute pilgern nicht nur Christen, sondern sogar 
Mohammedaner (was auf deren Abstammung von den Serben hin- 

Gopöeviö, MontenegfS und Albanien. 2 



18 Zweiter Z&tnxim. 

weist) mit dem Kreuze am Pfingsttag auf die Spitze des 1595 m 
hohen Rumija-Gebirges, um dann von den Strahlen der aufgehen- 
den Sonne getroffen zu werden. 

Der kaiserliche Mörder wurde zwei Jahre später von seinem 
Geschick ereilt. E2r hatte den Tod des Vladimir benutzt, sich in 
den Besitz seines Reiches zu setzen^ und machte sich dann an die 
Belagerung von Dyrrhachion (1017). Nach der Sage soll ihn nun 
der Schatten seines Opfers so verfolgt haben; daß er an Gewissens- 
bissen starb. Nach anderen soll ihn der Geist des heiligen Vla- 
dimir beim Abendessen getötet haben. Wahrscheinlicher (weil 
natürlicher) erscheint dagegen die Angabe des Skylitzis, daß Vla- 
dislav während der Belagerung im Kampf mit dem General 
(atQaTqYÖg) Nikitas Pegonitis durch zwei herbeigeeilte byzanti- 
nische Fußsoldaten tödlich in den Unterleib getroffen wurde. Nach 
seinem Tode bemächtigte sich der byzantinische Kaiser Vasilios II. 
des ganzen Serbenreiches mit Albanien ^ welches mittlerweile vom 
2upan Dragomir von Travunija und Zahlum (Bruder des er- 
mordeten Vladimir) in Besitz genommen worden war. Als dieser 
aber zu diesem Zwecke über die Bocche di Cattaro in Dioklitija 
einmarschieren wollte , luden ihn die Bürger von Dekatera zu 
einem Gastmahl auf die Insel Sveti Gavril. Als er schon etwas 
trunken war, wollten sie' ihn ermorden, doch gelang es ihm, sich 
mit seinem Schwert einen Weg in die Kirche zu bahnen. Hier 
sollte wohl eine Freistatt sein, aber die Verräter deckten das Dach 
ab und schössen mit Pfeilen oder warfen mit Steinen nach ihm, 
so daß er seinen Tod fand. Seine Witwe (wie schon erwähnt, 
die Tochter des Großherzogs Ljutomir von Ras) flüchtete sich ins 
Innere des Landes und gebar auf der Flucht in der ^upanija 
Drina den Stefan Vojislav Dobroslav, durch den die Dynastie 
fortgepflanzt wurde (1018). 

3. Bis zu 4en Nemanjlden. (1039—1169.) 

Jahre hindurch befanden sich somit die serbischen Länder 
abermals unter byzantinischer Oberhoheit Kaiser ManuilKom- 
niuos föhrte unter seinen Titeln auch jene eines Herrn von Dal- 
matien, Ungarn, Bosnien, Kroatien, Bulgarien, Serbien (merk- 



Bis zvL den NemaDJiden. 19 

würdigerweise fehlt dabei Albanien !), doch verhielt es aich bei 
einigen dieser Titel so wie mit den Titeln des Kaisers von Öster- 
reich: ,;Eön]g von Jerusalem, Herzog von Ober- und Nieder- 
schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, Markgraf 
der Ober- und Niederlausitz, Großherzog ' von Toskana, Herzog 
von Lothringens^, von denen nicht einer dem tatsächlichen Besitz 
entspricht! In Wirklichkeit regierten die Serben sich selbst unter 
ihren eigenen Fürsten, doch zahlten sie wahrscheinlich Tribut und 
erhielten ihre Bestallung nebst Hoftiteln von Byzanz. Ob Diokli- 
tija während der Kindheit des nachgeborenen Stefan Vojislav 
Dobroslav unter irgendeiner Regentschaft stand, ist nicht be- 
kannt Sicher ist, daß er als Qeisel nach Konstantinopel gebracht 
und dort erzogen wurde, wo er sich auf den Freund der Griechen 
hinausspielte, um Argwohn einzuschläfern. Wahrscheinlich wurde 
während dieser Zeit Dioklitija (mit dem auch Travunija und 
Zahlum vereinigt waren) vom byzantinischen Statthalter von Djr- 
rhachion, Theophilos Erotikös, verwaltet^); denn als der junge 
König Vladislav aus Byzanz entfloh und in Dioklitija auftauchte, 
erhob sich das ganze Volk und verjagte den Theophilos. (Wahr- 
scheinlich 1039.) Vojislav, der sich mit Neda, Enkelin des make- 
donischen Kaisers Samuil, verheiratet hatte, bemächtigte sich nun 
des ganzen Serbenreiches und war bereits im nächsten Jahr so 
stark, daß er Byzanz trotzen konnte. Als nämlich der Eunuch 
Joannis (nach Mandroviö Statthalter von Dyrrhachion, was aber 
wenig wahrscheinlich ist) dem in Salonik weilenden Kaiser Michail 
440 Oke Gold sandte und das Schiff an der serbischen Küste 
scheiterte, behielt König Vojislav beides und weigerte sich, es auf 
Verlangen des Kaisers herauszugeben. Nun rückte ein byzanti- 
nisches Heer unter Jeorjios Provatäs heran, das bis gegen die 
Zeta vordrang, dann aber in den Pässen von Montenegro von den 
Serben geschlagen und auf dem Rückzug von einem zweiten 
Serbenheere autgerieben wurde. 

Zur selben Zeit war in Niä Petar Dejan (oder Deljan) 



1) Kaiser Michail Kuropalatis hatte der vomehmBten Familie von 
Dyrrhachion den H erzog stitel dieser Stadt verliehen, als Statthalter des 
gleichnamigen Themas. 

2* 



20 Zweiter Zainnm, 

erschienen y hatte sich fiir den Enkel des makedonischen Elaisers 
Samuil ausgegeben und die Serben zur Abschüttlung des byzan- 
tinischen Jochs aufgerufen. Er schlug die Byzantiner bei Skoplje 
und vereinigte sich dann mit den unter Tihomirs Führung auf- 
gestandenen Mittelalbanesen (bzw. Serben Mittelalbaniens). Dyrrha- 
chion wurde erobert und siegreich drangen die vereinigten Serben 
in Thessalien, den Ipiros und Qriechenland bis Theben vor, wäh- 
rend Salonik vergeblich belagert wurde. Da brachte Aluzijän, 
der Sohn des mörderischen Kaisers Vladislav von Makedonien, 
abermals Verderben über das Land, indem er seinen Verwandten 
Dejan beim Gastmahl heimtückisch gefangen nahm, ihm die Augen 
ausstechen ließ und ihn gefangen zum Kaiser Michidl IV. sandte, 
zu dem er dann selbst überging, als die empörten Serben sich 
weigerten, ihn (wie er gehofft hatte) als Kaiser anzuerkennen. 

Aber erst Kaiser Konstantin IX. Monomachos gab im Herbst 
1042 dem Statthalter von Dyrrhachion, Michail Anastasiöpulos, 
Befehl, die Serben zu züchtigen. Mit 60000 Mann brach dieser 
auf und drang in Dioklitija ein, wahrscheinlich durch das Zeta- 
Tal. Als er da in einen montenegrinischen Engpaß kam, in dem 
keine zwei Reiter nebeneinander reiten konnten, belebten sich 
alle umliegenden Höhen mit Serben, welche Felsen herabrollten, 
Pfeile schössen und mit Steinen warfen, worauf sie zum Kampf 
mit der blanken Waffe übergingen. 40000 Qriechen, darunter 
7 Generale, blieben tot und nur der Rest rettete sich des Nachts 
ohne Pferde und Gepäck über die Höhen. Im nächsten Februar 
landete dann der Feldherr Jeorjios Maniakis, welcher sich in 
Unteritalien empört und zum Kaiser von Byzanz ausgerufen hatte, 
in Dyrrhachion, wo er von den Serben Zuzug erhielt und gegen 
Ostrov marschierte. Aber hier kam es zu einer Schlacht, in 
der er fiel. 

So blieb also König Vojislav im unangefochtenen Besitz von 
Serbien, Montenegro und Oberalbanien. Um ihn mit List zu fangen, 
trug ihm der byzantinische Stratigös von Ragusa, Elatakalön, an, 
er werde ihm seinen neugeborenen Sohn aus der Taufe heben. 
Er möge zu diesem Zwecke nach dem Hafen Skno kommen. 
Vojislav merkte die Absicht, aber er wurde dadurch nicht ver- 
stimmt, sondern er beschloß, List mit Gegenlist zu vergelten. Als 



Bis zu den Nemanjiden. Si 

Katakalon mit seinen Kriegsschiffen erschien und in Slano ans 
Land stieg, erwartete ihn dort schon König Vojislav mit großem 
Gefolge und Ehrenbezeigungen. Dann aber sprangen aus Hinter- 
halten von allen Seiten Serben hervor, fesselten den betrogenen 
Verräter und bemächtigten sich der Dromonen (Galeeren), auf 
denen dann alle Gefangenen nach Ston (Stagno) geführt wurden. 
Mandrovid erzählt, daß Vojislav nach der großen Niederlage 
der Griechen in Montenegro (1043) seinen Sohn Gojislav mit 
einem Heere gegen den Fürsten von Zahlum, Ljutovid, gesandt 
habe, der, gleich dem bosnischen Ban und dem 2upan von Ras, von 
den Griechen zum gleichzeitigen Angriff gewonnen war. Ljutovid 
wäre aber von seinem Heere verlassen worden und mit knapper 
Not verwundet entkommen. Dies stimmt aber insofern nicht, als 
1043 der König selbst erst 26 Jahre alt war, also keinen er- 
wachsenen Sohn gehabt haben kann. Femer bliebe es rätselhaft, 
woher auf einmal ein 2upan Ljutovid von Zahlum hergekommen 
wäre, das doch schon längst mit Dioklitija vereinigt war. Und 
von den beiden anderen angeblichen Gegnern (von Bosnien und 
Ras) hört man weiter nichts. Wenn also etwas daran wahr ist, 
so könnte es sich höchstens auf einen späteren Aufstand eines 
Ljutovid beziehen, bei dem dieser den kürzeren zog. Nach Man- 
drovid regierte Vojislav bis 1065, während Jireöek das Jahr 1052 
annimmt, in welchem sein Sohn Mihail den byzantinischen Hof- 
titel eines „Protospathars'' erhielt Wie dem auch sei, Mihail, 
welcher sich „König der Slawen '^ (rex Sdavorum) schrieb und 
in Skadar (Scutari) wohnte, scheint schon bei seinem Regierungs- 
antritt ein mächtiger Herr gewesen zu sein, und da er im Jahre 
1052 doch höchstens 16 Jahre alt gewesen sein kann, halte ich 
deshalb 1065 als das Jahr seines Regierungsantritts für wahr- 
scheinlicher. Die Titelverleihung im Jahre 1052 kann doch viel- 
leicht auch nicht mehr bedeutet haben, als heutzutage ähnliche 
Titelverleihungen au Kronprinzen. Übrigens erzählt Mandrovi<5, 
der sich meist an Diocleas hält, daß nach dem Tode Vojislavs 
dessen Witwe Neda die Regentschaft im Namen der ftlnf Söhne 
Gojimir, Predimir, Mihail, Saganac und Radoslav geftihrt habe, 
welche das Reich unter sich geteilt hätten. Jedoch gleich anfangs 
sei Gojimir erkrankt und dies habe ein gewisser Domanek be- 



%t Zweiter Zeitraam. 

nutit, um ihn und P red i mir in Trebinje zu ermorden, üch 
•elbet Bum 2upan von Travunija machend. Die anderen Brüder 
hätten ihn Bwar verjagt, doch wäre er nach ihrem Abzog wieder- 
gekommen, 80 daB Radoslav neuerdings gegen ihn ziehen mußte. 
Diesmal sei Radoslav jedoch in Trebinje geblieben, weil seine 
Brüder damit einverstanden waren, daß er Großfürst von Tra- 
vunija, Zeta (Montenegro) und Zahlum bleibe. Bald darauf sei 
Neda gestorben und Mihail hätte die Alleinherrschaft über Ser- 
bien angetreten. Er habe sich in zweiter Ehe mit einer Ver- 
wandten des griechischen Kaisers verbunden, mit dem er deshalb 
in Frieden lebte. Auch mit dem Papst stand er auf gutem Fuße, 
weil dieser ihm 1077 eine goldene Eönigskrone sandte. 

Die Bulgaren hatten sich 1072 unter Führung des Qjorgje 
Vojtjeh gegen die Byzantiner erhoben und erbaten sich vom 
König Mihail einen Oberfeldherm. Er sandte seinen Sohn Kon- 
stantin Bodin mit dem Vojvoda Petrilo und 300 Serben nach 
Prizren, wo ihn eine Versammlung der Aufständischen zum Kaiser 
der Bulgaren ausrief und ihm den Namen Peter beilegte (1073). 
Nachdem auch Mihail selbst durch einen Angriff auf Djrrhachion 
die Bewegung unterstützte und die Kroaten Dalmatien angriffen, 
fiel ganz Makedonien den Au&tändischen in die Hände. Aber 
bei der Belagerung von Kastoria (Kostur) gelang es dem byzan- 
tinischen Statthalter Damianos Delassenos durch einen glücklichen 
Ausfall die Belagerer zu zersprengen ; Petrilo mußte durch Albanien 
zu Mihail fliehen, Bodin erlitt im Dezember bei Taönion eine 
Niederlage und wurde gefangen. Damit war die Bewegung zu 
Ende. Bodin wurde nach Antiochia geführt, von wo er mit Hilfe 
venezianischer Seeleute entkam, die sein Vater bestochen hatte. 
Im Oktober 1080 vermählte sich dann Bodin mit Jakinta, der 
Tochter des Patriziers Arjyritzis, Hauptes der normannischen 
Partei von Bari, den Mihail dort besucht hatte. Mittlerweile hatte 
der byzantinische Statthalter von Dyrrhachion, Vryennios, die 
vorher von den Serben eroberten Küstenstädte von Dalmatien 
und Albanien zurückerobert. Aber während der späteren Wirren 
im byzantinischen Reiche flüchtete sich der Statthalter von Dyrrha- 
chion, Jeorjios Monomachos, zu Mihail, der aber schon um 1081 
gestorben sein soll. Ihm soll sein Bruder Radoslav gefolgt sein, 



Bis zu den Nemanjiden. ^ 23 

u^jitk: ^^^ Bodin die Stadt Budva zum Wohnsitz anwies. Damit nicht 

^ zufrieden; erhob sich Bodin gegen seinen Oheim und nahm ihm 






lui £ 






^ j^^j das ganze Reich außer Travunija^ wo Radosiav bis um 1097 

tenr^j; regiert haben soll. Ein Zwist mit seinen Brüdern wurde kampf- 

los durch Vermittlung des Erzbischofs Petar von Antivaris (Bar) 
geschlichtet. 

Vorher schon (Juni 1081) war ror Byrrhachion Robert 
.^. Ouiscard mit einer normannischen Flotte erschienen, der sich 

p^. eine dalmatinische zugesellt hatte. Er fUhrte 15000 Mann mit 

sich, doch wurde seine Flotte durch einen Sturm zerstört und 
Guiscard rettete sich mit Mühe zu dem von seinem Sohn Boömund 
befehligten Landheer. Den Byzantinern stand eine venezianische 
Flotte zur Seite, und ihr Landheer, vom Kaiser Älexios Eom- 
ninos persönlich befehligt, wurde durch ein serbisches Hilfsheer 
unter Bodin unterstützt. Aber dieser scheint an der griechischen 
Sache kein rechtes Interesse gehabt zu haben, denn in der Haupt- 
schlacht vom 18. Oktober 1081 blieb er untätig und zog nach 
der Niederlage der Byzantiner kampflos ab. Denn Alexios wurde 
beim heutigen Tekö Aleksit geschlagen und wäre fast bei Nderenje 
von den Verfolgern gefangen genommen worden. Trotzdem zog 
sich die Belagerung in die Länge und erst am 15. Februar 1082 
konnte Guiscard durch Verrat eines Edelmanns von den venezia- 
nischen Hilfstruppen der Besatzung die Stadt nehmen. Die Nor- 
mannen eroberten nun außer Dyrrhachion ganz Unteralbanien, 
den Ipiros, Thessalien, Makedonien und Skoplje, aber mit Roberts 
Tod (1085) war es auch mit ihrer Herrlichkeit wieder zu Ende. 
Die Bewohner von Dyrrhachion erhoben sich sofort nach Ein- 
treffen der Todesnachricht, verjagten die normannische Besatzung 
und kehrten zu Byzanz zurück. Bodin, der mit den Normannen 
auf gutem Fuß stand, eroberte mittlerweile Bosnien und Ras, 
deren Regierung er seinen Neffen Vlkan (Vukan) und Stefan, 
sowie einem gewissen Marko übertrug. Stefan soll von 1083 — 1101 
Ban von Bosnien gewesen sein, Vlkan 1070 — 1113 2upan von 
Ras, was allerdings mit dieser Angabe nicht stimmen würde. Es 
scheint mir deshalb wahrscheinlicher, daß Vlkan schon zu König 
Mihails Zeiten 2upan von Ras wurde und vielleicht Bodin ihn 
zeitweilig durch den Marko ersetzte, möglicherweise weil ihm 



24 Zweiter 2Mtraam. 

Vlkan Qrund zur Unzufriedenheit gab. Jedenfalls dürfte aber 
Marko nur yorübergehend regiert haben, weil von ihm weiter 
keine Rede ist und immer nur Vlkan als 2upan von Kas erwähnt 
wird, der gegen die Byzantiner mit Glück gekämpft und sich auf 
ihre Kosten vergrößert habe. Seine Tochter heiratete auch den 
späteren König Vladimir II. von Serbien, ihren Vetter. Während 
seiner Kriege mit den Byzantinern kam es im Februar 1094 in 
Lipljan zu einem Vergleich, wobei Vlkan seine Neffen Uroä, Stefan 
und Vlkan (Söhne des Bans Stefan von Bosnien) nebst 17 anderen 
Edlen als Geiseln stellte. 

Bodin hatte nach Robert Guiscards Tod (1085) Dyrrhachion 
erobert, aber entweder fireiwillig oder (wahrscheinlicher) gezwungen 
wieder den Byzantinern zurückgegeben. Nach Anna Komnina 
soll er sodann von ihrem Bruder Joinnis Dukas, Statthalter von 
Dyrrhachion, geschlagen und sogar gefangen worden sein, was 
aber wenig wahrscheinlich ist, weil dann die Byzantiner ihn kaum 
wieder freigegeben hätten. Auch wird von dieser Gefangenschaft 
sonst nirgends etwas erwähnt. 

1096/97 kamen die Kreuzfahrer durch Serbien über Belgrad, 
und durch Albanien über Dyrrhachion. Die Proven9alen unter 
Graf Raimund von Toulouse wählten den Weg durch Dal- 
matien und Montenegro über Skadar nach Dyrrhachion. Nun darf 
nicht übersehen werden, daß ein großer Teil der Kreuzfahrer aus 
Gesindel bestand, das schon alle möglichen Verbrechen auf dem 
Kerbholz hatte und nun hoffte, durch Teibahme am Kreuzzug 
dennoch in den Himmel zu kommen. Obendrein fielen sie ohne 
vorherige Ansage in die Balkanhalbinsel ein und begingen alle 
möglichen Schandtaten (so z. B. hieben sie den Eingebomen Hände, 
Füße oder Nasen ab I), nebenbei noch alles, was sie brauchten, ein- 
fach den Leuten wegnehmend. Selbstverständlich setzten sich 
diese zur Wehr und machten namentlich aus Rache alle Nach- 
zügler nieder, was wieder die Kreuzfahrer erbitterte und die Dar- 
steller der Geschichte der Kreuzzüge zu ungerechten Vorwürfen 
gegen die Slawen und Griechen der Balkanhalbinsel veranlaßte ^). 



1) Man stelle sich vor, die Mekkapilger landeten plötzlich in Ham- 
burg, begännen dort den Leaten alles wegzunehmen und würden die sich 



^ r » - 



IR^RP 



Bis zu den Nemanjiden. !35 

Nor jene Heerhaufen, die unter anmittelbarer Aufsicht der Fürsten 
standen, betrugen sich anständiger und deshalb wurden sie auch 
gut aufgenommen. So z. B. befreundeten sich König Bodin und 
Graf Raimund sofort , als dieser die Hauptstadt Skadar betrat. 
Aber beim Weitermarsch durch Oberalbanien begingen die &euz- 
fahrer wieder die gewöhnlichen Ausschreitungen, die zu beständigen 
Kämpfen führten. Später versuchte Boemund, Fürst von An- 
tiochia, mit seinen Normannen Albanien zu erobern, doch die 
Serben halfen ihm nicht, sondern im Gegenteil, sie versorgten das 
von ihm belagerte Dyrrhachion über Ljeä auf dem Seeweg. 

Bodin hatte Verwandte: die Brüder Gradislav, Branislav 
und Koöapar, welche Söhne seines Onkels Radoslav (nach an- 
deren jene seines Bruders Dobroslav) waren und von denen Königin 
Jakinta befürchtete, sie könnten nach der Krone streben. Als 
deshalb einmal Gradislav mit Branislav und dessen Sohn Pre- 
dihna (Prednja) nach Skadar zum Besuch kam, ließ sie Bodin 
auf Anstiften Jakintas beim Festmahl gefangen nehmen, was alle 
Anhänger und Verwandte Branislavs (400 Köpfe stark) bewog, 
nach Ragusa zu entfliehen, wo sie dann von Bodin belagert wur- 
den. Koöapar, Branislavs Bruder, der mit der Tochter des Bans 
Stefan von Bosnien vermählt war, tötete während der Belagerung 
den Liebhaber der Königin, Kosar (nach Tubero ihr Bruder), mit 
einem Wur&pieß. Dies erbitterte Jakinta so sehr, daß sie ihren 
Gatten bewog, seine drei Gefangenen vor der Stadt enthaupten 
zu lassen (um 1100). Die Anhänger Branislavs flohen daraufhin 
zu Schiff nach Konstantinopel, von wo sie nach Dyrrhachion ge- 
schickt wurden. Bodin soll dann Ragusa eingenommen haben. 

Bodin soll 1102 gestorben und sein Sohn Mihail U. ihm 
gefolgt sein, der schon zu seinen Lebzeiten sein Mitregent war. 
Aber das Volk wählte statt seiner seinen Onkel Dobroslav (der 
nicht, wie Mandroviö glaubt, Bod ins Bruder gewesen sein kann, 
denn von Jakinta hatte Bodin nur die Söhne: Mihail, Gjorgje, 
Argirica und Tema; auch heißt es, daß das Volk den Mihail 
aus Haß gegen Jakinta nicht wollte, welcher Grund doch 



Widersetzenden toten oder verstümmeln I Was dann jene Geschichtschreiber 
sagen wQrden? 



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26 Zweiter Zeitraum. 

auch f&r seine Brüder gegolten haben müßte). Es heißt weiter, 
daß Dobroslav so herrisch regierte, daß Koöapar es wagen konnte, 
aus Dyrrhachion nach Ras zu gehen und mit dem 2upan Vlkan 
Dobroslav vom Thron zu stoßen. Dobroslav wurde gefangen 
nach Ras geschickt, wo er im Kerker starb, Eoöapar behielt sich 
das Königreich Zeta (oder Dioklitija), ging aber dann nach Bos- 
nien heiraten und fiel dort in einem Kampfe, worauf die Serben 
den Enkel des Königs Mihail L, Vladimir U. (Sohn des Vla- 
dimir), der mit der Tochter des 2upan Vlkan von Ras vermählt 
war, zum König ausriefen. Er soll bis 1114 regiert haben. Sein 
Schwiegervater soll den ge&ngenen Dobroslav freigelassen haben, 
„um Vladimir eine Freude (?!) zu machen^', dieser habe ihn aber 
wieder eingekerkert. Da habe nun die böse Jakinta, welche in 
Eätera (Kotor) wohnte, den König Vladimir vergiften und Do- 
broslav die Augen ausstechen lassen (1114). So wurde dann ihr 
Sohn Gjorgje König. Um sich vor ähnlichen Streichen zu 
schützen, wollte er auf seiner Mutter Jakinta Rat die Söhrne des 
geköpften Branislav: Grubesa, Gradihna und Prvoslav ermorden 
lassen, doch fiel nur der erstgenannte in seine Hand. Er ließ 
ihn in Skadar festsetzen, während die übrigen nach Dyrrhachion 
entflohen. Der Statthalter dieser Stadt, Joannis Komninos, zog 
hierauf gegen Skadar, besiegte Ojorgje in einer Schlacht und er- 
oberte die Stadt, worauf Gjorgje nach Ras floh. Grubeäa wurde 
nun aus dem Gefängnis geholt und auf den Thron gesetzt (1118), 
Jakinta in Kotor gefangen genommen und nach Konstantinopel 
gebracht, wo sie starb. 

Grubeäa soll bis 1125 regiert haben, um welche Zeit Gjoi^je 
aus Ras mit Truppen zurückkehrte, wobei Grubeäa in der Schlacht 
bei Bar &one und Leben verlor. Gjorgje bestieg also neuer- 
dings den Thron, hatte jedoch dreimal Angriffe der Byzantiner 
auszuhalten. Das drittemal wurde er vom Statthalter Alexios 
Kondistöfanos gefangen genommen und nach Konstantinopel ge- 
sandt, wo er starb ^). Dafür setzte man Gradihna auf den 



1) Nach Mandroviö wäre Gjorgje nach seiner Niederlage zunächst 
nach Avlon geflohen, wo ihn Gradihna belagert, zur Ergebung gezwungen 
und dann nach Konstantinopel geschickt hätte. 



Bis zu den Nemanjiden. S9 

Thron; den Bruder des Königs Grubeäa (wahrscheinlich 1136 oder 
nach anderen 1143). 

In Ras war mittlerweile auf Vlkan sein Neffe Uroä L ge- 
folgt (wahrscheinlich Sohn des bosnischen Bans Stefan) ^ der um 
1080 geboren, also bei der Thronbesteigung (1113) 33 Jahre alt 
war. Seine Tochter Jelena heiratete um 1130 den ungarischen 
König B41a IL; ,;den Blinden '^ Wahrscheinlich war er der jün- 
gere Bruder des BjeloS; der Ban von Kroatien und Pfalzgraf war. 
Des Uroä I. Söhne waren: Prvoslav oder Pribislav, Uros II. 
;;Bjeli'' (der Weiße) — den aber manche für identisch mit dem 
Vorigen halten — , Bjeluä und Desa. Uroä II. soll von 1140 
bis 1156 2upan von Ras gewesen sein; von Gradihna heißt es, 
daß er mit einer Tochter des Königs Louis VI. von Frankreich 
vermählt war und bis 1154 regiert hätte, worauf ihm sein ältester 
Sohn Radoslav oder Prvoslav (Pribislav) gefolgt wäre, den 
Elaiser Manuil Komninos auf den Thron gehoben hätte. Er wäre 
aber bald durch den erwähnten Bjeluä abgelöst worden (1156), 
der aber seinerseits noch im selben Jahre zugunsten seines Bruders 
Desa abgedankt hätte. 

Von Uroä II. Bjeli wird erzählt, daß er im Herbst von den 
Byzantinern mit Krieg überzogen wurde und die Festung Ras an 
sie verlor. Nach einer zweiten Niederlage im nächsten Jahr habe 
er sich dann dem Kaiser Manuil unterworfen. Die Serben hätten 
jedoch Uroä IL gestürzt und Desa auf den Thron gehoben. (Hier 
ist also weder von Radoslav-Prvoslav noch von Bjeluä die Rede.) 
Da sich Uroä dies nicht gefallen ließ, hätten sich Desa und Uroä 
zu Manuil begeben, um ihn entscheiden zu lassen, und er hätte 
für Uroä entschieden (1155). Desa hätte dagegen zur Entschä- 
digung die Landschaft Dendra bekommen. Dann erst wären 
Prvoslav (Radoslav) und Bjeluä gefolgt und nach des letzteren 
Abdankung Desa. 

Desa war nach langer Zeit wieder der erste König, welcher 
fähig und tatkräftig genannt werden kann und dessen Streben 
danach ging, Serbien zu einigen und von den Byzantinern auch 
gänzlich freizumachen. Er war erst Großherzog von Ras und 
Zahlum gewesen und als er 1156 König von Serbien wurde, ließ er 
sich die Wiedergeburt seines Reiches sehr angelegen sein, was aber 



S8 Zweiter Zeitraum. 

gerade den Byzantinern natürlich nicht recht war. Desa knüpfte 
mit den Deutschen Heiratsverbindungen an, verheiratete seine 
Tochter mit einem Sohne des Dogen Vitale U. Michieli, dem 
Gh*afen Leonardo von Ossero, während der Bruder des letzteren, 
Graf Nicolö von Arbe, Schwiegersohn des Königs Läszlo IL von 
Ungarn war. 

Desa wandte sich hierauf, in dem Bestreben Serbien zu einigen, 
gegen König Radoslav-Prvoslav von Zeta, den Sohn Gradihnas, 
der mit seinen Brüdern Jovan und Vladimir (nach Mandrovid soll 
er noch Miroslav, Zavid, Kosta, Stracimir und Nemanja zu Brü- 
dern gehabt haben, was entschieden falsch ist) in Skadar wohnte. 
Er nahm ihm Travunija und die Zeta ab, ihn 80 auf da8 Gebiet 
zwischen Kotor und Skadar beschränkend. 

Mittlerweile waren aber Kriege zwischen Byzantinern und 
Magyaren ausgebrochen. Desa benutzte dies, um sich wieder 
der Landschaft Dendra zu bemächtigen, die er vordem hatte zurück- 
geben müssen, und zögerte auch, die vom Kaiser Manuil gegen 
Ungarn verlangten Hilfstruppen zu stellen. Dies wurde sein Ver- 
derben. Als Manuil persönlich nach NiS kam und Desa dort er- 
schien, aber mit den ungarischen Gesandten heimliche Besprechungen 
hatte, machte der Kaiser kurzen Prozeß, nahm Desa in Haft und 
sandte ihn gefangen nach Konstantinopel (Sommer 1162). Das 
ganze Küstengebiet wurde sodann von den Byzantinern besetzt 
und einem Statthalter von ,,Dalmatien und Dioklia^' untergeordnet 
Kaum hatten aber die byzantinischen Truppen das Land verlassen, 
als Desa entsprang, vom Volke mit Jubel begrüßt wurde und wieder 
die Herrschaft über Serbien antrat. Dies veranlaßte Kaiser Manuil 
zu einem neuen Kriege gegen Desa, bei dem dieser 1168 ge- 
schlagen, gefangen und nach Konstantinopel geführt wurde. Über 
seine weiteren Schicksale daselbst gab mir eine alte Handschrift 
aus dem 15. Jahrhundert Aufschluß. Es ist dies ein glagolitisches 
Blatt, vermutlich aus einer Geschichte Serbiens gerissen, welches 
zu erzählen weiß, daß Desa in Konstantinopel neuerdings ge- 
heiratet habe und zwar eine Griechin, die kurz nach seinem Tode 
1179 einen Sohn Vlastimir gebar, der seinerseits einen Sohn 
Goin Vlastimirov hatte. Dieser sei später unter der Regierung 
des Königs Uro§ (Veliki) nach Duklje zurückgekehrt, wo er sich 



Unter den Nemanjiden bis Stefan UroS III. Veliki. %9 

niedergelassen^ geheiratet und einen Sohn namens Desa Goinov 
hinterlassen habe. Dessen Sohn habe Radoslav Gojnovid ge- 
heißen und sein Enkel Vojislav Gojnoviö. Der letztere wan- 
derte nach der Schlacht am Kosovopolje (1389) nach den Bocche 
di Cattaro aus, wo er 9, Fürst von Orahovac^' wurde. Dies wird 
durch eine andere Handschrift bestätigt^ welche jünger zu sein 
scheint (vielleicht um 1415 geschrieben, während die erste mög- 
licherweise 20 Jahre älter ist, da die Tinte ganz gelb verblaßt 
ist, während sie in der zweiten dunkler erscheint), denn in 
ihr findet sich eine Aufisählung der Häupter des Primoije und 
unter diesen wird ein ^^Vojislav Gojnoviö ili Gopöevid, 
knez Rahovaöki'^ (Vojislav Gojnovid oder Gopöeviö, Fürst von 
Orahovac) erwähnt. Dieser ist offenbar identisch mit dem Vater 
des Uroä Gopöeviö, welcher 1420 venezianischer Bürger und 
ein Jahr später venezianischer Graf wurde, ebenfalls ab „Fürst 
von Orahovac^' bezeichnet und in einer Urkunde aus dem 
Jahre 1422 ab „Comes Urosius Gopcevicbius alias Goinovichius^' 
unter den Befehlshabern der Galeeren erwähnt wird. (Von ihm 
stamme ich in direkter männlicher Linie der Erstgeburt ab, 
wie aus weiteren Urkunden erwiesen ist.) Von seinen Nach- 
kommen scheint übrigens einer nach Bosnien ausgewandert und 
zum Islam übergetreten zu sein, wie aus dem von der „Srpska 
Vila'' 1888 veröffentlichten langen Volkslied „Die Heirat des 
GopSeviö Beg^' zu schließen ist 

4. Unter den Nemanjiden bis Stefan UroS IIL Veliki. 

(1169—1243.) 

Nach Kovaieviö soll nach Desas Absetzung Tihomir auf 
den Thron gekommen sein, der ein Bruder des Stefan Nemanja 
war und einen Sohn Stefan Prvoslav hatte, aber kaum länger 
als zwei Jahre lang regiert haben kann. Aber die Vaterschaft 
Nemanjas ist zweifelhaft. Mandrovid z. B. hält ihn für einen Sohn 
des Königs Gradihna, was aber insofern nicht stimmt, als er 
selbst in seiner Stiftungsurkunde des Klosters Hilandar erklärt, 
sein Großvater und sein Urgroßvater hätten über serbische 
Länder geherrscht, während er sicher auch den Vater erwähnt 



so Zweiter Zeitraum. 

hätte, wenn dieser König Gbadihna gewesen wäre ^). Nach Ko- 
vaöevid hatte er noch als ältere Brüder aufter dem erwähnten 
König Tihomir: Sracimir (wohl Straäimir) und Miroslav. Sein 
Vater hätte Zavida geheißen. 

Wenn diese Angaben richtig sind — und es liegt kein Qrund 
vor, daran zu zweifeki — , so sind nur zwei Fälle möglich: ent- 
weder war Zavid ein Sohn des Königs Dobroslav, der ja Sohn 
des Königs Mihail I. war und von dem bekannt ist, daß er 
acht Söhne hatte, oder Zavid war ein Sohn des 2upans Vlkan 
von Ras, der Sohn des Königs Radoslav (1078 — 80) war. In 
ersterem Falle (den ich für den wahrscheinlicheren halte) würde 
auch die Angabe stimmen, daß Nemanja von seinem regierenden 
Bruder wegen seiner an Klöster verschwendeten Gelder eingekerkert 
wurde. Denn dies könnte der König Tihomir gewesen sein, 
welcher 1168 nach Desas Gefangenschaft auf den Thron gelangte 
und Nemanjas Bruder war. (Seine anderen Brüder werden ge- 
nannt: StraSimir und Miroslav, der von 1171 — 79 Großfürst 
von Zahlum und mit der Schwester des Bans Kulin von Bosnien 
verheiratet war.) Eine weitere Unterstützung dieser Vermutung 
würde die Überlieferung geben, daß Zavid 1114 wegen der Un- 
ruhen im Lande nach Ribnica (Podgorica) in Montenegro flüchtete, 
wo Nemanja geboren wurde; denn in jenem Jahre war es, wo 
König Vladimir von Jakinta vergiftet und Dobroslav geblendet 
wurde. Jireöek hält der Überlieferung allerdings entgegen, daß 
Nemanja vermutlich 20 Jahre älter gewesen sein muß, aber die 
von ihm ins Feld geführten Gründe sind nicht voll beweiskräftig, 
da sie auch nur auf Vermutungen und Folgerungen aufgebaut 
sind. Alles zusammengenommen halte ich demnach meine Ver- 
mutung ftir wahrscheinlich. Denn sonst bliebe nur die zweite 
Möglichkeit übrig, allein es ist nirgends erwähnt, daß Vlkan 
Söhne hinterließ. Auf keine anderen Vorfahren würde 
aber sonst Nemanjas obenerwähnte Angabe, daß sein 
Großvater und Urgroßvater (nicht aber sein Vater) 



1) Deshalb hat auch Milakoviö entschieden unrecht, wenn er Ne- 
manja als Sohn des Desa bezeichnet, und Vlahovi^, der ihm Uroi II. 
„Bjeli" zum Vater gibt. 



Unter den Nemanjiden bis Stefan Uroä III. Veliki. Sl 

Herrscher serbischer Länder gewesen seien, passen 
Eine weitere Unterstützung erhält meine Vermutung noch durch 
die Angabe, daß Nemanjas Vater in sein ^^Geburtsland Dio- 
klitija'^ zurückgekehrt sei; dann kann er also nicht Enkel des 
2upans von Ras, sondern sein Großvater muß König von Diokli- 
tija (oder Serbien) gewesen sein. Mithin dürfte ich wohl mit 
meiner Mutmaßung das Richtige getroffen haben. 

Nach Mandroviö (der überhaupt irrigerweise Nemanja zum 
jüngsten Bruder von Radoslav, Prvoslav-Miroslav, Zavid und Stra- 
cimir macht) wäre erst das Reich so geteilt gewesen, daß Ra* 
doslav König von Dioklitija war, Miroslav Herr in Budimlje 
(Zahlum), Zavid an den Ufern des Lim, Sracimir an jenen 
der Morava und Nemanja in Ras, Toplica und am Ibar. Dann 
sei Nemanja, wie oben erwähnt, von seinen Brüdern eingeker- 
kert worden, entsprungen und, als Kaiser Manuil nach NiS kam, 
1159 von ihm zum Großherzog von Ras gemacht worden. Das 
Jahr ist aber schon entschieden falsch, weil damals Desa noch 
regierte. Vielleicht soll es 1 1 69 heißen und dann würde es besser 
stimmen. 

Wie dem auch sei, wahrscheinUch ist nur, daß Nemanja 
bereits Qroßherzog von Ras war, als die Venezianer 1171 die 
Serben zum Krieg gegen Byzanz aufforderten. Nemanja folgte 
dem Ruf insofern, als er mit den Deutschen und „ Hunnen '' (wie 
die Byzantiner bisweilen die Magyaren nach ihrer Abstammung 
nannten) Bündnisse abschloß, die er dazu benutzte, Dalmatien und 
Kotor zu erobern, doch sah er sich im nächsten Jahre von seinen 
Verbündeten verlassen und mußte sich den Byzantinern neuerdings 
unterwerfen, die ihn nach Konstantinopel führten, wo er wegen 
seiner „montenegrinischen^' Körpergröße angestaunt wurde. Dann 
aber durfte er wieder zurückkehren. 

Nach Manuils Tod (1180) war es mit der griechischen Schutz- 
herrschaft zu Ende. Während die Magyaren in Bosnien und Dal- 
matien einfielen, wandte sich Nemanja 1183 gegen Altserbien und 
Montenegro, indeß sein Bruder Miroslav, der 2upan von Zahlum, 
sich mit dem päpstlichen Stuhl herumzankte. Nemanja eroberte 
Skadar (Scutari), die alte Residenz der dioklitischen Könige, und 
ganz Nordalbanien einschließlich der Küstenstädte Kotor, Bar und 



S2 Zweiter Zeitraum. 

Ulcin, das bis 1408 in den Händen der Serben blieb. Bei dieser 
Gelegenheit dürfte auch sein Neffe Mibail (Sohn Miroslavs und 
Herr von Dioklitija)^ der mit Desislava vermählt war, in Mit- 
leidenschaft gezogen worden sein, denn es heißt , daß er nur bis 
1189 regiert habe. Wenigstens kam zu dieser Zeit Desislava 
nach Ragusa auf der Flucht und übergab den Ragusäem die 
letzten zwei Schiffe der dioklitischen Flotte. Auch der Erzbischof 
Gregor von Bar kam mit ihr und kehrte nicht mehr zurück. Drei 
Jahre früher war aber schon Kotor (Cattaro) in Nemanjas Besitz. 
Dagegen gelang es nicht, Koröula (Curzola) 1184 zu erobern, in- 
dem Straäimir eine Niederlage zur See erlitt, worauf sich die 
Brüder herbeilassen mußten, Kordula aller Verpflichtungen gegen 
Zahlum ledig zu erklären. Eine zweite Seeschlacht von 13 ser- 
bischen Schiffen gegen elf ragusäische (18. August 1184 bei Po- 
Ijice) endete mit der gänzlichen Vernichtung der serbischen Flotte. 
Im nächsten Juli versuchte dann Miroslav, Ragusa durch einen 
Landangriff zu nehmen, aber als er hörte, daß die Normannen zum 
Entsatz kamen, hob er am siebenten Tage die Belagerung auf. 

Der normannische König Wilhelm II., welcher damals Unter- 
italien beherrschte, und unter dessen Schutz sich nun Ragusa stellte, 
wollte seine Truppen nicht umsonst aufgeboten haben, daher landete 
er in Albanien und eroberte Dyrrhachion, das aber im Frieden 
wieder zurückgegeben wurde. 

Den Krieg zwischen Bjzanz und den unter Asjän (Äsen) auf- 
gestandenen Bulgaren benutzte Nemanja zur Eroberung von Niä 
und des Timoktals (1187). Da er Nachricht erhielt, daß ein neuer 
Kreuzzug gepredigt werde, den Kaiser Friedrich Barbarossa 
anfuhren wolle, sandte Nemanja die erste serbische Gesandt- 
schaft nach Deutschland, welche in Nürnberg (Weihnachten 1188) 
dem Kaiser mitteilte, daß er sehr willkommen sein werde und der 
König nichts sehnlicher wünsche, als einen so berühmten Kaiser 
persönlich kennen zu lernen. Als dann im nächsten Jahre (27. Juli) 
die beiden Monarchen sich in NiS wirklich persönlich kennen 
lernten, war der Kaiser über die Geschenke sehr erfreut, von 
denen ihm namentlich die Seehunde Eindruck gemacht haben 
dürften. Nemanja erzählte dem Barbarossa, daß er und seine 
Brüder StraSimir und Miroslav den Byzantinern alles Land der 



Unter den Nemanjiden bis Ste&n UroS III. Veliki. SS 

Umgebung mit den Waffen abgenommen hätten, daß er aber bereit 
661, die deutsche Oberhoheit anzuerkennen, wenn der E^aer mit 
ihm gegen Byzanz gemeinsame Sache machen wolle. Aber der 
Kaiser dachte nur an Jerusalem. Dagegen kam es zu serbisch- 
deutschen Heiraten, denn Miroslavs Sohn, Toljen, wurde mit der 
Tochter des Markgrafen von Istrien und Titularherzogs von Kro- 
atien, Berchtold IV. von Andechs, verlobt und im nächsten 
Jahre verheiratet. 

Als die Kreuzfahrer bei ihrem Weitermarsch gegen Kon- 
stantinopel wegen ihrer Ausschreitungen blutige Kämpfe zu be- 
stehen und infolgedessen das ganze Land sowie griechische Heere 
gegen sich hatten, erinnerte sich Barbarossa der serbischen Freund- 
schaft und bat Nemanja um Unterstützung durch 20000 Serben. 
Diese Botschaft wurde vom künftigen Schwiegervater, dem Herzog 
Berchtold, überbracht, doch fand er Nemanja nicht, weil dieser 
mittlerweile die ganze Gegend zwischen Prizren und Serdica (Sofija) 
eroberte, auch Altserbien und Nordmakedonien (Polog oder Pela- 
gonia). Als aber die beiden Kaiser am 14. Februar 1190 in Adria- 
nopel Frieden schlössen, wandte sich der ganze Zorn Byzanz' gegen 
die Serben. An der Morava erlitten diese eine Niederlage, worauf 
es zum Frieden kam, in dem aber die Serben einen großen Teil 
ihrer Eroberungen behielten. Byzantinisch blieb nur Ostserbien, 
Altserbien, Kruja und Lje§. Zum Unterpfand der Freundschaft 
wurde des Königs Sohn Stefan mit des Kaisers (Isaak Anjelos 
Komninos) Nichte Evdoxia (Tochter des späteren Kaisers 
Alexios III.} verheiratet. 

Nachdem so Nemanja den größten Teil der früheren serbi- 
schen Kleinreiche geeint hatte, fand er, daß ein alt gewordener 
Monarch nichts Besseres tun könne, als freiwillig abzudanken und 
die Zügel jüngeren Kräften zu überlassen: eine weise Ansicht, die 
heutzutage selten geteilt wird, denn wir haben vor Alter schon 
schwachsinnig gewordene Greise auf Thronen gesehen. Es ist des- 
halb bedauerlich, daß nicht auch für Monarchen eine Altersgrenze 
iur die Pensionierung festgesetzt ist Dann würde man wenigstens 
nicht erleben, daß Völker „aus Pietät^', um „alte Herren nicht 
zu kränken^', dazu schweigen, wenn solche regierungsunfähig ge- 
wordene Monarchen die Segierungszügel zum Schaden des Reiches 

Gopöeviö, Montenegro und Albanien. 3 



S4 Zweiter Zeitranio. 

kraftlos nachschleppen lassen. Nemanja dankte also im März 1196 
freiwillig ab und zog sich in ein Kloster zurück, zuletzt auf den 
Athos, wo schon längst sein jüngster Sohn Rastko (Ratislav) 
unter dem Namen Sävo oder Sava (Saw&s) Mönch war. Sie 
gründeten dort das noch heute serbische Kloster Hilandar, wo 
Nemanja 1199 starb. (Nach anderen — wahrscheinlicheren — 
erst 13. Februar 1200.) 

Nach Nemanjas Tod erbte sein ältester Sohn Stefan U. da» 
Reich, doch blieb sein zweiter Sohn Vlkan unter dessen Ober- 
hoheit Großfürst von Zeta und Zahlum nebst dem Primorje 
(Küstenland). Schon im nächsten Jahre (1097) brachen die 
Magyaren unter Endre (Andreas) , der sich ,, Herzog von Dal- 
matien und Kroatien '^ nannte , in das Land, drangen bis Zadar 
(Zara) und Spljet (Spalato), was ihm genügte, sich auch den Titel 
eines „Herzogs von Zahlum^' (dux Chulmae) beizulegen. 

1203 bemächtigten sich diß Kreuzfahrer der Stadt Djrrhachion 
und im nächsten Jahre erstürmten sie Konstantinopel, wo sie das 
byzantinische Reich durch ein ganz unmögliches „lateinisches'^ 
ersetzen. Bei der Teilung sollte ursprünglich ganz Albanien mit 
dem Ipiros an den Dogen und die Gemeinde Venedig fallen, doch 
war dies schon deshalb unmöglich, weil die serbische Herrschaft 
bis über Kruja („Albanum'*) hinaus reichte^ während sich die 
Griechen unter Anjelos im Despotat Ipiros behaupteten, das ganz^ 
Unteralbanien in sich schloß ^). 

Schon vorher war aber zwischen den gekrönten Brüdern eine 
Spannung eingetreten, indem sich Vlkan „König von Dioklitija^' 
nannte und seinem Bruder nur den Titel eines Großherzogs zuge- 
stehen wollte. Beide bewarben sich bei dem Papst um eine Königs- 
krone, denn in damaliger Zeit bildete man sich ein, daß nur der 
Papst, der deutsche und der byzantinische Kaiser das Recht hätten,, 
Kronen zu vergeben. Hatte schon der bulgarische Car Kalöjan 
sich vom Papst eine Krone erschwindelt, so versuchten es Vlkan 
und Stefan durch ähnliche Vorspiegelungen : sich mit der römischen 
Kirche zu vereinigen. Bereits 1200 war der Papst InnocenzIIL 



1) Dyrrhachion war 1205 den Venezianern übergeben, aber Bchon 120(> 
dem Kaiser Theodoros Anjelos Komninos zurückgestellt worden. 



Unter den Nemanjiden bis Ste&n Urofi III. Veliki. S5 

dazu bereit gewesen , aber durch den Einspruch des ungarischen 
Königs Imre (Emerich) ließ er sich irre machen. Vlkan war 
dabei unpatriotisch genug, sich mit Imre gegen seinen Bruder zu 
verbünden. Imre half ihm Stefan aus dem Lande vertreiben 
(1203); worauf sich Vlkan ,, König der serbischen Länder'' nannte, 
Imre jedoch mit echt magyarischer Unverfrorenheit aus seinem 
vorübergehenden Aufenthalt in Niä das Recht ableitete, für sich 
und seine Nachfolger auch noch den Titel eines — „Königs von 
Serbien'' (I) zu fuhren. Während er gleich wieder in sein Land 
zurückgeworfen wurde, vertrieb man Vlkan aus Ostserbien und 
setzte wieder Stefan auf den Thron, worauf der dritte Bruder (der 
„heilige" Sava) beide versöhnte. 

Vlkan dürfte um 1208 gestorben sein. Von seinen drei 
Söhnen gilt Gjorgje U. von 1208 an als „König von Dioklitija", 
doch wird er 1242 nur als in Ulcin wohnender „Fürst von Dio- 
klia" bezeichnet Der zweite Sohn Stefan ist bekannt ab Ghründer 
des Klosters Moradki in Montenegro, der jüngste, Dimitr, ging 
unter dem Namen David ins Kloster und machte noch 1286 eine 
Pilgerfahrt nach Jerusalem. Sein Enkel, Fürst (Knez) Vratko, 
war unter dem Kaiser Duäan einer seiner Feldherren, und auch 
sein Zeitgenosse M laden (von dem die Brankovidi abstammen) 
soll von ihm abgestammt sein. Nach Milakoviö würden die Bal- 
äiden in weiblicher Linie gleichfalls von Vlkan abstammen, was 
ja schließlich möglich ist. 

König Stefan II. bekam mittlerweile die Venezianer zu 
Nachbarn, welche 1205 Dubrovnik (Ragusa) und Dyrrhachion 
nahmen, während der Despot von Ipiros ihre Oberhoheit aner- 
kennen mußte. Der Fürst Dimitrios von Arbanum (Kruja), welcher 
Stefans Tochter Komnina geheiratet hatte, wird 1208 — 10 als 
venezianischer Vasall genannt und nach seinem Tode heiratete 
Komnina den Statthalter von Arvanon, Grigorios Kamonäs. Sogar 
König Ojorgje leistete dem Dogen 1208 den Treueid und erklärte 
sich bereit, wenn nötig, gegen Dimitrios zu ziehen, der fUr unzu- 
verlässig galt. Aber schon 1212 wurden die Venezianer aus Dyr- 
rhachion durch den ipirotischen Despoten Michail I. Anjelos 
Dukas Komninos vertrieben, welcher dann Arbanum unterwarf, 
sogar Skadar nahm, aber plötzlich starb. Er wurde nämlich in 

3» 



S6 Zweiter Zeitraum. 

Beligrad (Berat) von seinem Diener im Bett neben seiner Gattin 
erstochen. Sein Nachfolger Theodor söhnte sich mit Stefan aus, 
wobei des letzteren Schwester seinen Bruder Manuil heiratete und 
Stefan selbst (der sich mittlerweile von Evdoxia hatte scheiden 
lassen) die Tochter des verstorbenen Despoten Michail (Maria) 
geheiratet hätte , wenn dies wegen der ,, nahen'' Verwandtschaft 
möglich gewesen wäre. Dagegen heiratete Stefan dann Anna, 
Enkelin des berühmten Dogen Enrico Dandolo und Tochter des 
Riniero Dandolo. 

Nach dem Tode des lateinischen Kaisers Heinrich (1216) wurde 
Pierre de Court enaj vom Papst zum Kaiser gekrönt und die 
Venezianer wünschten, er solle ihnen unterwegs Dyrrhachion zurück- 
erobern. Das mißlang aber, und nachdem Pierre beim Weiter- 
marsch durch Albanien an den Ufern des §kumbi von Theodor bis 
zur Vernichtung geschlagen und getötet worden, gewann Theodor 
dadurch solches Ansehen, daß er 1223 zum Kaiser des Ipiros 
gekrönt wurde. 

Wie oben erwähnt, hatte Stefan die Hoffnung nicht aufgegeben, 
dem Papst eine Krone herauszulocken. Bisher hatte sich stets der 
ungarische König gewehrt, welcher behauptete, er sei der recht- 
mäßige König von Serbien, weil sein Bruder Imre einmal in Niä 
gewesen war. Erst als König Endre II. den Kreuzzug antrat, 
gelang es, den Papst zur Übersendung der Königskrone zu be- 
wegen (1217), mit der Stefan feierlich gekrönt wurde, weshalb ihn 
die Serben den „Erstgekrönten'' (Prvovjenöani) nennen. Sein Titel 
lautete jetzt: „Von Gottes Gnaden gekrönter König von ganz Ser- 
bien, Dioklia, Travunija, Dalmatien und Zahlum''. 

Um nun auch in kirchlicher Beziehung unabhängig zu sein, 
setzte Stefan es durch, daß sein Bruder Sava vom griechischen 
Patriarchen in Nikäa feierlich zum ersten Erzbischof von 
Serbien geweiht wurde (1219). 

Bei seiner Elrönung hatte Stefan seinen Erstgeborenen Stefan 
Radoslav zum Großfürsten (manche nennen ihn „König'') von 
Dioklitija und Travunija ernannt. Er hatte ihn mit Theodora, 
Tochter des Despoten Michail I. vom Ipiros, verheiraten wollen, 
aber wieder hatte man die bestehende Verwandtschaft als Ehe- 
hindemis eingewendet. Nachdem jedoch Theodor Kaiser geworden. 



Unter den Nemanjiden bis Stefieui UroS III. Veliki. S7 

bestanden plötzlich solche Hindemisse nicht weiter, denn dessen 
Tochter Anna durfte den Radoslav heiraten. Bald darauf bekam 
Radoslav auch Zahlum. Hier war nämlich nach Miroslavs Tode 
sein zehnjähriger Sohn Andrija von der Vlastela (Adel) vertrieben 
worden, die den Grafen Petar, einen Patarener (Ketzer), zum 
Fürsten von 2iahlum wählten. Deshalb rückte Stefan mit seinem 
Sohn Radoslav gegen Petar, schlug ihn auf der Ebene Biäde bei 
Blagaj und beschränkte sein Gebiet auf die Nordhercegovina jen- 
seits der Neretva. Das eigentliche Zahlum gab er dem Radoslav, 
Andrija wurde wieder als 2upan von Popovo, Ston und Primorje 
eingesetzt (1214 — 50). Doch erwarb sich Andrija später auch 
Zahlum, worauf er sich „Großfürst'^ nannte. Seine Tochter Vlko- 
slava (Vuköslava) verheiratete er mit dem ragusäischen Patrizier 
Krusid. Doch blieb Andrija immerhin Vasall der serbischen Könige. 
Er wurde in der Marienkirche von Ston (Stagno) bei dem Sitz des 
serbischen Bischofs von Zahlum beigesetzt. 

Nach Stefans Tod (24. September 1228) bestieg sein Sohn 
Radoslav VI. den Thron, gekrönt in 2iöa von seinem Oheim 
Sava. Sein jüngster Bruder wurde später als Sava II. Erzbischof 
von Serbien. Seine beiden anderen Brüder folgten ihm in der 
Herrschaft. Radoslav regierte bis 1234. Unter seiner unfähigen 
Regierung gelang es den Bulgaren, nach Vernichtung des ipiro- 
tischen Heeres und Gefangennahme des Kaisers Theodor (1230) 
bis Dyrrhachion zu dringen. Ihr Kaiser Asjän H. benutzte die 
Unfähigkeit Radoslavs, um sich zum Oberherm von Serbien zu 
erklären. Daneben gab er seine Tochter dem Bruder des Königs, 
Vladislav, zur Frau, diesen begünstigend, weshalb die Serben 
Vladislav zum König ausriefen und Radoslav absetzten. Letzterer 
floh über Ragusa nach Dyrrhachion, wo seine Frau, die ihn über- 
haupt ins Unglück gestürzt hatte, sich an einen vornehmen Franken 
anschloß, weshalb er nach Serbien zurückkehrte und in ein 
Kloster trat. 

König Stefan Vladislav I. (1234— 1243) stand ebenso unter 
bulgarischem Einfluß, wie sein Bruder unter griechischem gestanden 
hatte. Während seiner Regierung wurde (von 1237 an) Despot 
Michail II., ein Bastard Michails L, Herr in Albanien und 
IpiroB. Damals war es auch, daß die Patarener in Bosnien und 



S8 Zweiter Zeitraum. 

der Hercegovina von den Magyaren drangsaliert wurden ; welche 
bei dieser Gelegenheit den Norden von Zahlum unterwarfen, der 
von Toljen, einem Bruder des Andrija, beherrscht wurde. 

Der Statthalter von Dyrrhachion, Joannis Anjelos (Patrov)i 
drang während Vladislavs Regierung mit einem Heere bis Skadar 
vor, wurde aber dort geschlagen und gefangen , worauf der grie- 
chische Elaiser, dessen Verwandter Anjelos war, um Frieden bat 

Nach Mandrovid soll Vladislav auch das Verdienst gebühren, 
zuerst Sachsen ins Land gerufen zu haben, welche die Berg- 
werke ausbeuteten und dadurch dem Reiche jene Hilfsquellen er- 
schlossen, welche später Serbiens Großmachtstellung ermöglichten. 

Im Jahre 1242 drohte eine größere Gefahr durch den Ein- 
bruch der Mongolen, welche Eotor niederbrannten, Svai (§as) 
und Drivast verwüsteten und die Bevölkerung niedermetzelten. 
Wegen der von Vladislav bewiesenen Unfähigkeit wurde er im 
nächsten Jahre zugunsten seines Bruders Stefan Uroä III. 
(genannt Veliki = der Große) entthront Doch behielt er den 
leeren Königstitel und lebte mit seinem Bruder freundschaftlich in 
Skadar. Er überlebte seine Thronentsetzung noch über 20 Jahre 
und hinterließ mehrere Bänder: Stefan, Desa, (2upan, der 1281 
starb) und eine Tochter, die an den Grafen Gjorgje Katid von 
Omi3 (Almissa) verheiratet war. 

5. Bis zum Auftauchen der Bal&iden. 

(1243—1356.) 

Obgleich Uroä den Beinamen „Veliki" = „der Große" er- 
hielt, war er dessen kaum würdig und deshalb kann man ihm 
besser seinen zweiten Beinamen „Eb*apavi'^ (der Heisere) geben. 
Er hinderte nicht, daß Kaiser Joannis Vatatzis 1252 dem Despoten 
Michail 11. von Ipiros Albanien mit Eruja ^) nahm und so wieder 
Byzanz Nachbar von Serbien wurde. Allerdings gelang es den 
Ipiroten selbst im Kampfe gegen den Kaiser Theodoros U. Laskaris 
(1254 — 58), den Griechen einen Teil ihrer Beute abzunehmen. 



1) Nach Akropolita befimd sich aber Kmja 1254 im Besitze des 
Herrn Galamos (wahrscheinlich die gräzisierte Form des serbischen Golem 
» „sehr groS**) von Alvanon. 



Bis zum Auftauchen der BalSiden. 99 

Dagegen ließ es Uro § III. ruhig geschehen, daß die Magyaren ihre 
Macht ausdehnten und u. a. nach dem Tode des bald nach seinem 
Vater Andrija gestorbenen 2upans von Zahlum, Bogdaui seinen Bruder 
Radoslav sswangen, ihre Oberhoheit anzuerkennen. Radoslav 
besaß damals auch Imoti (jetzt Imoäki) in Dalmatien. Die Folgen 
dieser Schwäche zeigten sich bald. Zwar zwang Uroä die Ragusaner 
durch Einschließen ihrer Stadt schnell zum Frieden (1253), aber 
im nächsten Jahre erneuten diese im Bunde mit Bulgarien und — 
dem 2upan Radoslav von Zahlum (!) den Angriff auf Serbien. 
Mit Mühe nur gelang es UroS; die Bulgaren zum Frieden zu be- 
wegen und dann mit Ragusa abzurechnen. 

Dyrrhachion war mittlerweile (1256) von Michail II. wieder 
an ByzaDz abgetreten worden, doch gab er es gleich darauf dem 
König Manfred von Sizilien, seinem Schwiegersohn, als Mitgift 
seiner Tochter Helena. Da sich Uroä diesem Bunde anschloß, 
gelang es den Ipiroten 1258, jene Stadt und Mittelalbanien zurück- 
zuerobern. 

Uroä hatte sich 1250 mit einer Französin, Häline, ver- 
heiratet, welche zwar nicht, wie man annahm, Tochter des lateini- 
schen Kaisers Baudoin II., aber jedenfalls aus sehr vornehmem 
Geschlecht war, weil sie von den neapolitanischen Königen ,yBase'^ 
genannt wird Sie blieb Katholikin, erneute deshalb Drivast und 
gründete katholische Kirchen in Kotor, Bar, Ulcin und Skadar. 
Ihren Sohn Stefan Dragutin vermählte sie mit Katharina, Tochter 
des Königs Stefan V. von Ungarn. Dies verhinderte nicht Zwistig- 
keiten, denn nachdem Uroä dem verräterischen 2upan Radoslav 
Zahlum weggenommen und seinen jüngsten Bruder Sava daselbst 
zum Bischof gemacht hatte , erklärte König Bäla IV. mit magya- 
rischer Anmaßung, daß „sich der König von Serbien, von Stolz 
aufgeblasen, unserer Gerichtsbarkeit entzogen habe'M Deshalb 
näherte sich Uroä wieder den Byzantinern. Das gereichte ihm 
aber zum Schaden. Denn nicht nur, daß sich der neue König 
von Neapel, Karl I. von Anjou, nach der EUnrichtung des 
letzten Hohenstaufen mit den Feinden Serbiens verbündete und 
schon im vorhinein über Teile von Albanien und Serbien ver- 
fügte, sondern der Krieg gegen Ungarn brachte Uro9 auch kein 
Glück. Zwar drang er anfangs siegreich in die Maöva ein, aber* 



40 Zweiter 2ieitraiiin. 

bald darauf wurde er von einem Hilfsheere geschlagen , gefangen 
und zu Böla gebracht^ dem er versprechen mußte, daß er seinem 
Sohne (Bälas Schwiegersohn) Stefan Dragutin die Hälfte des 
Reiches abtreten werde. In Wirklichkeit scheint er diesen nur 
zum Mitregenten gemacht zu haben. 

Immerhin hatte dieses Mißgeschick die Folge, daß König 
Karl von Neapel ungehindert 1271 in Dyrrhachion landen und 
diese Stadt, wie Beligrad (Berat) (l272), Avlona, Kruja und 
überhaupt den größten Teil von Albanien besetzen konnte ^). 
Thessalien hatte sich unter dem Sevastokrator Joannis Rom- 
ninos Anjelos Dukas unabhängig gemacht, und letzterer ver- 
mählte seine Tochter mit Milutin, dem zweiten Sohne des 
Königs Uroä. 

In dem sich nun entspinnenden Kriege zwischen Bjzanz und 
Anjou fiel Beligrad in die Hände der Byzantiner. Uroä wollte 
den Krieg ausnutzen und Ragusa seinem Reiche einverleiben. Er 
belagerte es 1275, konnte es zwar nicht nehmen, doch gelang es 
ihm, eine ausfallende, von Gundulid (Qondola) gefUhrte Ab- 
teilung Ragusaner mit dem Führer und 40 Patriziern gefangen zu 
nehmen, worauf Ragusa um Frieden bat. 

Aber schon im nächsten Jahr wurde UroS von seinem Sohne 
Dragutin entthront, welcher auf Teilung des Reiches bestanden 
hatte und abgewiesen worden war, worauf er mit Hilfe magya- 
rischer und kumanischer Hilfstruppen den Vater bei Gacko be- 
siegte (Herbst 1276), weshalb sich dieser als Mönch nach Zahlum 
zurückzog, aber schon im nächsten Jahre starb. 

Stefan Dragutin überließ nach seiner Thronbesteigung 
seiner Mutter, der von den Serben hochgehaltenen Königin Jelena 
(Häline), das Küstenland zwischen Ragusa und Skadar, sowie die 
Gegend um Flava und Gusinje. Im Jahre 1281 wollten die Nea- 
politaner ihre Eroberungen in Albanien erweitern, doch erlitten 
sie von den Byzantinern eine große Niederlage, infolgedessen letz- 
tere Kruja ') und Kanina eroberten. Dragutin scheint Lust gehabt 

1) Nach Lenormant war sein Heer von Jean de Cläiy, Thomas und 
Garnier Alaman geführt 

2) Urkundlich wurde schon 1277 dem damaligen neapolitanischen Stattr 
halter Ton Duraszo, Jean de Vaubecourt, befohlen, „Castrum Croj^^ zvl 



Bis zum Anftauchen der Baläiden. 41 

zu haben, gegen Byzanz Partei zu ergreifen, aber die Sicilianiache 
Vesper (1282), welche die Macht der Anjou erschütterte, und der 
Umstand, daß sich Dragutin den Fuß brach, was er als Strafe 
Gottes für seinen Aufstand gegen seinen Vater ansah, bewogen 
ihn, dem Thron zugunsten seines Bruders Milutin zu entsagen, 
der 1282 unter dem Namen Stefan Uro§ IV. Milutin die 
Herrschaft antrat. Dragutin behielt jedoch fUr sich das König- 
reich Srem (Symiien) mit der Maiva, BraniCevo und Kuöevo. 
Von seinen Kindern folgte ihm sein Sohn Vladislav 11. 1315 bis 
1325 in der Regierung von Srem, während seine Tochter JeUsa- 
veta 1284 mit dem Ban von Bosnien, Stefan I. Kotromanovid, 
vermählt wurde. Ihr Enkel war dann der berühmte Ban 
Tvrdko. 

Gleich zu Beginn der Regierung Uroä' IV. kam es zum Kriege 
mit Byzanz, der damit endete, daß fortab der Schwerpunkt Ser- 
biens von Montenegro nach Altserbien und die Residenz von Skadar 
nach Skoplje verlegt wurde. In Zahlum war 1280 mit Gjorgje 
die Dynastie ausgestorben, weshalb UroS seinen ältesten Sohn 
Kosta (Konstantin) dort residieren ließ. (Z. B. von 1303 bis 
1306 wird erwähnt, daß er in Nevesinje wohnte.) 

Was Albanien betrifft, so besaßen die Byzantiner dort nur 
noch Kruja, Beligrad und das 1290 eroberte Unteralbanien. Sie 
nahmen zwar auch Dyrrhachion ^), doch verloren sie die 
Stadt wieder an UroS, bis sie 1304 an den Herzog Philipp von 
Tarent überging, der ihre Vorrechte bestätigte, was sie nicht 
hinderte, schon im nächsten Jahre abzufallen. Doch unterwarf 
sie sich, als der Herzog erschien und Verzeihung versprach. 
Die vornehmen Albanesen, z. B. der „Großhetäriarch^^ Progon 
Sguros, hielten es meist mit dem Stärkeren, was jedenfalls klug 
war. Die serbische Grenze befand sich damals zwischen lämi 



schützen und dieselbe Aufforderung wurde 1279 dem Kapitän von Durauo, 
GioTanni Scotto, zuteil. 1294 begab sich „Bomanns, episcopus Crohensis*^ 
zu seiner Kirche nach Kruja. 

1) Diese Stadt war 1274 durch ein großes Erdbeben zerstört worden. 
Die Bewohner flohen nach Beligrad und kehrten erst 1278 zurück, wo sie 
alles mittlerweile von den Albanesen geplündert landen. Seither war es mit 
dem Glanz von Dyrrhachion dahin. 



42 Zweiter Zeitraum. 

und Dyrrhacliion ; so daß Nordalbanien serbischer Be- 
sitz war ^). 

1312 drohte dem König Uros IV. große Gefahr, weil sich sein 
Bruder Dragati n gegen ihn erhob. Ihn rettete aber einerseits 
der Einfluß des Klerus, den er sich durch seine zahlreichen Stif- 
tungen zum Freund gemacht hatte, und seine im Kloster Banjska 
angehäuften Schätze, mit denen er Söldner warb. Da sich auch 
sein eigener Sohn Stefan Uroä den Empörern angeschlossen 
hatte, weil sein Oheim Dragutin ihn zum König von Zeta machen 
wollte, zog er gegen jenen, warf ihn über die Bojana zurück und 
zwang ihn zur Unterwerfung. Nach griechischem Beispiel befahl 
er dann, seinen Sohn blenden zu lassen; aber der Henker, ent- 
weder bestochen oder mitleidig, nahm nur eine Scheinblendung 
vor, so daß Stefan Uroä (V.) nur Blindheit heuchelte, um das 
Mitleid seines Vaters und des Landes zu erregen und später ein 
„Wunder'^ vorschwindeln zu können. (1314.) Anfangs ging der 
„ Geblendete^' mit seiner Familie nach Konstantinopel, dann aber 
verzieh ihm der Vater und gab ihm einen Teil der 2upa von 
Budimlje am Lim zum Wohnsitze. 

Als 1316 der Exkönig Dragutin starb, sollte nach den Ab- 
machungen sein Sohn Vladislav, der König von Srem, Nach- 
folger werden. Aber Stefan Uroä IV. wollte davon nichts wissen, 
kerkerte Vladislav ein und bemächtigte sich des ganzen Landes. 
Nach verschiedenen Zwischenfällen, die nicht das eigentliche Mon- 
tenegro und Albanien betreffen, daher (wie alles andere aus der 
serbischen Geschichte, das die uns interessierenden Länder nicht 
unmittelbar berührt) am besten in Jireöeks Geschichte der 
Serben nachzulesen sind, kam es 1318 in Albanien zu neuen 
Unruhen. Bischof Andreas von Kruja berichtete dem Papste, daß 
zahlreiche katholische Adlige des Königreichs Albanien, welche 
zwischen Skadar und Avlona herrschten und Titel von Serbien, 
Byzanz oder Albanien besaßen, das „Joch des treulosen, schisma- 
tischen Königs von Bascien^' abgeworfen hätten; nämlich: Vla- 



1) Nach Lenormant erboten sich die Albanesen zur Unterwerfung 
unter Karl von Anjou, weil sie mit dem Übertritt Stefan UroS' IV. zar Ortho- 
doxie unzufrieden waren, und er bestätigte ihnen 1292 ihre Vorrechte. 



Bis sum Auftauchen der Balöiden. 48 

dislav Jonima^ Graf von Dioklia und des EtistenlandoB; drei 
Musaki (darunter Graf Mentulus [Mankul] von Elisani, Andreas^ 
Marschall des Königreichs Albanien, und Protosevastös Theodor); 
zwei Blenisti (Blini§te), von denen der eine Graf Kalojoannis, der 
andere, Protosevastös Wilhelm , seit 1304 Marschall von Albanien 
war; endlich Wilhelm Arianitis und Paul Matarango. Aber 
Uroä wußte die Empörer zu züchtigen , nahm 1319 Dyrrhachion; 
welches in Draö umgetauft wurde, und nannte sich nunmehr auch 
,, König von Albanien'^ ^). Aber schon zwei Jahre später starb 
König Stefan Uro§ IV. Milutin und wurde, ungeachtet seiner vier 
Ehen (die bei gewöhnlichen Sterblichen vom Klerus als Vielweiberei 
gebrandmarkt würden), von der Kirche unter die „ Heiligen '^ ver- 
setzt, weil er sie so reich beschenkt hatta Es ist dies ähnlich, 
wie die Kirche auch den Brudermörder und grausamen TTrannen 
Karl den Großen wegen seiner Geschenke an Papst und Kirche 
unter die „Heiligen'^ versetzt hat, und den vielfachen Verwandten- 
mörder und Tyrannen Konstantin „den Großen^^ wegen 
seiner Parteinahme ftir das Christentum. 

Zunächst entstanden Wirren nach UroS' IV. Tod. Sein Alte- 
ster Kosta I. wurde in Montenegro zum König ausgerufen und 
wohnte in Skadar, wo er auch Münzen prägen ließ, die ihn mit 
Krone und Zepter auf dem Thron zeigen. Im Norden dagegen 
wurde der aus dem Kerker befreite Vladislav von Srem in 
seinen früheren Landen wieder zum König ausgerufen. Aber da 
kam der „geblendete'' Stefan Uroä V. mit einem Theaterstreich 
dazwischen. Er warf seine Augenbinde ab und erklärte, daß Gott 
ihn durch ein „Wunder'' sehend gemacht habe, folglich er König 
werden müsse. Zunächst versuchte er Kosta zur Teilung des 
Reiches zu bewegen, aber dieser lehnte stolz ab, und so kam es 
am 6. Januar 1322 zum Reichstag, auf dem Stefan Uroä V. 
(später Deöanski genannt) vom Erzbischof Nikodim feierlich zum 
König gekrönt wurde und sein Sohn Stefan Du9an zum Mit- 
regenten. König Kosta wurde dann in einer Schlacht geschlagen 

1) Lenormant behauptet, daft die Empörer, unterstützt von Philipp 
von Tarent, Ban Mladen von Bosnien und König Karl von Ungarn, 1320 
Milutin besiegt und zur Anerkennung des Papstes gezwungen hätten, was 
nach Vorstehendem fiBÜsch ist. 



44 Zweiter Zeitraum. 

und auf der Flucht getötet. Sein engeres Beicfa; die Zeta (Monte- 
negro); wurde dem Duäan zugewiesen. Auch König Vladislav 
im Norden verlor sein Reich 1324 an Uro9; dagegen dieser Zahlum 
an den Ban Stefan II. von Bosnien^ an den sich der 2upan von 
NevesinjC; Poznan Puröiö; angeschlossen hatte , während die 
Branivojeviöi an der Küste sich unabhängig machen wollten. 
Die Vojvode Vojno von Qacko und Mladen (Brankovid) be- 
haupteten Travunija. Die Branivojeviöi fanden bald ihren Unter- 
gang ^ indem Branoje 1326 gefiangen und in Kotor hingerichtet 
wurde; während man Brajko in Ragusa verhungern ließ. 

1330 wurde Bulgarien vom jungen König Duäan durch die 
Schlacht bei Velbuid unterworfen und die Boljaren boten ihm an, 
Bulgarien mit Serbien zu vereinigen. Törichterweise 
wurde dies aus dynastischen Rücksichten abgelehnt; und so ging 
die prächtige Qelegenheit verloren; durch ein geeinigtes serbo- bul- 
garisches Reich dem byzantinischen den Garaus zu machen und 
dann die Türken aus Europa zu vertreiben. Welchen Aufschwung 
hätte die Kultur, namentlich jene von ganz Südosteuropa genom- 
men; wenn die fast sechshundertjährige Türkenherr- 
schaft in Europa nicht stattgefunden hätte! (Und un- 
sere heutigen Diplomaten halten es noch immer für den Gipfel- 
punkt politischer Weisheit, die Aufrechterhaltung der türkischen 
Mißwirtschaft als Angelpunkt ihres Programms zu betrachten 1) 

Während dieser Kämpfe war die Hercegovina vernachlässigt 
worden und die Bosnier benutzten dieS; um Zahlum, Popovo und 
Slano endgültig zu besetzen; so daß den Serben dort nur Tra- 
vunija und Konavlje blieb, sowie die Halbinsel Ston (Sabbioncello) 
mit der Insel Mljet (Meleda). Eine Zurückweisung der Bosnier 
wurde durch den zwischen Uroä V. und Du9an ausbrechenden 
Bürgerkrieg vereitelt. Es scheint; daß UroS auf seinen Sohn eifer- 
süchtig wurde, weil dieser durch die Eroberung Bulgariens un- 
gemein volkstümlich geworden war. Er begünstigte deshalb seinen 
zweiten Sohn Simeon (Siniäa). Uroä zog gegen DuäaU; ver- 
brannte dessen Burg bei Skadar, versöhnte sich dann scheinbar; 
doch kam es im nächsten Jahr neuerdings zum Eoieg. Duäan 
brach von Skadar auf und rückte gegen Nerodimlje, wo er seinen 
Vater einschloß, zur Ergebung zwang und auf Zveöan einsperren 



Bis zum Auftauchen der BalSiden. 46 

ließ. Dann bestieg er endgültig den Thron , indem er sich am 
8. September 1331 in Svriin vom Erzbischof Danilo neuerdings 
krönen ließ. Sein Vater „wurde*' dann zwei Monate später plötz- 
lich y, gestorben ''; — wie? ist nicht ganz sicher; auch nicht; 
ob Dttäan selbst Befehl dazu gab, oder die Vlasteli auf eigene 
Verantwortung den alten König erdrosselten. Jedenfalls zog Duäan 
daraus Vorteil und für Serbien war es eine Wohltat Natürlich 
versetzte man auch Uro9 DeSanski wegen seiner vielen frommen 
Stiftungen unter die ,; Heiligen '^ 

Mit Stefan Duäan kam Serbiens größter Herrscher auf 
den Thron; der Serbien zur Großmacht erhob; auch wahrschein- 
lich dem byzantinischen Reich ein Ende gemacht hätte ; wenn er 
nicht so jung gestorben wäre. Mit Becht gab man ihm den Bei- 
namen ;;Silni'' d. h. ;;der Starke '^ 

Kaum war Duäan Alleinherrscher geworden; als er schon 
(April 1332) einen Aufstand des Vojvoda Bogoje imd des Alba- 
nesen Dimitr Suma niederzuwerfen hatte ; die sich in Monte- 
negro erhoben. Der Aufstand wurde vom Erzbischof Quill au me 
Adam von Bar eifrig unterstützt; welcher sogar dem König 
Philippe VI. von Frankreich vorschlug; mit 1000 Reitern und 
5 — 6000 Fußgängern in Albanien zu landen, wo sich ihm 15000 
katholische Albanesen anschließen würden, worauf man dem schis- 
matischen Serbenkönig leicht den Garaus machen könne. Aber 
der Franzose war klüger als der nur vom fanatischen Glaubenshaß 
geleitete Priester. Er verzichtete auf das Abenteuer, das ihm 
wahrscheinlich sehr schlecht bekommen wäre. 

Was die Byzantiner betrifit, so hatte ihr Kaiser Andro- 
nikös HI. schon 1328 Versuche zur Eroberung von Albanien 
gemacht, die aber 1330 scheiterten. Sie behielten nur Kruja, 
Beligrad (Berat) und Avlona. 1334 wurden sie auch aus Kostur 
(Kastoria) von den Serben vertrieben; die sogar Salonik belagerten. 
1337 kam es zu neuen Wirren in Albanien. Draö war wohl bis 
dahin serbisch gewesen, aber wieder neapolitanisch geworden^) 

1) Graf Johann Yon Achaja hatte Dra6 (Dorazzo) 1333 durch Tausch 
erworben, als er aber 1385 starb, bemächtigte sich DnSan wieder der Stadt 
(1336), die dann 1887 vom Prinzen Luigi belagert und vielleicht auch 
für kurze Zeit erobert wurde. 



46 Zweiter Z^tranm. 

und wurde von emem Qioyanni di Gravina verwaltet, welchem 
albaneaische Gboße vorflunkerten^ sie würden sich gerne der serbi- 
schen Herrschaft entziehen^ wenn der König Robert von Neapel 
ein Heer senden wolle. Es kam auch wirklich Prins Luigi 
von TärantO; doch weiß man nur, daß er die Rechte der Edel- 
leute, darunter der Musaki zwischen DraS und Avlona, bestätigte. 
Zu jener Zeit aber wurden die griechischen Städte und Burgen 
in Albanien von den Bergalbanesen verwüstet Der neue Kapitän 
von Draö, Guglielmo di Sanseverino, wurde 1337 vom 
Grafen Tanusius Topija, dem Herrn des mittelalbanischen 
Binnenlandes, gefangen und erst später freigelassen. Andronikos 
hatte nämlich mittlerweile einen Feldzug nach Mittelalbanien unter- 
nommen, die Bergalbanesen gezüchtigt und ihre Herden weggefUhrt, 
worauf ihm auch die Ipiroten ihre Unterwerftmg anboten. Aber 
noch 1341 gab es Aufstände in Albanien gegen die Griechen. 

In der Folge rückten die Serben in Albanien immer weiter 
vor. 1343 nahmen sie Kruja, 1345 Beligrad (Berat) und Avlona 
sowie Kostur (Kastoria). Nach diesen Erfolgen, sowie nach den 
anderen, welche ihn zum Herrn des größten Teils der Balkan- 
halbinsel gemacht hatten, ließ sich Stefan Du§an am 16. April 
1346 vom serbischen Patriarchen Janiöijeund vom bulgarischen 
Patriarchen Simeon^) feierlich in seiner Hauptstadt Skoplje 
zum „Kaiser der Serben , Griechen, Bulgaren und Albanesen'^ 
krönen. Zwei Jahre später dehnte er seine Herrschaft bis nach 
Ghriechenland aus, wobei ihm die stets zu Plünderungen geneigten 
Albanesen freudig Heeresdienst leisteten. Zum Statthalter Mittel- 
albaniens mit dem Titel „Despot'^ ernannte er Joannis Kom- 
ninos Asjän, einen Bruder seiner Frau Jelena und des bulgari- 
schen Königs von Duians Gnaden, Aleksandr. Draö wurde merk- 
würdigerweise den Anjou gelassen. Als der Statthalter Herzog Karl 
von Durazzo auf Befehl des Königs Luigi hingerichtet werden 
sollte^), wollte sich DraS an Venedig anschließen, wurde aber 
abgewiesen. 

1) Dessen Anwesenheit ist ein neuer Beweis dafür, daß zu Doäans 
Zeiten Bulgarien ein serbischer Vasallenstaat war, wie dies schon 
Stojan NoTakoTiö nachgewiesen hat. 

2) Urkundlich wird 1359 Karl I. Topija als „Herr von Draö" genannt. 



Bis zum Auftauchen der BalSiden. 47 

1350 wandte sich Duian gegen Norden und eroberte Novi 
in Zablum^ aber als er dann sieb abermals gegen Süden wenden 
mußte; benutzten dies die Bosnier, um das Verlorene zurückzu- 
gewinnen. Duäan wollte einen großen Bund gegen Byzanz und 
dann gegen die Türken zusammenbringen und brauchte dazu 
die veneziamsche Flotte. Bevor jedoch die umfassenden Pläne 
zur Ausfuhrung gelangten, starb DuSan am 20. Dezember 1355, 
erst 48 Jahre alt 

Nach seinem Tode kam es wieder zum Bürgerkrieg. Duäans 
Bruder Simeon (Siniäa) ließ sich in Eostur von 5000 Serben, 
Albanesen und Griechen zum ,, Kaiser der Serben, Qriechen 
und von ganz Albanien ^^ ausrufen und nannte sich Simeon 
Uroä Paläologos. Viele Ghroße schlössen sich ihm an, dar- 
unter sein Schwiegervater, der Despot Joannis Eomninos 
von Avlona, um dessen Stadt Beligrad (Berat) 1356 heftig ge- 
kämpft wurde. Mit Titeln war man freigebig: so wurde BlaSo 
Matarango „Sevastokrator^^ und Novak am Prespa-See 
„ Kaisar '^ Da kam der Despot Nikiföros von Enos nach 
Thessalien und brachte Verwirrung. Denn er wollte die Grie- 
chen auf Kosten der Albanesen begünstigen, was diese zum Auf- 
stand brachte. Am Acheloos fiel Nikoforos im Kampfe gegen 
die Albanesen. (1368.) So blieb also Simeon vorläufig Herr 
im Süden. 

Im eigentlichen Serbien war nach Duäans Tod dessen Sohn 
Stefan UroS VI. auf den Thron gekommen. Anfangs hatte er 
anderwärts zu tun, dann aber konnte er daran denken, sich mit 
Simeon auseinanderzusetzen. Letzterer versuchte nämlich, seine 
Herrschaft auf Nordalbanien auszudehnen, indem er 1368 Skadar 
angriff, aber zurückgeschlagen wurde. Das hinderte aber nicht, 
daß fortan der Süden des großen Serbenreiches fUr dieses ver- 
loren blieb. 

Im Norden hatte Uro§ VI. den Sohn des Vojvoda Vojin, 
Vojislav Vojnoviö, als „Fürsten von Zahlum'^ zum Statthalter 
von Zahlum, Konavlje, Trebinje, Gacko, Sjenica, Drina usw. 
gemacht, der dann mit den Ragusanern um die Halbinsel Ston 
Krieg führte, die doch Du§an ihnen verkauft gehabt hatte. 1361 
kam es zu einem neuen Krieg mit Ragusa, da diesmal Kotor 



48 Zweiter Zeitraum. 

(Cattaro) den Vojislav unterstützte ^). Im nächsten Jahre wurde 
aber der Friede in Onogo§t (Niksiö) abgeschlossen. Bei diesen 
zwei Ejiegen ist das Bemerkenswerteste der Umstand, daß Vojislav 
gar nicht den Kaiser Uroä um Erlaubnis dazu fragte , was ziem- 
liche Selbständigkeit voraussetzt 

Die größte Veränderung zeigt uns aber die Qeschichte von 
Zeta (Montenegro), wo sich um jene Zeit die Baläiöi ein unab- 
hängiges Reich gründeten. 



1) Die bedrängten Bagna&er wandten uch an Bai Sa I. von Zeta um 
Hilfe und dieser landete mit Tmppen bei Kotor, diese Stadt so bedrängend, 
daft *UroS Idcbt den Frieden vermitteln konnte. Seither herrschte dicke 
Freundschaft zwischen den BalSiöi und Bagosa, aber bittere Feindschaft 
swiechen den Bal&iöi und Kotor. 



Dritter Zeitraum. 

Das montenegrinisch-albanische Reich der 

Balslden. (1356—1427.) 



6. Bis zum Untergang des Serbenreiches. (1389.) 

Zur Zeit des Kaisers Stefan Duäan wohnte in Oberalbanien 
oder Montenegro ein gewisser Baläa, der ein einziges Dorf be- 
saß und von dem einige Qeschichtschreiber annehmen ; er sei ein 
Abkömmling des mächtigen französischen Geschlechts der Bauz 
gewesen, welche mit den Anjou nach Albanien kamen , während 
andere den Urspnmg auf ein rumänisches Geschlecht zurückführen 
und serbische Geschichtschreiber behaupten, er stamme in weib- 
licher Linie vom serbischen König Vlkan ab. Wie dem auch 
sei, nach dem Tode des Kaisers, als die einzelnen Statthalter der 
serbischen Länder, namentlich die Mmjavöeviö, Grebljanoviö, Voj- 
novi6 u. A. sich die Schwäche des neuen Kaisers Uroä zunutze 
machten, um ihren Besitz zu einem unabhängigen zu gestalten, da 
blieb auch Balsa nicht zurück imd verstand es, sich von 1356 ab 
bemerkbar zu machen. Von seinen drei Söhnen, Straäimir 
(Stracimir), Gjuragj (Gjurgj) und Balia (II.), unterstützt, be- 
mächtigte er sich des größten Teils von Südmontenegro und 1367 
auch der Hauptstadt Skadar, wo er gleich darauf starb. 

Vorher war die Zeta (Montenegro) von einem der Feldherren 
Duians, Gjuragj Iliji<S, verwaltet worden, dessen Tochter 
Milica den jungen Straäimir BalSid geheiratet haben soll, 
während als dessen erste Gattin Irini, Tochter des vornehmen 
Albanesen Progon ^), bezeichnet wird. Gjuragj heiratete Oli- 

1) Offsobar der Bruder des von Jireiek genannten Herrn von Budya, 
Vojvoda Nikola Zaharlje (oder iZacharia, Zaccaria). Violleicht der auf S. 41 
erwähnte Progon. 

Gopöevlö, Montenegro und Albanien. 4 



50 Dritter Zeitraum. 

Vera; Tochter des Königs VlkaSn, der dritte Sohn, Baläa, war 
mit der Komita Musakina (Tochter des Herrn von Beligrad| 
Musaki) in erster Ehe verbunden^ die er 1380 verstieß, um die 
Witwe des Königs von Makedonien, Kraljeviö Marko, zu heiraten, 
eine Tochter des Statthalters von Verria, Hlapen, namens Jelena. 
Außerdem besaß Baläa I. noch eine Tochter Vojsava (von Lenor- 
mant Katerina genannt), die den mächtigen Karl I. Topija 
(1359—88) heiratete. 

Kiuser Uroä hatte anfiangs die Zeta dem 2arko Meseriö 
anvertraut, dem die Venezianer ihr Bürgerrecht verliehen, aber er 
scheint schon nach einem Jahre entweder gestorben oder von den 
Baläidi beseitigt worden zu sein. (Seine Witwe Theodora, 
Schwester des Despoten Dragaä und Nichte Duäans durch Dejan, 
wurde zweite Qattin Gjuragjs IL Sie hatte aus erster Ehe den 
Herrn von Avlona, Mrkäa 2arkoviö [f 1414] und aus zweiter 
Ehe den Kosta Baläiö, 1395 — 1402 Herrn von Kruja, von 
den Venezianern 1402 in Draö hingerichtet.) Wahrscheinlich war 
es die Ehe mit des Ilijiö Tochter, welche die Baläiden in die 
Höhe brachte. Sicher scheint, daß die Baläiöi bereits um 1360 
Herren von Bar und Budva waren, weshalb sie sich 1361 mit 
Ragusa gegen den Knez Vojislav von Zahlum verbündeten, der 
auf Budva Ansprüche machte. Deshalb ernannte die Republik 
Ragusa sie auch zu ihren Bürgern. (1362 wurden sie auch solche 
von Venedig.) Nicht recht verständlich ist das Verhältnis zwischen 
den BalSiöi und den Töpija. (Die Griechen schreiben Thopia^ 
doch ist die Betonung geradeso falsch, wie in jener der meisten 
von den Griechen mit falschem Akzent wiedergegebenen serbi- 
schen Namen. Schrieben sie doch auch z. B. Desä statt Däsa, 
Voisthiävos statt Vojislav, Vranäa statt Vränja, Savväs statt Sivs^ 
Drynäs statt Drina, Lesnik statt Ljäänik, Borilovikis statt Bori- 
loviö, Volkänos statt Viikan usw., so daß also der Akzent auf 
nicht griechischen Namen bei den Griechen niemals die Ge- 
wißheit gibt, daß diese Namen in ihrer Urform auch ebensa 
betont wurden.) Während Karl Topija Schwiegersohn Baläas I. 
war, dessen Tochter Vojsava er geheiratet hatte, sagt Jireöek, 
daß er den Baläiöi feindlich gesinnt gewesen wäre und 1364 
Gjuragj Baläiö gefangen genommen habe. Ein Freibrief für 



BiB nun Untergang des Serbenreiches. 51 

Ragusa vom 17. Janaar 1368 zeigt; daß die Brftder im Lager 
von Sirokibrod bei LjeS am Mat g^n Karl auf dem Eriegspfad 
gewesen sind i). (Ljes war nach Andriö 1368 Hauptstadt der 
BalSiöi.) 

Letzterer hatte sich nämlich als Herr von Mittelalbanien den 
Titel eines ,; Fürsten von Albanien'^ beigelegt und trachtete seine 
Hausmacht zu vermehren. Damals scheint er im Bund mit EHaiser 
Simeon gewesen zu sein, denn die Drin-Mündung und die Mat- 
Mündung waren damals noch Besitz eines serbischen Kaisers — 
wahrscheinlich Simeons, weil dieser zu jener Zeit Skadar angriff und 
abgewiesen wurde. Dies hinderte nicht, daß Topija zwei Monate 
später sich gegen Drad wandte, das er den Neapolitanern weg- 
nahm, an die er es vorher verloren gehabt zu haben scheint^ weil 
er doch noch 1359 urkundlich Drad besessen hatte. 

An Topijas Beich anstoßend war das Despotat von Avlona 
und Kanin a, wo dem 1363 gestorbenen Despoten Joannis sein 
Sohn (?) Alexandres (bis 1368) folgte. Als Kefidia (Häuptling) 
von Kanina erscheint 1368 ein Branilo Kastriot, welcher 
Name da zum erstenmal auftaucht. 

Wie es scheint, wurde Kotor 1369 von Gjuragj I. Baläiö be- 
lagert, da sich Elaiser Uroä darüber bei den Venezianern beklagte 
und um Vermittlung nachsuchte, was auch dem venezianischen 
Gesandten Gisberto Dandolo gelang. Der katholische Bischof von 
Svad kam als Gesandter der BalSiöi zum Papst und flunkerte ihm 
vor, diese wollten katholisch werden, was der Papst benutzte, ihnen 
am 25. Mai 1368 auEsutragen, sie sollten Kotor in Ruhe lassen*). 
Dies scheint auch geschehen zu sein, denn 1371 unterwarfen sich 
die serbischen Kotoraner freiwillig dem König von — Ungarn I 

Im Juni 1371 kam der König von Makedonien Vlkaäin 
Mrnjavöeviö mit seinem Sohn, dem Kraljeviö Marko, und 



1) Ich BchlieAe daraus, da£ die von Mavro Orbini erwähnte spätere 
Freundschaft zwischen Topija und den Baliiden eben die Folge der 
Heirat war, die dann Termutlich um 1370 geschloosen wurde. 1866 war 
das von Karl Topija neubefestigte Kmja von den Brüdern Baliid erobert 
worden. 

2) Der lateinische Brief ist in Lenormants „Tores et Mont^n^grins'S 
8. 279, xtt finden. 



52 Dritter Zeitraum. 

Truppen nach Skadar, um im Verein mit Qjuragj Baläiö, 
der seine Tochter Olivera geheiratet hatte (er verstieß sie Ende 
1871 und seine zweite Gattin war die auf Seite 50 erwähnte 
Theodora), gegen den übermütigen hercegovinischen 2upan 
Nikola Altomanoviö zu ziehen. Zu diesem Zweck sollten 
die Ragusaner, denen man half, mit ihren Schiffen die Serben 
über den Golf von Kotor setzen. Es scheint aber, daß es gar 
nicht zu diesem Feldzug kam, weil Vlkaäin zum Kampf gegen 
die Türken abberufen wurde, wo er am 26. September 1371 in 
der Schlacht an der Marica bei Öemomen (Girmen) fiel. Nach 
Jirefiek starb nun ELaiser Uroä am 4. Dezember 1371 , folglich 
ist eine Unmöglichkeit; daß er (wie die serbische Überlieferung 
zu erzählen weiß) von Vlkaäin schon 1367 ermordet worden seL 
Gjuragj Baläid benutzte das Ereignis, um sich der Stadt 
Prizren zu bemächtigen, die er auch 1372 gegen den 2upan 
Nikola Altomanoviö von USica behauptete. Dann zog er 
südwärts und eroberte den größten Teil Albaniens: Beligrad 
(Berat), Arjyrökastron, Avlona, Elanina — was Mandroviö mit 
Joännina verwechselt — , so daß Topija vermutlich auf Draö be- 
schränkt blieb, obwohl selbst diese Stadt 1373 von den Baläiöi 
besetzt worden sein soll. Von Kruja scheint es sicher, daß diese 
Stadt, welche 1366 dem Karl Topija gehört hatte, zur selben Zeit 
baläisch wurde, während die Zadrima dem Fürsten DukadSin 
vielleicht schon früher genommen worden war. 

Am 15. Januar 1373 starb Straäimir Balsiö^) und hinterließ 
einen Sohn Gjuragj II., der mit Juvelica, Tochter des Kaisers 
Lazar (nach Andrid mit Despa, Witwe des bulgarischen Kaisers 
äiäman) verheiratet war und vermutlich mit seinen beiden Oheimen 
weiter regierte. Von diesen schloß Gjuragj L am 30. November 
1373 mit den Ragusanern einen Handels- und Freundschaftsvertrag, 
den Milakoviö wiedergibt. 

Zu jener Zeit hatte Louis, Prinz von Navarra, die Tochter 
der Königin Giovanna von Neapel geheiratet und nach damaliger 



1) Nach Andriö wäre er am 31. Januar 1373 in einer Schlacht gegen 
Karl Topija gefielen, den er, lOBanunen mit seinem Bruder Straäimir, an- 
gegriffen hatte. Wenig wahiacheinlioh! 



Bis cum Untergang des Serbenreiches. 58 

Sitte die Stadt DraS als Mitgift erhalten. Um sie in Besitz zu 
nehmen^ landete er mit einem Söldnerheere und besetzte die Stadt, 
nm daselbst sofort zu sterben. Die Söldner führten nun auf eigene 
Faust gegen Topija Krieg, dem sein neuer Schwager Gjuragj mit 
einem Heere zu Hilfe kam. Weil vielleicht mit Waffengewalt 
wenig zu richten war, zog er es vor, die Söldner durch Zahlung 
einer Summe zum Abzug zu bewegen. 

Nach Lenormant, der sich hauptsächlich auf Mavro Orbini 
stützt, sollen mm die Baläiöi die Musakjä (also das Qebiet 
zwischen Beligrad [Berat] und dem Meere, welches im Besitz der 
Musaki war) auf unschöne Weise genommen haben: während 
nämlich Chalkondylis erzählt, daß das Haupt der Musaki, Bla2o 
Matarango, von den Baläöi auf der Jagd getötet worden sei, 
weiß Orbini zu berichten, daß sie ihn nach mehreren Gefechten 
hinterlistig gefangen genommen hätten, als er zur Friedensunter- 
handlung kam. Dann hätten sie ihn eingekerkert und hierauf 
Beligrad und Avlona besetzt. (Nach anderen wäre diese Be- 
setzung schon ein Jahrzehnt früher erfolgt!) Infolgedessen sei es 
auch mit Topija zu Kämpfen gekommen, infolge deren Gjuragj I. 
von Topija gefangen wurde. (Offenbar eine Verwechslung mit 
der von Jireöek schon in das Jahr 1364 verlegten Gefangenschaft.) 
Doch sei es 1376 durch Vermittlung von Ragusa und dessen Ge- 
sandten Matteo di Bodaza zum Frieden gekommen, bei dem Drag 
dem Topija blieb. (1388 — 92 war Georg Topija [Sohn Karls I. 
Herr von DraS, das er den Venezianern abtrat) 

Auch mit Bosnien kamen die Bal§i<5i in Zwist. Hier war 
Ban Tvrdko vom 2upan Nikola Altomanovid von Uäica 
belästigt worden. Tvrdko verband sich mit dem seit 1371 regie- 
renden Kaiser von Serbien Lazar Ghrebljanoviö und beide trieben 
ihn so in die Enge, daß er sich ergeben mußte. Man blendete 
ihn und er floh zu den BalSi<5i (1374), die ihn bis zu seinem Tode 
(1376) schützten, aber dafür Trebinje, Konavlje und Dradevica 
sich beibogen. Deshalb kam es zum Zwist zwischen Ban Tvrdko 
und den Baläidi. Gjuragj begab sich nach Ragusa, um dort mit 
Tvrdko den Streit zu schlichten, doch schieden sie unversöhnt. 
Als sich gleich darauf Tvrdko „König von Bosnien '' nannte, fielen 
die Baläidi im Verein mit Karl I. Topija, 10000 Mann stark 



B4 Dritter Zeitraum. 

in der Hercegorina ün, eroberten Onogost, drangeo bis Neveönje 
vor ') und plünderten and brannten Überall. (Das war dsmaU 
da» politische VerstäadniB der jeden Qefllhls fUr die eigene Nado- 
oalität baren Monarchen I) Kein Wunder, wenn dann die Be- 
wohner von Trebinje, Eonavije und Dradevica von den neuen 
Herren so genug hatten, daß sie sich 1378 an Bosnien anschlössen. 
Kotor wollte diesem Beispiel folgen, da aber diese gl^cbfalls jedes 
NationalgefUbls bare Stadt sich schon früher unter den Schutz 
des Königs Ldjos von Ungarn (1) gestellt hatte, forderte sie 
Tvrdko anf, ihr durch einen Angriff auf Ragusa bozusteben. 
Er tat dies und die Ragusfier riefen ihrerseits Baläi6 um Hilfe 
an. Gjuragj lieB sich nicht zweimal bitten, verheerte das Gebiet 
der blutsverwandten Kotorer, starb aber zur selben Zeit (13. Januar 
1379). Sein Bruder Bai Sa II. erhielt erst 1380 Kostur als Mit- 
gift der Witwe des Kraljevid Marko, Jelena, nachdem er seine 
Gattin Komita Musakina verstoßen hatte. Aber er ließ bald 
Jelena wegen ihres anstÖBigen Lebenswandels einkerkern und ver- 
stieß sie dann, ihre Stadt jedoch als „Entschädigung" behaltend. 
1383 benutzte BalSa II. die Unruhen in Neapel, um I>ra£ im 
Stunn zu nehmen, worauf er sich auch „Herzog von Drafi" 
nannte. Gleich darauf sandte er den RagusSem 3000 Mann eu 
Hilfe, damit diese, deren Flotte unter Mihail Bobali<i Kotor zur 
See eingeschlossen hatte, diese Stadt bezwingen könnten, was auch 
geschah. 

Zu jener Zeit befand sich abo das Baläiden-Reich auf dem 
Gipfelpunkt der Macht, denn es nmfaßte ganz Montenegro, Ober- 
und Unteralbanien '), Prizren, Kostar, Kotor und einige angrenzende 
kleine Gebiete. Um so jäher war dann der Sturz. 

Anfangs ziemlich unbeachtet und unterschätzt, waren die 



1) Offeubai ist dieser Feldsug gldohbedeatend mit dem «od Meda- 
koTi£ in dsB Jahr 136Q verlegten, von dem er sagt, dal die Baliiöi mit 
Saoko, FUreteo tod Nevealnje, und Sijeis, Ban von Kroatien, Bsgnsa 
gegen den Flinten Yladislsv von Uüios beistanden, die Bagasfier letzterem 
400 Perper zahlteD, worauf er sich nach Klobnk mrüokzog, aber 136G nenei^ 
dingH gegen Bsgnsa Hg, das abermals von den Baliidi geichütit wnrde. 

3) Nach Andri« hätte BaUs II. die Moiakjd durch Kauf an sieh 
gebracht. 



Bis zum Untergang des Serbenreiches. 55 

Tarken zu jener Zeit bereits eine furchtbare Macht geworden. 
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts waren die Byzantiner 
so töricht gewesen, die Türken (deren Kraft sie doch am eigenen 
Leib bereits verspürt und die sich in Eleinasien schon ganz be- 
denklich nahe dem Marmara-Meer ein Reich gegründet hatten) als 
Söldner gegen Serben und Bulgaren in Dienst zu nehmen und 
ihnen derart den Weg nach Europa und dessen Annehmlichkeiten 
und Schätze zu zeigen. Als dann die Türken durch einen Hand- 
streich 1357 Kallipolis (Qallipoli) eroberten und dadurch eine 
Einfallspforte nach Europa bekamen, sollte man meinen, daß 
wenigstens ein erleuchteter Kopf in der Christenheit zu finden 
gewesen wäre, welcher die Folgen ftir die Zukunft erkannt imd 
Lärm geschlagen hätte, um die Christenheit zur Rückeroberung 
aufzurufen. Aber nichts von alledem! Im Gegenteil ^ als Graf 
Amedeo VI. von Savoyen (der „Conte Verde'') 1366 Kallipolis 
zurückerobert hatte, sorgte man nicht dafür, die Stadt zu halten, 
sondern überließ sie neuerdings den Türken! Es wäre 
der byzantinischen Flotte (besonders unterstützt von der venezia- 
nischen) doch so leicht gewesen, jeden Zuzug von Türken nach 
Europa fernzuhalten, wenn man die Dardanellen gehörig bewacht 
hätte; aber nein! man rief eigens noch die Türken her- 
über, um sie als Hilfstruppen zur Bekämpfung christlicher Völker 
zu verwenden ! Die Monarchen des Mittelalters hatten kein anderes 
Ziel, als sich wähl- und planlos Völker und Länder zu unterwerfen, 
welche weder ethnographisch noch geographisch sich unter einen Hut ' 
pressen ließen. Was für ungeheuerliche, abenteuerliche und geradezu 
lächerliche Grenzen da ausgedacht und gewaltsam ftir kurze Zeit 
erzwungen wurden, lehrt ein Blick in den historischen Atlas des 
Mittelalters von Spruner - Mencke. Deshalb können auch die be- 
ständigen Kriege und unaufhörlichen Besitzwechsel nicht wundern. 
Wechselte doch z. B. Durazzo binnen 300 Jahren siebenundzwanzig- 
mal den Herrn! Und was ftir exotische Herren! Venezianer, 
Neapolitaner, Tarentiner, Normannen, Franzosen, Achäer, also 
Leute, die doch in Albanien durchaus keine Interessen irgend- 
welche!* Art besaßen, fol|;lich dort gar nichts zu suchen hatten, 
Leute, denen die Bewohner nach Nationalität und Sprache voll- 
kommen firemd waren! Daß Byzantiner, Serben, Türken, Monte. 



56 Dritter Zdtraiim. 

negriner und Tosken ebenfalls als Herren erscheinen, kann wenig- 
stens noch durch die Nachbarschaft und andere Interessen begriffen 
werden. Aber Norweger, die nach Albanien kommen und dort 
eine Zeitlang ein ausgedehntes Reich gründen, das ist doch wahr- 
haftig eine Qroteske! Und dies alles, wurde nur dadurch möglich, 
daß die damaligen Völker an Beschränktheit, Dummheit, Ver- 
ständnislosigkeit und in vor den Monarchen in Ehrfurcht er- 
sterbendem Enechtssinn das möglichste leisteten. Sie ließen sich 
wie Hämmd abschlachten oder zur Schlachtbank ftihren, zer- 
fleischten sich gegenseitig ftir die Interessen ihrer Herrscher, welche 
oft geradezu der Fluch der Volks- und Landesinteressen waren, 
und fanden dies ganz in der Ordnung. So sahen wir ako auch 
im Serbenreiche, wie sich die Angehörigen des dieselbe Sprache 
sprechenden und dieselbe Religion besitzenden Reiches gegen- 
seitig durch unaufhörliche Ejiege schwächten und aufrieben, bloß um 
an Stelle des einen 2upans oder Königs einen anderen einzusetzen, 
der um kein Haar besser war! Und während sich so zwei 
Christenvölker stritten, freuten sich als Dritte die türkischen 
Barbarenl Dieses scheußliche Gesindel breitete sich in Europa 
mit unheimlicher Schnelligkeit aus: vier Jahre nach der Landung 
in Kallipolis besaßen sie schon Dimotika, nach weiteren zwei 
Jahren Adrianopel und noch immer erkannte man nicht die Ge- 
fahr I Erst die Niederlage der Serben an der Marica 1371 scheint 
etwas Angst verursacht zu haben. Aber noch immer erfolgte kein 
gemeinsames Vorgehen gegen die gemeinsame Gefahr. Immer 
noch war man bereit, sich mit den Türken zu verbünden, 
wenn man damit ein paar Dörfer dem anderen Christenstaate 
abnehmen konnte. So ließ man die Türken ruhig ihre Macht 
nach Westen ausbreiten und erst 1385 dachte Bal§a 11. daran, 
sich ihnen entgegenzustellen. Wie er es aber anstellte, war 
grenzenlos unüberlegt. Nach Lenormant sollen 40000 Türken 
unter Chair-ed-din gegen Beligrad (Berat) gerückt sein 
(Ende 1385, denn eine Urkunde aus Tuzi vom 24. April 1385 
zeigt Baläa noch auf der Höhe seiner Macht); nach anderen 
wären es nur ihrer 5000 gewesen. Aber Bal§a war so töricht, 
mit nur 1000 Reitern, die er eben bei sich hatte, von Dra{ auf- 
zubrechen und ihnen entgegenzugehen. Ohne, wie es ihm von 



Bis znm Untergang des Serbenreiches. 57 

den Feldherren geraten wurde, die Verstärkungen abzuwarten (nur 
ein kleines Heer unter Ivaniä, Sohn des Königs Vlkaäin, hatte 
sich mit ihm vereinigt), griff er die in der Ebene von Savra 
lagernden Türken an, wurde aber fast bis zum letzten Mann ver- 
nichtet. Sein abgeschnittenes Haupt (und wahrscheinlich auch 
das des Prinzen Ivani§ und des Vojvoda Qjorgje HrvavSiö) 
wurde dem Vezir Chair-ed-din gebracht. Auf diese Weise kamen 
die Türken in den Besitz von Unteralbanien. 

Um Neujahr 1386 herum muß Gjuragj H. (Sohn des 
Straäimir Baläi<5, der bis dahin — nach Andrid — im Eonavlje 
residiert hatte) auf den Thron gekommen sein, weil er sich in 
einem Schriftstück vom 27. Januar 1386 bereits „Selbstherrscher 
von Zeta und Primorje'' nennt ^). Er wohnte damals in Skadar, 
was die Nachricht verdächtig erscheinen läßt, er habe sich beim 
Tode seines Oheims Bal§a II. in Drad eingekerkert befunden, 
weil ihm der Oheim mißtraut hätte. Zunächst soll er gegen Auf- 
stände Ehrgeiziger zu tun gehabt haben, indem sich die Brüder 
Andrija und Nikola Zahet, sowie Stefan Crnojeviö gegen 
ihn erhoben, behauptend, König Tvrdko von Bosnien sei ihr 
Herr. Dukadzin soll sie unterstützt haben. Gjuragj U. ver- 
trug sich aber mit Crnojeviö, dem er die Regierung in der Zeta 
überließ, während er an den beiden Zahets Rache nahm, indem 
er ihnen, nachdem er sie geschlagen und gefangen hatte, die Augen 
ausstechen ließ. Hierauf habe er sich, um auch gegen Dukad2in 
Stütze zu haben, mit Juvelica, Tochter des Kaisers Lazar von 
Serbien, vermählt '). So nennt sie nämlich Lenormant nach Du 
Gange. Aber dabei bemerkt er noch, sie sei die Witwe des 
Fürsten der Walachei gewesen. Die anderen Quellen nennen 
sie Des pa (Orbini Despina) und versichern, sie wäre die Witwe 
des bulgarischen Cars Jovan §iäman HI. gewesen. Beide 
Angaben stimmen nicht. Von den Töchtern Lazars weiß man 
aUenliDgs, daß „Despa" die Gattin giämans geworden iat, doch 

1) Eine Urkunde von 1888 im venezianischen Archiv zeigt aU Aus- 
stellungsort: „Gegeben in unserer Sommerresidenz Brdela.*' 

2) Medakoviö erzählt, dies sei erst geschehen, nachdem drei Angriffe 
Lazars auf Montenegro von Gjuragj siegreich abgeschlagen worden waren, 
doch werden solche Angriffe von anderen entschieden in Abrede gestellt 



58 Dritter Zeitraum. 

dieser kann nicht vor 1394 gestorben seini also wäre die Ehe 
nicht vor 1395 möglich gewesen, und dann konnte nicht Bal§a III. 
aus dieser Ehe stammen; weil er bereits 1405 die Regierung über- 
nahm und dann erst neun Jahre alt gewesen sein könnte! Der 
Name Juvelica stammt aus einem VolksliedCi ist also um so 
unverläßlicher, als im selben Volkslied ihr Gatte Gjuragj Crno- 
jevid statt Baläid genannt wird. Es bliebe also höchstens die 
Möglichkeit; daß Juvelica eine sechste Tochter Lazars war, von 
der man allerdings sonst nichts weiß. Übrigens möchte ich be- 
merken; daß der Name Despina {deaTtolva) im Griechischen ,; Herrin'' 
bedeutet; mithin vielleicht da eine Verwechslung des Vornamens 
mit ihrem griechischen Titel vorgefallen sein könnte. Nachdem 
die Ehe mit des Lazar Tochter vermutlich n«ch zu Lebzeiten 
Baläas stattfand; könnte vielleicht doch noch eine sechste Tochter 
;; Juvelica'^ in Frage kommen; weil ihr Sohn, Baläa III.; wohl 
vor 1385 geboren worden sein muß. Und zudem hatte er noch 
einen älteren Bruder GKojko (bei Lenormant 2oiö genannt). 

Mittlerweile hatten die Türken ihren Sieg verfolgt und Chair- 
ed-dins Nachfolger als Bejlerbej von Rumili; Timurtaä; eroberte 
1387 Beligrad; Eruja (Draö und Lje§ wurden schnell von den 
Venezianern besetzt und entgingen dadurch diesem Schicksal) und 
verheerte das ganze Küstenland bis gegen Bar, ja er drang sogar 
durch Montenegro bis Ostrog! Überall schleppte er die Bevölke- 
rung als Sklaven mit sich. Gjuragj II. zog sich vor der Über- 
macht nach Ulcin zurück; wo vermutlich der Frieden geschlossen 
wurde, in dem Gjuragj den Türken Kostur; Beligrad; Draö und 
Skadar abtrat Die beiden letztgenannten Städte soll er aber 
gleich wieder zurückbekommen haben; weil er eine Verwandte in 
den Harem des Sultans Muräd lieferte. Auch Kruja scheint er 
zurückbekommen zu haben; weil diese Stadt erst 1394 endgültig 
in türkischen Besitz überging. (D. h. bis sie 1402 ihnen wieder 
von den Venezianern abgenommen und 1403 Eigentum der Spata 
wurde. Allerdings war sie 1394 im Besitz der Schwester des 
Gjorgje Topija; Jelena, und ihres Gatten Marko Barbarigo.) 

Unterdessen hatte sich gegen das Serbenreich eine Gewitter- 
wolke zusammengezogen. Empört über eine 1387 bei Toplice 
und PloSanik von den Serben erlittene furchtbare Niederlage 



BiB zu den Crnojeyiöi. 59 

sammelte Sultan Murad I. im Sommer 1389 ein großes Heer, um 
mit Serbien abzurechnen. Kaiser Lazar Grebljanovid rief alle 
Serben zur gemeinsamen Abwehr nach dem Kosovopolje, aber nicht 
alle kamen und manche verspäteten sich, wie Ojuragj mit den 
Montenegrinern. 

.7. Bis ztt den Cmojevici. (1427.) 

Lenormant weiß zu erzählen, daß am Vorabend des Schlacht- 
tags im serbischen Eriegsrat ein albanischer Führer, Ojorgje 
Eastriota, sich gegen den Beschluß aufgelehnt hätte, die Türken 
in der Nacht zu überfallen, weil diese dann in der Dunkelheit 
leichter — entwischen könnten, während so bei der Überlegen- 
heit des serbischen Heeres ihre voUständige Vernichtung leicht 
wäre. Nun erzählt auch Leunclavio, daß der Sieg von 1387 
über die Türken Hauptverdienst des Gjorgje Kastriota war 
(den er allerdings mit dem gleichnamigen Skanderbeg ver- 
wechselt); es wäre deshalb wohl möglich, daß dieser Gjorgje 
Kastriota der Urgroßvater Skanderbegs war. Doch ist 
es auch möglich, daß Gjorgje Topija mit Kastriota verwechselt 
wurde. Näheres darüber im 9. Kapitel 

Es heißt, daß am 15. Juni 1389 (am Veitstag, „Vidovdan'^ 
die Mitte der serbischen Schlachtordnung, die nahe Priätina am 
Kosovopolje (Amselfeld) stand, vom Kaiser Lazar selbst be- 
fehligt wurde, der rechte Flügel von seinem Schwiegersohn Vlk 
Brankovid, unterstützt von Jug Bogdan mit seinen neun 
Söhnen, der linke vom König Tvrdko von Bosnien. Bei den 
Türken befand sich der Sultan Muräd I. mit Hajdär Paää* 
ebenfalls in der Mitte, sein Sohn Jakub mit Siriö Padä und 
Ajne Beg auf dem linken Flügel, sein Sohn und Thronerbe 
Bajazid (später genannt „Jildirim'' = der Blitz) beim rechten 
Flügel. Jakub wurde zunächst über den Haufen gerannt, doch 
wußte Bajazid die Ordnung wiederherzustellen ^). Mittlerweile 
hatte sich aber ein anderer Schwiegersohn Lazars, Milos Obiliö, 

« 

1) Das kann höchstens mittelbar durch kräftigen VorstoB geschehen 
sein, nicht aber unmittelbar dadurch, daß Bajazid seinem Bmder Jaknb „zu 
Hilfe kam", wie Mandroviö erzählt, was vom militärischen Standpunkt 
aus ganz unmöglich ist. 



60 Dritter Zeitranm. 

bis gegen den Sultan darchgekämpft und rief diesem zu, daß er 
ihm ein wichtiges Geheimnis enthüllen wolle ^). Darauf ließ man 
ihn bis zum Sultan herankommen , dem er sich zu Füßen warf, 
als woUe er ihm huldigen, worauf er jedoch einen Dolch hervor- 
zog und ihm den Bauch aufschlitzte. Die Verwirrung benutzend, 
schwang er sich aufs Pferd und wollte sich zu den Seinigen zurück 
durchschlagen, aber es gelang ihm nicht. Nachdem er noch viele 
Türken getötet hatte, fiel er. 

Mittlerweile war die Mitte der serbischen Schlachtordnung 
durchbrochen und der Kaiser selbst gefangen worden. Der 
sterbende Sultan (nach anderen sein Sohn, der neue Sultan 
Bajazid) ließ ihn sofort hinrichten. 

Die serbischen Volkslieder wissen zu berichten, daß die Nieder- 
lage, welche den Untergang des Serbenreiches zur Folge hatte, 
dem Verrat des Vlk Brankovid zu verdanken sei. Diese Sage 
scheint aber jeder Begründung zu entbehren und nur zur Be- 
schönigung der Niederlage ersonnen zu sein. Denn erstens lag 
zum Verrat auch nicht der geringste Anlaß vor und zweitens 
hätte Vlk (Vuk) Brankoviö', „des Verräters'' Familie, sicherlich 
nicht später Serbien beherrschen können, wenn er so fürchterliche 
Schuld auf sich geladen hätte. Viel wahrscheinlicher ist, daß die 
Niederlage eine Folge der Flucht fremder Hilfstruppen war (man 
nennt bulgarische, rumänische oder kumanische — möglicherweise 
waren es auch albanesische), welche es den Türken ermöglichte, 
durch die Lücke zu dringen und die serbische Schlachtordnung 
aufzurollen. 

Zwar verlor Serbien nicht ganz seine Selbständigkeit, denn 
Lazars Sohn Stefan blieb Herrscher, aber nur mit dem Titel 
eines „ Despoten '^ und unter türkischer Oberhoheit. 

Gjuragj n. Baläid war auf dem Marsche nach dem Eoso- 
vopolje, als er den verhängnisvollen Ausgang der Schlacht erfuhr. 
Er kehrte nach Zeta zurück und schickte sich an, dort die ser- 
bische Freiheit weiter zu verteidigen. Zu diesem Zwecke sam- 

1) Nach der Volkssage wäre Obiliö schon vor der Schlacht, nächt^ 
licherweile, zum Saltan gekommen und hätte ihn ermordet, was deshalb 
weniger wahrscheinlich ist, weil Murad mit aufgeschlitztem Bauch nicht so 
lange gelebt haben kann. 



BiB zu den Crnojeviöi. 61 

melten sich auch in seinem Lande alle jene Serben, welche sieh 
nicht den Türken unterwerfen wollten. So wurde das kleine 
Montenegro der letzte Hort serbischer Freiheit. 

Bald sah er sich auch den türkischen Angriffen ausgesetzt 
und um diesen leichter begegnen zu können, suchte er Freund- 
schaft mit den Venezianern. Mittelalbanien war schwerer zu ver- 
teidigen, namentlich die Städte, weshalb er 1394 Draö ^), Eruja ^) 
und Skadar den Venezianern abtrat '), die ihm daftLr die Festung 
Drivast^) und ein Jahrgeld von 1000 Zecchinen gaben. Darauf 
bezieht sich wohl das im Archiv von Venedig befindliche un- 
datierte Schreiben an den Dogen Antonio Venier, dessen Wortlaut 
folgender ist: 

„Wir melden Eurer Hoheit, daß wir mit göttlicher Hilfe am 
25. April den verfluchten Zerstörer unseres Vaterlandes Padid 
Cm oje getötet haben. Er ist von unserem Heere geschlagen 
worden. Wir haben ihm einen Teil des Gebietes abgenommen, 
welches er entrissen hatte und das wir beschlossen haben, Ihnen (I) 
zu geben. 

Weiter haben Ihre edlen Stellvertreter von uns die Festung 
Skadar mit Umgebung und was sonst dazu gehört, übernommen. 

Wir grüßen Euch im Namen Gottes, dessen Gnade und Barm- 
herzigkeit Euch bewahren mögen. 

Gegeben zu Ulcin 31. Mai. 

Euer Gjuragj Straäimirov, Herrscher von Zeta.^' 

1) Nach dem Tod des Karl Topija hatte sein Soho Gjorgje 1392 den 
Venezianern seine Ansprüche auf Draö abgetreten. 

2) Urkundlich war 1394 Kruja im Besitz des Marko Barbari go 
(Gatte Jelenas, der Schwester Gjorgje Topijas), der es (ebenfalls urkund- 
lich) damals den Venezianern abtrat, jedoch bald darauf den Türken übei^ 
gab. Doch scheinen die Venezianer trotzdem 1402 wieder im Besitz von 
Ejruja gewesen zu sein. 

3) Bemerkenswert ist, daß nach Beinsberg-D üringsfeld Gjuragj II. 
Balsiö noch 1401 urkundlich „Herr der Insel Koröula'* (Curzola) genannt wird, 
obgleich diese schon l&ngst in venezianischen Besitz übergegangen war. 

4) Nach Jireöek wäre Drivast 1395 venezianisch geworden, folglich 
scheint mir die gewöhnliche Annahme, Skadar wäre schon 1394 den Vene- 
zianern verkauft worden, weniger wahrscheinlich als jene, die das Jahr 1404 
angibt. 



6^8 Dritter Zeitraum. 

Als Bajazid 1402 von den Mongolen unter Timur Lenk 
bei Angora geschlagen, gefangen und in einen Käfig gesteckt 
wurde, hätten die Serben, gleichwie die anderen Balkanchristen, 
die beste Gelegenheit gehabt, durch gemeinsamen Angriff gegen 
die Türken diese vielleicht aus Europa zu vertreiben. Aber auch 
diese Gelegenheit blieb unbenutzt. 

Der grenzenlose politische Unverstand der damaligen Macht- 
haber zeigt sich am besten darin, daß Venezianer und Monte- 
negriner, statt vereint gegen den gemeinsamen Feind, die 
Türken, loszugehen — sich selbst jahrelang befehdeten und 
schwächten! 

Im Jahre 1405 starb nämlich Gjuragj II. und da sein Sohn 
Gojko (der dritte, Ivaniä, lebte noch 1416^) als Fürst von 
Cetinje) bereits früher gestorben war, fiel die Elrone seinem Sohne 
Baläa III. (Grgur) zu. Die Skadraner, mit den neuen venezia- 
nischen Herren unzufrieden, riefen Baläa an, er möge die Stadt 
zurücknehmen, und ihrem Beispiel folgten vermutlich die anderen 
Orte des Küstenlandes, denn es heißt, daß von der Bai von Traste 
bis zur Bojana alles wieder montenegrinisch wurde. (Budva, Bar, 
Ulcin, Skadar und Drivast werden ausdrücklich genannt.) Venedig 
erkannte diese Gebietsveränderung 1406 an; nur Skadar und 
Ulcin (1408) wurden den Venezianern zurückgestellt, die mit der 
Jahi^dzahlung fortzufahren versprachen ^. 

1410 sandte der Sultan Musa D2elebi (dSelebi = edler, 
wohlgebömer Herr) den berühmten, fast hundertjährigen Waffen- 
genossen des Orchän, Evrenös Paää (seinem Namen nach viel- 
leicht ein griechischer Abtrünniger), mit einem mächtigen Heere 
gegen Zeta, doch brachte ihm Baläa lU. eine tüchtige Niederlage 
bei: der erste Sieg in einer Reihe von vielen Hunderten von 



1) Nach Orbini wäre er noch vor 1405 gestorben, doch gibt es nach 
Lenormant eine Urkunde vom 3. Mai 1416, nach der Ivanil, Fürst von 
Cetinje, noch lebte. 

2) Orbini behauptet dagegen, da£ die Venezianer BalSas Tod benutst 
hätten, um unter Mariano Caraveili 1405 die ganze Unter-Zeta mit 
Budva, Bar, Ulcin, Skadar und Drivast zu besetzen, worauf dann bis 1412 
Krieg gefiihrt worden wäre. Offenbar eine Verwechslung mit dem Feldzug 
von 1411. 



Bis zu den Crnojeviöl. 6S 

Siegen der Monteoegriner über die Türken. Dadurch übermütig 
gemacht, wandte sich Balsa 1411 gegen die Venezianer, denen 
sich 1410 Rotor freiwillig unterworfen hatte, und nahm ihnen 
Ulcin und Skadar, das Kastell von Skadar jedoch vergeblich be- 
lagernd. Die Venezianer sandten daraufhin den Marino Cara- 
velli mit Heer und Flotte zur Wiedereroberung aus, doch Cara- 
velli zog es vor, mit Geld zu arbeiten, gewann dadurch einen 
großen Teil der Anhänger Baläas für sich und so mußte dieser mit 
seiner Mutter die Flucht ergreifen. Doch kehrte er bald mit unga- 
rischen Söldnern zurück, entriß den Venezianern ihre Eroberungen 
nnd brachte den Dogen Michele Steno im November 1412 dazu, 
daß er sich, weil sein Feldherr Benedetto Contarini beständig ge- 
schlagen wurde, um Vermittlung an Sandal Hranid, den Groß- 
herzog von Bosnien, wandte. In dem Friedensvertrag, der in den 
Archiven von Venedig und Cetinje noch vorhanden ist, heißt es, 
daß Venedig an Balsa die Städte Ulcin und Budva abtritt und 
sich zur Zahlung des Jahrgelds von 1000 Zechinen weiter ver- 
pflichtet. Wie es scheint, dehnte aber zur gleichen Zeit Baläa 
seine Herrschaft auch über Albanien aus, denn wir finden nicht 
nur eine von ihm in Draö geprägte Münze (siehe Lenormant, 
S. 29), sondern es wird auch erwähnt, daß sich seine Mutter 1416 
von den Venezianern überreden ließ, ihnen — Avlona zu ver- 
kaufen. Da diese Stadt schon 30 Jahre zuvor in türkischen Be- 
sitz übergegangen war, muß also Baläa sie zurückerobert haben, 
was (weil er keine Flotte besaß) nur auf dem Landweg möglich 
war, somit voraussetzt, daß er wieder Albanien bis nach 
Avlona hinab in Besitz bekommen hatte. 

1419 brach Baläa mit der überlieferten Freundschaft, die 
seine Familie mit Ragusa verband, indem er (angeblich auf An- 
raten seines Verwandten Stefan Crnojevid) alle ragusäischen 
Kaufleute im Lande berauben und ausweisen ließ. Und nicht 
genug daran, auf den gleichen Rat hin griff er auch die Vene- 
zianer an , indem er ihnen Ulcin ^) und Skadar wegnahm. Auf 
diese Nachricht hin eilte Francesco Bembo, Admiral der vene- 



1) Das also trotz des Friedensyertrags von 1412 yenezianisch gebliebeo 
zu sein scheint. 



64 Dritter Zeitraum. 

zianischen Flotte, welche eben im Begriff war, den Magyaren 
Trogir (Trau) und Spljet (Spilato) wegzunehmen, herbei und 
führte auch Landungsti-uppen unter Jacopo Dandolo mit sich. 
Skadar wurde angegriffen, aber von den Montenegrinern so tapfer 
verteidigt, daß die Venezianer auf die verrückte Idee verfielen, 
die — Türken zur Hilfe anzurufen! Der venezianische Ge- 
sandte in Adrianopel (oder, wie die Stadt jetzt im türkischen Be- 
sitz hieß, Edimö) erlaugte auch vom Sultan 8000 türkische 
Söldner, aber diese wurden ebenfalls von Skadar mit blutigen 
Köpfen abgewiesen. 

Im folgenden Jahre (1420) wollte der venezianische Admiral 
Pietro Loredano, der mit 15 Galeonen und vielen anderen 
Schiffen, sowie einem starken Heere am 12. März ausgelaufen 
war, nachdem er den Magyaren Omi§ (Almissa), Braö (Brazza), 
Hvar (Lesina), Eoröula (Curzola), Trogir und Spljet abgenommen 
hatte, auch die Montenegriner züchtigen. Zunächst landete er vor 
Kotor, dessen Bewohner sich gleich ergaben und charakterloser- 
weise sofort mit den volksfremden Venezianern gegen ihre eigenen 
Landsleute, die Montenegriner, fochten (weil sie Katholiken waren 
und das Religionsgeflihl in ihnen stärker als das NationalitätsgefÜhl 
war), worauf er vor Skadar zog. Hier hatte Baläa seine ganzen 
Streitkräfte gesammelt, und eine fUrchterliche Niederlage der Vene- 
zianer war die Folge, wobei sie ganze Kompagnien Fußvolk und 
200 Reiter als Gefangene zurücklassen mußten. Zwar sandte 
Venedig auf die Kunde dieser Niederlage sofort eine große Ver- 
stärkung von Bogenschützen und Reitern, aber sie konnten das 
Schicksal nicht wenden und so mußte Venedig in den säuern 
Apfel eines Friedens beißen, in dem es den Montenegrinern (1421) 
Skadar, Ulcin, Bar, Ljes, Budva und Drivast ließ. 

Gleich nach diesem Friedensschlüsse begab sich Baläa auf 
Besuch zu seinem Oheim, dem Despoten Stefan Lazareviö, wo er 
jedoch an dem Fieber starb, das er schon bei seiner Abreise mit 
sich geschleppt hatte. 

Nach Lenormant (der sich auf Vaclik stützt) soll um jene 
Zeit auch ein großer türkischer Angriff auf Montenegra erfolgt 
sein, vom Sultan Muhämmed I. persönlich gefiihrt, und dieser 
dabei von den Montenegrinern eine schwere Niederlage erlitten 



Bis zu den Cmojeviöi. 66 

haben. Aus verschiedenen Gründen halte ich das aber für wenig 
wahrscheinlich. Außer es findet eine Jahresverwechslang statt und 
der Angriff hätte später stattgefunden. In der Chronik des Gio- 
vanni Bembo heißt es, daß am 21. Juli 1421 ,,die Mutter des 
Bal§a, welcher viele Plätze in Albanien besaß, in Venedig 
angekommen sei, um die Staaten und Völker ihres Sohnes dem 
Dogen und der Signoria zu empfehlen, welche sie mit Ehren über- 
häuften '^ Dies ist rätselhaft, weil doch ihr Sohn schon im April 
gestorben war, sie also sicher diese Nachricht bei ihrer Abfahrt 
nach Venedig bereits gehabt haben muß. Es wäre höchstens so 
zu verstehen, daß sie, weil ihr Sohn ohne männlichen Erben ge- 
storben war (seine Tochter Jelena war die Frau des altbosnischen 
Großherzogs Stefan Kosarid, seit 1441 Herzog von San Savva, 
wie aus einer Urkunde vom 1. April 1443 hervorgeht, aus der 
zugleich ersichtlich ist, daß Stefan und Jelena einen Sohn Vla- 
dislav besaßen und von Jelena, Tochter des Kaisers Lazar und 
Frau des Sandal Hranid von Bosnien, geerbt hatten, die Jelenas 
Großtante war), das Reich vielleicht den Venezianern zum Ge- 
schenk anbot, so wie später Caterina Comaro ihr Königreich 
Zypern. Weil aber Bembo von einem solchen Angebot nichts 
erwähnt, ist es wahrscheinlicher, daß sie nur die Hilfe Venedigs 
gegen die unausbleiblichen Feinde des Reiches erflehte, weil sie 
«ich als Weib zur Verteidigung zu schwach fUhlte. 

Die Herrschaft lag scheinbar in sicheren Händen, denn vor 
Beiner Abreise hatte Baläa die Regentschaft seinem Vojvoda Stefan 
Crnojevid übertragen^), welcher jedoch (nach Mavro Orbinis 
Behauptung) sofort nach Bal^ Tod nach Apulien abgereist sein 
«oll. Was er dort woUte, ist unklar, außer auch er hatte die Ab- 
eicht, von Italien Hilfe gegen die Türken zu erbitten. 

Diese Vermutungen dürften richtig sein, denn es heißt, daß 
Venedig nicht verabsäumte, nach Baläas Tod Bar, Ulcin, Lje§, 
Drivast, Skadar und Budva zu besetzen, was auf Einverständ- 
nis mit Juvelica und Abwesenheit des Crnojevid hindeutet. 

1) Andric erzählt, da£ BaliSa die Regentschaft seinem „Erben und 
Schwestersohn" Gjuragj Vukoviö übertragen habe, der den Montene- 
grinern nicht gefiel, weshalb sie ihn verjagten und Stefan Crnogorac 
aus Apnlien riefen. 

Oopöevld, Montenegro und Albanien. 5 



66 Dritter Zeitraum. 

Der Despot Stefan Lazarevid eilte auf diese Nachricht 
hin mit Truppen herbei and nahm den Venezianern alles bis auf 
Skadar, Ulcin und Budva wieder ab. 1422 erneuerte er den An- 
griff auf Skadar und er würde diese Festung auch genommen haben, 
wenn nicht venezianisches Gold viele Vasallen, darunter die 
Paätrovidi (oberhalb Budva), bewogen hätte, vom Despoten ab- 
zufallen und gegen ihn Stellung zu nehmen, weshalb sein Vojvoda 
Masaraä mit Verlusten abziehen mußte. 

Im Mai 1423 kam Stefan Lazarevid mit einem neuen Heer 
und trieb die Venezianer in Skadar so in die Enge, daß ihnen 
weder ihre frischen Hilfstruppen noch die Unterstützung der ver- 
räterischen Pagtrovidi nützten. Gjuragj Bran ko vi d, welcher 
das serbische Heer befehligte, erzwang den Frieden unter günstigen 
Bedingungen. 

Zwei Jahre später trat Despot Stefan alle eroberten Teile der 
Zeta an seinen Neffen, den erwähnten Gjuragj Brankoviö ab 
(Sohn des Vuk Brankovid, des angeblichen „Verräters vom Koso- 
vopolje^^ — und der Mara, Tochter des Kaisers Lazar), welcher 
1426 mit Venedig einen neuen Vertrag abschloß, dem zufolge 
es sich abermals verpflichtete, die jährlichen IQOO Zecchinen für 
den Besitz von Skadar zu zahlen. 

Die Montenegriner waren nicht sehr zufrieden, mit dem ser- 
bischen Despotat vereinigt zu werden, weil dieses unter türkischer 
Oberhoheit stand und sie nicht einsahen, wie sie — bis dahin un- 
besiegt — dazu kämen, die türkische Oberhoheit anzuerkennen. 
Sie waren damals schon so freiheitsliebend wie heute und des- 
halb erinnerten sie sich an ihren früheren Vojvoda Stefan 
Crnojevid, welchem ja zudem Baläa vor seiner Abreise die 
Regentschaft übertragen hatte ^). Sie benachrichtigten ihn also in 
Apulien, er möge zurückkommen und Besitz vom Lande ergreifen. 
So kam denn Crnojevid auf einem ragusäischen Schiffe nach 
Budva, wo sich sofort zwei Parteien bildeten: für Brankovid und 
für Crnojevid. Bevor es jedoch zwischen beiden zum Kampf kam, 



1) Allerdings möchte ich wegen des Umstände, dafi Crnojevid 1421 
(nach anderen schon 1415 und zwar verjagt oder verbannt) nach Italien ging^ 
eher glauben, dafi Gjuragj Vakoviö die Regentschaft erhielt 



Bis zu den Cniojeriöi. 67 

luden die Ragusäer den Brankovid durch ihre Gesandten Maroje 

Rastiö (^^Resti'') und Marino Gundulid (,;Gondola '9 ^i "^^ 
Ragusa zu kommen, um die Sache in Ordnung zu bringen. Er 
schiffte sich also auf einem ragusftischen Schiffe dorthin ein und 
wurde nebst seiner Familie mit großen E^en empfangen. Dann 
kehrte er wieder nach Ulcin zurück, nahm den Bischof von 
Drivast und andere, die sich gegen ihn empört hatten, gefangen 
und f&hrte sie mit sich nach Serbien, wo er bald darauf (1427) 
Nachfolger des Despoten wurde. 



5* 



Vierter Zeitraum. 

Montenegro unter den Cmojeyic und Albanien 
unter Skanderbeg. (1427—1499.) 



8. Montenegro bis zum albanischen Aufstand. 

(1427—1443.) 

Das Reich 9 welches Ste&n Cmojevid nach der Abreise des 
Gjuragj Brankovid als seinen Herzog (Vojvoda) anerkannte, be- 
stand aus dem heutigen Montenegro , den südlichen Bocche di 
Cattaro und dem halben Maljisorengebiete. Bevor ich jedoch in 
der Schilderung der geschichtlichen Ereignisse vorwärtsschreite, 
muß ich mich mit der Persönlichkeit des Stefan Cmojevid 
näher beschäftigen, dessen Ursprung nicht ganz klar ist. 

Lenormant und Frillej finden sich als Franzosen natür- 
lich geschmeichelt in dem Gedanken, daß Cmojevid dem fran- 
zösischen Geschlecht derMaramont entstammte, wie sie ja auch 
von den Baläidi ohne weiteres annehmen, daß sie von dem fran- 
zösischen Geschlecht der Baux abstammten. Lenormant nimmt 
es als feststehend an, daß „Stefan de Maramont, aus einem in 
Apulien wohnhaften französischen Hause'', von seinem „Ver- 
wandten'', dem IMirsten Baläa ins Land gerufen wurde, um Mon- 
tenegro zu regieren. Dort habe er sich „Cmojevid" = „Sohn 
des Schwarzen" genannt Nun wissen aber die serbischen Ur- 
kunden nichts von einem Franzosen, und „schwarz" heißt im 
Serbischen „cm" (bzw. mit dem bestimmten Artikel „cmi, cma, 
cmo"), so daß eine Serbe, dessen Vater „Cmi" geheißen hätte, 
sich ,,Crnid" oder „Cmovid", nicht aber Cmojevid genannt hätte. 
Im Russischen allerdings heißt „das Schwarze" „öemoje", 
und „Öemojevid" würde demgemäß im Russischen als „Sohn 



Montenegro bis zum albanischen Aufstand. 69 

des Schwarzen ^^ (von der sächlichen Form) gedeutet werden 
können ^). 

Lenonnant erzählt auch, daß Cmojevid, nachdem er sich 
erst 1386 gegen Gjuragj II. erhoben, jedoch wieder ausgesöhnt 
hatte, nach dem Tode des Baläa III. sich in Montenegro nicht 
sicher geföhlt habe, weshalb er nach Apulien geflohen sei, „wo- 
her sein Bruder auf Einladung Bal§as I. gekommen war^^ Ich 
fand nun allerdings erwähnt, daß Stefan Crnojevid Brüder namens 
Boiidar, Radio, Gjuragj und Gojko gehabt habe, aber 
da Baläa I. schon 1367 starb, mußte Ste&n, der mit dem „ Bru- 
der ^^ kam und doch sicher mindestens einige Jahre alt gewesen 
sein muß, dann um das Jahr 1365 geboren sein, besonders^ 
weil er sich ja schon 1386 gegen Gjuragj erhoben hatte. Nach- 
dem er aber nicht vor 1457 gestorben sein kann (man glaubt, 
erst 1470), so müßte er über 100 Jahre alt geworden sein und 
seinen Sohn Ivan im Alter von 55 bis 60 Jahren gezeugt 
haben. 

Des weiteren erzählt Lenormant, daß Stefan Cmojevid mit 
Hilfe seines Verwandten Senke Radio, Vojvoda von Zahlum 
und „Schwiegersohn Gjuragjs II.'', 1426 nach der Abreise 
des Gjuragj Brankovid die ganze Zeta wiedererobert habe. Wört- 
lich schreibt er: 

„Im Wiener Archiv gibt es noch eine Urkunde, deren Datum 
leider verloren ging, in welcher die beiden Brüder Radio und 
Stefan Cmojevid, welche sich Kastellane von Drobovnik, des 
heutigen Neuragusa *) im Gebiet von Zahlum, nennen, den Ragu- 
saem ihre Freundschaft versprechen. Daraus könnte man schließen, 
daß Radid, Vojvoda von Zahlum, den Namen Senke nur seitens 
seiner Mutter führte, statt in männlicher Linie von dieser Familie 
abzustammen, wie Orbini behauptet Durch seinen Vater hätte er 
der Familie Maramont angehört und wäre Sohn des ersten Stefan 



1) Sollte vielleicht Stefan Cniojeyiö der Sohn des Seite 61 erwähnten 
Crnoje Padid gewesen sein, mit dem ja später eine Anssöhnong erfolgt 
sein könnte? Dann wäre nach serbischem Qebranch sein Name Cmojeyiö 
sprachlich begründet. 

2) Dnbrovnik ist der serbische Name für Bagusa. Aitragosa heiSt 

Cavtat. 



70 Vierter Zeitraam. 

Crnojeviö gewesen. Es wäre also behufs Engeranschließens der 
beiderseitigen Verwandtschaft gewesen, daß Gjuragj II. ihm seine 
Tochter gegeben hätte/^ 

Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen , daß man nicht 
einsehen könne , wieso zwei Brüder verschiedene Familiennamen 
führen konnten (außer sie wären Stiefbrüder gewesen , was 
sehr leicht möglich ist und dann auch den Namen Senko begreif- 
lich machen würde) und daß man von Gjuragj nur eine Tochter 
Jelisaveta oder Milica kennt (außer diese wären zwei Per- 
sonen) , welche den Alexios Span heiratete. Wenn also etwas 
Wahres an der Sache ist, so müßte man annehmen, daß Crnoje 
Padid und Senko Radid eine und dieselbe Person sind, was 
allerdings mit dem Aufstand und der späteren Aussöhnung in 
Einklang gebracht werden könnte. 

Sehen wir nun, was Andrid schreibt. Zunächst erzählt er, 
daß ein „gewisser Stefan Crnogorac, der firüher Statthalter 
der Zeta war, von den Montenegrinern aus Apulien gerufen 
wurde''. Dann schreibt er wörtlich: 

„Luccari meint, daß dieser Stefan Crnogorac nach Neapel ver- 
trieben ward ; und Vasilije, daß er sich behufs eines £2invemehmens 
mit dem Könige nach Neapel begeben habe, und Guthrie und Gray 
nennen ihn einen Apulier, der Zenta und (!) Crnagora dem ser- 
bischen Despoten entrissen habe. 

„Er gelangte 1423 auf einem Handelsschiffe nach Ragusa, wo 
er von den dortigen Notabein mit Jubel empfangen wurde. Er 
verweilte bei ihnen acht Tage und begab sich mit Gjorgje Pal- 
motid nach Albanien, von wo er mit Hilfe seiner Freunde Ulcin, 
Smokovica und Crnagora eroberte. Er wollte ganz Zeta als ,E2rb- 
schaft' erobern. Da aber in Zeta ein starkes serbisches Heer 
war, wagte er keinen Angriff. Im nämlichen Jahre entspann sich 
ein Krieg zwischen dem Despoten Stefan von Serbien und der 
Republik Venedig wegen der an Stefan Crnogorac geübten Gast- 
freundschaft, (der Despot?) kaperte ihr drei Handelsschiffe weg 
und ließ sie plündern. Die Ge£Emgenen ließ er in einer Nacht 
erwürgen und in die Resava werfen, weil er sie weder am Leben 
lassen wollte, noch aus Furcht vor den Türken öffentlich hinrichten 
konnte. Endlich vermittelte Mara, des Despoten Stefan Schwester, 



Montenegro bis zum albanischen Aufstand. 71 

den Frieden Serbiens mit der Republik , welcher sie sehr zu- 
getan war. 

,,Der Ursprung dieses Stefan Cmogorac ist in ein historisches 
Dunkel gehüllt. Nach Milutinovid hatte Bal§a zwei Söhne: Stefan 
und Teodor. Stefan wurde wegen seiner schwarzbraunen Farbe 
Crnoje genannt (das ist aber eine sächliche Form! serbisch 
würde er Crni genannt worden sein! S. G.), daher blieb dessen 
Deszendenz unter dem Namen Cmojeviö. 

,y Durch Todor ^) sandte er dem Gjorgje Eastriota gegen 
die Türken Hilfe , wurde jedoch vom treubrüchigen Vojvoda von 
Dukad^in, Luka (soll heißen Lek = Alexander I S. G.) erwartet^ 
der ihn und den Zaharije Altisver, Ban über einen Teil 
Albaniens und Verbündeten des Eastriota, bei einer Brücke 
meuchlings erschlug. 

,, Diese Annahme bedarf jedoch eines tieferen Beweises, ab- 
gesehen vom Irrtum, daß Milutinovid statt Bal§a III. den Balsa 11. 
annimmt, wogegen sich die Chronologie und Genealogie sträuben, 
zumal es erwiesen ist, daß nicht einer, sondern drei Baläa 
existiert haben. 

„Nach Flavius Eomninos war Stefan Cmogorac ein Eingebomer, 
der als Verwandter der Baläa von Zeta an seinem Hofe 
treue Elriegsdienste leistete und zuletzt von ihm den Besitz von 
Zeta erhielt. (Ein blanker Unsinn oder Prahlerei, nachdem die 
Byzantiner längst nichts mehr in jenen Gegenden zu vergeben 
hatten I S. G.) 

„Inzwischen verletzten die Venezianer das Bündnis mit den 
Bewohnern von Zeta und unterwarfen einen Teil davon ihrer 
Herrschaft. Stefan weilte daher zwei Jahre in Neapel in Eriegs- 
diensten und eroberte nach Baläas Tod Zeta ftir sich. Dieser 
Stefan scheint ein Schwestersohn, Sohn des Stefan Hranid von 
Altbosnien gewesen zu sein, mithin Baläas Neffe und nicht Bruder, 



1) Karadiiö erzählt, daß Stefan Crnojeviö dem Skanderbeg 
durch seinen Bruder Bo^idar Hilfe gesandt habe, welch letzterer vielleicht 
mit dem hier erwähnten „Todor** identisch ist. Aber Raradiiö ist nicht 
▼erlfißlich, weil er auch behauptet, Stefan hätte drei Söhne hinterlassen: 
Ivan, Bo2idar(?) und Andrija(?), während er Gjuragj III. nicht 
erwähnt. 



7S Vierter Zeitraum. 

wie Luccari meint. Aach läßt er ihn aus der Familie Hrvojiö 
abstammen, die aber Herzöge von Spljet waren , (es) daher viel- 
leicht Hranid heißen sollte. 

y^Stefan I. war mit Vojsava, Tochter des Ojorgje Ea- 
striota, vermählt. Er führte als dessen Verbündeter 24 Jahre 
hindurch gegen die Türken Krieg und schlug sie in 63 Gefechten, 
wie die Geschichte Eastriotas besagt. 

,ylm Jahre 1423 baute er die Feste 2abljak, befestigte Smo- 
kovica und stiftete (I) an der Meeresküste zwei Hafenplätze. 

;yln Korn, Insel im See von Skadar, baute er das Kloster 
Uspenskiy wo er auch begraben liegt.'' 

Sehen wir uns diese Angaben etwas näher an. 

,,Cmogorac'' heißt ^^der Montenegriner''; wenn also Stefan 
so hieß| so müßte er entweder aus einer , Cmagora (Montenegro) 
genannten Gegend gestammt haben, oder das Land wurde nach 
ihm so genannt Alles deutet darauf hin, daß die Zeta erst in 
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von den Venezianern in 
,y Montenegro" (Schwarzenberg) umgetauft wurde, was die Serben 
dann in Cmagora übersetzten. Wie die spanische Bezeichnung 
Montenegro an Stelle der italienischen Montenero kommen 
konnte, ist mir rätselhaft. 

Von keinem der drei Baläa ist bekannt, daß er einen Sohn 
Todor hatte; denn von Bal^ H. weiß man nur, daß er eine 
Tochter Kraljica (Regina) hinterließ (vielleicht von ihrer Mutter 
so genannt, als Erinnerung an ihren ersten Gatten Elraljeviö 
Marko), welche dann den Marko von Kanina heiratete. Bal§a HI. 
aber hinterließ keinen Sohn. 

Wenn Cmojevid durchaus ein Verwandter des BalSa UI. 
sein soll, so müßte er ein Sohn des Ivaniä gewesen sein, 
welcher als dessen Bruder genannt wird und Fürst von Cetinje 
gewesen wäre, während als dessen Enkel Ivan 1485 „Fürst von 
Montenegro" genannt wird. Das hätte insofern dann Wahr- 
scheinlichkeit für sich, weil Stefan als Sohn des Fürsten von 
Cetinje der natürliche Nachfolger in der Regentschaft Montenegros 
gewesen wäre und es dann auch b^reiflich erschiene, daß ihm 
sein Vetter BalSa HI. bei seiner Abreise nach Serbien die Regent- 
schaft übertrug. Und begreiflich wäre es dann auch, daß das 



Montenegro bis zum albanischen Aufstand. 7S 

Volk ihn, als den einzig lebenden Baläden, zum Fürsten haben 
wollte. Ebenso möglich ist aber auch meine auf Seite 70 an- 
gedeutete Vermutung der Abstammung von Cmoje Padid (oder 
Radid) 1). 

Von einer anderen Schwester des Baläa III., die den Stefan 
Hranid von Altbosnien geheiratet hätte , ist mir nichts bekannt; 
außer man hält Jelisavet und Milica für zwei verschiedene 
Personen, was allerdings möglich ist, weil Baläa III. auch noch 
andere Schwestern gehabt haben soll '). 

Daß Stefan I. mit Vojsava, der Tochter des Skanderbeg, 
verheiratet gewesen wäre, ist schon deshalb ein Unsinn, weil 
Skanderbeg erstens erst 1451 heiratete und seine etwaige Tochter 
also erst g^en 1470 geheiratet haben könnte, mithin zu einer 
Zeit, da Stefan über 100 Jahre alt gewesen sein müßte. Es 
könnte also höchstens eine fünffache Verwechslung vorliegen: mit 
Vojsava Balsid, der Frau, oder Vojsava Cursacus, der 
Tochter des Karl Topija, mit Vojsava Kastriota, der Gattin 
des Musaki Topija, mit Vojsava Tripalda, der Mutter des 
Skanderbeg, mit Vojsava (oder Gojsava) Arianitis, Schwe- 
ster der Gattin des Skanderbeg, welche (nach Musaki) den Sohn 
des Stefan Cmojevid (Ivan^), genannt Ivanbeg) heiratete, wahr- 



1) Reinsberg-Dfiringsfeld gibt an, da£ nacb Mancben Stefiin 
CrnojeTiö Sobn des Ito Crni oder StraSimir Ito gewesen wäre. Das würde 
dann bindenten, da£ Stradimir Baläi6 auBer Gjuragj II. nocb einen Sohn Ito 
(Ivanü?) gebabt habe, von dem die Cmojeviö abstammen. 

2) Eine soll nämlich den Senke Radio geheiratet haben (welcher, 
wie oben erwähnt, Bruder des Stefan Cniojeviö war), eine andere wird als 
Mutter des Gjuragj Vukoyiö genannt, dem nach Andriö von BalSa III. 
die Regentschaft übertragen worden wäre (s. S. 6B). Nachdem auch der 
Vater des San dal Hrani6, Vladko, den Zunamen VukoTiö führte, wäre 
es schlieBlich nicht unmöglich, da£ die Mutter dieses Gjuragj VukoTiö mit 
der von Andriö erwähnten Gattin des Stefim Hraniö identbch ist. Aller- 
dings ist es ausgeschlossen, daB Stefan Cmojeviö Sohn des IvaniS war, wenn 
Senke Radio eine Schwester des letzteren geheiratet hätte; denn sie wäre 
dann seine Tante gewesen, weil er ja Stefans Bruder genannt wird. 

3) Nach anderen Geschieht Schreibern wäre Ivans Gattin Maria Tochter 
des Königs Stefan Tvrdko von Bosnien (sicher falsch!) oder des Hersogs 
Stefan von San Sayra gewesen. Sowohl Vater als Sohn hätten also ent- 
weder eine Maria oder eine Vojsava geheiratet. Darfiber noch später. 



74 Vierter Zeitraam. 

scheiiilich aber mit Maria Kastriota, der Schwester des Skan- 
derbeg, welche nach Barletius des Stefan Cmojevid Gattin war. 

Auch die Angabe bezüglich der Ermordung des Zaharije 
Altisver durch Luka (richtiger Lek) Dukad2in bedarf der 
Richtigstellung. 1445 hatte Lek Dukad2in den Herrn von Danj 
(Dajna) Lek Zaharije ermorden lassen, um sich seiner Güter 
bemächtigen zu können, wie aus dem nächsten Kapitel ersichtlich 
sein wird. Folglich ist es unwahrscheinlich, daß zu jener Zeit 
auch ein Todor, „Bruder Stefans '', mit ermordet worden wäre, 
denn das würde sicherlich in der Chronik ebensosehr erwähnt 
worden sein, wie der Tod des unbedeutenden Zaharije. 

Was Hranid betrifft, so werde ich Seite 75 noch darüber reden. 

Zur Zeit, als Stefan Cmojeviö die Regierung antrat, befand 
sich der größte Teil Albaniens in fremden Händen. Die Herzöge 
Pavle und Lek Dukadzin besaßen das noch heute nach ihnen 
benannte Gebiet, die Topija und Kastriota herrschten teil- 
weise in Miredita, die Musaki in der Musakji, Lek Zaharije 
war Herr von Danj (Daino), Petar Span von Drivast, Gropa 
in Debar, Gjuragj Strez in Misia ^), Spata im Ipiros, Aria- 
nitis Topija in den akrokeravnischen Bergen, Zenevisi um 
Arjirökastro, Lek DuSman in Pälati, während die Venezianer 



1) Blisia war das KüsteDgebiet zwischen dem Drim und dem ISmi. 
Nach Barletius war dieser Gjuragj Strez ein Ba]§i6, und das stimmt auf- 
fällig mit den Aufzeichnungen des Despoten Musaki (siehe den Stamm- 
baum der Arianiten), in denen Komita, Tochter des Arianitis Topija Kom- 
ninos Golem (Golem heiftt im Serbischen „sehr groß*^) und der Blaria Mnsa- 
kina, den Gojko Bal8i6 geheiratet hätte, welcher als Sohn Gjuragjs II. 
bekannt ist, aber wahrscheinlich schon 1421 tot war, weil er sonst wohl den 
Thron fQr sich in Anspruch genommen hätte. Vermutlich ist der Name 
Strez (oder Stresius) nur die Verstümmelung fürStradimirov, so da£ 
der Mann seine Namen nach seinem GroByater und UrgroB^ater hatte. Der 
Despot Musaki gibt im Stammbaum wohl zwei Söhne von Gojko und 
Komita an, aber nicht deren Namen (offenbar waren es Gjuragj Strez und 
Gojko BalSiö), sondern nur den ihrer Schwester Maria, welche einen Grafen 
Maro heiratete und mit ihm zwei Tochter zeugte, deren eine, Beatrice, den 
Don Ferrante, Herzog von Gravina (Ahnherr des spanischen Admirals von 
Trafalgar), und die andere, Isabella, den Luigi di Gesualdo, Grafen von 
Conza, heiratete. Wie damals die einzelnen Familien durcheinander heirateten, 
ist aus den Stammtafeln der Beilagen ersichtlich. 



Montenegro bis zum albanischen Aufstand. 75 

Darazzo (Dürres), Alessio (Ljeä), Scutari (Skodra) und die Küste 
besaßen ^). Aber alle die kleinen albanischen Despoten waren 
mehr oder minder von den Türken abhängig, bzw. tributpflich- 
tig, wie dies der Fall mit den Eastriota im nächsten Kapitel 
zeigen wird. 

An der nördlichen Grenze von Montenegro, in der Herce- 
govina, besaßen die Hranid Gebiete. Vuk Hrana, Vojvoda 
von Kudine in Montenegro, hatte nämlich von Kaiser Duäan weitere 
Ländereien bekommen und nach seinem Tode (1359) erfreute 
sich sein Sohn Vladko Hranid (oder Vukovid) der Gunst 
des Königs Tvrdko von Bosnien, der ihm den Befehl über Hilfs- 
truppen anvertraute, mit denen er 1389 an der Schlacht am Ko- 
sovopolje teilnahm. Dann half er Tvrdko gegen Magyaren und 
Türken, sowie auch gegen die BalSidi und schlug die in die Herce- 
govina eingedrungenen Türken (18000 Mann) bei Rudine und 
Bilek mit nur 7000 Mann bis zur Vernichtung. 

Von seinen Söhnen San dal, Vukac und Vuk wurde der 
erstgenannte vom König von Bosnien, OstojaHristid, und von 
dessen Nachfolger Tvrdko Tvrdkovid zum Großherzog (veliki 
vojvoda) der Hercegovina ernannt, die aber diesen Namen damals 
noch nicht führte, denn sie erhielt ihn erst später, als Kaiser 
Friedrich III. nach dem Tode des Sandal (1435) seinen Neffen 
und Nachfolger Stefan Kosariö 1441 zum „Herzog von 
San Sabbas*' ernannte. Die Serben verstümmelten das deutsche 
„Herzogt' in „Herceg'^, wonach sie dann dem Lande den Namen 
„Herzogsland^' = Hercegovina gaben. (Sandal hatte sich zu 
Lebzeiten großen Ruhm erworben, als er 1410 und 1414 gegen 
die Magyaren zog, deren König Zsigmönd er aus Bosnien hinaus- 
warf, worauf er sofort seinem Schwager, dem Despoten Stefan 
Lazarevid von Serbien, gegen den Sultan Musa (Moses) beistand. 



1) Was Kraja betrifft, bo hatten die Venezianer noch 1402 den Kos ta 
Kastriota hinrichten lassen, weil er auf die Stadt Ansprüche erhob. Doch 
schon 1403 gelang es dem Grafen Nikitas (Schwiegersohn der Spata), 
sich mit Hilfe der Anhänger des Enthaupteten Krujas zu bemächtigen. Er 
wußte sich mit Venedig auszugleichen, dessen Oberhoheit er gegen Hilfs- 
gelder anerkannte, und starb 1415, eben als die Türken Kruja abermals 
nahmen. 



76 Vierter Zeitraum. 

Unverständlich ist, daß er 1419 den Ragosäem ohne Grund 
Eonavljey Sokol [Elobuk ?] Vitaljinay Cavtat [Etagusa vecchia] und 
Obod abtraty und den Venezianern Ostrovica verkaufte.) 

Schon 1420 war Pietro Pavlovid^ Vojvoda von Trebinje 
uod Popovopolje, von den Türken geschlagen und getötet worden, 
doch blieb das Land im Beutz seines Bruders Radoslav, dem 
es aber dann vom Herzog Stefan von San Sabbas (Sava) 
weggenommen wurde. Nach langem Krieg mit Ragusa starb der 
Herzog 1466 in Draöevica bei Herceg Novi (Castelnuovo) in den 
Bocche di Cattaro. Er hinterließ drei Söhne: Vladislav, Vladko 
und Stefan, sowie eine Tochter Eaterina, welche den König 
Tomaä Ostojiö von Bosnien heiratete. 

Nachdem wir so die Lage der umliegenden Gebiete zur ersten 
Zeit der Regierung des Stefan Cmojevid erklärt haben, wollen 
wir nur bemerken, daß bis zum albanischen Aufstand in Monte- 
n^ro Friede geherrscht zu haben scheint, weil über sonstige be- 
merkenswerte Vorkommnisse nichts berichtet wird. Der große 
albanische Aufstand jedoch führte zur Beteiligung Montenegros an 
dem vierundzwanzigjährigen Krieg gegen die Türken. 

9. Skanderbegs erstes Auftreten. (1443—1446.) 

Die Abstammung des beHlhmten Gjorgje Kastriota, ge- 
nannt Skanderbeg, ersieht man am besten aus der beigegebenen 
Stammtafel der Kastriota. Aus den Stammtafeln geht auch 
hervor y in welcher Weise alle die kleinen albanischen Despoten 
unter sich und mit den Crnojevid verwandt und verschwägert 
waren, f^s ist klar, daß sie alle serbischer Abkunft waren 
und serbisch redeten (ihre Namen beweisen dies gleichfalls), 
wie sie denn auch ihre Urkunden serbisch abfaßten. Serbisch 
war also damak die Staatssprache in Albanien und vermut- 
lich wurde albanesisch nur vom niederen Volke gesprochen. 

Karl I. Topija hatte noch ein großes Reich in Mittel- 
albanien und Unteralbanien beherrscht, aber schon sein Sohn 
Gjuragj (Georg) wurde vermutlich in den Fall des Baläiden- 
reiches verwickelt und verlor so viel, daß er auf wenige Dörfer 
in Mittelalbanien beschränkt war, obwohl er 1388 — 92 auch Dra2 



Skanderbegs erstes Auftreten. 77 

beseesen haben soll. Seine Schwestern waren die schon früher 
erw&hnte Jelena, Herrin von Emja, und Vojsava, erst Gattin 
des Edehnanns Cursacus (vielleicht richtiger Corsachi?) und 
später des Progon Dukad2in. 

Was Skanderbegs Vater Ivan Kastriota betrifft, so 
besaß er nur die Dörfer Gard i poät (Ejutet Skanderbegut, d. h. 
yy Stadt Skanderbegs y genannt), Zeruja und Sinje Sper und 
Sinje poät. 

Im Jahre 1407 erklärte sich Ivan zum Vasallen Venedigs 
gegen ein Jahresgehalt und 1410 kämpfte er gegen Evrenös 
Paäi. Besiegt mußte er in Stellung von Geiseln willigen, als welche 
er mehrere seiner Söhne gab : nach älteren Quellen vier, nach dem 
Despoten Musaki drei: Staniäa, Kosta und Gjorgje (Gjuragj), 
von denen bis auf des Sultans Liebling Gjorgje (Skanderbeg) 
alle vergiftet worden sein sollen. Da aber Prof. Hopf Staniäa 
noch 1445 urkundlich erwähnt findet (wenn es nicht vielleicht 
ein Vranaj warl), so wäre es nicht unmöglich, daß nicht StaniSa, 
sondern RepoS als Geisel nach Eklimä kam, und dies ist um so 
wahrscheinlicher, als des letzteren Sohn Hamza ab Mo- 
hammedaner erzogen wurde. 

Gjorgje war 1403 geboren (nicht 1410 oder 1414, wie man 
firtiher glaubte), wurde also mit sieben Jahren nach Konstan- 
tinopel gebracht und war beim Tode seines Vaters (1432) bereits 
29 Jahre alt Alle Erzählungen von seiner Unkenntnis mit seiner 
Abstammung erweisen sich somit als Fabeln. Gjorgje wurde in 
der mohammedanischen Religion erzogen, diente im türkischen 
Heere mit Auszeichnung und erhielt den Beinamen Iskender- 
Bej („Fürst Alexander^'), woraus die Albanesen später „Skander- 
beg'' machten. 

Bis zu seinem 40. Lebensjahre stritt Skanderbeg wacker 
gegen die Feinde des Halbmondes, und nichts läßt schließen, daß 
er damals nicht aufrichtig Moslem und dem Sultan ergeben war. 
Daß er die Christen besonders schonte, ist spätere Erfindung. Er 
hätte sich dadurch den Türken nur verdächtig gemacht; diese 
aber hielten große Stücke auf ihn, und er verstand es, sich all- 
gemein in Achtung zu setzen. Ea ist daher unbegreiflich und 
auch bis heute nicht au%eklärt, was eigentlich Skanderbeg be- 



78 Vierter Zeitraum. 

wogen hat, vom Sultan, der ihn mit Wohltaten überhäuft, abzu- 
fallen und wieder Christ zu werden. Daß er durch Verweigerung 
von Kruja verstimmt worden sei, scheint mir nicht stichhaltig, 
weil er überhaupt keinen Anspruch auf diese Stadt hatte. Eher 
halte ich es für wahrscheinlich, daß Skanderbeg durch religiöse 
Bedenken zum Abfall bewogen wurde, denn er zeigte sich von 
seinem Übertritt an als ein ungemein frommer und dem Papst 
ergebener Christ. Dies würde jedoch voraussetzen, daß ihm vor- 
her ein Priester oder Mönch zu Gewissen gesprochen habe, denn 
von selbst kam der im strengsten Islam erzogene Skanderbeg 
schwerlich auf die Idee, das Christentum für eine richtigere Reli- 
gion zu halten. Vielleicht wurde ihm auch vorgestellt, daß es für 
ihn schmählich sei, als Sohn eines serbischen Fürsten Vasall der 
Todfeinde seines eigenen Volkes zu sein, wie ja ein Abtrünniger 
oder Überläufer ebenso verächtlich als ehrlos ist. 

Übrigens, wie dem auch sei, geschichtlich steht fest, daß 
Skanderbeg in seinem 40. Lebensjahre plötzlich ein anderer Mensch 
wurde und nach der Niederlage des türkischen Heeres durch 
Hunyädy (1443) offen vom Sultan abfiel. Er zwang den Rejs- 
Ef^ndi (rejs = Vorsitzender; efendi = Herr) des Sultans, dem er 
auf der Flucht begegnete, zum Ausstellen einer gefälschten Voll- 
macht, durch welche Skanderbeg zum Befehlshaber von Kruja er- 
nannt wurde, und ermordete dann den Schreiber. Mit 300 Serben, 
die ihm treu geblieben waren, begab er sich dann nach Kruja, 
wo er infolge der geiUlschten Vollmacht arglos eingelassen wurde. 
In der Nacht ließ Skanderbeg noch 300 Serben aus Debar ein, 
welche sich ihm unterwegs angeschlossen und vorläufig in den 
nahen Wäldern versteckt hatten, dann fiel er über die türkische 
Besatzung her und metzelte sie im Schlafe nieder. Am folgenden 
Morgen rief er das Volk zur Freiheit auf und erklärte seinen Über- 
tritt zum Christentum Sein Neffe Hamza (Sohn seines Bruders 
Repo§) ließ sich ebenfalls taufen und besetzte Unter-Debar (Dibra 
po§t), während Skanderbeg selbst 2000 Mann nach Ober- Debar 
(Dibra §iper) sandte, um die Festung Svetigrad ^) zu beobachten. 
Dort schloß sich ihm Moses Golem (genannt Dibranus, weil er 



1) Der Name ist serbisch und bedeutet „heilige Feste**. 



Skanderbegs erstes AuftreteD. 79 

einen großen Teil von Debar als türkischer Vasall beherrschte) an. 
Er wurde Skanderbegs rechte Hand und sein Schwager. 

Nachdem dieser 12 000 Mann zusammengezogen hatte, be- 
schloß er; die im Süden von Tirana gelegene Feste Pertrejla 
(Petrella) wegzunehmen. Hamza schloß gleichzeitig die Feste 
Beli-kamen oder Gur-i-bardh (Petralba) mit 3000 Reitern ein, 
und nach kurzen Unterhandlungen übergab der türkische Befehls- 
haber den Platz gegen freien Abzug. Skanderbeg hatte imter- 
dessen Pertrejla zur Ergebung gezwungen und war vor Stellu- 
sio gerückt (das ich unweit des Dorfes Sin Gjergj vermute). 
Die Besatzung überlieferte ihren Befehlshaber Desdrota gebunden 
dem Skanderbegs so daß dieser damit die drei südlichen Zugänge 
zu Matija, welches, nebst Miredita und Kruja, Skanderbegs ganzen 
Besitz bildete, in Händen hatte. Es blieb also nur noch der öst- 
liche Zugang durch Debar zu sichern übrig, und hier befand sich 
das unzugängliche Felsennest Svetigrad (entweder bei dem 
heutigen EodzadSik, südlich der Stadt Debar, oder die Ruine 
Zagrad nördlich von Debar) in den Händen der Türken. Da 
eine Aufforderung vergeblich blieb, ließ Skanderbeg dort Moses 
Oolem mit 3000 Reitern zur Einschließung und kehrte nach Kruja 
zurück. Er besaß bereits 8000 Reiter und 7000 Fußgänger nebst 
200000 Dukaten. Als sich bei Öhrid ein türkisches Heer sam- 
melte und Miene machte, Svetigrad zu entsetzen, eilte Skanderbeg 
mit 100 Reitern herbei und bewirkte lediglich durch das Gerücht 
seiner Ankunft den Rückzug der Türken. 

Im Frühjahr 1444 erschien Skanderbeg mit 6000 Reitern vor 
der belagerten Festung und bemächtigte sich der Ebene Mokri 
in Unter- Debar ^). Unterdessen rüstete Muräd U, ein Heer aus, 
um Skanderbeg zum Gehorsam zurückzuführen. Dieser lud daher 
alle benachbarten Despoten zu einer Besprechung nach Ljeä ein. 
Es fanden sich ein: Arianitis Topija Komninos, Beherrscher 
von Nord-Epirus; Andreas Topija, Despot der mittelalbani- 
schen Küstenländer; Gjorgje Strez und Gojko Bal§i<5 von 



1) Dies würde Yielleicbt für die Identität von Zagrad mit Svetigrad 
sprechen, weil Mokri nordwestlich davon liegt, also in der entgegen- 
gesetzten Richtung von Kodzadiik. (Kodza =» „Greis**, „Qemahl".) 



80 Vierter Zeitraam. 

Misia^); Nikola and Pavle Dakad2in; Ivan Musiki; Lek 
Zaharije, Herr von Danj; Petar SpaD; Herzog von Drivasto ; 
Luka Duäman von Pülati und endlich der montenegrinische 
Herzog Stefan Crnojevid. Die venezianischen Statthtdter von 
Alessio (Ljeä), Scutari (Skadar) und Diirazzo (DraS), wohnten eben- 
falls der Beratung bei. Die Versammlung beschloß den gemein- 
samen Krieg gegen die Pforte und wählte einstimmig Skanderbeg 
zum Oberfeldherrn der Liga. Fürst oder gar König von 
Albanien war also Skanderbeg niemals. Seine Haasmacht be- 
schränkte sich auf Kruja, Miredita und Matija, wozu später noch 
Debar, die Kleine Musakjä, Tomorica, Misia und andere Land- 
striche kamen, die er seinen Verbündeten entriß. 

Inzwischen hatte Moses Svetigrad genommen, eine Besatzung 
daselbst gelassen und war mit 5000 Mann nach Sonja zurQck- 
gekehrt, woselbst Skanderbeg sein Heer sammelte. Es war höchste 
Zeit, denn bereits rückte das erste türkische Heer unter Ali- 
Paää, 40000 Reiter stark, heran. Skanderbeg ging ihm mit 
15000 Mann nach Unter- Debar entgegen und stellte sich halb- 
mondförmig auf, so daß er die Türken von drei Seiten umfaßte. 
Ivan Musaki und Hamza mit 3000 Mann sollten aus dem 
Hinterhalt gegen den Rücken des Feindes losbrechen, der da- 
durch von allen Seiten angefallen wurde. So geschah es auch 
und eine vollständige Niederlage der Osmanli war die Folge; 
22 000 Türken deckten das Schlachtfeld, 2000 Gefangene und 
25 Fahnen bildeten die Beute der Sieger, welche nach einem 
kurzen Einfall in Feindesland triumphierend heimkehrten. 

Bald darauf wurde Skanderbeg von den christlichen Verbün- 
deten eingeladen, sich am Kreuzzuge gegen den Islam zu betei- 
ligen. Er rückte auch mit 20000 Mann gegen Beograd, doch 
verweigerte ihm der serbische König Ojuragj Brankoviö den 
Durchzug. Schon wollte er sich diesen mit Gewalt erzwingen, als 
ihm die Kunde von der Niederlage des christlichen Heeres bei 
Vama ward. Er fUhrte also seine Truppen wieder nach Albanien 
zurück. Hier erhielt er einen Brief des Sultans vom 15. Juni 



1) Dieser Gojko dürfte der Bruder des Strez gewesen sein, dessen 
Name bisher nicht bekannt war. (Siehe S. 74.) 



mi \m 



Skanderbegs weitere Kämpfe. 81 

1440; welcher keine VerBprechungen aparte, Skanderbeg za ge- 
wiDnen. Nachdem dieser am 12. August eine abschlägige Ant- 
wort gegeben hatte, rückte Fir&z-Paää — auch Feriz und Fizür 
genannt — mit 9000 Reitern heran, wurde jedoch von Skander- 
beg mit 3500 Mann in den Mökrena- Pässen unvermutet über- 
fallen und fast gänzlich au%erieben; 300 Türken ergaben sich 
gefangen. 

Mustafa- Paää, welcher mit 1500 Mann nachgefolgt war, 
nahm die Keste der Flüchtlinge auf und hielt sich im Mokrena- 
Paß ^) in „ unangreifbarer '^ Stellung. Dies hinderte Skanderbeg 
nicht, mit 5000 Mann über die unzugänglich scheinenden Berge 
zu steigen und Mustaläs Armee zu überfallen. Bis auf 300 Ge- 
fangene fielen fast alle Türken unter den Streichen der Albanesen, 
deren Verlust sich angeblich auf nur 70 Tote belief. 

10. Skanderbegs weitere Kämpfe. 

Zur selben Zeit (1446) kam Skanderbeg mit den Venezianern 
in Krieg. Nikola DukadSin hatte den Herrn von Danj, Lek 
Zaharije, ermorden lassen, um sich seiner Oüter zu bemäch- 
tigen. Die Witwe des Ermordeten trat jedoch Danj an Venedig 
ab. Dagegen veröffentlichte Skanderbeg einen Vertrag, laut wel- 
chem ihm Zaharije für den Todesfall Danj abgetreten hätte. Mit 
14 000 Mann zog Skanderbeg vor diese Stadt, um sich sein Recht 
zu verschaffen. 

Die Venezianer erhielten durch die Despoten Du§man und 
Span Verstärkung und ihr 3kodraner Statthalter Danilo Jurid 
brach mit 13 000 Mann zum Entsatz auf. Skanderbeg ließ 5000 
Mann vor Danj, rückte mit dem Reste gegen die Venezianer und 
brachte ihnen eine empfindliche Niederlage bei. Dann erbaute er 
die Feste Baleze (welche meiner Meinung nach am heutigen 
Drinazi zwischen Spathari und EosmaSi lag) und übertrug ihren 
Befehl an seinen Neffen Hamza. Dieser wollte Drivast über- 
rumpeln, welches damals tmter einem eigenen Herzog stand. Far- 
lati spricht von einem unter den „Instrumenta miscellanea'^ des 

1) Mokrena ist ein serbisches Wort, von „mokar'' » naß; deshalb 
bedeutet auch die obenerwähnte Landschaft Mokri „die Nassen*^. 
Qop£evl6, Montenegro und Albanien. 6 



8S ¥ierter Zeltraom. 

geheimen vatikanischen Archivs befindlichen Diplom des Kaisers 
Isaak AnjeloSy welches Michail Anjelos und seinem Sohne 
Andreas, ,, Herzögen von Drivast'', den Titel von ,, Grafen von 
Paätroviö^' verleiht und ihnen die Vorrechte, Rechte und Würden 
bestätigt, die Kaiser Leo I. der Familie Anjelos verliehen. Dar- 
über sagt der Kaiser wörtlich : „Wie wir wissen, haben die Anjeli 
Drivast gegründet und dort erbaut, wo es jetzt steht, und auf ihre 
Kosten die Kathedrale sowie die Häuser der Canonici errichtet 
und mit allem Nötigen versorgt 

Nach Du Gange war zur Zeit des letzten Nemanjiden 
(UroS VI.) ein Andreas, „welcher von einer berühmten spanischen 
Familie abstammte'', Herzog von Drivasto. Er starb 1366 und 
hinterließ sein Reich seinem Sohne. Wenn man nun liest, daß 
Barletius (Zeitgenosse Skanderbegs) den Namen des Herzogs von 
Drivast 1443 mit „Petar Hispanus'' angibt, so könnte man 
dies für richtig halten. Nun geht aber aus den Aufzeichnungen 
des Despoten Musaki hervor, daß der Herzog in Wirklichkeit 
Petar Spanes geheißen habe imd wir wissen, daß die Schwester 
des Baläa lU., Jelisaveta, einen Aleksej Span (vielleicht rich- 
tiger Spaniö), Herzog von Drivast, geheiratet hat. Dies würde 
wieder mit des Despoten Musaki Mitteilung stimmen, daß Petar 
Span vier Söhne gehabt habe, welche die rein serbischen Namen 
Aleksej, Bozidar, üro§ und Mirko führten (was beweist,, 
daß die Span Serben waren — oder vielleicht auch nur serbi- 
sierte Griechen) und von denen Aleksej nach Jireöek 1467 Herzog- 
von Drivasto war. Ich glaube jedoch nicht, daß dieser Aleksej. 
mit dem Gatten der Jelisaveta identisch ist, denn das Alter würde 
nicht stimmen. Eher dürfte es sein Großvater gewesen sein. 
Allerdings müßte dann Petar Span ein Sohn der Jelisaveta* 
und des älteren Aleksej gewesen sein, während ab deren 
Söhne Marko und Bla2o genannt werden. Aber von ihren vier 
Töchtern heißt es, daß die älteste, Lucia, einen Petar Anjelos 
geheiratet habe und dies ist der Familienname der Herzöge 
von Drivast nach Farlati. Es wäre also nicht unmöglich, daß es- 
sich hier um einen Irrtum handelt, insofern nämlich dieser Petar 
Anjelos in Wirklichkeit vielleicht ein dritter Sohn des Aleksej 
und der Jelisaveta war, der sich mit einer Lucia verheiratete 



Skanderbegs weitere Kämpfe. 8S 

In diesem Falle würde es nämlich stimmen, daß Petar sowohl 
Anjelos als Span geheißen haben kann; denn Span ist viel- 
leicht nur die abgekürzte Form für Span 6 s, was im Qriechischen 
einen bartlosen Menschen bezeichnet imd vielleicht der Spitzname 
des Oatten der Jelisaveta gewesen sein kann, welcher dann neben 
dem Familiennamen Anjelos auch auf den Sohn Petar überging. 
(Über die Verwirrung im Stammbaum der Span siehe Nachtrag.) 

Wie dem nun sei, Hecquard erzählt, daß im Jahre 1440 
„der Herzog von Drivast, Andrea Angelo, Abkömmh'ng der 
byzantinischen Kaiser^', sich freiwillig unter venezianische Ober- 
hoheit gestellt habe und acht Jahre später, als Paulus Angelos Bischof 
von Draö war, den Angriff Hamzas auf Drivast abgeschlagen hätte, 
indem er einen unerwarteten Ausfall machte, die Belagerer in 
Verwirrung brachte und zersprengte. Hamza hätte sich gerächt, 
indem er die Vorstädte verbrannte und das Land verwüstete. 

Dabei wäre folgendes zu bemerken: Zunächst fand der An- 
griff Hamzas nicht 1448, sondern schon 1446 statt Dann kann 
der Herzog nicht Andreas Anjelos geheißen haben, da er sicher 
Petar Span (Anjelos) war. Weiter ist nicht recht zu glauben, 
daß die Herzöge von Drivast unabhängig waren. Eis wird doch 
so oft erzählt, wie Drivast bald in venezianischem, bald in ser- 
bischem Besitz war. Vermutlich waren also die Herzöge von 
Drivast nur Vasallen von Venedig, bzw. von Serbien und Monte- 
negro. Endlich gibt es zu denken, daß Skanderbeg einen Marino 
Span als Befehlshaber in Baleze ließ, als er seinen Neffen Hamza 
(den er wegen seines Angriffes auf Drivast mit Schmähungen über- 
häuft hatte) vor Danj zurückließ, um diese Feste zu belagern, 
während er selbst mit 200Q Mann den 5000 Serbo-Albanesen zu 
Hilfe eilte, welche eben von Mustafa^) Pa^ bedroht waren, der 
mit 15000 Mann zum Angriff heranrückte. Bei Oroäi, der 
heutigen Hauptstadt von Miredita, kam es zur Schlacht Mustafa 
wurde nebst 12 Bejs gefangen, 15 Fahnen erobert, 10000 Türken 
niedergemacht Die Albanesen^) hatten angeblich 200 Tote (1447). 

1) Mustafa s „der Auserwählte". 

2) Wenn ich in diesem Kapitel von „Albanesen" spreche, so geschiebt 
dies deshalb, weil die Leute aus Albanien stammten, das aber damals 
serbische Bevölkerung hatte (mit sehr geringem dkjipetarischem Einschlag), 

6* 



84 Vierter Zeitraum. 

Nach der Schlacht erfahr jedoch Skanderbeg, daß Marino Span 
vor einem anrückenden venezianischen Heere Baleze kampflos 
geräumt habe, das hierauf zerstört worden sei. Entrüstet darüber 
wandte sich Skanderbeg gegen Draö, das er 1448 vergeblich an- 
griJEF. Nachdem er Ljeä genommen hatte ^ gaben die Venezianer 
nach und schlugen einen Frieden vor, nach welchem Skanderbeg 
auf Ljeä und Danj verzichten, dagegen Landstriche am Drin er- 
halten sollte. 

Von diesen Feinden befreit, konnte jetzt Skanderbeg seine 
ganze Kraft gegen die Türken wenden. Sultan Murid IL 
machte ungeheure Rüstungen, weil er in eigener Person den 
Feldzug führen wollte. Mit angeblich 90000 Mann zu Fuß und 
60000 Reitern brach er im Frühjahr 1449 auf und wandte sich 
gegen Svetigrad, das er am 14. Mai angriff. 

In dieser Feste befehligte Perlat etwa 1000 Mann. Die 
Türken hatten zwei schwere und mehrere leichte Geschütze, die 
Albanesen gar keine. Nach dreitägiger Beschießung war eine 
Bresche geschossen, welche gestürmt wurde, aber vergeblich. 3000 
Türken erneuerten den Sturm, wurden jedoch mit brennendem 
Pech und heißem Öl abgewehrt. Eben sollte ein dritter Sturm 
unternommen werden, als Skanderbeg mit 5000 Mann erschien 
und ihn durch einen Scheinangriff verhinderte. Am 22. Juni folgte 
ein neuer Überfall Skanderbegs, welcher 2000 Türken und nur 
40 Albanesen das Leben kostete und 600 verwundete Türken in 
Gefangenschaft brachte. Wutentflammt ordnete Muräd 11. drei 
Stürme hintereinander an, welche jedoch sämtlich scheiterten. 

Um sich Skanderbeg vom Leibe zu halten, ließ der Sultan 
Firüz-Pasä mit 18000 Mann die Belagerung decken. Dies 
hinderte Skanderbeg nicht, fortwährend kleine Überfiele zu unter- 
nehmen, welche meistens durch Ausfälle aus der Festung unter- 
stützt wurden. 

Jetzt befahl der Sultan einen Hauptsturm. Perlat verteidigte 
sich mit Löwenmut, während Skanderbeg mit 9000 Mann Fir&z- 
Pasä angriff. Dieser entsandte 4000 Reiter zur Umgehung, doch 



weshalb auch die Waffeogenossen Skanderbegs hauptsächlich Serben waren 
and (wie er selbst) serbisch sprachen. 



Die Kämpfe bis 1455. 86 

Skanderbeg umging diese selbst mit 2000 Mann und schlug sie, * 
während zugleich Musaki mit 1500 Mann aus einem Hinterhalt 
gegen Fitfiz losbrach. Der Paää selbst fiel bald darauf unter 
Skanderbegs Streichen und das Oanze endete mit einer Niederlage 
der Türken y welche 4000 Mann einbüßten. Unterdessen hatte 
auch ein zweiter Hauptsturm Muräds keinen Erfolg gehabt, son- 
dern 7000 Mann gekostet. 

Der Sultan hatte bisher 30000 Mann vor einem winzigen 
Felsenneste verloren und dachte an den Rückzug. Vorher ver- 
suchte er jedoch Philipps goldbeladenen Esel, dem keine Festungs- 
mauer zu hoch ist; die Besatzung blieb zwar unbestechlich, da- 
gegen fand sich ein Einwohner, welcher sich herbeiließ, einen 
toten Hund in die Zisterne zu werfen. Die sich ekelnden Dibraner 
hätten um keinen Preis von diesem Wasser getrunken, und so 
blieb dem wackern Perlat nichts übrig, als auf freien Abzug ein- 
zugehen ^). Froh, diesen kleinen Elrfolg errungen zu haben, rückte 
der Sultan am 31. Juli mit dem Best des Heeres ab. Mit 10000 
Mann folgte ihm Skanderbeg und belästigte die Türken derart, 
daß der Pa§ä von Rumili mit 30000 Mann zurückbleiben mußte, 
um den Rückzug zu decken. 

Skanderbeg beschäftigte sich jetzt mit der Organisation seines 
Oebietes. Die Albanesen wollten, er solle sich verheiraten, doch 
vertröstete er sie damit auf die Wiedereroberung Svetigrads. 
Er erschien auch am 20. September (1449) mit 18000 Mann vor 
der Feste; allein nach mehreren vergeblichen Stürmen, die ihm 
500 Mann kosteten, sah er sich genötigt, wegen Mangels an Ar- 
tillerie am 23. Oktober die Belagerung aufzuheben. 

n. Die Kampfe bis 1455. 

Aus dem Umstände, daß auf der großen Versammlung in 
Ljeä 1444 auch Stefan ürnojeviö vertreten war, läßt sich 
schließen, daß die Montenegriner unter ihm oder seinem Sohne 

1) Da£ eine aneinnehmbare Feste durch Ekel genommen wird, ist 
nicht neu. Schon vorher war Karlstein in Böhmen dadurch zur Übergahe 
gezwungen worden, da£ die Belagerer mit Katapulten Fässer voll Unrat 
hineinschossen , deren fürchterlicher Gestank die Belagerten in jeder Be- 
ziehung zum Übergeben hrachte. 



86 Vierter Zeitraum. 

Ivan an allen geschilderten Kämpfen Skanderbegs teilgenommen 
haben. Wenigstens könnte man dies aus den Angaben folgern, 
daß die beiden Crnojevid durch 24 Jahre an 63 Gtefecshten be- 
teiligt waren. Daß sie nicht ausdrücklich erwähnt werden, hat 
nichts zu sagen; denn auch die andern Despoten Albaniens wer- 
den nicht eigens erwähnt (Musaki ausgenommen). Aber außer 
den Kämpfen mit den Türken scheinen auch solche mit den 
Venezianern und vielleicht anderen kleinen Despoten stattgefunden 
zu haben. Reinsberg-Düringsfeld erzählt, daß Ivan Crnojevid 
selbständig in den Jahren 1440 — 1450 gegen die Türken gekämpft 
und den Selim Bostandzi Paäi mehrmak geschlagen, auch 
1450 das ganze türkische Heer bei Öemovopolje aufgerieben habe. 
Dies letztere steht aber im Widerspruch mit den Angaben von 
Andriö und Medakovid. Letzterer schreibt: „1450 lockte der 
Vezir Selim, später Balaban Bostandzi Paää ^) genannt, auf 
treulose Art den Ivan Crnojevid auf das Öemovsko polje, wo er 
ihn mit überlegenen Kräften angrifif und zwang, unter großen Ver- 
lusten sich zurückzuziehen. Dort verlor Ivan zwei leibliche 
Brüder: Gjuragj fiel und der jüngere Petar wurde gefangen 
und mußte Moslem werden.'^ 

Andrid erzählt: „Der Sultan sandte 1450 seinen Vezir Selim, 
genannt Bostandzi Pa§ä, mit einem furchtbaren Heere gegen 
Montenegro. Ivan I. und sein Bruder Ojuragj III. erwarteten ihn 
in den Gebirgen von Hoti, ließen sich aber in die Ebene Ojemo- 
vopolje locken, wo sie geschlagen wurden. Ojuragj III. blieb 
vor dem Feind. Ivan I. aber zog sich nach Ober-2ieta zurück 
und verlangte von Italien Hilfe.^' 

Lenormant hingegen weiß wieder von einem Siege zu be- 
richten, da er schreibt: „Ivan unterstützte auch seinen Großvater 
(soll heißen Schwager. S. G.) Kastriota; 1450 während der ersten 
Belagerung von Kruja brachte er dem Sultan Murad II. in Person 
eine furchtbare Niederlage in den Engpässen von Kejnovska bei.^' 

Um die Verwirrung zu steigern, die dieser Widerspruch er- 
regt, will ich noch bemerken, daß Milakovid zu berichten weiß, 



1) Balabän » groB, dick; boBtandii := Gärtner; Pasa von „bai' 
= Haupt 



Die Kämpfe bis 1455. 87 

Stefan Cmojeviö sei mit dem Herzog Stefan von San Sawa in 
Krieg geraten, habe von diesem eine Niederlage erlitten und dabei 
seinen Sohn verloren, der in Gefangenschaft gefallen sei, weshalb 
Stefan; um ihn freizukriegen, gezwungen war, am 17. Juli 1451 
mit den Venezianern einen ungünstigen Vertrag zu schließen, dessen 
Bedingungen vom Dogen Francesco Föscari diktiert wurden und 
also lauteten: 

,,Wir bestätigen, daß der ,magnifico' Vojvoda Stefan Crnojevid 
unser Kapitän der Ober-Zeta ... ist und sich so nennen dürfe, und 
wir bestätigen ihm sein Nachfolgerecht, welches er früher 
besaß und jetzt noch besitzt, aber unter der Bedingung, 
daß er weder die Gebiete von Cattaro (das sich 1410 freiwillig 
unter gewissen Bedingungen an Venedig angeschlossen hatte. S. G.) 
noch anderer Grenzstädte antaste, noch jene unserer Untertanen. 
Wir bestätigen ihm die gewohnten Rechte seiner Steuern und 
jene der Salinen, aus denen er, wie gewöhnlich, die Erlaubnis 
hat, das Salz zu gewinnen; wir verpflichten uns, den genannten 
Vojvoda und seine Brüder in jedem Friedensvertrag mit dem er- 
habenen Despoten von Rassia (Serbien) oder mit anderen Herren 
von Bosnien und Albanien zu erwähnen. Anderseits verspricht 
der genannte Vojvoda uns mit seinen Leuten zu Hilfe zu kommen, 
80 oft wir dies benötigen oder von ihm WafFenhilfe verlangen; 
wir werden allen unseren Statthaltern von Cattaro und unserem 
Albanien schreiben und befehlen, daß sie in allen beliebigen Krie- 
gen, welche der genannte Vojvoda haben sollte, seinen Feinden 
weder Hilfe noch Unterkunft geben, sondern im Gegenteil ihm 
selbst beistehen sollen. Wir werden uns ebenso alle mögliche 
Mühe geben, den vom erhabenen Herrn Herzog von San 
Sawa gefangenen Sohn des gedachten Vojvoda zu 
befreien, als handelte es sich dabei um einen unserer Nobili und 
Bürger. Wir gestehen seinen Brüdern Jurasino und 
Coicino und zwei anderen seiner Edlen zu, daß sie jährlich 
weiterhin das Gehalt bekommen, welches sie bisher von uns be- 
zogen, und daß der genannte Vojvoda selbst von unserer Kasse 
in Cattaro alljährlich 600 Dukaten Gehalt bekomme. Anderseits 
ist es nötig, daß der genannte Vojvoda sich so bemühe, als gelte 
es seiner eigenen Sache, daß Grbalj und andere Orte der Um- 



88 Vierter Zeitraam. 

gebnng von Cattaro sich uns wieder unterwerfen, so wie er dies 
zu tan versprochen hat; und erst wenn dies geschehen, sollen er, 
seine Brüder und seine zwei Edlen die erwähnten Oehälter be- 
ziehen; es ist nötigi daß der Vojvoda sich auch nach geschehener 
Unterwerfung von Orbalj und den anderen Orten unter unsere 
Herrschaft sich bemühe, als handle es sich um seine eigene Sache, 
daß diese Orte auch fernerhin unter unserer Herrschaft verbleiben; 
und wenn einer dieser Orte es versuchen wollte, sich unserer 
Herrschaft zu entziehen, so hätte er sie mit gewaffneter Macht wieder 
uns zu unterwerfen, weil er und die Seinen nur dann die Gehälter 
bekommen würden , solange die Orte uns unterworfen bleiben. 
Es ist außerdem nötig, daß der genannte Vojvoda anerkenne und 
bestätige, was hier angegeben ist, und daß er schwört und ver- 
spricht den Vertrag auszuführen, indem er ihn unterfertigt und 
sein Siegel beidrückf 

Dieser Vertrag, dessen Urschrift sich im venezianischen 
Archiv, dessen Abschrift sich im Archiv von Cetinje befindet, ist in 
mehr als nur einer Beziehung lehrreich. Zunächst geht aus ihm 
hervor, daß Stefan die Oberherrlichkeit Venedigs anerkennen 
mußte, das ihn als seinen „Kapitän'' betrachtete; dann daß Stefan 
tatsächlich schon früher ein Nachfolgerecht besessen habe, 
also wirklich naher Verwandter der Baläiden gewesen sein 
muß. Das bestätigt also das, was ich auf Seite 72 vermutet 
habe. Weiter ersehen wir aus dem Vertrag, daß vermutlich bei 
früheren Oelegenheiten zwar Zeta den Venezianern gegen ihre 
Feinde half, aber in ihren Friedensschlüssen unberücksichtigt ge- 
lassen wurde, so daß Zeta dann der Rache der Feinde ausgesetzt 
war. Denn anders wäre die Zusage, nicht ohne Erwähnung 
Stefans Frieden zu schließen, nicht verständlich. Femer wird die 
Oefangenschaft des Sohnes Stefans, also seine Niederlage durch 
den Herzog von San Savva, bestätigt Das gibt wieder Bedenken 
bezüglich der Behauptung, Stefans Sohn Petar sei in türkische 
Oefangenschaft geraten und Mohammedaner geworden ^). Be- 



1) Ich halte es übrigens für wahrscheinlicher, dafi Ivan der Gefangene 
war, weil er sich dann mit Maria, Tochter des Herzogs Stefan, Terheiratete, 
die er auf diese Art kennen nnd lieben gelernt haben konnte. 



Die Kämpfe bis 1455. 89 

sonders wichtig ist der Umstand, daß im Vertrag die beiden 
Brüder des Stefan erwähnt und (allerdings verstümmelt) Jura- 
sino (wohl Ojuragj) und Coicino (Oojko) genannt werden. In 
anderen Quellen fand ich wohl Brüder Stefans erwähnt, doch als 
Bozidar und Radio. Wenn wir Gjuragj und Gojko als 
richtige Namen der verhunzten venezianischen annehmen, so würde 
dies insofern interessant sein, als diese Namen an zwei Baläiden 
erinnern und dann die auf S. 72 von mir in den Bereich der 
Möglichkeit gezogene Verwandtschaft der Cmojeviö mit den Bal§idi 
eine weitere Stütze erhalten würde. Endlich ersehen wir aus dem 
Vertrag, daß damals die Monarchen stets bereit waren, für lumpige 
Summen ihre Untertanen zu verkaufen oder ihre Stammesgenossen 
fremdem Joch zu überantworten. Es ist geradezu empörend, wenn 
man liest, daß Stefan sich verpflichtete, mit Waffengewalt seine 
Stammesbrüder in Orbalj den italienischen Venezianern 
zu unterwerfen und in Unterwürfigkeit zu erhalten, weil ihm dafUr 
jährlich 600 Dukaten gezahlt wurden! 

Aber noch etwas geht aus der Urkunde hervor: bei Lenor- 
mant und Andri<5 ist in der Stammtafel der Cmojevid als Todes- 
jahr des Stefan Cmojevid 1449 angegeben, während der Vertrag 
aus dem Jahre 1451 stammt. Es dürfte also vielleicht da ein 
Irrtum von 10 Jahren eingeschlichen sein. Nach anderen wäre 
Stefan erst 1471 gestorben, was aber auch unwahrscheinlich ist, 
weil er dann schon etwa 100 Jahre alt gewesen sein müßte. Daß 
Stefan noch 1456 am Leben war, beweist ein anderer Vertrag mit 
Venedig vom 6. September 1456, der mit dem venezianischen 
Provveditore Oiovanni Bollani auf der Insel Vranjina im Skadarer 
See und zwar im Kloster S. Nikola abgeschlossen wurde. In 
diesem verpflichteten sich 50 Oemeinden von Montenegro (Zenta 
superiore) bis nach Lje§ und Zadrima hinab, den Venezianern als 
Hilfstruppen gegen denselben Sold zu dienen, den sie zu der 
BalSiden Zeit genossen hatten. Unter diesen 50 Gemeinden finden 
wir nicht nur solche erwähnt, die im heutigen Montenegro liegen, 
sondern auch in Oberalbanien wie Gruda, Hoti, NikSi (Klementi), 
BuSat (bei Skadar), ferner solche in den Bocche di Cattaro, wie 
PaStrovidi, Braiöi, Maine, Pobori und Grbalj. Es scheint sonach, 
daß letzterer Ort auch nach dem vorigen Vertrag noch in roon- 



90 Vierter Zeitraum. 

tenegrinischen Händen blieb , was auch durch das Testament 
Ojuragjs IV. bestätigt wird. Stefan wird im Vertrag ;,Qroß- 
herzog^' genannt. 

Aus dem erwähnten Vertrage geht auch hervor, daß Monte- 
negro im venezianischen Gebiete Ländereien besaß und über die 
Bewohner derselben Oerichtsbarkeit ausübte, ebenso wie der Mi- 
tropolit von Cetinje das Haupt der orthodoxen Kirche in den 
Bocche war, während römischer Klerus in Montenegro nichts zu 
sagen hatte. Es heißt nämlich u. a. wörtlich: 

„In unseren Kirchen können weder lateinische Pfarrer noch 
Bischöfe oder Erzbischöfe Gerichtsbarkeit ausüben, sondern nur 
Geistliche unserer Religion. Ebensowenig wollen wir, daß sie in 
der Ejrajina (das Gebiet zwischen dem Scutari-See und der Adria; 
S. G.) dem Erzbischof unterworfen seien, sondern dem Metropoliten 
der serbischen Kirche, weil der Mitropolit der Kraijina sich Mi- 
tropolit der Zenta nennt, denn ihm kommt es zu, unsere Welt- 
priester zu weihen, und ihn können wir nicht entbehren. Ebenso- 
wenig kann ein Untertan eines Proniars (d. h. ein ansässiger Land- 
arbeiter eines Gutsherrn; S. G.) mit seinem Herrn vor einem 
andern Proniar Prozeß führen, sondern wenn immer jemand gegen 
den Vasallen eines Proniars Prozeß fuhren wollte, so sei es ihm 
gestattet, vor dem Proniar oder dem Vojvoda Arakson zu er- 
scheinen.'' 

Zweifelhaft erscheint, welche Rolle die kleinen Herren in 
Albanien während der Kämpfe in den Jahren 1443 — 1467 spielten. 
Denn die auf S. 74 erwähnte Ermordung des Herrn von Danj 
durch einen Dukadzin, der Anteil, den dann die Despoten Du^man 
und Span als Helfer Venedigs gegen Skanderbeg nahmen, der 
Krieg gegen Drivast u. a. Vorkommnisse sprechen dafür, daß allen 
jenen kleinen Dynasten ebensosehr Nationalgefühl fehlte wie po- 
litischer Verstand. Nicht einer von ihnen scheint eine Ahnung 
gehabt zu haben, daß die Türken der gemeinsame Feind waren, 
dem alle zum Opfer fallen mußten, wenn sie nicht zusammen 
mit Venedig gegen ihn Stellung nahmen, und so zerfleischten 
sie sich gegenseitig zur Freude des türkischen Gesindels. Und 
die Venezianer waren ebenso unklug, indem sie, nur um ein paar 
Städte mehr zu gewinnen, die ihnen zur Bekämpfung der droben- 



Die Kämpfe bis 1455. 91 

den türkischen Qefahr unentbehrlichen Christen der Balkanhalbinsel 
bekriegten! Von jeher maßten die armen Völker für die unbe- 
greiflichen Dummheiten ihrer Regenten zahlen, und deshalb hatte 
Oxenstjerna recht, als er seinem Sohne, der 'vor der Diplomatie 
Ehrfurcht hegte, geringschätzig sagte: „Du weißt nicht, mit wie 
wenig Weisheit die Welt regiert wird!" 

Auch Skanderbeg machte keine Ausnahme, denn, wie wir 
sehen werden, entfremdete er sich in seiner Bedrängnis seine 
treuesten Bundesgenossen und war selbst so niederträchtig, sie 
zum Lohn für ihre Dienste und Hilfe ihres Besitzes zu berauben! 

Was die Montenegriner betrifft, so scheinen sie mit den da- 
mals serbischen Mirediten und Maljisoren den Kern der Heere 
Skanderbegs gebildet zu haben, denn von den Zeitgenossen werden 
seine Hilfstruppen ausdrückUch als slawische bezeichnet. Tat- 
sächlich war der Riesenkampf, der sich durch 24 Jahre in Albanien 
abspielte, ein Kampf der damaUgen serbischen Bevölkerung von 
Albanien und Montenegro gegen die Türken. Skjipetaren und 
zwar Gegen mögen dabei ebenfalls beteiligt gewesen sein, aber 
jedenfalls in Minderzahl, denn Oberalbanien war damals über- 
wiegend serbisch und Unteralbanien beteiligte sich über- 
haupt nicht an dem Kampfe. Die echten §kjipetaren, näm- 
lich die Tosken, sitzen aber in Unteralbanien, dem Ipiros 
und Griechenland. Tosken gab es aber in Skanderbegs 
Heeren nicht! 

Muräd hatte geschworen, im Jahre 1450 mit einem noch 
furchtbareren Heere zurückzukommen; Skanderbeg tat daher sein 
möglichstes^ die festen Plätze verteidigungsfähig zu machen. Am 
5. April 1450 erschien Sevali Pa§ä mit dem Vortrabe des 
türkischen Heeres vor Kruja, wo sich nur 2000 Mann unter 
dem berühmten Vrana-Konte^) befanden. Skanderbeg mit 



1) Vrana ist ebenfalls serbisch und bedeutet „Krähe**; doch ist der 
Name wahrscheinlich eine Verstümmliing aus Branilo, weil nach Hopf 
(siehe Stammbaum der Kastriota) Vrana Konte (auch Branaj genannt) mit 
Branilo, NefiBa des Skanderbeg (yon dessem Bruder StaniSa), identisch ist. 
Deshalb ist es auch ein unbegreiflicher Irrtum von Hopf, dafi er den- 
selben Branilo -Vrana Konte auch mit — Hamza identifiziert, der doch 
ein ganz anderes Lebensende als der spätere Herzog yon Ferrandina hatte !. 



92 Vierter Zeitraum. 

7000 Albanesen und 2000 Montenegrinern, die unter dem Prinzen 
Ivan Crnojeviö herangerückt waren, hielt sich in den Schluch- 
ten des TumeniSt, östlich von Ejruja, versteckt Ende April traf 
der Sultan mit dem Rest des Heeres ein, welches jetzt angeblich 
160000 Mann stark war, und ließ 10 Riesengeschütze im Lager 
gießen. 

Nach viertägiger Beschießung sollte die Bresche gestürmt 
werden. Schon standen die Janiöaren auf derselben, als plötzlich 
Skanderbeg mit 5000 Reitern heransauste und durch diese Ab- 
lenkung die Türken in Verwirrung brachte. Als der vom Sultan 
abgeordnete Sermöt-Paää mit 4000 Reitern zu Hilfe eilte, war 
Skanderbeg schon verschwunden. 

Die Stürme folgten jetzt ununterbrochen. Durch Feuer- 
zeichen benachrichtigt, verfehlte Skanderbeg niemals, die Türken 
von einer Seite anzufallen, von der sie es am wenigsten erwarteten. 
Auf diese Weise gelang es ihm, alle Anstrengungen der Türken 
zu vereiteln. Die Venezianer waren dumm und erbärmlich genug, 
während der ganzen Belagerung das türkische Heer mit Mund- 
vorrat zu versorgen. 

Vergeblich suchte der Sultan in der Festung einen Verräter 
zu bestechen — es fand sich keiner. Ebensowenig Erfolg hatten 
die Anträge an Skanderbeg, gegen jährlichen Tribut von nur 
5000 Piastern die türkische Oberhoheit anzuerkennen. Skanderbeg, 
welcher tdls in den Oebirgen östlich, teils in der Ismi-Ebene west- 
lich von Eruja lauerte, unternahm statt aller Antwort noch einen 
heftigeren Überfall, der endlich den kranken Sultan bestimmte, 
die Belagerung im Oktober aufzuheben, nachdem er über 24000 
Mann in fruchtlosen Stürmen dahingeopfert hatte. Aus Arger 
hierüber starb er am 5. Februar 1451 in Adrianopel. 

Skanderberg, welcher die abziehenden Türken nach Kräften 
belästigt hatte, kehrte triumphierend zurück und erhob Vrana- 
Konte zum Herzog von Matija. 

Hatten Skanderbegs Heldentaten schon früher die Augen 
Europas auf ihn gelenkt, so wurde er jetzt gar als Vorkämpfer 
der Christenheit gepriesen, und die vornehmsten Regierungen be- 
eilten sich, ihm Gesandte zu schicken und ihn mit QteLd und 
Kriegsbedarf zu versorgen. Auf Andrängen der Oroßen des Landes 



Die Kämpfe bis 1455. M 

verheiratete sich Skanderbeg im Mai 1451 mit Andronika, der 
Tochter des Arianitis Gt>lem| und bereiste dann das Land. Überall 
mit HuldiguDgen empfangen, benutzte Skanderbeg seine Macht, 
um sich auf Kosten seiner Verbündeten zu vergrößern , indem er 
mehrere kleine Despoten ihrer Besitzungen beraubtOi was auf seinen 
Ruhm einen häßlichen Fleck wirft 

Um den Zugang von Struga gegen Debar zu beherrschen, 
ließ Skanderbeg südlich Trebiäte die Bergfeste Modrica ^) bauen, 
deren Ruinen noch heute bei dem gleichnamigen Dorfe vorhanden 
sind. Als ihm um diese Zeit vom neuen Sultan Muhiramed II. eine 
Aufforderung zum Tributzahlen zukam, beantwortete er diese durch 
einen verheerenden Einfall in das türkische Gebiet. 

Diese Frechheit zu züchtigen, sandte der Sultan den Hamza 
Paää mit einem beträchtlichen Heere gegen Skanderbeg, welcher 
mit 5000 Mann bei Modrica stand. Sein Neffe Hamza umging 
den Feind, brachte diesem eine schmähliche Niederlage bei und 
nahm seinen türkischen Namensvetter selbst gefangen ; 7000 Türken 
waren gefisdlen, während die Albanesen nur 34 Mann verloren 
haben wollen. 

Im nächsten Frühjahr (1452) erbat sich Debreas-Paäi die 
Ehre, Skanderbeg zu unterwerfen. Mit 15000 Mann rückte er 
heran und lagerte sich auf einer Ebene zwischen Skoplje und 
Ohrid hinter dem Berge Polog ^). Da er noch weit von Skanderbeg 
entfernt war und in der Ebene vor Überfall sicher zu sein glaubte, 
vernachlässigte er alle Sicherheitsmaßregeln und wurde daher un- 
vermutet von Skanderbeg mit 6000 Reitern nächtlicherweile über- 
fallen. Sein Heer war bald durch Musakis und Moses' Angriffe zer- 
sprengt, er selbst fiel von Skanderbegs Hand und 4000 der Seinigen 
mit ihm. Der Verlust der Albanesen war lächerlich gering. 

Skanderbeg benutzte das Steigen seines Kriegsruhms, um 
seinen treuen Leutnant Moses der beiden Debar zu berauben, 
welche diesem gehörten. Gekränkt über solchen empörenden Un- 



1) Modrica ist ebenfiEdls ein Berbiaches Wort und bedeutet „Korn- 
blume", sowie „TrebiSte** einen gerodeten Platz. 

2) Dieses serbische Wort bedeutet sowohl niedergelegtes Getreide als 
den Hennen untergelegtes Lockei. Doch nennen die Serben auch die ganze 
Landschaft Pelagonia „ Polog '^ 



94 Vierter Zeitraam. 

dank, ging Moses zu den Türken über, welche ihn mit offenen 
Armen aufnahmen und ihm nicht nur sein Eigentum zurückzu- 
stellen, sondern auch die Krone Albaniens versprachen. Am 
15. Februar 1453 brach Moses mit 15000 Mann von Edimä 
(Adrianopel) gegen Skanderbeg auf. 

Muhammed II. war seiner Sache doch nicht ganz sicheri 
denn vor Eröffnung der Belagerung von Eonstantinopei machte er 
Skanderbeg nochmals den Vorschlag; gegen kleine Tributzahlung 
seine Oberhoheit anzuerkennen. Skanderbeg schlug stolz aus und 
rückte mit 10000 Mann gegen seinen firüheren Leutnant 

Dieser war mittlerweile bis Oroäi vorgedrungen, wo es zur 
Schlacht kam. Moses hatte anfangs Skanderbeg zum Zweikampfe 
herausgefordert; als aber dieser heransprengte, war ihm der Mut 
entsunken und er zurückgekehrt. Dies machte auf die Türken 
einen üblen Eindruck und der Kampf endete mit einer Niederlage. 
Von seinem ganzen Heere brachte Moses nur 4000 Mann nach 
Adrianopel zurück, während sich Skanderbegs Verlust angeblich 
auf nur 180 Mann belief. Wie schon öfters hatte auch in dieser 
Schlacht Skanderbeg einen riesigen Türken mit einem Hiebe ent- 
zweigespalten. Überhaupt soll er im Laufe seiner Kämpfe über 
2000 Türken eigenhändig getötet haben. 

Mehr noch als dieser Sieg freute jedoch Skanderbeg die Rück- 
kehr Moses', welcher über seinen Abfall Reue empfunden hatte. 
Dennoch scheint sich Skanderbeg gewisser Übergriffe nicht ent- 
halten zu haben, denn bald darauf fiel sein eigener Neffe Haraza 
ab und ging zu den Türken über. Der Sultan nahm ihn freund- 
lich auf, versprach ihm das Pa§alik Albanien und gab ihm 5000 
Reiter, mit denen er im Frühjahr 1454, vereint mit 45000 Mann 
Isa Pa^s von Rumili, Albanien erobern sollte ^). 

In der Tat rückten Hamza und Isa mit ihren 50 000 Mann in 
Unter-Debar ein, wo sich ihnen Skanderbeg mit 11000 Mann 



1) Man übersehe nicht, dafi ein Jahr zuror Muhammed II. dem byzan- 
tinischen Reiche den Garaas gemacht hatte, was unbegreiflicherweise 
Hunyädi und andere Helden mit Freude erfüllte, weil sie an eine Weis- 
sagung glaubten, erst dann werde man die Türken bezwingen können!!! 
Und der serbische Despot Brankoviö war so töricht, den Türken Hilfs- 
truppen zu senden! 



Die Kämpfe bis 1455. . 95 

entgegenstellte. Aber fern lag es diesem ^ eine so beträchtliche 
Übermacht offen zu bekämpfen. Elr zog sich auf Orosi zurück^ 
um die Türken in das Qebirge zu locken. Isa und Hamza folgten 
auch nach. Skanderbeg ließ sein Gepäck nach Ljeä abgehen, zog 
sich aber in südlicher Richtung gegen den Berg Tumeniät 
zurück. Dann brach er plötzlich hervor, überfiel die Türken und 
vernichtete, trotz Hamzas verzweifeltem Widerstand, deren Heer: 
20000 Osmanlis deckten das Schlachtfeld, 10000 wurden auf der 
Flucht getötet, Hamza und ein SandSakbej nebst 1500 Mann ge- 
fangen, ersterer als Gefangener nach Neapel geschickt. 

Diese Siege brachten Skanderbeg überdies noch Unterstützungen 
durch abendländische Fürsten ein. Besonders Alfonso V. von 
Neapel und Aragonien versorgte ihn mit Geld, Schießbedarf, Ge- 
treide, Kanonen, Stückmeistem, 500 Büchsen- und 500 Armbrust- 
schützen. So verstärkt, dachte Skanderbeg sich der Festung Beli- 
grad^) zu bemächtigen. Mit 15000 Mann (die 1000 Italiener 
eingeschlossen) und dem erhaltenen Geschütz rückte Skanderbeg 
im Frühjahr 1455 ^) gegen die Stadt, welche nur 1000 Mann Be- 
satzung enthielt. Nach viertägiger Beschießung hielt man die 
Bresche für gangbar. Schon rückten die Sturmabteilungen vor, 
als zwei Unterhändler erschienen. Da jedoch Skanderbeg nur 
freien Abzug bewilligen wollte, erklärten sie sich damit nicht 
einverstanden. Sie verlangten einen Waffenstillstand von einem 
Monat, nach welcher Zeit sie sich ergeben würden, falls bis dahin 
kein Entsatz gekommen. Skanderbeg wollte nichts wissen und 
gleich stürmen, doch ließ er sich durch den Kriegsrat bestimmen, 
einen sechzehntägigen Waffenstillstand zu bewilligen. 

Inzwischen befand sich aber Sevali-Paää mit 40000 Reitern 
im Anmarsch, ohne daß es die Albanesen wußten. Skanderbeg 
hielt mit 4000 Mann die Stadt eingeschlossen, während Musaki 
imd Tanusio Topija mit dem Reste das Belagerungskorps 
decken sollten. Um einen etwa herannahenden Entsatz zu melden, 
waren 25 Albanesen auf einem hohen Berge aufgestellt und sollten 

1) Beligrad (Beograd) ist serbisch für „Weifte Feste '*; zum Unter- 
schied von Beograd in Serbien wurde es auch Arnautski Beligrad ge- 
nannt. Heute heifit es Berat. 

2) Bisher glaubte man, der Feldzng habe schon 1452 stattgefunden. 



116 ^ Vierter Zeitrattm. 

ein Feuerzeichen geben. Dieses erfolgte nicht, und ehe Musaki 
es sich versah, war er von allen Seiten eingeschlossen. Die Aiba- 
nesen wehrten sich tapfer und wurden von dem herbeigeeilten 
Skanderbeg herausgehauen; doch kam er schon zu spät, um den 
Sieg an seine Fahnen zu fesseln. Er mußte froh sein, mit Zurück- 
lassuDg seiner Artillerie und 5000 Toter den Rückzug bewerk- 
stelligen zu können. Fast alle Neapolitaner waren umgekommen, 
die Türken bezahlten jedoch ihren Triumph mit der Hälfte ihrer 
Streitmacht. 

Skanderbeg benutzte den Tod Musakis, der in der Schlacht 
gefallen war, um sich der Hälfte seiner Besitzungen zu bemäch- 
tigen (!). 

12. Skanderbegs letzte Kampfe. (1456—1467.) 

Über das Jahr 1456 erfahren wir aus den älteren Lebens- 
beschreibungen Skanderbegs nur, daß er dem Sultan, welcher 
Frieden verlangte, solchen unter der Bedingung der Rückgabe 
von Beligrad und Svetigrad gewähren wollte; daß der Sultan 
deshalb im Spätherbst die PaSis Sinän und Umär^) mit je 
14000 Mann ausgesandt, um in Mokri und Ohrid beobachtende 
Stellung einzunehmen. Skanderbeg hätte sie vergeblich zum Kampfe 
herausgefordert. Dagegen heißt es im Verzeichnis der von Pro- 
fessor Hopf entdeckten Urkunden des Mailänder Archivs: 

„1456. Skanderbeg erficht einen wichtigen Sieg.^' 

„1457. Die Türken haben fast die ganze Ebene Albaniens 
im Besitz. Skanderbeg hält sich in den Bergen ; der Papst sendet 
ihm Geld." 

Es scheint somit, als sei es doch zur Schlacht gekommen 
imd wieder ein Paää zum Opfer gefallen. Die Urkunde von 
1457 dürfte sich dann auf die obige Tatsache der Besetzung von 
Debar durch Umur- und SiDän-Paää beziehen, mit denen Skanderbeg 
einen Waffenstillstand abschloß. 

Am 27. Juni 1458 starb Skanderbegs Beschützer, König 
Alfonso von Neapel, und Ferdinande („Ferrante") wurde sein 
Nachfolger. Skanderbeg beraubte auch die Brüder Baläa von 

1) Sinäu ^ „Lanze"; umur » „Geschäftes 



SkanderbegB letzte Kämpfe. 97 

Misia (siehe Seiten 74 u. 79) ihres Landes und sandte sie geüangen 
nach Neapel; daiilr die Rückgabe Hamzas verlangend| den er 
nach dessen Oefangennahme Alfonso als Sklaven geschenkt hatte. 
Ebmza erhielt nach seiner Rückkehr Verzeihung und durfte nach 
Konstantinopel entwischen, wo er indeß bald darauf starb. 

Im Jahre 1459 vermehrte Skanderbeg abermals seine Haus- 
macht durch Vergewaltigung kleiner albanesischer Herren. Bei 
seinem Ansehen wagte es niemand, sich dem zu widersetzen. Aber 
es ist bedauerlich I daß ein sonst so bewundernswerter Held sich 
derartig empörend undankbar gegen seine Wa£fengenossen benahmt 
Im Jahre 1460 ging er mit 8000 Mann nach Neapel, um den vom 
Grafen Anjou in Bari belagerten König Ferdinande zu entsetzen. 
Er erfocht über den berühmten Piccinino einen gl&nzenden Sieg 
und eroberte Trani, das er, nebst dem Titel eines „Herzogs 
von Santangelo di Monte und San Giovanni Rotondo'' als Lehen 
bekam, worauf er nach Albanien zurückkehrte. Der Papst hatte 
ihm zur selben Zeit Geld für einen neuen Krieg mit den Türken 
gesandt. 

Skanderbeg überfiel also mit frischen Kräften den bei Mokrena 
lagernden Sinin-Pa§ä, der mittlerweile 20000 Mann gesammelt 
hatte, hieb 13000 davon nieder und zersprengte den Rest völlig. 

Im nächsten Jahre (1461) erschien Husöjn-Bej mit 30000 
Mann, um Skanderbeg zu züchtigen, erlitt jedoch eine Niederlage 
und wurde selbst gefangen. Kaum war Skanderbeg zurück- 
gekehrt, als ihm die Nachricht ward, Jäsuf Bej sei mit 18000 
Türken in Skoplje eingetroffen, um in Albanien einzufallen. 
Skanderbeg raffte schneU seine Reiterei zusammen, eUte dorthin, 
überfiel unvermutet das türkische Lager, hieb 2000 Türken nieder 
und zersprengte den Rest nach allen Richtungen. 

Dieses neue Mißgeschick entflammte Muhammed zur Wut 
und er beschuldigte seine Generale der Dummheit und Feigheit 
KaradSä Bej ^) gab ihm recht und erbot sich, Skanderbeg den 
Garaus zu machen. Der Sultan freute sich darob und sandte ihn 
mit 40000 auserlesenen Kriegern nach Albanien. Von Eüerin in 
Makedonien schickte KaradSä Bej 4000 Mann zum Erkunden 



1) Karadzä » „schwärzlich'' oder auch „Reh". 
Uop5eyi6, Montenegro und Albanien. 



98 Vierter Zeitraum. 

voraus. Skanderbeg, welcher sie mit 2000 Albanesen erspähte, 
griff sie an und rieb sie völlig auf. Argerlich rückte der Pasd 
zwei Tagereisen weiter and bot Skanderbeg in der Ebene Livada ^) 
eine Schlacht an. Skanderbeg machte einen heftigen Angriff auf 
die Türken nnd hätte diese zersprengt ^ wenn nicht plötzlich ein 
furchtbarer Wolkenbruch der Schlacht ein Ende gemacht hätte. 
Als sich das Unwetter gelegt hatte und die Albanesen neuerdings 
angreifen wollten, war Karadiä Bej verschwunden ! Er hatte sich 
heimlich aus dem Staube gemacht. 

Das Unglück seiner Feldherren bestimmte endlich den Sultan 
dazu, am 6. Mai 1462 einen freundschaftlichen Brief an Skanderbeg 
zu schreiben, der ihn am 1. Juni ablehnend beantwortete. Am 
10. Juli kam jedoch ein Friedensantrag des Sultans, und da dieser 
allen Ansprüchen auf Albanien entsagte und Skanderbeg als un- 
abhängigen Fürsten anerkannte, wurde wirklich ein feierlicher 
Friede abgeschlossen. 

Der Friede war von kurzer Dauer. Papst Pius IL hatte 
einen Bund christlicher Mächte ^) zusammengebracht und lud auch 
Skanderbeg zum Beitritt ein. Dieser entschloß sich nach längerem 
Schwanken zum Friedensbruch, fiel in das türkische Gebiet ein^ 
raubte 150000 Stück Vieh, verheerte das ganze Land und kehrte 
beutebeladen zurück. Entrüstet warf ihm der Sultan Vertrags- 
bruch vor und beschwor ihn, den Frieden zu beobachten. Am 
25. Mai 1463 empfing Skanderbeg das kaiserliche Schreiben und 
beantwortete es auf der Stelle mit einer offenen Ejiegserklärung^ 
Skanderbeg war vom Papst zum Führer des Bundesheeres aus- 
ersehen, Pius IL wollte selbst in seinem Hauptquartier den Feld- 
zug mitmachen. Begeistert erneuerte Skanderbeg seine Einfälle» 
Türkischerseits waren nur 14000 Reiter zur Hand. Sie warfen 
sich Skanderbeg entgegen, wurden jedoch von dessen 10500 Mann 
bei Öhrid zermalmt; 10000 Türken fielen, der Sohn des Pa§äs, 
der Defterdär (Buchhalter) und 12 Bejs wurden nebst 1000 Mann 

1) SerbiBches Wort für „Wiese". 

2) Es ist heute ganz unverständh'ch , dafi die bedrohten Mächte (Ser* 
bien, Bosnien, Venedig, Zeta, Ungarn, Albanien) nicht schon Tor dem Fall 
des byzantinischen Reiches einen gemeinsamen Angriff auf die Türken 
rereinbarten, den sicher auch die Balgaren darch Aufstand gefördert hätten. 



Skanderbegs letzte Kämpfe. 99 

gefangen (14. August 1463). An demselben Tage starb jedoch 
der Papst; welcher eben im Begriff stand , sich einzuschiffen; 
der Bund zerschlug sich, und Skanderbeg war allein der türki- 
schen Rache preisgegeben. Diese ließ auch nicht lange auf sich 
warten. 

Balabän Pasä Badera, ein albanesischer Abtrünniger, eilte 
mit 15000 Reitern herbei. Er galt für den besten HeerfUhrer 
des Sultans. Von Hochachtung für Skanderbeg beseelt, der ehe- 
dem sein Herr gewesen war, suchte er mit ihm zu unterhandeln, 
jener stieß ihn jedoch unklngerweise hochmütig zurück, so daß er 
sich Balabän zum Todfeinde machte. Skanderbeg hatte mit 
6500 Mann im Valhalja-Tale ^) Stellung genommen und hier kam 
es zur Schlacht. Balabän erlitt eine Niederlage, welche indeß den 
Albanesen auch teuer zu stehen kam. Am empfindlichsten war fUr 
Skanderbeg der Verlust von acht hervorragenden Helden (darunter 
Moses, Musaki, Qjurica Topija Golem und Perlat), 
welche £ich bei der Verfolgung zu weit gewagt hatten und gefangen 
genommen wurden. Der Sultan ließ ihnen 14 Tage lang 
langsam die Haut abziehen^), obwohl Skanderbeg alles fUr 
ihre Freilassung bot. 

Zur Rache verheerte Skanderbeg das türkische Qebiet mit 
Feuer und Schwert Balabän- Pa^ sammelte unterdessen zu Ohrid 
ein neues Heer von 18000 Mann, während Skanderbeg mit 6500 
Mann zu Oröäi lagerte. Durch sein Oold wußte sich Balabän 
freien Durchzug durch Debar zu verschaffen und bis in die Nähe 
Skanderbegs zu dringen. Dieser entdeckte ihn jedoch noch recht- 
zeitig, fiel ihn entschlossen an und zersprengte sein Heer voll- 
ständig. Nur kümmerliche Reste brachte Balabän zurück, ohne 
sich indeß dadurch abschrecken zu lassen. Da ihm das Pasalik 
Albanien versprochen worden war, wartete er so lange, bis er 
wieder 20000 Mann beisammen hatte, und rückte dann gegen 
Svetigrad, wo Skanderbeg mit 10500 Mann stand. Auch dies- 
mal erlag er der Kriegskunst des albanesischen Helden; er hatte 
9000, die Albanesen 3000 Mann verloren. 



1) Vielleicht „Vlahinja**? 

2) Siehe die FaBnote auf S. 101. 

7* 



100 Vierter Zeitraam. 

Zu Beginn des Jahres 1464 versuchte Balabän neuerdings 
sein Qlück. Mit 24 000 Mann drang er gegen Belikamen (Qur-i- 
bardh oder Petralba) vor, während Jakub Arnaut mit 16000 
Mann gleichzeitig von Beligrad (Berat) gegen Tirana marschieren 
sollte. Skanderbeg sammelte 12000 Mann, und nachdem er mit 
genauer Not einem gedungenen Meuchelmörder entgangen war, 
überfiel er den vor Gur-i-bardh erschienenen Balabän und rieb seine 
Armee vollständig auf. Dann wandte er sich gegen Jakub Amaiit 
und vernichtete dessen Heer bei Kasar (Easija?). In beiden 
Schlachten fielen 20 000 Türken, 6000 wurden gefangen, 4000 ge- 
fangene Christen befireii Jakub Arnaut wurde von Skanderbeg 
selbst getötet, die Albanesen hatten nur 1100 Mann eingebüßt 

Der Sultan beschloß jetzt in eigener Person gegen Skanderbeg 
zu ziehen, nachdem zwei von ihm gedungene Meuchelmörder von 
. den Albanesen rechtzeitig entdeckt worden waren. Balabän erhielt 
den Befehl über die bereits zusammengezogene Reiterei, angeblich 
80000 Pferde stark, mit welcher er vorläufig Eruja einschließen 
sollte. Der Sultan selbst mit dem angeblich 120000 Mann zählen- 
den Fußvolk folgte nach. Im Juni (1464) waren somit 200000 (?) 
Türken vor Eruja vereinigt. Skanderbeg konnte sich mit einem 
solchen Heere in keine Schlacht einlassen. Baitassare Perducci 
führte die Verteidigung der Stadt, Skanderbeg mit 12000 Mann 
hielt das offene Feld. 

Perducci beantwortete die Aufforderung zur Übergabe durch 
einen glücklichen Ausfall. Muhammed II. ließ die schwere Be- 
lagerungsartiUerie an Ort und Stelle gießen und fleißig stürmen; 
aber die Besatzung schlug alle Stürme ab und unternahm fort- 
während neue Aus&lle, während Skanderbeg die Türken durch 
unaufhörliche Angriffe ermüdete. Um nicht länger Zeuge dieser 
schmachvollen Belagerung zu sein, entschloß sich endlich der Sultan, 
mit 86000 Mann abzuziehen; 35000 Mann hatte er nutzlos hin- 
geopfert, mithin blieben noch 79000 Mann unter Balabäns Be- 
fehlen zurück, der die Einschließung fortsetzen sollte. (Alle Zahlen- 
angaben nach den alten Chroniken; es ist aber ganz zweifellos, 
daß in damaliger Zeit solche Riesenheere unmöglich waren, weil 
sie bei den fehlenden Straßen und dem schwach bevölkerten Lande 
nicht verpflegt werden konnten.) 



SkanderbegB letzte Kämpfe. 101 

Abziehend vermehrte Muhammed 11. das blutige Buch seiner 
Oeschichte um eine neue Schandtat. Die Feste Chidna im Be- 
zirk Dävino hatte sich infolge verräterischer Lügenberichte dem 
Sultan auf freien Abzug ergeben. Der Sultan ließ jedoch nicht 
nur nicht die Besatzung, sondern auch die ganze Bevölkerung 
ohne Unterschied des Geschlechts niedermetzeln. Es waren allein 
8000 Männer, deren Köpfe der Sultan nach Eonstantinopel schickte, 
um dort glauben zu machen, er kehre siegreich heim ^). 



1) Jahrhunderte hindurch sprachen die Türken allen Gesetzen der 
Menschlichkeit und des Anstandes Hohn, indem sie nicht nur auf ihren 
Kriegszügen die fürchterlichsten Greuel und Grausamkeiten rerübten, son- 
dern auch treulos alle Übergabsabmachungen mit FüBen traten. Es ist zu 
staunen, dafi sich immer Befehlshaber von Festungen fanden, die sich türki- 
schen Belagerern ergaben. Der Verteidiger von Negroponte (Evvia) Paolo 
Erizzo ergab sich nnr, um im Falle der Erstürmung seine Tochter Tor dem 
Schicksal zu bewahren, in einen türkischen Harem zu wandern. Nach der 
Obergabe auf freien Abzug wurde seine Tochter aber erst vor seinen 
Augen zu Tod geschändet und er dann nebst den anderen zwischen zwei 
Brettern zersägt! Marcantonio Bragadino, der Verteidiger von Fama- 
gusta auf Zypern, «rgab sich anf freien Abzug, um seine beiden Töchter 
vor Schändung zu bewahren. Ihnen erging es aber ebenso und dem Vater 
wurde lebend die Haut abgezogen ! Perchtoldsdorf bei Wien ergab sich auf 
freien Abzug; die an der Spitze der Abziehenden ausmarschierende Jung- 
frau wurde geschändet und alle niedergemetzelt. In Modon (Griechenland) 
ließ Muhammed II. 500 auf freien Abzug sich ergebende Gefiingene zwi- 
schen zwei Brettern zersägen. Und. noch 1822 erlebte die Welt das empörende 
Schauspiel, daß in Salonik von den Türken 100 griechische Jungfrauen auf 
öffentlicher Straße für je einen Piaster (15 Pf.) dem türkischen Pöbel preis- 
gegeben wurden und daß die Türken von den 80000 Bewohnern von Chios 
40000 niedermetzelten, ohne daß dies so verächtliche Minister wie Metter - 
nich und Castlereagh von ihrer Türkenfrenndlichkeit und Griechenfeind- 
lichkeit geheilt hätte ! So könnte die Geschichte der türkischen Schändlich- 
keiten ins Unendliche verlängert werden bis in die jüngste Zeit, wo die 
Greuel von Batak und PanagjnriSte 1876, sowie jene in Armenien und in 
Adana unter Abd-ul Hamid einen Entsetzensschrei in der Welt erregten. 
(Soweit nämlich diese Welt nicht türkenfreundb'ch war, denn Beaconsfield 
war ebenso erbärmlich wie Mettemich und Castlereagh.) Bei all dem ist 
aber nicht das verwunderlich, daß derartige Greuel überhaupt möglich waren 
und geduldet wurden, sondern der Umstand, daß christliche Regierungen sich 
nicht entblödeten, den türkischen Schandtaten Vorschub zu leisten 1 So 
wie Louis XIV., der „allerchristlichste Monarch**, sich nicht entblödete. 



10t Vierter Zdtrattm. 

Die zweiundzwanzigjährigen Kämpfe hatten Skanderbegs 
Macht bedeutend geschwächt und ohne auswärtige Hilfe konnte 
er kaum daran denken, den mit 79000 Mann im Herzen Alba- 
niens stehenden Balabän-Pa§ä wieder hinauszuwerfen. Er ent- 
schloß sich daher zu einer Reise nach Rom, wo er allerdings 
glänzende Aufoahme fand, aber vom Papst außer einigen ge- 
weihten Kleinigkeiten nur 3000 Taler erlangen konnte. Mehr 
erhielt er von Venedig, und auch der montenegrinische Prinz 
Ivan Crnojeviö (Ivanbeg), der seit 22 Jahren an seiner Seite 
gekämpft hatte, brachte 4000 Montenegriner mit, so daß Skanderbeg 
über 13000 Verbündete verfügte, was mit seinen eigenen Truppen 
24 000 Mann ausmachte (1465). Erfahrend, daß Balabäns Bruder 
Jonima mit Verstärkungen im Anmarsch sei, überfiel er erst 
diesen, zersprengte sein Heer, nahm ihn selbst nebst seinem Sohne 
gefangen und wandte sich hierauf nach Kruja. Von rückwärts 



Bandesgenosse der türkischen Barbaren gegen cbristliche Völker zu werden, 
und ihnen half, Hunderttausende von Christen als Sklaven zu verkaufen, 
ebenso entblödete sich Beaconsfield nicht, die türkische Mißwirtschaft, der 
schon 1878 In Europa ein Ende gesetzt werden konnte, kfinstlich weiter auf- 
recht zu erhalten. Dabei wurde er natürlich von dem Magyaren Andrässy 
wacker unterstätzt, denn die Magyaren waren ja die besten Freunde des 
türkischen Gesindels. Und noch heute sehen wir, wie sich unsere geistreichen 
Diplomaten für die Aufrechthaltung der Türkei einsetzen und diese als poli- 
tische Weisheit erster Güte betrachten, statt die asiatische Türkei einfach 
unter sich zu teilen und die von den Türken seit mehr als einem halben 
Jahrtausend in der niederträchtigsten Barbarei gehaltenen Lander zu zivili- 
sieren und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Glücklicher* 
weise hat 1912 gezeigt, daB das rollende Rad der Zeit nicht auf die lächer- 
lichen Wichtigmacher am grünen Tisch Rücksicht nimmt und die natürliche 
Entwicklung der Völker sich auf die Dauer auch nicht von einem sagen- 
haften „europäischen Konzert^' aufhalten läfit. Es scheint allerdings nicht, 
dafi unsere Diplomaten aus diesen Tatsachen etwas gelernt haben, denn sonst 
wären sie nicht auf die verrückte Idee verfallen, ein so künstliches Staats- 
gebilde wie das „unabhängige Fürstentum Albanien** zu schaffen, dessen 
Nichtlebensfähigkeit ich in meinem kürzlich erschienenen Werke „Das 
Fürstentum Albanien, seine Vergangenheit, etlmographischen Verhält- 
nisse, politischen Zustände und Aussichten für die Zukunft" zur Genüge nach- 
gewiesen zu haben glaube. Und auch die deutsche Diplomatie hätte nach 
ihrem BliBerfblg mit der türkenfrenndlichen Politik etwas Klügeres tun 
können, als sich neuerdings mit einem Leichnam anzufreunden. 



Skanderbegs letzte Kämpfe. lOS 

nahend, beaetzte er den Kamm des Eraese- Berges (Sara-Saddk), 
an dessen Abhang die Stadt liegt, und machte einen überraschenden 
AngriflF auf Balabin, während gleichzeitig die Besatzung einen 
heftigen Ausfall unternahm. Das türkische Heer ergriflF die Flucht, 
als es seinen Befehlshaber tot vom Pferde sinken sah, und zog 
sich auf Tirana zurück, von wo es zwei Bejs zu Skanderbeg 
sandte, mit der Bitte, derselbe möge ihm nach Auslieferung der 
Waffen, Pferde und des Gepäcks freien Abzug gestatten. Statt 
diesen unerwarteten Vorschlag anzunehmen, wollte Skanderbeg 
das türkische Heer gänzlich aufreiben, daher brach er sofort gegen 
Tirana auf. Die Osmanli machten sich jedoch auf die Beine und 
suchten, wie es ging, zu entrinnen, was auch den meisten gelang. 
Skanderbeg folgte ihnen und verheerte das türkische Gebiet, worauf 
er wieder heimkehrte. 

Der Sultan hatte aber die Demütigung nicht verschmerzt 
Im Frühjahr 1466 brach er neuerdings mit 130000 Mann in 
Albanien ein und belagerte Draö. Da alle Stürme abgeschlagen 
wurden, wandte er sich gegen Eruja, das nun zum drittenmal 
belagert wurde. Die abgeschlagenen Stürme, die verlustreichen 
Ausfälle, die endlosen Angriffe Skanderbegs, das schlechte Wetter, 
alles trug dazu bei, dem Sultan die Lust zu ferneren Feldzügen 
zu verleiden. Nach sechsmonatigen Kämpfen verließ er Albanien, 
nachdem er das neuerbaute, aber unverteidigte Fort Öorli zerstört 
hatte. Doch ließ er 28000 Mann zur Beobachtung Skanderbegs 
an den Grenzen. 

Um über den neuen Feldzugsplan mit seinen Verbtlndeten 
zu beraten, begab sich Skanderbeg im Winter 1466 nach Ljeä, 
wo er jedoch vom Fieber ei^riffen wurde. Auf die Nachricht, 
Ahamat (Ahmet?) Pa§ä verheere das Gebiet von ^kodra, wollte 
Skanderbeg krank zu Pferde steigen und sandte seine Reiterei 
voraus. Allein bei deren Erscheinen ergriff der Paää die Flucht, 
weil er Skanderbeg im Anzug glaubte. Nachdem auf diese Art 
noch einmal sein bloßer Name gesiegt hatte, starb Skanderbeg am 
17. Januar 1467, 63 Jahre alt, nachdem er 24 Jahre siegreich 
die Unabhängigkeit Oberalbaniens verteidigt hatte. In der Qte- 
schichte kann man ihn als Feldherm würdig neben Hannibal, 
Alexander, Cäsar und Hunyädi stellen. 



104 Yierter Zeitraum. 

Nach Beinern Tode biesetzten die Venezianer infolge geheimen 
VertragiSB mit Skanderbeg seine Hauptstadt Krnja, und die 
meisten kleinen Despoten yerließen verzweifelnd das Land, welche» 
den Türken kampflos in die Hände fiel. 



13. Montenegro und Albanien nach Skanderbegs Tod» 

(1467—1482.) 

Wann Stefan Cmojevid gestorben und sein Sohn Ivan (Ivan- 
beg) auf den Thron gekommen ist, läßt sich nicht mit Sicher- 
heit feststellen. Oben habe ich gezeigt, daß er nicht 1449 ge- 
storben sein kann, weil er noch 1456 mit den Venezianem einen 
Vertrag abschloß. Und im Jahre 1471 finden wir bereits eine 
Urkunde, aus der hervorgeht, daß Ivan damals Großherzog von 
Monten^ro war und in 2abljak wohnte. Lienormant und Andrid 
wissen zu berichten, daß Ivan seinen „Schwiegervater, den König 
Stefan Tvrdko von Bosnien^', bekriegt und ihm Risanj, Dra- 
Sevica, Trebinje, Popovo und Konavlje weggenommen habe. Allein 
es ist unmöglich, daß Ivans Gattin Maria die Tochter Tvrdkos 
gewesen sei. Ich halte es fär wahrscheinlicher, daß er Vojsava 
(oder Gojsava), die Schwester der Ghittin Skanderbegs (Andronika), 
wenigstens in erster Ehe, zur Frau gehabt habe. Auch vermag 
ich nicht einzusehen, daß Ivan so unklug gewesen wäre, mitten in 
der TUrkengefahr noch an Baub zu denken, durch den er sich die 
mächtigen Bosnier zu Feinden machen mußte. Zudem waren die 
genannten Gebiete gar nicht einmal Eigentum des Tvrdko, sondern 
des Herzogs Stefan von San Savva. War es also wirklich 
der Schwiegervater, dem Ivan die erwähnten Gebiete weg- 
nahm, so müßte man jene Überlieferung f&r richtig halten, welche 
wissen will, daß Ivans Gattin Maria die Tochter des Her- 
zogs von San Savva war, die er nach der Aussöhnung von 
1452 geheiratet habe. Es lassen sich nämlich die Überlieferungen 
insofern verbinden, als die Möglichkeit vorUegt, daß Ivan zwei- 
mal verheiratet gewesen ist und zwar zuerst mit der Schwägerin 
Skanderbegs und dann mit der Tochter des Herzogs Stefan. Und 
ist an dem erwähnten Landraub etwas Wahres, so dürfte er in 
das Jahr 1467 verlegt werden können, weil damals nicht nur 



Montenegro und Albanien nach Skanderbegs Tod. 105 

Skanderbeg starb , sondern auch der Herzog Stefan, Ivan also 
leicht zum Vorwand nehmen konnte, daß ihm die Gebiete als 
Gatten der Tochter gebührten. Das würde dann auch vielleicht 
erklären, weshalb es darüber nicht zu weiterem Krieg kam, denn 
nach des Herzogs Tod herrschte vermutlich in der Hercegovina 
große Verwimmg, weil sich seine Söhne um die Erbfolge stritten. 
Schließlich einigten sie sich dahin, daß Vladislav die Nord- 
hercegoyina und Vladko Zahlum nahm. 

Bei dieser Gelegenheit möge gleich erwähnt werden, daß 
diese Brüder schon 1453 sich gegen ihren Vater in Waffen er- 
hoben hatten. Dieser wußte nichts Besseres zu tun, als seinen 
dritten Sohn 2arko zum Sultan Muhammed U. zu senden, der 
eben Eonstantinopel erobert und Stambul daraus gemacht hatte. 
2arko sollte den Sultan um Hilfe (I) anrufen, doch wußte ihn der 
Sultan so zu überreden, daß er seine Religion und Nation ab- 
schwor, Moslem wurde und dem Sultan diente, dessen Sohn 
Bajazid H. ihn zum Großvezir machte und ihm seine Tochter zur 
Frau gab. Der erbärmliche Abtrünnige, damit nicht zufrieden, 
verlangte vom Sultan, er solle ihm die Hercegovina wieder ver- 
schaffen (auf die er als jüngster Sohn überhaupt keinen Anspruch 
hatte!), und 1476 setzte er sich wirklich an der Spitze eines 
Heeres gegen sein Vaterland in Bewegung, um es dem Halb- 
mond zu unterwerfen! Vladislav mußte nach Ungarn fliehen, 
Vladko wurde auf ein paar Schlösser beschränkt und — der 
Sultan verleibte die Hercegovina als „Sandiak Hersek^' seinem 
Reiche ein! 

Damit haben wir aber den Ereignissen in Albanien vor- 
gegriffen. 

Der Krieg mit den Persem hatte den Sultan Muhammed IL 
verhindert, sofort aus dem Verschwinden Skanderbegs vom Schau- 
platz Nutzen zu ziehen. Endlich 1474 sandte er 70000 Mann 
unter SulejmänPaää von Rumili gegen Albanien, zunächst um 
die Venezianer zu bekriegen. Am 17. Mai erschien der türkische 
Vortrab, 10000 Mann stark, vor Scutari (wie Skadar von den 
Venezianern umgetauft worden war). Hier befanden sich nur 2500 
Venezianer unter Antonio Loredano, doch traf noch recht- 
zeitig Ivan Crnojeviö (Ivanbeg) mit 8000 Montenegrinern ein 



106 Vierter Zeitraum. 

und besetzte den Berg San Marco. (Meiner Ansicht nach der 
an das Kastell stoßende Hügel [Tep^]; wie ich in meinem Werke 
,,Das Fürstentum Albanien '^ auf S. 279 nachgewiesen habe.) 
Triadano Gritti mit 18 Fahrzeugen ankerte im Skodra-See und 
der Bojana und Pietro Mocenigo mit 17 Galeeren im Sas-See 
und bei Sr& Die Türken lagerten sich auf beiden Seiten der 
Bojana (von welcher der venezianische Geschichtschreiber Zanotto 
sagt, daß sie und der Ein so wasserreich gewesen seien, daß man 
sie mit größeren Fahrzeugen befahren konnte) und schlugen eine 
Brücke, um ihre Verbindung herzustellen. Dann errichteten sie 
eine große Batterie, welche unausgesetzt die Eastellmauem und 
Häuser beschoß und großen Schaden anrichtete. 

Die Montenegriner schlugen jedoch alle Angriffe Sulejmins 
ab, so daß dieser endlich einen Sturm auf das Kastell beschloß. 

Er fand am 28. Juli statt. Die Türken warfen sich mit 
Übermacht in die Einsattlung zwischen Kastell und Tepö, wo sie 
vor dem Feuer gesichert waren (weil im toten Winkel stehend), 
und suchten die Bresche zu erstürmen. Aber sechs Stunden lang 
verteidigten sich die Venezianer im Kastell, wobei sich auch die 
Bevölkerung beteiligte, während die Montenegriner, welche keine 
Feuerwaffen besaßen, mit Säbel und Wurfspießen die Türken im 
Rücken bedrängten. Letztere ließen 3000 Tote auf dem Platze 
und wichen in Unordnung zurück. Jetzt machten Montenegriner 
und Venezianer einen Ausfall, während zugleich das Landvolk 
au&tand und ebenfalls über die Türken herfiel. Diese erwehrten 
sich der Angriffe nur mit Mühe und hoben Mitte August die Be- 
lagerung auf, die ihnen 7000 Tote und 14000 Verwundete ge- 
kostet hatte. Das Geschütz zerschlugen sie vor der Stadt, dann 
wurde das Heer sechs Meilen von derselben aufgelöst. Ivan 
Crnojeviö wurde von den dankbaren Venezianern für seine 
Hilfe als Patrizier in ihr goldenes Buch geschrieben. 

Um endlich die Venezianer ganz aus Albanien zu vertreiben, 
zog MuhammedIL 1477 in Person heran und führte angeblich 
350000 Mann mit sich ^). Im Mai erschien er vor Kruja, das 



1) An die Biesenzahlen der Heere alter Zeit und in unkultivierten 
Ländern glaube ich nicht, weU es ein Ding der Unmöglichkeit wäre, 



Montenegro und Albanien nach Skanderbegs Tod. 107 

von Victurio verteidigt ward. Francesco Contarini eilte 
vonDurazzo mit 2500 Mann herbei, während Nikola DukadJSin 
mit 8000 serbischen Bogenschützen vom Norden herankam. Sie 
überfielen unerwartet das türkische Lager, während Victurio einen 
Ausfall machte, und brachten das feindliche Heer in Unordnung. 
Da sich aber die Sieger zu lange mit dem Plündern beschäftigten, 
inzwischen der anbrechende Tag ihre Schwäche enthüllte und die 
Dukadiiner an Rückzug dachten, ermannten sich die Osmanli und 
warfen die Christen in die Festung zurück, welche jetzt eng um- 
schlossen wurde. Nach dreizehnmonatigem Widerstände sahen 
sich die Belagerten am 15. Juni 1478 zur Übergabe auf freien 
Abzug genötigt Trotzdem wurden alle ohne Unterschied des 
Geschlechts heimtückisch niedergemetzelt. 

Heeresmassen von mehreren Honderttaosenden zu verpflegen. Schon die 
Verpflegung heutiger Heere in kultivierten Landern, die groAes Eisen- 
bahnnetz, Telegraphen, gute Fahrstraßen, zahlreiche Bevölkerung und alle 
modernen Hilfs- und Yerpflegsmittel besitzen, stöfit auf groBe Schwierig- 
keiten, von denen sich der Laie gar keinen Begriff machen kann. Es ist 
ganz und gar ausgeschlossen, dafi mehrere hunderttausend 
Mann heutzutage auf Straßen anrücken können (namentlich 
im Feindesland!), welche zwischen sich nur ein Gebiet von 
etwa 15 km einschließen. Man versinnliche sich aber, welch ungeheure 
Massen von Eßwaren für Truppen, .namentlich aber für Pferde, täglich 
erforderlich sind, und halte sich vor Augen, daß in früheren Zeiten aller 
Mund verrat (und später auch aller Schieß bedarf) auf Pferderücken be- 
fördert werden mußte, weil es nur wenige oder auch gar keine fahrbaren 
Straßen gab, daß aber eben diese Trag- oder Zugtiere ebenfalls täglich fressen 
wollten und von Troßknechten begleitet waren, die auch nicht von der Luft 
leben konnten. In den unwegsamen Gebirgen oder sonstigen menschenarmen 
Gegenden war aber selten etwas zu finden, was die Heere ernähren konnte, 
folglich mußte das meiste von der Operationsbasis aus mit- 
geschleppt oder nachgeschafft werden. Deshalb ist es schon an 
und für sich eine Lächerlichkeit sondergleichen, wenn wir z. B. in der Ge- 
schichte lesen, daß Xerxes 1700000 Mann mit sich gefuhrt habe, oder die 
Perser bei Issus 600000 und bei Gaugamela gar 1 Million stark gewesen 
seien. Oder der Unsinn, daß die Stadt Kroton im Krieg gegen Sybaris 
300000 Mann Söldner aufgeboten habe. Bei allen diesen Zahlen kann man 
getrost eine Null abstreichen und man wird vielleicht der Wahrheit näher 
kommen. Deshalb glaube ich auch, daß alle Angaben über die Stärke und 
Verluste der Türkenheere in den Kämpfen gegen Skanderbeg viel ztf hoch 
angegeben wurden. 



108 Vierter Zeitraum. 

Inzwischen war aach Scutari am 18. Juni (1478) einge- 
schlossen worden, nachdem vorher Ljeä bezwungen und die Kir- 
chen in Moscheen verwandelt worden waren. Der Sultan selbst 
erschien nach dem Falle Krujas vor der Stadt, welche nur 1600 
Bürger und 1600 Montenegriner nebst 250 Weibern enthielt 

Trotz dieses &belhaften Mißverhältnisses hielt sich Scutari. 
Der Sultan begann am 22. Juni die Belagerung. Zuerst erbaute 
er im See zwei Galeeren, um die albanischen Schiffe, welche täg- 
lich über den See in die Bojana hinabfuhren, zu vertreiben. Dann 
erbaute er auf dem Tepä ein hölzernes Kastell und vor diesem 
vier große mit Steinen gefilUte Türme, um die Belagerungs- 
maschinen und die Artilleristen zu schützen. Zehntausend Kamele 
hatten die Belagerungsartillerie und das nötige Kriegsgerät herbei- 
getragen und jetzt ließ noch der Sultan hinter dem Tepä elf 
Riesengeschütze gießen, nämlich einen 1300-Pf&nder, zwei 1200- 
Pßinder, einen 1100-Pfünder, einen 1000-PfÜnder und sechs 300- 
bis 800-PfUnder. Da noch fortwährend Truppen nachkamen, be- 
lief sich die Stärke der türkischen Armee am 2. Juli auf 350000 
Mann^), deren Lager einen Umkreis von 40 Miglien hatte. 

Im ersten Monat schössen die türkischen Geschütze 2534 
300 — 1300 Pfund schwere Kugeln gegen die Stadt. Die Mauern 
des Kastells lagen schon in Trümmern, die Gräben waren aus- 
gefüllt; der 22. Juli wurde daher zum allgemeinen Sturm aus- 
ersehen. Bei Tagesanbruch, als eben die Belagerten in den Kir- 
chen beteten, stürmten 150000 Türken^) von allen Seiten gegen 
die Stadt Auf der Bastion des Haupttores flatterte bald der 
Halbmond und schon triumphierte der Sultan, als die montene- 
grinischen Hilfstruppen einen neuen Angriff machten und die 
Türken zurückwarfen. Wutschäumend befahl der Sultan einen 
zweiten Sturm auf das Haupttor, dessen aus zwei großen Türmen 
bestehender Schutzwall von der Artillerie bereits gänzlich zerstört 
worden war. Die Venezianer verteidigten sich nur noch hinter 
einer Schanze, dagegen hielten die Montenegriner einen im harten 
Stein ausgegrabenen und mit Geschütz versehenen Graben besetzt 

1) Schon 50000 wären mehr als genügend gewesen! 

2) Vom militärischen Standpunkt aus ist dies unmöglich, weil diese 
Zahl sich dort gar nicht entwickeln konnte. Der zehnte Teü vielleicht! 



Montenegro und Albanien nach Skanderbegs Tod. 109 

und vereitelten lange alle Anstrengungen der Türken. Endlich 
drangen dieae durch und bemächtigten aich des Bollwerkes. 
Jetzt eilte aber die auf dem Platze stehende Reserve herbei und 
trieb endlich die Türken wieder zurück. Dieser Sturm hatte den 
Belagerten 400, den Belagerern angeblich 12000 Mann gekostet. 

Der venezianische Ingenieur Donato tat sein möglichstes, die 
Schäden der Mauern auszubessern, der Befehlshaber Florio Jo- 
nima, der ReiterfÜhrer Nicolö Moneta und der kriegerische Pre- 
diger Fra Bartolomeo feuerten die Besatzung zum Ausharren an. 
Am 27. Juli wagte der Sultan einen zweiten Hauptsturm. Elr 
währte mit unerhörter Wut den ganzen Tag hindurch. Wieder- 
holt erstiegen die Türken die Mauern, aber jedesmal wurden sie 
wieder hinabgeworfen. Endlich drangen sie durch das Haupttor 
in das KasteU, aber eben in diesem Moment gab der Sultan den 
unbesonnenen Befehl, die elf Riesenkanonen gleichzeitig gegen das 
Haupttor abzuschießen. Infolgedessen wurden die eben eindrin- 
genden Türken zerschmettert Dadurch gerieten sie in Bestürzung 
und wichen. Die Belagerten warfen sie dann gänzlich zurück. 
Dieser Sturm hatte den Türken angeblich wieder 12000 Mann 
gekostet. 

Um den fortwährenden Neckereien der Besatzung des nahen 
Drivast ein Ziel zu setzen, be&hl der Sultan am 3. August 
dem Seriaskör von Anatoli, diese Festung einzuschließen. Bar- 
letius erzählt darüber folgendes: „Die Leute von Drivasto 
waren tapfer und ausdauernd. Während die Türken Scutari be- 
lagerten, machten sie fortwährend Ausftlle, um das Lager bei 
Nacht zu überÜEÜlen oder bei Tag Pferde und Lasttiere zu er- 
beuten. Der Sultan, hiervon in Kenntnis gesetzt, benutzte einen 
Augenblick, da die Besatzung eben auf einer Streifung begriffen 
war, um die Stadt am 3. August einzuschließen. Der Seriasker 
tat, wie ihm befohlen worden war, und griff die schwächste Seite 
der nur von Greisen verteidigten Wälle an. Nach 16 Tagen 
waren sie zerstört und der Sultan kam in eigener Person heran. 
(Was machte aber während dieser 16 Tage die abwesende Be- 
satzung? Weshalb kam sie nicht zum Entsatz? S. G.) Am 
1. September um 4 Uhr morgens stürmten die Barbaren auf ein 
Zeichen des Sultans von allen Seiten gegen die Stadt und be- 



110 Vierter Zeitraum. 

mächtigten Bich derselben. Die überdies noch durch die Pest ge- 
lichteten Reihen der Verteidiger leisteten hartnäckigen Widerstand 
und fielen bis auf den letzten Mann. 300 Einwohner (also wohl 
nur Weiber und ELinder? S. G.), welche gefangen worden waren, 
wurden am 4. September angesichts der Wälle von Scutari ent- 
hauptet 0" 

Ihre Köpfe wurden vor den Wällen von Scutari aufgetürmt, 
konnten jedoch die Belagerten nicht einschüchtern. Da sich der 
Sultan mit seinem Riesenheere nur lächerlich machte, ließ er 
40000 Reiter unter Ahmad EvrenösPaää zur Blockade zurück 
und zog mit dem Rest ab. Am 26. Januar 1479 kam es dann 
zum Frieden, in welchem die Venezianer Scutari an den Sultan 
abtraten. Infolgedessen zog der Rest der Besatzung: 300 Büi^er, 
150 Montenegriner und 150 Weiber, am 25. April ab. Nur den 
bedungenen Geiseln verdankten sie die Schonung ihres Liebens. 
Die ganze Belagerung hatte 35000 Türken weggerafft, ohne die 
Verluste bei der Erstürmung von Drivasto, mit welchen sich die 
Verlustziffer auf 45000 erhöht 2). 

Daß der Friedensschluß mit der Abtretung Scutaris unver- 
meidlich war, läßt sich nicht bestreiten, denn Scutari hätte sich 
doch nicht auf die Dauer halten können, weil die Besatzung be- 
reits am Hungertuch genagt und alle Pferde, Hunde, Ratten und 
zuletzt sogar Leder gegessen hatte. Deshalb suchte auch Giovanni 



1) Als ich Drlvast (heute DriSti genannt) 1880 besuchte, fand ich das 
Dorf Yon 80 Häusern auf einem einzeln stehenden Bergkegel gebaut, der 
auf zwei Selten von Bächen umgeben ist, auf der dritten durch einen Sattel 
mit dem Berg Cukali zusammenhängt. Ich fand zunächst einen in zwei 
Teile geborstenen Turm, welcher vermutlich das Vorwerk bildete, dann nach 
10 Minuten Ansteigens die Ruinen der ehemaligen Stadtmauern, deren Tor 
noch ziemlich gut erhalten ist, vor ihm eine Art Bastion mit prächtiger 
Aussicht über das Kiri-Tal. Dann kommt auf einer Terrasse das Dorf, von 
dem aus ich in einer halben Stunde mühsamen Kletterns den 
Gipfel erreichte — eine kleine Hochfläche, welche einst das Kastell trug,, 
dessen Umfassungsmauern und Türme teilweise noch in Ruinen sichtbar sind. 
Aber das Innere ist ganz zerstört und mit Trümmern bedeckt. 

2) Alle Zahlenangaben in diesem Werke nach den Angaben der alten 
Quellen; aber wie ich über diese Übertreibungen denke, habe ich in der 
Fußnote auf Seite 106 ausgesprochen. 



Montenegro and Albanien nuch Skanderbegs Tod. 111 

Dario, Sekretär der Republik, um Frieden nach. Der Sultan ge- 
währte ihn gegen Abtretung von Eruja und Scutari, während 
er die übrigen den Venezianern in Albanien abgenommenen Städte 
zurückgab. Von Ivan Crnojevid ist in dem Frieden keine 
Rede, obgleich die Republik ihn als ,, ihren Vojvoda'^ betrachtete 
und er sich während der ganzen Belagerung für sie ins Zeug ge- 
legt hatte. Mit seinen Montenegrinern belästigte er nämlich fort- 
während das türkische Heer, schnitt ihm den Zuzug von Mund- 
Yorrat und Schießbedarf ab, kurz, tat, was er vermochte, denn in 
offener Feldschlacht konnte er sich natürlich mit seinen paar 
tausend Mann nicht einem so ungeheuer überlegenen Heere ent- 
gegenstellen. 

Nun weichen aber die Quellen über den Verlust seiner Haupt- 
stadt ^abljak ab. Während nämlich die einen behaupten, 2abljak 
sei noch während der Belagerung von Scutari genommen worden, 
und sich darüber aufregen, daß die Venezianer im Frieden nicht 
auch die Rückgabe dieser Stadt an ihren treuen Bundesgenossen 
Ivan bedangen, behaupten andere, der Angriff der Türken auf 
^abljak sei erst 1480 erfolgt. Und letzteres scheint mir das 
Wahrscheinlichere. Denn erstens hätten die Venezianer (oder 
Barletius) etwas davon erwähnt, wenn 2abljak noch während der 
Belagerung gefallen wäre (wie sie ja auch den Fall von Drivast 
erwähnen), und zweitens ist es nicht wahrscheinlich, daß der Sultan 
auch noch 2abljak angegriffen hätte, wenn er so viel mit Scutari 
zu tun hatte. Viel natürlicher ist deshalb die Annahme, daß die 
Türken erst nach dem Frieden sich zur Züchtigung Ivans an- 
schickten, als sie wußten, daß dieser von Venedig keine Hilfe zu 
erwarten habe. 

2abljak fiel also 1480 den Türken in die Hand, wobei es 
wieder nicht feststeht, wie dies geschah. Die einen erzählen von 
einer fürchterlichen Schlacht an der Moraöa, nach welcher die 
Türken 2abljak erstürmt hätten, die anderen behaupten, Ivan 
hätte, an aussichtsreicher Verteidigung der Stadt verzweifelnd, deren 
Räumung vorgenommen, so daß sie kampflos den Türken in die 
Hände gefallen sei. Die erstere Annahme hat gegen sich, daß 
die Erstürmung von 2abljak viel schwerer als diejenige von Drivasto 
gewesen wäre, weil ^abljak auf einem hohen, einzeln aufragenden 



113 Vierter Zeitraum. 

Berge liegt und für die damalige Zeit eine außerordentlich starke 
Festung genannt werden mußte. Stürme auf 2abljak wären den 
Türken viel teurer zu stehen gekommen , als jene auf Eruja, 
Driyast oder Scutari. Allerdings bot die Stadt nur einer geringen 
Zahl Verteidiger Raum und wenn der Sultan keine Opfer scheute, 
so stand es ihm frei, durch einen mehrere Tage anhaltenden, un- 
aufhörlich durch frische Truppen unternommenen Sturm die Ver- 
teidiger so zu erschöpfen, daß sie schließlich schon aus Mattigkeit 
keinen weiteren Widerstand leisten konnten. 

Wie dem auch sei, Tatsache ist, daß ^abljak 1480 türkisch 
wurde. Daß die Venezianer dies nicht hinderten, erklärt sich nicht 
nur aus ihrem Friedensschlüsse, sondern viel mehr noch aus ihrer 
Angst vor den Ttlrken. Diese waren nämlich gerade zu jener 
Zeit aus Avlona ausgelaufen und inOtranto gelandet, wo Ahmad 
Pasä die Stadt nach siebzehntägiger Verteidigung durch Qiovanni 
Francesco Zurlo im Sturm nahm. Nach türkischer Art wurden 
von den 22000 Einwohnern 12 000 abgeschlachtet, alle Weiber 
geschändet und in die Sklaverei verkauft, ebenso die Kinder, der 
Erzbischof lebendig geschunden, die Priester unter Martern hin- 
gerichtet und Zurlo zwischen zwei Brettern zersägt. Die Nach- 
richt von diesen Greueln wirkte so fürchterlich auf ganz Italien, 
daß im ersten Augenblick alles nur an Flucht dachte und auch 
der Papst Sixtus IV. bereits Anstalten traf, sich nach Avignon 
zu retten. 

Da starb der schurkische Sultan Muhammed II. am 3. Mai 
1481 und kaum vernahm dies Ivan, als er den Kampf erneute, 
die Türken in mehreren Gefechten zu Paaren trieb und dann 
^abljak angriff, das er eroberte. Allein er konnte es nicht lange 
halten. Schon im nächsten Jahre erschien ein ungeheures tür- 
kisches Heer, dem gegenüber Ivan jeden Kampf für aussichtslos 
hielt, weshalb er 2abljak niederbrannte und räumte, sich selbst 
nach Obod zurückziehend. (Nach anderen wäre 2abljak erst 
1484 nach Rückkehr Ivans aus Italien aufgegeben worden ^).) 



1) Wahrscheinlich ist dies auf den Umstand zurückzoführen, daE Ivan 
erst 1484 seine Residenz in Cetinje aufschlug, dessen Bau damals fertig ge- 
worden war. Siehe Dudiö, S. 5. 



Montenegro bis aar Thronentsagung der CmojeYiöi. HS 

14. Montenegro bis zur Thronentsagung der Cmojevlci. 

(1483—1499.) 

Ivan sah ein, daß er allein gegen die Türken einen schweren 
Stand haben würde; deshalb suchte er Bundesgenossen. Durch 
Heirat war er allerdings schon mit verschiedenen Monarchen 
befreundet: seine Schwester Vojsava war mit Lek Dukadiin 
verheiratet gewesen und von seines Bruders Gjuragj Töchtern 
Angjelka und Katerina (oder Maria) hatte die erste 1461 
den Stefan Brankovid von Serbien geheiratet (der ,, Blinde '^ ge- 
nannt, weil ihm die Türken während seiner Gefangenschaft die 
Augen ausgestochen hatten) und Katerina (Maria) den Hospodar 
Radul der Valachei; der 1462—1477 regierte. (Nach anderen 
hätte Radul die Tochter Ivans Anka geheiratet und Milakoviö 
nennt sie Maria, Tochter des Gjuragj.) Ivans Sohn Gjuragj 
heiratete nach Milakoviö (und auch nach dem Stammbaum bei 
Lenormant) Elisabetta, die Tochter des venezianischen Patri- 
ziers Antonio Erizzo, während Lenormant im Text davon 
redet; daß Ivan seinen anderen Sohn Maksim mit der Tochter 
des Dogen Giovanni Mocenigo verheiratet hätte. Diese An- 
gabe stützt sich jedoch lediglich auf ein Volkslied ohne geschicht- 
lichen Wert, wie wir später sehen werden. Die Wahrscheinlich- 
keit spricht übrigens dafür, daß die Hochzeit des Gjuragj mit 
der Venezianerin Erizzo erst 1490 stattfand, weil es bei Einigen 
heißt, die Braut wäre erst nach Ivans Tode eingetroffen, wäh- 
rend andere sie schon 1489 kommen lassen. Sicher ist, daß Ivan 
sich im Jahre 1483 nach Venedig begab, um Hilfe zu erbitten, 
und im nächsten Jahre ohne Erfolg zurückkehrte. Die Vene- 
zianer redeten sich nämlich auf den Handelsvertrag aus, den sie 
am 16. Januar 1482 mit den Türken geschlossen hatten. Nach 
einigen Quellen übergab Ivan, bevor er sein Land verließ, die 
Regentschaft seinem Bruder Gjuragj, genannt Arvanita oder 
Amanta (der „Albanese'^, wonach es also ausgeschlossen wäre, 
daß dieser schon 1450 am Öemovopolje fiel. Gjuragj habe auch 
während seiner Abwesenheit das Land erfolgreich gegen die Ttlrken 
verteidigt Doch dürfte auch da eine Verwechslung mit Ivans 
gleichnamigem Sohne (Gjuragj IV.) vorliegen. 

Gop6eylö, Montenegro nnd Albanien. 8 



114 Vierter Zeitramn. 

Ivan kehrte 1484 zurück und berichtete , daß Montenegro 
von nun an auf sich selbst angewiesen sei, besonders weil im 
Vorjahre auch die ganze Hercegovina türkisch geworden war^ 
wobei dem Herzog Vladko auch die letzten Besitzungen: Risanj, 
Herceg Novi, Trebinje und Popovo genommen wurden. Außerdem 
scheint es nach Andrid, daß während Ivans Abwesenheit auch die 
montenegrinischen Bezirke Bjelopavlide, Piperi und Spu2 an die 
Türken verloren gingen. In Iskenderij4 (wie die Türken nun- 
mehr Scutari nannten) hatten sie einen Sand2ak-Bej mit mehreren 
tausend Mann stehen, um Montenegro in Schach zu halten. (Nach 
Andriö wäre auch nicht Gjuragj Arvanita , sondern der Vojvoda 
Toma von Zeta Regent gewesen.) Unter diesen Umständen ver- 
sammelte Ivan seine Montenegriner und schlug ihnen vor, ihre 
Freiheit bis aufs äußerste zu verteidigen. Dies wurde mit stür- 
mischer Begeisterung angenommen und folgender Beschluß ge&ßt: 
„Kein Montenegi*iner darf zur Kriegszeit ohne Erlaubnis seinen 
Platz verlassen und fliehen, widrigenfalls er seiner Ehre ver- 
lustig würde. In diesem Falle hätte er Weiberkleider anzu- 
ziehen, einen Spinnrocken statt der Waffen in die Hand zu 
nehmen und würde von den Weibern als Feigling und Verräter 
an seinen tapfem ruhmvollen Brüdern mit Schande und Spott 
verjagt werden." 

Ein Volk, das derartige Beschlüsse faßt, ist unüberwindlich 
und in der Tat gelang es auch den Türken niemals, Montenegro 
zu unterjochen. 

Um Geld für das Bekriegen der Türken zu bekommen, hatte 
Ivan den Ragusäem das Konavlje f&r einige tausend Perper (da- 
mals einer etwa 3.50 bis 4 Mark wert) zu verpftnden, nämlich 
von Debeli Breg bis zur Fratarska Dolina. Zur selben Zeit ver- 
gifteten die Kotorer (welche nach allem, was man von ihnen 
aus dem Mittelalter hört, ein erbärmliches Gesindel gewesen sein 
müssen) durch einen gewissen DruSak 72 Mönche des serbischen 
Mihail-EIlosters auf der Insel Prevlaka, worauf sie es zerstörten,, 
und sie bemächtigten sich auch der serbischen Kathedrale S. Trifun 
in Kotor, welche sie dem römischen Ritus zufUhrten. 

Als Ivan aus Venedig zurückkehrte, hatte er von dort etwa» 
mitgebracht, was man am wenigsten erwarten sollte: nämlich keine 



Montenegro bis zur Thronentsagang der Cmojeyiöi. 115 

Waffen, sondern eine — Buchdruckerei, welche er in Obod 
an der Cmojevifika Rijeka aufstellte. Diese Tatsache machte auf 
Gladstone den größten Eindruck. Im Maiheft des ^^XIX. Cen- 
tury'^ von 1877 veröffentlichte er eine 20 Seiten lange Besprechung 
meines Erstlingswerkes „Montenegro und die Monte- 
negriner '^ (was die Veranlassung zu unserer persönlichen Be- 
kanntschaft und unserem zehnjährigen Briefwechsel wurde), in 
welcher er wörtlich schrieb: 

„Dies geschah in 1484 in einem kleinen Fürstentum, wo die 
Leute vom Kriege mitgenommen waren und fär ihr Lieben zu 
fechten hatten. Das war also nur 7 Jahre, nachdem in der 
reichen und bevölkerten Metropole Englands das erste Buch von 
Caxton gedruckt wurde! Zu einer Zeit, da es weder in 
Oxford, noch in Cambridge, noch in Edinburgh eine 
Buchdruckerpresse gab! Das war nur 16 Jahre, nachdem 
in der Hauptstadt der Christenheit, in Rom, die erste Buchdrucker- 
presse aufgestellt worden war! Es war nur 28 Jahre nach dem 
Erscheinen des ersten überhaupt gedruckten Buches! . . . Die 
Montenegriner hätten, gleich den bulgarischen Pomaken oder den 
bosnischen Begs, leicht sich entwürdigenden Frieden und Annehm- 
lichkeiten verschaffen können. Vor ihnen, wie vor den anderen, 
lag die ,trinodis necessitas^ die Wahl zwischen Tod, Sklaverei 
oder Koran. Sie hatten nicht zu sterben, denn sie hatten ein 
Werk zu verrichten. Dem Koran oder der Sklaverei zogen sie 
ein Leben voll Kälte, Ekitbehrungen, Mühseligkeiten und bestän- 
diger Gefahr vor. Das bt ihre , Magna Charta', und ohne Anderen 
nahe treten zu wollen, muß ich sagen, daß es die edelste in der 
ganzen Welt ist, die ich kenne.'' 

Obod wurde gleichzeitig befestigt und noch heute sieht man 
die Ruinen von „Ivanovgrad", der Ivansburg, wie die Monte- 
negriner sie nennen. Schon 1482 hatte er aber auch in Cetinje 
den Bau eines großen und von Zeitgenossen „sehr schön" ge- 
nannten Klosters nach dem Muster des Klosters Santa Maria 
Vergine in Ancona brennen, welches als Sitz für den Bischof, 
26 Mönche und 40 Zöglinge dienen sollte, und eine Kirche dazu. 
Der Stiftsbrief, unterzeichnet „Vojvoda Ivan Cmojevitf, Gospodar 
Zetski" (Herr von Zeta) und geschmückt mit dem Wappen (ein 

8* 



116 Vierter Zeitmum. 

zweiköpfiger goldener Adler mit zwei dreizackigen Kronen im 
roten Feld), trägt das Datum 4. Januar 6693 (:= 1485) und webt 
dem Kloster Ländereien am Lovden an. Ivan regelte auch die 
Naturalabgaben der Ansiedler im Beisein des Mitropoliten Visa- 
rion und des Bischofs Vavil, denn Visarion wurde von ihm 
angewiesen, künftighin den Titel eines ,,Mitropoliten von 
Zeta'^ zu flihren und in Cetinje zu wohnen, weil sein bisheriger 
Sitz auf der Insel Vranjina im See von Skadar zu unücher war. 
Auch sich selbst soll er einen „Palasf in Cetinje erbaut haben 
und auf dem Berge Sokol („ Falke ^') eine Burg. In Venedig 
und Ancona besaß er auch Paläste und in Venedig baute er 
auch die orthodoxe Kirche S. Oiorgio, welche noch heute den 
Orthodoxen dient. 

Ivan starb 1490 und wurde in der Kirche von Cetinje be- 
graben ^). Ihm folgte sein Sohn Gjuragj IV. und das bestätigt 
meine Vermutung, daß der „ Bruder '' Cjuragj IIL, dem Ivan 
1483 die Regentschaft überlassen hätte, in Wirklichkeit viel- 
leicht auch schon sein Sohn Gjuragj IV. war, in welchem Falle 
dann allerdings der Tod des Bruders Gjuragj III. 1450 am 
Öemovskopolje nicht unmöglich erschiene. (Im Stammbaum der 
Cmojeviö setzt Lenormant allerdings den Tod des Gjuragj III. 
auf 1459 fest) 

Gjuragj IV. ist dadurch bemerkenswert, daß er in der 
Druckerei zu Obod die ersten Bücher mit cyrillischen 
Lettern drucken ließ, von denen das Titelblatt eines Oktoich oder 
Osmoglasnik (achtstimmiges Kirchengesangbuch) vom Jahre 1493 
sich noch im Museum von Cetinje befindet. Aber viele Kirchen 
besitzen noch Bücher aus dem Jahre 1494, auf denen es heißt: 
„Auf Befehl des Herrn Gjuragj Cmojeviö im Jahre des Herrn 
1494, seit Elrschaffung der Welt 7002.^' Aus einem Psalter des 



1) Die Montenegriner glaubten, er schlafe nur in der Hohle unterhalb 
Obod (so wie Barbarossa im Ryffhäuser) und werde in den Armen einer Vila 
einst kommen, alle Serben zu befreien. Welchen Eindruck er hinterließ, be- 
weist auch der Umstand, daß man bald nach seinem Tode begann, die 
Zeta „Cmojeya Gora" zu nennen („Gebirge des Cmoje*Oi woraus dann ab- 
gekürzt „Cma Gora^* wurde, was die Venezianer mit Montenegro über- 
setzten. 



Montenegro bis zur Thronentsagung der Cmojeyidi. 117 

Makarije von 1495 geht hervor, daß Montenegro damals sogar 
eine zweite Druckerei in Ceti n je besaß, was mit der Uber- 
lieferang im Einklang steht, daß auch Ojuragj in Venedig eine 
Druckerei angekauft habe, die er dann nach Cetinje bringen ließ. 
Er soll überhaupt sehr viele Bücher gedruckt haben, aber lauter 
fromme. 

Mit den Türken scheint es nur einmal Krieg gegeben zu 
haben und zwar, als sein Bruder Stefan oder Stani§a (der 
Maksim des Volksliedes) mit einem türkischen Heere anrückte, 
um Montenegro für sich in Besitz zu nehmen. 

Hier ist die Sache nicht ganz klar. Was Lenormant nach 
dem Volkslied „Die Heirat des Maksim'' erzählt, ist derart un- 
geschichtlich und ausgeschmückt, daß man von ihm am besten 
absieht. Nach anderen wahrscheinlicheren Überlieferungen wäre 
Stefan (Staniäa) ehrgeizig und unbefriedigt nach dem Tode seines 
Vaters zum Sultan Bajazid H. gegangen, dem er sich erbot, 
Montenegro zu unterwerfen, wenn man ihm ein Heer anvertraue 
und die Herrschaft übergebe. Der Sultan hätte natürlich als 
Vorbedingung verlangt, daß Staniäa Türke werde, was er auch 
tat. Dann sei er von Iskenderijö angerückt, aber von Ojuragj 
bei Ljeäkopolje an der Mora^ geschlagen worden. Infolge- 
dessen sei er nach Iskenderijä zurückgekehrt, wo ihn aber die 
Einwohner nicht dulden wollten. Daher habe er sich im nahen 
Dorfe Bu^t niedergelassen und von diesem sei seinen Nach- 
kommen der Name Busatlija gegeben worden. Wir werden 
von dieser Familie noch sehr viel hören! 

Nach einer anderen Überlieferung wäre Stani^ noch zu Leb- 
zeiten seines Vaters 1461 nach Stambul gegangen und als er- 
nannter Vezir von Albanien und Montenegro nach Iskenderijä 
gekommen, von wo er zwölf Vornehme nach Montenegro sandte, 
um dort den Islam zu lehren. Nach einem halben Jahre wären 
sie aber von den erbitterten Montenegrinern niedergemacht worden. 
Der Versuch Staniäas, der mit der Niederlage von Ljeäkopolje 
endete, wäre dann zur Zeit geschehen, als Gjuragj mit der Be- 
erdigung des Vaters beschäftigt war. Diese Sage hat aber weniger 
Wahrscheinlichkeit für sich, weil 1461, zur Zeit Skanderbegs, 
sicherlich für StaniSa keine Veranlassung vorlag, nach Stambul 



118 Vierter Zeitraam. 

zu gehen. Wahrscheinlich ist ein solcher Entschluß nach dem 
Tode des Vaters, besonders, weil es damals sehr traurig mit 
der Zukunft Montenegros aussah. Lenormant weiß auch noch 
von einer dritten Lesart zu berichten: Im Jahre 1497, „als 
Qjuragj IV. starb '^^), wollte Tiref Bej, der in Iskenderijä be- 
fehligte, Montenegro mit Krieg überziehen, fürchtete jedoch Un- 
annehmlichkeiten mit dem Sultan, weil dieser mit Venedig im 
Frieden war und Venedig Montenegro als Schützling betrachtete. 
Er habe deshalb beim Proweditore Marchese Trevisano in 
Cattaro angefragt, ob ihm gestattet sei, Montenegro zu erobern, 
was dieser verneinte. Als aber im nächsten Jahre die Venezianer 
wegen Lepanto mit den Türken in Ejrieg gerieten, habe dies 
Staniäa benutzt, um den Feldzug zu beginnen, der in Ljeäkopolje 
endigte. „Das wäre also dann schon unter der (angeblichen) 
Regierung Stefans 11. gewesen.'^ 

Milakoviö behauptet, daß im Erlöster von Cetinje Urkunden von 
1495 vorhanden seien, in welchen die Söhne des Ivanbeg Qjuragj 
und Stefan genannt werden. Wenn das wahr ist (woran ich 
nicht zweifle), so müßte man erstens annehmen, daß die ganze 
Maksim-Sage eine Dichtung ist und daß Stanisa von Rechts wegen 
Stefan hieß (was auch wahrscheinlicher ist, weil es der Name 
seines Qroßvaters war). 

Wir kommen nun zu einer Zeit, über welche die Angaben 
der verschiedenen Quellen so weit auseinandergehen, daß es zum 
Verzweifeln ist! Ich will daher einfach wiedergeben, was darüber 
gesagt wird. 

Andrid schreibt: „Qjuragjs Ehe war nicht gesegnet fir 
starb in Italien 1497 ohne Kinder. Ihm folgte Stefan III. in 
der Regierung, Sohn jenes Qjuragj III., der am Öemovopolje ge- 
fallen ist Von ihm weiß man keine Taten. Vermutlich verhielt 
er sich ruhig. Er erreichte ein hohes Alter und starb in Cetinje, 
wo er auch begraben liegt. 

„Nach Stefans Tod folgte sein Sohn Ivan II. in der Regie- 
rung, verheiratet mit einer Venezianerin aus edlem Qeschlecht: 
Caterina Orio. Er regiert nur kurze Zeit, nämlich bis 1515. 



1) Er machte aber noch 1499 in Mailand sein Testament! 



Montenegro bis zur Thronentsagung der CmojeTiöi. 119 

Er hatte höchstwahrscheinlich zwei Söhne: Qjuragj und Mak- 
«im, weicher, durch eine unglückliche Heirat mit einer Venezianerin 
gezwungen, Renegat ward. (Bei Du Fresne Petar genannt) Nach 
Ivan IL folgte in der Regierung Qjuragj V., der bis 1516 re* 
gierte. Da er ein Nobile war, zog er auf Zureden seiner Frau, 
welche die üppigen Freuden Venedigs genießen wollte und ihrem 
Gemahl auch das rauhe Montenegro verhaßt machte, 1516 nach 
Venedig und übertrug im Beisein des versammelten Volkes die 
weltliche Regierung Montenegros und das Wappen seiner Ahnen 
dem damaligen Mitropoliten Vavil. Nachdem er die Kirche 
reichlich beschenkte, begleiteten ihn das Volk und Vavil bis 
Cattaro. . . . 

„Milutinovic verwechselt Qjuragj V. mit dem IV. und meint^ 
daß er ohne Kinder gestorben wäre. Vasilije Petrovid (ein späterer 
Vladika) hingegen gibt an, daß Qjuragj drei Söhne hatte: Kosta, 
Salomon und Ilija. Ersterer (nach Du Fresne Salomon) begab 
sich nach Ungarn, verheiratet mit einer adligen Venezianerin 
Contarini. Sein Sohn Ivan, verheiratet mit der adligen Vene- 
zianerin Oresta Valeria, führte das Dynastengeschlecht fort 
und hinterließ einen Sohn Vittorio, verheiratet mit der vene- 
zianischen Bojarin (!) El ena Balbi, der den zur Zeit Ferdinands I. 
und Zäpolyas berühmten Sohn und Anführer der Truppen Jo- 
hann hatte, den Stanmivater der Qrundherren von Maöva und 
Orosin, Cmojevid in Ungarn.^' 

Hören wir nun, was Medakovid sagt: „Dieser Qjuragj (nach 
Luccari Qrgur) verließ, weil kinderlos, Montenegro 1497 und 
ging nach Ragusa und von dort nach ItaUen, wo er kinderlos 
starb. Zu seinem Nachfolger und Regenten ließ er seinen Neffen 
Stefan zurück, den Sohn des 1450 gefallenen Qjuragj. Stefan 
starb hochbetagt in Cetinje und hinterließ das Reich seinem 
ältesten Sohne Ivan, der nur kurze Zeit regierte und mit der 
Katerina Orio verheiratet war, mit der er einen Sohn Qjuragj 
hatte, der auch venezianischer Nobile war. Auch Qjuragj regierte 
nur kurze Zeit; er verließ Montenegro 1516 und ging nach 
Venedig, die Qewalt dem Metropoliten Q er man übergebend. In 
männlicher Linie starben die Crnojevid in Venedig 1630 aus und 
in weiblicher 1660.'^ 



ISO Vierter Zeitraam. 

Lenormant dagegen erzählt: „Qjuragj IV. regierte nur 
sieben Jahre. Er starb 1497 und hinterließ den Thron einem 
anderen Prinssen, Stefan, Sohn des Gjaragj III., nach dessen 
Vater er genannt war, und der nach einjähriger Regierung 1450 
gestorben war. Unter diesem Ste&n war es, daß der abtrünnige 
Sohn des Ivan (StaniSa) den Titel eines Paäil von Scutari er- 
hielt und den Einfall in Montenegro machte. . . . 

„Stefan U. starb hochbetagt 1515 in Cetinje, wo er begraben 
ist Sein Sohn Ivan II. folgte ihm, regierte aber nur wenige 
Monate. Auch er hatte eine edle Venezianerin Catherine Orio 
geheiratet. Nachdem er aber im selben Jahr starb, folgte ihm 
sein Sohn Qjuragj, der noch sehr jung war und sich nach 
Vasilije mit der Venezianerin CatarinaDoria vermählte. Diese 
aber war das Leben im öden Montenegro nicht gewöhnt und be- 
stimmte ihren Qatten schon nach einem Jahre der Regierung zu 
entsagen und nach Venedig überzusiedeln. (Folgt eine gänzlich 
abgeschmackte Angabe aus Camerarius, nach welcher der Sohn 
des Qjuragj wegen Unannehmlichkeiten in Venedig zum Sultan 
gegangen und dort Muhammedaner geworden wäre.) 

„Gjuragj hatte in Venedig drei Söhne: Eosta, Salomon 
und Ilija, von denen Salomon keine Kinder hatte, Ilija der Stamm- 
vater des Patriarchen Arsenije Öamojeviö und später der unga- 
rischen Familie der Ma(3va wurde, während die Nachkommen des 
Eosta im 17. Jahrhundert in Venedig ausstarben.'^ 

Milakoviö berichtet, daß schon Gjuragj IV. 1499 auf 
Bitten seiner venezianischen Frau nach Venedig gegangen wäre, 
die weltliche Macht dem Mitropoliten von Cetinje übertragend. 
Dann fügt er sehr merkwürdige Noten bei, welche folgender- 
maßen lauten: 

„In dem zu Agram 1852 gedruckten Buche , Archiv zur 
Geschichte der Südslaven' 2. Band, 2. Teil, befindet sich eine 
Abschrift des Testaments von Gjuragj, dem Sohn des 
Ivanbeg, ausgestellt in Mailand 22. Oktober 1499, bzw. 7008 
nach Erschaffung der Welt, aus dem hervorgeht: 1) daß Gjuragj, 
dessen Gattin Elisabetta hieß und der mit seiner Familie zu 
Ende des 15. Jahrhunderts nach Venedig überaiedelte, Sohn des 
Ivan Crnojevid war, der 1474 und 1478 Scutari gegen die Tür- 



Montenegro bis snr Thronentsagung der Crnojeyi6i. 181 

ken verteidigte. 2) Daß dieser Gjaragj, ebenso wie sein Vater 
nicht nur noch immer das im früheren Vertrag mit Venedig er- 
wähnte Qrbalj besaß, sondern auch die Qrafschaft Paätrovid. 
3) Daß der Bruder (Stefan = Staniäa der Lieder) dieses Gjuragj 
tatsächlich zum Islam übergetreten ist und zwar unter dem Namen 
Skenderbeg. 4) Daß Gjuragj nicht nur die Söhne Eosta und 
Saiomon hatte, sondern auch Töchter und Schwestern, 
deren eine mit dem Vater des Trifun Buda aus Cattaro ver- 
heiratet war. 

,;Nach den Behauptungen des Vladika Petar I. und des 
Milutinovid hätten nur drei Cmojevid über Montenegro regiert : 
Stefan, Ivan und Qjuragj. Daß dies am wahrscheinlichsten 
sei, läßt sich nicht nur aus dem eben erwähnten Testament folgern, 
sondern auch aus dem ,Campidoglio Veneto^, in dem sich die 
Qeschlechtstafel der Cmojeviö folgendermaßen darstellt: Stefan 
Crnojevid hatte den Sohn Ivan, Herrn von Montenegro und 
Herzog von 2abljak. Dessen Gattin war Caterina Orio, von 
der er zwei Söhne hatte: Gjuragj und Stefan. Der erstere 
heiratete 1490 die Tochter des Antonio Erizzo und im selben 
Jahre starb sein Vater Ivan. Über Stefan wird nichts weiter 
gesagt (aber aus dem Testament geht klar hervor, daß er mit 
dem abtrünnigen StaniSa identisch ist, der bei Ljeäkopolje ge- 
schlagen wurde. S. G.); von Gjuragj aber heißt es, daß er bis 1499 
regierte, da er sich mit Familie nach Venedig zurückzog. Er 
hatte drei Söhne: Kosta, Saiomon (in Ungarn gestorben) und 
Ilija. Ersterer nahm 1530 die Tochter des Mattia Contarini 
zur Frau, die nach dem Goldenen Buch Maria hieß, und hatte 
von ihr einen Sohn Ivan, der sich zweimal verheiratete: erst 
mit der Tochter des Giambattista Alberti in 1560 und dann 
mit Orseta, Tochter des Gabriele Valeresso. Sein Sohn 
Vittorio heiratete 1590 Elena, die Tochter des Pietro Calvi, 
von der er einen Sohn Ivan und eine Tochter Faustina hatte, 
welche sich 1636 mit Gasparo Lodovico Delfin verheiratete. 
Ivan, der Sohn des Vittorio, wurde 1596 geboren und starb 
1660. Mit ihm starb das Geschlecht der Crnojevid aus/' 

An das Vorstehende knüpft Milakovid lange Erörterungen, 
indem er mitteilt, was Vladika Vasilije, Luccari (dessen wahrer 



188 Vierter Zeitraum. 

Name Lukarevid war), Mavro Orbini u. a. zu sagen wußten, 
worauf er sich der Überzeugung hingibt; daß Stefan IL, Ivan IL 
und Qjuragj V. gar nie lebten, daß mithin schon 1499 die 
Umwandlung Montenegros in einen theokratischen Staat erfolgt 
sei. Milakovid bestreitet, daß Gjuragj III. bei Öemovskopolje 
1450 gefallen sei, weil man erzählt, daß Stefan zusammen mit 
seinem Sohne Ivan an der Seite Skanderbegs durch 24 Jahre 
(also bis 1467) gegen die Türken gekämpft habe, auch meistens 
angegeben wird, daß Ivanbeg erst 1471 zur Regierung gekommen 
sei. Folglich könne Qjuragj UI. nicht vor 1471 gestorben 
sein, wenn er zusammen mit ihm regiert habe. (Dieser Beweis- 
grund scheint mir aber hinfällig, weil es durch nichts bewiesen 
ist, daß Qjuragj III. wirklich regiert hat, auch Stefan Cmojevid 
kaum bis 1471 gelebt haben kann. S. Q.) Milakovid bestreitet femer 
die Möglichkeit, daß Ivanbeg gegen den Ban Stefan von Bosnien 
gekämpft und dann dessen Tochter Maria geheiratet habe, weil 
Bosnien schon 1463 türkisch geworden sei. (Hier möchte ich aber 
bemerken, daß meiner Meinung nach eine Verwechslung mit dem 
Herzog Stefan von San Savva vorliegt, gegen den Stefan 
Cmojevid sicher gekämpft hat, weil er dabei seinen Sohn [Ivan] 
in dessen Qefangenschaft verlor und es deshalb auch höchst wahr- 
scheinlich ist, daß er zur Aussöhnung dann Maria, des Her- 
zogs Stefan Tochter, heiratete — möglicherweise in zweiter Ehe. 
S. Q.) Milakovid erwähnt ferner, daß im „Campidoglio Veneto^' 
von Stefan IL, Ivan H. und Qjuragj V. keine Rede sei, 
aber das scheint mir noch kein triftiger Beweisgrund für die 
Kichtexistenz dieser drei Begenten, weil eine Auslassung höchstens 
ein negativer, niemals aber ein positiver Beweis sein kann. Be- 
denklich erscheint mir aber die Angabe des „ Campidoglio '', daß 
Ivanbegs Qattin dieCaterina Orio gewesen sei. Wenn man 
nicht annimmt, daß diese seine dritte Qattin war, so könnte man 
an eine Verwechslung mit einem Ivan II. glauben, der möglicher- 
weise (sogar wahrscheinlich) nicht Enkel, sondern Sohn 
des Qjuragj IH. gewesen sein kann und die Caterina Orio hei- 
ratete. Dann wäre es auch begreiflich, daß er seinen Sohn nach 
dem eigenen Vater Qjuragj nannte und dieser sich 1516 eben- 
falls nach Venedig zurückzog, wo er ohne Nachkommen starb. 



Montenegro bb zur ThronentsagODg der Cmojevici. 18t 

Damit ließen sich die beiden abweichenden Lesarten vereinen und 
die meisten Widersprüche erklären. Will man dies aber nicht 
annehmen, so muß man sich Milakovid anschließen, der die Cmo- 
jevidi schon 1499 mit Gjuragj IV. über Montenegro zu herrschen 
aufhören läßt. Uüd ich muß sagen, daß mir dies noch am wahr- 
scheinlichsten vorkommt, weshalb ich den Stammbaum der Cmo- 
jeviöi dementsprechend gestaltete. 



Fünfter Zeitraum, 

Montenegro ein theokratischer Staat unter Ter- 
• sehledenen Bisehöfen. (1499—1700.) 



15. Montenegro nnd Albanien Im 16. Jahrhundert. 

(1500—1600.) 

Alle Quellen stimmen darin überein, daß der letzte Crnojevid 
— mag er nun Gjuragj IV. oder V. gewesen sein — bei seiner 
Abdankung die weltliche Gewalt dem Mitropoliten von Cetinje 
tibertrug 9 tlber dessen Namen jedoch die Quellen abweichen. 
Einige nennen ihn Vavil^ andere Ger man. Nun sei vor allem 
darauf aufinerksam gemacht, daß es schon zur Zeit der Einsetzung 
des ersten Mitropoliten^ Visarion, hieß, bei seiner Ernennung 
sei auch der Bischof Vavil zugegen gewesen. Dies ist insofern 
unklar, als es doch damals keine zwei Bischöfe gegeben haben 
kann. Ich möchte dies daher eher so auslegen, als ob der spätere 
Bischof Vavil bei der Feierlichkeit zugegen gewesen sei, was der 
Chronist eben hervorheben wollte; und weil er wußte, daß dieser 
Vavil später ebenfalls Bischof wurde, gab er ihm gleich diesen Titel. 

Über die Namen der Vladike, welche im 16. und 17. Jahr- 
hundert über Montenegro herrschten, gehen die Quellen ausein- 
ander. Nachstehend gebe ich in erster Linie die Namen, wie sie 
sich bei Milakovid finden, der dazu bemerkt, er habe jene, bei 
denen auch ein Jahr seiner Regierung angegeben sei, aus den 
Urkunden des Klosters von Cetinje gezogen, wonach man 
also schließen kann, daß diese vollkommen verläßlich sind. Da- 
neben habe ich jene Namen und Jahreszahlen gesetzt, welche 
Lenormant angibt. Die dritte Reihe gibt Namen und Jahreszahlen 
so, wie sie sich bei Andrid finden. 



Mbntoiiegro und Albanien im 16. Jahrhundert. 



186 



Vavü 

German 

Pavle Vasilije 

Nikodim 

Romillje 1551 

Pahomije Komanin 

1568 
VeDJamin 1582 
Ruyim Njeguä 1631 
Mardarije Eomedanin 

1659 
Rttviin Boljevid 1675 
Vaailije Veljekrajski 
Visarion Bajce 1689 

(1685) 
Sava Ealugjeriöid 



Vavil 1516 
Gterman 1520 
Pavle 
Nikodim 
Makarije 1549 
PachomioB 1590 



Vavil 1498 bzw. 1516 
Qerman 1520 
Pavle 1530? 
Nikodim 1540? 
Makarije 1550 
Pahomije ca. 1591 



Rafim I. 1600 Ruvim Boljeviö 



Rufim II. 1620? 
Vasilije 1650? 
Visarion 1680? 

Sava 1692 



Ravim II. Njeguä 
Vaailije I. Veljekrajaki 
Visarion Boriloviö Bajce 

Sava I. Odinid 



Odinid 1695 

Wie man sieht, fehlen bei Lenormant und Andrid die Vladike 
Venjamin und Mardarije gänzlich und fUr die andern werden 
teilweise ganz verschiedene Jahreszahlen gegeben, auch befinden 
sich Milakovid und Andrid bezüglich der beiden Ruvim im Gegen- 
satz, ersterer nennt den Makarije Romilije. Das allein beweist 
schon, daß wir über die ersten zwei Jahrhunderte theokratischer 
Herrschaft nur wenig verläßliche Quellen besitzen. Darum ist 
auch dieser Teil der montenegrinischen Geschichte ziemlich 
lückenhaft und spärlich. Wie dann auch die Quellen über die 
Vorgänge jener Zeit abweichen, werden wir bald sehen. 

Vorausschicken möchte ich noch, daß zwar der Vladika oder 
Mitropolit das Oberhaupt von Montenegro war, jeder von ihnen 
aber an seiner Seite einen weltlichen „Quvernatur'' oder Upra- 
vitelj (Regenten oder Leiter) hatte, der ihm die weltlichen Sorgen 
tragen half. Wir werden sehen, daß diese Guvematuren später 
die Macht an sich rissen und die eigentlichen Regenten Monte- 
negros wurden • — ein Verhältnis, das man am besten mit 
jenem Englands vergleichen kann, wo zwar der König nominell 
der Herrscher ist, aber die Regierung ausschließlich Sache des 
von der Parlamentsmehrheit gewünschten Lord Schatzkaozlers ist. 



199 Fünfter Zeitiaum. 

dem sich der König fügen muß. (Daher kam es auch, daß die 
Königin Viktoria 1880 in der säuern Apfel beißen mußte, dem von 
ihr tödlich gehaßten Qladstone an Stelle des von ihr vei^tterten 
Disraeli die Regierung zu übertragen, weil ersterer der Erkorene 
des Volkes war und der Palast in England nichts zu sagen hat) 

Es ist daher von Interesse, auch die Namen der Quver- 
naturen zu kennen, welche zur selben Zeit in Montenegro re- 
gierten, und deshalb gebe ich nachstehend eine Liste. Nur läßt 
mich diesmal Milakovid im Stich, indem nur Lenormant und An- 
drid die Namen der Regenten geben. Auch hier gibt es Abwei- 
chungen. Die von Lenormant gegebenen Namen umfassen alle 
Quvematuren von 1516 — 1790, jene von Andrid (bei dem RajSe- 
vid fehlt) nur die von 1511 — 1711. 
Jovan Vukotid (1624 Martinovid Jovan Vukotid 

erwähnt) Petrovid Stanislav (Stanko) 

Punoäevid Ramadanovid Radonjid 

Radonjid Mijuäkovid (1711) Jovan Radonjid 

Tomanovid Vudeta Bogdanovid Joko Radonjid. 

Milid Vukota Vukasinovid 

Vuk Rajöevid Nikola Lazarevid 

Alle diese Guvematuren entstanmiten der Katunska Nahijai 
deren Hauptort Cetinje ist und deren BLapetani sie gleichzeitig 
waren. 

Was den ersten Vladika Vavil betrifit, so schreibt über 
ihn Andrid folgendes: 

„Er war schon im Jahre 1493 Mitropolit und unter ihm wurde 
der Oktoich und Psalter, das älteste Denkmal serbischer Buch- 
druckerkunst, dann 1512 ein Evangelium des Makarije gedruckt. 
Er brachte den Rest seines Lebens in Cetmje in Ruhe zu, um 
den Zorn des furchtbaren türkischen Kaisers Sulejman nicht zu 
erwecken, welcher damals Bosnien und die Hercegovina angriff. 
Der ohnehin hochbejahrte Vavil starb bald darauf und hinterließ 
die weltliche und geistliche Regierung dem Mitropoliten Ger man. 
Regierungsjahr und Qeburtsjahr desselben sind unbekannt. Ver- 
mutlich wurde er 1520 zum Mitropoliten gewählt und vom Volk 
bestätigt. Im Jahre 1522 marschierte jener unglückselige Renegat 
Petar auf Befehl Sulejmans gegen sein Vaterland und unterwarf 



Montenegro und Albanien im 16. Jahrhundert. 187 

einen Teil desselben den Türken. Montenegro blieb daher auf 
die Eatunska Nahija beschränkt/' 

Medakoviö weiß über die erste Zeit nach der Abdankung 
Gjuragjs IV. zu erzählen, daß der türkische Befehlshaber in 
Iskenderjö, den er Firuz Bej nennt, am 24. Juni dem vene- 
zianischen Bofehlshaber von Cattaro, Marchese ,,Trevisario'' 
(wohl Trevisani), schrieb, er gedenke jetzt Montenegro zu be- 
setzen, worauf ihm der Venezianer antwortete, das dürfe er nicht 
tun, denn auf Montenegro hatten die Türken niemals und hätten 
auch jetzt keinerlei Rechte, zudem wolle das Volk nichts von 
einer türkischen Herrschaft wissen und so sei es besser, er würde 
lieber nicht mit dem Volke kämpfen. So hätte also die Republik 
schon damals die Unabhängigkeit Montenegros tatsächlich an- 
erkannt, wie sie dies ja auch später tat, als sie wiederholt mit 
Montenegro Verträge abschloß und seine Bundesgenossenschaft 
erbat. 

Das Qanze ist offenbar gleich mit der bereits geschilderten 
Geschichte zwischen Tiref Bej und dem Marquis Trevisani. 

Dann geht Medakovid auf die Erzählung des auch von Andrid 
erwähnten Einfalls des Renegaten Petar über, von dem er sagt, 
daß er der 1450 in der Schlacht am Öemovskopolje in Qefangen- 
schaft geratene jüngere Bruder des Ivanbeg war, welcher ge- 
zwungen wurde, Muhammedaner zu werden und nun 1522 gegen 
sein Vaterland ins Feld zog. 

Nun muß hier vor allem bemerkt werden, daß es ein Ding 
der Unmöglichkeit ist, was Medakovid hier behauptet. Man muß 
doch annehmen, daß Petar bei seiner Gefangenschaft mindestens 
18 Jahre alt gewesen sei, folglich hätte er im Jahre 1522 bereits 
das ehrwürdige Alter von 90 Jahren gehabt, und wenn er während 
dieser ganzen 72 Jahre niemals an Krieg gegen sein Vaterland 
gedacht hatte, so ist es lächerlich, annehmen zu wollen, er hätte 
jetzt plötzlich als neunzigjähriger Greis dieses Bedürfnis gefühlt. 
Und zwar ganz ohne Zweck und Anlaß! In seiner Stammtafel 
macht Andrid diesen Renegaten Petar (dem er auch den Namen 
Maksim beilegt) zum Bruder des Gjuragj V. (dessen Nicht- 
existenz Milakovid ziemlich wahrscheinlich nachgewiesen hat), 
welcher nach seiner Angabe erst 1516 abgedankt hätte, so daß 



188 Fünfter Zeitniam. 

<lann natürlich der Einfall seines Bruders Petar erklärlich w&re^ 
weil man annehmen könnte^ er habe vielleicht Montenegro als Erb- 
schaft nach seinem Brader in Anspruch genommen. Aber bei Licht 
betrachtet, ist auch dies sehr unwahrscheinlich, weil sich derselbe 
Vorgang schon früher abgespielt hat, als der wirkliche Renegat 
und Bruder des Ivanbeg, Stefan (Stanisa), in Montenegro ein- 
fiel und bei Ljeäkopolje geschlagen wurde. Auch dieser Stefan 
wird vom Volkslied Maksim genannt, und der Umstand, daß 
man dieses Volkslied ernst nahm, erklärt die ganze geschichtliche 
Verwirrung. Denn auch Lenormant gibt dieselbe Stammtafel 
wie Andrid und erwähnt im Text den Einfall des Petar als Ur- 
sache der späteren Abtrünnigen in Montenegro: weil er nämlich 
Montenegro mit Ausnahme der Eatunska erobert habe. 

Es ist also vielleicht möglich, daß irgendein Montenegriner 
namens Petar, welcher Renegat geworden war — möglicherweise 
sogar der Sohn oder Enkel des am Öemovskopolje gefangen ge- 
nommenen Prinzen Petar — , im Jahre 1522 einen Versuch machte, 
Montenegro fUr den Sultan Sulejman den Großen zu unterwerfen 
und daß er vielleicht wirklich das Land mit Ausnahme der Katunska 
unterwarf; aber der Bruder des Ivanbeg war dies sicher nicht! 

Lenormant sucht den Zwiespalt zu klären, indem er an- 
nimmt, daß erst der Renegat Staniäa und dann der Renegat 
Petar Versuche gemacht hätten, Montenegro zu unterwerfen. 
Aber dadurch wird die Sache nicht klarer. 

Mittlerweile hatten die Türken ihre Elroberungen gegen Norden 
fortgesetzt, und im Jahre 1523 den Ungarn alle Eroberungen des 
Hunyädy Jänos abgenommen, ausgenommen wenige feste Plätze, 
unter denen sich in Bosnien Srebrenica, Te§anj, Sokol, Jajce, 
Banjaluka und Orbac befanden. Aber selbst die erstgenannten 
drei Plätze fielen 1523 und Jajce wurde nun von den Türken 
bestürmt. Als dies in Montenegro bekannt wurde, sammelte der 
damalige Guvematur JovanVukotiö (Stammvater der Königin 
Milena von Montenegro) seine Montenegriner und zog den Be- 
lagerten zu Hilfe. Er brachte auch glücklich 1524 Entsatz, was 
um so höher zu veranschlagen ist, als die Christen zusammen 
lange nicht so stark waren wie die 20000 Mann zählenden Be- 
lagerer. Es wird aber eigens hervorgehoben, daß die schon 



Montenegro und Albanien im 16. Jahrhundert. U9 

damals unwiderstehliche Tapferkeit der Montenegriner den Sieg 
brachte. 

Diesem Siege ist es vielleicht zuzuschreiben, daß die Türken 
solche Achtung vor den Montenegrinern bekamen , daß sie es 
durch 46 Jahre nicht wagten, Montenegro anzugreifen. Bosnien 
allerdings konnten die Montenegriner nicht retten, denn nachdem 
die Magyaren im Jahre 1526 bei Mohics dem Halbmond erlegen 
waren und ihr König im Sumpf erstickt war, wurde Ungarn 
türkische Provinz und blieb es durch mehr als 160 Jahre, bis es 
von den Deutschen befreit wurde. (Den Dank daftir zahlen 
sie heute den Deutschen durch die unerhörte Vergewaltigung der 
in Ungarn lebenden 2 Millionen Deutschen!) 

Über die lange Friedenszeit weiß Andrid zu berichten: 

„Vladika Makarije war zu Kornet bei Ljes geboren. 
Unter ihm wurde ein im Kloster Bodiani in der Baöka noch 
vorhandener Psalter 1550 zu MiIe§evo, 1566 ein Triod zu 
Mrk§ina, 1562 ^) ein Evangelium gedruckt, was dessen Begierungs- 
jahre beweist. 

„Nach Makarije regierte der Mitropolit Pahomije, geboren 
zu Zaöir in der Rijeöka Nahija '). Dieser druckte schon 1519 
als , Priestermönch von Cmagora' in Venedig ein Dienstbuch mit 
Evangelien, 1544 einen Psalter zu MUe§evo, d. i. zur Zeit, als 
Mardarije Igumen in Van war, 1554 eine Liturgie unter 
Bozidar Vukovid und in Venedig 1591 einen Psalter unter dem 
Dogen Lunard (Lionardi?) zur Zeit des Sultans Selim Beg. (? Ein 
Sultan hat doch nicht den Titel ^BegM) 

„Nach Pahomijes,. unbekannt wann, erfolgendem Tod trat 
Ruf im I., geboren zu Crmnica vom Stamm Boljeviö, aus welchem 
Stamm die späteren Plamenac, Knezevid usw. hervorgingen. 



1) Andriö schreibt wohl 1568, weil er aber das Jahr 7070 angibt, 
welches dem Jahre 1562 entspricht, liegt ofienbar ein Drackfehler vor. (Das 
schlechte Deutsch des Andriö mafi durch seine serbische Nationalität ent- 
schuldigt werden.) 

2) Montenegro war und ist noch in Kreise (Nahije) eingeteilt, von 
denen die Katunska, Rijedka, Crmni^ka und Ljedanska nebst Primorje das 
eigentliche Montenegro bilden, Bjelopayliöi, Piperi, Vasojevidi, Moraöka und 
Kuöka die Brda (Berge). 

Qop^evld, Montenegro nnd Albanien. 9 



ISO Fünfter Zdtiaam. 

^y Unter der Regierang des Vladika Rufim I. kehrten einige 
Stämme in den Schoß der orientalischen Kirche, welcher sie durch 
die Bemühungen albanesischer Priester und der römischen Propa- 
ganda durch Annahme des römischen Ritus entzogen wurden, 
zurück. Diese Stämme sind die Kuii Bratono^idi und Drekaloviöi/^ 

Hier irrt sich aber Andri<5. Denn aus dem Bericht Bolizzas 
von 1612 geht hervor, daß nur die Bratonoziöi und Vasojevidi 
der orthodoxen Kirche angehörten, die Drekaloviöi der römischen. 
Es liegt da offenbar eine Verwechslung mit dem andern Ruvim 
vor, der 1675 regierte und damals die Drekaloviöi teilweise zur 
orthodoxen Kirche zurückbekam. Denn heute noch sind etwa 
15000 von ihnen Katholiken. (Wenigstens waren sie es noch 
1875 während meines Aufenthalts in Montenegro, wo mir der 
Fürst selbst dies sagte.) 

Erst 1570 wagten die Türken einen Einfall, indem der Bej- 
lerbej von Rumill mit einem starken Heere anrückte, aber nach 
mehreren Qefechten schmählich den Rückzug antreten mußte. 

Über die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts sind die Quellen 
sehr spärlich. Karadzid schreibt: „Nach altem Gebrauche wurden 
die früheren Mitropoliten von Zeta und so auch jetzt jene von 
Cetinje durch den serbischen Patriarchen in Ped (Ipek), der ge- 
wöhnlich nur alle sieben Jahre in diese Eparchie zur kanonischen 
Visitation kam, geweiht Als nun Nikodim, der dritte Mitropolit 
nach Qerman (er war aber der zweite nach ihm und regierte in 
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts! S. Q.), einige Jahre 
vor dem Besuche des Patriarchen unerwartet starb und sich nie- 
mand traute,' mitten durch die Türken nach Peö zu gehen, sa 
blieb das Land ganz ohne Mitropoliten. Da der Sand2ak-Beg 
sich in seiner Meinung bisher getäuscht sah (nämlich, daß die in 
Montenegro ansässigen Muhammedaner allmählich das Volk zur 
Unterwerfung unter die Pforte veranlassen würden. S. (}.), sa 
glaubte er nun eine solche Qelegenheit nicht länger unbenutzt 
lassen zu dürfen. 'Er schickte sich deshalb zu ernsten Unter- 
nehmungen an, und mit Hilfe der muhammedanischen Monte- 
negriner gelang es ihm, sich der Festung Obod und damit zu- 
gleich des Marktplatzes, dessen die Montenegriner nur schwer ent- 
behren können, zu bemächtigen, wodurch die muhammedanischen 



Montenegro und Albanien im 16. Jahrhundert. 181 

Montenegriner größtes Ansehen and Qewicht erlangten. So blieb 
es, bis Visarion, der siebente Mitropolit (er war aber der 
ZwQlfte und kam erst 1689 zur Regierung 1 S. G.), sich durch 
die Republik Venedig bereden ließ, von der bisher firiedfertigen 
Maxime abzugehen und die Türken in den Jahren 1620 bis 1623 
anzugreifen . . .'' (Damals regierte aber nach den Elosterurkunden 
Venjaminl S. Q.) 

Nicht klarer wird die Sache durch Lenormant, welcher zu- 
nächst dieselbe Geschichte von dem siebenjährlichen Besuch des 
Patriarchen erzählt, aber als näheren Zeitpunkt angibt, dies wäre 
nach dem Tode desMakarije geschehen, der einige Jahre nach 
dem Einfall von 1570 gestorben sei. Wenn man nun annimmt, 
daß der Romilije der Cetinjer Elosterurkunden von 1551 mit 
dem Makarije identisch ist, so steht es doch nach den Eloster- 
urkunden außer Frage, daß sein Nachfolger Pahomije schon 
1568, also vor dem erwähnten Türkeneinfall regierte. Und zur 
Zeit, da Lenormant und Andrid den Pahomije zur Regierung 
kommen lassen (1590 bzw. 1591), war nach den Ellosterurkunden 
schon seit 1582 Venjamin am Ruder. Wie dem auch sei, 
Lenormant erzählt weiter, daß Ali Paää von Skodra dies benutzt 
habe, um mit Hilfe der muhammedanischen Montenegriner sich 
nach heftigen Eämpfen der Festung Obod zu bemächtigen und die 
Umgebung zu zwingen, dem Sultan den Haraö zu zahlen. Da- 
durch sei die montenegi mische Eultur geschädigt worden, denn 
als dann 1591 Pahomije Vladika wurde und den Eirchen, 
welche durch den Türkeneinfall ihre Bücher verloren hatten, 
andere liefern wollte, &nd er die in Obod befindlich gewesene 
Druckerei von den Türken zerstört und mußte sich deshalb nach 
Venedig wenden. 

Hier möchte ich bemerken, daß es sich vielleicht um den 
Einfedl des Ali Feäi Memibegovid von Skodra aus dem Jahre 
1604 handelt, aber die Zeitverwirrung ist darum nicht geringer. 
Wie aus S. 129 ersichtlich ist, hat Pahomije tatsächlich 1591 ein 
Buch in Venedig drucken lassen. Aber wie reimt sich das 
mit den von Milakovid erwähnten Elosterurkunden, nach welchen 
er schon 1582 durch Venjamin ersetzt worden wäre, also bereits 
tot gewesen sein muß? Endlich, wenn die Türken Obod besaßen, 

9* 



182 Fünfter Zeitraum. 

wie konnte der Vladika dann dort feststellen, daß die Druckerei 
zerstört war? Aus verschiedenen Gründen möchte ich daher an- 
nehmen, daß die Einnahme von Obod durch die Türken vielleicht 
ein Jahrhundert später stattfand. 

Wenden wir nun unsere Blicke nach Albanien. 

Mit Skanderbegs Tod war der Widerstand Albaniens ge- 
brochen, denn jene Helden, welche an seiner Seite gefochten hatten, 
waren tot oder sie hatten (wie Ivanbeg) ihr eigenes Gebiet zu 
verteidigen. 

Viele Albanesen wanderten nach Süditalien aus, wo ihnen 
Neapel eine Freistätte anbot. Mittelalbanien stellte sich 1492 unter 
den Schutz des Carlo Emmanuele von Savoyen. Nur noch einige 
Eüstenstädte blieben im Besitz der Venezianer, aber auf nicht 
mehr lange. 

Schon im nächsten Kriege (1501) nahmen die Türken Du- 
razzo. Dulcigno und Antivari blieben venezianisch bis 1571. 

Ulcin, von den Türken Ulkün und Olgun genannt, ftihrte 
im Altertum den Namen Ulcinium und noch früher Olehinion, 
nachdem es, wie Plinius erzählt, von flüchtigen Eolchern als 
Eolchinion gegründet worden. Danach würde sein Alter bis auf 
Jasons Argonautenzug zurückreichen. Aeta, König von Kolchis, 
hatte Absyrtus mit einem Geschwader ausgesandt, um Jason 
zu verfolgen, der seine Tochter entführt hatte. Absjrtus, deren 
Bruder, wurde jedoch auf einer adriatischen Insel durch Verrat 
ermordet, die Kolcher, seiner Führung beraubt, verzichteten auf 
fernere Nachforschungen und ebenso auf die Heimkehr, da sie 
den Zorn des Königs fürchteten. Ein Teil ließ sich auf den 
dalmatinischen Inseln, ein anderer Teil in Istrien nieder, wo er 
Pola gründete, der Rest baute Kolchinion. Während des Krieges 
der Kömer gegen den letzten lUyrier-König G^ntius erklärten sich 
die UIcinier gegen ihn, weshalb sie von den Römern frei und 
aller Steuern ledig gesprochen wurden. Nach der Teilung des 
römischen Reiches kam Ulcinium unter die byzantinischen Kaiser, 
denen es im 11. Jahrhundert durch Serben, Ungarn und Vene- 
zianer entrissen oder bestritten wurde, bis es endlich nach 1180 
in den Händen der Serben blieb, welche es bis 1408 behaupteten. 
Im genannten Jahre besetzten es die Venezianer, behauptend, es 



Montenegro und Albanien im 16. Jahrhundert. ISS 

gehöre zu den von Montenegro verkauften Küstenplätzen. Damals 
sprach noch die Bevölkerung ein Mittelding zwischen Italienisch 
und Lateinisch. Die Venezianer besaßen Dulcigno bis 1571. 
In diesem Jahre belagerten es die Türken unter Ahm^t Paää. 
Sarra Martinengo, welcher darin befehligte, hatte italienische 
und französische Söldner zur Besatzung. Diese verteidigten sich 
lange, weil aber kein Entsatz kam, ergaben sie sich gegen freien 
Abzug. Kaum war die Übergabe unterzeichnet, als die Jani- 
Saren in die Stadt drangen, unter dem Verwände, die Posten ab- 
zulösen und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Sobald sie jedoch 
in der Stadt waren, begannen sie die Besatzung und die Bevölke- 
rung niederzumetzeln, plünderten, schändeten, brannten und zer- 
störten nach Herzenslust. Martinengo allein, mit einem Dutzend 
Gefährten, war so glücklich, in einem Boote zu entkommen. Die 
Stadt wurde gänzlich zerstört, die wenigen Einwohner, welche 
noch übrig blieben, flohen in die Berge, und Albanesen bauten 
sich an der Stelle an, wo Dulcigno gestanden hatte. 

Was Bar betrifii, so hatte diese Stadt eine glänzende Ver- 
gangenheit. 877 war sie bereits Bischofssitz. Barletius schreibt 
über sie im 15. Jahrhundert: „Antivari, eine Stadt von 2 Meilen 
Umfiuig, ist außerordentlich alt. Römische Kolonie, wurde sie von 
den Gallo - Griechen zerstört und von der serbischen Königin 
Jelena, Gattin Simeon (? Ste£an UroS III.?) Nemanjas, wieder 
aufgebaut.^' Sie besaß damals 4 Kirchen und 30 Klöster. 

Im Mittelalter war die Stadt (Antibarum oder Antivaris ge- 
nannt) einer der ersten Plätze an der ostadriatischen Küste. Die 
Regierung der Republik, welche sie bildete, befand sich in den 
Händen der Aristokratie, der Familien Bazan, Boris ^), Churiaze ^), 
Cratech^), Goya, Maruscho, Miros ^), Prode^), Rugi (Ruzi), Sa- 
moili ^), Tichoie ^), Zentivaglia ') usw. Ihre Wappen sah man noch 
bis in die jüngste Zeit an mehreren Palastruinen angebracht. 
Viele Geschlechter, wie die Goliebo und Nale, waren zugleich 
Bürger von Ragusa. „Judices, consiliarii et commune civitatis 



1) Wohl ventümmelte serbische Namen, die richtig Boriö, Öorid, Kratii^, 
Miroi, Prokljet, Zamojliö, Tihoje ra lesen wären. 

2} Wohl der verBtümmelte italienische Name Centivoglio. 



184 Fünfter Zeitraum. 

Antibari'' wird im 14. Jahrhandert als Adresse der Obrigkeiten 
angeführt. Dieselben gründeten ihre Macht auf die Vorrechte 
serbischer Herrscher, durch welche den Antibarensem vollkommene 
Selbstregierung belassen war, so daß ihre Republik fast unabhängig 
genannt werden konnte. Den serbischen Landesherm vertrat ein 
Comes, meistens ein eingeborener Lateiner. Seit 1427 hatte 
Antivari ein eigenes Gesetz. Die Berufung in schwierigen Fällen 
ging jedoch an die Gerichte der eng befreundeten Bepublik Bagusa. 
Als Sitz eines Erzbischofe; dessen Sprengel ganz Nordalbanien und 
später auch die zerstreuten Liateinergemeinden des Binnenlandes 
umfaßte, hatte Antivari auch den kirchUchen Vorrang vor den 
Nachbarstädten. Von dem einstigen Beichtum der Stadt zeugt der 
Umstand, daß sie dem montenegrinischen Fürsten Gjuragj 
BalSid um 1380 jährlich 2000 Dukaten Tribut zahlte. Während 
der venezianisch- montenegrinischen Kriege und noch mehr unter 
der venezianischen Herrschaft (1441 — 1571) sank die Stadt von 
ihrer einstigen Höhe rasch herab. In der Mitte des 16. Jahrhunderts 
zählte sie kaum 2500 Einwohner und von 64 Adelsgeschlechtem 
bestanden damals nur noch zwölf. Der Nationalität nach waren 
die Einwohner Bomanen und amtierten lateinisch und italienisch, 
doch war Serbisch und Albanesisch jedermann geläufig. Die Be- 
wohner der Vorstädte waren Serben ^). Unter der Türkenherrschaft 
(1571 — 1878) konnte sich Antivari natürlich nicht erholeU; bis es 
endlich 1878 seinen vollständigen Untergang tkni, 

1538 hatte der Pa§ä von §kodra den Feldzug Sulejmans 
in Dalmatien dazu benutzt, mit 15000 Mann Antivari zu belagern. 
Schon stand er auf dem Punkte, sich der Stadt zu bemächtigen, 
als noch rechtzeitig venezianischer Entsatz eintraf, der den PaSä 
zum Aufheben der Belagerung zwang. 1571 ging die Stadt durch 
die Feigheit ihres Befehlshabers Alessandro Donato in den 
Besitz der Türken über. Als jener nämlich vom Herannahen eines 
türkischen Heeres vernahm, ergriff er mit der Besatzung eiligst 
die Flucht und überließ die Stadt ihrem Schicksale. Die Bewohner 



1) Jireiek, Die Handelsstraften und Bergwerke von Serbien und Bos- 
nien während des Mittelalters, S. 64. Ich kann dieses Torzügliche, von 
gründlichen Studien zeugende Werkchen nur wärmstens empfehlen. 



Zustände in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 1S5 

ergaben sich anter ehrenhaften Bedingangen^ doch wurden diese 
von den Türken nicht lange geachtet. Viele wanderten daher 
aus^ andere wurden Muhammedaner. Johann VIII., Erzbischof 
von Antivari| hatte sein mögliebstes getan, den elenden Donato 
zum Bleiben zu bewegen, dafür wurde er gefangen und dem 
Admiral Ali PaSä zuerkannt. Aus Rache über seine Niederlage 
zur See (bei Lepanto 7. Oktober 1571) ließ dieser den Erzbischof 
überall in seinen geistlichen Gewändern spazieren fähren und dann 
aufhängen. 

Albanien bildete unter den Türken ein Paäalik, dessen Ge- 
schichte von nun an größtenteils Kriege gegen Montenegro und 
Kämpfe mit den Maljisoren-Stämmen enthält 

Weil die Skjipetaren mit den geldgierigen türkischen Paääs 
unzufrieden waren, erhoben sie sich, schlugen den türkischen Feld- 
herm Pasvän Oglä (ogul = Sohn) und bewirkten hierdurch, 
daß von nun an nur Einheimische zu Paääs gemacht wurden. 
Der erste davon war Ibrahim (Abraham) aus der Familie der 
Mahmud („der RühmUche^') Bejoli von Peö, eben der Anführer 
der Aufständischen. Dieses Ereignis besingt ein sehr schönes albane- 
sisches Volkslied von 1572, das ich in meinem „Oberalbanien'', 
S. 517 — 519 wiedergegeben habe. 



16. Die Zustände in Montenegro und Albanien zu 

Beginn des 17. Jahrhunderts. 

Über diese Zustände besitzen wir eine sehr wertvolle Urkunde 
in dem Bericht Bolizzas (der eigentlich Buliö hieß), welcher 
sich im venezianischen Archiv befindet und den Titel führt: 
„Belatione et descrittione del sangiacato di Scuttari, dove si da 
piena contezza delle dttk et siti loro, villaggi, case et habitatori, 
rito, costumi, havere et armi di quei popoli et quanto di desi- 
derabile minutamente si contenga in quel ducato, fatta da Ma- 
riano Bolizza, nobile di Cattaro 1614/' 

Weil diese Handschrift von größtem Wert f&r das Verständ- 
nis der Zustände jener Zeit ist, gebe ich sie hier in auszugsweiser 
Übersetzung wieder, soweit ich solche nicht schon in meinem 
„Oberalbanien'', S. 578—586 veröffentlicht habe. 



!(• Ffiniter Zeitraum. 

Nach einer vom 25. Mai 1614 datierten Einleitung folgt ein 
InhaltsverzeichniB der Beschreibung des Sand&ks Scutari, ,, welches 
g^enwärtig von Mehemed Beg BaliSjenovid beherrscht ist'^ 
Die Beschreibung zerf&llt in sechs Hauptteile: Montenegro, Anti- 
vari, Duldgno, Scutari, Podgorica, Flava. 

Schon in der Einleitung spricht Bolizza davon, daß er die 
fraglichen G^egenden durch wiederholte Reisen ausgezeichnet kenne, 
und wir hören, daß die Montenegriner damals die Briefträger 
zwischen Venedig und dem G^esandten (Bailo) zu KonstantiAopel 
waren. Ebenso erfahren wir, daß die Türken in der letzten Zeit 
zweimal mit großer Macht Angri£fe auf die „Q«birgsrebeUen'' 
unternahmen, ohne Erfolg zu erzielen. Damit dürften wohl die 
später zu schildernden Angriffe der Türken auf Montenegro in den 
Jahren 1604 und 1612 gemeint sein. 

Über Montenegro (das er schon so nennt und nicht, wie 
man gkuben sollte, Montenero) sagt Bolizza zunächst, daß es 
von Cattaro, Paätroviöi, dem Scutari-See, der Morato und Pod- 
gorica und dem Herzogtum Hercegovina begrenzt sei. Dann be- 
schreibt er die Lage von 2abljak, das damals 250 serbische und 
15 türkische Häuser hatte und Sitz des Dasdar (desdar = Turban) 
Agä war. Die ehemalige Kirche Sveti Ojorgje war bereits in eine 
Moschee verwandelt. 

Montenegro hatte damals 90 Dörfer in 5 Nahien, welche 
zusammen 3524 Häuser und 8027 Wa£Eenfthige umfaßten, von 
denen aber nur 1000 Hinten besaßen, während der Best mit 
dem HandSar, Schild und Wurfspieß bewaffiiet war. Als Nahijen 
nennt er: Katunska mit 10 Dörfern, Ljubotinska mit 32 
Dörfern unter dem Befehl des Spahi Vujo; Pjeäivci mit 4 Dör- 
fern; Crmniöka mit 25 Dörfern; LjeSkopoljska mit 19 Dörfern. 
(Hier, wie in der Folge schreibe ich alle Eigennamen so, wie sie 
wirklich heißen und nicht in der verstümmelten Form des Manu- 
skripts; nur jene, deren Verstümmlung so arg ist, daß sich der 
wahre Name nicht erraten läßt, sowie jene Ortsnamen, welche heute 
unbekannt sind und auch bei Du£iö fehlen, gebe ich mit (?).) 

Nun gibt Bolizza die Namen der Ortschaften mit der Zahl 
ihrer Häuser (H.) und Waffenfttfiigen (W.) sowie mit dem Namen 
ihres Häuptlings. Nämlich: in der Katunska: Njeguäi, Mirac 






Zustände in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 1S7 

und Zalazi zusammeD 200 Häuser , 480 Waffenfähige. Häupt- 
ling: Oraf Nikola Rajöeviö. Über Mirac sagt Bolizza, daß 
es einige Häuser von Obod ^) enthalte, und früher von den ser- 
bischen Kaisern Cattaro zugeteilt war. 

Die Bewohner stritten sich mit jenen von Spiljari (dicht bei 
Eotor) um die Grenze, weil sie mit deren Festsetzung durch Feriz 
Beg nicht zufrieden waren. Deshalb beauftragte der venezianische 
Proweditore Francesco Bragadino eben den Bolizza mit einer 
Schlichtung des Streites, was ihm im Einvernehmen ,,mit mehreren 
Sand2äks des Herzogtums Scutari und Kadis von Montenegro, 
Podgorica, Scutari und Pe<$ zu allgemeiner Zufriedenheit gelang '^ 
Nachdem aber dabei jene von Obod zu kurz kamen, dürfte es mit 
deren Zufriedenheit wohl nicht so weit her gewesen sein. 

Cetinje 10 H. 170 W. Graf Batriö Vulatkoviö. Bolizza 
erwähnt hier das „sehr schöne '', von Ivanbeg erbaute Kloster ftir 
den Bischof, 25 Mönche und 40 andere. „Dieser Mitropolit be- 
fehligt alle Montenegriner geistlich und erkennt nur den Patriarchen 
von Peö als Höheren an.^' 

(^ekliö 64 H. 160 W. Radivoj Radonjin. 

Bjelice 70 H. 180 W. Vuksan Jovanoviö. 

Cuce (Bolizza verschrieb sich in „Tuse'^) 175 H. 237 W. 
Vule und Niko RajSeviö. 

Ozrini<5i 60 H. 100 W. Ivan Raj^evid. 

Bjelos 24 H. 70 W. Vuko Nik5evi<5. 

Braiöi (jetzt in den Bocche) 60 H. 150 W. Gjuro Vuletin. 

Pobor (jetzt in den Bocche) 50 H. 130 W. Vuko Miljkovid. 

Maine (Bolizza schreibt Masine) (jetzt in den Bocche) 120 H. 
300 W. Gjuro Äigovid. 

Igubotinska : 

Ljubotin 10 H. 160 W. Vuko Rajöeviö, „der das Haupt 
des ganzen Montenegro ist (also der ,Guvematur', unter deren 
Zahl er auch erscheint) imd Spahi genannt wird, weil er vom Hof 
in Konstantinopel einige Untertanen seines Dorfes in Herrschaft 
erlangt hat'^ (Der Satz ist etwas unklar, daher ich ihn hier im 



1) Nicht das Obod oberhalb CincjeTÜka Rijeka, sondern das oberhalb 
Orahovac. 



1S8 Fünfter Zeitraam. 

Urtext^) gebe: ,^mtitolato spachi perche hk ottenuto in dominio 
dalla Corte in Constantinopoli alcuni subditti della sua vilU/^ 

Ceklinje (Cochin bei Bolisza) 40 H. 80 W. Pero Jovanoviö. 

Gragjani 30 H. 65 W. Vuksan Petrovitf. 

Dobro (heute Dobrsko Selo) 47 H. 120 W. RadoBlayRadonjin. 

Bukovik 20 H. ? W. Badonjica Rajckovitf. 

Kosjeri 36 H. 90 W. Rajcko Jovanoviö. 

PeljeSi 18 H. 40 W. Nikola Brajovitf. 

Braiö(?) 30 H. 80 W. Voksan Radonjin. 

Orahovo 18 H. 40 W. Jovo Rajckovid. 

Arbana8i(?) 20 H. 45 W. Nikola Miljeviö. 

Strugari oder Stitari (Stetari bei Bolizza) 15 H. 30 W. 
Rado Jovanovitf. 

Zagora 17 H. 50 W. Pero Vaksanovid. 

Piperi 20 H. 50 W. Bratid Nikolin. 

Dodosi 16 H. 40 W. Marko Dancolovid. 

Riezani (vielleicht Rijeka?) 20 H. 50 W. Nikac Gjuretin. 

JednoSi 17 H. 30 W. Vule Alekain. 

Prijevo8i(?) 23 H. 57 W. Rado Stepanovid. 

TrnoYO 14 H. 40 W. Alekaa Janovid. 

Komarni (?) H. 30 W. Rado Brajanovid. 

Zabeä 12 H. 23 W. Nikac Bojanovid. 

Seljani 25 H. 66 W. Lako Bratidevid. 

Je8e(?) 21 H. 50 W. Vukaan Brajanovid. 

ülici 27 H. 58 W. Marko Gjuretin. 

Ka8ice(?) 20 H. 40 W. Vladko Vudetin. 

Jalac(?) 17 H. 36 W. Vule Boretin. 

Gace(?) 19 H. 45 W. Andrija Gjurin. 

Siäovidi 25 H. 60 W. Tema Jovanovid. 

Suhi(?) 15 H. 38 W. Rajcko Rajmüovid. 

Andrin^?) 23 H. 47 W. Rajcovilovid. 

Prevlaka 30 H. 66 W. Gjuro Brajovid. 

Rvaäi 37 H. 80 W. Vuöina Jankovid. 

DruSidi 40 H. 97 W. Alekaije Vudetin. 



1) Sehr schlechtes, yeraltetes Italienisch, der heutigen Bechtschreibung 
nicht immer entsprechend. 



Zustände in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 189 

^eÜToi: 

Pjeäivci 47 H. 100 W. Vuöid Miröeti($. 

Brajkovi(5(?) 50 H. 120 W. Marko Tritoviö. 

Gardono (?) 60 H. 160 W. Nikac Perovid. 

Ranci (?) 70 H. 187 W. Vuko Markovid. 

Hier möchte ich eine Bemerkung einflechten. Von den vier 
genannten Dörfern ist nur der Name Pjeäivci heute bekannt und 
zwar als Stammname, nicht als Dorfhame. Daß kein Irrtom 
möglich ist, kann man aus Bolizzas Bemerkung schließen ^ daß 
;, Ranci '' an die Herc^ovina grenzt. Anderseits aber weiß Bolizza 
von einem in Pjeäivci liegenden kleinen, sehr fischreichen See zu 
berichten, der heute dort unbekannt ist Daß so viele Dörfer, die 
mit (?) versehen sind, heute nicht mehr vorhanden sind, ließe 
sich entweder darauf zurückführen, daß sie in den Türkenkriegen 
zerstört und nicht wieder au%ebaut wurden, oder daß sie ihren 
Namen seither geändert haben. Denn in den erwähnten Gh^n- 
den fehlen eine Menge Dörfer, die heute vorhanden sind, dar- 
unter solche von ansehnlicher Größe. 

Ljeikopoijska: 

Grbavci 47 H. 105 W. Rade Stjepovac. 

Goriöani 33 H. 70 W. Nikola Bojovid. 

Prianiöi (?) 29 H. 60 W. Raicko Mijovid. 

Desidi (?) 41 H. 97 W. Rade Rajckovid. 

Farmaki 31 H. 60 W. Staniäa Ivonovid. 

Staniäevci (Bolizza schreibt Stanjevidi, das wohl auch vor- 
handen ist und jetzt in den Bocche liegt, aber kaum so groß ge- 
wesen sein kann) 25 H. 57 W. Rade Grujin. 

Gradac (Bolizza schreibt Gorica, doch dürfte dies ver- 
schrieben sein) 43 H. 100 W. Rajcko Torban. 

Momci (Bolizza schreibt Momesidi, aber seine Lage y;gegen- 
über Podgorica'' läßt über die Identität keinen Zweifel) 52 H. 
120 W. Vuko Miäovid (Mixovid). 

Vuranici(?) 38 H. 37 W. Niksa Popoci. 

Totosi 27 H. 58 W. Rajcko Vukmirovid. 

Susnica (Sitnica?) 41 H. 90 W. Brajan Marko vid. 

Beri 32 H. 70 W. Säle Jovanovid. 

Steke(?) 29 H. 60 W. Niko Sacovid. 



140 Fünfter Zeitraum. 

Orasi 37 H. 83 W. Andrija Jovid 
Buronje 24 H. 53 W. Brajo Pejovid. 
Kruse 31 H. 72 W. Ivan Vaksanoviö. 
Gornji Eomani 53 H. 150 W. Saso Brajoviö. 
Donji Komani 60 H. 160 W. Vujac Nikäin. 
Vilenica(?) 38 H. 93 W. Toma Bratiöevid. 
Eornete(?) 28 H. 62 W. Andrija Daboviö. 
Kokoti ? H. 127 W. Pejo Vuankovi6. 
Qradac 21 H. 51 W. Stano Vujovid. 
Dobrot]<5i(?) 27 H. 60 W. Vukoviö Alekain. 
Golemadi(?) 24 H. 57 W. Belo Vujkoviö. 
Suri(?) 32 H. 72 W. Sala Tomaäeviö. 
Jedno8(?) 29 H. 63 W. Todor Vujaöin. 






Orbalj (jetzt in den Bocchei von Bolizza Oraboljani ge- 
schrieben) 60 H. 130 W. Vuko Danculovid. 

Otoöidi 37 H. 95 W. Dabac Nikolin. 

ütrg 45 H. 100 W. Niko Dabovid. 

Tomidi 40 H. 88 W. Vukman Lunj. 

Brdela 51 H. 130 W. Stjepo Stanovid. 

Bukovik 30 H. 90 W. Vuko Miljovid. 

Qluhido 36 H. 80 W. Mi9o Voletin. 

Limljani 40 H. 100 W. Pala Vudetin. 

Karuci 38 H. 90 W. Dabac Voletin. 

Boljevidi 31 H. 80 W. Marko Danculovid. 

Sotonidi 43 H. 94 W. Rade Prapijevid. 

Briesi (Brza in den Boccbe?) 30 H. 70 W. Vudid Nikovid. 

Dupilo 42 H. 100 W. Gjuro Dapevid. 

Orahovo (Bolizza schreibt Oraseno) 50 H. 110 W. Vlatko 
Bojovid. 

Sabe8(?) 28 H. 60 W. Gjuro Nikovid. 

Godinje 25 H. 56 W. Niko Rajckovid. 

Trnovo(?) 40 H. 100 W. Vukoslavac Radonjin. 

Badglavi(?) 30 H. 70 W. Dadivo Dabdeli. 

Komarno(? vielleicht Maro vac ?) 2 7 H. 60 W. Vule Tomaäev. 

Bolizza bemerkt, daß die 150 Briefträger , welche die aus 
Venedig mit Fregatten kommenden Briefe über Land nach Eon- 



Zustände in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 141 

stantmopel und zurück befördern , auB der Katunska und Ljubo- 
tinska genommen werden. Auch schildert er den Berg Lovöen, 
Cuce und die Ljeäanska nach ihrer ErtragsflLhigkeit usw. Hier- 
auf geht er zur Beschreibung der Krajina, des montenegrini- 
schen Küstenlandes über. Dieses, sowie die auf Albanien be- 
zügliche Statistik, habe ich bereits in meinem „Oberalbanien 
und seine Liga'' wiedergegeben, so daß ich darauf verweisen 
möchte. Hier will ich nur einige dort fehlende Bemerkungen 
Bolizzas anführen: 

Zu Antivari macht Bolizza die Bemerkung, daß es 1572 
von den Türken genommen wurde und 100 Häuser außer den 
400 der Vorstädte zähle. Weiter bemerkt er, daß das Kloster 
Ratac (S. Maria di Rotazzo) von der serbischen Königin Jelena 
und ihrem Sohn, dem serbischen Kaiser Ste£an Uroä, erbaut wurde, 
aber seine Einkünfte aus dem venezianischen Paätrovidi beziehe. 

Über Dulcigno sagt Bolizza, daß die Stadt 1573 von 
den Türken erobert wurde, die dort 300 „UllafiEizi'' als Be- 
satzung unterhalten, und daß die Bewohner der Küstenschiffahrt 
obliegen. 

Über Drivasto sagt Bolizza, daß es ein fester, aber wenig 
bevölkerter Ort sei, aus zwei nahen Dörfern bestehend, während in 
der eigentlichen Stadt (d. h. wohl in deren Ruinen) nur einige 
Häuser bewohnt sind. „Es war eine Hauptstadt Albaniens, wo 
ein Sopraproweditore von Venedig wohnte, dessen Urteile nach 
Cattaro zur Appellation gingen/^ 

Über äkodra (Scutari) sagt Bolizza, daß es nebst den Vor- 
städten 400 Häuser und 1000 Waffenfähige habe. In der Ebene 
befänden sich 12 Dörfer bis zur Grenze von Montenegro. 

Bolizza zählt die Kuöi-Bratono2i<$i, Hoti, Vasojevidi, Piperi, 
Slatica, Arap§ija, Skreli und Kastrati als „Rebellen'' auf, indem 
er darüber folgende Angaben macht: 

Bjelopavliöi unter dem Befehl der Miliz von Podgorica. 

KuöiBratonoSitfi teilweise unter den Soldaten von Medun, 
teilweise unter dem Sem ÖauS von Podgorica. 

Hoti befehligt von T. Zaför Öau§ und Rediih DSelebi Hadziö. 
(Die katholischen Hoti unter Maras Papa zählten nach Bolizza in 
212 Häusern 600 Waffenfähige.) 



143 Fünfter Zeitraum. 

Vasojevidi unter Befehl des Ahmed Dzelebi Hadrovid und 
Jusuf Beg Elarzmiö. 

Piperi unter Befehl des T. Mehemed Agä Ljavatoviö, der 
ein Mutafiuraka ist. 

Klementi unter Smajl Prentasev und Peda mit 188 Häusern. 

Slatica imter dem Sinanbegoviö Beg. 

Arapäija unter dem Spahi Haco (Had2i?) Momöelovitf. (Die 
Katholischen unter Prenk Kastrat zählten nach Bolizsa in 80 Häu- 
sern 260 Waffenfähige.) 

äkreli und Kastrati unter dem Had2agä Hadrovid. (Die 
katholischen §kreli 30 Häuser 80 Wafien&hige unter Meso Poruba, 
die katholischen Kastrati 60 Häuser 130 Waffenfähige unter Prenk 
Biti.) 

Suka (Ko&j) in 178 Häusern 650 Waffenfähige, sehr tapfer 
und räuberisch. 

Was die Kuöi Drekaloyitfi betrifft, welche heute Ortho- 
doxe sind, dürften sie nach Bolizzas Äußerungen früher katholisch 
gewesen sein. Er schätzt ihre Stärke auf 1500 Männer in 490 
Häusem, befehligt von Laie Drekalovitf und Niko Rajckoviö; und 
gibt ihnen das Prädikat lygente bellicosisBima et valorosissima'^ 
(Sehr kriegerisch und tapfer.) 

Unter den orthodoxen Stämmen zählt Bolizza auf: 

RoTci 50 H. 420 W. Ivaniä Radonjin. 

Bjelopavlidi 306 H. 800 W. Neneca Salinovitf und Batrid 
Toma§evi<$. 

Piperi 270 H. 700 W. Radoslav Bozidarevid. 

Bratonono2i<$i 87 H. 260 W. Stanoje Radonjin. 

Vasojeviöi 90 H. 280 W. Nikola Holasevid und Laie Bojov. 

(Aus dem Umstand , daß oben dieselben Stämme unter den 
,y Rebellen '^ aufgeführt werden, welche unter türkischen Befehls- 
habern standen, schließe ich, daß diese Stämme, welche heute aus- 
schließlich orthodoxe Montenegriner sind, damals teilweise zum 
Islam bekehrt waren, wie ja auch überhaupt in Montenegro da- 
mals die Zahl der Muhammedaner groß gewesen sein muß.) 

Medun wird von Bolizza folgendermaßen beschrieben: 

„Kleine Stadt, aber sehr fest gelegen, wenngleich schlecht be- 
wacht und fast zerstört. Drinnen gibt es Türken unter einem 



Zustände in Montenegro und Albanien sa Beginn des 17. Jahrhunderts. 14S 

Agä oder Desdar (Deseöar? d. i. Berblsch, Befehlshaber von zehn 
Mann — denn ^ydesdär^' hieße ,, Turban'')^ 200 Einwohner, sehr 
kriegerisch. Hier faßten die Türken festen Fuß; bevor sie Pod- 
gorica, Albanien und Montenegro bekommen hatten, zur Zeit, als 
Ivan CSmojeviö in 2abljak residierte. Die Türken standen unter 
dem Befehl des Mrahör Agä, der den Christen viele Gefechte 
lieferte, als CSmojevid ihn von Medun vertreiben wollte. Andere 
Türken kamen ihm zu Hilfe, und obgleich Mrahör Agi mit 
vielen der Seinen in einer blutigen Schlacht gegen die Montene- 
griner fiel, blieben die Türken doch im Besitze von Medun. 
Von hier aus begannen sie das Verderben des Staates des Ivan 
Cmojevid." 

Dann spricht Bolizza vom Patriarchen von Ped, bei welcher 
Gelegenheit wir erfahren, daß damals auch die ganze Sapa 
orthodox war. 

Nachdem Bolizza die Statistik des Gebiets von Gusinje ge- 
geben, erzählt er, daß 1612 die Türken zwischen Gusinje und 
Elementi (also wahrscheinlich beim Rikavac-See) ein Fort erbaut 
hätten, das sie „Cittä nuova^' (also wohl entweder serbisch Novi- 
grad, oder albanesisch Ri Halja, oder türkisch Jeni Hisär) 
nannten und das einen Umfang von 400 Schritt hatte. Es war gut 
verschanzt und von 200 Fußgängern und 50 Reitern besetzt. Ur- 
heber des Baus war Sem Öauä, der vornehmste Türke von Pod- 
gorica, dem die Grundstücke der Plava-Ebene in Pacht gehörten 
und der durch die Elementi an dem Genuß desselben gehindert 
wurde. Nas&f Pa§ä willfahrte seiner Bitte, weil dessen Leute 
ebenfalls an dem Pacht interessiert waren. Aber trotzdem hin- 
derte das Fort die Elementi nicht, ihre EinfiQle zu machen. Nach- 
dem Bolizza in der bewundemdsten Weise von der Geschicklich- 
keit im Eriegfbhren und der Tapferkeit der Bergbewohner ge- 
sprochen hat, erzählt er die letzten Ereignisse, welche ich später 
an der richtigen Stelle einflechten werde. 

Nun geht Bolizza zur Beschreibung der Handelsstraßen und 
Flüsse über, die ich bereits in meinem „Oberalbanien'' übersetzt habe. 

Über Durazzo bemerkt Bolizza, daß es ein Schlupfwinkel 
der barbareskischen Seeräuberschifie sei. Der Agä von Durazzo 
sei mit dem hervorragenden muhammedanischen Albanesen Eies. 



144 Fünfter Zeitraum. 

Bej in Zwist geraten, weil er dessen Tochter (seine Frau) im Ehe- 
bruch mit einem Sklaven ertappt und verstoßen hatte. Deshalb 
floh er nach Budva, Venedig und Cattaro, von wo er sich nach 
Konstantinopel begabt um durch den venezianischen Gesandten 
wieder in Besits seiner früheren Stellung in Durazzo zu kommen. 
Weiter bemerkt Bolizza: 

y,Die Muhammedaner von Montenegro stehen unter dem Kadi 
von LjeSkopolje, jene von Zeta unter dem von Podgorica^ jene von 
gkodra und Bar anter den in diesen Städten ansässigen Kadis.« 

;,Ubersicht der Dörfer, Städte und Häuser des ganzen 
Sandzaks Scutari und deren bewaffneter Bevölkerung. 

1. Montenegro: 90 Dörfer, 3524 Häuser, 8027 Mann, darunter 
600 Büchsenschützen. 

2. Antivari: 1 Stadt, 17 Dörfer, 1385 Häuser, 2762 Mann, 
davon 400 Büchsenschützen. 

3. Dulcigno: 800 Mann, davon 400 Büchsenschützen. 

4. Scutari: 1 Stadt, 185 Dörfer, 3544 Häuser (mit der Stadt 
3944), 9240 Mann, darunter 1200 Büchsenschützen. 

5. Podgorica: 1 Stadt, 17 Dörfer, 1697 Häuser, 4376 Mann, 
davon 300 Büchsenschützen. (Die aufständischen Bergbewohner 
haben 11 Dörfer [6 katholische und 5 orthodoxe] mit 2347 Häusern 
und 5380 Mann.) 

6. Flava: 1 Stadt, 23 Dörfer, 1360 Häuser, 3016 Mann, 
davon 100 Büchsenschützen. 

Das Fort „Cittanuova^' (Jeni Hisar) hat 200 besoldete 
Büchsenschützen und 50 Pferde. In der 2upa sind 25 Dörfer 
mit 742 Häusern und 1648 Mann, davon 250 Büchsenschützen. 

Alles zusammen 288 Dörfer, 14099 Häuser, 35499 Mann, 
davon 3650 Büchsenschützen.'* 

Den Schluß des Berichts von Bolizza bilden einige Aogaben 
über den nordwestlichen Teil von Montenegro. Er schreibt: 

Crnovitf Klubi (Ljubi?), 8 Miglien vom Meer entfernt, 
? H. 215 W. Petar Vuöetin. 

Dvarsno (?) „Festung" 60 H. 135 W. Vukmir Saletin. 

Grahovo 98 H. (davon 20 muhammedanische) 200 W. Mile 
Perin. 



Ereignisse in Montenegro und Albanien za Beginn des 17. Jahrhunderts. 145 

Onogoät (NikSid) 320 H. 700 W. Sohn des Vojvoda Gardan. 

Trebinje 100 H. 200 W. (teik Muhammedauer, teils Or- 
thodoxe). 

Korjenidi 80 H. 170 W. 

Ljubomir 100 H. 220 W. Der Türke Bagsad. 

Rudine und Banjani 200 H. 420 W. Radovid Gjuretin 
und Nia-Alalin. 

Risanj (Risano in den Bocche) 200 H. 250 W. 

Ledenice und Eriyosiije (in den Bocche) 50 H. 100 W. 
Vuöihna Ni2in. 

Grahovac 80 H. 170 W. Niko Vurov. 

HercegNovi (Castelnuovo in den Bocche), in der Stadt nur 
von Muhammedanem, in den Vorstädten von Katholiken bewohnt, 
400 W. (Sehr kriegerisch.) 

Draöenica (in den Bocche) 300 H. 700 W. Graf Nikola, 
Sohn des Grafen Milutin. 

Morinje (in den Bocche) 80 H. 170 W. Vuk Petrovid. 

17. Ereignisse in Montenegro und Albanien zu Beginn 
des 17. Jahrhunderts. (1600—1613.) 

Das 17. Jahrhundert bedeutet flir Montenegro die Zeit großer 
Prüflingen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil das Land damals 
eine große Zahl Muhammedaner beherbergte, die als solche mehr 
türkisch als montenegrinisch gesinnt waren, wie wir dies ja bis 
1878 auch bei den bosnischen Muhammedanem gesehen haben, 
die serbisch sprachen, serbischer Abstammung waren und noch 
ihre serbischen Namen führten, sich aber fUr „Türken'' ausgaben, 
deshalb auch von den oberflächlichen Fremden ebenso für Os- 
manen gehalten wurden, wie heute noch die makedonischen Serben 
für „Bulgaren'' und die muhammedanischen Altserben für „Türken" 
gelten ^). 

Die Muhammedaner in Montenegro fährten ihren Ursprung 
teils auf die bei Ljeäkopolje gefangen genommenen Anhänger des 
abtrünnigen Staniäa zurück, teils auf Flüchtlinge, die in Mon- 

1) Dies erklärt auch, weshalb z. B. die bosnischen Pflaumen als 
„türkische Zwetschken** auf den Markt kamen und noch kommen! 
Oopöevld, Montenegro and Albanien. 10 



IM Fünfter Zeitraum. 

ten^o ein Schutzdach fimdeo; teils auf vom PasA von ^kodra 
(wie jetzt schon Iskenderijö hieß, wo die Albanesen den Ton 
anzugeben anfingen, weil die Türken zu wenig zahlreich waren) 
eigens zu dem Zweck nach Montenegro gesandte Familien, die 
dort die Au%abe hatten, für die Verbreitung des Islams tätig zu 
sein. Denn die Türken sahen ein, daß bei diesem freiheitlieben- 
den Volke nur die bindende gemeinsame Religion imstande wäre, 
sie zu wirklichen Untertanen der Pforte zu machen. 

So kommt es, daß wir gegen Ende des 17. Jahrhunderts 
Moscheen nicht nur in Vir und Ob od (Bijeka), sondern sogar 
in Cetinje und Öeklidi finden. In diesen Orten saßen auch 
türkische Kadis unangefochten, wo sie allerdings ihre G^chtsbar- 
keit nur auf die Muhammedaner ausdehnten. Ebensowenig gab es 
jemals in Montenegro eine türkische Besatzung. Dagegen zahlten 
allerdings die Bewohner der erwähnten vier Ortschaften den Haraö 
(Kopfsteuer, d. h. Abgabe für das Recht, überhaupt als Christ im 
osmanischen Reiche leben zu dürfen). Ich sah selbst noch außer- 
halb Cetinje nahe dem kleinen Felsen, der sich auf der Ebene 
erhebt, einen runden mit eingesetzten Steinen eingefriedeten Platz, 
von dem man mir sagte, daß er damals dazu diente, das von den 
Montenegrinern als HaraS gelieferte Getreide zu messen. Wie 
Duöid erzählt (S. 9), trug der Partikularismus der einzelnen mon- 
tenegrinischen Stämme nicht wenig dazu bei, den Mnhammedanem 
zu helfen, weil viele Montenegriner nur deshalb den HaraS zahlten, 
um türkischerseits Unterstützung in ihren kleinlichen, nichtssagen- 
den Zwistigkeiten mit den anderen Bruderstämmen zu finden. 

Unter diesen Umständen kann es nicht wundem, wenn der 
Paää von ^kodra daran dachte, auch die noch unabhängigen, nicht 
HaraS zahlenden Montenegriner zu unterwerfen und zum Zahlen 
zu zwingen. Zu diesem Zwecke traf der Sand2äk-Beg Ali ^) Paää 
Memibegovid (SettQ brüderlicherseits des Feriz Paää, welcher 
damals türkischer Oberbefehlshaber in Ungarn war) 1604 mit 
3000 Mann in Podgorica ein, überschritt die Morafo bei Ljeäko- 
polje, verbrannte die Dörfer Qorica und Stanjevidi und drang dann 
in die montenegrinischen Berge ein. Hier erlitt er aber von den 



1) Ali = „Hoher, Erhabener^'; sandidk = „Fahne** und „Bezirk". 



EreigniBse in Montenegro und Albanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 147 

herbeigeeilten Montenegrinern eine tüchtige Niederlage, die ihm 
über 100 Mann kostete, und er selbst, von einem Lanzenstich ver- 
wundet, rettete sich nur mit Mühe, dank seinem schnellen Renner. 
Auch sein Leutnant Saban Öehaja (Kihaja türkisch Geheim- 
schreiber) fiel, und wahrscheinlich wäre (nach Bolizza) das ganze 
Heer aufgerieben worden, wenn es nicht durch die einbrechende 
Nacht gerettet worden wäre. 

Um jene Zeit dürfte es auch gewesen sein, daß der Paää von 
äkodra den Tahir Bej Buäatlija mit einem beträchtlichen 
Heere gegen die Eastrati sandte, welche gleichfalls ihre Unab- 
hängigkeit bewahrt hatten und auf eigene Faust Krieg g^en ihre 
Nachbarn, wie gegen die Türken führten. Ul Ujka, der Enkel 
des Dedali, von dem die Eastrati abstammen, erwartete das tür- 
kische Heer allein, denn bei seinem Alter hatte er nichts zu 
fürchten. Die übrigen Eastrati hingegen zogen sich in die Berge 
zurück und leisteten heftigen Widerstand. Tahir Bej und Ul Ujka 
sahen mitsammen dem Gefechte zu. Letzterer machte heimlich 
das Gelübde, dem heiligen Marko eine Eirche zu bauen, wenn die 
Seinigen siegen sollten. Als er dann sah, wie die Türken geschlagen 
davonliefen, zog er heimlich ein Messer, stach Tahir Bej nieder 
und erbaute seinem Gelübde gemäß die -Kirche, welche nebst Ta- 
hirs Grab heute noch zu sehen ist. 

Seit diesem Siege blieben die Eastrati seitens der Türken 
in Ruhe. 

Aber nicht nur die Kastrati, auch dieElementi belästigten 
die Türken, und zwar in noch weit höherem Maße. Nach der 
Sage waren sie schon im 14. Jahrhundert die Plage ihrer Nach- 
barn, namentlich der Eu£i und Plavani. Ihre Schicksale findet 
man in meinem „Fürstentum Albanien'', S. 47 — 48 ausführlich 
geschildert. 

Im Jahre 1612 wollte Sultan Ahmet I. den ewigen Eämpfen 
mit den Montenegrinern und EUementi ein Ende machen, weshalb er 
Mehemed FaSi (Sohn des gleichnamigen, im Divän („Amt'', „Mini- 
sterrat") ermordeten PaSä), der damals Beljerbej von Bosnien war ^) 



1) Von 1541 bis 1686 wurde Ungarn durch einen in Buda wohnenden 
Vezir beherrscht, von dem der in Banjaluka residierende Bejlerbej Ton Bo8> 

10* 



148 Fünfter Zeitraum. 

und das SandSäk von Hersek (HercegoTina) als ,,Arpaluk'' 
(Weiderecht für die Pferde) bekommen hatte ^ beauftragte, die 
,^ Rebellen^' tüchtig zu züchtigen. Mehemed Paää sammelte in 
Podgorica 25000 Mann und setzte sich mit den Venezianern in 
Verbindung — wohl um deren Neutralität oder Hilfe zu sichern. 
Der türkenfreundliche Bolizza, der selbst den Briefwechsel führte, 
»schweigt sich darüber bezeichnenderweise aus. Aus seinen Mit- 
teilungen ersieht man nur, daß Türken und Venezianer damals in 
Freundschaft waren und letztere dem Sandzak 'Beg der Herce- 
govina Geschenke zu senden verpflichtet waren, die mit einem 
Pferde als Gegengeschenk erwidert wurden. Geronimo da Molina 
war damals venezianischer Rettore in Cattaro. 

Nach dreimonatigem Aufenthalt in Podgorica beschloß end- 
lich Mehemed Paää in Montenegro einzurücken. (Vorher dürfte 
der in meinem „Fürst Albanien '', S. 47, erwähnte Feldzug gegen 
die Elementi stattgefunden haben.) Durch Verrat drang er bis 
Bjelopavliöi vor, wo er ein Dorf verbrannte und 80 Weiber und 
Kinder sowie Vieh als Beute fortführte. Aber auf dem Weiter- 
marsch überfielen ihn die Montenegriner bei einem Berg (Veledid?) 
und brachten ihm eine schimpfliche Niederlage bei, indem sie 
300 Spahis niederhieben, ihre Pferde und Gepäck erbeuteten und 
den Paää auf diese Art zu eiliger Flucht zwangen. 

Die Schmach zu rächen, wurde im nächsten Jahre (1613) 
Arslän (arslän = „der Löwe'') Paää abgesandt, der sieben San- 
dSäks unter sich vereinigte : von Prizren, Ped, DukadSin, Eaöanik, 
Zadrima, Skodra und EUbasan. Seine Macht wird auf 60 000 Mann 
angegeben — also mehr als es Montenegriner gab, deren 2iahl da- 
mals 32000 Köpfe betragen haben dürfte, weil Bolizza ihnen 8027 
Bewaffnete nachrechnet Die montenegrinischen Muhammedaner 
machten zudem gemeinsame Sache mit den Türken. Dagegen be- 
teiligten sich auch die Elementi an dem Kampfe gegen letztere, wo- 
durch das Verhältnis der beiden Streitmächte auf 1 : 6 kam. Nach 
Bolizza verhielt sich die türkische Streitmacht zunächst 24 Tage 

nien abhängig war. Nach dem Verlust von Buda (Ofen) hing der Bejlerbej 
(wörtlich „Fürst der Fürsten*') vom Vezir von Temesv^r ab, und nach dem 
Verlast von ganz Ungarn war er selbständig, wobei er seine Residenz nach 
Travnik verlegte. 



Die Pläne des Herzogs von Nevers. 149 

lang in Podgorica untätig. Dann wandte sie sich vorerst gegen 
die Elementi (wohl um den Rücken gesichert zu haben) , in 
deren Gebiet sie weitere zwölf Tage blieb, bis sie durch Spione 
erfuhr, daß in einem Dorfe 80 Weiber und Kinder versteckt seien. 
Diese wurden nun überfallen und in die Sklaverei geschleppt. 
Dann wandten sich die Türken gegen ein anderes Elementi-Dorf, 
das sich bereit erklärte, 1000 Dukaten zu zahlen und 15 Weiber 
zu liefern. Als aber in Erwartung des Geldes und der Weiber 
die Türken 100 Reiter nach Podgorica sandten (wohl um Proviant 
zu holen), erwarteten die Elementi die letzteren in einem Paß, wo 
sie 30 „Kiraci'^ niederhieben und 50 Pferde erbeuteten. Der 
Paää wurde dadurch so eingeschüchtert, daß er das Klementi- 
Gebiet verließ, nach Podgorica zurückkehrte und den Türken in 
„Castel Nuovo'^ ^also der auf Seite 143 erwähnten Festung Novi- 
grad oder Jeni Hisär) Auftrag erteilte, ihm zu Hilfe zu kommen. 
Mit ihnen zog er dann in das Gtebiet der Vasojeyiöi, wo er in 
einem aus 85 Häusern bestehenden Dorfe 60 Weiber und Kinder 
gefiemgen nahm. Die männlichen Verwandten dieser Gefangenen 
nahmen Rache, indem sie den Nachtrab überfielen, 20 Türken 
niedermetzelten und 30 Pferde wegnahmen. Die Bjelopavlidi ver- 
sprachen nun den Türken 1000 Dukaten zu zahlen und 12 Weiber 
zu liefern, statt dessen aber überfielen sie den Nachtrab der Sandzäks 
von Kaätnik und von Ped, schnitten 70 Türkenköpfe ab, nahmen 
80 Pferde und folgten dem Pa§ä auf den Fersen, selbst als er 
schon Podgorica verließ. Als er dann durch den Wald von Kosov 
Lug zog, grifien ihn die Bjelopavlidi an, hieben 40 Türken nieder 
und erbeuteten 60 Pferdelasten mit reicher Ladung (10. No- 
vember 1613). 

Diesen Bericht schließt Bolizza mit den Worten: „Auf diese 
Art gab es auf der einen Seite 152 Sklaven des Pa§ä, die mit 
1000 Dukaten losgelöst wurden, und auf der andern 160 tote 
Türken und 220 verlorene Pferde, von denen 60 mit Gepäck be- 
laden waren.^^ 

18. Die Plane des Herzogs von Nevers. (1614—1620.) 

Vielleicht war es die Kunde von diesen Mißerfolgen der 
Türken, welche 1614 den Herzog von Nevers bewog, die Idee 



150 Fünfter Zeitraum. 

zu einem großartigen Plan zu fassen^ welcher eine allgemeine Er- 
hebung sämtlicher den Türken unterworfener Christen und Wieder- 
aufrichtung des byzantinischen Reiches mit dem Herzog als Kaiser 
vorsah. Am ausflihrlichsten ist dieser ziemlich unbekannte Zwischen- 
fall bei Lenormanty S. 94—122 und 331—336 zu finden. 

Charles IL de Gonzaga (Sohn des Luigi di Gonzaga und 
der Henriette von Clere und Enkel des Federico 11., Herzogs von 
Mantua), Herzog von Nevers und Rethel, fand, daß er 
eigentlich Ansprüche auf den byzantinischen Thron habe, weil — 
seine Großmutter Marguerite Paläologos von Montferrat vom Kaiser 
Andronikos dem Alteren abstamme. Er war deshalb 1612 mit 
den (unabhängigen) Mainoten , den Nachkommen der alten Spar- 
taner, in Verbindung getreten und nach den Ereignissen von 1613 
richtete er seine Aufmerksamkeit auch auf die Montenegriner 
und Maljisoren, von denen zu den DukadSini (den heutigen Mire- 
diten); den Ipiroten, Serben , Bulgaren, Bosniern, Hercegovinem, 
Rumänen und Magyaren nur ein Schritt war. Aus der von Lenor- 
mant veröffentlichten italienischen Urkunde scheint hervorzugehen, 
daß der ganze Plan eigentlich nicht Werk des Herzogs war, son- 
dern der in Kuöi versammelten Geistlichen, wie aus der nach- 
stehenden Übersetzung zu schließen ist: 

„Im Jahre 1614, am 8. September, wurde in Kuöi, Albanien, 
eine Versammlung abgehalten, welcher der Patriarch von Serbien 
(Pe<5) und die Häupter aller Reiche, d. h. von Oberalbanien, 
Bosnien, Makedonien, Bulgarien, Serbien, Hercegovina und Dal- 
matien beiwohnten, soweit diese Länder von den Türken be- 
herrscht sind, und zwar wegen einer Unbill (aggravio), die jene 
Pa§äs den Geistlichen auferlegen wollen. (Vermutlich eine Steuer.) 
Und da wurde beschlossen, den Kapitän Johann (Gioanni) Reneß 
nach Italien zu Seiner Heiligkeit zu senden, um dem Papst Be- 
richt über den Beschluß zu erstatten, sich von der türkischen 
Tyrannei zu befreien. 

„Zunächst wünschen sie die Einfuhr von Waffen in die 
Berge von Montenegro und Chimarra von der Seeseite aus — so- 
viel möglich ist — und das würde leicht fallen, weil die Be- 
wohner von Montenegro und Chimarra (das albanische 
Küstengebiet nördlich von Korfü) niemals den Türken Steuer 



mmm^mmmtmm^mm^mm^BB^ 



Die Pläne des Herzogs von Nevers. 151 

gezahlt haben^ da sie stets ihre Freiheit behaupteten. 
(Diese Worte beweisen deutlich, daß der Kern Montenegros nie- 
mals den Türken unterworfen war, trotzdem der nach eigenen 
Worten mit den Türken in dickster Freundschaft lebende Bolizza 
tut, als ob die Montenegriner auch , Rebellen' gewesen wären.) 

yyDie Bergbewohner würden dann die Waffen an die Dukad2ini 
und an die verschworenen Bergbewohner: Piperi, Elementi, Eu2i| 
Vasojevidi und Bjelopavlidi weitergeben, welche schon seit 30 Jahren 
den Türken keinen Tribut zahlen und in Freiheit leben. (Also 
vermutlich seit 1570, als der Bejlerbej von Rumelien von den 
Montenegrinern so glänzend geschlagen wurde.) Diese alle können 
bis zu 30000 gute Soldaten stellen. 

„Weiter wurde beschlossen, 12000 Soldaten von jenen Ver- 
schworenen einzuführen, welche draußen sind, wie jene von Ser- 
bien, Hercegovina, Makedonien, Albanien und Bosnien, welche 
Länder fast alle an die erwähnten Berge grenzen. Diese Leute 
würden allmählich über die Berge verteilt werden, während man 
die Vorbereitungen zur Erhebung trifft, so daß man in allem 
42000 Mann, davon 12000 Berittene hätte. 

„Dabei wäre auf folgende Art vorzugehen: Die Chimarioten, 
S300 Mann stark, hätten sofort gegen Avlona zu rücken, um 
Stadt und Festung einzunehmen, was leicht ist, weil dort Christen 
bei der Wache des Schlosses sind und einige Häupter mit den 
Chimarioten im Einverständnis leben. 

„Die Dukadzini haben mit anderen Eruja zu nehmen, was 
nicht schwer ist, weil ein Teil der Mauer eingestürzt ist und die 
Türken sie bis heute noch nicht ausgebessert haben. 

„Die anderen (wohl die Maljisoren?) hätten Skodra zu 
nehmen, wo man auch Mit verschworene besitzt, sowie Castel- 
nuovo (Herceg Novi oder Novigrad von Seite 143?). Aber früher 
haben die Montenegriner das Schloß zu überfallen, was leicht ist, 
weil des Nachts Christen die Wache beim Schlosse haben. 

„Gleich nach diesem Losbruch haben sich die Christen in 
allen verschworenen Teilen zu erheben und alle Türken in Stücke 
zu hauen, was insofern leicht ist, als 200 Christen gegen 10 Türken 
stehen. Ein Teil der Aufständischen hat sich dann gegen Skoplje 
2u wenden, wo die Vereinigung mit den oben erwähnten 42000 



162 Fünfter Zeitranm. 

Mann stattfände und ein Geaamtheer von 120000 Mann ergäbe. 
Das alles wäre die Sache von zwei Monaten. 

,,Von dort zögen die Verschworenen gegen Adrianopel^ 
wo sie bereits 160000 Mann stark wären, und bis dahin wäre es 
zu keinem Zusammenstoß mit den Türken gekommen (?), weil 
der Au&tand im Oktober zu beginnen hätte, zu einer Zeit, da die 
Türken entwaffnet sind. Nachdem die Türken in Europa keine 
Truppen haben (?), müßten sie solche von Asien konmien lassen, 
was sechs Monate erfordert, und überdies haben die Türken die 
Gewohnheit, ihre Heere erst nach der Getreideernte in Bewegung 
zu setzen, so daß also acht Monate verstreichen würden. 

„Auf diese Art würden die Türken in der Minderheit bleiben,, 
besonders, weil auch die Fürsten der Walachei und Moldau 
zu Hilfe kommen würden, nachdem der Erzbischof der Walachei,, 
ein leiblicher Vetter des Patriarchen von Serbien, bereits in Unter- 
handlungen mit uns steht und jene Fürsten dann Hoffiiun^ 
haben, selbst und in ihrer Nachkommenschaft die Kronen zu 
behalten. 

„In diesen acht Monaten hoffen wir in Konstantinopel 
zu sein, denn das Unternehmen ist leicht, weil keine einzige zu 
belagernde Festung den Weg versperrt, außer den Festungen in 
Ungarn und Kroatien, die wir hinter uns lassen. Aber in diesem 
Falle würde sicher der Kaiser Ungarn und der Erzherzog Kroatien 
an sich nehmen.^' 

(Folgen noch Vorschläge bezüglich Ausprägung einer minder- 
wertigen Münze als Sold, die dann voll eingelöst würde, und über 
Beutemachen und Plündern.) 

Dieser dem Herzog von Nevers gemachte Vorschlag bewog 
ihn, sich ernstlich mit der Verwirklichung zu beschäftigen. Was. 
er tat, ist immerhin erstaunlich und bewundernswert Er gewann 
den berüchtigten P&re Joseph, den Vertrauten des Kardinal» 
Richelieu, für sich, errichtete den Orden der „christlichen Miliz 'V 
dessen Mitglieder an dem neuen Exeuzzug teilzunehmen hatten,, 
er knüpfte mit dem Papst, dem König von Spanien und dem 
deutschen Blaiser Unterhandlungen an, er erbaute endlich aus. 
eigenen Mitteln die fünf großen Linienschiffe „Saint Michel 'V 
„Saint Basile'', „Sainte Vi^rge'', „Saint Fran9oi8^^ und „Saint 



Die Pläne des Herzogs von Nevers. 15S 

Charles''^ womit er eine stärkere Seemacht hatte als Frankreich 
und 80 mancher andere Seestaat. Der Papst versprach 300000 
Livresy der König von Spanien 600000, der Herzog selbst gab 
200000 und seine Freunde 100000. Der Malteserorden ver- 
sprach 6 Galeeren, der Papst 10 mit 2000 Mann, Spanien 20. 
Alles zusammen hätte sich die Flotte auf 41 Schiffe mit 10000 
Mann belaufen. Außerdem zeigte sich auch Genua geneigt, 
6 Galeeren mit 1200 Mann beizusteuern. Die Mainoten wurden 
ebenfalls fiir den Aufstand gewonnen und erwarteten mit Ungeduld 
das Zeichen dazu. Der Erzbischof Chariten von Dürres 
(Durazzo) feuei'te die Albanesen und Montenegriner an und ge- 
wann den Erzbischof von Arta für sich, der sich bereit erklärte, 
den Ipiros und Rumelien in Aufstand zu bringen, während Dio- 
njsios Rhallis Paläologos, Erzbischof von T'rnovo, die Bul- 
garen für die Erhebung vorbereitete. 

1618 war alles schon so weit gediehen, daß der Herzog zwei 
Edelleute, Chateaurenaud und Pietro di Medici, nach der Maina 
senden konnte, um die letzten Abmachungen zu treffen. 25 Dörfer 
sandten ihm damals eine Adresse, unter deren Unterschriften wir 
berühmte Namen wie Fokas, Melissinis, Stefianopulos und Eon- 
dostavlos finden. Auch die Erzbischöfe von Lakedämon und Mal- 
vasia (Monemvasia) schlössen sich der Verschwörung an. 

Unterdessen hatte ein anderer Agent, Jean Cler, den Ipiros 
und Albanien durcheilt, mit den Erzbischöfen von Arta, Joännina 
und Dürres Rücksprache gepflogen und war dann mit dem Erz- 
bischof Chariten nach Rom gereist, wo er dem Papst Briefe der 
orthodoxen Erzbischöfe von Arta imd Joännina mitbrachte, deren 
Wortlaut bei Lenormant nachgelesen werden kann. Sowohl Papst 
Paul V. als der Herzog von Nevers wurden dadurch in ihren 
Hoffnungen bestärkt. 

Der Erfolg schien ganz gesichert, als jetzt auch noch Frank- 
reich sich mit dem Sultan Mustafa (= „Auserwählter'') überwarf^ 
der den französischen Gesandten in Jedikulä — den berüchtigten 
„Sieben Türmen'' — einsperren ließ (1617). Zwar suchte sich 
sein Nachfolger Otmän mit dem König Louis XHI. auszusöhneo, 
dieser aber dachte an Krieg und so wurde Frankreich von einer 
feindseligen Stimmung gegen die Pforte erfaßt, wobei man offen von 



154 Fonfter Zeitraum. 

der Notwendigkeit sprach, das „Gtosiiidel der türkischen Fürsten'' 
zu verjagen. So konnte also bereits zu Allerheiligen 1619 der 
P6re Joseph als Abgesandter des Papstes in der Kathedrale zu 
Nevers die neuen ,, Kreuzfahrer'' einsegnen und der Herzog selbst 
rüstete nicht nur in seinem Herzogtum, sondern er begab sich 
auch nach Olmütz, wo im Kapuzinerkloster der Kreuzzug ge- 
predigt wurde. Zwei deutsche und ein italienischer Bitter schlössen 
sich bei dieser Gelegenheit den Kreuzfahrern an und in Wien 
folgten Qraf Radziwill, der Herzog von Sachsen -Lauenburg und 
der Ghraf Bouchain ihrem Beispiel. 

So war schon alles zum Losschlagen bereit und Montenegriner, 
Albanesen, Griechen und Serben erwarteten das Eintreffen der 
Kreuzfahrer und das Zeichen zur Erhebung (nach ihren eigenen 
Worten) „wie die Juden den Messias". 

Da traf das Gbinze ein unerwarteter Schlag! Von unbekannter 
Hand wurden alle fünf Linienschiffe des Herzogs angezündet und 
verbrannt! Ob dies auf türkische Bestechung zurückzuführen 
ist (denn den Türken kann kaum der Plan ein Geheimnis ge- 
blieben sein, wo er doch schon ein öffentliches war!) oder auf 
Anstiften einer christlichen Macht (Frankreich und Venedig kämen 
allein dafür in Betracht), läßt sich heute nicht feststellen. Sicher 
ist nur^ daß dieser Schlag ein derartiger war, daß das ganze Untere 
nehmen damit ins Wasser fiel (1620). 

19. Die Kampfe der Montenegriner und Klementi 

von 1623 bis 1680. 

Die Pforte, welche über den geplanten Aufstand und die 
Bolle der Montenegriner in diesem unterrichtet wurde, wollte Bache 
nehmen und sandte 1623 den Sulejmän Pa§ä von Skodra mit 
einem mächtigen Heere gegen Montenegro. Nach zwanzigtägigen 
ununterbrochenen Kämpfen gelang es den Türken, über Bijeka 
{Obod), wo sie von den dort ansässigen muhammedanischen Monte- 
negrinern Unterstützung erhielten, bis gegen Cetinje vorzudringen, 
wo sie Kloster und Palast verbrannten und den Bewohnern den 
Haraö abzwangen. Weil sich aber die Montenegriner auf ihre 
Berge zurückzogen und die Türken keine Lust hatten, ihnen 



Die K&mpfe der Montenegriner and Klementi von 1623 bis 1680. 165 

dorthin zu folgen, auch keine Verpflegung für das große Heer 
aufieutreiben war, muBte sich Sulejmän Pa§i wieder unverrichteter 
Sache zurückziehen. Auf dem Rückzug wurde er aber von den 
EuCi und Klementi unweit Podgorica überfallen und zersprengt. 

(Zu dieser Schilderung des Feldzugs von 1623 möchte ich 
aber bemerken, daß ich es für wahrscheinlich halte, daß er gar 
nicht stattgefunden hat, sondern eine Verwechslung mit 
dem gleich zu besprechenden Feldzug des Sulejm&n Pa§i von 
Skodra aus dem Jahre 1690 ist. Denn abgesehen von der Ähn- 
lichkeit der Namen und Kämpfe, der Verworrenheit in den An- 
gaben des Medakoviö und des Visarion, spricht dafär der Um- 
stand, daß als Zeit die Regierung des Vladika Visarion Bajce 
[der erst 1685 zur Regierung kam] oder des Ruvim Boljevid 
[der 1675 Vladika geworden war] angegeben wird. Wie ich 
nachträglich finde, hat auch Milakovid denselben Verdacht aus- 
gesprochen.) 

Nach Lenormant fallen jedoch in das Jahr 1624 blutige 
Kämpfe zwischen den Klementi und den Türken. Der Pa§i von 
Ped und der Mudir von Gusinje hatten im Feldzug gegen die 
mit Montenegro verbündeten Klementi eine Niederlage erlitten 
und verlangten von der Pforte gemeinsamen Angriff gegen diesen 
unbotmäßigen Stamm. So erhielt der Psä& von §kodra Befehl, 
zusammen mit dem Paää von Bosnien und jenem von Ped gegen 
die Klementi zu ziehen. Zusammen hatten sie 30000 Mann. Das 
vereinigte türkische Heer rückte von Skodra den Sem (Cijevna) 
hinauf und die Klementi zogen sich vor der Übermacht zurück. 
Bei Tamara, wo sich die beiden Sem (vuklit und selcit) ver- 
einigen, hatten die Klementi die Brücke . abgebrochen und zogen 
sich beim Erscheinen der Türken scheinbar in wilder Flucht 
zurück. Dies machte die Türken sicher, sie wateten durch den 
Fluß und griffen die Klementi auf den Höhen an. Die Klementi 
aber hatten mittlerweile eine Abteilung in den Rücken der Türken 
entsendet, und als diese unvermutet angriff, hielten auch die Kle- 
menti des Vordertreffens stand und begannen, unterstützt von ihren 
Weibern, mächtige Felsblöcke auf die Türken herabzuwälzen. Letz- 
tere waren im engen Tale eingepfercht und konnten sich nicht 
entwickeln. Ihre Angriffe auf die Höhen scheiterten an den Oe- 



166 Fanfiter Zeitraum. 

schössen der Elementi, namentlich aber an den herabgerollten 
Felsblöcken, und so suchten sich die Türken den Weg nach rück- 
wärts zu bahnen, was ihnen nur unter den schwersten Verlusten 
gelang. 6000 Türken sollen tot geblieben sein, trotzdem nur 
900 Elementi (die paar hundert Weiber nicht gerechnet) beteiligt 
waren. Der Vezir von Bosnien war der erste, der die Flucht 
ergriffen hatte. 

Da die Elementi einen türkischen Rachezug fürchteten, richteten 
sie sich f)ir einen solchen ein, indem sie dafür Sorge trugen, daß 
ihre Weiber und Habe in unzugänglichen Höhlen Zuflucht finden 
könnten, wo sie auch Lebensmittel anhäuften, während sie sich 
aus Montenegro Schießbedarf Yerscha£flen. 

Es vergingen aber einige Jahre, ehe die Türken wieder Lust 
bekamen, mit den Elementi wieder anzubinden. Arvät Pa§ä 
von Skodra war es, der mit einem aus Osmanen und muhamme- 
danischen Tosken bestehenden Heere gegen die Elementi aus- 
zog. Unter Eämpfen drang er wieder im Sem- Tal bis Tamara 
vor, wo er, gewitzigt durch die Niederlage seines Vorgängers, ein 
verschanztes Lager errichtete, um die Elementi im Zaum zu halten. 
Zu diesem Zwecke stellte er seine Verbindung mit Skodra her 
und beschloß, bei Tamara zu überwintern, nachdem verschiedene 
Versuche, in das Innere der Berge zu dringen, nur zu zwecklosen 
Verlusten gefuhrt hatten. 

Dann teilte Arvät seine Truppen in zwei Abteilungen, deren 
eine Selce, die andere Vukli unterjochen sollte. Beide wurden 
aber geschlagen und nach Tamara zurückgeworfen. 

Jetzt griff Arvät Paää zu einer Ejiegslist. Er machte auf 
Selce (serbisch = „Dorf lein '^) einen Scheinangriff und drang dann 
rasch gegen Vukli („vuk" serbisch = „Wolf**) vor, das er auch 
nahm. Die Elementi verließen infolgedessen Selce, welches ebenfalls 
von den Türken besetzt wurde. Oberhalb dieses Dorfes waren in 
einer Qrotte 200 Elementi : Weiber, Greise und Einder versammelt, 
welche sich so lange verteidigten, bis sie verhungert waren. 

Die Hauptmacht der Elementi hatte sich jedoch auf die Hoch- 
ebene Samograd^) zurückgezogen, wo sie sich trotz Nahrungs- 



1) Serbisches Wort, das „Eigenbiirg^^ bedeutet. 



Die Kfimpfe der Montenegriner and Klementi von 1623 bis 1680. 157 

sorgen bis 1638 hielten^ weil die Türken die Täler besetzt hatten. 
In diesem Jahre wurde endlich Dud2e Paää beauftragt^ mit den 
Klementi gänzlich aufzuräumen. 

Im Winter begann er den Feldzug. Die schon arg gelichteten 
und erschöpften Klementi konnten nur schwachen Widerstand 
leisten, und nach dem Tode ihrer Vojvode Vukodud^) und 
Hotaä ergaben sie sich. Ihre Häupter wurden geköpft und der 
ganze Stamm in andere Gegenden verpflanzt , die Mehrzahl nach 
Priätina, andere nach Slavonien (wo ihre Nachkommen heute noch 
leben), wieder andere nach der Umgebung von Serres. Aber schon 
1645 machten sie sich auf und erzwangen sich den Rückzug in 
ihre Heimat. Zwischen Ghisinje und Flava verstellten ihnen die 
Muhammedaner den Weitermarsch , erlagen aber bei Vlakanica 
den Klementi, welche hierauf ihre alten Sitze einnahmen und sich 
den Maljsoren anschlössen. Auf diese Art wurden sie den Monte- 
negrinern entfremdet, denn vorhin waren sie offenbar Serben 
gewesen. 

Der türkische Geschichtschreiber Najma schildert die damaligen 
Klementi folgendermaßen: „Es ist eine Gattung Wilder ohne 
Mannszucht und Organisation, nur mit Lanzen und Schleudern 
bewafihet, mit Steigeisen an den Füßen und Jatagans im Gürtel. 
Sie verstehen es, die steilsten Felsen zu erklettern und furchtlos 
in Abgründe zu steigen, wohin kein Sterblicher lebend gelangen 
könnte. Sie sind behend wie Gemsen und leben in Höhlen, deren 
Eingang von mit Flinten bewaffneten Schildwachen gehütet wird/^ 

Daß die Montenegriner und andere Nachbarstämme die gute 
Gelegenheit zu gemeinsamem Widerstand gegen die Türken nicht be- 
nutzten, beweist, daß sie auch nicht das geringste politische Verständ- 
nis oder Zusammengehörigkeitsgeftihl besaßen. Im Jahre 1670 aller- 
dings ergriffen die Montenegriner die Partei der gegen den Vezir von 
Bosnien aufgestandenen Hercegoviner, denn es heißt aus jener Zeit, 
daß die Venezianer sich bemühten, der Pforte zu beweisen, daß sie 
nicht Schuld trügen an dem Schaden, welcher den Türken durch 
die Montenegriner und Aufständischen zugeftigt würde. Zu dieser 
Beteuerung wurden sie wahrscheinlich deshalb veranlaßt, weil sie 



1) Serbisches Wort für „Wolfsmaulbeerbaam'^ 



158 Fünfter Zeitraum. 

1649 den Türken Risanj weggenommen und nicht mehr zorück- 
gegeben hatten. Möglicherweise war es um jene Zeit (es heiAt 
unter dem Yladika Ruvim IL, also nach 1675); daß es zwischen 
den Venezianern und den Türken unter Send2^r (sindzir = Kette) 
Pa§i zum Krieg kam. Der Paäi beschoß Cattaro vom Praöiäte aus 
mitKanonen, eben als der montenegrinische Pop Dragovi<5 aus 
Öevo sich dort aufhielt Der Pop scheint ein besserer Vormeister 
ab Priester gewesen zu sein, denn er erbat sich das Abfeuern eines 
Geschützes, das er so geschickt richtete , daß er die feindliche 
Kanone unbrauchbar machte. Weil dies die Türken so entmutigte, 
daß sie abzogen, verliehen die Venezianer dem geistlichen Vor- 
mebter eine goldene Medaille und lebenslängliche Pension. 

20. Montenegriner und Albanesen als Österreichische 

Bundesgenossen. (1684—1 697.) 

Die furchtbare Niederlage der Türken vor Wien 1683 bewog 
endlich die Venezianer, von ihrer Furcht vor den Türken ab- 
zusehen und 1684 diesen den Krieg zu erklären. Zu diesem 
Zweck verbündeten sie sich nicht nur mit den Österreichern und 
Polen, sondern sie suchten auch die Bundesgenossenschaft der 
Montenegriner. Nachdem sich schon die Bocchesen von Kotor 
unter ihrem Qlavar Stojan Jankoviö, jene von Petropoljce, 
Poljica und Zadvar, sowie andere Dalmatiner erhoben und die 
Türken verjagt hatten, reihten sich auch Montenegriner unter die 
venezianischen Söldner der „Schiavoni^^ (Slaven, eigentlich Sla- 
vonier, wie alle Serbokroaten von den Venezianern genannt wurden), 
aus denen &st ausschließlich die Streitkräfte der venezianischen 
Republik zu Wasser und zu Land bestanden. Nur diese dal- 
matinischen Slaven waren es, welche durch so viele Jahr- 
hunderte die Macht Venedigs gegen die Türken aufi'echt erhielten 
und in allen Gegenden der Levante gegen die Türken kämpften. 
Die Venezianer dienten nur als Offiziere und Unteroffiziere, sowie 
in der zur Verteidigung des venetischen Festlandes bestimmten 
Miliz. Die Galeeren waren mit Dalmatinern bemannt, welche 
damals (geradeso wie heute noch) den Ruf als „beste Seeleute der 
Weif' genossen; und die im Kampfe gegen die Türken auf 



Montenegriner nnd Albanesen als österreichiflche Bandesgenossen. 169 

Cypem, Kreta^ in Oriechenland und Albanien verwendeten Trappen 
setzten rieh fast ausschließlich aus dahnatinischen^ kroatischen und 
slovenischen Söldnern zusammen. Ab und zu auch aus Monte- 
negrinern; Albanesen und Griechen. Wenn die Geschichte den 
Ruhm der venezianischen Nobili verkündet, die jene Heere und 
Flotten anftihrteu; so darf sie deshalb nicht mit Schweigen 
über die Tatsache hinweggehen , daß die Erfolge jener Nobili 
ohne die verwegene Tapferkeit und Todesverachtung ihrer slavi- 
sehen Soldaten unmöglich gewesen wären. Auch 1684/86 kämpften 
Montenegriner für die Venezianer im Peloponnes; als Mororini 
diesen eroberte. 

Im Jahre 1685 war Visarion Boriloviö Bajce Vladika 
geworden. Als ihn 1687 die Venezianer um Hilfe baten, sandte 
er die Montenegriner in die Bocche, wo der venezianische Statt- 
halter von Zara, Cornaro, mit 12000 Mann erschienen war und 
Herceg Novi (Castelnuovo) belagerte. HusejnTopal^) Paää mit 
4000 Mann zog aus Bosnien zum Entsatz heran. Die Monte- 
negriner unter ihrem Gnvematur Vuöeta Bogdanovid erwar- 
teten ihn bei Mokrina und Kameno und brachten ihm eine solche 
Niederlage bei, daß er selbst mit knapper Not entrann. 300 Tür- 
ken fielen und von den Montenegrinern hatten die in erster Reihe 
anstürmenden Nj^uäi 17 Mann verloren. Sieben türkische Fahnen 
blieben in den Händen der Montenegriner, welche daftir von den 
Venezianern goldene Medaillen und Penrionen erhielten, nachdem 
schon früher Comaro für jeden abgeschnittenen Türkenkopf fünf 
Dukaten gezahlt hatte. Die Familien der GefEÜlenen bekamen 
24 Joch Grundstücke, und so riedelten rieh auf diesen die Familien 
Ozdrinid, Vuketi<5, Cmogor£evi<5, Papkovi<5 und Badoviö an. 

Nach dem glänzenden Siege bei Mokrina und Kameno halfen 
die Montenegriner noch den Venezianern Herceg Novi erobern, 
das nur von 1000 Türken besetzt war und dreimal gestürmt wurde. 
Auch hier zeichneten rieh die Montenegriner beim Angriff auf das 
Fort Spagnuolo aus, während ein gleichzeitiger Angriff auf Mon- 
teure von Skodra aus, woher Sulejmän (= Salomon) Paää 
Bagajlija mit 15 — 20000 Mann im Anmarsch war, riegreich 



1) Topäl = „der Lahme*'. 



160 Fünfter Zeitraum. 

abgewehrt wurde. Sulejman wandte sich nun mit 10000 Mann 
gegen Budva (Budua), das er belagerte. Aber Comaro, unter- 
stützt von den Montenegrinern, zwang ihn zum Aufheben der Be- 
lagerung. Im September ergab sich daraufhin Hereeg Novi, das 
dann bis 1797 unter Venedig blieb. 

Im nächsten Jahre (1688) beteiligten sich die Montenegriner 
und Elementi an dem Feldzug Morosinis im Peloponnes, während 
anderseits Comaro 1000 Mann unter Oberstleutnant NicolöErizzo 
den Montenegrinern zu EKlfe sandte, welche auch Zuzug von den 
Elementi, Euöi, Piperi und der Hercegovina erhielten, was sie in- 
stand setzte , gegen Albanien und die Hercegovina angriffiiweise 
vorzugehen. Die Türken wurden überall geschlagen, namentlich 
vor Grahovo, wo das 15000 Mann starke türkische Heer von 
den Montenegrinern unter Rizo Bevilacqua eine blutige Nieder- 
lage erlitt. 

Im nächsten Jahre setzten die vom venezianischen Prowedi- 
tore Duodo mit Waffen versehenen Montenegriner den Kampf 
gegen die Türken glücklich fort und schlugen neuerdings die 
Türken bei Grahovo. 

Diese Waffentaten lenkten die Aufimerksamkeit der öster- 
reichischen Regierung auf Montenegro, und so rief auch Kaiser 
Leopold 1689 die Montenegriner um Unterstützung bei dem Vor- 
dringen der österreichischen Truppen gegen Altserbien an. Die 
Montenegriner und die mit ihnen verbündeten Maljisoren folgten 
dem Rufe und schlössen sich den kaiserlichen Truppen an, machten 
aber böse Erfedirungen. Die Erzählungen der Rückgekehrten über 
die schroffe Behandlung durch die österreichischen Befehlshaber, 
sowie das Imstichlassen der aufgestandenen Albanesen durch die 
weichenden österreichischen Truppen trugen nicht dazu bei, den 
Oberalbanesen Lust zu machen, ßir Österreich die Kastanien aus 
dem Feuer zu holen. Schon damals wußten nämlich die Oster- 
reicher nicht, wie man orientalische Völker, speziell Serben und 
Albanesen behandeln müsse, um ihre Zuneigung und Achtung zu 
gewinnen. Die Unverschämtheit des Obersten Strasser, der mit 
den stolzen Albanesen redete, wie mit seinen Bauemrekruten, war 
nicht geeignet, die Albanesen an das österreichische Heer zu fesseln. 
Die Folge davon war die Niederlage von Kaöanik. Natürlich 



i^^"^i^^^WBl 



Montenogriner und Albanesen als österreichische BuDdesgenossen. 161 

fanden dann die Österreicher in allem anderen die Schuld, nur 
nicht in sich selbst. Was beispielsweise die erwähnte Niederlage 
betrifft; so beschuldigte sogar ein unbefangener Österreicher, 
wie Oberst Amerling, die Albanesen der Treulosigkeit und maß 
ihnen die Schuld bei, statt dem Obersten Strasser, der durch sein, 
vielleicht steirischen oder tirolischen Baaemlümmeln, nicht aber den 
empfindlichen und selbstbewußten Albanesen behagendes beleidigen- 
des Benehmen diese erbittert hatte. Der Rückzug der Österreicher, 
welche, vom Qroßvezir Zadä Mustafa Eöprülü^) geschlagen, 
sich von Dragoman, Niä, Vidin, Smederevo und Belgrad zurück- 
zogen, erfüllte die Serben mit Schrecken, welche auf dem Kosovo- 
polje zu den Waffen gegriffen hatten. Denn Kaiser Leopold hatte 
am 6. April 1690 an die Völker in „Albanien, Serbien, Mösien (!), 
Bulgarien, Silistria (!), Illyrien (!), Makedonien imd Rascien'^ 
(Sandzak Novipazar oder das alte Ras) einen Aufruf erlassen, sie 
möchten sich zum Beistand der Österreicher gegen die Türken 
•erheben oder nach Österreich auswandern, wo er ihnen als unga- 
rischer König Glaubensfreiheit, das Recht, einen Yojvoda zu 
wählen, das Besitzrecht der von den Türken zu erobernden Grenz- 
«triche und viele andere Vorrechte versprach. Denn mit Ver- 
sprechungen, die später nie gehalten wurden, waren von 
jeher die Habsburger freigebig. Überflüssig, darauf hinzuweisen, 
daß erst 1848, als der habsburgische Thron dem Zusammenbruch 
nahe war und wieder einmal die Kroaten und Serben in der Angst 
um Rettung angerufen werden mußten, die vertragsmäßige Vojvo- 
dina mit Vojvoda ^uplikac errichtet wurde. Aber schon 1867 
lieferte man die Serben und Exoaten mit gebundenen Händen 
gerade jenen Magyaren aus, welche den König von 
Ungarn abgesetzt hatten und gegen welche die Serben 
und Kroaten um Hilfe angerufen worden waren! — 
Dank vom Hause Österreich ^) ! 



1) RÖprü => „Brücke"; Röprülü = türkischer Name Ton Veles. 

2) Der Dank bestand unter anderem darin, da£ der serbische Despot 
-Gjuragj Brankoviö ohne Anklage, ohne Verarteilung, ans reiner Will- 
kür 22 Jahre lang in österreichischen Kerkern schmachten 
mußte, daß naob dem Tode des Patriarchen (1707) das Patriarchat 
Aufgehoben und die Vojvodawürde abgeschafft wurde. Dann er- 

Oop2eyi6, Montenegro und Albanien. 11 



163 Fünfter Zeitraum. 

Durch die schönen Worte des kaiserlichen Aufrufs verfuhrt, 
beging der Patriarch von Pe<5; Arsenije III. Öarnojevid, 
die Dummheit, das Volk zur Auswanderung nach Ungarn auf- 
sufordem, und 37000 Familien (also bei der Stärke der serbischen 
Familien sicher mindestens eine halbe Million Seelen) wanderten 
mit ihm nach Ungarn aus, wo er in Karlovd seinen Sitz nahm 
und das Patriarchat vorläufig weiterführte. Die Folge davon war, 
daß die Albanesen in die verlassenen Gebiete einwanderten und 
der Kern des früheren Serbenreiches — Skoplje und Kosovo- 
polje — mehr mit Albanesen als mit Serben durchsetzt wurde. 
Gjakovica z. B., der einstige Sitz der serbischen Hochschule, 
war zur Zeit meines Besuchs (1888) auf 100 orthodoxe Serben 
herabgesunken! Alle übrigen 24000 Einwohner waren teils Skji- 
petaren, teils muhammedanische Serben, die bereits albanesiscb 
sprachen und sich deshalb auch für Skjipetaren hielten! 

Die Rache der Türken ließ nicht lange auf sich warten. Kaum 
waren die Österreicher vertrieben und mit den Venezianern Ver- 
handlungen angeknüpft, als Sulejmän Pa§ä mit einem mächtigen 
Heere anrückte, die Montenegriner zu züchtigen. Wie es heißt^ 
waren die Venezianer so treulos, den Vladika Visarion zu ver- 
giften, um den Türken einen Gefallen zu tun, und ihre 1560 Mann 
Hilfstruppen unter Zano GrbiSid mußten beim Einmarsch der 
Türken in montenegrinisches Gebiet abziehen. So auf sich selbst 

richtete man aus den eingewanderten Serben die Militärgrenze, deren. 
Bewohner verpflichtet waren, ihr ganzes Leben hindurch Soldaten 
zu sein und für Osterreich zu kämpfen. Ohne diese tapfem Grenztmppen 
hätte sich Osterreich weder gegen Friedrich den Großen durch 7 Jahre be- 
haupten können, noch später gegen Napoleon I., am allerwenigsten 1848/49- 
gegen die Italiener einerseits und gegen die Magyaren anderseits. Das hin- 
dert nicht, dafi man seit einigen Jahrzehnten die ungarischen Serben und 
Kroaten ruhig von den Magyaren drangsalieren und auf die niederträchtigste 
Weise bedrücken und entnationalisieren läßt, und daß man sich den freien- 
Serben auf jede Weise feindselig entgegenstellte und sie zugunsten 
türkischer Barbaren und albanesischer Räuberstämme zu 
schädigen suchte ! Zuletzt noch zugunsten der barbarischen Bulgaren, deren 
Schandtaten 1912/13 ebenso zum Himmel schrien, wie die türkischen. (Man- 
lese in meinem Werk „Das Fürstentum Albanien'* die Seiten 208 bis. 
212 nach! Oder in meinem Werke „Bulgarien und ♦Ostrumelien*'^ 
die Seiten 554-583.) 



Montenegriner und Albanesen als österreichische Bundesgenossen. 168 

angewiesen, verteidigten sich die Montenegriner sechs Tage lang 
in der blutigen Schlacht am Berge Vrtijelka, eine halbe Stande 
vor Cetinje. Während da noch unentschieden gekämpft wurde 
und Bajo Pivljanin mit 60 der Seinigen den Heldentod starb, 
umging eine Abteilung Türken die Montenegriner und gelangte 
über Eomani und Öevo nach Cetinje. Hier befanden sich nur 
Mönche im Kloster, deren einer den Befehl hatte, das unterminierte 
Kloster dann in die Luft zu sprengen, wenn es von den Türken 
besetzt werden sollte (so wie dies Nikola Zrinski — jener 
kroatische Held, den die Magyaren zu einem „ ungarischen '^ 
„Zrinyi Miklos'^ geftlscht haben! — für Sziget angeordnet hatte). 
Als dieser ftirchtsame Mönch nun von ferne Türken vom Berg 
herabsteigen sah, verlor er den Kopf und sprengte vorzeitig das 
Kloster in die Luft Vorher hatte man aber schon alle Kostbar- 
keiten (goldene und silberne Kirchengeräte, Bücher usw.) in eine 
große Glocke getan und in die Zisterne versenkt. Unter der Re- 
gierung des Fürsten Danilo suchte man nach und fischte tatsäch- 
lich so manches Wertvolle heraus, darunter ein prachtvolles Meß- 
buch in Pergament, dessen massiv silberner, mit Edelsteinen ver- 
zierter Einband den Inhalt vor der ESnvnrkung des Wassers 
bewahrt hatte. Es befindet sich heute noch in der Sakristei der 
E[losterkirche von Cetinje. Kirche und Palast wurden dann von 
den Türken zerstört. 

Es läßt sich vermuten, daß die muhammedanischen Mon- 
tenegriner jene Verräter waren, welche die Türken in den Rücken 
der Montenegriner nach Cetinje geführt hatten, denn Sulejman; der 
sich in Montenegro nicht halten konnte und fix>h war, mit dem 
Scheinerfolg der „Eroberung von Cetinje '^ heimkehren zu können, 
übergab ihnen vor seinem Rückzug die Burg von Ob od (Rijeka), 
wo sie den Markt von Montenegro beherrschten. Welche Rolle 
sie spielten, werden wir im nächsten Kapitel sehen. Die E[lementi, 
Kuöi und Piperi benutzten Sulejmans Rückzug, um Medun zu 
nehmen und den mit 10000 Mann von Podgorica herbeieilenden- 
PaSi unter Verlust von 1600 Toten, seines Lagers, Geschützes, 
Fahnen usw. zurückzujagen. Sie selbst verloren nur 30 Tote. 

Erwähnenswert ist noch, daß im vorbeigegangenen Jahre 800 
mit Beute beladene Ulciner von den Montenegrinern überfallen 

11* 



1C4 Fünfter Zeitraum. 

und zur Hälfte niedergemacht, sowie um den Raub erleichtert 
worden waren. 

Trotz der üblen Erfahrungen, welche die Montenegriner mit 
den treulosen Venezianem gemacht hatten, ließen sie sich doch 
1693 schon wieder bewegen, den letzteren bei der Eroberung der 
Hercegovina beizustehen — ebenso wie sie noch vorher die ser- 
bischen Auswanderer nach Ungarn geleitet hatten, um sie vor An- 
griffen der muhammedanischen Bosnier zu schützen. Zum Dank 
dafür wurden sie im Karlovcer Frieden wie gewöhnlich vergessen 
und der türkischen Rache preisgegeben (1699). Jene Montenegriner 
und Serben, welche am ärgsten bloßgestellt waren, wurden von 
den Venezianem großmütig — auf einer wüsten Insel angesiedelt, 
wo sie binnen Jahresfrist ausstarben! 



i 



Sechster Zeitraum. 

Montenegro und Albanien bis zum Auftreten 

Scepan Mails. (1697—1767.) 



21. Montenegro in den ersten Regierungsjahren des 
Vladika Danilo Petrovic Njegos. (1697—1710.) 

Nach der kurzen ereignisloBen Regierung des Vladika Sava 
Ealugjeriöid Oöinid wählten die Montenegriner den Mönch 
Danilo Petrovid Njegoä (richtiger Njeguä) cum Vladika, und 
mit ihm gelangte die noch heute regierende Dynastie von Mon- 
tenegro zur Herrschaft. Eigentlich hieß der neue Vladika Danilo 
Sdepdev Herakovid, denn seine Familie (Herakovid) stammte 
aus der Hercegovina, wo sie beim Berg Njegoä wohnte, aber nach 
der Eroberung durch die Türken nach Montenegro ausgewandert 
war. Hier baute sie sich am Fuße des Lovden an und gründete 
ein Dorf, das sie in Erinnerung an die alte Heimat Njeguäi be- 
nannte. Nach Behauptung der Njeguäer sollen sie von den Brü- 
dern Raik und Herak abstammen, nach welchen sie sich Bajfievid 
und Herakovid nannten. 

Als Sohn des Ste£Ein oder Sdepan Herakovid wurde der junge 
Nikola ddepdev Herakovid 1677 geboren. Als er ins Kloster 
trat, nannte er sich Danilo, und seinen Familiennamen Hera- 
kovid änderte er (wohl nach irgendeinem anderen Vorfahren oder 
Wohltäter) in Petrovid um ^). Weil es aber imzählige Petrovid 
gibt, fügte er dem Namen den Zusatz Njegoä oder Njeguä bei. 



1) Einen gleichen Fall haben wir ja auch auf Seite 29 gesehen, als 
die GojnoTid aus unbekannten Gründen den Namen GopöeTiö annahmen. 
Allerdings gab es damals noch nicht bestimmte Familiennamen, sondern ge- 
wöhnlich wurde nur der Sohn nach dem Vater benannt. Hiei dieser z. B. 



166 Sechster Zeitraum. 

Weil Danilo erst 20 Jahre alt war, "weigerte er aich lange, 
die ihm angebotene Bischofswürde anzunehmen ; da aber das Volk 
darauf bestand , gab er nach und reiste 1700 nach Seöuj in Un- 
gam, wo er sich vom Patriarchen Arsenije Öarnojeyid weihen 
ließ ; demselben Patriarchen, der die Serben nach Ungarn geftLhrt 
hatte und sich für einen Nachkommen der Cmojevid ausgab, um 
mehr Ansehen zu haben. (Er war allerdings ein Montenegriner 
aus NjeguS, aber der von ihm aufgestellte Stammbaum ist falsch.) 
E^igentlich hätte Danilo nach Ped gehen sollen, weil dort auch 
ein Patriarch saß, der so tat, als ob er der rechtmäßige serbische 
Patriarch wäre, seit Arsenije den Sitz verlassen hatte. Aber er war 
nur türkische Kreatur, und deshalb wollte der strenggläubige Danilo 
mit ihm nichts zu tun haben. Für ihn war noch immer Arsenije 
der rechtmäßige Patriarch, wenn er auch jetzt in Ungarn wohnte. 

Als Danilo die Regierung antrat (wobei er zunächst aus den 
Ruinen in Cetinje eine kleine Kirche baute), waren die muh am - 
medanischen Montenegriner im Lande auf dem Höhepunkt ihres 
Übermuts angelangt Im Besitze von Obod und dadurch des den 
Montenegrinern zum Lebensunterhalt unentbehrlichen Marktes, 



Petar, bo nannte sich sein Sohn Marko „Marko PetroT" und dessen Sohn 
Ivan wurde dann „Ivan MarkoT Petroviö*' genannt. Manchmal blieb dann 
der Name Petroviö auch allen folgenden Geschlechtern. Oft aber (selbst bis 
in unsere Zeit) kam es Tor, daß der Familienname gänzlich geändert worda 
So z. B. hieien die Obren otIö früher TodoroTiö, und nur ans Dank- 
barkeit gegen den Bauer Obren, der ihren Stanmivater aufgenommen hatte, 
nahmen sie den Namen Obrenoviö an. Auch RaragjorgjcTiö ist erst der 
neue Name für PetroTiö (wie der Befirder Serbiens Gjorgje hiei). Die 
Türken, w^ßlche alles, was ihnen Schaden brachte, „Karä" (schwarz) nennen 
(daher auch Rarä Dag » „schwarzes Gebirge" für Montenegro, wo sie 
so viele Niederlagen erlitten), nannten Gjorgje Petroviö „Karä Gjoigje", was 
er sich dann ab Ehrennamen beilegte. Der berühmte serbische Minister 
GaraSanin wurde erst Tom Fürsten Milod so benannt, weil er aus dem 
Dorfs Garafia gebürtig war. Ans dem gleichen Grande erhielt der Minister 
Piroöanac an Stelle seines Familiennamens NedeljkoTiö den Namen 
Piro^anac (der „Piroter"), weil er aus Pirot gebürtig war. Anderseits 
wurden wieder viele serbische Namen Ton den Yenezianem, namentlich aber 
Bagusäem, verstümmelt und italianisiert, z. B. Gunduliö in Gondola, 
Rastiö in Resti, Buliö in Bolizza, Bobaliö in Bobali, Puciö in Pozza, 
LukaroTiö in Luccaii. 



Montenegpro in den ersten Regienmgsjahren des Yladika Danilo. 167 

glaubten sie die Herrschaft an sich reißen zu können. Denn bis 
1690 waren sie von den Montenegrinern so verachtet , daß sie 
keine öffentlichen Stellen bekleiden konnten. Durch die Unter-' 
Stützung Sulejmän Paäis war ihnen aber der Kamm geschwollen, 
und sie wurden täglich anmaßender. Schließlich gab ein VorfieJl 
den Anstoß zum Aufräumen mit ihnen. 

Im Jahre 1702 hatten die Türken den Demir Paäa (,,Eisen* 
haupt^^ nach Podgorica gesandt , damit er endlich die Montene- 
griner unterwerfe, also sie zum Steuerzahlen und Kriegsdienst 
zwinge. Um dies leichter bewerkstelligen zu können, lockte er 
den Vladika Danilo, der nach der ZiOta kommen sollte, um dort 
eine neue Elirche einzuweihen, unter dem Vorwand einer wich- 
tigen Besprechung zu sich, indem er ihm freies Geleit zusagte, 
nahm ihn verräterischerweise geÜEUigen und warf ihn in den Kerker. 
Dort wurde Danilo gemartert, und schließlich mußte er, auf dem 
Rücken den Pfahl, auf den er gespießt werden sollte ^), von Pod- 
gorica nach Spu2 gehen, wo man ihm erlauben wollte, sich die 
Richtstätte selbst auszusuchen. Um die Qualen zu verlängern, 
pfählte man ihn nicht gleich, sondern ließ ihn noch einige Tage 
in Todesangst, indem man ihn in den Kerker warf und dort 
mehrere Tage lang mit Fackeln unter den Achseln brannte. Der 
Pop Boäko Popovid besuchte ihn dort täglich insgeheim, weil 

1) Man stellt sich das Pföhlen yiel£Mh als ein ,, Andenpfahlbinden*' 
Tor. In Wirklichkeit geschieht es folgendennaBen : Das Opfer wird aof den 
Bauch gelegt, mit einem Messer ihm ein tiefer Einschnitt in den After ge- 
macht und dann die Spitze eines Pfahls in -die 0£Pnung gesteckt. Mit einem 
Hammer treibt man dann den Pfahl bis ans Brustbein. Wenn der Pfahl 
nicht mehr tiefer eindringt, bindet man dem Opfer Hände und Füße, richtet 
den Pfahl aof und senkt ihn mit dem unteren Ende in ein in die Erde ge- 
grabenes Loch. So hängt nun das arme Opfer mit dem ganzen Gewichte 
seines Körpers an dem Pfahle durch viele Stunden — ja sogar bis zu 
drei Tagen! Kur wenn man dem Tor Durst Terschmachtenden Opfet 
Wasser zu trinken gibt, stirbt es. Diese raffinierte Todesart ist dgene tur* 
kische Erfindung und wurde früher sehr häufig gegen die gefangenen Serben 
angewendet. Unbegreiflicherweise duldeten auch die Franzosen, dai der 
Mörder des G^erals Kleber in Kairo Ton den Arabern gepf&hlt wurde, 
die den Franzosen einen Gefallen erweisen wollten, wie man in meiner „Ge- 
schichte der französischen Expedition nach Ägypten 1798--1801** 
ausführlich geschildert findet. 



168 Sechster Zeitraum. 

er die Wache bestochen hatte , und brachte ihm Lebensmittel. 
Während Danilo aß, spreizte er den hängenden Vladika^ am ihm 
den Gebrauch der Hände zu ermöglichen. Wahrscheinlich ist es 
diesem braven Popen zu verdanken, dafi schlieAlich die arme Be- 
völkerung 600 Dukaten zusammenbrachte, die sie dem Demir Pa9i 
für die Freilassung des Vladika anbot Die Hälfte davon hatte 
der MitropoKt der Hercegovina als VorschuA geliehen. Der PaSä 
verlangte jedoch 3000 Dukaten, und selbst diese wurden auf- 
gebracht, und zwar zu zwei Dritteln von den armen Montene- 
grinern, zu einem Drittel von Savatija, dem im Kloster Savina 
bei Herceg Novi wohnenden Mitropoliten der Hercegovina. 

Kaum in Freiheit gesetzt, beschloA Danilo es den Türken 
einzutränken. Weil an eine erfolgreiche Verteidigung der Frei- 
heit gegen den äuAeren Feind nicht zu denken war, solange 
man den verräterischen Feind im Innern hatte, beschloß Danilo, 
sich des letzteren durch eine Bartholomäusnacht zu ent- 
ledigen. Zu diesem Zweck rief er nach seiner Rückkehr den Voj- 
voda der Katunska Nahija, Batrid Martinovid, nebst seinen 
vier Brüdern und andere Qlavari (Häuptlinge) zu sich und schil- 
derte ihnen das Gebaren der Muhammedaner, die Gefahr für das 
Land und die zwingende Notwendigkeit, sich der Abtrünnigen mit 
einem Schlag zu entledigen. Die anderen zauderten, und nur die 
fünf Brüder Martinovid von Bajce gaben dem Vladika recht Dieser 
erklärte nun, wenn die Glavari nicht mit der Ausrottung der Muham- 
medaner einverstanden seien, würde er seine Stellung niederlegen 
und das Land verlassen. 

Das wirkte! Sofort erklärten aUe, sie würden dem Wunsche 
des Vladika entsprechen, und der heilige Abend des Jahres 
1702 wurde dazu bestimmt Ab abends die Kerzen angezündet 
wurden (Christbäume gab es damab nicht), stürzten die Martinovid 
und die anderen Verschworenen hinaus und brachen in die von 
Muhammedanem bewohnten Häuser, wo sie alle niedermetzelten, 
welche sich weigerten, zur früheren Religion zurückzukehren. Von 
diesen Verschonten stammen diejenigen Montenegriner ab, welche 
heute .noch muhammedanisch klingende Namen ftihren, als: Rama- 
danovid (Ramazan), Husejnovid (Husejn), Alid (Ali), Muhadinovid 
(Muhadin). 



Montenegro in den ersten Regieningsjahren des Vladika Danilo. 169 

Auch in Virpazar wurden die Türken ermordet| als sie kamen, 
den HaraS zu fordern. Einer der Türken behauptete während des 
MessenB, das Maß des Montenegriners sei zu klein. Darauf schlug 
dieser mit dem Mafie dem Türken den Schädel ein, indem er rief: 
„Das ist das Montenegrinermaß!'' Sofort fuhren alle Hand2ars 
aus den Scheiden, ein furchtbares Qemetzel b^ann, und die Türken 
wurden alle niedergemacht, bis auf drei, denen es gelang, nach 
dkodra zu entkommen, wo sie dem Vezir die traurige Kunde 
brachten. So groß war das Qemetzel an jenem Tage, daß das 
(wie immer übertreibende) Volkslied behauptet, die Cnnnica hätte 
an jenem Tage mehr Blut als Wasser in den See geführt 

Seit jener Zeit fiel es keinem Montenegriner mehr ein, 
Muhammedaner zu werden, und wären die Serben, Griechen, Bul- 
garen und Albanesen ebenso verfahren, so stünde es heute besser 
mit der Kultur der Balkanländer. Denn der Türke ist kultur- 
unfähig, und der einzige gute Türke ist der tote. Wenn ein 
Volk im Interesse der allgemeinen Weltkultur ausgerottet zu 
werden verdient, so ist es das türkische, ohne dessen sechs- 
hundertjährige Mißwirtschaft ganz Südosteuropa vermutlich an 
Kultur dem Westen und Norden Europas heute gleichstehen würde. 
Stand doch vor der Türkeneroberung das byzantinische Reich in 
geistiger Beziehung am höchsten in Europa! 

Nach Reinigung des Landes begann Danilo mit der Neuord- 
nung desselben. 1704 baute er Kloster und Kirche in Cetinje 
wieder auf. Nur die Druckerei konnte nicht wiederhergestellt 
werden, weil ja seinerzeit ihre Lettern in Kugebi für die Gewehre 
umgegossen worden waren. 

Im Jahre 1706 erfolgte der nächste türkische Angriff, indem 
hercegovinische Türken das montenegrinische Dorf Trnjine in 
Cuce überfielen. Die Sache verlief aber schief für sie, weil sie 
von den Montenegrinern größtenteils niedergemacht wurden. Nur 
157 fing man lebendig (darunter 36 Vornehme), und da man 
gerade Lust auf Schweinefleisch hatte, machte man ihnen den Vor- 
schlag, sich ftir 157 Schweine loszukaufen, denn: ,|Ein Schwein 
für das andere!'' Und so mußten die hochmütigen Muhamme- 
daner, welchen das Schwein ebenso widerwärtig ist, wie den Juden, 
in den sauren Apfel beißen und sich für 157 Schweine loskaufen. 



.170 Sechster Zeitraum. 

(Dieser Zwischenfall gefiel William £. Gladstone am meisten, 
weil er ihn in seiner langen Besprechung meines Werkes „Mon- 
tenegro und die Montenegriner^' mit besonderem Behagen 
anführte.) 

Selbstverständlich hatten die Bartholomäusnacht und die 
Schweinegeschichte die Türken zu furchtbarer Wut gereizt, und 
sie warteten nur eine Qelegenheit ab, Bache zu nehmen. Diese 
wurde ihnen von den Montenegrinern selbst geliefert 

22. Montenegro als Bundesgenosse RuBlands. 

(1711—1713.) 

Nachdem Karl XII. von Schweden aus der Schlacht von 
Poltiva (1709) mit 300 Beitem auf türkisches Qebiet entronnen 
war; hatte er sich beständig bemüht, die Pforte zum Krieg gegen 
Peter den Großen (Pjotr Velikij) aufisureizen. Ende 1710 ge- 
lang es ihm, und Bußland suchte nach Bundesgenossen. Damals 
weilte bei Peter der General Graf Savo Vladisavljevid, ein ge- 
borener Hercegoviner aus Popovopolje, welcher den Garen auf die 
Montenegriner aufmerksam machte. Infolgedessen schickte Peter 
die erste russische Gesandtschaft nach Cetinje, bestehend 
aus dem Obersten Mihail Miloradovid (gleichfalls geborener 
Herce^viner) und dem Kapitän Ivan Lukafievid aus Pod- 
goriea. Sie brachten eine vom 3. März 1711 datierte Kundgebung 
des Caren mit, welche Andrid im Wortlaut gibt (S. 25); deren be- 
merkenswerteste Stellen aber folgendermaßen lauteten: 

yyWir Peter der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser und Allein- 
herrscher von ganz Bußland usw. usw. 

,,Den wohlgeboimen, vortrefflichen, ehrsamen, hoch würdigen 
Mitropoliten, Fürsten, Vojvode, Srdari, Harambaäi, Kapitänen, 
Bittem und allen wohlwollenden^ Christen des orthodoxen griechi- 
schen und römischen Glaubens, dann sonstigen Personen geistlichen 
und weltlichen Standes in Serbien, Slavonien, Makedonien, Bosnien, 
Hercegovina, und namentlich den Montenegrinern, Nikäidem, Ban- 
janem, Pivljanem, Drobnjakem, Gaöem, Trebinjem, Kroaten und 
sonstigen Bekennem Christi, welche sich unter dem tyrannischen 
Joche des türkischen Sultans befinden, Gruß und Freude. 



Montenegro als Bandesgenosse Rußlands. 171 

ffJn Berücksichtigang aller Ungerechtigkeiten fand ich mich 
bewogen^ unter Anrufung der göttlichen Hilfe: nicht nur unsere 
Macht und Heer, sondern auch jene der übrigen Verbündeten und 
Monarchen zu sammeln. Meine Absicht ist, in diesem Frühjahr 
nicht bloA den muhammedanischen Feind zu erwarten und gegen 
ihn mit Truppen zu gehen, sondern ihn auch mit mächtigen Waffen 
in der Mitte seines Reiches anzugreifen und die bedrängten ortho- 
doxen Christen, wenn es Gott gefällt, vom heidnischen Joche zu 
befreien, auf welche Unternehmung ich meine letzten Talente nicht 
nur opfern werde, sondern ich werde auch mit unserem Ueben, 
getreuen und erfahrenen Heere in Person gegen jenen Feind mar- 
schieren; daher ist jedes gute, reine und ritterliche Christenherz 
schuldig, mit Verachtung der Mühe und Furcht für die Elirche 
und den orthodoxen Glauben nicht nur zu streiten, sondern auch 
den letzten Blutstropfen zu vergießen, was von uns nach Möglich- 
keit auch geschehen wird. 

^Nachdem wir uns aus der Geschichte genügend überzeugten, 
wie eure alten Könige, Despoten und Fürsten, dann sonstige Herren 
nicht nur wegen der slawischen Sprache stets rühmlich geehrt 
wurden, sondern auch durch den Sieg der Waffen bis zu ihrer 
ungerechten und tyrannischen Überwindung in ganz Europa sich 
berühmt gemacht haben; so schickt es sich für euch, aus dieser 
Ursache in gegenwärtiger von Gott bestimmter ZiOit, euren vor- 
besagten Vorfahren nachzuleben und ihren alten Ruhm zu er- 
neuem, wofern ihr euch mit unserem Heere vereinigt und, gegen 
den Feind euch waffiiend, insgesamt für Glauben und Vaterland, 
für Ehre und Ruhm, für eure Freiheit und die Freiheit und Un- 
abhängigkeit eurer Nachkommen streitet. Wer daher übrigens in 
diesem gerechten Kriege an der Erleichterung des Christenloses 
Anteil nimmt, der wird zuerst vom allgütigen Gott jegliche Ver- 
geltung und von uns Gnade und Belohnung empfangen, der wird 
nach Wunsch und Verdienst unserer Begünstigungen teilhaftig 
werden, denn wir wünschen keinen anderen Ruhm ab den, die 
dortigen Christenvölker von heidnischer Tyrannei zu befreien, die 
orthodoxe Kirche zu verherrlichen und das lebendig machende 
Kreuz zu erhöhen. 

„Wenn nun endlich alles einstimmig sein und jeder nach 



17S Sechster Zeitraum. 

Kräften sich bemüht haben wird, für den Qlauben zu streiten, so 
wird der Name Christi herrlicher sein, so werden die Bekenner 
des heidnischen Muhammed in ihr altes Vaterland, in den Sand 
und in arabische Steppen vertrieben werden. 

,, Dieses Manifest unserer kaiserlichen Majestät wird euren 
wohlgebomen Personen von unseren Qesandten wohlwollend ein- 
gehändigt werden. 

,,Gtegeben zu Moskau im Jahre des Herrn 1711 den 3. März.'' 

Außer diesem drolligen Aufruf des Kaisers erlieft der Haupt- 
gesandte selbst später noch folgende merkwürdige Kundgebung: 

,,Wir Michail Miloradovid, von Gottes Gnaden Groftoberst und 
Bitter des gottesfUrchtigen Kaisers Petar Aleksejevid L, Sodsers 
und unüberwindlichen Monarchen aller Groß-, ELlein- und Weiß- 
russen, Selbstherrschers und Herrschers über viele Herrscher, Uber- 
winders Konstantin IL, des Großen (?I); 

„Geben jedem Familienoberhaupte zu wissen, der sich der 
Ehre und getreuen Dienste der Helden, der tapferen und treuen 
Montenegriner erinnern will, wienach selbe zugunsten des gottesfUrch- 
tigen Kaisers Peter fftr Glauben und Religion die ersten zu streiten 
begannen, wienach sie die ersten waren, welche den kaiserlichen 
Erlassen gehorchten, die ersten, welche in ihrem Lande Montenegro 
ein Heer stellten und Mühe und Plagen so lange ertrugen, bis sich 
nicht andere Stämme und Landstriche ihnen anschlössen. Ohne 
ihnen gab es anderwärts nicht so viel treuen und tapferen Volkes^ 
das Krieg führen könnte, um den Regenten und Gesandten des 
Kaisers aufrechtzuerhalten. Wir bemerkten ihre Treue und Tapfer- 
keit, vermittek welcher sie ihren Regenten Ivan Cmojevid unab- 
hängig machten und ihm dienten, welcher Ivan der letzte (?!) 
Herr und Selbstherrscher von Zeta war, der letzte Gegner des 
türkischen Kaisers von allen serbischen Herren, wie dies in den 
kaiserlichen Jahrbüchern ersichtlich ist. 

„In Anerkennung ihrer früheren und gegenwärtigen treuen 
Dienste gestatten (III) vrir ihnen selbständig zu sein, und daß 
sie außer dem Kaiser (1 1 1) keinen Herrscher über sich haben. Sie 
sollen kleinere Herren und Offiziere aus Eingebomen, aus ihrem 
Vaterlande besitzen. Von anderen Stämmen und Ländern soll 



Montenegro als Bandesgenosse Rußlands. 17S 

niemalB weder ein Vojvoda^ noch ein Ejiez, weder ein Hauptmann 
noch sonst ein Altester angestellt werden, ausgenommen durch den 
Kaiser nach kaiserlichem Recht und Gesetz, in geistlichen Dingen 
aber durch den Mitropoliten, so wie wir ihn gefunden haben, und 
wie er auch beim Ivan Cmojevid bestanden. Ein Gleiches war 
hinsichtlich der Seelsorger und des Erzbischofe, hinsichtlich der 
Vojvode und Enezen, der Kapitäne und aller Offiziere, die von 
ihrem Stamme und aus ihrem Vaterlande und von keiner anderen 
Seite vorhanden waren, und auch von keiner angenommen werden 
sollen. Wir gestatten (III) ihnen bei unserem Schwur, daß sie 
keine Kopfsteuern, Abgaben oder Zehnten von Grundstücken, 
Weingärten, Wiesen, Pferden, Ochsen oder sonstigem Vieh oder 
Bienen zahlen, und von lebendiger oder sächlicher Zwangsarbeit 
befreit sein sollen. Sie haben gar keine Pflichten zu erfüllen, keine 
Kriegsdienste oder Dienste mit Pferden oder Ochsen zu verrichten, 
außer als kaiserliche (1) Streiter mit Schwert und Flinte. Eine 
andere Last sollen sie nicht haben; sie sollen keinen Hafer 
oder Käse, kein Schmalz, Brot oder Fleisch auf Rechnung der 
Abgaben entrichten, außer was einer aus freiem Willen geben will. 
Jeder Offizier soll kaiserliches Gehalt haben: der Vojvoda, der 
Knez, der Hauptmann und jeder Offizier wie unter dem besten 
Könige. Sie sollen als erste Boljaren Ehre und Herrschaft ge- 
nießen, und nach Rang und Familienalter befugt sein, unter sich 
für ihre Arbeiter Gericht zu halten, die ihrem Stamme angehören. 
Im Handel durch jene Länder, welche Gott dem Kaiser Peter zu 
erobern gestatten sollte, soll kein Montenegriner einen Zoll ent- 
richten, keine Handeksteuer weder vom Groß- noch ELleinhandel, 
sondern sie sollen hievon befreit sein. Wir erlauben (I) ihnen, sie 
sollen befugt sein, alles zu tun, zwei Sachen ausgenommen : erstens, 
die Kirchen sollen im Besitze der Dörfer, Ackergründe, Weingärten, 
Wiesen, Wälder, Schiffe oder Fischanteile verbleiben, so wie es 
die Stiftungsurkunden anordnen und zwar unter der Gerichtsbarkeit 
des Mitropoliten von Cetinje stehend, ohne dessen Segen sich die 
Weltlichen nicht hineinmengen sollen. Verödeten und zerstörten 
Kirchen und Klöstern, denen die Türken die Grundstücke weg- 
nahmen, gestatten (!) wir Ausbesserung und den selbständigen 
Besitz von Ghrundstücken und Fischereien. Sie sollen alles das- 



174 SechBter Zeitranm. 

jeoige haben, was ein oder der andere Kaiser ihnen zn weisen 
eoUte, und jene Befreiangen and Einkünfte genieften, wie es die 
selig ruhenden Herren Könige Torschrieben. 

„Wie oben erwähnt, erlauben (I) wir ihnen zweierlei nicht. 
Dieses ist: die geistliche Zwangsarbeit betrefifend, and daß ücb 
kein Weltlicher in die geistliche Gerichtsbarkrät mengen solle, das 
übrige erUuben (1) wir ihnen alles. Sie sollen frei and befugt sein, 
in Städten bewa£het za geben, und vor jedermann bewafinet zu 
erscheinen, wogegen sie immer bereit sein sollen, in ihrer Heimat 
für den Kaiser zu streiten (shal) und räch selbst zu verpäeges, 
nur soll ihnen der Kaiser Pulver und Blei geben. Im Falle eines 
Kri^es soll ihnen der Kaiser die fehlenden Schie^ewehre und 
blanken Wa£^ anweisen, in der Friedenszeit hingegen soll weder 
der Kaiser noch sonst ein Glebieter von ihnen etwas verlangen, 
und umgekelut diese von jenem nichts. Sollte der Kuser in an- 
deren Ländern Krieg führen und üe dazu snffordem, so soll er 
sie dazu nicht zwingen, sondern es soll dies ihrem freien Willen 
anbeimgestellt bleiben. In diesem Falle soll ihnen der Kaiser 
die Verpäegnog und jeden Kriegsbedarf verabreichen. 

„EÜeses Schreiben wurde verfaßt, auf daß es niemab in Ver- 
gessenheit gerate, was mittelst eines Schwnres bestädget wird. 
beschrieben am Landtage zu Cetinje in Montenegro den 16. April 

1712. 

Des gottesfUrchtigen Kaisers Großoberet und Ritter. 
(L. S.) ^ij. jjioimei Miloradoviö, m. p." 

Diese beiden Urkunden kdnnen ebenso bezeichnend wie 
klassisch genannt werden : im Aufruf des Caren der heuchleriscbe 
Scbwefd, in jenem des Gesandten die empörend anmaßende Frech- 
heit, mit der Rußland sofort den eben erbetenen and treulos im 
Stich gelassenen Helfer in der Not als Vasallen bebandelt und 
ihm großmütig „gestattet", frei zu sein und auf „Befehl" des Caren 
fHr dessen Interessen sein Blut zu verspritzen, wofür ihm das groß- 
mütige Väterchen — Schießbedarf liefern willl Wir werden im 
Verlaufe der Geschichte noch ofl sehen, wie sieb die Honten^;riner 
!Ür die Rassen opferten und mit welch empörendem Undank sie 
lafür belohnt warden, ohne daß sie bis heute daraus eine Lehre 
gezogen haben I 



Montenegro als Bundesgenosse RuElands. 175 

Als der Vladika die Zuschrift Peters erhielt^ versammelte er 
das Volk und hielt an sie eine bezeichnende Ansprache, in der 
es unter anderem mit köstlicher Naivheit heißt: 

jf'Wir haben immer gehört, daß es irgendwo, weiß Gott 
wo, in einem fernen Lande des Ostens einen orthodoxen Sauser 
gebe, weshalb wir bisher stets gewünscht haben, darüber Näheres 
zu erfahren. Da wir aber hier in unseren Bergen von aller 
Welt abgeschlossen sind, konnten vrir bisher über ihn nichts Ge- 
naues erfahren/' 

Dann rief er die Montenegriner zum Kampf gegen die Türken 
auf, um dem „orthodoxen ELaiser'^ beizustehen, wie dieser es 
wünschte. Zu diesem Zwecke schrieb er auch an die entlegenen 
und teilweise noch den Türken unterworfenenen Gebiete Briefe,, 
von deren Inhalt uns jener vom 15. Juli 1711 an die Bewohner 
von Trebjeäa bei Onogoät (Nikäid) einen Begriff geben mag: 

„Wenn ihr Christum liebt, im Namen des von ihm am Kreuz 
für unsere Erlösung vergossenen Blutes und im Namen der Liebe 
seiner allerheiligsten Mutter, deren Fürbitte euch am jüngsten 
Tag beistehen möge, erhebt euch, um euer Blut zu vergießen, und 
zaudert keinen Tag, die Stadt (Onogoät) zu erstürmen, denn es 
ist keine Zeit zu verlieren. . . . Binnen einer Woche muß die 
Stadt euer sein. . . . Unsere goldenen und silbernen Kircbengeräte 
verkaufend, werden wir ein Heer sammeln und mit den Albanesen 
zum Nutzen unseres unglücklichen, verlassenen und hungernden 
Volkes anbinden. . . . Diese Worte niederschreibend, vergieße ich,, 
der bekümmerte und betrübte Vladika Danilo, Tränen, wünschend, 
mein eigenes Leben für Christus, d. h. für mein eigenes Volk 
zu opfern." 

Diesem Aufruf fügte Miloradovid noch hinzu: 

„Das Jahr hat viele Wochen, aber stellt es so an, daß> 
schon binnen der nächsten die Stadt und ihre türkische Be- 
satzung in euren Händen sei. ... Ich habe heute 1000 Tapfere- 
abgesandt, auf daß sie sich mit den Albanesen messen. . . . Er- 
obert die türkische Stadt und übergebt sie uns, ich werde in ihr 
wohnen, in eurer Gesellschaft. . . . Hier ist schon das ganze Heer 
bereit Fürchtet nichts, ich schwöre euch im Namen Gottes, daß^ 
ich euch nicht verraten werde. . . . Greift an und trachtet, dea 



176 Sechster Zeitraam. 

Kapetan Eumrije in eure Hände zu bekommen. Im Namen der 
allerheiligsten Jungfrau bemächtigt euch der Stadt und seid auf 
der Hut, verlaßt euch nicht auf Worte , damit sie euch nicht 
täuschen, denn die Lateiner (Venezianer) haben schon den Eumrija 
von meinen Bewegungen in Kenntnis gesetzt. . . . Die Knezovi 
von Bjelopavlidi und Piperi sind bereits bei uns angekommen und 
wir haben mit ihnen vereinbart, so GK)tt will, diese Woche die 
Festung Spu2 anzugreifen. . . . Ich schrieb auch nach Grahovo 
und Rigjani, wo man auch schon bereit isf 

Der Erfolg blieb nicht aus. Alle an Montenegro angrenzenden 
Gebiete erhoben sich gegen die Türken, welche sich in die 
Festungen Onogoät, Spuz, Podgorica und 2abljak flüchteten, die 
aber ohne Artillerie nicht genommen werden konnten, und die 
Montenegriner besaßen nicht eine einzige Kanone! Hatten sie ja 
nicht einmal aUe Feuerwaffen I Darum bildete sich bei ihnen die 
Taktik des Kämpfens Mann an Mann aus, von der sie selbst bis 
in die jüngste Zeit der Schnellfeuerwaffen zu ihrem eigenen Schaden 
nicht lassen wollten. (Man lese die Nachschrift meines „Fürsten- 
tums Albanien^^ nachl) Das ganze Land allerdings fiel in die 
Hände der Aufständischen, welche alle türkischen Häuser ver- 
brannten. 

Da kam wie ein Blitzstrahl die Nachricht, daß Peter der 
Große von den Türken am Prut eingeschlossen worden, nur 
durch Bestechung des Großvezirs seitens seiner Frau Katharina I. 
aus der Klemme gezogen, aber am 12. Juli 1711 zum Friedens- 
schluß gezwungen wurde. Und was das Ärgste war: der mit 
Versprechungen so freigebige Gar hatte es nicht der Mühe 
wert gefunden, in dem Friedensvertrag die Monte- 
negriner zu erwähnen und für sie Verzeihung zu bedingen. 
Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan, folglich konnte er gehen! 

Um so unverschämter ist dann die auf Seite 172 angeftihrte 
Kundmachung des russischen Gesandten Miloradovid, der noch 
bis April 1712 in Montenegro blieb; denn durch die Mitwirkung 
der Montenegriner waren immerhin starke türkische Streitkräfte 
gebunden worden, die sonst ihre Verwendung gegen die Russen 
gefunden hätten. Aber die einfachen Naturkinder der Schwarzen 
Berge machten sich in ihrer Unwissenheit und Weltunerfahren- 



Montenegro ala BondeigenoMe Bailands. « 177 

hdt darüber gar keine GManken and blieben den Rassen nach 
wie vor sogetan. 

Natürlich waren die Montenegriner jetzt der türkischen Rache 
preisgegeben und diese lieft nicht lange auf sich warten. Der 
Sultan Ahmet III. befahl dem Seriask^r (Eriegsminister) Ahm^t 
Ftäif die Montenegriner empfindlich zu züchtigen. Die Rüstungen 
nahmen aber so viel Zeit in Anspruch, dafi der Winter einbrach 
und der Feldzug auf den nächsten Frühling verschoben werden 
mußte. Denn nicht weniger ab 107 000 Mann (nach dem Volkslied) 
sollten gegen das kleine Montenegro anrücken. Andere Quellen 
^eben mit größerer Wahrscheinlichkeit 50 — 60000 Mann an, aber 
selbst die kleinste Ziffer ist immer noch fast doppelt so groß 
^s Montenegro überhaupt Finwohner zählte. 

Dieses große Heer lang^ im Juni 1712 in Podgorica an, ging 
im Juli über die Zeta und schlug an der Vlahinja ein Lager 
Auf. Der Vladika hatte seine Montenegriner an der Mar9ulja auf- 
j;estellt. Hier teilte er sein Heer in drei Teile: den rechten Flügel 
befehligte der Held Janko Gjuraäkovid; der Auftrag erhielt 
sich in den Wäldern des Prznik zu verstecken; den linken Flügel 
befehligte der nicht minder berühmte Held Vuk Midunovid, 
welcher die Höhen von Vrana besetzt halten, sollte; das Mittel- 
treffen unter dem Vladika selbst rückte gegen die Vlahinja. Am 
29. Juli, noch vor Tagesanbruch, überfiel Danilo das türkische 
Lager, das in Verwirrung geriet, die sich steigerte, ab dann Qju- 
raäkovid hervorbrach, und endlich in wilde Flucht ausartete, ab 
Midunovid von der dritten Seite herkam. Wie die Schafe ließen 
sich die Türken auf der Flucht niedermetzeln, und 86 Fahnen und 
Roßschweife (nach Medakovid nur 24) blieben in den Händen der 
Sieger, welche diesen Sieg mit dem Verlust von 318 Toten bezahlten, 
darunter Qjuraäkovid, während Danilo und Midunovid verwundet 
wurden; ersterer in der Unken Brust, wobei ihn nur seine goldene 
Kette mit dem Kreuz vor dem Tode schützte. Was die Zahl der 
.gefSedlenen oder in der Moraöa ertrunkenen Türken betrifft, so wird 
sie meistens auf 20000 angegeben, obgleich Andrid von 30 — 40000 
Mann spricht Ahmdt Paää selbst entrann nur durch Zufall 

Will der Leser einen Begriff haben, wie die serbischen Volks- 
lieder (welche alle Ereignisse verherrlichen und deshalb eine Ge- 

GopÖeyiö, Montenegro nnd Albanien. 12 



178 - Sechster Zeitraom. 

schichte ersetzen , obgleich sie natürlich an dichterischer Aus- 
schmückung, naiven Anschauungen und Übertreibungen reich sind) 
Schlachten beschreiben, so möge er in meinem ,,Montenegro und 
die Montenegriner'', S. 10 — 12, das diesbezügliche Lied in Über- 
setzung lesen. 

Das Schlachtfeld wurde von den Montenegrinern Carev 
Laz genannt (kaiserliche Waldlichtung), denn sie sagten, die 
türkischen Leichen seien dort so gelegen, wie die Baumstämme 
auf einer fnsch ausgehauenen Waldlichtung. 

Im folgenden Jahre (1713) schickte der Vezir von Skodra den 
Ibrahim (Abraham) Paää von Spu2 mit 5000 Mann ab, um das im 
Tale der Zagjevica weidende Vieh der Montenegriner (1000 Ochsen 
und Pferde und 5000 Schafe und Hammel) abzufangen. Dra2ko 
und Vukota Mrvaljeviö sammelten schnell 100 Mann von 
Yelestovo und leisteten Widerstand gegen die fünfzigfache Über- 
macht. Sie töteten im Gefecht den Mehemed Agä mit zehn Türken, 
wären aber schließlich doch erlegen, wenn nicht auf das Schießen 
hin der eben von einem Raubzug gegen Ljeäkopolje mit 200 Monte- 
negrinern zurückkehrende Vuk Miöunoviö ihnen zu Hilfe ge- 
kommen wäre. So fiel er den Türken unversehens in die Flanke, 
trieb sie bis zur Suäica zurück und schnitt bei dieser Qelegenheit 
103 Köpfe ab. Dabei wollen die Montenegriner nur ihren Bar- 
jaktar verloren haben und selbst den nur durch einen unglück- 
lichen Schuß der Seinigen (?). 

Im selben Jahre brachen auch die (vermutlich muhammedani- 
schen) Befehlshaber von Spuz und Nikäid, Manojio Kadiö und 
Petar BoSkoviö mit 3000 Mann in das Zeta-Tal ein, wo sie von 
Vuk Manduäid bei Meoce geschlagen wurden und 70 Mann 
verloren. 

23. Montenegro als Bundesgenosse der Venezianer 

und Österreicher. (17U— 1717.) 

Als Sultan Ahmad III. die Nachricht von der fUrchterlichen 
Niederlage am Carev Laz und den weiteren siegreichen Kämpfen 
der Montenegriner erhielt, bot er ihnen Frieden an — ja er stellte 
ihnen sogar reiche Beute in Aussicht, wenn sie sich auf türkische 
Seite stellen wollten. Aber die verblendeten Montenegriner ver- 



Montenegro als Bandesgenosse der Venesianer und Österreicher. 179 

warfen den Friedensantrag , weil sie sich durch ihr den Russen 
g^;ebene8 Versprechen gebunden glaubten und — von Peter dem 
Großen keine Erlaubnis zum Friedensschluß erhalten hatten ! Die 
Folgen mußten sie sich deshalb selbst zuschreiben. 

Der Sultan beschloß nämlich, alle Montenegriner mit 
Stumpf und Stiel auszurotten, weshalb er unter Dumän 
(oder Numän) Paää Köprültt 120 000 Mann gegen Monte- 
negro sandte, das damals nur über 10 000 Streiter verfügte. Der 
berühmte Vezir näherte sich von der hercegovinischen Seite im 
Mai 1714 und beschloß, sich einer Kriegslist zu bedienen. Er 
lockte 37 Häuptlinge (Glavari) von Montenegro unter Zuschwörung 
freien Geleits zu sich, machte ihnen bekannt, daß Peter der Große 
Frieden geschlossen hätte, und bot ihnen einen solchen ebenfalls 
an. Die Häuptlinge, durch diese hinterlistigen Versprechungen 
getäuscht, sandten in die Heimat Boten, welche Frieden predigten 
und die kampfbereiten Scharen zum Auseinandergehen veranlaßten. 
Nun ließ Köprülü sämtUche Häuptlinge in seinem Lager bei Sit- 
nica unterhalb Orahovica aufhängen, drang unvermutet von drei 
Seiten in die Katunska Nahija vor, verbrannte und verheerte den 
fünften Teil von Montenegro und zerstörte das vor kurzem angebaute 
Kloster in Cetinje. Zwar leistete man ihm anfangs einigen 
Widerstand, aber der Führer beraubt, gaben die Bewohner nach 
Verlust des berühmten Helden Vuk ManduSiö das Land preis 
und flüchteten sich auf venezianisches Gebiet. Von diesen Flücht- 
lingen wurden aber 600 Weiber und Kinder von den treulosen 
Venezianern an die Türken ausgeliefert, welche alle männlichen 
Kinder umbrachten. Der Vladika rettete sich in eine Höhle in 
Paätrovid. Zweitausend Gefangene wurden in die Sklaverei ge- 
schleppt. Raubend und pltbidemd zog Köprülü von Montenegros 
Gebirgen in die Täler des Primorje, machte die Flüchtlinge zu 
Gefangenen und begab sich von dort nach Albanien, um — mit 
der Wegnahme des Peloponnes dem Dogen von Venedig seinen 
Dank für dessen Unterstützung abzustatten! 

Die zerstreuten Montenegriner sammelten sich bald wieder, und 
da sie vom venezianischen Admiral Angelo Emo Waffen für 
6000 Mann erhielten, lieferten sie 1715 den aus der Heroegovina 
vorgedrungenen Türken bei Boganova Kula ein siegreiches Gefecht, 

12* 



180 Sechster Zeitraum. 

wobei sie 36 Agäs und Begs ge&ngen nahmen, aber gegen Löse- 
geld entließen; allerdings mußten die Türken wieder zum Hohn 
fllr jeden Gefangenen einen Ochsen und ein Schwein geben. Um 
die Verluste am Eigentum vom Jahre 1714 zu decken und eine 
Entschädigung zu erwirken, begab sich der Vladika nach Rußland 
zu Peter dem Großen und erwirkte zwei Urkunden. 

In der ersten aus Si Petersburg vom 9. Juli 1714 bedauert der 
russische Kaiser den Unglücksfall der Montenegriner, verspricht 
nach Beendigung des Krieges würdige Hilfe und sendet vorläufig 
durch den Vladika 160 goldene Medaillen zur Verteilung an die 
Tapfersten und 5000 Rubel zur Unterstützung der Abgebrannten ^). 
Zur Aufbauung der zerstörten Kirchen und des E^losters wurde 
abermals eine Summe von 6000 Rubeln bestimmt. 

Mit der zweiten Urkunde aus St Petersburg vom 9. Juli 1715 
verleiht Peter der Große zur Belohnung der treuen Dienste und 
des christlichen Eifers dem Kloster zu Cetinje eine jedes dritte 
Jahr zahlbare Unterstützung von 500 Rubeln*) und macht ihm 
Geschenke, bestehend in E^irchengef&ßen, Eorchenbüchem, erz- 
bischöflichen und Priestergewändern. 

Im Jahre 1716 fielen die Türken aus Bosnien und der Herce- 
govina wieder in Montenegro ein und drangen bis Tmjine vor. 
Es waren ihrer 7000 Mann unter Anf&hrung von Öengid Sinan 
(sinin = Lanze) B^ und Ljubovid Beg. Die überraschten 
Einwohner setzten ihnen vorläufig 30 Mann entgegen, die sich so 
lange hartnäckig verteidigten, bis sie von Öevo, Velestovo, Cuce 
und Bjelice Verstärkung erhielten. Bei ihrer Annäherung ergriiffen 
die Türken die Flucht, verfolgt von den weiter herbeiströmenden 
Montenegrinern über Berge und durch Wälder, bei welcher G^egen- 
heit die Türken 90 Tote und 132 Gefangene, darunter 74 Agäs 
und B^, verloren. Die Gefangenen wurden gegen Lösegeld und 
die übliche schimpfliche Beigabe entlassen, nur Öengid Beg, Lju- 
bovid B^ und 75 andere wurden zur Sühne für die gehängten 
37 Glavari hingerichtet. 

1) Mit diesen 16000 Mark hatte sich der Gar riesig angestrengt, die 
Montenegriner für alle Opfer zu entschädigen, die sie in vierjährigen Kämpfen 
auf seine Veranlassung gebracht hatten! 

2) Also 530 Mark pro Jahr! 



Montenegro als BundesgenoBBe der Venesianer und Österreicher. 181 

In demselben Jahre 1716 fiand noch ein anderes bemerkens- 
wertes Ereignis statt In den Kämpfen von 1714 war der Stamm 
Ozrinidi auf 40 WaffenfiÜbige herabgeschmolzen und diese wurden 
unter ihrem Vojvoda Nikola Tomaäev in Öevo von 2000 unter 
dem Befehlshaber von Elobuk^)^ Ljubovid B^, eingefallenen 
Türken umzingeli Mehrere Tage lang verteidigte sich das Häuf- 
lein Tapferer gegen die Übermacht, bis aus den übrigen Teilen 
Montenegros Hilfe kam. Nach dem Volksliede betete Nikola 
Tomaäev während des Kampfes zwischen den Türken und den 
zum Entsatz kommenden Montenegrinern, Gott möge den Pulver- 
dampf durch einen Windstoß zerstreuen, damit er ausnehmen 
könnC; wo die Feinde und wo die Freunde stünden, damit er an 
dem Kampfe ebenfalls teilnehmen, bzw. seine Gegenwehr dorthin 
wirken lassen könne. Wirklich zerteilte sich der Pulverdampf und 
Tomaäev konnte sehen, wie die Türken unter den Streichen der 
Montenegriner fielen, welche angeblich mehr als 1000 Köpfe ab- 
schnitten und den Rest zu Gefangenen machten. (Letzteres dürfte 
aber kaum wahr sein, da Gefangene nur ausnahmsweise ge- 
macht wurden. Denn gewöhnlich schnitten die Montenegriner 
nach dem ihnen zuerst von den Türken gegebenen Beispiele den 
überwältigten Türken in der Schlacht den Kopf ab, weil sie nicht 
ihre Zeit mit dem WegfUhren von Gefangenen verlieren wollten, 
welche sie übrigens auch nicht zu erhalten und zu bewachen in der 
Lage gewesen wären. Deshalb machte man gewöhnlich keine Ge- 
fiwgenen. Nur bei einzelnen Gelegenheiten, wenn es galt, für 
Gefangene Lösegeld zu bekommen und diese in geringer Anzahl 
waren, machte man eine Ausnahme. Darum kann man auch als 
wahrscheinlich annehmen, daß der Gtesamtverlust der Türken in 
den Schlachten gegen Montenegro, bei denen jene geschlagen 
wurden, sich lediglich auf Tote beschränkte, denn schwerer Ver- 
wundete konnten auf der Flucht nicht folgen und deshalb wurde 
ihnen, wenn man sie einholte, der Kopf abgeschnitten.) 

Der Feldzug von 1714 hatte Montenegro wohl stark ge- 
schädigt, aber seine Unabhängigkeit hatte nicht gelitten, weil die 



1) Klobnk bedeutet im Serbischen einen hohen (Zylindei^) Hut, wahr« 
scheinlich, weil dieses Schlofi auf einem hohen steUen Bergkegel lag. 



18S Sechster Zeitnuim. 

Türken sich mit ihrem Biesenheere in den öden Bergen nicht halten 
konnten y and das war stets der Hauptgrand, weshalb aach jene 
EinflÜle türkischer Heere, welche erfolgreich waren, nar vorüber- 
gehenden Nachteil brachten. Denn wenn die Montenegriner 
sahen, daß die Übermacht so groß war, daß Widerstand aussichts- 
los erschien, so flüchteten sie sich anf die Spitzen ihrer Berge, 
wohin sie ihre Familien und ihr Vieh mitnahmen. Natürlich wären 
sie schließlich dort oben auch verhungert, wenn die Türken die 
Täler dauernd besetzt gehalten hätten. Dies war aber eben wegen 
der Unmöglichkeit, Hunderttausende zu verpflegen, ausgeschlossen 
und so maßten die Türken jedesmal wieder abziehen. Mit ge- 
ringeren Trappenmassen konnten sie aber nicht daran denken, 
sich im Lande zu halten, weil sie sonst von den Montenegrinern 
im kleinen Krieg einzeln vernichtet worden wären. Immerhin 
war der Schaden, den die Türken anrichteten, groß, weil sie 
erstens die verlassenen Dörfer zerstörten und zweitens die Weiber 
und Kinder jener vereinzelten Weiler wegführten, welche unver- 
sehens überrascht wurden und deshalb keine Zeit zur Flucht 
hatten. Was das Benehmen der Venezianer betrifft, so versagt 
darüber jede Kritik, denn man weiß wirklich nicht, ob man sich 
mehr über die Treulosigkeit ihrer Regierung entrüsten oder über 
deren Beschränktheit wundem soll! Es hätte doch der Signoria 
schon längst klar sein müssen, daß die Türken ihr Erbfeind waren 
und daß sie deshalb alle jene Völker zu unterstützen hatten, 
welche der Osmanenmacht Abbruch taten. Statt dessen glaubte sie, 
sich bei den Türken einschmeicheln zu müssen. Daß sie diese 
alberne Politik mit dem Verlust des Peloponnes bezahlen maßte, 
war dann nur ihre gerechte Strafe. 

Die Eroberung des Peloponnes hatte den römischen Kaiser 
aufgebracht. Prinz Eugen begann seinen siegreichen Feldzug, 
und die Montenegriner, bei denen der Haß gegen die Türken 
die Entrüstung über die Treulosigkeit der Venezianer überwog, 
halfen den letzteren wieder in ihrem Kriege gegen die Pforte ^). 



1) Es wurde ein ileuer Bündnisyertrag in Venedig abgeschlossen und 
die moDtenegriniscben Abgeordneten bei dieser Grelegenbeit Yom Dogen mit 
goldenen Ketten beschenkt. 



Montenegro als Bundesgenosse der Venezianer und Österreicher. 18S 

Denn nach der Eroberung des Peloponnes hatten die Türken ihre 
Angriffe auf venezianische Gebiete fortgesetzt und schließlich sogar 
Korfii belagert, das vom berühmten Feldmarschall Schulenburg 
mit nur 6000 Mann (größtenteils Dalmatinern) verteidigt wurde. 
Nach zweimonatigen Angriffen hatten die Türken 15 000 Mann 
verloren und so schifften sie sich unter Hinterlassung von 56 Qe- 
schützen und 2000 Verwundeten meder ein. 

Bald darauf erfocht Prinz Eugen den glänzenden Sieg von 
Petrovaradin (Peterwardein); wo die Türken am 5. August 
1716 über 6000 Mann, 114 Qeschütze und 150 Fahnen verloren, 
und der Qroßvezir selbst den Tod fand. Dann kam die Eroberung 
von Tämesvär und Belgrad, während der kaiserliche General 
Petraä Bosnien überschwemmte. Schulenburg seinerseits war 
angriffsweise vorgegangen, indem er das von 2200 Türken ver^ 
teidigte Präveza eroberte, während der venezianische Admirai 
Alvise Mocenigo Bar (Antivari) erstürmte. Als die Türken 
zur Wiedereroberung heranrückten, wandte sich Venedig in der 
Bedrängnis an Danilo um Hilfe und dieser sandte wirklich 5500 
Montenegriner, denen es gelang, die Türken zu schlagen. So ver- 
sichert wenigstens Vlahovid auf Grund der Angaben von Milu- 
tinovic, Vasili und Guthrie Anders Milakoviö, bei dem fol- 
gendes zu lesen ist: 

„Im Herbst 1717 setzte sich das venezianische Heer aus 
Dalmatien unter Alvise Mocenigo, dem Statthalter von Dal- 
matien, gegen Bar (Antivari) in Bewegung. Der Vladika schloß 
sich ihm mit seinen Montenegrinern an. Die Bewohner der Um- 
gebung taten dasselbe und die Besatzung wagte keine Ausfälle. 
Mocenigo erwartete Belagerungsgeschütz und Schießbedarf, die mit 
der Flotte eintreffen sollten, aber mdrige Winde verzögerten deren 
Ankunft. Inzwischen eilte der Seriaskär aus Albanien mit 30000 
Mann herbei, worauf Mocenigo die Belagerung aufhob und die 
Montenegriner in ihr Land zurückkehrten.^' 

Diese Darstellung trägt mehr den Stempel der Wahrheit 
an sich. 

Übrigens sei an dieser Stelle bemerkt, daß schon vorher 
zwischen dem Vladika und der Signoria Unterhandlungen wegen 
geistlicher Angelegenheiten stattgefunden hatten. Seit uralter Zeit 



184 Sechster ZeitnumL 

nfimlidi stand in gosÜicher Bemehnng nicht nnr Montenegro nebst 
der Brda unter dem Mitropoliten Ton Cetinje, sondern auch Pod- 
gorica, 2abljak, Skodra, Uicin und Bar auf türkischem Gebiet, 
Paitrovidii Ghrbaljy Krtole und LaStica in den Bocche auf Teno- 
sianiscbem. 

Solange das serbische Patriarchat in Pe6 bestand, hatte dieses 
die Oberhoheit über die ganze orthodoxe Kirche der erwähnten 
Länder; seit aber der erbärmliche Patriareh Arsenije Öarno- 
jevid nach Ungarn ausgewandert war, wollten die VencEianer 
Ton weiterer ausländischer geistlicher Obeiiioheit nichts wissen 
und der römische Klerus richtete es so ein, daß ihm die venoEia- 
nische Regierung gestattete, nicht nnr die orthodoxen Kirchen im 
Lande su untersuchen, sondern daß die orthodoxen Oeistlichen 
gezwungen wurden, vor ihrer Weihe sich die Erlaubnis dazu 
vom — Papst (!!!) zu holen, den doch die orthodoxe Kirche 
ab Usurpator der höchsten geistlichen Macht nicht anerkennt und 
von dessen angeblicher „Statthalterschaft Gottes auf Erden'' sie 
ebensowenig wissen will, wie die verschiedenen evangelischen Kir- 
chen. (Nur die sogenannten „griechisch-katholischen^^ [„unierten'^] 
Kirchen machen eine Ausnahme, das sind aber Buthenen und 
ein Teil der Armenier und Rumänen, also nicht Serben, 
Albanesen, Russen, Bulgaren oder Hellenen, wie man so oft 
irrigerweise in Zeitungen liest.) Ebenso wurde jeder orthodoxe 
Geistliche bei seiner Weihe von den Venezianem gezwungen, 
vor dem römisch-katholischen Bischof das katholische Glaubens- 
bekenntnis abzulegen! 

Daß außer diesen Beschwerden der Vladika noch andere 
hatte, beweist sein Brief an einen Venezianer Freund, in dem er 
ihn bittet, sich zu bemühen, daß endlich einmal die Kirche in 
Budva gebaut werde und jedermann freie Ausübung seiner 
Religion gestattet werde, wie dies im römischen 
Reiche der Fall sei. 

Um diesen Ifißbräuchen zu steuern, sandte Danilo im Frühjahr 
Gesandte namens der Katunska Nahija nach Venedig, wo ihnen 
der Doge Giovanni Cornaro am 13. März 1717 einen Erlaß 
dnhändigte, welcher ftbr die Katunska folgende Zugeständnisse 
enthielt: 1. wird man dem Proweditore von Cattaro Auftrag geben, 



Montenegro als Bundesgenosse der Venezianer und Österreicher. 185 

daß in der dortigen Kirche S. Luka orthodoxer Qottesdienst ge- 
halten werden dürfe; 2. Zollfreiheit für die nach dem veneziani- 
schen Oebiet ausgeführten Landeserzeugnisse; 3. Zahlung von je 
20 Silberdukaten monatlich an den Guyematur und 2 Srdari, von 
je 10 Dukaten an 4 Knezovi, von je 5 Dukaten an 8 Enezovi, 
von je 24 Lire an 24 Soldaten der Miliz; 4. daß zu den bereits 
bestehenden zwei Kompagnien montenegrinischer Söldner noch eine 
dritte unter ihren selbstgewählten Offizieren errichtet werde ^ die 
jedoch nur zur Elriegszeit Sold bekämen ; 5. daß zur besseren Ver- 
teidigung des venezianischen (aha!) Gebietes den Montenegrinern 
300 Gewehre geliefert würden, nebst dem nötigen Schießbedarf; 
6. daß ihnen auch Getreide geliefert werde. Was aber die Haupt- 
sache betrifft: die Anerkennung der geistlichen Oberhoheit des 
Vladika über die orthodoxen Boccheseu; sowie die freie Aus- 
übung der Religion, so schwiegen sich darüber die Venezianer 
gründlich aus und es ist schwer zu verstehen, daß der Vladika 
nicht damals schon imstande gewesen sein soll, sie auch dazu zu 
bringen, wo doch die Venezianer zur Verteidigung der Bocche 
gegen die Türken auf seine Hilfe angewiesen waren. 

Daß meine Ansicht richtig ist, beweist die Folge. Nachdem 
nämlich Danilo den Venezianern während der Belagerung von 
Bar gezeigt hatte, wie nötig sie ihn brauchten, begab er sich im 
nächsten Frühjahr in Person nach Venedig, wo er seine weitere 
Mithilfe von der Erfüllung seiner Forderungen abhängig machte. 
Das wirkte, denn am 12. Mai 1718 bekam er vom Dogen fol- 
genden Erlaß: 1. wird die geistliche Oberhoheit des Vladika über 
die Orthodoxen der Bocche anerkannt, Religionsfreiheit bewiUigt 
und die Erlaubnis erteilt, die zerstörten orthodoxen Kirchen auf- 
zubauen und an allen Orten, wo es dem Vladika nötig erscheinen 
würde, neue zu erbauen; 2. 20 Enezovi der Nahijen von Rijeka 
und Crmnica werden monatlich je 5 Dukaten von der Signoria 
erhalten ; 3. Zollfreiheit für die Einwohner der erwähnten Nahijen ; 
4. es werden ihnen auch 400 Flinten und 400 Hand2ars geliefert 
werden. 

Am 4. Juni folgte dann ein neuer Ek'laß, in dem nicht nur 
jener vom 12. Mai bestätigt, sondern ausdrücklich gesagt wurde, 
daß auch die Orthodoxen der später von Venedig zu erwerbenden 



186 Sechster Zeitraum. 

Gebiete unter geistlicher Oberhoheit des Vladika stehen solleni daß 
kein Bischof einer anderen Religion irgendwie stören dürfe , wo- 
gegen jedoch die Erlaubnis des Baus neuer Kirchen und Klöster 
auf dem alten Qebiete zurückgenommen wurde. Ebenso würde 
der Statthalter von Dalmatien beauftragt^ darüber zu berichten^ 
ob früher der Vladika mit Genehmigung des Senats in das alte 
Gebiet behufs Kirchenuntersuchung gekommen sei. 

Außerdem lieferten die Venezianer (in ihrem eigenen Interesse 
natürlich) auch den Bewohnern der übrigen Bezirke von Monte- 
negro und der Brda Waffen zum Kampf gegen die Türken. 

Nachdem so beiderseits befriedigende Abkommen getroffen 
worden waren, kehrte Danilo nach Montenegro zurück und rüstete 
zum weiteren Kampf gegen die Türken. 

Als er Nachricht erhielt^ daß der berühmte Marschall Schulen- 
burg mit einem Heere in Albanien gelandet sei und gegen Ulcin 
rücke, um diese Stadt den Türken zu entreißen; zog er mit mehr 
als 5000 Montenegrinern ihm zu Hilfe. 

Es war nicht das erste Mal, daß die Venezianer vor Dulcigno 
rückten, seit sie diese Stadt 1571 verloren hatten. (Siehe S. 133) 
Schon 1696 war Geronimo Delfino mit einer venezianischen 
Flotte erschienen, schiffte sich aus und begann Ulcin zu belagern. 
An sechs Stellen legte er Bresche, und schon war er nahe daran, 
sich der Festung zu bemächtiget, als der Pa§ä von Skodra mit 
5000 Mann und 600 Reitern zum Entsätze heranrückte. Delfino 
warf ihn in der ersten Schlacht und wollte dann die Belagerung 
fortfuhren, allein sein Sturm wurde abgeschlagen, zudem kehrte 
die türkische Hilfstruppe der Hoti plötzlich zurück, und deren 
Barjaktar erstürmte mit großem Mut eine venezianische Schanze, 
in welcher sich die Hoti hielten, bis der Pa§ä mit den Türken 
herbeigekommen war. Infolge dieser kühnen Tat mußte sich Del- 
fino wieder einschiffen, und die Hoti erhielten seit jenem Tage das 
Vorrecht, auf dem linken türkischen Flügel stehen zu dürfen. Jetzt 
belagerten die Venezianer unter Schulenburg zum zweitenmal die 
von Kurd Muhamed Paää verteidigte Stadt, nachdem Schulen- 
burg 10000 sich seiner Landung widersetzende Türken zersprengt 
hatte. Ein mächtiges türkisches Entsatzheer fiel im Juli unver- 
mutet über die Belagerer her, diese aber schlugen es nach sieben- 



Montenegro als Bundesgenosse der Venezianer nnd Österreicher. 187 

Btündigem Kampfe zurück. 1000 Türken deckteo die Walstatt 
Schon stand Ulcin auf dem Punkte, sich zu ergeben, als die Nach- 
richt von dem am 21. Juli abgeschlossenen Frieden von Pozarevac 
eintraf und gleichzeitig der Befehl zur Aufhebung der Belagerung. 
Anderen Tags (4. August) zerstörte jedoch ein heftiger Sturm die 
venezianische Flotte (14 Galioten, 20 Tartanen und alle kleineren 
Fahrzeuge), und Schulenbm*g konnte sich nicht einschiffen; er zog 
daher mit den Montenegrinern zu Lande gegen Cattaro, beständig 
von den Türken umschwärmt, welche ihm am 6. August den Rück- 
zug abschneiden wollten, aber eine furchtbare Niederlage erlitten. 
Darauf konnte sich Schulenburg auf den Resten der Flotte, die 
sich mittlerweile wieder gesammelt hatten, einschiffen, während 
die Montenegriner in ihre heimatlichen Berge zurückkehrten. 

Obgleich nun die Montenegriner durch ihre Mithilfe das vene- 
zianische Heer vor der sicheren Vernichtung gerettet hatten, fanden 
es ihre Verbündeten: Venedig und Österreich (dem durch den 
montenegrinischen Angriff doch auch eine Erleichterung geschaffen 
worden war, weil sonst die gegen Montenegro im Feld ge- 
wesenen türkischen Streitkräfte eben gegen Österreich gekämpft 
hätten), nicht der Mühe wert, ihrer im Frieden von Pozarevac (in 
den deutschen Geschichtsbüchern in „Passarowitz'' verstümmelt) 
auch nur Erwähnung zu tun! So wurden sie also abermals 
allein der türkischen Rache preisgegeben! 

In diesem Frieden schnitt Österreich am besten ab, indem es 
Serbien, Bosnien und die kleine Walachei erhielt — und wenn die 
Österreicher überhaupt keinen Frieden geschlossen hätten, so wäre 
es dem Prinzen Eugen wohl möglich gewesen, nach der vollstän- 
digen Vernichtung des türkischen Heeres vor Belgrad dem 
Türkenreiche den Garaus zu machen, denn dessen Rückgrat war 
damals gebrochen, und es hatte nichts dem siegreichen Feld- 
herm entgegenzustellen, der ohne besonderen Widerstand 
bis Adrianopel, ja vielleicht sogar bis Eonstanti- 
nopel hätte vordringen können. Aber vor einer solchen 
kühnen Unternehmung schreckte der berüchtigte Wiener k. k. Hof- 
kriegsrat zurück, der sich anmaßte, den im Feld stehenden Feld- 
herren zu einer Zeit, wo es keinen Telegraphen und keine Bahnen 
gab, am grünen Tisch, fem vom Schuß, die Operationen vor- 



18& Sechster Zdtraom. 

zuschreiben^)! E^ war dies geradeso wie 1813/14, wo die Ver- 
bündeten niemalB nach Paris gekommen wären, wenn es keinen 
Blücher gegeben hätte. Denn schon der bloße Gedanke, dem 
„fürchterlichen Korsen^' in sein eigenes Land folgen zu wollen, 
erschien dem Schwarzenberg und all den anderen unfidiigen 
Generalen der Österreicher und Russen wie eine Ungeheuerlich- 
keii So glaubte man also weiß Gott was für einen Erfolg er- 
rungen zu haben, wenn man den Türken ein paar Fetzen Landes 
abnahm und ihnen dafür anderseits den Peloponnes ließ. Denn 
Venedig schnitt insofern schlecht ab, als es seine verlorenen Ge- 
biete nicht zurückerhielt, sondern nur mit Imoski und ein paar 
anderen wertlosen Dörfern an der Ghrenze abgespeist wurde. Das 
schönste dabei ist aber, daß man den Venezianern auch noch — 
Grbalj, Pobori, Maine und Braitfi ab Draufgabe gab, welche Be- 
zirke zwar an Cattaro angrenzten, aber stets montenegrinisch 
gewesen waren! So daß also die Montenegriner eigentlich als Lohn 
für ihre Wafienbrüderschaft und Hilfe noch jener Gebiete, durch die 
sie ans Meer grenzten, beraubt wurden! Denn bei dem Rückzug 
Schulenburgs von Ulcin, wo er 61 Geschütze hatte im Stich lassen 
müssen, weshalb er wenig Artillerie zur Verteidigung besalß, waren 
es einzig und allein die Montenegriner gewesen, die ihn vor völliger 
Vernichtung gerettet hatten, weil sie seine Flanke deckten und 
alle Angriffe der Türken so lange abschlugen, bis er sich ein- 
geschifft hatte. Und dann war ihnen noch die schwere Aufgabe 
zugefallen, sich ganz allein ohne Artillerie und ohne Mithilfe der 
Venezianer, auf allen Seiten von den Türken umschwärmt, nach 
Montenegro durchzuschlagen I Aber Venezianer, Österreicher und 
Russen hatten von jeher nur die Hilfe Montenegros in Anspruch 
genommen, um sie dann mit dem schnödesten Undank zu lohnen! 



1) Beyer Prinx Eugen zum Heere abging, worden ihm Yom Hofkriegs- 
rat seine Operationen Torgeschrieben, wobei einer der Räte — ich glaube 
Fürst Lobkowitz oder Lichtenstein — mit dem Finger auf die Theiß zeigte 
and sagte: „Hier werden Euer Hoheit die Theiß überschreiten!*' Prinz 
Eugen, der schon längst toU verhaltener Wut solche Tröpfe ihm Vorschrif- 
ten machen .sah , geriet in Zorn, schlug dem Rat mit dem Bleistift auf den 
Finger und sagte heftig: „Ja, wenn Eurer Durchlaucht yerfluchter Finger 
eine Brücke wäre!" 



Letzte Be^eruDgBJahre des Vladika Danilo und erste des Vladika Sava. 189 

Immerhin war die Pforte durch den letzten Kri^ so ge- 
«chwächt and die Tapferkeit der Monten^riner hatte ihr solche 
Scheu eingeflößt, daß sie zunächst lange nicht an Rache dachte. 



24. Letzte Regierungsjahre des Vladika Danilo und 
erste des Vladika Sava. (1718—1750.) 

In den letzten Regierungsjahren beschäftigte sich Danilo mit 
der inneren Einrichtung Montenegros. Einsehend , daß er mit 
seinen geistlichen Geschäften so viel zu tun habe, daß er sich den 
weltlichen weniger widmen konnte, hatte er schon 1718 (haupt- 
sächlich auf Anraten der Signoria) die weltUche Verwaltung dem 
Guvematur Vukota Ozrinid übertragen, dem er zwei Srdare 
zur Seite gab. Allein Ozrinid verkaufte seine Stellung an Stanko 
Radonjid für 100 Dukaten und trat dafür als Srdar an seine 
Stelle. In der Familie des Radoojid blieb diese Ouvematuren- 
würde erblich bis 1831. Bis 1718 hatte jeder Stamm (pleme) 
einen Vojvoda oder Enez (Herzog oder Fürst) an der Spitze ge- 
habt. Seither trat ein Srdar an die Spitze, unter dem die Vojvode 
oder Enezovi standen. Die Qehälter für alle wurden von Venedig 
gezahlt, weil die Montenegriner kein Qeld besaßen. Und die Vene- 
zianer fahren auch durch 30 Jahre in der Zahlung ihrer Hilfs- 
gelder fort — allerdings hauptsächlich deshalb, damit die Mon- 
tenegriner nicht die Frage der Rückgabe der Gebiete von Maine, 
Pobori, Braidi und Qrbalj anregen sollten. Deshalb bemühten sich 
auch die Venezianer, die Liebenswürdigen zu spielen, indem sie 
jeden Anlaß, mit den Montenegrinern in Streit zu kommen, ver- 
mieden und ihnen am 20. Februar 1720 und am 21. November 
1721 durch ihren Kanzler in Cattaro, Oiovanni Francesco Palina, 
ihre Vorrechte bestätigen ließen. 

Danilo baute 1724 neuerdings die zerstörte Maria- Himmel- 
fahrts-Kirche in Cetinje mit dem Kloster auf und außerdem noch 
Häuser in Stanjeviöi und Majstorje, sowie eine Dreschtenne in 
Dobro, wo er auch Bienenkörbe aufstellte. 

Die letzten Jahre der Regierung des Vladika Danilo ver- 
gingen ohne eigentliche Kriege gegen die Pforte, wohl aber wurde 
der Frieden durch drei Einfälle ehrgeiziger türkischer Paääs unter- 



190 Sechster Zeitraum. 

brochen, welche auf eigene Faust Venache machten, aich Mon- 
tenegro zu unterwerfen. 

Im Jahre 1722 sammelte Husejn Pa3ä von Trebinje 20000 
Mann, um Trnjine anzugreifen. Die hiervon unterrichteten Mon- 
tenegriner unter der Führung des Knez Moisije von Öevo stellten 
ihnen 1000 Streiter entgegen. Nachdem Trnjine ang^ri£Een und 
in Brand gesteckt worden war, griff Tomaä Nikolid vom Qipfel 
des Berges Presjeka, wo er lagerte, die Türken seinerseits mit 
solchem Erfolge an, daß er 1200 Türken niederhieb. Von steilen 
Felsen umschlossen, stießen die Türken allenthalben auf Wider- 
stand und verloren 400 Gefangene, darunter viele Eriegsanfbhrer. 
Die Hinrichtung des gefangenen Husejn Pa9i sühnte das ver- 
brannte Kloster in Cetinje und der Tod des Ljubovid Beg den 
Fall des Helden Miöunovid 

Im Jahre 1727 machte Bekir Pa9i Öengid mit einem be- 
trächtlichen Heere einen Einfall in Montenegro, wurde aber aufs 
Haupt geschlagen. Eiligst verließ er mit einer kleinen Schar Mon- 
tenegro und rettete sich durch die Flucht. (Dieser Öengiö fiel 
später g^;en die Russen bei 05akov.) 

Im Jahre 1732 wurde TopäP) Osmän Paää vom Sultan 
Muhammed V. zum Bejlerbej, d. h. Generalinspektor von Makedonien, 
Albanien und Bosnien ernannt Da er auch sein Glück gegen Mon- 
tenegro versuchen woUte, sammelte er 30 000 Mann, um Piperi an- 
zugreifen. Zu diesem Ende schlug er sein Lager in Drezga auf 
und steckte Piperi in Brand. Die Einwohner von Piperi zögerten 
sechs Tage mit dem Angriff, um sich zu verabreden, aber am 
siebenten Tage überfielen sie vereint den Bustan Beg Dzidi- 
begovid (Topal Paää war in Podgorica zurückgeblieben) des 
Nachts und richteten eine solche Verwirrung an, daß der Feind 
mit Zurücklassung aller Zelte, Pferde und Gefangenen die Flucht 
ergriff. Topäl PaSä selbst floh aus Podgorica nach Albanien. Drei- 
hundert abgehauene Köpfe bildeten mit 400 Gefangenen den Ver- 
lust der Türken. Rustan Beg selbst fiel in die Hände der Mon- 
tenegriner und büßte mit dem Tode. Topäl Paää, ein Schwester- 
sohn des Sultans, blieb später in einem Gefecht gegen die Perser. 



1) Topäl » lahm, hinkend. 



Letzte KegiemDgBJahre des Vladika Danilo und erste des Vladika Saya. 191 

Einige Zeit danach erkrankte der Vladika Danilo and sah 
sich veranlaßt y im Kloster Maina das Bett zu hüten. Deshalb 
ernannte er seinen Neffen Sava Petroviö zum Verweser, der 
schon durch den Patriarchen Mojsije Öurla, als dieser 1719 Mon- 
tenegro besuchte, zum Bischof geweiht worden war. Er übte noch 
einige Zeit die Regierungspflichten gemeinschaftlich mit dem 
Bischof Sava aus, starb aber am 11./22. Januar 1735 zur großen 
Betrübnis des Landes, das ihn ungemein liebte. Er wurde da- 
selbst anfänglich in der Kirche Maria Opferung und später in 
einer anderen neuerbauten Kirche begraben. 

Man rühmt ihm nach, daß er einen festen und biederen. 
Charakter besaß. Sein gegebenes' Wort war heilig und unver- 
brüchlich. Er duldete weder Schmähungen, noch entweihte er 
seine Lippen je damit. Hätten ihn die Türken nicht allzusehr be- 
schäftigt, so würde er vielleicht für sein Land große nützliche Unter- 
nehmungen ins Leben gerufen haben. Er hinterließ einen freien 
und unabhängigen, obschon schwer heimgesuchten Staat, reich 
an Ruhm und Ehre, die ihm eine Schar tüchtiger Führer und 
Helden zu erringen half. 

Nach Danilos Tod wurde zum Unglück Montenegros sein 
Neffe, der bisherige Reichsverweser Sava, ein schwacher und ein- 
fältiger Mann, von der Skupätina einstimmig als sein Nachfolger 
anerkannt Das erste war, daß er in Stanjeviö (heute in den 
Bocche) ein Kloster mit der Dreifaltigkeitskirche baute (1736). 
Um jene Zeit hatten die russische Kaiserin Anna und der römische 
Kaiser Karl VL den Türken den Krieg erklärt. Anfangs ging 
alles gut; die Österreicher eroberten Ni§ und U2ice, belagerten 
auch Vidin, während die Russen unter Münnich die Moldau mit 
Chotim imd Oöaköv eroberten. 

Auf die Nachricht von diesen Erfolgen und infolge Au&ufs 
und trügerischer Versprechungen der Kaiserlichen erhoben sich 
alle Serben zugunsten der Österreicher, und als diese 1737 in 
Ostalbanien vordrangen, sagten die Klementi am 1. August 
ihre Mitwirkung zu. Sie kamen auch und wurden am 12. Ok- 
tober in das Blutbad von Valjevo verwickelt, wo von 20000 
Albanesen und Serben nur 1000 entkamen, darunter 300 Kle- 
menti, welche sich in Österreich ansiedelten, wo sie heute noch 



l$t Sechster ZeitnuuD. 

in den Dörfern Hrtkovce and Nikince wohnen und 2500 Seelen 
stark Bind. 

Aof die Kunde von den deterreichiaclien Schlappen worden 
die bloftgestellten Serben von Furcht ergriffen — allen voran wieder 
der Patriarch Arsenije IV. Jovanoviö von Ped — , and das 
wurde von Öaterreich benutzt , um die Serben am 16. September 
zur Auswanderung nach Ungarn auÜEufordem. Abermals stellte 
sich also ein serbischer Patriarch Arsenije an die Spitze von 
80000 serbischen Familien (folglich sicher nahezu eine Million 
Menschen !) und folgte dem Lockruf. Die Türken^ darüber erbost, 
überfielen den Nachtrab und metzelten 80000 wehrlose Serben 
(meist Weiber y Kinder und Greise) nieder. Wahrscheinlich aus 
Sache darüber verwüsteten die Auswanderer die muhammedanische 
Gegend Bihor, wo sie alle Mädchen mit sich nahmen, tauften 
und dann heirateten. Der Patriarch selbst war erst zu den Mon- 
tenegrinern geflohen, welche (namentlich die Brdaner, Kuöi, Vaso- 
jevidi| Piperi) nebst den Klementi den Türken Novipazar, Bozaj, 
Bjelopolje, Ped, Gjakovica und Prizren nahmen, worauf sich sogar 
die muhammedanischen Hasi, Plavani und Gusinjani ihnen an- 
schlössen und versprachen, sich taufen zu lassen. Als aber die 
Brdaner in der Landschaft DragaSevo kämpften, wurden sie vom 
österreichischen Feldmarschall von Seckendorf im Stich ge- 
lassen und mußten sich zurückziehen, worauf die Österreicher Niä 
und U2ice wieder verloren. 

Im nächsten Jahre (1738) fiel der Bau von Kroatien, Fürst 
Josef Eszt er häzj, in Bosnien ein, worauf sofort wieder die Mon- 
tenegriner und Hercegoviner zu den Waffen griffen, um die Öster- 
reicher zu unterstützen. Allein der Vezir von Bosnien, Ali Pa§ä 
Hekim (=„Arzt'^ Zadä (Sohn des Dokmor), war flinker, indem er 
die Vereinigung beider Teile dadurch verhinderte, daß er die Fiihrer 
der Aufständischen in der Hercegovina gefangennehmen und hin- 
richten ließ, worauf er das Volk mehr als je bedrückte. Mittler- 
weile erlitten die Österreicher unter ihren verschiedenen „Feld- 
herren'', welche ein wahres Musterkabinett von Unfidiigkeiten 
darstellten, eine Niederlage nach der anderen, zuletzt sogar die 
schmähliche von Grocka (23. Juli 1739) gegen den doch noch 
unfähigeren Großvezir, und wurden derart zum Frieden von Bei- 



Leiste Regiernngsjahre des Vladika Danilo und erste des Vladika Sava. 198 

grad gewangeDy in dem sie den Türken Serbien, Bosnien und die 
kleine Walachei abtraten, ihre ser bischen Bundesgenossen wieder 
schutzlos der türkischen Rache überlassend, wie das 
schon damals Sitte bei den braven Bundesgenossen der Montene- 
griner war, ob sich diese nun Venezianer, Österreicher oder Ru^ssen 
nannten; 

Der Patriarch Arsenije ging darauf nach Syrmien und 
wurde von Maria Theresia am 1. Oktober 1741 als Erzbischof 
von Karlovci bestätigt Nach Aufhebung des Peder Patriarchats 
bekamen die österreichischen Serben ihr Patriarchat dort. 

Die türkische Rache ließ nicht lange auf sich warten, indem 
noch 1739 der Paää von äkodra, Hodaverdi Mahmudbegovid, 
versuchte, Euöi mit 15000 Mann zu unterwerfen. Nachdem er 
Medun zerstört hatte, rückte er gegen Vrbica. Mit zwei Fähn- 
lein Streiter griff ihn daselbst der Vojvoda Savid von Rovci von 
der einen, der Vojvoda Ilija Drekaloviö von der zweiten und 
Ojuro Jovo viö von der dritten Seite an und drängten ihn gegen 
Orlova-Stijena. Jovovid machte einen Sturmangriff und ward vom 
Bej von Gusinje tödlich getroffen. Da er türkische Kleider trug, 
wurde er verkannt, und sein leiblicher Bruder Toma Jovoviö hieb 
ihm den Kopf ab. Der Vojvoda Savid schloß den Kadi Averiö 
mit zwei Söhnen des PsS& und 70 Türken in die Kula (Turm) 
des Raäovid ein und forderte sie zur Obergabe auf. Die hinter- 
listigen Türken lockten ihn behufs Friedensunterhandlung näher 
heran und schössen ihn nieder. Nun steckten die Montenegriner 
die Kula in Brand, und sämtliche Türken fanden in den Flammen 
ihren Tod. Außerdem verloren die Türken „nicht mehr und nicht 
weniger als 500 Mann'', wie das Volkslied sagt. Der Paää zog 
eich ärgerlich zurück. Der Verlust der Montenegriner ist unbekannt 
Dann blieb Montenegro durch sieben Jahre von acht Paääs gewisser- 
maßen blockiert, doch erfolgte kein Angriff. 

Wie Danilo ging auch der Erzbischof Sava 1742 nach Ruß- 
land, um eine Geldunterstützung zu erwirken. Die damalige 
Kaiserin Jelisaveta beschenkte ihn mit vielen Erfordernissen fiir 
die Kirchen und entließ ihn mit einem Gnadenbriefe d. d. Moskau 
am 10. Mai 1744. (Bei Milutinoviö vollständig mitgeteilt.) Mittels 
desselben wies sie für den Bau der zerstörten Kirchen und Klöster 

Gopöevlö} Montenegro nnd Albanien. 13 



194 Sechster Zeitraum. 

in Berücksichtiguiig der unter Peter dem Großen geleisteten Ejriegs- 
dienste der Montenegriner 3000 Rubel an, für aUe vergangenen 
Jahre einschließlich des Jahres 1743 hingegen 3500 Rubel und 
1000 Rubel Reisegeld fUr den Vladika Sava; — 22 600 Mark fiir 
12 Feldzüge! Wahrhaft eine kaiserliche Freigebigkeit und Großmut t 

Auf der Rückreise besuchte Sava Friedrich den Großen^ 
der ihm ein goldenes Kreuz schenkte. 

Nach seiner Rückkehr aus Rußland hielt sich der Vladika. 
meistens im Kloster Stanjeviö auf. Zur Besorgung der welt- 
lichen Angelegenheiten ernannte er im Einvernehmen mit dem 
Volke seinen Neffen Vasilije zum Gehilfen.* Da aber der ser- 
bische Patriarch Atanasije II. Gavriloviö diesen zu Studien be- 
nötigte, begab er sich nach Ped. Später verlangte das Volk 
durch den Vojvoda Drekaloviö schriftlich die Rückkehr des Vasi- 
lije in der Eigenschaft als Mitropolit, und der Patriarch sandte 
ihn mittels eines Elmennungsbriefes d. d. Belgrad| den 22. August 
1750 (bei Milutinovid vollständig mitgeteilt) in der genannten 
Eigenschaft und mit dem Titel ,yEiXarch des heil, serbischen 
Thrones von Ped" zurück. 



25. Montenegro unter dem Vladika Vasilije. 

(1760—1766.) 

Unter der schwachen Regierung des unfähigen Sava waren 
die inneren Zustände Montenegros in Verwirrung geraten. Das- 
erste, was also Vasilije tat, war, daß er da Ordnung schafite, 
indem er ein Gericht einsetzte, das aus den Höchsten bestand: 
Stanko Radonjid aus Njeguä, Vukota Vukotid aus Cevo,. 
sowie die Srdari und Knezovi. Denn bis dahin hatten alle mög- 
lichen Leute sich die Gerichtsbarkeit angemaßt. Die Folge davon 
waren Blutrache, Morde, Beraubungen, Entfuhrungen und Familien- 
haß gewesen. Aber dieses Obergericht bestand kaum ein halbe» 
Jahr (1751), denn bald gerieten die Richter selbst untereinander 
in Streit, und zuletzt kehrte jeder zu seinem Stamm zurück, um 
die Blutrache weiterzuführen. 

Nur der gemeinsame Haß gegen die elenden Türken ver- 
mochte die Montenegriner von Zeit zu Zeit zu einigen. So ge- 



Montenegro unter dem Yladika Vasilije. 195 

schab 68 auch 1750. Damals verlangte der Vezir von Bosnien 
den HaraS; behauptend, Montenegro sei ,, türkische Provinz''. 

Die Montenegriner gaben ihm zur Antwort , er möge sich 
Steine holen. Der Paää rückte nun mit 30000 Mann »vor und 
schlug sein Lager in Üble auf. Die Montenegriner lagerten sich 
mit 1500 Mann bei StraSer. Nikac Tomanovid faßte den 
heldenmütigen Entschluß, den Pasä mitten im Lager zu töten. Elr 
wählte zu seinen Gefthrten den Toma 2utkovi(5 und den Enez 
Stanko aus Prediä, nebst 40 der tapfersten Streiter aus dem 
Lager. Sie gaben sich das Versprechen , treu auszuharren und 
einander beizustehen. Unter dem Verwände, sich zu ergeben, ge- 
lang es ihnen, in das Zelt des PaSäs zu dringen, welcher von vielen 
Begs umgeben war. Nachdem sie mit einer Q^wehrsalve den 
jungen PaSä und sieben oder acht Mann aus seiner Umgebung 
zu Boden gestreckt hatten, machten sie von den blanken HandSars 
GebraucL Nikac verlor 34 Mann und die beiden Gefährten Toma 
2utkovi<5 und Enez Stanko, er aber rettete sich, mit sieben bis acht 
Wunden bedeckt, nebst sechs Mann glücklich in das Lager von 
Strazer. In diesem Augenblick machte der Srdar Gjikan einen 
Angriff auf die Türken, unterstützte dadurch den Rückzug des 
Nikac Tomanovid, dieses zweiten Miloä Obiliö, und schlug die 
nachsetzenden Türken auft Haupt. £ine Menge Zelte, Munition 
und Pferde fiel in die Hände der Sieger. 

Nun wandte sich der Eihaja (Geheimschreiber) des Vezirs 
mit 40000 Mann gegen Onogoät Die Einwohner der Umgegend 
leisteten ihm durch 15 Tage heftigen Widerstand, konnten jedoch 
bei dem eingetretenen Mangel an Schießbedarf der furchtbaren 
Übermacht nicht länger widerstehen und zogen sich nach Öevo 
zurück. Die Venezianer verboten, um den Türken einen Liebes- 
dienst zu erweisen, die Ausfuhr des Pulvers bei Todesstrafe. 
Es fand sich aber in Risanj ein Serbe, welcher den Montene- 
grinern fiir einige tausend Patronen Pulver zukommen ließ. Die 
Freude hierüber war groß, und die Montenegriner sangen schon 
Siegeslieder. ESnes Morgens, es war der 25. November, über- 
fielen sie in aller Frühe die Türken, zersprengten sie, verfolgten 
die Flüchtlinge durch Wälder und Gebirge und verwundeten 
den Kihaja bei Broöance nächst Onogoät, bis wohin die Türken 

13* 



IM Sechstar Zeitraum. 

zurückgeschlagen worden waren. Die beiderseitigen Verluste sind 
unbekannt 

Wie das Volkslied den Hergang schildert, mag man in meinem 
,;Montenegro und die Montenegriner'', S. 14 — 16 nachlesen. 

Im Jahre 1762 begab sich der Vladika Vasilije nach dem 
Beispiele seiner Vorgänger nach Rußland, um die ausständigen Geld- 
unterstützungen zu verlangen, zum Teil auch infolge einer Botschaft 
des Patriarchen von Pe<5, welcher den tiefen Verfall der Religion 
und die Leiden der Christen in den serbischen Ländern schilderte 
und gleichfalls um eine Geldunterstützung bat, um die durch ]E2r- 
pressungen der Türken verschuldete Eathedralkirche zu befreien. 
Zu diesem Ende gab er ihm ein Begleitschreiben d. d. Pe<5, den 
25. März 1750 (bei Milutinovid vollständig mitgeteilt) mit. 

Die Kaiserin Jelisaveta (Elisabeth) empfing den Vladika 
wohlwollend, beschenkte ihn und entlieft ihn mit einem Gnaden- 
briefe d. d. Moskau, 8. Mai 1754 (bei Milutinoviö vollständig mit- 
geteilt) nach Hause. Mittels dieses Gnadenbriefes schenkte sie dem 
Volke von Montenegro 5000 Rubel für die Aufbauung der Kir- 
chen und Klöster für die Jahre 1743 bis 1753 und dem Vladika 
Vasilije an Reisegeld für ihn und seine Begleiter 3000 Rubel. 
Auch erhielt der Vladika eine Panagia (Marienbild) in Brillanten, 
Kirchengewänder und Kirchenbücher ^). 

Bei dieser Gelegenheit überreichte Vasilije dem damaligen 
Vizekanzler Mihajlo Uarjonovid Vorancöv eine kleine Geschichte 
von Montenegro, welche am 10. März 1754 zu Moskau im 
Druck erschien. 



1) In einem Schreiben teilt Vasilije mit, daS er im ganzen über 5000 
Dukaten (48000 Mark) von der Kaiserin erhalten habe, welche er folgender- 
maBen verwendete: 2000 unter die notleidenden Montenegriner, Primoijer 
(Bocchesen), Zetaner und Brdaner verteilt : 670 für die neue ELirche in Majne 
und andere Bauten; 520 zum Zahlen der Klosterschulden aus den Teuerungs- 
jahren; 500 für Ankauf neuer Grandstücke; 1500 für die Reisekosten. Der 
Schlaft des Briefes ist bezeichnend: „Seit meiner Rückkehr aas RuBland 
habe ich von niemandem Geld bekommen und, was ärger ist, einige ver- 
sachten mich beim Vezir von Bosnien and der Hohen Pforte zu verleamden 
als Schädiger Montenegros, weshalb ich viel Gkld aasgeben maftte, um ihre 
schwarzen Pläne zu durchkreuzen. Dies schrieb ich 2. März 1756 im arm* 
seligen Kloster von Cetinje.^' 



Montenegro unter dem Vladlka Vasilije. 197 

Die Niederlage der Türken bei Onogoät hatte den Sultan 
zu friedlichen Maßregeln bewogen. Aus angeblicher Liebe zum 
Frieden erhielt der Vezir von Bosnien und von diesem der Be- 
fehlshaber von Islon (Slano?), Abdullä (= „Diener Gottes '') 
Pa§ä^ einen Ferman, womit er angewiesen wurde, die Montene- 
griner zur Rückkehr unter die Oberhoheit der Pforte zu bewegen. 

In diesem im Jahre 1755 ausgestellten Ferman, dessen Wort- 
laut Andrid S. 40 — 42 gibt, heißt es u. a.: 

;,Wie uns unser Vezir, der gegenwärtige Statthalter Hadzi 
(= ,,Pilger'') Mehemed Paääy berichtet, haben sich einige gott- 
lose Montenegriner im v. J. unserer Hohen Pforte mit der Ver- 
sicherung unterworfen, daß sie die Steuern freiwillig nach der im 
Staate üblichen JSinfährung entrichten werden. Nunmehr aber 
gedenken sie ihre Feindschaft fortzusetzen und sich vom Pfade 
des Gehorsams zu entfernen, weshalb sie schon den dritten Teil 
der Bevölkerung aufrührerisch gemacht haben, worüber uns unser 
Vezir von Rumili, Hussejn Paää, und eure Briefe umständlich 
berichteten. 

„Es ist daher der Wille unserer Majestät, daß die frühere 
Ordnung ohne viele Ränke auf eine angemessene und bequeme 
Art wieder zurückkehre, wenn sich die übrigen zwei Drittel der 
Umtriebe jener Gottlosen enthalten, welche eine Unterwerfung unter 
die erhabene Pforte nur heucheln. — 

„£s ist auch unserer hohen Pforte zur Kenntnis gebracht 
worden, daß die Bewohner der Bezirke Piva, Vid, Sumun, Gacko, 
Trebinje und Mostar und vorzüglich die von Ragusa, welche längst 
unserer Hohen Pforte gehorchen (?!), stete Überfälle von jenen 
Montenegrinern erfahren, welche bald unsere Schutzherrschaft an- 
nehmen (?), bald selbe verwerfen, daher wir diesen hohen Ferman 
erteilt haben, damit die Ordnung zurückkehre und damit jedes Übel 
erstickt werde. Infolgedessen haben sich gegenwärtig acht- 
zehn bedeutende Persönlichkeiten von den genannten 
Treulosen gemeldet, von denen man erfährt, wie die 
Ungläubigen und Ungehorsamen fortwährend wider- 
spenstig, die übrigen aber ruhig und bestrebt sind, 
die ersteren zum Gehorsam unter die Hohe Pforte zu 
bekehren. Zwar hatte sich mit ihnen Dericeli, Hasans Sohn, 



198 Sechster Zeitraum. 

Befehlahaber von JezboBija (Ljubuäki?), besprochen und auch 
Hasan (hasin = „ schön 'Q selbst und Mehmed, damit sie sich der 
Hohen Pforte unterwerfen; gegenwärtig berichten uns diese vom 
Gegenteile I weil sie große Steuern werden zahlen müssen. Ein 
Teil will woU etwas zahlen, aber der andere hetzt sie fortwährend 
auf; es nicht zu tun. 

,; Außer dieser Unannehmlichkeit kam unlängst eine Person 
aus Rußland; namens Vasilije, ein treuloser Feind und aufrich- 
tiger Genosse des Mitropoliten und Hauptvorstehers der Montene- 
griner, und brachte ihm ein Schreiben, wonach sich diese unter 
schmeichelhaften Bedingungen vereinigen sollen, um unsere gute 
Absicht zu vereiteln. Auch wurde gemeldet, daß ein Drittel der 
Ungehorsamen mit ihm hält, und man hat uns ein Schreiben des 
Vasilije nebst einer Übersetzung gesendet. Unsere mehrerwähnten 
Befehlshaber haben vernommen, daß dieses Drittel gehorchen und 
sich unserer Hohen Pforte imterwerfen wolle. Behandle daher, 
weil Du Befehlshaber von Islon (Slano?) bist, jene zwei Dritteile 
Ungläubiger glimpflich und bemühe Dich, sie wohl verständig zu 
beschützen, soviel du kannst, ohne Gewalt zu gebrauchen. Stelle 
auf eine vernünftige Art die Ordnung her und bemühe Dich, über 
den mehrerwähnten Vasilije und über den Bischof zu erfahren, 
in was für einem Verhältnisse selbe zum Patriarchen von Ipek 
(Ped) stehen. 

„Dieses wird Dir aufgetragen, je eher unserer Hohen Pforte 
anzuzeigen.'' 

Schon aus dem Fermän kann man ersehen, daß damals eine 
Zahl Montenegriner an Landesverrat dachte und mit den Türken 
in Verhandlungen getreten war, die diese glauben machten, daß 
jetzt die richtige Zeit sei, Montenegro zu unterwerfen. Während 
der langen Abwesenheit des Vladika hatten nämlich die inneren 
Zwistigkeiten unter den Montenegrinern den Höhepunkt erreicht 
Es war dann so weit gekommen, daß einige Glavari, nur um ihr 
Rachegefuhl zu befriedigen, 1754 zuMehemed Pa§ä, damaligem 
Vezir von Bosnien, gegangen waren und von dort nach Stambul, 
wo sie versprachen, sich zu unterwerfen und Hara£ zu zahlen, 
wenn man ihre kleinlichen Wünsche befriedigen wolle. Sultan 
Osmän lU., dessen Unwissenheit in bezug auf die wahren Ver- 



Montenegro unter dem Vladika Vasilije. 199 

hältnisse Montenegros aus seinem Fermän klar hervorgebt (wußte 
«r doch nicht einmal, daß die ^^Person'' Vasilije aus Rußland 
der Regent des Landes war!), glaubte nun, daß nichts leichter 
sei, als mit Montenegro fertig zu werden, besonders weil einige 
der Verräter so weit gegangen waren, ihren Übertritt zum Islam 
in Aussicht zu stellen. Dies erklärt also seinen erwähnten Fermän. 

Es war daher höchste Zeit, daß Vasilije aus Rußland heim- 
kehrte, was 1755 der Fall war. Als er erfuhr, was in seiner 
Abwesenheit vorgegangen war und welche Q«£Eihr dem Lande 
drohte, rief er alle Glavari zusammen und stellte ihnen so ein- 
dringlich das Erbärmliche des Landesverrats und der AbtrtLnnigkeit 
vor, daß sich alle wieder aussöhnten und bereit erklärten, die Un- 
abhängigkeit des Landes auch fernerhin zu wahren. 

Schon diese Nachricht würde wahrscheinlich genügt haben, 
die Vezire von Bosnien und Albanien anzuspornen, den Befehlen 
des Sultans gemäß Montenegro mit Krieg zu überziehen, da man 
mit Güte nichts ausrichtete. Aber dazu kamen noch andere Ur- 
sachen. Die Montenegriner, denen es nicht möglich war, den Lebens- 
unterhalt im eigenen Lande zu finden, halfen dem ab, indem sie 
Streifzüge ins türkische Gebiet unternahmen. So bestand also 
durch Jahrhunderte ein kleiner Krieg an den montenegrinischen 
Grenzen, indem bald die Montenegriner Beutezüge auf türkisches 
Gebiet unternahmen, bald die Türken Rachezüge auf montene- 
grinisches. Auf einem der Raubzüge kam der oben erwähnte Held 
Nikac Tomanoviö (der den Vezir in seinem eigenen Zelt ge- 
tötet hatte) ums Leben. Er hatte bei Tisovac seine Schafe ge- 
hütet und wurde dort vom Buljukbaäi Jakäar Babiö aus NikSiö 
während des Schlafes schwer verwundet. £Irwachend konnte er 
noch seinen Mörder mit einem Schusse niederstrecken, dann starb 
er. In der Nähe hatten die drei Brüder Spahid bei Bovine ihre 
Herden gehütet und, statt den Tomanoviö rechtzeitig auf die Ge- 
fahr aufmerksam zu machen, es vorgezogen, sich mit ihren Herden 
in Sicherheit zu bringen. Das Volk war darüber so empört, .daß 
es die drei Brüder als Feiglinge mit Weiberkitteln aus dem Lande 
trieb und ihre Herden einzog. 

Alle diese kleinen Kämpfe trugen natürlich dazu bei, die 
Sache zum Krieg zu treiben. Der Vezir von Bosnien schrieb an 



800 Sechster Zeitraum. 

den Yladika, er solle sich gutwillig unterwerfen und HaraS zahlen. Um 
ihm die Sache zu erleichtern, versprach er, die Montenegriner 
könnten sich nach wie vor firei selbst regieren, ihre eigenen Ge- 
setze und Gebräuche haben, auch alle Vorrechte, nur sollten sie 
sich für Untertanen des Sultans erklären und als 2jeichen der Ab- 
hängigkeit einen ganz lächerlich geringen Tribut zahlen, ähnlich 
wie die albanesischen Bergstämme. 

Vasilije antwortete auf diesen Antrag so höhnisch und 
spöttisch, daB es die Türken zur Wut entflammen mußte, und so 
vereinbarte denn der Vezir von Bosnien mit seinem Amtsbruder 
von dkodra einen gemeinsamen Angriff auf Montenegro mit zu- 
sammen 80 000 Mann — also doppelt so viele Streiter, als Monte- 
negro damals überhaupt Einwohner zählte! 

Zuerst drang der Vezir von §kodra in Montenegro ein 
— natürlich an der offenen Stelle im Zeta-Tal — , indem er gegen 
Bjelopavlidi vorrückte, wo er ein Lager aufschlug. Als er aber 
dann weiter vordringen wollte, stellte sich ihm der Guvernatur 
Stanko Radonjid mit der gesamten Macht entgegen und schlug 
ihn nach heftigem Kampfe zurück (26. November). Der Vezir 
selbst wurde verwundet. Am 29. machten die Montenegriner einen 
neuen Angriff, indem sie das Lager überfielen, doch hielten sich 
die Türken in diesem und die Montenegriner mußten schließlich 
der Übermacht weichen. Trotzdem griffen sie am 3. Dezember 
abermals an und erstürmten nach 26 stündigem Kampfe alle das 
Lager beherrschenden Höhen, so daß den Türken der Rückzug 
abgeschnitten war. Wahrscheinlich hätte sich das ganze Heer 
schließlich ergeben müssen, wenn es den Montenegrinern möglich 
gewesen wäre, auszuharren. Aber Mangel an Lebensmitteln und 
Schießbedarf zwang die meisten von ihnen nach Hause zu gehen, 
um sich frisch zu versorgen. Sei es nun, daß dies den Türken 
Verraten wurde, oder war es ein bloßer Zufall, kurz, bevor die 
Heimgekehrten wieder zurück waren, traten die Türken am 6. De- 
zember den Rückzug nach Podgorica an, verfolgt von den wenigen 
Montenegrinern, die zu ihrer Beobachtung zurückgeblieben waren. 
Immerhin genügte dies allein schon, um die Türken zu veranlassen, 
daß sie ihr ganzes Lager mit allen Zelten, Gepäck, Vorräten und 
Schießbedarf zurückließen, so daß alles den Montenegrinern zur 



Montenegro anter dem Vladika Vasilije. 201 

Beute fiel. Vermutlich taten sie dies aber deshalb, weil sie mit 
der Plünderungslust der Montenegriner rechneten, von der sie 
jedenfalls erwarteten, daß sie größer sein werde als ihre Kampfgier, 
und so opferten sie denn das tote Material, um wenigstens das 
lebende in Sicherheit zu bringen. 

Das bosnische Heer scheint sich nur beobachtend verhalten 
zu haben, denn Kämpfe mit ihm werden nicht berichtet. Dagegen 
heißt es, daß die Türken selbst ihren Verlust auf 40000 Mann an- 
gaben. Dies ist aber offenbar eine Übertreibung und vielleicht 
soll es richtiger 4000 heißen. Denn das ganze Heer zählte nur 
40000 Mann und erlitt keine jener fürchterlichen Niederlagen, 
welche sich nur deshalb so verlustreich gestalteten, weil die Türken 
in wildem Schreck dahinliefen und sich von den nachsetzenden Mon- 
tenegrinern wie die Schafe abschlachten ließen, also Niederlagen, 
wie z. B. jene von 1712, 1768, 1796, 1858 und 1876/77 waren. 
Es müßte denn sein, daß im selben Jahre 1756 auch jener Feldzug 
gegen das bosnische Heer stattgefunden hätte, den ich oben für 
1750 geschildert habe. (So glaubt nämlich Milakovid) Dann 
allerdings könnte der Gesamtverlust der Türken vielleicht 30000 
Mann betragen haben. (40000 scheint mir auch dann noch zu hoch.) 

Nach dem Kriege dachte Vasilije daran, das Land dadurch 
zu heben, daß er junge Montenegriner in Rußland stu- 
dieren ließ. Zu diesem Zwecke, und um wieder Geld zu be- 
kommen, begab sich Vasilije mit dem Guvematur Stanko Ra- 
donjid (der dort starb) abermals nach Rußland, wo ihn die 
Kaiserin Jelisaveta wieder sehr freundlich aufnahm und mit 
1000 Dukaten beschenkte, auch die Erlaubnis für die 15 Monte- 
negriner zum Studieren in St. Petersburg gab. Leider vertrugen 
diese aber das schlechte Klima von Si Petersburg nicht, so daß 
ihrer 12 starben. 

Am 13./24. Juni 1758 aber gab die Kaiserin folgenden (eben- 
falls noch im Archiv von Cetinje aufbewahrten) Ukäz heraus: 

„Wir von Gottes Gnaden Elisabeth I., allrussische Kaiserin 
und Selbstherrscherin, usw. usw. 

„Den edlen und ehrsamen Herren der serbischen Länder in 
Makedonien, Albanien, Montenegro und der Meeresküste, den 
Guvematuren des montenegrinischen Volkes, den Vojvoden, Knezovi 



208 Sechster Zeitraum. 

und Glavari, sowie den übrigen geistlichen und weltlichen Vor- 
stehern unser kaiserliches Wohlwollen. 

yyWir, die Großherrscherin, Unsere kaiserliche Majestät, haben 
Uns von dem aus Montenegro anher gekommenen Mitropoliten Vasilije 
und dem hier verstorbenen Gouverneur Stanislav Radonjid, 
vom Srdar Vukotiö, Vojvoda Plamenac, Vojvoda-Sohne 
Gjuraäkovid, sowie durch Unseren Oberst Puökov und 
Premiermajor Stefan Petroviö von der Zuneigung des gesamten 
montenegrinischen Volkes zu Unserem E[aiserreiche mit Vergnügen 
die Überzeugung verschaffi;. 

,,Um Unser Wohlgefallen allergnädigst zu bezeugen, und zu 
versichern, daß Unsere Gnade zu demselben unveränderlich bleiben 
wird, haben Wir durch den genannten Mitropoliten und übrige 
Vorsteher dem gesamten Volke tausend Dukaten mit Unserem 
Porträt gesendet. 

„Im übrigen ist auf die Bitte des montenegrinischen Volkes 
der allergnädigste Beschluß dem erwähnten Mitropoliten und den 
Vorstehern hier bekannt gegeben, und sind dieselben von hier 
mit einer Belohnung entlassen worden. 

„Gegeben zu St Petersburg, 13. Juni 1758. 

Nach Ihrer kaiserl. Majestät allergnädigstem Ukäz. 

Der Vizekanzler des Staates: 
Graf Mihailo Vorancöv." 

Nach seiner Rückkehr reiste Vasilije auch nach Venedig, um 
den Senat an die Ek'ftiUung der Verpflichtungen früherer Verträge 
zu mahnen, nach welchen die Venezianer den Montenegrinern für 
die Überlassung von Skodra und anderer Städte, sowie für geleistete 
Kriegsdienste jährliche Zahlungen zu leisten hatten, die schon seit 
undenklichen Zeiten ausgeblieben waren. Aber in Geldsachen 
zeigten sich die Venezianer sehr schwerhörig, wenigstens zu einer 
Zeit, wo sie mit der Türkei im Frieden lebten und keine Gefahr 
zu befUi'chten war, bei der sie die Hilfe Montenegros anzurufen 
gehabt hätten. 

So setzte denn Vasilije seine einzige Hoffnung auf Rußland, 
wo mittlerweile Jokaterina die Große (Katharina IL) den Thron 
bestiegen hatte. 



Montenegro unter dem Vladika Vasilije. J80S 

Im Jahre 1765 begab er sich also neuerdings nach Rußland^ 
teils wegen Abholung der Zöglinge, teils wegen der erforderlichen 
Geldunterstützungi um eine geregelte Regierung in Montenegro und 
einige Volksschulen einführen zu können, teils um Eirchengeräte 
zu erhalten. Zum Unglück f&r das Land erkrankte er aber dort und 
starb am 10./21. März 1766 in St. Petersburg im 57. Lebensjahre. 
Die Kaiserin zeigte dies mit einem von Andridi S. 44 — 46, im 
Wortlaut gegebenen Ukäz an, in dem es unter anderem heißt: 

„Hinsichtlich des von Unseren Vor&hren mittelst Gnadenbriefen, 
die sich im Kloster Maria Geburt in Cetinje befinden, bemessenen 
Gnadengehaltes haben Wir befohlen, daß außer den im Jahre 1762 
dem betre£Fenden Mitropoliten von Montenegro ausgefolgten Be- 
trägen, welche der entsendete Oberstleutnant Nikola und der 
Major Ivan Petrovid abholte, d. h. f&r 1761 und 1762 zu 
500 Rubel, noch 500 Rubel für drei Jahre, von 1764 an und fUr 
das Jahr 1767 ausgefolgt werden, und daß die nach dem ver- 
storbenen Mitropoliten Vasilije zurückgebliebenen zwei Panagien, 
mit denen er, so wie mit einer Brillantenkrone und dem Bilde 
des &lösers, von der in Gott ruhenden lieben Tante, Kaiserin 
Jelisaveta Petrovna unsterblichen Andenkens, mittelst Gnaden- 
briefen beschenkt wurde, samt dem sonstigen aufgenommenen Nach- 
lasse durch dessen Geistliche zurückgesendet werden, was aUes in 
der Tat auch gesendet wurde. 

„Und so versichern Wir, Großherrscherin, Unsere kaiserliche 
Majestät, das gesamte montenegrinische Volk in gegenwärtiger 
Urkunde vom unveränderten und unveränderlichen kaiserlichen 
Wohlwollen, und der Gnade gegen das montenegrinische Volk, er- 
wartend, daß selbes die fortwährend bewiesene kaiserliche Ifild- 
tätigkeit fühlen und sich aus allen Kräften bemühen werde, sich 
auch in der Zukunft würdig zu machen, und Uns mit schul- 
diger Treue und Bereitwilligkeit für alle Fälle zu 
dienen ^). 

„Im übrigen finden Wir es ftir notwendig, mittelst Gegen- 
wärtigem zu bezeugen, daß nach dem Tode des Mitropoliten Va- 



1) Also mit anderen Worten, für etliche lampige tausend Rubel sollte 
sich ganz Montenegro BuSland bedingungslos zur VerfQgang stellen! 



S04 Sechster Zeitraum. 

fiilije Petrovid die rückgebliebenen, oberwähnten Mönche 
sich ehrbar und wohlanständig betragen haben. (Köst- 
liche Bemerkung!) 

yyG^egeben zu St Peterburg, den 5. Juli 1766 im vierten Jahre 
Unserer Regierung/' 

Den letzten Lebensstunden wohnte der kleine Großne£Fe des 
Vladika Vasilije, Petar Petrovid, bei, weicherden Tod seines 
Großoheims imauf hörlich beweinte. Seine schmerzliche Empfindung 
teilte ein alter Mönch Josip Vukidevid; aus Majna in Dalma- 
tien gebürtig. Er machte dem damaligen Hof kaplan Piaton Vor- 
Stellungen^ bei dem Groß- und Erbprinzen Pavel dahin zu wirken, 
daß der junge Petar Petrovid eine angemessene Erziehung erhalte, 
und so gelangte derselbe in eine entsprechende Bildungsanstalt ^). 
Später wich der alte Mönch nie von der Seite des jungen Petar 
und geleitete ihn mit zwei russischen Offizieren, Mihailo Taräsov 
und Ivan Vasilj^vid Kozlovski, nach Stanjevid, wo der Vla- 
dika Sava ihm eine Schlußausbildung erteilte. 



1) Dieser Petar — der spätere „heilige Yladika" — erwarh sich des- 
halb groBe Bildung und yiele Kenntnisse. Auch sprach er Russisch, Deutsch, 
Italienisch und Französisch. 



Siebenter Zeitraum. 

Montenegro unter Scepan Mali und Albanien 
unter den BusatUJa. (1767 bzw. 1750—1774.) 



26. Auftreten des „Lfigenkaisers^* Scepan Mall. 

(1767.) 

Der Tod Vasilijes war ein großes Unglück für Montenegro, 
denn der Vladika hatte es nicht nur verstanden, des Landes Un- 
abhängigkeit zu wahren und die beständigen kleinlichen inneren 
Zwistigkeiten der Stämme auszugleichen, sondern er hatte auch 
gewissermaßen Montenegro in das europäische Konzert eingeführt, 
indem er so nahe Beziehungen zu Rußland pflegte, daß man in 
Europa von dem Lande Kenntnis nahm. Allerdings war es vor- 
läufig außer seinen Feinden und Verbündeten nur Preußen be- 
kannt. Immerhin waren es vier Großmächte (Venedig auch als 
solche damaliger 2jeit betrachtet), welche durch ihre Gesandten 
oder auf Grund der Besuche Vasilijes Montenegro als unab- 
hängigen Staat behandelten. 

Nach Vasilijes Tod wurde das anders. Noch lebte der 
frühere Vladika Sava zurückgezogen in seinem Kloster Stanjevid 
und seine Unfähigkeit hatte sich schon früher derart glänzend ge- 
zeigt, daß von der Wiederaufnahme seiner Regierung das Ärgste 
zu befürchten war. Deshalb muß man es als Glück für Montenegro 
ansehen, daß um jene Zeit dort ein Abenteurer auftauchte, welcher 
unter dem Namen §<5epan Mali, la2ni car (Stefan der Kleine, 
der Lügenkaiser) bekannt ist. Bevor wir uns aber mit ihm be- 
schäftigen, müssen wir einige Worte über andere vorhergegangene 
Ereignisse verlieren, welche zur Ergänzung und zum Verständnis 
nötig sind. 



S06 Siebenter Zeitraum. 

Wie erwähnt, hatten die Serben ihr eigenes Patriarchat 
zu Ped, dessen Inhaber zugleich Erzbischof von Ohrid in Make- 
donien war. Von ihm hingen 13 Bischofsitze ab, die insgesamt in 
Altserbien, Makedonien und Albanien lagen und allein schon den 
Beweis liefern^ daß diese Länder niemals bulgarisch waren, 
sondern stets serbisch (in ethnographischer Beziehung), 
wie ich dies ja schon in meinem ,,Makedonien und Alt- 
serbien'' nachgewiesen habe und worüber man noch auf S. 2 
in meinem letzten Werke: „Das Fürstentum Albanien, 
seine Vergangenheit, ethnographischen Verhältnisse, politische Lage 
und Aussichten für die Zukunft'' (Berlin 1914, H. Paetel; mit 
25 Bildern imd Karte) nachlesen mag. Die Ghiechen, denen jedes 
andere Patriarchat ein Greuel war, benutzten die Bestechlich- 
keit der Türken, um dem serbischen Patriarchat den Garaus 
zu machen. 1765 zwangen dergestalt die bestochenen Türken 
den Patriarchen Vasilije Ivanoviö Brkid zum Rücktritt. 
An seiner Statt wurde sein Neffe, der Montenegriner Arsenije 
Plamenac zum Patriarchen gewählt Da wagten die Griechen 
1767 einen Staatsstreich: sie veranlaßten die Bischöfe von Eostur 
(Kastoria), Voden, Gorica (Eoröa), Grevena, Sisanium und Tibe- 
riopolis — welche insgesamt nicht serbischer, sondern helleni- 
scher Nationalität waren, weil sie durch Bestechung der Türken 
auf diese Posten der serbischen Kirche gekommen waren — , 
daß sie im Januar 1767 ein Schriftstück unterzeichneten, in dem 
sie unter lächerlichen Vorwänden ihren Anschluß an das Patri- 
archat von Konstantinopel erklärten, worauf dann der Patriarch 
Arsenije V. seine Würde niederlegte und sich nach Montenegro 
zurückzog. Die Handlung war ganz ungesetzlich, weil zu ihrer 
Beschlußfassung ein Synod aller serbischen Bischöfe hätte ein- 
berufen werden mtbssen, was man aber wohlweislich unterließ, 
weil die übrigen sieben Bischöfe (von Pelagonia, Beligrad [Berat], 
Strumica, Prespa, Debar, Moglena und Veles [Köprülü]) ser- 
bischer Nationalität waren. Der Patriarch Samuil setzte sich 
aber über das Ungesetzliche hinweg und verkündete die Auf- 
hebung des serbischen Patriarchats. Der entweder ebenfaUs be- 
stochene oder einfältige Patriarch Arsenije zog sich in das 
montenegrinische Kloster Bröela zurück, wo er nach drei Jahren 



Auftreten des „LügenkaiBers*' Söepan Mali. S07 

starb ^)i und sein abgesetzter Voi^änger Vasilije allein legte 
tatkräftige Verwahrung gegen diese Vergewaltigung der serbi- 
schen Kirche ein. Aber umsonst! Die von den Griechen besto- 
chenen Türken bedrohten ihn mit dem Tode, er mußte aus Ped 
nach Montenegro fliehen, wo er nach einigen Jahren seine geist- 
lichen Rechte an den Vladika Sava abtrat, weshalb dieser und 
die weiteren montenegrinischen Bischöfe als Mitropoliten sich als 
das Haupt einer ganz unabhängigen Kirche ansahen und 
noch heute ansehen. Vasilije ging dann 1769 nach Rußland, 
wo er starb. 

Wie man sieht, waren die Zeiten f&r das Serbentum im all- 
gemeinen und für Montenegro im besonderen sehr kritisch und 
gerade damals mußte ein Schwachkopf wie der Vladika Sava an 
der Spitze stehen! Da kam eine unerwartete Rettung von einer 
Seite, von der man es am wenigsten erwai*tet hätte: von einem 
Betrüger! 

Bekanntlich hatte Jekaterina IL ihren Qatten, den Caren 
Pjotr III. (Peter) durch ihren Geliebten Arlöv (Orlov) 1762 
erdrosseln lassen und dies veranlaßte verschiedene Betrüger, sich 
für den Ermordeten auszugeben: 1767 einen Schuster in VoroneS, 
1770 den Deserteur Cemiöev, 1772 einen Leibeignen der Familie 
Vorancöv und einen entsprungenen Sträfling aus Irkutsk, zuletzt 
den Kazaken Pugaöev, dem seine Absicht, Katharina vom Thron 
zu stoßen, beinahe geglückt wäre. Aber alle diese falschen Peter 
traten in Rußland auf. Der einzige, welcher mit seinem Betrug 
Glück hatte und zudem damit dem Lande nützte, war der er- 
wähnte döepan Mali. 

Über seine. Abkunft und erstes Auftreten gehen die Nach- 
richten auseinander. Andriö schreibt folgendes: 

„In Montenegro erschien zu Anfang des Jahres 1767 ein 
Abenteurer unter dem Namen Stefan Mali und gab sich für den 
russischen Kaiser Peter III., der damals in Rußland existierte (!) 
und verschwimden (!) war, aus. Mali wurde im Dorfe Gmöani 
bei Budva zuerst bekannt Er diente da im Hause eines gewissen 



1) So Lenormant. Nach anderen Quellen wäre er erst 1783 ge- 
storben. 



S08 Siebenter Zeitraum. 

Vuk Markovid, dem er sein Geheimnis zuerst entdeckte. Es 
ist unentschieden, ob dieser Einfall das Resultat seiner Kombination 
oder der auf die eigene Machtverstärkuug lauernden Venezianer 
war. Genug, das Volk von den Bocche di Cattaro und selbst 
die Herren von Cattaro strömten herbei zu seiner Begrüßung — 
vielleicht auch zur Beförderung günstiger Erfolge, und die Republik 
Venedig sandte ihre Leute aus, um insgeheim zu erforschen, wer 
dieser Pseudokaiser sei, vielleicht auch, um ihm geheime Instruk- 
tionen mitzuteilen, und ihn zu leiten. Das Gerücht von dem Auf- 
treten des verschwundenen russischen Kaisers verbreitete sich über 
viele slavische Provinzen, so daß die Bewohner von Bosnien, 
Hercegovina und Ragusa zu ihm strömten, um demselben zu hul- 
digen. Kuöi, Bjelopavlidi und andere Nahijen, welche unter tür- 
kischem Joche waren, warfen selbes ab, und schlössen sich dem 
Mali an. Diesem Beispiele folgte auch Crnagora, wo er zuerst 
in Mirac, dann im Dorfe Njeguä auftrat Zuletzt bewegte er sich 
so frei und unabhängig im Lande, daß er Beamte ein- und ab- 
setzte, Verfligungen und Anordnungen machte und Gerichte auf- 
stellte. 

„Der Vladika Sava, welcher den wahren Petar lU. von 
Rußland aus kannte, versicherte dem Volke, daß Mali ein Aben- 
teurer sei, und bemühte sich, diesen von der montenegrinischen 
Grenze beizeiten abzuschaffen, allein der Hauptmann Marko 
Tanovid, aus Podostrog gebürtig, versicherte noch in Majna 
und CrnSani dem Volk, daß er den Petar IH. von Rußland aus 
ebenfalls kenne, und für die Echtheit desselben in der Person 
Malis sein Leben verpfilnde. Diese Lüge bahnte dem letzteren 
den Weg nach Montenegro und das Volk unterwarf sich ihm ein- 
hellig und freiwillig.'' 

Lenormant stellt die Sache so dar: 

„Zu Beginn des Jahres 1767 trat ein aus Dalmatien oder 
Kroatien stammender Abenteurer, den einige für einen öster- 
reichischen Deserteur hielten, unter dem Namen §depan Mali in 
den Dienst eines Bergbewohners von Maina bei Budva. Eines 
Tages, nach langen Umschweifen, vertraute er seinem Dienstgeber 
an, daß er eigentlich der Car Petar sei, welcher den Meuchel- 
mördern Katharinas entschlüpft wäre. Sei es nun, daß der Dienst- 



Auftreten des „LfigenkiuBen*' Söepan Mali. 2#9 

geber wirklich die Sache glaubte , oder daß er dabei seinen Vor- 
teil sab, kurz er begann, den Diener mit ausgesachter Aufmerk- 
samkeit zu behandeln. Bald darauf befanden sich beide in Njeguä 
bei einer Hochzeit Als während derselben sein Diener das Glas 
austrank, erhob sich der Dienstgeber zum Zeichen der Ehrfurcht, 
was damals von den Anwesenden für einen Scherz gehalten wurde. 
Als sie aber fragten, weshalb der Dienstgeber seinem so schlecht 
gekleideten Diener derartige Ehrenbezeigungen erweiBe, erklärte 
er, es sei der russische Kaiser. Das Gerücht davon verbreitete 
sich bald im Lande und fand bei den einfachen Leuten mit ihrer 
lebhaften Einbildungskraft allgemein Glauben. 

„Als sich Ste&n der Kleine derart Gegenstand der aUgememen 
Aufmerksamkeit und Huldigungen sah, verließ er Majna und be- 
gab sich nach Montenegro. Vergebens suchte der Vladika den 
Betrüger zu entlarven. Er hatte keinen Einfluß auf das Volk, 
wagte keinen ernsten Schritt gegen den volkstümlichen Stefan und 
dieser verstand es, dem Volke glaubhaft zu machen, daß der 
Vladika nur infolge der ihm vom St. Petersburger Hof gewordenen 
Verhaltungsmaßregeln so 'reden müsse, wie er tat, denn es gelte, 
ihn, den vertriebenen Kaiser, in den Augen Europas herabzusetzen. 
Und da ein Montenegriner, der in Rußland gewesen war, ver- 
sicherte, er erkenne in Ste&n den damaligen Großfürsten Petar, war 
das Volk davon vollständig überzeugt. . . . 

„Die Bewegung breitete sich immer mehr aus. Der Patri- 
arch von Ped, Vasilije, bot dem falschen Kaiser seine Dienste 
an und sandte ihm ein prachtvolles Pferd ^), was nicht wenig 
zu seiner späteren (?) Vertreibung beitrug und ihn bewog, 
nach Montenegro zu gehen, wo er bei seinem , Souverän' Schutz 
suchte. 

„Dies trug noch zur Volkstümlichkeit des Betrügers bei. 
Bald hatte er auch auf venezianischem Gebiete Anhänger. Risanj 
wurde Schauplatz eines blutigen Zusammenstoßes. Einer der vor- 
nehmsten Einwohner der Stadt hatte an Ste&n geschrieben und 
ihm Waffen angeboten. Er hieß Petar Gjaäa, war in Rußland 



1) Nach anderen Qaellen soll Stefan dem Vladika das Pferd ge- 
schenkt haben. 

Gopöevlö, Montenegro und Albanien. 14 



310 Siebenter Zeitraum. 

gewesen und galt deshalb ßxv mal^bend. Man schrieb daher 
seinem Auftreten einen ernsten politischen Grund zu. 

;,Zwei Kapitäne; Öeloviö und Eorda, hatten sich als 
Zwischenträger bloßgestellt Die venezianischen Behörden (welche 
damals ängstlich alles vermieden, was den Türken Anlaß zu Un- 
zufriedenheit geben konnte) sprachen dem Ojaäa und den beiden 
Kapitänen ihren Tadel auS; worüber diese entrüstet waren. Man 
wollte sie nun nach Cattaro zur Rechenschaft senden, weshalb man 
einen Major mit 40 Soldaten zu ihrer Verhaftung aussandte. 

y, Dieser Offizier verheimlichte den Zweck seiner Sendung, 
aber als die beiden Kapitäne ahnungslos am Strand gingen, ließ er 
sie packen und ins Boot setzen. Sie riefen um Hilfe und die 
stets bewaffneten Risanoten eilten herbei und begannen auf die 
Venezianer zu schießen. Der Major entkam und die venezianische 
Regierung, um den Aufstand zu bestrafen, sandte Kriegsschiffe 
mit Landungstruppen nach Risano. Die Einwohner schlugen je- 
doch den Angriff mit großen Verlusten fUr die Venezianer ab. 
Nun rief man Korda, welcher Stadthauptmann war, nach Cattaro 
zur Verantwortung. Korda verteidigte 'sich geschickt, indem er 
sagte, von einem Aufstand könne keine Rede sein, denn das Volk 
habe sich nur gegen die Ausschreitungen des Majors und der 
anderen Truppen gewehrt; im Falle der Not würde es mit dem 
gleichen Mut auch fiir Venedig kämpfen. Mit dieser Entschuldigung 
gaben sich die Venezianer zufrieden, um die Sache nicht noch mehr 
aufzubauschen.'^ 

Medakovid ist kurz und das Bemerkenswerteste in seiner 
Darstellung ist die Behauptung, daß Stefan Mali den Vladika Sava 
eingesperrt habe. 

Milakovid, der am gründlichsten zu sein scheint, schreibt 
folgendes über das Auftreten und die ersten Handlungen des 
„Lügenkaisers'': 

„Gegen den Herbst 1767 tauchte in den Bocche ein Fremd- 
ling auf, welcher sich für den russischen Kaiser ausgab. Man 
nannte ihn Stefan den Kleinen. Zwei Jahre zuvor hatte er aU 
Arzt ganz Montenegro bereist (?), über das Leben und die Sitten 
des Landes Kenntnis erlangt und gesehen, mit welcher Verehrung 
das Volk an Rußland hing. Dann ließ er sich in Majna nieder^ 



Auftreten des „LügenkaiserB" Ööepan Mali. ^11 

WO er lange Zeit kümmerlich lebte, ohne irgendwelche Beachtung 
zu finden. Anfang 1767 öffneten ihm seine Quacksalbereien (?) 
den Zutritt ins Haus eines gewissen Vuk Markovid aus Majna, 
der sich wegen seiner Krankheit an ihn gewendet hatte. Seitdem 
begannen gewisse Gerüchte aufzutauchen, daß sich unter der Maske 
des Arztes eine vornehme Persönlichkeit verberge. 

,,Die Sucht nach Geheimnisvollem, auch wenn es noch so 
abgeschmackt wäre, machte bald die Bewohner von Majna, Pobori 
und Braidi glauben, daß sich unter dem angeblichen Arzte der 
russische Kaiser Pjotr III. verberge. Diese Fabel zu verbreiten, 
gab sich besonders der E^apitän von Majna Marko Tanoviö 
Mühe, welcher sich mit seinem Leben fiir die Echtheit des Garen 
verbürgte. Weil nun Tanovid als Kapitän großes Ansehen genoß 
und zudem mit Vasilije in Rußland gewesen war, wo er den 
damaligen Großfürsten Peter persönlich kennen gelernt hatte, 
zweifelte niemand an der Wahrheit. Dazu kam noch, daß im 
Kloster Majna ein Bildnis des Kaisers Pjotr hing, das große Ähn- 
lichkeit mit Stefan Mali zeigte. So verbreitete sich also das Ge- 
rücht durch die ganze Bocche und Montenegro, und die Bewohner 
von Konavlje gingen sogar so weit, §depan ein Zepter und ein 
kaiserliches Wappen zu senden, während die montenegrinischen 
Glavari von Ku5i, Piperi, Bjelopavlidi und den Brda heimlich 
huldigten und als Zoll der Ehrfurcht Hammel und Butter sandten. 
Bei dieser Gelegenheit bestürmten sie ihn, er möge ihnen offen 
sagen, ob er der Kaiser sei, worauf er ihnen antwortete : er würde 
alles auf einer Skupstina enthüllen, wenn sie ihre häuslichen 
und kleinlichen Zwistigkeiten friedlich ausgleichen 
wollten. 

„Am 20. September trat die Skupstina zusammen; allein, sei 
es, daß man Stefan prüfen wollte, sei es, daß der Vladika dahinter 
steckte, es wurde kein Friede geschlossen, sondern nur ein Waffen- 
stillstand (der Blutrache) bis zum Georgstag. Bei dieser Skupstina 
befanden sich Vuk Markoviö als , Kanzler' und Marko Ta- 
noviö als , Adjutant' des Stefan, wobei sie die drei Gemeinden 
des Primorje vertraten. Die Montenegriner sandten nun eine Ab- 
ordnung von einigen Glavari mit Tanovid zu Stefan, um ihm den 
Beschluß mitzuteilen. 

14* 



818 Siebenter Zeitraum. 

^yEaum hatte Stefan die Urkunde in Händen, als er sie ent- 
rüstet zerriß und rief, er habe Frieden anbefohlen und nicht 
einen Waffenstillstand; und wenn man es wagen sollte, seine Be- 
fehle irgendwie abzuändern, so möge man darauf verzichten, von 
ihm Ratschläge oder Befehle zu bekommen. 

„Da sich alle Völker von jenen Achtung abzwingen lassen, 
die zeigen, daß sie sich nicht vom Volke imponieren lassen, machte 
dieses tatkräftige Vorgehen auf die Leute großen Eindruck und sie 
begannen den kleinen Stefan desto höher zu schätzen. 

„Unterdessen begab sich der Vladika Sava, dem daran lag, 
daß die Montenegriner seinen Neffen (den gestürzten Patriarchen) 
Arsen ije Plamenac als seinen Nachfolger anerkennen sollten, 
in Person zu Stefan, um diesen zu veranlassen, den Plan zu unter- 
stützen. Dadurch natürlich hob er erst recht die Bedeutung des 
Betrügers. Da dies auch Stefan sofort begriff, entsprach er dem 
Willen des Vladika, indem er dem Volke einen Brief sandte, in 
welchem er es zu einer neuen Versammlung einberief, auf der all- 
gemeiner Frieden, Aussöhnung und Vergessen aller gegenseitigen 
Beleidigungen beschlossen werden sollte, sei es, daß es sich um 
Raub, Entführung, Mord oder Verwundung handle. Gleichzeitig 
verlangte er, daß Arsenije Plamenac als künftiger Vladika 
anerkannt werde. 

„Die Montenegriner entsprachen seinen Befehlen und sandten 
ihm nach Majna eine Abordnung von 60 Köpfen, um ihm als 
Kaiser von Rußland und Herr von Montenegro zu 
huldigen. Stefan empfing sie herablassend, genehmigte ihre Be- 
schlüsse, empfahl ihnen aufs dringendste, die Eintracht und 
das gute Einvernehmen unter sich zu wahren, weil 
sonst eine gute lElegierung nicht möglich sei, und ver- 
sprach ihnen, daß sie bald von ihm hören würden, wer er sei. 
Im ganzen hatte er so gesprochen, daß sich nicht entnehmen ließ, 
ob er den Kaisertitel fiir sich in Anspruch nehme oder nicht. 

„Bald darauf, einige Tage nach dem Dimitrifeste, floh nach 
Montenegro der letzte serbische Patriarch Vasilije Vrkiö. Er 
war von den Türken abgesetzt worden, nachdem die Griechen 
das Recht des serbischen Patriarchats erkauft hatten, und um nicht 
verbannt zu werden, war er entflohen. 



Auftreten des „Lögenkaisen" Söepan Mali. 8 IS 

• 

;9 Stefan nahm ihn mit Freude auf und er weihte Arsenije 
Plamenac zum Bischof^). 

,, Venedig, befürchtend; daß eich vielleicht auch die Bocchesen 
dem falschen Garen anschließen könnten; sandte den Statthalter 
von Dalmatien nach Cattaro, wo er die Vorstände der Gemeinden 
von Majna; Pobori und Braidi zu sich rufen ließ und ihnen be- 
fahl; den Betrüger auszuweisen und sich selbst nach Cattaro zu 
begeben; wo man ihnen das Vorgefallene verzeihen werde. Ob- 
gleich diese drei Gemeinden dem Befehl nicht Folge leisteten; 
wurden dennoch die übrigen Gemeinden so eingeschüchtert; daß 
sie ihre Häupter nach Cattaro sandten; um dort zu erklären; man 
sei der Republik treu und werde ihr in allen Stücken Gehorsam 
leisten. 

;; Gegen Mitte Januar 1768 siedelte Stefan nach Cetinje über; 
wo er sich vor dem versammelten Volke von Montenegro und den 
Brda für den ; Kaiser von Rußland; Petar III.' erklärte; abpr bei- 
fugte; er wolle nicht den Eaisertitel führen; sondern sich nach wie 

1) Hier wird also das Ende des serbischen Patriarchats anders dar- 
gestellt, als ich es auf Seite 206 nach den Angaben Lenormants geschil- 
dert habe, welche ich deshalb für richtiger halte, weil sich tatsächlich als 
Unterschrift der Abdankungsurkunde des Patriarchen (die Lenormant im 
Wortlaut mitteilt) die Unterschrift Arsenije befindet, mit dem Beisatz 
„Erzbischof von Ohrid", welcher Titel ja tatsächlich dem Patriarchen zu- 
kam. Die Weihe Arsenijes durch Yasilije in Cetinje ist deshalb unverständ- 
lich — außer man nimmt an, daß der letzte Patriarch Arsenije V. von 
Pe<S ein anderer Arsenije war als Plamenac. Andriö schreibt darüber 
folgendes: „Um diese Zeit (1765) flüchtete sich der Patriarch von Pe6, 
Yasilije Ivanoviö Brkiö, vor der Wut der Türken. Dieser durch grie- 
chische Ränke verfolgte und in Cjpern verbannt gewesene Patriarch wurde 
nach Hause mit dem Bemerken entlassen, der Sultan wolle keine Patriarchen 
in Peö mehr haben, die dem Patriarchen von Konstantinopel' nicht unter- 
worfen wären, und die Raja zur Waflenergreifung gegen die Türken auf- 
hetzen, oder mit anderen Worten, die Griechen wollten kein serbisches 
Patriarchat dulden. Unsichtbare von Konstantinopel entsendete Begleiter 
gingen dem Patriarchen Yasilije nach, um denselben in Peö zu enthaupten. 
Yon diesem Yorhaben zeitig unterrichtet, entsprang Yasilije in einer Nacht 
aus dem Bette und flüchtete sich zum Yladika Sava. Dieser benutzte die 
Anwesenheit des Patriarchen Yasilije, um seinen Schwestersohn Arsenije 
Plamenac aus Crmnica zum Bischof einweihen zu lassen, der aber nach 
einer Amtszeit von 3 Jahren im Kloster Br^ela verstarb." 



314 Siebenter Zeitraom. 

vor ; Stefan der Kleine' nennen , und tatsächlich zeichnete er alle 
Urkunden mit , Stefan^ klein mit den Kleinen, gut mit den Guten, 
böse mit den Bösen ^ Nach einigen Tagen begab er sich mit den 
Häuptlingen nach dem Kloster Stanjevid, wo er alle Mönche 
verjagte und den Vladika unter Aufsicht stellte, nachdem 
er ihm 100 Hammel genommen hatte, unter dem Vorwand, daß 
er für Montenegro aus Rußland gekommenes Geld verborgen halte. 
Aber die wahre Ursache war wohl ein von Stefan aufgefangener 
Brief des Vladika an einen falschen Freund, in dem Stefan als 
Betrüger und Lügner erklärt wurde. Die Montenegriner hatten 
nicht allein kein Mitleid mit ihrem Vladika, sondern sie beschul- 
digten ihn auch, daß er im Hungerjahr 1741 ihnen ihre Lände- 
reien zu einem Spottpreis abgekauft hätte. Als Stefan diese Be- 
schuldigung vernahm, untersuchte er selbst die Sache, und als die 
Glavari erklärten, daß die Güter tatsächlich weit mehr wert seien, 
als dep Vladika dafiir gezahlt habe, entschied er, daß sie den 
früheren Eigentümern ohne Rückzahlung des Kaufpreises zurück- 
gestellt werden müßten. 

„Anfang März entließ er jedoch den Vladika aus der Haft. 

„Stefan wohnte gewöhnlich in Majna im Hause des er- 
wähnten Vuk Markovid, wo er auch einige Wachen hatte, und 
von dort begab er sich von Zeit zu Zeit nach Montenegro. Dies 
mißfiel den Venezianern, weil sie fürchteten, die Türken könnten 
es zum Anlaß einer Kriegserklärung benutzen. Allein sie wagten 
es nicht, mit Gewalt gegen ihn vorzugehen, weil sie einen Aufstand 
aller Bocchesen fürchteten, deshalb sandten sie Beamte zu Stefan, 
um ihn zu bitten, daß er sich aus dem venezianischen Gebiete 
entferne, um Unglück zu vermeiden. 

„Sei es aus diesem Grunde oder aus einem andern, am 
12. April verließ Stefan Majna und siedelte nach Cetinje über, von 
wo er sich nach einigen Tagen nach Njeguä begab, wo er im 
Hause des Guvernaturs Ivan Stankov Radonjid wohnte. 
Dort empfing er unaufhörlich die eintreffenden Montenegriner, 
denen er Ratschläge in öffentlichen Angelegenheiten gab, Urteile 
fällte und zu seinem Schutz eine Leibwache von 18 Mann hatte, 
die auch seine Befehle vollstreckten. Unter den Urteilen war 
auch jenes, den Sujo Radanoviö aus Donji Kraj zu erschießen 



Auftreten des „Lügenkaisen" S^pan Mali. 215 

und dann aufzuhängen, welcher im Streit seinen eigenen Bruder 
getötet hatte ^). Und gegen Diebstahl schritt er derart ein, daß 
er Auftrag gab, auf der nach Cattaro zum Markt führenden Straße 
10 Dukaten (und eine silberbeschlagene Pistole) zu verstreuen, 
die niemand zu nehmen sich unterstehen dürfe. Und tatsächlich 
blieben sie unberührt liegen. Ebenso erließ er strengen Befehl, 
Eintracht unter sich und aufrichtige Freundschaft mit den 
Venezianern der Grenzgebiete zu halten, indem er Übertretung 
dieses Befehls mit schweren Strafen ahndete. Ebenso verbot er, 
sich (wie bis dahin üblich gewesen) an Sonn- und Festtagen nach 
dem Markt von Cattaro zu begeben. 

„Solange Stefan in Majna wohnte, hatten die Türken in der 
Hercegovina und Albanien sich wenig um ihn gekümmert. Sie 
beschränkten sich darauf, zu verbieten, daß nach Montenegro oder 
den Brda Lebensmittel oder Schießbedarf geliefert werde. Aber 
seit er nach Montenegro übergesiedelt war, wurden sie unruhig, 
besserten die Grenzfestungen aus und häuften dort Lebensmittel 
und Schießbedarf an. Auch zogen sie Truppen an der Grenze 
zusammen. Die Agäs von Bar, Uldn, ^abljak, Podgorica und 
Spuz ließen durch den Vezir von Albanien dem Sultan mitteilen, 
daß sie sich durch Stefan sehr beunruhigt fühlten, weil er imstande 
wäre, alle Christen zur Erhebung zu veranlassen, und daß man 
deshalb Truppen zur Verstärkung senden möge. In diesem Sinne 
schrieben auch die Agäs der hercegovinischen Festungen NikSid, 
Elobuk, Trebinje, Bilek und Kljuö (Gacko). Und schließlich die 
erbärmlichen Venezianer, in ihrer kriecherischen Politik gegen die 
Pforte, ließen durch ihren Gesandten Giustiniani in Stambul der 
Pforte sagen, sie seien an allem unschuldig und würden es am 
liebsten sehen, wenn Stefan nicht in Montenegro wäre, weil er 
mit seinem russischen Kaisertitel leicht den Türken in der Herce- 
govina und Albanien Verlegenheiten verursachen könnte.^' 

Aus allem geht somit hervor, daß Stefan ein ausgezeich^ 
neter Regent war, dem Montenegro es zu danken hat, daß die 
inneren Zwistigkeiten aufhörten, welche sonst die Unabhängigkeit 



1) Ebenso lieB er zwei Diebe hängen — einen sogar für Diebstahl von 
nur einer Elle Leinwand! 



216 Siebenter Zeitraum. 

in Frage gestellt hätten, daß femer eine bewundernswerte Sicher- 
heit des Eigentums und des Lebens im Lande heArschte und daß er 
ebenso gerecht als klug urteilte. Wenn er also auch ein Schwindler 
war; so war sein Schwindel fär das Land von Segen und es ist 
um so mehr zu bewundenii daß er seine Macht nicht mißbrauchte, 
wenn man sich erinnert , daß er doch ein ganz ungebildeter 
Mensch war. 

27. Der Feldzug von 1768. 

Nachdem in Stambul die Nachricht eingetroffen war, daß die 
Bjelopavlidi, Eu^i; Piperi und Vasojevidi sich an Stefan an- 
geschlossen hätten, beschloß der Sultan im Einvernehmen mit den 
törichten Venezianem; dem kleinen Montenegro endlich einmal den 
Garaus zu machen, indem er zu diesem Zweck drei Heere be- 
stimmte, welche auf zusammen 180000 Mann angegeben werden, 
wozu noch 20 000 Venezianer an der Grenze kamen, wonach also 
die im ganzen (einschließlich der Brdaner) kaum 50000 Seelen 
zählenden Montenegriner von 200000 Mann bedroht gewesen 
wären. Doch glaube ich nicht an die Riesenheere, weil sich diese 
in damaligen Zeiten nicht in jenen Gegenden bewegen, verpflegen 
noch überhaupt halten konnten. Es sind schon die von den 
meisten Oeschichtschreibern gewöhnlich angenommenen 120 OCO 
Türken und 20000 Venezianer äußerst viel. Die Venezianer 
geben die Zahl der Türken auf 67 000 an. Da sie aber ein 
Interesse hatten, die Zahl geringer anzugeben, ebenso wie die 
Montenegriner gerne übertreiben, dürfte man vielleicht der Wahr- 
heit am nächsten konmien, wenn man das Mittel annimmt, also 
100 — 120000 Türken, wobei aber wahrscheinlich auch die gar 
nicht in den Kampf gekommenen Reserven hinter den Heeren 
(in den Festungen) eingerechnet sind. Auch die Venezianer kamen 
nicht zum Schuß, sondern beschränkten sich nur auf bedrohliche 
Haltung und Absperrung der Grenze zur Vermeidung der Ein- 
fuhr von Schießbedarf und Lebensmitteln — allerdings der größte 
Diensty den sie den Türken erweisen konnten, deren Schuhsohlen- 
leckerin die einst so stolze „Königin der Adria^' seit dem Verlust 
von Morea war. Immerhin bilden 120000 oder selbst nur 
100000 Mann eine furchtbare Übermacht gegen nur 10000 Streiter, 



Der Feldzug von 1768. 819 

auch wenn diese noch so tapfer und durch ihre Berge geschützt 
sind. Deshalb bildet das Jahr 1768 den Gipfelpunkt montenegri- 
nischen Ruhmes. Über den Feldzug berichtet Andrid: 

„Im Jahre 1768 umschlossen drei Heere, 120000 Mann stark, 
unter den Befehlen der Vezire von Bosnien, Albanien und Rume- 
lien, Montenegro von der Landseite. Dasselbe taten die Venezianer 
von der Meeresseite. Zuerst verlangten die Türken die Ausliefe- 
rung Malis und des Patriarchen Vasilije (?), in der Absicht, nach 
Oefangennehmung derselben Montenegro dennoch zu verwüsten. 
Die Montenegriner suchten die Türken dadurch zu beschwichtigen, 
daß sie vorgaben, Mali sei nicht bei ihnen, und sandten ihnen 
zum Beweise dessen sein Streitpferd. Dies genügte dem erzürnten 
Vezir nicht, und er stellte seine Truppen in der Art auf, daß der 
Vezir von Rumelien am Flüßchen Sitnica bei Podgorica, der Vezir 
von Bosnien in der Ebene von Niksiö bei Rigjane und der Vezir 
von äkodra bei Plavnica nächst der Nahija CrmniSka stehen 
blieb. Die Venezianer unter Kommando des Generals Erapoviö 
besetzten ihrerseits die montenegrinische Grenze von Spid bis 
Grahovo. Am Tage des heiligen Johannes rückten die Türken 
von allen Seiten vor. Die Montenegriner sammelten 10000 Mann 
an verschiedenen Putikten des eingeschlossenen Landes. Die Lage 
desselben war um so gefährlicher, ab die Venezianer bei Todes- 
strafe verboten, den Montenegrinern Pulver zu verkaufen. Jede 
Patrone kostete damals einen Dukaten. Nachdem sich die Monte- 
negriner zwei Monate hindurch verteidigt hatten, erbeutete eine 
Schar von 500 Montenegrinern bei Ljeäkovac 60 Saumlasten 
Pulver und hieb die türkische Begleitmannschaft, bestehend aus 
74 Mann, gänzlich nieder. Dieser Umstand erhöhte den Mut und 
die Freude der Montenegriner. Am 28. Oktober griffen sie die 
über Bjelopavlidi angekommenen Türken selbst an? und machten 
folgende Disposition. Der Vojvoda DragoVukoviö nahm zwei 
Teile von der Eatunska Nahija und einen Teil von der RijeCka 
Nahija und stellte sich bei Vojnid auf. Der Srdar von Njeguä, 
Petrovid, der Pop ^utkoviö, dann Pero Vukotid und der 
Vojvoda Milid gingen gegen Zaijuöe, und der Srdar Jovo 
Gjuraäkovi<5 über Dos längs einem Bach. Der nachmalige 
Vladika Petar stand am Berge Lisac und gab das Zeichen zur 



218 Siebenter Zeitraum. 

Schlacht Der Angriff erfolgte auf das gegebene Zeichen vor 
Tagesanbruch auf die beiden vereinigten Vezire von drei Seiten, 
und zwar mit solchem UngesttUU; daß der Feind; 60000 Mann 
stark; von 3000 Montenegrinern zum Weichen gebracht wurde. 
Gleichwohl dauerte die Schlacht bis in die sinkende Nacht, welche 
die Montenegriner hinderte, den Feind weiter zu verfolgen. Der 
Feind wurde von Öevo bis ZagaraS geworfen. Eine drei Stunden 
lange Fläche lag mit Toten übersät. Die Türken verloren in 
dieser denkwürdigen Schlacht 20000 Mann, wie die Pjesma be- 
hauptet; jedenfalls aber 3 — 4000 ManU; und die Montenegriner 215 
Tote und 300 Verwundete. Dreitausend Pferde und 1300 ZeltC; 
darunter die Zelte der Vezire, 30 Feldschmieden und eine Menge 
Munition und Lebensmittel fielen den Siegern in die Hände. 

„Die Montenegriner übernachteten hierauf in Öevo und wandten 
sich den anderen Tag nach der Crmniöka. Unterwegs jedoch 
vernahmen sie die Nachricht, daß am 1. November im Lager an 
der Crmnica und in Bjelopavlidi ein Wolkenbruch sich ereignete, 
ein Wetterstrahl in den Pulverturm der Türken eingeschlagen 
und diesen in die Luft gesprengt habe. Das erschrockene Lager 
des Vezirs von §kodra floh nach Verlust vieler, vom Feuer ver- 
sengter Mannschaft auseinander und war nicht mehr zum Stehen 
zu bringen, der Rest wurde von den Crmnicanem aufgerieben, 
welche 1000 Köpfe abhieben. Ein anderer Blitzstrahl schlug in 
das venezianische Lager bei Budva, zündete den dortigen Pulver- 
turm an und zwang die Venezianer, nachdem ein Teil der Mann- 
schaft vom Feuer versengt war, zum Abzug in die Seestädte. 

„Die Montenegriner kehrten nun heim und der Feldzug für 
dieses Jahr nahm, zumal wegen der eingetretenen Winterszeit, ein 
glorreiches Ende. 

„Sdepan Mali, welcher bei Ostrog Schanzen baute, um Bjelo- 
pavlidi zu decken, flüchtete sich bei der Annäherung der Türken 
nach Gevo, und von dort nach Crmnica, wo ihn das Volk im 
Kloster zu Bröela geheimhielt und bewachte. Der Patriarch Vasilije 
(! lies Sava) hielt sich damals im Dorfe Gragjani auf. 

„Die Venezianer ergriffen aUe in ihrem Staate lebenden An- 
hänger Malis und verurteilten einige zum Tode, die anderen zur 
ewigen Verbannung und zerstörten ihre Häuser von Grund aus.'' 



Der Feldzng von 1768. S19 

Milakovid schildert den Feldzug folgendermaßen/ wobei er 
die Stärkeangaben nach den niederen venezianischen Behaup- 
tungen einstellt: 

,, Mustafa III. erklärte den Montenegrinern den Krieg. Im 
Sommer bereits sammelten sich die Heere um Montenegro an. Als 
man sich stark genug glaubte ^ begann man im August von drei 
Seiten den Angriff auf das Land: Sulejmän Pa§ä; Vezir von 
Bosnien, mit wenigstens 20000 Mann von Nikäiö her; der Bejlerbej 
von Rumili mit ebensoviel Truppen von Podgorica her; Mehemed 
BuSatlija Paää, der Vezir von Albanien; mit den Paääs von 
Dukad2in und Gjakovica mit 27 000 Mann von Plavnica aus. 
(Das wäre am nördlichen Ufer des Skodra-SeeS; während 
doch aus dem Verlauf der Schilderung hervorgeht , daß der Ein- 
bruch auf dem südlichen Seeufer, gegen die Crmniöka; er- 
folgte. S. G.) 

,;E8 entstand ein sehr blutiger Kampf; die Türken griffen 
die Montenegriner auf der ganzen Linie mit aller Macht an, aber 
jene verteidigten sich mit ihrer gewohnten Tapferkeit und Geschick- 
lichkeit und schlugen alle türkischen Angriffe* zurück. 

;,So währten die Kämpfe lange. Zeit, indem die Türken auf 
allen Punkten verloren; schließlich wurden aber die Montenegriner 
(durch Mangel an Schießbedarf; S. G.) gezwungen zu weichen und 
so konnten sich die beiden Vezire von Bosnien und Rumili in 
Cevo vereinigen, nachdem sie Bjelopavlidi, Pjeäivci und Bjelice ver- 
brannt hatten. Dor Vezir von Albanien drang in die Crmniöka 
Nahija ein, ebenfalls sengend und brennend. 

„Trotzdem das gesamte türkische Heer 100000 (oder, wie 
die Venezianer behaupten, wenigstens 67 000) Mann stark war, 
während die Montenegriner zusammen mit den Brdanem nur 10000 
oder höchstens 1 2 000 Waffenfähige entgegenstellen konnten, hätte 
doch die Tapferkeit, verbunden mit dem Vorzug der festen Stel- 
lungen, schließlich den Sieg über die ziffennäßige Übermacht davon- 
getragen, wenn nicht der Schießbedarf ausgegangen wäre und die 
venezianische Republik aus Furcht vor den Türken dessen Aus- 
fuhr bei Todesstrafe untersagt hätte. 

„Als der Bejlerbej dies sah, glaubte er ohne Schwertstreich 
Montenegro bezwingen zu können, deshalb bot er den Glavari 



820 Siebenter Zeitraum. 

von Cetmje und Njeguä Frieden an gegen Aoslieferong des Sdepaa 
Mali. Aber sie redeten sich aus^ dieser sei in der letzten Schlacht 
gefallen, und um ihn dies glauben zu machen, sandten sie ihm 
das Pferd desselben. Entrüstet über diese naive Antwort, kün- 
digte der Bejlerbej an, er werde sich Sdepan Mali, den angeblichen 
Russenkaiser, selbst in Cetinje oder Njeguä holen. 

„Schon schien alle Hoffnung für Montenegro verloren, weil 
die Türken entschlossen waren, diesmal um jeden Preis Montenegro 
zu unterwerfen, und dann, weil kein Schießbedarf mehr vorhanden 
war, als einige glückliche Zufälle den Dingen eine andere Wen* 
düng gaben. Am selben 2. November schlug der Blitz gleich- 
zeitig in die Pulverkammer der Venezianer zu Budva und in jene 
des Paäi von Skodra, so daß alle Pulvervorräte in die Luft flogen 
und das türkische Lager in große Verwirrung geriet. Außerdem 
fiel den Montenegrinern ein türkischer Zug mit Pulver fär den 
Vezir von Bosnien in die Hände. Lifolgedessen beschlossen die 
beiden Vezire, ihren Zug gegen Sdepan Mali aufzugeben und den 
Rückzug anzutreten, wobei sie von den Montenegrinern angegriffen 
wurden, die einen glänzenden Sieg erfochten. 

„Einige erzählen, daß Stefan der Schlacht nicht nur nicht 
beiwohnte, sondern sich sogar versteckte, als er hörte, daß die 
Türken im Anzug seien. Andere erzählen (mit größerer Wahr- 
scheinlichkeit), daß er gegen die Türken kämpfte, aber, nachdem 
die unterhalb Ostrog von ihm selbst erbauten Schanzen den aus 
der Hercegovina anrückenden Türken in die Hände gefallen waren, 
sich durch die Flucht rettete. In jedem Falle scheint es sicher, 
daß er sich nicht als Held bewährte und daß er danach sich zu 
einem Mönch in Gragjani zurückzog, wo er sich volle neun Monate 
aufhielt. 

„Nach der erwähnten Schlacht ließ der venezianische Senat 
die Häupter der drei Gemeinden (Majna, Pobori und Braiöi) ein- 
kerkern, welche 1718 von Montenegro abgetrennt worden waren 
und jetzt die Sache des Söepan Mali ergriffen hatten. Zwei davon 
wurden hingerichtet und die anderen verbannt, nachdem man ihre 
Häuser verbrannt hatte, deren Ruinen heute noch gezeigt werden, 
darunter das Haus in Majna, welches Stefan zum Wohnsitz gedient 
hatte.** 



Der Feldzag von 1768. 881 

Angesichts dieser^ in den Einzelheiten nicht übereinstimmenden 
Nachrichten möchte ich darauf hinweisen, daß es mir vergönnt 
war; einen Montenegriner zu sprechen ; der — Mitkämpfer in 
der Schlacht von Velestovo war (wie er diese Schlacht 
nannte); so unglaublich dies erscheinen mag; da doch diese 
Schlacht vor 146 Jahren stattfand! Es ist aber doch so! Als 
ich 1876 in Cetinje war; zeigte man mir einen Montenegriner; der 
seine ganz vertrocknete und pergamentartige nackte Brust zur 
Schau trug; aber noch stramm auftrat und sein Waffenarsenal im 
Kolan trug. Ich hielt ihn fUr über 80 Jahre und war deshalb 
erstaunt zu hören ; daß er sich anschickte; den Feldzug mitzu- 
machen. Da erfuhr ich denn, daß er nicht weniger als 117 Jahre 
alt sein müssC; weil er schon 1768 in der Schlacht bei Velestovo 
mitgekämpft hatte. Damals war er erst 10 Jahre alt; aber; wie 
so viele Montenegriner; die bereits mit 10 Jahren ihre Waffen 
bekommen und (damals wenigstens) in den Krieg ziehen; focht er 
in den Reihen des Söepan Mali und schnitt in der Schlacht seinen 
ersten Türkenkopf ab; dem seither in den vielen Kämpfen noch 
über 120 andere folgten. Er bestätigte daS; was Andriö über 
die Schlacht vom 28. Oktober zu erzählen weiß; und deshalb halte 
ich die erste Schilderung fär die richtigste. 

Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit meiner Vermutung 
bildet der albanesische Bericht über diesen Feldzug; in dem 
es heißt: 

Als dann die Pforte 1768 ein Heer von 120000 Mann gegen 
Montenegro sandte; um es endlich einmal zu vernichten; beteiligte 
sich auch Mehemed Pa§ä Buäatlija mit 40000 (nach andern gar 
60000) Mann am Angriff. Am 29. August drang er gegen die 
Crmniöka Nahija vor; welche von 4500 Montenegrinern verteidigt 
war. Nach fünfwöchigen Kämpfen war Mehemed Buäatlija erst 
bis Godinje (zwei Stunden weit!) vorgedrungen; weitere vier 
Wochen hindurch sah der Pa^ alle seine Angi*iffe abgeschlagen. 
Endlich am 1. November schlug der Blitz in das türkische Pulver- 
magazin des Lagers von Godinje und brachte dieses hierdurch in 
Verwirrung. Die Montenegriner benutzten dieS; griffen an und 
warfen die Albanesen mit Verlust von 3000 Mann nach Bar 
(Antivari) zurück. Der ganze Feldzug hatte dem Mehemed 



823 Siebenter Zeitraum. 

Bu^Üija nicht weniger als 15000 Mann gekostet — seinen G^nern 
nur 200 Mann. 



28. Albanien unter den ersten Bu^atlija. 

(1750—1769.) 

Der vorerwähnte albanische Bericht über den Feldzug des 
Mehemed Bu^tlija PaSä veranlaßt mich^ über dessen Vorgeschichte 
zu sprechen. 

Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts bemächtigte sich in 
Skodra die Familie Buäatlija der Pasä-WürdO; welche nun länger 
als ein Jahrhundert in ihr erblich blieb. Wie dies kam, werden 
wir gleich sehen. Damals herrschte in Skodra fortwährende Zvrie- 
tracht und es waren besonders die Stadtviertel Tabaki und Terzi, 
welche sich fast in beständigem Kriegszustände befanden. Die 
türkischen Beamten, sovne der Pasä und dessen Bruder, der 
Eähäja (Schreiber, Stellvertreter), benutzten dies, um sich allerlei 
Ausschreitungen gegen die Einwohner zu erlauben, deren Töchter 
und Weiber vor ihnen nicht sicher waren. Endlich riß dem Vor- 
stande von Terzi, Hasan Arslän (= „schöner Löwe'') von 
§oäi die Geduld und er unternahm einen kühnen Schritt. Nächt- 
licherweile trat er vor seinen Todfeind, den Vorstand von Tabaki, 
und schlug ihm vor, allen Groll und Haß zu vergessen und da- 
flir die gemeinsamen Kräfte zur Wiederherstellung einer ordent- 
lichen Regierung einzusetzen. Nach einigem Zögern stimmte der 
andere bei und beide gingen sofort ans Werk. Sie legten sich 
unweit des Konäks in den Hinterhalt und töteten den Pasä und 
seinen Kihäja, als sich diese ins Bad begaben. Die Pforte sandte 
einen Abgeordneten nach §kodra, um die Sache zu untersuchen. 
Dieser wurde aber bestochen und er kehrte daher mit den Köpfen 
einiger harmloser Skreli zurück, welche er als jene der Em- 
pörer vorwies. 

Kurze Zeit vorher war ein gewisser Mehemed Bej aus 
BuSat nach §kodra gekommen und hatte sich in Tabaki nieder- 
gelassen. Er bekam wegen seiner Abstammung den Namen 
Buäatli (serbisch Bu^tlija), behauptete jedoch, von Stanisa, 
dem rebellischen Bruder Gjuragj Crnojeviö', abzustammen, der 



Albanien unter den ersten BuSatlija. 88S 

nach der Niederlage bei LjeSkopolje nach §kodra geflüchtet war, 
aber von dessen Einwohnern vertrieben, sich in Bu^t nieder- 
gelassen hatte ^). Wie dem nun sei, Mehemed Buäatli wußte sich 
in den Kämpfen mit Terzi auszuzeichnen, so daß er immer mehr 
zu Ansehen kam. Als nun die Pforte nach der Ermordung ihres 
Pasäs einen andern nach Skodra sandte, fUhrte Mehemed ein 
Possenspiel auf, dessen Zweck es war, den Neuangekommenen ein- 
zuschüchtern. Er versammelte nämlich eine große Zahl Maljisoren 
und Skodraner, mit denen er dem Pasä entgegenging. Den Malji- 
soren hatte jedoch Mehemed anbefohlen, bis auf die Hosen nackt 
zu kommen, dabei aber bis an die Zähne bewaffnet. 

Als nun der arme Paää ankam, war er nicht wenig über 
diesen Aufzug betroffen und fragte Mehemed, was das zu be- 
deuten habe. Der Angeredete versicherte dem Pasi, daß dies 
die gewöhnliche Tracht des Volkes sei, welches nichts besäße 
als seine Waffen, die es aber trefflich zu handhaben verstehe. 
„Übrigens werde Seine ExzeUenz schon noch Gelegenheit haben, 
sich von dem Eriegsgeiste imd der Grausamkeit des Volkes zu 
überzeugen.'' 

Der Pa^i wurde durch diese Worte ganz eingeschüchtert und 
suchte unwillkürlich nach einer Stütze, welche er natürlich in dem 
freundlichen Mehemed Buäatli zu finden glaubte. Daher nahm er 
auch dessen Anerbieten an, in seinem Hause eine Wohnung zu 
beziehen. 

Kaum hatte es sich der Pa§i im Hause des Mehemed Bej 
bequem gemacht, als auf dessen Dach ein Steinhagel niederging* 
Betroffen fragte der PaSä seinen Wirt, was das wohl zu be- 
deuten habe. 

— O nichts, meinte der Gefragte; die Maljisoren bringen 
es dir nur in Erinnerung, daß du ihnen Baksiä (Geschenk) 
schuldig bist 

Froh, so leichten Elaufs durchzukommen, ließ der arme Pasi. 
sofort eine beträchtliche Summe unter das Volk verteilen. Aber 
der Steinhagel hörte darum nicht auf und Mehemed erklärte diese 
Naturerscheinung damit, daß die Maljisoren einen viermal größeren. 



1) Siebe Seite 117. 



224 Siebenter Zeitraum. 

Betrag wünschten. Der schwache FsSi willfahrte auch diesem 
Verlangen. 

Mehemed; der seines Gtastes Schwäche sofort durchblickt hatte, 
benutzte sie, um von nun an in des PaMs Namen zu regieren. 
Letzterer war geradezu sein Gefangener; die ihm bestimmten 
Qelder flössen alle in Mehemeds Tasche , den er überdies noch 
best&ndig mit Geld versorgen mußte. Auf diese Weise ist es er- 
klärlich, daß der Paää bald arm wie eine Kirchenmaus war und 
zudem ein sehr unangenehmes Dasein führte. Er bat daher um 
seine Entlassung und Rückberufung und versicherte der Pforte (von 
Mehemed hierzu gezwungen), daß niemand würdiger und fähiger 
sei, das PaSalik Albanien zu verwalten als Mehemed Buäatli. 
Dieser wurde auch tatsächlich zum Paää ernannt. 

Kaum zur Macht gelangt, entledigte sich Mehemed Pa§i aller 
mächtigen Familien dadurch, daß er sie gegeneinander hetzte, und 
durch seine schrankenlose Willkür erreichte er es, daß die Pforte 
vor seiner Absetzung zurückschreckte, stillschweigend die Erblich- 
keit der Regierung in seiner Familie duldend. 

Mehemed Pa§i wurde in seinem Schalten und Walten auf 
das trefflichste von seinen Söhnen Mustafa, Karä Mahm&d, 
Ibrahim und Ahmad unterstützt. Der Erstgenannte lockte 
nach Vernichtung der Familie ÖoSi die sieben letzten Mitglieder 
der Familie Mad2are unter dem Vorwand eines Festes in seinen 
Palast. Da sie sich weigerten Skodra zu verlassen, legten die 
Buäatlija Feuer an den Palast und verbrannten die ganze Familie 
mit Weib, Kind und Dienerschaft. 

Kari Mahmud (= „schwarzer Rühmlicher'') beschäftigte sich 
gleichzeitig in Buäat mit der Vernichtung der 70 WaffenflUiige 
zählenden Familie DSelebi (Öelepi). 

Durch solche Taten wurden alle angesehenen Familien Skodras 
eingeschüchtert und die Buäatlija befestigten sich noch in ihrer 
Macht, indem sie sich mit den Maljisoren und Mirediten verbanden, 
deren Unabhängigkeit sie anerkannten. Dann wandte sich Mehemed 
PaSä gegen Ulcin (Dulcigno), das damals eine tatsächlich unab- 
hängige Seeräuber -Republik bildete, und zwang es zur Unter- 
werfung. Ebenso geschah es den Städten Ljeä, Tirana, Elbasan 
und der Landschaft Dukadzin, deren Paää Karamän Vasall der 



Rußland bittet neaerdings um montenegrinische Unterstützung. S25 

Buäatlija wurde und deshalb mit Mehemed Paää 1768 gegen Mon- 
tenegro zog; welchen Feldzug wir bereits im vorigen Kapitel 
kennen lernten. 

Bald darauf starb Mehemed Feä&y wie es heißt; von der Pforte 
vergiftet; weil er sich geweigert hatte ; in den ausgebrochenen 
russischen E[rieg zu ziehen. Ein gleiches Schicksal widerfuhr 
seinem ältesten Sohne Mustafa im PeloponneS; wohin er sich auf 
Befehl des Sultans mit 3000 Gegen begeben hatte, um die Tosken 
zu züchtigen; welche die griechischen Städte unterdrückten; deren 
sie sich bemächtigt hatten. Die ;; Befreier'' hausten jedoch ihrer- 
seits noch tyrannischer als die Tosken ; so daß die Pforte den 
Moreanern erlaubte; sich der Gegen auf jede Weise zu ent- 
ledigen Die Griechen machten auch von dieser Erlaubnis einen 
so ausgiebigen Gebrauch; daß kein einziger Gege sein Vater- 
land wiedersah. 



29. Rußland bittet neuerdings um montenegrinische 

Unterstützung. (1769.) 

Drei Jahrzehnte lang waren Rußland und die Türkei ohne 
Krieg ausgekommen. Da ließ sich der Sultan Mustafa III. durch 
den französischen Gesandten ; Grafen VergenneS; verleiten; dem 
mächtigen Nachbarn den Krieg zu erklären (1768). Zum Ver- 
wand diente dem Sultan der Kaiserin Jekaterina Einmischung 
in die polnischen Angelegenheiten; obwohl eigentlich Rußland mit 
mehr Recht Anlaß zur Kriegserklärung gehabt hätte ; weil der 
Sultan duldete; daß die Krim-TatareU; seine Untertanen; fort- 
während Einfälle in russisches Gebiet machten. 

Graf Arlöv (Orlov); der sich eben in Italien aus Gesundheits- 
rücksichten aufhielt; hatte in Erfahrung gebracht; daß die der 
Pforte unterworfenen Ghristenvölker der Serben und Griechen nur 
auf eine gute Gelegenheit warteten; das Türkenjoch abzuschütteln; 
während die venezianischen Dalmatiner und Bocchesen mit der 
italienischen Herrschaft gleichfalls unzufirieden waren ; und die 
Montenegriner als einzig freies Volk der Balkanhalbinsel für stets 
bereit galten; gegen die Türken den HandSar zu ziehen. Er 
schmiedete also den Plan eines allgemeinen Au&tandes der Christen 

Gopöeviö, Montenegro nnd Albanien. 15 



SSC Siebenter Zeitraum. 

gegen die Türken zur Unterstützung des russischen Angrifls; und 
berichtete demgemäß nach St. Petersburg , verlangend; daß eine 
russische Flotte im Mittelmeer erscheine , bei deren Anblick ganz 
Griechenland sich erheben würde. 

Die staatskluge Kaiserin erfaßte sofort den ungeheuren Vorteil, 
welcher ihrem Reiche bei Ausführung dieses Planes erwachsen 
müßte, und weil ihr die Montenegriner bereits bekannt waren, der 
letzte Feldzug ihr Heldentum in das glänzendste Licht gestellt hatte und 
sie sich erinnerte, welche Vorteile Rußland schon in den früheren 
E[riegen unter Pjotr Velikij (Peter dem Großen) und Jelisaveta 
aus dem Bündnis und der Unterstützung durch Monten^ro ge- 
zogen hatte, namentlich aber — wie billig die montenegrinische 
Hilfe zu erkaufen war, beschloß sie, den Fürsten Georgij Vladi- 
miroviö Dolgoruki mit einem Erlaß und Aufruf nach Cetinje 
zu senden. Nebenbei sollte er auch die Legende vom Garen 
Pjotr UI. (Sdepan Mali) zerstören. 

Dolgoruki begab sich zunächst nach Italien unter dem Namen 
eines „Kaufmanns Baräiköv'' und landete am 31. Juli 1769 bei 
SpiS im heutigen Süddalmatien , in Begleitung der russischen 
Generalstabsoffiziere Lecki, Herzdorf und Rosenberg, des 
Kapitäns Plamenac (eines gebomen MontenegrinerB), des Geheim* 
Schreibers Milovski, des Grafen Vojnovid von Herceg Novi 
(damals noch venezianischer Bürger, später Vizeadmiral der russi- 
schen Kaspi-Meer-Flotte) ^), 2 Gardeunteroffiziere, 2 Diener und 
26 in Italien angeworbener Serben. Außerdem schiffte Dolgoruki 
Schießbedarf, Tuch, Medaillen und Geld aus, womit die Montene- 
griner beschenkt werden sollten. 

Natürlich blieb dies den stets wachsamen Venezianern nicht 
verborgen und ihr Proweditore Cigogna von Cattaro berichtete 
darüber an den Dogen am 16. August wie folgt: 

„Am II. August (nämlich 31. Juli a. St.) schifften sich 
in Spizza etliche Fremde aus, welche sich Russen nannten 
und eine ungeheure Menge Gepäck mit sich schleppten: Pulver, 



1) Sem Nachkomme war Befehlshaber eines der 26 Dreimaster meines 
Vaters zur Zeit des Krimkriegs, und jenes Sohn traf ich 1888 als k. k. 
Generalkonsul in Salonik. 



BnBland bittet neuerdings um montenegrinische Unterstützung. 287 

Blei und Geldsäcke. Es müssen etwa 100 Pulverfässer und 100 
Maultierladungen Blei gewesen sein. Am selben Tag stiegen etwa 
600 Montenegriner von ihren Bergen zum Strand herunter mit 
zahlreichen Saumtieren , welche das Pulver , Blei und sonstiges 
fortfahrten.'' 

Fürst Dolgoruki ritt nun mit den Montenegrinern nach 
Cetinje, wo er am 16. August (n. St.) ^) ankam und von den 
bereits benachrichtigten und dort versammelten Montenegrinern 
mit stürmischem Jubel und Freude begrüßt wurde. 

Am folgenden Tag (es war eben ,, Christi Verklärung'') 
verlas Dolgoruki dem versammelten Volke einen Aufruf der russi- 
schen Kaiserin, den Andrid S. 50 — 53 im Wortlaut wiedergibt und 
dessen bemerkenswerteste Stellen folgende sind: 

,, Rechtgläubige griechische und slavische Völker! Stellet wie- 
der die gestürzte Kirche Christi für euch und euere Nachkommen 
her, und stellt sie auf feste Qrundlage für die Folge außer Gefahr; 
rettet die Überreste der alten und kostbaren Freiheit, erhebet die 
erstere auf die höchste Stufe, und erweitert selbe, wie es sich ftir 
alte Krieger und Wohltäter aus dem besseren Teile der ehemaligen 
Welt ziemt, von welcher ihr alle abstammt, und welcher ihr in 
der Sprache und Tapferkeit gleichet. Jetzt habt ihr eine bequeme 
Gelegenheit, die ihr vielleicht, gegenwärtig unbenutzt lassend, künftig- 
hin nie mehr haben werdet, um die erhabenen Gegenstände eurer 
Wohlfahrt und Sicherheit, unter dem Schutze Unserer Waffen in 
euren Wohnungen zu erhalten. — — — — 

„Außer dem, daß die Zahl der Christen am Festland und auf 
den Inseln des Archipels unvergleichlich größer ist als jene der 
Ungläubigen, daß sie insgesamt freudig und mit Eifer sich eurem 
Aufstande ohne Zweifel anschließen, und eure Kräfte sehr ver- 
stärken werden, versprechen Wir euch pflichtmäßig jede 



1) Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, daß ich bei den Daten 
mich stets an die von unseren Geschichtschreibem angefahrten Daten des 
alten Kalenders gehalten hahe, welcher im 18. Jahrhundert gegen den 
neuen um 11 Tage zurück ist, im 17. um 10, im 16. um 9, im 15« um 8, 
im 14. um 7, im 13* um 6, im 12. um 6, im 11« um 4, im 10« um 3, im 
9. um 2 und im 8. um 1 Tag. Folgerichtig also im 19. um 12 und gegen- 
wärtig um 13 Tage. 

16* 



S88 Siebenter Zeitraum. 

mögliche Unterstützung und Hilfe, und bestimmen 
euch einen bedeutenden, erfahrenen und un erschrecke- - 
nen Führer, der mehrere Unteranführer haben wird, 
und sich durch Glauben an Gott und den Dienst in der recht- 
gläubigen Kirche auszeichnet ^). 

„Im übrigen geben Wir euch auf die kräftigste und feier- 
lichste Weise Hoffnung, daß von nun an für immer Ich euch für 
treue und aufrichtige Freunde Unseres Reiches anerkennen werde, 
die da in gegenwärtigem Kriege zu eigenem Vorteil, zu eigener 
Freiheit und rücksichtlich der allgemeinen Wohlfahrt mit uns halten 
werden, und daß Wir für solche wirkliche Teilnahme 
bei der Wiederherstellung des Friedens diese Völker 
nicht ausschließen werden von dem Vertrage, daß sie 
•eine genügende Sicherheit und sonstige Vorteile, 
dann volle Religionsfreiheit erhalten. 

„Die Heiligkeit Unseres kaiserlichen Wortes, womit Wir diese 
Hoffnung aussprechen, kann allen rechtgläubigen, griechischen und 
slavischen Völkern als ein treues und festes Pfand der Erfüllung 
dienen, und wird zu keiner Zeit die geringste Ausnahme oder 
einen Doppelsinn enthalten. 

„So geschehen in Unserer Residenzstadt St. Petersburg den 
29. Jänner im Jahre 1769 nach der Geburt Christi, Unserer Re- 
gierung im siebenten Jahre. 

„Nach Ihrer k. Majestät allergnädigstem Ukäz 

Graf N. Pinin m. p. 
Fürst Aleksandr Galicin m. p.^' 

Nach der eigenen Behauptung des Fürsten Dolgoruki (in 
seinen Denkwürdigkeiten) hätten die Montenegriner noch in dieser 
Nacht und am folgenden Morgen der Kaiserin von Rußland Treue 
geschworen und versprochen, jederzeit für die Religion ihr Blut 
zu vergießen, vorausgesetzt, daß sie die nötigen Kriegsmittel (Geld 
und Scbießbedarf) erhielten. 

Als die Montenegriner soweit waren, ging Dolgoruki einen 
Schritt weiter und verlas am nächsten Morgen ein zweites Schreiben 



1) Besser wäre es freilich gewesen, wenn er sich durch militärische 
Fähigkeiten ausgezeichnet hätte! S. G. 



Rafiland bittet neaerdings um montenegrinische Unterstützung. 2S9 

der Kaiserin, in welchem sie den Sdepan Mali ftlr einen Betrüger 
erklärte, den man nicht als Kaiser anerkennen sollte. Die Glavari 
versprachen Stefan zu verlassen (der damals noch immer in Gra- 
gjani weilte) und künftig nur immer den Befehlen des Fürsten 
Dolgoruki zu gehorchen. Darüber höchst erfreut, verteilte Dol- 
goruki Dukaten unter dem Volk und dieses verbrachte die Nacht 
in Schwelgereien. 

Am folgenden Morgen, während der Fürst noch über den 
glücklichen Erfolg seiner Sendung und den Gehorsam des ein- 
fachen, unwissenden Volkes befriedigt lächelnd sein Frühstück 
einnahm, vernahm er Freudenschüsse auf dem Berg Zagrablje, und 
als er zum Fenster hinaussah, wurde ihm ein Anblick, auf den 
er nicht gefaßt war: vom Berge herab ritt Söepan Mali, um- 
geben von einigen Montenegrinern und gerade auf das Kloster zu, 
vor dem die Glavari versammelt waren. Diese griffen beim 
Anblick des Abenteurers zu den Waffen, um ihn — mit Freuden- 
schüssen zu begrüßen, laut rufend: „Wir Glücklichen I Hier 
kommt unser Fürst!'' Dann umringten sie Stefan und führten 
ihn im Triumph zu Dolgoruki. 

Dieser war erst sprachlos und konnte den Umschlag in der 
Gesinnung der Glavari nicht begreifen. Aber dann brach er in 
Zorn aus und fuhr Stefan an, noch mehr aber die Glavari, die er 
der Treulosigkeit beschuldigte, sagend, gestern erst hätten sie der 
Kaiserin Jekaterina Treue geschworen und heute schon erkennten 
sie wieder diesen Betrüger als deren Gatten an! 

Erstaunt fragte ein Montenegriner: 

„Wie? Ist denn das nicht der Kaiser von Rußland?'' 

„Gerade dies ist ja seine Schuld", brüllte der Fürst zurück, 
„daß er einen so geheiligten Namen fUr sich in Anspruch nimmt!" 

Dann wandte er sich gegen Söepan Mali und fuhr ihn an: 
„Gestehe in Gegenwart aller, daß du kein Busse bist und Rußland 
nie gesehen hast!" 

Hätte nun §<5epan Mali die Dreistigkeit unserer modernen 
Hochstapler besessen, so wäre es ihm ein leichtes gewesen, mit 
gutgespielter Hoheit und Würde zu erklären, daß er der Kaiser 
Peter sei, jedoch der Fürst so reden müsse, weil er doch eben 
von seiner Gattin Katharina abgesandt sei, die ihn ja habe ermorden 



lassen wollen, weshalb er sich tot ihren Kachstdliingen sa den 
braven Monten^rinem geflachtet habe. Es unterliegt dann keinem 
Zweirely daA die einfiudien Montenegriner ihm unbedingt Glauben 
geschenkt hätten, und es war ihm dann leicht, den Fürsten ver- 
hafien und ftber die Grenze bringen su lassen. * 

Aber Söepan Mali ließ sich von dem Forsten einschfichtem, 
denn in ihm steckte doch noch immer heimlich die Hochachtung, 
welche damals jeder Bauer vor dem Hochadel hatte. Und so 
wurde er Terwirrt und stotterte nur, daß er selbst eigentlich nie 
gesagt habe, daß er der Kaiser seL 

Als dies einige Glavari horten, die er Tordem bestraft hatte, 
benutzten sie es, ihr Mütchen zu kühlen, indem sie riefen, man 
müsse den Betrüger töten. Aber Dolgoruki war menschlicher; 
er begnügte sich, Stefan zu entwaffnen und in ein Zimmer zu 
sperren. 

Was nun folgte, schildert Lenormant folgendermaßen (wahr- 
scheinlich nach Cyprien Robert): 

„Der russische (Gesandte hatte Stefan in einem Zimmer ein. 
gesperrt, das oberhalb seines eigenen lag. Der schlaue Ste£ui 
steckte nun plötzlich seinen Kopf zum Fenster hinaus und rief 
den draußen stehenden Glavari zu: 

„ySeht ihr, daß mich der Fürst selbst als seinen Vorgesetzten 
anerkennt, indem er es nicht gewagt hat, mich unter sich ein- 
zuquartieren, sondern mir das Zimmer über ihm anwies! Das 
ist der beste Beweis dafür, daß ich wirklich der Car bin, was 
immer er sagen möge. Gefährten, wollt ihr mich in den Händen 
meiner Feinde lassen, die mich töten wollen, so wie sie schon 
früher versucht hatten mich zu ermorden?' 

„Diese Worte überzeugten vollständig die einfachen Cmogorcen; 
zu ihrem früheren Glauben an ihn zurückkehrend, stürzten sie 
sich auf das Haus, befreiten ihn und führten ihn im Triumph 
unter begeisterten Zurufen fort 

„Was den Fürsten betrifft^ so mußte er noch am selben Tag 
das Land verlassen und zwar schneller, als er gekommen war/' 

In dieser Form kann die Darstellung aber kaum richtig 
sein^ denn sie stimmt mit anderen Quellen nicht überein. Daß 
der Fürst selbst in seinen Denkwürdigkeiten nichts davon erwähnt. 



RnBland bittet neuerdings am montenegrinische Unterstützung. 8Si 

wäre noch kein Beweis, denn er mochte das, was ihm nicht paßte, 
verschwiegen haben. Aber aus der nachstehenden Darstellung des 
Milakovid wird der Leser selbst beurteilen können, wer mehr 
Glauben verdient. Milakovid schildert den Hergang nämlich so: 

„Die intelligentesten Glavari beweinten Sdepan Mali und 
fürchteten für sein Leben. Sie urteilten folgendermaßen: Dolgo- 
ruki ist ein Mann von Geist, aber heute oder morgen wird er uns 
verlassen, und was der Vladika Sava ist, das wissen wir: ein 
Mensch, der zu nichts fähig ist Wenn wir nun den Sdepan ver- 
lieren, so bleiben wir ganz ohne Haupt, die Zwistigkeiten werden 
wieder beginnen, abermals wird Bruderblut vergossen werden und 
damit besorgen wir nur die Geschäfte der Türken, die unseren 
Untergang wollen und die uns deshalb am liebsten in voller Uneinig- 
keit sähen. Wer immer auch Söepan sei, er hat es ver- 
standen bei uns Frieden und Eintracht herzustellen, 
und er paßt uns besser als irgendein anderer. Er vermag 
die Unschuldigen und Schwachen zu beschützen und die Schuldigen 
zu bestrafen. Solange solche Ordnung bei uns herrscht und wir 
unsere Felsen behalten, kann der Feind wohl zu uns ins Land 
kommen und unsere Häuser verbrennen, aber niemals uns unter- 
jochen, noch im Lande bleiben. 

„Nachdem sich Dolgoruki des Gehorsams der Glavari gegen 
seine Befehle versichert hatte, verteilte er 400 Dukaten und Schieß- 
bedarf unter sie und entließ sie mit der Mahnung, seiner Befehle 
gewärtig zu sein, namentlich aber keine Gelegenheit zu verabsäumen, 
die Türken an den Grenzen anzugreifen. 

„Bei der erwähnten Skupätina in Cetinje war auch der ser- 
bische Patriarch zugegen, dem Dolgoruki große Ehre erwies. 
Der Vladika aber war in Stanjevid, wo er sich krank stellte. 

„Als die Türken der Grenzgebiete von all dem Kunde erhielten, 
rüsteten sie sich ftbr den Krieg, was aber die Montenegriner nicht 
hinderte, Strei&üge in das türkische Gebiet zu machen, von denen 
sie mit reicher Beute heimzukehren pflegten. Dolgoruki, damit 
zufrieden, schenkte jedem Bezirke 100 Dukaten. 

„Mittlerweile waren es schon drei Monate, seit sich der Fürst 
in Montenegro befand, und die von ihm angekündigte und sehn- 
süchtig erwartete russische Flotte erschien noch immer nicht Das 



2S8 Siebentar Zeitraum. 

störte seine Pläne, aber schließlich tröstete er sich damit, daß er 
doch die Hauptsache erreicht hatte: die Türken waren so beon- 
ruhigt, daß sie es nicht wagten, ans Albanien oder Bosnien Trappen 
zu ziehen, um sie gegen Rußland zu verwenden. 

„Der Winter nahte heran und der Fürst mußte an Abreise 
denken. Zu diesem Zweck sandte er den Grafen Vojnoviö nach 
den Bocche, um daselbst heimlich ein Schiff zu mieten, dann entließ 
er S<5epan Mali aus der Haft, gab ihm ein russisches Stabsofiiziers. 
patent, einen Säbel und die dazu gehörige Galauniform, femer 
alles, was noch an Pulver, Blei, Tuch und Geld vorrätig war, und 
erließ eine Kundmachung, in welcher er §<5epan Mali als Regenten 
von Montenegro bestätigte. Bei Einbruch der Nacht des 
13. Oktober reiste der Fürst in Begleitung des serbischen Patri- 
archen und Söepan Malis nach Grbalj in den Bocche, wo sie des 
Nachts ankamen und sich bei Jaz auf dem bereit liegenden Schiffe 
bei Tagesanbruch nach Rußland einschifften. Nur Stefan kehrte 
nach Montenegro zurück ^)." 

30. Ende der Regierung des Scepan Mali. 

(1770—1774.) 

Nach des Fibrsten Abreise übernahm wieder §<Sepan Mali die 
Regierung, und zwar insofern unter besseren Umständen, als er 
mit besseren Mitteln versehen war. Weil die Fußpfade in Mon- 
tenegro damals geradeso scheußlich waren wie noch heutzutage, 
ließ Stefan die wichtigsten, nämlich jene, welche nach den Märkten 
f&hrten, ausbessern. Als er zu diesem Zwecke im Juni 1771 eine 
Mine anzündete, um von Cetinje nach der Crmniöka einen besseren 
Weg herzustellen, kam er unvorsichtigerweise zu nahe und erlitt 
62 Wunden. Wenn es wahr ist, was Milutinovic erzählt, daß 



1) Voltaire, welcher empört war, dafi Katharina nicht allgemeine 
Unterstützung bei ihrem Vorgehen gegen die Tarken fand, äußerte seine 
Entrüstung darüber und meinte, außer dem Ameisenhaufen der Handvoll 
tapferer Montenegriner gäbe es kein Volk, das der großen Kaiserin helfe, 
nachdem das Vaterland des Themistokles und Milüades, ihre Adler aus der 
Feme sehend, nur an den Ketten gerüttelt habe, ohne sie zu zerbrechen. 
Somit war also Montenegro auch in Frankreich bekannt geworden. 



Ende der Regierung des Söepan Mali. 8SS 

die Leute, welche Sdepan Mali auf eine Tragbahre legten, um ihn 
nach dem Kloster Bröela zu schaffen, berichteten, er habe wäh- 
rend des Tragens ruhig gesungen, so kann er nicht so feig ge- 
wesen sein, wie andere aus seinem Verhalten während des Feld- 
zugs von 1768 folgern. Nach dem venezianischen Berichte heilten 
wohl seine Wunden schnell, aber er blieb auf einem Auge blind 
und ein Arm sowie beide Beine unbrauchbar. (Nach anderen 
wäre er ganz erblindet.) 

Als die Ragusäer von §<Sepan Malis Unglück hörten, beeilten 
sie sich, ihm als Geschenk viel Kaffee, Zucker, Wachskerzen, 
Rosolio, Backwerk und ein goldgesticktes Kleid zu senden, 
nebst einer Sänfte, die allein auf 60 Dukaten geschätzt wurde. 
Die Veranlassung zu dieser liebenswürdigen Aufmerksamkeit war 
aber eine besondere. Der nissische Admiral Fürst Arlöv, 
welcher 1770 mit seiner Flotte die türkische bei Öesmä ver- 
nichtet und dann die griechischen Inseln blockiert und zum Auf- 
stand gebracht hatte, war über die Ragusäer so zornig geworden, 
daß er ihnen in Livomo (wohin sie ihm ihre Gesandten geschickt 
hatten) gedroht hatte, er werde mit seiner Flotte kommen und 
Ragusa zerstören. Nachdem er nun zur selben Zeit sich den Spaß 
gemacht hatte, eine noch dienstfähige Fregatte im Hafen von 
Livomo in die Luft zu sprengen, bloß um einem Maler, der ein 
Bild der Seeschlacht von Oesmä zu malen hatte, Gelegenheit zu 
geben, zu sehen, wie ein in die Luft fliegendes und dann ver- 
brennendes Kriegsschiff aussehe, war ihm jede Torheit zuzumuten. 
Deshalb wollten die Ragusäer die Vermittlung Sdepan Malis er- 
langen, der ja mit den Russen jetzt sehr gut stand. 

Sdepan Mali reiste also von nun an in seiner Sänfte, so wie 
früher die römischen Diktatoren auf ihrem Triumphstuhl. 

Seine Erüppelhaftigkeit verhinderte §<5epan Mali, das Land 
so zu bereisen und zu untersuchen, wie er es gewünscht hätte. 
Deshalb errichtete er noch 1771 einen aus den zwölf vornehmsten 
Personen bestehenden Gerichtshof. Einige der Richter wohnten 
bei ihm in der Crmniöka, welche den angenehmsten Teil Monte- 
negros bildet und an Süditalien erinnert Alle Streitigkeiten wurden 
daselbst geschlichtet, während andere Richter das Land durch, 
streiften, um nach dem Rechten zu sehen. Um die Türken in 



■ ■ jw — '^SLi.^^^a^^BaaBgwi^^i^i^— g^wp^p^— p^^i^^^^F^ 



8S4 Siebenter Zeitraum. 

Schach zu halten, auf daß sie nicht ihre Trappen entfernten und 
gegen Rußland verwendeten ; ließ er aussprengen, daß demnächst 
ein starkes russisches Heer knden und mit den Montenegrinern 
zusammen g^en die Türken kämpfen werde. Und um die Sache 
wahrscheinh'cher erscheinen zu lassen, ordnete er noch 1771 an, 
daß in Vir, der Hauptstadt der Crmniöka, ein großes Gebäude 
erbaut wurde, in welchem die russischen Offiziere wohnen sollten. 

Auf diese Art regierte Stefan weise bis 1774, beständig die 
Türken in Schach haltend, so daß sie weder wagten, in Montenegro 
einzufallen, noch ihre Truppen von der Grenze zu entfernen. 

Bis hierher bin ich den Angaben des Milakovid gefolgt 
Nun will ich mitteilen, was die albanesischen Quellen über 
das Ende des ädepan Mali zu berichten wissen. 

Nach dem Tode seines Vaters Mehemed Paää und seines 
Bruders war Karä Mahmud Paää von Skodra geworden. (Siehe 
S. 224.) Gehorsamer als Mehemed Paää, begab sich Karä Mah- 
mud Paää nach Aufforderung der Pforte im Jahre 1770 mit 
20000 Albanesen nach Griechenland, um den daselbst infolge des 
russischen Krieges ausgebrochenen Aufstand niederzuwerfen. -Er 
entledigte sich auch dieser Aufgabe mit Grausamkeit und Strenge. 

Nach Skodra zurückgekehrt, sann er darauf, fUr 1768 Rache 
an den Montenegrinern zu nehmen. Zu diesem Zwecke ließ er 
dem damaligen Regenten derselben, Söepan Mali, durch dessen be- 
stochenen Diener Paljikarda^) während des Rasierens den Hals 
abschneiden (Mai 1774). Dann dachte er die Bestürzung der Mon- 
tenegriner zu einem Angriff auf Kuöi zu benutzen. Er rückte 
daher schneU mit 30000 Mann vor, allein er konnte nur einige 
Dörfer verbrennen und Herden stehlen, dann wurde er mit Ver- 
lust von 1000 Mann zurückgeschlagen. 

Medakoviö, welcher überhaupt wenig über Sdepan Mali 
sagt, behauptet, dieser sei von seinem Diener mit der Axt er- 
schlagen worden. 

Andrid erzählt, er sei vom Diener des Nachts abgeschlachtet 
und in der Klosterkirche S. Nikola (wohl in BrSela?) begraben 
worden. Der Mörder sei über Seoce nach Skodra entflohen. 



1) Durfte wohl richtiger Palikaris geheißen haben. 



Ende der Regierang des ^pan Mali. 8S5 

Earad2id schreibt: ,,Bei einer guten Gelegenheit schnitt der 
Diener dem blinden Stefan im Schlafe den Hals ab, versperrte das 
Zimmer und sagte den Leuten, sie möchten keinen Lärm machen 
und nicht ins Zimmer gehen, bis er zurückkomme, weil sein 
Herr etwas auf die Augen gelegt habe und der Ruhe bedürfe. 
Als er aber nach mehreren Stunden nicht zurückkehrte, wurde 
das Zimmer aufgesprengt und Sdepan Mali in seinem Blut schwim- 
mend im Bette tot gefunden.'^ 

Milakovid endlich gibt an: „Im Mai 1774 wurde Stefan 
nächtlicherweile von einem Griechen ermordet, der in seinem 
Dienste stand und durch Mehemed Pasä (soll heißen Eara Mah- 
mud) BuSatlija durch Geld zu diesem Verbrechen angestiftet wor- 
den war." 

So endete also dieser merkwürdige Mensch, welcher, obgleich 
eigentlich von Haus aus ein Schwindler, dennoch sich um Mon- 
tenegro so große Verdienste erworben hat, daß es mich nicht 
wundem sollte, wenn ihm einmal ein späteres Geschlecht dort ein 
Denkmal setzen würde. Denn ohne ihn wäre damals Montenegro 
verloren gewesen, weil nur die Begeisterung für den „russischen 
Kaiser" imstande war, die Montenegriner zu einigen und ihnen 
solche Ehrfurcht einzuflößen, daß sie den strengen Befehlen des 
Abenteurers Gehorsam leisteten. Diese strengen Befehle aber waren 
es gerade, welche dem Lande Heil brachten, denn allen Nach- 
richten zufolge war Sdepan Mali ebenso gerecht und rechtlich wie 
klug. Er war es, welcher zuerst an kulturelle Einrichtungen 
dachte und sich bemühte, solche einzuführen, so gut es seine be- 
scheidenen Mittel erlaubten. Ihm ist es zu danken, daß aus dem 
Räuberlande Montenegro ein Staat wurde, in dem Diebstahl und 
Mord unbekannt blieben. Hätte er nicht sein Augenlicht verloren 
und länger gelebt, namentlich aber die nötigen Geldmittel gehabt, 
so wäre es ihm wohl damals schon gelungen, aus Montenegro 
einen geordneten Staat zu machen. Darum erscheint er in der 
Geschichte als der einzige Betrüger, welcher Achtung und Be- 
wunderung verdient 

Über sein Äußeres schreibt Andrid: 

„Dieser wunderbare Mensch war mittlerer Statur, von schönem 
Wüchse und hübschen Angesichts von brünetter Farbe. Er hatte 



886 Siebenter Zeitraum. 

schwarze Haare^ duukle Augen und einen schwarzen Schnurrbart. 
Er mochte 30 Jahre zählen, als er in Montenegro auftrat. Er war 
ein guter Reiter, man konnte aber nicht bemerken , ob er lesen 
und schreiben konnte ^). Mali sprach Serbisch nach Art der 
Likaner und Dalmatiner ^). Bosnien war ihm gut bekannt; und 
er wußte viele Städte und Dörfer namentlich anzugeben. Seine 
Abkunft konnte man nicht ergründen. Er liebte Spiel; Scherz, 
und Getränke. Er zeigte mehr Leichtsinn und kindische Manieren 
als ernste Festigkeit und einen imponierenden Geist. Von einem 
StaatenbaU; von den Bedürfnissen eines Staates, von einer Politik 
oder der Existenz der Gerechtigkeit (?) und Kraft der Landes- 
gesetze hatte er keine Begriffe, darum hatte er weder nach innen 
noch nach außen einen schriftlichen Verkehr.'^ 

Milakovid hingegen schreibt: 

„Nach venezianischen Berichten soll er dem Fürsten Dolgo- 
ruki eingestanden haben, daß er ein Dalmatiner aus der Familie 
Rajöevid sei. Dolgoruki selbst in seinen Denkwürdigkeiten 
sagt, daß Stefan ein ausgezeichneter und tüchtiger Mann 
war, aus Bosnien gebürtig, und daß der Archimandrit Teodosije 
Markovid ihn dazu angestiftet habe, sich fiir den Kaiser Petar 
auszugeben. Dieser aus Majna gebürtige Archimandrit war eine 
Zeitlang in Rußland gewesen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß 
er im Einverständnis mit angesehenen Glavari Stefan anstiftete^ 
sich für den Caren auszugeben, weil sie die Unfähigkeit des Vla- 
dika Sava kannten ^). 

„Die Behauptung einiger, daß Stefan leichtsinnig, kindisch 
und gewöhnlich gewesen wäre und daß er von Politik nichts ver- 
stand, kann man nur schwer glauben. Wenn Stefan nicht ein* 
sichtsvoller und klüger als die übrigen Montenegriner gewesen 



1) £r schrieb doch Briefe, wie aus Seite 209 hervorgeht! S. G. 

2) Nach Medakoviö wie ein Montenegriner. S. G. 

3) Diese Ansicht hat sehr viel für sich und würde so manches erklären» 
Jedenfalls hatten sich der Archimandrit und seine Hintermänner bereits über-- 
zengt, dafi Söepan Mali ein aufgeweckter Kopf und von sehr gerechtem 
Sinne war, dem sie die Fähigkeit zutrauten, Montenegro aus dem Chaos, in 
das es durch den einfältigen und schwachen Vladika Sava gestürzt worden 
war, herauszuführen. Und darin haben sie sich ja nicht getäuscht. S. G. 



Ende der Regierung des Söepan Mali. 2S7 

wäre, und wenn er es nicht verstanden hätte, zu regieren, so würde 
weder Dolgoruki gerade in seinen Händen alle Regierungsmacht 
gelassen haben, noch auch die Montenegriner selbst — wenig- 
stens nachdem sie erfahren hatten, daß er kein Kaiser war — 
hätten ihn als ihren Fürsten anerkannt. Selbst jene, die ihn als 
«schwach' bezeichnen, können nicht leugnen, daß während seiner 
ganzen Regierung es nicht vorkam, daß jemandem ein 
Stück Vieh gestohlen wurde, also ganz ausgeschlossen, daß 
ärgere Vergehen geduldet worden wären. Dies zu erreichen, und 
zwar bei einem Volke, das stolz und beständig bewaffnet 
ist, wie das montenegrinische, und es ohne Geldmittel zu 
erreichen, das zeigt nicht nur geistige Fähigkeit, sondern auch 
Charakterstärke. Die Venezianer, welche mit ihm zu tun hatten, 
konnten ihn besser beurteilen als irgendein anderer. Und trotz- 
dem sie ihm nicht grün waren, weil er Schuld an ihren Demü- 
tigungen durch die Türken trug, berichteten sie doch von ihm 
an den Senat: 

„,Aus seinen Gesprächen weht inmoter ein Geist des Friedens, 
der Eintracht und Gerechtigkeit; er ist im Verkehr leutselig, seine 
Antworten sind schnell und scharfsinnig, sein Geist immer frisch, 
und er besitzt gute Ansichten über das Regieren eines Landes/ 

„Mit solchen Eigenschaften konnte er also, auch wenn er 
sich nicht für den Caren ausgegeben hätte, leicht die Oberherr- 
schaft über die damaligen einfachen Montenegriner erlangen.'' 

Milakovid, der überhaupt unter allen Quellen mir die 
verläßlichste zu sein scheint, spricht damit nur aus, was ich selbst 
nach allem denke. 

Nach dem Tode des Söepan Mali waren es aber nicht nur 
die Türken allein, die (wie auf S. 234 mitgeteilt) daraus Nutzen 
ziehen wollten. Auch die Venezianer hofften, die aUgemeine Ver- 
wirrung benutzen zu können, um im Trüben zu fischen. 

Im Jahre 1774 näherte sich der venezianische Brigadegeneral 
Rade Maina insgeheim mit 700 Mann dem Kloster Stanjeviö, 
um sich desselben für Venedig zu bemächtigen. Die anwesenden 
Arbeiter verständigten hiervon eiligst den Vladika Sava, und dieser 
sandte seinen Neffen Petar mit einigen Montenegrinern, dem es 
mit Hilfe der Arbeiter gelang, die Venezianer nach Pobori zurück- 



2S8 Siebenter Zeitraom. 

zuschlagen und sie drei Tage lang daselbst eingeschlossen zu halten. 
Hierauf zerstreuten sie sich; und Stanjevid blieb wie zuvor den 
Montenegrinern. 

Am 10. Juli 1774 hatte Rußland den günstigen Frieden von 
Küöük Eajnard 21 (;;Kleine8 Warmbad'') abgeschlossen; in dem 
es aber wieder ganz die Montenegriner vergaß; trotz aU 
der schönen Worte in dem Aufruf der großen Katharina (siehe 
S. 228) und ihre ;; heiligen Kaiserworte''. Wahrscheinlich glaubte 
sie genug getan zu haben ; wenn sie im Friedensvertrag ;; Ver- 
zeihung" f&r alle gegen die Pforte aufständisch gewesenen Griechen 
und Slaven bedang! Als ob die seit jeher unabhängig ge- 
wesenen Montenegriner unter die ,; aufständischen" Slaven zu 
rechnen gewesen wären! Oder glaubte sie mit den lumpigen Ge- 
schenken des Fürsten Dolgoruki den Montenegrinern für ihre wert- 
volle Unterstützung schon genügend Entschädigung gewährt zu 
haben? 



Achter Zeitranm. 

Montenegro unter dem Yladika Fetar I. und 
Albanien unter Eara Mahmud Fasa. 

(1774—1796.) 



31. Montenegro nach S(Sepan MaUs Tod. 

Nach dem Tode des Sdepan Mali war die Regierang zum 
dritten Male an den Vladika Sava gefallen, der doch schon seit 
Jahrzehnten seine gänzliche Unfähigkeit bewiesen hatte. Der ser- 
bische Patriarch Arsen ije Flamen ac soll nach Milutinoviö erst 
nach dem Tode des Sava (1782) gestorben sein, was mit den An- 
gaben von Lenormant (siehe S. 207) nicht stimmt, aber viel- 
leicht richtiger ist. Milakoviö behauptet, daß Sava seinen Groß- 
neffen Petar (welchen wir schon gelegentlich des Todes des Vla- 
dika Vasilije — siehe S. 204 — und dann noch S. 237 er- 
wähnten) noch zu Lebzeiten habe zum Bischof weihen lassen. 
Andrid seinerseits berichtet folgendes: 

„Nach Malis Tode regierten der Erzbischof Sava und sein 
Neffe, der Archimandrit Petar. 

„Im Jahre 1778 fand der erstere es für notwendig, den Archi- 
mandriten Petar, den Guvematur Ivan Radon jiö und den Srdar 
IvanPetrovi(5Njegu§ nach Rußland zu entsenden. Unterwegs 
lernte der Archimandrit Petar den russischen General Zoriö in 
Sklov kennen, einen Serben, der mit dem Staatskanzler Fürsten 
Grigorije Aleksandroviö Patjömkin (Potemkin) gespannt lebte. 
Dieser Umstand und die Kunde, daß der Archimandrit Petar mit 
dem General Zoriö in freundlicher Beziehung gestanden, wirkte 
auf die Entscheidung der nationalen Angelegenheit, wegen welcher 
Petar nach St. Petersburg gegangen, in der Art, daß derselbe nach 



S40 Achter Zeitraum. 

siebenmonatigem vergeblichem Warten , trotz der Versprechungen 
Patjömkins, unverrichteter Sache abziehen maßte ^). 

,,In diesem Jahre sandte der Baron Pinter, kaiserlicher 
Minister während der Regierung Maria Theresias ^ einen gewissen 
Markovid an den Guvernatur Radonjiö nach Montenegro mit der 
Empfehlung, daß der kaiserliche Hof mit Montenegro ein Bündnis 
abzuschließen wünsche. Gelegentlich seiner obigen Reise nach 
Rußland stellte sich Radonjid dem genannten Minister vor, der ihn 
mit großer Freude aufnahm. Er sagte zum Radonjid und dessen 
Gefährten y die Wünsche der Montenegriner schriftlich zu über- 
reichen^ d. i. unter welcher Bedingung die Montenegriner sich mit 
Österreich zu vereinigen wünschten. 

,y Radonjid überreichte nun nachstehende Denkschrift: 

jy 1. Jeder; der ein Feind des kaiserlichen Hofes sei, solle auch 
als Feind der Montenegriner betrachtet werden. 

;;2. Das Volk von Montenegro solle in seiner Unabhängigkeit 
verbleiben und Gerichte und Beamte usw. selbst bestellen und 
ernennen. 

;;3. Die Montenegriner sollten dem kaiserlichen Hofe niemals 
eine Steuer entrichten. 

„4. Wenn das serbische Gebiet von den Türken befreit werden 
sollte, so solle Ober- und Unter-Zeta mit den drei Festungen Pod- 
gorica, Spuz und ^abljak und dem ganzen Gebiete bis zur Mün- 
dung der Bojana den Montenegrinern bleiben ; auch sollten Piperi, 
Brda imd die Hercegovina mit Montenegro vereinigt werden. 

jy 5. Die Montenegriner sollten^ als unabhängig, in ihrem Frei- 
staate in allem Freiheit genießen. 

;,6. Die Montenegriner sollten mit Hilfe Österreichs eigene 
Münzen prägen. 

„7. Der Guvernatur, der Mitropolit, die Srdari, Vojvode und 
Enezovi sollten vom österreichischen Hofe feste Gehalte beziehen. 

„8. Die Montenegriner sollten ein stehendes Heer von 300 Mann 
auf kaiserliche Kosten unterhalten, welche das Volk abzuhalten 
hätten, während des Friedens mit den Türken diese anzugreifen. 



1) Patjömkin (Potemkin) war nämlich ein geschworener Feind der 
Serben. S. G. 



Montenegro nach S^pan Bialis Tod. 841 

„9. So oft der österreichische Hof mit der ottomanischen Pforte 
im Eri^e stehen würdo; solle Se. kaiserliche Majestät Pulver^ Blei 
und Waffen senden; um Osterreich unterstützen zu können. 

;;10. Bei Friedensschlüssen mit der Pforte solle Osterreich 
auch die Montenegriner in den Friedensvertrag aufnehmen. 

;,11. Sollte Österreich mit anderen Staaten Krieg fuhren^ so 
solle es nach Montenegro einen Bevollmächtigten senden , der so 
viel Truppen, als das Land stellen könne, zu übernehmen hätte, 
Jedoch sollten dabei alle Offiziere; vom höchsten bis zu dem ge- 
ringsten, Montenegriner sein, kaiserliche Gehalte beziehen, mit der 
kaiserlichen Truppe nicht vermengt werden, sondern nach ihrer 
Gewohnheit den Feind angreifen. 

„Alle diese Artikel wurden von der Elaiserin bestätigt, und 
die Montenegriner erhielten dabei eine Menge schöner Geschenke. 

„Im Jahre 1780 starb Maria Theresia, und es trat Kaiser 
Josef II. die Regierung an. Einesteils der Wechsel der Re- 
genten, andemteils die einseitige Abschließung des obigen so gün- 
stigen Vertrages von Seiten des Guvernaturs Radonjiö ohne vor- 
heriges Einvernehmen mit der Volksversammlung vereitelten dessen 
Ausführung und Wirkung. 

„Am 10. Juni 1780 wurde in Karlovci Mojsije Putnik zum 
Mitropoliten ^) erwählt und am 29. Juni 1781 installiert. Da nun 
der Vladika Sava im Jahre 1782 mit Tode abging, so drang das 
Volk in den Archimandriten Petar, sich als Erzbischof weihen 
zu lassen. Petar begab sich nach Wien und verlangte vom russi- 
schen Gesandten Galicin einen Paß nach Rußland, um die bischöf- 
liche Weihe dort zu emp&ngen. Da er aber keinen Paß 
«rhielt (!), so wandte er sich an den obenerwähnten Mitropo- 
liten Putnik in gleicher Absicht, und dieser weihte ihn nach bei- 
gebrachter Bewilligung des Kaisers (I) Josef II. am 14. Oktober 
1782 zum Erzbischof ein. Von Karlovci verfögte sich der neue 
Yladika Petar I. nach Wien und bat den österreichischen Hof um 
Beteilung mit Pulver und Blei, indem der rebellische Vezir von 
Scutari Kara Mahmut Buäatlija in seiner Ländergier auch 
Montenegro mit E^rieg zu überziehen drohte. Der österreichische 



1) Soll heißen Patriarchen. S. G. 
Gopöeviö, Montenegro und Albanien. 16 



S4S Achter Zeitraum. 

Hof konnte ihm nur den Ankauf und die Ausfuhr der Kriegs- 
materialien bewilligen. Da aber der Vladika zu diesem Endzwecke 
kein Geld hatte, so begab er sich zum General Zoriö nach Sklov, 
fand sich aber in seiner Erwartung getäuscht und trat nach einigen 
Monaten vergeblichen Wartens ohne Erhalt der angesuchten Geld- 
hilfe über Berlin seine Rückreise nach Montenegro an.'' 

Schon aus dieser Darstellung wird der Leser mit Befremden 
gesehen haben , wie unverschämt sich die russische Regierung 
gegen den geistlichen Regenten Montenegros benahm und wie sie 
in dieser Weise ihren Dank für die vielen Dienste abzahlte, die 
ihr Montenegro bisher erwiesen hatte, so oft sie darum in ihren 
schwülstigen, von frommer Heuchelei und nie gehaltenen Ver- 
sprechungen strotzenden Aufrufen ansuchte. Noch ärger erscheint 
die Sache nach der Darstellung des Milakovid, welche ich nach- 
stehend gebe: 

„Von Earlovci nach Wien zurückkehrend ^), dachte der frisch- 
geweihte Vladika Petar darüber nach, wie er sich Pulver und Blei 
verschaffen könne, weil ihm Nachrichten zugekommen waren, daß 
der Vezir von Albanien, Earä Mahmud Pasä Buäatlija^ 
einen Angriff auf Montenegro plane. 

„Weil er kein Geld zum Ankauf hatte, schrieb er nach Sklov 
an den vornehmen und steinreichen Serben, General Simo Zorid^ 
dessen Bekanntschaft er in Rußland gemacht hatte, teilte ihm seine 
Not mit und die Gefahr, in welcher Montenegro schwebe, und bat 
ihn um Geldunterstützung. Zoriö lud ihn nach Sklov ein, wo er 
ihm nach Möglichkeit helfen werde. Freudig erregt eilte der Via- 
dika nach gklov, wo er aber nach mehrmonatigem Warten gar 
nichts erlangte (ein netter , Patriot' das, dieser ,vomehme^ 
und , steinreiche' Serbe! S. G.), weshalb er nach St Petersburg 
reiste, in der sicheren Hoffnung, von der glorreichen Kaiserin 
Katharina Hilfe zu erlangen. Unglücklicherweise erlangte er 
nicht nur nichts, sondern die Reise trug ihm nur neue Demü- 
tigungen ein. Auf Befehl des kaiserlichen Liebhabers Fürsten 



1) Nach Lenormant wurde Petar von Maria Theresia mit Ehrea 
empfangen und reich beschenkt, doch wirft jener beide Reisen des Vladika. 
durcheinander und bringt dadurch alles in Verwirrung. 



Montenegro nach S6epan Malis Tod. 34S 

Patjomkin^ der wegen seines Privatzwists mit Zoriö alle Serben 
mit seinem Haß beehrte^ wurde der R^ent von Montenegro 
binnen 24 Stunden und auf ewige Zeiten ausgewiesen! 
(So löste Jekaterina II. ihr ^kaiserliches Wort' von 1769 ein! 
Und diese Ohrfeige versetzte man dem ganzen montenegrinischen 
Volke als Lohn für das vergossene Blut und ftir all das Elend, 
welches der blinde Gehorsam gegen die verräterischen russischen 
Regierungen über Montenegro gebracht hatte! S. G.) 

;, Damals befand sich in St. Petersburg auch der katholische 
Priester Don Francesco Dolci (ein gebürtiger Ragusäer i) und 
Bruder des gelehrten Franziskaners Fra Sebastiano Dolci 
Slade); welcher den Vladika als Geheimschreiber begleitet hatte 
und später durch seine Fähigkeiten und durch sein Unglück bekannt 
wurde. Diesem schlug Patjomkin vor, er solle in Rußland bleiben; 
wo er mit seinen großen Fähigkeiten sein Glück machen würde. 
Worauf Dolci lebhaft antwortete: ,Sie wollen mein Glück machen? 
Gut ! Helfen Sie dem Vladika, und mein Glück ist vollauf gemacht ! ' 
Patjomkin gab keine Antwort, sondern drehte ihm den Rücken.'^ 

Dem berüchtigten „Dank vom Hause Österreich'' kommt der 
,,Dank vom Hause Rußland'' gleich! 

Was Medakoviö über die russische Reise sagt, ist sehr aus- 
führlich, aber es macht den Eindruck eines Phantasiegebildes. 

Er erzählt zunächst umständlich, wie Petar sich, von den 
Montenegrinern begleitet, in Rotor einschiffte und nach Syrmien 
begab, wo jedoch nahe Karlovci der Wagen umwarf und er sich 
den rechten Arm brach, dessen Heilimg sechs Monate ge- 
braucht hätte (?!!); und daß bis dahin Petar von seiner Weihe 
nichts wissen wollte, weil er mit einem steifen Arm nicht hätte — 
segnen können! Dann, nachdem er am 14. Oktober endlich ge- 
weiht worden war, habe er sich nach Wien und von dort über 
Deutschland nach Rußland begeben. Als er da auf der Reise 
sich Sklov näherte, habe der Generalleutnant Zorid von seinem An- 
nahen erfahren, habe ihm einen Wagen entgegengeschickt und sei ihm 



1) Leoormant sagt, er hätte ursprünglich Dubrosteviö geheißen 
und „Abb^ Dolci" wäre nur sein Name als Gelehrter gewesen. Mit dem 
Vladika wäre auch Graf Ivanoviö aus Badva ausgewiesen worden. 

16* 



S44 Achter Zdiraom. 

zu Pferd entgegengeritteii; um ihn einzuladen^ er möge bei ihm ab- 
steigen. Dann habe er seinem Bruder in St Petersburg geschrieben, 
er solle für 30 000 Rubel Möbel anschaffen, um eine des 
Vladika würdige Wohnung herzurichten. Letzterem habe er aber 
davon nichts gesagt, sondern ihn zurückzuhalten gesucht, bis er 
vom Bruder Nachricht erhalten hätte, daß alles bereit sei. Als dies 
dann geschehen war, ließ er den Vladika Weiterreisen, welcher vom 
Bruder des Zorid in St. Petersburg glänzend empfangen und be- 
herbergt wurde. Aber Zorid habe nicht gewußt, in welcliem 
Zustand sich Petar befinde, sonst hätte er wohl die 30000 
Rubel für Landeszwecke gegeben und dies hätte sonst auch 
Petar ihm sicher vorgeschlagen. 

(Da muß man doch sagen, daß die ganze Darstellung sehr 
naiv ist, denn es ist ganz und gar unmöglich, daß während des 
mehrmonatigen Aufenthalts des Vladika in §klov die traurige 
Lage Montenegros, wegen deren doch die ganze Reise 
unternommen wurde, nicht besprochen worden sein sollte! 
Und gleich 30000 Rubel! Wo sonst die Monten^riner von Ruß- 
land an Almosen von ein paar tausend Rubel gewohnt waren 
und der Vladika persönlich so einfach lebte und reiste!) 

Medakoviö erzählt dann weiter, daß Patjomkin, hörend, der 
Vladika sei bei Zorid gewesen, seine Ausweisung anordnete und 
die Polizei zum Vladika kam, kaum daß dieser seine Kleider 
bereit hatte und ihn ohne Paß auswies, wobei ihn ein Polizei- 
offizier begleitete, damit er sich nicht wieder bei Zorid aufhalte. 
Andern Tags hätte jedoch Patjomkin den zurückgelassenen Ge- 
heimschreiber mit dem Paß nachgeschickt. Jekaterina hätte 
dann erfahren, was vorgefallen war, und sich auf Patjomkin 
erzürnt und sofort einen Obersten dem Vladika nach- 
geschickt, um ihn zur Rückkehr einzuladen, weil diese Be- 
leidigung ihm ohne ihr Zutun und Wissen zugefügt worden sei. 
Petar habe aber stolz geantwortet, er danke wohl der Kaiserin 
für ihre Einladung, aber nie in seinem Leben werde er 
wieder Rußland betreten, obgleich seine Liebe für das 
glaubens- und stammverwandte russische Volk niemals in seinem 
Herzen sterben würde. Damit mußte der Oberst, daesihmnicht 
gelang, den Vladika umzustimmen, umkehren. 



Karä Biahmiid BaSatlija PaSäs erste Regierungsjahre. 845 

Auch diese DarBtellung klingt höchst unglaubwürdige denn 
erstens wäre der Vladika, wenn er schon selbst^ wie er sagte, 
die persönliche Beleidigung verziehen hatte, sicher im Interesse 
seines Landes mit Freuden zurückgekehrt; weil er dann 
bestimmt darauf rechnen konnte, glänzende Genugtuung 
und Unterstützung zu finden, und zweitens entspricht es 
durchaus nicht dem Verhalten Jekaterinas gegen ihren Geliebten 
Patjomkin, daß sie sich mit diesem wegen des Vladika überwerfen 
hätte. Am allerwenigsten hätte sie überhaupt etwas von Patjom- 
kins Vorgehen erfahren und vermutlich wußte sie auch später 
nichts davon. 

Dann erzählt noch Medakovid, wie Petar abermals durch 
Deutschland nach Triest gereist sei, wo er vom Einfall Mah- 
mud Paääs Kunde erhielt, sich erst darüber näher erkundigte 
und im Februar 1786 einschiffte. 



32. Karä Mahmud Buiatlija PaSäs erste Regierungs- 
jahre. (1770—1787.) 

Der Vezir von Albanien, dessen wir auf Seite 234 Erwähnung 
getan, hatte den Montenegrinern, von deren altem Fürstengeschlecht 
er doch abstammte, Rache geschworen — was schließlich nicht 
verwundern kann, denn die Abtrünnigen sind immer haßerfüllter 
als natürliche Feinde und darum um so verächtlicher. Man kann 
sich in der Tat nichts Verächtlicheres denken, als einen Mann, 
der als Todfeind seines eigenen Volkes auftritt und gegen jene 
wütet, von denen er, seinem Namen nach, offensichtlich abstammt. 
Ich habe daher auch nie jene Leute mit deutschen Namen be- 
greifen können, welche Führer antideutscher Völkerschaften 
waren, oder jene mit slavischen Namen, die sich als Führer 
der Deutschen, Magyaren oder Italiener gegen die Slaven 
kehrten. Es gleicht dies dem Vogel, der sein eigenes Nest 
besudelt. 

Karä Mahm&d war Zeuge der fürchterlichen Niederlagen 
gewesen, welche sein Vater 1768 und er selbst 1774 in Monte- 
negro erlitten hatten. Als er daher erfuhr, daß der Vladika Sava 
tot sei und sein Nachfolger Petar so lange Zeit außer Landes 



246 Achter Zeitraum. 

weilte und unterdessen in Montenegro alles drunter und drüber 
ging, weil kein Söepan Mali mehr da war, der durch sein Auf- 
treten die inneren Zwistigkeiten verhindert hätte, da hielt er den 
Augenblick für günstig, nicht nur Rache zu nehmen, sondern auch 
vielleicht Montenegro ganz zu unterwerfen. 

Mit 45000 Mann drang er im Mai 1785 plötzlich in Monte- 
negro ein, wo die einzelnen Stämme unter sich beinahe im Bürger- 
krieg begriffen waren. Im Juni fanden noch viele Kämpfe in 
den Nahijen RijeCka und Ljeäanska statt, ein Beweis, daß es 
noch immer Montenegriner gab, die hartnäckigen Widerstand 
leisteten. Erst im Juli fanden sich drei oder vier Glavari aus 
Bajce, welche verräterisch genug waren, die Türken nach Cetinje 
zu fuhren, wo sie auf der Ebene ihr Lager aufschlugen, nachdem 
sie das Kloster ausgeplündert und dann verbrannt hatten. 

Hierauf brandschatzte und verheerte Kari Mahmud Öevo, 
Velestovo, Bjelice, Öekliöi, Bjeloä und Njeguä, welch letzten Stamm 
er zwang, ihm 1700 Dukaten zu zahlen. Von seinen Erfolgen 
gab er den Venezianern höhnend Kunde und diese waren so er- 
bärmlich, sich nicht zu entblöden, — ihm dafür noch zu danken 
und ihn zu beglückwünschen!!! Ja, nicht nur das — der 
venezianische Provveditore von Cattaro sandte den Türken sogar 
Lebensmittel nach Cetinje, damit sie dort länger bleiben 
könnten! 

Aber die Venezianer erhielten einen gebührenden Lohn fUr 
solche verächtliche Elriecherei! Karä Mahmud, der sie natürlich 
tief verachten mußte, trieb den Hohn so weit, daß er seinen Rück- 
zug aus Montenegro nicht über montenegrinisches Gebiet nahm, 
sondern über — venezianisches, indem er dabei durch Brai<5i 
und Pa^troviöi zog, die venezianischen Dörfer plündernd 
und die Bewohner drangsalierend, worauf er beutebeladen 
nach Skodra zurückkehrte. 

Die Signoria war schon so herabgekommen, daß sie es nicht 
wagte, dafür Genugtuung zu verlangen. Weil sie sich aber heim- 
lich bei der Pforte beklagte, benutzte diese die Angelegenheit 
als willkommenen Vorwand, sich des übermächtigen Satrapen zu 
entledigen. Das anrückende kaiserliche Heer wurde jedoch von 
Karä Mahm&ds Verbündeten, Bateli von Debar und Stanisa 



Kari Mahmud Bniatlija FMs erste RegienmgBJahre. t47 

von Bosnien; so lange aufgehalten, bis der Pa9ä mit seinen Alba- 
nesen herbeigeeilt war, worauf das kaiserliche Heer aufgerieben 
wurde. 

Da sich mit Gewalt nichts ausrichten ließ, griff die Pforte 
zur List. Sie sagte dem Pa9ä Begnadigung zu, wenn er ihr 
die Köpfe seiner Verbündeten ausliefere. Er tat es, worauf 
ihm die Pforte höhnisch antwortete: „Jetzt fehle nur noch ein 
Kopf — nämlich sein eigener!'^ 

Um sein Schicksal besorgt, knüpfte Earä Mahm&d mit Öster- 
reich Unterhandlungen an und erbot sich, gegen Anerkennung 
seiner Herrschaft nebst seinen Untertanen Christ zu werden und 
die Pforte zu bekämpfen. Weil diese Vorschläge angenommen 
wurden ^), schleuderte der Sejh-üMsläm das Anäthema über ihn, 
der Großvezir erklärte ihn „fermanlü^', d. h. vogelfirei und 24 Paääs 
vereinigten ihre Streitkräfte zur Unterwerfung des Empörers. Der 
Seriaskör Earä Zekf übernahm den Oberbefehl und rückte mit 
60000 Mann (nach anderen 30000 Mann) gegen Skodra. 

KaT& Mahmud schloß sich mit 90 Mann in das Kastell Rosafa 
(von Skodra) ein, während er mit den belagernden Paäis (unter 
denen sich ein anderer großer Empörer, der nachmals so berüch- 
tigte Alf Paää Tepelöni von Joännina, befand) heimlich ver- 
kehrte. Das Ergebnis war eine Kriegslist und ein Possenspiel. 
Nach einigen Monaten heuchelte Karä Mahmud seine Unter- 
werfung, verließ mit 60 Getreuen das Kastell, bemächtigte sich 
unterwegs der kaiserlichen Artillerie, welche gegen die Osmanli 
gerichtet wurde, sein im Hinterhalt lauerndes Heer und die Malji- 
soren ') eilten herbei, die einverstandenen Paääs ergriffen die Flucht 
und das Ganze endete mit einer jämmerlichen Niederlage der 
kaiserlichen Truppen. Außerdem wurden alle türkischen Be- 
satzungen in Albanien einzeln überfallen und niedergemetzelt. 
Selim Paää, welcher mit 15000 Bosnjaken zur Unterstützung 
Karä Zeki Paääs im Anzug gewesen, war gleichzeitig von den 

1) Josef II. sandte ihm ein großes massiv -silbernes Kreuz und der 
ragusäische Senator Bemardo Caboga kam, ihn namens der Bepublik zu 
begrüBen. 

2) 1000 Sala und Soäi waren die ersten, welche sich im türkischen 
Lager gegen die Türken kehrten. 



S48 Achter Zeitraum. 

Hoti empfindlich geschlagen worden, und so stand Eari Mahmdd 
wieder auf dem Gipfel seiner Macht. Bald darauf wurde auch 
sein Bruder Ibrahim von den Mirediten und Maljisoren geschlagen, 
während er selbst die türkische Bojanaflottille durch brennende 
Flöße verbrannte. 

Was über diesen Krieg ein albanesisches Volkslied singt, 
findet der Leser auf Seite 530 — 532 meines ;; Oberalbanien''. 

33. Montenegro und Albanien von Österreich und 
Rußland als Verbündete gesucht. (1788.) 

Der vorhin geschilderte Aufstand des Earä Mahm&d Pa§ä 
und seine Belagerung fallen in das Jahr 1787. Im Februar 1788 
erklärten dann Österreich und Rußland der Pforte den Krieg. 
Bevor wir auf diesen eingehen ^ müssen wir nachholen, was in 
Montenegro vorging. 

Wie wir wissen^ war Vladika Petar I. im Ausland gewesen^ 
als die Türken den gelungenen Einfall in Montenegro machten. 

Als er in Triest anlangte und von dem Unglück Kunde er- 
hielt, eilte er nach Montenegro, wo er im Monat Februar 1786 
eintraf Unterwegs nahm er Kartoffelsaat mit, lehrte das Volk 
deren Anbau und ward dadurch ein Wohltäter seines Landes, 
und zwar zu einer Zeit, wo, wie Kohl sagt, selbst in Deutschland 
hier und da jenes Knollengewächs mit Vorurteilen und Hinder- 
nissen zu kämpfen hatte. 

Bei seinem Eintreffen in Montenegro fand der Vladika Petar 
das Land in der traurigsten Zerrüttung; viele Dörfer waren ab- 
gebrannt, die Hälfte des Landes zahlte die Kopfsteuer; das ab- 
gebrannte Kloster war überdies mit einer, während seines ein- 
jährigen Femseins eingegangenen Schuld von 1500 Dukaten 
belastet. Er berief daher eine Nationalversammlung und stellte 
mit hinreißender Beredsamkeit vor, wie nur unbedingter Ge- 
horsam und Eintracht Montenegro retten könne. Hierauf bereiste 
er sämtliche Nahijen, um die Wut und den feindseligen Gbist 
einzelner Stämme zu besänftigen, wie er denn in Öevo und 
Bajce allein 74 Personen aussöhnte. Die Einwohner von Bajoe 
machten ihm die meiste Schwierigkeit, und er mußte sein apo- 



Montenegro und Albanien von ÖsteiT. n. Raßl. als Verbündete gesucht S49 

stoliflches Versöhnungswerk mit nnglaublicher Oeduld zu Ende 
führen. 

Binnen Jahresfrist kehrten Ruhe; Einigkeit und begeisterte 
Liebe für Glauben und Freiheit in die Brust der Natursöhne 
wieder: die Kopfsteuer (HaraS) wurde verweigert und Monten^^ 
für völlig frei erklärt. 

Daß aber Petars Aufgabe nicht leicht war, ersieht man aus 
der umständlichen Beschreibung beiMedakovid, welcher nament- 
lich über die Bewohner von Bajce (bei Cetinje) entrüstet ist, weil 
sie den Vladika hindern wollten^ behufs Baus der von den Türken 
verbrannten Klosterkirche das Holz eines Berges zu f&llen, den er 
sich für sein eigenes Geld gekauft hatte. Das machte aber auf 
die übrigen Stämme einen so üblen Eindruck, daß sie in Scharen 
gegen Bajce zogen, um die Gegner des Vladika auszurotten. Diese 
in ihrer Angst flüchteten sich unter den Schutz des Vladika, der 
ihnen nicht nur großmütig verzieh, sondern sie auch gegen ihre 
Feinde schützte, was sie ihm aber später mit schwarzem Undank 
lohnten. 

Inzwischen hatte sich Osterreich zum Krieg gegen die Pforte 
gerüstet und den Major Vukaso vi <5 mit 380 Grenzern nach Monte- 
negro gesandt, um die Montenegriner gegen die Türken zu hetzen 
und die mit Karä M ahm Ad angeknüpften Verhandlungen zum 
Bündnis zu erweitem (April 1788). Vukasovid brachte 100000 
Dukaten mit und war daher den Montenegrinern sehr willkommen. 
Sie kämpften auch recht wacker gegen die Türken, bis sich der 
österreichische Major durch sein herrisches Auftreten, Auf- 
hissen der österreichischen Fahne, Verlangen, daß 
die Montenegriner dem römischen Kaiser huldigen 
sollten und dergleichen „ Kleinigkeiten '^ verdächtig machte, worauf 
er sich nur mit Not aus Montenegro flüchten konnte. Natürlich 
fand die amtliche „Wiener Zeitung '' die politischen Ränke des 
guten Majors ganz in der Ordnung und begriff daher nicht die 
„Zweideutigkeif der Montenegriner, welcher sie es zuschrieb, daß 
nicht ganz Albanien erobert wurde (Nr. 85 von 1788). Sehr ge- 
räuschlos ging sie aber dabei über die Verhandlungen mit Karä 
Mahm&d und die Ermordung der österreichischen Gesandtschaft 
hinweg. Ich will deshalb dieses Ereignis näher beleuchten. 



260 Achter Zeitraum. 

Von Montenegro aus sandte Vukasovid den Hauptmann Bern et 
(oder Pemet) nach Skodra, um Karä Mahmud Paää auszuholen. 
Dieser hielt seine früher gemachten Zusagen betreffs Bekehrung 
und Bündnis gegen Anerkennung seiner Unabhängigkeit aufrecht, 
daher ging am 12. Mai der Agent Brognard (oder Brugnard) 
von Wien nach §kodra ab, um den Bundesvertrag abasuschließen. 
Er nahm 50000 Dukaten und überaus kostbare Geschenke mit. 
(Schon früher hatte Josef II. dem Pasä ein massives silbernes 
Kreuz zugeschickt , das dieser sofort zu Geld machte.) Ver- 
gebens stellten die Montenegriner dem Major vor, daß Earä Ma- 
hmud treulos sei und die Österreicher besser täten, das Gteld 
ihnen zu geben. 

Am 3. Juni langte Brognard in Ragusa an und begab sich 
mit Bern et, dem Leutnant Schönpflug und dem Mönch 
De bei ja nach Skodra, wo er vom Pa§ä höchst ehrenvoll emp- 
fangen wurde. Ein Bundesvertrag wurde abgeschlossen und unter- 
zeichnet und die Geschenke übergeben, welche der Pa§i durch 
eine albanesische Flinte und zwei prächtige Pistolen (ledenice) 
erwiderte. Dann geleitete man die Gesandtschaft bis zur Moraöa, 
wo sie sich am 20. Juni auf Booten nach Montenegro einschifite. 
Am andern Ufer des Sees, bei Seoce, warteten aber schon mehrere 
Albanesen, welche die landende Gesandtschaft freundlich emp- 
fingen und ihr dann unmittelbar nachher die Köpfe abschnitten, 
die Kleider auszogen und die Geschenke abnahmen, alles dem 
Pasä zurückbringend. 

Kaiser Josef II schrieb wohl darüber einen wutschnaubenden 
Brief über „diese Barbaren, an denen er die Menschheit rächen 
wolle '^ Doch hatte es dabei sein Bewenden; denn wegen einiger 
umgebrachter Untertanen hat Österreich noch niemals einen Schuß 
abgefeuert ^). 

Die Köpfe der österreichischen Gesandtschaft aber wurden 
nach Stambul gesandt und verhalfen dem Pasä zur Wieder- 
aussöhnung mit der Pforte. 

1) Rührte es doch nicht einmal 1898 einen Finger, als in den Ver- 
einigten Staaten viele Hunderte von Österreichern ermordet worden, obgleich 
damals die Union (im Krieg gegen Spanien begriffen) unbedingt jede nach- 
drücklich gestellte Forderung hätte bewilligen müssen. 



Montenegro und Albanien von Osterr. a. Ru£l. als Yerbündete gesucht. S51 

Andriö schildert den Hergang folgendermaßen: 

„Am 9. Februar 1788 erklärte Österreich der Türkei den 
Krieg und die Feindseligkeiten nahmen am selben Tag ihren 
Anfang. 

„Oberstleutnant (?) Filip Vukasovid wurde mit dem Haupt- 
mann Bernety mit einer Proklamation d. d. Wien im April 
1788, unterzeichnet vom Kaiser Josef, von Kaunitz und Anton 
A. Spielman (bei Milutinovid vollständig mitgeteilt) entsendet^ 
um sich einzu vernehmen, ,wie Montenegro von der Tyrannei der 
türkischen Behörden gerettet und der christlichen Freiheit und 
aller jener Würden und Vorzüge teilhaftig gemacht werden 
könnte, welche die Untertanen aller österreichischen Länder ruhig 
genießen ^ 

„Er ging dahin mit vielen Geschenken und nahm 400 Mann, 
Serben und Bosnjaken in Form einer Freischar, dann viel Geld 
mit, um die Montenegriner zu bewegen, unter sein Kommando 
sich zu stellen, und wenn er 10000 ausgesuchte Krieger zusammen- 
bringen sollte, so soll er über Albanien vorwärts dringen, damit 
die Türken zwischen zwei kaiserliche Ai*meen eingekeilt werden. 
Vukasovid erhielt die Zuneigung der Montenegriner. Der Pa§ä von 
Albanien heuchelte Österreich seine Mitwirkuag gegen den türki- 
schen Kaiser vor. Vukasovid erstattete hiervon dem kaiserlichen 
Hofe den Bericht und dieser sandte am 12. Mai den Brugnard mit 
vielen kostbaren Geschenken und 50000 Dukaten an den Pa§ä ab. 
Am 3. Juni langte dieser Gesandte in Ragusa an und begab sich 
in türkischen Kleidern mit dem Hauptmann Bernet, Leutnant 
Schönpflug und dem griechischen Geistlichen Debegla nach 
Scutari, wo ihn Kanonensalven begrüßten. Der Paää zeigte sich 
sehr erfreut und zu dem angesuchten Bündnis geneigt, weshalb 
beide Teile einen schriftlichen Vertrag machten. Er machte den 
Kaiserlichen einige Geschenke und für den Kaiser ein Gewehr 
und zwei Pistolen, und die Kaiserlichen gaben ihm ihrerseits die 
mitgebrachten Geschenke nebst 50000 Dukaten. Am 20. Juni 
wurde Brugnard bis zum Flusse Morada geleitet, wo Abschied ge- 
nommen wurde. Als sie von dort auf einem Schiffe abzogen, 
kamen ihnen die Türken auf Querwegen bald zuvor und riefen 
ihnen entgegen, landen zu wollen, um noch einige soeben an- 



852 Achter Zeitraum. 

gelangte Geschenke zu übernehmen. Die Österreicher kehrten 
daher um und die Türken hieben auf Befehl des PaSis dem Haupt- 
mann, Leutnant und Geistlichen den Kopf ab und brachten ihn 
nebst den Kleidern, Briefschaften und erhaltenen Geschenken dem 
Paää von Scutari ^)." 

Andriö gibt auch auf Seite 59 — 61 die Übersetzung des — wie 
gewöhnlich — schwülstigen und durch seine heuchlerische Fröm- 
melei anwidernden msuschen Aufrufs, aus dem folgendes an- 
geföhrt sei: 

,,Nachdem Uns im jetzigen Falle nichts so sehr am Herzen 
liegt, als den orthodoxen Glauben und die griechische Kirche und 
Religion zu beschützen und die christlichen Völker, welche bisher, 

ihre Tage beweinend geseu&t haben, zu beglücken, so 

verkündigen wir dies voraus allen Serben, Montenegrinern und 
sonstigen Bewohnern des berühmten slavischen Volkes, welche, 
unter schwerem — — — lebend, für die fromme christliche 
Religion aufrichtigen Eifer zeigen, und sich von ganzem Herzen 
auf Unseren Schutz verlassen, und versprechen solchen zuverlässig, 
eine feste und starke Hilfe mit Unseren Waffen zu geben. Zwei 
mächtige Heere, angeführt vom General Feldmarschall Ghrafen Pjotr 
Aleksandrovid Rumjanco v-Zadunajskij und Fürsten 
Grigorij Aleksandroviö Patjomkin TavriCeskij, mar- 
schieren jetzt, zu vertilgen den Feind Unsere 

Seemacht unter dem Admiral Greigh, welche ins Mittelländische 
Meer absegelt, fuhrt ein beträchtliches Heer, welches am festen 
Lande dienen wird. 

„Erinnert euch der einstigen bedeutenden Taten der früheren 
tapferen Helden, eurer Vorfahren, die mit Uns eines Stammes und 
einer Abkunft sind ! Vereinigt euch alle, tapfere Helden, mit festem 
Schwur I Ergreifet scharf geschliffene Schwerter, führt eure Trup- 
pen zu unserem Heere und stützet mit ganzer Kraft unsere Waffen, 
um die Türken, wo sie sich nur zeigen, auszurotten I Eure be- 
deutenden Leistungen werden verdiente Belohnung 
finden, wie dies mit den vielen Helden im letzten Kriege der 



1} „MiUtäriBohe Zeitschrift'S vgl. S. Ljetopis 1844, 4. Teil, S. 1-3. 



MoDtenegro und Albanien von Osterr. n. Rußl. als Verbündete gesucht. S5S 

Fall war, welche für ihre tapfere Haltung von Uns mit allerlei 
Gaben beschenkt wurden ^). 

,,Gegeben zu St. Petersburg am 31. (?) Februar 1788; Unserer 
Regierung im 26. Jahre. 

Jekaterina.^' 

Dieser Aufruf galt im allgemeinen als einer zur Vorbereitung 
und Waffenergreifung der Christen in der Türkei. 

Das besondere, Montenegro angehende Manifest und die Nach- 
richt von dem wirklichen Ausbruche des Krieges zwischen Ruß- 
land und der Türkei sandte die russische Regierung durch den 
bei der Republik Venedig beglaubigt gewesenen russischen Minister, 
Alexander Mordvinov und den General Zaborovski, 
Befehlshaber der Landmacht, welche sich an Bord der in obigem 
Aufruf erwähnten mittelländischen Flotte befand. Zaborovski er- 
ließ seinerseits unter Beischluß des Manifestes ein Einbegleitungs- 
Bchreiben an den Vladika und die gesamten Montenegriner d. d. 
St. Petersburg, 11. Mai 1788, und sandte unter Mitnahme einer 
kostbaren Panagia (Marienbild) in Brillanten, mit der die Kaiserin 
den Vladika Petar I. zum glücklichen Beginne des Krieges be- 
schenkte, den Obersten Tutolmin und Premiermajor Draäkoviö 
zur Veröffentlichung desselben ab. 

Das obige Manifest, dessen Wortlaut Andrid Seite 62—63 
gibt, lautet im Auszug: 

„Mittlerweile erwartend, daß Unsere Flotte und die auf der- 
selben befindlichen Truppen unter Oberbefehl Unseres Admirals 
Greigh das Mittelländische Meer und die längs desselben liegenden 
Gegenden erreichen wird, um Unseren Feind zu vernichten und 
die christlichen Völker vom asiatischen Joche zu befreien, um die 
Freiheit und Sicherheit derjenigen zu befestigen, welche mit der 
von ihren Vorfahren ererbten Tapferkeit gegen die Barbaren noch 
jetzt kämpfen, sandten wir zu Lande nach Italien Unseren General- 
leutnant Zaborovski und versahen denselben mit Unseren Be- 
glaubigungsbriefen und Weisungen, um nicht nur alles für Unseren 
Krieg Nötige vorzubereiten, sondern auch um die Wünsche und 



1) Wie groBartig diese „Gaben *^ waren, weift der Leser bereits. S. G. 



854 Achter Zeitraum. 

Bitten der christUchen Völker in den dortigen Gegenden zu er- 
füllen, und ihnen nach Möglichkeit jeglichen Trost angedeihen zu 
lassen. 

;^Der Eifer der tapferen Montenegriner und sonstigen mit ihnen 
stammverwandten Völker zu dem orthodoxen Glauben und ihre 
Anhänglichkeit an die Selbstherrscher aller Russen , welche sich 
zu diesem mit dem ganzen Reiche bekennen, ist der ganzen Welt 
bekannt, vorzüglich aber seit der Zeit des unsterblich -berühmten 
Kaisers Pjotr Velikij (Peter des Großen). Von dieser Zu- 
neigung der Völker überzeugt, empfahlen Wir dem genannten 
Generalleutnant Unser Verhältnis mit euch anzuvertrauen, euch 
Hoffnungen zu machen, von Unserer kaiserlichen Gnade und 
Unserem Wohlwollen zu euch allen, und wo die Religion von ihnen 
bedroht und unterdrückt, die Sicherheit und Ruhe von ihnen ge- 
stört wird, soll er euch aneifern. Unsere Erhebung gegen den 
Feind des Namens Christi zu teilen und in diesem Falle hinsicht- 
lich des Maßes der Waffenergreifung und der Art und Weise, 
diesfalls sich mit euch einzuvernehmen, worüber ihr ihm Ver- 
trauen schenken wollt, und seid versichert, daß Wir die Sorge 
stets im Herzen haben und streben werden, euch nach Möglichkeit 
zu befreien (!), sowie nicht unterlassen werden, diejenigen, welche 
eine ausgezeichnete Teilnahme und Tapferkeit zeigen, mit Unserer 
kaiserlichen Gnade und Belohnung auszuzeichnen. Wir empfehlen 
euch mit all euren guten Absichten dem allmächtigen Gotte und 
verbleiben euch mit Unserer kaiserlichen Gnade immer wohl- 
gewogen. 

„Gegeben in Unserer Residenzstadt St. Petersburg am 14. März 
1788 nach Christi Geburt im 26. Jahre Unserer Regierung. 

Jekaterina m. p. 
Graf Ivan Ostermann m. p.'^ 

Sowohl dieses Manifest als das Einbegleitungsschreiben Zabo- 
rovskis wurde von Tutolmin und Draäkovid auf der Volks- 
versammlung in Cetinje im Beisein des Vukasovid verlesen. Dem 
Vladika Peter I. wurde die Panagia öffentlich übergeben, und 
das Volk, von doppelter Freude durchdrungen, nahm unter Ab- 
feuern von Freudenschüssen und dem Rufe: Es lebe die Kaiserini 



Vukasoviö in MontODegro. 255 

Hoch unsere Brüder ^ die RusBen! den Eriegszug an. Zufrieden 
mit dem erreichten Zwecke kehrten die russischen Gesandten nach 
Rußland heim, den Montenegrinern empfehlend, mit Vukasovid ge- 
meinschaftlich zu handeln. 



34. Vukasoviö in Montenegro. (1788.) 

Über die Tätigkeit des Majors Vukasoviö in Montenegro er- 
zählt Andrid: 

,,Vuka8ovi<5 sandte mehrere aufmunternde Briefe an einfluß- 
reiche Personen im Lande, behufs der Waffenergreifung und rück- 
sichtlich der Eröffnung der Feindseligkeiten. 

pDie Montenegriner erhoben sich daher vor allem, um gemein- 
schaftlich mit Vukasovid die Feste Spuz einzunehmen. Die Unter- 
nehmung gelang jedoch bei dem Mangel an Kanonen oder Be- 
lagerungsgeschütz nicht, vielmehr zog sich Vukasoviö gegen Ende 
August zurück. Dies führte die Montenegriner zur Mutmaßung, 
daß Vukasoviö den Verräter spiele. Man verfolgte ihn daher 
bis Zagaraö und schloß ihn und dessen Mannschaft ein. Auf 
die erhaltene Kunde hiervon sandte der Vladika seinen Bruder 
Sava, einen sehr populären Mann, ab, um den Rückzug de» 
Vukasoviö zu ermöglichen und einen blutigen Zusammenstoß zu 
verhindern. 

„Vukasoviö trat nun seinen Abzug von Montenegro in fol- 
gender Weise an: 

„An einem Festtage der Montenegriner, an dem sich all» 
wegbegeben und nur sechzig zurückgelassen hatten, um auf sein» 
Schritte achtzuhaben, ließ er diese mit einer fUr sie unerwartetea 
Entschlossenheit binden und befahl ihnen, ihm den Weg nach 
Cattaro zu weben, unter der Drohung, sie alle in Stücke hauen zu 
lassen, wenn sie sich weigern würden. Durch diese Drohung sahen 
sie sich genötigt, seinen Willen zu erflillen. Er war schon eine 
Tagreise von Montenegro (?) entfernt, als am zweiten Tage gegea 
12 Uhr ihn ein großer, seine Mannschaft an Menge zweimal über- 
treffender Haufe Montenegriner erreichte. Vukasoviö wußte sich 
aber im Augenblicke zu &ssen: die 60 Montenegriner, welche er 
gebunden mit sich führte, mußten seine Brustwehr werden. Indenk 



356 Achter Zeitraum. 

er nämlich gegen die Nachfolgenden Front machte, stellte er diese 
voran und gewann dadurch, daß erstere sich nicht getrauten, einen 
Schuß auf seine Leute zu tun, und ihn ungehindert ziehen ließen. 
Als er an das Meer gelangte, ließ er seine gebundenen Wegweiser 
nach Hause zurückkehren i)/' 

Medakovid schildert den Hergang folgendermaßen: 

„Im Januar 1788 kam der österreichische Major Filip 
Vukasovid mit 400 Soldaten und 90000 Dukaten nach Mon- 
tenegro, um das montenegrinische Volk zu bestechen, auf daß es 
die Waffen gegen die Türken kehre. Aber der Vladika versprach 
sich nichts Gutes davon, erlaubte nicht Krieg ohne Bedrängnis 
und antwortete dem Major und den versammelten Montenegrinern 
kurz folgendermaßen: 

„,Ich will jetzt nicht mit irgend jemandem Krieg führen, noch 
ohne Notwendigkeit unser Blut vergießen. Wenn einer Krieg 
fuhren will, mag er es tun. Wenn Rußland im Elrieg mit den 
Türken wäre, würde ich zustimmen und Bundesgenosse gegen den 
allgemeinen Feind der Christenheit sein/ 

„Vukasovid bot nun dem Vladika die Hälfte seiner 90000 
Dukaten an, wenn er seinen Vorschlag annehme. Aber der Vla- 
dika stellte das allgemeine Wohl höher und opferte sich lieber 
selbst. Vukasovid rückte ihm nun mit Vernunftgründen zu Leib, 
indem er ihm sagte: ,Ihr leidet Mangel, nehmt doch das Geld, 
später würde es euch sonst leid tun.' Der Vladika antwortete 
ihm: ,Es gibt nicht genug Schätze auf der Welt, die mich ver- 
anlassen könnten, das Blut meines Volkes zu verkaufen und meine 
Ehre vor der Welt zu schwärzen. Lieber will ich in Frömmigkeit 
sterben als schmachvoll leben ')/ 



1) Austria 1845. Die Beschreibung der Expedition des Vukasovid im 
,, Soldatenfreund'' 1853 bedarf tieferer Forschung. Ohne Zweifel ist vieles 
übertrieben. ( A n d r i ö.) 

2) Ich kann unmöglich glauben, daß der Vladika so grenzenlos dumm 
gewesen sein kann, wie er es gewesen sein muSte, wenn er wirklich so ge- 
sprochen und sich so benommen hätte. Denn Vukasovid mutete ihm nicht 
mehr zu, als immer bisher die Russen den Montenegrinern zugemutet hatten, 
und obendrein bot er dafür weit größere Unterstützung als jemals Rußland 
gewährt hatte! S. Q. 



Yokasovi^ in Montenegro. 267 

yyVukasovid berichtete über seinen Mißerfolg nach Wien, 
während der Vladika dem russischen Gesandten in Wien darüber 
schrieb und wörüich sagte: 

,y,Wenn Rußland im Krieg mit den Türken ist, bin ich sofort 
bereit, den Türken Krieg zu erklären, so aber sind nur Oster- 
reicher mit Truppen gekommen, um das montenegrinische Volk 
zum Krieg gegen die Türken zu bereden. Aber ich werde dem 
erst dann zustimmen, wenn ich gehört habe, wie Rußland darüber 
denkt i)/ 

„Der russische Minister antwortete sofort dem Vladika, daß 
Rußland ebenfalls mit der Türkei im Krieg und Österreichs Bundes- 
genosse sei, man solle also losschlagen. Die Verständigung des 
Vladika gelangte aber an Jekaterina, welche gleich zwei Ge- 
sandte: Tutolmin und Draäkoviö, nach Montenegro sandte, 
die ihm ein Marienbild als Zeichen ihrer Anerkennung für 
seine Bemühungen gegenüber Rußland überbrachten. (Medakovid 
hat keine Ahnung von dem blutigen Hohn, den seine naive Dar- 
stellung hervorrufen muß! S. G.) 

„Die Gesandten kamen mit dem Handschreiben und dem 
Marienbild nach Monten^ro, wo der Vladika das Volk nach 
Cetinje zusammenrief. Nach Verlesung des Handschreibens und 
Übergabe des Marienbildes geriet das Volk in Entzücken und 
erklärte sich bereit, fär den Ruhm und zur Hilfe der russischen 
Brüder sein Blut zu verspritzen. Vukasovid war starr vor Staunen, 
als er sah, was das Volk für die Russen ohne Dukaten oder irgend- 
welche Bestechung zu tun bereit war, wie er dies nach westlicher 
Sitte beabsichtigt gehabt hatte. (!) 

„Nachdem Tutolmin die Wirkung gesehen, kehrte er nach 
Rußland zurück, ließ aber Vukasovid zurück, dem zu gehorchen 

1) Wenn das wahr ist, so muS man es höchst beschämend finden, daß 
der Vladika nicht mehr Selbstachtung hatte und sich derart als gehorsamer 
Diener Rußlands hinstellte , das ihn einige Jahre suTor so todlich beleidigt 
hatte! Wenn man allerdings sieht, wie töricht derselbe Vladika 1814 dem 
russischen Befehl Folge leistete, die von den Montenegrinern eroberte 
Bocche ohne irgendwelche Entschädigung den Österreichern 
zu übergeben, bloß weil Kaiser Aleksandr dies mit dem Kaiser Frans 
so vereinbart hatte, könnte man freilich dem Vladika auch diese verächt- 
liehe Äußerung sumuten. 

Oop2eyl6, Montenegro and Albanien. 17 



268 Achter Zdtnuim. 

er den Montenegrinern auftrug. Vokasovid schrieb nun mehrere 
Briefe an das Volk, auf daß es so schnell als möglich su den 
Wa£fen greife. Unter diesen Briefen ist einer, der seigt, wie 
man nach westlicher Sitte zu betrügen suchte. Dem 
Iguman yon Ostrog schrieb er nimlich so: 

,,, Jetzt oder nie, Vater I laß die Brdaner auf die Türken los, 
daß ue ihnen den Kopf abschneiden I Täuschung ist ausgeschlossen. 
Ich habe genug, daß sich Montenegriner, Brdaner und die ganze 
Christenheit yereinigen und mit uns sich in Bewegung setzen, und 
alles werden wir mit Gottes Hilfe vollbringen. Jetzt, Vater, mußt 
du glücklich deine Tage machen, denn alles, was du dir selbst 
wünschest, das werde ich dir tun, nur unterlaß nicht diese günstige 
Gelegenheit, und wenn du kannst, so setze einen Tag fest, damit 
wir Spu2 oder Podgorica nehmen. Wenn es uns mit Gottes* 
Hilfe gelingt, werde ich dir 100 Dukaten geben und den Brdanern 
ein großes Geschenk. Wer mir den Kopf des Medikuöiö bringt 
(der Befehkhaber von Spu2), bekommt weitere 100 Dukaten und 
du ein großes Geschenk. Tu, wie es dir Gott eingibt, und ant- 
worte mir^)/ 

„Den Piperi schrieb Vukasoviö folgendermaßen; 

„,Aus dem Briefe des Vladika Petar konntet ihr ersehen, daß 
zwischen den zwei mächtigsten Höfen Eintracht und Einigkeit 
herrscht, sowie die Hilfe, welche von Gott und den beiden Höfen 
jedem geschickt wird, der an Christus glaubt, nicht gerechnet das, 
was ich selbst, Gott sei Dank, von der ehrenwerten kaiserlichen 
Elrone in Menge hergebracht habe. Und hundertmal mehr werden 
jene bekommen, die Gott getreu jenen beiden Höfen dienen werden, 
welch letztere alle ihre Schätze verschwenden werden 
und das Blut ihrer Untertanen, um euch loszukaufen (wohl gemeint 
,befreien^ S. G.). Also Ritter! Hier habt ihr eine Gelegenheit, 



1) £b gehört die ganze Einfalt des Medakoviö dazu, aus diesem (in 
unglaublich elendem und fehlerhaftem, deshalb manchmal ganz unverständ- 
lichem Serbisch geschriebenen) Brief des Ynkasorid das zu folgern, was er 
„westliche Hinterlist und Täuschung*^ nennt. Der Tcrbohrte Haß g^gen 
Osterreich und die alberne Verblendung gegen Rußland leuchten ans jeder 
Zeile des Medakoriö herror und geben seiner Darstellung eine widerw&rtige 
Färbung. S. G. 



YnkaflOTid in Montenegro. 259 

wie sie günstiger nie war, noch jemals sein wird! Die Schätze, 
die ich mit mir führe, gedenke ich mit meinen Getreuen gleich- 
mäßig za leilen. Wer ein größerer Held ist, wird das größere 
Geschenk erhalten. Ihr habt bisher der türkischen Religion genug 
Hilfe geleistet (? I), also helft nun, das barbarische Gezücht auszu- 
rotten. Heute können wir das leicht tun, denn wir haben gottlob 
genug und der Unsem sind mehr als Türken. Und glaubt nicht, daß 
da eine Täuschung im Spiel ist, denn bei Gott, ich werde 
euch nicht verlassen, solange ich lebe. Und wenn Friede 
geschlossen wird, werden beide Kaiserreiche für euch 
ebensogut Frieden schließen, wie für sich selbst. (Wie 
es in Wirklichkeit mit all diesen schönen Versprechungen und 
Zusagen dann gehalten wurde, werden wir bald sehen! S. G.) 
Steht also auf, damit ich euch gebe, wie ich den andern gegeben 
habe. Seht zu, daß ihr es nicht bereut, und Gott helfe euch!' 

„Auf diese Versprechungen hin erhoben sich alle Montene- 
griner und Brdaner und griffen mit den 400 Österreichern die 
Festung SpuS an, die sie aber ohne Kanonen nicht bezwingen 
konnten. Vukasovid, seinen Eid vergessend, floh (?) am letzten 
August mit seinen Leuten. Die Montenegriner und Brdaner setzten 
ihm nach und holten ihn bei ZagaraS ein, wo sie ihn umringten, 
um erst ihn als Verräter und Treubrüchigen zu töten und dann 
sich mit den Türken weiter herumzuschlagen. 

„Als dies der Vladika hörte, tat es ihm leid, daß er in seinem 
Land umkommen solle, weil er wußte, daß dann die Westler ihm 
und Montenegro Treubruch und Verräterei vorwerfen würden, 
daher sandte er seinen Bruder Sava, der hoch im Ansehen stand, 
damit sie den Verräter laufen lassen, auf daß er sein Unglück 
anderswohin trage. Sava hatte viel zu tun, die Montenegriner 
von ihrem Vorhaben abwendig zu machen. So hat Vukasovid, 
der Abgesandte des österreichischen Hofs, gehandelt! Das ist Treue 
und christliche Liebe! Aber wer kann je in solche Politikaster 
Vertrauen haben?'" 

Soweit Medakoviö, dessen Darstellung keiner Erläuterung bedarf. 

Auch Lenormant ist nicht genau. Er schreibt: 

„Vukasovid führte mit sich 2000 Soldaten des österreichi- 
schen Heeres (?) und 400 serbisch- bosnische Freiwillige als Frei- 

17* 



260 Achter Zeitraum. 

schar. Er sollte alle Montenegriner sammeln und mit 10000 Mann 
gegen Skodra ziehen^ sich dort mit Earä Mahm&d Pasä ver- 
einigen und dann über Debar gegen den Rücken des türkischen 
Heeres operieren. (Dieser Plan wäre ja an sich sehr gut gewesen, 
aber dann hätte man einen erfahrenen General serbischer Natio- 
nalität, deren es so viele im österreichischen Heere gab, senden 
müssen, der wirklich 2400 Mann mitgebracht hätte, aber auch 
die nötige Artillerie, ohne welche man nicht viel ausrichten 
konnte, namentlich nicht gegen die Sperrforts. S. G.) 

„War nun der Vezir beunruhigt wegen der von den türkischen 
Waffen zu Beginn des Krieges davongetragenen Erfolge, welche 
die Türken in das Herz des Banats von T^mesvär führten, oder 
fürchtete er, daß seine europäischen Verbündeten ihm nach ge- 
leisteten Diensten nicht Wort halten imd ihm die Macht nehmen 
würden, oder kannte er den seit zehn Jahren geschlossenen Geheim- 
vertrag, der den Montenegrinern im Falle eines Erfolges einen 
Teil seines Pasaliks zusicherte, kurz, er beschloß, sich seiner Wiener 
Freunde durch Verrat zu entledigen, um sich so wieder die Gunst 
des Sultans zu sichern. 

(Nun erzählt Lenormant die Ermordung der österreichischen 
Gesandtschaft; durch die Türken fast gleichlautend mit Andrid.) 

„Entzückt, des Kampfes mit einem so furchtbaren Feinde ent- 
hoben zu sein, wurde vom Divan dem Karä Mahmud Pa§ä eine 
allgemeine Verzeihung gewährt und alle seine Anmaßungen gebilligt. 

„Die Treulosigkeit des Vezirs warf den österreichischen Plan 
über den Haufen und beschränkte Vukasovid auf einen einfachen 
Seitenangriff allein mit den Montenegrinern, um die Türken da- 
selbst abzuhalten, daß sie sich dem gegen Österreich kämpfenden 
Heere anschlössen. Er belagerte Spu2, konnte es aber ohne 
Artillerie nicht nehmen, weshalb er Ende August den Rückzug 
antrat. Dies und andere Eigentümlichkeiten des Obersten 
brachten den Montenegrinern den Argwohn bei, daß er sie verrate, 
weshalb sie ihn in Zagaraö gefangen nahmen.'^ 

(Dann erzählt Lenormant das Ende so wie Medakoviö.) 

VI ah o vi d schildert den Hergang folgendermaßen: 

„Der Vladika konnte sich mit Vukasovid nicht verstän- 
digen, daher zog er sich nach Stanjevid zurück und ließ den 



VukasOYiö in Montenegro. 261 

Major allein befehlen. Dieser wollte die Brdaner zu den Waffen 
rufen und sie hätten ihm auch Folge geleistet, ohne den Zwist 
zwischen ihm und dem Vladika. So aber erklärten sie, nicht eine 
Patrone abfeuern zu wollen ohne Befehl ihres rechtmäßigen Ge- 
bieters. So war also Vukasoviö gezwungen, recht demütig den 
Vladika zu bitten, er möge ihm Briefe fär jede einzelne Nahija 
senden, um sie zum Kampf aufzufordern. Der Vladika tat dies, und 
nun wagte niemand mehr, dem Befehl sich zu widersetzen. Mon- 
tenegriner und Brdaner, von Vukasoviö mit Schießbedarf versehen, 
warfen sich auf die Türken und belagerten sie in ihi'en Festungen. 
Der Vezir von Albanien (Earä Mahmäd) hob also Truppen aus 
und warf sich auf Piperi. Aber die Euci zwangen ihn zum 
Rückzug auf Spuz und von dort nach Skodra. Um jene Zeit 
drangen aber die Türken aus der Hercegovina in Bjelopav- 
li<5i und Pjeäivci ein, wodurch die Türken in Albanien Luft 
bekamen. Allein ein Mönch namens Gojko Piper erschien bei 
Vukasoviö und teilte ihm mit, daß die Bjelopavlidi beschlossen 
hätten, sich den Türken zu überliefern. In dieser Verlegenheit 
schrieb der Major sofort an den Vladika, ihn bittend, herbeizu- 
eilen, um die Gefahr zu beschwören. Petar und andere Glavari 
eilten sofort nach Cetinje und von dort nach Belopavliöi, wo ihre 
Gegenwart allen frischen Mut einflößte. Die Montenegriner und 
Brdaner belagerten nun Spu2, konnten aber weiter nichts aus- 
richten, als die zahlreichen AusfiLlle der Besatzung zurück- 
schlagen. 

„Vukasovid, sehend, daß sich die Sache in die Länge zog, 
daß die katholischen Nordalbanesen sich nicht anschlössen und die 
kaiserlichen Truppen keine Erfolge errangen, hob die Belagerung 
von Spu2 auf und gewann den Lovden (?) wieder, unter dem Ver- 
wände, seine Leute ausrasten zu lassen. Aber nach einigen Tagen 
trat er den Rückzug nach Cattaro an, ohne dies vorher anzuzeigen, 
und schiffte sich gleich ein.'' 

Gegenüber diesen sich vielfach widersprechenden und von- 
einander abweichenden Berichten ist es vom größten Werte zu 
hören, was der sonst verläßliche Milakovid zu erzählen weiß: 

„Die Übereinkunft Jekaterinas der Großen und Josefs IL 
in der Krim (1787) hatte den Türken zu denken gegeben. Sie 



869 Achter Zeitraum. 

befürchteten eine Teilung der Türkei durch Aufrichtung des 
griechischen ELaiserreiches unter Jekaterinas Neffen (Kon- 
stantin), EiTichtung eines aus Rumänien und Bulgarien^) be- 
stehenden Fürstentums Dacia und Einverleibung des Bestes in 
Österreich. Von London aus obendrein aufgehetzt, erklärte also 
Sultan Abdul Hamid IL an Rußland am 13. (24.) August den 
Krieg, und Österreich als Bußlands Bundesgenosse folgte am 29. Ja- 
nuar (9. Februar) 1788 mit einer Kriegserklärung. Beide Verbündete 
entsandten Vertrauensmänner nach Montenegro, um die Mithilfe 
dieses tapferen Volkes zu erbitten. Folglich langte im Mai 1788 
der österreichische Major FilipVukasovid mit dem Hauptmann 
Ludwig Pernet, 400 Soldaten und 100000 Dukaten, Lebens- 
mitteln, Schießbedarf und einem Aufruf des Kaisers Josef H. vom 
17. April in Montenegro an. In diesem Aufruf erklärte der Kaiser 
seine Absicht, alle Christenvölker vom Türkenjoch zu befreien und 
ihnen alle jene Bechte und Vorteile zuzuwenden, deren sich seine 
eigenen glücklichen Untertanen erfreuten. Er empfahl den Mon- 
tenegrinern, die Qesandten Vukasovid und Pernet freundlich 
aufzunehmen, ihnen volles Vertrauen zu schenken, nach ihren Bat- 
schlägen vorzugehen und ihnen Hilfe zu leisten. 

„Die Montenegriner, stets zum Kampfe gegen die Türken 
geneigt, erklärten dem Major, daß sie bereit wären, ihr eigenes 
Blut und noch lieber das der Türken in einer so löblichen Unter- 
nehmung zu vergießen. Aber als der Vladika kam, wollte er 
nichts von einem Krieg wissen, von dem er sich keinen Vorteil 
versprach, namentlich aber nicht, weil er von Bußland keine 
Aufforderung erhalten hatte. 

„Während aber so der Vladika zögerte, auf Kaiser Josefs 
Einladung einzugehen, schrieb ihm der russische Gesandte in 
Venedig, Aleksandr Mordvinov, daß Bußland mit Österreich 
vereint gegen die Türken losschlagen werde. Gleich darauf langte 
der russische Oberst Tutölmin mit einem kaiserlichen Aufruf 
an, in dem Jekaterinadie montenegrinische Unterstützung erbat, 

1) Also schon damab waren die Diplomaten bo anwissend und ein- 
fältig, daß sie am grünen Tische Völker znsammensch weiften wollten, die 
in Sprache, Abstammung und überhaupt allem so grundTerschieden sind, 
wie Rnmänen und Bulgaren! 



Vukasoviö in Montenegro. 86S 

sowie mit einem Briefe des Generals Zaborowski vom 11. Mai. 
Dieser war nämlich durch dringende Geschäfte noch in St. Peters- 
burg zurückgehalten worden, weshalb er vorläufig den Tutölmin 
sandte. Außer dem Aufinf überbrachte er noch eine Reliquie 
als G^chenk der Kaiserin an den Vladika, als Bürgschaft für 
die göttliche Unterstützung im heiligen Eoieg fUr Religion und 
Vaterland i). 

^yBeim Empfang des Aufirufs und der Reliquie versprachen 
Vladika und Volk, mit Begeisterung kämpfen zu wollen, worauf 
Tutölmin befriedigt abreiste, nachdem er den Montenegrinern auf- 
getragen hatte, dem Major Vukasovid in allen Stücken zu 
gehorchen. 

(Folgt nun das bereits erwähnte Schreiben der Kaiserin, zu 
dem Milakoviö bemerkt, daß die Entsendung der Flotte unter 
Greigh nach dem Mittelmeer unmöglich wurde, weil Gustaf III. 
von Schweden auf englische Anstiftung Rußland den Krieg erklärt 
hatte, also die russische Flotte gegen die schwedische Stellung 
nehmen mußte und auch Zaborowski nicht nach Montenegro ab- 
gehen konnte.) 

„Einige Tage nach seiner Ankunft in Montenegro sandte 
Vukasovid den Hauptmann Pernet zu Karä Mahm&d 
Paää mit der Aufforderung, sich an Österreich -Montenegro an- 
zuschließen. Weil sich der Vezir nicht abgeneigt zeigte, benach- 
richtigte der Major die Wiener Regierung und diese sandte sofort 
Brougnard mit kaiserlichen Geschenken und 50000 Dukaten 
zum Vezir. 

„In Montenegro angekommen, wollten ihm der Vladika und 
die Glavari die Sache ausreden, meinend, daß Buäatlija als 
heimtückischer, wortbrüchiger Muhammedaner keine Treue kenne, 
aber Brougnard wollte keine Vernunft annehmen und setzte mit 
Pernet, Schönpflug und Debelja die Reise nach Skodra fort 

(Nun schildert Milakoviö das Ende dieser Gesandtschaft, wie 
von mir selbst auf Seite 250 gegeben.) 



1) Wer denkt da nicht an die Datzende von Heiligenbildern und Reli- 
quien, mit denen Koropatkin 1904 ausgerastet wurde und die ihm so viel 
halfen, wie die geweihten Skapuliere den Spaniern 1898! S. G. 



264 Achter Zeitraum. 

y^Die Brdaner, damals mit Mahmud Paäi gegen den Sultan 
kämpfend^ vom Major zu gemeinsamem ELampf aufgefordert^ wollten 
anfangs nichts weil der Vladika mit Vukasovid, der sich in 
Cetinje wie der Herr des Landes benahm, auf gespanntem 
Fuße stand. Infolgedessen richtete der Major am 14. Juni folgende 
Zeilen an den Vladika: 

,y, Nachdem Sie selbst noch nicht herkommen konnten und die 
Zeit herannaht, wo wir losschlagen sollen, wäre es sehr gut und 
ich bitte Sie demütig Briefe zu schreiben, einen nach der 
Crmniöka, einen nach der Rijeöka, einen nach der Eatunska 
Nahija, einen nach der Ljeäanska, einen an den Iguman von 
Ostrog und andere an jene der Brda, von Pjesivci und der ganzen 
Hercegovina, in welchen Sie von unserem Bündnis mit Rußland 
Kenntnis geben und als letzten Wunsch betonen, daß jeder Christ 
fiir die eigenen Güter aufstehe und gegen den Feind die Waffen 
ergreife. Das würde uns riesig nützen und Sie selbst an allen 
Höfen in Ansehen bringen. Denn das Volk glaubt, daß Sie Feind 
Österreichs, und unserer Sache abgeneigt seien. So werden aber 
die Dinge sich ändern und die beiden Mächte sich überzeugen, 
daß die Sachen nicht nach Wunsch unserer Feinde gehen. Ich 
flehe Sie demütig um diese Gnade an und hoffe, daß die 
erbetenen Briefe durch denselben Boten befördert werden, nur 
bitte ich alle mit Ihrem Siegel zu versehen; ich werde dann 
schon dafUr sorgen, daß jeder richtig an seinen Bestimmungsort 
kommt.'" 

Milakovid erzählt nun, wie der Vladika der Bitte entsprochen 
habe, und führt den Brief Vukasovid' an den Iguman Josip BoS- 
kovid von Ostrog an, welcher am Eingang noch folgende von 
Medakovid nicht erwähnte Stelle hat: 

„Mein Unglück überzeugt mich, daß du, als wahrer Freund, 
die nackte Wahrheit gesprochen hast. Nichtsdestoweniger, wenn 
mein verstorbener Genosse (wohl Pernet gemeint? S.G.) meinen 
Rat hätte hören wollen, wäre er nicht so elend zugrunde ge- 
gangen. Wir müssen uns Gottes Ratschluß unterwerfen, weil es 
nicht anders gehf 

Weiters schildert Milakovid die Wirkung der Briefe und die 
Niederlage des Mahmäd, sowie den EinfEtU der hercegovinischen 



Die Ereignisse bis zum Friedensschlosse. 265 

Türken und die Wankelmütigkeit der Bjelopavliöi, so wie Vla- 
bovid. Er fligt aber noch bei; daß damals Vukasovid in seiner 
Angst dem Vladika folgende Zeilen gescbrieben babef 

9; Sie kennen die Gefahren^ in die ich mich begeben habe, so 
daß ich Tag und Nacht seu&e, Sie wiederzusehen. Zu Ihnen wird 
ein Mönch kommen , der, wie mir scheint, irgendwoher gesendet 
wurde. Monsignore! Im Namen des Himmels, halten Sie sich 
nicht länger auf, sondern kommen Sie mit den Herren (denen ich 
meine Hochachtung auszudrücken bitte) nach Cetinje, damit wir 
■uns verabreden, welche Maßregeln ergriffen werden sollen. Denn 
ich und alle meine Leute hängen von Ihrem Gewissen 
und Ihrer Ehrenhaftigkeit ab. Ich verspreche Ihnen 
im Namen meiner Regierung, daß alle Ihre Mühen 
und Auslagen belohnt und entschädigt werden sollen. 
Folglich beeilen Sie sich, um Gottes willen, herzukommen imd 
wenn der Mönch wirklich etwas weiß, verheimlichen Sie mir es 
nicht Ich vertraue mich Ihnen mit vollem Zutrauen an.'' 

(Dann erzählt Milakoviö gleichlautend mit Vlahoviö die 
Reise des Vladika nach Cetinje und Bjelopavliöi und die Belage- 
rung von Sipui. Auch die heimliche Abreise des Majors nach 
Cattaro ist ganz gleichlautend und sonderbarerweise hat auch 
er kein Wort über den Vorfall von ZagaraC und die 
Schwierigkeit des Majors zu entkommen, wie sie Seite 255 ge- 
schildert wurde.) 

35. Die Ereignisse bis zum Friedensschlüsse. (1792.) 

Während noch Vukasovid in Montenegro weilte, war daselbst 
Graf Marko Ivelid (aus Risanj) als russischer Gesandter ein- 
getroffen, um im Namen der Kaiserin „alle Serben, Montenegriner 
und die anderen Söhne des glorreichen slavischen Volkes '^ zum 
Kampf gegen die Türken aufzufordern, wobei es natürlich an den 
gewöhnlichen, später nie gehaltenen Versprechungen nicht fehlte. 

Er sandte seinen Neffen, den Grafen Petar Iveliö, am 
2. August nach Niksid (so genannt von Nikäa, der eine Schwester 
des serbischen Königs Vlkan zur Ehe hatte), um die dortigen Ein- 
wohner zur Eroberung der Feste Onogost — wie die Festung von 



266 Achter Zeitraam. 

Nikäiö noch genannt wurde — zu bewegen, und gab ihm den er- 
wähnten Aufruf mit Die Nikäiöaner, welche schon 1711 zugunsten 
Rußlands im Kriege mit den Türken die Waffen ergriffen hatten, 
erboten sich dazu willig. Ihr Anilihrer, der Srdar MaliSa 
BuSid-Nikäid, pflog daher mit dem Grafen Marko Iveliö in Risanj 
und dem Vladika Petar I. Verhandlungen, um sich auch des 
Beistandes des letzteren zu versichern. Man traf in Trebjeä bei 
Onogoät die Vorbereitung dazu mit aller Stille und Umsicht. Die 
Trebjeäaner schwuren einmütig, im Falle ihnen die Eroberung der 
Feste nicht gelingen sollte und sie gezwungen würden, ihre Häuser 
zu verlassen, daß sie keine Habe mitnehmen würden, weil ihnen 
die Beförderung beweglichen Eigentums hinderlich sein könnte. 

Am 17. August 1789 erschien der Ghivematur Joko Ra- 
donjidmit 2000 Montenegrinern und schlug sein Lager in einem 
Walde neben JSlivlje bei Pje§ivac auf. Von hier zog er im Vereine 
mit den Trebjeäanem gegen Onogoät. Boäko Buöid wandte 
sich gegen das Dorf Turjaö. Nach der Landessitte hätten die 
Trebjeäaner dem Guvernatur als Beweis ihrer Aufrichtigkeit und 
des wirklich eröffneten Krieges einen Türkenkopf bringen sollen. 
Während der Unterhandlung hierüber, und bis es möglich war, 
dem Verlangen des Radonjid zu entsprechen, verfloß aber so viel 
SiCit, daß der Tag anbrach, und man sich un verrichteter Sache 
nach Trebjeä zurückzuziehen für rätlich fand. Als die Türken 
die bedeutende Macht in Trebjeä erblickten, wagten sie anfangs 
keinen Angriff. Dann aber, sehend, daß darunter keine Russen 
waren, machten sie einen Ausfall, verfolgten die TrebjeSaner 
und ihre Verbündeten bis zur Grenze von Pjeäivci und brannten 
auf ihrem Rückzuge Trebjeä nieder. Die Montenegriner kehrten 
heim, und die unglücklichen Trebjeäaner zerstreuten sich in Stubica, 
Povija, Bjelopavlidi und Unter- und Ober-MoraSa. Sie fochten 
dann bis zu ihrer, 1804 erfolgten Auswanderung nach Rußland, 
in dem genannten türkisch-russischen Kriege als Uskoken mit den 
Nik§i(5er Türken beständig, und beschäftigten auf diese Art allein 
40000 Türken. 

Karä Mahm&d, von dem Mißerfolg der Montenegriner 
bei Nikäid hörend, dachte den Augenblick gekommen, Rache 
zu nehmen. 



Die Ereignisse bis zum Friedensschlüsse. S67 

Aber sein Bruder Ibrahim wurde am 16. Oktober 1789 bei 
Spuz geschlagen und verlor 1000 Tote nebst dieser Festung, deren 
Mauern die Montenegriner zerstörten, während sie selbst nur 134 
Tote hatten. Infolgedessen bot Ibrahim den Montenegrinern an, 
ihnen 2abljak und Podgorica abzutreten, wenn sie seines 
Bruders Oberhoheit anerkennen wollten. Natürlich lehnten die 
Montenegriner ab. 

Karä Mahmud Pa§ä selbst war unterdessen mit 8000 Mann 
nach Bosnien aufgebrochen, wo ihn ein vom Sultan gesendeter 
Ehrensäbel erwartete. Allein er sollte sich dieses kaiserlichen 
Ehrengeschenkes nicht erfreuen. Dem Auftrag der Pforte, Belgrad 
zu entsetzen, konnte er nicht nachkommen, da er, in Jajce an- 
gekommen, den Fall der von Laudon eroberten Festung vernahm. 
Aber auch seine neue Bestimmung gegen Kroatien brachte ihm keine 
Lorbeeren, denn an der Grenze ward er von den kaiserlichen Truppen 
und Freischaren empfangen und so übel zugerichtet, daß er schon 
im November desselben Jahres mit Verlust seiner halben Mann- 
schaft den Rückzug antrat. Dieses „albanesische'' Heer bestand 
„zum Teil aus Christen, überhaupt aber aus verschiedenen Völker- 
schaften (nach dem allgemeinen Zeugnisse größtenteils elendem 
Qesindel), welche auf Kosten der Pforte, meistens aber durch die 
Vorräte von Bosnien, verpflegt werden, doch mit den bosnischen 
Truppen sich nicht verbinden, auch mit denselben nicht gemein- 
schaftlichhandeln wollen" („Wr.-Ztg.« 25. November 1789, Nr. 94), 
also doch größtenteils Skipetaren. Traurig war der Rückzug dieser 
Unternehmung. Als die Montenegriner erfuhren, daß der Pa§ä 
aus seinem fruchtlosen Feldzuge zurückkehre und 6000 Mann 
voraussende, teilten sie sich in zwei Haufen zu 3000 Mann und 
griffen die 6000 Albanesen von zwei Seiten so wütend an, daß 
ein guter Teil derselben fiel, der Rest aber entfloh. Die Montene- 
griner hatten nur 32 Tote und 41 Verwundete. Qleichzeitig ver- 
eitelten sie die Absicht eines in Albanien erschienenen KapidSi 
Paää, neue Truppen und Karawanen nach Bosnien zu senden, 
durch die Überrumpelung und Vernichtung der ersten dieser Ab- 
teilungen, worauf die Albanesen und Hercegoviner weitere Sen- 
dungen verweigerten. Anfangs Dezember gelangte der Paää von 
dkodra auf seinem Rückzuge nach Nikäid. Hier^ an der Qrenze 



368 Achter Zeitraum. 

ihres Gebietes, verweigerten ihm die Montenegrineri die mit ihren 
Bundesgenossen, den christlichen Hercegovinem , zusammen 7500 
Mann stark, alle Pässe besetzt hielten, den Durchzug nach Albanien. 
Der Pa§ä bot ihnen 20 Beutel Goldes, wenn sie ihn ruhig heim- 
kehren ließen, wurde aber trotzig abgewiesen. Auf dem einzigen 
Wege, der durch türkisches Gebiet nach dem Süden führte, lag 
der Türke Mahmudbegovid mit einer bewaffneten Schar, um 
den Tod seines Vaters, den der PaSä gemordet hatte, zu rächen, 
und auf der Straße nach Bagusa standen die mit den Montene- 
grinern verbündeten Bocchesen. Endlich gelang es, das letztere 
Hindernis zu umgehen, und auf das Ersuchen des Paääs erlaubte 
ihm die Republik Ragusa den Durchmarsch durch ihr Gebiet 
und die Einschiffung an ihrer Küste. Die so beförderten Reste 
der albanesischen Truppen befanden sich in sehr mißlichen Um- 
ständen. Der PaSä. selbst kehrte auf einem sehr weiten und be- 
schwerlichen Umweg nach §kodra zurück, „wahrscheinlich fest 
entschlossen, nicht sobald wieder in den Krieg auszuziehen '^ 
(„Wr.-Ztg.", 23. Januar 1790, Nr. 7.) Tatsächlich hielten ihn 
fortan die Montenegriner völlig in Schach und verhinderten ihn, 
im Kriege Österreichs gegen die Pforte für die letztere irgend 
etwas zu leisten. 

Das Jahr 1790 ist dadurch merkwürdig, daß die Montene- 
griner ihren ersten — Seesieg erfochten. (Dem später bis 1878 
noch sieben weitere folgten.) Die Einwohner der Crmniöka und 
Rijedka Nahija griffen nämlich ^abljak an. Das Gefecht dauerte 
drei Tage. Die Albanesen erhielten auf dem See von Skodra 
12 Schiffe zur Hilfe. DaPetar Gjuka^ov dies bemerkte, fuhr 
er ihnen mit 8 Schiffen nach. Er landete bei Odrinska Gora, 
erwartete den Feind daselbst, tötete ihm 18 Mann und eroberte 
5 Schiffe. Der Rest wurde versprengt. 

Im Norden führten die Nikäider Uskoken den kleinen Krieg 
weiter und bestanden mehrere Gefechte. So am Gründonnerstag 
zu Du 6a in der Ute§-Planina, wo Bjelid Pasä aus Korjenidi den 
Tod fand, bei Onogoät, das sie im Vereine mit 1000 Montene- 
grinern vergebens einzunehmen versuchten und wobei sie 30 Türken 
verwundeten, selbst aber 22 Verwundete hatten, bei StirniDol, 
wo sie 3000 Stück Vieh erbeuteten und auf beiden Seiten 50 



Die Ereignisse bis zum Friedensschlasse. 269 

Verwundete gezählt wurden , endlich unterhalb des Gebirges 
Borovnik, wo sie den Osmän Agä Muäeviö gefangen nahmen 
und 4000 Stück Vieh erbeuteten. 

Der lange Krieg gegen die Türken hatte die Hilfsquellen der 
Montenegriner derart erschöpft , daß der Vladika den Guvernatur 
Joko Radonjid mit seinem Neffen Stanko^ dem Srdar Fla- 
me nac und Dolci nach Osterreich sandte^ um vom Kaiser Hilfe 
zu erbitten. Mittlerweile war aber Josef IL gestorben und Leo- 
pold IL ihm auf dem Throne nachgefolgt. Merkwürdigerweise 
gehen die Angaben über den Erfolg der Sendung des Radonjid 
weit auseinander. Medakoviö schreibt mit der größten Bitter- 
keit| daß der Elaiser nichts gegeben hätte als die Erlaubnis, 
Schießbedarf zu kaufen, weshalb Radonjid die prächtige Mitra 
(Geschenk der Kaiserin Jelisaveta an Vasilije) zum halben 
Wert hätte verkaufen müssen. Und Andrid erzählt auch vom 
Verkauf der Mitra. Dagegen gibt Milakovid den Wortlaut 
eines vom österreichischen Statthalter von Triest, Karl Josef von 
Hentzi, k.k. Generalmajor, gezeichneten Briefes vom 1. Juni 1790, 
in dem es heißt, daß der Kaiser in Würdigung der Wichtigkeit 
fixr Montenegro, Schießbedarf zu haben, durch einen kaiserlichen 
Kutter folgendes sende: 31725 Pfund Pulver, 63 610 Pfund Blei, 
137 000 Feuersteine, 315 Ries Papier für Patronen, 2 Kanonen mit 
voller Ausrüstung und 500 Dukaten für die Beförderung zu Land. 
An dieses Geschenk schließt Hentzi (vermutlich Vater oder Groß- 
vater des berühmten Generals Hentzi, der durch seine zweimonatige 
Verteidigung von Ofen [1849] gegen ein fUnfmal stärkeres 
magyarisches Heer unter Görgej damals dem E^ser den Thron 
rettete) folgende Ermahnungen: 

„Ich hoffe, daß jeder einzelne und alle zusammen dafür ihre 
Dankbarkeit und Treue gegen Seine Majestät zeigen und werk- 
tätige Beweise davon geben werden, um sich den Schutz und 
weitere Unterstützungen des Kaisers zu sichern, wie die Herren 
Mihail Plamenac und Stanko Radonjid mündlich erklären 
werden." 

Daran schloß Hentzi noch sehr kluge Lehren und Mahnungen, 
Eintracht zu wahren, die allein zum Sieg verhelfen könne, und 
in diesem Sinne auch auf die Nachbarvölker einzuwirken. 



390 Achter Zeitnom. 

Dieser Brief scheint mir deutlich za beweisen, daß entweder 
Medakoviö falsch berichtet war oder daß vielleicht der Verkauf 
der Mitra vor Erlangung der kaiserlichen Unterstützung stattfand, 
oder das Geld daftir zu anderen Zwecken benötigt und ver- 
wendet wurde. Aber immerhin darf man nicht außer Augen lassen, 
daß die Geschenke doch im Interesse Österreichs erfolgten, für 
welches die Montenegriner als Verbündete kämpften, also jene nur 
als selbstverständliche Notwendigkeit angesehen werden können. 
Den Montenegrinern 50000 Dukaten zu schenken, wie dem Feinde 
und Muhammedaner Karä Mahmtid (der zum Dank dafür die 
Überbringer geköpft hatte), fiel Osterreich nicht ein! Als nach 
dem Kriege der Vladika (1792) durch seinen Neffen Ivanovi6 
den Wiener Hof bitten ließ, er möge ihm ein Guthaben von 
6480 fl. fiir den Schießbedarf zahlen, dauerte es ziemlich 'lange, 
bis der General Pavliö (13. Oktober) auf die am 12. Juni vor- 
gebrachte Bitte antwortete, daß Österreich zwar nicht verpflichtet 
sei (?), das Geld zu zahlen, nachdem jetzt Friede sei (aha!), aber 
daß der neue Kaiser Franz II. in Rücksicht auf die geleisteten 
Dienste dennoch diese Summe (ganze 1 1 00 Dukaten !) zahlen und 
den Montenegrinern jenen Schießbedarf lassen werde, den sie noch 
nicht verbraucht hätten. Der Brief (von Milakovid vollinhalt- 
lich mitgeteilt) schließt mit den Worten: 

„Ich wünsche, daß Euer Herrlichkeit sich unter diesen Um- 
ständen mit dieser Summe begnügen ; denn wie könnten auch 
Ihre Mühen, Sorgen und Plagen würdig belohnt 
werden?" 

Dann vertröstet der General den Vladika auf einen spä- 
teren glücklicheren Krieg und spricht die Hoffnung aus, daß 
die gegenseitigen freundschaftlichen Beziehungen von Dauer sein 
mögen. 

Immerhin war dieses Vorgehen Österreichs weit schöner als 
jenes empörende Rußlands. Wie man aus Seite 266 ersah, hatten 
sich die Trebjesaner auf Anstiften des russischen Gesandten Iveliö 
mit den Türken herumgeschlagen und 300 Familien waren um 
ihr ganzes Hab und Gut gekommen, weshalb sie sich an 
Rußland mit der Bitte wandten, man möge ihnen dort ein neues 
Heim anweisen. Dieser so einfachen, natürlichen und höchst be- 



Die Ereignisse bis zum Friedensschlüsse. 371 

Bcheidenen Bitte entsprach das reiche und ^^ dankbare'^ Rußland 
nicht! Andriö schreibt darüber: 

„Da Graf Marko Iveliö im Jahre 1793 dem Srdar Mina 
(Maliäa) Nikäiö den Bescheid sandte, daß die russische Kaiserin 
bis zur gelegeneren Zeit die Übersiedlung der wegen russischer 
Interessen verunglückten Trebjeäaner nicht genehmigte , begab 
sich dieser 1794 mit seinem Verwandten , dem Archimandriten 
Aksentije §undid; einem Einwanderer aus dem Kloster Stu- 
denica, nach St Petersburg und sie überreichten als Abgesandte 
der Christen der Hercegovina ein Gesuch, d.d. 3. März 1794, und 
ein Schreiben des Mitropoliten Petar I. Die Kaiserin erließ hierauf 
einen Ukiz d. d. St. Petersburg, 6. April 1795 (mitgeteilt von 
Medakovid, S. 86 — 88), wonach der Zustand der betreffenden 
Christen in der Hercegovina zwar bedauert wird, und der aus- 
übende Einfluß des Vladika auch auf diesen Teil der orthodoxen 
Christen der Kaiserin angenehm sei, daß aber wegen der zwischen 
der Pforte und Rußland herrschenden friedlichen Ver- 
hältnisse, die Übersiedelung der TrebjeSaner auf bessere Zeiten 
verschoben werden müsse. (!) Bei dieser Gelegenheit erhielt der 
genannte Archimandrit ein Kreuz mit BriUanten, der Vladika eine 
Panagia, der Srdar Mina Lazarevid-Buöiö-Nikäö eine goldene 
Medaille. (Ha, welche Großmut!) 

„Eine wiederholte Bitte vom 23. Juli 1796 hatte eine ähnliche 
Erwiderung des Kaisers Pavel mit dem Ukäz d.d. 30. April 1799 
zur Folge, mit dem Versprechen, ihnen seinerzeit Reisepässe an- 
weisen zu wollen." 

Den schreiendsten Undank aber bildet der Friede von Svistov 
(4. August 1791), in dem Österreich seine feierliche Abmachung 
von 1778 vergaß, keinen Frieden abzuschließen, ohne Montenegro 
davon Kenntnis zu geben, und es in jenen einzubeziehen, indem 
die diesbezügliche Stelle im Friedensvertrag die Montenegriner 
unter den gegen die Pforte aufgestandenen türkischen 
Untertanen aufzählte, also dem Lande die Unabhängigkeit ab- 
sprach, deren es sich seit jeher erfreut hatte und die doch aus- 
drücklich von Venezianern, Russen und selbst den Öster- 
reichern bis dahin anerkannt worden war! Man bestimmte, daß 
die Montenegriner „in ihr Heim zurückkehren dürften^' (das sie 



S73 Achter Zeitraum. 

doch gar nicht verlassen hatten l)^ ohne wegen ihres y^Aufstan- 
des gegen ihren eigenen Herrscher oder ihrer Hul- 
digung an den Kaiser gestraft zu werden^'. (!!!) 

Man weiß nicht, was man zu dieser bodenlosen Unverschämt- 
heit sagen soll! Der eigene Verbündete ^ für dessen Interessen 
sich Montenegro vier Jahre lang geopfert hatte, ohne irgendwelche 
Entschädigung zu erhalten, lieferte dieses dem Feinde aus, indem 
er dadurch die unabhängigen Montenegriner für Rebellen gegen 
ihren rechtmäßigen Herrscher erklärte, also ihnen die Un- 
abhängigkeit absprach und der Pforte damit eine diplomatische 
Grundlage in die Hand gab, künftig von den Montenegrinern 
als von ihren „Untertanen" zu reden ^)! Denn in der Folge wies 
die Pforte immer auf diesen Frieden hin, wenn sie ihre Ansprüche 
auf Montenegro diplomatisch begründen wollte. Glücklicherweise 
kümmerten sich die Montenegriner nicht um das Gefasel der 
Diplomaten, sondern jagten die Türken auch fernerhin immer mit 
blutigen Köpfen zurück, wenn sie Versuche machten, die papierene 
„Abhängigkeit" zu einer wirklichen zu machen. Aber das rächte 
sich noch bis in die jüngste Zeit, indem Unwissende noch 1878 
schrieben, daß jetzt erst Montenegro ein unabhängiger Staat ge- 
worden sei! 

Rußland folgte am 9. Januar 1792 mit dem Friedensschlüsse 
von Jassy. In diesem wurden die Montenegriner mit keinem 
Worte erwähnt — entgegen all den süßen Worten und heiligen 
Versprechungen früherer Aufrufe! — aber immerhin war dies 
noch besser als die erbärmlichen Worte im Friedensvertrag von 
Sviätov, die Montenegro unmittelbar schädigten! 

36. Letzte Kämpfe Karä Mahmud PaSäs. 

(1792—1796.) 

Kaum war die Türkei mit Österreich und Rußland im Frieden, 
als Earä Mahmud daranging, Montenegro zu züchtigen. Zu 
diesem Zweck sandte er im Frühjahr 1792 den Marku und Hasan 
Hota, dann die beiden Brüder Osm an Aga und Husejn Agä 

1) Gar nicht zu reden von der Lächerlichkeit, als ob Montenegro dem 
Kaber gehuldigt hätte! 



Letzte Kämpfe Kard Biahmiid PaS^. 27S 

Meöikukiö von Spui mit 12 000 Mann, um Bjelopavliöi zu unter- 
werfen. Die Montenegriner verbanden daher die Flüßchen Zeta 
und Suäica mit einem tiefen Graben und besetzten diesen unter 
dem Srdar Mihail Boskoviö zur Deckung des Eingangs in die 
Brda mit 60 Mann. Er hielt damit das Vorrücken des Osmän 
Agäy welcher ihn mit 6000 Mann angriff, vollkommen auf. Husejn, 
welcher nach Curilac vorrückte ^ verbrannte dieses Dorf und 
machte bereits viele Gefangene ^ als der Vojvoda Gjurovid mit 
einigen hundert Mann und mehreren Knezovi dem Verteidiger 
von Öurilac^ Pop Boskovid; zur Hilfe kam. Sie schlugen den Feind 
und zwangen ihn unter Verlust von 90 Toten zum Rückzuge 
nach äkodra. 

Nun wollte Earä Mahmud Piperi unterwerfen. Er sandte 
im selben Jahre seine Ridzalis mit einem Teil seines Heeres, 
welche Stjena in Brand steckten und sich nach Crnce wandten. 
Stojan Saveljidy welcher mit 60 Mann in Eoprivo auf der 
Wache stand , eilte, durch den Srdar Paun Susoviö verstärkt, 
dahin und fand den Ilija Raäeviö am Ende des Dorfes in 
lebhafter Verteidigung eines gemauerten Turms und einer Höhle 
begriffen. Saveljid machte einen Angriff auf die feindliche Haupt- 
macht und warf sie gegen den Ilija Raäevid, welcher seiner- 
seits einen Ausfall machte und den Feind zur Flucht nötigte. In 
diesem Gefechte verloren die Türken 300 Tote und 2 Gefangene, 
welch letztere mit der höhnischen Bemerkung entlassen wurden, 
sie mögen erzählen, wie es ihnen bei dem Angriff auf Piperi er- 
gangen sei. 

Wir haben oben die unglücklichen Trebje§aner erwähnt, 
denen die Auswanderung nach Rußland nicht erlaubt worden 
war und die sich deshalb nach der Moraöka zogen, von wo sie 
aber bald nach Drobnjak zu den Uskoken („Entsprungene'', 
d. h. Flüchtlinge, die auf eigene Faust Kneg gegen die Türken 
führten) gingen, wo sie sich bei Ljeviäte ansiedelten. Der Srdar 
Maliäa Vukid (der später seinen Namen in Mina Lazare- 
viö umänderte) wurde ihr Haupt und wohnte auf dem Hügel 
von Gepiö, das bald der Sammelpunkt aller Uskoken wurde. 
Unter letzteren errang sich Gavro §ibalija aus Drobnjak bald 
großen Ruhm. 

Oopievl^, Montenegro nnd Albanien. 18 



374 Achter Zeitraum. 

Weil nun die Uakoken beständige EinfiÜle auf türkisches 
Gebiet gegen Eolaäin und Nikiiö unternahmen, beschlossen die 
Türken 1795, mit zehnfacher Übermacht ihrem Treiben ein Ende 
zu machen. 

Von dem Verräter Paun Hrnkoviö geflihrt, näherten sich 
die Türken, begünstigt von der Dunkelheit der Nacht und der 
Morgendämmerung, auf geheimen Wegen dem Dorfe Ljeviite, das 
sie in Brand steckten. Siegestrunken und mit Beute beladen 
traten sie den Rückzug an. Infolge einer vom Srdar Mali Sa 
BuSiö-Nikäiö getroffenen Änderung erwartete jedoch Marko 
Jokanovid am 30. Juli 1795 (nach „Ogledalo^^ 6. Juli) den 
Feind mit 30 Mann in einem Engpasse. Maliäa griff nun die 
Türken yon einer, sein Bruder Bo§ko von der andern Seite in 
den Flanken, Luka Buöiö und Drago Pejovid von vom an und 
drängten sie gegen den Marko Jokanovid, welcher diesen Engpaß 
besetzt hielt. Hunderte von Türken flohen hier vor einer Hand- 
voll Montenegriner. Nach dem ICampfe brachten die Uskoken 
zwar nur 37 Köpfe auf die Öepidka Glavica, aber im Laufe des 
Jahres fand man im Gebirge Vragodol viele Leichen. Die Zahl 
der Verwundeten war bei den Türken sicher noch dreimal größer. 
Die Moradaner und Uskoken verloren nur 5 Mann: Radoje 
Hmkoviö, Eosta Mandid, Stamatovid, Drago Pejovid und Jakob 
Budid. Die Türken verloren auch ihren Anführer Mujo Had^ajlid 
und 12 Gefangene, welche ausgewechselt wurden. Bei der Aus- 
wechslung der Gefangenen schloß der Srdar Mali§a Budid-Nikäid 
mit dem Osmän Agä MuSovid von Nikäid einen Waffenstillstand 
auf ein Jahr. 

Weil Earä Mahm&d Pa§ä gegen die Montenegriner stets den 
kürzeren zog, suchte er sich gegen andere Nachbarn Lorbeeren 
zu erwerben; so 1795 gegen Kur d Paää von Bdrat, über welchen 
Krieg ein interessantes Volkslied vorhanden ist, in dem sich zu- 
gleich der ganze Haß zwischen Gegen und Tosken 
widerspiegelt. Ich gab es daher in meinem Werke „Das 
Fürstentum Albanien'' S. 239 in Übersetzung wieder. 

Im nächsten Jahre (1796) sammelte Earä Mahm&d 20000 
(nach Medakovid 23 000) Mann und drang von Spuz aus in Mon- 
tenegro ein. Bei Slätina standen seit 25. Juni 3000 Montene- 



Letzte Kämpfe Karä Mahmud PaSäs. 875 

griner in Bereitschaft; durch Zuzüge auf 8000 Mann verstärkt; 
griffen sie am 11. Juli die Albanesen an und erfochten einen 
glänzenden Sieg. 2 Paäis, 67 Bejs und Agäs fielen mit 1500 Mann; 
3000 Albanesen wurden verwundet, darunter Karä Mahmtid selbst. 
Die Montenegriner hatten nur 23 Tote und 26 Verwundete. 

Über diesen Feldzug berichtet Andrid: 

Die Montenegriner stellten dem Vezir 3000 Mann bei Slatina 
entgegen. Am 11. Juli 1796 griffen die Türken Martinidi an. 
Nach sechsstündigem Gefechte entschied ein Sturm der Montene- 
griner mit blanken Waffen den Sieg, und die Türken wurden zur 
Flucht genötigt. In diesem Augenblicke drang der Srdar Mihail 
Boäkoviö von der Seite ein und vollendete die Niederlage der 
Türken. Der Bruder des Vladika, Sava Markov, stieß bei 
dieser Gelegenheit auf den Bimbasi (nach Medakovid Pasä) Meh- 
med Kokotlija und hieb ihm im Zweikampfe den Kopf ab. 
BegoVojvodidy einer der Tapfersten in diesem Gefechte, tötete 
einen anderen Anfuhrer der Türken: Jakub Aga Srdarovid, fiel 
aber selbst, von letzterem getroffen. Die Türken verloren in 
diesem Gefechte von Martinidi 3 — 4000 Mann und die Montene- 
griner 18 Mann. Mahmud Pasä selbst wurde vom Radovan 
Stakov aus der Crmnica verwundet, und verdankte seine Ret- 
tung nur seinem schnellen Pferde. 

Am 14. Juli um 5 Uhr früh zogen die Montenegriner als 
Sieger in die Heimat ab, wo sie mit Freudenschüssen emp&ngen 
wurden. Man feierte im ganzen Lande diesen Sieg durch einen 
feierlichen Gottesdienst imd erstattete dem russischen Hofe den 
Siegesbericht, worauf der Vladika von dem letzten jungen Geliebten 
der alten Jekaterina, Fürsten Piaton Zubov, eine Antwort erhielt, 
die man bei Andrid S. 70 im Wortlaut findet. 

Die Wirkung dieses Sieges war, daß Bjelopavlidi und Piperi 
für immer unabhängig und mit Montenegro vereim'gt wurden. An 
eine innere Einrichtung konnte jedoch wegen Kürze der Zeit nicht 
gedacht werden, weil Kard. Mahmud noch im selben Jahre einen 
zweiten Eriegszug unternahm. Andrid schreibt darüber: 

„Er umlagerte die Brda und die Cmagora von vier Seiten, 

um deren Vereinigung zu verhindern, und lagerte sich mit 30 000 

(nach Medakovid 34000) Mann in Doljane. Die Montenegriner 

18* 



S76 Achter Zeitraum. 

stellten ihm zwei Bataillone entgegen. Das eine war unterhalb 
Sagjevac, bei Vuöiji Studenac, das andere an der Kruska Glavica 
aufgestellt und beobachtete den Feind durch 15 Tage. Als die 
Nachricht eintraf , daß dieser das Dorf Kruse angreifen werde, 
hielt der Vladika mit seinen Häuptlingen einen Eriegsrat^ teilte 
seine Truppen in drei Teile, erzählte ihnen von den Heldentaten, 
die seit der Schlacht am Kosovofelde gelungen, und begeisterte so 
die Streiter durch Belebung des Nationalgefähles. Am 22. Sep- 
tember 1796 rückte Mahmtid Paää vor und besetzte vom Walde 
VisoÖica bis Eoman und Orahovica eine zwei Stunden lange 
Fläche der Breite nach. Seine Macht war in vier Kolonnen geteilt, 
die der Montenegriner nunmehr in zwei. Die erste, 3000 Mann 
stark, föhrte der Vladika, die zweite, fast ebenso stark, der Guver- 
natur JokoRadonjiö an. Der Feind ergriff zuerst die Offensive. 
Das Zentrum der Montenegriner machte einen Scheinrückzug und 
die Flügel rückten vor, um den Feind zu umgehen. Nach einer 
Viertelstunde nahmen die Montenegriner die vom Feind mit Un- 
gestüm eroberten Positionen nicht nur ein, sondern drängten den 
Feind in die Ebene hinaus, wo sie mit ihm in das Handgemenge 
gerieten. Vier Stunden dauerte der Kampf mit blanken Waffen 
an ein und demselben Orte. Endlich brachte man den Feind zum 
Weichen, und er wurde bis zur Zeta verfolgt Mahmtid Pasä 
wurde lebendig gefangen und enthauptet ^). Hier fanden 26 ^) tür- 
kische Häuptlinge und so viele Türken den Tod, daß 3000 ') Köpfe 
abgehauen werden konnten, nicht zu erwähnen derjenigen Toten 
und Verwundeten, welche von den Türken davongetragen wurden. 
Dieser Sieg war der glänzendste über die Türken. Die Montene- 
griner zählten 32 Tote und 62 Verwundete. Überdies erbeuteten 
die Sieger 15 Fahnen und viele kostbare Waffen. Der Best der 
feindlichen Airmee ertrank zum Teil in der Moraöa oder zerstob 
nach allen Seiten. Der Vladika ließ 200 Dukaten wechseln und 
beschenkte die Tapfersten mit einem Taler, aber die Summe reichte 
nicht hin, denn die Zahl derjenigen, die ihm einen Türkenkopf 



1) Nach Medakoviö noch während der Schlacht. 

2) Nach MedakoTi6 74. 

3) Nach MedakoTi^ 8400. 



Letzte Kämpfe Kard Mahmud Pa&U. S77 

brachten 9 war zu groß. Der Kopf des Mahmtid Paää wurde in 
dem Museum in Cetinje au%ehoben/' 

Hören wir nun Milakoviö. 

Am 28. Mai 1796 schrieb der Vladika dem Eari Mahmud, 
was er mit der gesammelten Streitmacht beabsichtige. Wenn er 
Montenegro angreifen wolle, möge er es sich gut überlegen. Der 
Vezir antwortete, daß er nicht Montenegro angreifen wolle, sondern 
die abtrünnigen Brdaner (Piperi und Bjelopavliöi), weshalb er ihn 
ermahnte, ihnen keinen Beistand zu leisten, sonst werde er es mit 
seinen tapferen Albanesen zu ahnden wissen. 

Milakoyid gibt nun den Wortlaut des Briefes, den der Vladika 
an den Vezir schrieb, in dem er es ablehnte, die Brdaner im Stich 
zu lassen, und den PaSä erinnerte, daß dieser wohl während Ab- 
wesenheit des Vladika das Kloster von Cetinje verbrannt habe, 
der Vladika aber dessenungeachtet Böses mit Gutem vergalt, indem 
er die gute Gelegenheit nicht ausnutzte, als der Vezir vom Sultan 
in die Enge getrieben wurde. (Siehe S. 247.) Deshalb möge er 
die armen Brdaner in Ruhe lassen, sonst würde er sie mit aller 
Macht verteidigen. 

Aber der Vezir trug dem nicht Rechnung und rückte gegen 
Podgorica vor. Da baten die Brdaner den Vladika um Hilfe und 
dieser versammelte in Cetinje alle Glavari, denen er eine Rede hielt, 
die bei Milakoviö im Wortlaut mitgeteilt ist und kurz dahin geht, 
daß in der heutigen (20. Juni) Versammlung einstimmig beschlossen 
wurde, sich den Türken mit der gesamten Macht entgegenzustellen. 

Am folgenden Tage sandte der Vladika den Brdanern Schieß- 
bedarf, worauf er sich mit den Montenegrinern in Bewegung setzte 
und am 25. Juni bei Slatina lagerte. Er hatte 8000 Mann bei 
sich. Ihm gegenüber lagerte der Vezir mit 20000 Mann auf der 
Höhe von VisoSica, eine halbe Stunde vor Spu2. Er wartete 
einen halben Monat, daß ihn die Montenegriner angreifen sollten; 
diese waren aber nicht so töricht und überließen ihm den Angriff, 
zu dem er sich dann am 11. Juli bequemte. Die Schlacht endete 
mit der Niederlage der Albanesen, welche 1600 Tote (darunter 
67 Agäs und Bejs) nebst 3000 Verwundeten verloren, während 
die Montenegriner nur 23 Tote und 26 Verwundete hatten. Mah. 
müd floh verwundet. 



278 Achter Zdtraam. 

Nach diesem Sieg erließ der Vladika ein Gesetz in 16 Para- 
graphen, durch welches der Blutrache und dem Totschlag yor- 
gebeugt werden sollte , und die Glavari nahmen es am 
6. August an. 

Kaum von seinen Wunden geheilt, sammelte Mahm&d Pa§& 
ein 30000 Mann starkes Heer, mit dem er anfangs September 
1796 in Doljani Stellung nahm, um in die LjeSanska einzubrechen. 
Der Vladika mit 400 Eatunjanern brach am 9. September von 
Cetbje auf, nahm bei Vuöiji Studenac Stellung und sammelte hier 
bald 4000 Mann. Die Brdaner wagten es nicht, sich mit ihm zu 
vereinigen, weil sie wegen 2000 Türken, die anscheinend gegen 
Piperi rückten, in Furcht schwebten, der Angriff könnte ihnen 
gelten. Und die Kuöi waren so in Schrecken, daß sie sich an 
Mahmäd Paää anschlössen, was sie aber nicht hinderte, zum 
Schlüsse der Schlacht, als sie die Niederlage der Albanesen sahen, 
ihre Waffen gegen diese zu kehren und dadurch die Vernichtung 
des albanesischen Heeres zu vervollständigen. 

Am 22. September rückte der Vladika nach dem Berg Bu- 
sovnik vor. Die Türken griffen Kruse an, das nach tapferem 
Widerstand geräumt werden mußte und von den Türken verbrannt 
wurde. Dann griffen sie den Vladika an, der auch nach heftigem 
Widerstand zum Weichen gebracht wurde. Die Katunjaner, durch 
eine Ansprache des Vladika begeistert (welche Medakovid auf 
S. 92 vollinhaltlich wiedergibt), machten einen heftigen Angriff 
auf die Albanesen und gleichzeitig trafen (2000 Mann) Verstär- 
kungen aus der Rijeöka und CrmniSka ein, die vereint mit den 
Lje^nskanern die in Kruse plündernden Albanesen angriffen und 
in die Flucht schlugen. Nun folgte ein allgemeiner Angriff der 
Montenegriner auf die Albanesen, die in Unordnung gerieten und 
zu rennen anfingen, worauf die Montenegriner unter ihnen zu 
wüten begannen. So waren binnen drei Stunden über 2000 Türken, 
darunter Karä Mahmud PaSä selbst, gefallen, dessen Kopf als Sieges- 
trophäe heute noch im Museum von Cetinje gezeigt wird. Die 
Montenegriner verloren nur 32 Tote ^). 



1) Aus der Schlacht erzählt man sich folgenden bezeichnenden Zog: 
Der Montenegriner Gjoro Lotodiö lag an einem gebrochenen Bein nieder. 



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Leiste Kftmpfe Kard Mahmud FaUa. S79 

MerkwürdigerweiBe geben die Albanesen selbst ihre Verluste 
viel höher an. Sie erzählen, daß von den 30000 Mann nur 
drei entkommen und die Kunde von der Niederlage gebracht 
hätten. 3000 allein wären in der Moraöa ertrunken; 3000 an« 
dere, darunter 26 Bejs und Agäs, sowie der PaSi selbst wären 
gefangen und von den Montenegrinern nach der Schlacht ge- 
köpft worden. Welchen Eindruck diese fürchterliche Niederlage 
auf die Albanesen gemacht haben muß, zeigt das von mir in 
meinem ,,Da8 Fürstentum Albanien'^ auf S. 240 mitgeteilte 
albanesische Trauerlied. In diesem heißt es allerdings, daß der 
Vezir in der Schlacht fiel. 

Der Vladika erhielt f&r diesen Sieg am 1. Mai 1798 von 
Kaiser Pavel ^) den Alexander -Nevskij- Orden, nachdem der 
russische Konsul D2ika an den Vladika geschrieben hatte: „Ich 
habe nicht unterlassen, dem allerhöchsten Throne Ihrer Majestät 
unverzüglich Bericht zu erstatten und allen europäischen Höfen 
diesfalls die Mitteilung zu machen, damit ganz Europa über diesen 
Sieg sich freue und die Weisheit Eurer Heiligkeit, sowie die 
Tapferkeit der Montenegriner bewundere.'' 

Zu bemerken wäre noch, daß während der Schlacht bei Kruse 
die Bewohner von Trebjeä mit den Moraöanem, RovÖanem und 
dem Stamme Vasojevid die Türken von Kolaäin in Schach 
hielten. Sie schlugen sich mit ihnen oberhalb Unter-Moraöa herum 
und vereitelten ihre Vereinigung mit dem Vezir Karä Mahmtid. 
Es fielen beiderseits je 40 Mann. 

Hierauf sammelten sich 800 Mann von Bjelopavlidi, Piperi, 
Rovd und Moraöa mit den TrebjeSanern und sonstigen Uskoken, 
und zogen gegen die Niksiöer Türken zu Feld, wobei sie bei 
Krnovo und Dobrobo2ije 20000 Ochsen und Pferde erbeuteten. 
Sie brachten diese Beute glücklich bis zu ihrem Gebirge Lola 



Als er Ton der Scblacht horte, lieB er sich auf eine Kuppe bringen, von 
der aus er drei Standen lang unablässig feuerte, bis er den Sieg sah, 
worauf er sagte: „Es war schon höchste Zeit, denn ich hatte keine Patronen 
mehr und hätte mich im Falle einer Niederlage nicht weiter verteidigen 
können.*' 

1) Der Wortlaut des kaiserlichen Handschreibens findet sich bei 
Medakoviö. 



28# Achter Zeitnnm. 

und waren so erschöpft ^ daß sie eine Öeta Piperi ablösen mußte. 
Diese bemerkten einen großen Haufen nachsetzender Türken, und 
da sie in der ihnen unbekannten Qegend Wege und St^e nicht 
kannten ; fürchteten sie eine Niederlage und liefen davon. Die 
Türken gewannen dadurch die gesamte Bejute zurück. Dabei 
wurden gegen 20 Türken getötet oder verwundet. Die Mon- 
tenegriner verloren 18 Mann, darunter den TrebjeSaner Helden 
VukaSin Jokanovid. 



Neunter Zeitraum. 

Montenegro Ms znm französischen Kriege. 

(1796—1806.) 



37. Vorgänge nach der Schlacht von Kruse. 

Nachdem durch die Schlacht bei Krvjie den Albanesen und 
Tiirken ein eo f&rchterlicher Denkzettel erteilt worden war, daß 
es (die kleinen Grenzkriege abgerechnet) bis 1853 zu keinem 
weiteren Versuche der Pforte oder der Vezire von Albanien und 
Bosnien kam, Montenegro zur Zahlung eines Haraö zu zwingen 
oder gar seine Unabhängigkeit anzutasten, konnte sich Petar mit 
der inneren Ordnung des Landes beschäftigen. Vorher hatte er 
aber noch einen sehr naiven Versuch abzuwehren, Montenegro 
mittelbar der Pforte zu unterwerfen. 

Ende 1798 erschien nämlich in Cetinje ein gewisser Graf 
Vuid, ein gebürtiger Pole, doch ursprünglich aus Zenta an der 
Theiß stammend. Er brachte von Eonstantinopel eine aus dem 
Türkischen übersetzte Urkunde, in welcher unter anderem folgendes 
mit der Pforte verabredet war: 

1. Vuiö soll Fürst von Montenegro werden und alle von der 
Pforte ergehenden Befehle befolgen. ' 

2. Das Land soll von der Pforte abhängig sein. 

3. Vuiö verpflichtet sich, der Pforte 300000 Oke (337 600 kg) 
ungewaschene Wolle als Tribut zu liefern. 

4. Im Falle eines Krieges soll Montenegro ein Hilfsheer 
stellen usw. 

Als der Vladika von diesem Vorschlag hörte, riet er dem 
naiven Vuiö, Montenegro unverzüglich zu verlassen, denn wenn 
die Monten^riner seine Absicht in Erfahrung brächten, stünde er 



S83 Neunter Zeitraum. 

für sein Leben nicht gut. Diese Urkunde naiver Unverfrorenheit 
befindet sich noch heute im Archiv von Cetinje. 

Dem Vladika lag besonders am Herzen, die wilden Sitten 
der Montenegriner zu bl^ndigeU; welche sie zu beständigem Blut- 
vergießen in Zwistigkeiten und durch Blutrache veranlaßten. Er 
hatte deshalb schon am 20. Juni 1796 ein Glesetzbuch erlassen; 
das sich bei Lenormant S. 359 wörtlich abgedruckt findet und 
33 Paragraphen umfaßt. Aber den Montenegrinern mißfiel es und 
sie kehrten sich nicht daran. Da setzte der Vladika alles auf 
eine Karte. War er schon früher ungemein beliebt gewesen, so 
stieg nach dem Sieg von Kruse die Volkstümlichkeit zur größten 
Bewunderung und Verehrung. Darauf bauend, erklärte der Vla- 
dika; daß er das Land verlassen und sich nicht mehr um Mon- 
tenegro kümmern würde, wenn nicht sein Gesetzbuch angenommen 
und danach gelebt werden sollte. Und so groß war seine 
Beliebtheit, daß die Montenegriner am 18. Oktober in der Skup- 
stina von Cetinje ausdrücklich erklärten und mit 50 Unterschriften 
der Glavari bekräftigten, daß sie, um der Gefahr vorzu- 
beugen, daß der Vladika sie verlasse, gelobten, das Gesetz- 
buch anzunehmen und sich danach zu richten. (Die diesbezügliche 
eigentümliche Erklärung gibt Medakoviö im Wortlaut auf S. 106.) 
Dieses Gesetzbuch wurde am 17. August 1803 noch durch sechs 
weitere Paragraphen erweitert, steuerte der Blutrache, verwies 
alle Streitigkeiten zur Schlichtung an Gerichte und setzte strenge 
Strafen auf Verletzung christlichen Nachbargebiets (Bocche di 
Cattaro). 

Dies letztere war insofern wichtig, als 1797 die Bocche öster- 
reichisches Gebiet geworden waren. 

Als nämlich Buonaparte der Republik Venedig ein Ende 
gemacht hatte, wurde Dalmatien im Frieden von Campoformio 
(richtiger Campoformido) am 17. Oktober 1797 an Österreidb ab- 
getreten. Nun hatte sich aber Cattaro im Jahre 1410 frei- 
willig an Venedig angeschlossen und zwar unter folgender Be- 
dingung bzw. Vorbehalt: 

„Sollte die Republik Venedig infolge irgendwelcher politischer 
Ereignisse nicht mehr imstande sein, Cattaro zu verteidigen, so 
darf die Republik in einem solchen Falle Cattaro an einen andern 



Vorgänge nach der Schlacht Ton Kruse. S88 

weder abtreten noch verkaufen^ sondern es hat Cattaro jener Frei- 
heit zurückzugeben, deren es sich bisher erfreute/' 

Als deshalb die Bocchesen vernahmen; daß man über ihr 
Schicksal verfUgte, ohne sie zu befragen, wendeten sie sich an den 
Vladika Petar um Bat Dieser riet ihnen, eine vorläufige Begie- 
Tung einzurichten, nebst Miliz, denn dies könnte ihnen im Falle 
der Wiederherstellung der venezianischen Bepublik von dieser 
nicht übel genommen werden. Sollte letztere aber nicht erneut 
werden, so wäre es besser, die. Herrschaft des römischen Kaisers 
anzuerkennen, jedoch unter der Bedingung, daß er jenen 
Vorbehalt annehme, den die Venezianer selbst seiner- 
zeit angenommen hatten. 

Die Bocchesen handelten danach; nur die Bewohner von 
Budva richteten am 14. Juli 1797 folgendes Schreiben an den 
Vladika: 

„ Li, id. 

„Im Namen Christi. Amen. Am Tag des 14. Juli des 

Jahres 1797. 

„Seit undenklichen Zeiten war Budva durch freiwillige 
Unterwerfung an die aristokratische Begierung von Venedig ge- 
kommen und in allen verschiedenen und schmerzlichen Kriegs- 
ereignissen ihr immer treu geblieben. Jetzt, da ihre Begenten auf 
ihre aristokratische Autorität verzichtet haben, übergibt sich die 
Stadt Budva heute feierlich freiwillig und gerne Seiner kaiser- 
lichen und königlichen Majestät Franz II., König von Ungarn, 
Böhmen, Kroatien, Dalmatien usw., von dessen kaiserlicher Huld 
Budva erwartet, jene Vorrechte und Freiheiten zu 
behalten, deren es sich bis heute erfreut hat. Bis aber 
Budva unter den Schutz Seiner kaiserlichen Majestät kommt, 
wählt es zu seinem Beschützer, Verteidiger und Schiedsrichter den 
sehr berühmten Erzbischof und Mitropoliten von Montenegro, 
Petar Petrovid." 

Dieser Akt wurde dann, nachdem er in der Kathedrale feier- 
lich verlesen worden, dem Vladika übergeben, den die Budvaner 
eingeladen hatten, in ihre Mitte zu kommen. 

Am 16. Juli traf Oeneral Baron Bukavina mit einer öster- 
reichischen Flotte in Trogir (Trau) ein, um von Dalmatien Besitz 



284 Neunter Zeitraam. 

zu ergreifen. Ihm folgte Baron Raimund von Thurn, um in 
Dalmatien die österreichische Verwaltung und Gerichtsbarkeit ein- 
zuführen, bei welcher Gelegenheit er dem Vladika mehrere Briefe 
schrieb. In jenem vom 1. August heißt es wörtlich: 

. ,1 Von meinem Hof einen Brief an Eure Herrlichkeit erhaltend, 
und überzeugt von Ihrer edlen Anhänglichkeit an meinen erhabenen 
Souverän in den Ihnen bekannten Angelegenheiten, freue ich mich 
schon im vorhinein über das Vergnügen, welches ich haben werde, 
wenn ich bei meiner Ankunft in den Bocche die letzten Gefühle 
Seiner Majestät als Erwiderung der Ihrigen g^en Seine Majestät 
ausdrücken werde. Bis dahin bleiben die Dinge in Ihren heiligen 
Händen gut aufgehoben.^' 

Am 17. August folgte dann ein anderer Brief folgenden 
Inhalts: 

„Der mir vom hoch würdigen Stefan Vuöetiö eingehändigte 
Brief Eurer Herrlichkeit war mir sehr angenehm ^). Eure Herr- 
lichkeit mag von meiner Loyalität erwarten, daß kein anderer 
Ihnen vor dem Thron meines eiliabenen Herrn vorgezogen wer- 
den wird.'' 

In einem dritten Briefe vom 22. August heißt es: 

„Durch das edle Verhalten Eurer Herrlichkeit gel^entlicb 
der Übergabe Budvas an Seine apostolische Majestät und durch 
das Hissen der österreichischen Flagge daselbst haben 
Sie sich ein Becht auf die Zuneigung und Achtung 
eines jeden treuen Untertanen Seiner Majestät meinea 
erhabenen Herrn erworben und noch mehr der meinigen, 
da Sie mir dadurch die schwierige Aufgabe der Be- 
setzung der Bocche so sehr erleichtert haben." 

Als die Bocchesen sahen, daß es mit Venedig endgültig aus 
sei, sandten sie Abgeordnete nach Eoröula (Curzola) zum Baron 
Rukavina, welcher am 11. /22. August in Cattaro ankam und nun 
mühelos die ganze Bocche besetzte. 

1) Dieser Vntetiö — oder besser Vukotiö — war ans Grbalj in den 
Boccbe und Mönch, welchen die Venezianer wegen seiner übergroBen An- 
hänglichkeit an RuBland 1789 nach Montenegro verbannten, wo ihn der 
Vladika zum Archimandriten weihte und zu Terschiedenen diplomatischen 
Sendungen benutzte. 



Vorgänge nach der Schlacht Ton Kruse. 885 

Aber es währte Dicht lange, und schon im Oktober erschien 
der französische Konteradmiral Brueys (derselbe, welcher bei 
Abukir ein Jahr später Schlacht und Leben verlor — siehe meine 
^^Französische Expedition nach Ägypten 1798 — 1801") 
vor Ragusa und forderte den Baron Thurn, der sich eben in 
Porto Rose in den Bocche befand, auf, die Bocche zu räumen, 
widrigenfalls er ihn dazu zwingen würde. In dieser Verlegenheit 
wandte sich Thum an den Vladika Petar mit der Bitte, „er 
möge doch nicht abschlagen, mit seinen tapferen Mon- 
tenegrinern den Bocche gegen den gemeinsamen Feind der 
Religion und der heiligen gesellschaftlichen Bande Hilfe zu 
leisten; und er möge sich behufs dessen mit Seiner Exzellenz 
dem Befehlshaber Brady oder der nächsten Behörde in Verbin- 
dung setzen '^ Der Brief schloß mit den Worten : 

„Ich empfehle der väterlichen und frommen Sorge Eurer 
Herrlichkeit und Ihren weisen Maßregeln sowohl das gegen- 
wärtig in den Bocche stehende kaiserliche Heer, sowie 
jenes, welches noch kommen wird, im Vertrauen des glücklichsten 
Erfolges." 

Der Vladika tat alles, um den Österreichern ihre Sorgen zu 
nehmen, und Oraf Thum sandte ihm dann am 27. Oktober im 
Namen des Kaisers eine Tabaksdose mit einem Briefe, in dem 
es hieß: 

„Nachdem Sie sich herbeigelassen haben, sofort Ihre Mon- 
tenegriner zum Schutz der von den Franzosen be- 
drohten Bocche zu senden, erlauben mir Eure Herrlichkeit, 
daß ich namens Seiner Majestät deren Zufriedenheit ausdrücke, 
indem ich Ihnen als bleibendes Zeichen derselben eine Porphyr- 
büchse darreiche, die Arbeit eines ausgezeichneten Künstlers, auf 
welcher der Eintrachtstempel in Rom dargestellt ist^ welches Sinn- 
bild vorzüglich zu der von Ihnen bei dieser Gelegenheit ent- 
wickelten Tätigkeit paßt." 

Außerdem bekam noch der Vladika vom Kaiser ein Brillanten- 
kreuz mit Kette von besonders schöner Arbeit, sowie einen kost- 
baren Ring. Aber möglicherweise geschah dies auch später. (Alle 
von mir angeführten Urkunden und Briefe befinden sich im Archiv 
von Cetinje.) 



286 Neunter Zeitraum. 

Auf S. 271 habe ich von den TrebjeSanem gesprochen, welchen 
Jekaterina die angesuchte Auswanderung nach Rußland ver- 
weigert hatte. Am 23. Juli 1796 sandten die Trebjeianer ohne 
Vor wissen des Vladika abermals ihren Srdar Miaa Lazarevid 
nach Rußland, um die Bitte zu erneuern, und dabei waren sie so 
dreist, nicht nur im eigenen Namen zu reden, sondern auch für 
die Bjelopavliöi, Piperi, Moraöani und Euöi, welche doch mon- 
tenegrinische Untertanen waren, um Übersiedlung zu bitten. 

Als IVfina in Rußland anlangte, fand er bereits Kaiser Pavel 
seit 6./17. November regierend vor. Dieser empfing den Srdar 
freundKch, beschenkte ihn mit einer goldenen Medaille und über- 
gab ihm einen Brief, dessen Wortlaut von Milakovi<5 auf S. 167 
mitgeteilt wird. In diesem Briefe, datiert Pävlovsk, 30. April 
1798, versichert der Kaiser die Brdaner seiner Gnade und ver- 
spricht, sobald die richtige Zeit gekommen sein werde. 
Befehle zu geben, daß man der Übersiedlung keine Schwierig- 
keiten in den Weg lege und sie unterstütze. Mit diesem Brief 
zusammen erhielt Mina auch sieben goldene und zehn silberne 
Medaillen für die Glavari. 

Als Mina zurückkehrte, war das Volk so entzückt, daß 200 
Familien sofort Vorbereitungen trafen, nach Rußland auszuwandern. 
Der Vladika, dies vernehmend, fand natürlich, daß eine derartige 
Auswanderung nicht im Interesse des Reiches liegen könne, weshalb 
er sich in Person nach den Brda begab, wo es ihm gelang, durch 
seine Vorstellungen so viele Auswanderungslustige abzureden, daß 
schließlich nur 22 Familien auswanderten und selbst diese erst 
1804^). Weil aber Petar sah, daß der neue Kaiser den Mon- 
tenegrinern wohlgeneigt sei, benutzte er dies, den obenerwähnten 
Stefan Vuöetid (Vukotiö) nach St. Petersburg zu senden, 
um den Car um Unterstützung anzugehen. Darauf erhielt er 
eine von Andriö S. 74 — 75 im Wortlaut gegebene Antwort, in 
der es heißt: 



1) Einen Brief des Vladika aus Stanjeviö vom 14. März 1790 (? [wohl 
1799?]) und einen anderen Tom 17. November 1803 aus Öelija in Piperi gibt 
Medakoviö S. 114—117 im Wortlaut. Beide in der Absiebt geschrieben, 
die törichte Auswanderung nach Rußland zu hindern und das Volk zur Ord- 
nung zu bringen. 



Vorgänge nach der Schlacht Ton Kruse. 287 

9,In Willfahrang Ihres Gesuches vom 19. Mai v. J., welches 
durch den Archimandriten Vukotiö übersendet wurde, bestätige Ich 
allergnädigst das von Unseren Vorfahren , glorreichen Andenkens, 
wie auch das von Uns in den Urkunden ausgedrückte Wohlwollen 
für das montenegrinische Volk. Ich setze voraus, daß von 
selten des römischen Kaisers und der ottomanischen 
Pforte eure gesetzlichen Rechte nicht beeinträchtigt 
werden, wobei Wir, fUr euren Wohlstand sorgend, Unserem 
Gesandten in Wien und dem Minister in Eonstanti- 
nopel befahlen, den genannten Staaten diesfalls Ant- 
worten zu erteilen. 

„Betreffs der Zügellosigkeit der lächerlichen Völker ^), welche 
der Kampf ohne irgendwelches Wissen und Anteil ihrer Regierung 
einigt, so können sie zum Gehorsam gebracht werden; Wir zwei- 
feln nicht, daß das durch Tapferkeit imd Gemeingeist in der 
Führung verstärkte montenegrinische Heer, sie mit Erfolg ab- 
wenden werde ^). 

„Zur Bezeugung Unseres doppelten kaiserlichen Wohlwollens 
gegen das montenegrinische Volk haben Wir allergnädigst an- 
geordnet, daß aus Unserer Kasse, vom 1. Januar 1799 angefangen, 
künftighin jährlich eintausend Dukaten für gemein- 
nützige Zwecke, hauptsächlich für nützliche Anstalten, welche 
christliche Tugenden, die Volksauf klärung und die Landeswohl- 
fahrt fördern, ausgezahlt werden. 

„Gegeben zu St. Petersburg, den 11. Januar 1799 nach 
Christi Geburt, im dritten Jahre Unserer Regierung. 

Der Vizekanzler: p , ^^ 

Victor Koöubej ^) m. p. 



1) Gemeint sind die Franzosen. S. G. 

2) Der Text ist auch im Rassischen so sonderbar, denn es heißt: 
„Kasateljnoze neobozdanosti smjeSnlh narodoT, kojih jedinoje bojstvo bez 
svjakoYO Bvjedjenija i ndastija praviteljstYO ih, na posloSenija pobu2dat mozet \ 
nesomnjevajemsja Mi 6tobi Tojnstvo ^emogorskoje po hrabrosti i jedinomisliju 
sYOJemu ukijepljenih npravljenijem ne bili s uspjehom otvraä&gemi." 

3) Medakoviö, S. 107—108. Bei diesem heißt es im russischen 
Originaltext „Koiabej**, doch gibt Milakoviö den Namen mit „Kotzebue*^ 
wieder, was vielleicht richtiger sein mag, da deutsche Namen in der mssischen 
Bechtschreibung unglaublich verhunzt werden. (Z.B. Heyden in „Gejden".) 



388 Neunter Zeitraum. 

Der Friede hinderte die Montenegriner nicht, beständig mit 
den Türken einen kleinen Grenzkrieg zu führen, der oft nur darin 
seine Begründang hatte, daß die Montenegriner aus Hunger ge- 
zwungen waren, Raubzüge ins tüi'kische Gebiet zu machen, weil 
sie in ihren unwirtlichen Bergen kaum genügend Nahrung fanden 
und die fruchtbaren Ebenen sich im Besitz der Türken befanden, 
welche sie durch Festungen und Forts oder Blockhäuser schützten. 
Ein größerer Streifzug fand 1799 statt, als Radojev Savid mit 
500 Piperi in die Ebene Lukavica bei Strmac einfiel, um diesen 
Weideplatz und den Wald Trebjeä zu besetzen. Es entspann sich 
mit den dortigen Türken ein Gefecht, während welcher Zeit Ra- 
dovan Stakov 5000 Stück Kleinvieh und 1000 Pferde und Ochsen 
als Beute heimtrieb. Die Türken setzten ihm in großer Anzahl 
nach und machten unter der Führung ihres BuljukbaSä HadSi- 
Mu§o sogleich einen beherzten Angriff. In diesem Augenblicke 
erhielten die Montenegriner Verstärkung durch die Einwohner von 
Lijeänja und Duboko, und so schlugen sie nicht nur den Angriff ab, 
sondern sie hieben auch den genannten Buljukbasi nieder. Dies 
entmutigte die Türken so sehr, daß sie den Rückzug antraten. 

Die Montenegriner hatten nur einen Verwundeten, die Türken 
hingegen sollen nach ihrer eigenen Aussage 31 Tote und einige 
Gefangene verloren haben. 

Radojev Savid selbst, ein durch Tapferkeit bei verschiedenen 
früheren Kämpfen ausgezeichneter Mann aus Stijena, hieb mit 
eigener Hand 24 Türken nieder. Er lebte noch 1853 als Greis 
und mit zahlreichen Wunden bedeckt. 

Nach dem Gefecht an der Mora6a (1795) hatten sich die 
Türken von Nikäid und Kolaäin gezwimgen gesehen, die Uskoken 
um Frieden zu bitten. Sie erneuerten jährUch den Waffenstill- 
stand, welcher gewöhnlich vom Georgitage bis zum heiligen Dimitri 
dauerte. In Winterszeiten hatten beide Teile voneinander nichts 
zu befürchten. 

Der lange Aufenthalt der Uskoken in der Moraöa hatte auf 
die Losreißung von Ober- und Unter- Morada, Rovci, Vasojeviöi, 
Bratono2i6i, Kuöi und einen Teil von Drobnjak solchen Einfluß, 
daß der Sultan dem Vezir von Bosnien eine Versöhnung der 
Türken mit den Uskoken anbe£Eihl. Diese Aufgabe wollte Sinän 



Vorgänge nach der Schlacht von Krase. 289 

Pa§ä Sijeröid mit dem Erzbischof von der Hercegovina Anania 
lösen. Es wurde bei einer gemeinschaftlichen Zusammenkunft des 
Sinän Pasä in Onogoit mit den Abgesandten Miiovan Dipid, 
Mit. Balid, Rista Vojvodpvid und Ilija Klajid im Jahre 1801 ein 
schriftlicher Vertrag abgeschlossen und die Abgesandten kehrten 
zu den Uskoken zurück. Als diese vernahmen ; wie sehr die 
Türken von Onogost noch erbittert seien, beschlossen sie, niemals 
in ihre Heimat zurückzukehren, sondern lieber auszuwandern, denn 
der zwölQährige Kampf mit den unruhigen Türken belehrte sie, 
daß der Friede nur auf dem Papiere bleiben würde. 

Im Jahre 1802 reichten die Einwohner von Grbalj bei Cat- 
taro mehrere Beschwerden beim Vladika von Montenegro ein und 
beschwerten sich über Druck. Die Antwort des Vladika enthielt 
nach einer von Andrid S. 77 wiedergegebenen Urkunde folgende 
Stellen : 

„Die unbeschreibliche Tyrannei und WUlkür eurer Despoten, 
vorzüglich des Boäkovid und Ljubanovid, wonach sie fremdes Orund- 
eigentum immer mehr an sich rissen, bewog viele eurer Mitbürger, 
beim Herrn General und Zivilgouverneur Brady Schutz und Ge- 
rechtigkeit anzuflehen. Da sie weder Barmherzigkeit noch 
Trost fanden, sahen sie sich genötigt, zu mir als ihrem geist- 
liehen Oberhirten sich weinend zu wenden und mich bei den 
Wunden Christi zu beschwören, ich solle sie entweder bei dem 
genannten Befehlshaber empfehlen, damit er einen gnädigen Blick 
auf ihre Gerechtsame werfe und ihnen den gebührenden Rechts- 
schutz angedeihen lasse, oder ich möge ihnen den Durchzug durch 
Montenegro erlauben, damit sie sich mit Weib und Kindern in die 
Türkei (!) flüchten können. 

„Ich habe über meine Hirtenpflicht nachgedacht und die 
möglichen Schicksale, welche sie bei ihrer Auswanderung in die 
Türkei ereilen könnten, erwogen imd hiernach die Erlaubnis hierzu 
verweigert. Inzwischen ließ ich es nicht an Empfehlungen bei dem 
Generalkommandanten fehlen. Da aber keine k. k. Gesetze, son- 
dern Gesetze von Cattaro über euch gebieten, waren meine Emp- 
fehlungen unnütz. Euer größter Feind ist das Geld, welches eure 
Despoten aus dem mühevoll geftQlten Beutel erpressen, imd so 
bleibt euch nichts übrig, als in gegenseitiger Ruhe und Liebe zu 

Gopöeylö, Montenegro nnd Albanien. 19 



290 Neunter Zeitranm. 

leben und den allgemeinen Frieden nicht zu stören, bis eure ge- 
rechten Beweggründe vor den k. k. Hof gelangen, von dem ihr 
mit Grund Onade, Oerechtigkeit und Schutz hoffen könnt Ich 
beschwöre jedermann beim lebendigen Gott und bitte ihn, sich 
aller Ruhestörungen und Eüagen zu enthalten und alles dem neuen 
königlichen Befehle oder Rechtsgesetze und seinem Spruche anheim- 
zustellen. Es wird dann jedermann freistehen, seine Gründe dem 
königlichen Gerichte vorzutragen, und nicht vor das Gericht 
zu Cattaro, welches mit Ausnahme des Goldes und 
Silbers in seiner Habsucht keine Gerechtigkeit findet. 
„Ich weiß, daß euch eure Despoten und Grundherren von 
Cattaro , Empörer' nennen, wie sie selbst es sind, und daß sie mit 
Kommissaren drohen, die euch würgen sollen, während sie selbst 
im Bewußtsein ihrer Taten sich vor solchen fürchten. Sie zittern 
vor solchen Kommissaren, welche, Gott gebe es, zu eurem Schutz 
und Glück, wie sie es vorgeben, erscheinen möchten. 

Euer Gönner 
„Staojeviö, im JuU 1802. ^j^^^ p^^ ^ ^, 

Daraus sieht man, daß die Bocchesen mit der neuen öster- 
reichischen Herrschaft nicht zufrieden waren und der Vladika 
beschwichtigen mußte. Um so empörender ist es, daß dann 1803, 
als der Vladika Vertrauensmänner nach Cattaro sandte, um sich 
mit dem russischen Konsul Karl Fontana in eigenen Angelegen- 
heiten zu besprechen, sie von der damaligen österreichischen 
Landesverwaltung unter dem Verwände zurückgewiesen wurden, 
daß Österreich die Regierung von Montenegro und 
Brda nicht anerkenne ^) (!!!). — Wieder „Dank vom Hause 
Österreich"! 

Trotz aller Bemühungen des Vladika und der Zusagen des 
Volkes, Friede und Eintracht unter sich zu halten, dauerten mittler- 
weile dennoch die inneren Zwistigkeiten fort. Zwei Montenegriner, 
die sich gegen die Gesetze vergangen hatten, wurden erschossen, 
aber dies nützte nichts, denn nicht nur währte die Blutrache 
weiter, sondern auch die Streifzüge gegen christliche Stammes- 
genossen in der Hercegovina und selbst den Bocche. Deshalb 

1) Medakoviö, S. 107—118. 



Vorgänge nach der Schlacht Ton Kruse. 291 

fand sieb Petar veranlaßt, am 23. Februar 1800 aus Stanjevid 
einen herzbew^enden Aufruf an die Montenegriner zu senden, 
den man bei Medakovid S. 109—112 im Wortlaut findet und 
den niemand lesen kann, ohne von Bührung erfaßt zu werden. 
Alle Saiten schlägt der edle Erzbischof an, welche die Herzen 
seiner Montenegriner rühren konnten: Berufung an ihre Vater- 
landsliebe (weil sie durch ihre inneren Zwistigkeiten die Frei- 
heit gefährden), Brüderlichkeit (sie sollen den christlichen 
Stammesgenossen im Auslande nichts rauben und das Geraubte 
zurückstellen, auf daß es nicht ihre Seelen belaste, weil dies eine 
große Ungerechtigkeit sei), Christentum (weil ihr Vorgehen 
gegen die göttlichen Lehren streite), ihre Liebe zu ihm selbst 
(da sie ihn sonst tief betrüben würden), kurz, der Aufruf ist ein 
kleines Meisterwerk. Weil er aber auch nur für kurze Zeit nützte, 
fand sich Petar veranlaßt, für den 17. August 1803 eine Skup- 
stina nach Cetinje einzuberufen, auf der nicht nur das bestehende 
Gesetz erweitert, sondern auch die Errichtung eines „Kulük^' 
genannten Gerichts angeordnet wurde. (Die Urschrift des Gesetzes, 
vom Vladika selbst geschrieben, befindet sich im Archiv von Ce- 
tinje und ist in A. N. Popovs 1847 zu St. Petersburg erschie- 
nenem Werke „Puteiestvije v Öemogoriju" [Reisen in Montenegro] 
wiedergegeben. Auch Medakovid gibt es in einem Anhang.) 

Die Annahme dieser Gesetze durch das Volk war aber nur 
eine theoretische. So z. B. besagte § 20, daß jedes Haus 60 Pard 
(25 Pf.) jährlich zum Unterhalt der Richter zahlen sollte. Als es 
aber zum Zahlen kam, erklärten die biederen Montenegriner ent- 
rüstet, daß dies geradeso wäre, wie den Türken HaraS zu zahlen, 
und daß Steuerzahlen in Montenegro grundsätzlich unbeliebt sei ^). 
In diesem Widerstand wurden die Leute durch ihre Glavari be- 
stärkt, welche ihnen sagten, daß, wenn schon gezahlt werden solle, 
dies besser an die Türken geschehe, weil man dann wenigstens 
vor diesen Ruhe hätte. In Wirklichkeit aber war es den Glavari 
nur darum zu tun, ihre Herrschaft nicht zu verlieren, wenn der 

1) Dieselbe Abneigung gegen Steuersablen haben auch die Albane- 
sen, wie ich in meinem jüngsten Werke „Das Fürstentum Albanien" 
nachwies und damit eine der yielen Hauptschwierigkeiten gedeihlichen Regie- 
rens in Albanien begründete. 

19* 



292 Neunter Zeitraum. 

Richter dann mehr zu sagen hatte, als sie selbst. So konnte also 
das arme Montenegro noch immer nicht zu geordneten Verhält- 
nissen kommen. 

Als Petar sich mit Rußland wegen Unterstützung in der 
Frage des Oerichts und der Erziehung von Montenegrinern im 
Auslände in Verbindung setzen wollte und zu diesem Zwecke Ab- 
gesandte an den russischen Konsul Fontana sandte, erfuhren 
diese die obenerwähnte Demütigung der Zurückweisung in Cat- 
taro, „weil Osterreich die Regierung von Montenegro nicht an- 
erkenne'M (die es aber sechs Jahre zuvor so inständig um 
Hilfe gegen die Franzosen und um Unterstützung bei der Be- 
setzung der Bocche angerufen hatte!). Die Montenegriner schrieben 
daraufhin dem Statthalter von Cattaro, y^daß er gut täte, sich 
nicht so patzig zu machen, denn Gott pflege diejenigen zu de- 
mütigen , die sich erheben, und jene zu erhöhen, die sich ernie- 
drigen '^ Der Vladika hatte aber zu tun, die Montenegriner zu 
verhindern, auf österreichisches Gebiet einzubrechen und die De- 
mütigung der Österreicher selbst in die Hand zu nehmen ^). 

38. Zerwürfnis zwischen Montenegro und Rufiland. 

Nicht genug, daß Osterreich nach dem Spruch handelte: 
„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen'', 
auch Rußland kam mit Montenegro in Zwist — allerdings nur 
infolge von Ränken, deren Schilderung ich nachstehend nach 

1) Lenormant behauptet, daB im Gegensatz zu Osterreich sogar 
der Sultan SeUm III. Montenegros Unabhängigkeit ausdrücklich an- 
erkannte, weil er fürchtete, sie könnten den Pasvän Oglu Paiä Ton Vidin 
unterstützen, der sich unabhängig erklärt hatte. In dem Fermän hieBe es 
wörtlich: „Da Montenegro niemals der Botmäßigkeit unseres 
Hofes unterworfen war, so befehle ich euch (den Pafiäs der an Mon- 
tenegro grenzenden Länder), daß ihr die Montenegriner friedlich auf unser 
Gebiet zulasset, so wie ich hoffe, daß .auch meine Untertanen seitens der 
Montenegriner unangefochten bleiben." Stieglitz meint jedoch, der Fer- 
man sei eine offenbare Fälschung. Andernfalls wäre es allerdings eine blu- 
tige Ironie, wenn die Türkei die Unabhängigkeit Montenegros zu einer 
Zeit anerkannt hätte, zu welcher sie ihm von Osterreich abgesprochen 
wurde, für dessen Interessen die Montenegriner sich seit 
15 Jahren fortwährend geopfert oder eingesetzt hatten! 



Zerwürfnis zwischen Montenegro and RuBland. S9S 

Andrid deshalb aoBfUhrlich wiedergebe, weil sie die Mythe von 
der monteDegrinischen unbedingten Gefolgschaft gegen Rußland 
zerstört und in mehrfacher Beziehung lehrreich ist. 

Das Jahr 1804 brachte gefährliche Ränke , welche auf den 
Sturz des Vladika Petar I. berechnet waren. Der Anstoß kam 
vom obenerwähnten Archimandriten VuSetiö, der als Gesandter 
nach St. Petersburg gesendet worden war, um über den vom Vladika 
Petar I. erfochtenen Sieg bei luruse Bericht zu erstatten und dem 
Kaiser Paul zwei wertvolle Pistolen als Trophäen, welche in dieser 
Schlacht erbeutet wurden, zu überreichen. VuöetiiS überreichte die 
Pistolen im eigenen Namen und verbreitete über seinen Wohl- 
täter die gröbsten Verleumdungen, derart, daß der Kaiser sich be- 
wogen fand, den Grafen Iveliö mit der Vollmacht herabzusenden, 
den Mitropoliten zu verhaften (!) und über Corfü, wo sich die 
russische Flotte befand, nach Sibirien zu befördern. (!) In Cattaro 
angelangt, besuchte Iveli<5 seinen Bruder, den Erzpriester in Risanj, 
dem er im strengen Vertrauen eröffnete, daß er Vollmacht habe, 
den Mitropoliten abzusetzen und an seine Stelle den Vuöetiö als 
Leiter der geistlichen Angelegenheiten einzusetzen, erselbst aber 
werde als Oberhaupt die politische Leitung des Lan- 
des übernehmen. (!) Da der Erzpriester die Tragweite dieser 
Unverschämtheit erkannte, unterließ er nicht, den Vladika davon 
in Kenntnis zu setzen. 

Ivelid berief den Vladika nach Cattaro, um kaiserliche Ukäze, 
die er mitgebracht habe, daselbst in Empfang zu nehmen. Der 
Vladika hütete sich, in die Falle zu gehen, weil Cattaro öster- 
reichisch war, daher er Ivelid, wie es gebräuchlich war, nach 
Cetinje oder doch in das Kloster Majna zu kommen einlud. Als 
Iveliö die Erfolglosigkeit seines Versuches, sich des Vladika zu 
bemächtigen, bemerkte, schleuderte er aufrührerische Aufrufe unter 
die Montenegriner, wie dies imter anderem die nachstehenden zwei 
Briefe beweisen: 

„Dem wohlgebomen Herrn Srdar Joko, und dem Herrn 
Pfarrer Savo Plamenac, dann dem Stamme Boljevid, freund- 
lichen Gruß! 

„Ich mache euch bekannt, daß ich hierher gekommen bin, ge- 
sendet vom großen Herrn und Caren, dem russischen Kaiser, von 



294 Neunter Zeitraum. 

welchem ich ein allerhöchstes Manifest für das Volk und den Befehl 
erhalten habe, den ihr von mir schon hören werdet. Ich verkünde 
euch diese kaiserliche Gnade ; jetzt ist eine glückliche Gelegenheit 
für euch. Denn es ist mein und euer großer Herr und Kaiser 
Aleksandr I. von eurer Treue zum russischen Throne vollkommen 
überzeugt, was auch eure Vorfahren stets bewiesen haben. Sendet 
daher, sobald ihr diesen Brief bekommet, zwei verläßliche und ehr- 
liche Männer, damit ich mit ihnen rücksichtlich des kaiserlichen 
Befehles mich besprechen kann, wo sie dann alles von mir Gehörte 
euch sagen werden. Bleibt gesund. 

„Kotor, den 14. Februar 1804." 

Gleichlautende Schreiben wurden auch an die übrigen Nahijen 
versandt ; nur das nach Bjelopavlidi und Piperi lautete anders, und 
zwar wie folgt: 

„Von mir, Generalleutnant Graf Marko Iveliö, russischem 
Gesandten für diese Gegenden, dem wohlgebomen Herrn in den 
Brda, Srdar Mihail BoSkovid, freundlicher Gruß! Wisse, es 
sind beinahe drei Monate, seit ich mich in Kotor befinde. Von 
allen Nahijen erschienen Häuptlinge bei mir, um das kaiserliche 
Manifest zu sehen, und den Befehl zu vernehmen, nur aus den 
Brda niemand. Und doch ist das Manifest fär die Bewohner der 
Brda ebenso, wie für das übrige Land gesendet Bist du auf der 
Seite des großen Caren von Moskau, und wünschest du unter dessen 
Schutze zu bleiben, so nimm gleich nach Empfang dieses Schreibens 
einen dem Moskauer Caren ergebenen Häuptling mit, imd komme 
zu mir nach Kotor oder Bisanj sobald als möglich. Handle nicht 
anders, wenn du dir und den Brdanem Glück wünschest, damit 
sie nicht in ewiger Gefahr schweben, denn ich habe mit dir über 
große Angelegenheiten zu sprechen. Ich habe bereits zwei Briefe 
von dem Vezir von §kodra erhalten, der ein zahlreiches Heer 
sammelt; ebenso vom bosnischen Vezir und andere Zabits der 
Hercegovina. Bleibe gesund. 

„Den 21. März 1804.'^ 

Diese Briefe sprechen fUr sich selbst. Die Regierung von 
Montenegro, welche von den Umtrieben des Ivelid Kunde erhielt, 
erließ an denselben nachstehende Note: 



ZerwärfiuB zwischen Montenegro und RuBland. S9ft 

yyVon der Regierung Montenegros Seiner Exzellenz dem General- 
leutnant und Ritter Oraf Marko Ivelid. 

yyEs ist der Regierung Montenegros bekannt, daß Sie nach 
Kotor im Bereiche des österreichischen Oebietes, als Gesandter 
Seiner Majestät des Selbstherrschers von Rußland, unseres Be- 
schützers, gekommen sind, um uns hohe Manifeste zu verkünden, 
die für unser Volk kaiserliche Onaden enthalten. Beinahe zwei 
Monate hindurch warten wir mit Ungeduld auf Ihre Ankunft, um 
den Beweggrund Ihrer Sendung zu kennen, und in welcher An- 
gelegenheit Sie gekommen sind. Es wundert uns, daß Sie sich 
in Eotor solange aufhalten, wo Sie nichts als die größten Lügen 
gegen uns vernehmen können. Diese Lügen sind dort eingewurzelt; 
man hat keinen Grund dazu, sondern es ist Neid, und zwar des- 
halb, weil wir uns nicht dem Schutz ihres Hofes unterwerfen 
wollten. Wie konnten wir eine österreichische Schutzherrschaft 
annehmen, da doch unsere Vorfahren zur Zeit Peters des Großen 
unter dem hohen Schutze des russischen Hofes gestanden sind, der 
uns in religiösen und nationalen Interessen so nahe steht? Anders 
ist es mit Höfen, die mit ims in dieser Beziehung nicht verwandt 
sind; daher kann unser Volk diesen Wechsel der Schutzherrschaft 
niemals eingehen, selbst wenn es eine günstigere Gelegenheit dazu 
haben sollte. Wir haben außer der Freiheit, die unsere Vor£Eihren 
durch ihre Tapferkeit und eigenes Blut erworben, keinen Überfluß 
oder sonstigen Reichtum; wie könnten wir uns dazu verstehen? 
Wir verteidigen nur unsere Freiheit; geht diese verloren, so achten 
wir auch den Wert des Lebens nicht, das sonst das liebste Gut 
ist. Das gegenwärtige Erscheinen des Stefan VuöetiiS in der 
österreichischen Stadt Eotor, der laut seinen aufge£Etngenen ge- 
heimen Briefen das Volk zu sich ladet, ist uns rätselhaft; wir 
wissen nicht, welche Absichten ihn dahin führten. Aus seinen 
Briefen ist ein lügenhafter, aufrührerischer, feindseliger und giftiger 
Geist zu entnehmen. Er erlangte seine Würde von unserem großen 
Herrn Mitropoliten Petar Petroviö, der ihn wohlwollend und 
aus Herzensgüte unter seinen Schutz nahm, als jener aus der 
Provinz Grbalj entwich, welche damals Venedig angehörte und 
nun Osterreich zugeüHen ist. Die venezianische Regierung ver- 
langte dessen Bestrafung fiir verschiedene Missetaten mit dem 



S96 Neunter Zeitranm. 

schmachvollsten Tode, und nun häuft dieser schändliche und 
gottlose Verbrecher Vuöetid Schimpfreden auf unser Volk und 
seinen Wohltäter. Bei der Republik war er Hochverräter, in 
Österreich Wühler und Aufrührer, und bei uns ist dieser Flücht- 
ling und Abschaum der Menschheit ein Verleumder. Wir melden 
daher Ihnen als russischem General und Ritter, auf daß Sie hin- 
sichtlich des Vu5eti<5 wahrheitsgemäße imd zweckdienliche Maß- 
regeln ergreifen möchten, weil wir demnächst Seiner kaiserlichen 
Majestät, dem Selbstherrscher aller Russen, Oesandte zu senden 
gedenken, welche ihm über unsere gegenwärtige neubegründete 
Ordnung, Ruhe und Eintracht, dann über sonstige Ereignisse 
mündliche Aufschlüsse geben werden. 

„Cetinje, 6. März 1804." 

Nachdem diese treffliche Note an Iveli<5 abgesendet worden war, 
wurde eine Bannbulle d.d. Stanjevid, 6. März 1804, vom Vladika 
Petar I. an den Archimandriten Vuöetiö, der sich selbst Vukotiö 
nannte, abgesendet, worin dieser aller seiner geistlichen Ehren und 
Würden entsetzt wurde. Die Mitteilung dieser Urkunde, welche 
die Gründe der Absetzung enthält, ist für den deutschen Leser 
ohne besonderes Interesse, daher übergehen wir sie gänzlich. 

In einer zweiten kräftigen Note an Ivelid d. d. Cetinje, 1. Mai 
1804, widerlegt die Regierung von Montenegro alle gegen sie 
vorgebrachten Anschuldigungen, weist die Einmischung des Aus- 
landes in die inneren Fragen der Verwaltung des Landes als un- 
statthaft ab und verlangt schriftliche Weisungen, weil Mon- 
tenegro unter solchen Umständen keine mündlichen Aufträge 
annehmen könne. 

Dieser Briefwechsel berührte noch inmier die Hauptsache 
nicht ; endlich erhielt die Regierung von Montenegro einen Abdruck 
des dem Volke von Ivelid mitgeteilten kaiserlichen Ukäzes 
und des russischen Sjnodalschreibens, welche folgender- 
maßen lauten: 

„Von Gottes forthelfender Gnade Wir Aleksandr L, all- 
russischer Kaiser und Selbstherrscher usw. 

„Den wohlgebomen und ehrsamen Herren des slavisch-serbi- 
schen Gebietes von Montenegro und der Brda, den Guvematuren, 



Zerwürfiiis zwischen Montenegro und RuBIand. S97 

Vojvode, Enezovi, Srdari, wie auch den geistlichen and weltlichen 
Bdehlshabern Unsere kaiserliche Gnade und Unser Wohlwollen. 

,;Wir haben das Volk von Montenegro und der Brda, welches 
mit Uns eines Stammes, einer (?) Sprache und eines Olaubens 
ist, nach dem Beispiele Unserer früheren berühmten Vorgänger 
unter Unseren großen und mächtigen Schutz gestellt, und hören zu 
keiner Zeit auf, für euer Wohl zu sinnen, unsere Gtedanken zar 
Beschützung vor Feinden, vor jedem Trübsal imd Übel, auf euch 
zu lenken, wie auch, um die listigen Absichten eurer inneren 
Feinde hintanzuhalten. Ich habe mich in derlei Oedanken ge- 
irrt, denn ich erfahre, daß es unter euch einige aus fremdem Lande 
gibt, welche als unversöhnliche Feinde der slavlschen Sprache und 
des slavischen Glaubens betrügerisch und herrschsüchtig genug 
sind, um nicht nur die Freiheit, sondern auch den Glauben im 
Lande und euer gesamtes Volk auszurotten (!). Unser Wunsch 
geht dahin, von euch eine solche Gefahr abzuwenden. Wir haben 
Uns daher bewogen gefunden, einen Vertrauensmann, Unseren 
Generalleutnant Grafen Iveli<5, nach Montenegro mit der Ver- 
ordnung und dem Auftrage zu senden, das dortige Volk Unserer 
steten Gnade zu versichern, demselben die bevorstehende Gefahr 
mitzuteilen und zu entdecken, und für den Fall, daß ihr nicht 
folgen wolltet, wieder den Weg und die Mittel zeigen, so für euren 
Buhm und euer Glück gemacht wurden. Wir hoffen, daß das alle- 
zeit getreue Volk von Montenegro und der Brda die gegenwärtige 
Gnade Unserer für sein Wohl bestimmten Gedanken herzlich emp- 
fangen und alles glauben wird, was der genannte Graf Ivelid in 
unserem Namen zu euch sprechen wird. 

„Gegeben in Unserer Residenzstadt des heiligen Peter am 
2. Oktober 1803 nach Christi Geburt, im dritten Jahre Unserer 
Regierung. 

„Graf Aleksandr Vorancöv, Großkanzler. Aleksandr." 

Dieser Ukäz wäre erträglich gewesen und erregte weniger 
den Unmut der Montenegriner, als das Synodalschreiben, 
welches in einer Übersetzung unter den Feinden des Vladika umlief, 
ihm aber nicht amtlich zugestellt wurde. Den Wortlaut 
findet man bei Andri<5 S. 83 — 85, und welche Unverschämtheiten 



898 Neanter Zeitraum. 

es enthielt; kann man aus der gebührenden Antwort ersehen, welche 
Andrid S. 85 ~ 93 im Wortlaut gibt und deren bemerkenswerteste 
Stellen folgendermaßen lauten: 

yyVon der Begierung von Montenegro und der firda, dem 
Generalleutnant Graf Marko Ivelid. 

99 Wir haben ein Schreiben des heiligen Synods, welches bei 
Ihnen geheim gehalten, aber dem Volke in Abschrift; mitgeteilt 
wurde, erhalten. Es enthält Ausdrücke, welche das Volk von Mon- 
tenegro und der Brda sehr unangenehm berühren, weil die heiligen 
russischen Väter aus Verleumdungen und ungegründeten Zuträgereien 
gegen unseren Erzbischof ohne weiteres Schlüsse ziehen. Sie gebieten 
ihm, daß er sich vor das Sjnodalgericht stelle und sich daselbst 
rechtfertigen solle. Aber bevor noch dies geschehen, erklären ihn 
die heiligen Väter der Synode bereits der erzbischöflichen Würde 
unwürdig und legen ihm eine zweifache Buße auf. Die diesf&lligen 
Anschuldigungen sind unwahr. Die heiligen Väter des Synods 
berücksichtigen nicht unsere Anhänglichkeit an unseren Erzbischof, 
seine Vaterlandsliebe und Gesinnung für den allergnädigsten Be- 
schützer, dann seine Unschuld, welche durch Verleumdung an- 
gegri£Pen wurde, sondern setzen uns ohne Umstände von der wür- 
digeren Wahl eines Erzbischofes an die Stelle unseres gegenwär- 
tigen guten Oberhirten in Kenntnis. Sie tadeln den letzteren 
wegen einer religionsfeindlichen Absicht und seines Einverständ- 
nisses mit den Feinden des Vaterlandes und nennen ihn einen 
Verräter, ihn, der doch so gut ist und einen heiligen Lebens- 
wandel führt! . . . 

„Unabhängig von jeder Oberherrschaft gehorchten 
wir unseren Mitropoliten als Oberhirten und folgten ihrem 
Rate und ihrer Leitung. Sie waren es, welche uns zur Vertei- 
digung der Freiheit und zum unerschütterlichen Verharren in der 
orthodoxen Religion aneiferten. Unser gegenwärtiger Erzbischof 
leistet in dieser Beziehung mehr als irgendeiner seiner Vor- 
fahren. . . . 

„Warum beweist der heilige russische Synod nicht in neuester 
Zeit das eigentümliche Mitleid der heiligen Väter mit der furcht- 
baren Ausrottung des Christentums in Türkisch-Serbien, wo 
die gottergebenen Priester mit dem Schwerte getötet zu werden 



Zerwürfnis zwischen Montenegro und Boßland. S99 

pflegen? Dort benötigt die gedrückte orthodoxe Christenheit 
großen Schutz und Hilfe; wir brauchen sie nlcht^ indem 
wir, Gott sei Dank, von niemand Druck empfinden; 
wir genießen unter der Regierung unseres guten Erzbischofs Frei- 
heit im vollsten Maße. . . . 

lyWir, das Volk von Montenegro und der Brda, stehen in 
keinem Untertanenverliiatnis zu dem rassischen Kaiserreiche^ 

sondern nur unter seiner moralischen Schutzherrschaft, 
weil wir Stammverwandte sind und einen Glauben haben, sonst 

ans keiner andern Ursache. 

„Wir hegen Herzlichkeit, Anhänglichkeit und Treue zum 
russischen Hofe und wollen dieselbe ewig bewahren. Rußland 
könnte uns zwar von sich stoßen, was wir indes nicht erwarten. 
Zugegeben auch diesen Fall, so bleiben wir insolange Rußland 
treu und geneigt, als dort der orthodoxe Glaube herrschend ist, unter 
der Bedingung jedoch, daß wir mit den Einwohnern Rußlands 
kein Untertanenverhältnis zu teilen wünschen. Wir wer- 
den unsere von den Vorgängern ererbte Freiheit auf 
das äußerste verteidigen und eher mit dem Schwerte 
in der Hand sterben, als uns irgendwelcher Macht 
in schändliche Sklaverei übergeben. Ehre, Ruhm und 
Glück können wir von unwahren Versprechungen nicht erwarten, 
sofern Sie sich mit so unschicklichen Absichten herum- 
tragen, wie die sind: bei dem Betreten unseres Gebietes un- 
seren Erzbischof, der kein russischer Untertan ist, 
einsperren zu lassen und ihn vor ein Synodalgerich't 
zu stellen! . . . 

„Wir, das Volk von Montenegro und der Brda, waren nie- 
mals russische Untertanen. Solche Fragen sind gegen uns 
nicht ratsam, denn wir erkennen die Schutzherrschaft nur 
aus Neigung zur Religionsgleichheit an. Wir haben uns 
weder vertragsmäßig noch gegen Vorrechte unterworfen; 
folglich haben wir in der Regel gar keine Schutzherrschaft. 
Indessen versichern wir Ihnen aufrichtig, daß vermöge der Ver- 
bindlichkeit und Neigung zum russischen Hofe, falls seine flind un- 
sere Nachbarn mit Rußland Krieg fuhren sollten (was Gott ver- 
hüte), wir ohne Zweifel einen gleichzeitigen Nebenangriff machen 



800 Neunter Zeitraam. 

und ebenso wie unsere Urväter gegen russische Feinde bis zum 
letzten Blutstropfen kämpfen würden, ohne übrigens einer 
andern Verbindlichkeit unterworfen zu sein. 

lyWollten Sie über die k. k. Grenze eine feindliche 
Kundgebung gegen unser Land wagen, so würden wir 
derselben mit der uns eigentümlichen Kriegskunst ent- 
gegentreten und dem Feinde den Eintritt in unser 
Land verwehren, sei er^ wer er wolle. 

„Die Vergangenheit lehrt uns, daß wir, wenn wir 
auch Ihren Versprechungen und heiligen Schwüren 
trauen wollten, sicher ebenso' wie früher betrogen 
wären, aber es wäre dies lEre letzte Lüge und viel unglück- 
seliger als die erste. Wir können Sie bei solchen Vorsätzen in unser 
Gebiet gar nicht einlassen, noch können wir Befehle 
oder sonstige Verordnungen annehmen. ... 

„Cetinje, 3. Juli 1804 am allgemeinen Landtage. 

Der Guvematur: 
Vuk Radonjid m. p.*' 

Wie schon oben erwähnt, hatte die Regierung beschlossen, 
einen Bericht an den Garen zu erstatten. Derselbe findet sich bei 
Andrid S. 93 — 96 im Wortlaut. Folgende Stellen seien hervor- 
gehoben : 

„Wir sind über den Ivelid sehr erbittert, weil er noch seit 
1788, als er kaiserliche Aufrufe behufe Ergreifung der christlichen 
Waffen gegen die Türken veröffentlichte, bei uns im Andenken 
ist, wobei er heilig schwor, daß wir nach beendig- 
tem Kriege glücklich sein werden. Auf seinen Schwur 
bauend, fingen wir mit den Türken den Krieg an, Ivelid aber 
verfügte sich zu seinen Verwandten, zum Schaden der für Kriegs- 
zwecke bestimmten Kasse. Er baute seinen Verwandten groß- 
artige solide Häuser und trieb während des Krieges Handel. 
Auf solche unerlaubte Art bereicherte er sich sehr, 
ließ sich falsche Zeugnisse des Wohlverhaltens gegen Bezahlung 
anfertigen und empfahl sich durch Bestechungen für Würden und 
Orden, die er auch durch Betrug erlangte; wir aber, die wir 
gegen den Feind Blut vergossen, blieben unbelohnt 



Zerwürfiiis zwischen Montenegro und Baßland. 801 

und vom Ivelid betrogen, obschon wir alle Kriegs- 
kosten aus Eigenem bestritten. 

y, Viele seiner Drohungen waren sehr verletzender Art. So 
äußerte er sich gleich nach seiner Ankunft in Kotor stolz, daß er ver- 
möge der in Händen habenden Verhaltungsmaßregeln und auf Be- 
fehl des heiligen Synods nach Montenegro gehen, unseren Erz- 
bischof verhaften und nach Sibirien in lebenslängliche Verbannung 
führen werde. 

„So ein schändliches Benehmen des Iveliö verursachte, daß 
wir jede Verbindung mit ihm abgebrochen haben. Unser Erz- 
bischof hat nicht verdient, daß man in seinem unabhängigen 
Lande mit ihm so herrisch verfahre. Solange wir leben, ist 
keine menschliche Macht imstande, ihm eine solche 
Schmach anzutun. 

„Unser Mitropolit stand niemals unter den Befehlen des 
russischen Synods, sondern nur unter der moralischen Schutz- 
herrschaft Eurer kaiserlichen Majestätl Ohnehin wurden wir 
bisher von niemandem beschützt. Statt des mächtigen 
Schutzes fangen wir an, eine mächtige Verfolgung zu er- 
leiden. Der heilige Synod hat nur innerhalb der russischen 
Reichsgrenzen über die Erzbischöfe Gewalt, jene, welche außer- 
halb dieser Grenzen sind, sind ihm nicht unterworfen, mithin 
hat er mit unserem Erzbischofe nichts zu tun. . . . 

Der Guvematur: 
Vuk Radonjid m. p." 

Folgen die Unterschriften der Glavari ^). 

Infolge dieser Vorstellungen sandte der Gar einen geborenen 
Russen, den Hofrat Mazurevski, mit dem Auftrag, die Voll- 
macht dem Ivelid abzunehmen, der auf diese Art in Ungnade fiel. 
Mazurevski überzeugte sich von den Erdichtungen und falschen 
Anschuldigungen des Ivelid vollkommen, schlug aber zur besseren 
Überzeugung dem Kaiser vor, noch einen Kommissar zur Unter- 
suchung zu senden. Es wurde hierzu Stefan Andrej evid 
Sankovski bestimmt, und dieser erstattete seinen Bericht im 



1) Medakoviö, S. 119 (bzw. 151) bis 156. 



802 Neunter Zeitraum. 

ähnlichen Sinne , wie der Maanirevski, daß das Ganze auf Ver- 
leomdungen beruhe. 

Die wiederholte Anzeige des Sachverhaltes veranlaßte den 
Garen za dem Befehl^ den Vuöetid aller Ehren zu entkleiden, ihn 
abzusetzen und dahin zu senden, wohin der Erzbischof Petar hätte 
gesendet werden sollen , nämlich nach Sibirien, es wäre denn, 
daß letzterer ihm Verzeihung angedeihen lasse. Der Vladika ver- 
zieh im Geiste des Evangeliums alle Ejränkungen, die er für 
Verirrungen ansah. Der Gar, vor dem Petar gerechtfertigt stand, 
belobte ihn nach Verdienst, namentlich seinen edlen und biederen 
Gharakter. Nun erst konnte Petar seine Aufmerksamkeit den 
inneren Zuständen des Landes wieder widmen. 

Wir haben auf S. 286 der Auswanderer Erwähnung getan. 
Es waren 22 Familien aus dem Stamme Nikäi(5, die am 26. Juni 1804 
nach Odessa reisten. Ihre Zahl betrug nach einer 1835 vor- 
genommenen Zählung 355. Sie erhielten fruchtbare Ländereien 
im Distrikte Tiraspolj, im ganzen 12000 Desjatinen Flächeninhalt 
Mina Nikäid bekam 500 Desjatinen und 1000 Rubel. Von diesen 
Auswanderern dienten einige im Schwarzen serbischen Husaren- 
regimente 1808 — 10 unter Befehl des Obersten Miloradoviö 
gegen die Türken in Bukureät und wollten mit Kara Gjorgje 
unterhandeln, um demselben als Freischar Beistand zu leisten ; doch 
kam es nicht dazu, und Mina Lazarevid kehrte zu seiner Kolonie 
zurück, wo er am 21. November 1808 starb. 

Im Jahre 1805 begab sich der Vladika in Verwaltungs- 
angelegenheiten nach der GrmniSka in rauher Jahreszeit, wobei 
er durch Erkältung an beiden Füßen Rheumatismus erhielt, der 
ihn zehn Jahre lang peinigte. Später bereiste Petar auch andere 
Teile seines kleinen Reiches, überzeugte sich überall persönlich 
von dem Zustande desselben und übte das Amt eines Friedens- 
richters wie ein patriarchalischer Fürst aus. 



Zehnter Zeitraum. 

Erleg der Montenegriner gegen die Franzosen 

1806 bis 1814. 



39. Beginn des Krieges. 

Nach dem Fall der Venezianischen Republik (1797) war — wie 
wir wissen — die Bocche di Cattaro an Österreich gefallen. Da 
dieser Staat die alten Vorrechte und Einrichtungen der Bocchesen 
unangetastet ließ, fügten sich diese in den Wechsel der Herrschaft, 
trotz der auf Seite 289 erwähnten Zwistigkeiten. Man kann sich 
daher denken, daß die Bewohner der Bocche durch den Preß- 
burger Frieden (14. Dezember 1805), in welchem Dalmatien an 
Frankreich abgetreten wurde, sehr unangenehm berührt wurden, 
denn sie ersahen schon aus der Wirtschaft, welche General Lau- 
riston, der kaiserlich französische Kommissar, und seine Fran- 
zosen in Dalmatien und der freien Republik Ragusa führten, was 
ihnen als „Franzosen'' bevorstünde. Mit der bekannten französi- 
schen Unwissenheit wollte man alle möglichen Völker in den gal- 
lischen Frack stecken, ohne sich im geringsten über die Eigen- 
tümlichkeiten der betre£Penden Völker klar zu sein. Montenegro 
und die Bocche waren daher für Frankreich dasselbe im kleinen^ 
was später Spanien und Portugal im großen wurden. 

Der Divisionsgeneral Lauriston hatte mit 7000 Mann und 
etwa 16 Geschützen (5. und 23. Linien-, 8. leichtes französisches 
und 3. leichtes italienisches Infanterieregiment, 2 Schwadronen, 
2 Kompagnien vom 2. Artillerieregiment, 2 Kompagnien Sappeure) 
die Republik Ragusa besetzt und schickte sich an, auch von 
den Bocche di Cattaro Besitz zu ergreifen. 

Am 10. Februar 1806 machte dies der österreichische Kreis- 



804 Zehnter Zeitraum. 

hauptmann von Cattaro, Baron Cavalcab6| den Bocchesen be- 
kannt. Diese waren jedoch fest entschlosseni sich der Ghdlisierang 
zu widersetzen und riefen den Vladika Petar I. von Montenegro, 
60 wie. den in Cetinje weilenden kaiserlich russischen Kommissar, 
General Stefan von Sankovski, um Hilfe an. Letzterer schickte 
sofort an den vor Corfü liegenden russischen Vizeadmiral Dimi- 
trij Senjävin einen Eilboten mit dem Befehl, sofort in die 
Bocche einzulaufen. Der Vladika hingegen berief fiir den 
27. Februar ^) eine Skupstina nach Cetinje, in welcher beschlossen 
wurde, den Bocchesen Unterstützung zu bringen. Infolgedessen 
setzte sich der Vladika am folgenden Tag mit 2000 Mann in 
Bewegung und rückte durch die türkische Sutorina vor Herceg 
Novi (Castelnuovo), vor welcher Festung gleichzeitig Kapitän 
Belli mit der Vorhut der russischen Flotte erschien. Beide 
drohten mit Sturm, falls die Österreicher nicht aUe befestigten 
Punkte in den Bocche übergeben wollten. 

Österreichischerseits lag in den Bocche das Regiment Thum. 
Mit dem kaiserlichen Kommissar Marquis Ghislieri wurde nun 
eine Übereinkunft geschlossen, laut welcher die Österreicher unter 
dem Vorwand die Bocche räumten, sie seien nur bis zum 15. Fe- 
bruar zur Besetzung derselben verpflichtet gewesen. (Am 5. März 
verließ tatsächlich der letzte Österreicher die Bocche.) 

Am 29. Februar begaben sich der Vladika, der Guvematur 
Vuk Radonjid, Staatsrat Sankovski und Graf Marko Ivelid 
an Bord des russischen Flaggenschiffes und holten Kapitän Belli 
und eine Kompagnie russischer Marine -Infanterie ab. Alle be- 
gaben sich dann in das Savina-Kloster, wo eine feierliche Fahnen- 
weihe und Verbrüderung der Montenegriner mit den Bocchesen 
und Russen stattfand. Dabei sprach Petar I. folgende Worte: 

„Unsere heißesten Wünsche sind erfüllt 1 Unsere russischen 
Brüder vereinigen sich mit uns in unmittelbarer Waffenbrüder- 
schaft Möge dieser erhabene Augenblick nie eurem Gedächtnisse 
entschwinden! Bevor ich jedoch diese Fahnen weihe, schwöret 
alle, sie bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen!'' 



1) In diesem Zeitraum beziehen sich alle Daten auf den neuen (gre- 
gorianischen) Kalender. 



Beginn des Krieges. t05 

Dies geechah und dazin worden anter dem Donner von 
101 KanonenschüBsen die Standarten auf den Forts aufgezogen. 

Wenige Tage später traf die Nachricht ein, die Republik 
Rag US a habe den Franzosen den Durchzug durch ihr Gebiet 
gestattet. Infolgedessen wurde eine Abteilung an die Grenze ge- 
schickt, während Belli eine Fregatte in den Kanal von Calamotta 
legte, welche den Seeweg versperren sollte. 

Unterdessen hatte Senjavin zwei russische Musketier-Bataillone 
mit vier Geschützen unter Befehl des Generalmajors Puäkin ab- 
geschickt und lief dann am 25. März mit acht Linienschiffen 
(„Tverdij'' 74 Kanonen, „Rafail^' 80 Kanonen, „Moönij'', 
^Sv. Jelena'^, „Jaroslavl^^, „Maskvä'^ Je 74 Kanonen, »ySv. 
Pjotr'', „Rättvisan^^ je 66 E^anonen) und zwei Fregatten 
(„Kildujn'^ und „Venus'' je 26 Kanonen) in den Hafen von 
Kotor ein, wo er festlich empfangen wurde. Die Tüchtigkeit der 
bocchesischen Seeleute erkennend, bewog er sie, eine Anzahl ihrer 
Fahrzeuge kriegerisch auszurüsten^). Dies geschehen, sandte er 
Belli mit acht russischen und neun bocchesischen Kriegsschiffen 
ab, mit dem Auftrag, die dalmatischen Inseln zu besetzen. Er 
selbst kehrte am 6. April nach Corfü zurück, um neue Ver- 
stärkungen zu holen. In der Tat brachte er am 1. Mai sechs 
Jäger-Kompagnien nach Kotor und stieß dann mit drei Linien- 
Bchiffen am 9. Mai zu Belli, der vor Koröula (Curzola) lag. 
Das ganze russische Geschwader zählte neun Linienschiffe ^) und 
«twa 18 kleinere Fahrzeuge. 

Am 18. Mai schlug Senjavin der Republik Ragusa ein 
Bündnis vor, allein so gerne man es angenommen hätte, ver- 
hinderte die Furcht vor den angesagten 40000 fVanzosen die 
Unterzeichnung. Während Senjavin am 25. Mai nach Triest 
abging, erschien Lauriston am 26. mit 3000 Mann in Slano 
und besetzte am 27. Ragusa. Damit war das Schicksal der 
Republik besiegelt, denn Lauriston erklärte, beauftragt zu sein, 

1) Das größte derselben war die 1802 zu Venedig erbaute und mit 
18 18pfiindem ausgerüstete Korvette „Amorevole", Eigentum meines 
GroByaters Krsto Gk)p2ev]6, der sie selbst und das ganze bocchesische Ge- 
iichwader befehligte. 

2) Das neunte war der „Skorij*^ von 60 Kanonen. 
Gopdeylö, Montenegro und Albanien. 20 



806 Zehnter Zeitraum. 

Ragusa bis zur RäumuDg der Bocche seitens Rußlands besetzt 
zu halten. 

Infolge dieser Nachricht beschloß der Vladika Petar I., welcher 
den Oberbefehl über die Verbündeten führte , den Franzosen 
Ragusa wieder abzunehmen. Zu dieöem Zwecke setzte er sich 
mit etwa 3000 Montenegrinern und 300 Russen (zwei Kompagnien 
Musketiere, eine Kompagnie Jäger) gegen Ragusa in Bewegung. 
Am 2. Juni stieß er zuerst auf den Feind, welcher den Berg 
Rojkovdo vor Cavtat (Ragusa vecchia) besetzt hielt Die 
Montenegriner stürzten, in Plänklerschwärmen aufgelöst, gegen 
die firanzösische Stellung, den blitzenden HandSar in der Faust, 
während die Russen in geschlossenen Kolonnen folgten und die 
Reserve bildeten. Der Angriff erfolgte mit solchem Ungestüm, 
daß die Franzosen nur eine einzige Salve abgeben konnten, welche 
überdies ganz wirkungslos blieb, da sich die Montenegriner un- 
willkürlich zu Boden geworfen hatten. Sie sprangen dann sofort 
wieder auf und fielen mit blanker Waffe über die Franzosen her, 
bevor diese imstande waren, ihre Flinten zu laden — bekannt- 
lich zu jener Zeit ein sehr langwieriger Vorgang. Die Franzosen^ 
welche sich in der Minderzahl befanden und zum erstenmal mit 
einem Feinde kämpften, der ihnen durch seine körperliche Über- 
legenheit, fremdartige Erscheinung und eigentümliche Kriegführung 
Schreck einflößte, leisteten nicht lange Widerstand und suchten 
sich in das Kastell zu retten, was ihnen auch mit Verlust von 
250 Mann gelang. Die Russen hatten nur 1 Toten und 7 Ver- 
wundete, die Montenegriner 9 Tote und etwa 20 — 25 Verwundete 
eingebüßt. Den Franzosen wurden die Köpfe abgeschnitten, 
welche Sitte damals noch in Montenegro herrschte. Ein franzö- 
sischer Offizier, welcher davonschwimmen wollte, ertrank. 

Der französische Qeneral ^)y einsehend, daß er sich hinter den 
schwachen Befestigungen von Cavtat nicht werde halten können, 
beschloß am 3. Juni sich durchzuschlagen. Im Dunkel der Nacht 
zogen die Franzosen längs der Meeresküste gegen Norden, nach- 
dem sie die vier Qeschütze des Forts vernagelt hatten. 



1) Vladika Petar IL in seiner „Slobodijada" nennt ihn «»Delgog'*^ 
Milakoyiö „Delgorgne"; yielleicht war es Delzons. 



Beginn des Krieges. 807 

Die Montenegriner 9 zu denen eben Major Zabijeljin mit 
vier Jäger- und vier Musketierkompagnien gestoßen war, ver- 
folgten die Franzosen, mit denen sie am 3.| 4. und 5. Juni Zu- 
sammenstöße hatten. Der Feind wurde bis nach Ragusa zurück- 
geworfen und büßte im ganzen 8 Offiziere und 300 Mann ein. 
Von den Siegeszeichen kamen auf den montenegrinischen Anteil 
1 Kanone y 1 Fahne und 160 Gewehre. Der Verlust der Ver- 
bündeten war lächerlich gering — 13 Tote und Verwundete, davon 
5 Russen. Nach Besetzung des Qolfes von Breno rückten die 
Verbündeten gegen Ragusa (Dubrovnik). 

Da die heutigen Festungswerke von Ragusa im Jahre 1806 
nur teilweise vorhanden waren, ziehe ich es vor, die Schilderung 
des Marschalls Marmont anzuföhren. Er schreibt: 

„Ragusa hat eine gute steinerne Umwallung von beträcht- 
licher Höhe (und Dicke), von starken Türmen flankiert, welche 
mit Kanonen bewaffnet werden können. (An einer späteren Stelle 
teilt Marmont mit, daß ein Jahr später Ragasa von 262 Qe- 
schützen verteidigt war.) Auf der Seeseite ist die Festung leicht 
zu verteidigen, da ihre Wälle so angelegt sind, daß sie durch 
Artillerie gedeckt werden. (Vor der Porta Pille stand auch da- 
mals schon das Fort S. Lorenzo auf steiler Felsenklippe.) 
Lauriston verstärkte diese Verteidigung noch durch Besetzung der 
Insel Lacroma, welche den Hafen deckt; er ließ auf derselben 
Schanzen errichten und diese bewaffiien. (Heute befindet sich 
ebendort Fort Royal.) Die Russen landeten daselbst, machten 
jedoch einen vergeblichen Angriff. — Die Festungswerke Ragusas 
lehnen sich an einen mindestens 400 Toisen (Meter) hohen, sehr 
steilen Berg, San Sergio genannt. (Auf demselben steht heute 
das Fort Imperiale.) Die Stadt selbst ist vor dem Bestreichen 
feindlicher Geschütze durch den jähen Abhang, auf dem sie er- 
baut ist, durch die Höhe der Häuser und Wälle gesichert (Heute 
ist infolge der gegenwärtigen Artillerie die Sachlage anders.) Die 
Gipfel jenes Berges hätten unverzüglich mit einer Schanze ver- 
sehen werden sollen, aber Lauriston hatte dies unterlassen. Als 
er ohne eine solche Unterstützung kämpfen wollte, wurde er überall 
vertrieben. Der Feind hätte die Stadt, da er Herr der Hoch- 
ebene wie der Abhänge war, mit Leichtigkeit blockieren können ; 

20* 



$08 Zehnter Zeitraum. 

er belagerte sie, aber ohne Verständnis, denn anstatt an den 
Abhängen und am Fuße des Berges Batterien zu errichten, schaffte 
er mit großer Mühe ein Dutzend Feuerschliinde — Kanonen und 
Mörser — auf den höchsten Gipfel und bombardierte Ragusa 
damit. Dieses Feuer konnte nur Kinder schrecken und unmög- 
lich den gewünschten Erfolg erzielen.'^ 

Senjäviuy welcher in Triest die Nachricht von der Über- 
rumpelung Ragusas vernommen hatte, ging unter Segel, erschien 
am 8. Juni in Kotor, wo er bis 13. blieb, und traf dann am 14. 
mit dem russischen Geschwader und der bocchesischen Flottille vor 
Ragusa ein. Er setzte sich sofort mit dem Vladika in Verbindung 
und verabredete einen gemeinsamen Angriff*. Die Montenegriner 
sollten zu Land das Vorwerk Brgat angreifen, welches von 2000 
Franzosen besetzt war. Nach der „Slobodijada'' sollen 3000 Monte- 
negriner und 600 Russen Brgat erstürmt, 1000 Franzosen nieder- 
gemacht und 30 Kanonen erobert haben. Die übrigen Quellen 
berichten jedoch lediglich davon, daß Brgat am 14. Juni erobert 
wurde. Vielleicht verwechselt der Vladika diesen Sturm mit jenem 
vom 17. Juni. 

Am 16. Juni langte Generalmajor Fürst Vjazemskij mit 
einem Jäger-Bataillon von Kotor her an und übernahm den Ober- 
befehl über die Russen. Tags darauf um 4 Uhr morgens näherten 
sich fUnf russische Linienschiffe dem EUifen von Ragusa und legten 
sich unter Befehl des Konteradmirals Sorökin in Schußweite 
vor Anker; dann begannen sie eine heftige Beschießung. Gleich- 
zeitig rüsteten sich die Montenegriner zum Sturm auf den die 
Stadt beherrschenden Monte Sergio. Vor dem Gipfel desselben 
hatten die Franzosen auf vier vorliegenden Kuppen Schanzen mit 
Batterien errichtet Diese mußten zuerst weggenommen werden: 
in Anbetracht der steilen Höhen ein großes Wagestück. Zudem 
hatte Lauriston in Ragusa 7000 Franzosen und 4000 Ragusaner, 
während die Streitkräfte der Verbündeten nur 3500 Monte- 
n^riner und Bocchesen, sowie 1800 Russen umfaßten. Glück- 
licherweise war Lauriston von der Schwäche der Belagerer nicht 
unterrichtet. 

Nachdem der Angriff gelungen war, versuchten die monte- 
negrinischen Sturmabteüungen, sich auch des ganzen Höhenzuges 



Beginn des Krieges. 809 

za bemächtigen. Da sie jedoch zu Bchwach waren, kamen sie in 
schlimme Bedrängnis, wurden aber durch drei russische Jäger- 
Eompagnien unter Kapitän Babiöev gerettet, welche Fürst Vj a- 
zemskij echtzeitig zu ihrer Unterstützung abgesandt hatta Mit 
deren Hilfe bemächtigten sich die Montenegriner der ganzen 
Höhenkette. 

In diesem Augenblicke brachte ein türkischer Zaptjä (Gen- 
darm) dem Vladika die falsche Nachricht, es rücke Entsatz heran. 
Um sich daher noch vor Eintreffen desselben der Festung zu be- 
mächtigen, ordnete der Vladika die Fortsetzung des Angriffes an. 
Es galt jetzt, die Franzosen aus dem Tale zwischen Monte S. Sergio 
und der Stadtumwallung zu vertreiben. 

Um 2 Uhr nachmittags drangen daher abermals die Monte- 
negriner vor. 

Der Vladika erstieg selbst an der Spitze der Seinen die 
steilste Kuppe, eben dort, wo es die Franzosen am wenigsten er- 
warteten, weil sie es för unmöglich gehalten hatten. Dennoch 
hielten sie wacker stand; ja, als Lauriston Verstärkungen schickte, 
warfen sie sich sogar auf BabiSev, um ihm die besetzte Stellung 
zu entreißen. Von den Montenegrinern jedoch unterstützt, hielten 
sich die drei russischen Kompagnien, bis Fürst Vjazemskij seine 
letzte Reserve, in zwei Abteilungen geteilt, ihnen zu Hilfe sandte ; 
der Vladika konnte sie nämlich nicht unterstützen, weil er sich 
selbst in seinen errungenen Stellungen nur mit Mühe behauptete; 
denn Lauriston hatte sich persönlich mit mehreren Bataillonen 
auf ihn geworfen und suchte ihn hinabzustürzen. Bezeichnend 
ist, daß Lauriston es für nötig hielt, Freiwillige vorangehen zu 
lassen, indem die Franzosen durch die Wildheit der Monte- 
negriner außerordentlich eingeschüchtert waren. 

Der Moment der Krisis trat ein; noch einige Minuten und 
die Montenegriner mußten der Übermacht weichen. In diesem 
Augenblicke gelang es dem von der Reserve unterstützten B ab iöev^ 
die Franzosen vom Gipfel zu vertreiben, worauf er daselbst die 
russische Fahne aufpflanzte. Die Montenegriner, hiervon begeistert^ 
stürzten sich mit erneuter Wut auf die Franzosen, welche sich 
auf drei im Schutze der Festungsgeschütze gel^ene Schanzen 
zurückzogen. 



tlO Zehnter Zeitraum. 

Aber die Sieger gönnten ihnen noch keine Ruhe. Monte- 
negriner und Russen griffen sofort die erste Schanze an und nah- 
men sie nach einem erbitterten Kampfe nebst den dann befind- 
lichen zehn Qeschützen. Die Franzosen suchten beide Flanken 
der Verbündeten zu umfassen^ doch mißlang dieser Versuch gänz- 
lich und endete mit dem Verluste auch der beiden anderen Schanzen^ 
worauf die Franzosen in die Festung zurückgeworfen wurden. 
Die siegestrunkenen Montenegriner stürmten den fliehenden Fran- 
zosen nach und eroberten eine Lünette der Umwallung. Lauriston 
wollte sie zurücknehmen und so wechselte der Besitz derselben 
mehrmals, bis sie endlich endgültig in den Händen der Monte- 
negriner bUeb. 

Andere Abteilungen derselben hatten den Franzosen den 
Rückzug Tcrlegen wollen. Sie stiren daher über die Felsen und 
griffen vor dem Festungsgraben die zurückgehenden Feinde an. 
Dies bemerkend, machten die auf den Wällen stehenden Franzosen 
einen Ausfall, welcher zwar abgeschlagen wurde, den aber die 
Flüchtlinge dazu benutzten, sich in Sicherheit zu bringen. Um 
7 Uhr abends hatten sich die Franzosen gänzlich hinter die Wälle 
zurückgezogen, doch erstarb das Feuer erst um 8 Uhr. 

An diesem glänzenden Tage hatten die Montenegriner drqi 
Schanzen und eine Lünette mit zusammen 19 Geschützen erobert. 
Den Franzosen kostete der Kampf 509 Mann, darunter, außer dem 
verwundeten General Delzons ^) und 18 Offizieren, Lauristons 
Adjutant, Oberstleutnant Gay et; 90 Gefangene sind hierbei ein- 
gerechnet; die Ragusaner verloren 400 Mann. Der montenegri- 
nische Verlust belief sich angeblich auf 52 Tote und 47 Verwun- 
dete, jener der Russen auf 17 Tote (darunter ein Offizier) und 
33 Verwundete (davon drei Offiziere). Doch dürften in Wirk- 
lichkeit die Verbündeten viel mehr verloren haben. Hervorragend 
durch ihre Tapferkeit waren an diesem Tage Sava Petrovid, 
Vuk und Vuk Gjurov Radonjiö und Gjoko Martinoviö. 

Am folgenden Tage (18. Juni) machten die Russen einen 
mißlungenen Versuch, sich der Insel Lacroma zu bemächtigen. 
Die Montenegriner zerstörten eine Wasserleitung, plünderten die 



1) MilakoTid und Petar II. nennen ihn (irrig) „Delgorgue". 



Beginn des Krieges. 311 

Villen der Umgebung und überlieferten sie hierauf den Flammen. 
Diese überflüssige Grausamkeit erbitterte die Ragusaner und machte 
ihnen die Montenegriner verhaßt Seit jener Zeit stammt der 
schlechte Ruf, den die Montenegriner bis in die jüngste Zeit im 
Ragusanischen genossen. Allerdings wurden die Montenegriner 
zu diesen Greueln durch die Bewohner der Landschaft Konavlje 
(Canale) im Ragusanischen verleitet, welche, ebenso beutegierig 
als erbost gegen den Ragusaner Adel, mit schlechtem Beispiel 
vorangingen. 

Am selben Tage besetzte Major Zabij^ljin mit zwei Jäger- 
Kompagnien und einigen hundert Montenegrinern die Umgebung 
Ragusas, Qtmi (Gravosa) und das Omblatal. 

Damit war Lauriston gänzlich eingeschlossen und die Russen 
begannen am 19. Juni zwei Belagerungsbatterien auf halber Höhe 
des Monte Sergio zu erbauen, von denen die erste am 22., die 
zweite am 24. ihr Feuer gegen die Stadt eröffnete. Trotz dessen 
Lebhaftigkeit richtete es wenig Schaden an, da die meisten Ge- 
schosse über die Stadt hinaus beim Vorsprung S. Andrea in das 
Meer fielen. 

Leider ließen es die Russen zu, daß die Montenegriner unter- 
dessen die herrliche Umgebung Ragusas verwüsteten und brand- 
schatzten, wodurch die Verbündeten beim Volke immer mehr ver- 
haßt wurden. 

Unterdessen traf ein Befehl des Caren Aleksandr ein, welcher 
die Auslieferung der Bocche anordnete. Senjavin hielt ihn geheim, 
doch Sankovski verriet sich. Infolgedessen kehrten sonderbarer- 
weise fast alle Montenegriner nach Hause zurück, ohne sich um 
den verblüfften Vladika und dessen Verbündete zu kümmern. Auf 
diese Weise geschah es, daß einige Tage hindurch die 10000 
Franzosen und Ragusaner von nur 2500 Russen und 500 Monte- 
negrinern belagert waren. (In den letzten Tagen war nämlich 
von Corfb her noch ein russisches Jäger- Bataillon vor Ragusa 
eingetroffen.) Erst den dringenden Bitten des Vladika gelang es, 
wieder 3000 Montenegriner zusammenzubringen. 

Das Bombardement war unterdessen unausgesetzt fortgeführt 
worden, um Lauriston von der Schwächung des Belagerungskorps 
nichts merken zu lassen. Ein französisches Geschoß zerstörte eine 



812 Zehnter Zeitraam. 

rassische Haubitze , indem es in die Seele derselben fuhr und 
zwei Montenegriner und einen russischen Seeartilleristen tötete. 
Doch auch die Belagerten hatten unter den russischen G^chossen 
zu leiden, denn diese sollen während der ganzen Belagerung 800 
Franzosen und Ragusaner dahingerafft haben. Da auch die Be- 
völkerung Hunger litt, bot Senjavin mehrmals eine Übergabe an, 
diese kam aber nicht zustande, wenngleich wiederholt Unterhand- 
lungen eingeleitet worden waren. 

Lauriston unternahm nur zweimal Ausfälle. Am 28. Juni 
um Mittemacht fielen 300 Mann den rechten russischen Flügel 
an, wurden jedoch mit Verlust von 10 Toten und 23 Verwun- 
deten zurückgeworfen. Der zweite Ausfall fand am 3. Juli statt. 
An diesem Tage brannten nämlich die Montenegriner die Vorstadt 
Pille nieder, weil sich in derselben die Franzosen festgesetzt 
hatten. Um die Montenegriner zu strafen, fielen dann 400 Mann 
aus, welche jedoch mit einem Verlust von 100 Mann in die 
Festung zurückgetrieben wurden. 

Beide Ausfälle kosteten angeblich den Russen drei, den 
Montenegrinern acht Mann, doch dürfte diese Ziffer wohl zu 
niedrig sein. 

Unterdessen hatte aber der Divisionsgeneral Molitor, wel- 
cher die Truppen in Dalmatien befehligte, von Napoleon strenge 
Weisung bekommen, Ragusa um jeden Preis zu entsetzen. Wenn 
man bedenkt, daß dort noch mindestens 6000 Franzosen und 
4000 Ragusaner von nur 5500 Montenegrinern und Russen ein- 
geschlossen waren, wird man schwer begreifen, wie es kam, daß 
sich Lauriston nicht selbst des Feindes erwehren konnte. Er scheint 
jedoch die Verbündeten viel zu sehr überschätzt zu haben (auch 
Marmont spricht von 4 — 5000 Montenegrinern und 2400 Russen) 
und überdies ein ängstlicher Mann gewesen zu sein. Dies be- 
stätigt auch Marmont. 

Molitor sammelte in Ston (Stagno) 3500 Mann, 6 Ge- 
schütze (79. imd 81. Linien-Infanterie-Regiment, 300 Panduren, 
1 Kompagnie vom 1. Artillerie-Regiment) nebst starkem Proviant- 
transport und rückte damit gegen Ragusa. Er ließ aussprengen, 
daß er mit 10000 Mann zum Entsatz nahe und setzte sich mit 
den türkischen Ghrenzbefehlshabem behufs Erlangung von Nach- 



Beginn des Krieges. SIS 

richten in Verbindung. Speziell Hadii Bej von Utovo war 
den Franzosen sehr ergeben. 

Am 5. (oder 6.) Juli um 4 Uhr morgens traf im roBsiscben 
Lager die Nachricht ein, es seien von Ston her 500 Franzosen im 
Anmarsch. Sofort sandte Petar I. 500 Montenegriner und zwei 
Kompagnien rassischer Jäger an die Ombla, um dem Feind den 
Übergang zu verlegen. Denn auf die russischen Elri^sschiffe, 
welche diese Angabe hatten, konnte man sich nicht verlassen, 
seitdem die Fregatte, welche dort zu ankern hatte, schon einmal 
nicht auf ihrem Posten war, als Lauriston im Mai nach Kagusa 
gezogen kam. Sonst hätte dieser nicht den Übergang bewerk- 
stelligen können. 

Als die Montenegriner und Russen (zusammen etwa 750 Mann) 
an der Ombla anlangten, fiinden sie schon die 500 t^ranzosen 
übergegangen, da wirklich die russische Fregatte wieder nicht auf 
ihrem Posten war. Molitor hatte nämlich eine zwar sehr kluge, 
aber mit dem Völkerrecht unvereinbare E^te ausgeführt. 500 
Mann ließ er offen die Ombla übersetzen, um den Feind dorthin 
zu locken. Von dem Dalmatiner Ritter von Nonkoviö (Be- 
fehlshaber der Panduren) geführt, zog Molitor selbst mit 3000 
Mann und sechs Oeschützen über das türkische Gebiet und 
kam auf diese Weise den Montenegrinern in den Rücken, als 
diese sich eben zum Angriff auf die 500 Franzosen anschickten. 
Anfilnglich durch diese Umgehung bestürzt, entschloß sich dann 
VukRadonjiö zu einem heldenmütigen, aber unklugen Beschluß. 
Mit seinen 750 Mann wollte er den 3500 Franzosen und deren 
sechs Geschützen Widerstand leisten. 

Er stürzte sich mit seinen 400 Montenegrinern kühn auf 
Molitors Mitte, gefolgt von den 100 Bocchesen, während die 250 
Russen die Reserve bildeten. Nach einem kurzen, aber blutigen 
Gefechte wurden die Montenegriner von der französischen Über- 
macht eingeschlossen, schlugen sich aber mit seltenem Heldenmut 
bis Cavtat durch, von wo aus sie nach Herceg Novi (Castel- 
nuovo) marschierten. Die Russen jedoch flohen nach Gru2 (Gra- 
vosa), vorher das Lager der Verbündeten aufscheuchend. 

Infolge der Nachricht, daß ein ungeheures Entsatzheer nahe, 
entstand daselbst großer Schreck. Die Russen und der Vladika 



S14 2iehnter Zeitraam. 

schiffiten sich sofort ein, ebenso ein Teil der Montenegriner. Der 
Rest zog zu Lande nach Herceg Novi. Der Rttckzng kostete den 
Russen zehn Jäger, vier Kanonen und drei Haubitzen, die sie in 
der Eile zurücklassen mußten. 

Lauriston war nicht wenig erstaunt, als er die Belagerer 
verschwinden und an ihrer Stelle französische Uniformen auf- 
tauchen sah. Er glaubte an eine Kriegslist und mußte erst durch 
den Anblick Molitors vom Qegenteil überzeugt werden. Den- 
noch konnte dieser nicht sofort in die Festung einrücken, weil 
Lauriston aus übergroßer Furcht vor der Unternehmungslust der 
Montenegriner die Zugbrücke hatte vermauern und außerdem noch 
mit Erde verrammeln lassen (!). 

Am 14. Juli erhielt der Divisions -General Marmont die 
Nachricht, er sei zum Obergeneral des dalmatinischen Heeres er- 
nannt worden. Er nahm nur eine Kompagnie Voltigeurs mit sich 
und schiffte sich schnell nach Zara ein, wo er das ihm voraus- 
gesandte 60. Linien-Infanterie -Regiment antraf. Das 18. leichte 
Infanterie -Regiment, zwei Bataillone italienischer Qarde, ein Ba- 
taillon italienischer Jäger von Brescia, ein Bataillon italienischer 
Jäger vom Orient, das 11. Linien-Infanterie-Regiment, ein Bataillon 
Voltigeurs, das 24. reitende Jäger- Regiment, zwei Kompagnien 
vom 2. Artillerie -Regiment, ^wei Kompagnien italienischer Artil- 
lerie, eine Kompagnie italienischer Sappeurs folgten in kurzer 
Zeit nach. Mit ihrem Eintreffen kam die dem General Marmont 
zur Verfügung stehende Heeresmacht auf 20000 Mann mit etwa 
56 Geschützen (zehn Linien -Infanterie -Regimenter, drei Batail- 
lone, ein Kavallerie-Regiment, sieben Artillerie-Kompagnien, zwei 
Sappeur- Kompagnien).- 

40. Marmont geht angriffsweise vor. 

Nachdem durch den Anmarsch Molitors jede Aussicht ge- 
schwunden war, Ragusa zu nehmen, beschränkten sich die Ver- 
bündeten darauf, das besetzte Gebiet zu behaupten. 

Unterdessen war am 20. Juli in Paris durch Oubril ein 
Vertrag unterzeichnet worden, in dem sich Rußland zur Heraus- 
gabe der Bocche verpflichtete. Marmont, der erst am 4. August 



Marmont geht angrifiweise vor. S16 

in Ragusa eintraf, beeilte sich daher durchaus nicht mit einem 
Angriff auf die Montenegriner. 

Übrigens hatte ihm auch Napoleon in einer durch Prinz Eugen 
am 2. August übersandten Weisung hierzu Zeit gelassen. Aus 
dieser will ich das die Montenegriner Betreffende mitteilen, damit 
man die köstliche Unwissenheit Napoleons betreffs Montenegros, 
und seine Naivheit kennen lernt. Er schrieb: 

„Wenn die große Hitze vorbei ist und Sie Ihre Streitkräfte 
geordnet haben, werden Sie mit 12 — 15000 Mann über die Monte- 
negriner herfallen, um sie ihrer Barbarei wegen zur Rechenschaft 
2U ziehen. Sie werden den Bischof gefangen nehmen, sich aber in- 
zwischen möglichst verstellen. Wenn diese Räuber keine ordentliche 
Züchtigung erhalten, werden sie immer bereit sein, sich gegen uns 
zu erklären. Zu diesem Vorgehen können Sie die Generale Molitor 
und Guillet verwenden. ... Sie dürfen sich gegen den Bischof von 
Montenegro nichts merken lassen und müssen um den 15. oder 
20. September, wenn die Feinde eingeschläfert sind, mit 15000 
Mann und einigen Geschützen auf Schittenlaffetten die Monte- 
negriner zu Boden schmettern.'' 

Dem nie in diesen Gegenden gewesenen Napoleon sind diese, 
Heiterkeit erregenden Vorschriften vielleicht zu verzeihen ; was soll 
man sich aber denken, wenn Marmont, der die Verhältnisse an Ort 
und Stelle sah und kennen lernte, in folgender Weise prahlt: 

„Ich schlug deshalb dem Kaiser vor, Montenegro zu erobern. 
Ich bat ihn nur um acht Tage und 7 — 8000 Mann (!). 
Aus Cetinje hätte ich eine Festung gemacht, um nach der Er- 
oberung das ganze Land zu beherrschen (I). Um die Bevölkerung 
zu schwächen, wollte ich ein starkes Regiment aus ihr ausheben (!). 
Dieses in Italien formierte Regiment hätte dann eine viel ent- 
ferntere Bestimmung erhalten (!). Endlich schlug ich vor, nach 
Art der Römer und Karls des Großen einen Teil der Bevölkerung 
außer Landes zu schaffen (!) und zum Beispiel die Heiden des 
Lagers von Zeyst rings um die Pyramiden in Besitz nehmen und 
anbauen zu lassen (!); aber keiner der verschiedenen Pläne sagte 
dem Kaiser zu.'' 

Welch blühender Unsinn I Und damals hatte Marmont schon 
die Faust der Montenegriner kennen gelernt! 



S16 Zehnter Zeitraum. 

Vorerst hatte Marmont den Vezir von Bosnien, den Paäi von 
Mostar, jenen von Trebinje und andere türkische Befehlshaber 
gegen Montenegro aufzureizen gesucht, indem er beispielsweise den 
Paää von Trebinje verhöhnte, daß er eer nicht gewagt habe, die 
durch sein Gebiet ziehenden Montenegriner zu züchtigen. Dieser 
aber antwortete ihm treffend: 

„Wir sind froh, wenn uns die Montenegriner in Ruhe lassen, 
denn mit diesen ist es schlecht anzubinden. Du bist unser 
Freund, ich rate Dir daher, mit dem Schwarzen Mönch (Via- 
dika) lieber nicht anzufangen, wenn Du keine Schläge erhalten 
willst." 

Marmont schlug jedoch alle Warnungen in den Wind und 
traf seine Vorbereitungen zum Angriff auf die Bocche. Er sandte 
15 schwere Geschütze samt Zubehör nebst zahlreichem Proviant 
auf kleinen Fahrzeugen nach Molonta, einem kleinen Hafen 
zwischen Cavtat und der Punta d'Ostro (am Eingang in die 
Bocche). Dieses Geschwader ließ er durch eine vom Fregatten- 
kapitän Armeni befehligte Flottille Eanonierschaluppen geleiten. 
Das 18. Regiment besetzte die Landschaft Konavlje (Canali), 
um Molonta decken zu können. 

In den Bocche herrschten mittlerweile Kleinmut imd Verzagt- 
heit Die Bocchesen, über den Entsatz Ragusas bestürzt, erbaten 
von Senjavin die Erlaubnis, eine Abordnimg nach Petersburg 
schicken zu dürfen, welche den Caren bitten sollte, die Bocche 
nicht räumen zu lassen. Mit Genehmigung des Admirals und 
Petars I. wurde auch der Archimandrit Stefan Vuöetid ^) mit 
drei anderen abgesandt. Senjavin versprach nebenbei, nicht eher 
abzuziehen, als bis er nochmaligen Befehl hierzu erhalte. 

Infolgedessen lief die russische Flotte am 11. Juli abermals 
aus, um die französisch - dalmatinischen Küsten zu beunruhigen, 
während die wieder ermutigten Montenegriner und Bocchesen 
Streifzüge gegen Ragusa unternahmen, die leider meist gewöhn- 
liche Beutezüge mit Plünderung und Verwüstung waren. Un- 
begreiflicherweise wagten es Molitor und Lauriston bei ihrer 
Übermacht nicht, diesem Unwesen ein Ziel zu setzen. 



1) Mit dem sich also Petar aasgesöhnt haben mnfltel 



Mannont geht angrifiweise vor. S17 

Über die Räumung der Bocche entspannen sich zwischen dem 
österreichischen Feldmarschall-Leutnant Grafen Belle garde, dem 
Obersten L'Epine und dem Ghneral Lauriston langwierige 
Unterhandlungen. Um den Vladika auf seine Seite zu bringen, 
hatte ihm Lauriston die Würde eines Patriarchen von Dalmatien 
angeboten. Der Vladika ging nicht auf den Leim und arbeitete 
im Gegenteil den französischen Bänken rege entgegen, indem er 
die französischen auf Eroberung der Hercegovina und 
Albaniens abzielenden Pläne den Pasis dieser Provinzen mit- 
teilte. Hierdurch waren die denselben zugekommenen französischen 
Geschenke zwecklos gemacht Nur Bellegarde hielt den Franzosen 
die Stange, weil Napoleon erklärt hatte, die österreichische Festung 
Braunau so lange besetzt zu halten, bis sich die Bocche in seinen 
Händen befinden. 

Aber trotz mehrmaliger Aufforderungen machte Vizeadmiral 
Senj av in doch keine Miene, die Bocche herauszugeben. Lauriston 
berichtete unterm 11. August hierüber an Marmont, hinzufügend, 
daß die Russen auch auf die Montenegriner Rücksicht nehmen 
müßten, „vor welchen sie selbst große Furcht haben.'' 
Senjavin hätte bei Porto Rose eine Batterie errichtet, welche den 
Eingang beherrsche, der überdies durch eine Abteilung Kanonen- 
boote gesperrt sei. Die russische Flotte — 22 Kriegsschiffe, dar- 
unter neun Linienschiffe — liege größtenteils vor Herceg Novi 
▼or Anker. Die Punta d'Ostro, Punta d'Arza und der Scoglio 
2anjca (auf dem sich heute das Fort Mamula erhebt) waren da- 
mals noch nicht befestigt. 

Drei Tage später schloß Senjavin mit Lauriston einen Waffen- 
stillstand ab. 

Marmont dachte durch Scheinangriffe die Russen einzuschüch- 
tern. Er hatte erfahren, daß der Vertrag vom 20. Juli seitens 
des Caren nicht genehmigt worden sei, es mußte ihm also daran 
liegen, Senjavin womöglich noch vorher zur freiwilligen Heraus- 
gabe zu bewegen. 

In einer Nacht ließ er die zu Molonta aufgehäuften Artillerie- 
und Proviantvorräte heimlich auf Ruderbarken einschiffen. Mit 
Tagesanbruch landete man im ValT Ostro, schiffte alles aus 
und begann den Bau einer großen Batterie. Um nicht daran ge- 



S18 Zehnter Zeitraum. 

hindert zu werden, erklärte Marmont, daß diese Anordnung keines^ 
wegs eine Handlung der Feindseligkeit, sondern nur eine Vor* 
bereitung zur Besitznahme der Bocche sei, am die Küste schon 
vorzeitig in Verteidigungszustand zu setzMi. 

Senjavin, der die Wichtigkeit der Punta d'Ostro erkannte, 
welche den Eingang ganz absperren kann, ließ die Schiffsgeschiitze 
gegen Marmonts Arbeiter richten, enthielt sich jedoch ernster 
Feindseligkeiten, als er sah, daß diese Drohung nicht den ge- 
wünschten Erfolg hatte. Auf diese Art hatte also Marmont nach 
ftinf Tagen seine mit 15 schweren Geschützen und 5 Mörsern 
bespickte Batterie fertig, welche (falls sie dem heute an jener Stelle 
liegenden Fort entsprach, das terrassenförmig ansteigt) imstande 
war, die russische Flotte am Auslaufen zu verhindem. 

Am 7. September traf in den Bocche ein Feldjäger ein, 
welcher eine vom 12. August datierte Depesche brachte, in welcher 
der Car befahl, den Krieg gegen die Franzosen kräfdg wieder 
aufzunehmen. Infolgedessen teilte Senjavin den Seinen am 
11. September mit, sie mögen sich zum Kampf bereit halten. Am 
folgenden Tag ging die Flotte unter Segel und legte sich um die 
Punta d'Ostro vor Anker. Dies war für die Bocchesen das 
Zeichen zum Angriff. Graf Qjorgje Vojnovid und Vuk 
Gjorgjev Radonjid griffen am 14. die vor Herceg Novi 
stehenden französischen Vorposten an und warfen sie zurück. 

Am 26. September griff dann der Vladika mit 6000 Monte- 
negrinern und Bocchesen die Punta d'Ostro an und nahm sie 
nach vorhergegangener 2 4 stündiger Beschießung durch die Flotte. 
Jeder, welcher die Punta d'Ostro gesehen hat, wird diese kühne 
Tat unbegreiflich finden. 

Marmont behauptet zwar, die französische Besatzung habe 
Zeit gehabt, die Geschütze vorher in das Wasser zu werfen, alle 
andern Berichte stimmen jedoch darin überein, die Verbündeten 
hätten 15 Kanonen und 5 Mörser erbeutet. 

Mit diesem Erfolg waren jedoch die Montenegriner nicht zu- 
frieden. Sie verfolgten die fliehenden Franzosen auf Molonta, 
wo diese ein verschanztes Lager errichtet hatten, das sofort an- 
gegriffen und erstürmt wurde. Die Franzosen konnten mit der 
Flottille Armenis entfliehen, doch mußten sie 18 schwere Gte- 



Marmont geht angrifisweise vor. S19 

Bchütze im Stich lassen, welche den Montenegrinern zur Beute 
fielen. 

Marmont selbst zog sich auf Cavtat zurück und stellte das 
5. Regiment auf den Höhen von Breno auf, um einen feindlichen 
Handstreich auf Ragusa zu verhindern. Seine Nachhut, welche 
die Sutorina und Debeli Brijeg besetzt hielt, wurde am 
27. September abermals angegriffen und auf Cavtat zurück- 
geworfen. 

Am folgenden Tage näherten sich die Montenegriner der 
französischen Schanze bei Vitaljina. Der Vladika warf sich 
mit den Seinen auf offenem Felde dem französischen Regimente 
entgegen, brachte es durch den überaus heftigen Angriff zum 
Weichen und erstürmte die Schanze, während die Franzosen iu 
heller Flucht nach Cavtat liefen. Dieser Angriff, mit 2000 Monte- 
negrinern und 130 russischen Jägern unternommen, war so herr- 
lich angelegt und ausgeführt, daß jede Linientruppe darauf hätte 
stolz sein können. Am selben Tage erfocht jedoch auch Graf 
Savo Iveliö mit einigen hundert Bocchesen einen glänzenden 
Sieg, indem er die französische Schanze von VuCije ^drijelo* 
erstürmte und den Feind bis Cavtat verfolgte. Beide Siege kosteten 
den Franzosen 340 Tote und zahlreiche Verwundete,- den Monte- 
negrinern und Bocchesen etwa 80 Mann, darunter den tapferen 
Vojvoda Stano Uskokovid. 

Als Senjavin sah, wie glücklich die Montenegriner in ihrem 
Angriffe gegen einen übermächtigen Feind waren, gab er seine Zu- 
stimmung zur tätigen Mitwirkung seiner Landungstruppen. Diese 
waren durch Verstärkungen, welche General Popondöpulo au» 
CorfCl brachte, auf 3000 Mann gekommen. 5000 Mann stark 
waren die Montenegriner und Bocchesen unter Petar I. Diesen 
8000 Mann konnte Marmont nach Heranziehung neuer Streitkräfte 
bei Cavtat 14 800 Mann entgegenstellen, nämlich das 5., 11., 
18., 23. und 79. LinienJn&nterie- Regiment, 1 Elite-Infanterie- Regi- 
ment (1 Bataillon Voltigeurs, 1 Bataillon Grenadiere), 1 italieni- 
sches Garde-Regiment, 4 Kompagnien vom 2. Artillerie-Regiment,, 
1 Schwadron vom 24. Jäger-Regiment. 

Diese Übermacht benutzte Marmont, um jetzt seinerseits an- 
griffsweise vorzugehen und den Verbündeten einen entscheidendeik 



StO Zehnter Zeitraum. 

Schlag beizubringen. Vorzüglich ging sein Streben dahin, die 
Rossen zu vernichten, da er sich einerseits hiervon eine große 
moralische Wirkung auf die Montenegriner versprach, anderseits 
der Überzeugung huldigte, daß jenen leichter beizukommen sei 
als diesen, welche in dem bergigen Gd&nde bisher allenthalben 
ihre Überlegenheit gezeigt hatten. 

Er brach also mit den oben erwähnten sieben Regimentern 
in der Nacht vom 29. zum 30. September von Cavtat auf und 
zog auf der längs des Ljuta-Flusses ftlhrenden Straße über 
S. Francesco, Donji Mlini und Öamjegovina gegen Vodovalja. An 
der Brücke über die Ljuta stand die montenegrinische Vorhut, 
ein paar hundert Mann stark. Marmont hatte gehofft, sie umgehen 
und gefangen nehmen zu können. Da jedoch der eingetretene 
Regen die ohnehin erbärmlichen Wege verdorben hatte, waren 
die Franzosen bei Tagesanbruch noch eine halbe Stunde von der 
montenegrinischen Vorhut entfernt, welche daher nicht mehr über- 
fallen werden konnte. Oberst Planzonne griff mit dem Volti- 
geur-Bataillon des EUite-Regiments an (gebildet aus Kompagnien der 
3. und 4. Bataillone des 5., 23. und 79. Linien-Infanterie-Regiments), 
wurde jedoch von den viermal schwächeren Montenegrinern durch 
heftiges Qewehrfeuer zurückgeschlagen. Marmont be&hl daher 
dem General Lauriston, mit dem Grenadier-Bataillon des Elite- 
Regiments zur Unterstützung Planzonnes vorzugehen. Das 79. Linien- 
Infanterie-Regiment folgte in einiger Entfernung als Reserve des 
Elite-Regiments. 

Beim Anblick solcher Übermacht zogen sich die Monteneginer 
ohne Kampf langsam auf Vodovalja zurück. Oberhalb dieses 
Dorfes zieht sich in östlicher Richtung ein Höhenkamm, Debeli 
Brijeg genannt, welcher die Sutorina von der Hercegovina ab- 
sperrt und auf dem die 3000 Russen unter Popondopulo und 
Fürst Vjazemskij Stellung genommen hatten. Die 5000 Mann 
starken Montenegriner unter dem Vladika Petar hielten die Hoch- 
-ebene von Vodovalja und Sta. Croce im rechten russischen 
Flügel besetzt 

Marmont, dessen Hauptmacht bei Gruda stand, erkundete 
«rst die feindliche Stellung, dann traf er seine Anstalten zum An- 
^ff. General Lauriston mit dem Elite-Regiment sollte, unter- 



, Marmont geht angrifib weise vor. SSI 

Btiitzt vom 11. Regiment unter General Aubräe, die Monte- 
negriner angreifen und über die Bjelotina in die Kessel des 
Z üb ci- Gebietes werfen. Ohne sie weiter zu verfolgen, sollte er 
dann am Kamm der Bjelotina rechts abbiegen und die Russen in 
ihrem rechten Flügel angreifen, wenn möglich auf diese Art auf- 
rollen. Um die Russen abzuhalten, die Montenegriner zu unter- 
stützen, erhielt General Bove den Befehl, mit dem 79. Linien- 
Infanterie-Regiment die Russen in der Front anzugreifen. General 
Delzons mit dem 23. Regiment und General Lecchi mit dem 
italienischen Garde - Regiment sollten ihm als Reserve nachfolgen. 
Das 18. leichte Regiment unter General Sojez war in die Sni- 
jeznica Planina (im Nordwesten von Vodovalja) entsendet und 
erhielt jetzt die Weisung, ebenfalls gegen die Bjelotina vor- 
zubrechen. Das 5. Regiment unter General Launaj, die Reiterei 
und Artillerie blieben bei Marmont als allgemeine Reserve zurück. 
Als Lauriston und Aubr^e mit ihren Regimentern gegen Sta. 
Croce und Vodovalja anrückten, zogen sich die Montenegriner 
nach längerem Feuergefecht, welches den Franzosen mehr Schaden 
brachte als den gedeckten Montenegrinern, auf den Kamm der 
Bjelotina zurück^). Sie erwarteten hier in der viel festeren 
Stellung einen Hauptangriff, den sie auch unter den obwaltenden 
Verhältnissen mit Leichtigkeit hätten abschlagen können. Lauriston 
sah dies auch ein, daher zögerte er lange, seinen Befehlen nach- 
zukommen. Marmont schickte seinen Adjutanten, Kapitän Gajet, 
zu Lauriston, ihm abermals den Befehl zum Angriff zu überbringen. 
Gayet nahm selbst eine Kompagnie und ging voran, um Lauriston 
ZU beweisen, daß dessen Bedenken gegen einen Angriff unbegründet 
seien. Aber die Montenegriner machten plötzlich einen Ausfall, 
hieben Gayet und seine Kolonne zusammen und schnitten ihm 
selbst den Kopf ab. Lauriston verlor infolgedessen gänzlich jede 
Lust zu einem Vorgehen. Glücklicherweise für ihn wurde jetzt 
ein solches überflüssig, denn Boves Angriff auf die russische Linie 
von Debeli Brijeg hatte vollständigen Erfolg gehabt. Die 

1) Die Montenegriner behaupten, vor dem Angriff sei ein kundschaf- 
tender französischer General mit seinen zwei Adjutanten in eine Schar Bisa- 
notten geraten, die alle drei getötet hätten. Marmont macht davon keine 
Erwähnung. Vielleicht ist Gayets Tod gemeint. 

Gopöeviö, Montenegro nnd Albanien. 21 



8S3 Zehnter Zeitraum. 

steifen Russen , welche es damals nur verstanden, in der Ebene 
und in geschlossenen Linien und Vierecken Angriffe auszuhalten 
und Bajonettangriffe auszuführen, wußten sich die ungeheuren Vor- 
teile ihrer vortrefflichen Stellung nicht zunutze zu machen und 
fühlten sich in den zerklüfteten Felsen höchst unbehaglich. Als 
sie die flinken und beweglichen Franzosen wie Ameisen die Felsen 
hinaufklettern sahen, verloren sie alles Zutrauen zu sich selbst 
und traten den Rückzug an, ohne sich um die in ihrem rechten 
Flügel stehenden Montenegriner zu kümmern, welche hierdurch 
der Qefahr ausgesetzt wurden, abgeschnitten und umzingelt zu 
werden. Dem auszuweichen, sah sich der Vladika gezwungen, 
über türkisches Gebiet nach Mokrinje zurückzuweichen, was 
aber die Montenegriner nur auf wiederholten Befehl und mit Wider- 
willen taten. Sie sahen nicht ein, weshalb sie sich zurückziehen 
sollten, da sie doch nicht geschlagen worden waren. 

Es scheint jedoch, daß die Franzosen diesen Rückzug der 
Montenegriner für eine Kriegslist hielten, darauf berechnet, sie in 
einen Hinterhalt zu locken, denn sie wagten es nicht, die von den 
Montenegrinern verlassenen Stellungen zu besetzen, während sie 
doch Debeli Brijeg schon besetzt hielten. Erst am folgenden 
Morgen (1. Oktober) nahm das 11. Regiment die Stellung auf 
der Bjelotina ein. 

41. Die Schlacht in der Sutorina. 

Durch seinen über die Russen davongetragenen Erfolg kühn 
gemacht, beschloß Marmont, seinen Vorteil zu verfolgen und aber- 
mals anzugreifen. Ziel seiner Anstrengungen warHerceg NovL 
Die Russen, welche eben durch zwei Musketier-Bataillone verstärkt 
worden waren, hatten das Tal der Sutorina, S. Stefano und 
die Abhänge der Hochebene vonVitkovid besetzt, welches ober- 
halb Castelnuovo liegt. Ihre Linie lief von Spul je über S. Stefano 
nach Trebesin. Die Montenegriner hielten die genannte Hoch- 
ebene von Mokrinje über MojdeS, Kulina, Ratisevina 
bis Deretid besetzt 

Die russische Stellung war unglücklich gewählt; sie zeigte, 
daß die russischen Befehlshaber mit dem Gebirgskrieg vollständig 



J 



Die Schlacht in der Satorina. 8S3 

unbekannt waren. Sie hätten sich an der trefflichen montenegri- 
nischen Aufstellung ein Beispiel nehmen können. Statt sich im 
Tal der Sutorina aufisustellen, hätte Vjazemskij besser getan, den 
südlich davon liegenden Höhenzug vonStadeno und Visenjidi 
zu besetzen. Auf diese Art hätte Marmonts Angriff vielleicht mit 
einer vollständigen Vernichtung oder Gefangennahme seines Heeres 
geendet Den Franzosen wäre der Weg nach Herceg Novi wohl 
offen gestanden, denn bei Spulje und S. Stefano hätten sie keinen 
Feind vor sich gehabt Wären sie aber so unvorsichtig gewesen^ 
sich hierdurch zum Vordringen gegen Herceg Novi verleiten zu 
lassen, so hätten sie sich bald eingeschlossen gesehen. Denn die 
Geschütze des Forts §panjol (Spagnuolo) bestrichen die Ebene 
am Strand der Bai von Topla, des einzigen Weges nach Herceg 
Novi. Die vor derselben ankernden russischen Linienschiffe hätten 
gleichzeitig die gegen Herceg Novi vordringenden Franzosen mit 
Hunderten von schweren Geschützen in die Flanke genommen. 
Der von den Russen besetzte Höhenzug im Süden des Sutorina- 
tales hätte nicht nur eine Entwicklung der französischen Heeres- 
massen gehindert, sondern diese wären von dort aus unter fort- 
währendem Feuer gestanden. Ein von den Montenegrinern von 
Mokrinje aus gegen den Debeli Brijeg und Javor-Berg 
UDtemommener Angriff wäre höchstwahrscheinlich geglückt und 
hätte dann Marmont zwischen Lu6id und Spulje eingeschlossen. 
Und daß dieser wirklich in die Falle gegangen wäre, zeigt sein 
Angriffsplan, dem gemäß er den größten Teil seines Heeres in 
das Sutorinatal warf. 

General Launaj mit dem Elite-Regiment erhielt den Befehl, 
am Kamm des Debeli-Brijeg östlich gegen Mokrinje zu 
marschieren, um die Montenegriner in ihrer rechten Flanke an- 
zugreifen. Das 11. Regiment unter General Aubr^e sollte seine 
Unterstützung bilden und am Debeli Brijeg Stellung nehmen. 
General Lauriston mit dem 79. Regiment erhielt die Weisung, 
gegen S. Stefano vorzubrechen. Rechts von ihm sollte General 
Delzons mit dem 23. Regiment auf Spulje vorrücken. General 
Sojez mit dem 18. leichten Regiment und General Lecchi mit 
dem italienischen Garde-Regiment waren bestimmt, hinter Lauriston 

und Delzons nachzurücken, um beide Generale nötigenfalls unter- 

21* 



834 Zehnter Zeitraum. 

stützen zu können. Den Rest behielt sich Marmont zur etwa 
notwendig werdenden Unterstützung Launajs. 

Dieser Oeneral hatte das Voltigeur-Bataülon gegen Mokrinje 
vorgehen lassen. Die Montenegriner ließen es ganz nahe heran- 
kommen, empfingen es dann mit einigen wohlgezielten Salven aus 
Flinten und Pistolen, trieben es in die Flucht und fielen dann mit 
dem HandSar über den Feind her. Launaj stellte sich eiligst an 
die Spitze des Grenadier-Bataillons und ließ in geschlossener Linie 
einen Bajonettangriff unternehmen. Gleichzeitig ging auch das 
11. Regiment gegen Mojdez vor, ebenfalls mit gefälltem Bajonett 
und geschlossenen Gliedern. Da der HandaSar gegen das Bajonett 
im Nachteil ist, zogen sich die Montenegriner wieder in ihre 
früheren Stellungen zurück, ohne es auf das Handgemenge an- 
kommen zu lassen. Sie begnügten sich damit, ein Feuergefecht zu 
unterhalten. Infolgedessen hielt es Launaj nicht fUr ratsam, den 
Montenegrinern in ihre Stellung nachzufolgen, um so mehr, als er 
durch seinen Bajonettangriff die Reste des Voltigeur-Bataillons ge- 
rettet hatte. Er schwenkte also rechts ab und wandte sich über 
Marastica gegen Deretid. 

Unterdessen war aber auch Lauriston mit dem 79. Regi- 
ment von Spulje angelangt. Hier wurde er der in Schlachtord- 
nung aufgestellten Russen ansichtig. Soweit es nun der enge 
Raum erlaubte, ordnete sich das 79. Regiment in geschlossenen 
Reihen und ging zum Angriff vor. Das zerklüftete Gelände 
brachte es jedoch mit sich, daß das ganze Regiment allmählich 
aus den geschlossenen Linien in Plänklerschwärme überging*, aber, 
wie Marmont sagt: ;,Der Mut der Soldaten und der Geist der 
Mannszucht ergänzte eine gute Ordnung.'' Wahrscheinlich waren 
die Russen zu steif, um zeitweilige Vorteile, welche ihnen das Ge- 
lände bot, auszunutzen. Sie ließen sich von den Franzosen ein 
kleines Stück zurückdrängen. 

Als dies Marmont sah, beschloß er, die russische Aufstellung 
zu durchbrechen und einen Teil der feindlichen Streitkräfte ge- 
fangen zu nehmen. Zu diesem Zwecke ließ er das 79. Regiment 
links gegen S. Stefano abschwenken, um die hier stehenden 
Russen zu werfen; Delzons hingegen wurde angewiei^en, mit 
dem 23. Regiment gegen Igalo und Hasanbeg vorzudringen. 



l 

I 

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Die Schlacht in der Satorina. 886 

Laariston mit dem 79. Regiment ließ sich mit den Russen, 
welche ihre Reserven von Trebesin heranzogen, in ein Feuer- 
gefecht ein, während Delzons das 23. Regiment sektionsweise 
in Abteilungen ordnete. Die Bataillone nahmen ihre Abstände 
während des Vorrückens, und dieser Angriff, der von Delzons 
kräftig eingeleitet wurde, hatte zum Zweck, den rechten russischen 
Flügel abzuschneiden und das Mitteltreffen zu umgehen, während 
Lauriston ersteren in Schach hielt. 

Das Vordringen Delzons' ließ wirklich die Russen ein Durch- 
brechen ihrer Linie befurchten, denn sie zogen ihren rechten Flügel 
auf die von den Montenegrinern besetzte Hochebene von Vitkovid 
zurück, während auch das Mitteltreffen rückgehende Bewegungen 
vollführte. Der linke Flügel zog sich auf das am Meeresstrand 
gelegene Wachhaus zurück. 

Unterdessen war auch Sojez mit dem 18. leichten Regiment 
vorgebrochen und hatte es in Abteilungen geteilt Marmont be- 
fahl ihm, sich auf den linken Flügel des 23. Regiments zu ziehen 
und direkt auf Herceg Novi zu rücken, um den Feind zu um- 
gehen, während das 23. Regiment einen neuen Angriff machte. 
Die Garde hielt sich zum Eingreifen bereit. Diese Bewegungen 
wurden sofort durchgeführt, aber die Russen merkten die ihnen 
drohende Gefahr und zogen sich zurück. Das 18. Regiment, 
welches den Russen in die Flanke hätte fallen sollen, erreichte 
infolgedessen nur das äußerste Ende ihrer Abteilungen. Soyez' 
Angriff bewog den linken Flügel der Russen, sich teils unter die 
Kanonen des Forts Spanjol zurückzuziehen, teils in den Booten 
einzuschiffen, welche die russischen Schiffe eiligst an den Strand 
gesandt hatten. Fort §panjol sowohl, als auch die Linienschiffe, 
eröffneten gegen die am Strand sich zeigenden Franzosen ein hef- 
tiges Feuer, welches diese zum Rückzug nötigte. 

Unterdessen hatten das Elite-Regiment und das 11. Regiment 
einen Versuch gemacht, sich der Hochebene zu bemächtigen, auf 
der die Montenegriner versteckt lagen und von deren Besitz jener 
von Herceg Novi abhing. Sie griffen bei'Deretid undRati- 
sevina^an und zwar, wie es das Gelände bedingte, in Plänkler- 
schwärmen. Die Montenegriner hatten sich am Rande der Hoch- 
ebene ausgebreitet und hinter den Steinen gedeckt Die Fran- 



S86 Zehnter Zeitraum. 

zosen sahen nur lange Flinten hervorragen ^ soweit sie sehen 
konnten. Dennoch gingen sie ruhig vor. 

Eine Salve zerreißt das Stillschweigen und der Widerhall 
bricht sich dumpf grollend von Felswand zu Felswand. Aus den 
Felsen brechen Blitze, der Gipfel des Gebirges hüllt sich in Wolken 
und in den sich plötzlich lichtenden Beihen der anstürmenden 
Franzosen ächzt und stöhnt es von Verwundeten und Sterbenden. 
,yEn avant! k Tattaque!^' donnert der Befehl von den Lippen 
der Offiziere, welche nach französischer Sitte ihren Soldaten mit 
gutem Beispiel vorangehen, und ungebrochen stürzen sich die einen 
Augenblick stutzenden Voltigeurs, Grenadiere und Musketiere gegen 
die durch den aufsteigenden Pulverdampf gekennzeichneten feind- 
lichen Stellungen. Eine zweite Salve kracht und fordert unter 
den mittlerweile näher herangekommenen Franzosen noch schwe- 
rere Opfer. 

Allein angetrieben von den Offizieren klettern die Soldaten 
mit frischem Mute vorwärts. Jetzt sind sie schon dicht vor der 
feindlichen Feuerlinie angelangt. Vielleicht gelingt es ihnen, in die 
montenegrinische Stellung einzubrechen, bevor die Bergbewohner 
frisch geladen haben, und dann wird es sich entscheiden, ob Handzar 
oder Bajonett die Oberhand behält. 

Diese Hoffiiung erweist sich aber als trügerisch. Im letzten 
Augenblick donnern abermals die langen, nie fehlenden Flinten 
der Montenegriner und speien Tod und Verderben unter die Fran- 
zosen. Aber nicht genug damit. Wenige Sekunden später ent- 
ladet sich eine zweite, dann noch eine dritte Salve gegen die An- 
stürmenden. Die Montenegriner haben nämlich auch ihre Pistolen 
abgeschossen, deren jeder zwei bis drei im Gürtel trägt. 

Im Nu ist das Vorfeld glatt gefegt. Bevor sich jedoch die 
Franzosen von ihrem Schrecken erholen können, erdröhnen die 
Felsen von einem entsetzlichen Geheul, dem Schlachtschrei der 
Montenegriner, und diese stürzen jetzt mit dem gefärchteten 
Handzar hervor. 

Umsonst suchen sich einzelne tapfere Franzosen und Ita- 
liener zu verteidigen. Unaufhaltsam dringen die Montenegriner 
vor, alles, was sich auf ihrem Wege findet, niedermetzelnd und 
köpfend. 



Die Schlacht in der Satorina. SS) 

Der italienischen Qarde und dem 5. Regiment wird in diesem 
-schrecklichen Augenblick von Marmont befohlen ^ mit gefälltem 
Bajonett zur Unterstützimg herbeizueilen und die beiden fliehenden 
Kegimenter vor völliger Vernichtung zu retten. Bei dem Anblick 
mehrerer tausend blitzender Bajonette ziehen es die Montenegriner 
vor; von ihren Opfern abzulassen und sich in ihre geschützten 
Stellungen zurückzuziehen, wohin ihnen zu folgen kein Franzose 
mehr Lust hat. 

Auch dieser zweite Tag hatte keine Entscheidung gebracht 
Von den Montenegrinern allerdings geschlagen, hatte sich Marmont 
seinerseits der russischen Stellungen bemächtigt und diese auf Herceg 
Novi zurückgeworfen. Der dritte Tag mußte die Entscheidung 
bringen. 

Marmont, welcher sich der Überzeugung hingab, er habe von 
den Montenegrinern nichts zu jRirchten, solange er sie in Ruhe 
lasse und die ihnen gegenüberstehenden Truppen sich in der Ver- 
teidigung verhielten, beschloß am 2. Oktober den Russen einen 
Hauptschlag beizubringen. Er drang daher mit seiner Haupt- 
macht über Bianka, Igalo und S. Stefano gegen Herceg 
Novi vor, wurde jedoch vom Fort §panjol wie von den Schiffen 
heftig beschossen. Aus Wut hierüber oder, wie sich Marmont 
ausdrückt, „zur Strafe fUr die erlittenen Beschimpfiingen^', ließ 
der Obergeneral die vor Herceg Novi liegenden Ortschaften Topla, 
Tusup, Bianka, Igalo, S. Stefano, Zupkoviö und 2vinje ^) anzünden 
und verbrennen. Nur das Haus eines einzigen Bewohners, der 
einige Monate vorher einem Franzosen das Leben gerettet hatte, 
wurde verschont. Der Grund dieser Ausnahme wurde an die 
Haustür geschrieben. 

In seinem Zerstörungswerke wurde jedoch Marmont durch 
die Montenegriner unliebsam gestört. Sie brachen nämlich plötz- 
lich vor und griffen den linken Flügel des Feindes an. Die un- 
glücklichen Regimenter, welche schon tags zuvor so gelichtet 
worden waren (das 11. und Elite-Regiment), konnten den Anprall 
nicht aushalten und wandten sich zur Flucht Die italienische 



1) Diese Ortschaft war mohammedanisch, wurde jedoch verbrannt, weil 
sieh die Bewohner weigerten, gegen die Rassen zu kämpfen. 



888 Zehnter Zdtranm. 

Garde, das 79. und 5. Begiment, die Artillerie und Reiterei eilten 
zur Unterstützung herbei und suchten die Monten^riner zurück- 
zutreiben. Umsonst! Unaufhaltsam wie eine Lawine stürmten 
die Cmogorcen vorwärts, Kompagnie für Kompagnie in die Flucht 
treibend. Erst als das 18. Begiment mit gefälltem Bajonett heran- 
rückte, hielt es der Vladika für geraten, um Mittemacht den 
Bückzug in die Stellungen anzuordnen. 

Während der Schlacht hatte der Srdar Qjoko Martinovid 
die Franzosen umgangen und war nochmals über das verschanzte 
Lager von Vitaljina hergefallen. Er machte die Besatzung 
nieder, befreite die gefangenen Bussen, vernagelte die ELanonen 
und kehrte dann mit den Verwundeten nach Herceg Novi zurück. 

Da inzwischen das 23. Begiment durch die russischen Schiffs- 
geschütze furchtbar gelichtet wurde, zog es Marmont auf Spulje 
zurück und hielt Elriegsrat. Alle Generale waren der Ansicht, daß 
der militärischen Ehre Genüge geschehen sei, indem man über die 
Bussen zweifellos siegreich gewesen sei; die Monten^riner hätten 
zwar schreckliche Wunden geschlagen, doch seien sie schließlich 
ebenfalls zurückgewiesen worden. Anderseits sei aber unter den 
obwaltenden Verhältnissen keine Aussicht auf einen Sieg vorhanden. 
Herceg Novi könne man nicht ohne Belagerungsartillerie nehmen, 
welche au&ufahren man erst die montenegrinischen Stellungen 
nehmen müßte, und jeder Angriff auf die Stadt sei Wahnsinn, so- 
lange die russische Flotte davor ankere. Eine Besetzung der von 
den Monten^rinern besetzten Hochebene sei sehr zweifelhaft, nach 
den Erfahrungen, welche man in den letzten Tagen über die 
montenegrinische Elriegstüchtigkeit und Tapferkeit gemacht habe. 
Und selbst wenn man Erfolg hätte, ständen die schrecklichen 
Opfer in keinem Verhältnisse zu dem Gewinn. Es wurde daher 
einstimmig der Bückzug beschlossen. Weil jedoch zu befurchten 
stand, die Montenegriner würden den Bückzug der Franzosen auf 
jede Weise zu verhindern oder zu erschweren suchen, beschloß 
man, erst nach 1 Uhr und in aller Stille aufzubrechen. 

Diese dreitägige Schlacht, taktisch ein Sieg Marmonts, stra- 
tegisch eine Niederlage der Franzosen, hatte beiderseits furchtbare 
Verluste gekostet Die Franzosen dürften nicht weniger als 2600 
Mann verloren haben, denn die Montenegriner allein hatten 1000 



Harmonts Rückzug. (Schlacht im Konavlje.) 889 

Köpfe und leider auch viele Nasen und Ohren als Trophäen auf- 
zuweisen. Was Marmont von 75 Toten und 130 Verwundeten 
erzählt, die ihm die dreitägige Schlacht gekostet haben soll, wird 
am besten dadurch widerlegt, daß man sich den Gang der EUUnpfe 
und das Gelände vor Augen hält, in dem die Franzosen An- 
greifer waren. Die Verluste der Verbündeten werden wahr- 
scheinlich um ein kleines geringer gewesen sein. Marmont be- 
ziffert zwar den Verlust der Russen auf 350 Tote, 6 — 700 Ver- 
wundete und 211 Gefangene, jenen der Montenegriner (die er 
hartnäckig „ Bauern '^ nennt) auf 400 Tote und mehr als 800 Ver- 
wundete (also 2200 Mann für beide Teile), doch ist es klar, daß 
die Verbündeten weniger verloren haben; denn einmal hatten sie 
gedecktere Stellungen, dann muß man erwägen, daß das Feuer 
der russischen Flotte und die beiden montenegrinischen HandSar- 
angriffe für die Franzosen ebenso verlustreich waren, als sie den 
Verbündeten wenige Opfer kosteten. Die Montenegriner wollen 
nur 200, die Russen 600 Mann (davon 12 Offiziere) verloren 
haben; man kann annehmen, daß erstere in Wirklichkeit 300, 
letztere 1000 Mann einbüßten. Sonderbar ist, daß die Monte- 
negriner sagen, Marmont habe sieben in den verbrannten Häusern 
„ gefundene '^ Kanonen mitgenommen, während Marmont selbst 
nichts davon sagt, daß er den Russen sieben Geschütze abgenommen 
habe. Soll er sie wirklich gefunden haben ^)? 

42. Marmonts Rückzug. (Schlacht im Konavlje.) 

Am 3. Oktober nach 1 Uhr brachen die französischen Regi- 
menter leise und heimlich auf, um den Rückzug nach Ragusa an- 
zutreten. Allein die montenegrinischen Posten hatten gute Ohren 
und vernahmen den Abmarsch^ der doch nicht ganz geräuschlos 
vor sich gehen konnte. In der Meinung, es handle sich um einen 
nächtlichen Überfall, scheuchten sie schnell das ganze Lager auf 
und in wenigen Minuten standen alle Montenegriner unter den 

1) Es wäre übrigens auch möglich, daß diese Kanonen solche waren, 
wie sie die Bocchesen zur Aasrüstung ihrer Schiffe gebrauchten (hatte ja 
auch mein Vater zu diesem Zweck deren 280!), imd daß sie deshalb diese 
Besenrekanonen in ihren Häasem versteckt hielten. 



880 Zehnter Zeitraum. 

Waffen. Als jedoch kein Angriff erfolgte , sandte der Vladika 
Streifwachen aus, um nachzusehen, was beim Feinde vorgehe. Sie 
kehrten mit der Nachricht zurück, das ganze französische Heer 
sei in vollem Abzug begriffen. Ein Jubelgeschrei begrüßte diese 
Freudenbotschaft und alle verlangten zur Verfolgung abgesandt zu 
werden. Nach kurzem Überlegen teilte Petar seinen Untertanen 
mit, daß er sie alle insgesamt zum Nachsetzen führen werde. 
Nachdem er seine russischen Waffengefährten hiervon benachrich- 
tigt hatte, setzte er sich mit seinen Montenegrinern in Bewegung 
und eilte dem abziehenden Feinde nach. Die Russen besetzten 
die verlassene Hochebene an Stelle der Montenegriner, während 
Fürst Vjazemskij ihnen noch ein Jäger-Bataillon zur Unterstützung 
nachsandte. 

Gegen Tagesanbruch hatte man nach zweistündigem Marsche 
die Franzosen eingeholt. Der Vladika beschloß, ihnen eine emp- 
findliche Niederlage beizubringen. Er entsandte daher zunächst 
1000 Mann mit dem Auftrag, dem französischen Heere auf Neben- 
wegen vorauszueilen und sich an passender Stelle in Hinterhalt 
zu legen. Mit den übrigen 2500 Mann (darunter die 500 russi- 
schen Jäger) umzingelte er die Nachhut. Bevor die Franzosen 
etwas hiervon merkten, krachten rasch drei Salven und mit ihrem 
betäubenden Eriegsgeheul stürzten sich die Montenegriner unter 
die Franzosen, mit dem haarscharfen HandSar niedermetzelnd, was 
ihr Arm erreichen konnte. 

Ein ungeheurer Schreck bemächtigte sich der Nachhut Sie 
dachte weniger daran, sich zu verteidigen, als sich in Sicherheit 
zu bringen, denn die Wildheit der Montenegriner, ihre Sitte, den 
Verwundeten und Gefangenen die Köpfe, auch Nasen und Ohren 
abzuschneiden ^), ihre körperlichen Kräfte usw. hatten nicht ver- 
fehlt, auf Marmonts Soldaten — wie er selbst zugibt — einen 
einschüchternden Eindruck zu machen. 

Die fliehende Nachhut warf sich auf das Mitteltreffen, dieses 

1) Diese Unsitte hatten sich die Montenegriner in den jahrhunderte- 
langen Kämpfen gegen die Türken als Wiedervergeltung gegen deren 
Grausamkeiten angewöhnt, denn es war türkischer Gebrauch. Der Vla- 
dika schritt wohl ernstlich dagegen ein, namentlich Christen gegenüber, 
aber die Gewohnheit war mächtiger als seine Worte. 



i 



Marmonts Bückzug. (Schlacht im Konavlje.) 881 

hierdurch in Unordnung bringend , so daß alle Bemühungen Mar- 
monts, ein Bataillon zum Bajonettangriff zu ordnen , vergeblich 
waren. In wilder Flucht drückten Mitteltreffen und Nachhut auf 
die Vorhut, diese vor sich herschiebend. 

In dieser Weise lief die ganze, immerhin noch über 12000 
Mann starke französische Armee vor einem fünfmal schwä- 
cheren „Schwärm Bauern'^ (wie Marmont sich stets ausdrückt) 
davon. Allerdings verhinderte die Morgendämmerung den Feind, 
die geringe Zahl der Montenegriner wahrzunehmen. 

Plötzlich wird die Vorhut rechts und links von einem wohl- 
gezielten Kugelregen begrüßt. Sie ist in den Hinterhalt gefallen! 
Salve um Salve schlägt in die französischen Beihen, welche sich 
mit Schnelligkeit lichten. Dann brechen die Montenegriner mit 
gezücktem HandSar aus dem Hinterhalt hervor und töten, was 
ihnen unter die Hände gerät, während in der Nachhut die russi- 
schen Jäger mit dem Bajonett wüten. 

Unterdessen ist es hell geworden und Marmont bemerkt die 
Schwäche seiner Gegner. Dies gibt ihm neue Kraft und Mut, 
seine Anstrengungen, das Heer zum Stehen zu bringen, zu ver- 
doppeln. Er begibt sich zu dem italienischen Garde- und zum 
Elite-Regiment und stellt diesen Truppen das Schimpfliche ihrer 
Flucht vor einem so viel schwächeren Gegner vor. Indem er sich 
auf ihr Ehrgefühl als Elitetruppen beruft, gelingt es ihm auch, 
sie zum Stehen zu bringen. Er sammelt sie in geschlossene 
Glieder und sucht die Montenegriner durch einen Bajonettangriff 
zurückzuwerfen. Die Russen sind aber gerade recht zur Hand 
und begegnen dem französischen Angriff ebenfalls mit dem Bajonett. 
Ein furchtbares Handgemenge entspinnt sich; die französischen 
Beihen kommen in Unordnung. Die Montenegriner, dies be- 
merkend, werfen sich mit Wut in die Lücken und metzeln die 
Garde nieder. Das 79. Regiment eilt, halb gesammelt, hinzu und 
sucht die Garde herauszuhauen. Es gelingt ihm unter beträcht- 
lichen Verlusten. 

Weiter fort wälzt sich das flüchtige französische Heer in 
voller Auflösung. Hunderte, die umzingelt sind, strecken gegen 
die Versicherung, daß man ihr Leben schonen werde, die Waffen. 
Unter fortwährenden 22 stündigen Kämpfen erreichen die ganz 



888 Zehnter Zeitraum. 

durcheinander gewürfelten Begimenter Cavtat, wo eae sich sam- 
meln und wo die Verbündeten ihre Angriffe ermüdet einstellen. 

Die ;, Schlacht imEonavlje^' hatte selbstverständlich furcht- 
bare Opfer erheischt 2000 Franzosen, darunter 1 General (Aubr^), 
18 Stabs- und 37 Ober- Ofßziere deckten das Schlachtfeld als 
Leichen; etwa 1700 Verwundete (darunter Lauriston und 
37 Offiziere) waren so glücklich, zu entkommen. General Bove, 
47 Offiziere und 1300 Mann wurden gefangen. Ein großer Teil 
des Trosses y 3 Adler, 6 Fahnen und 40 Geschütze^) fielen den 
Montenegrinern in die Hände. Außerdem bemächtigten sie sich 
noch der zehn im Hafen von Molonta ankernden und beladenen 
französischen Transportschiffe, wobei abermals 10 Geschütze erobert 
wurden. 

Die Verbündeten hatten einen so glänzenden Sieg mit un- 
bedeutenden Opfern erkauft. Sie büßten nur 300 Mann ein, wo- 
von 210 auf die Montenegriner kamen. 

Wird man es für möglich halten^ daß Marmont in seinen 
;,Mömoires'' diesen Kampf, welcher ihm 3 Generale, 140 Offiziere 
und 5000 Mann, außerdem 50 Geschütze kostete, einfach tot- 
schweigt? Und dennoch ist es so. Er hatte die freche Stirn, 
über seinen Rückzug folgendes aufzutischen: 

„Ich hatte meinen Zweck erreicht und diesen barbarischen 
Völkern meine Überlegenheit über die Russen gezeigt. Am 3. zog 
ich mich am hellen Tage und vor den Augen des Feindes 
zurück (!). Nach meiner Zurückkunft in Cavtat bezogen meine 
Truppen das Lager wieder, welches sie vor fünf Tagen verlassen 
hatten. Der Schrecken der Feinde war so groß, daß auch nicht 
ein Bauer mir zu folgen wagte (ly 

Und bezüglich der Wegnahme von zehn Transportschiffen er- 
findet Marmont: 

„Wenige Tage darauf benutzte diese Flottille einen günstigen 
Wind und durchschnitt im Angesicht eines russischen Geschwaders, 
das auf Kanonenschußweite vor Anker lag, den Golf (!). Die 
russische Marine war um jene Zeit ziemlich ungeschickt; sie 



1) Daranter waren die sieben von Mannont „gefundenen^ und neun 
schwere Geschütze. 



Biarmonts Bückzag. (Schlacht im Konavlje.) 888 

konnte nicht schnell genug die Segel hissen, um .der Flottille den 
Weg zu versperren, und so kam diese glücklich an (I), nachdem 
sie von den feindlichen Schiffen einige Ladungen ohne Wirkung 
erhalten hatte/' 

Die Montenegriner benutzten ihren glorreichen Sieg und die 
Furcht des Feindes dazu, am 4. und 5. Oktober die ganze Gegend 
bis Ragusa zu verheeren, was sie natürlich immer verhaßter 
machte. Überhaupt hatten damals die glänzenden militärischen 
Eigenschaften der Montenegriner die Schattenseite, daß sie sich 
mit unnützen Grausamkeiten befleckten. Dadurch gaben sie An- 
laß zu der üblen Meinung, die man bis in die neueste Zeit von 
ihnen hatte, als sie es schon lange nicht mehr verdienten. 

Senjavin, entzückt über die Hddentaten seiner Verbündeten, 
erließ am 6. Oktober folgenden Tagesbefehl: 

„Während der letzten Waffentaten hatte ich die Genugtuung, 
mich von der AnhängUchkeit meiner Bundesgenossen zu über- 
zeugen, welche nur für den Ruhm und aus Verehrung für meinen 
Kaiser kämpfen. 

„Montenegriner und Bocchesenl Ihr habt nicht allein Tapfer- 
keit und Heldenmut gezeigt, sondern auch meine Befehle aus- 
zufuhren und gute Mannszucht zu halten verstanden (?). Die 
Kühnheit des Feindes, der euer Gebiet zu betreten wagte, wurde 
bestraft. Er war über eure Festigkeit verblüfft und hat so 
schreckliche Verluste erlitten, daß er für lange Zeit außerstand 
sein wird, sich im freien Feld zu zeigen. Mich mit euch beglück- 
wünschend, danke ich euch für das Mitleid, das Ihr mit den Ge- 
fangenen gezeigt habt, und wünsche, daß die Menschlichkeit immer 
von euch geachtet werde. 

„Dieses euer lobenswertes Benehmen, von mir bereits meinem 
Herrscher zur Kenntnis gebracht, verdient, daß ich den ehren- 
werten Herren und dem Volke meine besondere Elrkenntlichkeit 
ausspreche, und indem ich dies hiermit tue, hoffe ich, daß euer 
Heldentum und eure Anhänglichkeit nie erlöschen werden. 

„Euren Eifer und euren Verdiensten das gebührende Lob 

zoUend, verbleibe ich mit Hochachtung und Zuneigung für immer 

Euer 

Vize-Admiral D. N. Senjavin." 



884 Zehnter Zeitraum. 

Am 16. Oktober machte der Vladika noch einen letzten 
Strei&ug gegen Cavtat, schlag eine kleinere französische Abteilung 
und fing einen Verpflegungszug ab; worauf er nach Herceg Novi 
(Castelnuovo) zurückkehrte. 

Wie sehr die französischen Truppen gelitten hatten^ geht aus 
einer Stelle in Marmonts ^^Mömoires^' hervor, in welcher er sagt^ 
im Oktober (1806) habe er Lauriston drei Regimenter (das 23., 
60. und 79.) übergeben, welche zusammen 1500 Mann zählten. 
Nachdem jedes Regiment mit zwei Feld-Bataillonen zu 800 Mann 
ins Feld gerückt war (dies ersieht man aus einem Briefe des 
Prinzen Eugen vom 2. August 1806), müssen diese drei Regi- 
menter allein 3300 Mann verloren haben. Dazu erwäge man noch, 
daß das Elite-Regiment fast gänzlich aufgerieben worden war! 

Während des Winters beschäftigte sich Marmont mit der Be- 
festigung der Häfen und aller sonst wichtigen Punkte, sowie mit 
der Bildung einer „dalmatinischen Legion'^, welche jedoch Anfang 
1807 erst — 38 Mann zählte. Nach ein paar Jahren freilich um- 
faßte sie vier Bataillone und etwa 3000 Mann. 

Die Verteilung des französischen Heeres während des Winters 
war folgende: 81. Regiment in Zadar (Zara), 18. Regiment in 
§ibenik (Sebenico), 5. Regiment in Trogir und Castelli, 11. Regi- 
ment in Elisa und Spljet (Spalato), 8. Regiment in Makarska, 
24. Jäger -Regiment in Sinj, 23. Regiment in Ston (Stagno), 
60. Regiment in KorSula, 79. Regiment in Rat (Sabioncello), 
3. leichtes italienisches Regiment, Jäger von Brescia, Jäger vom 
Orient und Elite-Regiment in Ragusa. 

Versteckt gesteht Marmont die jämmerliche Verfassung seines 
Heeres nach oben erwähnter und von ihm totgeschwiegener Nieder- 
lage ein, indem er sagt: 

„Nachdem sie einmal in ihren Standquartieren lagen und sich 
erholt hatten, nahmen diese Korps ihre alte Haltung wieder 
an und in kurzer Zeit wurden das 18. und 11. Regiment das 
wieder, was sie gewesen, d. h. schön.'' 

Ein Aufruf, welchen Senjavin an die Hercegoviner richtete, 
fand großen Beifall und man erklärte, gegen die Franzosen kämpfen 
zu wollen. Der Admiral jedoch ließ ihnen sagen, sie sollten erst 
im Frühjahr zu den Waffen greifen, wenn der Feldzug wieder er- 



Marmonts Biickzng. (Schlacht im RonaYlje.) 885 

öffiiet würde. Bis dahin sollten sie der guten Sache dadurch 
dienen, daß sie den Franzosen keine Lebensmittel verkauften. Die 
guten Hercegoviner dürften darüber weniger erbaut gewesen sein, 
denn die Südslaven wissen das Geld zu schätzen und geben meistens 
eher ihr Blut als einen Pfennig her; und nun mutete ihnen Sen- 
javin zu, sie sollten die gute Gelegenheit verabsäumen, die Fran- 
zosen übers Ohr zu hauen I — Marmont stößt auch elegische 
Klagen aus, daß er aus der „Türkei'^ den Proviant so teuer 
zahlen mußte. 

Weil eben vom Gelde die Sprache ist, so sei hier erwähnt, 
daß Petar I. am 16. Oktober von Sankovski ein Schreiben erhielt, 
das folgendermaßen lautete: 

„Soeben ist der Archimandrit Stefan Yuöetid aus Rußland 
hier angelangt und bringt mir Depeschen des Baron Budberg, 
Ministers des Äußern. Er überreichte mir auch die Summe von 
2567 Zechinen (Dukaten) und 58 Lire als Entschädigung 
Ihrer Kriegskosten in diesem Feldzuge. Das Geld schicke 
ich Ihnen nebst diesem Schreiben durch Pater Domician. Gleich- 
zeitig beauftragt mich der Car, Ihnen bekanntzugeben, daß er mit 
der nächsten Gelegenheit ein mit kostbaren Brillanten besetztes 
Kreuz an Sie absenden wird, das er Ihnen als schwachen Beweis 
seiner Erkenntlichkeit verliehen hat. Genehmigen Sie usw.'' 

Der Vladika genehmigte alles : Brief, Geld und Kreuz, und er 
hätte es gewiß noch mehr genehmigt, wenn der Kaiser die monte- 
negrinischen Elriegskosten nicht bis auf den letzten Heller 
berechnet, sondern die Summe mehr abgerundet hätte. In der 
Tat muß man gestehen, daß 2567 Zechinen und 58 Lire (etwa 
25 000 Mark) ftir den achtmonatigen Feldzug eines 3—6000 Mann 
starken Korps eine ziemlich bescheidene Summe bilden. Aber in 
Geldsachen hat Rußland Montenegro gegenüber leider stets auf 
gesunde Diät gehalten. 

Das Jahr 1806 wurde von den Verbündeten durch eine kühne 
Unternehmung würdig abgeschlossen. Nachdem sechs Kompagnien 
russischer Jäger angelangt waren, ging Vize-Admiral Senja- 
vin am 8. Dezember mit seiner Flotte unter Segel, zwei Batail- 
lone russisischer Jäger und 190 Montenegriner (zusammen 1400 
Mann) als Landungstruppen mit sich ftihrend. Am 10. Dezember 



88( Zehnter Zeitraum. 

erschien Senjavin vor Eoröola (Curzola), welche Insel erst 
kürzlich neu befestigt worden war. Marmont beschreibt sie 
folgendermaßen : 

^yCurzola, auf der gleichnamigen ' Insel gelegen^ ist vom Fest- 
land nur 40 Toisen weit entfernt (soll wohl heißen 4000 Toisen?). 
Die Stadt hängt mit der Insel nur durch eine Erdzunge zusammen. 
Ihre Befestigungen bestehen aus einem guten, mit Mauerwerk be- 
kleideten Wall von 24 bis 40 Fuß Höhe und sind von fünf großen, 
mit Kanonen versehenen Türmen flankiert Der Durchmesser des 
Forts beträgt kaum 160 Toisen (Meter). Eine Anhöhe beherrscht 
jenseits der Erdzunge das Fort. Ich ließ sie durch eine gute 
Schanze besetzen. Das Fort selbst, mit Munition und Lebens- 
mitteln versehen, war mit 16 Feuerschlünden von schwerem Kaliber 
bewaffnet und die Besatzung belief sich auf etwas mehr als 500 
Mann. Ein beherzter Mann vermochte diesen Platz mindestens 
14 Tage gegen alle feindlichen Angriffe zu halten; die Feigheit 
des Befehlshabers durchkreuzte jedoch meine Maßregeln.^' 

Am 10. Dezember landete Senjavin mit den zwei russischen 
Bataillonen und den 190 Montenegrinern aufKoröula und forderte 
die Festung zur Übergabe auf. Da diese abgeschlagen wurde, 
griffen die Verbündeten am 11. Dezember die Schanze neben dem 
Kloster San Biagio an, voran Sava Markov Petrovid (Bruder 
des Vladika) noit seinen Montenegrinern ^). Nach heftigem Kampfe 
wurde die Schanze genommen und Oberstleutnant Orfengo — der 
französische Befehlshaber — mit den Seinen in das Schloß zurück- 
geworfen. Am 12. Dezember wurde auch dieses gestürmt, als 
plötzlich die weiße Flagge sich zeigte. Der Kampf wurde ein- 
gestellt und Orfengo begab sich an Bord des Admiralschiffes, um 
die Übergabe zu unterzeichnen. Oberstleutnant Orfengo, 3 Stabs-, 
10 Ober-Offiziere und 389 Mann wurden gefangen und nach Neapel 
gebracht ^ Von den 16 Geschützen waren 14 noch vollständig 
brauchbar. 



1) Die Rassen waren nämlich stets so schlau, die Montenegriner die 
Kastanien aas dem Feuer holen zu lassen. So oft ein Angriff oder Sturm 
unternommen warde, worden letztere eingeladen, sich an die Spitze zu 
stellen, „weil die Franzosen Yor ihnen viel mehr Furcht hätten, als vor den 
Rassen ". 



Die Ereignisse des Jahres 1807. 887 

Von den Franzosen waren 6 Offiziere und 45 Soldaten ge- 
blieben, von den Verbündeten 3 Offiziere und 20 Mann. Außer- 
dem hatten letztere 9 Offiziere und 66 Mann vervnindei 

Für die Heldentaten des montenegrinischen Befehlshabers 
Sava Petroviö erhielt dieser den Qeorgs-Orden vierter ELlasse, 
und Stanko Petrovid, welcher verwundet worden war, den 
Anna-Orden und einen goldenen Ehrensäbel. 

Nach der Einnahme von KorSula eroberten die Verbündeten 
die Insel Braö (Brazza). 

Am 14. Dezember waren nämlich noch 100 Montenegriner 
nach Koröula gekommen. Senjavin ließ daher zwei Kompagnien 
Jäger dort als Besatzung und schifite sich mit dem Rest nach 
Braö ein, wo er am 22. Dezember 400 Jäger und 270 Monte- 
negriner ans Land setzte. Sofort wurde die Batterie angegriffen, 
welche sich nach kurzem Kampfe ergab. Der Befehlshaber, Ka- 
pitän Bure, 3 Offiziere und 80 Mann wurden gefangen, ohne daß 
dieser Sieg den Verbündeten Opfer gekostet hätte. 

Am Begriff, nunmehr auch Hvar (Lesina) wegzunehmen, er- 
hielt der Admiral eine Depesche aus Corfü, welche ihm bekannt- 
gab, Ali Tepelöni Pa§ä von Joännina beabsichtige, sich der 
Insel Corfü zu bemächtigen. Infolgedessen segelte Senjavin am 
25. Januar 1807 ab. In den Bocche blieb nur Kapitän Bara- 
tinskij mit drei Linienschiffen und einigen kleineren Schiffen 
zurück. 

43. Die Ereignisse des Jahres 1807. 

Während Senjavins Abwesenheit ruhten die Feindseligkeiten 
zwischen den Verbündeten und den Franzosen, da erstere zu 
schwach waren, angrifisweise vorzugehen, letztere jedoch die Nieder- 
lage im Konavlje noch nicht verdaut hatten. 2000 Russen waren 
unter dem Obersten Knipper zurückgebUeben, um den Monte- 
negrinern bei etwaigen Kämpfen beizustehen. Der Vladika ge- 
dachte, sie gegen die Türken zu verwenden, daher schlug er die 
Eroberung von Nikäiö vor. Der russische Kommissar General 
Sankovski stimmte zu und Oberst Zabijeljin mit 1000 Russen 
brach am 14. April 1807 von Risanj gegen Nikäid (Onogoät) 
auf, wohin der Vladika mit 3000 Montenegrinern vorausgezogen 

Qop6evi6t Montenegro und Albanien. 22 



SS8 Zehnter Zeitraum. 

war. Oberstleutnant Radulovid mit zwei rusaiBcfaen Jäger- 
Eompagnien (350 Mann) und 400 Bocchesen zog von Herceg 
Novi gegen Trebinjei um den dort wohnenden Sulejmän Paää 
zu verhindern; nach Nikäid Entsatz zu senden. 

Die 3000 Montenegriner, welche der Vladika gegen diese 
Festung fUhrte, waren frUher eingetroffen als die Russen und 
hatten begonnen, die Häuser außerhalb der Ringmauer anzuzünden. 
Da hierdurch die Türken in Verwirrung gerieten, wollte der 
Vladika sofort losschlagen, und es ist auch wahrscheinlich, daß 
er sich der Festung im ersten Anlauf bemächtigt hätte. Allein 
unglücklicherweise kamen jetzt die Russen heran, deren Befehls- 
haber es vom Standpunkt des Völkerrechts aus für unzulässig er- 
klärte, eine Festung zu erstürmen, bevor man sie zur Übergabe 
dreimal aufgefordert habe. Obwohl die Montenegriner Zabijeljina 
Ausfuhrungen nicht recht begriffen, gaben sie doch nach. Hier- 
durch ging aber der Augenblick des Handelns verloren. Im ersten 
Schreck hätte vielleicht der türkische Befehlshaber die Festung 
übergeben, nachdem man ihm aber einen Tag Zeit zur Über- 
legung gelassen hatte und er inzwischen einsah, daß seine Festung 
ohne Belagerungsgeschütz nicht zu nehmen sei, lehnte er ab. In- 
folgedessen gerieten Sankovski und Zabijeljin miteinander in 
Streit und das Ende des Liedes war, daß man unverrichteter Sache 
den Rückzug antrat. 

Am 30. Mai rückten abermals 400 Russen und 1000 Monte- 
negriner, geführt vom Quvematur Vuk Radonjid, vor die tür- 
kische Festung El o buk, welche auf einem sehr hohen, steilen 
Felsen liegt und bei den Montenegrinern für uneinnehmbar galt. 
Süobuk hatte 400 Mann Besatzung und hielt sich selbstverständ- 
lich gut Sulejmän Paää von Trebinje wandte sich an Marmont 
mit der Bitte um Entsatz und dieser sandte auch wirklich den 
General Launay mit 1200 Mann. 3000 Infanteristen und 300 
Reiter brachte der Paää auf und so konnten sich 4500 Franzosen 
und Türken mit 12 Geschützen gegen Klo buk in Bewegung 
setzen, vor dem nur 1400 Verbündete lagen, die sich überdies 
noch die 400 Mann starke Besatzung vom Leibe halten mußten. 
Infolgedessen kann man den Ausgang des Gefechtes leicht er- 
raten. Die Russen bildeten, sobald sie sich von allen Seiten um- 



Die Ereignisse des Jahies 1807. S89 

zingelt sahen, ein Viereck, während die Montenegfiner , welche 
sich auf solche taktische Formen nicht verstanden, es vorzogen, 
sich mit dem HandJar in der Hand auf den nächstbesten feind- 
lichen Heerhaofen zu werfen, um durchzubrechen. Nach einem 
erbitterten Kampfe gelang es ihnen auch, sich durchzuschlagen. 
Schlimmer kamen die Russen weg. Den fortwährenden Angriffen 
konnten sie nicht lange standhalten. Es waren ja ihrer nur 400 1 
Die firanzösische Artillerie riß Lücken in das Viereck, durch welche 
die türkischen Reiter eindrangen. Es bUeb daher den Russen 
nichts übrig, als sich auf gut Glück mit gefiUltem Bajonett Bahn 
zu brechen. Nur der zehnte Teil entkam auf diese Weise, der 
Rest war gefiedlen oder gefangen. Letzteren wollten die Ttlrken 
die Köpfe abschneiden, doch Launay verhinderte dies, indem 
er für jeden lebenden Rassen einen Lomsdor ausbezahlte. Doch 
schon nach wenigen Stunden kamen die Ttlrken zurück und wollten 
den Handel rückgängig machen, ja sie erboten sich sogar, drei 
bis vier Louisdor für den Kopf zu zahlen. Natürlich weigerte 
sich Launay, auf einen so schmutzigen Handel einzugehen. 

Das Gefecht von Klo buk kostete den Russen 360, den Mon- 
tenegrinern 103, den Franzosen 120, den Türken etwa 360 Mann. 

Unterdessen kam Senjavin von seinen Kreuzfahrten zurück 
und begann mit verschiedenen Elinwohnem aus dem Ragusanischen 
Einverständnisse zu unterhalten. Am 5. Juli kreuzte Senjavin 
mit dem größten Teil seiner Flotte, welche russische und monte- 
negrinische Landungstruppen mit sich führte, vor Spljet (Spalato) 
und schiffte diese dann in der Grafischaft Poljica aus. Der 
Panduren-Oberst Danese, den Österreichern ergeben und gegen 
die Franzosen von Haß erfüllt, war das Haupt der Verschwörung. 
Sofort nach der Landung der Russen rief er die Bevölkerung zum 
Au&tand; diese, wegen der Aushebung für die dalmatinische 
Legion unzufrieden, erhob sich und machte alle Franzosen nieder, 
deren sie habhaft werden konnte. 

General Vignole, Marmonts Generalstabschef, war mit dem 

8. und 11. Regiment sofort herbeigeeilt, doch zogen sich die Russen 

vor seiner Ankunft zurück und schifften sich wieder ein, um lieber 

Omiä (Almissa) wegzunehmen, was ihnen auch gelang. Der 

Zugang zu dieser von alten Befestigungen umgebenen und von 

22* 



840 Zehnter Zeitraam. 

einem Fort beherrschten Stadt war sehr schwierig. Die Franzosen 
waren durch die Ceti na von ihr getrennt Sie moAten daher 
über die Gipfel der Berge ziehen, um dort anzulangen. Sobald 
dies gelungen war, schifiten sich die Russen wieder ein. 

Noch zweimal landeten die Russen in Makarska und Pod- 
gora. Sie unternahmen einen Streifzug in das Innere und wie- 
gelten das Volk auf. General Delzons eilte mit dem 8. Regi- 
ment herbei; griff die Aufständischen an und zersprengte sie. An- 
geblich wurden 200 Mann gefangen. Die Russen schifften sich 
auch hier wieder ein. 

Am 26. Juli teilte Lauriston dem Kapitän Baratinskij die 
Nachricht vom Abschluß des Tilsiter Friedens mit und am 
4. August traf in den Bocche ein russischer Eilbote ein, wel- 
cher den Befehl Aleksandrs überbrachte, die Bocche den Fran- 
zosen zu übergeben. Infolgedessen richtete Sankovski an den 
Vkdika folgende Depesche: 

,,Ich habe die Ehre, Eure H^gkeit in Kenntnis zu setzen, 
daß infolge des mit Osterreich abgeschlossenen Preßburger Friedens 
die Bocche di Cattaro den Franzosen gehören und von unseren 
Truppen geräumt werden sollen. 

,;In Gemäßheit dessen bitte ich Eure Heiligkeit allerunter- 
tänigst, Ihrerseits die nötigen Maßregeln zu treffen und die in 
Dverno befindlichen Truppen zu entlassen. 

„Kotor, 26. Juli (6. August) 1807." 

Es ist mir geradezu unbegreiflich^ weshalb der Vladika diesem 
sonderbaren Ansinnen des russischen Generals nachgab und die 
Bocche räumte. Denn erstens waren nicht die Russen ; sondern 
die Montenegriner Herren der Bocche, da die russischen Trup- 
pen von beiden Teilen nur als Hilfstruppen betrachtet wurden, 
die russischen Obersten auch unter dem Befehl Petars stan- 
den. Femer stand Montenegro in keinerlei Abhängigkeitsverhält- 
nnis zu Rußland, die Verträge, welche der Gar abschloß, wäre 
folglich für den Vladika nicht bindend. Verpflichteten sich die 
Russen zur Räumung der Bocche, so konnten sie immerhin ihre 
Truppen zurückziehen, die Montenegriner aber hatten zu bleiben. 
Da nun Montenegro damals 10000 Mann aufstellen konnte und 



Die Ereignisse des Jahres 1807. S41 

auf den Ruf des Vladika 3000 Bocchesen mit ihm gemeinsame 
Sache gemacht hätten, wäre eine erfolgreiche Verteidigung der 
Bocche gegen die Franzosen möglich gewesen , um so mehr, als 
die englische Flotte die russischen Schiffe abgelöst und die Vertei- 
digung der Seeseite (obendrein sicher besser!) unternommen hätte. 
Die Nachgiebigkeit Petars war der größte politische Fehler, den 
je ein montenegrinischer Regent begangen hat. Wäre er geblieben, 
so würden die Bocche — Montenegros natürlicher Hafen — 
montenegrinisches Gebiet geblieben sein. 

Am Morgen des 10. August 1807, um 6 Uhr früh, rückten 
die französischen Truppen unter Lauriston in Herceg Novi 
ein, dessen Fort ^panjol (Spagnuolo) sofort von ihnen besetzt 
wurde. Eotor und Budva wurden erst am 12. August über- 
Uefert, da man früher die daselbst befindlichen Magazine ausleeren 
wollte. Mit tiefem Unwillen kehrten die Montenegriner in ihre 
heimatlichen Berge zurück, entrüstet, das Werkzeug russischer 
Politik gewesen und getäuscht worden zu sein, wie schon so oft. 
Sie hatten umsonst ihr Blut vergossen. Wie in so vielen früheren 
russisch-türkischen Kriegen hatten die Montenegriner auch jetzt 
wacker im Interesse Rußlands gegen die Franzosen gekämpft. 
Und so wie sie früher nach getaner Schuldigkeit gehen konnten, 
oder besser gesagt, hilflos und verlassen der türkischen Rache 
preisgegeben wurden, so raubte ihnen jetzt nach getaner Arbeit 
ein lakonischer Ukäz die Früchte ihrer Siege. Ob wohl die weiße 
Mitra mit dem Diamantkreuz und der Alekandr-Nevskij- Orden, 
welche der Car dem Vladika großmütig verlieh, diesen über den 
Verlust der Bocche getröstet haben? 

Marmont hatte* Arm und Kopf der Bocchesen furchten und 
schätzen gelernt, er ließ daher seinen gewöhnlichen Hochmut bei- 
seite und spielte sich auf den Großmütigen hinaus. Er erließ eine 
„Verzeihung '', machte keine Vorwürfe (die ohnehin nichts genützt 
hätten) und wollte den Bocchesen zeigen, daß die Franzosen doch 
bessere Leute seien als die Russen, indem er ihnen die von letz- 
teren eingeforderten Steuern zurückzahlen ließ. Dagegen mußten 
jedoch die Bocchesen den Ragusanern jene Fahrzeuge zurück- 
stellen, die sie einst unter Führung meines Großvaters im Hafen 
Von Gruz gekapert hatten. 



S48 Zehnter Zeitraum. 

Napoleon hatte, wie ich schon frtiher erwähnte, Marmont 
empfohlen, den Vladika heimtückisch ge&ngen zu nehmen, um 
die Montenegriner, deren Verehrung f&r Petar unbegrenzt war, 
dadurch zum Frieden zu zwingen. Marmont hielt jetzt, da sich 
alle Befestigungen in seinen Händen befanden, den Zeitpunkt fär 
geeignet, Napoleons Befehl nachzukommen. Er lud daher den 
Vladika ein, ihn behufs Qrenzregelung zu besuchen« 

Als Ort der Zusammenkunft wurde das Fort Trojica (Tri- 
nitk) bestimmt. Am 24. August erschien Petar mit einem Dutzend 
Montenegriner, doch als diese bei Trojica ein ganzes französisches 
Regiment aufgestellt fanden, witterten sie Unrat und erlaubten 
ihrem Vladika nicht, die Festung zu betreten. Da er noch zögerte, 
schleppten sie ihn mit Gewalt in ihre Berge zurück. 

Zwei Tage später erhielt Petar von Sankovski folgenden 
Brief: 

„Ich habe die Ehre, Ihnen bekannt zu geben, daß ich gestern 
bei dem Obergeneral Marmont war. Er beklagte sich, daß Sie 
zur Zusammenkunft nicht gekommen seien und daß Sie sich auf 
Schußweite vom Fort von Ihrem Gefolge entfuhren ließen; aus 
Furcht vor Verräterei wahrscheinlich. Ich nehme mir die Frei- 
heit, Ihnen zu bemerken, daß solches Mißtrauen den General sehr 
beleidigt hat, um so mehr, als er wohl weiß, daß Montenegro unter 
dem Schutze unseres großen Kaisers steht. Wenn die Franzosen da- 
her auch einige Ursache hätten, auf Sie erbost zu sein, so müßten 
(loch die politische Sachlage und das gute Einvernehmen der beiden 
größten Monarchen Europas Ihnen Rücksichten auferlegen. Dies 
veranlaßt mich, Sie untertänigst zu bitten, mit Ihren Begleitern 
in meine Wohnung zu kommen, von wo aus Sie dann den General 
Marmont besuchen könnten. Wollen Sie mich von Ihrer Ankunft 
benachrichtigen, damit ich das Nötige veranlassen kann.'' 

Ahnungslos kam nun Petar nach Eotor, gefolgt von einem 
halben Hundert Monten^riner, die sich ihm freiwillig an- 
geschlossen hatten. Er begab sich in die Wohnung des Marschalls 
und nahm, ohne Beachtung des Hochmuts, den letzterer zur Schau 
trug, Platz. Sechs Montenegriner, keiner unter zwei Meter hoch, 
zückten ihre HandSars und blieben vor der Eingangstür als Wache, 
während der Rest vor dem Haustor das Gleiche tat. 



Die Ereignisse des Jahres 1807. S4S 

Der yiadikay ein Mann von über zwei Meter Höhe^ blieb mit 
Marmont und ein paar französiBchen Offizieren allein im Zimmer. 
Die sechs Montenegriner vor der Tür riefen ihm zu, er solle^ falls 
er Zweideutigkeiten oder Verdächtiges bemerke, den Marschall 
zum Fenster hinauswerfen, mit den übrigen würden sie 
schon aufräumen. 

Marmont, dem dies von seinem Dolmetsch, Grafen Zanoviö, 
mitgeteilt wurde, erblaßte und gab seine anfängliche Absicht, den 
Vladika gefangen zu nehmen, auf. Ihre Unterredung lautete wört- 
lich folgendermaßen: 

Marmont: Wozu brauchen Sie so viele Montenegriner? Sie 
haben ja hier nichts zu besorgen? 

Vladika: Ich fürchte mich nirgends und vor niemandem, 
am wenigsten hier und vor Ihnen. Aber das Volk läßt mich 
allein nicht ausgehen und ohne Montenegriner reise ich nirgends 
hin. (Dies ist noch heute der FalL Wenn der König in Cetinje 
auch nur den kleinsten Spaziergang unternimmt, umringen ihn 
50 — 100 seiner Untertanen. Der Zug yergrößert sich immer 
mehr, je weiter der König geht, weil jeder, der ihm begegnet und 
sonst nichts Besseres vorhat, sich dem Schwärm anschließt.) 

Marmont: Sie sind eine geistliche Person; wozu brauchen 
Sie eine weltliche Regierung? Kümmern Sie sich eher um die 
Kirche und den Gottesdienst. 

Vladika: Ich brauche mir von einem französischen General 
keine Vorschriften geben zu lassen. Übrigens will ich Ihnen 
zu Ihrer Aufklärung mitteilen, daß mir beide Gewalten vom 
Volke übergeben wurden. Ich weiß nicht, wie es die Franzosen 
halten, aber bei uns ist das Volk gesetzgebend. Solange das 
Volk wiU, werde ich das mir auferl^te Doppelamt' ausüben und 
dieses Recht als treuer Sohn eines freien Landes aufrechterhalten, 
ob dies einem französischen G^eral recht ist oder nicht. 

Marmont: Die Russen haben Sie im Stich gelassen. Was 
haben Sie mit diesem rohen und unaufgeklärten Volke zu tun, 
das auch Ihnen ein Feind ist und das Euch insgesamt in die 
Sklaverei zu stürzen sucht? 

Vladika: Herr General, tasten Sie nicht mein Heiligtum und 
den Ruhm des größten Volkes an, dessen treuer Sohn auch ich 



844 Zehnter Zeitraum. 

bin. Die Rassen sind nicht unsere Feinde, sondern Brüder eines 
Stammes und Glaubens, die für uns Liebe hegen, wie wir fiir sie. 
Sie hassen die Russen und schildern sie, wie ich sehe, schwarz, 
den andern Slaven aber schmeicheln Sie, damit Napoleon sein 
Ziel eher erreicht. . Indeß erwarten die Slaven nur im Bunde mit 
dem mächtigen und verwandten Rußland Heil und Ruhm. Gehen 
die Russen zugrunde, so geschieht dies auch allen anderen Slaven. 
Wer daher gegen die Russen gesinnt ist, ist es auch gegen alle 
Slaven. (Diese platonische Liebeserklärung des Vladikas macht uns 
seine blinde Nachgiebigkeit gegen russische Weisungen begreifen.) 

Marmont: Das montenegrinische Volk ist wUd und un- 
menschlich. Gleich Wilden und Barbaren pflegt es die gefangenen 
Feinde zu köpfen. 

Vladika: Herr General, das Volk von Montenegro ist helden- 
mütig und von edlem Charakter. Es streitet wie ein edler und 
freier Held fiir die Freiheit, die ihm teuer ist. Daß es den ge- 
fangenen Feinden die Köpfe abschneidet, ist allerdings wahr, doch 
läßt sich dies durch manches begründen. Wir können mit Ver- 
wundeten und Gefangenen nichts anfangen; anstatt sie also ver- 
schmachten und verhungern zu lassen, kürzt man ihre Leiden 
durch das schnelle Köpfen. Ich bin übrigens erstaunt, einen 
Franzosen seinen Abscheu vor dem Köpfen aussprechen zu 
hören, da doch das französische Volk seinem rechtmäßigen König 
und unzähligen Mitbürgern öffentlich den Kopf abschlug. 
Diese „Barbarei'' haben daher eigentlich die Montenegriner von 
den Franzosen gelernt, jedoch mit dem Unterschiede, daß erstere 
nur ihre Unterdrücker köpfen, ihre Herrscher oder Mitbürger 
jedoch niemals geköpft haben. 

Marmont (mit verbissener Wut): Wissen Sie, Vladika, daß 
Ihr Land bisher „Schwarze Berge'' hieß, aber von nun an wird 
es den Namen „Rote Berge" fuhren. Die französische Macht 
wird es mit Blut überschwemmen, sie wird Euch zeigen, daß es 
eine Macht gibt, welche Eure wilde Tapferkeit übertrifft. 

Vladika: Ihre Worte beweisen mir, daß Sie von uns 
und unserem Lande keine blasse Ahnung haben. Eben deshalb 
wünschte ich sehr, zu erleben, daß jener Staat mit uns Krieg 
fUhre, vor dem, mit Ausnahme des heiligen Nordens, die ganze 



Die Ereignisse des Jahres 1808. 845 

Welt zittert. Die Welt wird dann sehen, was wir Zwerge gegen 
die Riesen auszurichten imstande sind; sie wird sich von jener 
Muskelkraft überzeugen; mit der wir uns jahrhundertelang gegen 
erdrückende Übermacht gehalten haben. Und wenn der Ruhm, 
mit dem sich unsere Fahnen in den letzten Kämpfen gegen Sie 
bedeckt haben, noch nicht in Europa bekannt sein sollte, so wird 
dann der Glanz serbischen Ruhmes desto heller strahlen. 

Dies der Wortlaut dieser denkwürdigen Zusammenkunft, 
welche Marmont in seinen „Mömoires^^ aber folgendermaßen 
wiedergibt: 

„Wir sprachen von der Vergangenheit und ich fragte ihn, 
weshalb er uns bekriegt habe. Er antwortete mir, daß er, unter 
den Schutz Rußlands gestellt, seiner Pflicht nachzukommen ge- 
glaubt habe. Jetzt habe der neue Zustand der Dinge seine 
Stellung geändert und ihm neue Pflichten auferlegt Er ver- 
sicherte, daß das Volk von Montenegro mit den Franzosen in 
guter Nachbarschaft leben, mir keinen Grund zur geringsten Klage 
geben und es sich zur größten Ehre anrechnen würde, 
die Gnade meines Herrschers zu besitzen (I). Obgleich 
er sich nicht verpflichtete, ließ mich doch seine Rede den Ge- 
danken vermuten, sich eines Tages unter den Schutz Frank- 
N. reich s stellen zu wollen (!). Ich versprach ihm unserseits gute 

Nachbarschaft, aber unter der Bedingung der Gegenseitigkeit, 
worüber er mir wiederholte Zusicherungen gab (!).'^ 

Wie sehr Petar dem Marschall Achtung eingeflößt hatte, be- 
weist dessen Urteil über ihn: „Der Vladika, ein prächtiger Mann 
von etwa 55 Jahren, und mit einem merkwürdigen Geist be- 
gabt, hatte in seinem Benehmen viel Anstand und Würde.'' — 

Ende Dezember 1807 verließ Lauriston Dalmatien und 
wurde durch General Clausel ersetzt. Zur selben Zeit wurde 
Marmont zum Herzog von Ragusa ernannt. 

VL. Die Ereignisse des Jahres 1808. 

Die lächerliche, fast naiv zu nennende Unwissenheit Marmonts 
in Bezug auf Montenegro zeigte sich bei jeder Gelegenheit, wie 
man auch aus folgender Stelle seiner „Mdmoires'' ersieht: 



S46 Zehnter Zeitraum. 

,,Der Kaiser legte um diese Zeit (Anfang 1808) einen großen 
Wert darauf; die Montenegriner in Unterwürfigkeit (!) zu er- 
halten (!). Wir standen mit ihnen auf Friedensfuß, doch 
hatten sie noch nicht auf ihre Unabhängigkeit ver- 
zichtet. (Marmont hoffte also, die Montenegriner wärden die 
von ihnen durch 400 Jahre verteidigte Freiheit freiwillig seiner 
schönen Augen halber aufgeben!) Der Kaiser verlangte zwar 
nicht von ihnen , daß sie Untertanen gleich den Dalmatinern 
werden sollten (wie großmütig!), wohl aber wollte er, daß sie 
durch eine Urkunde seinen Schutz in Anspruch nehmen sollten/' 

Zu diesem Zwecke dachte Marmont einen Konsul in Cetinje 
anzasiedeln. Er schickte einen Offizier der dalmatinischen Legion 
namens Tomid, welcher zwar freundlich aufgenommen wurde, 
dem man aber bedeutete, seine Gegenwart sei überflüssig, da 
der montenegrinische Handel zu gering sei, sich auch auf Kotor 
beschränke, wo Tomid seinen Wohnsitz nehmen könne. Vorsichts- 
halber fragte Petar in Petersburg an und erhielt von der Wiener 
Botschaft am 25. Juli 1808 den Bescheid, nach seinem Ermessen 
zu handeln. Infolgedessen wurde jedes Konsulat abgelehnt, um 
nicht andere Staaten zu Gleichem zu verleiten, wodurch Monte- 
negro ein Schauplatz diplomatischer Ränke und ein Spielball 
fremder Einflüsse geworden wäre. 

Das Ansuchen Marmonts um Überlassung des montenegri- 
nischen Klosters M a j n a behufs Unterbringung französischer Trup- 
pen wurde höflichst abgelehnt; ebenso der Vorschlag, von Kotor 
nach Nikäid eine Straße zu bauen. 

Napoleon hatte freilich leicht befehlen; er kannte eben die 
monteüegrinischen Verhältnisse ganz und gar nicht; so z. B. schrieb 
er am 26. Januar 1808 an Marmont: „Halten Sie einen Agenten 
beim Bischof von Montenegro und suchen Sie diesen Mann zu 
gewinnen.'' Am 9. Februar fragte er: „Wie kommt es, daß Sie 
mir nie von den Montenegrinern sprechen? Man muß keinen zu 
schroffen Charakter haben ; man muß Agenten unter sie schicken (!) 
und ihre Parteiführer (!) für sich zu gewinnen suchen.'' 

Napoleons Weisungen waren um so mehr unausführbar, als der 
Vladika am 2. August 1808 mit dem Pa^ von Skodra Frieden 
geschlossen hatte. Weil die Aufreizungen Marmonts an dem Gleich- 



Die Ereignisse des Jahres 1808. S47 

mal der türkischen Vezire Bcheiterten, versuchte es der Obergenerfd 
mit dem goldbeladenen Eseli der nach Philipp von Makedonien 
jede Mauer zu übersteigen vermag. Allein er täuschte sich auch 
hierin schmählich. Alle Montenegriner wiesen das französische 
Gold mit Entrüstung zurück , so geizig und habgierig auch sonst 
der Montenegriner ist. Auch die Lockung Marmonts, der mit 
großem Aufsehen prächtige Geschenke fUr den Vladika vorbereitete 
und ihm ein mit großen Diamanten besetztes Bildnis Napoleons 
versprach, verfing nicht. Die Montenegriner zogen ihre Un- 
abhängigkeit dem schönsten Geschmeide, dem kostbarsten Golde 
und dem gelungensten Bildnisse Napoleons vor. Marmont rächte 
sich, indem er die Bocche der geistlichen Gerichtsbarkeit des 
Vladika entzog. 

Als der Herzog von Ragusa endlich sah, daß alle seine schönen 
Lockungen und Ränke erfolglos blieben, suchte er mit Gewalt 
Montenegro zu unterwerfen. Denn weil er durch Launay und 
Clausel erfolgreiche Strei&üge in die Hercegovina hatte unter- 
nehmen lassen, um seinen Freund Hadzi Bej gegen dessen Feinde 
zu unterstützen, hielt er einen Eriegszug gegen Montenegro für 
ebenso leicht; nachdem er überdies einen Nachschub von 2000 
Mann erhalten hatte, dachte er, sich die nächstbeste Gelegenheit 
zunutze zu machen. Elinstweilen zog er drei Bataillone unter 
General Delzons bei Budva zusammen. Die Franzosen er- 
laubten sich Ausschreitungen gegen die Weiber, was zur Folge 
hatte, daß einige Bocchesen die Schuldigen niedermachten. Dies 
nahm Delzons zum Anlaß, einige Häuser und Weiden nieder- 
zubrennen und deren Eigentümer niederzumetzeln, obwohl es nicht 
erwiesen war, daß sie schuldig seien ^). Infolgedessen bemächtigte 
sich der Landschaft PaStrovid große Aufregimg und das Dorf 
Braidi (nordöstlich von Budva) sagte sich von den Franzosen los, 
den Anschluß an Montenegro feierlich verkündigend. 

Als Delzons dies vernahm, setzte er sich am 22. August 
(1808) mit zehn Kompagnien (etwa 1200 Mann) gegen Braidi in 
Bewegung. Die Einwohner dieses Dorfes, 130 Mann stark, hielten 



1) Aach der Pop Lazar Radonjid yon NjeguS und sein 18 jähriger 
Sohn wurden in Rotor erschossen. 



34S Zehnter Zeitraum. 

den schrecklichen Gebirgspaß eine halbe Stunde vor Braidi, un- 
weit der Kapelle S. Giovanni, besetzt und begrüßten die an- 
rückenden Franzosen mit einem ebenso mörderischen ^ als wohl- 
gezielten Feuer. Nachdem der Kampf voln frühen Morgen bis in 
die späte Nacht gedauert hatte , zog sich Delzons zurück. In 
Budva fand er ein von Marmont gesandtes Regiment vor. Da 
ihm dies ungenügend schien^ verlangte er noch ein zweites, welches 
am folgenden Tage gegen Mittag in Budva eintraf. Nun hatte 
Delzons drei Regimenter und ein Bataillon Jäger zur Verfügung* 
Nur drei Kompagnien in Budva lassend, setzte er sich mit 5000 
Mann in Bewegung und griff abermals an. Die Braiöi hatten 
unterdessen einige Montenegriner Verstärkung erhalten, die sich 
im Laufe der nächsten Tage auf 300 Mann vermehrten. Mit 
dieser kleinen Macht konnte Delzons trotz seiner beträchtlichen 
Streitkräfte fünf Tage lang nicht fertig werden. Erst am sechsten 
zwang er die Braiöi zum Rückzug auf montenegrinisches Gebiet, 
worauf er Braidi und Martinovidi nebst den umliegenden Fel- 
dern verbrennen ließ. 

Während dieser siebentägigen Kämpfe war jedoch die „ Diplo- 
matie^' nicht müßig geblieben. Auf Befehl des Generals C lau sei 
schrieb Graf Zanovid, Abgeordneter von Budva, an den 
Vladika einen Brief, in welchem diesem angekündigt wurde, 
Clausel werde in Montenegro einrücken, falls Petar die Auf- 
ständischen unterstütze oder ihnen Schutz angedeihen lasse. Der 
Vladika erwiderte, die montenegrinischen Truppen seien nicht zum 
Schutz der Aufständischen an der Grenze aufgestellt worden, son- 
dem um einen etwaigen Übertritt der Franzosen zu verhindern. 
Unterdessen, teilten französische Offiziere dem Vladika mit (was 
für die Annahme spricht, daß man ihn bloß in Schrecken ver- 
setzen wollte), General Clausel sammle in Budva beträchtliche 
Truppenmassen, angeblich, um die Aufständischen zu bekämpfen, 
in Wirklichkeit jedoch, um an anderer Stelle die Grenze zu über- 
schreiten, sich der fruchtbaren Crmniöka zu bemächtigen und 
über den See nach der Zeta vorzudringen, um Montenegro ab- 
zuschneiden. Man werde dann die Verbindung über Bosnien 
gegen die Donau eröffnen können, besonders nach Besitzergreifung 
der Hercegovina, welche geplant sei. 



Die Ereignisse des Jahres 1808. 849 

Diese Mitteilung ließ der Vladika durch Zanovid dem General 
Clausel bekannt geben, der sehr erstaunt gewesen sein soll, ,,wie 
ein so wildes Volk seine geheimen Feldzugspläne erfahren könnte''. 
Ich meinerseits jedoch halte, wie schon bemerkt, das Ganze für 
eine mißglückte Kriegslist Clauseis, deren Zweck es war, die 
Montenegriner an die Grenze der Crmniöka zu locken, damit 
Clausel und Delzons bei Braidi desto leichter die Grenze über- 
schreiten könnten. 

Der weitere Verlauf der Ereignisse bestätigt meine Ver- 
mutungen. Der Vladika zog 3000 Montenegriner an der Gtrenze 
zusammen und schrieb dem General Delzons, er werde ihn an- 
greifen, falls er sich nicht augenblicklich von den montenegrinischen 
Grenzen zurückziehe. Bevor jedoch dieses Schreiben seine Be- 
stimmung erreichte, kam es zum Kampf. 

Clausel hatte sich mit seinen Truppen am 29. August mit 
Delzons vereinigt. Beide zählten nun 8000 Mann und hofften 
stark genug zu sein, einen erfolgreichen Nebenangriff unternehmen 
zu können. Sie griffen daher die hart an der montenegrinischen 
Grenze unweit Pretornica und Ugnji stehenden Aufständischen 
an. Die Montenegriner, über diese Grenzverletzung entrüstet, 
eilten, ohne auf die Erlaubnis zu warten, hinzu und nahmen den 
Kampf auf. Mehrere Angriffe der französischen Regimenter 
auf die festen montenegrinischen Stellungen blieben erfolglos und 
wurden mit schweren Verlusten abgewiesen. Als zuletzt die Fran- 
zosen nach zehnstündigem Kampfe schon zu ermatten begannen, 
gingen die Montenegriner zum Angriff über. Mit gezücktem 
Handzar verließen sie ihre guten Stellungen und warfen sich mit 
Ungestüm auf die Franzosen. Diese gerieten durch den plötzlichen 
Ansturm in Verwirrung und begannen zu weichen. Dem recht- 
zeitigen Eingreifen der französischen Artillerie war es zu danken, 
daß ein geordneter Rückzug nach Budva möglich wurde. 

In diesen achttägigen Kämpfen hatten beide Teile schwere 
Verluste zu verzeichnen. Montenegrinischerseits gibt man den 
eigenen Verlust auf 58 Braidaner und 109 Montenegriner an; 
wohl etwas zu niedrig, wenigstens was letztere Ziffer betrifft. Es 
dürften vielleicht im ganzen 250 Mann außer Gefecht gesetzt 
worden sein. Über den französischen Verlust ist nichts Genaues 



S50 Zehnter Zeitraum. 

bekannt. Die Montenegriner beadffem ihn an Toten allein auf 
2000 Mann. Eine franssösische Angabe gibt es nicht Marmont 
stellt höchst unverschämterweise diese achttägigen Kämpfe als ein^ 
kleines Gefecht dar^ in welchem Delzons mit nur 200 Mann gegen 
300 Montenegriner und die Einwohner von Braiöi gekämpft hätte. 
Wegen seiner Minderzahl habe Delzons den vierten Teil seiner 
Streitkräfte eingebüßt. Nachdem nun in Wirklichkeit Delzons 
und Clausel nach und nach über 9000 Mann ins Feuer ge- 
führt haben y wäre der französische Gtesamtverlust an Toten und 
Verwundeten nach Marmonts Geständnis auf 2250 Mann zu ver- 
anschlagen. 

Sei es nun wie immer^ die Tatsache steht fest^ daß seit diesem 
,y Kriegszug nach Montenegro'^; welcher schon an der Grenze 
kläglich gescheitert war, Marmont für immer von seinen lächer- 
lichen Phantasien abkam ^ Montenegro zu ,, erobern und aus 
Cetinje eine Zwingburg zu machen". 

45. Die Ereignisse der Jahre 1809 bis 1812. 

Übrigens zwang der mit Österreich ausbrechende Krieg Mar- 
monty mit dem größten Teil seines Heeres nach Norden abzurücken. 
Er verließ daher Dalmatien mit dem 5., 8.^ 11., 18., 23., 79. und 
81. Linien-Infanterie-Regiment, dem 24. reitenden Jäger-Regiment 
und 12 Feldgeschützen. Diese 15000 Mann waren in zwei unter 
Montrichard und Clausel stehende Divisionen geteilt In den 
Bocche blieben ein Bataillon des 60. Infanterie-Regiments und ein 
Bataillon des 3. leichten italienischen Regiments, ein Bataillon 
Chasseurs d'Orient, das 4. Bataillon der dalmatinischen Legion, eine 
Kompagnie französischer und eine Kompagnie italienischer Artillerie, 
eine Abteilung Gtenie, zusammen 3500 Mann. Rechnet man nun, 
daß die französische Besatzung von Ragusa nur 2000 Mann stark 
war und nicht entfernt werden durfte, daß die dalmatinische Legion 
unzuverlässig, die Bocche überhaupt abgesondert waren, so wird 
man begreifen, daß Marmonts Abzug dem Vladika eine schöne 
Gelegenheit geboten hätte, sich der Bocche zu bemächtigen. Den 
Österreichern hätte ein solcher Seitenangriff nur willkommen sein 
müssen und sie würden gewiß mit dem Vladika eine Übereinkunft 



Die Ereignisse der Jahre 1809 bis 1812. S51 

eingegangen sein, in der sie eine etwaige ELroberung der Bocche 
anerkannt hätten. Leider ließ sich Petar die günstige Gelegenheit 
entschlüpfen. 

Statt dessen bekämpfte der Vladika die Verbündeten der 
Franzosen — die Türken. Die Bevölkerung der heute monte- 
negrinischen Kapetanijen Ozrinidi, 2upa-Nik9i6kay Brzno und La- 
kovo hatte sich infolge der Bedrückungen durch die NikSider Bejs 
empört ^). Diese Bejs schalteten und walteten nach Willkür und 
schlugen selbst die kaiserlichen Truppen ^ welche DieSir Öengid 
Paää, Beöir Öengid Paää, Sulejmän Resalbegoviö Paäi; Sinän Pa^ 
(von Trebinje) und der Eapidä Paää gegen sie f&hrten. 

Am 29. Mai (1809) bat eine Abordnung der bedrückten 
Christen den Vladika um EUlfe. Dieser war überdies vom ser- 
bischen Freiheitshelden Karä Ojorgje, mit dem er seit drei 
Jahren in Briefwechsel stand ')y zur Mitwirkung eingeladen worden. 
Er zog daher mit ein paar tausend Montenegrinern nach Plani- 
nica (zwischen Nikäid und Ostrog), wo er mehrere Monate lang ein 
Lager unterhielt. Earä Qjorgje hatte nämlich nach Eroberung von 
Sjenicas und dem Siege vonSuhodol Novipazar belagert und 
ein Streif korps unter Anto Simonovid (Öolak Anto) und Ranko 
Levanac an die Tara geschickt Der Vladika sandte seinerseits 
auch eine Schar dorthin und beide vereinigten sich in Vasojevid. 
Da jedoch Karä Ojorgje durch die Nachricht von der Bedrohung 
Deligrads abgerufen wurde^ sah sich der Vladika zur Untätigkeit 
gezwungen. Im Dezember kehrte er wieder über Piperi heim. 
Letzterer Bezirk gehörte seit 1789 zu Montenegro. Mustaj Pa^ 
von Skodra, welcher von dem im montenegrinischen Lager herr- 
schenden Pulvermangel erfahren hatte, dachte sich diesen Umstand 
zunutze zu machen , um Piperi zurückzuerobern. Er nahte also 
1810 mit einem Heere und griff die Montenegriner an, aufgereizt 
durch den französischen Konsul von Skodra, welcher ihm Gelder 
vorgestreckt hatte. 

Aber die Montenegriner , obwohl sie fast nur auf die blanke 

1) Ihren Brief an den Vladika yom 17. Mai 1809 findet man bei 
Medakovid, S. 181 im Wortlaut. 

2) Näheres darüber, namentlich den Wortlaut der Briefe, findet man 
bei MilakoYiö, S. 214ff. 



S58 Zehnter Zeitraum. 

Waffe angewiesen waren, wiesen dennoch nach mehrmonatigen 
Kämpfen nicht nur den Angriff der Türken ab, sondern sie er- 
oberten auch die ganze Nahija Bjelopavliöka, welche seither mit 
Montenegro vereinigt blieb. 

Im Frühjahr 1811 drang ein starkes türkisches Heer unter 
Sulejmän Paää von Skopjak gegen Drobnjak vor«. Der Vladika, 
an welchen sich die Drobnjaci um Hilfe wandten ^)f nahm die 
Weiber und Kinder in Montenegro auf und eilte mit einigen 
tausend Mann nach Drobnjak. Gleichzeitig schrieb er an Karä 
Gijorgje, er möge einen Angriff in des Paäis Rücken unternehmen. 
Der serbische Held war jedoch viel zu sehr beschäftigt, und da der 
Vladika es nicht für rätlich hielt, das ihm so bedeutend überlegene 
Heer anzugreifen, vermied er jeden Kampf. Der Pulvermangel 
zwang auch den Vladika, den günstigen Augenblick unbenutzt ver- 
streichen zu lassen, das Gebiet von Spuz zu erobern, während die 
Bevölkerung von Fodgorica und gkodra in einen Bürgerkrieg Ter- 
wickelt war. Infolgedessen suchte Petar durch Verpfändung oder 
Verkauf von Grundstücken und Kostbarkeiten von den Franzosen 
Pulver einzutauschen, doch blieben alle Versuche erfolglos, da es 
diesen erwünscht war, Montenegro schwach zu machen. 

Als man zu Beginn des Jahres 1812 den Ausbruch eines 
französisch-russischen Krieges voraussah; befbrchteten die Franzosen, 
daß der Vladika sie im Verein mit seinen alten Bundesgenossen 
bekriegen würde. Überdies war die Anwesenheit eines englischen 
Geschwaders bei Vis (Lissa) (das Kapitän William Hoste 
schon 1810 erobert hatte) den Franzosen sehr unangenehm und 
das Geschwader des Konteradmirals Thomas Francis Fremantle, 
welches in der Adria kreuzte, sehr verdächtig. Um den eng- 
lischen Sendungen zuvorzukommen, richtete der Brigade-General 
Baron Gauthier, welcher jetzt statt Marmont (der schon 1810 
nach Spanien abberufen worden war) die Bocche verwaltete, am 
23. Februar folgendes Schreiben an den Vladika: 

„Ich weiß, daß sich einige englische Sendlinge zu Ihnen be- 
geben sollen. Die Engländer sind treulos. Nehmen Sie sich in 



1) Einen diesbezüglichen Brief des Vladika yom 24. Januar 1811 findet 
man bei Medakoyi6, S. 188. 



Die EreigniBae der Jahre 1809 bis 1812. S5S 

acht, daß sie Sie nicht betrügen, wie sie alle anderen Mächte 
Europas heimtückisch in Kriege gehetzt haben, um sie dann zu 
verlassen. Mögen die Montenegriner sich nicht in die Angelegen- 
heiten großer Nationen mischen, ruhig zu Hause bleiben und mit 
den Franzosen gute Nachbarschaft halten. In diesem Falle werden 
sie ihre Wohl£Eihrt, ihre Unabhängigkeit und Ruhe bewahren. 

Genehmigen Sie usw.'' 

Um jedoch die Montenegriner zu beschäftigen und ihnen mög- 
licherweise einen empfindlichen Schlag beizubringen, schloß Gkuthier 
mit Mustaj Paäd ein neues Bündnis. Man verabredete einen 
Doppelkriegszug gegen Montenegro. Weil jedoch Gauthier sich 
zu schwach fühlte, um mit Erfolg gegen die Montenegriner auf- 
zutreten (die Niederlage von 1808 war noch in frischer Erinnerung), 
verlangte er Verstärkungen. Diese erhielt er auch, denn schon 
am 1. Juni trafen 3000 Mann in den Bocche ein. Einige Tage 
später langten abermals 5000 Mann an. 

Mit 11000 Mann, welche Gauthier jetzt in den Bocche zu 
seiner Verfügung hatte, konnte er schon etwas unternehmen, doch 
beschloß er, sich erst nach dem ersten Siege Mustaj Paääs in Be- 
wegung zu setzen. So große Scheu hatten ihm die Montenegriner 
seit den achttägigen Gefechten eingeflößt 10 000 Franzosen stan- 
den Ende Juni an der montenegrinischen Grenze aufgestellt, bereit, 
auf den ersten Wink einzumarschieren. 2000 Montenegriner stellten 
sich ihnen gegenüber auf. 

Unterdessen setzte sich Mustaj Paää mit 12000 Mann von 
Skodra aus in Bewegung und überschritt im Juli (1812) die 
montenegrinische Grenze bei 2abljak. Die wenigen ihm gegenüber- 
stehenden Montenegriner zogen sich nach kurzem Widerstand 
zurück y um die Verstärkungen abzuwarten, welche der Vladika 
versprochen hatte. Bei Ljubotinj kam es endlich zur Entschei- 
dungsschlacht Obwohl auf die blanke Waffe angewiesen, gelang 
es den Monten^rinem dennoch, in einem heftigen Ansturm die 
Türken zu werfen und in Verwirrung zu bringen. Die eingetretene 
Unordnung verlockte einige im Hinterhalt — bzw. als Rücken- 
deckung — liegende Montenegriner ebenfedls in die Reihen des 
Feindes einzubrechen. Großer Schreck bemächtigte sich der Türken 
und in wilder Flucht eilte alles nach der Grenze zurück. Die 

Gopöeyi6, Montenegro und Albanien. 23 



S64 Zehnter Zeitraum. 

Montenegriner metaselten nieder, war ihr Handzar erreichen konnte, 
und verfolgten MuBtaj Pa^ bis in sein eigenes Gebiet. 

Als Gauthier erfuhr , daß sein Bundesgenosse mit Verlust 
des halben Heeres nach Skodra zurückgejagt worden sei, verlor 
er jede Lust zu einem Zug g^en Montenegro. Er zog geräusch- 
los seine Truppen von der Grenze zurück und tat, als ob nichts 
vorge£Edlen wäre. 

Im Juli erschien richtig ein englischer Agent, Oberst Danesi, 
in Cetinje und überbrachte eine Einladung des Admirals, die 
Franzosen zu vertreiben. Petar erklärte den Augenblick für un- 
geeignet, da eben Gauthier ein starkes Heer beisammen habe. Er 
behalte sich jedoch vor, die erste gute Gelegenheit zum Los- 
schlagen zu benutzen, und werde dann den Admiral davon be- 
nachrichtigen, weU man auf die Mitwirkung seines Geschwaders 
zähle. 

Die Kachricht vom Einzug Napoleons in Moskau erregte des 
Vladikas Besorgnis. Interessant ist seine diesbezügliche Äußerung: 

„Ich habe niemals dem russischen Hofadel viel getraut, als 
ich bemerkte, wie sehr er Frankreich vergötterte, die Kriegs- 
kunst vernachlässigte und den Luxus und die zierliche Tanzkunst 
auf den Bällen liebte, sich seiner Volkstänze und Muttersprache 
schämte und das Französische lobte, dagegen das eigene Vater- 
land verachtete. Ich denke, die Mehrzahl wird den Eünzug ihrer 
Abgötter mit Vergnügen erwartet haben. Da sie den wahren Gott 
angegeben haben, so hat ihnen dieser zur Strafe die sterblichen 
Götter entgegengesandt. Ich hoffe vom allmächtigen und barm- 
herzigen Gotte, daß das Christentum nicht ausgerottet werden 
werde, wie es die Glaubensneuerer und die Feinde Rußland» 
wünschen.^' 

Die 1813 in Cetinje eintreffende Nachricht vom schrecklichen 
Rückzug der Franzosen aus Rußland zerstreute Petars Besorgnisse 
und erfüllte ihn mit neuer Hoffnung und Kampf begier. 

Er schickte daher den Kotorer Zifra nach Vis (Lissa),. 
um das englische Geschwader herbeizuholen. Dann erließ er am 
8. September (1813) einen Aufruf an die Montenegriner, in welchem 
er ihnen ankündigte, daß sie sich bereit halten sollten, demnächst 
behufs Vertreibung der Franzosen in die Bocche einzufallen. la 



Eroberung der Bocche di Cattaro. S55 

kurzer Zeit yersammelten sich die Monten^rinery bei denen der 
Aufruf begreiflicherweise ungeheuren Jubel erregte, an der Grenze 
und drängten den Vladika zum Losschlagen. 



46. Eroberung der Bocche di Cattaro. (1813—1814.) 

Am 21. September 1818 überschritten 4000 Montenegriner 
unter persönlicher Anführung des Vladikas bei Majna und Braidi 
die Grenze, worauf sie sofort yor Budya r&ckten. Die Fran- 
zosen hatten sich in die Festung zurückgezogen, weil sie ihrer 
Minderzahl halber nicht daran denken konnten, yor derselben auf 
offenem Felde Widerstand zu leisten. 

Nachdem Budya eingeschlossen war, entsandte Petar am 
22. den Guyematur Vuk Radonjid gegen Kotor. Dann be- 
schloß er, Budya im Sturm zu nehmen. Er sandte am 23. Sep- 
tember einige Montenegriner ab, welche sich schlau in die Stadt 
zu schleichen wußten, in welcher sie die Beyölkerung zum Auf- 
stand riefen. Die hierdurch entstehende Verwirrung benutzte der 
Vladika zu einem Angriff, welcher yoUständig und ohne große 
Opfer gelang. Von den 57 Gefangenen waren 4 Gendarmen und 
3 Artilleristen Franzosen, 1 Offizier und 49 Mann Kroaten. Sechs 
Geschütze und eine Fahne bildeten die Beute. 

Nach dem Fall Budyas ergaben sich alle in diesem Bezirk 
gelegenen Forts ohne Schwertstreich. 

Unterdessen hatte Vuk Radonjid das Kastell Trojica 
(Trinitk, Dreifaltigkeit) eingeschlossen. Um es zu entsetzen, ließ 
General Gauthier, welcher in Kotor befehligte, am 24. Sep- 
tember den Major Campanelli mit 300 Mann gegen Trojica 
einen Ausfall machen. Doch nicht weit hinter Ökaljari stieß dieser 
schon auf die montenegrinischen Vorposten, welche sich zurück- 
zogen und Lärm schlugen. Als Campanelli yor Trojica erschien, 
sah er sich plötzlich auf allen Seiten yon Montenegrinern um- 
ringt. Die Stärke seiner Gegner erkennend, woUte er den Rück- 
zug antreten, fand jedoch denselben bereits yerlegt. Er bildete 
ein Viereck, doch gelang es den Montenegrinern, dieses zu sprengen, 
worauf die Franzosen in wilder Flucht nach Kotor zurückeilten. 

128 wurden niedergehauen, 36 gefangen, der Rest entkam. 

23* 



S56 Zehnter Zeitraum. 

Im Siegestauinel gab Radonjiö den Befehl, auch Fort Trojica 
mit Sturm zu nehmen. Ohne sich um dessen Feuer sbu kümmern, 
erstiegen die Montenegriner die Mauern und machten die Be- 
satzung bis auf 50 Mann (die sich ergaben) nieder. Nachdem die 
Beute — sechs Geschütze, eine Fahne — in Sicherheit gebracht 
war, wurde Feuer angelegt. Eine Stunde später wurden die unter- 
irdischen Pulvermagazine, von deren Vorhandensein man keine 
Ahnung hatte, von den Flammen ergriffen und das Fort flog in 
die Luft. Heute steht an derselben Stelle ein von den Öster- 
reichern erbautes, denselben Namen führendes großes Fort. 

Bald nach Eroberung des Kastells vereinigte sich Radonjid bei 
Solilo mit dem Vladika, der über Grbalj herangezogen war. 
Beide schlössen nun Kotor ein. Um es auch von der Seeseite 
einzuschließen, wurde das englische Geschwader herbeigerufen, 
welches eben bei der Insel Vis (Lissa) ankerte. 

Der Kapitän William Hoste erschien mit der Fregatte 
„Bacchante'' (38 Kanonen), der Brigg „Saracen'' (18 Kanonen) und 
drei sizilianischen Kanonenbooten, konnte jedoch mit diesem arm- 
seligen Geschwader an das Einlaufen in die Bocche nicht denken, 
solange nicht die den Eingang beherrschenden Batterien genommen 
waren. Infolgedessen erstürmten die Montenegriner am 27. Sep- 
tember die an den Vorige (Catene => „ Ketten '', so genannt, weil 
sich die Meerenge mit Ketten absperren ließ) liegende Batterie, 
wobei ihnen 14 Gefangene, 3 Geschütze und 1 Fahne in die Hände 
fielen, dann (am 30. September) eroberte man die Batterie am 
Porto Rose mit vier Geschützen. Nachdem auf diese Weise 
der Weg frei gemacht war, lief das englische Geschwader am 
13. Oktober ein. 

Mit diesem kam der Abbd Brunazzi, welcher folgenden 
Brief des österreichischen Befehlshabers, EIrzherzogs Franz d'Este, 
mitbrachte: 

„Durch meine Amtspflichten hierher (nach Vis) geführt, als 
sich eben die frohe Nachricht von dem Falle des Forts Trinitk 
verbreitet, finde ich Ihren Brief an mich. Da ich aus demselben 
ersah, daß Sie Unterstützung durch österreichische Truppen wün- 
schen, um die Bocche von dem französischen Joch erlösen zu 
können, habe ich mich sofort mit dem englischen Befehlshaber auf 



EroberoDg der Bocche di Cattaro. 867 

Lissa in Verbindung gesetzt. Er wird mit einem kleinen Ge- 
schwader und Munition zu Ihnen stoßen und ich zweifle nicht, 
daß man Ihnen Truppen senden wird, wenn die Unterneh- 
mungen von gutem Erfolg begleitet sein sollten (sie!). — 
(Nach unwichtigen Mitteilungen schließt der Brief:) Sie nochmals 
zu Ihren Siegen beglückwünschend, welche die allgemeine Hoch- 
achtung gegen Sie immer mehr erhöhen, verbleibe ich usw.'' 

Unterdessen hatte Petar behufs Aufwieglung der ErivoSije 
eine Abteilung unter Savo Plamenac abgesandt, welche am 
10. Oktober Herceg Novi einschloß. 

Am 13. Oktober wurden Pröanj und Dobrota von den 
Montenegrinern besetzt, die sich hierauf gegen Perast wandten, 
dessen Bevölkerung sich ebenfalls gleich den anderen von den 
Montenegrinern betretenen Orten für den Vladika erklärte und 
seinen Fahnen folgte. Das Kastell von Perast, ein ehemaliges 
Kloster, in das man vom Meere aus hineinsehen kann, weil es 
amphitheatralisch ansteigt, wurde von den Einwohnern erstürmt, 
die Franzosen niedei^emacht Man richtete nunmehr die Geschütze 
auf das Fort S. Giorgio, das auf einer flachen Insel erbaut ist, 
die vor Perast liegt, und die Zugänge zu den drei Golfen von 
Kotor, Risanj und den Verige beherrscht. Nach heftiger Be- 
schießung ei^ab sich das Fort mit 10 Geschützen und 80 Mann 
noch am selben Tage. 

Unterdessen war das englische Geschwader vor Herceg Novi 
erschienen^) und begann die Festung zu beschießen, während die 



1) Die Bolle, welche das englische Geschwader in den Bocche spielte, 
wird in den slavischen und engliBchen Berichten yerschieden dargestellt. 
James erzählt in seiner „Naval History" folgendes: „Hoste lief am 13. Ok- 
tober morgens in die Bocche ein und ankerte nach einem koraen Ragel- 
wechsel mit Porto Böse (?? diese Batterie war ja seit 13 Tagen er- 
obert!) drei Meilen oberhalb CastelnuoYO. Um 10 Uhr abends sandte er 
Kapitän Harper yom ,Santcen' mit swei sizilianischen ELanonenbooten nnd 
den bewaffiieten Booten der ^Bacchante* und des ,Saracen* ab, um die yor 
Cattaro liegende französische Flottille wegzunehmen. Die Catene (Verige) 
passierend erhielt Harper ein schweres, aber wirkungsloses Feuer yon der 
Insel 8. Giorgio (? dieses Fort war doch eben&lls schon erobert!). Um 
Mittemacht fiind Harper die yier feindlichen Kanonenboote yier Meilen yor 
Cattaro im Zustande der Empörung und nahm sofort Besitz yon ihnen. Dann 



t58 Zehnter 

Montenegriner, unterstützt von den ao&tftndifichen Eriyoäjanem, 
Tor den Toren lagerten im4 mit Sturm drohten. Nach 488tün- 
•digem unonterbrochenem Feuer ergab sich die Stadt am 14., und 
ebenso das Fort Spanjol den Montenegrinern, als diese drohten, 
im Fall einer Erstürmung alles zu köpfen. 2 Fahnen, 33 Oe- 
acbUtse und 200 Gefangene fielen den Montenegrinern auf diese 
Wohlfeile Art m die Hände, denn ein Sturm auf das hoch und 
steil gelegene Fort äpanjol hätte furchtbare Opfer gekostet 

Während sich diese Ereignisse abspielten, welche die voll- 
ständige Eroberung der ganzen Bocche di Cattaro zur Folge hatt^i, 
belagerte Petar Eotor, den letzten, aber auch stärksten Punkt, 
welchen die Franzosen in den Bocche noch innehatten. 

Um Eotor zu Fall zu bringen, schien die EIrrichtung einer 
Belagerungsbatterie auf dem Vrmac- Berge (wo heute ein Fort 
steht) am zweckmäßigsten. Hierzu brauchte man aber die Eng- 
länder, die sich jedoch am 26. Oktober beleidigt entfernten, um 
außerhalb des Golfes zu kreuzen. Hoste hatte sich nämlich auf 
echt englische Art der Geschütze von Perast, S. Giorgio und 
einiger von Herceg Novi bemächtigt, obgleich dieselben von 
den Montenegrinern erobert worden waren. Auf Ansuchen 
der Bocchesen schrieb Petar am 23. Oktober dem englischen 
Kapitän, er möge die Geschütze herausgeben, da diese nicht Eigen- 
tum der Franzosen, sondern der Bocchesen waren und von letz- 
teren auch erbeutet wurden. Darauf antwortete Hoste in folgender 
beleidigender Weise: 

„Ich hatte die Ehre, Ihren gestrigen Brief zu erhalten. Es tut 
mir leid, daß die Perastiner die Zerstörung von S. Giorgio mit 

landete er, iDsurgierte die Bevölkerung, hiBte auf den eroberten Kanonen- 
booten die englischen und österreichischen Farben , bemannte jene teilweise 
mit Engländern und schritt zum Angriff auf S. Giorgio. Am 13. um 
6 Uhr morgens (soll wohl heißen am 14.) wurde von den unter Leutnant 
Frank Gostling stehenden Booten ein heftiges und wohlgezieltes Feuer 
gegen das Fort gerichtet, welches ebenso erwiderte, aber nach 15 Minuten 
eine weiBe Flagge aufzog.** — Wie sich dieser Bericht mit den übrigen 
Quellen vereint, welche übereinstimmend melden, S. Giorgio habe 
sich schon am 18. den Perastinern ergeben, verstehe ich nicht Sonder- 
barerweise schweigt dagegen James über die Beschießung von Castelnuovo 
durch Hoste. 



ErobeniDg der Bocche di Cattaro. S59 

scheelen Augen betrachtet haben, aber dies tat ich nur aus dem 
Orunde, um dem englischen Geschwader f&r den Fall eines Miß- 
geschickes fireie Durchfahrt durch die Catene zu sichern. Die 
Kanonen werden den Einwohnern zurückgestellt werden, aber 
wissen Sie, daß ich die Absicht gehabt hatte, sie auf den Vrmac 
zu schaffen, lun Cattaro zu bschießen? Jetzt habe ich aber meine 
Absicht geändert und werde dies nicht tun, im Gegenteil mich 
von nun an nur auf die Blockade der Küsten von Ragusa be- 
schränken. Zu diesem Zwecke werde ich so firüh als möglich 
diese Gewässer verlassen. 

P. S. Der Ahhi Brunazzi hat uns viel Schaden gebracht. 
Mit seinem Benehmen, seiner Neigung zu Ränken hat er der Sache 
Österreichs und jener von dessen Verbündeten geschadet und damit 
unsere gemeinsame Unternehmung zerstört.'^ 

Petar suchte den hochmütigen Briten zu versöhnen, da er 
dessen Nußschalen für die Einschließung von Kotor unumgänglich 
nötig hielt (welche Ansicht ich nicht teile), doch dieser blieb un- 
beugsam und schrieb zurück: 

„Nachdem Kotor ohnehin vollkommen eingeschlossen ist, finde 
ich mein Ve^rweilen überflüssig. Ich werde jedoch in den Ge- 
wässern bleiben und zeitweilig die Bocche besuchen, um mich mit 
Ihnen zu besprechen. Ich habe den britischen Truppen befohlen, 
Herceg Novi zu räumen. Dort, wie auf S. Giorgio bleibt eine 
große Menge Pulver zurück, wovon ich Sie benachrichtige, damit 
Sie das Nötige veranlassen k^kmen.^' 

Wie schon erwähnt, ging dann Hoste am 26. unter Segel. 

Wir wissen, daß der Vladika vom Erzherzog Franz d'Este 
eine Zuschrift erhalten hatte, in welcher dieser ihm baldige Hilfe 
in Aussicht stellte. Das hieß mit anderen Worten: Österreich 
wollte mühelos die Früchte der montenegrinischen Siege pflücken. 
Der Vladika war daher über diese Mitteilung nicht sehr er- 
baut und trachtete, sich möglichst bald in den Besitz von Kotor 
zu setzen. 

Am 28. Oktober ^) abends baten 260 Mann der dahnatinischen 
Legion, welche sich unter den Belagerten be£Einden und nur mit 



1) Nach MedakoTi6 am 1. November. 



869 Zehnter Zeitraom. 

Widerwillen den Franzosen dienten ^ um die Erlaubnis , einen 
Aus&ll zu unternehmen. Oberst Gauthier, selbst wenn er 
den Beweggrund dieser Bitte durchschaute, konnte gewiß nichts 
Besseres tun, als dem Verlangen zu willfahren; denn es war 
jedenfalls besser , er schaffte sich die Unverläßlichen vom Halae^ 
als daß er sie bei sich behielt, auf die Gefahr, daß sie eines 
schönen Tages sieb gegen ihn kehrten und die Festung dem 
Feinde überlieferten. 

Die 260 Dalmatiner waren kaum im Freien (in der Nacht 
zum 29.); als sie auch schon mit Freudengeschrei sich den Be- 
lagerern anschlössen und ihnön drei französische Fahnen über- 
gaben. Doch machte dieses Ereignis auf Gbuthier keinen Ein- 
druck, denn er beschied eine abermalige Aufforderung zur Über- 
gabe abweisend. 

Da dessenungeachtet der Fall von Kotor nur eine Frage der 
Zeit war, berief Petar einstweilen eine Skupätina nach Dobrota. 
Am 10. November fand diese statt und es wurde ihr eine Urkunde 
vorgelegt, in welcher die Vereinigung der Bocche mit 
Montenegro feierlichst ausgesprochen wurde. 

Die Urkunde lautete wörtlich wie folgt: 

„Die Grenzl&nder Montenegro und Primorje (Bocche) 
schwören gegenseitig zu Gott, sich einander treu zu sein und in 
jedem Fall und unter allen Ereignissen vereint zu bleiben. Nach- 
dem sie gegenwärtig unter dem hohen Schutz der verbündeten 
Mächte: Rußland, Osterreich und England stehen, erklären die 
Häupter der beiden Länder ihr gemeinsames Los zu trennen, falls 
das eine oder andere gezwungen werden sollte, sich einer der 
genannten Mächte zu unterwerfen, aber sie würden sich nur 
unter der Bedingung unterwerfen, daß die Verträge, Vor- 
rechte und alten Einrichtungen aufrecht erhalten blieben, welche 
sie bisher genossen haben.'' 

Das montenegrinische Staatssiegel mit dem Landeswappen und 
der Umschrift „PeSat obäSi Cmogorski'' (Allgemeines Siegel von 
Montenegro) wurde beigedruckt, der Vladika und der Guvematur 
unterfertigten im Namen Montenegros und die bocchesischen Ab- 
gesandten im Namen der Gemeinden Budva, Braidi, Contado, Do- 
brota, Grbalj, Krtole, Ljuätica, Majna, Muo, Paätroviö, Perast, 



Eroberung der Bocche di Cattaro. t61 

Pobor^ PrSanjy Bisanj, Skaljari und Stolivo. Nach einstimmiger 
Annahme wurde ein Stück dieser wichtigen und denkwürdigen 
Urkunde im Archiv von Cetinje niedergelegt ^) und zur Bildung 
einer gemeinschaftlichen Regierung geschritten, welche aus neun 
montenegrinischen und neun bocchesischen Häuptlingen bestand. 
Petar führte den Vorsitz. 

Am 20. November beschloß die y^Zentral-Kommission'^ (welchen 
Namen die also eingesetzte Regierung führte) , den Srdar Savo 
Plamenac zum Kaiser Alexander zu senden , mit der Bitte ^ er 
möge das neue Reich unter seinen Schutz stellen. Doch einige 
Gemeindeui welche sich von einer österreichischen Herrschaft mehr 
Vorteile versprachen, als von einer russischen Schutzherrschaft, die 
ihnen noch von 1806 her in wenig gutem Andenken stand (da 
die Russen starke Steuern erpreßt hatten), schickten gleich nach 
Abreise des Srdars Plamenac eine Abordnung ') an den Kaiser 
Franz, er möge schnell die Bocche besetzen. Infolgedessen langte 
schon am 27. Dezember der österreichische General Milutinovic 
mit Truppen an und forderte den Vladika zur Räumung der 
Bocche auf. 

Dieser richtete an den österreichischen Statthalter Dalmatiens, 
Baron Tomaäiö, und an Milutinoviö folgenden Brief: 

„Nachdem das montenegrinische Volk, dem die eigene Ehre 
ebenso teuer ist, wie jedem andern, bis jetzt im Verein mit den 
Engländern allein gekämpft hat, wünscht es auch die begonnene 
Unternehmung mit diesen allein zu Ende zu führen, um jene Be- 
lohnung zu erlangen, welche man allein von der guten öffentlichen 
Meinung erwarten kann, eine Belohnung, welche man ihm für das 
viele vergossene Blut seiner Söhne und für seine gebrachten Opfer 
schuldet 

„In Anbetracht dessen haben die Montenegriner einen Oe- 
sandten zum Caren geschickt, ihn bittend, er möge mit den Ver- 
bündeten über das künftige Oeschick Montenegros und der Bocche 
entscheiden. Beide Länder haben sich nämlich gegenseitig ver- 



1) Sie wurde von Franz Ljepopili in italieniflcher Sprache aus- 
gefertigt. 

2) Führer derselben war der Schiffiikapitän Petar Lukoyi6. 



86S Zehnter Zeitnam. 

pflichtet, ungeteilt beiBammen zu bleiben , und wenn eines der- 
selben sich irgendeinem der Verbündeten unterwürfe, solle da4S 
andere dem zustimmen. Ich ersuche Sie daher, vor Ekitscheidung^ 
der Verbündeten mit den österreichischen Truppen die Bocche 
nicht zu betreten.^' 

Dann belagerte Petar ruhig weiter. Da er jedoch der Wirkung 
seines Briefes nicht ganz sicher war, schrieb er am 4. Januar 1814 
an die obengenannten Generale folgende Zeilen: 

„Wenn Sie seitens der verbündeten Höfe den Auftrag haben, 
mit Ihrem Heere Montenegro und die Bocche zu besetzen, so 
würde dies unsere Hoffiiungen krönen und der An£Eing einer 
Epoche der Glückseligkeit f&r uns sein, vorausgesetzt jedoch, 
daß die Besetzung unter den von uns gestellten Bedin- 
gungen und Bewahrung unserer alten Vorrechte ge- 
schähe. Andernfalls, wenn Sie gegenwärtig nicht beide Länder 
besetzen wollen, bitten wir Sie, behufs Vermeidung von Zwistig- 
keiten den Marsch der Truppen bis zur Ankunft der Antwort zu 
verschieben, welche wir von den verbündeten Höfen erwarten und 
die zu beschleunigen wir einen Eilboten abgesandt haben.'' 

In der Tat erreichte der Vladika hierdurch so viel, daß Milu- 
tinovid, welcher schon vor Herceg Novi stand, sich in das Ragu- 
sanische zurückzog. 

Das englische Geschwader ankerte jetzt angesichts der Fran- 
zosen vor Pröanj und benahm den Belagerten jede Hoffiiung, 
zur See entwischen zu können. Überdies hatte Hoste auf dem 
Vrmac eine Batterie errichtet, mit welcher das Fort S. Giovanni 
(die Zitadelle von Cattaro) beschossen wurde. Als Gauthier 
sah, daß er sich nicht länger halten könne, ergab er sich nach 
zehntägiger Beschießung durch die Briten und Montenegriner am 
8. Jänner 1814, indem er die Schlüssel der Festung dem Guver- 
natur Badonjid und dem Vizepräsidenten der Zentral-Eommission, 
Vinzenz Lovrenöevid, übergab. 41 Geschütze, 3 Fahnen und 
800 Gefangene fielen den Montenegrinern in die Hände ^). Die Be- 
satzung wurde jedoch durch das englische Geschwader am 11. Jänner 



1) Das englische Geschwader hatte nur 1 Toten und 1 Verwundeten 
(Leutnant Haig). 



Erobemng der Bocche di Cattaro. 86S 

fortgeschafft. Kapitän Hoste versicherte dem Vladika beim Ab- 
schied, daß er, seit er ihn kennen gelernt habe, von größter Hoch- 
achtung fiir ihn durchdrungen sei und persönlich wohl wünschen 
würde, er möge im Besitz der Bocche bleiben, welche zu der 
von ihm, dem Vladika, beabsichtigten Zivilisierung der Montene- 
griner unentbehrlich sei. 

Unterdessen hatte General Hilutinovid von seiner Regie- 
rung den Befehl zum Vorrücken erhalten und hierauf am 8. Juni 
ohne Widerstand Herceg Novi besetzt Dann rückte er bis 
PrSanj vor, von wo aus er den Vladika zur Räumung Rotors auf- 
forderte, widrigenfalls er die Festung beschießen werde. Der Vla- 
dika kümmerte sich nicht um diese Drohungen, blieb gemächlich 
in Eotor und wartete auf die Antwort des russischen Kaisers. 

Diese langte endlich am 13. Juni an und lautete wörtlich 
wie folgt: 

„Hoch würdiger Montenegrinischer Mitropolit, 

Petar Petrovid-Njegoäl 

„Ihr Gesandter, der montenegrinische Srdar Savo Plamenac, 
war in meinem Hauptquartier und übergab mir Ihr Schreiben. 
Auch erhielt ich Kunde von den ihm mündlich erteilten Auf- 
trägen und nehme Anteil an Ihren Beweisen der Anhänglichkeit 
und jenen des Volkes, das Ihrer Obhut unterstellt ist. 

„Meine Gefühle blieben stets unverändert, und erst, als die Vor- 
sehung meine Anstrengungen und die meiner Verbündeten segnete, 
richteten wir nach allgemeiner Herstellung der Ruhe unsere Auf- 
merksamkeit auf die Ihnen benachbarten Bocche. 

„Wir glauben zu Ihrer Zufriedenheit (I) festzusetzen, daß dieses 
Land wieder dem österreichischen Staate einverleibt werde, unter 
dessen Schutze es blühte (?). Sie haben diese Verwirklichung er- 
möglicht, indem Sie glorreich den Feind aus dieser Gegend ver- 
trieben. Demnach lade ich Eure Heiligkeit ein, wegen des all- 
gemeinen Nutzens die Besetzung der Festungen durch österrei- 
chische Truppen nicht nur nicht zu hindern, und mit Ihren 
tapferen Montenegrinern heimzukehren, sondern auch bei den 
Bocchesen Ihren Einfluß dahin wirken zu lassen, daß sie gegen 
die Versicherung der Aufrechterhaltung aller Vor- 



S64 Zehnter Zeitraom. 

rechte sich der von den Verbündeten getroffenen Verfugang^ 
willig unterwerfen. 

y^Im übrigen empfehle ich mich dem Gebete Eurer Heiligkeit 
und bleibe Ihnen und den Montenegrinern stets wohlgewogen. 

„Paris, 20. Mai 1814. Aleksandr m. p." 

Das hieß also mit anderen Worten: der Mohr hat seine 
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Wie windig es übri- 
gens mit der russLaohen „Wohlgewogenheif aussah, konnte der 
Vladika schon demnächst erfahren. Das seit 1808 ausständige 
Jahrec|geld (jährlich nur 1000 Dukaten) wurde nicht nur nicht 
gezahlt, sondern blieb auch fernerhin, solange Alexander I. lebte, 
ausständig. Dadurch entstand große Not in Montenegro, denn 
weder Österreich, noch Bußland, noch England hatten Sorge ge- 
tragen, daß ihren Verbündeten, den Montenegrinern, die stets mit 
firfolg die Franzosen bekämpft und zweimal das Eroberte ohne 
Widerrede herausgegeben hatten, eine Kriegsentschädigung gezahlt 
werde ^)I! Am 20. Mai 1817 flehte Petar in einem herzzerreißen- 
den Schreiben unter Hinweis auf den Jammer und das Elend der 
„treuen Montenegriner '^ den Caren um Hilfe an; — der „ wohl- 
geneigte '' Ejiiser gab nicht einmal eine Kopeke heraus, geschweige 
denn, daß er seine Schuld bezahlt hätte, die sich auf nur 10000 
Dukaten belief. Und so ging es fort; kein Volk ist je so ge- 
täuscht, betrogen, beraubt und im Stich gelassen worden, wie das 
montenegrinische. Man gehe die Gteschichte durch und man wird 
finden, daß sich alle seine Verbündeten — Venezianer, Bussen, Oster- 
reicher und Engländer — mehr oder minder an ihm versündigt 
haben. Der Fehler war stets der, daß man in Cetinje immer 
venezianische, russische imd österreichische, nie aber monte- 
negrinische Politik trieb. 

Das Schändlichste war übrigens, daß Österreich, welches doch 
die Bocche von den Monten^rinem nur unter der ausdrück- 
lichen Bedingung geschenkt bekommen hatte, daß es 
die Vorrechte der Bocchesen anerkennen und bewahren werde, 



1) Der Vladika hatte im GegenteU aas eigener, ohnehin sehr magerer 
Tasche einige tausend Dukaten zugesetzt. 



Eroberung der Bocche di Cattaro. S65 

diese Verpflichtung 1869 und 1882 treulos brach und die fiir 
ihr gutes, verbrieftes Kecht kämpfenden Bocchesen als 
,, Aufständische '^ behandelte! Schon 1851 hatte Österreich einen 
diesbezüglichen Versuch gemacht, wobei es schon damals zum 
Aufstand gekommen wäre, wenn nicht mein Vater vermit- 
telt und die Vertagung der österreichischen Absichten bewirkt 
hätte 0! 

Am 14. Juni 1814 besetzte Milutinovid Eotor^); die Mon- 
tenegriner zogen sich mit Bitterkeit und Groll in ihre unwirtlichen 
Berge zurück. 

Damit waren die E^ämpfe mit den EVanzosen beendet 

Übersehen wir nun zunächst die Ergebnisse derselben. 

Was die beiderseitigen Verluste betrifft, so ergibt eine Zu- 
sammenzählung der bekannt gewordenen Angaben und Schätzungen 
folgende Zahlen: Die Franzosen verloren an Toten und Verwun- 
deten in ihren Kämpfen gegen Montenegriner und Russen 11728 
Mann. 3560 Franzosen gerieten in Gefangenschaft^ 233 Geschütze, 
28 Fahnen, Adler und Standarten bildeten nebst vielen Waffen 
und Vorräten, sowie 10 Transportschiffen die Beute der Monte- 
negriner. Rechnet man noch die 360 Türken hinzu, welche im 
Gefecht von Klo buk an der Seite der Franzosen außer Gefecht 
gesetzt wurden, und die 700 Ragusaner, welche in den Elämpfen 
und während der Belagerung von Ragusa umkamen, so ergibt sich 
ein G^esamtverlust von rund 16340 Mann. Diese Ziffer ist nicht 
übertrieben, wenn man sich erinnert, daß Marmont in der Schlacht 
von Sutorina 2600, in der Rückzugsschlacht von Konavlje 
5266, Delzons und Clausel in den achttägigen Gefechten von 



1) Noch heute ^drd ein Volkslied in den Bocche gesungen, das dieses 
Verdienst meines Vaters Terherrlicht. Es wurde vom Popen Nikola Ber- 
beroviö 1852 gedichtet und ist auf den Seiten 55—59 des 4. Heftes der 
„Glasi bokeäke omladine" abgedniekt. 

2) Nach einem Spottliede der bocchesischen Katholiken auf die Mon- 
tenegriner, welches Stieglitz in seinem „Besuche auf Montenegro*' (Stutt- 
gart 1841) mitteilt, soll es zwischen Milutinovi6 und den Montenegrinern 
vorher zu blutigen Kämpfen gekommen sein, an denen sich auch sechs öster- 
reichische Kriegsschifie (Penischen) lebhaft beteiligt hätten. Alle anderen 
Quellen schweigen darüber. 



866 Zehnter Zeitraam. 

Braidi 2000 Mann und Laurbton bei Ragusa über 2000 Mann 
verloren. 

Die Montenegriner bezahlten ihre Triumphe und Siegeszeichen 
mit dem für üe starken Verlast von 1350 Mann, wovon 500 auf 
die Toten kommen. Die wenigen gefangenen Montenegriner lieft 
Marmont stets erschießen. Stärker war der Verlost der verbün- 
deten Bossen, wenngleich diese in der Minderzahl waren. Er be- 
lief sich aof 800 Tote, 1200 Verwondete und 300 GefiEmgene, zu- 
sammen 2300 Mann. Die Ursache hiervon lag in dem Umstände, 
daß erstens die Bossen es nicht so wie ihre Verbündeten ver- 
standen, sich hinter dem kleinsten Stein zo decken und in 
Schwärann zu fechten, zweitens, weil sie stets die Aufgabe hatten, 
die Bajonettangriffe auszuhalten und drittens, weil sie von den 
Franzosen mit Vorliebe zum Angriff ausgewählt wurden. Die 
Verbündeten hatten also zusammen 3650 Mann zu beklagen. Die 
riesige Zahl von 233 eroberten Geschützen rührt von den vielen 
eroberten Festungen, Forts, Batterien und Schiffen her; doch sind 
auch 14 vorher den Bussen abgenommene G^chütze in obiger Zahl 
enthalten. Ebenso sind, abgesehen von einem Dutzend Adlern und 
Fahnen, die meisten der 28 gewonnenen Feldzeichen Festungs- 
standarten. 

Siegreich waren die Monten^riner in zwei Schlachten (Eo- 
navlje und Sutorina), einem Treffen (Braiöi), fünf Gefechten (Boj- 
kovdo, Obod, Bagusa, Punta d'Ostro, Vitaljina, äkaljari) und einem 
Dutzend Scharmützel. Sie eroberten sieben Festungen (Kotor, 
Herceg Novi, Budva, Trojica, Punta d'Ostro, Eoröula, S. Gtiorgio), 
sechs Forts und Batterien (Spanjol, S. Giovanni, Cavtat, Vorige, 
Pto. Böse, Perast) und elf Schanzen (EorSula, Brgat, Braö, Vita- 
ljina, VuöijeSdrjelo, Molonta und fünf vor Bagusa) ^). G^chlagen 
wurden die Montenegriner im Gefecht bei Elobuk und im Schar- 
mützel an der Ombla — beide Male von bedeutender Übermacht. 
Während der dreitägigen Schlacht in der Sutorina konnten die 
Montenegriner nicht aus ihren Stellungen vertrieben werden, und 
wenn auch ihre Verbündeten, die Bussen, unleugbar geschlagen 



1) AoBerdem nahmen sie — jedoch ohne Widerstand — Dragalj, Kastei- 
Lastm und mehrere Forts in PaStroviö und der ^upa. 



Erobenmg der Bocche di Cattaro. t67 

worden, war dies doch bei den Montenegrinern nicht der FaiL 
Im Gtegenteil, ihre zähe Ausdauer rettete die Russen; raubte Mar- 
mont alle errungenen Vorteile und zwang ihn zum Rückzug, der 
bekanntlich mit seiner vollständigen Niederlage endete ^). 



1) Ich habe diesen Zeitraum besonders ausführlich behandelt, weil er 
der glänzendste der montenegrinischen G^eschichte ist. Denn zu einer 
Zeit, da die besten geschulten Heere Europas den französischen Legionen 
erlagen und Napoleon auf dem Gipfel seines Ruhmes stand, waren es die 
Montenegriner, welche — obendrein in bedeutender Minderzahl! — so 
glänzende Siege fiber einen der besten Marschälle Napoleons erfochten. 



Elfter Zeitraum, 

Bis zum Tod Petars I. nnd znr Absetzung des 
letzten Busatllja« (1814— 1832.) 



47« Letzte Regierungsjahre des großen Vladil^a Petar L 

(1814—1830.) 

Die letzten Regierungsjahre des ^, großen '^ — oder, vne die 
Montenegriner ihn gewöhnlich nennen, ,, heiligen '^ — Vladika waren 
fUr das Land wie für ihn selbst sehr traurig. Wie erwähnt, hatte 
er sein Vermögen in dem langen Krieg gegen die Franzosen und 
Türken zugesetzt, ohne von den Verbündeten irgend- 
welche Entschädigung erhalten zu haben. Infolgedessen 
geriet das Land in große Not, und Hungersnot brach aus. Ein- 
zelne Familien wanderten nach Rußland aus, andere nach Serbien, 
wo ihnen Fürst Mi loa Ländereien gab. (Den diesbezüglichen 
Brief des Fürsten an die Drobnjaci gibt Medakovid Seite 203 im 
Wortlaut.) Der Vladika hatte schon 1816 den Caren um Blei für 
15000 Montenegriner gebeten, weil er einen türkischen Angriff 
befürchtete. Aber der „ wohlgeneigte '^ Car schlug diese so be- 
scheidene und natürliche Bitte rund ab — denn für den Augen- 
blick brauchte er ja nicht montenegrinische Hilfe. Schon hatte 
•der Vladika alles Wertvolle verkauft oder verpflUidet, um dem 
Volke zu helfen, als er sich endlich zu einem letzten Ruf an das 
„großmütige^' Herz des „ wohlgeneigten '^ Eousers entschloß, dem 
^r u. a. (der Wortlaut findet sich bei Andrid Seite 116 — 118) 

schrieb : 

„Allergnädigster Herr! 

„In meinem dritten Gesuche vom 15. Februar 1816 habe 
jch das Glück gehabt, die bedrängte Lage des meiner Obhut an- 






Letzte Begierongsjahre des großen Vladika Petar I. S69 

vertrauten Volkes Eurer kaiserlichen Majestät alleruntertänigst zur 
Kenntnis zu bringen. Das erste Gesuch vom 26. September 1814 
wurde durch den Obersten Nikid; das zweite vom 18. Dezember 

1815 durch den bevollmächtigten Minister am österreichischen 
Hofe Grafen Stahlenberg, und das dritte vom 15. Februar 

1816 durch den Hofrat Mazurevski gesendet. . . . 

,^ Allergnädigster Herr! Werfen Sie einen Blick auf meine 
siebzigjährigen grauen Haare - belohnen Sie meine Mühen! 
Erweitem Sie die edlen Absichten glücklicher Vor£EÜbren Eurer 
kaiserlichen Majestät^ und rechtfertigen Sie meine Hingebung und 
das Gelübde meiner Vorfahren in bezug auf die Treue für Ruß- 
land I!I — Dieses Volk war von fremden Staaten niemab zur 
Untertänigkeit gezwungen. . . . 

„Montenegro hat daher gegründetes Recht^ seine 
Unabhängigkeit und Unantastbarkeit unangefochten 
zu sehen, und mit fremden Staaten, welche nach dem 
heutigen Staatensystem bestehen; Beziehungen zu 
unterhalten. . . . 

yyAllergnädigster Herr! Ich raffe nun meine letzten Kräfte 
zusammen und wage meinen Neffen, den Vojvoda Stanko 
Petroviö; mit 800 Bewohnern von Montenegro zu senden, damit 
selbe in Ihrem Reiche angesiedelt werden, auf daß bei der Un- 
fruchtbarkeit dieses Landstriches die Staaten fremden Stammes 
keinen Nutzen daraus ziehen. Ich habe die Auswanderer dem 
Statthalter von Odessa empfohlen, und meinem Neffen, dem oben- 
erwähnten Vojvoda, bedeutet, sich an den heiligen Sitz Eurer 
Majestät zum Oberprokurator des heiligen Synods, Aleksandr 
Nikojajeviö zu begeben, um meine gehorsamste Bitte vorzu- 
bringen, damit ich einer vollständigen und entscheidenden Ein- 
willigung des Thrones Eurer kaiserlichen Majestät rücksichtlich 
des montenegrinischen Volkes entgegensehen könne. 

„In Montenegro zu Cetinje am 8./20. Mai 1817. 

„Der demütige Mitropolit von Montenegro, Albanien und Primorje 

Petar Petrovid Njegoä.*' 

Der Vladika verlangte in seinen Vorstellungen die Flüssig- 
machung der vom Kaiser Pavel I. im Jahre 1799 bestimmten 

Gopdeylö, Montenegro und Albanien. 24 



!?• Elfter Zeitniam. 

XJDtentützangBsommen jährlicher 1000 DukateD^ welche trotz dem 
Seite 363 mitgeteilteii schmeichelhaften Schreiben des Kaisers Alek- 
sandr 17 Jahre aosgeblieben waren! Seine letzte, oben- 
erwähnte Vorstellung vom 8./20. Mai 1817 fand beim Kaiser kein 
Oehör. Und dies gereicht Aleksandr I. zur ewigen Schmach! 

In welch trauriger Gemütsverfassung der edle Vladika sich 
damals befand, zeigt sein bei Medakovid Seite 210 abgedruckter 
Brief an das Volk, in welchem er ihm vorhält, wie es ihm durch 
die unausgesetzten inneren Zwistigkeiten das Leben noch verbittere, 
als Dank für alles, was er für es getan. Zum Überfluß kam noch 
die Sorge vor einem neuen türkischen Angriff hinzu. 

D2elläl-ed-Din Pa^, Vezir von Bosnien, der eben bos- 
nische Aufständische gezüchtigt hatte, gedachte die Gelegenheit zu 
benutzen, um die an Montenegro verloren gegangene Brda wieder- 
zugewinnen. 

£)2elläl-ed Din, ein unbeugsamer Derviä, war von Sultan Mab- 
m&d eigentlich wegen Vernichtung der Spahis in Bosnien und 
der Hercegovina zum Vezir von Bosnien ernannt worden mit der 
Weisung, durch Zwangsmittel jeden Widerstand zu brechen, und 
bald wußte er durch seine fromme Außenseite sich bei den fana- 
tischen Bosnjaken in Achtung zu setzen. Unter dem Scheine 
strenger Gerechtigkeitsliebe begünstigte er die Rajäs, ohne seine 
Abneigung gegen die Spahis zu verraten. Endlich warf er die 
Maske ab, machte mehrere Begs nieder und entledigte sich so 
seiner gefllhrlichsten Gegner. Sarajevo, welches mit dem Odzäk 
(Familienrat) der Janiöaren in inniger Verbindung stand, über- 
häufte denselben mit den heftigsten Beschwerden über den neuen 
Vezir, und der Odiik säumte nicht, alles dem Sultan zu hinter- 
bringen. Mahmud sprach im erheuchelten Zorn die Absetzung 
des Vezirs aus, gab ihm aber keinen Nachfolger, vielmehr beharrte 
I>2olläl-ed-Din nach wie vor bei seinem Schreckenssystem. Die 
Montenegriner hielten den Augenblick für günstig, in Bosnien 
einzufallen. 

Nachdem Dielläl - ed - Din im Jahre 1820 12 000 Mann und 
100 Dells unter dem Befehl des kaiserlichen Delibaäi in Drobnjak 
gesammelt hatte, erfuhr Vladika Petar davon durch die Uskoken 
von Kolaäin. Deshalb ließ er von Spu2 bis Ostrog alle Waffen- 



Letzte Regierungsjahre des großen Vladika Petar I. S71 

fähigen nach der Moraöa aufbrechen. Von Martinidi eilten der Pop 
und Ynksan, von Orjaluka Marko Boäkovid, von Ostrog 
der Iguman Gjorgje und von Povija der Srdar Mrkoje, im 
gan2sen 1000 Mann hin. In MoraSa selbst gebot der Vojvoda 
Mina Radovid. Dieser lockte durch einen Scheinrückzug am 
17. April 1821 die Türken in die Ebene Dragovidkopolje^ wo sie 
ihr Lager aufschlugen. In Ratnja und Unter-MoraSa verwickelten 
sich inzwischen der Pop und Vuksan in ein Gefecht, an dem der 
Srdar Mijat bald teilnahm. Der Vojvoda Mina Radoviö hielt 
nun den Augenblick für günstig , um seinerseits den Feind am 
17. September von allen Seiten anzugreifen und ihn aus der Ebene 
zur Flucht zu zwingen. Marko Mikoniö erwartete diesen bei 
Stupe und verfolgte ihn von da bis Ljeviäte aufwärts in das 
Gebirge von Rzada. Die Montenegriner hieben in diesem Gefechte 
1500 Köpfe ab (ebensoviel Türken ertranken im Flusse) und er- 
beuteten 1200 Pferde. Ihr Verlust war außer dem Srdar Mrkoje 
und dem Barjaktar SuSa unbedeutend. Die Gefangenen wurden 
geköpft. 

Als im Jahre 1825 Kaiser Nikolaj I. den russischen Thron 
bestieg, beeilte sich der Vladika mit einem Bittgesuche um Aus- 
folgung der ausst&ndigen Geldunterstützung. Der neue Car befahl 
1829 auf Verwendung des in St. Petersburg ansässigen Podgori- 
caners Jovan Vukotiö die Erfüllung der vom Kaiser Pavel I. 
gemachten Zusage mit den Worten: ^^Dem heldenmütigen mon- 
tenegrinischen Volke sollen nicht nur die rückständigen Gnaden- 
gehalte erfolgt; sondern künftighin auch nicht mehr vorenthalten 
werden.'^ Immerhin dauerte es noch eine Weile , bis auch die 
rückständigen Gelder gezahlt wurden. 

Im Jahre 1828 versuchten die Bewohner von Poljane im 
Zetsko Polje das türkische Joch abzuschütteln und sich mit Mon- 
tenegro zu vereinigen. Veranlassung dazu gab die Soldatenaus- 
hebung von Christen durch den Vezir von Scutari^ der im aus- 
gebrochenen russisch- türkischen Kriege mit einem Heere nach 
Vidin ziehen mußte und zu diesem Zweck auch die Christen ver- 
wenden wollte. Die Christen weigerten sich; und Mahmud; Sohn 
des genannten VezirS; rückte mit bewaffneter Macht gegen die 
Bewohner von Poljane; die sich in ein vierstündiges Gefecht mit 

24* 



S7S Elfter Zeitraum. 

den Albanesen einließen. Die Albaneaen blieben zwar diesmal 
trotz der herbeigeeilten Hilfe der serbischen Bewohner von Ljesani 
und Eomani Sieger^ aber der Zweck der Rekratenverweigerung 
war doch erreicht Die Hilfeleistang der Montenegriner forderte 
die Rache der Albanesen heraus, doch kam dies letzteren teuer zu 
stehen, so daß sie sich genötigt sahen, Frieden zu schließen. In 
Eupi-Duh traten türkische und serbische Abgeordnete zusammen, 
um ihre Ansprüche auszugleichen. Die Türken verlangten die 
Piperska Kahija zurück, was die Montenegriner hartnäckig ver- 
weigerten. Sie erklärten dabei: 

1. Piperi gehört uns, und die Türken sollen das Land in 
Ruhe lassen. 

2. Ackergründe, welche unsere Grenzbewohner in Eriegszeiten 
bearbeiteten, sollen auch in der Friedenszeit bearbeitet werden, 
wie dies bei der ersten Versammlung festgesetzt wurde. Die Türken 
sollen dafür keine Abgaben verlangen. 

3. Die Einwohner von Rovci und MoraSa, dann die Uskoken 
aus der Hercegovina, welche sich zu uns flüchteten, sollen ebenso 
unangefochten sein, wie die Montenegriner und Brdaner. 

4. Die Einwohner von 2uplja, Ozrinidi, Bränjani und Drobnjak 
sollen nicht bekriegt und durch unser Land nicht verfolgt werden. 

5. Die Türken sollen sich weder in unsere noch in jene An- 
gelegenheiten mischen, die wir mit den Türken der Hercegovina 
abzumachen haben, denn mit diesen führen wir Krieg. 

6. Echte Montenegriner sollen wegen Diebstählen, deren Täter 
unbekannt sind, nicht gebunden und verhaftet werden, sondern es 
sollen die Diebe durch Gegenüberstellung, oder wie sie es am 
besten verstehen, ermittelt, gerichtlich bestraft und zum Schaden- 
ersatz verurteilt werden. 

7. Die Türken sollen sich den Montenegrinern und Brdanem 
nicht zu Herren aufwerfen und sie nach Skodra vorladen, so wie 
dies Selmän Agä mit den Bewohnern von Eomani und Ljeänani 
im vorigen Jahre getan hat. 

Die Türken nahmen diese Bedingungen an, obschon sie den 
Vertrag bei erster schicklicher Gelegenheit verletzten, allein die 
Montenegriner unterließen nicht, jede Verletzung des Vertrags blutig 
zu rächen und die Türken im Zaume zu halten. 



Letzte BegierungBJahre des großen Vladlka Petar I. 878 

Im Jahre 1829 langten die vom Kaiser Nikolaj angewiesenen 
Unterstützungssummen an, welche 21 Jahre ausgeblieben waren. 
Der Vladika empfand eine nicht geringe Freude und sagte ge- 
legentlich der Versammlung der Häuptlinge: ,;Ihr könnt nicht 
glauben, welche Freude ich empfand, als ich die für uns bestimmte 
kaiserliche Ghiade empfing. Zehn Jahre flehte ich zu Gott, mir 
das Leben zu nehmen, damit ich dem Elende des Volkes nicht 
zusehe; aber jetzt möchte ich um Verlängerung meines Lebens um 
wenigstens zehn Jahre flehen, um Gutes stiften und den glück- 
lichen Aufschwung meines Volkes erleben zu können, fUr dessen 
Fortschritt ich mich seit der Kindheit plage, und wobei ich, wie 
ihr sehet, ein greises Alter und Altersschwäche erreicht habe/' 

Das Schicksal hatte es jedoch anders beschlossen. Am 18. Ok- 
tober 1830 war eine Volksversammlung angeordnet, um hinsichtlich 
einiger in Fehde lebenden Stämme ein Friedensgericht zu halten. 
Petar fühlte sich damals schwach und krank. Am Vorabende 
versammelten sich die Häuptlinge bei ihm, nahmen nach Landes- 
sitte rings um das Feuer Platz und unterhielten sich wie gewöhn- 
lich mit Gesprächen über Landesangelegenheiten. Der Vladika 
saß in der Mitte der Häuptlinge und lenkte das Gespräch auf die 
Art und Weise, wie man morgen das Volk am leichtesten ver- 
söhnen könnte. Weil er schwach war, gebot er dem Schreiber, 
ein Schreiben in seinem Namen aufzusetzen, daß er vor dem Volk 
nicht erscheinen könne, sondern es möge den Häuptlingen ge- 
horchen, welche alle Anstände beseitigen würden. „Ich weiß'', 
sprach er nach einer Pause, „daß man an meine Schwäche nicht 
glauben, sondern behaupten wird, daß ich dies aus Bosheit tue, 
und deshalb vor dem Volke nicht erscheinen wolle — Gott aber 
ist mein Zeuge/' — Um sieben Uhr abends fühlte er sein Ende 
näher und sprach zu den Häuptlingen: „Ich habe keine Ursache, 
euch das Herannahen meiner letzten Stunde zu verbergen. Ich 
werde diese Welt verlassen. Ich empfehle euch , geliebte Helden, 
gegenseitige Einigkeit. Grüßt mir die Brüder Montenegriner und 
sagt ihnen, es sei der letzte und heißeste Wunsch ihres sterbenden 
Gospodar, es möchten die freien Brüder Montenegriner in Frieden 
und brüderlicher Liebe leben und ihre gottgegebene Freiheit ver- 
teidigen. Sie sollen nicht vergessen, daß sie Montenegriner und 



374 £lfter Zeitraum. 

freie Männer sind! Ich habe meine Jugend in einem armen und 
elenden, aber freien Lande zugebracht und ein greiBes Alter er- 
lebt. Es ist Gottes Wille, daß ich von euch auf immer scheid e, 
aber vergesset meine Worte nicht. Lebt wohl| ihr freien Berge! 
Evriger Ruhm möge auf euch grünen und Welt und Menschen 
überdauern! Gottes Segen über euch und das ganze Serbenvolk! — 
Führt mich in meine Zelle, damit ich meinen Geist def hohen Vor- 
sehung ruhig empfehlen kann." 

Betroffen näherten sich die Häuptlinge, empfingen den letzten 
Segen und küßten die segnende Hand ihres unvergeßlichen Gebieters. 
Zwei Häuptlinge nahmen ihn mit stummem Schmerzgefühl unter 
den Arm, führten den 81jährigen Vladika in die Zelle aufs Lager, 
und zum Himmel empor stieg ruhig und mUd — der Stern 
von Montenegro^)! 

£s ist schwer, sich ohne Rührung das Bild des sterbenden 
Vladika vorzustellen, der nach 48jährigen Bemühungen, sein Land 
kulturell zu heben und seine Unabhängigkeit zu verteidigen, in 
Betrübnis dahinschied, weil er so wenig Entgegenkommen bei den 
Montenegrinern jener Zeit fand. Aber wie fürchterlich würde es 
erst dort zugegangen sein, wenn ein anderer Vladika — etwa 
vom Schlag des einfältigen schwachen Sava! — in den für Mon- 
tenegro so ausschlaggebenden Jahren 1782 — 1830 dort geherrscht 
hätte! Denn Petar L wurde von seinem Volke vergöttert und 
nach dem Tode unter die „Heiligen'' versetzt Jedenfalls war er 
der Peter der Große von Montenegro in jedem Sinne dieses 
Namens. Der einzige Vorwurf, den man ihm machen kann, ist 
der, daß er kein geriebener Diplomat war und sich unbedingt von 
seiner Verehrung für Rußland leiten ließ. Andernfalls hätte er 
vor den für Österreichs und Rußlands Interessen geführten 
Kriegen seine Bedingungen gestellt und erst dann seine Hilfe 
gegeben. Auf diese Art wäre er schon 1807, mindestens aber 
1813 in den Besitz der Bocche gelangt, die doch Monten^os 
natürlicher Hafen sind und von derselben Bevölkerung be- 
wohnt werden. Ebenso hätte er mit dem aufrührerischen Vezir 
von Albanien zur Zeit des griechischen Aufstandes Abmachungen 



1) Andriö, S. 123. 



Letzte RegieruDgsjahre des großen Vladika Petar I. S76 

treffen können, nach welchen beide zusammen gegen die Pforte 
aufgetreten wären und der Vladika zum Lohn dafür die zum 
Lebensunterhalt der Montenegriner so nötigen Ebenen am Ökodra- 
See und an der Moraöa, sowie den Hafen Bar bekommen hätte. 
Und entschieden ein großer Fehler war es, daß nicht die gesamte 
montenegrinische Streitmacht in den Jahren 1808 — 13 die Feld- 
züge des Eara Gjorgje unterstützte, weil dann wohl Ältserbien 
damals schon unabhängig geworden wäre. Aber man kann eben 
nicht alles zusammen sein, und so ist auch Petars Ruhm als 
Landesvater und Held groß genug. 

Am Tage nach seinem Tode wurde sein letzter Wille eröfihet, 
in welchem der Verstorbene inständig die Montenegriner anflehte, 
sich aller Blutrache und Beleidigungen zu enthalten, solange er 
nicht beerdigt sei, und dann möge das gesamte Volk an seiner 
Bahre schwören, sich aller Feindseligkeiten noch bis zum Georgs- 
tag zu enthalten, bis zu welcher Zeit die regelrechten Gerichte 
in Tätigkeit getreten sein würden. Zu seinem Nachfolger er- 
nannte er dann weiter seinen Neffen Rado TomoY. Weiter 
erwähnte er, daß das ganze aus Rußland gekommene Geld für die 
Euluks (Gerichte) ausgegeben würde (oder werden solle), deren 
Einrichtung ein russischer Beamter vornehmen würde. Schließlich 
bedrohte er mit seinem Fluch alle jene, welche seinen letzten 
Willen nicht ausführen oder das Volk in Zwietracht bringen 
oder es zur Zurückweisung der russischen Schutzherrschaft ver- 
leiten sollten. 

Die Glavari, nachdem sie das Testament gesehen hatten, be- 
kleideten den jungen Rado Tomov mit den Kleidern des Mitro- 
politen und zeigten ihn dem Volke, dem auch der letzte Willen 
vorgelesen wurde. 

Das in Haufen zusammengeströmte Volk brach in große 
Schmerzensäußerungen aus, als es den Tod des geliebten und 
unvergeßlichen Vladika vernahm und leistete den gewünschten 
Eid. Der Leichnam ruht in der Klosterkirche von Cetinje und 
wurde noch 1834 wohlerhalten gefunden, weshalb man dies 
dir ein Wunder erklärte, obgleich es wahrscheinlich der £2in- 
balsamierung durch seinen Geheimschreiber Milutinoviö zuzu- 
schreiben ist. 



S76 Elfter Zeitraum. 

48. Albanien nach Karä Mahmud PaSäs Tod. 

(1796—1832.) 

Nach dem Tode Ksixi Mahmud Paääs fiel das Paäalik seinem 
Bruder Ibrahim zu. Der vierte Sohn Mehämed Paääs, Ahmad, 
war schon 1786 während der Belagerung von §kodra durch Kard 
Seki Paää gefangen und geköpft worden. AuAer diesen vier Söhnen 
hatte Meh^med Paää noch eine Tochter namens Krajo Hanäm 
gehabt, über welche eine interessante Erzählung geht, die man in 
meinem ,,Oberalbamen'' Seite 540 — 541 wiedergegeben findet 

Ibrahim Paää blieb der Pforte treu und leistete ihr große 
Dienste, indem er verschiedene aufirührerische Nachbarn bekriegte. 
Als er dann ohne Kinder starb, kam die Regierung an seinen 
Nefien Mustafa (den Enkel seines gleichnamigen, im Peloponnes 
gebliebenen Bruders). Als sich die Griechen erhoben, rückte 
Mustafa Paää gegen sie. Marko Bötzaris wollte ihn ermorden, 
irrte sich jedoch im Zelte und kam in jenes des Mireditenfärsten 
Prenk Marku, wo er von dessen Bruder Leä-i-Zij („Alexander 
der Schwarze '') getötet wurde. (Im Lager von Karpenitza.) 

Nach §kodra zurückgekehrt, trat Mustafa Pa§ä mit Mi loa 
Obrenoviö und durch diesen mit der russischen Regierung in 
Unterhandlung. Das Schicksal Ali Tepelänis schreckte ihn und 
er suchte sich gegen den Sultan Mahmud sicherzustellen. Daher 
zog er auch dem von Dibiö bedrohten PadiSä erst dann zu Hilfe, 
als jener den Balkan überschritten hatte. Mit 35000 Mann besetzte 
er Niä, Sofija und Plovdiv, woselbst er blieb, bis er eine halbe 
Million Piaster erhalten hatte. Auf dem Rückwege ließ er noch 
obige Städte brandschatzen. 

Trotzdem vergaben ihm die Türken alle Tyranneien, weil jhr 
Haß gegen den „ Reform-Sultan^', welcher die Janiöaren vernichtet 
hatte, ein noch größerer war. Wenn Mustafa Pasä damals nach 
Ende des russischen Krieges (1829) auf Konstantinopel losrückte, 
war der Sultan verloren und wahrscheinlich säße heute eine Dy- 
nastie Buäatlija am Goldenen Hom. Aber Mustafa war der Rolle, 
die er spielen wollte, nicht gewachsen. Statt dem Padiää zuvor- 
zukommen, wartete er untätig dessen Angriff ab. Der Großvezir 
Mehemed Resid Paää unternahm es, das kaiserliche Ansehen 



Albanien nach Earä Mahmud PaSäs Tod. 877 

wiederherzustellen. Der Augenblick war kritiBch. Im IpiroB war 
der Aufstand Seliktär Podas noch nicht gänzlich bezwungen, 
Arslän Hasan Bej hatte eben in Bosnien das Banner der Em- 
pörung entrollt, Mehämed Ali tat dasselbe in Ägypten, Mah- 
mud Paää von Prizren sicherte dem Empörer seine Unterstützung 
zu. Miloä Obrenovid lieferte ihm wirklich Geld, Rumili be- 
fand sich in Aufregung und die ganze Macht des Großvezirs über- 
stieg nicht 21000 Mann, während Mustafa allein 45000 Mann 
unter Waffen hatte. Dazu kam, daß Mehemed Re§id 16000 Mann 
zur Deckung seiner Flanken verwenden mußte, so daß ihm in 
Bitolj (Monastir) nur 5000 Nizäms und löOAlbanesen blieben. 

Mustafa zog unterdessen aus, sich zum Großherrn zu machen. 
8000 Mann sandte er unter Ali Bej voraus, um Sofija zu nehmen. 
Dies geschah auch, doch Ali Bej machte sich durch Grausamkeit 
und Erpressungen so verhaßt, daß die Begeisterung der Bevölke- 
rung Air Mustafa dahinschwand. Statt tatkräftig zu handeln, zeigte 
jedoch dieser so viel Unentschlossenheit und Schwäche, wie sein 
Gegner Kühnheit. Von sieben befreundeten Paääs begleitet, brach 
er mit 40000 Mann von §kodra auf (1831). Der Mireditenf&rst 
Lek-i-Zij (Alexander der Schwarze) befand sich mit seinen 
Leuten bei ihm. Ohne Schwierigkeit gelangten die Aufständischen 
bis Prilep. Wenn sie hier nicht drei Tage zwecklos verloren hätten, 
fiel Bitolj in ihre Hand. 

Mehemed BeSid hatte unterdessen 400 albanesische Bejs unter 
dem Verwände von Unterhandlungen zu sich geladen und dann 
während des Mahles heimtückisch niedermetzeln lassen. Hierauf 
stieß er plötzlich gegen Prilep vor und nahm es den Albanesen 
ab. Etwas aus der Fassung gebracht, stellte sich Mustafa vor 
den Pässen von Babuna auf. Statt aber persönlich auf dem 
Punkte der Gefahr zu weilen, ließ er sich in seinem Zelte hofieren 
und kümmerte sich wenig um militärische Anordnungen. Daher, 
gelang es auch dem Großvezir, die Albanesen vor den Pässen zu 
schlagen und in diese selbst hineinzuwerfen. Hier hielten sich 
jene zehn Tage lang, und bei der Schwäche der Nizäms wäre 
Mehemed Pa§ä vielleicht doch noch unterlegen, wenn nicht ein 
griechischer Häuptling von Chamuri (Chimara ?) mit 300 Pali- 
karen das von den Mirediten besetzte Kloster erstürmt hätte. Da- 



S78 Elfter Zeitraum. 

durch fühlten sich die Nizims zu gleichen Taten angespornt und 
sie erstürmten den Rest des Mireditenlagers. Dies entmutigte die 
andern Älbanesen und sie begannen zu fliehen. Jetzt erst stellte 
sich Mustafa mit gezogenem Säbel den Flüchtlingen entgegen; 
Mahm&d Pasä von Prizren rief ihm aber zu: „Ein blanker 
Säbel macht noch keinen Feldherm^ viel weniger einen Großherrn ! 
Es ist zu spät!'' 

Alle verbündeten Pa§äs verließen Mustafa und dieser erreichte 
nur mit einer kleinen Schar §kodra, wo er sich mit einigen 
Maljisoren und Mirediten in das Kastell einschloß. 

Seine Vorräte reichten auf ein Jahr. Seine Familie wollte 
er anfangs nach Montenegro schicken , weil sie aber dort aus- 
geplündert wurde, kam sie zurück und begleitete ihn in das Kastell. 
Mustafa sah seinen Untei^ng unvermeidlich , er sandte daher 
Nok Ilija und Antonio Jubani nach Wien, um Österreichs 
Vermittlung zu erlangen. Letzterer war schon sein Unterhändler 
mit Miloä Obrenovid gewesen, von dem er ihm kurz vorher 
200000 Piaster überbracht hatte. 

Unterdessen hatte Mehemed ReSid Paää nii^ends Wider- 
stand gefunden und war demnach ohne Schwertstreich vor §kodra 
erschienen. Die den Buäatlija feindliche Partei begrüßte den 
Seriaskär mit Freuden, die Mehrzahl der Bevölkerung empfing ihn 
jedoch mit eisigem Schweigen. Ohne sich darum zu kümmern, 
traf der Großvezir die Vorbereitungen zur Belagerung. Auf dem 
Tepä und dem Taraboä wurden Batterien gebaut und das Kastell 
beschossen. 

Zwei Wochen lang dauerte die Beschießung ohne sichtliche 
Wirkung. Am sechzehnten Tage tauchte eine Abteilung von 
3000 Maljisoren auf den Höhen von Bardanjol unweit Renzi auf. 
Es waren 16 Banner aller Stämme, geführt vom Barjak Hoti. 
Durch geheime Verbindungen, welche nämlich Mustafa Pasä mit 
den äkodranem unterhielt^ war verabredet worden, daß an einem be- 
stimmten Tage die Maljisoren zum Entsatz kommen, die Belagerten 
ausfallen und die Skodraner sich erheben sollten. Aus Feigheit 
hielten die beiden letzteren nicht Wort, die Maljisoren sahen sich 
daher ganz allein ausgesetzt und plötzlich von zwei Lanzenreiter- 
Regimentem, zwei Bataillonen und einer Batterie angegriffen. Nach 



Albanien nach Karä Mahmud PaSäs Tod. 379 

kurzem Kampfe zogen sich die Maljisoren zurück^ indem sie 50 Tote 
und 150 Verwundete am Platze und 22 Gefangene in den Händen 
der Türken ließen. Letztere wurden noch am selben Tage vor 
des Großvezirs Zelt geköpft. 

Nach diesem Zwischenspiel begann die Beschießung mit ver- 
stärkter Kraft. Mehrere Angriffe scheiterten an dem zähen Wider- 
stände der 150 mit ihren Fürsten Prenk Marku und Lek-i- 
Zij im Kastell eingeschlossenen Mirediten. Endlich nach vier- 
monatigem Widerstände schlug eine Bombe in das Pulvermagazin, 
sprengte es in die Luft und verbrannte den Konäk des PsSi, 
welcher jetzt eingeschüchtert Unterhändler sandte 

Ebeui als sich Mustafa Pa§ä auf Gnade und Ungnade ergab; 
langte ein kaiserlicher Fermän an, welcher den Großvezir anwies, 
den Empörer nicht hinzurichten, sondern nach Stambul zu senden. 
Nur mit Widerstreben gehorchte Mehemed Reäld, denn es war ihm 
wohl bekannt, daß Österreichs Vermittlung (infolge der Sendung 
Jubanis) dem Empörer Gnade erwirkt habe. Mustafa BuSatlija 
begab sich also mit seiner ganzen Familie nach Stambäl, wo er 
ein Jahresgehalt von 100000 Piaster erhielt, während sein Sohn 
Mehemedin den Dienst des Sultans aufgenommen wurde. Ersterer 
wurde noch durch mehrere Jahrzehnte als Vali in verschiedenen 
Provinzen verwendet, der Sohn hingegen als Regent eines auto- 
nomen Albanien in Bereitschaft gehalten. 

Ich habe oben den Anteil erwähnt und die Rolle, welche die 
Mirediten bei diesen Ereignissen gespielt haben. Ihre aus- 
führliche Geschichte findet der Leser in meinem „ Oberalbanien '^ 
Seite 561 — 569. 



Zwölfter Zeitraum. 

Montenegro unter dem Yladlka Petar IL 

und Albanien bis 1851. 



49. Petars des n. erste Regierungsjahre. 

Nachdem Rado TomoV; wie auf Seite 375 erwähnt, dem 
Volke vorgestellt worden war, gelang es nicht sofort, alle auf- 
geregten Gemüter zu besänftigen. 

Stank Stijepov (Vater des späteren Fürsten DaniloJ, 
der Iguman Mojsije von Gjurgjevi Stupovi und Simo Miluti- 
noviö (welcher des Verstorbenen rechte Hand gewesen war) 
überredeten den Srdar von Bjelopavlidi; Mihail Boäkovid, den 
Glavar von Öevo, Stevo Vukotid, und den Srdar der Rijeka 
Filip GjuraSkoviö, dem Volke nahezulegen, daß des Ver- 
storbenen Willen unter allen Umständen geachtet werden müsse, 
also seine letztwilligen Bestimmungen ungesäumt verwirklicht wer- 
den müßten. Dazu gehöre natürlich auch sofortiger Treueid dem 
neuen Vladika. Der Archimandrit von Ostrog, Josip Pavi- 
Sevid, war der erste, welcher mit gutem Beispiel voranging, in- 
dem er dem erst 17jährigen Rado Tomov (geboren zu NjeguS 
1. November 1813) die Hand küßte, trotzdem dieser noch nicht 
geweiht war. Der Guvematur Vuk Radonjiö folgte ihm und 
dann zögerten auch die übrigen Glavari und das Volk nicht 
mehr. Bald darauf kam der Bischof von Prizren, Hadzija 
Zaharije, nach der Insel Kom, wo er Rado zum Erzpriester 
und Geistlichen, hierauf zum Archimandriten weihte, wonach er 
den Namen Petar IL annahm. Am 6. August 1833 wurde 
er dann in Gegenwart des Kaisers Nikolaj zum Erzbischof 
geweiht. 



Petars des ü. erste Begierungsjahre. S81 

Petar IL wollte das Zivilisierungswerk in Montenegro fort- 

setzen, doch waren ihm durch die beschränkten Mittel die Hände 

gebunden. Allerdings bekam er wiederholt von meinem Vater 

Unterstützung y denn die beiden waren enge Freunde. So gab 

mein Vater für die Schulen der Hercegovina 50000 Ghilden und 

schenkte auch Montenegro große Summen. So oft Petar nach 

Triest kam, war er Gast meines Vaters, zuletzt am 7. Dezember 

1860; wo er meine Mutter kennen lernte, deren unvergleichliche 

Schönheit ihn zu dem Gedicht .(Seite 23 seiner 1885 in Pan5evo 

erschienenen ,,Djela^') begeisterte: ,,Pirovanje u Trijestu 7. de- 

kembrija 1850 g. kod Spiridona Gopöevida'^ mit dem Motto 

aus Victor Hugo: 

„C'est loi qoi fait briller ton regard sor la terre 
Comme T^toile aux cieux ! " 

Denn, wie wir später hören werden, war Petar auch einer 
der größten serbischen Dichter. Nach den Erzählungen meiner 
Mutter war er ein Ehrfurcht einflößender Riese von weit über 
zwei Meter Höhe und sehr geistreich, obgleich er bescheiden von 
sich zu sagen pflegte: „Ich bin zwar ein Weiser unter den Bar- 
baren, aber ein Barbar unter den Weisen.'' 

Noch war Petar nicht zum Elrzbischof geweiht, als er auch 
schon mit den Türken zu tun hatte. Der auf Seite 376 erwähnte 
Großvezir Mehemed Reäid dachte nach der Bezwingung des 
Empörers Mustafa Buäatlija daran, auch Montenegro zu unter- 
werfen. Ranke in seiner „Politischen Zeitschrift'' von 1834 H, 2 
schreibt darüber: 

„Gleich nach der Überwindung Mustafas ließ Read eine Er- 
mahnung, sich zu unterwerfen, an Petar U. ergehen Sie enthielt, 
wie gewöhnlich, Drohungen mit Versprechungen gemischt. Der 
Gewalthaber ward aufgefordert, vor dem Ghroßvezir zu erscheinen; 
er solle dann mit guten Empfehlungen nach Eonstantinopel ge- 
sandt werden und hier das Berät eines Fürsten empfangen, wie 
ein solches dem serbischen Oberhaupte zuteil geworden sei. Weigere 
er sich dessen, so solle er mit Krieg überzogen und ganz zugrunde 
gerichtet werden. 

„Aber diese Drohungen konnten ihn nicht schrecken, diese 
Versprechungen nicht reizen. Längst besaß der Vorsteher der 



382 Zwölfter Zeitraum. 

Montenegriner eine größere Unabhängigkeit ids der serbische Fürst. 
Ein Berat bedarf er nicht; solange sein Volk seine IVeibeit asu 
verteidigen yennag; vermöchte es dies nicht mehri so würde kein 
Diplom ihn schützen. Er hielt es nicht für nötig, ernstlich zu 
antworten. Die Montenegriner verwanderten sich über die Za* 
mutung und scherzten darüber. Hierauf griffen die Osmanen zu 
den Waffen. Auf Befehl des Großvezirs sandte der neue Pa§ä von 
Skodra; Namik Ali, 7000 Mann wider die montenegrinischen 
Schluchten. Der Sohn des Pa§ä führte sie an. 

;; Sorglos hüteten die Montenegriner ihre Schafherden in den 
Gebirgen; auch nach jenen Anmahnungen hatten sie keine Vor- 
sichtsmaßregeln ergriffen; unerwartet rückten die Türken in ihr 
Gebiet; das erste Dorf^ auf das sie stießen — es war Martinidi — , 
fanden sie fast ganz verlassen. 

,^ Nicht mehr als 24 Männer waren daselbst zu Hause^ aber 
auch diese wenigen setzten sich sofort zur Wehr. Zehn von 
ihnen wurden getötet, die übrigen sämtlich verwundet, wenig- 
stens dieses Dorf schien verloren zu sein; schon waren einige 
Häuser in Brand gesteckt und ein paar Wehrlose gefangen ge- 
nommen; als die übrigen Männer von den Bergen herunterkamen. 
Von Höhe zu Höhe war der Hilferuf erschollen. Die benach- 
barten Gemeinden eilten herbei. Radovan Puljev, in diesen 
Gegenden ein gefürchtetes Oberhaupt , ftLhrte 100 Männer von 
Bemica (Crmnica ?) ; von Lace und Brajovidi kam eine nicht viel 
geringere Anzahl; zwar noch immer wenig, aber doch genug, 
um, mit der Natur des Landes im Bunde, einen mörderischen 
Kampf zu beginnen. Der Paää von §kodra war untergegangen, 
weU seine Albanesen von ihm abtrünnig wurden; die Bosnier 
warea besiegt worden, weil sie sich entzweiten. So ohne Ver- 
gleich geringer die Kräfte der Montenegriner, zumal dieser Dorf- 
schaften, waren, so standen sie alle für einen Mann. Hier war 
an keine Verräterei zu denken. Auch diesmal gelang es ihnen; 
sie jagten die Türken zurück. Die Türken führten die G^&n- 
genen mit sich fort; dafür zeigten die Montenegriner fün&ig ab- 
geschlagene Türkenköpfe. Sich des Feindes erwehrt zu haben, 
genügte dieser tapferen Völkerschaft noch nicht, sie wollte auch 
Rache haben. Einer der Stämme — der Stamm Kuöi — griff das 



Petars des IL erste Begierungsjahre. 3S3 

türkische Dorf Tuzi an und kehrte erst zurück, nachdem er es 
verbrannt und geplündert hatte. 

yyAuch Namik Ali gab sich nicht sobald zufrieden. Der Eü*ieg 
begann an der ganzen Grenze; manches andere Dorf griffen die 
Türken an, doch wurden sie allemal zurückgeschlagen." 

Andrid erzählt den Hergang weniger poetisch , aber d^für 
sachlicher folgendermaßen: 

Am 23. April 1832 näherte sich Namik Ali mit 3000 Mann 
und 26 Kanonen, um das Dorf Martiniöi zu überfallen. Nachdem 
die Türken es in Brand gesteckt und geplündert hatten, drängte 
sie der Pop Radovid, mit nur 30 Mann, in eine Ebene hinaus. 
Hier stellte sich der Feind in zwei Gliedern auf und beschoß das 
Dorf mit Kanonen. In diesem Augenblicke langten 800 Mann 
aus Bjelopavliöi und der benachbarten Piperska Nahija an, welche 
die Türken angriffen und bis Spuz zurückwarfen. Der Feind 
zählte 164 Tote und 300 Verwundete. Der Verlust der Mon- 
tenegriner betrug 10 Tote und ebenso viele Verwundete. Die 
Montenegriner kehrten , reich beladen mit Waffen ^ nach Hause 
zurück. 

Der Großvezir schickte sich eben an, die Niederlage des 
Namik Ali zu rächen und in eigener Person gegen die Cmogorcen 
zu ziehen; als der Sultan ihn zurückrief, um ihn nach Syrien gegen 
den Sohn des Vizekönigs von Ägypten zu schicken. 

Um den Tod des Uskokenhäuptlings Petar VujaSid von 
Drobnjak zu rächen, welcher sich den Türken vertragsmäßig unter- 
worfen hatte, aber von ihnen nebst 17 Genossen treubrüchig nieder- 
gehauen worden war, beschloß im Jahre 1834 der Häuptling 
Drago Lopuäina, die von Nik§iö mit Getreide abziehenden 
Türken zu überfallen. Es waren 30 Türken unter Anführung des 
Barjaktar Skoöiö. Lopuäna sammelte die Unter-Moraöaner unter 
Mitar dem Kalugjer (Mönch) in Javorje, Vuk Durkovid, Knez von 
Rovci mit 60 Mann, Knez Milovan von Ljeviste mit 60 Uskoken, 
und zog mit ihnen nach TuSina, wo sich der Srdar Mileta mit 
7—8 Mann anschloß, und von dort über den Fluß Bukovica nach 
Ivica, wo er Aufstellung nahm. Mitar Kalugjer stellte sich mit 
einem Teil der Truppen in die Ebene Sinjavina, um den Türken 
den Weg nach KolaSin abzuschneiden. Jakäa Gaöanin schnitt 



S84 Zwölfter Zeitraum. 

ihnen den Weg nach Plevlje ab. Srdar Mileta beobachtete die 
Türken von Ivica und schnitt ihnen den Weg dahin ab. Die vierte 
Abteilung unter Vojvoda Mina Radulov und die seines Freundes 
Draga LopuSina umringten den Feind und griffian ihn an der 
Bukovica bei Ta§lid2a (Plevlje) an. Nach lebhafter Gegenwehr 
versuchten die Türken teils nach KolaäiU; teils nach Plevlje, teils 
nach Ivica zu entkommen, stießen aber überall auf einen Hinter- 
halt, und so wurden alle 30 Türken niedergemacht. 

Am 10. März 1835 faßten 12 Montenegriner den kühnen 
Entschluß; die Feste 2abljak zu erobern, um einen an Kuöi 
früher verübten Überfall zu rächen. Sie schlichen sich zum 
Festungstor, bemächtigten sich desselben, fesselten den Torwache- 
befehlshaber Jusuf Agä und pflanzten auf dem Turme die Fahne 
auf. Es entspann sich mit den herbeigeeilten Türken unter Jakub 
Agä ein lebhaftes Gefecht, in welchem letzterer verwundet wurde. 
Derviä Agä eilt ihm mit 130 Mann zu Hilfe. Die Montenegriner 
steigen auf die Wälle rechts und links und zwingen den Feind 
zum Rückzug in den Stadtteil, wohin nach und nach 600 Mann 
aus Podgorica und 300 Mann aus Gruda unter Avdo Ku£ak, 
Ahm^ Baal und Gjukica Muräd anlangen. Doch auch den Mon- 
tenegrinern eilt eine Verstärkung von 300 Mann aus der Rjeöka 
Nahija unter dem Srdar Filip und dem Enez Grujica Lopiöiö 
zu Hilfe. Sie entsenden den Vuk LjeSevid zum Angriff von 
•der östlichen Torseite, den Pop von Graöani zum Angriff von der 
Nordseite und zur Vereinigung im Innern der Feste. Den Rest 
der Truppen behielten sie für sich. Vuk Ljeäevi<5 drang als erster 
ein und focht gegen 3000 Türken, welche sich in einige Türme 
warfen. Ein Teil der Montenegriner, welcher 2abljak umringt 
hatte, stürmte diese Türme und beschoß sie mit den erbeuteten 
Kanonen. Das Gefecht dauerte drei Tage und endete am vierten 
mit der Verbrennung aller Türme, vieler Häuser und der Weg- 
nahme vieler Waffen, worunter einige Kanonen. Die gefangenen 
Türken wurden nebst Jakub Agä nach Podgorica ireigelaasen, 
die Montenegriner aber kehrten mit reicher Beute beladen nach 
Hause zurück. Der beiderseitige Verlust an Toten und Ver- 
wundeten ist unbekannt, muß aber jedenfalls bedeutend ge- 
wesen sein. 



Innere UmgeBtaltang unter Petar II. S85 

Im Jahre 1837 erhöhte Car Nikolaj I. das Jahrgeld auf 
9000 Dukaten und schenkte dem Volke Getreide im Werte von 
60000 fl.| indem er sagte: ^Jch liebe dieses heldenmütige Volk 
und werde für dasselbe tun, was ich kann/' 

50. Innere Umgestaltung^ unter Petar IL 

Petar U. ließ es sich von vornherein angelegen sein, in Mon- 
tenegro geordnete Zustände einzuführen, und dies ist um so erstaun- 
licher, wenn man bedenkt, daß er ganz gewaltig einschneidende 
Maßregeln zu einer Zeit ergriff, da er noch nicht 18 Jahre alt war, 
was also vermuten läßt, daß er sehr tatkräftig und willensstark 
war. Eine seiner ersten Taten war, daß er die übergroße Macht 
des Guvernaturs abschaffte, weil er der Ansicht war, daß zwei 
Herren in einem so kleinen Lande nur von Nachteil seien. 

Die Radonjidy in deren Familie das Guvematurstvo erblich 
war, hatten von jeher mit den Herren der Bocche geliebäugelt: 
zuerst mit den Venezianern, dann mit den Österreichern. Die 
Vladike neigten zu Rußland hin und dies tat natürlich nicht gut 
Petar II. war kaum 18 Jahre alt, als er das durchführte, was 
sein Vorgänger vergeblich versucht hatte : er überredete (oder be- 
stach vielleicht) die Glavari, daß sie der Verbannung des Guver- 
naturs Vuko Radonjid zustimmten (1831), worauf dessen Feinde 
sein Haus in Njeguä niederbrannten. Radonjid siedelte nach Ko- 
tor über, wo seine Familie den Namen in Guvernaturoviö 
änderte') und von der österreichischen Regierung ein Gnaden- 
gehalt von — 36 fl. pro Jahr erhielt, das noch 1875 ausbezahlt 
wurde — vielleicht also auch heute noch. Die übrigen Radonjiö 
blieben jedoch unangefochten im Lande und Stank o Radon ji<5 
traf ich 1875 als Minister und Vojvoda, seinen Bruder Steve 
als Haupt der Reiterei. Aber keiner von beiden war irgend- 
wie fähig. 

Petar s Absicht war, die übergroße Macht der einzelnen 
Glavari zu brechen und die Regierung mehr zu zentralisieren, 

1) Eine Gayernaturovid und eine Nichte des Vladika Petar IL, 
sowie die Schwester des jetzigen Königs Nikola heirateten je einen 
Gopöeyid der Sekundogenitnr. 

6op6evi6| Montenegro und Albanien. 25 



S86 Zwölfter ZeitramiL 

denn Tatsache ist, daß die Glavari so willkürlich und eigenwillig 
herrschten, daß sie sich nur dann um die Befehle des Vladika 
kümmerten y wenn sie ihnen paßten. Deshalb verbannte er auch 
1834 die beiden Vukotidy den Vorsitzenden und Untenrorsitzen- 
den des Senats. Denn schon Petar L hatte die Errichtung eines 
Senats ins Auge gefaßt und den geborenen Serben Ivanoriö 
aus Podgcrica, der in russischen Diensten stand, nach Monten^ro 
gerufen, um den Senat zu errichten. Ivanovid traf erst nach 
seinem Tod ein, aber Petar II. wünschte, daß er das geplante 
Werk fortsetze. 

lyanoviö brachte aus Rußland die Hauptsache mit: Geld, 
nämlich die schon wieder ausgebliebenen russischen Hilfsgelder, 
und war deshalb den Montenegrinern von vornherein willkommen. 
Obendrein war er selbst vermögend und baute sich gleich ein 
schönes Haus beim Kloster, das dann der Vladika bis zur Voll- 
endung seines neuen „ Palastes '^ bewohnte (jetzt „alter Palast^' 
genannt und noch besser im Volke als „Biljar^^ = Billard bekant, 
weil daselbst ein Billard aufgestellt war, das vom Vladika mit 
Leidenschaft gespielt wurde und als großartige Neuigkeit vom Volke 
angestaunt wurde, dem es etwa solchen Eindruck machte, wie der 
Ei£Felturm den Parisem). 

Ivanovid gelang auch die Einrichtung des Senats nach 
russischem Muster, und weil er sich der Freundschaft des Vladika 
erfreute, war auch das Volk zufrieden. Der von Ivanovid er- 
richtete Senat zählte 12 Mitglieder, die aus den Glavari gewählt 
wurden und Jahresgehälter von je 100 fl. bezogen. Den Vorsitz 
führte der Vladika selbst und sein Stellvertreter war sein Onkel 
Gjorgje. Eine Gvardija von 150 erlesenen Montenegrinern 
sollte beständig Montenegro durchziehen, um als Richter in Streitig- 
keiten zu urteilen und — Steuern einzuheben. Eine Leibgarde 
von 30 Perjanici (Federbuschträger) wurde gleichfalls errichtet 
und mit je 80 fl. jährlich besoldet. Sie dienten gleichzeitig als 
Gendarmen. 

Solange Ivanovid eigenes und russisches Geld genug hatte,, 
um alle diese Neuerungen zu bezahlen, war das Volk zufrieden; 
es begann aber sofort zu murren, als seine Taschen leer waren 
und von Abgaben gesprochen wurde. Das konnte natürlich Iva^ 



Innere Umgestaltimg unter Petar 11. S87 

novid nicht gefallen und so zog sich der Anne mit leeren Taschen 
nach Rußland zurück. 

Um Geld zu beschaffen, führte also Petar II. Steuern ein, 
und zwar teilte er das Volk nach seinem Besitz in drei Teile, von 
denen der eine jährlich 1, der andere 2, der dritte 3 fl. zahlen 
sollte. Das erregte im Volk Erbitterung und reizte es zum Wider- 
stand. Der Vladika blieb unbeugsam, weil er einsah, daß ohne 
Staatsgelder kein Fortschritt möglich sei, deshalb ließ er durch 
seine Guardija imd Perjanici die Steuern eintreiben. Dies brachte 
zunächst die Rije£ka Nahija in Aufstand, welche die Steuereinheber 
davonjagte. Aber Petar war kein Schwächling. Er hob einige 
hundert Katunjaner aus, eilte damit in die Rije£ka, ließ die Rädels- 
führer erschießen, andere verbannen und brachte das Volk zum 
Gehorsam. Ebenso erging es den anderen widerspenstigen Nahijen, 
besonders der Piperska, wo viele Rädelsführer erschossen werden 
mußten, ehe sie sich zum Steuerzahlen bequemte. 

Soweit die Angaben des Archimandriten Duöid. Andriö 
ist etwas ausführlicher, aber vielleicht beziehen sich seine An- 
gaben auf die spätere Regierungszeit des Vladikas. Er erzählt 
nämlich : 

Unter Petar II. nahm die Staatswirtschaft eine geregelte Form 
an, die Führung der Staatsgeschäfte wurde geordnet, und eine 
Steuer von 2 fl. für jede Familie eingeführt, so daß im Jahre 1840 
bei 20000 fl. (42000 Mark) wirklich eingehoben wurden. Er teilte 
Monten^o in acht Nahijen. Im Jahre 1838, wo es 11700 Fami- 
lien und 107000 Einwohner gab, waren dies: I. Katunska Nahija 
25000 Einwohner (im Jahre 1849: 27 000). II. CrmniSka Nahija 
13000(1849: 14000). III. Rijeöka Nahija 12 000 (1849: 13000). 
IV. LjeSanska Nahija 6000 (1849: 6800). V. Bjelopavlidka Nahija 
15000 (1849: 16 800). VI. Piperska Nahija 9000 (1849: 10 600). 
VII. MoraSka Nahija 10000 (1849: 11600). VIII. Kuöka Nahija 
17000 (1849: 20200) Einwohner, mithin zusammen 1849: 
120000 Einwohner. Letztere vier Kreise bilden die Brda. 

Petar II. stellte zur Wahrung des öffentlichen Friedens und 
der Sicherheit besondere Leute mit Jahresgehalten auf. Er grün- 
dete eine Zentral- und Bezirksverwaltung mit folgendem Personal 
und Besoldung: ein Senatspräsident mit 1200 fl. C. M. Jahres- 

25* 



S88 Zwölfter Zeitraum. 

gehalt, 1 Vizepräsident mit 1000 fl., 1 Minister mit 800 fl., 1 Ad- 
jutant mit 300 fl.; 2 Lehrer k 300 fl.; 12 Senatoren k 200 fl.; 
12 Eapetani k 100 fl.; 30 Perjanici k 80 fl.; 420 Panduri 
k 40 fl.y zasammen 480 Beamte und 26700 fl. C. M. Ausgaben 
für deren Unterhaltung. Den Fehlbetrag von 3300 fl. ersetzte der 
Vladika aus Eigenem. Petar verbesserte im Inneren die Ziegen- 
pfade^ besonders gegen die österreichische Orenze^ und führte eine 
Volksschule ein^ ebenso im Jahre 1834 eine kleine Staatsdruckerei. 

1840 ließ Petar 11. eine silberne Tapferkeitsmedaille prägen, 
auf einer Seite mit der Inschrift ^^Cmagora'^, auf der anderen: „Za 
hrabrost i za vjeru'^ (fUr Tapferkeit und den Glauben), und 1847 
eine goldene Tapferkeitsmedaille , welche auf einer Seite die Auf- 
schrift: „Milos Obiliö'^y auf der anderen das Brustbild dieses 
Helden und die Aufschrift: y^Vjera. Sloboda. Za hrabrost^' (Glaube. 
Freiheit Für Tapferkeit) enthält i). 

Ein großes Verdienst erwarb sich der Vladika auch durch 
die Errichtung zweier Pulvermühlen in Rijeka, und 1847 kaufte 
er zwei neu erfundene Mühlen und zwei Kanonen. (1852 wurden 
vom Senate noch 4 Kanonen kleineren Kalibers gekauft.) 

Petar II. war einer der hervorragendsten slavischen Dichter. 
Ein Zögling des Dichters Simo Milutinoviö, dem er eines seiner 
Werke aus Dankbarkeit widmete, gleicht er demselben an Kühn- 
heit der Einbildungskraft und Qedankenflug. Seine Werke sind 
folgende: 1. Lijek protiv jarosti turske (Heilmittel gegen die Os- 
manenwut), Cetinje 1834. 2. Pustinjak Cetinjski (der Einsiedler 
von Cetinje), Cetinje 1834. 3. Luöa Mikrokosma (Leuchte des 
Mikrokosmos, gewidmet den Manen Puäkins), Belgrad 1845. 
4. Ogledalo Srbsko (Serbenspiegel), Belgrad 1846. Enthält eine 
Sammlung von Heldengesängen der Montenegriner und Serben, 
die zum Teil von S. Milutinoviö in „Pjevanja Cmogorska'^ und 
„Istorija Crnegore^' erschienen sind, weshalb ftdschlich der Vla- 
dika als Verfasser genannt wird, während er nur Herausgeber der- 
selben ist. 5. Gorski V^'enac (der Alpenkranz). Epos. Wien 1847. 
6. Söepan Mali, La2ni Car (Stefan der Kleine, der Lügenkaiser), 



1) Sie gilt heute noch dem Montenegriner als höchste Auszeichnung, 
weil sie nur für besondere persönliche Tapferkeit verliehen wird. 



Innere Umgestaltung unter Petar II. S89 

Triest 1850. 7. Eula QjuriSida i Öardak Alekaiöa 1847 godine, 
Wien 1850. In diesem Heldengesange feiert der Vladika die Tapfer- 
keit eines seiner Untertanen. 

Wieder abweichend in den Einzelheiten sind die Angaben von 
Earadiid aus dem Jahre 1836, welcher schrieb: 

y,Nach der Anordnung des verstorbenen Vladikas wurde statt 
des ehemaligen Obergerichts aus 16 der vornehmsten Oberhäupter 
ein Senat gebildet und statt des Euluk eine Gvardija von 135 
Personen; auch wurden 15 Trabanten unter dem Namen Per- 
janici aus verschiedenen Stämmen zusammengebracht Der Senat 
sollte die höchste Gewalt im Lande ausüben, die Gvardija kleinere 
Streitigkeiten schlichten , größere aber dem Senat berichten und 
für den Vollzug von dessen Befehlen und Beschlüssen Sorge tragen. 
Den Senatoren wurde als jährliches Gehalt 80 fl. C. M. und Mehl, 
den Mitgliedern der Gvardija aber nur an Geld 60 fl. C. M., den 
Trabanten, weU sie im Dienste entfernt von ihren Wohnungen 
sein müssen, etwas mehr ausgesetzt. Nun wollte aber jeder eine 
solche Stelle haben, und es wurde sonach beschlossen, daß mit all 
diesen Stellen alljährlich gewechselt werden sollte. 

Auf diese Weise wurde wenigstens eine Art von Begierung 
begründet, und es war nun erste Aufgabe, die in Feindschaft sich 
befindenden Parteien auszusöhnen, die künftigen Verbrecher aber 
dem Senat zur Bestrafung zu überlassen. Wirklich wurde auch ein 
Dieb aufgehängt und ein Mörder erschossen; aber wiewohl als 
Folge hiervon die Morde und andere Verbrechen seltener wurden, 
80 erhoben sich doch immer wieder neue Schwierigkeiten gegen 
eine ordentliche Handhabung der Gewalt, und zwar weigerten 
sich die Gemeinden, den ihnen angehörigen Verbrecher auszuliefern, 
ja sie hielten es sogar für Schande, fremden Leuten zu erlauben, 
den Verbrecher in ihrer Mitte zu suchen und mit Gewalt zu fangen ; 
sie zeigten eher Neigung ihn in Schutz zu nehmen als auszuliefern ; 
dann war es nicht möglich, alle alten Fehden auszugleichen, und 
dies um so weniger, als man forderte, daß die Beleidigten ohne 
die bisher gebräuchliche Abfindung durch Geld usw. auf die Blut- 
rache Verzicht leisten sollten. Gegen letztere Anordnung wider- 
setzten sich insbesondere die Einwohner der Crmniöka, ja diese 
warfen nach und nach alle Neuerungen wieder über den Haufen 



890 Zwölfter Zeitranm. 

und kehrten ganz in den früheren Stand zarück| weahalb aie den 
Unwillen des Vladikas in dem Ghrade sich zuzogen, daß er kraft 
seiner geistlichen Gewalt einigen Stämmen die Kirchen verbot ^)/' 

51. Urteile über Petar IL 

Stieglitz lernte den Vladika persönlich kennen und sprach 
sich über seine zivilisatorischen Bemühungen sehr lobend aus. 
Er sagte: 

y; Durch Gvardija, Perjanid und Senat schuf sich der Vladika 
eine Partei , auf die er rechnen konnte , und an deren Spitze er 
bereits anfing, im Innern des Landes verübten Diebstahl ohne 
weiteres mit dem Strange, Mord ohne Rücksicht auf die alther- 
könunliche Blutrache nach kurzem Prozeß standrechtlich durch Er- 
schießen zu bestrafen. Das bei den letzteren Hinrichtungen beob- 
achtete Verfahren hängt innig mit den angeerbten Vorstellungen 
zusammen und beweist, daß man für dieselben doch immer noch 
einige Rücksicht hegt Damit es nicht heißen könne, ein ein- 
zelner, der dann vielleicht selbst der Rache eines Verwandten oder 
Stammgenossen verfisdlen wäre, habe das Mitglied einer Montene- 
grinerfamilie getötet, werden mehrere hundert Bewaffnete zugleich 
beordert, auf den Verbrecher zu schießen, dem im Augenblick des 
Abfeuems zugerufen wird, davonzulaufen. Oleichwohl soll nach 
der ersten Urteilsvollstreckung dieser Art von selten der Familie 
förmlich in Cetinje angefragt worden sein, wer ihren Verwandten 
getötet habe, — worauf dann die Antwort des Senats erfolgte : 
,da8 Land'; und damit war dann freilich jede weitere Erörterung 
abgeschnitten. 

;,Die Ovardia und die Perjanici wiurden um ein bedeutendes 
vermehrt und ihre Oehalte ebenso wie die der Senatoren erhöht. 
Zwölf Senatoren beraten über Zivil- und Eriminalsachen unter 
Vorsitz des Vladikas, der im eigentlichsten Sinne als Dictator perpe- 
tuus das Recht zu Wahl und Wechsel, wie auch die Besoldung 
all der gegenwärtig in Montenegro bestehenden, von ihm selbst 
geschaffenen, bürgerlichen und militärischen Amter sich vorbe- 

1) Was aber vom Vladika Stieglitz gegenüber ausdrücklich in Ab- 
rede gestellt wurde. S. G. 



UrteUe über Petar II. 891 

halten; und es gibt vielleicht nirgends^ wo vielhandertjährige Ge- 
setze bestehen, eine promptere Justiz, als gegenwärtig in dem seit 
kaum einem Lustrum mit festgestellten Institutionen versehenen, 
immer noch weit und breit als gesetzlos verschrienen Montenegro. 
420 Mann Ghrardia, unter 12 Kapetani, davon gegenwärtig auch 
zwei Geistliche, in den verschiedenen Ortschaften verteilt, stehen 
in beständiger Verbindung mit der Residenz. Geringere Vergehen 
werden unmittelbar durch sie in der betreffenden Nahija, größere 
Verbrechen vom Senat zu Cetinje unter Vorsitz des Vladikas unter- 
sucht und gerichtet. Auch die Hinrichtungen vollzieht die Gvardia; 
doch werden dabei nicht mehr, wie in früheren Zeiten, die Häuser 
der Schuldigen zerstört Von dem, was bei Prozessen zu Recht 
erkannt wird, ziehen die Vollstrecker alsbald ein Dritteil als Geld- 
strafe (Globa) ein, und dieses wird in drei Teile geteilt, wovon 
der eine den jedesmaEgen Vollstreckern, der andere dem Senate, 
der dritte dem Vladika zukommt Findet letzterer fiir gut, zu 
eindringlicherer Verwirklichung irgendeiner Verfiigung oder zu 
rascherer Schlichtung eines bedeutenden Rechtshandels sich per- 
sönlich in eine Ortschaft zu begeben, so begleitet ihn jedesmal 
ein Teil seiner Peijanici, die, gegenwärtig 30 an der Zahl, in 
seiner Residenz ihn beständig umgeben. Die Senatoren, die Kape- 
tani der Gvardia usw. werden vom Vladika auf ein Jahr gewählt ; 
nach dieser Zeit hängt es von ihm ab, solche zu bestätigen oder 
andere zu ernennen. 

„Neben den Naturallieferungen und den nicht zu berechnen- 
den außergewöhnlichen Einkünften bestehen die seit 1834 fest- 
gesetzten bekannten jährlichen Gehalte ftbr den Senator in zwei- 
hundert, für den Perjanik in achtzig, für jedes Mitglied der Gvardia 
in vierzig Gulden (zu dr^ Zwanzigern) — für die einfachen Ver- 
hältnisse und die außerordentliche Wohlfeilheit der Lebensmittel in 
diesem Lande keine unbedeutende Summe, was auch schon daraus 
hervoi^ht, daß der Aspiranten zu all diesen Stellen eine Unzahl 
ist, indem alles, was nur irgend Anspruch machen zu können 
glaubt, sich dazu herandrängt. Daß die Eapetani, der Sekretär, 
und nun gar des Vladikas Onkel, der Vizepräsident, bedeutendere 
Summen erhalten müssen, versteht sich von selbsf 

Bei dieser Gelegenheit dürfte es nicht uninteressant sein zu 



392 Zwölfter Zeitraum. 

höreo^ was derselbe Stieglitz über die Person des Vladikas zu 
sagen weiß: 

y, Als ich eintrat^ erhob sich vom Divan in weit herabfließendem 
Kaftan eine hohe Gestalt, wie ich von so ebenmäßigem Wachse sie 
niemals größer gesehen, das Haupt mit einem donkeln gestreiften 
Seidentuche turbanartig umwunden, ging mir einen SchrUt ent- 
gegen und grüßte freundlich mit der Hand und einem leisen Kopf- 
nicken, während ein wohlakzentuiertes ySoyez le bien venu, Mon- 
sieur le docteur' mich einen Augenblick fast zweifeln ließ, ob ich 
denn wirkUch hier vor dem Oberhaupte der Montenegriner oder 
an der Schwelle eines modernen Salons stände. Auch die auf 
meinen ehrerbietigen Gegengruß erfolgenden Fragen in derselben 
Sprache versicherten mich, daß die Cattareser recht haben, wenn 
sie behaupten, der gegenwärtige Vladika von Montenegro dürfe 
sich nicht scheuen, in einem Pariser Salon außsutreten. Nachdem 
er einem Diener gewinkt, der alsbald auf einem silbernen Service 
Erfrischungen hereinbrachte, lud er zum Sitzen ein und nahm 
selbst seinen früheren Platz auf dem Divan mir g^enüber. Sein 
Kopf, der eher einen in antikem Sinne arbeitenden Künstler als 
einen modernen Hof- und Miniaturmaler zur Darstellung auffordern 
würde, ist wirklich schön zu nennen ^) ; die Gesichtszüge, in rich- 
tigem Verhältnis zu dem ungewöhnlich hohen Körperbau, vereinen 
eine gewisse selbstbewußte Würde mit leutseliger Herablassung und 
scheinen zu Krieg und Frieden gleich gerüstet, wie das Haupt des 
Zeus, wenn seine Hand, den Blitz zurückhaltend, aus den Höhen 
des Olympos Segen über die vertrauende Erde gießt Ein kluges, 
durchdringendes Auge, das eine unfreundliche Kritik auch wohl 
verschmitzt nennen dürfte, gibt mit seiner ausnehmenden Bew^- 
lichkeit den von Natur ruhigen Zügen Wärme und Leben; es 
scheint sich früh gewöhnt zu haben, die aufgefaßten Gegenstände 
gleich vor das innere Forum zu fähren und erst nach Abwägen 
vor diesem sich ihnen wieder zuzuwenden; und so hebt es nach 
jedesmaligem Niederschlagen zu nur um so bestimmterem Anschauen 
sich wieder empor. Beim Gtehen wird bisweilen ein leises Schwanken 
des Oberkörpers bemerklich, wovon jedoch beim Sitzen keine Spur 



1) Das sagte auch meine Matter. S, G. 



UrteUe über Petar n. 89S 

bleibt. Die rahige, sichere Haltung kontrastiert angenehm mit der 
blühenden Frische des Kolorits und flößt größere Achtung ein^ als 
man sonst wohl einem kaum achtundzwanadgjährigen Mann schuldig 
zu sein glaubt." 

Auch das Urteil Sir Gardener Wilkinsons, der den Vla- 
dika 1840 besuchte, ist bemerkenswert: 

,,An seiner Tafel hat der Vladika die europäische Sitte ein- 
geführt und ich war überrascht, als ich das FrtLhstück ganz , eng- 
lisch' fand. Mit Fremden spricht er am liebsten französisch, doch 
spricht er auch deutsch und italienisch. Ich fand den Vladika 
sehr gut unterrichtet über die Machtverhältnisse und Mittel der 
verschiedenen europäischen Staaten und er hat ein sehr treues Ge- 
dächtnis für statistische Einzellieiten. , Unsere Nachbarn haben', 
sagte er mir, ,un8 Monten^riner als Räuber und Mörder ge- 
brandmarkt, aber ich bin entschlossen zu verhindern, daß sie es 
seien. Ich will zeigen, daß sie ebenso fähig sind, zur Veredelung 
und Gesittung zu gelangen, wie irgendein anderes Volk.' Sein Be- 
nehmen ist ungemein gefällig und seine Unterhaltung verständig und 
anziehend. Seine Bemerkungen über Geschichte und Politik und 
über die mannigfachen Dinge, über die er gerne spricht, verraten 
viel Klugheit und ein vortreffliches Gedächtnis und seine Begeiste- 
rung für sein Vaterland muß Bewunderung und Achtung erregen. 

„Ich hatte auch in der Unterredung mit dem Vladika Ge- 
legenheit, auf die von seinem Volke von den Türken übernommene 
Sitte zu deuten, ihren Feinden die Köpfe abzuschneiden und 
sie als Zeichen des Sieges und der Rache auf Pfähle zu stecken, 
und ich freute mich, daß er die nachteiligen Folgen dieser Sitte 
einsah und dem Übel abzuhelfen wünschte. ,Aber', setzte er 
hinzu, ,Sie kennen die Türken so lange und werden einsehen, 
daß es f&r uns unmöglich ist, diese Sitte zuerst au&ugeben oder 
die Abschaffung derselben zu beantragen. Die Türken würden 
nämlich unsere menschenfreundlichen Absichten f&r Furcht halten 
und uns nach ihrer gewöhnlichen Art doppelt so arg mitspielen. 
Wollten wir ihnen solche Vorschläge machen, so würden sie darin 
nur eine Einladung zu einem Elinfall in unser Gebiet sehen, und 
ich muß deshalb fortwährend das bedauern, was ich zu un- 
serer eigenen Sicherheit nicht aufgeben darf.' 



894 Zwölfter Zeitraum. 

y,Der Vladika ist eine majestätische Gestalt von 6' 8" (203 cm) 
Höhe mid kann wohl Ehrfurcht einflößen. Er ist dabei für seine 
Höhe hübsch und ebenmäßig gebaut Er trägt einen kleinen Bart, 
und sein langes, dunkles Haar fällt auf den Nacken herab. Den 
Kopf bedeckt ein roter Fes. Er hat gewölbte Augenbrauen, und 
der Ausdruck seiner Züge ist mild und freundlich. Seine gewöhn- 
liche Tracht ist kriegerisch^ wie die Landestracht, doch kostbarer 
und mit einem Scharlachpelz bedeckt. '' 

Zu den obigen Bemerkungen über das Kopfabschneiden be- 
merkte Gustav Rasch 1875: 

,,Der gegenwärtige Fürst (Nikola) hat das Abschneiden der 
Türkenköpfe streng verboten. Ich halte dies Verbot aus denselben 
Gründen, aus denen Petar II. sich nicht zu einem Verbot ver- 
stehen wollte, für einen Fehler und habe dies dem Fürsten Ni- 
kola auch jedesmal gesagt Das Abschneiden der Köpfe ist nach 
Dr. Siegfried Kapper keine slavische, sondern eine asiatisch- 
türkische Sitte. Die Türken haben diese barbarische Sitte aus 
Asien nach Europa gebracht, und die Montenegriner haben sie 
als Repressalie angenommen, dazu gezwungen.'^ 

Paiö und Scher b endlich rechtfertigen das Kopfabschneiden 
(S. 135) folgendermaßen: 

„2. Wenn es irgend erlaubt ist, Menschen zu töten, so ist das 
Kopfabschneiden an dem Toten nur eine nichts ändernde Zutat, 
ein roher Kriegsgebrauch, und wird faktisch 

„3. vollends zur Wohltat, wenn es den Leiden des verwun- 
deten Muselmanen ein schnelles Ende macht. Man erinnere sich 
hier, daß die Türken Schwerkranke und Verwundete oft lebendig 
begraben. Medizin und Chirurgie dürften auch in jenen Ge- 
bieten nicht so leicht Eingang finden. Das schiene dem Fatalisten 
Frevel an der heiligen Bestimmung. 

„4. Wähnt der Muselman, jeder Christenkopf sei eine Stufe 
ins Paradies. Dieser Wahn kann sich leicht einst bei dem rohen 
Nachbar in bezug auf die Türken eingeschlichen haben, wenig- 
stens den Beschränkteren zu gänzlicher Entschuldigung dienen. 

„5. Obwohl die Untat des einen die eines anderen nicht auf- 
hebt, so sollte man doch dem armen, bedrängten Cmogorcen, der 
nichts will, als was jedem gebührt, nicht zu schwarz anrechnen, 



Zwistigkeiten mit Österreich. S95 

was man von unseren Mustern in Afrika, die Freiheit predigen 
und Sklaverei bringen, beinahe rühmte. 

yyVon Seiten der Regierung wurde der Unfug aus folgenden 
Gründen noch nicht entschieden aufgehoben: 

yil. Weil durch seine Abschaffung dem Türkenfeinde, dem 
Bluträcher, ein ungeheures Feld von Mißhandlungen und Untaten 
eröffiiet würde. 

„2. Weil dieser Gebrauch den Hochländer zur Zerstörung des 
Barbaren spornt. Der Feige hat ein immerwährendes Schandmal, 
der Zwischenraum zwischen den aufgesteckten Köpfen ist seine 
Trophäe. Solange vor Cmagoras Toren die Barbarei brüllt, muß 
das Volk wach erhalten werden durch Mittel, die paralysieren, 
sonst ist's aus mit dem slavischen Olymp. 

„Der Schaden, der aus diesem Gebrauche entspringt, ist nur 
der, daß die tapferen, siegreichen Cmogorcen in der Sucht, Türken- 
köpfe zu erobern, sich vereinzeln, den wahren Zweck des Augen- 
blicks aus dem Auge lassen und so schon manches Gefecht verloren/' 

Was mich selbst betrifft, so trat ich wohl stets dagegen auf, 
daß den toten Türken die Köpfe abgeschnitten werden, wohl 
aber empfahl ich, den lebenden den Kopf abzuschneiden, und 
zwar deshalb, weil es damals in Montenegro unmöglich war, Ge- 
fangene zu machen, bzw. dieselben nachträglich zu bewachen 
oder gar zu füttern. Aber natürlich auch nur während der 
Schlacht und nicht etwa den sich in einer Festung oder sonst 
scharenweise ergebenden Türken. Nachdem in Deutschland selbst 
1900 von allerhöchster Stelle aus gesagt wurde: „Und daß 
ihr's wißt: Gefangene werden nicht gemacht!'', also be- 
fohlen wurde, die sich ergebenden Chinesen zu töten, so kann man 
doch den Montenegrinern keinen Vorwurf daraus machen, wenn 
sie, von dem Grundsatz ausgehend: „Es gibt nur einen guten 
Türken, und das ist der tote!'', den sich während einer 
Schlacht ergebenden Türken den Kopf abschnitten. 

52. Zwistigkeiten mit Österreich. (1838.) 

Der Geldmangel hatte den Vladika 1832 veranlaßt, an Öster- 
reich einige Streifen Landes an der Grenze für 64 000 fl. zu ver- 



S96 Zwölfter Zeitraum. 

kaufen; und 1837 verkaufte er auch noch die Klöster Stanjeviö 
und Majna fiir 36000 fl. Denn zu jener Zeit war er mit meinem 
Vater noch nicht befreundet, und letzterer selbst besaß noch nicht 
die vielen Millionen , wie in späterer Zeit. Nun ist es allerdings 
an sich nicht zubilligen, wenn nationales Land verkauft wird, 
und noch weniger zu solchem Spottpreise, denn heute wäre selbst 
der zwanzigfache Betrag dafür noch billig. Aber man darf nicht 
vergessen, daß Petar II. die Hebung seines Landes für wichtiger 
hielt als die Grenzbezirke und er auf andere Weise nicht das 
nötige Geld beschaffen konnte. 

Das Volk natürlich verstand nichts von alledem und sah nur 
Landesverrat in dem Verkauf, besonders weil des Vladikas Feinde 
dies ausnutzten und hetzten. Infolgedessen kam es im August 
1838 gelegentlich der Neuabsteckung der Grenze zu Kämpfen 
zwischen Österreichern und Montenegrinern, über welche der bald 
danach an Ort und Stelle eintreffende Stieglitz nach öster- 
reichischen Quellen folgendes berichtete: 

„Als zufolge der vom Vladika geschehenen Zusicherungen am 
2. August 1838 auf dem Berge Trojica bei Gomila an der Hoch- 
ebene von PaStrovid eben zur Aufstellung eines trigonometrischen 
Zeichens Anstalt gemacht wurde, kamen mehrere Montenegriner 
heran, die Handlanger des Ingenieurs von ihrer Arbeit zu ver- 
scheuchen. Da diese sich aber nicht stören ließen, stiegen die 
Angreifer auf die Höhen, riefen andere ihrer Brüder herbei und 
fuhren so lange mit Steinhinabrollen fort, bis die unten Beschäf- 
tigten verjagt waren. Bald darauf erschien vom nächsten Wach- 
hause aus eine Patrouille, ein Unteroffizier mit sechs Mann, und 
da die Montenegriner auf selbe Feuer gaben, so wurde in gleicher 
Weise erwidert. Sogleich zeigten sich mehrere hundert Montene- 
griner auf den benachbarten Höhen. Nunmehr — es war 12 Uhr 
mittags — wurde vom Postenkommandanten die Alarmstange an- 
gezündet und so die ganze Vorpostenkette alarmiert; die Unter- 
stützungstruppen und Reserven rückten vor. Die immer dichter 
auf den Höhen sich sammelnden Montenegriner wendeten sich 
hauptsächlich gegen die steinerne Wachhütte (Eoisell) bei Gomila, 
die sie bereits zu stürmen Anstalt machten. Ohne durch ihr fort- 
gesetztes Steinhinabrollen sich irremachen zu lassen, besetzte Haupt- 



Zwistigkeiten mit Osterreich. 397 

mann Spanner, der aus dem mehrere Standen weit entfernten 
Budva eine Kompagnie des 8. Jäger-Bataillons herangeführt hatto, 
die zar Verteidigung des Xasells wichtigsten Höhepunkte. Als 
die Montenegriner sahen , daß sie gegen dasselbe nichts aus- 
zurichten vermochten y zogen sie sich mit wildem Geheul in die 
Gebirge zurück. 

jfAm 3. August sammelten sich auf den Höhen von Utrk, 
dem wichtigsten Grenzpaß Montenegros von dieser Seite, mehrere 
Tausende (?) aus dem benachbarten Bezirk Crmnica, bedrohten auf 
dem rechten Flügel das Dorf Novoselo, griffen den Posten von 
Vidrak an und suchten das dortige Kasell in Brand zu stecken. 
Ein Umstand — wie manche behaupten, Zufall — trug noch dazu 
bei, die Wut des Kampfes aufs höchste zu treiben. Es näherte 
sich dem Kasell ein Mann, gedeckt durch ein Weib, das Brenn- 
materialien zu höchst unzweifelhaftem Zwecke trug. Nun gehört 
es bei den Montenegrinern, den Albanesen und Dalmatinern zu 
den höchsten Greueb, daß ein Mann gegen ein Weib schieße, 
selbst wenn ein angreifender Feind sich seiner Sicherung wegen 
hinter ihr versteckt hielte. Von jeher gingen, selbst bei bestehen- 
der Blutrache zwischen Stämmen oder Familien, die Weiber beider 
Teile nach wie vor ungestört gegenseitig in die einander befehden- 
den Häuser und Ortschaften, und man sieht sie oftmals während 
der hitzigsten Gefechte in der Vorderreihe durch ihren eigenen 
Leib die Männer decken. — Einige wohlgezielte Schüsse streckten 
das Weib samt dem Manne nieder. Ein fürchterliches Geheul, 
der Stachel, womit sie selbst sich zum Angriff peitschen, folgte 
dem Fall der beiden, die Montenegriner sammelten sich in dichten 
Massen auf diesem Punkt und gaben, nachdem sie ihre Toten 
weggetragen hatten, ununterbrochen Feuer auf das Kasell. Ein 
Offizier, der zur Unterstützung herannahte, ward verwundet und 
mußte, von der Masse überwältigt, sich mit Verlust wieder zurück- 
ziehen. Die Montenegriner aber, mehrere tausend (?) an der Zahl, 
hielten unter fortwährendem Anrennen und Feuern den ganzen 
Tag über und die folgende Nacht hindurch jene niedrige, mit 
Schindeln gedeckte Wachhütte umzingelt. In dieser bedenklichen 
Lage, gänzlich abgeschnitten von aller Verbindung mit den übrigen 
Truppen, hielt die Besatzung des Kasells, bestehend aus einem 



S98 Zwölfter Zeitraom, 

Oberjäger und 26 Mann; aich standhaft gegen Tausende (?) ^) von 
Belagerern, bis endlich nach 48 Stunden Entsatz herannahte. Mittler- 
weile ward der linke, unter Hauptmann Spanner stehende Flügel 
der vorgehenden Kette von wütenden Haufen, die sich auf den 
Bergen über ihm gesammelt hatten und plötzlich auf ein gegebenes 
Zeichen herabstürzten, in der Front angegriffen, indeß ein anderer 
Schwärm in seiner rechten Flanke durchzubrechen suchte, um der 
von dem Oberkommandanten Oberstleutnant Roßbach persönlich 
befehligten Abteilung in den Rücken zu fallen und so womöglich 
die bei Novoselo im Gefecht Begriffenen zu unterstützen. Spanner 
aber, ihre Absicht erkennend, suchte jenen Sturm durch ruhige 
Haltung zu brechen und entsendete zugleich alles Verfügbare in 
seine rechte Flanke. Ab die Angreifenden ihren Plan vereitelt 
sahen, wendeten sie mit ihrer ganzen Erafl sich gegen die linke 
Flanke und suchten nicht allein durch fortgesetztes Gtewehrfeuer, 
sondern auch durch das fürchterlichste Steinrollen vom Trojica 
herab hier den Durchbruch zu erzwingen. AUein die Truppen, 
zwei Kompagnien Jäger, unterstützt durch einige hundert Paätro- 
vidaner, denen dieses heftig stürmende Angreifen von den Bergen 
herab nichts Ungewohntes war, wichen nicht von ihrer Stellung; 
und so zogen sich die Montenegriner nach mehrfach vergebens 
wiederholten Angriffen mit der einbrechenden Nacht in die Gebirge 
zurück. 

„Während dieses hitzigen Gefechtes bei Gomila rückte Oberst- 
leutnant Roßbach, ein Offizier von altem anerkanntem Verdienste, 
mit einer Jägerkompagnie, von den Montenegrinern unbemerkt, 
zur Unterstützung des rechten Flügels vorwärts, nahm die schon 
früher beorderte, aus Budva konmiende Linien-Infanterie-Kompagnie 
des Regiments Erzherzog Friedrich mit sich und fiemd bei seiner 
Ankunft bei Novoselo die kämpfende Jäger-Kompagnie von mehr 



1) Wie sehr man geneigt ist, die 2^hl der Montenegriner zu über- 
schätzen, zeigt folgender Fall: Als Kaiser Franz Josef 1874 in genau der- 
selben Gegend (bei Mirac) 800 zu seiner Begrüßung in Parade aufgestellte 
Montenegriner sah, sagte er zum Fürsten Nikola, er schätze deren Zahl auf 
4000. Und der Kaiser besitzt doch von den Paraden her im Abschätzen 
große Übung. Alles in Betracht gezogen, ist es nicht wahrscheinlich, daß 
1838 mehr als einige hundert Montenegriner beteiligt waren. S. G. 



Zwistigkeiten mit Österreich. 899 

als 2000 (?) Montenegrinern bis gegen die Höhen des Ortes zurück- 
gedrängt. Er beorderte die mitgebrachten Jäger zum Vorrücken 
gegen den hohen und steilen Berg Eopac, welcher als Schlüssel 
der Stellung des rechten Flügels anzusehen und von wenigstens 
1000 (?) Montenegrinern besetzt war. Ab die Jäger, in eine Kette 
aufgelöst vorwärts schreitend, die gehörige Annäherung gewonnen, 
ward alsbald das Zeichen zum Sturm gegeben und die Stellung 
mit dem Bajonett genommen. Interessant und in der Kriegs- 
geschichte vielleicht unerhört ist, daß dieser Sturm von kaum 
100 (?) Mann unternommen, daß er im ordinären Schritte, ja lang- 
samer, statt laufend, des Terrains wegen ausgef&hrt wurde, und 
zwar in aufgelöster Ordnung. — Die zurückgedrängten Montene- 
griner nahmen, rasch sich wieder sammelnd, eine zweite Aufstel- 
lung auf einer ungefähr 6 — 800 Schritt davon entfernten Berg- 
kuppe. Oberstleutnant Roßbach aber, weder selbst ruhend noch 
Ruhe gönnend, ließ sie durch eine halbe Kompagnie verfolgen und 
die zweite als Reserve nachrücken. Sie wurden abermals mit dem 
Bajonett angegri£fen und zurückgeworfen. Die Truppen blieben 
im Besitz einer sehr vorteilhaften Stellung; doch kostete der letzte 
Sturm mehr Tote und Verwundete als der frühere. So endete 
das Gefecht vom 3. August 

„Am 4. fielen nur unbedeutende Plänkeleien vor; der 5. ver- 
strich ohne alle Feindseligkeiten unter vorbereitenden Anordnungen. 
Von den am ersteren Tage unter Anflihrung des Majors Qol- 
finger zur Verstärkung anrückenden zwei Kompagnien vom Regi- 
ment Erzherzog Friedrich wurde die eine auf den rechten, die 
andere auf den linken Flügel entsendet; ebenso wurden die aus 
den Cattareser und Castelnuover Bezirken am 5. eintreffenden 
Bauern, gegen 1000 Mann, in zwei gleichen Hälften den beiden 
Flügeln zugeteilt. Für den 6 ward ein allgemeiner Angriff be- 
schlossen. 

„Mit Tagesanbruch rückte der rechte Flügel gegen das Kasell 
Vidrak vor. Die nächsten, den Monten^rinem gehörenden Hütten 
und Stallungen wurden niedergebrannt, ebenso die auf der Hoch- 
ebene von Paätroviö. Heulend und in scheinbarer Flucht rannten 
die Montenegriner über die vorlagemden Felsen hinweg ins Hoch- 
gebirge, kehrten aber, da mittlerweile auch aus den entfernteren 



400 Zwölfter Zeitraum. 

Bezirken mehrere Tausende (?) zur Unterstützung herangezogen 
waren, bald einzeln, bald in dichtgedrängten Haufen, zum Teil halb- 
nackt, mit tobendem Geschrei zurück und stürzten, springend über 
die schroffsten Felsenspitzen und immerwährend Massen lockeren 
Gesteins vor sich herrollend, niederwärts. Besonders den linken 
Flügel griffen sie mit größter Erbitterung an und drängten auch 
wirklich die vorgeschickten beiden Abteilungen, da die gestern 
erst zur Verstärkung eingetroffenen Bauern in wilder Verwirrung 
die Flucht ergriffen, in ihre frühere Aufstellung zurück. Als aber 
die Elauptabteilung von Gomila und die PaStrovidaner in ruhiger 
Haltung gegen sie heranrückten, prallten ihre erneuerten heftigen 
Angriffe ab, und sie zogen sich nach mehrstündigem hartnäckigem 
Kampfe in das Hochgebirge zurück, wahrscheinlich um dort sich 
für den anderen Tag zu neuem Angriffe zu sammeln. 

„Die Truppen zählten am 6. auf dem rechten Flügel vier 
Mann an Toten, einen Offizier und acht Mann an Verwundeten. 
Der linke Flügel zählte fünf Mann Tote, sieben Verwundete, unter 
letzteren zwei Offiziere. — Über den Verlust der Montenegriner 
läßt sich nichts Bestimmtes ermitteln, da sie ihre Gefallenen mit 
Gefahr des eigenen Lebens aufs wütendste verteidigen und auf 
alle Weise den Händen, ja selbst dem Anblick ihrer Feinde zu 
«ntreißen suchen. Immer aber bleibt es bei einem annähernden 
Überschlag merkwürdig, daß während dieser Tage, des von beiden 
Seiten oft so lange ununterbrochenen heftigen Feuers ungeachtet, 
die Zahl der Toten und Verwundeten so unverhältnismäßig gering 
war. Soll man dies der blinden Heftigkeit des Feuems, soll man 
^6 dem abschüssigen Standpunkt der Kämpfenden und dem ftir 
die regulären Truppen mindestens ungewohnten Zielen steilaufwärts 
zuschreiben, während ftir die Montenegriner mehr das erstere gelten 
würde? — Die diesseitig Beteiligten führen beide Gründe an, ver- 
wundem sich aber darum nicht minder über das auffallende Er- 
gebnis ^). 



1) Nach dieser, wie oben bemerkt, österreichiBchen Darstellung 
müfite man meinen, daß 100 reguläre Soldaten mit Leichtigkeit steile, von 
mehreren tausend Montenegrinern verteidigte Stellangen erstürmen könn- 
ten ! Wie es sich in Wirklichkeit verhält, zeigte sich 1869, als 30000 Öster- 
Teicher durch zwei Monate nicht imstande waren, mit — 600 Bocchesen 



Zwistigkeiteii mit den Türken. 401 

,fAm 7. Aogast erfolgte Waffenstillstand. Da von selten des 
Vladikas die schärfsten und gemessensten Befehle gegen Fort- 
setzung der Feindseligkeiten erlassen waren, so wagten die Mon- 
tenegriner für diesmal keinen weiteren Angriff| sondern gingen 
auseinander; jede Abteilung in ihre Nahija. Im ganzen mochten 
ihrer ungefähr 3 — 4000 (?) an dem Kampfe teilgenommen haben. — 
Auch die österreichischen Truppen kehrten in ihre früheren Auf- 
stellungen zurück." 

In einer zu Budva im November 1840 gehaltenen Versamm- 
lung erklärten die Montenegriner vor den russischen , türkischen 
und österreichischen Kommissaren, daß sie nicht eine Spanne Landes 
überlassen wollten. Die Kommission ging daher auseinander. Am 
14. Dezember 1840 traf der russische Hofrat Schaller in Kotor 
mit dem kaiserlichen General Baron Qerlici, dem russischen 
Kommissar Öefkin, dem Bezirkshauptmann von Kotor und dem 
Vladika zusammen, um die Grenzlinie bei PaStrovid, wo sich ein 
Stück montenegrinischen Gebiets tief ins Österreichische erstreckte^ 
zu bestimmen und eine Entschädigungssumme auszumitteln, die 
nach österreichischem Angebot in 500 000 fl. ^) C. M. bestand, was 
schließlich angenommen wurde. Denn in diesem Jahre herrschte in 
Montenegro eine bedeutende Hungersnot, und der Vladika Petar II. 
ließ im März 1840 Getreide im Werte von 40000 fl. C. M. teils 
gegen niedrige Preise verkaufen, teils gegen Verpfändung der 
Waffen verteilen. 

Im Jahre 1841 erhielt dann Vladika Petar II. das Großkreuz 
des russischen St. Anna- Ordens. 

53. Zwistigkeiten mit den Türken. 

Schon auf den Seiten 382—384 haben wir der ersten Kämpfe 
zwischen Türken und Montenegrinern Erwähnung getan. Der 
kleine Grenzkrieg dauerte während der ganzen Regierung Petars II. 



fertig zu werden, so daß sie im Frieden von Knezlac zum Nachgeben g^ 
zwangen waren! 

1) So And r id. Ich halte dies jedoch for einen Druckfehler statt 50000. 
Übrigens sollen es in Wirklichkeit nur 40000 — nach Duöid 36000 — 
Golden gewesen sein. S. G. 

Gopöevid, Montenegro und Albanien. 26 



40S Zwölfter Zeitnain. 

fort^ vemnacht durch gegenseitige EinfiÜle, oft auch dorcb Trea- 
bruch der Türken. Schon 1834 hatten die Türken den zwischen 
ihnen und dem Vladika bezüglich der 2upa von NikSd verein- 
barten Frieden gebrochen, indem aie| ab die arglosen 2upaner mit 
Weiden und Feldarbeit beschäftigt waren , plötzlich — möhrere 
tausend an der Zahl — einfielen, die Weiber und Kinder ermor- 
deten, Dörfer verbrannten und Vieh stahlen. Ab Antwort über- 
fielen die Montenegriner im Dezember 1834 die Festung Spuz 
und trugen von dort (so unglaublich es scheint !j eine 3) m lange 
Kanone fort, die dann vor dem Kloster in Cetinje angestellt 
wurde. Andere vier Kanonen trugen die Montenegriner bei der 
Eroberung von 2abljak fort, die ich auf S. 384 geschildert habe. 
Auch damals war eigentlich türkischer Treubruch die Veranlassung 
des Handstreichs. Nach geschlossenem Frieden waren nämlich die 
im Vertrauen darauf bei Podgorica Vieh weidenden Ku5i von 
den Türken überfallen und ihrer 15 getötet und mehrere tausend 
Schafe weggetrieben worden. 1838 überfielen die Montenegriner 
die Inseln Vranjina und Lesendra im §kodra-See, doch gingen 
sie 1843 wieder an die Türken verloren. 

Im Herbst 1834 hatte Ali Agä von Stolac den Bewohnern 
von Grahovo den Haraö abverlangt und war mit Truppen ge- 
kommen, als er kein Qehör fand. Die von anderen Monten^ri- 
nem unterstützten Bewohner schlugen unter ihrem Knez Jakov 
den Agä, doch kehrte dieser im Dezember mit Verstärkungen 
zurück, und die Montenegriner mußten vor der Übermacht weichen. 
Dann erhielten die Montenegriner Verstärkung und warfen die 
Türken hinaus, imd so zog sich der Krieg mit gegenseitigem 
Hinauswurf durch zwei Jahre fori Endlich 1838 riet Petar, den 
Türken Haraö zu zahlen, wenn dieser mäßig blieb, weil die Gra- 
hover dann wenigstens Ruhe hätten. Am 20. Oktober wurde also 
ein förmlicher Friede zwischen dem Vladika einerseits und den 
Bevollmächtigten der Vezire von Bosnien und der Hercegovina 
anderseits abgeschlossen, dessen merkwürdigen Wortlaut man bei 
Lenormant S. 387 findet. Eine Ergänzung dazu gibt Lenor- 
mant S. 388 in dem Vertrag vom 12./24. September 1842, ab- 
geschlossen in Bagusa zwischen dem Vladika und dem Vezir der 
Hercegovina, Ali Paää Rizvanbegoviö, unter Beiziehung der 



Zwisiigkeiten mit den Türken. 40S 

kaiserlichen Bevollmächtigten Baron Paul Karl Pochner^ k. k. 
Ereishauptmann von Ragusa, und Gavril Ivaöid, k. k. Ereis- 
hauptmann von Eotor, in welchem die Grenzen zwischen dem 
yy unabhängigen '^ Montenegro und der Hercegovina festgesetzt 
wurden. 

Aber auch in Albanien hörten die Kämpfe nicht auf; wie 
nachstehende Angaben zeigen, für die Andrid Gewährsmann ist, 
dessen Schilderungen der ELämpfe bis 1851 ich folge. 

Am 15. Juni 1839 wurde der Bedir Beg BuSatlija vom 
PaSi von §kodra, Hasan Paää; mit 6000 Albanesen, vier Ba- 
taillonen regulärer Infanterie und einigen Kanonen über Podgorica 
und Spu2 entsendet; um das Dorf Jastreb zu verbrennen. Durch 
das Aufgebot von Podgorica verstärkt; weilte er sieben Tage in SpuZ; 
während welcher Zeit er die Dörfer Martinid und Stijena täglich 
angreifen ließ; dann teilte er seine Truppen zum Hauptangriff. 
Hasin Agä Hota wurde mit 2000 Albanesen nach Jastreb ent- 
sendet. Die zweite (reguläre) Truppenabteilung wurde an einer 
Anhöhe am Bache Su§ica nebst der Artillerie aufgestellt. Die dritte 
Abteilung führte der Beg nach Kusid an. Die Angriffe auf Jastreb 
und Kusid erfolgten gleichzeitig. Die Einwohner leisteten aus einem 
Graben gegen die Übermacht des Feindes lebhaften Widerstand; 
und Hasan Agä wurde durch das rechtzeitige Eintreffen einer 
kleinen; aber entscheidenden Hilfe von 30 Mann Brajovidi zum 
Bückzuge veranlaßt. Hartnäckiger focht Bedir Bej Bu^atlija, 
Neffe des 1796 geschlagenen Vezirs Karä Mahmäd Bnäatlija, indem 
er seine Truppen fortwährend zum Sturm antrieb. Die Montene- 
griner erhielten jedoch 300 Mann Verstärkung aus Lakid; Zagarad 
und Curie und stürmten mit ihren HandSars auf den Feind loS; 
den sie bis zur Zeta zurückwarfen ; in deren Fluten 80 Türken 
den Tod £EUiden und wobei außerdem 50 Mann getötet wurden. 
Bedir Beg selbst; Dizdar Nasu Beg und Malid Öehaja; Anführer 
der Toskeu; wurden im dreistündigen Gefechte getötet Die Türken 
zogen sich nach Spu2 zurück; und die Montenegriner brachten 
reiche Beute nach Hause. Im selben Jahre verheerten die Mon- 
tenegriner weit und breit das Gebiet von Skodra; eine einzige 
ihrer Öete brachte von Hoti allein 600 Menschenköpfe mit; nebst 
einer Herde von 1000 Ochsen; weshalb die Hoti flehentlich um 

26* 



404 Zwölfter Zeitraum. 

Einverleibung ihrer Nahija mit Montenegro baten 
und zum Beweise ihrer Treue zwei Geisehi stellten; worauf sie in 
den Staatsverband aufgenommen wurden. 

Das Jahr 1840 brachte andere Unternehmungen. Schon im 
Februar begannen die Montenegriner ihre Einflüle in die benach- 
barten türkischen Provinzen. Der bedeutendste und glücklichste 
Ein£Edl war der auf NikSiö, bei welcher Gelegenheit die Mon- 
tenegriner mehr als 1000 Stück Vieh (der einzige Reichtum jener 
Gtegend) erbeuteten. In Podgorica entdeckte man eine Ver- 
schwörung ^ deren Absicht war, diese Feste den Montenegrinern 
ohne Schwertstreich zu überliefern. Die Losung war die allge- 
meine Schilderhebung der Christen, die man damals in Thessalien 
und Albanien erwartete. 

Im Frühjahr 1840 sandten die Bewohner von Podgorica und 
andere christliche Gemeinden Abordnungen an den Vladika mit 
der Bitte um Beteilung mit Pulver und Blei; und mit dem An- 
bieten eines Bündnisses gegen die Türken. Der Vladika entließ 
die Abgesandten mit günstigen Zusagen und beschenkte sie reich- 
lich. Er bereitete sich zu einem Kriegszug gegen Podgorica und 
Spu2; welch letzteres dazu durch Tötung zweier Montenegriner 
ohnehin Anlaß gab, und die albanesischen Stämme Hoti, Gruda 
und Elementi sagten ihre Mitwirkung zu. Die Einnahme von 
Podgorica und der Zeta- Ebene mit ihren fetten Triften wäre mit 
der Umgebung von SpuS für die Montenegriner von unschätz- 
barem Werte gewesen. Die Brdaner und die Eatunjaner wurden 
daher bestimmt, Podgorica anzugreifen, die Rijekaner und Crmni- 
caner zur Unterwerfung der Zeta-Ebene, wobei 1000 Crmnicaner das 
im Süden des Sutorman gelegene Dorf Tugjemile und Sestani an- 
greifen sollten. Die Türken rüsteten sich ihrerseits, versahen die 
Festungen Spu2, Podgorica und 2abljak mit dem Nötigen und be- 
fiihren den See von Skodra mit Kriegs&hrzeugen. 

Während dieser kriegerischen Rüstungen im Süden versuchte 
ein entfernter Verwandter des Vladikas, Prorokovid, wegen 
der Vorgänge im Norden mit dem Hasan Beg von Trebinje in 
Grahovo den Frieden zu vermitteln, was aber mißlang, worauf die 
Türken 150 Panduren nach Klo buk zur Besetzung dieses Ortes 
sandten, weil die Abgesandten Montenegros erklärten, daß sie jede 



Zwistigkeiten mit den Türken. 406 

Streifung unmöglich hintanzuhalten imstande seien. Wirklich fielen 
im Juli 1840 die Montenegriner über einige Dörfer her, verbrannten 
sie und kehrten nach beiderseitigem Verlust von 40 Mann in ihre 
Heimat mit reicher Beute heim, die eroberten Grundstücke unter 
sich teilend. Spu2 und Podgorica zitterten. 

Die Türken ihrerseits blieben auch nicht untätig und suchten 
sich im Süden von Montenegro an DodoSi zu rächen. Am 
9. September 1840 zog Hasan Agä mit 4000 Albanesen^ Mehemed 
Spahija mit 2000 Mann aus Zeta und der Eapetan Mehemed von 
Spu2 mit 1000 Türken aus. Vuk Ljeäevid aus Rvaä erhielt hier- 
von die erste Kunde und ging dem Feind sogleich nach DodoSi 
mit 130 Mann entgegen, zog 70 Mann von Dodoäi an sich und 
erwartete den Feind, dessen Gesamtmacht von 7000 Mann sich 
in aller Frühe in der Ebene von Salkovina entwickelte. Das 
Gefecht wurde von den Cekljinem zuerst eröffnet und die feind- 
liche Vorhut mit lebhaftem Feuer erwartet. Vuk LjeSevid machte 
einen Sturmangriff und warf den Feind bis Vrbi§ unterhalb Zabljak, 
wurde aber als erster getötet Die Türken rückten wieder vor 
und drängten mit ihrer Übermacht die Montenegriner unter dem 
Häuptling Mrdjen bis zu den Häusern von Salkovina zurück; 
doch blieben 26 Mann an dem einen bis in die Nähe von 2abljak 
sich ausdehnenden Ende des Dorfes ; verrammelten sich in einem 
Hause und leisteten den tapfersten Widerstand. Erst nachdem 
das Haus vom Feinde in Brand gesteckt war, stürmten sie 
nach erlittenem Verlust von fünf Toten und sechs Verwundeten 
hinaus in dem Augenblicke^ als die Hauptmacht der Montenegriner 
den Feind bis ^abljak zurückwarf; nachdem sie zuvor einen Sturm 
auf das Haus abgeschlagen und die Albanesen zimi Abzüge ge- 
zwungen hatten. Der Feind zählte 120 Tote und Verwundete, 
darunter den Spahija Lekid. Die Montenegriner hatten im ganzen 
sieben Tote und ungeiUhr zehn Verwundete. 

Die beabsichtigte Unternehmung des Vladikas wurde durch 
den ihr zuvorkommenden Einfall der Türken gelähmt. Die Be- 
wohner von Drobnjak in der Hercegovina hatten dem Ismail 
Agä Öengid von Gacko die Steuern verweigert, die er am 
30. September 1840 nach alter Erpressungsart mit 300 Beglei- 
tern einheben wollte. Es rotteten sich sogleich 3 — 400 Moraöaner, 



406 Zwölfter Zeitraum. 

Crnogorcen und UBkoken zusammen; sobald sie von dem An- 
langen des Öengiö Kunde erhielten^ vielleicht aus Sucht nach Beute, 
mehr aber aus Rache fUr eine vor zwei Jahren erlittene Schlappe 
(wobei ein Bruder des Vladikas geköpft worden war), und trafen 
bei Tagesanbruch in Drobnjak ein. Sie näherten sich im stillen 
dem türkischen Lager und schnitten den türkischen Pferden vorher 
alle Sehnen an den Füßen durch oder durchstachen die Pferde, 
fielen dann über die kaum aus dem Schlafe erwachten Türken 
her und hieben sie bis auf einen Buljäkbaää aus Niksi<S gänzlich 
nieder. Ismail Öengid nebst 25 Beamten war auch unter den Ge- 
töteten. Von seinen Begleitern kehrten nur 60 Mann heim, welche 
in anderen Ortschaften zerstreut lagen. Die abgeschnittenen Köpfe, 
ebenso Herz und Jatagan des Öengiö wurden dem Vladika nach 
Cetinje gesendet, der aber die blutigen Siegestrophäen nicht an- 
nahm, sondern nur den Jatagan, welchen er 1851 meinem Vater, 
und dieser wieder nebst 6000 fl. dem General Georg v. Strati- 
miroviö schenkte, welcher ihn seinerseits später für 500 fl. ver- 
kaufte. Vielmehr schrieb er den Türken, daß dieser Überfall ohne 
sein Vorwissen geschehen sei. Dennoch beteilte er die Tapfersten 
der Schar mit Geldgeschenken und Medaillen. 

Um jene Zeit erbeutete eine andere Öeta bei Ellobuk 400 
3tück Vieh. 

Den Verlust bei Drobnjak zu rächen, sammelten Ali Paäi, 
Vezir von Mostar, der Paäi von Fo2a, Hasan Beg von Trebinje 
und der Baä Agä von Nevesinje ein Heer von 10 — 15000 Mann 
und zogen am 8. Oktober 1840 von Mostar aus. In Gacko am 
13. Oktober eintreffend, ernannte Ali Psä& den Hasan Beg von 
Trebinje zum Anführer der Truppen und sandte ihn nach Piva. 
Der Vladika traf gar keine Anstalten zur Verteidigung. Der 
Bruder des Ismail Öengid, Rustän, wollte zu der Haupttruppe des 
Vezirs mit den Türken von Plevlje und Bjelopolje stoßen. Der 
Weg führte ihn aber bei den gefürchteten Uskoken der Moraöa 
vorbei, und diese erwarteten ihn am 28. Oktober 1840 bei dem 
Dorfe äaranci, zersprengten seine Scharen, töteten ihm 150 Mann 
und hieben 50 Köpfe ab. 

Die Einwohner von Drobnjak flüchteten sich in eine große 
Höhle. Am 31. Oktober 1840 ließ sie Hasan Beg durch 800 



Zwistigkeiten mit den Türken. 407 

Christen zur Unterwerfung auffordern. Die Antwort lautete ab- 
lehnend, denn die Bewohner von Drobnjak rechneten auf die ver- 
sprochene Hilfe der Moraöaner und gaben Feuer. Es mochten 
ihrer 600 gewesen sein. Sie nahmen günstige Stellungen hinter 
den Felsen ein, und nun begann der Kampf mit den herbei; 
geeilten Tosken und den Nizams, die der gewesene Vezir von 
Bosnien Ved2i Paää dem Vezir der Hercegovina früher schon 
zur Verfügung gestellt hatte. Der Kampf dauerte von 8 Uhr 
früh bis spät in die Nacht. Inzwischen griff eine Schar von 
NikSid; welche auf einem Seitenwege dahin gelangte, die Bewohner 
von Drobnjak im Rücken an und tötete ihnen viele Lieute. Eine 
andere Abteilung von 2000 Türken griff einen Turm in Drobnjak 
an, wo sich 20 Mann als Wache befanden. Diese kleine Schar, 
welche die zurückgelassenen Kostbarkeiten der Einwohner be- 
wachte, tötete bei 60 Türken, als sie aber keine Rettung sah, 
machte sie einen verzweifelten Ausfall und schlug sich gegen Abend 
mit dem Handzar in der Hand durch die in der Ebene stehende 
furchtbare Übermacht nach Verlust von sechs Toten glücklich 
durch. Im ganzen belief sich der Verlust der Christen von Drobnjak 
auf 40 Tote und 20 Verwundete. Die Türken, deren Reiterei und 
Fußvolk in der Ebene dem Feuer zu sehr ausgesetzt war, zählten 
an Toten und Verwundeten mehr als ^00 Mann. Gegen Abend 
langte Hasdn Bog selbst auf dem Schlachtfelde an, als schon die 
Mora£aner und Uskoken, welche an diesem bedeutenden Gefechte 
Anteil nahmen, sich zurückgezogen hatten. Die Türken teilten 
sich hierauf ebenfalls und gingen in ihre Heimat zurück. 

Aber schon am 3. November 1840 erblickte man wieder 
20 000 Türken in der Ebene von Drobnjak. Die Bewohner konnten 
nur eine kampffähige Schar von 800 Mann entgegenstellen. Sie 
riefen daher sogleich die benachbarten Montenegriner zur Hilfe, 
von denen 1100 Mann erschienen. Die Schlacht dauerte sechs 
Stunden. Diesmal waren die Türken Sieger. Sie verloren 450 
Mann, die Drobnjaci 270 und die Montenegriner 490. Alle Häuser 
wurden in Brand gesteckt und alles Vieh weggetrieben.. Der Vladika 
befand sich zurzeit eben in Eotor und eilte sogleich zurück. Der 
Vezir entließ seine Truppen allmählich nach Hause. Er verweilte 
einige Zeit in Gacko und begab sich von dort am 11. Dezember 



408 Zwölfter Zeitraum. 

nach MostaTi nachdem er von dem in NikSid mit 2000 Mann ver- 
bliebenen Hasan Beg den Entschluß der Bewohner von Drobnjak 
entgegengenommen hatte , sich der Steuerzahlung im friedlichen 
Wege zu fügen. Er unterhandelte mit den einberufenen Enezovi 
von Drobnjak, ^upa, Banjani usw. hinsichtlich des Friedens, wobei 
er vorzüglich in Erfahnmg zu bringen suchte, ob das Volk unter 
türkischer Herrschaft bleiben oder sich mit Montenegro vereinigen 
wolle. Die Knezovi wollten ein Übereinkommen treffen, nach Art 
der Grahovljaner eine Pauschalsumme zu zahlen, wogegen die 
Türken sich enthalten sollten, Drobnjak zu betreten. In der Folge 
ward ein eigener türkischer Kommissar nach Mostar entsendet, 
um diese Vorgänge zu untersuchen. Hasan Beg kehrte nach Tre- 
binje zurück. 

Die Grahovljaner sollten im Herbste 1841 die im vorigen 
Jahre verweigerte Steuer einbringen und den Türken übergeben. 
Da sie ihr Versprechen nicht erfüllten, sandte Ali PaSiRizvan- 
begovid am 1. Februar 1842 über Stolac und Trebinje 2000 
Mann, größtenteils zu Pferde, unter Anführung seines Seliktärs, 
welche die schlafenden Hirten von Grahovo, das ein neutrales Ge- 
biet bildete, überfielen. Sie töteten einen Hirten und sieben Mann 
von der Familie AndrijaSevid, trieben 8000 Stück Vieh nach Tre- 
binje und 6000 Stück nach Nikäiö. Die Türken verloren in dem 
Scharmützel drei Mann. Sie deckten ihren Rückzug durch 600 
Panduren und vereitelten die versuchte Verfolgung. Ghrahovo selbst 
wurde verschont, und es brannten nur einige Meierhöfe ab. Dafür 
vermißte man 40 Mann, welche nach Mostar abgeführt wurden. 
Nun bereiteten sich die Grahovljaner mit den Montenegrinern zum 
Kampfe vor. Sie sammelten im Monat Mai die Nikiidaner und 
versuchten das Kloster Kosirevo, welches in eine Kaserne ver« 
wandelt war, in die Luft zu sprengen, was ihnen auch zum Teil 
gelang. Die bei dieser Gelegenheit gefangenen Türken wurden in 
Cetmje geköpft Die Montenegriner fingen an, Grahovo mit Schanzen 
und Türmen zu befestigen. Petar Petrovid, Bruder des Vla- 
dikas, begab sich dahin, um den Kriegszug gegen die Türken zu 
leiten und den flüchtigen Bewohnern von Banjani und Klobuk, 
welches die Türken eingenommen hatten, Ansiedlungsplätze an- 
zuweisen. Der Feldzug gegen letztere Orte wurde gegen Ende 



Zwistigkeiten mit den Türken. 400 

Mai 1842 unternommen, wobei beide Teile einige Tote und Ver- 
wundete zählten. Doch war der Verlust der Montenegriner ge- 
ringer. Der Vezir von der Hercegovina verstärkte seine Kriegs- 
macht, vorzüglich die vorgeschobenen Panduren. Er nahm unter 
Fortsetzung der Feindseligkeiten im Juni 1841 einen Bimbasi 
mit 180 Albanesen in Sold und sammelte seine Truppen in Ban- 
jani, wo namentlich die Anführer Ba9 Agä Öengid, Miljavina, 
Had2i Ali Beg aus Stolac und Hasan Beg mit 5 — 6000 Mann ein- 
trafen. Es kam jedoch nicht zum Kampfe, denn der Vladika be- 
gab sich nach Orahovo und vermittelte mit dem Vezir der Her- 
cegovina einen fünfwöchigen Waffenstillstand bis zum 1. Oktober 
1842 zwischen letzterem und den Grahovljanem. Inzwischen fielen 
die Montenegriner in das Pa§alik von Skodra ein und eroberten 
im See von §kodra einen Kriegsdampferl (2. Seesieg.) 
Die Nachrichten, welche der Pa§ä von Skodra der Pforte mit- 
teilte, waren sehr beunruhigender Art, weshalb drei anatolische 
Regimenter, die nach Adrianopel zogen, nach Skodra umkehren 
mußten. In dieser Lage schloß der Vladika mit dem PaSä von 
Albanien einen Waffenstillstand auf ein Jahr ab, um wenigstens 
von dieser Seite gesichert zu bleiben. In Bezug auf den Zwist 
mit dem Vezir der Hercegovina wurde eine Kommission in Ra- 
gusa, bestehend aus einem österreichischen, einem russischen und 
einem türkischen Kommissar, aufgestellt, vor welcher der Vezir 
der Hercegovina mit 30 Mann Gefolge und der Vladika Petar II. 
mit sechs Knezovi zur Besprechung erschienen. 

Es wurde dabei der 15monatige Waffenstillstand, d. i. vom 
1. Oktober 1842 bis zum 1. Januar 1844, geschlossen, den Lenor- 
mant S. 388 im Wortlaut wiedergibt, wobei die alten Grenzen 
bis zur Fällung eines von der erwähnten Kommission zu fassen- 
den Beschlusses aufrechtzuerhalten waren. 

Der mit dem PaSä von Albanien geschlossene Waffenstill- 
stand wurde indes schon 1843 gebrochen, als die Türken sich der 
beiden montenegrinischen Inseln Lesendra und Vranjina bemäch- 
tigten, deren ferneren Besitz sie durch Befestigungen sich zu sichern 
bestrebten. Der Vladika machte unbegreiflicherweise gar keine An- 
stalten zur Wiedereroberung desselben und begnügte sich damit, im 
Jahre 1847 bei Vir eine Kula zu bauen. 



410 Zwölfter Zeitraum. 

Am 8. März 1844 zog eine kleine Schar von 100 Mann, 
aus dem Stamme Eomani und ZagaraS, unter Führung der Häupt- 
linge Ilija Ramovid und Novak Markoviö nach Eolovoz, zum Teil 
um den Tod des Eapetans Jakäa Bamoviö zu rächen. Sie erwar- 
teten daselbst in einem Hohlweg 40 türkische Reiter, welche über 
eine Brücke unter Führung des Hod2ä Husejn zu kommen hatten 
und die sich nach Skodra begeben wollten, um vom dortigen Paäi 
die Mithilfe von Albanesen behufs Einfalles in das montenegri- 
nische Gebiet anzusuchen. Von ihrem Vorhaben unterrichtet, kam 
die obige Schar ihnen zuvor, verfolgte sie bis Doljane, hieb 15 Mann 
nieder und machte 20 Gefangene, von denen den Christen die 
Freiheit geschenkt wurde; die Türken aber wurden bis auf einen 
Flüchtling niedergemacht. 

Die Hungersnot, welche im Jahre 1844 in Montenegro 
herrschte, bewog mehrere Familien, nach Serbien auszuwandern. 
Auch der Werbeantrag Rußlands, gegen Sold sich den Truppen 
gegen die Öerkessen anzuschließen, verleitete unter solchen Um- 
ständen Hunderte von Montenegrinern, von diesem Antrage Ge- 
brauch zu machen und ihr Vaterland auf immer zu verlassen, um 
den Fahnen des Caren zu folgen. 

Im Jahre 1845 ließ der russische Vizekonsul in Ragusa 
Gagid im Namen des Caren 20000 Rubel durch den Vladika 
unter die Armen von Montenegro verteilen. 

Im Februar 1846 entspannen sich mit den Montenegrinern 
neue Streitigkeiten der Albanesen. Der Paäi von Albanien ver- 
bot seinen Untertanen jeden Verkehr mit Montenegro und rüstete 
sich ernsthaft. Der russische Gesandte in Eonstantinopel, Titov, 
legte am 25. Februar die Beschwerden der Montenegriner vor und 
verlangte von Reäid Pasi Abhilfe, und dieser versprach, die 
Sachen mit Montenegro ins Reine zu bringen. 

Inzwischen suchte der Paää von Skodra, Osmän Mazär, 
im Oktober 1846 durch Bestechung der Stämme EuSi und Piperi, 
worauf er bereits 6000 Taler verwendet hatte, eine Partei in Mon- 
tenegro zu gründen, um mittels derselben das Land zu unter- 
werfen. Das Jahr 1847 erleichterte seine Absichten wegen der 
eingetretenen Hungersnot, welche der Vladika dadurch zu lin- 
dem suchte, daß er seinen Untertanen im Frühjahre eine bedeu- 



Zwistigkeiten mit den Türken. 411 

tende Geldsumme von seinem Vermögen gegen Rückerstattung in 
besseren Jahren vorstreckte, während auch mein Vater drei seiner 
Schiffe mit Getreide sandte, das er unentgeltlich verteilen ließ. In- 
folge Anstiftung durch Senator TodorMu§kin und dessen Bruder 
begab sich ein Stamm aus Piper! zum Paää und erhielt nicht nur 
Getreide, sondern auch Geld, Waffen und Pelze, unter der Be- 
dingung, seinen Befehlen zu gehorchen und im Falle der Not 
gegen Montenegro zu fechten. 

Elin Gleiches tat auch der Stamm Boljevidi in der Crmniöka 
Nahija auf Anstiften des Kapitäns Markiäa Plamenac. Nun 
sammelte letzterer im Juli 1847 12 000 Mann und ging damit 
nebst dem Paäd ron gkodra nach Crmnica, um auch die übrigen 
Bewohner für den Pasi zu gewinnen. Als der Senatsvizepräsi- 
dent Gjeorgje Petrovid, Stellvertreter des nach Wien verreisten 
Vladikas, von diesem Vorgange hörte, sammelte er 3 — 4000 Mann 
und erwartete die Türken und die mit ihnen vereinigten Ab- 
trünnigen bei Virpazar und lieferte ihnen ein Gefecht, in welchem 
er gleich anfangs von einer Kanonenkugel verwundet wurde. Die 
Montenegriner ergrimmten, stürmten nun vorwärts, hieben 80 
Gegner nieder und zersprengten den Feind. Nur 15 CrmniCaner 
schlössen sich in einen Turm ein, verteidigten sich daselbst hart- 
näckig und schössen den Montenegrinern 15 Mann tot. Nach 
langem Gefechte wurde die Kula eingenommen und verbrannt. 
Inzwischen kehrte der Vladika von Wien zurück und ließ im Ein- 
verständnisse mit dem Senate und den Häuptlingen, ja mit den 
Bewohnern von Piperi selbst, den Todor Muäkin und seine 
beiden Brüder erschießen. Die verführten Leute von Piperi und 
Crmnica liefen auf die Kunde hiervon zum Vladika, baten ihn 
um Verzeihung, die er ihnen auch angedeihen ließ, und lieferten 
freiwillig alle vom Pa§ä erhaltenen Gegenstände ab, die der Vla- 
dika verbrennen ließ. Marki§a Plamenac, welcher bei den 
Türken blieb, starb an den Folgen schwerer Wunden, die er in 
diesem Gefechte erhielt, und fühlte vor seinem Hinscheiden über 
das Begangene Reue. Er wünschte in Boljeviöi auf heimatlicher 
Erde begraben zu werden, was aber nicht geschah. Er wurde 
in Seoce auf damals türkischem Boden begraben. Seinen Tod zu 
rächen, fiel der Befehlshaber von Bar am 22. Oktober 1847 mit 



418 Zwölfter 2jeitraiiiii. 

23 Soldaten in das benachbarte Gebiet ein und tötete zwei Mon- 
tenegriner^ Vater und Sohn^ deren Köpfe er auf einer Stange nach 
Bar brachte. 

Am 25. Oktober &nd bei Malinsko an der äußersten Nord- 
grenze ein Gefecht zwischen den Uskoken von Moraöa und den 
Hercegovinem statt. Es zog nämlich der Vezir der Hercegovina 
mit 5000 Mann zu Pferde und 2000 zu Fuß gegen die Uskoken 
von Tuäina in der Moraöa und ließ 4000 Mann über Nikäitf vor- 
dringen. Sie wurden vom Derviä-Beg Öengid^ Hadä Meh von 
Stolac und Bedir-Beg MuSovid von Nikäid befehligt. Von Eolaäin 
führte Sali Agä Bungorovid, Muselim von PlevljOi Mujaza Muäovid, 
Muselim von EolaSin, und der Bimbaäi Puzid 3000 Mann, dann 
der Muselim von Drobnjak, Ali Agä Fezirovid, einige hundert 
Türken. Ihre Absicht war, daß, wenn das Heer von Nikäid auf 
Malinsko und Strug (zwei Uskokendörfer) von der Westseite 
dringen sollte^ die Abteilung von Kolaäin Sirovac in dem Augen- 
blick angreife, da deren Bewohner den ersteren zur Hilfe geeilt sein 
würden. So wären die Uskoken von zwei Seiten eingeengt und er- 
drückt worden. Ein gewisser Gilen, ein Jüngling von 16 Jahren 
und geborener Montenegriner, fühlte Mitleid mit seinen Brüdern 
und entwich um Mittemacht aus dem türkischen Lager, um sie 
vor der bevorstehenden Gefahr zu warnen. Die Uskoken sandten 
sogleich ihre Familien und das Vieh in die Gebirge von Moraöa, 
und 23 Mann entschlossen sich, den Feind in zwei hölzernen 
Cardaks (Wachhäusern) zu erwarten. Sie waren durch verschneite 
Gebirge von ihren Stammesgenossen so sehr getrennt, daß sie vor 
20 Stunden von keiner Seite Hilfe erhalten konnten. 

Am 25. Oktober vor Tagesanbruch rückte der Feind auf 
die bezeichnete Art vor und wurde kräftig empfangen. Er ver- 
suchte durch Heu- und Strohbünde die beiden Wachhäuser an- 
zuzünden, wurde aber auch hieran gehindert und zurückgeschlagen. 
Während des Gefechtes drang Began LopuSina mit 18 Gefährten 
von Strug vor, das furchtbare Feuer des Feindes nicht achtend. 
Die Türken glaubten, es rücke ein ganzes Heer gegen sie, und 
ergriffen die Flucht. Nun machten auch die Verteidiger der Wach- 
häuser einen Ausfall und verfolgten den fliehenden Feind. Drago 
Todorovid forderte sogar den Derviä Beg Öengid nach alter Helden- 



Zwistigkeiten mit den Türken. 41S 

Bitte zu einem Zweikampfe auf; den dieser jedoch nicht annahm. 
Nun verloren die Türken jede Hoffnung auf Sieg und flohen in 
wilder Flucht vor einer Handvoll Leute. Sie verloren 100 Mann 
teils Tote, teils Verwundete. Die Toten wurden von ihnen weg- 
geschleppt , damit ihnen die Köpfe nicht abgehauen würden , und 
so konnten die Uskoken nur zehn Köpfe abhauen. Die Uskoken 
erbeuteten 30 Pferde und viele Waffen und machten 40 Gtefangene, 
die aber, als sie sich für Christen ausgaben, entlassen wurden. 
Der Feind wurde bis Nikäiö verfolgt Bei der Rückkehr der Ver- 
folger fanden si^ einen verwundeten Christen aus Bilek, namens 
Nikola Dendid, welchen man in ein Wachhaus trug, um seine 
Wunden zu pflegen ; er starb jedoch nach drei Tagen. Der Vla- 
dika beschenkte den gutherzigen Montenegriner Mirko Aleksid 
dafür mit einem Pelz und besang den Vorfall. (Siehe S. 389.) 

Unter den Verwundeten war auf feindlicher Seite auch der 
Bedir Beg Muäoviö und der Derviä Beg Öengiö. Die Uskoken 
zählten unter den Verwundeten den Jakob Strelica und Drago 
Todorovid; dann drei Tote. 

Die Bewohner von Sirovac, das 2^ Stunden von Strug und 
Malinsko entfernt liegt und die einen Angriff der Türken be- 
sorgten, wollten nicht sogleich den Angegriffenen zu Hilfe eilen, son- 
dern zauderten zwei Stunden. Als sie sich gesichert glaubten, be- 
gaben sie sich dahin und fanden die Uskoken von der Verfolgung 
des Feindes schon rückgekehri In dieser Zwischenzeit überfielen 
aber die Türken von Kolaäin ihr Dorf, verbrannten 20 Hütten, 
hieben einen Greis von 80 Jahren nieder und wollten über die 
Ebene von Tusina nach Drobnjak gelangen. Dort erwartete 
sie jedoch Sekula Cerovid mit 15 Genossen, tötete ihnen drei und 
verwundete fünf Mann und zwang den Feind zum Rückzuge, ohne 
daß er von den mittlerweile zurückgekehrten Bewohnern von Sirovao 
erreicht werden konnte. Der Vladika belohnte ihn für seinen Hel- 
denmut. Diejenigen, welche im Wachhaus waren und den Türken 
die Köpfe abhieben, erhielten die goldene Miloä-Obilid- Medaille. 
Den Began Lopu§ina ernannte er zum Srdar der Uskoken. Dem 
jungen Gilen schenkte er einen Silberpanzer (Toke). 

Da drei der besten Helden: Poturak, Bajagid und §udur 
nicht zu Hause waren, um an diesem Gefechte teilzunehmen. 



414 Zwölfter Zeitraum. 

80 zogen sie, um das Niederbrennen der Hütten ihrer Gefähr- 
ten zu rächen; nach Rudinac, verbrannten über 100 Hütten und 
kehrten unverletzt nach Hause. So endete dieses merkwürdige 
Gefecht; das vom Vladika in einem eigenen Heldengedichte be- 
sungen wurde. (Siehe S. 389.) 

Am 14. November fand an der Grenze zwischen den Ein- 
wohnern von Piperi und Podgorica wieder ein Gefecht statt. Die 
Zahl der angreifenden Türken war 600; der Montenegriner 500. 
Letztere setzten schon den Abend zuvor über die Moraöa; nur 
30 Mann blieben zurück; weil das UberfahrbooY zu klein war 
und sie nicht alle fassen konnte. Die Türken drangen mit ganzer 
Macht vor; wurden aber zurückgeschlagen; wenngleich jene 30 Mann 
auf der anderen Seite des Flusses den Montenegrinern keine Hilfe 
leisten konnten. Letztere hatten einen Toten und fünf Verwundete, 
die Türken vier Tote und zehn Verwundete. 

Im November 1848 bot Montenegro dem damals 
bedrängten Österreich 10000 Mann zur Hilfe gegen 
die Magyaren an. Der Vladika sandte zwei Senatoren an den 
Ban von Kroatien; Freiherm von Jelaöid; mit der Anfrage; ob 
er für die Kroaten und Serben Hilfe benötige; was dieser ablehnte. 
Dagegen schenkte mein Vater dem gegen die Magyaren unter 
Stratimirovitf kämpfenden serbischen Heere seine ganze Ar- 
tillerie. 

Der Vladika rüstete sich 1849 zu einem Ein&lle nach Bosnien; 
das durch Sendlinge zur Waffenergreifung vorbereitet wurde. Eine 
Krankheit des Vladikas hinderte ihn jedoch, diesen Plan aus- 
zuführen. 

Am 27. Juli 1849 drangen die Hoti im Vereine mit den Be- 
wohnern von Podgorica und Spu2; im ganzen 3000 ManU; in die 
Nahija Kuöka; um sie der Herrschaft des Vladikas zu entreißen. 
Dieser sandte den Bewohnern von Kuöi nur Pulver und überließ 
ihnen die Sorge der Verteidigung. Sie stellten somit 700 Mann 
entgegen. In dem entstehenden Gefechte blieben die Brdaner 
unter Verlust von fiinf Toten und einigen Verwundeten Sieger. 
Die Türken hatten 60 Tote und Verwundete. Viele Gewehre 
und Handzars fielen in die Hände der Sieger. 

Am 16. November 1849 begab sich der Vladika nach Dal- 



ZwiBtigkeiten mit den Türken. 416 

matien, um einige Gemeinden, vorzüglich die orthodoxen Ein- 
wohner von Grbalj, welche die Steuerzahlung verweigerten, zu 
beruhigen. Diese Steuerverweigerung stutzten die Bocchesen 
auf die von den Venezianern am 15. Mai 1424 erhaltenen Vor- 
rechte, welche ja Österreich 1814 anerkannt hatte. Später be- 
ruhigte der k. k. General Mamula diese Einwohner vollkommen, 
ohne Truppen gebraucht zu haben. 

Am 9. April 1850 fielen die Montenegriner über die Be- 
wohner von Podgorica und Spu2 her. Die Albanesen zogen ihnen 
mit Nizäms entgegen. Das Gefecht dauerte drei Stunden. Der 
Feind verlor acht Tote und ebenso viele Verwundete. Die Monte- 
negriner hatten zwei Tote und einige Verwimdete. 

Am 16. September 1850 fielen 3 — 400 Montenegriner aus 
Jepa und Öevo unter Anführung des Druga und Hasan Eesanov 
Roganovid in das türkische Dorf Ubli, welches an der nach 
Zubci führenden Straße liegt, und trieben 20 Pferde, 40 Ochsen 
und 400 Stück Kleinvieh weg. Die Türken verfolgten sie bis 
Grahovo, aber die Montenegriner leisteten ihnen kräftigen Wider- 
stand und gelangten nach Verlust von vier Verwundeten glück- 
lich nach Hause. 

Ungeachtet dieser Streifzüge wurde in Montenegro der mit 
dem Pasi von Skodra geschlossene Vertrag veröffentlicht, wonach 
der freie Verkehr zwischen beiden Gebieten erlaubt sei und die 
Feindseligkeiten zwischen ihren Untertanen aufhören sollten. 

Schon im nächsten Frühjahre (20. März 1851) überfielen 
8000 Türken und Hoti unvermutet Fundina in der Nahija 
Euöka ohne Ursache. Es konnten ihnen nur 300 Mann entgegen- 
gestellt werden. Diese wehrten die angreifende Übermacht, welche 
40 Mann verlor, glücklich ab, ohne mehr als einen Toten zu 
verlieren. 

Petar H. hatte sich mittlerweile ein Lungenleiden zugezogen, 
von dem er seit 1849 durch Aufenthalt in milderem Klima Hei- 
lung suchte, was ihn namentlich nach Triest und Italien führte. 
Am 28. Oktober 1851 nahm sein Leiden derart zu, daß er sich 
abermals zur Abreise rüstete; bevor es jedoch dazu kam, ver- 
schied er am 31. Oktober (12. November) 1851 um 9 Uhr 
morgens. 



416 Zwölfter Zeitraum. 

54. Albanien von 1832 bis 1914. 

Nach der Entfernung der Buäatlija herrschte kurze Zeit in 
Skodra Ruhe ^). Die meisten aufrührerischen Bejs waren verbannt 
und die Bevölkerung eingeschüchtert. Dies dauerte aber nicht 
lange. Der neue Pa§ä Namik Ali, dem nur ein einziges Bataillon 
Nizäm zur Verfugung stand , hatte viel mit dem widerspenstigen 
Geiste der Skodraner zu kämpfen, und als er es angemessen fand, 
die Rädelsführer seine Gewalt fühlen zu lassen, hetzten diese das 
Volk zum Aufstand. Man bezweckte nichts anderes, als des Pasäs 
Absetzung zu erzwingen. 

Der Bazar wurde geschlossen, und es kam zu Reibereien 
zwischen Einwohnern und Truppen, wobei es beiderseits Tote und 
Verwundete gab. Aufgebracht hierüber, gri£Fen die Soldaten die 
Bevölkerung an und töteten mehrere christliche Kaufleute. Der 
Eulukd2i-baä{ Hamza Agä Eazasi drang mit 300 Zaptjäs in 
den Bazar und drohte diesen anzuzünden, wenn nicht jedermann 
heimkehre. Dies schüchterte alle ein, und Hamza Agä konnte 
sich im Bazar verschanzen. 

Am folgenden Morgen versammelten sich die Muhammedaner 
von Tabaki und Terzi, bildeten eine vorläufige Regierung, an 
deren Spitze zwei Buäatlija traten: Jusuf Bej und Ali Bej, und 
zwangen die Christen zum Anschluß. Dann errichteten sie ein 
Heer und eine Abteilung Euläks zur Aufrechthaltung der Ord- 
nung, besetzten alle Zugänge zur Stadt und zwangen hierdurch 
Namik Ali Pa§ä zum Rückzug in das Kastell, wohin er als 
Geiseln ein paar skodranische Häupter mit sich nahm. 

Einen Monat lang dauerte die gegenseitige Blockade, denn 
auch die Skodraner konnten ihren unter dem Kastell gelegenen 
Bazar nicht besuchen. Sie schrieben daher nach Stamb&l um Ab- 
setzung des Vali. Die Pforte gab nach und sandte einen Ab- 
geordneten nach §kodra, welcher die Ruhe herstellte, Namik Ali 
zur Einschiffung bewog und vorläufig die Regierung übernahm. 

1) Über die Verhandlongen zwischen dem montenegrinischen Sendling 
Vakotiö und HasiCn Nika yon Trabojna nnd den Kampf zwischen 
1500 Türken nnd 1000 Maljisoren, welcher mit der Vemichtang der ersteren 
endete, siehe mein „Fürstentum Albanien", S. 43. 



Albamen Ton 1832 bis 1914. 417 

Trotzdem hatte sich die Bevölkerong noch nicht ganz berohigt. 
Als daher Öerk^ Hafiz Pa§ä als neuer Vali anlangte und den 
Tanzimät einführen wollte, stieß er auf so heftigen Widerstand, 
daß er nach Stamb&l schrieb, ohne ausgiebige Unterstützung könne 
er nichts machen. 

Infolgedessen trafen bald darauf sieben Bataillone unter Da&t 
Paäil ein (1836). Elaum war dies geschehen, als auch Hafiz Paäi 
anders auftrat Er unterdrückte die eingeborenen Eul&ks und 
übergab die Bewachung des Bazars den Linientruppen, welche 
fortwährend auf und ab streifen mußten. 

Solch Beginnen machte die am meisten bloßgestellten Bejs 
argwöhnisch, und sie wagten nur noch in zahlreicher bewaff- 
neter Begleitung auszugehen. Hafiz Pa§i, davon vernehmend, ord- 
nete ihre Verhaftung um jeden Preis an. 

Als J&suf Bej, der BädekfÜhrer der vorigen Elmpörung, wieder 
mit etwa 20 Begleitern ausging, forderte ihn eine Wache zur Er- 
gebung auf. Statt zu gehorchen, gaben seine Begleiter Feuer, und 
Jüsuf Bej selbst schnitt dem Führer der Wache mit dem Jatagan 
den Kopf ab. 

Damit zum Empörer geworden, entrollte Jüsuf Bej offen das 
Banner des Aufstandes und suchte den PaSi im Kastell gefangen 
zu nehmen. Der Handstreich mißlang jedoch , und Jüsuf Bej 
flüchtete sich zu den Maljisoren. 

Der frühere Eulukd2i-ba§i Hamza Agä Eazasi war aus 
Verdruß über die Unterdrückung der Eul&ks auf selten der Ekn- 
pörer getreten und wurde nach Jusuf Bejs Flucht deren Haupt. 

Hafiz Paää beschloß deshalb, ihn unschädlich zu machen. 
Zwei Kompagnien Soldaten umzingelten in der Nacht Hamzas 
Haus, wurden jedoch mit heftigem Feuer begrüßt Der Lärm 
weckte die Empörer auf, welche bald zu Hilfe eilten, die Sol- 
daten angriffen und zum Rückzug zwangen, wobei diese be- 
trächtliche Verluste erlitten. Wütend über diese Schlappe, ließ 
der Vali den Bazar besetzen und befiEihl die Verhaftung jedes 
sich dorthin wagenden Muhammedaners; auf das hin gaben alle 
Muhammedaner ihre im Bazar aufgestapelten Waren preis und 
zogen sich in die Stadt zurück, um sich energisch zum Wider- 
stand zu rüsten. 

Gop2oYi6, Montenegro und Albanien. 27 



418 Zwölfter Zdtraam. 

Mittlerweile hatte Hamza Agi durch die öffentlichen Aus- 
rufer das Volk bearbeiten und zu den Waffen rufen lassen. Dann 
setzte er eine vorläufige Regierung ein, bestehend aus seiner eigenen 
Person und Hus^jn Bej Buäatlija. Letzterer hatte die Ver- 
waltung; er selbst die militärische Leitung zu besorgen. 

Abends stand bereits die ganze Stadt unter Waffen, denn die 
Christen hatten sich, aus Furcht, ihre Wohnungen verbrannt zu 
sehen, ebenfalls dem Aufstand angeschlossen. Zudem kamen noch 
3000 Maljisoren zu Hilfe. Der Paää, seinerseits ließ auf dem Tep4 
Batterien errichten und die Zugänge zum Lager verschanzen. 

Am folgenden Morgen begannen sämtliche Geschütze des 
Kastells und der Batterien die Stadt zu beschießen, um die Be- 
wegung der drei Bataillone zu verbergen, welche die Hauptstraße 
erstürmen sollten. Hafiz wollte dadurch die Christen von den 
Muhammedanem trennen und auf seine Seite ziehen. Die Truppen 
stießen jedoch überall auf von Maljisoren verteidigte Barrikaden 
und mußten sich mit großen Verlusten zurückziehen. Die Be- 
geisterung des Volkes benutzend, setzte Hamza Agi mit einem 
Teile der Empörer über die Bojana, ließ gleich Cort^z seine Schiffe 
davonschwimmen, um den Albanesen die Rückkehr unmöglich zu 
machen, und erstürmte die türkischen Batterien bei Eläsina. Dann 
entsandte er 1600 Albanesen nach Ljeä, um jedem Entsatzversuch 
entgegenzutreten. 

Von allen Seiten eingeschlossen, in allen Angriffen unglück- 
lich, sah sich Hailz Pasä zur Untätigkeit verdammt. 

Sechs Monate lang dauerte dieser Krieg unter fortwährender 
Beschießung der Stadt, die angeblich die Hälfte der Bevölkerung 
weggerafft haben soll. 

Jetzt nahte uch der Vali von Rumili, Mahmlid Paää To- 
ra ta, mit 20000 Mann zum Entsatz. Allein sein Vortrab, aus 
3000 Tosken bestehend, wurde beim Überschreiten des Drin un- 
weit Ljeä geschlagen, und so hielt er es für rätlicher, zu Unter- 
handlungen zu greifen, welche um den Preis der Abberufung 
Hafiz Paääs zum Ziele führten. 

Da eine Verzeihung versprochen wurde, ergaben sich die 
Empörer dem Pa^, welcher Hafiz Paää durch Bajräm Bej er- 
setzte und nur vier Offiziere in die Verbannimg schickte, die in den 



Albanien von 1832 bis 1914. 419 

letzten Tagen zwischen Militär und Bevölkerung Waffenstillstand 
yermittelt hatten. 

Nach Bajram Bej wurde Hasan PaSä Vali. Er wollte 1839 
die Montenegriner bekriegen und sandte daher den Bedir Bej 
Buäatlija mit 10800 Mann und sechs Kanonen nach Spu2; wo 
es zu den bereits auf S. 403 geschilderten Treffen .bei Jastreb 
und Eusid kam. 

Die Montenegriner überschwemmten infolge dieses Sieges Nord- 
albanien mit ihren Öete (Streif banden) und brachten allein aus 
Hoti 1000 Ochsen und 600 Köpfe mit, so daß die Hoti um Gbade 
baten; Qeiseln stellten und ihren Anschluß an Montenegro er- 
klärten. Auch Gruda und Elementi versprachen, hierdurch ein- 
geschüchtert; die Montenegriner bei einem Angriffe auf Podgorica 
zu unterstützen. 

Am 9. September 1840 zogen abermals 7000 Türken gegen 
Montenegro ; um durch einen gemeinsamen Angriff dem Vladika 
zuvorzukommen. Das Ergebnis habe ich bereits auf S. 405 mit- 
geteilt. Ebenso den zweiten Seesieg ^) der Montenegriner , als sie 
einen türkischen Ejiegsdampfer eroberten und sich damit der 
Inseln Lesendra und Vränjina bemächtigten. Der neue Vali von 
Skodra, Osmän Mazar Paää (ein Bosnier); eroberte diese jedoch 
1843 wieder zurück, und eine später versuchte Landung der Mon- 
tenegriner wurde vereitelt 

Inzwischen war es aber in Albanien auch nicht ruhig ge- 
blieben. Schon 1842 kam es in Skodra wegen des Jesuiten- 
seminars zum Aufstand y und obwohl dieser bald beruhigt wurde, 
blieb doch eine gewisse Aufregung zurück, welche sich den an- 
deren Albanesen mitteilte und im Jahre 1843 zu gräßlichen Aus- 
schreitungen gegen die Christen führte. Omör Pa§ä mußte herbei- 



1) Ab. dritten und vierten kann man die Kämpfe der Batterie Yolu- 
jica mit der türkischen Flotte im Winter 1877/78 betrachten; als fünften 
und sechsten die Vernichtung iweier türkischer Kriegsdampfer im Skodra-See 
zur selben Zeit; als siebenten die Verbrennung zweier Transportschiflfe vor 
Dulcigno 1878. (Siehe meinen dreibändigen „Turko-montenegrinischen 
Krieg 1876 bis 1878".) Als achten endlich die Zarückschlagong des tür- 
kischen Panzerdeckkreozers „Hamidj^" vor Medoa 1913, worüber in meinem 
„Fürstentum Albanien*', S. 849, Näheres zu finden ist. 

27* 



42* Zwölfter Zeümam. 

gerufen werden. E2r schlag die Albaneaen bei Kaplan Han, nahm 
Skoplje, erfocht bei Titovo (Kalkandele) einen zweiten Sieg und 
erstürmte Priätma, wodurch Albanien beruhigt war (1844). 

Den Blutbädern und Schandtaten der Türken in Albanien 
(1846) folgte im nächsten Jahre ein neuer Aufttand Unter- 
albaniens, welcher durch die Schlachten von Arjirökastro und 
Bärat niedergeworfen wurde. Über die Fehde von 1849 zwischen 
den Hoti und den Trjepäi siehe S. 62 meines „Fürstentum 
Albanien''. 

Mit Montenegro gab es fortwährend Plänkeleien. Um die 
Erzählung nicht zu unterbrechen, will ich hier gleich die weiteren 
bemerkenswerten Ereignisse in Albanien mitteilen. 

Im Jahre 1854 kam es abermals zwischen dem Vali und der 
Bevölkerung zum Kampfe, und der Sejh Öamil belagerte Ali 
Paäi im KastelL Durch den französischen Konsul wurde jedoch 
wieder Friede hergestelli Im nächsten Jahre brach neuerdings 
wegen des katholischen Seminars ein Aufstand aus, bis endlich 
1856 nach Beendigung des Krimkrieges Mustafa Paää mit 
10000 Mann erschien und dadurch solchen Schrecken verbreitete, 
daß der Stolz und Trotz der Skodraner gebrochen wurde. 

Er hätte diese Gelegenheit benutzen können, um die Bevölke- 
rung zu entwafinen und endlich einmal den Albanesen die Aus- 
nahmestellung zu nehmen, die sie bis dahin zum Nachteil der 
anderen türkischen Untertanen behauptet hatten. Statt dessen be- 
gnügte er sich mit der Verhaftung von sechs Rädelsführern und 
verhielt sich durch 18 Monate so untätig, daß die Ökodraner 
wieder den Kopf zu heben begannen. Er ließ sich das vom Auf- 
wiegler Had2i Muftär geleitete fiinatische MedJSlis über d^ Kopf 
wachsen, sah ruhig die Mörder seiner Zaptjös in den Straßen lust- 
wandeln und verließ endlich 1857 das Land^ Abdi Paää, General- 
stabschef des rumelischen Armeekorps, wurde sein Nachfolger. 

Dann herrschte bis 1872 Ruhe, und das Blutbad, welches 
Mehemed Ali in diesem Jahre anrichtete, trug nur dazu bei, 
die Albanesen einzuschüchtern. 

1875 kamen fünf Führer der Hoti nach Cetinje, um mit dem 
Fürsten wegen Erhebung zu unterhandeln, wobei sie Gbld und 
Waffen verlangten. Ich riet damals dem Fürsten, ihrem Wunsch 



Albanien Ton 1832 bu 1914. 4SI 

zu entsprechoDy aber er ffirchtete, sie könnten ihn nur prellen und 
dann die G^eachenke gegen Montenegro verwenden. Infolgedessen 
fochten die Maljisoren 1876 bis 1878 auf selten der Türken, in 
deren Niederlagen sie verwickelt worden and wobei sie sehr 
große Verluste erlitten. 

Die Mirediten wären damals gerne bereit gewesen, mit 
den Montenegrinern zu gehen, wenn sie nicht geßlrchtet hätten, 
das Leben ihres f^ürsten Prenk Bib Doda zu gefthrden. Die 
diesbezüglichen Verhandlungen und Ereignisse habe ich in meinem 
„Oberalbanien'' S. 553 — 557 geschildert. Ebenso die Ereignisse 
von 1880 bis 1881 auf S. 85—201, sowie in meinem „Fürsten- 
tum Albanien'' S. 15 — 33. Die Lage war damals für Albanien 
so günstig, daß es mir mit leichter Mühe gelungen wäre, seine 
Unabhängigkeit zu begründen und gegen die Pforte zu behaupten, 
wenn dies nicht durch italienische Bänke verhindert worden wäre. 
Da ich nicht so töricht gewesen wäre, die Tosken einzubeziehen, 
also die Unabhängigkeit auf Oberalbanien beschränkt hätte, 
das damals alle Beligionen und Stämme so ziemlich einträchtig 
zeigte (wie sich ja schon aus der Zusammensetzung der Liga- 
Kommission ei^ibt), so hätte ich nicht jene Schwierigkeiten gehabt, 
denen heute das von der Diplomatie aus G^egen und Tosken zu- 
sammengeschweißte Fürstentum begegnet und die es nicht lebens- 
fähig machen. 

Als dann die alte Türkenmißwirtschaft wieder eingef&hrt 
wurde, stieg die Unzufriedenheit unter den katholischen Berg- 
stämmen immer höher, äußerte sich 1903/04, 1909 und 1910/11 
in Aufständen, welche massenhafte Flucht nach Montenegro und 
1912 den Anschluß der Maljisoren an dieses König- 
reich zur Folge hatten, während auch die Mirediten gegen ihre 
Vereinigung mit Serbien keine Verwahrung einlegten. Hätte sich 
nicht die österreichische Diplomatie von der italienischen am 
Gängelband leiten und zu den Torheiten verleiten lassen, die wir 
in jüngster Zeit schaudernd miterlebt haben, so wäre wahrschein- 
lich Nordalbanien unter montenegrinischer, Mittelalbanien unter 
serbischer und Unteralbanien unter griechischer Herrschaft ruhig 
geblieben, und ftbr den europäischen Frieden bestände nicht die 
geringste Gefahr. Denn daß die Oberalbanesen mit der montene- 



422 Zwölfter ZdtiaiiiiL 

griniflch'Berbischen Hemchaft zufrieden gewesen wären, ersieht 
man ans den Berichten des ungarischen Berichterstatters Tomics 
nnd anderen Tatsachen, welche ich aof S. 344 — 355 meines 
,,Fürstentum Albanien'^ ausführlich erzählt habe. Was aber 
Unteralbanien betrifil, so zeigt die Haltung der Tosken deut- 
lich, daß sie Vereinigung mit Qriechenland wünschen. Letzteres 
hat ohnehin schon 'Z« Millionen Tosken, die alle gut griechisch 
gesinnt sind! 



Dreizehnter Zeitraum. 

Montenegro ein weltliches Fttrstentam nnter dem 

Fürsten Danilo. 



SS. Wie Danilo weltlicher Fürst wurde. 

Als Petar 11. im Sterben lag and seine letztwilligen Anord- 
nungen traf; ermahnte er die Montenegriner zur Eintracht und 
legte ihnen namentlich ans Herz, mit Österreich gute Bezie- 
hungen zu unterhalten, weil ja doch die Bocchesen ihre Brüder 
seien imd es deshalb der größte Unsinn wäre, diese durch die 
zeitweiligen Überfälle, die doch nur tadelnswerte Raubzüge seien, 
zu erbittern. Ebenso verlangte er, man solle seine letztwilligen 
Verfügungen genau befolgen, und sprach im vorhinein seinen 
Fluch über diejenigen aus, die das nicht tun würden. Er äußerte 
auch den Wunsch, daß sein Neffe Danilo, den er zur Ausbildung 
nach St Petersburg und Wien geschickt hatte, sein Nachfolger 
würde. Bis dahin solle sein eigener Bruder, der Senatspräsident 
Pero, die Regierung führen. 

Die Montenegriner, unter dem frischen Eindruck des harten 
Schlages, der sie durch den unerwarteten Tod ihres Vladikas ge- 
troffen hatte, leisteten dem Senatspräsidenten Pero Petrovid 
den Eid des Qehorsams, selbst Gjorgje Petrovid, der sich 
selbst Hofinung auf die Nachfolge gemacht hatte. Pero versprach, 
sich dem Wohle des Landes zu widmen, ermahnte zur Eintracht 
und zur Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu den Nachbar- 
staaten, namentlich Österreich, und bedrohte jeden mit dem Tode, 
der österreichisches Qebiet verletzen oder die öffentliche Ruhe 
stören sollte. 

Der russische Konsul Qagid und der Attachd der russischen 



4S4 Dreizehnter Zeitraum. 

Botschaft in Wien, Merfiinskij (letzterer ein persönlicher Freund 
meines Vaters); begaben sich anfiings Dezember 1851 nach Cetinje, 
wo MerSinskij privatim seine Ansicht aussprach, daß die Montene- 
griner am besten täten, meinen Vater zum Fürsten zu wählen, 
weil er mit seinen 12 Millionen Gulden mehr als irgendein anderer 
imstande wäre, das Land zu heben. Zudem sei er als ein überaus 
tatkräftiger Mann von heldenmütiger Kühnheit und feuriger Vater- 
landsliebe bekannt, stamme von alten serbischen Herrschern ab 
(das Nähere darüber war damals noch nicht bekannt, doch war 
diese Abstammung Familienüberlieferung) und stehe nicht nur mit 
Rußland auf dem besten Fuß, weil er mit dem Caren persönlich 
bekannt sei, der ihn ja auch mit dem Anna-Orden und der großen 
goldenen Vexdienstmedaille ausgezeichnet habe, sondern auch mit 
Österreich. (Damals bestanden nämlich die herzlichsten Bezie- 
hungen zwischen Rußland und Österreich, weil der Car Nikolaj L 
den jungen Kaiser Franz Josef wie einen Sohn liebte, wes- 
halb er denn auch in einer, in der Qeschichte beispiellos da- 
stehenden selbstlosen Weise zwei Jahre zuvor dessen Thron ge- 
rettet hatte.) Denn da mein Vater 1849, als die vereinigte ita- 
lienische Flotte Triest blockierte, der österreichischen Regierung, 
die damals nur noch über 10 Schiffe mit 220 Kanonen verftkgte, 
von seinen eigenen 26 Schiffen deren 17 mit zusammen 280 Ka- 
nonen anbot ^) (wofür er auch später mit dem Franz-Josefe-Orden 
ausgezeichnet wurde), dürfe man annehmen, daß die öster- 
reichische Regierung gleichfalls seine Wahl zum Fürsten gerne 
sehen würde. 

Den Montenegrinern leuchtete dies ein und es bildete sich 
eine große Partei, welche unter Führung des Milo Martinovid 
meinem Vater die Krone anbot, versichernd, daß auch die wenigen 
Anhänger Peres, Qjorgjes und Danilos keine Einsprache 
erheben würden, weil doch keine ftu: das Wohl Montenegros zweck- 
mäßigere Persönlichkeit gefunden werden könnte, und das theo- 
kratische System sich überhaupt überlebt habe. 



1) Siehe das Kapitel „Das Projekt Gopöeriö'' (S. 334—349) in der 
vom k. k. Kriegsministeriom herausgegebenen „Geschichte der k. k. Kriegs- 
marine in den Jahren 1848 bis 1849^'. 



■^^ 



X* 



Wie Danilo weltlicher Fürst wurde. 426 

Nun war aber mein Vater damals erst seit einem Jahre ver- 
heiratet und seine Frau — eine Wienerin — natürlich voll der 
fürchterlichen Ansichten über das barbarische Montenegro ; wie 
sie damals in Wien herrschten. Sie entsetzte sich vor dem Ge- 
danken^ in ein solches ,, Räuberland '^ zu gehen und meinte, es sei 
doch schöner ; ,, Königin '^ in Triest als Fürstin in Montenegro zu 
sein. (Womit sie ja schließlich nicht so unrecht hatta) Und da 
mein Vater als junger und natürlich in seine blendend schöne 
Gattin verliebter Ehemann nachgiebig war, schlug er den ange- 
botenen Thron aus und ermahnte die Montenegriner, dem Wunsch 
des verstorbenen Vladikas gemäß, lieber den jungen Danilo an- 
zuerkennen. Zu diesem Entschlüsse bewog ihn auch der Umstand, 
daß Danilo in seinem Hause seine Base Darinka Kvekvid 
kennen gelernt hatte, in die er sich so verliebte, daß er davon 
sprach sie zu heiraten, folglich nicht Vladika zu werden, sondern 
dann als weltlicher Fürst zu regieren. 

So wurde also alles zur allgemeinen Zufriedenheit geordnet: 
Danilo verzichtete auf den geistlichen Stand, heiratete meine Base 
Darinka und erklärte sich selbst zum weltlichen Fürsten mit 
dem Titel „Fürst und Gebieter des freien Montenegro und der 
Brda". 

Aber Pero Petrovid, der zeitweilige Regent Montenegros, 
war mit dieser Wendung der Dinge nicht einverstanden. Ihm 
war nämlich mittlerweile ein Sohn geboren worden und er fand, 
wenn schon mein Vater nicht Fürst sein wolle, so verdiene er selbst 
den Thron doch eher als der junge, noch unerprobte Danilo. Des- 
halb ließ er sich zum Fürsten ausrufen. 

Als dies Danilo, der sich eben in Rußland befand, erfuhr, 
eilte er sofort nach Cetinje zurück und bezog den Palast des Vla- 
dikas. (Juli 1852.) Dann rief er das Volk zusammen und es 
bildeten sich zwei Parteien: eine för ihn, die andere für Pero. 
Danilo zog seinen Oheim in die Mitte des Volkes und fragte ihn, 
mit welchem Rechte er sich die Fürstenwürde angemaßt habe. 
Der Vladika Petar II. selbst habe ihn zu seinem Nachfolger 
gewünscht, mein Vater ebenfalls den Wunsch ausgesprochen, daß 
man dem Willen des verstorbenen Vladikas Folge leiste und zudem 
ihm in Triest ausdrücklich erklärt, daß er, nach wie vor, mit 



426 Dreizehnter Zeitraam. 

seinem Reichtum Montenegro onterstütssen werde, wenn Danilo 
Ptirflt würde. 

Diese Aussicht und die Erinnerung, daß ja die Montenegriner 
beim Tode des Vladikas diesem Gehorsam gelobt hatten, machten 
die Wagschale zugunsten Danilos sinken. Und als er zudem 
mit den kühnen Worten schloß : „Ich werde eure Treulosigkeit zu 
bestrafen, eure Empörung zu unterdrücken wissen !'', machte dies 
auf die Montenegriner solchen Eindruck, daß sie glaubten, in dem 
24jährigen Danilo einen Fürsten ganz nach ihrem Geschmack 
gefunden zu haben. Pero war selbst der erste, der Danilo als 
Fürsten huldigte, und die übrigen folgten nach. 

Die Wahl Danilos zum Fürsten war eine überaus glück- 
liche, denn er setzte das von seinen beiden Vorgängern begonnene 
Werk der Zivilisierung Montenegros wirksam fort, wobei ihm die 
Geldunterstützungen meines Vaters wesentlich Vorschub leisteten. 
Über seine Wirksamkeit als Regent äußert sich Du£i6 1874 fol- 
gendermaßen : 

„Das erste Verdienst Danilos war die Verbrüderung mit den 
Hercegovinem, welche sich 1851 gegen die Pforte erhoben hatten 
und von Om^r Pasä zum Gehorsam gezwungen waren. Dies 
hatte für die Zukunft die günstigsten Folgen. (Wie sich 1875—78 
zeigte.) Seine heimliche Unterstützung der Hercegoviner wurde 
auch von Frankreich und Rußland begünstigt, wodurch die Frage 
der von der Pforte bestrittenen Unabhängigkeit Montenegros flüssig 
wurde. Das führte zur Grenzfestsetzung nach dem Krimkrieg. 

„Fürst Danilo machte der Selbstherrlichkeit der Glavari end* 
gültig ein Ende. Die Knezovi machten den Kapetani Platz, 
welche einfache Bezirkshauptleute waren, die der Fürst ernannte 
und absetzte. Und das Heer teilte er in Abteilungen, die von 
Vojyode, Srdari (später Eomandiri und Donji Eomandiri), Kapetani, 
Stotinaäi, Barjaktari und Deseöari befehligt wurden. 

„Dann ordnete er eine Landvermessung und Viehzählung an, 
als Grundlage für die Besteuerung, die allerdings für das arme 
Montenegro ziemlich hoch ausfiel. Aber der Fürst war ein großer 
Geist und hatte wunderbare Gaben und Eigenschaften. Mit seiner 
ungewöhnlichen Kühnheit und unermüdlichen Tätigkeit, seinen 
Bemühungen um die Grenzerweiterung und Unabhängigkeits- 



Der Krieg gegen die Türken von 1852 bis 1853. 487 

anerkennuDg durch die Pforte , durch seinen festen Charakter 
und seine Bereitwilligkeit; seinen personlichen Nutzen dem Wohl 
des Vaterlandes unterzuordnen ^ hat er ein ewiges schönes An- 
denken im serbischen Volke und in der serbischen Geschichte 
hinterlassen. 

y,Daß aber so viele Roheiten in Montenegro unterdrückt 
wurden und bessere Tage für die Menschlichkeit und guten 
Sitten in Montenegro anbrachen ^ dies ist das Verdienst der 
Fürstin Darinka^ welche als gebildete Serbin entschiedenen Ein- 
fluß auf den Fürsten hatte und deren sich deshalb die Montene- 
griner noch mit großer Dankbarkeit erinnen)/' 

56. Der Krieg gegen die Türken von 1852 bis 1853. 

Gleich zu Beginn seiner Regieruug hatte Danilo mit den 
Türken einen Strauß auszufechten. 

Am 26. Oktober 1851 war der Amautenfdhrer Gjulek aus 
Niksid mit 200 Albanesen, die er sich zur Verstärkung aus Mostar 
geholt hatte, von einer montenegrinischen Öeta bei Qacko über- 
fallen und nebst 25 Albanesen getötet worden , während sich der 
Rest zerstreute. Dies gab dem Sultan Abd-ul-Medzid Anlaß, 
Om^r PaSä (einem kroatischen Abtrünnigen namens Mihail Latas) 
zu befehlen, er solle gegen Montenegro ein Heer zusammenziehen. 
Es verging aber ein Jahr, bis dies geschehen war, weil Omar Pasä 
den Erfolg seiner eingeleiteten Ränke abwarten wollte. Bekannt- 
lich ist es nämlich eine Eigenschaft aller Abtrünnigen, daß sie 
sich bemühen, ihre früheren Stammes- oder ReUgionsgenossen oder 
Parteifreunde mit größerem Hasse und grimmigerer Wut zu ver- 
folgen, als diejenigen, zu denen sie aus selbstsüchtigen Qründen 
übergelaufen sind. Vermutlich tun sie es deshalb, um nur ja keinen 
Verdacht an der Aufrichtigkeit ihrer neuen Gesinnung aufkommen 
zu lassen. So war denn auch Omar Paää türkischer als ein Os- 
mane und verfolgte namentlich mit glühendem Haß seine eigenen 
serbokroatischen Landsleute und überhaupt alle Christen. Deshalb 
wollte er auch der Vorburg des Südslaventums, dem freien und 
seit jeher unbezwungenen Montenegro den Qaraus machen. Weil 
er aber die Schwierigkeiten kannte, denen der Feldzug allein be- 



I 



I 



428 Dreixelmter Zeitnrain. 

gegnen mußtO; dachte er sich die Unemigkeit der Monten^riner, 
namentlich aber ihre Unzufriedenheit mit den neuen Steuern zu- 
nutze zu machen, um Bürgerkrieg zu erregen und dann mit EQlfe 
des einen Teils der Montenegriner den andern zur Unterwerfung 
zu zwingen. 

In dieser Absicht schrieb er den Piperi, sie möchten sich der 
Pforte unterwerfen, dann brauchten sie nicht nur keine Steuern zu 
zahlen, sondern er selbst würde ihnen alles schenken, was sie 
brauchten. Obendrein nützte er die Feindschaft der montenegri- 
nischen „Montecchi und.Capuletti'', d. h. der Familien Koprivica 
und Mirkovid aus, deren EÜfersucht er gegeneinander ausspielte. 
Und um die Piperi vollends einzufädeln, lieft er ihnen noch sagen, 
daß Osmän PaSä von Skodra ihnen mit einem Heere zu Hilfe 
kommen würde, da man einen Qrund habe, mit Montenegro ab- 
zurechnen, weil im Mai das türkische Dorf Bitalica von 300 Mon- 
tenegrinern überfallen worden war. 

Die Piperi empörten sich daraufhin. Aber Danilo, der 
davon am 7. November 1852 gehört hatte, hob sofort 1000 Ea- 
tunjaner aus und zog damit am 9. (21.) November gegen die 
Piperi Als dies die Cekliner vernahmen, rotteten sich ihrer 30 
zusammen und beschlossen — die Festung 2abljak zu überfallen! 

Diese Stadt war von einer Mauer umgeben und hat südlich 
davon ein Schloft auf steilem Berge, in dem es außer dem Pulver- 
magazin und einer Moschee nur drei Häuser gab, in welchen 
Selim Agä mit 5 Nizams und 7 Artilleristen zur Bedienung der 
5 Geschütze lag. In der Stadt, deren steinerne Häuser zur Ver- 
teidigung eingerichtet waren, lagen weitere 15 Nizams in der Kaserne 
Die städtische Miliz zählte etwa 200 Mann. Es war somit ein 
ähnliches Wagestück, wie die Ek'oberung der Stadt im Jahre 18 35 
(Siehe S. 384.) 

In der finsteren Nacht vom 11. zum 12. November setzten 
die 30 Tapferen über die Mora5a, erkletterten die Mauern mittelst 
Strickleitern und griffen die Türken mit solchem Ungestüm an, 
daß gleich anfangs fUnf getötet und vier gefangen wurden. Selim 
Agi zog sich mit den ihm verbliebenen Leuten in eines der 
Häuser zurück, wo er sich dann andern Tages gegen freien Ab- 
zug ergab. 



Der Krieg gegen die Tfirken von 1852 bis 1853. 429 

Als dies in CeÜDJe bekannt wurde , eilten sofort Pero und 
Gjorgje Petrovid (Senatsvorsitssender und sein Stellvertreter) 
mit einigen hundert Montenegrinern nach 2abljak^ die neue. Er- 
oberung zu verteidigen. Denn Osmän Pa§ä von §kodra war 
natürlich zur Rückeroberung ebenfalls im Anzug. Mittlerweile 
hatte Danilo auf seinem Zug gegen Piperi die zwischen Spui 
und Podgorica zur Unterstützung der Aufständischen bereitstehenden 
Türken angegriffen und geschlagen; was auf die Piperi solchen 
Eindruck machte ^ daß sie sich bei Ankunft des Fürsten sofort 
unterwarfen, worauf er ihnen verzieh, ausgenommen fünf Bädels- 
fiihrem, die sich zu- den Türken geflüchtet hatten. Hierauf zog 
^ gogen 2abljak, diese Festang zu verteidigen. 

In der ersten Hälfte des Dezember erfochten einfallende mon- 
tenegrinische Banden Siege in der Hercegovina bei Gacko und 
Cmac, andere an der Zeta, und 6000 Montenegriner standen bei 
l^abljak. Da legte sich die Diplomatie ins Mittel und suchte 
Danilo zum Nachgeben zu bewegen. Er beüahl also am 25. De- 
zember 2abljak zu räumen, doch wurden die fünf Geschütze (vier 
lange, eine kurze Eoinone) nach Cetinje geschafft, wo ich sie 1876 
ganz unwürdig aufgestellt sah, nämlich drei Läufe lagen im süd- 
lichen Hofe des alten Palastes, einer zwischen dem alten und dem 
neuen, der ftLnfte auf der Tabia (Turm) oberhalb des Klosters. 
Eine eingekratzte Inschrift erinnerte an den Ursprung. 

Schon vor der Räumung (14. Dezember) hatte die Pforte den 
Mächten die Blockade Montenegros angezeigt, um durch diese zu 
verhindern, daß sich Montenegro mit Schießbedarf und Lebens- 
mitteln versehe. Am 19. Dezember dampfte die türkische Flotte 
unter Ahm^t Paäi von Stambil ab, um die albanische Küste zu 
überwachen. OmörPaäi mit 12000 Mann setzte sich von Bitolj 
(Monastir) aus in Bewegung, Osmän PaSä mit den Albanesen 
(Muhammedaner und 2000 Mirediten unter Bib Do da) sollte mit 
8000 Mann über den Sutorman-Paß von Bar aus gegen die Crmnica 
vordringen, wobei ihn der am südlichen Ufer des Skodra-Sees bei 
Godinje stehende Selim Bej mit 10000 Mann unterstützen sollte. 
Bei Nikäid stand Rejs Paäi mit 10000 Bosnjaken und in Banjani, 
bei Velenide, Ismail Paäi gleich&lls mit 10000 Mann. Omör 
Paää selbst, auf 30000 Mann verstärkt, rückte auf Podgorica los, 



4S0 Dreizehnter Zeitraom. 

80 daß also Montenegro gleichzeitig auf fünf Seiten von zusammen 
68000 Mann angegriffen werden sollte. Demgegenüber verfugte 
Danilo nur über 12 000 Mann^ weil die an der hercegovinischen 
Grenze wohnhaften Stämme von Omör Paää durch Qeld und Ver- 
sprechen von Abgabenfreiheit bewogen wurden^ sich neutral zu 
verhalten. Sogar viele Montenegriner ließen sich durch diese Ver- 
sprechungen ködern, und so sah sich Danilo, als der Ejieg Anfang 
Januar 1853 begann, auf nicht viel mehr als 10000 Mann be- 
schränkt, die obendrein der Artillerie entbehrten, mit welcher die 
Türken gut versehen waren. Wenn man mit Rüstow ein Ge- 
schütz dem Werte von mindestens 500 Mann gleichhält, so hatten 
die Montenegriner damals wenigstens gegen zwanzigfache Über- 
macht zu kämpfen. Allerdings trug das gebirgige Gblände und 
der Mangel an Pfaden, der die Artillerie auf wenige Teile des 
Landes beschränkte, etwas zum Ausgleich des Mißverhältnisses bei. 

Danilo sandte seinen Oheim Gjorgje in besonderer Sen- 
dung nach Wien und St Petersburg, weil er doch durch die Räu- 
mung von ^abljak der Pforte jeden Grund zum Ejieg genommen 
zu haben glaubte. Er selbst eilte nach Ghrahovo, wo er die drin- 
gendste Gefahr glaubte. 

Am 12. Januar 1853 setzten sich die türkischen Truppen von 
allen Seiten gegen Montenegro in Bewegung. Omör Paää selbst 
drang erst ohne Kampf in die Rijeöka Nahija ein, doch dann fand 
er so großen Widerstand, daß er sich wieder zurückziehen mußte. 
Auch Sellm Bej von Godinje mußte weichen und Osmän PaSä 
erlitt am Sutorman-Paß eine Niederlage. 

Ismail Paää in Banjani hatte den Vojvoda von Grahovo, 
Jakov Vujatid, der schon im Oktober den Haraö verweigert 
hatte, zur Übergabe aufgefordert, war aber von diesem als Ant- 
wort bei Rijeöane angegriffen worden. Allein die Übermacht 
war so groß (1 : 17), daß sich Jakov gezwungen sah, den Rückzug 
auf Grahovo anzutreten, welcher Ort nach mehrtägigen Gefechten 
am 19. Januar von den Türken erstürmt wurde. 

Vuk Savov Petrovid und Petar Filipov (welch letzteren 
ich noch 1875 als Krüppel sprach — denn eine Eomonenkugel 
hatte ihm das ganze Fleisch vom Schenkel getrennt, ohne daß er 
sich den Fuß abnehmen h'eß!) mit den Japanern fochten tapfer 



Der Krieg gegen die Türken von 1852 bis 1853. 4SI 

gegen die zwischen dem See und dem Meere vordringenden 
18000 Türken und zwangen sie zum Rückzug. Aber Om^r 
Paää selbst; der sich zu seiner Sicherheit in die Ebene westlich 
der Mora^ zurückgezogen und dort ein Lager aufgeschlagen hatte, 
machte die unliebsame Erfahrung; daß die Montenegriner sich nicht 
scheuten ; auch in der Ebene zu kämpfen. Denn in der Nacht 
des 20. Januar überfielen sie ihn und brachten 17 Fahnen und 
317 Köpfe als Siegeszeichen heim! Dieser Überfall ist um so 
sonderbarer ; als er sich vier Tage nach einem anderen Uber&ll 
ereignete, den die Montenegriner auf das Lager von Osmän Paää 
gemacht hatten, wobei sie gleichfalls unbegreiflicherweise ihre Beute 
forttragen konnten! 

Trotz diesen Siegen waren doch manche Montenegriner der 
Ansicht, daß es besser wäre, Om^r PaSäs Anträge anzunehmen, 
der ja nur scheinbare Anerkennung der türkischen Oberhoheit 
verlangte und dafiir auf Steuerzahlung verzichten und obendrein 
Qeld geben wollte. Allein Danilo wollte von solchem Kleinmut 
nichts wissen. „Haben unsere Väter durch mehr als 450 Jahre 
ihre Freiheit gegen die übermächtigen Türken behauptet, warum 
nicht auch jetzt?'' rief er. Und seine Begeisterung riß alles 
mit sich. 

In diesem Augenblick kehrte Qjorgje Petrovid zurück 
und meldete, daß der Kaiser von Österreich versprochen habe, für 
Montenegro Schritte bei der Pforte zu tun, schon um einer 
russischen Vermittlung zuvorzukommen, und daß er zu diesem 
Zwecke den Feldmarschalleutnant Qrafen Leiningen mit einem 
Ultimatum nach Stambül senden werde. Denn damals war der 
Kaiser gegen die Türken besonders erbittert, weil diese nicht nur 
die auf ihr Qebiet übergetretenen magyarischen Aufständischen mit 
ofiSßnen Armen aufgenommen, sondern ihnen sogar hohe Stellen im 
Heere gegeben hatten. Österreich fürchtete demnach, die Pforte 
könnte sich durch die magyarischen Flüchtlinge zu feindseligen 
Schritten verleiten lassen, und deshalb in erster Linie (weniger 
aus Vorliebe für Montenegro) wurde die Sendung Leiningen 
beschlossen. 

Wie dem auch sei, für Montenegro war sie vorteilhaft, denn 
trotz der Siege war die Lage für Montenegro noch gefährlich. 



412 Dreizehnter Zdtniam. 

Denn nunmehr drang auch Rejs Feäi von Nikäid her ins Land. 
Danilo eilte ihm mit 2000 Mann entgegen, doch schon hatte 
Rej B Paäi die Höhen von Planinica besetzt und stand vor Ostrog. 
Hier hatten sich 22 vornehme Montenegriner behufs Beratung in 
der Höhle eingefunden, in welcher das obere Kloster steht Unter 
ihnen befanden sich meine persönlichen Freunde Erco Petrovi6| 
Milo Martinovid, PeroPejovid, Maäo Vrbica und Petar 
Vukotid ^), sowie der Bruder des Fürsten (bzw. Vater des Königs 
Nikola) Mirko Petrovid. Das w&re also ein wunderbarer 
Fang für die Türken gewesen. Aber diese 22 Montenegriner ver- 
teidigten sich durch neun Tage gegen die 10000 Türken, bis 
Danilo über Öevo und Bjelice angerückt war und die f&nffache 
Obermacht von Ostrog bis Povija zurückwarf. Rejs Paäi floh 
in voller Auflösung in die Hercegovina zurück. Omdr Paäi 
selbst hatte eingesehen, daß es ihm vielleicht wie dem Kari 
Mahm&d gehen könnte, wenn er sich in das Innere Montenegros 
wagen wollte, daher zog er sich nach Spu2 zurück und erlieft am 
22. Januar einen Aufruf an die Montenegriner, sie sollten doch 
die Waffen niederlegen, was dort allgemeine Heiterkeit hervorrief. 
Nur einige Gegenden der Brda wurden schwankend und teilten 
Omdr mit, daß sie nicht abgeneigt wären, von seinen Anerbietungen 
Qebrauch zu machen, wenn er sie zu schützen vermöchte. 

Um dies zu tun, beschloß Omdr nochmals angriffisweise vor- 
zugehen, indem er in der Zeta- Ebene vordrang. Hier hatte er 
3000 Montenegriner gegen sich, welche zur Hälfte vom Fürsten, 
zur Hälfte von Petar (Pero) Petrovid befehligt waren und so 
hartnäckigen Widerstand leisteten, daß er halten mußte. Dies be- 
nutzten die Montenegriner zu einem abennaligen erfolgreichen Über- 
fall seines Lagers. 

Mittlerweile hatte Osmin Paäi daran gedacht, sich mit 
Omdr zu vereinigen. Aber am 3./15. Februar wurde er von den 
Montenegrinern bei Ljeäkopolje angegriffen und erlitt eine 
fürchterliche Niederlage, da sein Heer völlig zersprengt wurde. 



1) Später Schwiegenrater des Königs Nikola, dessen jüngster Sohn 
mich vor einigen Jahren um die Hand meiner Tochter bat, die sa gewähren 
ich jedoch nicht in der Lage war. 



Der Kridg gegen die Tfirken von 1862 bis 1853. 4SS 

Die Helden Pero, ErcO| Vuk Savoy und Mirko Petrovitf, 
Petar FilipoV| Steve Andrija Cuca u. a. brachten den 
Türken Schlappe auf Schlappe bei und nach dem Siege vom 
13. Februar, als der Ejrieg erst einen Monat gedauert hatte, belief 
dch der Verlust der Türken bereits auf 4500 Tote, über 5000 
Verwundete, 900 Ge&ngene, 2 Kanonen, 25 Fahnen und viele 
Pferde und Waffen, ohne daß die Montenegriner auch nur 700 Mann 
verloren hätten. Da ordnete Omar Paää den Rückzug an 
(9. März), angeblich wegen der eingetretenen Regengüsse, und 
dies war für Danilo wieder ein Anlaß, seine Nachhut anzugreifen, 
welche über 100 Köpfe in den Händen der si^reichen Montene- 
griner ließ. 

Mittlerweile hatte aber auch Feldmarschalleutnant Graf Lei- 
ningen in Stambul oein ültimatam abgegeben und war dabei vom 
russischem Botschafter Grafen Nesselrode unterstützt worden. Die 
Pforte nahm dies als willkommenen Anlaß, Omar Paää den Befehl 
zur Einstellung der Feindseligkeiten und zur „Räumung^' von Mon- 
tenegro zugeben. Das letztere war insofern undurchführbar, weil 
eigentlich Montenegro hätte aufgefordert werden sollen, tür- 
kisches Gebiet zu räumen, denn zu Ende des Feldzuges war (außer 
Grahovo, das ja die Türken stets als ihr Gebiet betrachtet gehabt 
hatten) kein Stück Montenegros in türkischen Händen, 
wohl aber Striche in der Hercegovina und am rechten MoraSa-Ufer 
in den Händen der siegreichen Montenegriner. Dennoch 
taten die Türken so, als ob damals nur die österreichische 
Vermittlung Monten^ro vor dem Untergang gerettet hätte, und die 
österreichischen G^chichtschreiber sagten dasselbe. Ein Blick auf 
den Verlauf des Feldzugs zeigt aber deutlich, daß Montenegro im 
Augenblick der Einstellung der Feindseligkeiten siegreich da- 
stand und die Türken (die Einnahme von Grahovo ausgenommen, 
die aber nicht gegen eigentliche montenegrinische Truppen, sondern 
nur gegen die Bewohner von Grahovo selbst erfolgt war) überall 
nur empfindliche Niederlagen erlitten hatten. Eine Ge- 
fahr für Montenegro wäre damals also nur dann vorhanden gewesen, 
wenn ihm der Schießbedarf ausgegangen wäre. Die 
österreichische Vermittlung war also eigentlich nur eine Erleich- 
terung für die Pforte, sich mit Ehren aus der Sackgasse zu 

Gopdeyiö, Montenegro nnd Albanien. 28 



f 



4S4. Dreizehnter Zeitraum. 

ziehen. Der Krieg hatte ihr 35 Millionen gekostet und nur Schmach 
und Schande eingetragen. 

- Immerhin erkannte Danilo ÖBterreichs guten Willen dankbar 
an^ da auch er eines nutzlosen und kostspieligen Kriegs enthoben 
wurde^ weshalb er^ um das Eisen zu schmieden, mit Pero Petrovid 
und einigen Senatoren im April nach Wien reiste, dem Kaiser 
persönlich zu danken. Dabei besuchte er wieder in Triest meinen 
Vater und feierte dann seine Hochzeit mit meiner Base Darinka. 



57. Montenegro zur Zeit des Erimkrieges. 

(1853—1856.) 

Als dann der Krimkrieg ausbrach, bot mein Vater dem Fürsten 
Danilo eine halbe Million Dukaten (also 4800000 Mark) zum 
Geschenk an, wenn er zugunsten der Russen einen neuen Angriff 
auf die Türken mache, um die türkischen Streitkräfte zu beschäf- 
tigen. Aber der Fürst durfte dies nicht annehmen, weil er bereits 
feste Abmachungen mit Österreich getroffen hatte, welches ihm 
versprach, im Falle seiner Neutralität dafür zu sorgen, 
daß nach dem Friedensschlüsse Montenegro nicht um 
seine Ansprüche verkürzt werden würde. Im festen 
Vertrauen auf diese Zusage verbot der Fürst ausdrücklich jede 
Teilnahme an dem Krieg gegen die Pforte. Rußland selbst be- 
stand nicht darauf, weil Kaiser Nikolaj in seiner Selbstüber- 
schätzung überzeugt war, daß er auch ohne montenegrinische 
Unterstützung mit den Türken fertig werden würde, deren Flotte 
der Admiral Nahimo v eben bei Sin dp vernichtet hatte, während 
Rumänien vom russischen Heer überflutet wurde. 

So politisch klug diese Haltung Danilo s auch gewesen sein 
mag, die Montenegriner verstanden sie nicht, denn ftlr sie war, 
abgesehen von ihrem vererbten Türkenhasse, das „heilige'^ Ruß- 
land ein Gegenstand inniger Verehrung, während sie Osterreich 
wegen der Wegnahme der Bocche heimlichen Groll nachtrugen. 
Deshalb wurde von der Notwendigkeit gesprochen, den Fürsten 
abzusetzen, und man sagt, daß selbst seine nächsten Verwandten: 
die verdienten Oheime Pero und Gjorgje Petroviö, sowie 
seine Neffe Krst Maäanov, Urheber der Verschwörung gewesen 



Montenegro zur Zeit des Krimkrieges. 485 

wären. Wie dem auch sei^ Danilo ergrimmte, als er dies hörte, 
verbannte die Genannten, sowie den Neffen und Liebling des ver- 
storbenen Vladikas Söepan Petrovid Caca (dessen tragische 
Ermordung am 10. Juni 1857 in Stambul allgemeine Teilnahme 
erweckte, weil er ein talentvoller Dichter war) und den Srdar 
Milo Martinoviö, während er andere erschießen ließ. Pero 
starb am 28. Januar 1854 in Eotor, Milo Martinovid, welcher 
gleichfalls Dichter war (sein Gedicht über die Schlacht bei Lissa 
wird bewundert), erzählte mir selbst 1875, daß er ungerecht ver- 
bannt worden sei, und erklärte dies obendrein iur eine Undank- 
barkeit, weil, nachdem mein Vater die Krone ausgeschlagen und 
fiir Danilo gestimmt hatte, er selbst der erste war, welcher beim 
Erscheinen Danilos im Juli 1852 in Cetinje sich so stark fUr 
diesen ins Zeug gelegt hatte, daß er alle Bewohner von Bajce be- 
wafinete und drohte, den Palast anzuzünden, wenn man nicht 
Danilo anerkennen würde. Als interessante Einzelheit erzählte 
mir Milo auch, daß ihm der Fürst (dessen inniger Freund er doch 
war) eines Tages sagte: „Morgen werde ich auch dich erschießen 
lassen !'', was er als zarten Wink mit dem Zaunpfahl betrachtete, 
noch des Nachts nach Kotor zu verduften. 

Trotz des fürstlichen Befehls hatten einzelne Montenegriner 
es nicht lassen können, den Russen nach ihrer Art zu helfen, in- 
dem sie über die Grenze gingen und im November 1853 auf 
eigene Faust Ejrieg führten, obgleich die Türken die ganze herce- 
govinische Grenze mit einer großen Truppenzahl abgesperrt hatten. 
um übrigens sicher zu gehen, ließ der Fürst an jenen Stellen, wo 
der Einbruch auf montenegrinisches Gebiet leicht war, Schanzen 
anlegen — allerdings mehr, um die Montenegriner zu beschäftigen 
und. ihren Unwillen zu besänftigen. Als sich aber Anäp Pa§ä 
von Gacko und Trebinje gegen Montenegro in Bewegung setzte, 
verlangte der Fürst vom Vezir von Mostar Aufklärungen über 
die 8000 Türken an der Grenze. Dieser verweigerte die Auskunft 
und Danilo brachte seine Beschwerde in Stambul vor. Auch hier 
fand er kein Gehör, weshalb er einen aufi&lligen Schritt tat: er 
befahl allen Eapetani, ihm die Listen jener Leute einzusenden, 
auf die er im Falle eines großen Krieges mit den Türken rechnen 
könne. Dies beunruhigte Österreich, welches Verwicklungen be- 

28* 



4S6 Dreizehnter Zeüraum. 

fürchtete, weshalb es in Cetmje vorstellig wurde, mit dem Erfolg, 
daß Danilo abermals strenge Neutralität anbefahl. Aber damit 
waren die Montenegriner nicht zufrieden und viele entwichen über 
die Grenze, um den kleinen Krieg g^en die Türken zu führen. 
Im Frühjahr 1854 wollten sie sogar in größerer Zahl einen Hand- 
streich auf Bar ausführen, sobald die Russen siegreich vordringen 
würden. Danilo hielt sie durch Verwände bis Juni hin, dann 
aber wurden die Grenztruppen ungeduldig und die an der herce- 
govinischen Gr^ize stehenden Montenegriner fielen plötzlich am 
3. Juni ohne Befehl in die Hercegovina ein, nach alter Gewohnheit 
plündernd und brennend. Die Pforte erließ sofort an die Grenz- 
bezirke einen Ferman, mit dem sie Wiedervergeltung anordnete, 
behauptend, daß die Mächte und selbst Österreich damit einver- 
standen wären. Weil aber die montenegrinischen IlinfiLlle nicht 
aufhörten, sah sich der Fürst gezwungen, an Österreich eine Note 
zu senden, in welcher er sich außerstande erklärte, sein Volk im 
Zaum zu halten, und dessen Ein&lle entschuldigte. Das entrüstete 
die Montenegriner und sie erhoben sich im Juli scharenweise, be- 
mächtigten sich der Vorräte an Schießbedarf im Kloster Ostrog 
und veranlaßten dadurch den Fürsten, an der Spitze von 6000 
Mann g^en die Aufständischen zu ziehen. 

Die Piperi, EuSi und selbst die Bjelopavliöi erhoben 
sich nun gegen den Fürsten, dem sie zu große Nachgiebigkeit gegen 
Österreich vorwarfen, und setzten eine vorläufige Regierung ein, welche 
an die übrigen Nahijen der Brda einen Aufiiif richtete, in dem sie er- 
klärten, daß Danilo, dessen einziges Verdienst es sei, Neffe seines 
glorreichen Oheims Petar zu sein (I), aufgehört habe, ihr 
Fürst zu sein. Sie erklärten die Brda für unabhängig und 
riefen alle Bewohner zu den Waffen. 

Aber der größte Teil der Bevölkerung blieb dem Fürsten 
treu, und so konnte dieser am 15. Juli von drei Seiten die Auf- 
ständischen in der Brda angreifen, welchen nur die Verbindung 
mit SpuS offen blieb. Die Häupter des Aufstandes stellten sich 
an die Spitze der Empörer und griffen ZagaraS an, wo der 
Fürst mit 3000 Mann stand. Der Ex-Srdar Ramo BoSkovid 
hatte sich zwar scharf gegen den Fürsten ausgesprochen, aber 
doch nicht der Bewegung angeschlossen, und als jetzt die Empörer 



Montenegro zur 2Seit des Ejimkri^ges. 4S? 

davon Bprachen, sich den Türken in die Arme zu werfen, hielt 
er ihnen das Schändliche dieser Absicht in so beredsamer Weise 
vor Augen I daß unter den Empörern Zwiespalt ausbrach , der 
zum Kampf führte. Die Rädelsführer nahmen ihre Familien und 
ihr Vieh mit sich und gingen zu den Türken in Spu2 über, 
während Boäkoviö mit 50 anderen Glavari dem Fürsten die Unter- 
werfung anzeigte. 

Danilo ließ nun eine Untersuchung der ganzen Angelegenheit 
einleiten, aber schon vor Beendigung derselben strafte er die Em- 
pörer durch Einhebung einer Geldstrafe. Dann verlangte er vom 
Befehlshaber von Spu2 die Auslieferung der Überläufer, was der- 
selbe aus Furcht vor einem Angriff der Montenegriner nicht ab- 
zulehnen wagte. Danilo verzieh ihnen zwar, aber er zog dafür 
ihren ganzen Besitz ein und ließ sie auch sonst noch seine Rache 
fühlen. 

Zu jener Zeit litt Danilo an großem Geldmangel, denn mein 
Vater konnte ihm nicht mehr helfen, weil er selbst durch den 
Krimkrieg ruiniert worden war ^). 

Er wandte sich also an Österreich, das er um eine ständige 
Unterstützung nach Art der russischen bat, wofür er sich unter 



1) Er hatte in Sfidraßland and Romänien 670000 hl Getreide an- 
gekauft, als eben der Krieg ansgebrochen war, und 24 seiner Dreimaster 
hingesandt, einen Teil davon abzuholen. Die beladenen Schifie wurden 
durch das plötzliche AosfnhrYerbot am Auslaufen verhindert und mein Vater 
eilte nach St. Petersburg, um mit dem Garen Rücksprache zu halten. In 
der Tat erlangte er die ausnahmsweise Erlaubnis zum Auslaufen, aher 
als er in der Krim ankam, behaupteten die Behörden von Keri, noch nicht 
im Besitz des kiuserlichen Ukazes zu sein, weshalb abermals Zeit verstrich. 
Mittlerweile hatten die Westmächte die Blockade angekündigt und die Kapi- 
täne meines Vaters, Wegnahme fürchtend, versenkten die Schiffe samt 
Ladung. Nachdem auch Gar Nikolaj I. vor Ende des Krieges starb, der 
neue Kaiser meinem Vater fremd gegenüberstand und in RuBland damals 
begreiflicherweise leere Kassen vorhanden waren, konnte mein Vater auch 
keine Entschädigung von der russischen Regierung für die offenkundige 
Schuld der Behörden von Kerö erlangen und dies umnachtete seinen Geist, 
den er dann am 8. Mai 1861 nach dreijährigem Wahnsinn aushauchte, be- 
klagt vom ganzen serbischen Volke, namentlich jenem in Dalmatien, Mon- 
tenegro und der Hercegovlna, das er zeitlebens mit Wohltaten überhäuft, 
hatte. 



4S8 Dreizehnter Zeitraum. 

seinen Schutz stellen wollte. Fürst Schwarzenberg, 
der von seinem grenzenlosen Unverstand bereits eine Probe durch 
seinen berüchtigten Ausspruch gegeben hatte: ^^ Österreich werde 
die Welt durch seinen Undank gegen Rußland in Erstaunen setzen", 
lieferte jetzt eine zweite Probe, indem er die günstige Qelegenheit 
unbenutzt ließ, an Stelle des russischen Einflusses in Montenegro 
einen österreichischen zu setzen. Er lehnte das ab, was er mit 
einem Opfer von vielleicht 100000 fl. erreicht hätte ^)1 

So blieb dem Fürsten wieder nur Rußland übrig, und um 
die Beziehungen wieder anzuknüpfen, befahl er vorläufig ein drei- 
tägiges Fasten — „um den Sieg an Rußlands Fahnen zu fesseln" *)! 



1) Österreich zahlt zwar jetzt auch noch jährlich 20000 (oder 30000?) fl. 
an Montenegro, aber nicht freiwillig, sondern durch die Not gezwungen. Als 
nämlich 1866 Osterreich von Preußen und Italien bedroht war, traten die 
Italiener mit dem Fürsten Nikola in Unterhandlang, behufs gemein- 
samer Eroberung der Bocche: zu Land durch die Montenegriner, zur 
See durch die Italiener. Es wurde auch bereits eine kleine Hilfslandungs- 
truppe in Barletta zusammengezogen und die Flotte sammelte sich in Täranto. 
In dieser Verlegenheit sandte die k. k. Regierung den Kreishauptmann Ton 
Kotor, Koporiiö, nach Cetinje, wo er dem Fürsten vorschlug, er solle 
neutral bleiben, wogegen sich Osterreich verpflichte, eine immerwährende 
Jahresunterstützung von 20000 fl. zu zahlen. Im Mai 1866 unterhandelten 
diesbezüglich des Fürsten Vater, Grofiherzog Mirko, und des Fürsten 
Geheimschreiber Jovan Sundediö mit Kopordiö. Es kam hierauf zu einem 
Vertrag, in dem sich Osterreich nicht nur zur erwähnten Zahlung ver- 
pflichtete, sondern auch zur Entfernung aller montenegrinischen Flüchtlinge 
(namentlich der Petroviöi) aus Dalmatien (wo sie gegen den Fürsten 
Ränke schmiedeten), während anderseits Fürst Nikola sich verpflichtete, 
nicht nur neutral zu bleiben, sondern auch im Falle eines italienischen An- 
grifi auf die Bocche diese zu verteidigen. Als dies in Italien bekannt 
wurde, verzichtete man auf einen Angriff auf die Bocche und unternahm 
dafür jenen gegen Lissa, welcher den Italienern so schlecht bekam. Diese 
Begebenheit ist ein neuer Beweis für die von mir verfochtene Ansicht, daft 
ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Osterreich und den beiden 
serbischen Nachbarstaaten für alle Beteiligten vom größten Vorteil ist, 
daß also diejenigen, welche in den drei genannten Ländern gegen den Nach- 
bar hetzen (wie dies leider namentlich die österreichische, ebensogut wie 
die serbische Presse, in tollem Unverstand tut), ihr eigenes lAnd am 
meisten schädigen! 

2) Diese Ein&lt ist seitens eines montenegrinischen Fürsten desto 
leichter verzeihlich, als ja die Herrscher von Spanien und Bußland 40 



Montenegro zur Zeit des Kiimkrieges. 489 

Als dann im April 1855 die Kunde kam^ daß Kaiser Nikolaj 
gestorben sei, ordnete er eine viendgtägige Trauer und öffentliche 
Gebete für die Seele des verstorbenen, sowie für eine glückliche 
Regierung des neuen Kaisers an. Letzterer fand sich auch da- 
durch so geschmeichelt, daß er nicht nur seinen besonderen Dank 
aussprach, sondern auch die Erhöhung der Jahresunterstützung auf 
45000 Rubel anbefahl, die später noch auf 80000 Rubel erhöht 
wurde. (Auch Osterreich soll sich später zur Elrhöhung des Jahr- 
geldes auf 30000 fl. verstanden haben, und Napoleon, um nicht 
zurückzustehen, zahlte gleichfalls jährlich 50000 Frank bis zu 
seinem Sturz.) 

Bald darauf erließ Danilo (23. April/5. Mai 1855) sein be- 
rühmtes neues Gesetzbuch, dessen Wichtigstes man in meinem 
„Montenegro und die Montenegriner^^ Seite 67— 74 findet. 
Es bildete einen gewaltigen Schritt vorwärts in der Zivilisierung 
des Volkes und blieb durch ein Vierteljahrhundert in Wirksamkeit, 
bis der russische Staatsrat Bogiäiö ein neues, ganz modern an- 
mutendes und doch im Geiste der Landeseigentümlichkeiten ge- 
haltenes Gesetzbuch verfaßte. 

Im nächsten Jahre kam es zum Pariser Frieden, und 
Montenegro erwartete natürlich, daß die Mächte, getreu ihren Ver- 
sprechungen, als Lohn für seine Neutralität die Türkei zur An- 
erkennung der gerechten Ansprüche Montenegros anhalten würden. 
Darin sahen sich aber die Montenegriner wieder getäuscht! Bereits 
im Sitzungsprotokoll Nr. 14 vom 25. März 1856 hatte Graf Buol 
die Aufmerksamkeit darauf hingelenkt, daß Rußland manchmal so 
tue, als ob es über Montenegro eine Art Schutzherrschaft ausübe, 
ähnlich seiner bisherigen über Rumänien, worauf die russischen 
Bevollmächtigten erklärten, daß Rußland mit Montenegro keine 
anderen Beziehungen unterhalte, als jene gegenseitiger Zuneigung. 



bzw. 50 Jahre später auch die Lächerlichkeit begingen, durch geweihte 
Skapuliere, Heiligenbilder, Rosenkränze o. dgl. Firlefanz ihre Schiffe und 
Soldaten gegen den Feind schützen zu wollen! Als ob nicht eine einzige 
Patrone mehr Wert hätte als sämtliche in der Welt vorhandenen Heiligen- 
bilder, Kreozpartikel, Rosenkränze usw.! Denn die Vorsehung stellt sich 
niemals auf die Seite der solche Dinge verehrenden Macht, sondern immer 
nur auf die Seite jener, welche besser für den Krieg gerüstet ist. 



440 Dreizehnter Zeitraum. 

Am folgenden Tage finden wir aber im SitzungsprotokoU Nr. 15| 
daß der türkische Bevollmächtigte Ali Paäd erklärte, die Pforte 
betrachte Montenegro als integrierenden Bestandteil 
ihres Reiches, wenngleich sie nicht die Absicht haboi den 
gegenwärtigen Stand der Dinge zu ändern. (Weil nämlich die 
Trauben zu sauer gewesen wären!) 

Man sollte nun meinen, daß die Bevollmächtigten der übrigen 
Mächte dagegen Verwahrung eingelegt hätten; denn Ösien^ich 
hatte die Unabhängigkeit Montenegros ebenso oft anerkannt wie 
Rußland; in England hatte Lord Malmesbury als Minister des 
Äußeren schon am 6. Dezember 1852 im Oberhaus die ausdrück- 
liche Erklärung abgegeben, daß Montenegro seit mindestens 
350 Jahren unabhängig sei. Sardinien, als Bruder der ver- 
flossenen venezianischen Republik, hätte sich wohl erinnern können, 
daß die Venezianer unzählige Male Montenegros Unabhängigkeit 
anerkannt hatten. Frankreich endlich hätte doch am allerwenigsten 
den von Napoleon aufgestellten Nationalitätengrundsatz 
verletzen dürfen, um so mehr, als ja die Geschichte lehrte, daß die 
Türkei gar nie im tatsächlichen Besitz Montenegros gewesen is^ 
weil die dreimalige Verbrennung des Klosters von Cetinje mit dem 
regelmäßig darauf folgenden Rückzug der Türken doch kein An- 
recht auf Besitz des Landes gab! Sonst könnte mit demselben 
Rechte Österreich den Besitz von Preußen beanspruchen, weil 
Haddik einmal Berlin besetzt hatte, oder Frankreich den Besitz 
von fast ganz Europa, weil seine Truppen die Hauptstädte von 
Preußen, Österreich, Rußland, Italien, Spanien, Portugal, Holland, 
Belgien usw. einmal besetzt hatten! 

Aber nichts geschah! Die „wohlwollenden'' Mächte, ebenso 
wie das „stammverwandte, schwesterliche'' Rußland fanden es nicht 
der Mühe wert, gegen die türkische Anmaßung Stellung zu nehmen, 
und so blieb es dem Fürsten Danilo vorbehalten, dies in einer 
langen Denkschrift vom Mai 1856 zu tun, die man bei Lenor- 
mant Seite 393 im Wortlaut abgedruckt findet, ebenso wie seine 
Verwahrung vom 19./31. Mai an die Signatarmächte, in welcher 
er erklärte, daß nicht Montenegro eine Provinz des türkischen 
Reiches sei, sondern im Gegenteil ganz Oberalbanien und die 
He rcegovina als montenegrini sc hesQebiet betrachtet werden 



Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859. 441 

könnten, weil diese Länder früher von den montenegrinischen 
Landesftlrsten beherrscht und von den Türken gewaltsam weg- 
genommen worden. 

In seiner Denkschrift hatte der Fürst verlangt: 1. Anerken- 
nung semer Unabhängigkeit durch alle Mächte; 2. Erweiterung 
seiner Gh*enzen gegen die Hercegovina und Albanien hiui weil 
Ghrahovo, die 2upa, Banjani, Piva, Drobnjak, Eruäevica, Zubci 
und Vasojevidi seit Jahren sich an Montenegro angeschlossen hatten 
und nur immer von den Türken streitig gemacht wurden; 3. Ghrenz- 
festsetzung; so wie jene seinerzeit gegen Österreich geschehen war; 
4. Einverleibung von Bar, weil Montenegro doch einen Hafen 
haben müsse. 

Verwahrung und Denkschrift blieben ohne Eindruck auf die 
verknöcherten und unwissenden Diplomaten ^), welche in dem 
Pariser Frieden eine wahre Ungeheuerlichkeit von Albernheiten 
zusammenstellten, die den Keim zu all den späteren orientalischen 
Verwicklungen in sich trugen. 

58. Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859. 

Ende Juni 1856 brach abermals ein Aufstand in Bosnien und 
der Hercegovina aus und die Bevölkerung von NikäiiS kam nach 
Ostrog, um den Fürsten um ihre Einverleibung zu bitten. 



1) Meine überaus große Geringschätzung der Diplomaten bezieht sich 
natürlich nicht auf die wirklichen großen and bewundernswerten Staats- 
männer, welche leider so selten sind, sondern nur auf die überwiegende 
Mehrheit der Dutzenddiplomaten, die in mit unglaublichen Gold- 
stickereien besetzten Gewändern am grünen Tisch sitzen und dort über die 
Schicksale von Völkern entscheiden, die ihnen oft gänzUch unbekannt 
sind. Und gerade diese unleidliche Gattung lächerlicher Wichtigtuer ist 
es, welche oft Weltgeschichte macht — die deshalb allerdings auch manch- 
mal danach ist! Sie sind es, die gewöhnlich den Karren im Dreck ver- 
fahren, was dann die armen Völker zu zahlen haben. Und das drolligste 
dabei ist, daß sie sich für so ungemein gescheit halten, wie der Bürger- 
meister von Zaandam, wenn er singt: „O, ich bin klug und weise und mich 
betrügt man nicht !^^ Ich habe einige Dutzend solcher Diplomaten 
persönlich kennen gelernt, deren Unwissenheit mich ebenso verblüffte wie 
belustigte, und das mag mein herbes Urteil erklären. 



44S Dreizehnter Zeitraum. 

dem hätte er sofort angenommen, aber aus Furcht vor einem 
neuen Kriege mußte er verBchiedene Bedingungen daran knüpfen, 
und so verlief die Sache im Sand. Zur selben Zeit übrigens er- 
hoben sich die KuCi gegen den Fürsten , weil sie keine Steuer 
zahlen wollten, und Mirko Petrovid mußte mit 3000 Mann 
gegen sie anrücken. Sie hatten sich bei Duklje verschanzt, wo 
sie vom Srdar Gero vi ö angegriffen und zur Unterwerfung ge- 
zwungen wurden. Denn der Paää von Skodra, auf dessen Hilfe 
sie gerechnet hatten, ließ sie im Stich. Mirko strafte sie empfind- 
lich, nahm ihnen die Waffen ab und ließ 100 Mann Besatzung in 
Medun zurück. Kaum war er abgezogen, als 1000 Albanesen 
anrückten, welche der FaSi abgesandt hatte und die jetzt Medun 
wütend angriffen. In dieser Bedrängnis kamen 400 Piperi zum 
Entsatz, welche durch einen kräftigen Angriff die Albanesen zer- 
sprengten. 

Auf diese Nachricht hin setzte Danilo das ganze Heer auf 
Kriegsfuß und beschloß, gegen den Vali von Albanien zu ziehen. 
Während er aber die Umgebung von Podgorica verheerte und 
plünderte, überfielen die Albanesen Medun und nahmen es. Weil 
nun der Krieg unvermeidlich schien, rückte die berüchtigte Diplo- 
matie an, welche gewöhnlich die Rolle der berühmten Wiener Hof- 
spritze spielt: d. h. sie kommt immer dann an, wenn der Brand 
bereits gelöscht ist. Sie hielt Beratungen in Konstantinopel und 
Skodra ab, und schließlich glaubte Danilo am Ziel zu sein, wes- 
halb er im März 1857 nach Paris reiste. Wie verblüfft war er 
aber, als die honigsüßen Diplomaten (die man mit Rigoletto eine 
„vil razza dannata'' nennen könnte) ihm dort lächelnd als Ergebnis 
ihrer Beratungen folgende Beschlüsse bekanntgaben : {)ürst Danilo 
habe für sich und sein Volk die Oberhoheit der Pforte anzu- 
erkennen, die ihm dafür ein Jahresgehalt, den Titel eines Marschalls 
(oh, welche Ehre für einen Landesherrscher!) und für sein Volk 
freien Zutritt zu allen — Häfen gewähre, (! wenn es noch 
„Märkte*' geheißen hätte! Aber die weisen Diplomaten, welche 
selten die Geographie der Länder kennen, über die sie Entschei- 
dungen treffen, glaubten, daß Montenegro am Meere liege und 
eine Handelsflotte habe 1 — Ein englischer Botschafter glaubte ja, 
daß Kotor ein montenegrinischer Hafen sei!), während die 



Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859. 44S 

Pforte noch großmütig ein paar Fetzen Gebiets in der Hercego- 
vina an Montenegro abtreten würde, wofiir aber dieses Abgaben 
zu zahlen hätte! 

Die Erbitterung in Montenegro über eine so bodenlose Un- 
verschämtheit war so groß, daß Mirko, der während Danilos 
Abwesenheit die Regentschaft führte, dem Fürsten schrieb, eine 
große Qärung mache sich bemerkbar und mehrere Senatoren, der 
Exvorsitzende des Senats Ojorgje Petrovid als unsichtbares 
Haupt an der Spitze, drohten mit Aufstand. 

Der Fürst antwortete mit der Verbannung aller verdächtigen 
Senatoren und der Verwandten des Ojorgje. 

Nach Cetinje zurückgekehrt, erklärte Danilo, daß er es für 
am besten halte, den Antrag der Mächte anzunehmen, weil man 
dadurch das streitige Land bekomme und obendrein Geld, wäh- 
rend man sich um das Zahlen von Abgaben filr das erhaltene 
Gebiet unter Vorwänden leicht drücken könnte und die schein- 
bare Anerkennung der türkischen Oberhoheit ja an der tat- 
sächlichen Unabhängigkeit des Landes nichts ändere. Aber 
davon wollten die Montenegriner durchaus nichts wissen und Danilo 
glaubte durch einen Besuch beim Kaiser Franz Josef mehr zu 
erreichen. Aber in Wien sagte man ihm, daß man ihn nur durch 
Vorstellung des — türkischen Botschafters empfangen könne! 
(Auf einmal! So oft aber vorher Österreich von Montenegro 
Unterstützung erbeten hatte, hatte man das montenegrinische 
Staatsoberhaupt als unabhängigen Herrscher betrachtet und be- 
handelt!) Da bäumte sich des Fürsten Stolz auf und er drehte 
Wien kurz den Rücken. 

Neue Wirren an der Grenze veranlaßten die Türken, ein 
Heer an die albanische Grenze zu senden, was Danilo damit be- 
antwortete, daß er den Verkehr nach der Türkei untersagte, nach- 
dem er schon früher jenen mit Kotor verboten hatte. Da dies 
aber den Montenegrinern mehr schadete als den Türken und 
Österreichern, wuchs die Unzufriedenheit im Lande, und weil 
obendrein die Steuern rücksichtslos eingetrieben wurden, planten 
zwei Montenegriner: Marko Sjolin Gjuraäkoviö und Milo 
Vukov Radonjid des Fürsten Ermordung, weshalb sie er- 
schossen wurden. 



444 Dreiiebnter Zeitnuim. 

Mittlerweile hatte die Qänuig ihre Entladung gegen die 
Türkei genommen. Am 12. März 1858 erklärten die Dörfer 
Gjurmani imd Miäiö bei Spiö (Spizza) ihren Anschluß an Mon- 
tenegro und sofort eilten 500 Montenegriner imter dem Senator 
Turo Plamenac herbeii um SpiS zu besetzen. Als aber 
3000 Türken von Bar anrückten und Unterstützung aus Mon- 
tenegro ausblieb; ssogen sich die Montenegriner aus dem Gebiete 
von Spiö zurück und nahmen den arg bloßgestellten Popen An- 
drija von Spiö mit sicL Mittlerweile war aber auch in der 
Hercegovina ein Aufstand ausgebrochen und die Montenegriner 
eilten trotz des fürstlichen Verbots massenhaft ihren Brüdern zu 
Hilfe. Das erbitterte die Türken und sie beschlossen, Grab ovo 
zu besetzen, das doch Ali Paää 1844 den Monten^rinem in aller. 
Form abgetreten hatte. Vergebens rieten ihnen die Konsuln von 
England und Frankreich ab. Bevor dies aber geschah, hatte 
Danilo drei Senatoren nach Paris, Wien und St. Petersburg ge- 
sandty um Schutz zu verlangen. Inzwischen gab er Auftrag, nicht 
angriffiBweise vorzugehen, sondern zu warten, bis ein türkischer 
Angriff erfolge. 

Der nach Paris entsandte Senator erreichte auch so viel, daß 
Napoleon am 11. Mai im „Moniteur^' eine Kundgebung erließ, 
in welcher es hieß, daß Frankreich wissen werde, die Unabhän- 
gigkeit eines Landes zu sichern, auf welches die Pforte die 
ungerechtfertigtsten Ansprüche erhebe. Und schon vorher 
hatte Napoleon den Konteradmiral Jurien de la Graviore (der 
später mein langjähriger persönlicher Freund wurde) mit den 
Liinienschiffen „Algeciras'' und „Eylau^^ nach Bagusa ge- 
schickt (21. März), wo er zwar nicht die Landung türkischer 
Truppen in Kiek hinderte (das als „Marc dausum^^ betrachtet 
wurde), wohl aber mit dem Fürsten durch dessen Geheimschreiber 
Delarue einen lebhaften Verkehr unterhielt. Österreich hatte 
nämlich, um die Wirren an seiner Grenze bald beendigt zu sehen, 
den Türken ausnahmsweise gestattet, den Hafen von Kiek für 
TruppenausBchiffungen zu benutzen, was also eine entschieden 
unfreundliche Handlung gegen Montenegro war, wie denn auch 
Österreich damals offen auf selten der Pforte stand — Grund 
genug fiir Napoleon (der schon damals einen Krieg gegen Öster- 



Montenegro in den Jakren 1856 bis 1859. 445 

reich ins Auge gefaßt hatte und dabei auf Montenegros Mithilfe 
rechnete), sich der Montenegriner desto mehr anzunehmen. Zu 
diesem Zweck ankerte dann Jurien auch eine Zeitlang in Bar. 
Die russische Radfregatte |,Poljka^' schloß sich ihm an. 

Nicht gewitzigt durch frühere Erfahrungen und blind gegen 
die drohende Haltung Frankreichs gab die Pforte am 1. Mai (n. St.) 
dem Vezir Husöjn Dahim Paää von Trebinje Befehl, Grahovo 
zu besetzen. Infolgedessen setzte er sich mit 8000 Mann und dem 
General Kadri Paää am 3. Mai von Bilek in Bewegung und 
rückte über Banjani nach Grahovac, einer kleinen Hochebene 
zwischen Grahovo und Elobuk, wo er am 6. Mai ein Lager 
aufischlug. Daß er zu dieser nur fbnf Stunden weiten Entfernung 
volle drei Tage brauchte, erklärt sich daraus, daß der Vojvoda 
von Banjaniy Jovan Baöeviö, mit den Banjanem und anderen 
hercegovinischen Aufetändischen von der einen Seite, Pop Luka 
aus Markovina mit seiner BVeischar von der anderen den Türken 
hartnäckigen Widerstand entgegensetzten. In Umac (Ghrahovo) 
stand Petar FilipOv mit 400 Montenegrinern und legte gegen 
diese Verletzung montenegrinischen Gebiets Verwahrung ein (aber 
umsonst), während er gleichzeitig den Fürsten davon in Kenntnis 
setzte. Letzterer sandte sofort die Katunjaner unter seinem Vetter 
Krco Petroviö (auch mein persönlicher Freund, ein großer 
Held, der schon im Alter von 13 Jahren den ersten Türkenkopf 
abschnitt, dem später noch über 80 andere folgten, und welcher 
1862 in der siegreichen Schlacht von Zagaraö dem Fürsten 
Nikola das Leben rettete, als er eine unter den Generalstab 
fallende Bombe aufhob und unter die Türken warf, wo sie zer- 
platzte — er zeigte mir auch zehn schwere Wunden, sogar eine von 
einer seinen Hals durch und durch bohrenden Kugel I) und den 
Vojvode Petar Stefanov Vukotid ^) und Ivo Radonjid als 
Verstärkung und ließ dann das Aufgebot von Rijeka und Crmnica 
unter seinem Bruder Mirko (Vater des Königs Nikola) nach- 

1) Vater der Konigin Milena und auch einer der gröBten Helden, 
weil er gegen 120 Türken eigenhändig den Kopf abgeschnitten hat Wir 
worden ebenfiüls gut befreondet und er erschien mir schon durch sein 
Änfieres als UrbUd eines Helden: eine überaus eindrucksvolle, majestätische 
Erscheinung. 



446 Dreizehnter Zeitranm. 

folgen. Am 10. Mai (n. St) waren im ganzen 5000 Montenegriner 
unter Oberbefehl Mirkos bei Grahovo vereinigt. 

Am 11. Mai (n. St.) morgens wollten die Türken aus der 
Grafaovacka Rijeka Wasser holen^ fanden diese aber von Petar 
Stefanov Vukotid besetzt, welcher den Zutritt verwehrte. Folg- 
lich kam es zum Kampf. Vukotiö hielt stand und wurde um 9 Uhr 
durch Mirko und Radonjid unterstützt^ welche durch den 
Kanonendonner herbeigelockt worden waren. Die Türken wurden 
mit Verlust von 300 Mann zurückgeworfen und die Rijekaner 
verlangten um 10 Uhr dringend die Elrlaubnis, das türkische 
Lager stürmen zu dürfen. Aber Mirko hielt sie zurück, um eine 
Bewegung auszuführen, welche die Niederlage der Türken vervoll- 
ständigen sollte. Er sandte nämlich Vukotiö mit einer Abteilung 
gegen Klobuk, um den Türken den Rückzug und die Verbindung 
mit dieser Festung (die auf unzugänglich steilem Felsen lag) ab- 
zuschneiden. Sonst währte aber der Kampf bis 9 Uhr abends. 

Anderntags erbaten die Türken einen Waffenstillstand von vier 
Stunden, der ihnen unbegreiflicherweise gewährt wurde und den 
sie dazu benutzten, sich mit Wasser zu versorgen und von Klobuk 
einen Verpflegungszug kommen zu lassen. Diesen nahm aber 
Vukotid am 13. weg, während zugleich der Vojvoda von Zubci, 
Luka Vukalovid (Führer der hercegovinischen Aufständischen), 
mit 600 Mann einen Angriff auf Klobuk machte, der natürlich 
nicht glücken konnte, und dann auf Korjenidi, welches er nieder- 
brannte, die dort stehenden Türken teils tötend, teils zerstreuend. 

Am 12. hatte Mirko auch den Geheimschreiber des Fürsten, 
Delarue, nach Klobuk gesandt, um mit dem türkischen Bevoll- 
mächtigten Kemäl Efdndi und den europäischen Konsuln wegen 
Beilegung der Streitigkeiten zu beraten. Als er aber in das tür- 
kische Lager kam, behielt ihn erst Husöjn Paää zurück und 
dann wollte er dies benutzen, um unter dem Vorwand, Delarue 
sicher zu geleiten, sich selbst mit seinem Heere nach Klo buk 
zurückzuziehen, weil er sich umzingelt sah ^). Vukotiö aber 
weigerte sich, irgend jemanden nach Klobuk zu lassen. Denn 



1) Die Einzelheiten findet man im amtlichen Bericht Delanies bei 
Lenormant, S. 397. 



Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859. 447 

mittlerweile hatten die Montenegriner am 13. Mai die Umzinglung 
der Türken beendet^ welche sich in einer Art Trichter befanden^ 
dessen Ränder von den Montenegrinern besetzt waren Als dies 
Husdjn Pa§ä merkte^ wagte er es nicht (wie er ursprünglich ge- 
wollt hatte)^ den Rückzug in der Nacht anzutreten, sondern erst 
bei Tagesanbruch, besonders weil er dann den zwei Bataillonen 
Verstärkung entgegenzog , die er erwartete. Aber Mirko wollte 
natürlich die günstige Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den 
Türken einen tüchtigen Denkzettel zu erteilen. Er befahl daher 
am 13. morgens einen allgemeinen Angriff, der sich durch das 
Ungestüm Krcos zu einer vollständigen Vernichtung des türkischen 
Heeres gestaltete. 

Auf das Zeichen zum Angriff hin hatten sich die Montene- 
griner, nach einer einzigen Salve, mit dem HandSar in der Hand 
von den Höhen herabgestürzt und mitten auf das türkische Lager. 
Was sich ihnen widersetzte, wurde niedergemetzelt. Das türkische 
Heer bestand aus Eerntruppen, nämlich der kaiserlichen 
Garde. Ihre Artillerie, 16 Geschütze, feuerte unablässig, während 
zwei tapfere Gardebataillone verzweifelte Anstrengungen machten, 
sie vor Wegnahme zu schützen. Umsonst! Krco fiel über die 
feuernden Batterien her, metzelte alle Artilleristen an ihren Ge- 
schützen nieder und bemächtigte sich derselben. Hierauf rannte 
das ganze türkische Heer in wilder Flucht gegen Elobuk zu. Hier 
aber trat ihm Petar Stefanov Vukotid entgegen, welcher 
eben den aus ELlobuk kommenden türkischen Verpflegungszug auf- 
gefangen, die ihn geleitenden zwei Bataillone aufgerieben hatte 
und jetzt die fliehenden Türken mit heftigem Feuer begrüßte. Die 
Garde-Division bildete nun ein Viereck und hoffte, die nach allen 
Seiten starrenden Bajonette würden ihnen die Montenegriner vom 
Leibe halten. Diese aber schlugen mit ihren HandSars die Bajo- 
nette zur Seite, bohrten jene dann in die Brust des nächsten 
Türken und brachen auf diese Weise in das Viereck. Ein fürchter- 
liches Handgemenge entspann sich. Kadri Paää, welcher tapfer 
kämpfte, wurde überwältigt und ein zwölQähriger Knabe schnitt 
ihm den Kopf ab. Schließlich bildeten die Leichen der gefallenen 
Türken deren besten Schutzwall gegen die Montenegriner. Von 
der ganzen stolzen Garde-Division, die vor der Schlacht 8000 Mann 



448 Dieisehnter 

gezählt hatte, retteten sich keine 1000 nach Trebinje. Die ganze 
Artillerie^ sämtliche Fahnen, darunter die Heeresfithne, der ganze 
Troß und die Waffen der G^allenen blieben in den Händel der 
siegreichen Montenegriner, welche nicht mehr als 400 Mann ver- 
loren hatten. QefiEUngene waren nicht gemacht worden (einen firan- 
zöBischen Offizier in türkischen Diensten ausgenommen), da nach 
alter Sitte jedem Türken der Kopf abgeschnitten wurde. 

Diese f&rchterliche Niederlage erregte in ganz Europa großes 
Aufsehen. Die Türken beeilten sich schon anderntags, Husäjn 
Paää den unter den obwaltenden Umständen heiteren Befehl zu 
erteilen, „er möge sich aller weiterer Feindseligkeiten enthalten''. 
Wo der Gute froh sein mußte, wenn die Monten^;riner ihm nicht 
nach Trebinje folgten und diese Festung im Sturm nahmen, was 
ihnen damals sehr leicht gewesen wäre, wenn sie ihren Sieg 
ausgenutzt hätten. Leider aber mengten sich, wie gewöhnlich, 
wieder die fff Diplomaten ins Spiel, um mit der Feder das zu 
verderben, was das Schwert gutgemacht hatte. Es kam zu Unter- 
bandlungen, und das zu einer Zeit, wo die rasche Ausnutzung des 
Sieges, also die Erstürmung von Trebinje, der Einbruch des 
ganzen montenegrinischen Heeres (das doch damals auf 16000 
Mann erhöht werden konnte) in die Hercegovina, wo bereits 
mehrere tausend Aufständische vorhanden waren, dieses Land in 
vollen Aufstand gebracht hätte und die Folgen wahrscheinlich 
jenen gleich gewesen wären, welche wir in den Jahren 1875/78 
sahen ^). Nur in Albanien kam es noch zu Kämpfen, indem am 
24. Juli die aus Podgorica ausfallenden Türken über Montene- 
griner herfielen, die sich vor der Übermacht nach Farmaki und 
dann hinter die Sitnica zurückziehen mußten. Statt ihnen Ver- 
stärkungen zu senden, befahl ihnen Danilo, ruhig zuzusehen, wie 
die Türken ihre Ernten verbrannten! Vier Tage später wollten 
die Vojvode Novica Ceroviö und Miljan Vukovid von 
Vasojeviö Rache nehmen, indem sie über Kola Sin herfielen, von 
wo aus die Türken mehrere fünfäUe nach Eufi gemacht und 
Dörfer verbrannt hatten. Sie überschritten den Javor und züch- 



1) Dies sah Danilo allerdings auch ein, wie aus seiner erwähnten Denk- 
schrift hervorgeht, aber er rechnete immer noch mit der Diplomatie! 



Montenegro in den Jahren 1856 bis 1859. 449 

tigten die Eolaäiner. Der Fürst aber fand dies ;,anpolitiBch<' and 
setzte die beiden Vojvode ab, den EolaSinem ftir ihren Schaden 
obendrein Ersatz gebend! 

Die Diplomaten in ihrer scbwerf&lligen Art setzten sich yom 
14. Oktober bis 9. November in Eonstantinopel an den grünen 
Tisch und brüteten dort ihre Eier aas. Man kann sich denken, 
was herauskam, wenn man hört, daß Ali Paäi den Vorsitz 
führte, unterstützt durch den Minister des Äußeren Ru2di Paäi. 
Man beschloß, die Grenzen zwischen Montenegro und der Türkei 
festzulegen, konnte sich aber wegen der Unabhängigkeitsfrage nicht 
einigen. Im nächsten Jahre sollte dann die Grenze abgesteckt 
werden, nachdem es dem Fürsten gelungen war, trotz Wider- 
spruchs der Pforte, durchzusetzen, daß auch ein montenegrinischer 
Abgeordneter beigezogen würde. Es war diesPetar Stefan ov 
Vukotid. Aber der im Frühjahr 1859 aui^brochene Eoieg 
zwischen Osterreich und Frankreich - Sardinien ^) yerhinderte die 
Tätigkeit der Abordnung, so daß erst 1862 die Grenzen abgesteckt 
wurden. Dabei erhielt Montenegro nicht nur Grahovo, sondern 
auch durch eine List Gornji VasojevidL Als nämlich die 
europäischen Abgeordneten die Bewohner fragten, wo die Tara 
eei (welche die Türken als ihre Grenze angegeben hatten), flihrten 
isie die Bewohner zum Lim und zur Zloreöina und sagten, 
dies wäre die Tara, worauf die Europäer ahnungslos derart die 
Frenze absteckten. Auf diese Art kam Montenegro zu neun 
Quadratmeilen. Allerdings verlor es anderseits den gewünschten 
Hafen, welchen Österreich durchaus nicht zugestehen woUte, in 
der törichten Furcht, er könnte „russische Flottenstation '^ werden. 
{Eine lächerliche Befürchtung, die auch bei Verweigerung eines 
Hafens an Serbien 1913 geltend gemacht wurde, obgleich ich 
in meinem „Fürstentum Albanien^' [Seite 216] nachgewiesen 
habe, wie leicht dieser Sorge die Spitze abgebrochen werden könne 



1) Vor Beginn desselben hatte Napoleon den Fürsten eingeladen, die 
Bocche zu Land anzugreifen, während Vizeadmiral Jarien de la 
Graviore (der mir dies sagte) mit seinem Geschwader von der Seeseite 
helfen würde. Aber Danilo, teils wegen seiner Vorliebe fär Osterreich, teils 
.gewitzigt darch die vielen traurigen Erfahrungen, welche Montenegro mit den 
Versprechungen fremder Mächte gemacht hatte, ging darauf nicht ein. 
Gop<Seyi6, Montenegro nnd Albanien. 29 



450 Dreisehnter Zeitraum. 

und wie mir dies auch selbst 1878 bez. Bars gelangt). 
Hatte ja schon 1839 die Pforte Spifi an Montenegro abgetreten, 
das es als ^^Skadarska Nahija'^ seinem Gebiet einverleibt hatte! 
Nur hatte man das später wieder rückgängig gemacht. Zwar 
erklärte sich Kemäl Efendi bereit, den Hafen zu geben, aber 
dafür sollte Montenegro zur Pforte in ein solches Verhältnis treten, 
wie der Fürst von Serbien, und das wollte das Volk nicht.) 

59. Tod des Ffirsten Danilo. (1860.) 

Wer weißy wie alles geendet hätte, wenn nicht plötzlich ein 
Ereignis eingetreten wäre, das mancher Regierung sehr erwünscht 
kam >): die Ermordung des Fürsten! 

Fürst Danilo und seine Gattin Darinka waren im August 
1860 nach Prcanj in den Bocche gegangen, um dort die Seebäder 
zu gebrauchen. Als sie am Abend des 13. August im Boote nach 
Kotor zurückfuhren, stand dort an der Riva der Montenegriner 
Eati<5, ein persönlicher Feind des Fürsten, der ihn verbannt 
hatte; er war verkleidet nach Kotor gekommen. Zwar wurde er 
von den österreichischen Behörden erkannt, aber unbehelligt 
gelassen. Der Fürst wollte eben aus dem Boote steigen (es war 
10 Uhr abends), als Kati<5 eine Pistole aus nächster Nähe auf ihn 
abfeuerte, so daß er tödlich getroffen seiner Gbittin in die Arme 
sank. Der herbeigerufene Arzt wußte sich nicht zu helfen, und 
als der Leibarzt Tedeschi kam, sagte ihm Danilo, der seine 



1) Auf meinen Bat nämlich sehlng Font Nikola als Ausir^ ror^ 
Bar für alle Kriegsschiffe su Bchlieften and Österreich die 
Seepolisei su gestatten, was die Abtretung von Spii an Ostenreich 
in sich schloft und letsteres beweg, in die Einverleibong Ton Bar in Mon- 
tenegro SU willigen. Und da letsteres später auch Ulcin infolge meiner 
VorsteUiuigen bei G lade tone erhielt (siehe Seite 32 mdnes ^^Ffirsten- 
tum Albanien^'), haben die Montenegriner ihren gansen Küstenbesita 
mir SU Tcrdsnken. 

2) Geradeso wie 1868 die Ermordung des Forsten Mihail tou Ser- 
bien eben sur Zeit, als er im Begriff stand, mit der Pforte eine Oberein- 
konft sa nnterzeiehnen, nach welcher er gegen dreimal höheren Tribat 
Bosnien und die Hercegovina erhalten hStte! („Der starb eaeb 
sehr gelegen!**) 



Tod des Fürsten Daiulo. 461 

Fassung nicht verloren hatte: ,, Schneide mir die Kugel einfach^ 
heraus M' Aber der Arzt sagte, nachdem er die Wunde unter- 
sucht hatte: „Es ist zu spät, Sie müssen sterben, Hoheit !'' Und 
er hatte leider recht, denn der Fürst yerschied am folgenden 
Morgen. 

Etwas abweichend in den Einzelheiten schilderte den Vorgang 
der Ermordung ein Augenzeuge (vielleicht Karl Winter?) anläß- 
lich des am 15. Februar 1892 zu Venedig erfolgten Todes der 
Fürstin Darinka in einem Nachruf. Er schrieb: 

„Am Abend des 13. August 1860 war der Fürst Danilo mit 
der schönen Darinka aus Prcanj in Cattaro eingetroffen und das 
Festungskonunando hatte ihm ein% von Marine- Infanterie und Jägern 
bemannte Festungsbarke zur Überfahrt über den schmalen Golf 
nach Prcanj zur Verfügung gestellt. Der Festungskommandant 
Oberst Holzer und die PlatzofBziere Emerich von Berkoviz und 
Heinrich von Ciska geleiteten das Fürstenpaar über die Marina 
zum Landungsplatz. Eben reichte der Kadett der Marine-Infanterie 
Karl Winter der Fürstin Darinka die Hand, um ihr beim Ein- 
steigen behilflich zu sein, als in allernächster Nähe ein Schuß 
krachte und die junge Fürstin ohnmächtig auf die Ruderbank 
sank. Danilo aber fuhr mit beiden Händen nach dem Rücken 
und rief: , Jemand hat mich ermordet!' Im nächsten Augenblick 
brach er zusammen und sein Blut rötete die Steinfliesen des Molo. 
Ein Augenblick grenzenloser Verwirrung folgte, welche sich der 
Mörder zunutze machte, indem er die Schußwaffe, eine österreichische 
Kavalleriepistole, wegwarf und im Gbwühle verschwand. Aber 
ein Perjanik aus der Umgebung des Fürsten hatte ihn erkannt 
und eine Stunde später war der Attentäter, der sich Toso Kadi<5 
nannte, wohlgefesselt im Stockhause von Cattaro. Noch in derselben 
Nacht hauchte Danilo seine Seele aus. Er war ein Opfer der 
landesüblichen Blutrache geworden, denn auf seinen Befehl hatte 
man drei Jahre firüher Tosos Bruder erschossen. Wenige Wochen 
«f&tor führte man einen armen Sünder hinaus aus den Mauern 
von Cattaro auf der Straße nach Skaljari, wo der Ghdgen auf- 
gerichtet war. Dort waltete der Scharfrichter seines furchtbaren 
Amtes an einem Sprossen der früheren Guvematurenfamilie der 

Radonjiö.^' 

29* 



4S8 Dreuehnter Zeitnuun. 

Darinka ließ die Leiche noch in der Nacht nach Cetinje 
bringen, wo sich der Senat versammelte und Mirkos Sohn, 
also Danilos Neffen Nikola zum Fürsten ausrie£ Denn 
nach der Verfassung konnte die Elrbfolge nnr in mftnnlicher Linie 
geschehen und Danilo hatte nnr meine am 19. Mfirz 1859 gebome 
Base Olga hinterlassen, deren Taoipate Napoleon IIL war. 

Danilo hatte nicht die blendende äußere Erscheinung seines 
Vorgängers gehabt, wohl aber ungewöhnliche Eörperkräfte, die er 
oft zur Schau trug. König Nikola selbst erzählte mir, wie 
Danilo aber gegen meinen noch herkulischeren Vater den kür- 
zeren zog. Nikola war nämlich einmal mit Danilo zu meinem 
Vater geladen, und als von Eöiperkräften die Rede war, zeigte 
mein Vater einen fÜBenstock mit der Frage, wer von den Gästen 
ihn auf einen Hieb durchhauen könnte. Alle Montenegriner 
versuchten es vergeblich und schließlich erklärte es Danilo für 
eine Unmöglichkeit Mein Vater holte darauf aus seiner groß- 
artigen Waffensamndung eine prachtvolle Dreikönigsklinge (die ich 
später dem Fürsten Nikola schenkte, der sie auf mehr als 
6000 Frank schätzte) und spaltete mit dieser den Eisenstock auf 
einen Streich, ohne daß die Klinge schartig geworden wäre^). 

Danilo war bei seinem Volke im allgemeinen nicht be- 
liebt, weil er mit eiserner Strenge Zucht und Ordnung hielt 
Räuber und Diebe ließ er zu Hunderten erschießen, alle Ruhestörer 
und Ränkeschmiede verbannen. Allerdings gelang es ihm dadurch, 
im Lande eine solche Sicherheit hervorzurufen, daß man in den 
Bocche sagte, man könne in Montenegro an beliebigen Stellen 
Geld auf die Wege legen, ohne befurchten zu müssen, daß jemand 



1) Mein Vater machte übrigens noch andere derartige Krsf^roben: 
einmal kroch er unter den Bauch seines Pferdes und hob dieses in die 
Hohe, ein andermal verbog er einen Vereinstaler mit den Fingern und ein 
drittes Bial fehlte nicht riel, daft ein Biatrose tot geblieben wäre, als er 
ihm wegen Ungehorsams einen (nach seinem Begriffe) „leichten*' Schlag 
gegeben hatte. For sdne Tatkraft sprechen übrigens aach awei Ereignisse: 
einmal bändigte er ganz allein die meuternde Besatzung eines seiner Schiffo, 
und ein anderes Mal zwang er den Kapitän eines Schifies (auf dem er selbst 
nur Reisender war!), der ein anderes in den Gnmd gebohrt hatte und 
das Weite suchen wollte, dorch die Drohung, ihn ins Wasser zu werfen, zum 
Anhalten und zur Bettung der sinkenden Besatzung. 



Tod des Fürsten Danilo. 46S 

68 wagen würde, es zu nehmen. Wenn Fürst Nikola dann auf 
dem Wege der Zivilisierang so leicht und sicher fortschreiten 
konnte, so hatte er dies der Vorarbeit seines Vorgängers zu ver- 
danken, der als erster den störrischen Sinn der Montenegriner ge* 
brechen und sie zum Steaerzahlen angehalten hatte ^). 



1) £0 mag noch erwähnt werden, dafi Danilo 1860 sowohl eine 
neue Bachdmckerei mit modemer Einrichtung beschaffte (die Lettern der 
alten hatte er 1853 zu FUntenkngeln einschmelsen lassen), als auch die 
Cetinjer Schale erweiterte, 80 Stiftplätze errichtete und für gute Lehr- 
kräfte Borg^. 



Vierzehnter Zeitraum. 



60. Montenegro unter dem Ffirsten bzw. König Nikola. 

(1860—1914.) 

Der neue Fürst, Nikola, war kaum 19 Jahre alt, als er 
den Thron bestiegy denn er wurde am 7. Oktober n. St 1841 in 
NjeguS geboren. Er sah sich also in noch jungen Jahren sehr 
schwierigen Verhältnissen gegenüber und schon im nächsten Jahre 
in einen Krieg yerwickelt (1862), in welchem Montenegro auf 
drei Seiten von fast 100000 Türken angegriffen wurde, die vom 
berühmten Omar Paää geführt waren, während Montenegro 
nur 17000 Mann mit 10 Kanonen besaß. Trotzdem hielten die 
Montenegriner durch 5 Monate in 8 Feldschlachten und 60 Ge- 
fechten siegreich stand; ja in der Schlacht bei Zagaraö erlagen 
50000 Türken den viermal schwächeren Montenegrinern, die auch 
bei Kokoti sich mit unsterblichem Ruhm bedeckten. Erst nach- 
dem die Türken 40 000 Mann verloren hatten, konnte 
Omar Paää bis Rijeka vordringen und Montenegro, erschöpft, 
entschloß sich zu einem nachteiligen Frieden. 

In der nun folgenden Friedenszeit vollendete Fürst Nikola 
das von seinen drei großen Vorgängern begonnene Kulturwerk. 
Er ist es, welcher aus dem beim Tode des Fürsten Danilo immer- 
hin noch unkultivierten Montenegro ein Land gemacht hat, das 
— in Anbetracht seiner Armut und Unwirtlichkeit und der un- 
zulänglichen zur Verfügung stehenden Geldmittel — heute so da- 
steht, daß es Ehre aufhebt. Schon 1877 hatte es ganz bedeutende 
Fortschritte gemacht, wie der Leser aus meinem damals erschienenen 
Werke „Montenegro und die Montenegriner'^ ersehen mag. 
Daß ich die militärischen Operationen des Fürsten damals 



Montenegro unter dem Fürsten bzw. König Nikola. 455 

einer herben Kritik unterzog , ist vom militärischen Standpunkt 
aus begreiflich^ aber das hinderte mich niemals, die großen Ver- 
dienste anzuerkennen y welche sich Fürst Nikola um die kul- 
turelle Hebung seines Landes erwarb und die ihm ewigen Ruhm 
eintragen werden. Das heutige Montenegro ist sein Werk. Seine 
große diplomatische Klugheit (in der er alle seine Vorgänger über- 
trifft, die ausschließlich Gefühlspolitik trieben und deshalb beständig 
das Land schädigten) brachte es mit sich, daß er mehr erreichte 
als seine Vorgänger. So wie er 1866 mit Österreich Freundschaft 
gehalten hatte (siehe S. 438), ebenso auch 1869, als es ihm ein 
leichtes gewesen wäre, die Bocche zu besetzen (siehe S. 400) und 
damit einen Kriog zu entfesseln, in den Rußland und wohl auch 
ItaUen verwickelt worden wären, dessen Ausgang aber immerhin 
zweifelhaft war. Das gute Einvernehmen mit Osterreich hinderte 
aber nicht die Pflege guter Beziehungen zu Rußland, obgleich 
auch diese manchmal getrübt wurden. So Anfang der siebziger 
Jabre, als dem Fürsten auf seine Anfrage, ob sein Besuch in Ruß- 
land willkommen wäre, kühl geantwortet wurde: „Jeder mit einem 
Passe versehene anständige Mensch darf nach Rußland kommen.'^ 
Die Beziehungen waren natürlich sehr schwankend, denn ein Jahr- 
zehnt später wurde Montenegro wieder von Rußland als „dessen 
einziger Freund '^ gefeiert. 

Des Fürsten Nikola Plan war stets auf Einigung aller 
Serben gerichtet, und er glaubte nach der Ermordung des 
Fürsten Mihail, daß nunmehr Montenegro die Rolle des ser- 
bischen Piemont spielen werde. Aber dazu war es zu klein. 
Nachdem schon 1874 wegen der hinterlistigen Ermordung von 
22 Montenegrinern auf dem Markt von Podgorica ein Krieg ge- 
droht hatte, brach 1875 der Aufstand in der Hercegovina aus, 
den der Fürst natürlich heimlich unterstützte. Ich riet damals 
zum Losschlagen; aber Serbien war noch nicht bereit, und so 
kam das Jahr 1876 heran, das endlich den gemeinsamen Krieg 
brachte. 

Wie der Krieg verlief, mag man in meinem dreibändigen 
„Turko-Montenegrinischen Krieg 1876 — 1878" nach- 
lesen. In diesem Eoieg verloren die Türken in 12 Schlachteni 
10 Treffen, 27 größeren, 26 kleineren Gefechten und einem 



4S6 Vienehnter Zeitraam. 

Datsend Scharmützel 103485 Mann (51692 Tote, 41353 Ver- 
wundete, 10440 GefiEuagene), nicht gerechnet 50000 an Wunden 
und Krankheiten Gestorbene. Außerdem 4250 Pferde, 4300 Maul- 
tiere, 136 Geschütze, 168 Fahnen, 2 Eriegsdampfer, 2 Trans- 
portschiffe und ungeheure Mengen Schießbedarf und Vorräte. 

Die Montenegriner bezahlten ihre Siege mit dem Verlust von 
9485 Mann (2972 Tote, 6513 Verwundete, 2 Ge&ngene), was fast 
einem Drittel ihrer ganzen Streitkräfte entspracL 

Nach dem Kriege setzte der Fürst sein Kulturwerk fort. 
Jetzt hatten sich die Verhältnisse so geändert, daß Montenegro 
verhältnismäßig bedeutenden Gebietszuwachs und den ersehnten 
Hafen erhalten hatte, anderseits auch in das europäische Konzert 
eingetreten war, indem es ständige diplomatische Vertreter in Ce- 
tinje sah und im Ausland unterhielt ^), allein alle Neuerungen und 
Hebungen kosteten viel Geld, und selbst die Erhöhung der russi- 
schen Hilfsgelder genügte nicht. Gerade die fruchtbaren Ebenen 
längs dem Skodra-See (die von den faulen Albanesen nur als 
Viehweiden benutzt werden und, bebaut, halb Montenegro er« 
nähren könnten) wurden Montenegro 1878 ebenso versagt, wie 
1913, wo es sich infolge Eroberung im tatsächlichen Besitz der- 
selben befand. Österreich hätte damals eine treffliche 
Gelegenheit gehabt, mit Montenegro in Beziehungen 
zu treten, die auf dessen Haltung bei den künftigen 
Ereignissen für Österreich von größter Wichtigkeit 
gewesen wären. Es brauchte nur zuzugeben, daß Montenegro 
die eroberten Gebiete behielt, also das Maljisorengebiet (das sich 
ohnehin damals freiwillig an Montenegro angeschlossen hatte!) 
mit dem Drin und Mat als Grenze- (wonach also Skodra und Ljeä, 
sowie die ganze fruchtbare Umgebung des §kodra-Sees montene- 
grinisch geworden wären) unter der Bedingung, daß Montenegro 
einen Vertrag abschließe, welcher Österreich nicht nur die Vor- 



1) Am 20. Januar 1879 wurde mir durch den in Wien weilenden 'Mi- 
nister MaSo Vrbica namens des Fürsten die Stelle des ersten montene- 
griniBchen Minister-Residenten an den europäischen Höfen angetragen, doch 
scheiterten die Verhandlungen an der Unmöglichkeit, eine yorherige Aus- 
söhnung swischen dem Ffirsten und mir in einer beide Teile befriedigen- 
den Weise herbeisuftihren. 



Montenegro unter dem Fürsten bzw. König Nikola. 457 

heiTBchaft seiner Industrie und seines Handels im Lande yerbürgt 
hätte y sondern auch die tätige Hilfe Montenegros bei einem An- 
griffe Italiens und die Neutralität in einem Kriege mit Rußland. 
Das wären dann ganz andere Erfolge gewesen als jene, auf 
die sich Graf Berchtold so viel zugute tut und deren Lächer- 
lichkeit sich heute in Albanien auf so schmähliche Weise zeigt! 
Aber gibt es denn einen Einsichtsvollen, der die österreichi- 
sche Balkanpolitik vernünftig und flLr Österreich vorteil- 
haft findet? 

Der Umbildung des Heeres nach europäischem Muster durch 
Neubewaffhung und Ausbildung mit russischer Hilfe (wobei auch 
seine Uniformierung nach russischem Muster an Stelle der natio- 
nalen Tracht trat) widmete Fürst Nikola große Sorgfalt. Und 
als Montenegro derart in jeder Beziehung ein neues Land ge- 
worden war, erschien es bereif lieh, daß dies durch Erhebung des 
Landes zum Königreich am 15./28. August 1910 zum äußer- 
lichen Ausdruck gebracht wurde. Schon vorher (6./19- Dezember 
1905) war der Fürst so weit gegangen, freiwillig auf seine ab- 
solute Macht zu verzichten und dem Lande eine Verfassung zu 
geben. Die Skupätina besteht danach aus 61 nach dem allgemeinen 
Wahlrecht gewählten Abgeordneten. 

. Den Höhepunkt des Triumphes erreichte und seinen Lohn 
erlangte dann König Nikola im letzten Türkenkrieg (1912 — 1913), 
welcher zugleich vermutlich alle Kämpfe mit den Türken abschließt. 
Er war zwar fbr Montenegro ebenfalls sieg- und ruhmvoll, aber 
er erheischte verhältnismäßig größere Opfer, weil die Montene- 
griner wie die Narren gegen von Maschinengewehren und SchneU- 
feuergeschützen verteidigte und durch Stacheldraht geschützte Be- 
festigungen anrannten, wie in meinem „Fürstentum Albanien'' 
S. 347 ff. zu lesen ist 

Daß auch diesmal die österreichische Politik in ihrer unseligen 
Verblendung sich Montenegro feindlich in den Weg stellte und 
es um die Früchte seiner Siege brachte, ist nur ein weiterer Be- 
weis der diplomatischen Schlauheit, wie ich sie auf S. 438 und oben 
beleuchtet habe. Denn es ist doch klar, daß freundschaftliche 
Beziehungen zwischen beiden Staaten für beide Teile am heil- 
samsten sind, während die systematische Anfeindung Montenegros 



468 Vienehnter Zeitrattm. 

im nächsten Krieg Österreichs gegen Rußland oder — Italien sich 
vielleicht noch bitter rächen könnte. 

Ich habe wegen der Beschränktheit des mir zur Verfugung 
stehenden Raumes den vierzehnten Zeitraum nur flüchtig behan- 
delty denn er allein würde schon einen zweiten gleichstarken 
Band erfordern. Ein solcher ist aber allerdings sowohl von mir 
wie von der Verlagshandlung für eine spätere Zeit in Aussicht 
genommen. 



I^achträge und Berichttgongen. 



Za Seite 2. Im Mittelalter wird der Name „Albanesen*^ erst im 
11. Jahrhundert von Michail Attaliatis wieder erwähnt. 

Seite 8 Zeile 6 y. u. lies Rhizon statt Rhison. 

Seite 6 Zeile 6 y. o. lies Genthios statt Oentios. 

Za Seite 89. Außer DynThachion erhielt Manfred auch noch Avlona 
und Beb'grad zur Mitgift. 

Zu Seite 40. Beligrad fiel 1274 in die Hände der Byzantiner. König 
Karl gab als erster seinen albanischen Besitzungen den Titel eines „König- 
reichs Albanien *^ 

Zu Seite 41, Die Byzantiner nahmen DynThachion 1295 und verloren 
es 1296 an UroS. 

Zu Seite 45. Kurz vor 1325 begannen die albanischen Bergbewohner * 
mit ihren Familien in die Ebenen herabzusteigen und südwärts zu ziehen. 
Sie verwüsteten das offene Land und zwangen die Bewohner, sich in die 
festen Plätze zurückzuziehen. Erst 1330 wurden sie vom Kaiser Andronikos 
in ihre Berge zurückgejagt, nachdem sie die Umgebungen von Avlona und 
Beligrad verheert hatten. 

Zu Seite 49. Fußnote ist zu streichen. Progon war einDukadzin. 

Zu Seite 60. Balsa bekam durch seine Heirat mit der Komita Musa- 
kina Avlona und Beligrad als Mitgift. 

Seite 60 Zeile 14 v. o. lies I. statt II. 

Zu Seite 6a Dra5 befand sich 1379 im Besitz des Herzogs Robert 
Ton Ar toi 6. 

Seite 68 Zeile 12 v. o. lies Chalkondylas statt Chalkondylis. 

Zu Seite 69. Bezüglich der Angabe des Leunclavio sei bemerkt, daß 
offenbar eine Verwechslung mit Gjorgje Topija, Sohn des Karl Topija, 
vorliegt. Man vergleiche den Stammbaum der Kastriota. 

Zu Seite 6L Jireiek behauptet, Qjuragj II. sei 1394 von den 
Türken gefangen und nur gegen Übergabe von Skadar freigelassen worden. 
Über diese GefEungenschaft , die mir höchst unwahrscheinlich scheint, habe 
ich sonst nirgends etwas erwähnt gefunden. Jireöek erzählt auch, daß dann 



46# NaehtrSge und Berichiigmigen. 

▼on 1393 bis 1395 der türkische Statthalter dahin (:= Falke) in Skadar^ 
DriTast und Sri saA, der Ton Gjaragj yertrieben wurde, worauf er Skadar 
den Venesianem yerkanfte. (Also 1395, was mit der Übergabe yon DriTast 
an Venedig 1395 stimmen würde.) Der erwähnte undatierte Brief des Gjuragj 
▼om 31. Mai dürfte dann im Jahre 1395 geschrieben sein. 

Zu Seit« 68. JireÖek erzählt, dafi in Beligrad und Aylona Erbe 
des Balda der Serbe Mrkfia wurde, welcher Sohn des 2arko (Meseri6) 
(1396 — 1414) war (also offenbar von des letzteren Gattin Todora, die in 
zweiter Ehe den Gjuragj I. Baldi6 heiratete) und der die Tochter 
des BalSa, Rugina, geheiratet hatte. Nach seinem Tod wollte die Witwe 
Bugina dieses Gebiet den Venezianem yerkaufsn, doch wurde sie 1417 yon 
den Türken yertrieben, die sofort in Aylona SchiflSB zu bauen begannen. Hier 
yerwechselt aber Jiretek oflEenbar Balda, Sohn des Payle yon Gora-Topija- 
und der Maria Zardari, und Vater der Bugina, mit dem Fürsten BalSa HL, 
der erst 1421 starb. 

Zu Seite 66. Im Frieden an der Bojana 1423 mufiten die Venezianer 
auch Budya den Serben überlassen. 

Zu Seite 69. Der in Zeile 7 y. o. erwähnte „Bruder*^ dürfte wohL 
mit Crnoje Badi6 identisch sein. Der in Zeile 18 y. o. genannte Stefan 
Cmojeyi6 ist der zweite dieses Namens, denn sein Oheim hiefi ebenso. 
Siehe Stammbaum der Cmojeyi^i. 

Zu Seite 70. Es scheint mir sicher, daß Crnoje Päd 16 und Senko- 
Radi6 nicht eine und dieselbe Person sind, sondern Vater und Sohn. 
Deshalb entfällt auch die yon mir Seite 72 unten ausgesprochene Möglichkeit^ 
dafi Stefan Sohn des lyanifi gewesen wäre. 

Seite 78 Zeile 16 y. o. lies Kyrsak statt Cursacus, und Zeile 17 
streiche „mit Vojsaya Eastriota, der Gattin des Musaki Topija**. 

Seite 74 Zeile 4 y. o. lies Nikola II. statt Lek. Ebenso Zeile 5, 
und ändere 1445 in 1444. In der Fußnote ändere 1421 in 1405. Bezüglich 
der Strez herrscht Verwirrung. Hopf macht lyo und Gojko BalSid 
zu Söhnen des Stefan Strez, welcher Vlajka Kastriota geheiratet 
hätte und Sohn des Gjuragj Baldiö gewesen wäre, eines Bastard» 
des Gjuragj I. Und Maria mit ihren zwei in Ungarn gestorbenen 
Brüdern wären Eonder dieses Gojko gewesen! (Vergleiche Stammbaum 
der BaUiöi.) 

Zu Seite 76. Die serbischen Küstenstädte wurden 1442 yon den 
Türken besetzt Vergeblich bemühte sich der Despot Gjuragj Bran- 
koyiö bis 1452, die Venezianer zu yertreiben. Ljeä war schon 1393 yon 
dem Dukadzin den Venezianem überlassen worden. — In der Fufinote lie» 
Baldig statt Kastriota. 

' Zu Seite 76. Jireöek erwähnt, dafi yon 1350 bis 1470 alle albani- 
«chen Urkunden in serbischer Sprache yerfaflt wurden, die albanischen 



Nachträge und Berichtigungen. 461 

Fürsten nur serbisch schrieben and die Bagosaner dem Kaiser Sigismond 
1484 mitteilten, er müsse Andrija Topija und anderen albanischen Fürsten 
serbisch schreiben, wenn diese es verstehen sollten. 

Seite 77 Zeile 8 y. o. lies „richtiger Kyrsak'* statt „vielleicht rich- 
tiger Corsachi^'. Nach Hopf wäre Hamsa mit Vrana Conte (Branilo) 
identisch, was entschieden falsch ist Vermutlich war er Sohn des Bepofi, 
bevor dieser Mönch wurde. Allerdings ist die Möglichkeit nicht aus- 
geschlossen, dafi er ein Sohn des Stanifia war, wenn nämlich nicht RepoS, 
sondern nur dieser mit Kosta und Gjorgje als G^eisel nach Stambul ge- 
kommen wäre. Denn sein Name wie der Umstand, dafi er Muhammedaner 
war, sprechen dafür, dafi er in Stambul geboren wurde. Sonderbar ist es, 
daß Jireöek, entgegen allen bisher bekannten Quellen, die Geiseln erst nach 
1422 liefern läßt, was höchst unwahrscheinlich ist. Pavle Kastriota soll 
nach Hopf nicht 1432, sondern erst 1442 gestorben sein, nach JireÖek 1437. 
Letzterer bemerkt über ihn, er wäre schon mächtig gewesen, hätte 2000 
Reiter besessen, wäre Ehrenbürger von Venedig und Ragusa gewesen, aber 
türkischer Vasall. Sein Gebiet habe von der Rüste beim Vorgebirge R6doni 
bis nach Debar gereicht. 

Zu Seite 78. Schon seit 1433 hatten die kleinen albanischen Fürsten 
unter den Arianiten, Musaki und Andrija Topija, erfolgreich gegen die 
Türken gekämpft und dadurch wahrscheinlich Kaiser Sigismund zum Zug 
gegen die Türken ermutigt. 

Was Moses Golem betrifft, so ersieht man aus dem Stammbaum, 
daB er eigentlich Musaki hiefi, ein Arianitis war, den Beinamen Kom- 
ninos führte und nicht Skanderbegs Schwager war, sondern die geschiedene 
Suina Musaki heiratete. 

Zu Seite 8L Während Skanderbeg Venedig bekriegte, setzte die Re- 
publik einen Preis auf seinen Kopf. 

Zu Seite 88. Über den Stammbaum der Span herrscht grofie Ver- 
wimmg. Jener bei Hopf stimmt durchaus nicht mit anderen Angaben und 
jenen des Despoten Musaki. Danach hätte Aleksejs Vater Mihail ge- 
heißen, und sein Bruder wäre Nikola gewesen, der sich 1442 gegen Venedig 
empörte und erst 1454 wieder eingesetzt wurde. Andrija wäre Aleksejs 
Bruder gewesen. Marino Span wird von Hopf Martine genannt und als 
Bruder des Aleksej und des Andrija bezeichnet 

Zu Seite 97. Nach Jireöek hätte Skanderbeg nicht 8000, sondern 
nur 3000 Mann nach Neapel geführt. 

Zu Seite lOL Jireöek erzählt, dafi der Sultan erst damals Elbas an 
gegründet habe, das ursprünglich Novigrad, Neokastron und Terranuova 
genannt wurde (serbisch, griechisch und italienisch für „Neustadt**, „Neu- 
burg*', „Neuland*'), wobei es aber sonderbar erscheint, dafi die Stadt dann 
nicht den türkischen Namen „JeniSeh^r** erhielt, was „Neustadt" ent- 
sprechen würde; oder Jen{-Hisär = „Neuburg**, bzw. Jeni-Rarä =» 



462 Nachträge und Berichtigungeo. 

„ Neuland *^ Und ich erinnere mich auch, irgendwo gelesen zu hahen, dal^ 
die Stadt früher Bassania genannt wurde. 

Zu Seite 104. Mit den albanischen Führern wanderten auch viele 
andere Albanesen nach Italien aus. Die Auswanderung hatte übrigens schon 
1450 begonnen und dauerte bis 1744, als die Bewohner Ton Chimara kamen. 
1886 gab es in Süditalien schon 1%768 Albanesen in 79 Gemeinden. Es 
scheint aber, da£ die wenigsten davon Nachkommen der Kampfgenossen 
Skanderbegs sind, weil sie toskisch reden. Es ist somit viel wahrschein- 
licher, da£ sie von jenen Tosken abstammen, die im 16. Jahrhundert an» 
Griechenland kamen, sowie von den albanischen Söldnern, namentlich den 
Stradioten. 

Zu Seite 107. Jireiek nennt den Verteidiger von Kruja Giacomo 
da Mosto. 






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